Max Weber-Gesamtausgabe, Band I/13: Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik: Schriften und Reden 1895-1920 3161534328, 9783161534324

Der Band enthält |ber 100 Äusserungen Max Webers zum Hochschulwesen und zur Wissenschaftspolitik. Er dokumentiert seine

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Max Weber-Gesamtausgabe, Band I/13: Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik: Schriften und Reden 1895-1920
 3161534328, 9783161534324

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
Einleitung
I. Schriften und Reden
I a. Zu Wissenschaft, Universität und außeruniversitärer Forschung
Die volkswirtschaftlichen Fächer [an der Universität Heidelberg]
[Zur Verteidigung Friedrich Naumanns]
[Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann]
Conzept der Erklärung [zu Gustav Schmollers „Offenem Brief“]
[Der „Fall Bernhard“]
[Zum „Fall Bernhard“]
[Der „Fall Bernhard“ und Professor Harnack]
[Der „Fall Bernhard“ und Professor Delbrück]
[Glückwunschadresse Gustav Schmoller]
[Die sogenannte „Lehrfreiheit“ an den deutschen Universitäten]
[Sozialdemokraten im academischen Lehramt]
[Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten]
Die Lehrfreiheit der Universitäten
Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchungdes Zeitungswesens
[Über Ausrichtung und Vorgehen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie]
[Rezension von: Franz Eulenburg, Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren]
[Zum Hochschullehrertage]
[Professor Ehrenberg]
[Die Auslese für den akademischen Beruf]
Antrag auf Statutenänderung [der Deutschen Gesellschaft für Soziologie]
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie
Vorbericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens
Vorläufiger Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik
[Zur Affäre Dr. Ruge I]
[Zur Affäre Dr. Ruge II]
[Entwurf einer Geschäftsordnung für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie]
[Tischrede auf der Hochzeit von Dora Busch, geb. Jellinek, am 21. März 1911]
[Geschäftsbericht der Deutschen Gesellschaft für Soziologie]
[Ein Votum zur Universitätsfrage]
[Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag zu Dresden]
[Über das „System Althoff“]
[Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung]
[Die preußische Unterrichtsverwaltung]
[Über das „System Althoff“]
[Das „System Althoff“]
[Noch einmal die Erklärungen]
[Denkschrift an die Handelshochschulen]
[Nochmals das „System Althoff“]
[Noch einmal das „System Althoff“]
[Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen]
Rechenschaftsbericht für die abgelaufenen beiden Jahre
Redaktionelles Nachwort [zu Arthur Salz]
Erklärung [zu Paul Sanders Äußerung]
[Eine Erklärung zur Affäre Salz-Sander]
Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S. 539 f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag
Zur Erklärung der Prager Rechts‑ und Staatswissenschaftlichen Fakultät Bd. 39, S. 567
[Eine katholische Universität in Salzburg]
[Das Gymnasium und die neue Zeit]
I b. Promotionen und Habilitationen
Freiburg
[Promotionsgutachten Victor Daudert]
[Promotionsgutachten Oscar Münsterberg]
[Verlängerungsgesuch Victor Daudert]
[Promotionsgutachten Franz Rickert]
[Verlängerungsgesuch Gustav Hecht]
[Habilitationsgutachten Heinrich Sieveking]
[Promotionsgutachten Robert Liefmann]
[Antrag auf Herabsetzung der Dissertations-Pflichtexemplare von Robert Liefmann]
Heidelberg
[Promotionsgutachten Heinrich Oppenheimer]
[Promotionsgutachten Adolf Tienken]
[Habilitationsgutachten Robert Schachner]
[Promotionsgutachten Karl Breinlinger]
München
[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Anton Bunk]
[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Hermann Koch]
[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Eugen Weiß]
[Promotionsgutachten Wilhelm Mattes]
I c. Stellungnahmen zu universitären Struktur- und Berufungsfragen
Freiburg
[Antrag zur Erhöhung des Budgets für das Kameralistische Seminar Freiburg]
[Gutachten über die Errichtung eines Seminars für Versicherungswissenschaft in Freiburg]
[Separatvotum betreffend die Besetzung des philosophischen Ordinariates]
Die Wiederbesetzung des erledigten Nationalökonomischen Ordinariats betr.
Heidelberg
[Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg]
[Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim]
[Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg]
[Gutachten] betrifft: Beförderung des Herrn Dr. Kindermann
Wien
[Gutachten für die Juristische Fakultät der Universität Wien]
München
[Zur Angelegenheit Dr. Salz]
[Sondergutachten Dr. Salz]
Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, hier betr. die Vorschläge für die Besetzung des nat[ional]ök[onomischen] Lehrstuhls
[Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur I]
[Entwurf einer Stellungnahme der Universität München Dr. Salz betr.]
[Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur II]
I d. Stellungnahmen zu Fakultätsangelegenheiten
Heidelberg
[Befreiung Adolf Lugers von der Zahlung des Kolleggeldes]
[Antrag zur Änderung der Habilitationsordnung]
München
[Semester- und Ferieneinteilung an den Hochschulen]
[Drucklegung von Dissertationen I]
[Zwischensemester 1919/20]
[Unterrichtsveranstaltungen im Zwischensemester]
[Drucklegung von Dissertationen II]
[Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät I]
[Prüfungsvertretung für Moritz Julius Bonn]
[Lehrauftrag für Arbeitsrecht]
[Stipendienprüfungen]
[Reform der Juristischen Abschlußprüfungen]
[Konferenz in Halle zur Reform des juristischen Universitätsunterrichts]
[Lehraufträge für Landwirtschaft, insbesondere Alm- und Weidewirtschaftan der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München]
[Studium der Finanzwissenschaft und des Steuerrechts]
[Zu den Vorschlägen Johann Plenges zur Ausgestaltung des volkswirtschaftlichen Unterrichts]
[Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät II]
II. Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge
II a. Universitäten
Freiburg
[Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philosophischenan die Juristische Fakultät sowie auf Beförderung von G. von Schulze-Gaevernitz I]
[Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philosophischenan die Juristische Fakultät sowie auf Beförderung von G. von Schulze-Gaevernitz II]
München
[Unruhen in der Universität München]
II b. Verein für Socialpolitik
[Künftige Arbeiten des Vereins]
[Die Satzung des Vereins, Arbeitsgebiete und Themen der nächsten Generalversammlung]
[Die geistige Arbeit in der Großindustrie]
[Die Produktivität der Volkswirtschaft, das Berufsschicksal der Privatbeamten]
[Die Reorganisation der preußischen Verwaltung]
[Preußische Verwaltungsreform, Arbeiter in der Großindustrie]
[Waren- und Geldpreise, Wirkungen der Getreidezölle]
[Akten der Unfallversicherungsgenossenschaften]
II c. Badische Historische Kommission
[Publikationen und Finanzen der Badischen Historischen Kommission]
II d. Hochschullehrertag
[Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten]
[Die Auslese für den akademischen Beruf]
[Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen]
II e. Deutsche Gesellschaft für Soziologie
[Satzung, Geschäftsbericht, Rechner]
[Einrichtung einer Sektion für Gesellschaftsbiologie]
[Änderung des Statuts]
Anhang I: Mitunterzeichnete Aufrufe
Einladung zur Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Einladung zum Beitritt
[Spendenaufruf für eine Büste Otto von Gierkes zu dessen 70. Geburtstag]
Deutsches Zeitungs-Archiv [Einladung zur Subscription I]
[Spendenaufruf für ein Porträt Georg Friedrich Knapps zu dessen 70. Geburtstag]
[Glückwunschadresse zum 70. Geburtstag von Georg Friedrich Knapp]
Deutsches Zeitungs-Archiv [Einladung zur Subskription II]
Aufruf [zum Erhalt eines Lehrstuhls für Systematische Philosophie an der Universität Marburg]
Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 1909–1910
1. Berliner Statut (Januar 1909)
2. Leipziger Statut (Oktober 1909)
3. Frankfurter Statut (Oktober 1910)
Verzeichnisse und Register
Personenverzeichnis
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
Personenregister
Sachregister
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden
Bandfolge der Abteilung II: Briefe
Bandfolge der Abteilung III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften

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Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von

Horst Baier, Gangolf Hübinger, M. Rainer Lepsius †, Wolfgang J. Mommsen †, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann † Abteilung I: Schriften und Reden

Band 13

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Max Weber Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik Schriften und Reden 1895–1920

Herausgegeben von

M. Rainer Lepsius und Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit

Heide-Marie Lauterer und Anne Munding

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Redaktion: Ursula Bube-Wirag – Edith Hanke – Anne Munding Die Herausgeberarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Land Baden-Württemberg und dem Freistaat Bayern gefördert.

ISBN 978-3-16-153432-4 Leinen / eISBN 978-3-16-157759-8 unveränderte ebook-Ausgabe 2019 ISBN 978-3-16-153434-8 Hldr Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer-tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungs beständiges Werkdruckpapier gedruckt. Den Einband besorgte die Großbuchbinderei Josef Spinner in Ottersweier.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV Siglen, Zeichen, Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

I. Schriften und Reden I a. Zu Wissenschaft, Universität und außeruniversitärer Forschung Die volkswirtschaftlichen Fächer an der Universität Heidelberg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Zur Verteidigung Friedrich Naumanns Diskussionsbeiträge auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik in Mannheim am 28. September 1905 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann Zuschrift vom 30. September 1905 an die Frankfurter Zeitung zusammen mit Eberhard Gothein und Alfred Weber Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Conzept der Erklärung zu Gustav Schmollers „Offenem Brief“ Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

VI

Inhaltsverzeichnis

Der „Fall Bernhard“ Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 18. Juni 1908 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Zum „Fall Bernhard“ Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 22. Juni 1908 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Der „Fall Bernhard“ und Professor Harnack Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 24. Juni 1908 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Der „Fall Bernhard“ und Professor Delbrück Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 10. Juli 1908 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Glückwunschadresse Gustav Schmoller Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Die sogenannte „Lehrfreiheit“ an den deutschen Universitäten Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 20. September 1908 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Sozialdemokraten im academischen Lehramt Zuschrift an die Hochschul-Nachrichten, November 1908 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten Diskussionsbeiträge auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag in Jena am 28. September 1908 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Inhaltsverzeichnis

VII

Die Lehrfreiheit der Universitäten Zuschrift an die Hochschul-Nachrichten, Januar 1909 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Unter­suchung des Zeitungswesens Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Über Ausrichtung und Vorgehen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Rezension von: Franz Eulenburg, Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Zum Hochschullehrertage Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 19. Oktober 1909 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Professor Ehrenberg Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 20. Oktober 1909 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Die Auslese für den akademischen Beruf Diskussionsbeiträge auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

Antrag auf Statutenänderung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

VIII

Inhaltsverzeichnis

Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie Unter Mitarbeit von Hermann Beck Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

Vorbericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Vorläufiger Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik Unter Mitarbeit von Eugen Würzburger Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Zur Affäre Dr. Ruge I Zuschrift an das Heidelberger Tageblatt, 9. Januar 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Zur Affäre Dr. Ruge II Zuschrift an das Heidelberger Tageblatt, 13. Januar 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Entwurf einer Geschäftsordnung für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Tischrede auf der Hochzeit von Dora Busch, geb. Jellinek, am 21. März 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Inhaltsverzeichnis

IX

Geschäftsbericht der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Rede auf dem Ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt am Main am 20. Oktober 1910 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Ein Votum zur Universitätsfrage Zuschrift an die Volksstimme, 26. Juni 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Deutscher Hochschullehrertag Zuschrift an die Heidelberger Zeitung, 20. Oktober 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag zu Dresden Zuschrift vom 20. Oktober 1911 an die Tägliche Rundschau Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Über das „System Althoff“ Zuschrift vom 25. Oktober 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung Zuschrift an das Berliner Tageblatt, 27. Oktober 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Die preußische Unterrichtsverwaltung Zuschrift an die Badische Landeszeitung, 28. Oktober 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

X

Inhaltsverzeichnis

Über das „System Althoff“ Zuschrift vom 1. November 1911 an die Nationalliberale Correspondenz Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

Das „System Althoff“ Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 2. November 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

Noch einmal die Erklärungen Zuschrift vom 6. November 1911 an die Nationalliberale Correspondenz Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

Denkschrift an die Handelshochschulen Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Nochmals das „System Althoff“ Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 10. November 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380

Noch einmal das „System Althoff“ Zuschrift vom 17. November 1911 an die Nationalliberale Correspondenz Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen Diskussionsbeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden am 13. Oktober 1911 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

Inhaltsverzeichnis

XI

Rechenschaftsbericht für die abgelaufenen beiden Jahre Rede auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag in Berlin am 21. Oktober 1912 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Redaktionelles Nachwort zu Arthur Salz Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

Erklärung zu Paul Sanders Äußerung Zuschrift an die Deutsche Literaturzeitung, 27. Juni 1914 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445

Eine Erklärung zur Affäre Salz-Sander Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 2. Juli 1914 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448

Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S.   539 f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452

Zur Erklärung der Prager Rechts‑ und Staatswissenschaftlichen Fakultät Bd.  39, S.   567 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496

Eine katholische Universität in Salzburg Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 10. Mai 1917 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

Das Gymnasium und die neue Zeit Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504

XII

Inhaltsverzeichnis

I b. Promotionen und Habilitationen

Freiburg Promotionsgutachten Victor Daudert Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510

Promotionsgutachten Oscar Münsterberg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512

Verlängerungsgesuch Victor Daudert Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

Promotionsgutachten Franz Rickert Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

Verlängerungsgesuch Gustav Hecht Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

Habilitationsgutachten Heinrich Sieveking Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524

Promotionsgutachten Robert Liefmann Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531

Antrag auf Herabsetzung der Dissertations-Pflichtexemplare von Robert Liefmann Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533

Inhaltsverzeichnis

XIII

Heidelberg Promotionsgutachten Heinrich Oppenheimer Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535

Promotionsgutachten Adolf Tienken Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538

Habilitationsgutachten Robert Schachner Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542

Promotionsgutachten Karl Breinlinger Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546

München Bemerkung zum Promotionsgesuch von Anton Bunk Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549

Bemerkung zum Promotionsgesuch von Hermann Koch Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

Bemerkung zum Promotionsgesuch von Eugen Weiß Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

Promotionsgutachten Wilhelm Mattes Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556

XIV

Inhaltsverzeichnis

I c. Stellungnahmen zu universitären Strukturund Berufungsfragen

Freiburg Antrag zur Erhöhung des Budgets für das Kameralistische Seminar Freiburg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562

Gutachten über die Errichtung eines Seminars für Versicherungswissenschaft in Freiburg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565

Separatvotum betreffend die Besetzung des philosophischen Ordinariates Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

Die Wiederbesetzung des erledigten Nationalökonomischen Ordinariats betr. Zusätze zum Entwurf des Dekans Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579

Heidelberg Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592

Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596

Inhaltsverzeichnis

XV

Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601

Gutachten betrifft: Beförderung des Herrn Dr. Kindermann Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603

Wien Gutachten für die Juristische Fakultät der Universität Wien Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608

München Zur Angelegenheit Dr. Salz Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621

Sondergutachten Dr. Salz Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624

Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, hier betr. die Vorschläge für die Besetzung des nationalökonomischen Lehrstuhls Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636

Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur I Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642

XVI

Inhaltsverzeichnis

Entwurf einer Stellungnahme der Universität München Dr. Salz betr. Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646

Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur II Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649

I d. Stellungnahmen zu Fakultätsangelegenheiten

Heidelberg Befreiung Adolf Lugers von der Zahlung des Kolleggeldes Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654

Antrag zur Änderung der Habilitationsordnung Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657

München Semester- und Ferieneinteilung an den Hochschulen Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660

Drucklegung von Dissertationen I Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663

Zwischensemester 1919/20 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667

Unterrichtsveranstaltungen im Zwischensemester Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669

Inhaltsverzeichnis

XVII

Drucklegung von Dissertationen II Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672

Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät I Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675

Prüfungsvertretung für Moritz Julius Bonn Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677

Lehrauftrag für Arbeitsrecht Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681

Stipendienprüfungen Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684

Reform der Juristischen Abschlußprüfungen Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686

Konferenz in Halle zur Reform des juristischen Universitäts­unterrichts Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688

Lehraufträge für Landwirtschaft, insbesondere Alm- und Weide­wirtschaft an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der ­Universität München Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691

Studium der Finanzwissenschaft und des Steuerrechts Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694

XVIII

Inhaltsverzeichnis

Zu den Vorschlägen Johann Plenges zur Ausgestaltung des volkswirtschaftlichen Unterrichts Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697

Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät II Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700

II. Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge II a. Universitäten

Freiburg Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philo­sophischen an die Juristische Fakultät sowie auf Beförderung von G. von Schulze-Gaevernitz I Redebeitrag auf der Sitzung der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. am 25. Juni 1895 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707

Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philo­sophischen an die Juristische Fakultät sowie auf Beförderung von G. von Schulze-Gaevernitz II Redebeiträge auf der Sitzung der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. am 28. Juni 1895 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709

München Unruhen in der Universität München Redebeiträge auf der außerordentlichen Sitzung des akademischen Senats der Universität München am 29. Januar 1920 Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715

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II b. Verein für Socialpolitik Künftige Arbeiten des Vereins Diskussionsbeiträge auf der Ersten Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 24. September 1905 in Mannheim Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728

Die Satzung des Vereins, Arbeitsgebiete und Themen der nächsten Generalversammlung Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732

Die geistige Arbeit in der Großindustrie Diskussionsbeitrag auf der Dritten Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 1. Oktober 1907 in Magdeburg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738

Die Produktivität der Volkswirtschaft, das Berufsschicksal der Privatbeamten Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 12. Oktober 1908 in Berlin Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741

Die Reorganisation der preußischen Verwaltung Diskussionsbeitrag auf der Sitzung des Unterausschusses des Vereins für Socialpolitik am 28. Dezember 1908 in Berlin Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745

Preußische Verwaltungsreform, Arbeiter in der Großindustrie Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 26. September 1909 in Wien Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748

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Waren- und Geldpreise, Wirkungen der Getreidezölle Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik am 15. Mai 1910 in Dresden Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752

Akten der Unfallversicherungsgenossenschaften Diskussionsbeitrag auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik am 4. Januar 1911 in Berlin Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757

II c. Badische Historische Kommission Publikationen und Finanzen der Badischen Historischen Kommission Redebeiträge auf der XXII. Plenarsitzung der Badischen Historischen Kommission am 6. und 7. November 1903 in Karlsruhe Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764

II d. Hochschullehrertag Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten Diskussionsbeiträge auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag am 28. September 1908 in Jena Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 Bericht des Berliner Tageblatts vom 29. September 1908 . . . . . . . . . . . . 774 Bericht der Münchner Neuesten Nachrichten vom 1. Oktober 1908 . . . 774

Die Auslese für den akademischen Beruf Diskussionsbeiträge auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag am 12. und 13. Oktober 1909 in Leipzig Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 Berichte des Berliner Tageblatts vom 12. und 13. Oktober 1909 . . . . . . 780 Bericht der Frankfurter Zeitung vom 14. Oktober 1909 . . . . . . . . . . . . . 785

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Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen Diskussionsbeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag am 13. Oktober 1911 in Dresden Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788 Bericht des Berliner Tageblatts vom 14. Oktober 1911 . . . . . . . . . . . . . . 790 Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Oktober 1911 . . . . . . . . . . . . 790

II e. Deutsche Gesellschaft für Soziologie Satzung, Geschäftsbericht, Rechner Diskussionsbeiträge auf der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 19. und 22. Oktober 1910 in Frankfurt am Main Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809

Einrichtung einer Sektion für Gesellschaftsbiologie Diskussionsbeitrag auf der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 21. Oktober 1910 in Frankfurt am Main Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813

Änderung des Statuts Diskussionsbeiträge auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 6. März 1911 in Heidelberg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815

Anhang I: Mitunterzeichnete Aufrufe Einladung zur Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821

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Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Einladung zum Beitritt Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824 Anhang zum Editorischen Bericht: Zusammenstellung soziologischer Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 828

Spendenaufruf für eine Büste Otto von Gierkes zu dessen 70. Geburtstag Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832

Deutsches Zeitungs-Archiv. Einladung zur Subscription I Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837

Spendenaufruf für ein Porträt Georg Friedrich Knapps zu dessen 70. Geburtstag Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842

Glückwunschadresse zum 70. Geburtstag von Georg Friedrich Knapp Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 845

Deutsches Zeitungs-Archiv. Einladung zur Subskription II Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 849

Aufruf zum Erhalt eines Lehrstuhls für Systematische Philosophie an der Universität Marburg Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 1909–1910 1. Berliner Statut (Januar 1909) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 2. Leipziger Statut (Oktober 1909) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 3. Frankfurter Statut (Oktober 1910) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864

Verzeichnisse und Register Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur . . . . . . . . . . 917 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937 Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 Bandfolge der Abteilung II: Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970 Bandfolge der Abteilung III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 971

Vorwort

Der vorliegende Band enthält über einhundert, teilweise bisher unbekannte Äußerungen Max Webers zum Hochschulwesen und zur Wissenschafts­ politik aus der Zeit von 1895 bis 1920. Er dokumentiert insbesondere seine Tätigkeit als Hochschullehrer an den Universitäten Freiburg, Heidelberg, Wien und München, seine Mitwirkung im Verein für Socialpolitik und bei der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie sowie seine Reden auf den Deutschen Hochschullehrertagen. Der Band zeigt Max Weber als einen engagierten Hochschullehrer und Wissenschaftspolitiker, dem die Zukunft der Universität und die Freiheit von Forschung und Lehre sehr am Herzen lagen. Obgleich er immer wieder damit liebäugelte, in die Politik zu gehen, blieb er doch bei der Wissenschaft. Er verstand sie nicht nur als Beruf, son­ dern auch als Berufung. Das machen die hier edierten Texte besonders deutlich. Sie zeigen, wie wichtig ihm die Verbindung von äußerer und innerer Gestalt der Wissenschaft, von Wissenschaft als Institution und Wissenschaft als Ethos, war. Die Edition des hier vorgelegten Bandes stand unter keinem guten Stern. M. Rainer Lepsius, der den Band als Herausgeber vor langer Zeit übernahm, arbeitete zunächst mehrere Jahre mit Heide-Marie Lauterer zusammen. Bei ihren intensiven Recherchen stellte sich heraus, daß das zu edierende Mate­ rial weit umfangreicher war, als zunächst gedacht. Zum großen Bedauern von M. Rainer Lepsius mußte Heide-Marie Lauterer mitten in der Edition ihre Arbeit aufgeben, weil sie schwer erkrankte. Zum Glück stand daraufhin Anne Munding aus der Redaktion der Max Weber-Gesamtausgabe in München für die Fortsetzung bereit. Sie arbeitete sich schnell in die neue Aufgabe ein und schloß kompetent die entstandene Lücke. Dann starb M. Rainer Lepisus am 2. Oktober 2014, zu einem Zeitpunkt als die Edition des Bandes noch nicht abgeschlossen war. Weder hatte er bis dahin alle zu edierenden Texte kontrolliert, noch stand die endgültige Gliederung des Bandes fest. Für die Einleitung gab es keine Vorarbeiten. Nach dem Tod von M. Rainer Lepsius mußte ich deshalb den Band übernehmen. Ich habe ihn, in Zusammenar­ beit mit Anne Munding und mit Unterstützung durch Brigitte Schluchter, auf der bis dahin geschaffenen Grundlage zu Ende geführt. Da ich sowohl den Aufbau als auch viele der Editorischen Berichte geändert und die Einleitung geschrieben habe, erscheint der Band auch unter meinem Namen. Es bleibt aber der Band von M. Rainer Lepsius. Sollte es Kritik an dieser Edition geben, so trifft sie mich, nicht ihn, der keinen Einfluß mehr auf die jetzt vorgelegte, endgültige Gestalt des Bandes hatte. Vielleicht hätte er das ein oder andere

XXVI

Vorwort

anders gemacht. Sicher ist, daß er diesen Band in der letzten Phase seines Lebens, obwohl seine Kräfte nachließen, dennoch zu Ende führen wollte. Das war ihm nicht vergönnt. Mein Dank gilt Heide-Marie Lauterer, die die Arbeit an diesem Band begann, und Anne Munding, die diese Arbeit zu Ende führte. Dank gebührt ferner: Peter Burger für die Textzusammenstellung, die Erstellung der Hö­rer­ listen zu Max Webers frühen Vorlesungen in Freiburg i. Br. und Heidelberg und die entsprechenden Nachlaßrecherchen; Oliver Grasmück und Anke Hoffstadt für die elektronische Erfassung der Editionstexte; Ingrid Pichler für die Kontrolle der Texterfassung und der Varianten sowie für die Erstellung des Personenregisters; Hannelore Chaluppa für die Überprüfung des Edi­ tionsmanuskripts, Manfred Schön und Diemut Moosmann für die Transkription von Webers handschriftlichen Texten und Kyra Schießl für ihre Mitarbeit bei den Recherchen. Um die Texte dieses Bandes zu erfassen, waren intensive Archivrecherchen erforderlich. Dafür bedurfte es der Fachkompetenz und der Hilfsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter folgender Archive und Bibliotheken: Verlagsarchiv Mohr Siebeck, Staatsbibliothek zu Berlin; Geheimes Staats­ archiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem; Universitätsarchiv Freiburg; Generallandesarchiv Karlsruhe; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München; Bayerische Staatsbibliothek München, Historisches Archiv der Technischen Universität München; Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München; Österreichisches Staatsarchiv Wien. Besonderer Dank gebührt in diesem Zusammenhang Dagmar Drüll-Zimmermann vom Universitätsarchiv Heidel­ berg und Kornelia Küchmeister von der Schleswig-Holsteinischen Landes­ bibliothek Kiel. Friedrich Wilhelm Graf und Gangolf Hübinger ist für die kritische Beurtei­ lung des Editionsmanuskripts zu danken. In den Händen von Edith Hanke lag die redaktionelle Begleitung des Bandes, die, wegen seiner Geschichte, eine ungewöhnliche Herausforderung darstellte, welche sie überzeugend bewäl­ tigte. Dafür danke ich ihr sehr. Heidelberg, im März 2016

Wolfgang Schluchter

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| Seitenwechsel > Textersetzung Max Webers 〈 〉 Von Max Weber gestrichene Textstelle [ ] Im edierten Text: Hinzufügung des Editors Im textkritischen Apparat: unsichere oder alternative Lesung im Bereich der von Max Weber getilgten oder geänderten Textstelle […] Auslassung des Editors [??] Ein oder mehrere Wörter nicht lesbar 1), 2), 3) Indices bei Anmerkungen Max Webers 1, 2, 3 Indices bei Sachanmerkungen des Editors A, B Siglen für die Textfassungen A 1, A 2 Edierte Textvorlage bei paralleler Überlieferung A(1), A(2) Siglen für parallel überlieferte Berichte von Reden oder Diskussionsbeiträgen A 1, A 2 Seitenzählung der Textvorlage a, b, c Indices für Varianten oder textkritische Anmerkungen a .  .  . a, b .  .  . b Beginn und Ende von Varianten oder Texteingriffen & und § Paragraph → siehe % Prozent = gleich; bedeutet a. a. O. am angeführten Ort Ab.Bl. Abendblatt Abg. Abgeordneter Abt. Abteilung a. D. außer Dienst a. d. S. an der Saale AFLE Archivio storico della Fondazione Luigi Einaudi AfSSp Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik AG Aktiengesellschaft Akad. Akademische Allg., Allge. Allgemeine a. M. am Main Anm. Anmerkung a. o. außerordentlich(er) AP Associated Press apl. außerplanmäßig a. Rh. am Rhein Art. Artikel a. S. an der Saale AStA Allgemeiner Studentenausschuß Aufl. Auflage

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Siglen, Zeichen, Abkürzungen

Aug. August AVA Allgemeines Verwaltungsarchiv A. Z. Allgemeine Zeitung BA Bundesarchiv BAdW Bayerische Akademie der Wissenschaften BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bd., Bde. Band, Bände bearb. bearbeitet bes. besonders betr. betreffend, betrifft bezügl. bezüglich bezw., bzw. beziehungsweise BGB Bürgerliches Gesetzbuch Bl. Blatt Boese, Verein Boese, Franz, Geschichte des Vereins für Sozialpolitik 1872– 1932 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 188). – Leipzig: Duncker & Humblot 1939 BSB Bayerische Staatsbibliothek BVP Bayerische Volkspartei bzw. beziehungsweise ca. circa Cand. Kandidat Cap. Kapitel cf. confer Cie., Comp. Compagnie D. Doktor der evangelischen Theologie DDP Deutsche Demokratische Partei DDR Deutsche Demokratische Republik dergl., dgl. dergleichen ders. derselbe Dez. Dezember DGS, D.G.S. Deutsche Gesellschaft für Soziologie d. h. das heißt d. i. das ist Diss. Dissertation d. J. des Jahres, dieses Jahres DLZ, D.L.Z., D.L.-Z. Deutsche Literaturzeitung d. M., ds. M., ds. Mts. des Monats, dieses Monat, dieses Monats D. Red. Die Redaktion Dr, Dr. Doktor Dr. jur. doctor iuris Dr. jur. utr. doctor iuris utriusque Dr. jur. et rer. pol. doctor juris et rerum politicarum Dr. med. doctor medicinae Dr. oec. publ. doctor oeconomiae publicae Dr. phil. doctor philosophiae Dr. rer. pol. doctor rerum politicarum Dr. theol. doctor theologiae

Siglen, Zeichen, Abkürzungen Dsgl. Desgleichen dt. deutsch(en) DtVP Deutsche Volkspartei ebd. ebenda eigentl. eigentlich erw. erweitert etc. et cetera e. V. eingetragener Verein ev., event., eventl., evt., eventuell  evtl. Ew. Euer excl. exclusive f. für f., ff. folgende Fak. Fakultät Fasc., Fasz. Faszikel Febr. Februar Fn. Fußnote franz., frz. französisch Frh., Frhr. Freiherr FZ, Frkf. Ztg. Frankfurter Zeitung g. a. E. ganz am Ende geb. geboren, geborene geb. gebunden gefl., gef. gefällige Geh. Geheimer ges. gesehen gez. gezeichnet GLA Generallandesarchiv GmbH, G.m.b.H. Gesellschaft mit beschränkter Haftung GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz HA Hauptabteilung HAG Handels-Aktien-Gesellschaft Hannov. Hannoverscher h. c. honoris causa HdStW Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 2. Aufl., hg. von Johannes Conrad, Ludwig Elster, Wilhelm Lexis, Edgar Loening, 7 Bände. – Jena: Gustav Fischer 1898–1909 hg., Hg. herausgegeben, Herausgeber Hr., Hrn. Herr, Herrn HT Hochschullehrertag Hwb. der Staatswiss. Handwörterbuch der Staatswissenschaften HWWA Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv HZ Historische Zeitschrift i. im

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i. B., i. Br. im Breisgau i. E. im Elsaß IHK Industrie- und Handelskammer incl. inclusive insbes. insbesondere Jahrh. Jahrhundert Jan. Januar JB Jahrbuch Jg. Jahrgang kg Kilogramm kgl. königlich K. K., K. k. Kaiserlich-Königlich Königl. Königliche(r) Koll. Kollege KPD Kommunistische Partei Deutschlands Ktn. Karton k. u. k. kaiserliche(r) und königliche(r) lat. lateinisch M. Max m. a. W. mit anderen Worten Mk., M. Mark masch. maschinenschriftlich MdprAH Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses MdprHH Mitglied des preußischen Herrenhauses MdprL Mitglied des preußischen Landtages MdR Mitglied des Reichstags m. E. meines Erachtens Misc. Miscellana MNN Münchner Neueste Nachrichten Mo.Bl., Mgbl. Morgenblatt Mt. Matthäus m. W. meines Wissens M. W. Max Weber MWG Max Weber-Gesamtausgabe (vgl. die Über sicht zu den Einzelbänden, unten S.  961–971) n. nach Nachm. Nachmittag Nat. Lib. Nationalliberale NB, NB. notabene N. F. Neue Folge Nl. Nachlaß No, Nr., No. Numero, Nummer N.N. Nomen Nescio Nordd. Allgem. Ztg., Norddeutsche Allgemeine Zeitung   Nordd. Allg. Zeitung Nov. November

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

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Orig. Original o. ordentlich(er) Okt. Oktober ÖStA Österreichisches Staatsarchiv o. V. ohne Verlag p. pagina, page PA Personalakten phil. philosophisch PK Preußischer Kulturbesitz pp. perge, perge preuß. preußisch PrJbb Preußische Jahrbücher Prof. Professor r recto (Blattvorderseite bei Archivpaginierung) Red. Redaktion Rep. Repositur rer. pol. rerum politicarum resp. respektive RVO Reichsversicherungsordnung s. siehe S. San S. Seite SBPK Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz SchmJb, Schmollers JB (Schmollers Jahrbuch) für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich Sekt. Sektion sen. senior Sept. September SHLB Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek sog., sogen. sogenannte, sogenannter SoSe, SS Sommersemester Sp. Spalte SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sr. Seiner St. Saint, Sankt StA Staatsarchiv Staatswiss. Staatswissenschaften s. u. siehe unten s. Z., s. Zt. seiner Zeit Tel. Telefon(nummer) TH Technische Hochschule Tit. Titel, Titulatur u. und u. a. und andere, und Andere, unter anderem, unter Anderem UA Universitätsarchiv UB, Univ.-Bibl. Universitätsbibliothek

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Siglen, Zeichen, Abkürzungen

u. dgl., u. dergl. und dergleichen u. E. unseres Erachtens Univ. Universität USA United States of America USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands usw., u.s.w. und so weiter u. U. unter Umständen v verso (Blattrückseite bei Archivpaginierung) v. von VA Verlagsarchiv v. a. vor allem v. Chr. vor Christus v. d. von den Verf. Verfasser Verhandlungen des II. HT Zweiter deutscher Hochschullehrertag zu Jena am 28. und 29. September 1908 (Bericht, erstattet vom engeren geschäfts­ führenden Ausschuß.), in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  146 vom 18. Dez. 1908, S.  628–639 Verhandlungen des III. HT Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages zu Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909. Bericht, erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß. – Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avena­ rius) 1910 Verhandlungen des IV. HT Verhandlungen des IV. Deutschen Hochschullehrertages zu Dresden am 12. und 13. Oktober 1911. Bericht, erstattet vom geschäftsführenden Ausschuß. – Leipzig: Verlag des Litera­ rischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avenarius) 1912 Verhandlungen DGS 1910 Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages vom 19.–22. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. Reden und Vorträge von Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Max Weber u. a. und Debatten. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1911 Verhandlungen DGS 1912 Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages vom 20.–22. Oktober 1912 in Berlin. Reden und Vorträge von Alfred Weber, Paul Barth u. a. und Debatten. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1913 Verhandlungen VfSp 1905 Verhandlungen der Generalversammlung in Mannheim, 25., 26., 27. und 28. September 1905 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 116). – Leipzig: Duncker & Humblot 1906 Verhandlungen VfSp 1909 Verhandlungen der Generalversammlung in Wien, 27., 28. und 29. September 1909 (Schriften des Vereins für Sozialpoli­ tik 132). – Leipzig: Duncker & Humblot 1910 VfSp, V.f.Soz.Pol. Verein für Sozialpolitik vgl., vergl. vergleiche v. J. vorigen Jahres Vol. Volume W. Weber W. West

Siglen, Zeichen, Abkürzungen Weber, Marianne,  Lebensbild3 Wirkl. Geh. Rat WS, WiSe W.T.B.

XXXIII

Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild, 3.  Aufl. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984 (Nachdr. der 1.  Aufl., ebd. 1926) Wirklich Geheimer Rat Wintersemester Wolffs Telegraphisches Bureau

Z. Zeile z. B. zum Beispiel z. D. zur Disposition z. Hd. Zu Händen Zeitg., Ztg. Zeitung ZfGO Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zl. Zahl z. T. zum Teil z. Z., z. Zt. zur Zeit

Einleitung

1. Vorbemerkung, S.  1. – 2. Der Hochschullehrer, S.  5. – 3. Der Hochschul­politiker, S.  9. – 4. Der Forschungspolitiker und Wissenschaftsorganisator, S.  2 2. – 5. Der Gutachter und Laudator, S. 38. – 6. Der Provokateur öffentlicher Affären, S.  4 3. – 7. Schlußbemerkung, S.  49. – 8. Zur Anordnung und Edition, S.  5 0.

1. Vorbemerkung Max Weber war die längste Zeit seines Wissenschaftlerlebens ein Privatge­ lehrter.1 Vom 1. Oktober 1903, dem Zeitpunkt seines Rücktritts vom Ordina­ riat für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Heidel­ berg, bis zum 1. April 1919, dem Zeitpunkt seines Eintritts in ein Ordinariat für Gesellschaftswissenschaft, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie an der Universität München, lebte er ohne ein Amt in der Universität. Sieht man von dem Probesemester an der Universität Wien im Sommer 1918 ab, so hielt

1  Weber hat sich selbst so bezeichnet. In dem „Vormerkungsbogen“, der nach der Münchener Berufung auszufüllen war, um der Verwaltung die Berechnung von Dienstalter und Ruhegehaltszeiten zu ermöglichen, steht von Webers eigener Hand für die Zeit vom 1. Oktober 1903 bis 1. April 1919: „nach Kündigung der Stellung krankheitshalber: Privatgelehrter Heidelberg“ (vgl. Vormerkungsbogen, von Max We­ ber ausgefüllt und am 8. Mai 1919 unterzeichnet, BayHStA, MK 35787). Weber wur­ den 10 Jahre als Dienstzeit für die Berechnung des Gehalts anerkannt. Allerdings gibt die Bezeichnung „Privatgelehrter“ seine formale Stellung während der Zeit vom 1. Ok­ tober 1903 bis zum 1. April 1919 nicht korrekt wieder. Nicht nur, daß er in dieser Zeit Honorarprofessor an der Universität Heidelberg war, er stand auch weiterhin in einem Beamtenverhältnis zum Großherzogtum Baden. Denn seinem Antrag auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis wegen Krankheit war vom Ministerium seinerzeit nicht statt­ gegeben worden. Es hatte ihn statt dessen krankheitshalber in den Ruhestand ver­ setzt. Sein Ausscheiden aus dem Dienst am 1. Oktober 1903 war rechtlich gesehen also eine Inaktivierung ohne Pension, weil Weber auf eventuelle Pensionsansprüche verzichtet hatte. Er wurde korrekterweise, wie er selbst ausführt, auf „amtliche Veran­ lassung in den Listen der Universität als ‚inaktiver ordentlicher Professor‘ geführt“. Dazu Brief Max Webers an das Großherzogliche Ministerium des Kultus und Unter­ richts vom 15. Juli 1912, MWG II/7, S.  6 09–620, hier S.  611 f. Im Verlauf der Affäre Koch kommt Weber auf diese Zusammenhänge zu sprechen, weil er ein Diszi­pli­nar­ verfahren gegen sich beantragen wollte, das Ministerium sich aber für nicht mehr zuständig erklärte, was nach Webers Rechtsauffassung nicht korrekt war. Materiell gesehen änderte dies freilich nichts an seiner Stellung als ‚Privatgelehrter‘ während dieser Zeit.

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er in dieser langen Zeit keine Vorlesung, gab kein Seminar, betreute keine Arbeiten von Studenten. Als er in München gerade wieder in den Alltag der Universität zurückgefunden hatte, ereilte ihn der Tod. Zwar hatte er in der Zeit von 1903 bis 1919 eine Honorarprofessur an der Universität Heidelberg inne, blieb also, korporationsrechtlich gesehen, Universitätsmitglied. Doch waren mit dieser Position weder Besoldung noch Prüfungsrecht, noch ein Sitz in der Fakultät verbunden, allerdings auch keine Lehrverpflichtung, was für ihn, nach der schweren Erkrankung, von der er sich nie mehr gänzlich erholte, zweifellos eine Befreiung von äußeren Lasten bedeutete. Vom Erwerb der Venia legendi für Handelsrecht und Römisches Recht am 1. Februar 1892 bis zu seinem Tod am 14. Juni 1920 lehrte er, zieht man die Zeit der krankheits­ bedingten Beurlaubungen vom Ende des Sommersemesters 1898 bis zum 1.  Oktober 1903 ab, unter Einschluß des Probesemesters in Wien 17 Seme­ ster, wovon er zwei, das Sommersemester 1898 und das Sommersemester 1920, wegen Erkrankung abbrechen mußte. Dabei verlagerte sich der Schwerpunkt seiner Lehre von der Jurisprudenz (5 Semester) zur National­ öko­ nomie und Finanzwissenschaft (8 Semester), schließlich zur Gesell­ schaftswissenschaft oder Soziologie (4 Semester).2 Hält man sich diese Ent­ wicklung vor Augen, so erwartet man nicht, daß für Max Weber die Universität in seinem Wissenschaftlerleben eine zentrale Rolle spielte. Doch das Gegen­ teil ist richtig. Wie Käthe Leichter aus studentischer Sicht einst beobachtete: „Webers eigentlicher Wirkungsbereich war die Universität.“3 Zwei seiner zentralen Texte, das überarbeitete Gutachten zum Werturteils­ streit im Verein für Socialpolitik, 1917 im Logos unter dem Titel „Vom Sinn der ‚Wertfreiheit‘ in den soziologischen und ökonomischen Wissenschaften“ erschienen,4 und die 1917 gehaltene, 1919 ausgearbeitete Rede „Wissen­ schaft als Beruf“5 zeigen sein vitales Interesse an diesem Thema. Es geht dabei um die äußere und innere Gestaltung der Wertsphäre und Lebensord­ nung Wissenschaft. Max Weber war ein Wissenschaftler, der zwar die meiste Zeit nicht von der Wissenschaft, wohl aber für sie lebte, für den Wissenschaft 2  Ein chronologisches Verzeichnis der Vorlesungen Max Webers von 1892 bis 1920 findet sich u. a. in Weber, Max, Allgemeine Staatslehre und Politik (Staatssoziologie), MWG III/7, S.  123–125. Strenggenommen war auch das Sommersemester 1919 in München noch kein vollwertiges Semester, denn Weber las nur einstündig. 3  Leichter, Käthe, Max Weber als Lehrer und Politiker, in: Max Weber zum Gedächt­ nis, hg. von René König und Johannes Winckelmann. – Köln und Opladen: Westdeut­ scher Verlag 1963, S.  125–142, hier S.  126 (hinfort: Leichter, Max Weber). 4  Weber, Max, Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wis­ senschaften, in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Band 7, Heft 1, 1917, S.  4 0–88 (MWG I/12; hinfort: Weber, Wertfreiheit). Weber sagt, in dieser Fassung seien im Vergleich zum ursprünglichen Text von 1913 „die allgemeinen me­ thodologischen Betrachtungen“ erweitert, ebd., S.  4 0. 5  Weber, Max, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  4 9–111.

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als Beruf zugleich Berufung bedeutete. Er erfüllte alle Rollen, die gemeinhin mit Wissenschaft als Beruf verbunden werden. Natürlich war er in erster Linie Forscher, aber auch akademischer Lehrer, der über den Erziehungsauftrag der Universität reflektierte, und Hochschulpolitiker, dem die Autonomie der Universität am Herzen lag; er war ein Forschungspolitiker, der eine bestimmte Idee von Sozialwissenschaft, konkretisiert mit Hilfe von Forschungsprojekten, durchsetzen wollte, und ein Wissenschaftsorganisator, der für die Verwirkli­ chung dieser Idee die ihr angemessene äußere Verfassung entwickelte. Er war aber auch ein Gutachter, der hohe professionelle Standards an den wis­ senschaftlichen Nachwuchs und die Kollegen anlegte und erheblichen Ein­ fluß auf die Besetzung von wichtigen Professorenstellen in seinem Fach und in den angrenzenden Fächern ausübte. Und er war immer wieder in akade­ mische Affären verstrickt. Schließlich war er ein Laudator, der auch die seinen eigenen Auffassungen entgegenstehenden Ansichten zu würdigen wußte. All dies sind Aspekte seines Wirkens, die sich, wie dieser Band zeigt, in vielfäl­ tiger Weise auch literarisch niederschlugen. Die hier gesammelten überliefer­ ten Dokumente beleuchten Max Weber von einer Seite, die bisher unterbe­ lichtet blieb.6 Werfen wir zunächst einen Blick auf die beiden erwähnten Texte, die Webers grundsätzliche Position zur Wertsphäre und Lebensordnung Wissenschaft widerspiegeln. Beginnen wir mit „Wissenschaft als Beruf“. Weber leitet diese berühmt gewordene Rede bekanntlich mit der Bemerkung ein, es sei „eine gewisse Pedanterie von […] Nationalökonomen“, wenn sie bei einem Thema wie diesem von den äußeren Verhältnissen ausgingen, „hier also von der Frage: Wie gestaltet sich Wissenschaft als Beruf im materiellen Sinne des Wortes?“7 Und er fügt hinzu, man könne sich die Besonderheit der deutschen Verhältnisse nur vergleichend vergegenwärtigen, am besten im Kontrast zu jenen, die in schärfstem Gegensatz dazu stünden, nämlich jenen in den USA. Aber die äußeren Verhältnisse seien nicht allein in ihrer Besonderheit heraus­ zuarbeiten, so kann man Webers Argument in „Wissenschaft als Beruf“ wei­ terführen, sondern sie seien auch daraufhin zu prüfen, welche inneren Ver­ hältnisse sie stützten, was sie aus den unter diesen äußeren Verhältnissen Handelnden machten. Es gehe auch um Gesinnung, um das Ethos von Wis­ senschaft als Beruf. Dies aber verweise auf überindividuelle Kulturgüter, ver­ 6  Am bekanntesten ist die Zusammenstellung von Edward Shils, Max Weber on Uni­ versities: The Power of the State and the Dignity of the Academic Calling in Imperial Germany. – Chicago: University of Chicago Press 1974. Eine gewisse Ausnahme bil­ det der Band: Dreijmanis, John (Hg.), Max Webers vollständige Schriften zu akademi­ schen und politischen Berufen. – Bremen: Europäischer Hochschulverlag 2010 (ur­ sprünglich auf Englisch). Der Anspruch ist freilich völlig überzogen, denn von Voll­ ständigkeit kann keine Rede sein. 7  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  71.

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lange hier letztlich ein Urteil darüber: „Welches ist der Beruf der Wissenschaft innerhalb des Gesamtlebens der Menschheit? und welches ihr Wert?“8 Für Weber besteht dieser Wert heute offensichtlich darin, den von der Religion begonnenen Entzauberungsprozeß jenseits seiner religiösen Vorausset­ zungen weiterzuführen. Und dies heißt für ihn zugleich, ein Wissen davon zu haben, daß heute die Wertsphäre und Lebensordnung Wissenschaft in einem unversöhnbaren Konflikt mit den übrigen Wertsphären und Lebensordnungen steht.9 Es sei eine der Aufgaben gerade auch der Wissenschaft, uns diese Konflikte wieder deutlich vor Augen zu führen, „nachdem durch ein Jahrtau­ send die angeblich oder vermeintlich ausschließliche Orientierung an dem großartigen Pathos der christlichen Ethik die Augen dafür geblendet hatte.“10 Aber gerade weil dies so ist, dient Weber die moderne Wissenschaft nicht als ein Religionsersatz. Wissenschaft sei vielmehr „heute ein fachlich betriebener ‚Beruf‘ […] im Dienst der Selbstbesinnung und der Erkenntnis tatsächlicher Zusammenhänge, und nicht eine Heilsgüter und Offenbarungen spendende Gnadengabe von Sehern, Propheten oder ein Bestandteil des Nachdenkens von Weisen und Philosophen über den Sinn der Welt“. Und er fügt hinzu: Dies sei „eine unentrinnbare Gegebenheit unserer historischen Situation“.11 Den revidierten Wertfreiheitsaufsatz beginnt Weber mit der Frage, ob eine „durch unser Handeln beeinflußbare Erscheinung als verwerflich oder billi­ genswert“ Gegenstand des akademischen Unterrichts sein solle, und er dis­ kutiert die Möglichkeiten, wie man diese Frage beantworten kann. Dabei ist für ihn von vornherein klar: Nur solche Antworten hält er für diskussionswür­ dig, die anerkennen, daß „die Trennung rein logisch erschließbarer und rein empirischer Sachverhalte einerseits, von den praktischen, ethischen oder weltanschauungsmäßigen, Wertungen andererseits, zu Recht bestehe“. Offen sei nur die Frage, ob „beide Kategorien von Problemen auf das Katheder gehören“ oder nicht.12 Sei man der Meinung, beide gehörten in den Hörsaal, dann sei man auch verpflichtet, „sich selbst unerbittlich klar zu machen: was von seinen jeweiligen Ausführungen entweder rein logisch erschlossen oder rein empirische Tatsachenfeststellung und was praktische Wertung ist.“ Dies sei, angesichts der „Fremdheit der Sphären“, ein Gebot der „intellektuellen Rechtschaffenheit“.13 Ob man aber überhaupt bei Kenntnis und Beachtung dieser Fremdheit, dieser Heterogenität der Sphären, im akademischen Unter­ richt neben den Tatsachenurteilen auch die eigenen Werturteile mitteilen 8  Ebd., S.  88. 9  Dazu auch Weber, Max, Zwischenbetrachtung, in: ders., Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus, MWG I/19, S.  479–522, hier S.  512 ff. 10  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  101. 11  Ebd., S.  105. 12  Weber, Wertfreiheit (wie oben, S.  2, Anm.  4), S.  4 0 f. 13  Ebd., S.  41.

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solle, hänge davon ab, wie man für sich selbst die Rolle des akademischen Lehrers definiere: ob man die Studenten zum Kultur- oder zum Fachmen­ schentum erziehen wolle. Weber bekennt sich zu letzterem, dazu, „daß die akademischen Hörsäle heute ihre wirklich wertvollen Wirkungen nun einmal nur durch fachmäßige Schulung seitens fachmäßig Qualifizierter entfalten und deshalb die ‚intellektuelle Rechtschaffenheit‘ die einzige spezifische Tugend sei, zu der sie zu erziehen haben.“14 Dies freilich nicht, um aus den Studenten Fachidioten zu machen, sondern um sie zu reflektierten Fachmen­ schen, zu Menschen mit Fachbildung, man kann auch sagen: zu Fachmen­ schen mit Geist, zu erziehen. Ein solcher Mensch habe gelernt, daß die letz­ ten Lebensentscheidungen sich mit Fachschulung gerade nicht lösen lassen und daß die „rückhaltlose Hingabe an eine ‚Sache‘“ eine spezifische Art von Selbstbegrenzung verlangt.15 Diese Stellungnahme zur Rolle der modernen Wissenschaft sowie zur Rolle des akademischen Lehrers findet sich zwar erst im Spätwerk, hat aber eine lange Vorgeschichte. Manches, wie das Postulat der Werturteilsfreiheit, steht früh fest, manches entwickelt sich später erst. Die in diesem Band versammel­ ten Texte erlauben einen Einblick in diese ineinander verschränkten Prozesse. Bei der Gliederung des Stoffes orientieren wir uns an den verschiedenen Aufgaben, die sich gemeinhin mit Wissenschaft als Beruf verbinden, und fra­ gen, mit welchen Maßstäben Max Weber sie bestimmte.

2.  Der Hochschullehrer Wir beginnen mit dem Hochschullehrer. Dieser ist für Weber zunächst einmal Forscher und als solcher ein Fachmann, der die Ergebnisse methodisch kon­ trollierter harter Arbeit mit Leidenschaft zu vermitteln weiß. In „Wissenschaft als Beruf“ heißt es, „eine wirklich endgültige und tüchtige Leistung ist heute stets: eine spezialistische Leistung.“ Um sie zu erreichen, müsse man sich „Scheuklappen“ anziehen und in die Vorstellung hineinsteigern können, „daß das Schicksal seiner Seele davon abhängt: ob [man] diese, gerade diese Konjektur an dieser Stelle dieser Handschrift richtig macht“.16 Den Beruf zur Wissenschaft habe nur, wer fähig sei, in diesem Sinne „rein der Sache“ zu dienen. Und nur wer ihr so diene, könne hoffen, daß mit der harten, entsa­ gungsvollen Arbeit auch irgendwann der weiterführende Einfall kommt. Das Erlebnis der Wissenschaft bestehe in dieser Verbindung von Arbeit und Ein­ fall. Denn „der Einfall ersetzt nicht die Arbeit. Und die Arbeit ihrerseits kann 14  Ebd., S.  42. 15  Ebd., S.  45. 16  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  8 0 f.

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den Einfall nicht ersetzen oder erzwingen, so wenig wie die Leidenshaft es tut.“17 Die Grundlage der Lehre ist also die Forschung. Wie bereits gesagt, ver­ stand sich Max Weber als ein Forscher, der sich in der Lehre bewußt jeder „Kathederwertung“ enthält. Er hatte dafür außer kulturellen – Polytheismus der Werte – auch institutionelle Gründe. Denn der Hörsaal, so seine These, steht unter dem „Privileg der Unkontrolliertheit“ und ist damit, wegen der vielfäl­ tigen Abhängigkeit des Studenten vom Professor, ein Ort möglicher Indoktri­ nation.18 Die Beziehung zwischen Professor und Student ist ja tatsächlich, zunächst jedenfalls, wegen der Kompetenzlücke asymmetrisch. Deshalb kann dieses „Privileg der Unkontrolliertheit“, so Weber, überhaupt nur „für den Bereich der rein fachlichen Qualifikation des Professors“ bestehen.19 Weil hier also die äußere Kontrolle des Professors schwach ist, muß seine innere stark sein. Nur dann läßt sich ein solches Privileg rechtfertigen. Daraus erklärt sich Max Webers scharfe Polemik gegen die „Professoren-Prophetie“, gegen die Professoren, die in der „angeblich objektiven, unkontrollierbaren, diskus­ sions­losen und also vor allem Widerspruch sorgsam geschützten Stille des vom Staat privilegierten Hörsaals ‚im Namen der Wissenschaft‘ maßgebende Kathederentscheidungen über Weltanschauungsfragen zum besten zu geben sich herausnehmen.“20 Darin sieht er einen eklatanten Mißbrauch der Lehr­ freiheit. Denn im Hörsaal habe der Student von seinem Lehrer keine Weltan­ schauung, sondern neben Fachwissen vor allem drei Fähigkeiten, man kann auch sagen: Tugenden, zu lernen (zusätzlich zu oder als Spezifikation von intellektueller Rechtschaffenheit): „1. die Fähigkeit, sich mit der schlichten Erfüllung einer gegebenen Aufgabe zu bescheiden; – 2. Tatsachen, auch und gerade persönlich unbequeme Tatsachen, zunächst einmal anzuerkennen und ihre Feststellung von der bewertenden Stellungnahme dazu zu scheiden; – 3. seine eigene Person hinter die Sache zurückzustellen und also vor allem das Bedürfnis zu unterdrücken: seine persönlichen Geschmacks- und son­ stigen Empfindungen ungebeten zur Schau zu stellen.“21 All dies aber könne nur derjenige Lehrer dem Studenten vermitteln, der selbst diese Fähigkeiten oder Tugenden besitzt und sie im Hörsaal lebt. Max Weber betont hier den Unterschied zwischen Vorlesung und Vortrag, Lehre und öffentlichem Auftritt. Letzterer genießt kein „Privileg der Unkontrol­ liertheit“, sondern ist dem „Hineinreden der Öffentlichkeit, z. B. der Presse-Öf­ fentlichkeit“, ausgesetzt.22 Wir erfahren aus diesem Band, wie sehr Weber mit 17  Ebd., S.  82. 18  Weber, Wertfreiheit (wie oben, S.  2, Anm.  4), S.  4 3. 19 Ebd. 20 Ebd. 21  Ebd., S.  44. 22  Ebd., S.  43.

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öffentlichen Auftritten dieses Hineinreden der Öffentlichkeit, gerade auch der Presse, provozierte. Dieser begnadete Rhetor wußte die Öffentlichkeit durch zugespitzte Formulierungen auf sich aufmerksam zu machen, auch gegen sich aufzubringen. Im Urteil seiner Gegner galt er bei öffentlichen Auftritten als „exzentrisch und rücksichtslos“.23 Aber im Hörsaal wußte er sich zu mäßi­ gen. Die bereits zitierte Käthe Leichter bezeugt es: „Und wer das Glück hatte, Weber als Lehrer zu kennen, der erinnert sich, daß dies gerade [gemeint ist: die rückhaltlose Hingabe an eine Sache, W.S.] den großen unauslöschlichen Eindruck des Mannes auf die Jugend ausgemacht hatte; daß er dies wirklich charismatische Führertum, von dem er so oft sprach, auch besaß, sich aber streng hütete, Seelenfang zu treiben, um Gefolgschaft zu werben, daß der Mann des leidenschaftlichsten Temperaments und der impulsivsten Wer­ tungen Temperament und Leidenschaften bändigte, sobald er im Namen der Wissenschaft sprach, nur um die strengste Sachlichkeit walten zu lassen“.24 Gerade dadurch ging von seinem Auftreten im Hörsaal auch Pathos aus, das Pathos der Nüchternheit. Weber wollte seine studentischen Hörer also nicht „zur Konfusion verschie­ dener Sphären miteinander“ verführen.25 Die selbstauferlegte Beschränkung im Hörsaal kostete ihn nach eigenem Bekunden aber viel Kraft. Nach der langen Abstinenz von der Lehre machte er in Wien die Erfahrung, wie sehr ihn der Hörsaal forderte, ja überforderte. Am 30. April 1918, nach der ersten Vorlesung, heißt es in einem Brief an Marianne Weber: „Es ‚schlaucht‘ mich gewaltig! Lieber 10 ‚Vorträge‘ frei, als 2 Kollegstunden! Muß sehen, ob ich es durchhalte.“26 Und eine Woche später: „Herrgott, ist das eine Strapaze! 10 Vorträge sind nichts gegen 2 Stunden. Einfach das Gebundensein an Dispo­ sition, an Nachschreibenkönnen der Leute“.27 Als er die Berufung nach Wien schließlich ablehnte, war die mit dem Ordinariat zwingend verbundene Ver­ pflichtung, regelmäßig auch große Routinevorlesungen abzuhalten, einer der wichtigsten Gründe dafür.28 Als er sich dann doch zur Rückkehr in die Uni­ versität entschloß, äußerte er den Wunsch, keine „Riesenkollegien“ mehr, son­ 23  Dazu die Zeitungsausschnitte und internen Vermerke im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren in München, zusammengestellt in der Editorischen Vorbemer­ kung zum Brief Max Webers an Franz Matt vom 2. Februar 1919, in: MWG II/10, S.  423–425, hier S.  424. Ferner Webers Selbsteinschätzung im Zusammenhang mit dem Fall Arco in seinem Brief an Friedrich von Müller vom 20. Januar 1920, ebd., S.  893–896, hier S.  895. 24  Leichter, Max Weber (wie oben, S.  2, Anm.  3), S.  128. 25  Weber, Wertfreiheit (wie oben, S.  2, Anm.  4), S.  41. 26 Brief Max Webers an Marianne Weber, nach dem 30. April 1918, MWG II/10, S.  157 f., hier S.  157. 27  Brief Max Webers an Marianne Weber vom 7. Mai 1918, MWG II/10, S.  166 f., hier S.  166. 28  Brief Max Webers an das k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht vom 5. Juni 1918, MWG II/10, S.  179–182, bes. S.  181.

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dern nur noch „strenge Fach-Vorlesungen“ zu halten, und dies auch nicht auf dem Gebiet der Nationalökonomie, sondern der Soziologie.29 Vor seiner Krankheit scheint Weber allerdings das übliche Stundendeputat eines Ordi­ narius leicht bewältigt zu haben. Da war er noch ein Kraftmensch, wie es in einer Stellungnahme heißt.30 Dies hatte sich durch die Krankheit geändert. Nach der Probevorlesung an der Universität Wien stellte er resigniert fest, er habe die Fähigkeit zu lehren weitgehend verloren. Er traute sich nur noch wenig zu, ein reduziertes Stundendeputat und Vorlesungen zu seinen For­ schungsinhalten, nicht aber die in der Nationalökonomie üblichen Standard­ vorlesungen, ferner vor allem seminaristische Veranstaltungen in kleinem Kreis.31 Nur hier scheint er sich wirklich wohlgefühlt zu haben. Wie einer sei­ ner Studenten berichtet: „Sein Seminar leitete Max Weber in ungezwungener Haltung. Zur Aussprache stützte er sich auf den Tisch der vordersten Bank, mitten unter die Doktoranden. Die Diskussion war lebhaft und für einen Neu­ ling überwältigend.“32

29  Brief Max Webers an Carl Heinrich Becker vom 9. Febr. 1919, MWG II/10, S.  4 35– 437, hier S.  4 36. Ähnlich auch im Brief an Franz Matt vom 1. April 1919, wo es heißt, er wolle keine „‚Pflicht‘- und Anfänger-Vorlesungen, sondern strenge Fachkollegien hal­ ten“, ebd., S.  5 63 f., hier S.  5 63. Seine erste Vorlesung in München, über die „Allge­ meinsten Kategorien der Gesellschaftswissenschaft“, war dann auch ein solches Kol­ leg. 30  Die Universität München bat im Vorfeld der geplanten Berufung um Auskunft, ob Webers Gesundheitszustand eine Berufung zulasse. Die Antwort des befragten Hei­ delberger Anglisten Johannes Hoops war positiv. Vgl. seinen Brief vom 21. Juni 1917, UA München, Sen. 346. Dort heißt es u. a.: „Weber war früher nicht nur geistig, son­ dern auch körperlich ein Kraftmensch: aber er hat lange reichlich unvernünftig mit seiner Nervenkraft gewirtschaftet, bis sie schließlich zusammenbrach.“ Und weiter: „Seitdem hat sich sein Zustand längst soweit gebessert, daß er nicht nur andauernd die intensivste wissenschaftliche Tätigkeit entfaltet, […] sondern auch öffentliche Vor­ träge mit größten Erfolgen hält und zweifellos imstande wäre, auch die Pflichten eines vollen akademischen Lehramts wieder zu übernehmen.“ 31 Die Lehrbelastung der Ordinarien war beträchtlich, sie lag für Weber vor der Krankheit zwischen 6 und 9 Semesterwochenstunden, und dies bei sich verschlech­ ternder Betreuungsrelation wegen der wachsenden Studentenzahlen. Immerhin wa­ ren die Professoren sehr gut bezahlt. In München handelte Weber dann in der Beru­ fungsverhandlung ein reduziertes Stundendeputat und verminderte Prüfungspflich­ ten aus. Das waren Privilegien, welche die unmittelbaren Kollegen nicht hatten. Deshalb erwog er auch noch nach der vollzogenen Berufung, ob eine Professur un­ terhalb des Ordinariats für ihn nicht angemessener wäre. Vgl. Weber, Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr I, unten, S.  6 42. 32  Rehm, Max, Erinnerungen an Max Weber, in: Max Weber zum Gedächtnis, hg. von René König und Johannes Winckelmann. – Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag 1963, S.  24–28, hier S.  27. Solche Diskussionen mit Studenten in kleinem Kreis hatte er ja seit 1910 auch in Heidelberg in der Ziegelhäuser Landstraße 17 gepflegt.

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Trotz des subjektiv gefühlten Unvermögens war Webers Vorlesungen zunächst in Wien, dann in München ein großer Erfolg beschieden. Sie galten als ein Ereignis und lockten Hörer aller Fakultäten und auch von außerhalb an.33 Dazu trug sicherlich bei, daß er nicht nur durch seine Forschung, son­ dern vor allem durch seine politische Publizistik inzwischen eine öffentliche Figur war, von der man erwartete, sie trage „als Professor den Marschallstab des Staatsmanns (oder des Kulturreformers) im Tornister“.34 Daß Weber sich dann in seinen Vorlesungen von diesen Rollen fernhielt, löste sicherlich mit­ unter auch Enttäuschung aus.35 Aber er beachtete strikt die von ihm propa­ gierte Selbstbeschränkung, die allein die Lehrfreiheit an der Universität recht­ fertige. Und dies, obgleich er diese Lehrfreiheit als Institution in Deutschland durchaus bedroht sah.

3.  Der Hochschulpolitiker Dies führt uns zu Max Weber, dem Hochschulpolitiker. Hier steht die institu­ tionelle Rolle des Wertfreiheitpostulats im Mittelpunkt. Denn dieses Postulat hat bei ihm neben der methodologischen auch eine institutionelle Seite. Nur eine Universität, die dieses Postulat beachtet und es institutionell verankert, kann die Lehrfreiheit sichern und damit ihre Autonomie. Wenn man von Max Weber als einem Vertreter des Wertfreiheitspostulats spricht, denkt man gemeinhin an seine methodologischen Schriften. Und dies zweifellos mit Recht. Spätestens seit der Freiburger Antrittsvorlesung von 1895 führt er einen Kampf mit dem Ziel, die ökonomischen und soziologischen

33  Dies gilt besonders für die Vorlesung über Sozial- und Wirtschaftsgeschichte im Wintersemester 1919/20. Dazu der Editorische Bericht in: Weber, Abriß der univer­ salen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, MWG III/6, S.  4 9–67, hier S.  5 4 f. 34  Weber, Wertfreiheit (wie oben, S.  2, Anm.  4), S.  4 4. 35  Ein Beispiel ist die Reaktion von Helmuth Plessner. Er habe Weber zum ersten Mal in München als Dozent erlebt „in einem Kolleg mit dem apotropäischen Titel: Einige Kategorien der verstehenden Soziologie [Der Titel lautete: Die allgemeinsten Katego­ rien der Gesellschaftswissenschaft, W.S.]. Der Besuch ließ auch rasch nach, was ihm nur recht war. Darstellung lag ihm nicht, weder im Kolleg noch im Buch. Prophetie gar auf dem Katheder haßte er. Ein überfülltes Kolleg – oder war es eine der damals häu­ figen Studentenversammlungen? – begann er mit dem George-Zitat: Schon Ihre Zahl ist Verbrechen. Sein rednerisches Können verbannte er, wenn er dozierte. In dem Kategorien-Kolleg gab er, ein wahres Bild innerweltlicher Askese, soweit ich mich erinnere, pure Definitionen und Erläuterungen: Trockenbeerauslese, Kellerabzug.“ Plessner, Helmuth, In Heidelberg 1913, in: Max Weber zum Gedächtnis, hg. von René König und Johannes Winckelmann. – Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag 1963, S.  30–34, hier S.  34.

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Wissenschaften, wie es später heißt, auf dieses Postulat zu verpflichten.36 Es spielt eine zentrale Rolle im Jahre 1904, als er zusammen mit Edgar Jaffé und Werner Sombart die Herausgeberschaft des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik übernimmt,37 es wird von ihm 1909 in die Satzung der neu gegründeten Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) hineingeschrie­ ben,38 und er streitet dafür 1914 auf der internen Tagung des Vereins für Socialpolitik.39 Es ist Ausdruck von Webers methodologisch begründeter Überzeugung, Sollen impliziere zwar Können, nicht aber Können Sollen, und zwischen der Wertsphäre und der Seinssphäre bestehe ganz allgemein eine Kluft. Die Wertsphäre, Weber sagt auch, die Geltungssphäre, und die Seins­ sphäre folgten verschiedenen Gesetzen. Zwar seien Werte sowohl Vorausset­ zung wie auch Gegenstand ökonomischer und soziologischer Analyse. Aber dies hebt für ihn den kategorialen Unterschied zwischen Tatsachenurteil und Werturteil nicht auf. Die wertbezogene Analyse von Werten in ökonomischen und sozialen Zusammenhängen könne und müsse werturteilsfrei erfolgen. Davon war Weber Zeit seines Lebens überzeugt. Neben diesem methodologischen Verständnis des Wertfreiheitspostulats steht das institutionelle. Nur wenn man zwischen Tatsachenurteilen und Wert­ urteilen, Fachkompetenz und Weltanschauung sauber trenne, ließen sich Lehrfreiheit und Autonomie der Universität verteidigen, nur dann könne man sicherstellen, daß Studenten nicht indoktriniert werden und die Universität nicht zu einer Kirche oder Sekte verkommt. Für Max Weber ist das verwirk­ lichte Wertfreiheitspostulat die Voraussetzung dafür, dem Studenten neben praktisch nützlichem Wissen zu Klarheit und zur Entwicklung eines Verant­ wortungsgefühls zu verhelfen, dazu, „sich selbst Rechenschaft zu geben über den letzten Sinn seines eigenen Tuns“.40 Es ist aber auch eine Voraussetzung dafür, daß bei der Rekrutierung des Lehrkörpers nicht die religiöse, weltan­ schauliche oder politische Orientierung oder besondere Umstände der Lebensführung des Kandidaten entscheiden, sondern allein die durch Publi­ 36  Weber, Max, Der Nationalstaat und die Volkwirtschaftspolitik. Akademische An­ trittsrede, MWG I/4, S.  5 35–574, bes. S.  5 58 ff. 37  Weber, Max, Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Er­ kenntnis, in: AfSSp, Band 19, Heft 1, 1904, S.  2 2–87 (MWG I/7; hinfort: Weber, Objek­ tivität). 38  §  1 des „Statuts der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“, vgl. das Leipziger und das Frankfurter Statut, unten, S.  8 60 und 864. 39  Das Gutachten, das Max Weber für die interne Tagung des Vereins für Socialpolitik erstellte, wurde zunächst nur als Manuskript gedruckt, dann 1917 überarbeitet im Logos veröffentlicht. Weber, Max, [Beitrag zur Werturteildiskussion], in: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Verein für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt 1913, S.  8 3–120 (MWG I/12) (hinfort: Weber, Beitrag zur Werturteildiskussion), und Weber, Wertfreiheit (wie oben, S.  2, Anm.  4). 40  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  104.

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kationen bewiesene Fachqualifikation, die nur von Fachgenossen beurteilt werden kann. In dieser Hinsicht fand Weber die Hochschulen des deutschen Kaiserreichs nicht auf der Höhe. Im internationalen Vergleich kamen ihm die deutschen Universitäten bezogen auf die Freiheit von Forschung und Lehre eher rück­ ständig vor. War man Jude oder Sozialdemokrat, gar jüdischer Sozialdemo­ krat, hatte man nur eine geringe Chance, eine Professur zu erlangen. Entwe­ der wurde man wegen seiner ‚Gesinnung‘ von den Fakultäten nicht vorge­ schlagen oder, wenn doch, vom Ministerium nicht ernannt.41 Webers Beispiele aus seinem engeren Bekanntenkreis sind Georg Simmel und Robert Michels. Dem Juden Simmel verwehrte man lange die ordentliche Professur, dem So­zial­demokraten Michels die Habilitation.42 Aber es ging ihm nicht allein um die häufig nicht objektiven Berufungs- und Prüfungsverfahren. Immer wieder griffen die Ministerien auch mehr oder weniger offen in inneruniversitäre Pro­ zesse ein. Das wurde begünstigt durch eine stille Koalition zwischen Teilen der Professorenschaft und den Ministerien.43 All dies empörte Max Weber und war Gegenstand seiner teilweise heftigen Kritik. Rücksichtslos, aber auch ironisch sind viele seiner Stellungnahmen zu die­ sen Fragen, mitunter auch überzogen. Weber spielt seine Unabhängigkeit, die Tatsache, daß er kein universitäres Amt bekleidet und auch keines anstrebt, in den Diskussionen voll aus. Ein Beispiel dafür sind seine Auftritte auf den Hochschullehrertagen. Hier macht er Äußerungen, die sofort in die Öffentlichkeit gelangen und weite Kreise ziehen. Der Hochschullehrertag verstand sich als Zusammenschluß vor allem von süddeutschen und österreichischen Hochschullehrern, Ordinarien und Nicht­ ordinarien, zur gemeinsamen Interessenvertretung und zur Reform des Hoch­ schulwesens. Der erste Hochschullehrertag fand am 8. und 9. September

41  Weber sagte einmal, wenn er in einem Berufungsverfahren um ein Gutachten ge­ fragt werde, mache er mitunter zwei Listen: eine mit jüdischen und eine mit nichtjü­ dischen Wissenschaftlern. Der Dritte auf der jüdischen Liste sei immer noch besser als der Erste auf der nichtjüdischen Liste. Aber er sei sicher, der Ruf ergehe an einen auf der nichtjüdischen Liste. Vgl. Honigsheim, Paul, Erinnerungen an Max Weber, in: Max Weber zum Gedächtnis, hg. von René König und Johannes Winckelmann. – Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag 1963, S.  161–271 (hinfort: Honigsheim, Erinne­ rungen), hier S.  172. Als Lujo Brentano in einer scharfen Rezension von Franz Eulen­ burgs Schrift über den akademischen Nachwuchs eine (scherzhaft gemeinte) antise­ mitische Bemerkung machte, replizierte Weber, es sei „heut nicht an der Zeit, antise­ mitische Scherze zu machen, wo wir immer wieder die dümmste ‚arische‘ Impotenz den tüchtigsten Juden vorgezogen werden sehen.“ Brief Max Webers an Lujo Brenta­ no vom 18. August 1908, MWG II/5, S.  6 43 f., hier S.  6 44. 42  Vgl. Weber, Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten, unten, S.  124. 43  Dazu Webers Urteil über Schmoller und seine Beratertätigkeit: Weber, Gutachten Wien, unten, S.  613 f.

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1907 in Salzburg statt.44 Mit Salzburg hielt man Distanz zu Preußen, mit des­ sen Hochschulpolitik viele Hochschullehrer nicht einverstanden waren. Mit Salzburg brachte man auch zum Ausdruck, daß man, wie dies bei der Eröff­ nung der Versammlung von österreichischer Seite formuliert wurde, „die gei­ stige Gemeinschaft unserer wissenschaftlichen Entwicklung mit dem großen Deutschen Reiche“ nicht aufgeben wollte, und daß es durch den Hochschul­ lehrertag möglich werde, „in den gemeinsamen Fragen des Hochschul­ wesens mit den deutschen Kollegen Hand in Hand zu gehen“.45 Diese gemeinsamen Fragen aber betrafen, wie man dem Einladungsschreiben zur Gründung des Hochschullehrertags entnehmen kann, vor allem die Verstaat­ lichung des Hochschulwesens, die mit einer empfindlichen Einschränkung der Hochschulautonomie verbunden war: „Nicht wissenschaftliche Tüchtig­ keit, Unbeugsamkeit des Charakters, hervorragende Begabung zum Lehrer blieben die einzigen Gesichtspunkte, die bei der Besetzung von Lehrstellen immer den Ausschlag gaben, sondern häufig taten dies die Eigenschaften des Beamten, welche diesen dem jeweils herrschenden Regiment als wertvoll erscheinen ließen“, so heißt es dort. Zum „vorbereitenden Komitee“ gehörten unter anderem Lujo Brentano, Ludo Moritz Hartmann und Werner Sombart, und unter den mehr als 50 Personen, die die Gründung unterstützten, befan­ den sich auch Karl Bücher, Eberhard Gothein und Alfred Weber. Max Weber allerdings unterschrieb nicht. Dennoch dürfte er die Gründung mit Sympathie betrachtet haben. Denn auch er kämpfte gegen das „System Althoff“ und gegen das Kartell der deutschen Kulturministerien in Berufungsfragen und für den Erhalt der Hochschulautonomie.46 Schon auf dem ersten Hochschullehrertag, an dem Max Weber noch nicht teilnahm, hatte Alfred Weber auf den Fall Robert Michels verwiesen, freilich ohne den Namen zu nennen. Für Max Weber dient er auf dem zweiten Hoch­ schullehrertag, der am 28. und 29. September 1908 in Jena stattfand, als 44  Vgl. Verhandlungen des ersten deutschen Hochschullehrer-Tages zu Salzburg im September 1907, hg. von dem engeren Ausschuß für 1907/1908. – Straßburg: Karl J. Trübner 1908. 45  Ebd., S.  1. 46 In dem Einladungsschreiben zum Hochschullehrertag heißt es weiter: „Diese nachteiligen Wirkungen machen sich um so mehr geltend, je mehr Hochschulen infol­ ge zunehmender staatlicher Zentralisation in der Hand einer Verwaltung vereinigt worden sind und je mehr die noch fortbestehenden staatlichen Verwaltungen dazu geschritten sind, sich in Hochschulangelegenheiten unabhängig von den Hochschu­ len zu verständigen. Auch in Angelegenheiten, die sehr gegen ihre Interessen ent­ schieden werden, bleibt den Hochschulen dann nur noch verdrießliche Unterwer­ fung. Die letzten Reste von Autonomie, die den Hochschulen geblieben sind, erschei­ nen damit in Frage gestellt.“ Ebd., S. III. Der Hochschullehrertag wurde freilich von Beginn an als „Professoren-Gewerkschaft“ diffamiert. Dazu Delbrück, Hans, Eine Professoren-Gewerkschaft, in: Preußische Jahrbücher, Band 129, 1907, S.  129–142, und der Brief Max Webers an Lujo Brentano vom 18. Aug. 1908, MWG II/5, S.  6 43 f.

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Beispiel dafür, daß nicht nur wegen des Handelns der Universitätsverwal­ tungen, sondern auch wegen der ‚Gesinnung‘ vieler etablierter Professoren von Lehrfreiheit an deutschen Universitäten nicht die Rede sein kann. In einer im Vorfeld der Tagung veröffentlichten Zuschrift an die Frankfurter Zeitung vom 20. September 1908 formuliert er, nachdem er ausführlich den Fall Michels geschildert hat:47 „Jedenfalls aber ist im Interesse des guten Geschmacks und auch der Wahrhaftigkeit zu verlangen, daß man uns hinfort nicht, wie es wieder und wieder geschehen ist, von der Existenz einer ‚Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre‘ in Deutschland reden möge. Denn Tatsa­ che ist doch, daß die angebliche ‚Lehrfreiheit‘ offenkundig 1) an den Besitz politisch hof- und salonfähiger Ansichten und überdies 2) daran geknüpft ist, daß man ein bestimmtes Minimum kirchlicher Gesinnung betätigt48 und, even­ tuell, erheuchelt. In Deutschland besteht die ‚Freiheit der Wissenschaft‘ innerhalb der Grenzen der politischen und kirchlichen Hoffähigkeit – außerhalb derselben nicht.“49 Weber hatte seine Zuschrift an die Frankfurter Zeitung bereits vor der Tagung verfaßt, weil er sich nicht sicher war, ob er an ihr teilnehmen werde,50 ihm aber das Thema „Freiheit von Forschung und Lehre“, das auf dem Hoch­ schullehrertag verhandelt werden sollte, offensichtlich sehr am Herzen lag. Dieser ungewöhnliche Schritt, bereits vor der Tagung an die Öffentlichkeit zu treten, lag auch deshalb nahe, weil Karl von Amira die Thesen, die er der Debatte der Jenaer Tagung zugrunde legen wollte, auch schon vorher in den Münchner Neuesten Nachrichten veröffentlicht hatte. Amira behandelt darin vor allem die Gefahren, die der Freiheit von Forschung und Lehre durch den Klerikalismus drohen. Weber hielt Amiras Thesen zwar im Grundsatz für rich­ tig, aber für zu begrenzt und wohl auch für zu zahm. Als er dann doch in Jena erschien, stritt er, zusammen mit seinem Bruder, für die Freiheit von Forschung 47  Vgl. dazu auch die spätere Zuschrift an die Hochschulnachrichten vom November 1908: Weber, Sozialdemokraten im academischen Lehramt, unten, S.  120 f. 48  Michels hatte seine Kinder nicht taufen lassen. 49  Weber, Die sogenannte Lehrfreiheit, unten, S.  118–121. 50 Es scheint, als habe er zunächst nicht aus zeitlichen, sondern aus sachlichen Gründen nicht teilnehmen wollen, weil er die Sache durch Brentano für verdorben hielt. Dessen scharfe Attacke gegen die Schrift von Franz Eulenburg über den akade­ mischen Nachwuchs, welche dieser im Auftrag des Salzburger Hochschullehrertags für den Jenaer Hochschullehrertag verfaßt hatte, ärgerte Weber, weil er damit Del­ brück Recht gegeben hätte: „Ich komme jetzt bestimmt nicht nach Jena, wie ich ur­ sprünglich wollte. Die Sache scheint mir tot, – Delbrück hat Recht behalten.“ Brief Max Webers an Lujo Brentano vom 18. Aug. 1908, MWG II/5, S.  6 43 f., hier S.  6 44. Dieser hatte gegen den Hochschullehrertag als eine Professoren-Gewerkschaft pole­ misiert. Bei Brentanos scharfer Attacke führte vermutlich seine Verärgerung über die Münchener Verhältnisse die Feder. Hier hatte die Vereinigung der Privatdozenten den Aufstand gegen die Ordinarien geprobt, was das vom Hochschullehrertag ange­ strebte Bündnis zwischen Ordinarien und Nichtordinarien infrage stellte.

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und Lehre in einem umfassenden Sinne. Allerdings waren die beiden Brüder mit ihrer Intervention nur begrenzt erfolgreich. Die von Alfred Weber einge­ brachte Resolution wurde nicht verabschiedet, sondern ihre Behandlung auf den nächsten Hochschullehrertag vertagt.51 Max Weber war das Thema so wichtig, daß er sich entschloß, im Anschluß an die Diskussionen auf dem zweiten Hochschullehrertag seine Gedanken zur Lehrfreiheit in einem Artikel niederzulegen. Darin finden wir all das, was auch in den späteren, oben besprochenen Schriften steht. Weber führt bereits hier den Kampf gegen die „Kathederwertung“ kompromißlos, weil nur Wert­ freiheit die Lehrfreiheit im umfassenden Sinne sichern könne: „Die Universi­ täten haben weder ‚staatsfeindliche‘, noch ‚staatsfreundliche‘, noch irgend­ welche andere Weltanschauung zu lehren. Sie sind keine Anstalten, welche Gesinnungsunterricht zu treiben haben. Sie analysieren Tatsachen und ihre realen Bedingungen, Gesetze und Zusammenhänge, und sie analysieren Begriffe und ihre logischen Voraussetzungen und Inhalte. Dagegen lehren sie nicht und können nicht lehren: was geschehen soll, – denn dies ist Sache der letzten persönlichen Werturteile, der Weltanschauung, die nichts ist, was man ‚beweisen‘ könnte wie einen wissenschaftlichen Lehrsatz.“52 Von der Pflicht zur Selbstbescheidung, zur intellektuellen Rechtschaffenheit ist die Rede. Bis in die Wortwahl klingen bereits hier die Aussagen der späteren Texte an. Wollte man die Kathederwertung zulassen, so Weber, wäre es nur konse­ quent, sie allen Richtungen zu gewähren. Was man dann bekäme, wäre „‚Lehrfreiheit‘ auf dem Boden des ‚Gesinnungsunterrichts‘.“53 Interessanter­ weise äußert sich Weber in diesem Zusammenhang auch zu den theolo­ gischen Fakultäten. Er unterscheidet Probleme der Religion, die in die Mauern der Universität gehören, von solchen, für die dies seiner Ansicht nach nicht gilt: „Daß heute auch diese letzteren, nur dogmatisch gebunden zu behan­ delnden Disziplinen und die apologetischen und praktischen Fächer[,] statt durch Institutionen freier kirchlicher Gemeinschaften, durch staatlich ange­ stellte, aber dabei in ihrer Lehrfreiheit beschränkte Hochschullehrer behan­ delt werden, entspringt keinerlei Bedürfnissen des religiösen Lebens, sondern

51 Die Brüder wollten folgende Resolution durchsetzen: „Damit die Hochschulen Stätten absolut unabhängiger Forschung und Lehre sein können, darf Weltanschau­ ung und politische Stellung des Forschers oder Lehrers niemals ein Grund der Nicht­ zulassung oder des Ausschlusses von ihnen sein.“ Vgl. Weber, Über die Lehrfreiheit der deutschen Universitäten, unten, S.  124. Auf dem nächsten Hochschullehrertag in Leipzig wurde dann diese Frage der Zulassung ausführlich behandelt, und Max We­ ber fragte die Versammlung, warum dies nicht bereits in Jena geschehen sei. Vgl. Weber, Die Auslese für den akademischen Beruf, unten, S.  780. 52  Weber, Die Lehrfreiheit der Universitäten, unten, S.  133 f. 53  Ebd., unten, S.  136.

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allein dem Wunsche staatlicher Kulturreglementierung.“54 Weber denkt hier an Holland vor der Kuyperschen Reform, aber vermutlich auch an die Verei­ nigten Staaten, wo dieser Wunsch in dieser Form jedenfalls zu dieser Zeit nicht bestand. Doch der eigentliche Paukenschlag folgt auf dem Hochschullehrertag in Dresden, wo Weber sich am 13. Oktober 1911 zum sogenannten „System Althoff“ und zu den Handelshochschulen äußerte, beides mit Wirkungen, die ihn noch lange beschäftigten. Sie sind nicht zuletzt Folge der Tatsache, daß der Hochschullehrertag inzwischen im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand. Hatte man in Salzburg noch nichtöffentlich getagt, so waren die Sitzungen seit Jena öffentlich. Die Presse saß gewissermaßen mit am Tisch, und die Journa­ listen warteten mit ihren Berichten nicht, bis das genehmigte Protokoll der Tagung vorlag. Sie gaben das Gehörte wieder, und damit stellte sich vermehrt die Frage, ob das Gehörte auch das Gesagte oder das Gemeinte war. So jedenfalls verhält es sich im Falle Max Webers. Die Presseberichte im unmittelbaren Anschluß an seine Diskussionsbeiträge verbreiteten sich schnell und lösten, weil Weber sich unvollständig oder gar falsch zitiert fand, von seiner Seite eine Serie von Dementis und Klarstellungen aus. Die daraus entstandenen Auseinandersetzungen wurden ‚reichsweit‘ wahrgenommen. Sie beschäftigen nicht nur die akademischen Kreise im engeren Sinn. Was waren die Steine des Anstoßes? Gehen wir sie kurz für beide Themen getrennt durch. Zunächst also zum „System Althoff“. Dies führt in die Ver­ gangenheit, denn als Weber das „System Althoff“ angreift, war sein Urheber, der Ministerialdirektor im preußischen Kultusministerium, Friedrich Althoff, bereits seit einigen Jahren tot. Aber die Art und Weise, wie Althoff das preu­ ßische Hochschulwesen gelenkt und wie er die Hochschulverwaltungen der deutschen Staaten beeinflußt hatte, wirkte weiter. Und darauf richtet sich die Kritik. Weber kleidet seine Kritik an diesem „System“ in die Erinnerung an einen Vorgang, den er, wie sich schließlich herausstellte, allerdings nicht mehr in allen Einzelheiten präsent hatte. Er führt das Publikum auf dem Hochschulleh­ rertag an die Anfänge seines eigenen Wissenschaftlerlebens zurück. Als er noch Privatdozent war, so Webers Darstellung, sei es im Preußischen Abge­ ordnetenhaus um eine neue nationalökonomische Professur gegangen. Althoff habe gefürchtet, die nationalliberale Fraktion in der Budgetkommis­ sion, der Max Weber sen. angehörte, werde sie nicht bewilligen, und er habe, um das Votum der Budgetkommission in seinem Sinne zu beeinflussen, Max Weber sen. geraten, er möge doch seinen ältesten Sohn, den Privatdozenten, fragen, ob dieser die Einrichtung einer solchen neuen Professur nicht befür­ worte. Das aber hätten beide als einen Versuch verstanden, sie zu manipulie­ 54  Ebd., unten, S.  137.

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ren, ja zu korrumpieren. So aber habe Althoff in vielen Fällen agiert. Er sei zwar ein genialer Hochschulpolitiker gewesen, aber menschlich von zweifel­ haftem Charakter. Weber sieht das „System Althoff“ auf Manipulation und mangelnder Transparenz aufgebaut.55 In dieses Muster paßt für Weber auch der Fall Bernhard. Manipulieren und korrumpieren kann man freilich nur den, der sich manipulieren und korrumpie­ ren läßt. Das gelte leider für manche Kollegen. Ludwig Bernhard sei ein Bei­ spiel dafür. Dieser wurde vom Ministerium an der Fakultät vorbei auf eine nationalökonomische Professur an die Berliner Universität berufen. Dieses Vorgehen des Ministeriums weckte den Verdacht, es habe sich nicht aus­ schließlich auf die wissenschaftlichen Qualitäten von Bernhard gestützt, die Weber übrigens durchaus anerkannte, sondern auch auf politische Erwä­ gungen. Weber stellt nun aber nicht das Vorgehen des Ministeriums in den Mittelpunkt seiner Kritik,56 sondern die Tatsache, daß Bernhard die Berufung angenommen hatte, ohne sich zuvor der Zustimmung der Fakultät zu versi­ chern. Das verletze die Autonomie der Universität. Später, als Weber selbst in Berufungsverhandlungen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unter­ richt und Kultus und der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität Mün­ chen stand und ohne eigenes Zutun vom Preußischen Kultusministerium einen Ruf an die Universität Bonn erhielt, stellte er an den Dekan der Bonner Fakultät die Frage: „1) ist die Fakultät um Vorschläge angegangen bzw., zum Mindesten, über dies Angebot befragt worden, – 2) wie hat sie sich dazu gestellt (falls dies geschehen war).“57 Genau dies zu fragen aber hatte Bern­ hard unterlassen. Dadurch verstieß er gegen den akademischen Anstand, zum Schaden der Autonomie der Universität.58 Webers Angriff auf Althoff führte zu einer ausgedehnten Debatte und ihn selber wegen seiner falschen Erinnerung auch in Erklärungsnöte.59 Dies ist 55 Vgl. das Urteil über die Person in: Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, unten, S.  315: „Sein entscheidender Fehler war die rücksichts­ lose Bekundung einer absoluten Menschenverachtung“. Weber spricht von „ver­ schmitzte[r] Tücke“, ebd. Ein Instrument dieser Tücke sei der ‚Revers‘, insbesondere um geheime Zusagen, etwa für spätere Beförderungen, zu machen. 56  Max Weber äußert allerdings in einem Brief an Lujo Brentano vom 5. Februar 1911: „Ich werde die Sache vielleicht nächstens einmal unter dem Gesichtspunkt der Schuld des Ministeriums (Abnahme eines Schweige-Ehrenwortes bei der Zusage der Berliner Professur) behandeln“, ein Vorgehen des Ministeriums, das er für exempla­ risch hält, MWG II/7, S.  82–84, hier S.  8 4. 57  Brief Max Webers an Josef Heimberger vom 5. Febr. 1919, MWG II/10, S.  427– 430, hier S.  428. 58  Vgl. dazu Webers Stellungnahmen zum „Fall Bernhard“ unten, S.  75–85, 86–89, 90–93, 94–104. Bernhard holte dies dann später nach. 59 Weber sah sich später genötigt, seine von der Presse (angeblich) mißverstan­ denen Äußerungen über das Verhältnis der badischen zu der preußischen Verwal­ tung bei seiner Berufung nach Freiburg richtigzustellen. Er erklärt sich ausführlich

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durch die hier mitgeteilten Texte ausführlich dokumentiert. Entscheidend ist: Weber kämpft für das Selbstergänzungsrecht der Fakultäten und gegen die Einmischung von außen. Dies gilt nicht nur im Verhältnis zur Staatsverwaltung, sondern auch zu privaten Geldgebern, die mit Stiftungsprofessuren lockten, um ihnen genehme wissenschaftliche Richtungen zu fördern, meist sogar auch noch an eine bestimmte Person geknüpft. Ein Beispiel dafür ist der Fall Ehrenberg, den man auf dem Leipziger Hoch­ schullehrertag diskutierte. Auch dieser forderte Webers Kritik heraus. Wie der Fall Bernhard gilt er ihm als ein Beispiel dafür, welche von außen angesto­ ßenen Entwicklungen die Autonomie der Universität gefährden können, sowohl personell wie in diesem Fall auch strukturell. Hier war es nicht die Politik, auch nicht die Kirche, sondern die Wirtschaft, die sich in inneruniver­ sitäre Angelegenheiten einzumischen suchte, indem sie mittels einer Stif­ tungsprofessur für die Universität Leipzig eine bestimmte Forschungsrichtung und eine Person durchsetzen wollte. Dies scheiterte freilich zu Webers Genug­ tuung am Widerstand der dortigen Fakultät. Webers Einlassung zu diesem Vorgang, dessen Hintergrund er allerdings nur unzureichend kannte, zielt denn auch auf das Prinzipielle: Auch noch so viel Geld von außen rechtfertige nicht den Verzicht auf eine strenge Prüfung der wissenschaftlichen Qualität einer Forschungsrichtung und vor allem einer Person. Sonst würde man die Freiheit von Forschung und Lehre, die angesichts der allgemeinen Lage sowieso gefährdet sei, gänzlich solchen „Tendenzprofessuren“ opfern. Ganz in diesem Sinne äußerte sich auch Lujo Brentano, der damit auf dem Leipziger Hochschullehrertag die Position Max Webers unterstützte: „Im übrigen zeigt uns gerade der Leipziger Fall, der hier zur Sprache kam, daß eine Prüfung vor der Zulassung notwendig ist. Sonst besteht die Gefahr, daß wir alle möglichen Leute in den Lehrkörper hineinbekommen, die von religiösen Parteien oder von Interessengruppen dotiert werden, damit sie sich um die Habilitation bewerben. Diese Leute müssen bestimmte Anschauungen vertreten, und ich meine, daß ein solcher Mann nicht würdig ist, das Lehramt auszuüben. Ganz sicher werden diese Gruppen immer Leute finden, die bereit sind, die Ansichten dieser Gruppen gegen Geld zu vertreten.“60 gegenüber dem badischen Minister des Kultus und Unterrichts, Franz Böhm. Dazu die Briefe Max Webers an Franz Böhm vom 17. und 19. Okt., die beiden vom 20. Okt., vom 22. und 25. Okt. und vom 8. Nov. 1911, MWG II/7, S.  284–296, 306–311, 312– 318, 319 f., 321 f. und 329 f. Der Grund dürfte nicht zuletzt auch gewesen sein, daß sich Weber immer noch als Beamter des Großherzogtums Baden betrachtete, der 1903 nicht entlassen, sondern emeritiert wurde (dazu Brief Max Webers an Franz Böhm vom 20. Okt. 1911, MWG II/7, S.  313), während das Ministerium dies verneinte (Brief Franz Böhms an das preußische Ministerium der geistlichen u. Unterrichts-An­ gelegenheiten vom 16. Okt. 1911, mitgeteilt in: MWG II/7, S.  2 95, Anm.  16). Siehe dazu auch oben, S.  1, Anm.  1. 60 Vgl. die Mitteilung nach dem Bericht der Frankfurter Zeitung vom 14. Oktober

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Freilich geriet auch diese Angelegenheit, wie so oft, schnell ins Persönliche, weil Ehrenberg sich durch Webers Bemerkung in seiner Ehre verletzt fühlte und zudem die Ablehnung seiner Person auf die Ablehnung seiner For­ schungsrichtung durch die Vertreter der ‚herrschenden Lehre‘, des „Kathe­ dersozialismus“ im Verein für Socialpolitik, zurückführte. Diese Argumentation hält Weber freilich für gänzlich abwegig. Er spricht, in Bezug auf Ehrenberg, von einem „im deutschen akademischen Leben noch niemals erhörte[n] Verhalten“, und außerdem sei er selbst, solange er an Fakultätsvorschlägen beteiligt war, „für Leute aus den heterogensten Lagern eingetreten, speziell für solche, die ich ungerechterweise zurückgesetzt fand“.61 Aber dies seien immer Personen gewesen, die aufgrund ihrer Qualifikation eine Berufung rechtfertigten, anders als „Herr Ehrenberg“. Zugleich wirft dies ganz allgemein die Frage auf, wie der wissenschaftliche Nachwuchs behandelt werden sollte, ein Thema, das ebenfalls in Leipzig aus­ führlich diskutiert wurde. Und in dieser Hinsicht zeigt sich Weber äußerst rigo­ ros. Er wendet sich gegen eine universitäre Laufbahn vom Assistenten zum Professor, die eine Bürokratisierung des Universitätslebens bedeute. Noch in „Wissenschaft als Beruf“ spricht er davon. Dort gilt ihm das nordamerika­ nische Hochschulwesen als ein Beispiel für solche Bürokratisierung, weil man vom ‚assistant professor‘ über den ‚associate professor‘ zum ‚full professor‘ aufsteigen konnte.62 Jedem deutschen Privatdozenten dagegen müsse „in die Seele geschrieben werden, daß er unter keinen Umständen ein irgendwie ersitzbares Recht auf irgendwelche Versorgung“ hat. Und er ruft aus: „Hinaus mit all den Gesichtspunkten, die an Bureaukratie und an das Schema des aufsteigenden Unteroffiziers, Sergeanten usw., oder auch an gleiches Recht usw., kurz an irgendwelche bureaukratischen Gesichtspunkte erinnern.“ Was für den Privatdozenten gelte, gelte für den Assistenten erst recht. Denn hier müsse, mit „Rücksicht auf die Wissenschaft“, „die brutalste Auslese“ walten. Eine Assistentenzeit länger als drei Jahre, das ist für ihn bereits zuviel.63 Man sieht also: Weber betrachtet die Universität als eine professionelle Organisation von Experten (Fachvertretern), die „Leistungs-Kollegialität“

1909, zitiert im Editorischen Bericht zu Weber, Zum Hochschullehrertage, unten, S.  171, Anm.  2, sowie Weber, Professor Ehrenberg, unten, S.  176–179. 61  Ebd., S.  178. 62  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  72. Dort heißt es: „In den Vereinigten Staaten dagegen besteht das bureaukratische System. Da wird der junge Mann von Anfang an besoldet.“ Weber betont zwar, daß der junge Mann jederzeit kündbar sei, aber es existiere doch eine Art Laufbahn. Und in dem Maße, wie dies auch die deut­ sche Universität erreiche, amerikanisiere sie sich. 63  Vgl. Weber, Die Auslese für den akademischen Beruf, unten, S.  186. Weber wehrt sich auch dagegen, den Privatdozenten nur als akademischen Nachwuchs zu be­ zeichnen. Schließlich handle es sich bereits um einen freien Forscher und Lehrer.

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nach dem Mehrheitsprinzip praktizieren.64 Die Ordinarien behandeln sich untereinander als Gleiche und ergänzen sich durch Kooptation. Rektor und Dekan sind jeder nur ein primus inter pares. Das Legitimationsprinzip für Ent­ scheidungen ist allein die nachgewiesene Leistung, die in festgelegten Ver­ fahren objektiviert werden muß. Wer aufsteigen will, muß freilich nicht nur die geforderte Leistung erbringen, sondern auch den ‚Geist‘ der Wissenschaft internalisiert haben, muß wissen, was der akademische Anstand fordert. Auch muß er unter Umständen bis zu einer Berufung lange warten können. Schon deshalb bleibt die deutsche akademische Karriere, wie Weber später sagt, „einfach Hazard“.65 Zum zweiten Stein des Anstoßes auf dem Hochschullehrertag in Dresden werden Max Webers kritische Bemerkungen zu den Handelshochschulen. Diese Bildungseinrichtung war hauptsächlich auf die Aus- und Weiterbildung des kaufmännisch-industriellen Nachwuchses ausgerichtet, auf eine Perso­ nengruppe also, die für das Funktionieren eines rationalen Kapitalismus von besonderer Bedeutung ist. Weber lobt die „ausgezeichnete Arbeit“, die von „zum Teil sehr hervorragenden Kollegen an den Handelshochschulen gelei­ stet werde“.66 Und er selbst hatte ja, allerdings noch vor seiner Krankheit, zusätzlich zu seinem universitären Lehrauftrag, freiwillig an einer solchen Ein­ richtung, nämlich an der Handelshochschule in Mannheim, gelehrt.67 Sein Angriff gilt denn auch nicht der Institution als solcher, sondern dem ‚Geist‘, den sie fördere. Hier sah er dieselbe Pseudofeudalisierung wirksam, wie sie in seinen Augen für das Bürgertum im Kaiserreich ganz allgemein charakte­ ristisch war.68 Weber entwickelt seine kritischen Bemerkungen zu den Handelshochschu­ len eher beiläufig, im Zusammenhang eines Vergleichs zwischen dem deut­

64  Dazu Weber, Die Typen der Herrschaft, MWG I/23, S.  5 43 f. Weber behandelt die Leitung einer deutschen Universität, im Gegensatz zu einer nord­ame­rikanischen, un­ ter dem Stichwort „Honoratioren-Verwaltung“: „Die Lage der wechselnden Rektoren, die im Nebenamt akademische Angelegenheiten verwalten[,] gegenüber den Syn­ diken, unter Umständen selbst den Kanzleibeamten, ist ein typisches Beispiel dafür“, ebd., S.  578, nämlich, daß die tatsächliche Leitung in den Händen der angestellten Fachbeamten, hier: des Kanzlers (Syndikus), liegt. 65  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  75. Deshalb sagt Weber, in Deutsch­ land beruhe die Karriere eines Wissenschaftlers in der Universität „auf plutokratischen Voraussetzungen“, ebd., S.  72. 66  Vgl. Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, unten, S.  328. Weber er­ wähnt in diesem Zusammenhang die Professoren Jastrow, Gothein und Sombart. 67  Allerdings lehnte er den Versuch, die Heidelberger Nationalökonomen für Vorle­ sungen an der Handelshochschule Mannheim dauerhaft zu verpflichten, rundweg ab. Vgl. Weber, Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim, unten, S.  5 94–598. 68 Vgl. Weber, Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikom­ mißfrage in Preußen, MWG I/8, S.  81–188, hier S.  92 ff.

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schen und dem nordamerikanischen Hochschulwesen.69 Doch seine Bemer­ kungen lösten schon auf der Tagung, vor allem aber durch ihre Verbreitung in der Presse, bei den Betroffenen einen Sturm der Entrüstung aus. Obgleich er seine Position schon während der Tagung präzisiert hatte, sah er sich wiede­ rum gezwungen, zu dementieren und richtigzustellen, gar eine kleine Denk­ schrift zu verfassen.70 Doch der Tenor seiner Argumentation ändert sich dabei nicht. Bei dem Vergleich zwischen dem nordamerikanischen und dem deutschen Hochschulsystem geht es Weber neben der Frage möglicher Konvergenz (Europäisierung der nordamerikanischen Universität, Amerikanisierung der deutschen Universität) letztlich wieder um die für ihn entscheidende Frage: Welchen Menschentypus bringt welches Bildungssystem hervor? Will man zum Kultur- oder zum Fachmenschen erziehen, und wenn zum Fachmen­ schen, zu welcher Art von Fachmenschen, zu einem mit oder einem ohne Geist? Dies ist natürlich nicht nur eine Frage an die Handelshochschulen, sondern auch an die Universitäten. Und hier sieht Weber einen wichtigen Unterschied zwischen Deutschland und den USA. Das nordamerikanische College stehe letztlich für den Kulturmenschen, für das Erziehungsideal des „gentleman“, der sich selbst zu behaupten weiß und ein gesundes bürger­ liches Selbstgefühl entwickelt. Ihn habe der amerikanische Unternehmer lie­ ber in der Firma als den reinen Fachmenschen – obgleich das Fachstudium nach europäischem Vorbild auch in den USA im Vormarsch sei. Für den Fach­ menschen stehe die deutsche Universität und erst recht die deutsche Han­ delshochschule, die Spezialisten für Industrie und Handel durch Vermittlung praktischer Fertigkeiten ausbilden wolle. Aber dieser Erziehungsauftrag werde aufgrund falscher Prätentionen auf studentischer Seite konterkariert. Denn ein Teil der Handelshochschulstudenten ahme die Universitätsstu­ denten nach, was bedeute, auch die dort schädlichen Entwicklungen zu reproduzieren. Dies zeige sich an der Ausbreitung des Verbindungswesens an den Handelshochschulen, des in Webers Augen für eine solche Einrich­

69  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nord­ amerikanischen Hochschulen, unten, S.  3 98. Dort heißt es: „Wenn wir uns ganz deut­ lich ausdrücken wollen, so ist der Dampf, der diese Handelshochschulen macht, doch eigentlich immer der Umstand, daß die Kommis gern satisfaktions- und damit reserveoffiziersfähig werden möchten: ein paar Schmisse ins Gesicht, ein bißchen Studentenleben, ein bißchen Abgewöhnung der Arbeit – alles Dinge, bei denen ich mich frage, ob wir denn damit, wenn sie unserem kaufmännischen Nachwuchs aner­ zogen werden, den großen Arbeitsvölkern der Welt, insbesondere den Amerikanern, werden Konkurrenz machen können.“ 70  Vgl. Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, unten, S.  325–333, und Weber, Denkschrift an die Handelshochschulen, unten, S.  3 63–377.

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tung besonders schädlichen Couleurstudententums.71 Denn dieses biete kei­ neswegs, wie manche meinten, lediglich eine Stätte studentischen Frohsinns, sondern sei der Versuch, eine „Klasse offiziell approbierter Kaufleute“ zu schaffen,72 eine „Standeshebung“ zu erreichen, verbunden mit dem Streben nach pseudofeudalem Prestige.73 Gleichgültig, wie Weber die besondere Rolle der Handelshochschule im deutschen Hochschulsystem beurteilt – er scheint zu bedauern, daß diese Einrichtung verselbständigt und nicht der Universität angegliedert wurde, zugleich aber auch zu kritisieren, daß immer mehr Tätigkeiten akademisiert werden –, ihm dient sie als ein Beispiel für die Gefahr, die vom Verbindungs­ wesen für die Mentalität deutscher Studenten ganz allgemein ausgeht. Es fördere eine „Geschwollenheit des Auftretens“74 und mache die Deutschen zum „Gespött des gesamten Auslands“ – und dies zu Recht.75 Das sei an sich schon fatal, besonders fatal aber, wo es um den Handels- und Kaufmanns­ stand gehe. In seiner Zuschrift an das Berliner Tageblatt wählt er eine Anek­ dote, um die negativen Auswirkungen dieser Mentalität auf das ‚Geschäft‘ zu zeigen. Er läßt einen Geschäftsreisenden auftreten, der mit der Attitüde eines couleurstudentisch inspirierten Leutnants der Reserve auf einen nüchternen Fabrikanten trifft – und damit scheitert, weil die ‚Geschwollenheit (seines) Auf­ tretens‘ diesen abstößt.76 Die Forschungs- und Lehrfreiheit der deutschen Universität, so lassen sich Webers hochschulpolitische Stellungnahmen zusammenfassen, scheint ihm also keineswegs gefestigt. Die eine Bedrohung kommt von außen, von seiten des Staates, der Kirche und der Wirtschaft; die andere kommt von innen, von einem traditionalistisch gesonnenen Lehrkörper und dem Couleurstudenten­ tum. Wie insbesondere Webers Ausführungen zu den Handelshochschulen zeigen, hatte er bereits zu diesem Zeitpunkt innerlich mit seiner eigenen Ver­

71  In der Denkschrift heißt es: „Das Couleurleben strebt heute überall nach Exclusi­ vität und Dressur in dem früher in dieser Art unbekannten Sinn: daß die Zugehörigkeit zu einer Verbindung den Studenten von der Zugehörigkeit zu anderen Vereinen, wis­ senschaftlicher, sportlicher oder geselliger Art und in zunehmendem Maße geradezu überhaupt von dem Umgang mit anderen, mindestens mit anders denkenden, Stu­ denten abschneidet und der Couleurstudent[,] in den Kreis seiner Couleurbrüder ein­ gesponnen, nur ihrer Kontrolle untersteht und damit einer außerordentlichen Verenge­ rung seines geistigen Horizontes ausgesetzt wird.“ Dieses Urteil gilt natürlich auch für das Couleurstudententum an der Universität. Vgl. Weber, Denkschrift an die Handels­ hochschulen, unten, S.  374. 72  Vgl. ebd., unten, S.  375. 73  Vgl. ebd., unten, S.  376. 74  Vgl. ebd., unten, S.  370. 75  Vgl. ebd., unten, S.  3 69. 76  Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, unten, S.  3 31 f.

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gangenheit als Couleurstudent gebrochen. Der Austritt aus seiner Verbin­ dung im Jahre 1918 war deshalb nur noch eine Formsache.77 Max Weber streitet also für eine forschungsbasierte Universitätslehre, die auf den Fachmenschen mit Geist abzielt. Im Hintergrund steht bei ihm zwei­ fellos ein bürgerliches Ideal. Es ist das Ideal innerweltlicher Berufsaskese. Doch seine Verwirklichung scheint immer schwieriger zu werden. In „Wissen­ schaft als Beruf“ sagt er, die alte Universitätsverfassung sei äußerlich wie innerlich fiktiv geworden.78 Denn Forschung und Lehre unterlägen einer fun­ damentalen Veränderung. Die Forschung entferne sich von der Lehre, denn sie verlasse die Phase des Handwerks. Aus dem Ordinarius alten Stils werde der Chef eines „kapitalistischen Universitätsunternehmens“, und dies, so kann man hinzufügen, nicht nur in Naturwissenschaft und Medizin.79 Tatsäch­ lich beginnt die Forschung ganz allgemein arbeitsteiliger und zugleich ‚kapi­ talintensiver‘ zu werden, auch neue Organisationsformen zu verlangen.80 Die außeruniversitäre Forschungseinrichtung bricht sich Bahn. Noch bleibt sie auf die Universität bezogen. Diese steht weiterhin im Zentrum des Wissenschafts­ systems. Freilich wird es immer wichtiger für den Ordinarius neuen Stils, auch Forschungspolitik zu betreiben. Und dies gilt auch auf dem Gebiet der So­zial­ wissenschaft.

4.  Der Forschungspolitiker und Wissenschaftsorganisator Was läßt sich über Max Weber als Forschungspolitiker und Wissenschaftsor­ ganisator sagen? Trennen wir zunächst den inneruniversitären vom außeruni­ 77  Weber trat am 17. Oktober 1918 aus der Burschenschaft „Allemannia“ aus, der er seit seiner Heidelberger Studentenzeit angehört hatte. Dazu Max Webers Brief an Friedrich Keller vom 17. Oktober 1918, MWG II/10, S.  2 69–271. In der Denkschrift zu den Handelshochschulen findet sich der bemerkenswerte Satz: „[…] daß ich die Schwierigkeit, diese in unreifen Jahren auf der Universität unwillkürlich eingeübten ‚Gesten‘ wieder, sozusagen, aus den Gliedern loszuwerden, am eigenen Leibe erfah­ ren habe.“ Weber, Denkschrift an die Handelshochschulen , unten, S.  370. 78  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  75. 79 Ebd. 80  Dazu Webers Rezension des Buches von Franz Eulenburg über „Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren“, wo es unter anderem heißt: „Die Finanzen zeigen den Aufstieg des ‚kapitalistischen Betriebes‘ in den medizi­ nischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten in der ungeheuren auch relativen Zunahme der Ausgaben für sachliche Unterrichtsmittel (Institute) und damit jene Spaltung in der Eigenart des Lehrbetriebs, die die Institutsdirektoren so oft der Denk­ weise ihrer humanistischen Kollegen tief entfremdet und andere, hier nicht zu erör­ ternde, sehr weittragende Konsequenzen und Probleme im akademischen Leben mit sich gebracht hat. Die ‚Universitas litterarum‘ ist nicht zum wenigsten aus diesen un­ vermeidlichen Entwicklungsmotiven heraus eine Fiktion geworden.“ Weber, Rezen­ sion von Eulenburg, unten, S.  169 f.

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versitären Prozeß, und beginnen wir mit letzterem. Hier geht es um zwei Insti­ tutionen, den Verein für Socialpolitik (VfSp) und die zu schaffende Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS). Der Verein für Socialpolitik existierte bereits, als Max Weber als Habilitierter in den Lehrkörper der Universität Berlin eintrat.81 Er wurde in der Bismarck­ zeit, im Jahre 1872, gegründet, um die Sozialpolitik mittels Enqueten auf eine empirische Grundlage zu stellen. Seine Gegner charakterisieren ihn mit dem Begriff „Kathedersozialismus“, weil es vor allem Professoren waren, die sich hier zusammengeschlossen hatten und sich für eine staatlich gelenkte so­zial­ politische Bändigung des Kapitalismus einsetzten. Diese Bezeichnung war insofern irreführend, als sich unter seinem Dach verschiedene Strömungen versammelten. Es gab Gegensätze zwischen rechts und links, Etatisten und Liberalen, Alten und Jungen.82 Dieser Verein bot dem jungen Max Weber die Gelegenheit, seine Forschungsinteressen zu erweitern, sie vom Mittelalter und der Antike auf die Gegenwart auszudehnen. Man übertrug ihm, dem noch weitgehend Unbekannten, die schwierige Aufgabe, das bereits gesammelte Material einer Untersuchung über die Lage der ostelbischen Landarbeiter auszuwerten und darüber einen Forschungsbericht zu verfassen.83 Damit betrat er zugleich die Brücke, die ihn von der Rechtswissenschaft zur Natio­ nalökonomie führte.84 Der Verein wurde von einem Vorsitzenden geleitet, der sich auf einen Aus­ schuß stützte, und er bildete projektbezogene Unterausschüsse. Er hielt regelmäßig Generalversammlungen ab, auf denen man Ergebnisse abge­ schlossener oder laufender Projekte diskutierte und sich auf neue einigte. Seit 1890 hatte Gustav Schmoller den Vorsitz inne. Max Weber wuchs Schritt für Schritt in diese besondere Form wissenschaftlicher Kommunikation hinein. Unterbrochen durch seine Krankheit, war er seit seiner Kooptation in den

81  Der Verein schrieb sich bis 1910 mit „c“ (Socialpolitik), dann mit „z“ (Sozialpolitik). Hier wird durchgängig die ursprüngliche Schreibung verwendet. 82  Grundlegend immer noch Lindenlaub, Dieter, Richtungskämpfe im Verein für So­ zialpolitik. Wissenschaft und Sozialpolitik im Kaiserreich vornehmlich vom Beginn des ‚Neuen Kurses‘ bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1890–1914). – Wiesbaden: Franz Steiner 1967. Vgl. auch Krüger, Dieter, Max Weber und die ‚Jüngeren‘ im Verein für Sozialpolitik, in: Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schwentker (Hg.), Max We­ ber und seine Zeitgenossen. – Göttingen und Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S.  9 8–118. 83  Vgl. Weber, Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland, MWG I/3. 84  Das ist nur zum Teil richtig. Denn auch die rechtswissenschaftlichen Arbeiten, die Dissertation und die Habilitationsschrift, haben eine nationalökonomische Kompo­ nente, insofern es in ihnen um die Beziehung zwischen ökonomischen Sachverhalten und rechtlichen Institutionen geht. Daß sich Weber mit solchen Arbeiten für die Fä­ cher Handelsrecht und Römisches Recht habilitieren konnte, wäre heute in einer rechtswissenschaftlichen Fakultät undenkbar.

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Verein Anfang der 1890er Jahre ein relativ aktives Mitglied.85 Er stieß, nicht zuletzt zusammen mit seinem Bruder, viele Projekte an und arbeitete selbst an solchen mit.86 Der Schwerpunkt von Max Webers Mitarbeit fällt in die Periode von 1905 bis 1914. Sie ist durch zwei bezeichnende Ereignisse markiert. 1905 kommt es in Mannheim zu einer Auseinandersetzung zwischen Max Weber und Gustav Schmoller, die beinahe zur Spaltung des Vereins führt,87 und 1914 zum Werturteilsstreit, bei dem Max Weber unter anderem auch die von Gustav Schmoller vertretene ethische Nationalökonomie, wie schon zuvor, scharf kri­ tisiert.88 Dazwischen liegt die Diskussion um das Problem der Bürokratisie­ rung, in der sich Max Weber – hier zusammen mit seinem Bruder Alfred – nicht zuletzt auch gegen Gustav Schmollers (preußische) Staats- und Bürokratie­ gläubig­keit richtet.89 Man sieht: Max Weber und Gustav Schmoller stehen, wissenschaftlich gesehen, in einer spannungsreichen Beziehung zueinander, sind Vertreter verschiedener Generationen und auch verschiedener Wissen­ schaftsauffassungen, zollen sich aber wechselseitig Respekt.90 Im Jahre 1905, als man in Mannheim über das Verhältnis von Staat und Kartellen diskutierte, hatte Weber einen Teil seiner Arbeitskraft wiedergewon­ nen. Zwei Jahre erstaunlicher Produktivität lagen hinter ihm.91 Als Schmoller 85  Das genaue Aufnahmedatum ist nicht bekannt. 86  Treffend formuliert Manfred Schön in seinem Aufsatz „Gustav Schmoller und Max Weber“: „Krankheitshalber trat Weber für einige Jahre im Verein eher in den Hinter­ grund, um in der Dekade von 1905–1914 als Diskutant auf den Generalversamm­ lungen und in den meisten Ausschußsitzungen, als Mitinitiator der Enquete über Aus­ lese und Anpassung der großindustriellen Arbeiter sowie als Hauptkontrahent in der Werturteilsdebatte zu einer der hervorragendsten, aber auch kontroversesten Figuren dieser Vereinigung zu werden.“ Schön, Manfred, Gustav Schmoller und Max Weber, in: Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und seine Zeitgenossen. – Göttingen und Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S.  8 4–97, hier S.  90. (hinfort: Schön, Schmoller). Vgl. auch die edierten Texte unter II b, unten, S.  725–757. Schön zitiert auch folgende Anekdote, wonach Schmoller einmal gesagt haben soll: „Für die nächste Beratung bedürfen wir einer Geschäftsordnung, in deren §  1 bestimmt wird, daß innerhalb einer Stunde die beiden Weber nicht mehr als 55 Minuten sprechen dürfen.“ Ebd., S.  9 0. 87  Dazu Gothein, Alfred und Max Weber, Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann, unten, S.  6 5–69, und Weber, Conzept der Erklärung, unten, S.  70–74. 88  Weber, Beitrag zur Werturteildiskussion (wie oben, S.  10, Anm.  3 9). 89  Weber, Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinden, MWG I/8, S.  3 56– 366. Der Angriff gilt zwar in erster Linie Adolph Wagner, schließt aber Gustav Schmoll­ er mit ein. Vgl. ebd., S.  3 65. 90 Dazu auch Abschnitt 5, unten, S.  3 8–43. Hinzu kommt, daß Weber im Metho­ denstreit der Nationalökonomie eher zu Menger als zu Schmoller tendierte. 91 Weber hatte, neben methodologischen Abhandlungen, seine beiden Aufsätze über den asketischen Protestantismus (MWG I/9, S.  97–215 und 222–425) niederge­ schrieben sowie die Studien über die altgermanische Sozialverfassung (MWG I/6, S.  2 28–299) und über den Fideikommiß (MWG I/8, S.  81–188).

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seinen Vortrag zum Thema, verbunden mit konkreten technischen Vorschlä­ gen, gehalten hatte, beteiligten sich viele an der Debatte.92 Einer von ihnen war Friedrich Naumann, der, wie Weber selbst, Schmollers Vorschläge einer scharfen Kritik unterzog. Während die Auseinandersetzung zwischen Weber und Schmoller gesittet verlief, war Schmoller von Naumanns Ausführungen beleidigt, zumal diese in der Versammlung großen Beifall erhalten hatten. Schmoller nutzte dann das Privileg des Vorsitzenden, ein Schlußwort zu spre­ chen, dazu, Naumann der Demagogie zu bezichtigen. Zugleich drohte er, da Naumanns Beitrag so viel Anklang gefunden habe, mit Rücktritt. Dies geschah in Naumanns Abwesenheit. Wie nicht anders zu erwarten, weckte dies den heftigen Widerspruch Max Webers. Denn hier wurde jemand angegriffen, als er sich nicht wehren konnte, und Schmoller beging dabei einen Verfahrensverstoß. Er war nicht in eine wissenschaftliche Auseinandersetzung unter Gleichen eingetreten, sondern er hatte das Schlußwort des Vorsitzenden, das er für den Verein zu sprechen hatte, für seine eigenen Zwecke mißbraucht. Damit sei, so Weber, für Nau­ mann die weitere Teilnahme an den Verhandlungen des Vereins praktisch ausgeschlossen: „Für mich wenigstens würde sie es sein, wenn mir jemand nicht qua Referent und Diskussionsredner, sondern qua Vorsitzender des Ver­ eins sagen würde: Sie sind ein Demagoge, mit Ihnen verhandle ich nicht, und wenn Sie Beifall finden, trete ich zurück.“93 Der Vorgang blieb nicht intern, sondern erreichte sofort die Presse. Die Frankfurter Zeitung konstatierte, man habe Schmoller auf der Tagung eine schwere wissenschaftliche Niederlage zugefügt. Aus Verbitterung darüber sei er in rüder Weise gegen Naumann vorgegangen. Damit bahnte sich eine Entwicklung an, die nicht nur für Schmoller, sondern für den Verein insgesamt schädlich war. Max Weber schwankte, ob er den Konflikt verschärfen oder entschärfen solle. Seinem Temperament lag Verschärfung näher, aber er entschied sich zunächst dagegen. Zusammen mit Eberhard Gothein, seinem Nachfolger in Heidelberg, und seinem Bruder Alfred, der noch in Prag lehrte, intervenierte er bei der Frankfurter Zeitung. In einer Zuschrift nahmen die drei, man kann wohl sagen, aus Loyalität gegenüber dem Verein, Schmoller in Grenzen öffentlich in Schutz.94

92 Dazu auch der Editorische Bericht zu Weber, Das Verhältnis der Kartelle zum Staat, in: MWG I/8, S.  2 60–279, und die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Friedrich Naumann vom 30. Sept. 1905, MWG II/4, S.  5 40–542. 93  Weber, Zur Verteidigung Friedrich Naumanns, unten, S.  6 3. 94  Gothein, Alfred und Max Weber, Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann, unten, S.  65–69.

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Der Fortgang der Auseinandersetzung läßt sich mit Hilfe der unten mitge­ teilten Dokumente verfolgen.1 Weber drohte zunächst damit, den Antrag auf Abschaffung der Generalversammlung zu stellen, ließ sich davon aber wieder abbringen, nachdem Lujo Brentano durchgesetzt hatte, daß in Zukunft das Schlußwort des Vorsitzenden in der Generalversammlung entfiel.2 Letztlich wollte Weber die Existenz des Vereins nicht aufs Spiel setzen und auch den Vorsitz Schmollers nicht gefährden. Aber es blieb sein Unbehagen an den in Verein eingetretenen Entwicklungen. Wenn nicht alles täuscht, hatte dieses Unbehagen tiefere Gründe. Sosehr Weber die Leistungen des Vereins schätzte – er hatte in den weniger als vier Jahrzehnten seiner Existenz schon weit über 100 Bände veröffentlicht –,3 seit Mannheim scheinen Webers Vorbehalte auch gegen die sachliche Arbeit des Vereins zu wachsen. Es gab dort wegen der sozialpolitischen Ausrichtung, die Weber zudem nur bedingt teilte,4 für seinen Geschmack zu wenig Theorie, und auch das Prinzip der Werturteilsfreiheit fand er nicht allgemein beachtet.5 Noch existierte freilich auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften zum Verein für Socialpolitik keine gleichwertige Alternative. Eine solche bot sich 1908/1909, als Georg Simmel und Rudolf Goldscheid den Vorschlag machten, auch in Deutschland eine Gesellschaft für Soziologie 1  Weber, Zur Verteidigung Friedrich Naumanns, unten, S.  6 0–64, Gothein, Alfred und Max Weber, Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann, unten, S.  6 5–69, und Weber, Conzept der Erklärung, unten, S.  70–74. 2  Dazu Schön, Schmoller (wie oben, S.  24, Anm.  8 6), S.  91 f. 3  Dazu die Liste der Veröffentlichungen des Vereins, abgedruckt im Band 188: Ge­ schichte des Vereins für Sozialpolitik 1872–1932. Im Auftrage des Liquidationsaus­ schusses verfaßt von Schriftführer Dr. Franz Boese. – Berlin: Duncker & Humblot 1939, S.  3 05–322. Die Verhandlungen der Generalversammlung in Mannheim bilden den Band 116. 4 Dazu der Editorische Bericht zu Weber, Entwurf eines Einladungsschreibens zu einer sozialpolitischen Aussprache in Frankfurt a. M., in: MWG I/8, S.  3 67–377. Im Un­ terschied zur staatssozialistischen Richtung Schmollers vertrat Weber, zusammen mit Brentano, eine voluntaristische Richtung der Sozialpolitik. 5  Weber erkennt noch in seinem Gutachten über die Werturteilsfrage (1913 formu­ liert, 1914 auf der internen Tagung vorgetragen) durchaus an, daß „Fragen der ‚Welt­ anschauung‘, genauer praktisch-politische ‚Wertungen‘“, im Verein durchaus ihre Stätte hätten, denn er sei schließlich zu diesem Zweck geschaffen worden. Es komme aber alles darauf an, dies im „richtig verstandenen Sinne“ zu tun. Weber lobt die bis­ herige Praxis der Vereinsdiskussionen. Bei diesen habe er „ausdrücklich auf ‚Resolu­ tionen‘ und ähnliches verzichtet, hat damit den Typus des ‚Religionsgesprächs‘, bei dem ein Teil Ketzer sein muß, […] ferngehalten, hat absichtlich die Heranziehung ver­ schiedener, möglichst entgegengesetzter Standpunkte für Referate zum Grundsatz gemacht, und er hat damit seinerseits alle diejenigen Postulate erfüllt, welche wir an eine Diskussion von praktischen Wertungen stellen, – deren wissenschaftliches Ziel sein kann: die entscheidenden, nicht weiter reduzierbaren Axiome, auf welchen die entgegengesetzten Standpunkte ruhen, bloßzulegen, – so daß man wählen könne.“ Weber, Beitrag zur Werturteildiskussion (wie oben, S.  10, Anm.  3 9), S.  8 3.

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zu gründen. Für Österreich war dies bereits 1907 in Wien durch Rudolf Gold­ scheid, Max Adler, Wilhelm Jerusalem und andere geschehen. Simmel hatte gerade seine Studien zur Soziologie, seine Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, als Buch veröffentlicht und dabei den Versuch unter­ nommen, den Ort der Soziologie im Konzert der Wissenschaften zu bestim­ men.6 Obgleich Weber Simmels Ansatz nicht teilte7 und auch Goldscheids Streben nach einer angewandten Soziologie nicht goutierte, ließ er sich in den Gründungsprozeß hineinziehen. Und dies, obgleich ihm die Bezeichnung „Soziologie“ zu diesem Zeitpunkt großes Unbehagen bereitete. Immerhin sah er bei seiner Neukonzeption des Handbuchs der politischen Ökonomie, die in dieselbe Zeit fällt, neben der Wirtschaftstheorie auch Soziologie vor.8 Es gab also in seinen Augen durchaus Beziehungen zwischen einer als Fach konsolidierten Nationalökonomie und dem sich erst formierenden Fach Sozio­ logie.9 Es sind vor allem drei Ziele, die Weber bei dieser Neugründung verfolgte, in der man eine Ergänzung, wenn nicht gar eine Art Gegengründung zum Verein für Socialpolitik sehen kann. Organisatorisch sollte es keinen Dauer­ vorsitzenden, ja nicht einmal einen Vorsitzenden, sondern einen Vorstand (bestehend aus mehreren „Vorsitzenden“) geben, rückgebunden an die Mit­ gliederversammlung, der alle wichtigen Entscheidungen des Vereins obla­ gen. Weber spricht später von einer „föderalistische[n] Gestaltung der sozio­ logischen Organisationen, für welche dann die Muttergesellschaft nur noch

6  Das Buch ist, wie Simmel selbst sagt, in einem Zeitraum von 15 Jahren entstanden. Vgl. Brief Georg Simmels an Célestin Bouglé vom 22. März 1908, in: Georg Sim­ mel-Gesamtausgabe, Band 22, Briefe 1880–1911, hg. von Klaus Christian Köhnke. – Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005, S.  619. Nach Simmel besitzt die Soziologie kein eige­ nes Objekt, sondern eine spezifische Betrachtungsweise, die von den anderen Diszi­ plinen bereits bearbeiteten Objekte zu analysieren, weshalb der Form-Inhalt-Dua­lis­mus für ihn von zentraler Bedeutung ist. Dazu besonders ders., Soziologie. Untersu­ chungen über die Formen der Vergesellschaftung. – Leipzig: Duncker & Humblot 1908, S.  1–46. Zum Folgenden vor allem Lepsius, M. Rainer, Max Weber und die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, in: Soziologie, Jg. 40, Heft 1, 2011, S.  7–19 (hinfort: Lepsius, Deutsche Gesellschaft). Der Aufsatz ist textgleich noch einmal abgedruckt in: Transnationale Vergesellschaftungen. Verhandlungen des 35. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt am Main 2010, hg. von Hans-Georg Soeffner, Band 2. – Berlin: Springer 2012, S.  7 75–785. 7  Dazu Webers Kritik an Simmels Philosophie des Geldes und an seiner Soziologie in einem Text, den Weber nach wenigen Seiten abbricht und in der Schublade läßt. We­ ber, Max, Georg Simmel als Soziologe und Theoretiker der Geldwirtschaft, Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446, OM 4 (MWG I/12), sowie dazu Schluchter, Ein­ leitung, in: MWG I/23, S.  1–77, hier S.  3 4 ff. 8  Dazu Schluchter, Wolfgang, Entstehungsgeschichte, in: MWG I/24, S.  1–128, hier S.  13. 9  Ebd., S.  16.

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der Kontrollpunkt bleiben würde“.10 Es geht ihm vor allem um Dezentralisie­ rung, durch die Einrichtung zunächst von Ortsgruppen, dann von Abteilungen oder Sektionen.11 Berlin, der Sitz des Vereins mit einer Geschäftsstelle, sollte möglichst nicht auch Machtzentrum sein.12 Statt praktischer Fragen, wie im Verein für Socialpolitik, sollte Theorie gepflegt werden. Als Weber wieder ein­ mal die Arbeit für die Gesellschaft wegen „widerwärtigen, ewigen Gekränkt­ heiten unserer ‚großen Herren‘“ gründlich satt hat, formuliert er seine eigenen Interessen: „Presse-Enquete, Verband der theoretischen National-Öko­ nomen“.13 Noch wichtiger aber als dezentrale Organisation und Theorie war ihm, das Postulat der Werturteilsfreiheit institutionell verankert zu wissen. Weber erreichte tatsächlich, daß es in das „Statut der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ aufgenommen wurde.14 Doch es blieb sowohl methodologisch 10 Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 11. Dez. 1910, MWG II/6, S.  712–714, hier S.  712. 11  Folgende Abteilungen oder Sektionen waren zunächst im Gespräch: Philosophie und Soziologie des Rechts, Anthropologisch und naturwissenschaftlich orientierte Soziologie (auch: biologische Soziologie), Wirtschaftstheorie oder Sozialökonomie, Statistik. Dazu unter anderem der Brief Max Webers an Hermann Beck vom 25. Sept. 1910, MWG II/6, S.  622–625, hier S.  622 f., in Verbindung mit dem Brief an Beck vom 4. Okt. 1910, ebd., S.  6 34. In der Beilage zum Brief vom 25. Sept. 1910 auch Webers Antrag auf eine Statutenänderung, ebd., S.  626–628, dem weitgehend stattgegeben wurde. Eine weitere von Weber vorgeschlagene Änderung erfolgte am 26. Februar 1911. Vgl. Brief Max Webers an Hermann Beck vom 22. Febr. 1911, MWG II/7, S.  115. Zur Unterscheidung zwischen Berliner Statut (Januar 1909), Leipziger Statut (Oktober 1909) und Frankfurter Statut (Oktober 1910) vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Antrag auf Statutenänderung, unten, S.  188–190. 12  Die Organe der Gesellschaft waren gemäß §  11 des „Statuts der Deutschen Ge­ sellschaft für Soziologie“: 1. der Vorstand; 2. die Mitgliederversammlung; 3. die Aus­ schüsse; 4. der Rechner.“ Vgl. das Leipziger Statut (Oktober 1909), unten, S.  8 61. Die Mitgliederversammlung wurde später in Hauptausschuß umbenannt. Entsprechend änderte man auch die bis dahin geltende Unterscheidung in ordentliche und unter­ stützende Mitglieder. Die ordentlichen Mitglieder wurden als Mitglieder des Haupt­ ausschusses (Hauptausschußmitglieder) bezeichnet, die unterstützenden Mitglieder als Mitglieder. Die Änderungen gingen auf Max Weber zurück. Vgl. das Frankfurter Statut (Oktober 1910), unten, S.  8 64–868, und Weber, Antrag auf Statutenänderung, unten, S.  188–194. 13  Brief Max Webers an Ferdinand Tönnies vom 8. Nov. 1910, MWG II/6, S.  6 87 f., hier S.  688. 14  Dieses Statut wurde auf der ersten (und einzigen) außerordentlichen Mitglieder­ versammlung in Leipzig im Oktober 1909 verabschiedet und basiert auf dem ur­ sprünglichen Statut („Satzungen“), das der Gründung der Gesellschaft am 3. Januar 1909 in Berlin zugrunde lag. Der §  1 des Leipziger Statuts lautet: „Unter dem Namen ‚Deutsche Gesellschaft für Soziologie‘ ist eine Vereinigung gegründet worden, die ihren Sitz in Berlin hat. Ihr Zweck ist die Förderung der soziologischen Erkenntnis durch Veranstaltungen rein wissenschaftlicher Untersuchungen und Erhebungen, durch Veröffentlichung und Unterstützung rein wissenschaftlicher Arbeiten und durch Organisation von periodisch stattfindenden deutschen Soziologentagen. Sie gibt al­

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wie institutionell von Beginn an umstritten. Dieser Streit führte dazu, daß Weber, nach einer Phase erstaunlichen Engagements, die Gesellschaft 1914 schließlich verließ.15 Weber sah die neue Einrichtung also in erster Linie als ein Forum für theo­ retisch angeleitete empirische Forschung auf kooperativer Grundlage. Er ver­ stand sie nicht als Standesorganisation, als „Nobilitätsgesellschaft“, sondern als Arbeitsgemeinschaft mit aufgabenbezogenem, wechselndem Personal.16 len wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, poli­ tischen, ästhetischen usw.) Ziele ab.“ Vgl. Leipziger Statut (Oktober 1909), unten, S.  8 59–863. Diese Formulierung findet sich im ursprünglichen Statut („Satzungen“) noch nicht. Vgl. Berliner Statut (Januar 1909), unten, S.  8 57–859. 15  Entscheidend dafür war der Verlauf des Zweiten Deutschen Soziologentages, bei dem es während des Vortrags von Paul Barth über „Die Nationalität in ihrer soziolo­ gischen Bedeutung“ wieder zu einem Streit über die Anwendung und die Anwendbar­ keit des Wertfreiheitspostulats kam. Dazu Verhandlungen DGS 1912, S.  21–48. Nach der Mitgliederversammlung schreibt Weber am 22. Oktober 1912 an Hermann Beck: „Mit dem Abschluß der diesmaligen Mitgliederversammlung trete ich aus dem Aus­ schuß aus und bitte mich als lediglich zahlendes Mitglied zu führen.“ Und weiter: „Soziologentage besuche ich nicht mehr. Es ist klar, daß Garantieen [sic!] für die In­ nehaltung der statutenmäßigen Grenzen der Erörterung nicht zu schaffen sind, und ich also stets und immer wieder den gleichen Anstoß erregen würde, wie diesesmal. Auf diesem Punkte werde ich niemals ‚Maß‘ halten. Ich wünsche der Gesellschaft al­ les Gute.“, MWG II/7, S.  709. Der Austritt erfolgte gewissermaßen in drei Schritten: Austritt aus dem Vorstand, aus dem Ausschuß und schließlich aus der Gesellschaft. 16  Vgl. Weber, Geschäftsbericht, unten, S.  256–286. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, wie Weber die Gründung der Heidelberger Akademie der Wissen­ schaften beurteilt, die ihn mit Beschluß vom 25. Juni 1909 zum außerordentlichen Mitglied machen wollte, was er zunächst mit Hinweis auf die Mißstimmungen ab­ lehnte, die die bisherige Zusammensetzung der Akademie unter den aktiven Kolle­ gen der Universität erzeugt habe, dann aber ausführlich sachlich begründete, und zwar mit der mangelnden Berücksichtigung der „systematischen staats- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen“. Brief Max Webers an Leo Königsberger vom 7. Aug. 1909, MWG II/6, S.  212–221, hier S.  215. Er konstatiert schon aufgrund der Zusammensetzung der historisch-philosophischen Klasse einen „alles überwuchern­ den Historismus“ (ebd., S.  220), so daß die „Zusammenkoppelung der systema­ tischen Disziplinen mit den (in überwältigender Überzahl vertretenen) historischen und philologischen ein schwerer Nachteil für die ersteren“ sei (ebd., S.  217). Denn diese hätten gänzlich andere Bedürfnisse. Hier ließe sich nur etwas erreichen, „wenn seitens der Akademie einerseits 1.) für große Kollektivarbeiten die Erhebung, und in den ökonomischen Disziplinen speziell auch: die rechnerische Ausarbeitung[,] des selbst erhobenen oder in den Massenpublikationen der offiziellen Statistik brachlie­ genden, Tatsachenmaterials kontinuierlich durch erhebliche Mittel unterstützt werden könnte, und wenn andererseits 2.) eine systematische Stipendierung besonders be­ gabter, schon hinter dem Abschluß ihrer Studien stehender, jüngerer Leute für Rei­ sen, speziell: Auslandsreisen mit systematisch gewählten Fragestellungen und unter der gemeinsamen Kontrolle der aktiven Vertreter jener Disziplinen in die Wege gelei­ tet werden könnte. Denn das praktische Funktionieren der Rechts- und Verfassungs-

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Da die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, anders als der Verein für Socialpolitik, nicht unbedingt auf die Ressourcen der Großordinarien der National­ ökonomie und staatliche Fördermittel zurückgreifen konnte – wichtige Figuren der Gründungsphase wie Simmel und Tönnies waren im sozialwissenschaft­ lichen Feld eher noch Randfiguren –, mußten für Projekte auch Finanzmittel eingeworben werden. Auch hier wurde Weber aktiv.17 Das Erstaunliche nun ist: Obgleich Weber sich weder gesundheitlich noch, vor allem, ideell für einen geeigneten Vorsitzenden hielt – er könne wegen seiner unsicheren Gesundheit nie garantieren, pünktlich zur Stelle zu sein,18 und er beabsichtige, sich „immer ausschließlicher der wissenschaftlichen Kritik zuzuwenden“, was ihn zu einem „(methodisch-wissenschaftlichen!) Parteimann“ stemple19 –, übernimmt er, nach einem etwas chaotischen Beginn20

institutionen ebenso wie die Erforschung der entscheidenden gesellschaftlichen Grundlagen für die politische und ökonomische Macht- und Kulturentfaltung der Völker könnten ausschließlich auf diesem Wege gefördert werden.“ (Ebd., S.  217 f.). 17  Insbesondere im Zusammenhang mit der Presse-Enquete. 18  Brief an Heinrich Herkner vom 29. März 1909, MWG II/6, S.  8 6–88, hier S.  8 6. 19  Brief Max Webers an Heinrich Herkner vom 11. Mai 1909, MWG II/6, S.  121–123, hier S.  121 f. Er sagt, er müsse dabei Leute „wie Stammler, Ostwald, Lamprecht, Vier­ kandt, auch Simmel, mit der größten sachlichen Rücksichtslosigkeit angreifen.“ Diese waren alle der neuen Gesellschaft beigetreten. Weber korrespondiert in dieser Grün­ dungsphase vor allem mit Heinrich Herkner, mit dem er auch im Verein für Socialpolitik zusammenarbeitet. Er möchte ihn unbedingt für den Vorstandsvorsitz gewinnen. Das Berliner Statut (unten, S.  8 57–859), das der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 3. Januar 1909 zugrunde lag, sah zwei Vorsitzende vor, einen Vorstandsvorsitzenden (§  6 in Verbindung mit §  12, 1.) und einen Ausschußvorsitzen­ den (§  7). Die weichenstellenden Entscheidungen in der frühen Gründungsphase der Gesellschaft (bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am 14. Oktober 1909) scheinen im wesentlichen zwischen Weber, Herkner und dem Geschäftsführer Hermann Beck ausgehandelt worden zu sein. 20  Zunächst wurde Kurt Breysig zum Vorsitzenden des Ausschusses gewählt, doch die Wahl, nach einem Einspruch von Ferdinand Tönnies wegen Zweifel an deren Rechtmäßigkeit, schriftlich wiederholt. Daran beteiligten sich 16 Ausschußmitglieder. Max Weber erhielt 7 Stimmen, Kurt Breysig 5, eine entfiel auf Franz Oppenheimer, und es gab drei Enthaltungen (vgl. Rundschreiben von Hermann Beck vom 4. März 1909, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.11). Weber erreichte also nicht einmal die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Er war wohl von Beginn an der Meinung, es bedürfe keines Ausschußvorsitzenden, sondern allenfalls eines Vor­ sitzenden der Gesellschaft. Im Berliner Statut war allerdings neben dem Ausschuß­ vorsitzenden bereits ein Vorstandsvorsitzender vorgesehen. §  12 lautet: „Der Mitglie­ derversammlung obliegen folgende Aufgaben: 1. Wahl der Mitglieder des Vorstandes, wobei eines derselben zum Vorsitzenden, zwei weitere zu stellvertretenden Vorsitzen­ den, ein viertes zum Schriftführer und ein fünftes zum Kassierer zu wählen ist“. Vgl. Berliner Statut (Januar 1909), unten, S.  8 59. Die Mitgliederversammlung wählte zwar einen fünfköpfigen Vorstand, aber offenbar keinen Vorstandsvorsitzenden.

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und einer vorab von ihm ausgesprochenen Ablehnung,21 den Vorsitz im Aus­ schuß, von dem er freilich schon am 17. Februar 1909 sagte, er werde ihn allenfalls übernehmen, „um die Abschaffung eben dieses Amtes so schnell als statutenmäßig thunlich zu betreiben“.22 Und nun, nachdem er doch die auf ihn gefallene Wahl angenommen hat, betont er gegenüber Heinrich Herkner abermals, daß dieses Amt so schnell als möglich zu beseitigen und durch einen Vorsitzenden der Gesellschaft sowie „durch einen ‚Rechner‘ zu erset­ zen“ sei.23 Freilich, bis zur Wahl von schließlich drei Vorsitzenden (Georg Sim­ mel, Werner Sombart, Ferdinand Tönnies) durch die Mitgliederversammlung sowie der Kooptation von vier weiteren Vorstandsmitgliedern durch die Gewählten24 und bis zu seiner Wahl zum (provisorischen) Rechner ermögli­ chte ihm dieses (angeblich überflüssige) Amt, die organisatorischen Fäden weitgehend in der Hand zu halten. Er nimmt erheblichen Einfluß auf die Ver­ änderung des Statuts,25 wirbt mit großer Energie neue Mitglieder, fördert die Gründung von Ortsgruppen, stellt personell die Weichen und formuliert eine Art Forschungsprogramm. Man gewinnt den Eindruck, daß er eine bestimmte Linie beim Aufbau der neuen Gesellschaft gegen Abweichung sichern möchte. Die Gefahr, es könne in die falsche Richtung gehen, droht offenbar vor allem aus Berlin und von Goldscheid.26 In einem bezeichnenden Schrei­ ben an Heinrich Herkner vom 7. April 1909, der nach dem holprigen Beginn 21  In einem Brief an Heinrich Herkner vom 17. Februar 1909 schreibt Weber: „Unter normalen Verhältnissen würde ich nun vielleicht eine – etwaige! – Wahl dazu [gemeint ist zum Vorsitzenden des Ausschusses, W.S.] mit der ausdrücklichen Motivierung an­ genommen haben, daß ich so die notwendige Rücksichtslosigkeit der Situation er­ halte, um die Abschaffung eben dieses Amtes so schnell als statutenmäßig thunlich zu betreiben. Würde dann diese Abschaffung abgelehnt worden sein, so hätte ich das nutzlose, nur störende, dekorative Amt keinesfalls beibehalten, sondern nieder­ gelegt. ‚Wozu erschuf ihn Gott in seinem Zorn?‘ – den Ausschußvorsitzenden nämlich, da die Gesellschaft doch Sie u. neben Ihnen Simmel, Vierkandt, Tönnies etc. hat? Eine bloße Pfründe für eitle Leute wird man doch nicht schaffen wollen?“, MWG II/6, S.  57–59, hier S.  57 f. 22  Ebd., S.  57. 23  Brief Max Webers an Heinrich Herkner vom 16. März 1909, MWG II/6, S.  73–75, hier S.  74. 24  Der neue Vorstand bestand aus 7 Mitgliedern, der alte aus 5, nämlich aus Her­ mann Beck, Heinrich Herkner, Georg Simmel, Ferdinand Tönnies und Alfred Vier­ kandt. 25  In einem Brief an Franz Eulenburg vom 9. November 1911 (der aus der Deutschen Gesellschaft für Soziologie später ohne Angabe von Gründen wieder austrat) schreibt Weber über sein Engagement: „Ich meinerseits habe lediglich 1. die Schusterarbeit der äußeren Organisation übernommen[,] für die Sie Alle sich einfach zu schade sind (Sie persönlich auch, entschuldigen Sie!)[,] 2. die Einleitung dieser Press­enquete ver­ anlaßt.“ MWG II/7, S.  3 32–334, hier S.  3 33. 26  Schon am 11. März 1909 heißt es in einem Brief Webers an Herkner: „Im Herbst muß die Sache entschieden zum Klappen gebracht werden, ev. durch Neugründung, wenn die Berliner u. Goldscheid nicht klein beigeben.“, MWG II/6, S.  71 f., hier S.  72.

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sogar eine Neugründung ins Spiel gebracht hat, kündigt Weber Statuten-Er­ gänzungen an und Vorschläge zur Kooptation weiterer Gelehrter. Er wolle dann die nächste Ausschußsitzung nach Frankfurt a. M. einberufen, „damit auch die Nicht-Berliner und -Leipziger kommen können und wir dem Gold­ scheid’schen Krempel den Hals umdrehen können“.27 Noch erstaunlicher aber ist: Weber gibt der neuen Gesellschaft auch einen bestimmten Forschungsbereich vor, den sie in erster Linie zu bearbeiten habe – erstaunlich deshalb, weil er selbst lange Zeit der Meinung war, das Problem der Soziologie sei, daß sie keinen solchen besitze.28 Auf dem Ersten Deut­ schen Soziologentag – der Soziologentag erinnert an die im Verein für So­cial­ politik gepflegte Generalversammlung – definiert er den Forschungsbereich der Soziologie folgendermaßen: Es sei „eine fundamentale Aufgabe einer jeden Gesellschaft für Soziologie […], diejenigen Gebilde zum Gegenstand ihrer Arbeiten zu machen, welche man konventionell als ‚gesellschaftliche‘ bezeichnet, d. h. alles das, was zwischen den politisch organisierten oder anerkannten Gewalten – Staat, Gemeinde und offizielle Kirche – auf der einen Seite und der naturgewachsenen Gemeinschaft der Familie auf der anderen Seite in der Mitte liegt. Also vor allem: eine Soziologie des Vereinswesens im weitesten Sinne des Wortes, vom Kegelklub – sagen wir es ganz drastisch! – angefangen bis zur politischen Partei und zur religiösen oder künstlerischen oder literarischen Sekte.“29 Auch die Zusammenstellung der Themen auf den ersten Soziologentagen, auf die Weber Einfluß nahm, lassen sich als den Versuch verstehen, den Ort der Soziologie im Konzert der Disziplinen auszuloten. Es handelt sich dabei 27  Brief Max Webers an Heinrich Herkner vom 7. April 1909, MWG II/6, S.  9 0 f., hier S.  91. Weber hoffte zu diesem Zeitpunkt noch, Herkner als Vorsitzenden der Gesell­ schaft zu gewinnen. 28 Weber, Objektivität (wie oben, S.  10, Anm.  37), S.  36 ff., bes. S.  41. Zunächst schränkt Weber seine Erkenntnisabsicht auf sozialökonomische Probleme ein. Dann stellt er fest, daß man die Einseitigkeit einer solchen Betrachtungsweise nicht dadurch heilen könne, „daß sie zu einer allgemeinen Sozialwissenschaft erweitert werde“, denn diese „krankt zunächst an dem Fehler, daß der Gesichtspunkt des ‚So­zia­len‘, also der Beziehung zwischen Menschen, nur dann irgend welche zur Abgrenzung wissenschaftlicher Probleme ausreichende Bestimmtheit besitzt, wenn er mit irgend einem speziellen inhaltlichen Prädikat versehen ist“. Man kann allerdings in seinem Vorschlag den Versuch sehen, genau dieses zu leisten: die Beziehung der Menschen mit einem inhaltlichen Prädikat (Vereinswesen) zu versehen. 29  Weber, Geschäftsbericht, unten, S.  274 f. Wenig später teilt Weber die Forschungs­ aufgaben der Soziologie kategorial sehr viel präziser ein: in die Untersuchung derje­ nigen sozialen Gebilde, die auf einer gesatzten Ordnung und auf Gesellschaftshan­ deln beruhen sowie als Anstalten oder Zweckvereine organisiert sind, von solchen, die auf einer unterstellten Ordnung und auf Einverständnishandeln beruhen sowie Verbandscharakter besitzen. Dazu Weber, Max, Über einige Kategorien der verste­ henden Soziologie, in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Band 4, Heft 3, 1913, S.  253–294 (MWG I/12), bes. die Abschnitte IV bis VII.

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nicht zufällig immer um Verhältnisbestimmungen, um das Verhältnis von Tech­ nik und Gesellschaft, Rasse und Gesellschaft, Religion und Gesellschaft, Recht und Gesellschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, sowie um das Verhältnis der Soziologie zu der mit dem jeweiligen Gegenstand befaßten Nachbardis­ ziplin. Doch reicht all dies für Weber noch nicht aus, um den „schwankenden Inhalt des Begriffes ‚Soziologie‘“ zu festigen und diesem „bei uns unpopu­ lären Namen“ Reputation zu verschaffen.30 Die Gesellschaft für Soziologie müsse außer über ihre Verfassung – Weber sagt: „Konstitution“ – über ihre konkreten nächsten Aufgaben, die sie erfüllen möchte, erkennbar sein. Dafür entwickelt er nun neben dem Vereinsthema, das ja noch relativ allgemein gefaßt ist und weiterer Konkretisierung bedarf,31 sowie dem Thema Auslese der führenden Berufe innerhalb der modernen Gesellschaft, das dann prak­ tisch nicht aufgegriffen wurde,32 ein konkretes Forschungsprojekt, eine „Soziologie des Zeitungswesens“,33 mit dem das Spezifische einer theoretisch angeleiteten empirischen soziologischen Vorgehensweise auf kooperativer Grundlage sichtbar gemacht werden soll. Es ist „sein“ Projekt, und er sucht dafür die Mitarbeiter und die Finanzmittel, ferner die Kontakte zu den wich­ tigsten Akteuren in diesem Feld.34 Es sei ein relevantes und zugleich höchst sensibles Thema, an dem sich besonders gut demonstrieren lasse, was wert­ urteilsfreie soziologische Forschung bedeute. Leider endet dieser Demon­ strationsversuch nach einem vielversprechenden Beginn schnell auf einem ‚toten Gleis‘. Der Grund war, daß Weber einen Presseprozeß provozierte.35 Er war von höchster Brisanz, weil es dabei um die Rolle des Redaktionsgeheimnisses ging. Weber erkannte es zwar grundsätzlich für die journalistische Arbeit an, 30  Weber, Geschäftsbericht, unten, S.  258. 31  Im Vorfeld fragte Weber Heinrich Herkner im Brief vom 29. März 1909, was sie neben dem Zeitungswesen als mögliche Themen verabredet hätten: „Ich weiß nicht mehr, ob wir: ‚Vereinswesen‘, oder: ‚Geselligkeit‘, oder ‚Weltanschauung und wirt­ schaftl[iche] Gemeinschaften‘, oder ‚Reiseverkehr‘ oder ‚Parteiwesen‘ schließlich als vornehmlich in Betracht zu ziehen verabredet hatten“, MWG II/6, S.  8 6–88, hier S.  87. Verglichen mit der „Zusammenstellung soziologischer Probleme“, die der „Einladung zur Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ vom Januar 1909 beige­ geben war (abgedruckt im Editorischen Bericht zu Weber, Einladung zum Beitritt 1909, unten, S.  826 f.), ist dies immerhin bereits eine Konkretion. 32  Vgl. dazu Weber, Geschäftsbericht, S.  283, Anm.  4 8. 33  Ebd., S.  262. 34  Vgl. Weber, Vorbericht, unten, S.  2 08–228, und Weber, Geschäftsbericht, unten, S.  2 62 f. 35 Dazu Lepsius, M. Rainer und Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: MWG II/7, S.  1–16, hier S.  5 –9, und die zusammenfassende Darstellung bei Lepsius, Deutsche Gesellschaft (wie oben, S.  27, Anm.  6), S.  13 f. Ferner Weber, Rechenschaftsbericht, unten, S.  414, Anm.  4.

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nicht aber in den Fällen, in denen die Ehre einer Person verletzt sei. Hier ver­ langte er, daß Redakteur und Informant bekannt zu machen seien, damit der Verletzte auch gerichtlich gegen diese vorgehen könne. Die Dresdner Neue­ sten Nachrichten berichteten, Weber habe sich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes einer angeblichen Duellforderung verweigert. Diese Behauptung entsprach nicht den Tatsachen, und Redakteur wie Informant blieben zunächst anonym. Weber empfand den Bericht als eine schwere Ehr­ verletzung, und es gelang ihm tatsächlich in einem Beleidigungsprozeß, das Redaktionsgeheimnis aufzubrechen. Sowohl der Name des Redakteurs wie der des Informanten wurden bekannt.36 Durch diesen Vorgang, der natürlich auf journalistischer Seite auf Ablehnung stieß, sah er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Presse, das für die geplante Untersuchung unerläßlich war, als weitgehend zerstört an.37 Auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag, der vom 22. bis 24. Oktober 1912 in Berlin stattfand, erläuterte Weber den Vorgang und trat, allerdings verbunden mit dem Angebot, weiter zu helfen und unter wohl nicht zu erwartenden günstigen Umständen auch zurückzu­ kehren, aus der „Erhebung über das Zeitungswesen“ aus.38 Zurückgekehrt ist er nicht. Bemerkenswert ist, wie Weber nach diesem Rückzug den Stand der Gesell­ schaft einschätzt. Er zieht nämlich einen Vergleich mit dem Verein für Socialpolitik. Es sei vorläufig nicht gelungen, „der großen alten, glänzend geleiteten und mit reichen Mitteln arbeitenden Organisation des Vereins für Sozialpolitik, die in mehr als einer Hinsicht für uns als Muster gedient hat, mit etwas schon Ebenbürtigem für unsere Zwecke an die Seite zu treten“.39 Die Gesellschaft habe einfach keine vergleichbaren Ressourcen, aber auch nicht die öffent­ liche Aufmerksamkeit, die sozialpolitische Fragen nun einmal erregten. Aber Weber gibt die Hoffnung nicht auf, daß sich dies bei harter Arbeit in Zukunft ändern könne. Er beendet seinen Bericht mit einem leicht optimistischen Aus­ blick. Er hoffe, „daß es unserer Gesellschaft gelingen möge, der soziolo­ gischen Wissenschaft auch in Deutschland endlich denjenigen Platz zu errin­ 36  Der Redakteur war Otto Bandmann, der Informant Adolf Koch, Privatdozent für Zeitungswissenschaft an der Universität Heidelberg. Ausgangspunkt des Vorgangs war die Affäre Arnold Ruge. Dazu Weber, Zur Affäre Ruge I und II, unten, S.  2 35–239 und 240–242. 37  Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil der Chefredakteur der angegriffenen Zei­ tung, Julius Ferdinand Wollf, zugleich Vorstandsmitglied des Presseverbandes war. 38  Weber, Rechenschaftsbericht, unten, S.  414. Weber formuliert dort: „Ein ganz be­ sonderer Unstern hat über demjenigen Unternehmen gewaltet, welches die deutsche Gesellschaft für Soziologie als erstes ins Leben rufen wollte: der Erhebung über das Zeitungswesen. Hier spielen leider Verhältnisse, die direkt mit meiner Person ver­ knüpft sind, die entscheidende Rolle, denn mir persönlich hat die Verpflichtung oble­ gen, dieses von mir vorgeschlagene Unternehmen in Gang zu bringen.“ 39  Ebd., unten, S.  416.

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gen, welchen sie im Auslande längst besitzt, und der dieser früher mit einem gewissen Recht verschrien gewesenen Disziplin nach ihren jetzigen Leistun­ gen auch unbedingt zukommt.“40 Max Weber betreibt also eine Forschungspolitik, welche die inneruniversi­ täre Forschung um die außeruniversitäre erweitert. Wie M. Rainer Lepsius bemerkt, wollte er im Grunde die Deutsche Gesellschaft für Soziologie zu einer Art Forschungsgemeinschaft entwickeln, „auf der Grundlage freiwilliger Mitarbeit von Mitgliedern und Spenden von Mäzenen“.41 Dafür war freilich die Zeit noch nicht reif. Aber auch die inneruniversitären Strukturen und Prozesse wollte er nicht unverändert lassen. In allen drei Phasen seiner Universitätstätigkeit, in Frei­ burg, Heidelberg und München, arbeitete er an der Verbesserung seiner For­ schungs- und damit auch seiner Lehrsituation. Kaum war er als habilitierter Jurist im Alter von 30 Jahren auf das Ordinariat für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an die Universität Freiburg i. Br. berufen, schlug er eine neue Fakultätsgliederung vor, womit er auch Erfolg hatte. Die Nationalökonomie, die bis dahin in Gestalt des „Cameralistischen Seminars“ zur Philosophischen Fakultät gehörte, sah er für ihre Forschung und vor allem für ihre Lehre besser bei den Juristen untergebracht. National­ ökonomie war Teil des juristischen Curriculums, und auch viele Studenten der Nationalökonomie hörten juristische Vorlesungen. Doch mit diesem Fakultäts­ wechsel wollte Weber die Brücke zur Philosophischen Fakultät keineswegs abbrechen. Er brauchte für seine eigene Tätigkeit auch Unterstützung von dort. Das zeigt sich unter anderem an dem Engagement, das er bei der Wie­ derbesetzung des Lehrstuhls für Philosophie an den Tag legte. In einem kom­ plizierten Berufungsvorgang griff er mit einem Sondervotum in den inner­ universitären Entscheidungsprozeß ein. Alois Riehl, bis dahin Professor für Philosophie an der Universität Freiburg, hatte zum Sommersemester 1896 einen Ruf an die Universität Kiel angenom­ men. Wie zu dieser Zeit üblich, gehörte er der Berufungskommission für seine Nachfolge an. Mit seiner Zustimmung als der des kompetenten Fachvertreters einigte man sich in der Berufungskommission auf eine Dreierliste mit der Rei­ henfolge Rickert, Spitzer, Husserl. Doch die Philosophische Fakultät änderte diese Reihenfolge, setzte Spitzer vor Rickert. Ein Teil der Fakultät beantragte sogar, Rickert gänzlich von der Liste zu nehmen. Sieben Fakultätsmitglieder reichten ein Sondervotum mit diesem Begehren ein. Die komplizierte Prozedur muß hier nicht dargestellt werden. Sie ergibt sich aus Webers Text. Interessant sind zwei Aspekte seines Sondervotums: Zum einen moniert Weber, daß der Berufungsvorgang nicht ‚objektiviert‘ worden 40  Ebd., unten, S.  417. 41  Lepsius, Deutsche Gesellschaft (wie oben, S.  27, Anm.  6), S.  18.

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sei, daß man sich nicht auswärtiger Expertise bedient habe, womit Nichtphi­ losophen über die Qualität und Ausrichtung der Philosophie entschieden hät­ ten; zum anderen reklamiert er, daß bei der Ausrichtung der Philosophie weni­ ger die philosophischen ‚Bedürfnisse‘ der Naturwissenschaften, als vielmehr die der Humanwissenschaften, insbesondere der Sozialwissenschaften, zu berücksichtigen seien. In einer bemerkenswerten Passage heißt es bereits im Jahre 1896, also lange vor Abschluß von Heinrich Rickerts einflußreichem und für Webers eigenen methodologischen Ansatz grundlegendem Werk „Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung“ (1902): „Die bisher publizierte Partie aus seinem jetzt im Druck befindlichen Werk ergab für mich schon jetzt eine derartige Bedeutung auch für den Methodenstreit in der Na­tio­nal­ökonomie, daß ich z. B. in meinen theoretischen Vorlesungen zu die­ sem originellen Gedankenkreise Stellung nehmen mußte.“42 Rickert wurde dann doch berufen, und auch später, bei dessen Berufung nach Heidelberg, hatte Weber seine Hände im Spiel. Auch bei der Bestimmung seines Nachfolgers in Freiburg nach seiner Beru­ fung nach Heidelberg griff Weber offenbar steuernd ein, um in diesem Fall Werner Sombart zu einem Ordinariat zu verhelfen. Wir können sogar anneh­ men, daß die Begründung des Berufungsvorschlags, bei dem Sombart an erster Stelle geführt wird, aus seiner Feder stammt.43 Anders als im Falle Rickerts, hatte Weber hier von vornherein auf externe Gutachten von aner­ kannten Gelehrten des Faches bestanden. Allerdings folgte das Ministerium dem Vorschlag von Fakultät und Senat nicht. Sombart wurde nicht berufen. Auch hier dürften die Gründe außerwissenschaftlicher Natur gewesen sein.44 In Heidelberg ließ Max Weber mit Unterstützung der Philosophischen Fakul­ tät ein „Volkswirtschaftliches Seminar“ einrichten, das bis dahin nicht existierte.

42  Weber, Separatvotum, unten, S.  572. 43  Weber, Wiederbesetzung des Nationalökonomischen Ordinariats, unten, S.  577– 588. 44  Im Fall Sombart waren es freilich keine politischen Gründe. Als Robert Michels in einer Abhandlung über „Universität und Sozialismus“ Sombart als ein Beispiel für po­ litische Diskriminierung in Deutschland anführte, antwortete Weber: „So geht es in Deutschland nicht an, Sombart’s Schicksal als wesentlich politisch bedingt hinzustel­ len.“ Und weiter: „Sombart ist 5 Mal von Fakultäten 1. Loco vorgeschlagen, 1 Mal berufen (auf den Lehrstuhl Büchers und Gotheins, – die ihn beide als Gelehrte denn doch weit überragen) nach Karlsruhe, u. hat dort in grober Form abgelehnt. Von den 4 übrigen Fällen war nur 1 politisch bedingt. In 2 von den andren lag die Sache so (ich habe selbst dem badischen Minister Vortrag gehalten), daß man die Art seines Sich-Gebens ‚unreif‘ fand, in einem der beiden Fälle auch Gothein pari passu (oder sogar vor ihm) genannt war. Bei den Fachcollegen hat er sich (bitte: nur für Sie!) durch sein auch mir widerliches Protzen mit sexuellen Erfolgen s. Zeit drunter durch ge­ bracht.“ Brief Max Webers an Robert Michels vom 16. Aug. 1908, MWG II/5, S.  6 38 f. Dennoch hätte Weber ihn gerne als seinen Nachfolger in Heidelberg gesehen.

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Auch forderte er sofort eine zweite Professur für Nationalökonomie.45 Da er zugleich als Mitdirektor in das „Staatswissenschaftliche Seminar“ eintrat, dem zuvor Karl Knies angehört hatte und dessen anderer Direktor Georg Jellinek war, gab es hier keine Notwendigkeit, wie in Freiburg, für einen Wechsel in die Juristische Fakultät. Denn die Verbindung zur Jurisprudenz war über das „Staatswissenschaftliche Seminar“ und seinen juristischen Direktor herge­ stellt. Freilich gelang es Weber erst aufgrund seiner Erkrankung, die von Beginn an erstrebte zweite Professur für Nationalökonomie tatsächlich zu erringen. Und erst nach seinem Rücktritt vom Lehramt wurde in Heidelberg Nationalökonomie von zwei Ordinarien gelehrt, von Eberhard Gothein als Nachfolger Max Webers, dazu von Karl Rathgen und nach ihm von Alfred Weber. In München schließlich bestand Webers Interesse darin, die Soziologie, die er kurz zuvor noch als ‚hybrides‘ Fach bezeichnet,46 von der er aber bereits 1912 in so hoffnungsvollen Tönen gesprochen hatte, endlich als Fach zu eta­ blieren. Er wollte es mit Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie mit theore­ tischer Nationalökonomie verbunden sehen. Das war eine zukunftsweisende Idee, die auf eine historisch ausgerichtete Sozialwissenschaft (theoretische Soziologie und Nationalökonomie in Verbindung mit Sozial- und Wirtschafts­ geschichte) zielte. Doch sie blieb an die Person Webers gebunden und hatte keine institutionelle Auswirkung. Die sich verstärkende Spezialisierung und die Abgrenzung der Fächer voneinander standen ihr entgegen. Alle drei Dis­ ziplinen, die Nationalökonomie, die Soziologie und die Geschichtswissen­ schaft, gingen ihre eigenen Wege, verloren sich über weite Strecken sogar gänzlich aus dem Auge, und nur hin und wieder fanden sie wieder zusam­ men, aber meist nur personell, nicht institutionell. An diesen drei Beispielen wird deutlich: Weber fügt sich nicht einfach in das Überkommene, sondern sucht es zu erweitern, gar umzugestalten. Insofern agiert er hier als Hochschulpolitiker, Forschungspolitiker und Wissenschafts­ organisator zugleich. Bestimmend sind dabei auch immer seine eigenen For­ schungsinteressen, für die er einen förderlichen institutionellen Rahmen sucht.

45  Weber, Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur, un­ ten, S.  5 99–601, sowie die Auseinandersetzungen um das etatmäßige Extra­ordina­ riat, Weber, Errichtung Extraordinariat, unten, S.  5 89–593. 46  Schreiben Max Webers an das k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien vom 5. Juni 1918, MWG II/10, S.  179–182, hier S.  181.

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5.  Der Gutachter und Laudator An der Art und Weise, wie Weber sich an den Berufungsverfahren Rickert und Sombart in Freiburg beteiligte, läßt sich bereits erkennen: Sachfremder Einfluß auf die Besetzung von Professorenstellen sollte möglichst ausge­ schlossen werden. Sein Wunsch nach Beteiligung Externer erklärt sich teil­ weise daraus, daß in den hier in Frage kommenden Disziplinen mitunter nur ein Fachordinariat existierte, so daß bei einer Wiederbesetzung der ausschei­ dende Ordinarius in der Berufungskommission der einzige Fachmann sein konnte. Hinzu kam ein allgemeiner Mangel des ‚Karrieresystems‘ der deut­ schen Universität: Es war durchaus üblich, daß ein junger Wissenschaftler von demselben Professor promoviert, habilitiert und dann unter Umständen auch noch zum Extraordinarius gemacht wurde. Die Gefahr der Bevorzugung der eigenen Schüler war groß. Deshalb sei er, so Weber in „Wissenschaft als Beruf“, dem Grundsatz gefolgt, „daß ein bei mir promovierter Gelehrter sich bei einem andern als mir und anderswo legitimieren und habilitieren müs­ se“.47 Das Resultat sei freilich gewesen, „daß einer meiner tüchtigsten Schü­ ler anderwärts abgewiesen wurde, weil niemand ihm glaubte, daß dies der Grund [für seinen Wechsel, W.S.] sei“.48 Der tiefsitzende Patriarchalismus widersprach offensichtlich dem Leistungs- und Konkurrenzprinzip, das nach Weber im Hochschulwesen zu gelten hatte. Auf dem Hochschullehrertag in Leipzig, wo er den Fall Michels darlegte, lobte er die Italiener, weil bei ihnen – gemäß dem Concours-Prinzip – die externe Evaluation durch kompetente Fachvertreter bei der Besetzung einer Stelle nicht in das Belieben der Fakul­ tät gestellt werde, sondern fest vorgeschrieben sei. In einer Situation, in der es weder eine Ausschreibung von Stellen noch eine förmliche Bewerbung um sie gab, sollte bei Besetzungsfragen die vergleichende Betrachtung von Kan­ didaten durch Externe eine wichtige Rolle spielen. Das war eine Maxime, an die Weber sich in Berufungsverfahren von Beginn an hielt. Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist sein Gutachten, das er für die Juristische Fakultät der Universität Wien erstattete. Er formulierte es zu einem Zeitpunkt, als er selbst probeweise dort lehrte, aber die endgültige Entscheidung, in diese Fakultät als Nachfolger des verstorbenen Eugen von Philippovich einzutreten, noch nicht getroffen hatte. Für den Fall, daß er blie­ be,49 würde sein Votum also mit darüber entscheiden, wer in Zukunft sein direkter Kollege sei. Der zweite Lehrstuhl war durch die Ernennung von Fried­ rich von Wieser zum Handelsminister freigeworden. Dieser war ein führender 47  Weber, Wissenschaft als Beruf, MWG I/17, S.  72 f. 48  Ebd., S.  73. Der Schüler war Robert Liefmann. 49  Weber absolvierte nach langer Pause ein Probesemester, um seine Lehrfähigkeit zu prüfen. Man hatte vereinbart, daß er sich Ende des Semesters für oder gegen sein Bleiben entscheiden sollte.

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Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie, der sogenann­ ten Grenznutzenschule. Die Berufungskommission hatte der Fakultät eine Liste mit Ladislaus von Bortkiewicz an erster Stelle und Karl Diehl und Arthur Spiethoff pari passu an zweiter Stelle vorgelegt. Max Weber wurde nun von der Fakultät als immer noch externer Sachverständiger gebeten, zu diesem Vorschlag Stellung zu nehmen, was er denn auch in bemerkenswerter Aus­ führlichkeit tat.50 Weber beginnt mit einem für ihn typischen Argument: Man habe den bedeu­ tendsten jüngeren Theoretiker, nämlich Joseph Schumpeter, aus außerwis­ senschaftlichen Erwägungen heraus übergangen. Der an erster Stelle vorge­ schlagene von Bortkiewicz sei diesem zwar als Theoretiker durchaus eben­ bürtig, nicht aber als Lehrer, so daß, unter rein sachlichen Gesichtspunkten, Schumpeter primo loco zu setzen sei. Auch für die zweite Stelle gebe es bessere Alternativen, wobei er Diehl trotz seiner für ihn inakzeptablen Orien­ tierung an den Arbeiten von Stammler immerhin für listenfähig erachtet.51 Spiethoff jedoch gehöre nicht auf diese Liste, so daß Weber, im Gegensatz zur Berufungskommission, zu einem anderen Vorschlag kommt. Webers Auswahlkriterien sind dabei 1. der Grad der theoretischen Schu­ lung und der Klarheit des Denkens; 2. die auch von Studenten bestätigte Lehrbegabung; 3. die Integrität der Person, ihr Charakter; sowie 4., als nach­ geordnetes, pragmatisches Kriterium, Verfügbarkeit. Gemessen daran gehöre Schumpeter eindeutig an die erste Stelle der Liste. Platz 2 sollte pari passu mit Bortkiewicz und Plenge, Platz 3 pari passu mit Diehl und Spann besetzt werden. Spiethoff aber sei zu streichen: Er sei nicht nur den hier Vorgeschla­ genen, sondern auch vielen anderen unterlegen, und Weber spart nicht mit Namen, die noch vor Spiethoff zu berücksichtigen wären. Er warnt die Fakul­ tät davor, die Liste der Berufungskommission zu akzeptieren. Angesichts der Tatsache, daß das Ministerium Bortkiewicz wegen seiner Herkunft (Russe) vermutlich nicht berufen werde, laufe das Ganze faktisch auf einen „Einzelvorschlag von Prof. Spiethoff“ hinaus.52 Weber qualifiziert Spiethoff, einst Assistent von Schmoller, als einen Prakti­ ker ohne theoretischen Tiefgang.53 Daß man ihn überhaupt als Nachfolger von einem der wichtigsten Theoretiker der österreichischen Schule vorge­ schlagen habe, sei offenbar der Tatsache geschuldet, daß die Fakultät poli­ tischen Einfluß auf die Regierung mittels Beratertätigkeit zu gewinnen suche. 50  Weber, Gutachten Wien, unten, S.  6 05–616. 51  Später heißt es dann allerdings über Diehl: „kein klarer Kopf“. Weber, Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, unten, S.  6 37. 52  Weber, Gutachten Wien, unten, S.  612. 53 Spiethoff war derjenige, der in der Affäre Salz–Sander die Attacke der Prager Fakultät gegen Weber geführt hatte. Weber behauptet allerdings hier, dies habe kei­ nen Einfluß auf sein Urteil.

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Dies aber mache die Wissenschaft letztlich zu einer Magd der Politik. Schlim­ mer noch: „Der politische ‚Einfluß‘, den die Lehrkörper dadurch zu erlangen sich schmeicheln[,] ist weitgehend illusionär.“54 Weber zitiert das Beispiel von Gustav Schmoller, dem als langjährigem Vorsitzendem des Vereins für Socialpolitik großer politischer Einfluß zugeschrieben worden sei. Strenggenom­ men, so kann man Webers Einlassung interpretieren, habe ihn die (preu­ ßische) Regierung aber nur für ihre eigenen Propaganda- und Reklame­ zwecke benutzt. Weber führt aus: „Selbst eine Persönlichkeit von dem Eigengewicht Schmollers, des in Deutschland ohne Vergleich glänzendsten Repräsentanten des Typus, der doch zugleich ein bedeutender Gelehrter war, hat in jener ‚beratenden‘ Funktion wesentlich die Fähigkeit entwickelt, stets rechtzeitig zu wissen, was die Ministerien jeweils vertreten zu sehen wün­ schen[,] und dies dann als ‚Ergebnis der Wissenschaft‘ zu verkünden. Als Gegengabe besaß er eine weitgehende Patronage für die akademische Stel­ lenbesetzung, und dieser Einfluß bildete die Grundlage seines Prestiges.“55 Weber spricht in diesem Zusammenhang abfällig von „Geschäftsprofes­ soren“. Ähnlich wie die „Tendenzprofessoren“, gefährden sie die Autonomie der Universität. Sie würden der Politik auch nicht wirklich helfen, denn ihnen fehle „die Schärfe des rücksichtslosen Durchdenkens“ der Sachverhalte.56 Der Politik wäre weit besser gedient, wenn sie sich in die Hände „innerlich ganz ungebundener und das heißt: prinzipiell nur an wissenschaftlichen Auf­ gaben sich orientierender und ihnen hingegebener akademischer Persönlich­ keiten“ begeben würde.57 Weber insistiert also auf die Trennung von Wissen­ schaft und Politik im Interesse der Autonomie und der gegenseitigen Nützlich­ keit beider Sphären. Wenig später, nachdem er den Ruf an die Universität München angenommen und als Mitglied der Staatswirtschaftlichen Fakultät einen Berufungsvorschlag der Fakultät gegenüber der Juristischen Fakultät zu rechtfertigen hatte, spricht er vom „Ausschluß von Politikern oder – voraus­ sichtlich – vornehmlich politisch Interessierten oder voraussichtlich politisch in Anspruch genommenen Herren“,58 also aller Tendenz- oder Geschäftspro­ fessoren, aus dem Berufungsgeschehen. Diese Entscheidung, der er sich 54  Ebd., unten, S.  613. 55  Ebd., unten, S.  613 f. Paul Honigsheim bemerkt in seinen Erinnerungen zu Webers distanziertem Verhältnis zu Schmoller: Nicht zuletzt habe dieser „durch seine persön­ lichen Beziehungen im preußischen Kultusministerium seine Schüler in einflußreiche Stellen in Verwaltung und Universität gebracht und ist auf diese Weise ein Universi­ tätspapst gewesen, wie es seit Hegel kaum noch irgendein anderer Universitätspro­ fessor mehr gewesen war. Insbesondere diese Cliquenwirtschaft war aber unserem Heidelberger höchst zuwider.“ Honigsheim, Erinnerungen (wie oben, S.  11, Anm.  41), S.  165. 56  Weber, Gutachten Wien, unten, S.  6 08. 57  Ebd., unten, S.  614. 58  Weber, Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, unten, S.  6 36.

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auch selbst unterwerfe, denn er sei aus der Politik ausgeschieden, treffe so qualifizierte Personen wie Hilferding (USPD), von Schulze-Gaevernitz (DDP) und inzwischen auch Schumpeter, der durch seine skandalumwitterte Tätig­ keit als österreichischer Finanzminister im Kabinett Renner seine akademi­ schen Chance verschlechtert habe. Aber auch reine Spezialisten könne man nicht gebrauchen. Unter diesen Kriterien wäre, so Weber, Emil Lederer, inzwi­ schen mit ihm durch das Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik und durch seine Heidelberger Tätigkeit verbunden, eine gute Wahl. Auf ihn aber habe man sich in der Berufungskommission nicht einigen können. So sei nun Franz Eulenburg erste Wahl. Seine Entwicklung hatte Weber schon längere Zeit mit Wohlwollen verfolgt, ihn einst auch gegen einen scharfen Angriff von Lujo Brentano vertei­digt.59 Für seine Plazierung an erster Stelle der Liste gibt er folgende Begründung, an der seine Beurteilungskriterien recht gut zu erkennen sind: „Eulenburg ist (getaufter) Jude,60 tadelloser aufrechter Cha­ rakter, in erster Reihe kritisch veranlagt, vorzüglicher Dozent, absolut unpoli­ tisch, hat nie etwas Anfechtbares geleistet, sondern stets höchst förderliche Spezial- (und auch: zusammenfassende) Arbeiten auf erstaunlich vielen Gebieten, vor Allem auch: Statistik (was bei Keinem der Andren zutrifft außer bei dem Russen Bortkiewicz–Berlin, der als Dozent nicht erste Qualität ist).“61 Auch bei Dissertationen – es gab noch kein Diplom, für dessen Einführung sich Weber in München aber einsetzte – und bei Habilitationsschriften zählte bei ihm allein die wissenschaftliche Leistung. Er sei stolz darauf, so seine Einlassung auf dem Hochschullehrertag in Leipzig, „daß sich meine Schüler allen Richtungen angeschlossen haben, von der äußersten agrarischen Rich­ tung bis zu den am meisten linksstehenden Gruppen“.62 Er habe sie eben zu strenger wertfreier wissenschaftlicher Arbeit erzogen – er spricht von „Schu­ lung“ –, nicht mit Weltanschauung traktiert. Prüft man die überlieferten Gut­ achten, so scheinen ihn bei der Bewertung von Examensarbeiten folgende Kriterien geleitet zu haben: gediegenes Quellenstudium, Gewandtheit der Tatsachengruppierung, übersichtliche Darstellung und Blick für den größeren Zusammenhang.63 Weber wollte theoriegeleitete empirisch-historische For­ schung. Jeder Art von Feuilletonismus wie jeder Art von Spekulation war er abhold.

59  Vgl. unter anderem auch Weber, Rezension von Eulenburg, unten, S.  169. 60  Daß Weber dies erwähnt, ist offensichtlich ein Zugeständnis an die üblichen Kate­ gorisierungen im akademischen Leben, dürfte aber angesichts seiner Überzeugung bei der Auswahl eigentlich keine Rolle spielen. 61  Weber, Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, unten, S.  6 38. 62  Weber, Die Auslese für den akademischen Beruf. Berichte, unten, S.  782. 63  Unten, S.  509–557.

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Aber er war nicht nur ein unbestechlicher Gutachter, sondern auch ein ein­ fühlsamer Laudator. Zwei Beispiele seien genannt. Das erste betrifft Gustav Schmoller, den Vorsitzenden des Vereins für Socialpolitik und Webers wissen­ schaftlichen und sozialpolitischen Opponenten, das zweite Georg Jellinek, den Mitdirektor am „Staatswissenschaftlichen Seminar“ der Universität Hei­ delberg und väterlichen Freund. Die spannungsreiche, aber respektvolle Beziehung zwischen Gustav Schmoller und Max Weber wurde bereits ausführlich geschildert. Obgleich sich Weber einst als Kind der (jüngeren) historischen Schule der Nationalöko­ nomie bezeichnete,64 deren Haupt Schmoller ja war, ging er doch sehr früh zu dieser Richtung des ökonomischen Denkens auf Distanz. Im Metho­ denstreit der deutschsprachigen Nationalökonomie stand er eher auf Men­ gers als auf Schmollers Seite.65 Zudem hielt er Schmollers ethische National­ ökonomie für eine Fehlkonstruktion. Aber dies hinderte ihn nicht, ihm aus Anlaß seines 70. Geburtstags am 24. Juni 1908 eine Glückwunschadresse zu senden, die mehr enthält, als die bei solchen Anlässen übliche Rhetorik. Sie zeigt, daß Schmoller für ihn doch weit mehr als ein „Geschäftsprofessor“ war. Er lobt seine Führerschaft in sozialpolitischen Fragen, auch seinen unverzicht­ baren Beitrag für die andauernde Vitalität des historischen Denkens. Aber er verschweigt auch nicht das, was ihn von ihm trennt. „Gleichviel aber“, so schreibt er unter anderem, „ob es heute vielleicht an der Zeit ist, mehr die theoretische Seite zu pflegen – daß die Zeit für theoretische Arbeit wieder reif werden konnte, daß überhaupt ein mächtiger Bau voll Erkenntnis und histo­ rischer Durchdringung, psychologischer Analyse und philosophischer Gestal­ tung vor uns steht, den wir Jüngeren nun wieder versuchen dürfen, mit den Mitteln theoretischer Begriffsbildung weiter zu bearbeiten –, das alles danken wir schließlich vornehmlich Ihrer jahrzehntelangen, unvergleichlich erfolg­ reichen Arbeit.“66 Im Fall des verstorbenen Georg Jellinek ist die Ausgangslage eine andere. Er ist der betrauerte Kollege und hilfreiche Freund.67 Bei der Hochzeitsfeier von Dora Jellinek, der Tochter, übernimmt Weber stellvertretend die Rolle des 64 Weber, Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik, MWG I/4, S.  5 63: „wir Jünger der deutschen historischen Schule“. 65  Weber, Objektivität (wie oben, S.  10, Anm.  37), S.  61 ff. 66  Weber, Glückwunschadresse Gustav Schmoller, unten, S.  108. 67  Weber stand mit Jellinek kurz vor dessen Schlaganfall in besonders intensivem Austausch über die Gründung einer deutsch-amerikanischen Akademie für internati­ onales Recht und Politik in Heidelberg, wobei sowohl konzeptionelle Fragen wie sol­ che der ‚Drittmittelfinanzierung‘ erörtert wurden. Vgl. dazu die Briefe von Max Weber an Georg Jellinek vom Juli bis zum Dezember 1909, MWG II/6, S.  180 f., 189 f., 198– 201, 226–228, 233 f. und 261. Eine Komplikation ergab sich daraus, daß beide auf dieselben Sponsoren für ihre Projekte zielten, Jellinek für die Akademie, Weber für die Presse-Enquete.

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Brautvaters. Und er lenkt, in einer eindrucksvollen rhetorischen Figur, den Gedanken von der Tochter auf die Witwe und von ihr auf den verstorbenen Freund. Er zeichnet meisterhaft dessen Charakter aus dem Zusammenspiel von Konzilianz und „rücksichtslose[r] Unnachgiebigkeit“ in Fragen der menschlichen Würde, und er skizziert den versöhnenden Charakter seines Humors, der in Lebensweisheit gründe und nicht mit Witz, Ironie, Komik oder Spott zu verwechseln sei. Er gedenkt aber auch voll Dankbarkeit der Anre­ gungen, die er von den Arbeiten des Freundes empfangen habe: „die Schei­ dung naturalistischen und dogmatischen Denkens im ‚System der subjektiven öffentlichen Rechte‘ für methodische Probleme, die Prägung des Begriffs der ‚sozialen Staatslehre‘ für die Klärung der verschwimmenden Aufgaben der Soziologie, der Nachweis religiöser Einschläge in der Genesis der ‚Men­ schenrechte‘ für die Untersuchung der Tragweite des Religiösen überhaupt auf Gebieten, wo man sie zunächst nicht sucht.“68 Hier zeigt sich Weber von seiner sensiblen Seite, für den Freundschaft keine leere Formel ist.69 Doch Konzilianz und versöhnender Humor, das weckte zwar Webers Bewunderung, war aber nicht unbedingt seine Sache. Dafür war er zu streit­ bar, immer wieder auch in öffentliche Affären verstrickt. Sie dienten ihm vor allem dazu, in „rücksichtsloser Unnachgiebigkeit“ der ethischen Seite von Wissenschaft als Beruf Geltung zu verschaffen, und manche der dadurch ausgelösten öffentlichen Affären endete sogar vor Gericht.70

6.  Der Provokateur öffentlicher Affären Über die Affäre Ruge, die zur Auseinandersetzung mit den Dresdner Neu­ esten Nachrichten und schließlich zur Affäre Koch führte, wurde im Zusam­ menhang mit der letztlich gescheiterten Zeitungsenquete bereits berichtet. Sie betraf mit Arnold Ruge und Adolf Koch vor allem zwei Hochschullehrer, beides Privatdozenten an der Universität Heidelberg. Weber sprach ihnen die Qualifikation zum Hochschullehrer ab, nicht wegen fehlender fachlicher Kom­ 68  Weber, Tischrede auf der Hochzeit von Dora Busch, unten, S.  252. 69 Dazu auch das Kondolenzschreiben von Max Weber an Camilla Jellinek vom 14. Januar 1911 aus Anlaß von Georg Jellineks Tod in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar 1911 mit der Formulierung: „Ich habe in diesen wundervollen Gaben sei­ nes Herzens stets eine Frucht jener reinsten und unverfälschtesten Menschlichkeit gesehen, wie sie die feinsten Elemente des Judentums, dem er durch Geburt ange­ hört hatte, durch eine allem Druck der Jahrtausende stand haltende uralte Überliefe­ rung von Geschlecht zu Geschlecht sich erhalten und bei sich gepflegt hatten“, MWG II/7, S.  37 f., hier S.  37. 70 Webers Strategie, mittels gezielter Provokation den Gegner zu einer Beleidi­ gungsklage zu nötigen und ihn so vor Gericht zu locken, vgl. Lepsius, Mommsen, Einleitung, in: MWG II/7, S.  6.

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petenz, sondern wegen der Verletzung akademischer Anstandsregeln. Sie hätten mit ihrem Verhalten gegen die akademische Standesehre verstoßen, die zu beachten jeder Hochschullehrer verpflichtet sei.71 Wo immer Weber den akademischen Anstand verletzt sah, gab es für ihn kein Halten. Ein Bei­ spiel dafür ist neben der Affäre Ruge und der Affäre Koch die Affäre Salz– Sander, die sich, nicht zuletzt durch seine Intervention, immer weiter ver­ schärfte und schließlich zu einer Affäre Max Weber–Prager Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät wurde. Arthur Salz, ein Schüler Alfred Webers, der ihm von Prag nach Heidelberg gefolgt war, hatte 1913 eine Schrift mit dem Titel Geschichte der böhmischen Industrie in der frühen Neuzeit vorgelegt, die von Paul Sander, einem Extraor­ dinarius und Kollegen aus Prager Zeiten, in einer Rezension scharf kritisiert wurde. Um diesem Angriff entgegenzutreten, bat Salz Max Weber um Platz für eine ausführliche Antikritik im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Dieser erfülllte ihm diese Bitte, fügte der Salzschen Antikritik aber ein „Redaktionelles Nachwort“ hinzu. Es ist von beachtlicher Länge. Damit wollte er den denunziatorischen Charakter von Sanders Kritik aufdecken, mit der, so 71  Beiden wurde übrigens die venia legendi entzogen, Koch am 28. Februar 1913, in direktem Zusammenhang mit der Affäre, Ruge erst später. Im Zusammenhang mit der Affäre erhielt er nur einen Verweis. Ruge, ein Schüler Windelbands, fühlte sich nach der Berufung Heinrich Rickerts als Nachfolger Windelbands in Heidelberg zurückge­ setzt und entwickelte eine Verschwörungstheorie, nach der in der Philosophischen Fakultät „gegen die sonst eingehaltene Reihenfolge fast ausschließlich jüdische Kol­ legen und solche bevorzugt wurden, die aus irgend einem Grunde am Kriege in kei­ ner Weise beteiligt sind.“ Dies bezieht sich auf Karl Jaspers und auf den Einfluß Max Webers auf das Berufungsgeschehen, der vollkommen im Dienste der jüdischen Frankfurter Zeitung stehe, ein Geist, der die Philosophische Fakultät beherrsche, „da die Vertreter der kulturellen Hauptfächer innerhalb derselben, der Nationalökonomie (Gothein), der Kunstgeschichte (Neumann), der Literaturgeschichte (v. Waldberg) Ju­ den sind und der Vertreter der Philosophie (Rickert) extremster Demokrat, Feminist und ein ausgesprochener und rücksichtsloser Gegner deutschnationaler Weltan­ schauung ist.“ Zehnseitiges Schreiben (handschriftlich) von Arnold Ruge an Victor Frhr. von Schwoerer, den Leiter der Hochschulabteilung im badischen Ministerium der Justiz, des Kultus und des Unterrichts, vom 8. November 1917 (GLA Karlsruhe, Ministerium des Kultus und Unterrichts, 10. Nov. 17, A. 11884). In einem zweiten Schreiben (maschinenschriftlich) vom 9. Dezember 1917, gleichfalls an Schwoerer, überschrieben „Zur Orientierung“, teilt er mit, Weber und Rickert wollten nach Wien wechseln oder aber den Wiener Ruf (angeblich an beide!) dazu benutzen, um ihre Situation in Heidelberg zu verbessern. Dabei habe Rickert die Philosophie in Heidel­ berg ruiniert (ebd., ohne Aktenzeichen). Ruge entwickelte sich immer mehr zu einem antisemitischen Hetzer. Nach dem Entzug der venia hielt er einen Vortrag in Mün­ chen, über den der von Dietrich Eckart geleitete Völkische Beobachter. Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands am 30. Januar 1921 unter dem Titel „Deutsche Hochschule. Arnold Ruges Abrechnung mit der Universität Hei­ delberg“ berichtete. Es sei die „erste große und glänzende Abrechnung mit dem intellektuellen Judentum an der Ruperto-Carola“.

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Webers Behauptung, die wissenschaftliche Integrität von Arthur Salz zerstört werden sollte. Eine Kritik der Schrift von Salz in der Sache hätte ihn nicht gestört – er selbst hielt sie für keine wissenschaftliche Meisterleistung. Aber er sah die guten Sitten, die in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen zu beachten waren, eklatant verletzt. Ähnlich wie in den Fällen Ruge und Koch, galt ihm auch Sander als ein Hochschullehrer, der gegen den akademischen Anstand verstoßen hatte und an dem deshalb ein Exempel statuiert werden mußte. Deshalb suchte er in einer „eklen eigenen Nachprüfung dieser seiner sämtlichen in das Gebiet der Plagiatschnüffelei gehörenden Leistungen“ dar­ zulegen, daß hier nicht der Geist sachlicher Auseinandersetzung, sondern der der persönlichen Herabsetzung am Werke war. Denn das Resultat seiner Überprüfung ergebe eine bei „jeder Nachprüfung sofort erkennbare Unwahrheit seiner sämtlichen höchst widerwärtigen Denunziationen“.72 Weber verfolgt auch hier die ‚bewährte‘ Strategie: Er provoziert, indem er die Integrität des Rezensenten bestreitet. Dieser sei von der leidenschaft­ lichen Begierde getrieben, „einem anderen die literarische Ehre abzuschneiden“,73 und damit gehöre er nicht in den Lehrkörper einer Universität. Wissen­ schaft als Beruf verlange nicht nur Fachkompetenz, sondern auch Ethos. Wo dieses fehle, genüge man den Anforderungen dieses Berufs nicht. Weber erreichte zunächst, was er beabsichtigte: Sander beantragte gegen sich ein Disziplinarverfahren und drohte Weber wegen Beleidigungen seiner Person mit dem Gericht. Auch Salz, inzwischen Privatdozent an der Philoso­ phischen Fakultät der Universität Heidelberg, beantragte gegen sich ein Dis­ ziplinarverfahren, um sich gegen die Plagiatsvorwürfe zu wehren. Doch beide Fakultäten sahen für ein Disziplinarverfahren keinen Grund. Während die Hei­ delberger Fakultät den Fall zu den Akten legte, sah sich die Prager Fakultät jedoch veranlaßt, Weber maßlose und unzulässige Angriffe auf eines ihrer Mitglieder vorzuwerfen. Damit wurde aus der Rezension eines mittelmäßigen Buches eine Konfrontation zwischen Max Weber und der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Zu dem von Sander angedrohten Gerichts­ verfahren kam es nicht. Für Weber war die Alternative zum Gerichtsverfahren die öffentliche Ehren­ klärung. Sie könne in dem Eingeständnis bestehen, daß man einen Fehler begangen habe,74 oder aber darin, daß man wenigstens eine „unglückliche Ausdrucksweise“ richtigstellt. Weber legte Sander nahe, wenigstens den zweiten Weg zu beschreiten, zu erklären, „daß es außerhalb aller und jeder Absicht seinerseits gelegen habe, den Anschein irgend eines unfairen Verhal­ tens gegen jenen Dozenten entstehen zu lassen“. Dann wäre der Fall aus der 72  Weber, Redaktionelles Nachwort, unten, S.  4 38. 73  Ebd., unten, S.  4 32. 74  Vgl. Weber, Erklärung zur Affäre Salz-Sander, unten, S.  4 49.

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Welt geschafft und nicht nur die Ehre des Angegriffenen, sondern auch die des Angreifers wiederhergestellt.75 Für Weber ist also der Fall Sander ein Anlaß, um für die guten Sitten im akademischen Leben zu streiten. Man müsse zwar konkurrieren, aber dürfe die Ehre des Konkurrenten nicht verletzen. Denn Konkurrenz heißt nach seiner Soziologie friedlicher Kampf. Dieser Kampf ist an Regeln gebunden, und diese erlauben zwar die schärfste Kritik in der Sache, nicht aber die Herab­ setzung der mit der Sache verbundenen Person. Weber fordert eine faire Kritik, wie er überhaupt Fairness im deutschen Wissenschaftssystem immer wieder mißachtet sieht. Daher sein Eintreten für diejenigen, die in seinen Augen unfair behandelt werden, wie Naumann im Verein für Socialpolitik, Michels bei seinem Ersuchen um Habilitation, Simmel in Berufungsverfahren – und eben Salz bei der Beurteilung seiner Integrität. Weber spielt in diesem Fall die „literarische Sittenpolizei“,76 und er will, im Interesse der „guten Sitten literarischer Diskussion“, ein Exempel statuieren.77 Dabei spielt wohl auch eine Rolle, daß er sich selbst einst unfair behandelt fühlte, durch die Kritiker seiner Protestantismus-Aufsätze.78 Dies kann freilich nicht darüber hinweg­ täuschen, daß er in seinem Rigorismus mitunter die Proportionen aus dem Auge verliert. Um Fairness geht es letztlich auch im Fall Arco. Freilich hat dieser keinen wissenschaftlichen, sondern einen politischen Hintergrund. Aber die Politik verbindet sich hier mit Universitätsangelegenheiten. Und diese Verbindung war für Weber besonders brisant, denn sie warf das Problem der Katheder­ wertung auf. Am 21. Februar 1919 erschoß der Münchener Student Anton Graf von Arco-Valley den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, der sich auf dem Weg in den Bayerischen Landtag befand. Er wurde verhaftet und vor Gericht gestellt. Am 16. Januar 1920 verurteilte ihn das Landgericht Mün­ chen I zum Tode. Der Vorgang bewegte auch die Münchener Studenten­ schaft. Man sah in Arco einen der seinen, und er hatte während des Pro­ zesses nach allgemeiner Meinung eine gute Figur abgegeben. Auch Weber zollte seinem Verhalten vor Gericht Respekt. Er nannte es „ritterlich und in jeder Beziehung manneswürdig“.79 Das Todesurteil freilich hielt er für konse­ quent. Anders sahen dies insbesondere die rechtsgerichteten Teile der Mün­ 75 Ebd. 76  Weber, Redaktionelles Nachwort, unten, S. 441. 77  Ebd., unten, S.  422, sowie Editorischer Bericht zu Weber, Redaktionelles Nach­ wort, unten, S.  418. 78 Weber, Die Protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, MWG I/9, S.  97–215 und 222–425, und die Antikritik zu Karl H. Fischer, ebd., S.  4 63–514, und zu Felix Rachfahl, ebd., S.  515–740. 79  Anonyme stenographische Mitschrift von Max Webers Ausführungen am 19. Ja­ nuar 1920, wiedergegeben im Editorischen Bericht zu Weber, Sachliche (angeblich:

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chener Studentenschaft, die im AStA die Mehrheit hatten. Sie suchten für eine Begnadigung Arcos zu mobilisieren und beriefen dafür am Tag nach dem Urteil eine Versammlung unter Leitung des Rektors der Universität, Friedrich von Müller, ein. Man stellte eine Delegation zusammen, die vom Ministerrat, der gleichfalls an diesem Tage den Fall beriet, die Begnadigung Arcos fordern sollte. Der Ministerrat begnadigte Arco tatsächlich, die Todesstrafe wurde nicht vollstreckt.80 Während der studentischen Versammlung unter Leitung des Rektors kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, weil sich die sozialistischen Studenten mit ihrer abweichenden Meinung von der Mehrheit nicht vereinnahmen lassen wollten. Sie wurden daraufhin von dem Vertreter der Mehrheit, Walther Hem­ meter, als „Bande“ beschimpft. Der Vertreter der Minderheit, Friedrich Meyer, konnte nur unter Grölen die Versammlung verlassen.81 Der Rektor griff zum Schutz der Minderheit nicht ein. Weber, der zumindest teilweise an der Ver­ sammlung teilnahm, suchte den Rektor zum Einschreiten zu bewegen, drang damit aber nicht durch. Weber hielt die Begnadigung Arcos für einen großen politischen Fehler („schwere Niederlage der Staats-Autorität“) 82 und das Verhalten des Rektors während der Versammlung für akademisch unangemessen. Er hatte die Min­ derheit nicht geschützt und damit die Fairnessregel verletzt. Weber interve­ nierte deshalb bei ihm 83 und benutzte den Beginn seiner nächsten Vorlesung dazu, eine Erklärung zum Fall Arco abzugeben. Dabei trennte er, gemäß sei­ nem „Verbot“ der Kathederwertung, seine politische Stellungnahme von der Vorlesung. Er begann diese Stellungnahme mit folgenden Worten: „Ich sehe mich, entgegen meines sonstigen Brauches, in politischen Dingen hier nicht das Wort zu ergreifen, und weil ich mit Ihnen das Vertrauen zum Rektor teile, veranlaßt, zu dem, was letzten Samstag vorgefallen ist, eine Bemerkung zu machen“. Er unterstreicht also den inneruniversitären Zusammenhang. Es folgt dann seine politische Einschätzung der Folgen dieser Begnadigung, die er freilich auch in außeruniversitären Zusammenhängen, etwa in der Zeitung, hätte kundtun können. Hier gab er also bewußt ein politisches Werturteil ab. „politische“) Bemerkungen am 19.1.1920 zum Fall Arco, MWG I/16, S.  270 (hinfort: Anonyme Mitschrift). 80  Dazu Editorischer Bericht zu Weber, Unruhen in der Universität München, unten, S.  710–714. 81  In einer Erklärung der sozialistischen Fraktion im AStA vom 21. Januar 1920, UA München, G-XVI 19, heißt es, die Opposition „in ihrer Gesamtheit und ihre jüdischen Mitglieder im Besonderen“ seien in der „gröblichsten Weise“ beleidigt worden, „ohne daß der Vorsitzende es für nötig hielt[,] dagegen einzuschreiten“. Editorischer Bericht zu Weber, Unruhen in der Universität München, unten, S.  711, Anm.  5. 82  Weber, Unruhen in der Universität München, unten, S.  716. 83  Brief Max Webers an Friedrich von Müller vom 20. Jan. 1920, MWG II/10, S.  8 93– 896.

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Erst am Schluß der Erklärung geht es ihm wieder um die inneruniversitären Vorfälle, wieder um akademischen Anstand und Sitte: „Sodann sind hier am Samstag Beschuldigungen gefallen, Beschuldigungen, die bis heute nicht zurückgenommen sind. Ein Hundsfott! der das nicht tut.“84 Damit zielte Weber direkt auf das unfaire Verhalten von Hemmeter gegenüber der sozialistischen Minderheit. Webers Erklärung führte dazu, daß seine nächste Vorlesung heftig gestört wurde und abgebrochen werden mußte. Für den Rest des Semesters wurde der Zugang kontrolliert. Außerdem legte der AStA beim Akademischen Senat Beschwerde gegen Webers Mißbrauch der Vorlesung für politische Zwecke ein. Doch ist nicht dies in unserem Zusammenhang wichtig, sondern das, was er laut Senatsprotokoll über das Motiv seines Handelns sagt. Dort heißt es: „Wenn er sehe, es ist ein absolutes Unrecht geschehen und keine Remedur erfolgt, so frage er nach formalen Dingen niemals. Das habe er immer im Leben so gehalten, ob es sich nun um eine sozialistische Minderheit gehan­ delt habe oder um eine katholische oder um irgend welche andere.“85 Man kann es auch so sagen: Über die politischen Konsequenzen der Begnadi­ gung Arcos kann man sachlich diskutieren und bei der Bewertung des Vor­ gangs zu gegensätzlichen politischen Urteilen kommen, doch die Diffamie­ rung des Andersdenkenden und dies von seiten der Autorität ungerügt zu lassen ist ein schwerer Verstoß gegen Anstand und Sitte in einer Universität. Webers Vorgehen folgt auch hier dem Muster, das an den bereits geschil­ derten Affären erkennbar wurde: bei Verstoß gegen die akademischen Sitten Provokation des Abweichlers und Forderung nach „Remedur“. Wer Wissen­ schaft zum Beruf machen will, muß neben den funktionalen auch extrafunkti­ onale Fähigkeiten besitzen. Dies ist Webers Überzeugung, und dies ist auch der Grund, weshalb er sich in akademischen Angelegenheiten so häufig in öffentliche Affären verstrickt. Dabei legte er, sofern er den „Burgfrieden“ für gebrochen hielt, mitunter ein „Maß an Rücksichtslosigkeit“ gegen andere und auch gegen sich selbst an den Tag, das ihm nicht nur Sympathien bescher­ te.86 Der Burgfrieden war aber für ihn immer dann gebrochen, wenn in einer akademischen Auseinandersetzung nicht um die Sache gestritten, sondern die Person herabgesetzt wurde.

84  Anonyme Mitschrift (wie oben, S.  47, Anm.  79), S.  270. 85  Weber, Unruhen in der Universität München, unten, S.  719. 86  Brief Max Webers an Friedrich von Müller vom 20. Jan. 1920, MWG II/10, S.  8 93– 896, hier S.  8 94, wo es heißt: „Eure Magnifizenz glaube ich – loyalitätshalber – darauf aufmerksam machen zu sollen, daß bei einer Wiederholung ähnlicher Vorgänge wie am Samstag ohne genügende Reprimande des Herren Rektors die ‚Solidarität‘ des Lehrkörpers nicht erhalten werden wird“.

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7. Schlußbemerkung In „Politik als Beruf“ nennt Weber die in seinen Augen entscheidenden Qua­ litäten eines Politikers: „Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß“. Leidenschaft definiert er als „Hingabe an eine ‚Sache‘“, Verantwortungsge­ fühl als „die Verantwortlichkeit gegenüber ebendieser Sache“, Augenmaß als die „Fähigkeit, die Realitäten mit innerer Sammlung und Ruhe auf sich wirken zu lassen, also: der Distanz zu den Dingen und Menschen“.87 Besaß Weber diese Qualitäten als Wissenschafts- und Hochschulpolitiker? Seine leiden­ schaftliche Hingabe an die Sache Wissenschaft und Universität sowie seine Verantwortlichkeit, die er für deren Gestaltung fühlte, stehen außer Frage. Vieles, was er zu Form und Geist von Wissenschaft und Universität sagte, gilt auch heute noch. Aber hat er bei seinen wissenschafts- und hochschulpoli­ tischen Aktionen auch immer das erforderliche Augenmaß bewiesen? Da kann man Zweifel hegen, wenn man den Verlauf seiner öffentlichen Affären verfolgt. Weber wußte natürlich um die Situation des politisch Handelnden, der ständig vor der Frage steht, „wie heiße Leidenschaft und kühles Augen­ maß miteinander in derselben Seele zusammengezwungen werden kön­ nen?“88 Und er rang selbst um einen Ausgleich zwischen der Hingabe an eine Sache und der Verantwortlichkeit für sie einerseits, der Distanz zu den Dingen und Menschen andererseits. Wenn nicht alles täuscht, obsiegten bei ihm mitunter die Gefühle. Denn das Maß an Rücksichtslosigkeit, das er manchmal an den Tag legte, hatte einen emotionalen Untergrund. Paul Honigsheim bemerkte einmal, Weber werde von einem „dämonischen Rechtsgefühl“ getrieben.89 Manche seiner Aktionen im Bereich von Wissen­ schaft und Universität sind zweifellos nicht frei davon. Hinzu kommt: Er war ein Einzelkämpfer.90 Sich dauerhaft an eine bestimmte wissenschaftliche oder gar an eine bestimmte politische Gemeinschaft zu binden, widersprach seinem Temperament. Es ist ja kein Zufall, daß er sowohl seine wissenschaft­ liche wie seine politische Zugehörigkeit im Laufe seines Lebens mehrmals wechselte. Vielleicht ist dies sogar das Geheimnis seiner großen öffentlichen Wirkung, gerade auch in wissenschafts- und hochschulpolitischen Fragen, unabhängig zu sein und es zu bleiben, auch gegen den Strom zu schwim­ men, selbst bei Strafe des Mißerfolgs.

87  Weber, Politik als Beruf, MWG I/17, S.  113–252, hier S.  2 27. 88  Ebd., S.  228. 89  Honigsheim, Erinnerungen (wie oben, S.  11, Anm.  41), S.  166. 90  Als Sozialistin urteilt Käthe Leichter, Max Weber (wie oben, S.  2, Anm.  3), S.  141 f.: „In der Politik wie im Universitätsleben löst sich so alles, was an Führertum, Größe, Leidenschaftlichkeit und rücksichtslosem Mut in diesem Manne war, in Einzelkämpfen auf“.

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8.  Zur Anordnung und Edition Die Entscheidung über die Anordnung der hier versammelten Texte war mit einer besonderen Schwierigkeit verbunden. Sie ergab sich nicht nur aus ihrer großen Zahl, sondern auch aus dem langen Zeitraum, dem sie entstammen. Anders als bei den übrigen Bänden der Max Weber-Gesamtausgabe, die jeweils relativ homogene Texte und relativ kurze Zeiträume umfassen, sind die hier präsentierten Texte von 1895 bis zu Max Webers Tod im Jahre 1920 entstanden und von großer Heterogenität. Es schien deshalb nicht sinnvoll, sie insgesamt rein chronologisch darzubieten. Um den Band einigermaßen übersichtlich zu gestalten, wurden formale Gliederungen vorgenommen, die über diejenigen hinausgehen, die auch bei den übrigen Bänden verwendet werden. Zunächst gelten diese: Der Textbe­ stand ist wie üblich unterteilt in I. Schriften und Reden, II. Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge, schließlich Anhänge, darunter die mitunterzeichne­ ten Aufrufe. Doch lag es angesichts des heterogenen Textbestands nahe, um der Übersichtlichkeit willen innerhalb dieser Unterteilung weitere vorzuneh­ men. Als Kriterien dafür boten sich Art des Textes oder Anlaß der Textentste­ hung an. Innerhalb dieser vom Editor gebildeten Rubriken sind die Texte jeweils chronologisch einsortiert. Im einzelnen ergibt sich folgender Aufbau des Bandes: Im ersten Teil, Schriften und Reden, werden in der Rubrik I a. Zu Wissenschaft, Universität und außeruniversitärer Forschung die von Weber selbst autorisierten Fassungen von Artikeln, Abhandlungen, Stellungnahmen und Redebeiträgen ediert. Es handelt sich in der Hauptsache um die veröffentlich­ ten Beiträge zu wissenschaftspolitischen Fragen. Besonders zahlreich sind Webers Zuschriften an Zeitungen. Diese wurden unter Umständen von Redakteuren gekürzt, mit eigenen Hervorhebungen und Überschriften verse­ hen. Diese veröffentlichte Fassung, von Weber vermutlich nicht förmlich auto­ risiert, behandeln wir als Text letzter Hand, es sei denn, es liegt das Manu­ skript vor. Dann wird dieses abgedruckt, und die Abweichungen im Zeitungs­ text werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. In den weiteren Rubriken, I b. Promotionen und Habilitationen, I c. Stellungnahmen zu universitären Struktur- und Berufungsfragen und I d. Stellungnahmen zu Fakultätsangelegenheiten, werden von Weber verfaßte Anträge, Gutachten, Stellungnahmen zu universitätsinternen Fragen ediert. Diese sind nach den Universitäten unterteilt, an denen Max Weber lehrte, und beruhen auf den überlieferten Akten der Universitäten Freiburg, Heidelberg, Wien und München sowie der jeweils zuständigen Behörden. Nicht in allen Fällen wurden die Akten vollstän­ dig geführt und systematisch abgelegt, auch sind Kriegsverluste zu bekla­ gen, so daß Überlieferungslücken bleiben. Eine Besonderheit sind die Kurz­ stellungnahmen und Zusätze Max Webers auf Universitätszirkularen. Nicht

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ediert werden Zirkulare, die von Weber lediglich abgezeichnet wurden. Maß­ gebend für die Auswahl war die inhaltliche Stellungnahme, auch wenn sie in einigen Fällen sehr kurz ist. Zum Verständnis des jeweiligen Kontextes werden die Zirkulare, unter Umständen auszugsweise, in kleinerer Schrifttype wieder­ gegeben. Im zweiten Teil sind die Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge Max Webers ediert, die von ihm nicht autorisiert wurden. Dabei handelt es sich um Redebeiträge, die in Universitäts- oder Vereinsprotokollen überliefert sind, teilweise in direkter, teilweise in indirekter Rede. Diese sind den entspre­ chenden Einrichtungen zugeordnet: II a. Universitäten, II b. Verein für Socialpolitik, II c. Badische Historische Kommission, II d. Hochschullehrertag und II e. Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Aufgenommen sind auch die Pres­ seberichte über Max Webers Redebeiträge auf den Hochschullehrertagen 1908, 1909 und 1911. Sie erschienen im unmittelbaren Anschluß an die Ver­ anstaltungen und oftmals Monate vor der Veröffentlichung des von Weber autorisierten Textes. Wegen der großen öffentlichen Resonanz werden diese Ersatzzeugen abgedruckt, zumal sich eine Reihe von Webers Zuschriften auf die Presseberichterstattung bezieht. Sind uns mehrere Zeitungsberichte zu demselben Vorgang bekannt, ist eine Auswahl getroffen. In Anhang I: Mitunterzeichnete Aufrufe werden alle öffentlichen Aufrufe und Glückwunschadressen zum Abdruck gebracht, die Max Weber neben ande­ ren unterzeichnete, obwohl er auf die Formulierungen keinen oder nur einen geringen Einfluß hatte. Schließlich sind in Anhang II die Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie der Jahre 1909 und 1910 abgedruckt, auf deren Wortlaut Max Weber einen entscheidenden Einfluß nahm. Der Abdruck dient auch zur Ent­ lastung des Sachkommentars. Für die Edition der Texte gelten die Editionsregeln der Max Weber-Gesamt­ ausgabe. Jeder Text, auch wenn er, wie etwa bei den Universitätsangelegen­ heiten, kurz und belanglos zu sein scheint, ist mit einem Editorischen Bericht versehen, unterteilt in „Zur Entstehung“ und „Zur Überlieferung und Edition“. Es wird also zwischen den Texten nicht nach Umfang und Qualität unterschie­ den. Vielmehr wird alles, was uns nach intensiver Recherche bekannt wurde, in ein und demselben Format mitgeteilt. Viele der im Band edierten Texte haben keine Originalüberschrift Max Webers, so daß in diesen Fällen vom Editor eine Überschrift gebildet werden mußte. Diese wird, wie auch sonst üblich, als Herausgeberzusatz in eckige Klammern gestellt. Ein Teil der Textvorlagen ist in einer Schrifttype überliefert, die Umlaute und ß nicht kennt. Wo dies der Fall ist, wurden stillschweigend Anpassungen vorgenommen, also z. B. Ae in Ä umgewandelt oder, wo gebo­ ten, ss in ß.

Max Weber 1894 Haus der Geschichte Baden-Württembergs, Sammlung Geiges

I.  Schriften und Reden

I a.  Zu Wissenschaft, Universität und  außeruniversitärer Forschung

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Die volkswirtschaftlichen Fächer [an der Universität Heidelberg]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der vorliegende Text ist Teil des historischen Stadtführers „Heidelberg und Umgebung“,1 erschienen 1897 und herausgegeben von dem Heidelberger Gymnasiallehrer Karl Pfaff. Max Weber war am 6. Januar 1897 zum Sommersemester als Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Heidelberg ernannt worden und hatte damit die Nachfolge von Karl Heinrich Rau und Karl Knies angetreten. Sein Kurzbericht über die volkswirtschaftlichen Fächer findet sich in dem großen Abschnitt „Die Universität“, dort in dem Unterabschnitt „Geschichte der einzelnen Fakultäten bezw. Disziplinen im 19. Jahrhundert; Charakteristik ihrer hervorragendsten Vertreter“. Korrespondenzen mit Herausgeber und Verlag sind nicht nachgewiesen.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Edition liegt der Abdruck zugrunde, der in: Heidelberg und Umgebung, hg. von Karl Pfaff. Mit 79 Illustrationen, 4 Plänen und 2 Karten, 1.  Aufl. – Heidelberg: J. Hörning 1897, S.  116, erschien (A). Die Autorschaft Max Webers ist durch eine Anmerkung des Herausgebers belegt.2 Der Text weist keine eigene Überschrift auf, wohl aber -– wie andere Beiträge auch – eine Hervorhebung der Fachzuschreibung. Ein Wiederabdruck des Textes findet sich in der erweiterten 2. Auflage 1902 des Bandes.3 Dort ist ein Komma hinzugefügt und die Bemerkung zu Karl Knies „seitdem im Ruhestand hier lebend“ gestrichen, da dieser am 3. August 1898 gestorben war. Diese Änderungen sind rein redaktioneller Natur, daher bleibt der Wiederabdruck hier unberücksichtigt.

1  Heidelberg und Umgebung, hg. von Karl Pfaff. Mit 79 Illustrationen, 4 Plänen und 2 Karten, 1.  Aufl. – Heidelberg: J. Hörning 1897. 2  Vgl. unten, S.  58, textkritische Anm.  a. 3  Heidelberg und Umgebung, hg. von Karl Pfaff. Mit 119 Abbildungen, 3 Plänen und 1 Karte, 2., erw. Aufl. – Heidelberg: J. Hörning 1902, S.  190.

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Die volkswirtschaftlichen Fächer [an der Universität Heidelberg] A 116

Die volkswirtschaftlichen Fächera wurden im letzten Dreivierteljahrhundert nach einander von zwei Forschern vertreten, deren jeder in seiner Art Repräsentant einer der großen Richtungen der ökonomischen Wissenschaft war, welche nach einander in Deutschland Methode und Gehalt derselben beherrscht haben: Karl Heinrich Rau, Professor in Heidelberg 1822–1870[,] der liberal-individualistischen, Karl Knies, Professor in Heidelberg 1865–1896, seitdem im Ruhestand hier lebend,1 der historischen, zu deren Begründern er gezählt zu werden pflegt. Wie in der Methode, waren sie auch in der sonstigen wissenschaftlichen Eigenart Gegensätze: Rau mehr umfassend als tief, klar und leicht lesbar in seinen Schriften, Knies in seiner grübelnden Tiefgründigkeit nicht immer leicht verständlich für den des Faches nicht völlig Kundigen; Rau mehr nach der pädagogischen Seite, als Lehrer und Verfasser des lange Zeit maßgebenden deutschen Kompendiums seiner Wissenschaft2 ins Breite wirkend, Knies ein Schachtgräber, dessen für den Nichtfachmann nicht immer durchsichtige Gedanken nachhaltigeren Einfluß auf die Arbeit der Fachgelehrten geübt haben.3 Beide

a In A bindet hier die Anmerkung des Herausgebers an: Die hier folgende Skizze dankt Verfasser dem freundlichen Entgegenkommen des Herrn Professor Dr. Max Weber, der auf dem Lehrstuhl von Rau und Knies fortzuwirken berufen worden ist.   1  Max Weber hörte in seinem dritten Semester, im Sommer 1883, bei Karl Knies Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Er berichtete seinem Vater im Brief vom 5. Mai 1883: „Er [Knies] spricht nur zu schnell, man hat die größte Schwierigkeit, sich nach dem, was er sagt, Notizen zu machen, da sein Vortrag noch fließender ist, als selbst der von Kuno Fischer. Nur seine Stimme, die immer etwas Weltschmerzliches, als ob er alle Fakten bedaure, die er anführt, an sich hat, schwächt den Eindruck seiner höchst geistvollen Ausführungen ab.“ GStA PK, VI. HA Nl. Max Weber Nr.  2, Bl. 47– 49, Zitat: Bl. 47 f. (MWG II/1). 2  Gemeint ist: Rau, Lehrbuch. Mit diesem Buch begründete Rau die seither übliche Dreiteilung der Nationalökonomie in Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft. 3 Insbesondere durch seine Schriften: Knies, Karl, Die politische Ökonomie vom Standpuncte der geschichtlichen Methode. – Braunschweig: C.A. Schwetschke (M. Bruhn) 1853, und ders., Geld und Kredit, 2 Bände. – Berlin: Weidmann 1873 und 1879.

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haben sich auch in praktischer Mitarbeit an der deutschen Kulturentwicklung bethätigt, Rau an der materiellen Seite derselbenb durch seine Mitwirkung an der wirtschaftlichen Einigung Deutschlands,4 Knies an der geistigen durch seine Thätigkeit in der Schulverwaltung und seine Beteiligung bei der Schulgesetzgebung des badischen Staates.5

b A: desselben 4  Rau war ein energischer Befürworter eines Zollvereins unter preußischer Führung. Als es 1852 zu alternativen Zollunionsplänen kam, ließ Bismarck Raus Schrift (Der deutsche Zollverein soll zerstört werden. Stimmen aus dem Süden. – Frankfurt am Main: 1852) verbreiten. 5  Karl Knies wurde am 9. August 1862 zum Direktor des Badischen Oberschulrats für Mittel- und Volksschulen und zum a. o. Mitglied des Ministeriums des Innern in Karlsruhe berufen. Er bearbeitete die Vorlage für eine Reform des badischen Volksschulwesens und die Ersetzung der geistlichen Schulvisitatoren durch weltliche Schulräte.

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[Zur Verteidigung Friedrich Naumanns] [Diskussionsbeiträge auf der Generalversammlung des ­Vereins für Socialpolitik in Mannheim am 28. September 1905]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik in Mannheim vom 25. bis 28. September 1905 kam es zwischen Friedrich Naumann und dem Vereinsvorsitzenden Gustav Schmoller zu einer heftigen Auseinandersetzung. Anlaß gab das Referat Schmollers über „Das Verhältnis der Kartelle zum Staate“ am 27. September 1905.1 Schmoller sah durch die zunehmende Kartellierung der Industrie die Fähigkeit des Staates gefährdet, das Gemeinwohl gegen Partikularinteressen wirksam durchzusetzen, und forderte eine Reform der Kartellgesetzgebung. An das Referat Schmollers schloß sich am 27. und 28. September eine ausführliche Diskussion an, an der sich 21 Personen beteiligten, darunter auch Friedrich Naumann und Max Weber.2 Naumann hielt Schmoller vor, sein Reformvorschlag sei verfehlt, da er der Großindustrie Eingriffe zumute, „die an sich, technisch und volkswirtschaftlich betrachtet, Unsinn sind“.3 Schmoller fühlte sich verletzt und benutzte das ihm als Vorsitzendem zustehende Schlußwort der Generalversammlung dazu, Naumann einen „Demagoge[n]“ zu nennen, der „ohne eigentliche realistische Sachkenntnis die alten marxistischen Phrasen und die für mich abständige Weisheit der materialistischen Geschichtsauffassung durch sehr kümmerliche Beweismittel“ stütze.4 Angesichts der großen Zustimmung der Versammlung zu Naumanns Thesen drohte Schmoller mit seinem Rücktritt vom 1  Schmoller, Gustav, Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, in: Verhandlungen VfSp 1905, S.  237–271. Zum Kontext der Kartelldebatte vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Das Verhältnis der Kartelle zum Staate. Diskussionsbeitrag auf der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik am 28. September 1905, in: MWG I/8, S.  260– 265. 2  Vgl. dazu Webers Diskussionsbeitrag, ebd., S.  266–279. Wegen der langen Rednerliste wurde die Generalversammlung um einen Tag, den 28. September 1905, verlängert. 3  Naumann, Friedrich, Diskussionsbeitrag zu Schmoller am 27. September 1905, in: Verhandlungen VfSp 1905, S.  360–369, Zitat: S.  367. 4  Schmoller, Gustav, Schlußwort am 28. September 1905, in: ebd., S.  418–431, Zitat: S.  420. Dagegen hatte Naumann in seinem Diskussionsbeitrag das Großkapital gegen

Editorischer Bericht

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Amt des Vereinsvorsitzenden. Nach dem Schlußwort von Schmoller bat Max Weber um das Wort, um den nicht mehr anwesenden Friedrich Naumann gegen die Angriffe Schmollers zu verteidigen. Nach der Versammlung wurde die Kontroverse, an der auch Max Weber beteiligt war, fortgeführt.5 Max Weber beteiligte sich auf der Mannheimer Generalversammlung erstmalig seit seiner Erkrankung wieder mit mehreren Diskussionsbeiträgen.6 Seit Jahresanfang 1905 intensivierte er sein Engagement für den Verein, was sich auch an seiner Beteiligung an Ausschuß- und Unterausschuß-Sitzungen ablesen läßt.7

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck der beiden Diskussionsbeiträge Max Webers auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik in Mannheim am 28. September 1905 folgt dem gedruckten Protokoll: Verhandlungen des Vereins für Socialpolitik über die finanzielle Behandlung der Binnenwasserstraßen, über das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben und das Verhältnis der Kartelle zum Staate (Schriften des Vereins für Socialpolitik 116: Verhandlungen der Generalversammlung in Mannheim, 25., 26., 27. und 28. September 1905). – Leipzig: Duncker & Humblot 1906, S.  432 f. [1.] und S.  434 f. [2.] (A). Beide Beiträge sind eingeleitet mit: „Professor Max Weber (Heidelberg)“ und dürften von ihm vor der Drucklegung autorisiert worden sein. In der Regel wurden die Debatten der Generalversammlungen stenographisch aufgenommen und jedem Redner sein Beitrag vor dem Druck zur Überarbeitung zugestellt.8 eine staatliche Intervention im Interesse des Mittelstandes und der Agrarier unterstützt. 5  Vgl. dazu Gothein, Alfred und Max Weber, Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann, unten, S.  65–69, und Weber, Concept einer Erklärung, unten, S.  70–74, sowie zu den Hintergründen: Lindenlaub, Dieter, Richtungskämpfe im Verein für Sozialpolitik, Teil II. – Wiesbaden: Franz Steiner 1967, S.  410–412; Schön, Manfred, Gustav Schmoller und Max Weber, in: Max Weber und seine Zeitgenossen, hg. von Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schwentker. – Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S.  84–97; Krüger, Dieter, Max Weber und die ‚Jüngeren’ im Verein für Sozialpolitik, in: ebd., S.  98– 118, bes. S.  107 f., sowie Boese, Verein, S.  109–121. 6 Vgl. Weber, Das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben, MWG I/8, S.  244–259, ders., Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, ebd., S.  260–279, sowie ders., Zur Verteidigung Friedrich Naumanns, unten, S.  62–64. 7  Vgl. dazu die Wiedergabe seiner Diskussionsbeiträge in den Ausschuß- und Unterausschuß-Protokollen, unten, S.  725–757. 8  Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten, MWG I/15, S.  134–139, hier S.  138 f., ebenso bei Weber, Die Produktivität der Volkswirtschaft, in: Verhandlungen VfSp 1909 (MWG I/12).

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Ich spreche nicht für mich, sondern – ich weiß nicht, ob Sie das zulassen wollen – als negotiorum gestor1 für den Pfarrer Naumann.a Was mich persönlich anlangt, so kann ich Herrn Professor Schmoller nur sehr dankbar sein für die sachliche Art, mit der er die Einwände, die ich gegen seine – wie er ja selbst von vornherein zugab – diskussionsbedürftigen Vorschläge gemacht habe, behandelt hat. Um so mehr habe ich bedauert, daß er jenes schöne Maß, welches ich umsomehr an ihm bewundere, als der Himmel in seinem Zorn mir, wie Herr Schmoller ja selbst angedeutet hat, die Gabe einer gewissen Deutlichkeit, die sich schwer unterdrücken läßt, mit auf den Weg gegeben hat, in seiner persönlichen Polemik gegen den abwesenden Pfarrer Naumann verlassen hat. Er hat ihm den Vorwurf des Demagogen nachgeschleudert und hat die Meinung geäußert,  Naumann habe, ohne ihn zu nennen, eine Rede, die er offenbar als verletzend empfunden hat, gegen ihn gehalten. Ich glaube, beides widerspricht der Psychologie Naumanns.b Er spricht nicht zu demagogischen Zwecken, sondern unter dem Zwang der richtigen idealistischen Leidenschaft, die ihn beseelt, und unter der Wirkung des Glaubens an eindeutige Entwicklungsgesetze von eherner Notwendigkeit, die ich so wenig wie Herr Professor Schmoller in diesem Fall mit ihm teile, und ich glaube ferner, wenn er gegen jemand spricht und vollends scharf spricht, so sagt er auch, wen er gemeint hat, und gegen wen sich sein Angriff richtet. Ich persönlich meine, allen Grund zu haben, anzunehmen, daß diese Rede Naumanns von ihm nicht als ein Angriff gegen die Person oder Anschauungsweise von Herrn Prof. Schmoller aufgefaßt worden ist. Nun, meine Herren, selbstverständlich aber ist es das Recht von Herrn Professor Schmoller als Referent gegenüber a  In A folgt der Protokollzusatz: (Die Versammlung genehmigt das.)   b  In A folgt der Protokollzusatz: (Sehr richtig!) 1  Lat. (Rechtssprache): Geschäftsführer ohne Auftrag.

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einem Diskussionsredner, wenn er dessen Ansichten für verwerflich hält – auch ich war nicht mit allem, was Naumann gesagt hat, einverstanden –, das zu sagen. Das eigentliche Bedenken liegt für mich nun aber darin, daß Herr Professor Schmoller sagte: Der Beifall, den Naumanns Rede fand, könnte mich stutzig machen, ob ich als Leiter dieses Vereins noch weiter mitmachen soll.2 Am heutigen Tage war Herr Professor Schmoller Referent und also als Partei an der Diskussion beteiligt, und unter diesen Umständen halte ich ein Hereinziehen seiner Eigenschaft als Ausschußvorsitzender für unzulässig; für Naumann ist nach einer solchen Äußerung von seiten des Vorsitzenden als solchen die weitere Teilnahme an künftigen Verhandlungen des Vereins doch so gut wie ausgeschlossen. Für mich wenigstens würde sie es sein, wenn mir jemand nicht qua Referent und Diskussionsredner, sondern qua Vorsitzender des Vereins sagen würde: Sie sind ein Demagoge, mit Ihnen verhandle ich nicht, und wenn Sie Beifall finden, trete ich zurück. Das ist es, wogegen ich mich habe wenden wollen.

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Meine Herren, ich habe dagegen3 nur das Eine einzuwenden. Wir laden hier qua Ausschuß des Vereins Sozialdemokraten ein,4 als Referenten zu fungieren. Glauben Sie, daß die anders als zum Fenster hinaus ihre Reden halten würden? Das ist ganz ausgeschlossen. Es steht für mich felsenfest, daß, wenn Herr Professor Schmoller diesen Abscheu gegenüber der Rede Naumanns empfand, es nicht nur sein Recht, sondern vielleicht seine Pflicht ist, sich auszusprechen. Wogegen ich Bedenken habe, ist, daß er seine Stellung als Vorsitzender des Vereins hineingezogen hat. Das ist der Punkt,

2  Vgl. Verhandlungen VfSp 1905, S.  421. 3  D. h. gegen Schmollers Erwiderung auf Webers ersten Beitrag, in: Verhandlungen VfSp 1905, S.  433 f. 4  Friedrich Naumann zufolge hatten die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Hermann Molkenbuhr und Hermann Sachse ihre Teilnahme zugesagt, waren jedoch nicht zur Generalversammlung erschienen. Dort habe nur der Sozialdemokrat Georg Bernhard zum Thema „Kartelle“ gesprochen. Vgl. Naumann, Friedrich, Im Verein für Sozialpolitik II, in: Die Hilfe, Nr.  41 vom 15. Okt. 1905, S.  4 f.

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gegen den ich mich wende.  Ich sehe aber, daß eine Einigung vor diesem Forum darüber nicht möglich ist.

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[Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann] [Zuschrift vom 30. September 1905 an die Frankfurter ­Zeitung] [zusammen mit Eberhard Gothein und Alfred Weber]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik vom 25. bis 28. September 1905 aufgebrochene Konflikt zwischen dem Vereinsvorsitzenden Gustav Schmoller und Friedrich Naumann über die Kartellpolitik1 fand in der Presse eine Fortsetzung. Anlaß war ein Bericht mit Kommentar im Abendblatt der Frankfurter Zeitung vom 29. September 1905, dem zufolge Schmoller auf der Tagung eine wissenschaftliche Niederlage erlitten habe, und dies habe ihn zu der Polemik gegenüber Naumann verführt.2 Dieser Interpretation des Vorgangs trat Max Weber zusammen mit Eberhard Gothein und seinem Bruder Al­fred in einer Zuschrift an die Frankfurter Zeitung entgegen, die am 3. Oktober 1905 erschien. Sie wollten damit offensichtlich den Konflikt zwischen Schmoller und Naumann entschärfen.

Zur Überlieferung und Edition Die Wiedergabe der Zuschrift von Eberhard Gothein, Alfred Weber und Max Weber erfolgt nach dem maschinenschriftlichen Manuskript vom 30. September 1905, das sich in GStA PK, VI. HA, Nl. Gustav Schmoller, Nr.  157 (A), 1 Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Zur Verteidigung Friedrich Naumanns, oben, S.  60 f. 2  Die Frankfurter Zeitung, Nr.  270 vom 29. Sept. 1905, Ab.Bl., S.  1, hatte unter der Rubrik „Tages-Rundschau“ in einem Kommentar zu der Tagung des Vereins für Socialpolitik geschrieben: „[…] Professor Schmoller hat in der Kartelldebatte, in der er fast völlig isoliert wurde, eine wissenschaftliche Niederlage wie nie zuvor erlitten, und sein Groll darüber machte sich dem Manne gegenüber Luft, der eben gerade den meisten Beifall gefunden hatte. Wir haben Grund zu der Annahme, daß Schmoller gehofft hatte, mit einem Votum des Vereins für Sozialpolitik für seine Vorschläge, die der Regierung dienen sollten, nach Hause zu kommen. Damit ist es nun nichts, und daher der – ‚Demagoge‘. Als dann mehrere Redner entschieden für die Person des nicht mehr anwesend gewesenen D. Naumann eintraten, begab sich Professor Schmoller auf den Rückzug. Besser hat er aber damit seine Sache nicht gemacht.“

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befindet. Es ist von allen drei Verfassern eigenhändig unterzeichnet und weist zusätzlich handschriftliche Unterstreichungen und Korrekturen von der Hand Max Webers auf (A1). Veröffentlicht wurde die Zuschrift unter der Überschrift „Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann“ in der Frankfurter Zeitung, Nr.  274 vom 3. Oktober 1905, Ab.Bl., S.  2 (B). Sie enthält eine kurze Vorbemerkung und im Anschluß an den Abdruck eine ausführliche und distanzierende Erklärung seitens der Redaktion der Frankfurter Zeitung.3 Ediert wird die maschinenschriftliche Vorlage mit den handschriftlichen Zusätzen (A1). Alle Abweichungen des Typoskripts (A) und der Druckfassung (B) werden im textkritischen Apparat annotiert. Übernommen wird die redaktionell eingefügte Überschrift. Das Manuskript weist keine Paginierung auf, diese wird hier als A (1) und A (2) vom Editor hinzugefügt.

3  Vgl. unten, S.  67, textkritische Anm.  a, und S.  69, textkritische Anm.  b.

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[Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann] Heidelberg,a den 30. September 1905. Sehr geehrte Redaktion!

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Gestatten Sie uns gegenüber dem scharfen Angriff auf Professor Schmoller in Nob 270 Ihres geschätzten Blattes1 die ergebenste Bemerkung, daß derselbe auf u. E. unrichtigen Voraussetzungen beruht. Wie den Mitgliedern des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik bekannt ist, hatte Professor Schmoller sein Referat2 übernommen nurc auf dasd starke Drängen seiner persönlichen Freunde,3 auch solcher, die politisch auf dem Standpunkt Naumann’s stehen, und ledigliche zu dem Zweck: durch sein Hervortreten der Verhandlung dasf Gesicht zu geben, das notwendig war, um eine Diskussion auf breiter Basis, d. h. mit Einschlußg der Kartellindustriellen[,] möglich zu machen. Nicht irgend eine „Hilfsaktion“ für die Regierung,h sondern eine möglichst objektive Fundamentierung des „Votums“ der Versammlung, soweit von einem solchen überhaupt gesprochen werden kann, war sein und unser aller Ziel. Das Gefühl einer i„Niederlage“i und vollends einer j„wissen­ schaftlichen“j Niederlage4 konnte er schwerlich aus dem Umstand a  In B geht voraus die Überschrift und die redaktionelle Vorbemerkung: Von den Herren Professoren Gothein, Alfred und Max Weber erhalten wir folgende Zuschrift:  b B: Nr.  c  In A hervorgehoben.  d  In A folgt: sehr  e  In A hervorgehoben.  f  Hervorhebung fehlt in A.   g  In A hervorgehoben.  h Komma fehlt in B.   i–i  Anführungszeichen fehlen in A.   j–j  Anführungszeichen fehlen in A.   1  Vgl. dazu oben, S.  65, Anm.  2. 2  Vgl. Schmoller, Gustav, Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, in: Verhandlungen VfSp 1905, S.  237–271. 3  Um welche Personen es sich bei den „persönlichen Freunden“ Schmollers handelte, ist nicht nachgewiesen. Möglicherweise sind es die von Max Weber erwähnten „Hintermänner“, vgl. den Brief Max Webers an Alfred Weber, vor dem 21. Okt. 1905, MWG II/4, S.  556–558, hier S.  557. Franz Boese zufolge hatte Alfred Weber das Thema „Das Verhältnis der Kartelle zum Staat“ in der Sitzung des Ausschusses am 6. Januar 1905 in Berlin angeregt. Die Vorbereitung übernahmen Eugen v. Philippovich, Gustav Schmoller und Alfred Weber. Vgl. Boese, Verein, S.  104, und den Editorischen Bericht zu Weber, Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, MWG I/8, S.  262. 4  Zitat aus dem Bericht der Frankfurter Zeitung, Nr.  270 vom 29. Sept. 1905, Ab.Bl., S.  1; zur Wiedergabe vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  65, Anm.  2.

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A, A1 (2)

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entnehmen, daß seine kpraktisch politischen,k also doch von notwendiger Weise „subjektiven“ Werturteilen ausgehenden Vorschläge bei anderen und auch bei uns auf große Bedenken stießen. Und noch weniger war, wenn wir irgend richtig urteilen, ein solches Gefühl der Anlaß seines Angriffs auf Herrn D. Naumann. Sondern er glaubte offenbar[,]  den „historisch“,l und zwar in hervorragender Weise unter seinem eigenen Einfluß, gewordenen „Charakter“ des Vereins für Sozialpolitik verloren gehen zu sehen mzu Gunstenm einer Auffassung, welche durch den Glauben an „Entwicklungsgesetze“ im streng marxistischen Sinn jeden Versuch staatlichen Eingreifens und damit in letzter Linie ja auch jede „Sozialpolitik“ zur Sinnlosigkeitn stempeln würde. Und anscheinend glaubte er aus dem starken Beifall, welchen die Versammlung Naumann’so glänzender Rede spendete,5 überdies heraushören zu müssen, daß der Verein für Sozialpolitik selbst in seiner Mehrheit den Wunsch hege, seinen „historischen“ Charakter abzustreifen. Er interpretierte infolgedessen jene Rede wie diesen Beifall als einen Angriff gegen alles Dasjenigep was, wie allgemein bekannt, an der Eigenart des Vereins seinq und seiner ursprünglichen Mitarbeiter persönlichstesr, heute ganz ebenso wie früher unersetzliches,s unbedingt aufrecht zu erhaltendes Werk ist. Wir glauben daher bis auf Weiterest, daß bei ihm nicht die Absichtu vorlag, die volle Äußerungsfreiheit im Verein, die wir auf das nachdrücklichste wie für uns, so für Herrn D. Naumann in Anspruch nehmen, zu beschränken;v wir, wie wohl viele andere[,] würden uns ganz selbstverständlich unter eine solche Beschränkung niemals beugen. Wir hoffen auch zuversichtlich, daß es gelingen wird,w Herrn Prof. Schmoller überdies davon zu überzeugen, daß Herr D. Naumann nach Inhalt und Zweck seiner Rede zu denx

k A: praktischpolitischen; A1: praktischpolitischen,    l  Komma fehlt in A.   m B: zugunsten  n  In A hervorgehoben.  o B: Naumanns  p B: dasjenige   q Hervorhebung fehlt in B.   r Hervorhebung fehlt in B.   s Komma fehlt in A.  t B: weiteres  u  In A hervorgehoben.  v A: beschränken,  w Komma fehlt in B.   x  In A folgt: immerhin sehr 5  Vgl. Naumann, Friedrich, Diskussionsbeitrag zu Schmollers Referat über „Das Verhältnis der Kartelle zum Staate“, in: Verhandlungen VfSp 1905, S.  360–369, mit dem Protokollzusatz: „Langanhaltender stürmischer Beifall“, ebd., S.  369.

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schweren Vorwürfen, welche er gegen ihn erhoben hat, keineny Grund gegeben hat. zEberharda Gothein (Heidelberg) n p.:6 Max Weber (Heidelberg) Alfred Weber (Prag)z b

y In A hervorgehoben.   z–z B: Eberhard Gothein (Heidelberg). Alfred Weber (Prag). Max Weber (Heidelberg).   a Unsichere Lesung; alternativ: Eberhart   b  In B folgt der Kommentar der Redaktion: Wir geben dieser Erklärung gerne Raum, müssen aber hierzu bemerken, daß sie u. E. nicht einwandfrei ist. Die Herren Einsender meinen, von einer „wissenschaftlichen Niederlage“ Schmollers könne nicht die Rede sein. Nun[,] man kann das gewiß auch anders ausdrücken und sagen: gerade von den Rednern aus den Kreisen der Wissenschaft hat kein einziger den Forderungen Schmollers, die aus seinen theoretischen Grundanschauungen hervorgehen, zugestimmt. Man würde sich wohl auch damit begnügt haben, dies zu konstatieren, wenn nicht Schmoller durch sein Vorgehen gegen Naumann eine schärfere Tonart provoziert hätte. Denn sein Vorgehen war unberechtigt. Angenommen, Naumann hätte wirklich Entwicklungsgesetze in marxistischem Sinne vertreten, so mußte ihm das durchaus freistehen. Eine wissenschaftliche Gesellschaft, wie es der Verein für Sozialpolitik doch ist, kann die Bekundung der marxistischen Auffassung, die sich mit demselben Recht wie manche andere als wissenschaftliche gibt und mit der sich ja auch fast alle Nationalökonomen beschäftigen oder beschäftigt haben, nicht aus dem Verein verbannen[,] ohne den Boden der wissenschaftlichen Freiheit zu verlassen[.] Wie würde es sich auch damit reimen, daß ein Sozialdemokrat wie Bernhard Mitglied des Vereins sein kann, und daß man den Sozialdemokraten Molkenbuhr zu einem Referate einlud – also Personen, bei denen man marxistischer Äußerungen gewärtig sein muß? Gewiß hatte Schmoller das Recht, die Auffassung Naumanns, wenn er sie für unrichtig hält, zu bekämpfen, aber er hatte nicht das Recht, aus den in der obigen Zuschrift erwähnten Bedenken heraus Naumann einen Demagogen zu nennen und zu sagen, derartiges wie Naumanns Rede gehöre nicht in diese Versammlung. Und das scheint uns allerdings eine Beschränkung der Äußerungsfreiheit einzuschließen. Aber wenn die Herren Einsender meinen, daß Schmoller dies nicht beabsichtigt habe, so freut uns dieser Glaube im Interesse der weiteren Entwicklung des Vereins für Sozialpolitik. Und unter diesem Gesichtspunkte verzichten wir auch, auf andere Einzelheiten ihrer Erklärung einzugehen. 6  Abkürzung unklar.

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Conzept der Erklärung [zu Gustav Schmollers „Offenem Brief“]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Nach der von Eberhard Gothein, Alfred und Max Weber gemeinsam verfaßten Zuschrift an die Frankfurter Zeitung vom 3. Oktober 19051 eskalierte die Auseinandersetzung zwischen Naumann und Schmoller weiter. Naumann wollte ursprünglich auf die Angriffe Schmollers nicht erwidern, doch Weber wies ihn darauf hin, daß dadurch seine Haltung und auch die Position seiner Verteidiger in ein schiefes Licht geriete.2 Daraufhin veröffentlichte Naumann am 8. Oktober 1905 einen scharfen Artikel in der Zeitschrift Die Hilfe,3 auf den Schmoller mit einem Offenen Brief in der Täglichen Rundschau vom 18. Oktober 1905 antwortete.4 In diesem Brief machte Schmoller sein Verbleiben als Ausschußvorsitzender von der Mehrheit der gemäßigten Stimmen im Verein abhängig. Weber wollte eine eigene Replik publizieren, die er im Entwurf seinem Bruder Alfred zur Kenntnis gab.5 Hierin warf er Schmoller in scharfen Worten autoritäres Verhalten vor, weil dieser andere Ansichten mit seiner Rücktrittsdrohung unterdrückt habe. Schmoller habe sich „als Pädagoge“ aufgespielt, indem „er gleichzeitig uns das Ultimatum stellt: bleibt Minorität und kuscht euch, sonst…!“ Lujo Brentano, der die Einheit des Vereins wahren wollte, hielt Weber von der Publikation dieser zweiten Stellungnahme ab.6 1  Vgl. Gothein, Alfred und Max Weber, Zur Angelegenheit Schmoller-Naumann, oben, S.  65–69. 2  Vgl. Brief Max Webers an Friedrich Naumann vom 30. Sept. 1905, MWG II/4, S.  540– 543. 3  Naumann, Friedrich, Im Verein für Sozialpolitik I, in: Die Hilfe, Nr.  40 vom 8. Okt. 1905, S.  2 f. In diesem Artikel beließ es Naumann nicht bei einer kurzen Notiz, sondern setzte sich ausführlich mit Schmollers Vorwürfen auseinander. 4  Schmoller, Gustav, Offener Brief an Herrn Pfarrer D. Naumann, in: Tägliche Rundschau, Nr.  489 vom 18. Okt. 1905, S.  1. 5  Das Konzept ist als Anlage zum Brief Max Webers an Alfred Weber, vor dem 21. Okt. 1905, MWG II/4, S.  556–558, überliefert. 6  Vgl. Brief Max Webers an Gustav Schmoller vom 23. Okt. 1905: „Ich unterlasse eine öffentliche Erklärung, weil 1) Herr Brentano, dem ich sie zur Kenntnisnahme schickte, mich telegraphisch darum bittet, Alles zur Wahrung unseres Standpunktes nicht absolut Unentbehrliche zu unterlassen.“ (MWG II/4, S.  567 f., Zitat: S.  567). Vgl. auch Brentano, Lujo, Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands. – Jena: Eugen Diederichs 1931, S.  254 f.

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Brentano befürchtete im Falle einer Publikation den sofortigen Rücktritt Schmollers vom Vereinsvorsitz. Diese Vermutung wurde später durch Schmollers Antwort an Brentano bestätigt, die, maschinenschriftlich vervielfältigt, Max Weber sowie anderen Ausschußmitgliedern zuging.7 Darin dankte Schmoller Max und Alfred Weber sowie Eberhard Gothein explizit für deren Verteidigung in der Frankfurter Zeitung.8 Inzwischen hatte auch ein Gespräch zwischen Schmoller und Naumann stattgefunden, mit dem das Zerwürfnis beendet wurde. Weber, der nicht „den Anschein eines ‚Friedensstörers‘“9 erwecken, in der Sache jedoch nicht zurückweichen wollte, kündigte am 23. Oktober Schmoller gegenüber an, in der nächsten Ausschußsitzung mit der Unterstützung von Brentano, Gothein, Knapp, Alfred Weber u. a. den Antrag zu stellen, die Generalversammlung abzuschaffen.10 Doch zeigte sich Weber schon am nächsten Tag in einem Brief an Carl Johannes Fuchs mit seiner eigenen Reaktion auf Schmollers Rede in Mannheim und seinem Einlenken unzufrieden. Er schrieb: „Ich habe in M[annheim] an Schmollers Verdienste und die Interessen des Vereins gedacht und deshalb meine Empörung niedergekämpft. Aber es war ein Fehler. Besser der Verein fliegt, als er wird ein ‚Verein für salonfähige Socialpolitik‘“, wozu ihn Schmollers Erklärung stempeln würde.11 Max Weber äußerte sich in dieser Sache aber nicht mehr.

Zur Überlieferung und Edition Das vierseitige handschriftliche Manuskript der Erklärung, das hier zum Abdruck gelangt, ist als Anlage zu einem undatierten Brief Max Webers an Alfred Weber12 überliefert in: GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr.  4, Bl. 98–99 (A). Eine Veröffentlichung ist nicht nachgewiesen. Ebenfalls überliefert ist eine maschinenschriftliche Abschrift des Konzepts mit Zusätzen von der Hand Marianne Webers, ebd., Nr.  30, Bd. 4, Bl. 137–138. Diese Abschrift bleibt unberücksichtigt, da sie vermutlich erst nach Webers Tod angefertigt wurde. 7  Vgl. das maschinenschriftlich hektographierte Original des Briefes mit der Anrede „Hochverehrter Herr Kollege!“ vom 29. Okt. 1905, GStA PK, VI. HA, Nl. Gustav Schmoller, Nr.  158, sowie den Abdruck in: Boese, Verein, S.  116–120, Zitat: S.  118, mit der irrtümlichen Datumsangabe 26. Okt. 1905. 8  Ebd., S.  119. Vgl. Gothein, Alfred und Max Weber, Zur Angelegenheit Schmoller– Naumann, oben, S.  65–69. 9 Brief Max Webers an Gustav Schmoller vom 23. Okt. 1905 (2. Brief), MWG II/4, S.  567 f. 10  Ebd. Der Antrag auf Abschaffung der Generalversammlung wurde später gestellt, vgl. Weber, Ausschußsitzung VfSp 1907, unten, S.  732–734. 11  Brief Max Webers an Carl Johannes Fuchs vom 24. Okt. 1905, MWG II/4, S.  570– 573, Zitat: S.  573. 12  Brief Max Webers an Alfred Weber, vor dem 21. Okt. 1905, MWG II/4, S.  556–558.

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Conzept der Erklärung zu Gustav Schmollers „Offenem Brief“

Der Text, der sehr viele Streichungen und Einfügungen enthält, wird hier in der letzten, vom Autor verlangten Gestalt wiedergegeben. Einfügungen und Sofortkorrekturen werden nicht nachgewiesen, Streichungen im textkritischen Apparat annotiert. Statt der Archivpaginierung wird die originale Seitenzählung Max Webers als A 1, A 2 etc. angefügt.

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Ohnea eine Verbindung mit anderen Mitgliedern des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik zu suchen und dadurch den Anschein einer gegen Herrn Professor Dr Schmoller persönlich gerichteten „Aktion“ zu erwecken, möchte ich zu dessenb „offenem Briefe“ in der „Täglichen Rundschau“1 meinerseitsc bemerken, daß er in einem entscheidenden Punkt von irrigen Voraussetzungen ausgeht. Niemand bestrittd sein unbedingtes Recht,e Herrn D. Naumann in der schärfsten Weise mit sachlicher Kritik entgegenzutreten und dessenf Theorien abzulehnen. gDaß  demg persönlichen Angriff auf einen Abwesenden, mit welchem er auf die reine, wie er zugiebt, sachliche Meinungsdifferenzh reagierte, entgegengetreten wurde, verstand sich von selbst[.] Aber das eigentlich Bedenkliche war und ist auch jetzt wieder, daß Herr Professor Schmoller füri richtig oder gar notwendig hältj, öffentlich anzukündigen, daß er den Vorsitz im Ausschuß des Vereins niederlegen werde, sobald er „das Gefühl bekäme, Naumann’s Theorien hätten im Verein oder im Ausschuß die Majorität.“2 Der Verein kennt Majoritätsabstimmungen nicht und vollends nicht solche über „Theorien“k. In seinem in der Praxis wesentlich durch  Cooptation ergänzten Ausschuß sitzen Anhänger der verschiedensten politischen Parteien und sozialenl „Theorien“. Auch Naumann’s persönliche Anschauungen waren zur Zeit seiner Cooptation Jedermann bekannt und damalsm ebenso „demokratisch“ und wohl ehern „marxistischer“ als heute. – Praktisch

a  〈nochmals〉    b  〈„Erklärung“〉    c  〈doch〉    d  〈, – worauf Herr Professor Schmoller allein eingeht, –〉    e  〈der schärfsten sachlichen Kritik an 〈Herrn D.〉 Naumanns Ansichten.〉    f  seine > dessen  g  Daß 〈er auf eine〉, den   h  〈mit einem persönlichen Angriff schwer beleidigender Art antwortete und diesen jetzt [??], wird durch 〈die〉 Traditionen des Vereins schwerlich gerechtfertigt werden können, ist 〈bildet〉 aber eine Angelegenheit, welche letztlich die Beziehungen der beiden beteiligten Männer unter sich angeht, mich direkt 〈jetzt〉 nichts 〈mehr〉 angeht. Sondern das〉    i  〈oder〉    j  findet > hält  k  〈und der〉    l  sozialpolitischen > sozialen   m  〈wohl〉   n  〈wesentlich〉 1  Schmoller, Gustav, Offener Brief an Herrn Pfarrer D. Naumann, in: Tägliche Rundschau, Nr.  489 vom 18. Okt. 1905, S.  1. 2 Ebd.

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läuft also Schmollers Ansicht darauf hinaus, daß die Vertretung andrer Ansichten also solcher, die ihm statthaft erscheinen,p nurq so lange erlaubtr sein solle, als sie sich nicht, – wie in Mannheim – allzu starken Beifalls erfreuen3 oder überhaupt sich allzu vernehmlich zu äußern wagen. Ich persönlich habe nur zufällig in Mannheim, weils im vorliegenden Fall andrer Ansicht, Naumann keinen Beifall gespendet.  Aber die, wenn nicht der Absicht,t so unter allen Umständen der Sache nach inu Schmollers Auffassung enthaltene Zumutung, in der sachlichen Äußerung und Vertretung seiner Überzeugung sich Zurückhaltung aufzuerlegen, würde ich meinerseitsv weder jemals einem Andren stellen, noch – selbstverständlich – selbst jemals berücksichtigenw. Ich halte schon die Thatsache, daß einex Zumutung dery erwähnten Art, seitens des Vorsitzenden einer grundsätzlich nicht parteipolitischen Vereinigung[,] öffentlich und unter Androhung seines Rücktrittsz ausgesprochen wird, akeineswegs für geeigneta, das Gewicht des Vereins in der öffentlichen Meinung zu erhöhen oder auch nur den unentbehrlichen Glauben an seine parteipolitische Ungebundenheit zu erhalten.

o  〈der seinigen〉  p  〈zwar〉  q  〈in〉  r  gestattet > erlaubt  s  〈persönlich〉   t  〈dann〉    u  〈einer solchen〉    v  〈und würden alle, die〉    w  〈mir bieten lassen〉 〈erfüllen〉 〈Die von 〈wie auch〉 〈Trotz der〉 Schmoller 〈vielfach〉 stark abweichende so­ zial­politische Überzeugung, die ich mit vielen andren Mitgliedern des Ausschusses teile, ist für uns Alle 〈keiner von uns〉 bisher und trotz der schärfsten auch [??] Verurteilung des persönlichen 〈verletzenden〉 Charakters kein Hindernis gewesen ist, unter seinem Vorsitz seines Angriffs auf Naumann habe ich mit anderen Collegen eine im Ausschuß zu verbleiben und ihn ständig meide [wieder?] Erklärung unterschrieben, die seiner Stellung voll gerecht [??] zu werden suchte. Dies 〈selbst〉 dürfte mir das Recht geben jetzt auch zu 〈sagen〉 bemerken, daß〉    x  〈bloße〉    y  wie die > der  z  〈geäußerte [??]〉    a–a A: mir keineswegs geeignet erscheint 3  Das Protokoll über die Generalversammlung in Mannheim vermerkt nach dem Beitrag Friedrich Naumanns lang anhaltenden und stürmischen Beifall. Vgl. Verhandlungen VfSp 1905, S.  369.

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[Der „Fall Bernhard“] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 18. Juni 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In drei anonymen sowie in einer vierten, namentlich gezeichneten Zuschrift an die Frankfurter Zeitung1 nahm Max Weber zum sogenannten „Fall Bernhard“ Stellung, über den die Frankfurter Zeitung am 12. und 13. Juni 1908 berichtet hatte.2 Der 1903 in Berlin habilitierte Nationalökonom Ludwig Bernhard wurde 1908 vom preußischen Kultusminister Ludwig Holle an der Philosophischen Fakultät und den zuständigen Fachvertretern vorbei aus Kiel auf ein neu geschaffenes Ordinariat an der Universität Berlin berufen. Er verdankte seinen schnellen akademischen Aufstieg nicht nur seiner wissenschaftlichen Leistung, sondern auch seinen nationalpolitischen Publikationen3 und stand deshalb schon zu Friedrich Althoffs Zeiten in der Gunst des preußischen Kultusministeriums. In seiner ersten anonymen Zuschrift vom 18. Juni 19084 unterzog Max Weber, anders als die Frankfurter Zeitung, nicht den vermeintlichen Regelverstoß des Kultusministeriums,5 sondern das Verhalten Bernhards einer scharfen Kritik, weil dieser sich vor seiner Berufung nicht des Vertrauens der Fakul-

1 Frankfurter Zeitung, Nr.  168 vom 18. Juni 1908, 1. Mo.Bl., S.  1 (unten, S.  78–85); Nr.  172 vom 22. Juni 1908, Ab.Bl., S.  1 (unten, S.  86–89); Nr.  174 vom 24. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1 (unten, S.  90–93); Nr.  190 vom 10. Juli 1908, 4. Mo.Bl., S.  1 (unten, S.  94– 104). 2  Vgl. Die Berufung Prof. Bernhards an die Berliner Universität, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  162 vom 12. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1; Professor Bernhard, ebd., Nr.  163 vom 13. Juni 1908, 1. Mo.Bl., S.  3; Professor Bernhard, ebd., Nr.  163 vom 13. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1. 3  Vgl. Bernhard, Ludwig, Das polnische Gemeinwesen im preußischen Staat. Die Polenfrage. – Leipzig: Duncker & Humblot 1907 (hinfort: Bernhard, Polnisches Gemeinwesen). 4  Vgl. unten, S.  78–85. 5  Am 12. Juni 1908 hatte die Frankfurter Zeitung berichtet (vgl. oben, Anm.  2), daß der Kultusminister nach der Zustimmung des Reichskanzlers die Berufung Bernhards über die Köpfe der Fakultät hinweg in einer Weise vollzogen habe, daß sich die älteren Ordinarien Wagner und Schmoller verletzt gefühlt hätten.

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Der „Fall Bernhard“

tät vergewissert habe. Zwei Tage später, am 20. Juni 1908, kündigte Bernhard in einem Brief an die Frankfurter Zeitung an, er werde auf das Ordinariat verzichten, sollte sich die Fakultät gegen ihn aussprechen.6 Max Weber reagierte auf diese Erklärung mit einer zweiten anonymen Zuschrift an die Frankfurter Zeitung.7 Mit einer dritten anonymen Zuschrift antwortete er auf eine Mitteilung Adolf v. Harnacks an ihn,8 er sei an dem Vorgang nicht beteiligt gewesen und von dem Vorgehen des Ministeriums ebenfalls überrascht worden.9 In einer vierten, nun namentlich gezeichneten Zuschrift10 setzte Weber sich mit einer Stellungnahme Hans Delbrücks zum „Fall Bernhard“ auseinander, in welcher dieser als Fakultätsmitglied u. a. Webers anonyme Zuschrift in der Frankfurter Zeitung vom 18. Juni 1908 kritisiert hatte.11 Delbrück wandte sich vor allem gegen Webers Bemerkungen zu Werner Sombarts vergeblichem Versuch, sich in Berlin zu habilitieren, um daraus ein Versagen der Berliner Fakultät abzuleiten. Diese Zuschrift blieb Webers letzter Kommentar zu den Auseinandersetzungen über den „Fall Bernhard“. Eine Korrespondenz Max Webers mit der Frankfurter Zeitung aus diesem Zeitraum ist nicht überliefert. Die öffentliche Auseinandersetzung war damit jedoch noch nicht beendet. Im Juli 1908 schien dank der Vermittlung und einem Gutachten von Friedrich Althoff12 der Fall beigelegt. Doch kam es zu weiteren Turbulenzen, als Bernhard, der ein Jahr beurlaubt worden war, die Nichtentscheidung der Fakultät während dieser Zeit als Zustimmung zu seiner Berufung interpretierte und seine Lehrtätigkeit 1909 in Berlin aufnahm. Der dadurch erneut aufflammende Konflikt mußte durch ein Schiedsgericht geschlichtet werden. Die Fakultät billigte durch einen nachträglichen Berufungsvorschlag Bernhards Ernen6  Die Frankfurter Zeitung, Nr.  170 vom 20. Juni 1908, Ab.Bl., S.  1, druckte den Brief Ludwig Bernhards an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität, Alois Brandl, ab. Zum Wortlaut des Briefes vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Zum „Fall Bernhard“, unten, S.  86. 7 Ebd. 8  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“ und Professor Harnack, unten, S.  90–93. Ein solches Schreiben Adolf v. Harnacks an Max Weber ist nicht nachgewiesen. 9  Vgl. unten, S.  92. 10  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“ und Professor Delbrück, unten, S.  94–104. 11  Vgl. Delbrück, Hans, Akademische Wirren, in: PrJbb, Band 133, Juli-Sept. 1908, S.  176–178 (hinfort: Delbrück, Akademische Wirren). 12  Da die Auseinandersetzungen im Fall Bernhard nicht auf die akademische Öffentlichkeit beschränkt geblieben waren, hatte Gustav Schmoller dem Reichskanzler Bernhard Fürst v. Bülow die Beschwerden der Universität vorgetragen. Daraufhin bat der Chef der Reichskanzlei v. Loebell im Auftrag des Kanzlers den 1907 pensionierten Friedrich Althoff im Konflikt zwischen Universität und Kultusministerium zu vermitteln. Obwohl der preußische Kultusminister Holle diese Vermittlung ablehnte, konnte Althoff Schmoller über die Rechtslage gutachtlich aufklären und eine vorläufige Entscheidung herbeiführen. Vgl. Sachse, Arnold, Friedrich Althoff und sein Werk. – Berlin: E. S. Mittler & Sohn 1928, S.  194–196.

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nung, während dieser in einem Revers erklärte, auf die Durchführung der wirtschaftswissenschaftlichen Hauptvorlesungen zu verzichten, solange die älteren Kollegen nicht dem Gegenteil zustimmten. Im Wintersemester 1910/11 sagte er sich jedoch im Einvernehmen mit dem Kultusministerium von dieser Verpflichtung los, kündigte eine Hauptvorlesung in Konkurrenz zu Max Sering an und provozierte damit einen zweiten, noch schärferen Konflikt. Die Auseinandersetzungen über den „Fall Bernhard“ zogen sich, nunmehr zum öffentlichen Skandal geworden, bis ins Frühjahr 1911 hin und beschäftigten sogar das Preußische Abgeordnetenhaus.13

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript der hier abgedruckten ersten anonymen Zuschrift ist nicht überliefert. Die Wiedergabe folgt dem dreispaltig gesetzten Text, der unter der Überschrift „Der Fall Bernhard“ in der Frankfurter Zeitung, 52. Jg., Nr.  168 vom 18. Juni 1908, 1. Mo.Bl., S.  1, erschien (A). Die Autorschaft Webers an dieser wie an den beiden anderen anonymen Zuschriften ergibt sich aus seinen Bemerkungen in der letzten, namentlich gezeichneten Zuschrift.14 Die Überschrift „Der ‚Fall Bernhard‘“ wird übernommen, aber in eckige Klammern gestellt, weil sie von der Redaktion stammen dürfte. Auf die Überschrift folgt in der Frankfurter Zeitung ein redaktioneller Zusatz.15

13 Vgl. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band IV, 2.  Aufl. – Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1969, S.  967–969. 14  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“ und Professor Delbrück, unten, S.  94–104. 15  Vgl. unten, S.  96, textkritische Anm. a.

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[Der „Fall Bernhard“] [A 1]

Diea bisherigen Preßerörterungen über den vielbesprochenen „Fall Bernhard“1 erschöpfen dasb Interesse an diesem Vorgang keineswegs. Gewiß ist der Skandal, daß die Regierung (richtiger gesagt: der Minister aus ganz persönlicher, d. h. unmittelbar beeinflußter Initiative)2 der besuchtesten Universität Deutschlands3 einen Professor oktroyiert, und daß über diese Tatsache die beteiligten Fachmänner, die zu den angesehensten Gelehrten Deutschlands gehören, erst durch die Presse oder die Visite des neuen Kollegen informiert werden, charakteristisch genug. Aber einige andere Umstände sind doch vielleicht noch charakteristischer. Zunächst schon das Verhalten des so plötzlich Beförderten selbst. In der Zeit, als der Schreiber dieser Zeilen so jung war, wie es Herr Bernhard heute ist,4 galt es als die elementarste Pflicht des akademischen Anstandes, daß jemand, dem vom Ministerium eine Professur angeboten wurde, sich vor allen andern Dingen und ehe er sich entschied, vergewisserte, ob er das wissenschaftliche Vertrauen der Fakultät oder mindestens derjenigen hervorragenden Fachgenossen, die mit ihm zusammenarbeiten sollten, besitze, einerlei, ob er etwa befürchtete, daß dadurch der Erlangung jener Stelle irgend welche Schwierigkeiten (sei es auch nur moralischer Natur) entstehen könnten. Wer, weil er gerade „die Konjunktur hatte“, sich über jene selbstverständlichen Regeln hinwegsetzte, um akademisch a  In A geht voraus: Aus akademischen Kreisen schreibt man uns:   b A: des 1  Die Frankfurter Zeitung hatte im Juni 1908 in drei Artikeln über Ludwig Bernhards Berufung nach Berlin berichtet. Vgl. oben, S.  75, Anm.  2. 2  Ludwig Bernhard war mit zwei Berliner Ordinarien, Hans Delbrück und Adolf v. Harnack, bekannt, die gute Beziehungen zum preußischen Kultusministerium unterhielten. Delbrück war mit Ludwig Bernhards Eltern eng befreundet und kannte Bernhard seit langem. Dem Theologen v. Harnack hatte Bernhard sein Buch „Das polnische Gemeinwesen“ „in Verehrung und Liebe“ gewidmet; vgl. Bernhard, Polnisches Gemeinwesen (wie oben, S.  75, Anm.  3). 3  Gemeint ist die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, an der sich im Jahr 1905/06 7.616 Studierende immatrikuliert hatten. Nach Franz Eulenburgs Berechnungen für das Deutsche Reich im Jahr 1900 nahm Berlin mit 5.105 Studierenden die Spitzenstellung ein, gefolgt von München mit 3.991, Leipzig mit 3.269 und Bonn mit 2.162 Studierenden. Vgl. Eulenburg, Frequenz, S.  306 f. 4  Max Weber war, als er im Januar 1897 einen Ruf an die Universität Heidelberg erhielt, so alt wie Ludwig Bernhard, nämlich 32 Jahre.

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„vorwärts zu kommen“, verfiel überall ganz der gleichen Beurteilung und Behandlung seiner Kollegen, wie sie jenen Leuten zuteil wird, welche berufsmäßig für sich auf konfessionelle oder politische „Strafprofessuren“5 spekulieren. Mit der Feststellung, daß Herr Bernhard jene Regeln nicht zu beachten für nötig befand, scheidet seine Person aus den weiteren Erörterungen hier aus. Von allgemeinerer Wichtigkeit ist nun aber, daß diese Art von Attitüde unter einem Teil des akademischen Nachwuchses überhaupt offensichtlichec Fortschritte gemacht hat, und daß ferner die preußische Regierung diesen Typus von „Geschäftsleuten“,6 wie sie der akademische Sprachgebrauch nennt, direkt züchtet: es gibt heute Lehrstühle, die ganz regelmäßig als „Stationen“ zur Versorgung solcher Elemente benutzt werden. Was nun die Universität Berlin selbst anlangt, so gilt natürlich die Erlangung einer Professur dort auch heute regelmäßig als ein pekuniär gutes Geschäft. Die Zeit aber, wo sie als eine hohe wissenschaftliche Ehre galt, liegt hinter uns. Gewiß, mit Freuden sehen wir in Berlin auch heute noch in vielen Fächern wirkliche Führer der Wissenschaft und zugleich absolut unabhängige Persönlichkeiten. Allein die Zahl der „bequemen“ und wegen ihrer Bequemlichkeit gesuchten Mediokritäten wächst dort, scheint es, eher noch schneller als anderwärts. Und dazu treten nun die Leute von der Art des Herrn Bernhard, Leute also, für welche, vom Standpunkt der Regierung aus, die Zugehörigkeit zur Universität wesentlich als Pfründe, in pekuniärem Sinne oder in dem der sozialen Geltung, in Betracht kommt. Nun ist es ja, vom Standpunkt der Provinzialuniversitäten aus, gewissermaßen erfreulich, daß ihnen auf diese Art eine weitaus größere Zahl von hervorragenden Gelehrc A: offensichtige 5  Als „Strafprofessuren“ wurden ironisch solche Professuren bezeichnet, die vom Unterrichtsministerium neben einem bestehenden Lehrstuhl errichtet und besetzt wurden, um die Hörgelder des Lehrstuhlinhabers zu mindern, sei es wegen mangelnder Leistung, sei es aus konfessionellen oder politischen Gründen. Vgl. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band IV, 2.  Aufl. – Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1969, S.  966. 6 Die Bedeutung des auf den akademischen Bereich übertragenen Begriffs „Geschäftsleute“ bei Max Weber erläuterte Marianne Weber: „Die Regierung züchtete durch Nichtachtung der Fakultäten einen Typus von ‚Geschäftsleuten‘“, indem sie junge Leute in Versuchung bringe, „sich durch Leistungen für den Staat ihre akademische Laufbahn zu erleichtern“. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  395.

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ten dauernd erhalten bleibt, als dies der Fall wäre, wenn bei der Besetzung der Berliner Lehrstühle allein nach wissenschaftlichen Kriterien verfahren würde. Vom Standpunkt der Berliner Universität aus dürften diese Dinge aber naturgemäß anders zu beurteilen sein. Es ist doch eine eigentümliche Ironie, daß in einer Zeit, wo in mehreren Berliner Fakultäten, teils mit, teils ohne Erfolg, bei zunehmender Hörerzahl eine Beschränkung der Zahl der Professuren erstrebt wurde,7 und wo ferner eine Fakultät ein besonderes, die Habilitation von Lehrern anderer Hochschulen einschränkendes Statut schuf, und alsdann dieses selbstgeschaffene Hindernis dazu benutzte, um einen anerkannt hervorragenden akademischen Lehrer, und zwar gegen das Votum der Fachmänner, von der Privatdozentur auszuschließen8 – ich sage: es ist eine eigentümliche ­Ironie, daß diese selbe Universität sich jetzt gefallen lassen muß, daß ihre Professuren als Pfründen benutzt werden, wenn irgend ein Ministerium gerade das Bedürfnis hat, durch einen fähigen jungen Mann9 politisch erwünschte Recherchen vornehmen zu las7  In der Zeit von 1871/72 bis 1905/06 verdreifachte sich die Zahl der immatrikulierten Studenten an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität von 2.719 auf 7.616. Von der explosionsartigen Vermehrung der Habilitationen und der Privatdozenten um die Jahrhundertwende war Berlin besonders stark betroffen. Hier befanden sich 1909 ca. 15% aller Extraordinarien und 36% aller Privatdozenten Preußens. Die Zahl der Ordinariate blieb dagegen konstant. Vgl. vom Bruch, Rüdiger, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland 1890–1914. – Husum: Mathiesen 1980, S.  115, Anm.  222 (hinfort: vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung). 8  Mit dieser Bemerkung spielte Weber, ohne Namen zu nennen, auf den Fall seines befreundeten Kollegen Werner Sombart an. Vgl. Lenger, Friedrich, Werner Sombart 1863–1941. Eine Biographie. – München: C.H. Beck 1994, S.  175 (hinfort: Lenger, Sombart). Sombart, der nicht habilitiert war, übernahm, nach einer Professur in Breslau, 1906 eine Professur an der Handelshochschule in Berlin. Seine Hoffnung, daneben auch an der Friedrich-Wilhelms-Universität lehren zu können, zerschlug sich. Die Philosophische Fakultät verwies auf frühere Beschlüsse, die älteren Dozenten, die eine Stellung an einer anderen Universität hatten, die Habilitation verwehrten, und dehnte diese am 12. Juli 1906 explizit auf die Lehrer der Handelshochschule in Berlin aus. Deshalb entstand bei der Professorenschaft der Eindruck einer „lex Sombart“. Delbrück betonte: zu Unrecht. Vgl. die Erläuterung zum Brief Max Webers an Alfred Weber vom 30. Jan. 1907, MWG II/5, S.  231–236, hier S.  235, Anm.  14. 9  Gemeint ist auch Ludwig Bernhard, über den sich Weber brieflich positiv geäußert hatte: „Der Posener Professor Bernhard ist ein guter Dozent und scharfer Kopf[,] noch etwas jugendlich hie und da.“ Vgl. den Brief Max Webers an Carl Neumann am 3. Nov. 1906, MWG II/5, S.  174–176, Zitat: S.  176). Bernhard war 1907 mit seinem Werk: Pol­ nisches Gemeinwesen (wie oben, S.  75, Anm.  3), hervorgetreten. Es stellte die Entwicklung der polnischen Selbstverwaltung in Preußen in der Zeit von 1831 bis zur Gegenwart dar. Bernhard war im „Deutschen Ostmarkenverein“, einem im Zuge der

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sen.1) Alle Konzessionen der Fakultäten an unsachliche Gesichtspunkte und insbesondere alles Abweichen von dem Grundsatz, so viele hochqualifizierte Kräfte wie nur möglich zu gewinnen, rächt sich eben letztlich durch Schwächung der moralischen Autorität der Fakultäten an ihnen selbst. Und natürlich zeigen sich die Konsequenzen dessen nicht nur in Fällen wie dem jetzt vorliegenden. Herr Bernhard hat, bei aller wissenschaftlichen Unausgereiftheit, immerhin ein sachlich wichtiges, von Eigenart der Methode zeugendes und (mir wenigstens) sehr eindrucksvolles Buch geschrieben.10 Aber jedermann weiß, daß z. B. auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre vor der Türe der Fakultät noch die Füße von mindestens zwei anderen Leuten stehen, welche „Verdienste“ verschiedenen Charakters, bei einem von ihnen bis in die Zeit der „Ära Stumm“11 zurückreichend[,] aufzuweisen vermögen. Auch 12

1)  Ob dies im vorliegenden Fall in Wahrheit der allein entscheidende Grund ist, bleibe dahingestellt: Leute, welche einen intimen Einblick in die Zustände des amtlichen Ostmarken-Apparats getan haben, könnten außerhalb der preußischen Machtsphäre unbequem werden.12

Germanisierungspolitik 1894 in Posen gegründeten „Verein zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken“, engagiert. Wie die Frankfurter Zeitung, Nr.  162 vom 12. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1, berichtete, war Bernhard aufgrund seines Buches vom Oberpräsidenten von Posen und Schlesien zur Berufung nach Berlin empfohlen worden. Die Berufung sei erfolgt, um Bernhard die Fortsetzung seiner Arbeit über die polnischen Verhältnisse in Oberschlesien und Rheinland-Westfalen zu ermöglichen. 10  Vgl. oben, S.  80, Anm.  9. 11  Carl Ferdinand Freiherr v. Stumm-Halberg war Saarindustrieller, freikonservativer Politiker, Reichstagsabgeordneter und einflußreicher Berater des Kaisers. Er verdächtigte gewisse gelehrte Kreise, insbesondere die Nationalökonomie, der Koketterie mit der Sozialdemokratie. 1897 griff er im Preußischen Herrenhaus die Berliner Professoren Adolph Wagner, Gustav Schmoller und Hans Delbrück persönlich an. Vgl. vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung (wie oben, S.  80, Anm.  7), S.  145. In den Konflikt zwischen Stumm und dem Nationalökonomen Wagner hatte Weber mit zwei Zeitungsartikeln eingegriffen. Vgl. Weber, Die Kampfesweise des Freiherrn v. Stumm, und ders., Eingesandt, MWG I/4, S.  512–519 und 520–523. 12  In den Jahren 1894–96 wurden vom preußischen Ministerium des Innern Spezialkartotheken angelegt, die die polnische Bewegung in West- und Ostpreußen, Sachsen, Hannover, Berlin, Schlesien und im Rheinland verdeutlichen sollten, und in den Jahren 1898/99 hatte man eine Arbeitsgruppe aus mehreren Kommissaren gebildet, die sich mit der polnischen Frage befaßte. Vgl. Galos, Adam, Felix-Heinrich Gentzen und Witold Jakóbczyk, Die Hakatisten: Der Deutsche Ostmarkenverein (1894–1934); ein Beitrag zur Geschichte der Ostpolitik des deutschen Imperialismus (Schriftenreihe der Kommission der Historiker der DDR und Volkspolens). – Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften 1966, S.  198 f. Dieser Apparat sollte alle Informationen zusammentragen, die zur Begründung antipolnischer Schritte dienen konnten. Bernhard legt im Vorwort seines Buches seine Quellen offen und erwähnt, daß er – obwohl

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ihre „Konjunktur“ dürfte früher oder später mit Sicherheit kommen. Daß Männer, wie Adolf Wagner und Schmoller, einst bedeutende und wissenschaftlich eigenartige Persönlichkeiten als Nachfolger erhalten werden, erscheint darnach als ganz unwahrscheinlich. Und ähnlich steht es an den anderen preußischen Universitäten. Sie alle haben heute nicht mehr mit der, trotz aller Bedenklichkeit seines „Systems“, doch vorhandenen Großzügigkeit des Herrn Althoff13 zu tun. Sondern als Lenker ihrer Schicksale fungieren, und zwar sicherlich auf lange hinaus, persönlich freundliche, aber erschreckend subalterne und kleinliche „business men“14 – Leute also, durch deren Einfluß dauernd eine „Konjunktur“ für das Hochkommen der ihnen adäquaten akademischen „Geschäftsleute“ geschaffen wird, nach ganz dem gleichen Gesetz, welches bewirkt, daß erfahrungsgemäß eine Mittelmäßigkeit innerhalb einer Fakultät fortdauernd weitere nach sich zieht. Speziell dem Berliner Lehrkörper wird in solchen künftigen „Fällen“ ebenso wie in dem jetzigen nur die Wahl der Form, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, offen stehen. Einen wirklich, sei es in der öffentlichen Meinung, sei es bei der Regierung ins Gewicht fallenden Widerstand können sie infolge jener zum Teil selbst verschuldeten Schwächung ihrer moralischen Autorität nicht mehr leisten. Und, was damit zusammenhängt: letztlich will auch ein zur Zeit wachsender Teil ihrer Mitglieder es gar nicht anders. Es ist selbstverständlich anzuerkennen, daß, wie an allen, so auch an der Berliner Universität, nicht wenige charaktervolle Persönlichkeiten auch heute noch die stolze Tradition akademischer Berufssolidarität und -Unabhängigkeit nach oben fortsetzen. Jedermann aber weiß, daß diese nicht im Zunehmen begriffen sind. Dazu ist die Türklinke zum Kultusministerium dem Berliner Proseine Arbeit „außerhalb des offiziellen Machtbereiches“ stehe – auch Zugang zu amtlichen Dokumenten erhalten habe. Bernhard, Polnisches Gemeinwesen (wie oben, S.  75, Anm.  3), S. VII. 13 Friedrich Althoff war unter dem preußischen Kultusminister Konrad v. Studt seit 1897 als Ministerialdirektor Leiter der Ersten Unterrichtsabteilung im preußischen Kultusministerium und organisierte das preußische Hochschulwesen neu. Gegen das „System Althoff“ richteten sich Max Webers Angriffe auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag am 13. Oktober 1911 in Dresden. Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410. 14  Zum Ausdruck vgl. Weber, The Relations of the Rural Community to Other Branches of Social Science, MWG I/8, S.  200–243, hier S.  215.

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fessor nun einmal leider allzunahe.15 Zunehmend ist der Unfug eingerissen, daß preußische „Provinzial“-Professoren sich mit Anliegen und Beschwerden an einflußreiche (oder dafür geltende) Berliner Kollegen zur Fürsprache „höheren“ Ortes wenden. Diese Machtstellungen von Gnaden persönlicher Beziehungen zum Ministerium, wie sie heute in allen möglichen Fächern in mehr oder minder ausgeprägter Form entwickelt sind, haben in der Hand charaktervoller und bedeutender Berliner Gelehrter gewiß oft sachdienlich gewirkt. Vorbehaltlich dessen, daß natürlich immer auch beim aufrichtigen Streben nach Objektivität die Gefahr subjektiver Stimmungen bei der Zusammenballung einer großen Patronage in der Hand eines einzelnen vorliegt. Heute aber beginnen sich die Verhältnisse gründlich zu ändern. Wie gerade der „Fall Bernhard“ eklatant gezeigt hat, bedeutet ein auf solchen persönlichen Beziehungen ruhender Einfluß selbst in der Hand bedeutender Gelehrter in einer Zeit, wo zunehmend „Busineß“-Gesichtspunkte entscheiden, nur noch eine prekäre Scheinmacht. – Nicht nur fallen die verschiedenen persönlichen Einflüsse einander gegenseitig in den Rücken – scheint es doch, daß im vorliegenden Fall das Verhalten eines bekannten Theologen an der eigentümlichen Behandlung der eigentlichen Fachmänner nicht ganz unbeteiligt war –,16 sondern in der Hand minder bedeutender Persönlichkeiten gewinnt die Regierung damit ein durchaus sicher wirkendes Mittel, deren Eitelkeit für ihre Zwecke zu fruktifizieren. Und je mehr die Berliner Universität sich mit „business men“ bevölkern wird, desto mehr werden sich die Dinge dahin entwickeln, daß die Regierung zwar jene Professoren, mit denen sie, im eigenen Interesse, ständige „persönliche Beziehungen“ unterhält, sehr gern durch allerhand Entgegenkommen im Kleinen – Berücksichtigung von Fürsprachen für ihre Schützlinge und dergl. – sättigen wird, 15  Die Berliner Professoren Hans Delbrück, Gustav Schmoller und Adolf v. Harnack verfügten über enge Beziehungen zur preußischen Regierung sowie zur Reichsregierung, als deren Berater sie dienten. Harnack war im Frühjahr 1906 und 1907 für eine leitende Position im Kultusministerium, höheres Unterrichtswesen, im Gespräch. Nach Althoffs Tod übernahm v. Harnack einen Großteil von dessen früheren Aufgaben. Vgl. vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung (wie oben, S.  80, Anm.  7), S.  325 f., 331, Anm.  143. 16  Anspielung auf Adolf v. Harnack, der mit Bernhard bekannt war. Weber nahm zu Unrecht an, daß v. Harnack im „Fall Bernhard“ hinter den Kulissen zu dessen Gunsten gewirkt habe. Vgl. unten, S.  86–89 und 90–93.

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daß also die Patronage der Berliner Professoren gegenüber der „Provinz“ zu einer zwar inoffiziellen, aber faktisch anerkannten Institution wird, daß aber gerade aus diesem Grunde in jenen wichtigen Angelegenheiten, wo die Stimme des Fachmannes als solchen und die Autorität der Fakultät als solcher ins Gewicht fallen sollten, beide nichts bedeuten. Wer als Patron kraft persönlicher Beziehungen für persönliche Schützlinge zu wirken gewohnt ist, begibt sich eben damit des moralischen Gewichts, welches seiner Stimme als Fachmann und Teilhaber an amtlichen Gewalten zukommen sollte. Die Entwicklung der Berliner Professorenschaft in der erstgedachten Richtung scheint fast unaufhaltsam. Sie bedroht aber naturgemäß in schwerster Art das akademische Solidaritätsgefühl. Die hochmütigen Abkanzelungen, mit welchen gewisse Berliner Kreise die Versuche bedachten, Besprechungen von Hochschullehrern über die allen Hochschulen gemeinsamen Angelegenheiten herbeizuführen, sind wohl noch in aller Erinnerung. Daß die Wirkungssphäre einer interlokalen Hochschulorganisation,17 gleichviel auf welcher Basis sie geschaffen werden möge, von vornherein ihre aus der Natur der Dinge folgenden Schranken hat, hat auch ohne jene freundlichen Belehrungen niemand bezweifelt. Daß aber, ganz abgesehen von den wichtigen Fragen der Hochschulpädagogik, eine Organisation von Hochschullehrern, bei verständiger Leitung, das Standesehrgefühl des Nachwuchses gegenüber dem BusineßStandpunkt wiedererwecken und zugleich dazu beitragen könnte, das zunehmend verloren gegangene moralische Gewicht der Hochschulen allmählich wieder zu erobern – das ist doch eigentlich nicht zu bezweifeln. Daß beides für Preußen dringliche Aufgaben wären, dürfte u. a. auch der „Fall Bernhard“ gezeigt haben. Die schon jetzt nicht selten erbitternde Art, wie das preußische System und der Einfluß gewisser Berliner Sphären neuerdings auch außerhalb Preußens seine Kreise zu ziehen beginnt, mag für diesmal unerörtert bleiben. Schließlich sind es auch allgemeinere Zukunftserwägungen, welche das Vordringen des Busineß-Standpunktes und die Durchsetzung der Professoren-„Zünfte“ mit Patronage-„Hierarchie“d bed A: Patronage „Hierarchie“ 17  Gemeint ist auch der im September 1907 in Salzburg gegründete Deutsche Hochschullehrertag.

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denklich erscheinen lassen müssen. Überall spielen ja heute die tagespolitischen Konstellationen in die Art der Behandlung der Universitäten hinein. Solche Vorgänge, wie der Fall Bernhard und solche Zustände, wie die, zu deren Symptomen dieser „Fall“ gehört, sind unzweifelhaft auch geeignet, das Ansehen der akademischen Lehrer in den Augen der Studentenschaft tief herabzusetzen. Ob dies dauernd im Interesse der Regierungen liegen wird, das mögen diese selbst mit sich abmachen. Möchten jedenfalls die Vorgänge an den österreichischen Universitäten18 deren deutschen Schwestern eine Mahnung sein, das, was sie an moralischem Kredit in der öffentlichen Meinung und bei ihren Hörern noch besitzen[,] nicht ohne Widerstand vernichten zu lassen – und auch nicht selbst, durch eigene Schuld, zu verscherzen.

18  Beim I. Deutschen Hochschullehrertag in Salzburg berichtete der Wiener Nationalökonom und Historiker Ludo Moritz Hartmann, daß ein namentlich nicht genannter Ordinarius von der österreichischen Regierung an die Wiener Philosophische Fakultät berufen worden sei, obwohl er von dieser wegen mangelnder Qualifikation abgelehnt worden war. (Vgl. Verhandlungen des ersten deutschen Hochschullehrer-Tages zu Salzburg im September 1907, hg. von dem engeren Ausschuß für 1907/08. – Straßburg: Karl J. Trübner 1908, S.  61.) Weber könnte hier auch den „Fall Wahrmund“ meinen. Der Innsbrucker Kirchenrechtler Ludwig Wahrmund war von einem Kollegen, der zugleich Abgeordneter war, wegen vermeintlichen schweren Mißbrauchs seines akademischen Lehramtes kritisiert worden. Wegen seiner modernistischen Anschauungen wurde Wahrmund von der österreichischen Regierung zunächst die weitere Amtsausübung untersagt, ihm dann aber gestattet, an einer anderen Universität zu lehren. Vgl. Amira, Karl v., Die Stellung des akademischen Lehrers zur Freiheit in Forschung und Lehre, in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  8 vom 9. Juli 1908, S.  73 f., sowie Brief Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 19. Nov. 1909, MWG II/6, S.  315–317, hier S.  316 f.

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[Zum „Fall Bernhard“] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 22. Juni 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Mit der zweiten anonymen Zuschrift1 an die Frankfurter Zeitung reagierte Max Weber auf ein Schreiben Ludwig Bernhards an den Dekan der Berliner Philosophischen Fakultät, das die Zeitung zwei Tage zuvor, am 20. Juni 1908, abgedruckt hatte. Darin heißt es : „Wie ich zuverlässig höre, stößt mein Eintritt in die Berliner Universität im Kreise der Fakultätsmitglieder auf Opposition; man wirft mir vor, daß ich den Korporationsgrundsätzen zuwider gehandelt hätte, da meine Ernennung ohne Anhörung der Fakultät erfolgt ist. Ich bin mir bewußt, nichts getan zu haben, was ich nicht aus der gegebenen Situation heraus vollständig rechtfertigen kann. Um jedoch zu zeigen, wie wenig ich gewillt bin, den korporativen Grundsätzen zuwider zu handeln, erkläre ich mich hierdurch aus freien Stücken bereit, die Entscheidung noch nachträglich in die Hände der Fakultät zu legen, falls diese Entscheidung gegen mich fällt, beim Herrn Minister um meinen Abschied einzukommen.“2 Marianne Weber zufolge hatte sich Bernhard auf die Kritik Webers hin der Fakultätsentscheidung unterstellt, sein Entlassungsgesuch eingereicht und Weber mitteilen lassen, daß er seinen Fehler einsehe.3

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Zum Abdruck kommt die unter der Überschrift „Tages-Rundschau” anonym erschienene Zuschrift Max Webers in der Frankfurter Zeitung, 52. Jg., Nr.  172 vom 22. Juni 1908, Ab.Bl., S.  1 (A). Die Autorschaft Max Webers an dieser zweiten anonymen Zuschrift ergibt sich aus dem redaktionellen Hinweis auf den ersten Artikel – „Der Verfasser 1 Zur ersten anonymen Zuschrift Der „Fall Bernhard“ und den Hintergründen vgl. oben, S.  75–85. 2  Der Brief Ludwig Bernhards an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  170 vom 20. Juni 1908, Ab.Bl., S.  1, war unter der Rubrik „Deutsches Reich“ erschienen. 3  Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  395.

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des Artikels über den ‚Fall Bernhard’ (vgl. I. Mgbl. vom 18. Juni) schreibt uns dazu:“4 – in Verbindung mit der Bemerkung in seinem letzten, namentlich gezeichneten Leserbrief.5 Die Redaktion kommentierte die Zuschrift Max Webers und fügte weitere Informationen an.6

4 Zum vollständigen Wortlaut der redaktionellen Vorbemerkung, vgl. unten, S.  88, textkritische Anm.  a. 5  Dort heißt es: „[…] mit meinem Artikel in Nr.  168 der ‚Frankfurter Zeitung’ (über den ‚Fall Bernhard’).“ Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“ und Professor Delbrück, unten, S.  96. 6  Vgl. unten, S.  89, textkritische Anm.  c.

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[Zum „Fall Bernhard“] [A 1]

Diea Erklärung des Herrn Prof. Bernhard1 ist keineswegs geeignet, an der grundsätzlichen Beurteilung seines Vorgehens etwas zu ändern.2 Sie ist eine für das große Publikum wirkungsvolle „Geste“; aber sie schafft natürlich, wie jeder mit der Sachlage Bekannteb und Herr Prof. Bernhard selbst am allerbesten weiß, in keiner Weise res integra für die Fakultät. Sie setzt diese schlechterdings nicht in die Lage, sich so zu entscheiden, wie sie es hätte tun können, wenn ihre eigne Erwägung nicht präjudiziert worden wäre. Herr Bernhard wird daher, wenn die Fakultät von seinem Schreiben überhaupt Notiz nehmen zu können glaubt, voraussichtlich von ihr die Antwort erhalten, daß es sich für die Fakultät bei ihrem (eventuellen) Protest nicht um ein Vorgehen gegen seine Person handle. Aber bei der Situation, in welche die Fakultät gebracht worden ist, bedeutet das durchaus gar nichts. Fakultäten sind ganz gewiß nicht unfehlbar. Oh nein! Ja der Schreiber dieser Zeilen wäre der Allerletzte, eine Nachprüfung und Kontrolle ihrer Vorschläge und Beschlüsse für entbehrlich zu halten. Und die schnöde Mißachtung, welche sie heute erfahren, haben, wie schon in Nr.  168 dieser Zeitung näher ausgeführt,3 viele Fakultäten, speziell die Berliner, zum Teil durch eigene frühere Unsachlichkeiten mitverschuldet. Aber die Art, wie heute in Preußen (und leider, wie es scheint, nach seinem Muster gelegentlich auch anderwärts) in Fällen, wo auch nicht der leiseste Verdacht unsachlichen Verhaltens entstehen kann, die Ansicht der ersten

a  In A geht voraus die Überschrift: Tages-Rundschau. und die redaktionelle Vorbemerkung: Wie im letzten Abendblatt mitgeteilt wurde, hat Professor Bernhard in einem Schreiben an den Dekan der Berliner philosophischen Fakultät erklärt, daß er die Entscheidung über seine Berliner Professur noch nachträglich in die Hände der Fakultät lege. Der Verfasser des Artikels über den „Fall Bernhard“ (vgl. I. Mgbl. vom 18. Juni) schreibt uns dazu:   b A: bekannte 1  Die Erklärung von Ludwig Bernhard war am 20. Juni 1908 in der Frankfurter Zeitung erschienen. Zum Wortlaut vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  86 mit Anm.  2. 2  Weber bezieht sich auf seine erste anonyme Zuschrift Der „Fall Bernhard“ in der Frankfurter Zeitung, oben, S.  78–85. Vgl. auch den Editorischen Bericht dazu, oben, S.  75–77. 3  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–85.

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Fachautoritäten in den Wind geschlagen4 oder – wie im vorliegenden Fall – gar nicht erst eingeholt wird, fordert den schärfsten Protest heraus.c

c  In A folgt die redaktionelle Bemerkung: Wir können diesen Ausführungen nur zustimmen. Noch einiges wäre zu sagen, wenn eine Mitteilung der „Münchener Neuesten Nachrichten“ richtig sein sollte. Sie behaupten, jene Erklärung des Professors Bernhard sei nicht freiwillig, sondern auf Veranlassung der Fakultät erfolgt. Wir möchten aber vorerst annehmen, daß diese Mitteilung auf einem Irrtum beruhe. MNN, Nr.  287 vom 22. Juni 1908, Einzige Ausgabe, S.  3. 4  Weber spielt hier auf den Fall seines befreundeten Kollegen Werner Sombart an. Er hatte darauf hingewiesen, daß sich Gustav Schmoller und Adolph Wagner „energisch“ für Sombarts Habilitation eingesetzt hätten. Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“ und Prof. Delbrück, unten, S.  100. Hans Delbrück hatte dagegen behauptet, die Berliner Fakultät habe „a limine, ohne in eine Erörterung über Sombarts Person eintreten zu wollen, das Habilitations-Gesuch als prinzipiell unzulässig“ abgelehnt. Vgl. das Briefkonzept Hans Delbrücks an Alfred Weber, zwischen dem 14. und 17. Jan. 1907, zitiert in der Erläuterung zum Brief Max Webers an Alfred Weber vom 30. Jan. 1907, MWG II/5, S.  231–236, Zitat: S.  236, Anm.  14.

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[Der „Fall Bernhard“ und Professor Harnack] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 24. Juni 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In seiner ersten anonymen Zuschrift zum „Fall Bernhard“, die am 18. Juni 1908 in der Frankfurter Zeitung erschienen war, hatte Max Weber, ohne den Namen zu nennen, „das Verhalten eines bekannten Theologen“ attackiert und ihm eine Mitwirkung bei der Berufung von Ludwig Bernhard unterstellt.1 Mit dem bekannten Theologen war Adolf v. Harnack gemeint. Mit dieser dritten anonymen Zuschrift an die Frankfurter Zeitung zum „Fall Bernhard“ korrigiert Weber seine Behauptung und reagiert damit auf die nicht überlieferte Mitteilung Adolf v. Harnacks an ihn, er sei von der Berufung Bernhards ebenfalls überrascht worden und habe daran nicht mitgewirkt. Harnack hatte also erkannt, daß der anonyme Autor der ersten Zuschrift Max Weber war.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Wiedergabe folgt der anonym erschienenen Zuschrift zum „Fall Bernhard“, die die Frankfurter Zeitung, 52. Jg., Nr.  174 vom 24. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1 (A), unter der Rubrik „Deutsches Reich” und dem Datum „Frankfurt, 23. Juni“ abdruckte. Die Autorschaft Max Webers an dieser dritten anonymen Zuschrift erschließt sich aus dem Hinweis der Redaktion auf den Autor des ersten Artikels2 in Verbindung mit einer Bemerkung Webers in der letzten, namentlich gezeichneten Zuschrift vom 10. Juli 1908. Dort erklärte Weber, er habe Harnacks Äußerungen „pflichtgemäß der ‚Frankfurter Zeitung’ alsbald mitgeteilt“. Dazu verwies die Redaktion in einer Anmerkung auf den hier edierten Artikel vom 24. Juni.3

1  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  82 f. mit Anm.  15. 2  Vgl. unten, S.  92 mit Anm.  1. 3  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“ und Professor Delbrück, unten, S.  96, textkritische Anm.  a.

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Bei dem ersten Satz handelt es sich vermutlich um eine indirekte Wiedergabe oder Zusammenfassung von Max Webers Mitteilung durch die Redaktion. Dieser Satz wird deshalb in kleinerer Schrifttype wiedergegeben.

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[Der „Fall Bernhard“ und Professor Harnack] [A 1] Wie uns der Verfasser des Artikels über den Fall Bernhard (in Nr.  168) mitteilt,1

hat Prof. Harnack ihm gegenüber auf das kategorischste festgestellt,2 daß er durch die Berufung des Herrn Bernhard ganz ebenso überrascht worden sei, wie alle anderen, und unzweideutig erkennen lassen, daß er die Art des Vorgehens nicht anders beurteilt, als diese. Hiernach ist festzustellen: 1) daß

mit der, auch in den nächstbeteiligten und bestinformierten Kreisen bestimmt geglaubten Annahme, daß Herr Prof. Bernhard wenigstens die ihm Nächststehenden um Rat gefragt habe,3 einerseits Prof. Harnack Unrecht geschehen, andererseits Prof. Bernhard zu günstig beurteilt worden ist. 2) daß auch der Minister keinerlei akademische Persönlichkeit zu Rate gezogen hat,4 obwohl hinterher die unwahre Behauptung, dies sei geschehen, aufgestellt wurde. Die ministerielle Behauptung, es sei keine Zeit gewesen,5 macht selbstverständlich im Zeitalter des Telephons und der elektrischen Droschke einen ebenso grotesken Eindruck, wie die jetzt,

1  Gemeint ist der am 18. Juni 1908 anonym erschienene Artikel Max Webers, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–85. 2  Die Gegendarstellung Adolf v. Harnacks ist nicht überliefert. 3 Etwa Adolf v. Harnack, mit dem Ludwig Bernhard bekannt war. Bernhard, Polnisches Gemeinwesen (wie oben, S.  75, Anm.  3), hatte das Buch dem Theologen „in Verehrung und Liebe“ gewidmet. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–77. 4  Der preußische Kultusminister Ludwig Holle hatte Ludwig Bernhard am 22. Februar 1908 schriftlich ein Ordinariat in Berlin versprochen und ihn einen Monat später im Alleingang berufen. Vgl. Sachse, Arnold, Friedrich Althoff und sein Werk. – Berlin: E. S. Mittler & Sohn 1928, S.  193. 5  Die Frankfurter Zeitung, Nr.  162 vom 12. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1, berichtet, die Berliner Fakultät habe im Fall Bernhard nicht befragt werden können, weil die Zeit zu sehr gedrängt habe. Die Ordinarien Gustav Schmoller, Adolph Wagner und Max Sering seien aber gehört worden und hätten erklärt, daß ihnen unter den jüngeren Nationalökonomen Ludwig Bernhard am angenehmsten sei. Am 13. Juni berichtet das Blatt, es sei dem Kultusminister nicht möglich gewesen, den Rat der Fakultät einzuholen, da er sich innerhalb von 24 Stunden habe entscheiden müssen. Vgl. Frankfurter Zeitung, Nr.  163 vom 13. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1.

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nach Präjudizierung des Falls, an die Berliner Fakultät gelangte Erklärung des Herrn Bernhard.6 Damit ist der Fall wohl erledigt.

6  Ludwig Bernhard machte in einer Erklärung an den Dekan die Annahme des ihm zugesagten Lehrstuhls von der Entscheidung der Berliner Philosophischen Fakultät abhängig. Er wolle auf seinen Lehrstuhl verzichten, falls sich die Fakultät gegen ihn ausspräche. Die Erklärung wurde von der Frankfurter Zeitung, Nr.  170 vom 20. Juni 1908, Ab.Bl., S.  1, abgedruckt. Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Zum „Fall Bernhard“, oben, S.  86 mit Anm.  2.

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[Der „Fall Bernhard“ und Professor Delbrück] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 10. Juli 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In seiner vierten und letzten, nunmehr namentlich gezeichneten Zuschrift zum „Fall Bernhard“1 geht Max Weber auf eine Stellungnahme Hans Delbrücks ein. Der Berliner Ordinarius setzte sich in seinem Artikel „Akademische Wirren“, der in den von ihm herausgegebenen „Preußischen Jahrbüchern“ in der Ausgabe Juli-September 1908 erschienen war,2 kritisch mit der ersten Zuschrift zum „Fall Bernhard“ in der Frankfurter Zeitung vom 18. Juni 19083 auseinander. Hans Delbrück wußte offensichtlich, daß Weber deren Verfasser war.4

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Edition folgt dem Abdruck des Beitrages, der unter der Überschrift „Der ‚Fall Bernhard’ und Professor Delbrück“ in der Frankfurter Zeitung, Nr.  190 vom 10. Juli 1908, 4. Mo.Bl., S.  1, erschien (A). Da der Titel vermutlich redaktionell eingefügt wurde, stellt ihn der Editor in eckige Klammern. Die Autorschaft Max Webers ist durch den Zusatz „Von

1  Zu den anderen Zuschriften und den Hintergründen vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–77. 2  Delbrück, Akademische Wirren (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  176–181. 3  Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  78–85. 4  Obwohl Weber den Fall Sombart ohne Namensnennung angesprochen hatte, kannte Delbrück die Zusammenhänge: „Derselbe süddeutsche Professor preist die gute alte Zeit, wo die Professoren noch Charaktere waren, trägt allen möglichen Klatsch der unsinnigsten Art, besonders über die Berliner zusammen und verkündet schließlich, es geschähe diesen Menschen ganz recht, wenn sie so behandelt würden; sie seien selber schuld daran, daß ihre Professuren als Pfründen benutzt würden, da sie einen anerkannt hervorragenden akademischen Lehrer von der Privatdozentur ausgeschlossen hätten. ‚Hinc illae lacrimae’ sagte ich mir, als ich bei diesem Satz angekommen war. Der ‚Ausgeschlossene’ ist nämlich ein naher Freund des süddeutschen Anonymus.“ Vgl. Delbrück, Akademische Wirren (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  178.

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Professor Max Weber (Heidelberg)“ eindeutig belegt. Ein Hinweis der Re­dak­ tion auf die anonyme, am 24. Juni veröffentlichte Zuschrift wird textkritisch annotiert.5

5  Vgl. unten, S.  96, textkritische Anm.  a.

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Von mir nahestehender Seite erhalte ich das Juliheft der „Preußischen Jahrbücher“1 zugeschickt und möchte gegenüber Herrn Prof. Delbrück, der sich darin u. a. mit meinem Artikel in Nr.  168 der „Frankfurter Zeitung“ (über den „Fall Bernhard“)2 beschäftigt, folgendes bemerken: Zunächst und namentlich: ich hatte trotz der Bestimmtheit, mit welcher unwidersprochen in der Presse und ebenso in Berliner Fakultätskreisen (nicht etwa nur vereinzelt) angenommen wurde, daß Prof. Harnack eine gewisse Mitverantwortung für das Verhalten des ihm nahestehenden Prof. Bernhard trage, von dieser Annahme nur in einer Form, die sie deutlich als nicht sicher beglaubigt kennzeichnete, beiläufig Notiz genommen.3 Harnacks an mich gerichtetes Ersuchen,4 „zur Kenntnis zu nehmen“, daß er von dem Vorgang „ganz ebenso überrascht“ worden und daß er nicht so „unerfahren“ und „leichtfertig“ sei, „um für diese Art der Behandlung verantwortlich gemacht werden zu können“, habe ich selbstverständlich 1. als nicht nur für mich privatim bestimmt, 2. als ein kategorisches Dementi jener Behauptung und 3. als eine gänzlich unzweideutige Beurteilung jenes Vorgangs selbst aufgefaßt und dies pflichtgemäß der „Frankfurter Zeitung“ alsbald mitgeteilt.a5 Wie ich anders hätte handeln dürfen, ist mir wie wohl jedem unerfindlich. In späteren, den Fall Bernhard betreffenden Briefen Prof. Harnacks6 findet sich denn auch selbstverständlich nicht der Schatten einer Andeutung, daß er sich in jener Wiedergabe seiner Stellungnahme irgendwie mißverstanden fühle. Wenn jetzt Delbrück, weil es ihm in seinen Artikel so hineinpaßt, den Anschein erweckt,

a  In A bindet hier die Anmerkung der Redaktion an: Veröffentlicht im II. Mgbl. vom 24. Juni (Red.) 1  Gemeint ist: Delbrück, Akademische Wirren (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  176–181. 2  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–85. 3  Vgl. ebd. Auf welche Quelle sich Weber hier bezieht, ist nicht bekannt. 4  Ein solches Schreiben Adolf v. Harnacks an Max Weber ist nicht nachgewiesen. 5  Gemeint ist – wie auch aus der redaktionellen Anmerkung hervorgeht – Weber, Der „Fall Bernhard“ und Professor Harnack, oben, S.  90–93. 6  Briefe Adolf v. Harnacks an Max Weber zum Fall Bernhard sind nicht nachgewiesen.

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als ob Prof. Harnack es lieber gesehen hätte, daß seine Stellung zur Sache der Öffentlichkeit vorenthalten würde, und wenn er sich gar die Behauptung herausnimmt, dieselbe sei von mir und zwar sogar „in dem wesentlichen Punkte“ (!)7 unrichtig wiedergegeben, so wird in dieser – angesichts des mir vorliegenden Briefs8 – wirklich etwas lächerlichen Redewendung in Wahrheit Prof. Harnack eine Zweideutigkeit insinuiert, deren kein anständiger Mensch, auch bei noch so großen Gegensätzen der Ansichten, ihn für fähig halten wird. Schon dies Beispiel völlig unbedachten Darauflosredens könnte genügen, um zu beurteilen, was es mit der Behauptung, mein Artikel „wimmele geradezu von unrichtigen Angaben“, gieße „eine Flut von Schimpf über die Berliner Fakultät“ aus, „trage Klatsch zusammen“9 usw. auf sich hat – Redewendungen, welche Delbrück selbstredend nicht durch Angabe auch nur einer einzigen unrichtigen Tatsache oder durch die Anführung auch nur eines einzigen beschimpfenden oder auch nur leidenschaftlichen Wortes zu belegen versucht hat. Daß ich, auch wo ich mich allgemein ausdrückte (z. B. über den „Ostmarken-Apparat“, über die „Patronage“),10 nichts gesagt habe, für das ich nicht in der Lage wäre, im Fall absoluter Nötigung hinlängliche Beispiele zu geben, weiß mein Kritiker sehr genau. Und lediglich das berechtigte Vertrauen darauf, daß ich es nicht angemessen finden würde, derartige Beispiele mit Namensnennung öffentlich zu erörtern, gab ihm den Mut zu seinen Stilblüten. Was speziell die Person des Herrn Prof. Bernhard anlangt, so registriere ich gern, daß von einer ihm wohlgesinnten Seite mir versichert wurde,11 seine Motive würden zu ungünstig beurteilt. Leider geschah dies ohne alle greifbaren Unterlagen, welche mir die Erklärung ermöglicht und damit natürlich zu einer sehr angenehmen Pflicht gemacht hätten: nur der Schein sei in dieser Hinsicht gegen ihn gewesen. Sein späteres Verhalten allein genügt dazu 7  Vgl. Delbrück, Akademische Wirren (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  179. 8  Ein solcher Brief Delbrücks an Weber ist nicht nachgewiesen. 9  Zum Wortlaut des Artikels von Delbrück vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  94, Anm.  4. 10  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  80 f. mit Anm.  9 und 10. 11  Um welche Person es sich hier handelt, die Partei für Ludwig Bernhard ergriff, war nicht zu ermitteln.

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nicht. Daß man mit „weißer Weste“ aus den Kabinetten des Kultusministeriums kommt – ich weiß es selbst,12 das ist in Preußen, bei der seit Althoff eingerissenen Art der Behandlung, keineswegs leicht –, darauf kommt es an, weit mehr als auf das, was man nachher, im Angesicht und unter dem Druck der Öffentlichkeit, tut und erklärt. Prof. Bernhard trägt eben doch nach wie vor die Verantwortung für das Entstehen einer Situation, die die ohnehin gänzlich ungesicherte Stellung der Fakultäten in Preußen schwer gefährdet hat. Daß bei der Feier eines Mannes, der zur Verklärung des preußischen Königtums unter allen Lebenden sicherlich das Meiste beigetragen hat, das preußische Kultusministerium aus purem Ärger unvertreten blieb,13 zeigt ja die gehässige und dürftige Kleinlichkeit der hier „maßgebenden“ Kreise zur Genüge. Prof. Delbrück drängt nun am Schluß seines Artikels seinem „sehr geschätzten und lieben Kollegen“, Prof. Schmoller, etwas geräuschvoll seinen Schutz auf gegen etwaige Angriffe14 – wessen eigentlich? – auf dessen Unbefangenheit. Um darzutun, welche verschiedenen Richtungen unserer Disziplin in Berlin vertreten seien, wird uns dabei eine Serie von dort dozierenden Gelehrten vorgeführt und diesen Prädikate wie: „Geh. Admiralitätsrat“, „Soziologe“, „Statistiker“, „agrarischer Reichstagskandidat“ usw. beigefügt.15

12  Weber spielt auf seine Begegnungen mit Friedrich Althoff anläßlich seiner Berufung an die Universität Berlin an. Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410. 13  Gemeint ist der Berliner Nationalökonom Gustav Schmoller, der am 24. Juni 1908 seinen 70. Geburtstag feierte. Er war mit zahlreichen Werken zur preußischen Geschichte hervorgetreten. An seiner Geburtstagsfeier, die in seiner Privatwohnung stattfand, nahm kein offizieller Regierungsvertreter teil. Vgl. „Schmoller-Feier“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  175 vom 25. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1. 14 Am Schluß seines Artikels „Akademische Wirren“ (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  180 f., verteidigt Delbrück Gustav Schmoller gegen den Vorwurf, er lasse keine anderen Lehrmeinungen als seine eigene gelten. 15  Delbrück zählt (ebd., S.  181 f.) alle neun Dozenten auf, die an der Berliner Universität staatswissenschaftliche und nationalökonomische Vorlesungen hielten, und fügt den Titel bzw. die Fachrichtung in Klammern hinzu. Als Wirklicher Admiralitätsrat firmierte im Vorlesungsverzeichnis Ernst v. Halle, als Soziologe Georg Simmel, als Statistiker Ladislaus v. Bortkiewicz und als „jüngst agrarisch-konservativer ReichstagsKandidat“ Heinrich Dade. Vgl. dazu auch Amtliche Bekanntmachungen. Verzeichnis der Vorlesungen an der Königl. Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin im Wintersemester 1909/10, in: Hochschul-Nachrichten, 19. Jg., Heft 226, Juli 1909, S.  4–7.

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Es ist nun ja gewiß beruhigend, daß neben der „Richtung“ der „Soziologen“ auch die „Richtung“ der Herren Geh. Admiralitätsräteb und neben derjenigen der „Agrarier“ auch diejenige der „Statistiker“ vertreten ist. Nur ist zu dieser, logisch betrachtet, doch etwas wunderlichen Klassifizierung eins zu bemerken: es sind dabei für die „Staatswissenschaft“ auch die Namen von Gelehrten konfisziert, welche in ganz anderen (philosophischen, historischen) Disziplinen ihre wirkliche Heimat haben oder hatten, und – das ist die Hauptsache – deren unwürdige Behandlung durch die maßgebenden Berliner Instanzen viele Jahre lang das gerade Gegenteil eines Ehrentitels für das deutsche Universitätswesen geblieben ist.16 Dies zu berücksichtigen hätte Delbrück freilich in seinen Artikel schlecht hineingepaßt. Mit diesen Bemerkungen befinde ich mich bereits in der Nachbarschaft desjenigen Punktes, der von Delbrück am breitesten und dabei leider in einer Art behandelt worden ist, die mich, sehr gegen meinen Wunsch, schlechterdings zwingt, auch meinerseits „persönlich“ zu werden. Ich hatte einige Fälle von m. E. unsachlichem und deshalb der Autorität der Fakultäten nachteiligem Verhalten derselben angedeutet – verspräche es irgendwelchen sachlichen Nutzen, so könnte ich dies Kapitel weiter ausführen. Delbrück greift b A: Admiralitätsräte, 16  Gemeint sind der Historiker und Nationalökonom Ignaz Jastrow und der Soziologe Georg Simmel. Vgl. Verzeichnis der Vorlesungen an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin im Sommer-Semester 1908. – Berlin: Universitäts-Buchdruckerei von Gustav Schaden (Otto Francke) 1908, S.  50–52. Jastrow, seit 1905 Privatdozent für Verwaltungswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms-Universität, erhielt erst 1920 einen Ruf als ordentlicher Professor für Staatswissenschaften an die Berliner Universität. Ähnlich verhielt es sich bei Simmel, dessen erste Promotionsschrift wegen formaler Fehler von der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin abgelehnt wurde. Mit der Schrift „Kantische Studien“ habilitiert, war er dort 15 Jahre als unbezahlter und mit keinerlei Prüfungsrechten ausgestatteter Privatdozent tätig. 1898 scheiterte ein Antrag auf Erteilung eines Extraordinariats am Widerstand des Kultusministeriums. Erst 1901 wurde er zum a. o. Professor ernannt. Trotz der Empfehlungen von Max Weber und Eberhard Gothein scheiterte 1908 eine Berufung nach Heidelberg an einem antisemitischen Gutachten des im Alldeutschen Verband engagierten Berliner Historikers Dietrich Schäfer. Erst 1914, im Alter von 56 Jahren, erhielt Georg Simmel einen Lehrstuhl an der Straßburger Universität. Vgl. Sieg, Ulrich, Im Zeichen der Beharrung. Althoffs Wissenschaftspolitik und die deutsche Universitätsphilosophie, in: Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftspolitik im Industriezeitalter. Das „System Althoff“ in historischer Perspektive, hg. von Bernhard vom Brocke. – Hildesheim: Edition Bildung und Wissenschaft 1991, S.  287–306, hier S.  296 f.

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den Fall der Zurückweisung des Habilitationsgesuchs von Prof. Sombart in Berlin heraus.17 Gegenüber all dem, was er seinerseits dazu an „Sachlichem“ vorbringt, genügt nun wohl die abermalige Feststellung: die Fachmänner, Adolf Wagner und Schmoller, welche für die Bedürfnisfrage doch wohl kompetenter sein dürften als Delbrück, sind trotz jener (sattsam bekannten) „Bestimmung“ der Fakultät energisch für die Zulassung eingetreten.18 Das darf uns anderen wohl genügen. Um so mehr, als bekannt ist, und auch Delbrück wissen könnte, mit was für Mitteln des jämmerlichsten persönlichen Klatsches – dem erst von Außenstehenden entgegengetreten werden mußte – s. Z. gegen die Zulassung Stimmung gemacht wurde.19 Wie schon diese Umstände zeigen, war hier von einer rein sachlichen oder rein formalen Schwierigkeit keine Rede: es handelte sich um die Person. Daß nun bei dem Interesse, welches mir dieser Vorgang s. Z. abnötigte, auch eigene persönliche Erlebnisse mitbeteiligt waren – das ist richtig. Mir selbst war, privatim, aber aus immerhin recht maßgebenden Kreisen der Berliner Fakultät, nicht lange vorher nahegelegt worden, genau das Gleiche zu tun, was bald darauf Prof. Sombart zu tun verhindert wurde.20 Es sollte 17  Vgl. Delbrück, Akademische Wirren (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  178, sowie dazu Weber, Zum „Fall Bernhard“, S.  89 mit Anm.  4. Der Ablehnung der Habilitation von Werner Sombart war eine Kontroverse zwischen Sombart und Delbrück vorausgegangen. Vgl. den Brief Max Webers an Alfred Weber vom 30. Jan. 1907, MWG II/5, S.  231– 236. 18 Delbrück schreibt in einem undatierten Konzept eines Briefes an Alfred Weber, zwischen dem 14. und 17. Januar 1907, daß Schmoller und Wagner zwar „noch einen Anlauf machten[,] Sombart aus Wohlwollen f[ür] seine Person durchzubringen“, die Fakultät aber „a limine, ohne in eine Erörterung über Sombarts Person eintreten zu wollen“, das Habilitationsgesuch als prinzipiell unzulässig abgelehnt habe. Hier zitiert nach der Erläuterung zum Brief Max Webers an Alfred Weber vom 30. Jan. 1907, MWG II/5, S.  231–236, hier S.  236, Anm.  14. 19  Die Brüder Weber hatten die Rolle von Sombarts Lehrer Gustav Schmoller bei der Ablehnung von Sombarts Habilitation moniert, der auch schon früher Gerüchte über Sombarts „unmoralisches Verhalten“ kolportiert hatte. Vgl. Lenger, Sombart (wie oben, S.  80, Anm.  8), S.  176. Bei einem der „Außenstehenden“ handelt es sich möglicherweise um Webers Bruder Alfred, der Sombart in einem Brief an Gustav Schmoller vom 19. August 1906 gegen solche Vorwürfe in Schutz nahm (GStA PK, VI. HA, Nl. Gustav v. Schmoller, Nr.  198, Bl. 119 f.). Vgl. dazu den Brief Max Webers an Robert Michels vom 16. Aug. 1908, MWG II/5, S.  637–642, hier S.  639 mit Anm.  7. 20 Marianne Weber berichtete, daß 1906 die „älteren Meister seines Fachs“, d. h. ­Gustav Schmoller und Lujo Brentano, Weber zu einer erneuten Habilitation an einer großen Universität anregen wollten. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  360. Dasselbe hatte Arthur Spiethoff von Gustav Schmoller in einem Gespräch mit diesem erfahren und Alfred Weber mitgeteilt. Vgl. den Brief Max Webers an Lujo Brentano vom

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mich nun wundern, auf welchem Wege gerade für meine Zulassung ein Bedürfnis hätte herausgefunden werden können, welches für diejenige von Prof. Sombart nicht bestände. Freilich: mein Blick fällt auf Delbrücks Bemerkung von der Bedrohung von „Licht und Luft“ der „wirklichen Privatdozenten“ durch solche Neuhabilitationen.21 Ich bin nun (deshalb lehnte ich s. Z. die Anregung ab) seit Jahren in dem Maß der mir möglichen Lehrtätigkeit gesundheitlich schwer gehemmt.22 Mithin wäre bei mir allerdings nicht in dem Grade, wie vermutlich bei Prof. Sombart, zu gewärtigen, ich könne der Berliner Kollegenschaft „Licht und Luft“, wie Delbrück es dezent ausdrückt, oder auf deutsch: Zuhörer und Kolleggeld fortnehmen. Folglich wäre allerdings meine Qualifikation für die Berliner Universität nach den Grundsätzen, die Delbrück jetzt ausdrücklich und öffentlich vertritt, die größere. Daß sich, anstatt daß ich Genugtuung darüber empfände, auch mein Anstandsgefühl gegen solche Anschauungen empört, daran kann ich nichts ändern. Ich glaube, daß es den von Delbrück für so „schutzbedürftig“ erklärten Berliner Kollegen kaum anders gehen wird. Und ich glaube ferner, daß die Vertretung derartiger „Licht- und Luft-“ „Gesichtspunkte“, die ja zu jenen akademischen Pudenda23 gehören, die ich rücksichtslos genug war, als vorhanden anzudeuten, mehr zur Diskreditierung unsrer Universitätszustände beitragen muß, als ein Dutzend Artikel von mir es könnten. Genug davon. Die Deutung, welche Herr Delbrück seinem Publikum allen Ernstes vorträgt: meine sachlichen Ausführungen in

28. Febr. 1906, MWG II/5, S.  42 f., Anm.  2. Brentano gegenüber lehnte Weber ein solches Ansinnen ab: „Sie sprachen wieder in so überaus freundlicher Weise von einer Übersiedelung nach München. Ich kann das jetzt nicht thun, – habe auch eine ähnliche Anregung Schmollers bezügl. Berlins abgelehnt, – da ich noch nicht regulär dozieren könnte.“ Ebd., S.  42. 21  In seinem Artikel „Akademische Wirren“ (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  179, schreibt Hans Delbrück „das Einströmen von Elementen, schon älteren Herrn, denen die venia legendi nur die erwünschte Gelegenheit zu einer Lehrtätigkeit sein sollte“, drohe den Privatdozenten „Luft und Licht in einer ganz unerträglichen Weise zu beschränken“. Privatdozenten hatten keine dotierte Stelle, konnten aber über Kolleggelder Einkünfte erzielen. 22 Aufgrund seiner Krankheit hatte Weber 1903 sein Ordinariat an der Universität Heidelberg aufgegeben. Er war fortan nur noch Honorarprofessor ohne Sitz und Stimme in der Fakultät und ohne Verpflichtung, Lehrveranstaltungen abzuhalten. 23  Lat.: Dinge, deren man sich schämen sollte.

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Nr.  168 dieses Blattes24 seien durch persönliche Motive bestimmt, würde ich, rührten sie von einem andern her, natürlich einfach als eine Niederträchtigkeit beurteilen und bezeichnen. Allein: so ernsthaft darf man – ich würde allerdings sagen: leider! – diese Dinge bei ihm nicht nehmen. Es handelt sich bei solchen Äußerungen und manchen ähnlichen, die seiner Polemik seit langem einen recht üblen Ruf eingetragen haben, schwerlich um bewußte und beabsichtigte Unanständigkeiten gegenüber dem Gegner, sondern um Erscheinungen einer gewissen „Unkultur“ des Empfindens, welche ihrerseits aus der Eigenart seiner Publizistik herausgewachsen ist. Er ist, im Gegensatz zu seinem von ihm so bitter gehaßten Konkurrenten Maximilian Harden,25 ein Dilettant auf dem Gebiete des Journalismus. Er hat sich daher von der Kunst des Journalisten angeeignet, was eben heutzutage ein Dilettant sich überall zuerst anzueignen bestrebt ist: die äußere Routine. Er ist ferner zwar, weiß Gott, nicht der große Meister der Diplomatie, als der er sich erscheint, aber doch, auch als Politiker, ein geistreicher Mann, der Gesichtspunkte hat und nicht selten wertvolle Gedanken oder, wenn das nicht, wenigstens amüsante Paradoxien vertritt. Dagegen fehlt ihm das Verantwortlichkeitsgefühl des echten Berufsjournalisten, und man darf sich daher über Dinge, die man einem solchen nie verzeihen würde, bei ihm nicht aufregen. Es kommt ihm auf eine Handvoll Worte oder Behauptungen, gleichviel welcher Tragweite, niemals an, wenn sie gerade in den Zweck eines einzelnen Artikels hineinpassen. Denn eben weil er Dilettant ist, so glaubt er: das sei in der Journalistik, zumal seines „diplomatischen“ Genres, ein für allemal nicht anders – wie der Bauer glaubt, der Handel sei ein für allemal Gaunerei. Und eben auf dieser durchaus naiven Unkultur beruht auch die völlige, aber zugleich, wie ich mich an unmißverständlichen persönlichen Erfahrungen überzeugen konnte, absolut gutgläubige Verständnislosigkeit, welche er für die Pflicht der Scheidung persönlicher Beziehungen und sachlicher Probleme besitzt. Wer so steht, der kann natürlich auch keine Gewis24  Vgl. Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–85. 25  Maximilian Harden war einer der bekanntesten und einflußreichsten Journalisten des Kaiserreiches. Hans Delbrück hatte Hardens Mitarbeiter in einem Artikel „als in­ exakte, unzuverlässige Forscher, als Konfusionare, als Schönredner“ bezeichnet. Vgl. Delbrück, Hans, Eine Professoren-Gewerkschaft, in: PrJbb, Band 129, 1907, S.  129– 142, Zitat: S.  138 (hinfort: Delbrück, Professoren-Gewerkschaft).

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senlosigkeit darin erblicken, wenn er dem Gegner leichthin unterstellt, er habe mit der Vertretung einer ersichtlich recht ernst gemeinten Sache einem „nahen Freund“ einen Gefallen erweisen (oder wohl gar: ihn an der Fakultät rächen?) wollen. Nach Delbrücks Meinung ist so etwas vermutlich gar kein ernstlicher Vorwurf. Daß er so denkt, und daß die Betätigung dieser Denkweise zu den Dingen gehört, die seiner Journalistik zwar einen gewissen pikanten Reiz verleihen, sie aber innerlich entwerten – das kann wenigstens ich ganz gewiß nicht besonders erfreulich finden. Jedenfalls aber: es ist nun einmal so, und einer solchen Naivität gegenüber versagen alle „ethischen Wertungen“ – man muß ihm wohl oder übel eine Art von „Narrenfreiheit“ konzedieren, für die ja schon Treitschke seinerzeit das treffende Wort geprägt hat. Zum Schluß dieser unerquicklichen Erörterung nur die eine prinzipielle Bemerkung zur Sache: Delbrück geht auch auf die von ihm so genannte „Professorengewerkschaft“26 ein, welche ich exemplifikatorisch herangezogen hatte (und an der aktiv teilzunehmen ich bisher behindert war). Ob der Zusammenschluß der akademischen Lehrerschaft nun in dieser oder in welcher anderen Form sonstc etwa künftig zustande kommt, das scheint mir durchaus nebensächlich. Gelingt es aber den Gesinnungsgenossen Delbrücks, jede solche Organisation einer „öffentlichen Meinung“ des Hochschullehrerstandes dauernd zu hindern – und ich halte es keines­ wegs für unmöglich, daß es ihnen wenigstens vorläufig gelingt –[,] dann ist die unvermeidliche Folge: daß der einzelne in seiner Vereinzelung ausschließlich die Presse zur Aussprache in Anspruch nimmt. Die ernsthafte Presse hat bisher, ich glaube aus guten Gründen, akademische Angelegenheiten mit großer Zurückhaltung behandelt. Das würde dann gründlich anders werden müssen. Nach Delbrücks und mancher seiner Berliner Kollegen „Ideal“ soll die Regierung, statt geordneter Instanzen und Organisationen,

c  In A folgt: er 26 Hans Delbrück lehnte den 1907 erstmals stattfindenden Deutschen Hochschullehrertag als „Professoren-Gewerkschaft“ ab. Vgl. Delbrück, Akademische Wirren (wie oben, S.  76, Anm.  11), S.  179, sowie oben, S.  102, Anm.  25 und unten, S.  104, Anm.  28.

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hervorragende Einzelpersönlichkeiten27 (sie wird ja schon wissen, wo sie sie findet!) heranziehen. Sollte sich dieses, jetzt eben im Falle Bernhard so kläglich gescheiterte „Ideal“ in der bisherigen Richtung immer weiter praktisch verwirklichen, so wird das neben andern auch die unfehlbare Folge haben, daß die öffentliche Kritik an Universitätszuständen, sie mag nun wollen oder nicht, zunehmend den Charakter persönlichen Kampfes und persönlicher Diskreditierung annimmt. Das kann wahrhaftig niemand wünschen. Aber es ist die unabwendbare Folge der Anschauungen, die neben Andern Delbrück zu vertreten pflegt[,] und, wie die vorstehenden Ausführungen leider zeigen mußten, auch die Folge seines eigenen sittenlosen Verhaltens.28

27  Bei Delbrück heißt es: „Sind unter den Professoren keine Männer mehr, vor deren Ansehen und Stimme ebensowohl hohe Regierungen, wie Parteien und öffentliche Meinung Respekt haben und zurückweichen, so helfen auch Organisationen nichts. Denn was auf Persönlichkeiten beruht, kann nur durch Persönlichkeit gewahrt werden.“ Vgl. Delbrück, Professoren-Gewerkschaft (wie oben, S.  102, Anm.  25), S.  136. 28  Die Art, wie er hier Delbrück entgegengetreten ist, bedauerte Weber später. Im Oktober 1913 schreibt er aus Rom an Hans Delbrück: „Ich habe mich seiner Zeit von Ihnen ungerecht beurteilt und unrichtig behandelt gefühlt. Das ist in gewissem Maß noch immer der Fall. Allein sehr häufig wiederholte Überlegung sagte mir schließlich: daß ich wahrscheinlich das, was Sie sagen wollten, falsch gedeutet habe. Wie Dem nun aber sei, – jedenfalls habe ich Sie, daraufhin, meinerseits ungerecht beurteilt und schwer kränkend angegriffen, wie ich nicht gesollt hätte. Dies ist mir sachlich und persönlich leid. Wenn Sie können, so vergessen Sie es –.“ Vgl. den Brief Max Webers an Hans Delbrück vom 19. Okt. 1913, MWG II/8, S.  337 f., Zitat: S.  337. In der Kriegsund Nachkriegszeit bestanden zwischen beiden gute Kontakte.

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[Glückwunschadresse Gustav Schmoller]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 24. Juni 1908 fand in Berlin anläßlich des 70. Geburtstags von Gustav Schmoller mittags in der Privatwohnung des Jubilars und am Abend im Landesausstellungspark je eine Feier statt.1 Unter den Gästen waren Vertreter der Universität, der Akademie der Wissenschaften, des Vereins für Socialpolitik und des Evangelisch-sozialen-Kongresses sowie Freunde und Schüler.2 Nach den Feierlichkeiten entschloß sich Schmoller, z. T. auf Anregung von Ernst Francke, des Vetters seiner Frau, eine Auswahl der Festansprachen und der Glückwunschschreiben im Druck erscheinen zu lassen. Unter den publizierten Schreiben befindet sich auch der hier wiedergegebene Brief Max Webers.

Zur Überlieferung und Edition Die Edition folgt dem Erstdruck des Glückwunschschreibens in: Reden und Ansprachen gehalten am 24. Juni 1908 bei der Feier von Gustav Schmollers 70. Geburtstag. Nach stenographischer Aufnahme. Als Handschrift gedruckt. – Altenburg: Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co.1908, S.  67 f. (B). Es handelt sich um den Abdruck des Originalbriefes vom 23. Juni 1908, UB Tübingen, Md 1076, Nl. Gustav von Schmoller, Kapsel 48, Fasc. 2 (A).3 Die Abweichungen des eigenhändigen Schreibens von der gedruckten Fassung B werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Davon ausgenommen sind wechselnde Groß- und Kleinschreibung, wie z. B. mindesten/ 1 Vgl. den Bericht „Schmoller-Feier“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  175 vom 25. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S.  1. 2  Für die Friedrich-Wilhelms-Universität sprach der Rektor Carl Stumpf, für die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften deren Sekretär Hermann Diels, Otto v. Gierke für den Verein für Socialpolitik und Adolf v. Harnack für den Evangelisch-so­ zialen Kongreß. Adolph Wagner und Karl Oldenberg hielten Reden in Vertretung der Freunde bzw. der ehemaligen Schüler. Vgl. Reden und Ansprachen gehalten am 24. Juni 1908 bei der Feier von Gustav Schmollers 70. Geburtstag. Nach stenographischer Aufnahme. Als Handschrift gedruckt. – Altenburg: Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. 1908. 3  Ediert in: MWG II/5, S.  594 f.

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Glückwunschadresse Gustav Schmoller

Mindesten, alle/Alle, nur/Nur, und der Wechsel von Umgangssprache und Hochdeutsch, wie z. B. unsrer/unserer, andren/anderen, heut/heute, Gebiet/ Gebiete, Wohl/Wohle. Die Druckfassung ist eingeleitet mit: „7. Max Weber (Heidelberg)“, Anrede und Schlußformel der Brieffassung fehlen. Vor dem Abdruck bat Gustav Schmoller um die Druckerlaubnis, die er am 29. Juli 1908 von Max Weber erhielt: „[…] ich bitte Sie, natürlich ganz nach Belieben über meinen Brief zu verfügen“.4

4  Brief Max Webers an Gustav Schmoller vom 29. Juli 1908, MWG II/5, S.  610.

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Sehra gegen meinen Wunsch und meine Hoffnung ist es mir unmöglich geworden, mich persönlich zu Ihrer Begrüßung und Beglückwünschung, zu Ihrem 70.b Wiegenfeste einzufinden. Seien Sie versichert, daß alle, die menschliche Geistesarbeit in ihrenc Bedingungen und ind den Chancen ihres Erfolges abzuschätzen vermögene – mögen sie nun Ihnen persönlich nahestehenf oder nicht, mit Ihnen politisch oder in ihreng Idealen mit Ihnen übereinstimmen oder nicht –,h einig sein müssen und einig sind in der bewundernden Anerkennung zum mindesten folgender Leistungen, die nur Sie vollbringen konnten: 1. Sie haben den Einfluß der Universitäten auf das öffentliche Leben undi in einer Zeit, die diesem Einfluß so ungünstig wie möglich war, im Umkreis Ihrerk Interessen auf eine Stufe gehoben, wie sie seit den Zeiten zwischen 1837 und 1848 nie auch nur annähernd erreicht ist.l 2. Nur Ihre Klugheit und Mäßigung hat es ermöglicht, daß der sozialpolitische Idealismusm der akademisch Gebildetenn in Gestalt des oVereins für Socialpolitiko ein Instrument perfand, dasp nicht nur in der öffentlichen Meinung, sondern auch bei rden Leutenr, welche die sMacht hattens, in einem Maße zur Wirksamkeitt kam, wie dies jedenfalls ohne Ihre Führung nie möglich gewesen uwäre. Undu dies, obwohl – wie Sie solchesa an sichb ja oft genug erfahren haben – die Inhaltec der dIdeale und der Ziele in einzelnen Punktend vielfach die verschiedenstene und auch von den Ihrigen abweichendstenf waren. So oft auch und so stürmischg gelegentlich gegen Ihre Meinungh gekämpft wurde, so moralisch unmöglich haben Sie selbst Andersdenkenden den Kampf gegen Ihre Personi gemacht.

a  In A geht voraus: Heidelberg 23/6 8 / Hochverehrter Herr Professor!  b  A: 70ten  c  A: Ihren  d  Fehlt in A.   e  A: vermögen,  f  A: nahe getreten sein  g  In A folgt: sonstigen  h  Komma fehlt in A.   i  Fehlt in A.    k  In A hervorgehoben.  l  A: ist; –   m  In A hervorgehoben.   n  In A hervorgehoben.  o  A: „Vereins für Sozialpolitik“    p  A: vorfand, um  r  A: Denen   s  In A hervorgehoben.   t  A: Geltung  u–u  A: wäre, und  a  A: selbst  b  A: Sich  c  A: „Inhalte“  d  A: Ideale, in deren Dienst die Einzelnen standen,   e  A: allerverschiedensten  f  A: abweichenden  g  In A folgt: auch  h  In A hervorgehoben.  i  In A hervorgehoben.  

A 1, B [67]

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Glückwunschadresse Gustav Schmoller

So weit ich denken kann, ist die Überzeugung von der Unentbehrlichkeit Ihrerk Führerschaft und das Vertrauenl zu ihr von Sozialpolitikern des heterogensten Gepräges nie auch nur einen Moment erschüttert worden. 3. In einer Zeit des dürrsten ökonomischen Rationalismus haben Sie historischemm Denken in unserer Wissenschaft eine Stätte bereitet,  wie es sie in gleicher Weisen und gleichem Maße bei keiner anderen Nation gefunden hatte und bis heute nicht hat. Das wissenschaftliche Bedürfnis der einzelnen Menschenalter pendelt auf dem Gebiete unserer Disziplin – wie Sie selbst oft genug markierto haben – zwischen theoretischer und historischer Erkenntnis hin und her. Gleichviel aber, ob es heute vielleicht an der Zeit ist, mehr die theoretische Seite zu pflegenp – daß die Zeit für theoretische Arbeit wieder reifq werden konnte, daßr überhaupt ein mächtiger Bau svoll Erkenntnis unds historischer Durchdringung, psychologischer Analyse und philosophischer Gestaltung vor uns steht, den wir Jüngeren nun wieder versuchen dürfen, mit den Mitteln theoretischert Begriffsbildung uweiter zu bearbeiten –, das allesu danken wir schließlich vornehmlich Ihrer jahrzehntelangen, unvergleichlich erfolgreichen Arbeit. Mit den herzlichsten Glückwünschen zu dieser Vergangenheit verbinde ich den Wunsch, daß die Zukunft Ihnen die Arbeitsfrische, in welcher Sie heute vor uns stehen, zum Wohle der Wissenschaft lange erhalten möge.v

k  In A hervorgehoben.   l  In A hervorgehoben.   m  In A hervorgehoben.   n  A: Consequenz    o  A: anerkannt    p  A: pflegen,  q  A: „reif“  r  In A hervorgehoben.  s  A: von Erkenntnis, in  t  In A hervorgehoben.   u  A: weiterzubearbeiten, – dies Alles  v  In A folgt: In Verehrung / Max Weber

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[Die sogenannte „Lehrfreiheit“ an den deutschen Universitäten] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 20. September 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der II. Deutsche Hochschullehrertag, der vom 27. bis 29. September 1908 in Jena stattfand,1 hatte sich für den ersten Verhandlungstag das Thema „Die Stellung des akademischen Lehrers zur Freiheit in Forschung und Lehre“2 vorgenommen.3 Der dafür vorgesehene Referent, der Münchener Rechts­ historiker Professor Karl v. Amira, Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses des Hochschullehrertages, veröffentlichte unter demselben Titel bereits im voraus sein ausführliches Referat, das als Diskussionsgrundlage neun „Resolutionen“ nebst einer Einleitung enthielt.4 Diese Thesen und vor allem die Ungewißheit, ob er an der Tagung werde teilnehmen können, ver1  Laut Einladungsschreiben waren die eigentlichen Verhandlungen für den 28. und 29. September vorgesehen, für den 27. September nur die Begrüßung der Teilnehmer. Die Sitzungen fanden im Saal des Volkshauses am Carl-Zeiß-Platz in Jena statt. Vgl. Einladung, in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  8 vom 9. Juli 1908, S.  73 (nochmals abgedruckt ebd., Nr.  36 vom 11. Aug. 1908, S.  337 und Nr.  66 vom 16. Sept. 1908, S.  609). Die Einladung war vom geschäftsführenden Ausschuß, v. Amira, Lujo Brentano und Wilhelm Rein, unterzeichnet. 2  Die Freiheit von Wissenschaft und Lehre stand unter dem Vorbehalt, daß die Universitäten zur Ausbildung künftiger Staatsbeamter staatlich festgelegte Lehraufgaben erfüllten. Sie schützte aber den beamteten akademischen Lehrer vor staatlicher Begrenzung seiner Lehrtätigkeit. Vgl. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band IV, 2.  Aufl. – Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1969, S.  930 f. 3  Vgl. Einladung, in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  8 vom 9. Juli 1908, S.  73. 4  Amira, Karl von, Die Stellung des akademischen Lehrers zur Freiheit in Forschung und Lehre. Referat für den zweiten deutschen Hochschullehrertag, in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  8 vom 9. Juli 1908, S.  73–77 (hinfort: Amira, Stellung des akademischen Lehrers); dieser ausführliche Text des geplanten Vortrags war den Teilnehmern der Tagung offenbar vorab zugegangen, so daß sich v. Amira in Jena „auf die notwendigsten Ergänzungen beschränken“ wollte, „die durch Angriffe von verschiedenen Seiten nötig geworden seien“. Vgl. den Abdruck des tatsächlich gehaltenen Referats im Rahmen des offiziellen Verhandlungsberichts vom Dezember 1908, in: Verhandlungen des II. HT, S.  629–633. Zu weiteren Abdrucken der Thesen vgl. unten, S.  122, Anm.  2.

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Die sogenannte „Lehrfreiheit“ an den deutschen Universitäten

anlaßten Max Weber, ebenfalls vorher in einer Zuschrift an die Frankfurter Zeitung zum Thema Stellung zu nehmen.5

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Edition folgt dem Abdruck des Beitrags, der unter der Überschrift „Die sogenannte ‚Lehrfreiheit’ an den deutschen Universitäten“, in der Frankfurter Zeitung, 53. Jg., Nr.  262 vom 20. September 1908, 5. Mo.Bl., S.  1 (A), erschien. Der Artikel ist mit „Prof. Max Weber (Heidelberg)“ gezeichnet. Der Titel wird vom Editor übernommen, aber in eckige Klammern gestellt, da es sich vermutlich um einen redaktionellen Zusatz handelt. Stillschweigend wird der Fußnotenindex * in eine numerische Zählung überführt.

5  Wie Weber selbst in der Fußnote schreibt, war er sich zu diesem Zeitpunkt seiner Teilnahme in Jena noch unsicher, wollte aber in jedem Fall seiner Meinung Gehör verschaffen (vgl. unten, S.  111, Fn.  1). Tatsächlich nahm Weber jedoch an der Versammlung des Hochschullehrertages teil.

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Der zweite deutsche Hochschullehrertag in Jena1)1 soll unter anderm die Frage der „Lehrfreiheit“ erörtern. Aus den „Leitsätzen“, die Professor von Amira in der Beilage zu den „Münchener Neuesten Nachrichten“ veröffentlicht hat,2 geht hervor, daß ihm ausschließlich (oder doch wesentlich) der Klerikalismus als Gegner der Lehrfreiheit vor Augen steht, – nach den bayerischen Verhältnissen begreiflich genug.3 Allein es fragt sich doch: 1. ist wirklich die Lehrfreiheit nur von dieser Seite gefährdet? 2. aber und vor allem: besitzen wir eigentlich heute etwas, was man füglich mit dem Namen „Lehrfreiheit“ bezeichnen kann, und hätte uns also der Klerikalismus noch etwas Wesentliches auf diesem Gebiet zu nehmen? Bei der Jubelfeier der Universität Jena hat ihr Rektor, Professor Delbrück,4 unter Hinweis auf eine bekannte große Stiftung zu Gunsten der Universität, welche ausdrücklich an die Bedingung 1)  Ich veröffentliche diese Bemerkungen vorher, da ich nicht absolut sicher bin, ob ich diese Tagung, wie ich wünschte, werde besuchen und sie mündlich vorbringen können.

1  Er fand am 28. und 29. September 1908 statt. Weber nahm doch teil. 2  Vgl. Amira, Stellung des akademischen Lehrers (wie oben, S.  109, Anm.  4). 3  v. Amira beschäftigt sich in vier seiner neun „Resolutionen“ mit der Beschränkung der akademischen Lehrfreiheit im Bereich der Theologie. Er urteilt, daß die jüngsten Angriffe auf die Forschungs- und Lehrfreiheit von einem „konfessionell-dogmatischen Standpunkt aus“ erfolgten. Er zitiert den bayerischen Kultusminister, der „Hypothesen und Probleme, besonders soweit sie mit den Grundsätzen des Christentums in Widerspruch stehen“, als „unfertige, noch im Fluß befindliche Theorien“ gekennzeichnet wissen wollte. v. Amira fragt, welche Instanz eigentlich über einen möglichen Widerspruch entscheiden sollte, und hegt den Verdacht, daß nach Ansicht des Kultusministers „diejenigen Christen allein die Auskunft zu erteilen berufen seien, von deren Partei die Regierung jeweils abhängt[.] Die ‚Grundsätze’ des Christentums wären dann weiter nichts als die ‚Grundsätze’ einer Partei.“ Vgl. ebd., S.  75. 4  Anläßlich der 350-Jahrfeier der Universität Jena hielt der Prorektor (der Titel „Rektor“ war im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach bis zur Revolution 1918/19 dem Landesherrn vorbehalten), der Indogermanist Berthold Delbrück, am 31. Juli 1908 eine Rede (abgedruckt in: 350jähriges Jubiläum der Universität Jena. 31. Juli und 1. August 1908. – Jena: G. Neuenhahn, S.  8–13). Die von Weber in Anspielung erwähnte Inanspruchnahme der Carl-Zeiss-Stiftung kommt in der gedruckten Rede nicht vor, so daß unsicher ist, worauf Weber sich hier stützt.

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der Erhaltung der Lehrfreiheit geknüpft ist,5 versichert: sie sei durch jene Kautelen für Jena gewährleistet.6 Es muß angenommen werden, daß dieser angesehene Gelehrte entweder die tatsächliche Lage der Dinge, auch an der Universität Jena, irrtümlich beurteilt, oder aber, daß er unter „Lehrfreiheit“ etwas wesentlich anderes versteht als viele andere, – zu denen übrigens, wie ich glauben möchte, auch der Urheber jener Stiftung, wenn er noch lebte,7 gehören würde. Welches die Verhältnisse in Wahrheit sind, zeige ein Beispiel aus der Praxis. Der inzwischen durch eine Anzahl wertvoller Arbeiten bekannt gewordene Dr. Robert Michels,8 längere Jahre als Privatgelehrter in Marburg ansässig, hatte den Wunsch, sich zu habilitieren. Da in Preußen, zufolge der bekannten Handhabe der „lex Arons“,9 für 5  Gemeint ist die Carl-Zeiss-Stiftung, die der Universität Jena zu ihrem 350. Jahrestag ein neues Hauptgebäude finanzierte und von der die Universität auch sonst in hohem Maße profitierte. Die Stiftung war nach dem Tod des Gründers der Zeiss-Werke von dessen Teilhaber und späterem Alleineigentümer, dem Physiker, Industriellen und Sozialreformer Ernst Abbe, im Jahr 1889 gegründet worden. Abbe erließ am 24. Februar 1900 ein „Ergänzungsstatut“; Art.  10 bestimmte ausdrücklich, daß die Dotation von Lehrstühlen und andere Leistungen für die Universität Jena seitens der Stiftung nur übernommen würden, wenn die Dozenten volle Lehrfreiheit genössen und in der Ausübung der allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte nicht eingeschränkt seien. Vgl. Statut der Carl-Zeiß-Stiftung zu Jena. Errichtet von Ernst Abbe. – Jena: Gustav Fischer 1935, S.  69; hier zitiert nach: MWG II/5, S.  90, Anm.  2. 6  Vgl. hierzu den Brief Max Webers an Robert Michels vom 30. Sept. 1908: „Auf dem Hochschullehrer-Tag in Jena wurde von mir in Anwesenheit des Dekans der Philosoph[ischen] Fakultät festgestellt: daß Abbe jene ‚Cautelen’ ausdrücklich anläßlich des Falles Arons eingefügt hat, daß also eine Remotion wegen sozialist[ischer] Bethätigung in Jena nicht gestattet sei: der Dekan stimmte Dem, wie ich öffentlich feststellte, zu.“ Vgl. MWG II/5, S.  664 f. 7  Ernst Abbe starb 1905. 8 Robert Michels veröffentlichte mehrere Untersuchungen über die Sozialdemokratie sowie die sozialistische Bewegung in dem von Max Weber mitherausgegebenen Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Vgl. Michels, Robert, Die deutsche Sozialdemokratie, in: AfSSp, 23.  Band, Heft 2, 1906, S.  471–556; 25.  Band, Heft 1, 1907, S.  148–231; ders., Proletariat und Bourgeoisie in der sozialistischen Bewegung Ita­ liens. Studien zu einer Klassen- und Berufsanalyse des Sozialismus in Italien, in: ebd., 21.  Band, Heft 2, 1905, S.  347–416; 22.  Band, Heft 1, 1906, S.  80–125; Heft 2, S.  424– 466; Heft 3, S.  664–720. Vgl. dazu auch den Brief Max Webers an Robert Michels vom 1. Jan. 1906, MWG II/5, S.  19 mit Anm.  1 und 2. 9  Max Weber bezieht sich auf den Konflikt zwischen der Universität Berlin und dem preußischen Kultusministerium in den 1890er Jahren anläßlich des sog. „Fall Arons“. Das Ministerium hatte die Berliner Philosophische Fakultät in einem Erlaß vom 5. Mai 1894 aufgefordert, gegen den Privatdozenten der Physik Leo Arons wegen seiner Mitgliedschaft in der sozialdemokratischen Partei disziplinarisch vorzugehen und ihn von der Dozentur zu entfernen. Die Fakultät erteilte Arons daraufhin im Juli 1895 nur eine

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ihn als Angehörigen der sozialdemokratischen Partei keinerlei Chance bestand, wandte er sich, im Vertrauen auf eben jene, von Professor Delbrück erwähnten „Kautelen“,10 nach Jena und fragte, um ganz sicher zu gehen, zunächst privatim, an: ob etwa die Zugehörigkeit zu jener Partei seinem Vorhaben im Wege stände.11 Der befragte Fachvertreter mußte ihm daraufhin antworten,12 daß er nach den ihm gewordenen Informationen unter den obwaltenden Umständen es für „ausgeschlossen“ halten müsse, daß ein Habilitationsgesuch den vorgeschriebenen Instanzenzug (Fakultät, Senat, Regierungen) passieren würde. – Es ist in diesem Briefe nicht gesagt (und es bestand natürlich auch keine Verpflichtung zu sagen): bei welcher Instanz das Hindernis liegen würde, und ob die Fakultät gegebenenfalls ebenso energisch, wie seinerzeit die Berliner unter Schmollers Führung,13 gegen den Ausschluß politischer Ketzer von der Lehrtätigkeit, wohlgemerkt: auch einer Lehrtätig-

Verwarnung, Arons sollte sich aller sozialdemokratischen Agitation künftig enthalten. Das im Anschluß daran im Auftrag des Kultusministeriums erstattete Gutachten des Berliner Kirchenrechtslehrers Paul Hinschius – es räumte dem Staat die Remotionsbefugnis gegenüber Privatdozenten, also nichtbeamteten Hochschullehrern, ein – beantwortete die Berliner Universität mit einem Protestschreiben, das von nahezu allen Professoren unterzeichnet war. Der Fall Arons erreichte eine neue Phase, als Kaiser Wilhelm II. am 8. Oktober 1897 den preußischen Kultusminister Bosse anwies, Arons zu relegieren. Mit der „lex Arons“, wie das „Gesetz betreffend die Disziplinarverhältnisse der Privatdozenten an den Landesuniversitäten, der Akademie zu Münster und dem Lyceum Hosianum zu Braunsberg“ vom 17. Juni 1898 genannt wurde, erhielt die preußische Regierung eine formelle Handhabe, die Privatdozenten unter Beamtenrecht zu stellen. Dennoch blieb die Fakultät bei ihrer Ansicht, daß die Mitgliedschaft in der sozialdemokratischen Partei nicht für eine Aberkennung der Privatdozentur ausreiche. Erst das Urteil des Staatsministeriums als letzter Instanz brachte 1900 die endgültige Entscheidung: Leo Arons wurde die venia legendi entzogen. Vgl. den Brief Max Webers an Robert Michels vom 24. Jan. 1907, MWG II/5, S.  221–224 mit Anm.  2. 10  Vgl. oben, S.  112, Anm.  6. 11  Max Weber hatte Robert Michels in einem Brief vom 18. April 1906 geraten, sich mit dieser Frage brieflich an den Jenaer Staatswissenschaftler Professor Julius Pierstorff zu wenden (vgl. MWG II/5, S.  84 f.). Diesen Rat befolgte Michels in einem Brief vom 28. April 1906 (UA Jena, M 650, Bl. 394 f.). Pierstorff reichte Michels‘ Frage an den Dekan der Philosophischen Fakultät Jena, Georg Goetz, weiter (ebd., Bl. 174). 12 Schreiben von Julius Pierstorff an Robert Michels vom 7. Mai 1906 (Abschrift, ebd., Bl. 395). 13  Gustav Schmoller und die Berliner Philosophische Fakultät sprachen sich in mehreren Eingaben gegen das Vorgehen des preußischen Kultusministeriums im „Fall Arons“ aus. Vgl. vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung (wie oben S.  80, Anm.  7), S.  331–336, sowie oben, S.  112, Anm.  9.

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keit als nicht staatlich angestellter Professor, sondern als freier Universitätsdozent, protestieren würde. Sicher ist jedenfalls, daß der Zustand, wie er hier von berufener Seite als auch in Jena bestehend zugegeben wurde, das Gegenteil von „Lehrfreiheit“ ist, und daß er zum mindesten dem Geiste der erwähnten Stiftung widerspricht. Charakteristischer noch als dieser Vorgang selbst war aber ein Nachspiel, welches sich an ihn anschloß. Dr. Michels, abgeneigt, sich weitere ähnliche Refüs zu holen, habilitierte sich nunmehr an der Universität Turin,14 ist dort jetzt als Dozent mit Lehrauftrag tätig (und gehört natürlich auch dort offen der sozialdemokratischen Partei an, von deren radikalsten Führern übrigens mehrere auch in etatsmäßigen Professuren in Italien sich finden). Ausdrücklich sei bemerkt, daß die Bedingungen der Habilitation in Italien schon um deswillen eine strengere wissenschaftliche Kontrolle enthalten als bei uns, weil dort nicht, wie in Deutschland, das Votum des Fachmannes der Einzeluniversität die (normalerweise einzige) Grundlage der Zulassung bildet, – wodurch doch immer eine Möglichkeit der Begünstigung eigener Schüler, Freunde, Gesinnungsgenossen gegeben ist. Der Beschluß der Einzeluniversität unterliegt dort vielmehr der Nachprüfung durch eine Zentralkommission, welcher Gelehrte aus dem ganzen Lande angehören. (Referent in Turin war Professor Achille Loria,15 Referent in der Zentralkommission ein politisch konservativer Gelehrter, die Habilitationsschrift behandelte italienische Probleme). Als nun auf dem vorjährigen Hochschullehrertag16 Professor Alfred Weber den Vorfall (ohne Nennung des Namens der Universität)b als Beispiel man-

b A: Universität), 14  Robert Michels entschloß sich nach der Ablehnung in Jena zur Habilitation in Turin. Er wollte sich, wie er Weber mitteilte, „der Chance eines nochmaligen ‚Refus’ s. Z. nicht aussetzen“. Vgl. die entsprechende Wiedergabe Webers in seinem Brief an Robert Michels vom 1. Febr. 1907, MWG II/5, S.  238–242, Zitat: S.  242. Michels wurde schließlich am 12. Juli 1907 nach erfolgreicher Probevorlesung an der Turiner Universität habilitiert. Vgl. die Karte Max Webers an Robert Michels vom 13. Juli 1907, ebd., S.  332 mit Anm.  1. 15  Max Weber setzte sich bei Loria, den er persönlich kannte, für Michels ein. Vgl. den Brief Max Webers an Achille Loria vom 1. Jan. 1907, MWG II/5, S.  207. 16  Der I. Deutsche Hochschullehrertag hatte am 8. und 9. September 1907 in Salzburg stattgefunden.

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gelnder Lehrfreiheit erwähnte,17 trat ihm Professor Th[eobald] Fischer aus Marburg, offenbar in der Annahme, es sei die dortige Universität gemeint, mit der Behauptung entgegen, der betreffende (Dr. Michels) habe aus „ganz anderen Gründen nie an eine Habilitation denken können“ und dieserhalb „den Staub des Vaterlandes von den Füßen geschüttelt“.18 Als ich im Protokoll diese mir unverständliche Bemerkung las, glaubte ich, es sei vielleicht gemeint: der rücksichtslose Freimut, mit welchem Michels Zustände der verknöcherten deutschen Sozialdemokratie zu kritisieren pflegt, hätte ihm von dieser Seite Unannehmlichkeiten zuziehen können. Allein ich irrte mich. Als Dr. Michels, dem ich persönlich näher getreten war, bei einem Besuch in Heidelberg von jener Äußerung Kenntnis erhielt und eine Erklärung verlangte, erhielt er von Professor Fischer die Antwort:19 der entscheidende Grund sei 1. die bei Michels „nicht nur vorhandene, sondern (NB) öffentlich in außerordentlicher auffälliger Weise betätigte“ sozialdemokratische Gesinnung, – 2. sein Familienleben: ob denn Dr. Michels – der, um nichts „Wichtiges“ zu vergessen, „Arier“ ist – auch nur einen Augenblick habe zweifeln können, daß ein Mann, der seine Kinder 17  Max Webers Bruder bezog sich mit folgender Bemerkung auf den Fall Michels: „Scheiden wir nicht ganze große Elemente der geistigen Bewegung der Nation dadurch aus, daß tatsächlich Leute, die dieser Weltanschauung [der Sozialdemokratie] huldigen – welchem Fache immer sie angehören – heute an den Universitäten kein Unterkommen finden? Man müßte also vielleicht die Umgestaltung der Gesichtspunkte, unter welchen zur Habilitation zugelassen wird, in Erwägung ziehen.“ Vgl. Weber, Alfred, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Franz Eulenburg über den akademischen Nachwuchs, in: Verhandlungen des ersten deutschen Hochschullehrer-Tages zu Salzburg im September 1907, hg. von dem engeren Ausschuß für 1907/08. – Straßburg: Karl J. Trübner 1908, S.  49 f. 18  Im Protokoll wird die Replik des Marburger Geographen und Historikers Theobald Fischer mit folgenden Worten wiedergegeben: „Fischer (Marburg) stellte fest, daß der Fall des Ausschlusses eines jungen Mannes wegen angeblich sozialistischer Gesinnung, den Professor Weber streifte, ein anderer sei. Der Betreffende hätte nie daran denken können, sich um eine akademische Stellung zu bewerben. Es seien ganz andere Gründe gewesen, die diesen Herrn bestimmt haben, den heimischen Staub von den Füßen zu schütteln.“ Ebd., S.  50. 19  Michels hatte das Antwortschreiben von Fischer Max Weber offenbar zukommen lassen. Das geht aus einem Brief Max Webers an Robert Michels vom 25. Juni 1908 hervor: „Kann ich von dem Brief – ich habe die betr. Partien abgeschrieben – öffentlich Gebrauch machen? oder behalten Sie Sich das vor? Mich juckt es in allen Fingern, diesem Bengel eine hinter die Löffel zu schlagen.“ Vgl. MWG II/5, S.  596–600, Zitat: S.  596. Weder ist der Brief Fischers im Nl. Michels, AFLE Turin, nachgewiesen noch ist die Abschrift Max Webers erhalten.

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nicht taufen lasse, „in jeder höheren Laufbahn unmöglich“ sei? „Welch wundervolle Stellung“, heißt es dann weiter, „hätten Sie sich in Marburg, wo Sie so gut empfohlen waren und mehrere einflußreiche Personen (NB.) Ihnen mit dem größten Wohlwollen entgegen kamen, verschaffen können! Diese Leute haben es überaus schmerzlich empfunden und als einen wahren Jammer bezeichnet, daß Sie all das verscherzt haben.“ Der Brief schließt mit der Vorhaltung: Dr. Michels habe seine Wohnung (deren Vizewirt Professor Fischer war) schlecht behandelt, so daß das Haus noch immer unverkäuflich sei! Die Wiedergabe dieser Äußerungen erfolgt hier nicht etwa, um gegen den Verfasser des Briefs persönlich Vorwürfe zu richten. Ich bin im Gegenteil leider ziemlich sicher, daß – vielleicht mit Ausnahme des letzten Passus, der doch wirklich nicht in diesen Zusammenhang gehörte, es sei denn, daß man für die Habilitation das Wohlverhaltensattest des Hauswirts fordern wollte – sein Inhalt von weiten Kreisen ganz in der Ordnung gefunden werden wird. Eben deshalb: als „Typus“, ist er ja so bezeichnend für unsere öffentlichen Zustände überhaupt und speziell für gewisse Zustände in unserem Universitätswesen. Daß es meine („subjektive“) Meinung ist, daß die Existenz und maßgebliche Bedeutung solcher Anschauungen, gerade wegen ihrer Gutgläubigkeit, wahrhaftig keine Ehre für uns als Kulturnation darstellt, daß ferner, solange solche Anschauungen herrschen, für mich nicht die Möglichkeit besteht, mich so zu gebärdenc, als besäßen wir so etwas wie eine „Lehrfreiheit“, die uns erst noch von irgend jemand genommen werden könnte, und daß endlich, – wiederum nach meiner „subjektiven“ Ansicht – religiöse Gemeinschaften, welche, wissentlich und offenkundig, ihre Sakramente dazu gebrauchen lassen, auf gleicher Linie mit Corpsbändern und Reserveoffiziers-Patenten, als Mittel zum Karrieremachen zu dienen, jene Mißachtung reichlich verdienen, über welche sie sich zu beklagen pflegen, – daraus kann ich ehrlicher Weise kein Hehl machen. Ich glaube, daß Professor v. Amiras bewährter Unabhängigkeitssinn der gleichen Ansicht sein wird. Jedenfalls aber ist im Interesse des guten Geschmacks und auch der Wahrhaftigkeit zu verlangen, daß man uns hinfort nicht, wie es wieder und wieder geschehen ist, von der Existenz einer c A: geberden

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„Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre“ in Deutschland reden möge. Denn Tatsache ist doch, daß die angebliche „Lehrfreiheit“ offenkundig 1) an den Besitz politisch hof- und salonfähiger Ansichten und überdies 2) daran geknüpft ist, daß man ein bestimmtes Minimum kirchlicher Gesinnung betätigt und, eventuell, erheuchelt. In Deutschland besteht die „Freiheit der Wissenschaft“ innerhalb der Grenzen der politischen und kirchlichen Hoffähigkeit – außerhalb derselben nicht. Vielleicht ist dies mit dem dynastischen Charakter unseres Staatswesens untrennbar verknüpft. Nun wohl: dann möge man es ehrlich eingestehen, aber sich nicht vorspiegeln, man besäße in Deutschland die gleiche Freiheit der wissenschaftlichen Lehre, die z. B. in Ländern wie Italien eine Selbstverständlichkeit ist.

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[Sozialdemokraten im academischen Lehramt] [Zuschrift an die Hochschul-Nachrichten, November 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Robert Michels, ein mit Max Weber befreundeter jüngerer Kollege, mußte befürchten, als Mitglied der SPD an der Jenaer Universität nicht zur Habilitation zugelassen zu werden. Im April 1906 riet Max Weber ihm, sich mit der Frage nach seinen Aussichten informell an den Jenaer Ordinarius Julius Piers­torff zu wenden, und fügte hinzu: „Sollten Sie – was ich schwer beurteilen kann – glauben, daß eine Bezugnahme auf mich irgend nützlich sein könnte, so würde ich P[ierstorff] natürlich mit Auskunft zur Verfügung stehen. Ich kenne ihn persönlich,1 wenn auch nicht grade vorteilhaft […].“2 Auf Michels‘ Brief antwortete Pierstorff: „Die Stellen, welche über ein Habilita­ tions­gesuch nach einander zu befinden haben, sind: die Fakultät, der akademische Senat und endlich die Regierungen der vier Erhalterstaaten. Nach den erhaltenen Informationen halte ich es für ausgeschlossen, daß Ihre Bewerbung diesen ganzen Instanzenzug erfolgreich passieren würde.“3 In seinem Artikel „Die sogenannte ‚Lehrfreiheit’ an den deutschen Universitäten“, der eine Woche vor dem II. Deutschen Hochschullehrertag in der Frankfurter Zeitung erschien,4 zog Max Weber den Fall Michels als Beleg für die nicht existierende Lehrfreiheit an deutschen Universitäten heran. Schon sein Bruder Alfred hatte auf dem I. Deutschen Hochschullehrertag 1907 in Salzburg ohne Namensnennung beklagt, daß Sozialdemokraten von der Lehre an den Universitäten ferngehalten würden.5 Auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag brachte Alfred Weber dann den Fall Michels direkt zur

1  Julius Pierstorff war Mitglied im Verein für Socialpolitik. Weder ist eine Korrespondenz zwischen ihm und Max Weber überliefert, noch gibt es einen Bericht über persönliche Begegnungen. 2  Brief Max Webers an Robert Michels vom 18. April 1906, MWG II/5, S.  84 f., Zitat: S.  85. 3  Der Brief von Robert Michels an Julius Pierstorff vom 28. April 1906 sowie eine Abschrift von dessen Antwortschreiben an Michels vom 7. Mai 1906 befinden sich im UA Jena, M 650, Habilitationsakten der philosophischen Fakultät, Bl. 394 f. 4  Vgl. Weber, Die sogenannte Lehrfreiheit, oben, S.  109–117. 5  Zu Alfred Webers Diskussionsbeitrag vgl. ebd., oben, S.  115, Anm.  17.

Editorischer Bericht

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Sprache, mit der Feststellung, „daß dessen Habilitation sowohl in Jena als in Marburg wegen seiner sozialdemokratischen Gesinnung vereitelt worden sei“.6 Im Nachgang zu der kontroversen Diskussion auf dem Hochschullehrertag veröffentlichten die von Paul v. Salvisberg herausgegebenen, quasi-offiziösen „Hochschul-Nachrichten“7 einige Beiträge zum Thema Lehrfreiheit.8 In einem anonymen Beitrag im November-Heft 1908 mit der Überschrift „Sozialdemokraten im academischen Lehramt“ wird u. a. die hier edierte Zuschrift Max Webers – vermutlich nur in Teilen – wiedergegeben und kommentiert. Wie aus den einleitenden Worten des anonymen Verfassers hervorgeht, bezieht sich Webers Zuschrift offenbar auf einen Artikel im Oktober-Heft der Zeitschrift,9 der von dem Herausgeber Paul v. Salvisberg stammen könnte. Ob Max Webers Zuschrift direkt an v. Salvisberg adressiert war, konnte nicht festgestellt werden.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Zuschrift Max Webers erschien im Rahmen eines anonym verfaßten Beitrags unter der Überschrift „Sozialdemokraten im academischen Lehramt“, in: Hochschul-Nachrichten, Nr.  2, Heft 218, November 1908, S.  45 (A). Der Text Max Webers ist an zwei Stellen in Anführungszeichen wiedergegeben und durch einleitende und nachgestellte Kommentare des anonymen Verfassers eingerahmt. Webers Text wird hier ohne Anführungszeichen in normaler, die kommentierenden Passagen in kleinerer Schrifttype wiedergegeben. Ob Webers Zuschrift in dem Artikel vollständig wiedergegeben ist, läßt sich ohne überliefertes Manuskript nicht sagen.

6  Vgl. Weber, Alfred, Diskussionsbeitrag, in: Verhandlungen des II. HT, S.  633. 7  Zu den „Hochschul-Nachrichten“ vgl. unten, S.  125 mit Anm.  4. 8  Vgl. z. B. den Aufsatz von Bornhak, Conrad, Sozialdemokraten im academischen Lehramte, in: Hochschul-Nachrichten, Nr.  1, Heft 217, Okt. 1908, S.  1 f. 9  Unter der Überschrift „Jena. Universität. Die gefährdete Lehrfreiheit“ in der Rubrik „Lokal- und Personal-Nachrichten. Deutschland“ stand folgende redaktionelle Bemerkung: „Prof. Max Weber-Heidelberg hat bekanntlich vor dem Hochschullehrertag, wohl als a conto Leistung auf die Jenenser Gastfreundschaft in der Frkf. Ztg. die Behauptung aufgestellt, daß auch in Jena die Lehrfreiheit nicht gewährleistet sei. Als Beleg führte er den keineswegs klarliegenden Fall Michels an. Dieses Vorgehen ist in der ganzen Stadt unliebsam aufgefallen, und die Jenaische Zeitg. hat nicht nur den Wortlaut, der zwischen Universität und Zeiss-Stiftung getroffenen, die Lehrfreiheit garantierenden Vereinbarung veröffentlicht, sondern auch zum Fall Michels selbst festgestellt, daß aus dem mitgeteilten Tatbestand keine Gefährdung der Lehrfreiheit ersichtlich sei.“ In: Hochschul-Nachrichten, Nr.  1, Heft 217, Okt. 1908, S.  20.

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[Sozialdemokraten im academischen Lehramt] [A 45] Wir haben im letzten Heft unter Jena bemerkt, daß der dortige „Fall Michels“

keineswegs klarliege, bzw. aus dem bislang bekannten Tatbestand keine Gefährdung der Lehrfreiheit ersichtlich sei. Nun teilt uns Herr Prof. Max Weber-Heidelberg Folgendes mit:

Der Fall Michels ist völlig klargestellt durch die von mir festgestellten Tatsachen,1 die Niemand zu bestreiten versucht hat. Den Vorwand, daß kein formeller Beschluß über ein formelles Habilitationsgesuch mit der formellen Bezugnahme auf die politischen Motive vorliegt, habe ich bereits durch die Feststellung beseitigt, daß auf eine Anfrage, welche nur diesen Punkt: ob eine bestimmte politische Betätigung die Habilitation hindere, betraf, – nach wochenlangem Zögern und Beraten der zuständige Fachmann die autorisierte Antwort erteilte: Dem sei so.2 Des weiteren will Prof. Weber nachweisen: daß die Gesinnungsschnüffelei dera Jenenser bei Berufungen nicht immer nur Sozialdemokraten, sondern auch z. B. Zentrumsleute einschließt.3 Diesen Nachweis wird man zunächst abwarten müssen. Schon die Behauptung bildet indessen ein charakteristisches Seitenstück zu der an die Berufung Spahn’s anschließenden Voraussetzungslosigkeits-Bewegung, deren Spiritus rector in gleicher Eigenschaft doch auch auf dem Jenenser Hochschullehrertag fungierte. Demgemäß würde entweder das, was man in Straßburg den Reichsbehörden als Eingriff in die Lehrfreiheit ankreidete, von den Jenenser Behörden im Namen der gleichen Freiheit nunmehr verlangt, oder es tun sich auch nach dem II. Hochschullehrertag „tiefklaffende Abgründe“ auf zwischen den Einberufern und gewissen Teilnehmern. Der „Fall Michels“ endlich zeigt in seiner obigen Klarlegung höchstens, daß man in Jena die Lehrfreiheit ebenfalls nicht dahin interpretiert, daß lehren a A: des 1  Vgl. dazu Max Webers Artikel „Die sogenannte ‚Lehrfreiheit’ an den deutschen Universitäten“, der in der Frankfurter Zeitung vor dem II. Deutschen Hochschullehrertag erschienen war, oben, S.  111–117. 2  Vgl. zu den Vorgängen den Editorischen Bericht, oben, S.  118 mit Anm.  2. Zwischen der Anfrage von Michels an Pierstorff und dessen Antwort lag eine gute Woche, Piers­ torff war als Nationalökonom der „zuständige Fachmann“ in der Fakultät. 3  Ob und gegebenenfalls mit welchen Tatsachen Max Weber diesen Nachweis führen wollte, konnte nicht nachgewiesen werden.

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kann, wer will, wohl aber, daß der zum staatlichen Lehramt Zugelassene und geeignet Befundene lehren kann, was er will. Wenn zudem die Jenenser auf dem von Prof. Bornhak im letzten Heft entwickelten Standpunkt stehen und den sich offenkundig zur Sozialdemokratie Bekennenden bezw. auf den Umsturz des Staates Hinarbeitenden vom Lehramt und den damit verbundenen staatlichen Benefizien ausschließen, so wird man hinter dieser Wahrnehmung eines so natürlichen Selbsterhaltungsrechtes ebensowenig eine unstatthafte „Gesinnungsschnüffelei“ oder gar – „Schufterei“ erblicken können, als wenn z. B. Herr Prof. Max Weber einen sonst ganz tüchtigen Diener nicht in sein Haus nimmt, weil dieser darauf ausgeht, ihm bei der ersten guten Gelegenheit den Hals umzudrehen, – denn: „Nur die allergrößten Kälber wählen ihren Metzger selber.“

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[Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten] [Diskussionsbeiträge auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag in Jena am 28. September 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Obgleich Max Weber eine Zeitlang nicht vorhatte, teilzunehmen,1 erschien er doch auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag, der am 28. und 29. September 1908 in Jena stattfand, und meldete sich am ersten Verhandlungstag mit drei kurzen Diskussionsbeiträgen zu Wort. Man diskutierte die von Karl v. Amira vorgelegten neun „Resolutionen“ über „Die Stellung des akademischen Lehrers zur Freiheit in Forschung und Lehre“.2 In seiner ersten Wortmeldung unterstützte Max Weber seinen Bruder Alfred, der die Diskriminierung der Sozialdemokraten Leo Arons und Robert Michels zum Anlaß nahm, vor der Einschränkung der Lehrfreiheit durch die Regierung zu warnen. Alfred Weber stellte auch, zusätzlich zu den „Resolutionen“ Amiras, eine eigene Resolution zur Annahme. In seiner zweiten Wortmeldung richtete sich Max Weber gegen das Votum seines Vorredners, des Jenaer Professors Heinrich Ernst Ziegler, der alle Kandidaten von der Habilitation ausschließen wollte, die auf ihrem Lehrstuhl „eine bestimmte politische Überzeugung zum Ausdruck“ bringen würden.3 In seinem dritten Beitrag antwortete Weber auf den Würzburger Ordinarius Ernst Mayer.4 Während man beim I. Deutschen Hochschullehrertag in Salzburg noch die Öffentlichkeit ausgeschlossen hatte, fanden die Verhandlungen auf dem

1  Vgl. Weber, Die sogenannte Lehrfreiheit, oben, S.  109–117. 2  Bereits im August hatte v. Amira seine Thesen veröffentlichen lassen, vgl. Amira, Stellung des akademischen Lehrers (wie oben, S.  109, Anm.  4), so daß er sich beim Hochschullehrertag auf eine Erläuterung und Verteidigung seiner Thesen beschränken konnte, vgl. dazu den offiziellen Verhandlungsbericht vom Dezember 1908: Verhandlungen des II. HT, S.  629–633. In der direkten Presseberichterstattung über den Hochschullehrertag wurden v. Amiras Thesen nochmals in Kurzform wiedergegeben; vgl. Die Freiheit in Forschung und Lehre, in: MNN, 61. Jg., Nr.  458 vom 1. Okt. 1908, Vorabendblatt, S.  1–3, hier S.  2 (unter der Zwischenüberschrift „Resolution“). 3  Verhandlungen des II. HT, S.  635. 4 Ebd.

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II. Deutschen Hochschullehrertag, entgegen einem früheren Beschluß, in Anwesenheit der Presse statt.5 Berichte erschienen in unmittelbarem Anschluß an die Tagung im Berliner Tageblatt und den Münchner Neuesten Nachrichten.6 Der auf dem Hochschullehrertag angeschlagene Ton wurde in den Hochschul-Nachrichten als ungewöhnlich rauh bezeichnet. Vor allem Webers drastische Ausdrucksweise erregte Aufsehen.7

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck der Redebeiträge folgt dem offiziellen Verhandlungsprotokoll: Zweiter deutscher Hochschullehrertag zu Jena am 28. und 29. September. (Bericht, erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß.), in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  146 vom 18. Dezember 1908, S.  628–639. Die drei Diskussionsbeiträge Max Webers befinden sich auf den Seiten 634 [1.] und 635 [2. und 3.] (A). Der erste Beitrag ist eingeführt mit „M. Weber (Heidelberg) zur Geschäftsordnung:“, die beiden anderen mit „M. Weber:“. Vermutlich wurden Max Weber seine Diskussionsbeiträge vor der Veröffentlichung vorgelegt. In dem offiziellen Protokoll erscheinen sie im Ton moderater als in den Presseberichten, die in unmittelbarem Anschluß an den Hochschullehrertag veröffentlicht wurden. Wegen ihrer Bedeutung für die öffentliche Auseinandersetzung in diesen Fragen werden sie gesondert ediert.8

5  Vgl. Der II. Deutsche Hochschullehrertag in Jena, in: Hochschul-Nachrichten, Nr.  1, Heft 217, Oktober 1908, S.  10. 6  Zu den dort erschienenen Berichten vgl. unten, S.  773–776. 7 Vgl. Bornhak, Conrad, Sozialdemokraten im academischen Lehramte, in: Hochschul-Nachrichten, Nr.  1, Heft 217, Okt. 1908, S.  1: „Selbst die Gefahr, von Prof. Weber in Heidelberg nach dessen geschmackvoller Ausdrucksweise zu den Lumpen gerechnet zu werden, kann von freimütiger Erörterung der Frage nicht abhalten.“ 8  Vgl. dazu unten, S.  773–776.

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[Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten]

1. [A 634]

Sind Sie mit uns in der Verurteilung dieser Vorgänge einig, so ist es meinem Bruder möglich, seine Resolution zurückzuziehen.1 Wir dürfen uns aber nicht auf diejenigen beschränken, die schon Lehrer sind.2

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2. [A 635]

Ich kann Ziegler3 nicht zustimmen, wenn er sagt, daß jemand sich nicht auf Grund einer Parteiansicht sollte habilitieren dürfen. Jeder, gleichviel welcher Parteirichtung, muß sich habilitieren dürfen.

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3. [A 635]

Es ist ganz gleichgültig für die Zulassung, welche politische Gesinnung ein akademischer Lehrer hat.4 Wir wollen keine Gesinnungsschnüffelei, gleichviel, von welcher Seite; wer sie ausübt, ist ein Lump. 1  Die Resolution Alfred Webers lautete: „Damit die Hochschulen Stätten absolut unabhängiger Forschung und Lehre sein können, darf Weltanschauung und politische Stellung des Forschers oder Lehrers niemals ein Grund der Nichtzulassung oder des Ausschlusses von ihnen sein.“ Der Redebeitrag Alfred Webers mit der Resolution findet sich in: Verhandlungen des II. HT, S.  633. 2  Karl Binding (Leipzig) hatte in der vorangehenden Debatte gefordert, „die Zulassung zum akademischen Lehrberuf von der Diskussion auszuschließen.“ Ebd. 3  Laut dem Protokoll sah Heinrich Ernst Ziegler (Jena) das Problem weniger „in der Frage, ob jemand ausgeschlossen werden soll, der schon eine ausgesprochene politische Überzeugung hat“, als vielmehr in der Frage, ob er „sich mit der Absicht habilitieren darf, auf seinem Lehrstuhl eine bestimmte politische Überzeugung zum Ausdruck zu bringen.“ Ebd., S.  635. 4  Weber reagierte mit dieser Bemerkung auf den vorangehenden Beitrag von Ernst Mayer (Würzburg), der dafür plädierte, die Frage der Zulassung auszuklammern und stattdessen zu klären, ob „ein bereits dem Lehrkörper angehöriger Dozent wegen seiner politischen Meinung gemaßregelt werden darf.“ Ebd.

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Die Lehrfreiheit der Universitäten [Zuschrift an die Hochschul-Nachrichten, Januar 1909]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber faßte seine Kritik an der Auffassung seiner Kollegen über die Lehrfreiheit an deutschen Hochschulen nach dem II. Deutschen Hochschullehrertag in einem Aufsatz zusammen, der vermutlich zuerst in der Liberalen Correspondenz, dem Organ der Linksliberalen,1 sodann in drei Folgen am 25. und 27. November 1908 in der Saale-Zeitung2 und schließlich in erweiterter und leicht abgeänderter Form in den Hochschul-Nachrichten unter der Überschrift „Die Lehrfreiheit der Universitäten“ erschien. Paul v. Salvisberg hatte Weber angesprochen, weil ein Mitarbeiter der Hochschul-Nachrichten, der Berliner Privatdozent Conrad Bornhak, nach dem Hochschullehrertag in Jena einen Artikel über die politische Gesinnung des Hochschullehrers veröffentlicht hatte, in welchem Max Webers Diskussionsbeitrag kritisch erwähnt wurde.3 Daß Weber gegenüber den von Paul v. Salvisberg seit 1890 herausgegebenen Hochschul-Nachrichten4 und einem dortigen Abdruck seines 1  Vgl. die Erläuterung zum Brief Max Webers an Lujo Brentano vom 13. April 1909, MWG II/6, S.  95, Anm.  10. 2 Die 1867 gegründete Saale-Zeitung erschien, zunächst noch mit dem Untertitel: „Der Bote für das Saalethal“, im hallischen Verlag Otto Hendel. Vor dem Ersten Weltkrieg stand das linksliberale Blatt unter seinem Chefredakteur Wilhelm Georg dem Freisinn nahe. Das Blatt erschien von Dienstag bis Samstag mit einem Morgen- und einem Abendblatt. Welche Beziehungen zwischen der Redaktion und Max Weber bestanden, ist nicht bekannt. 3  Vgl. den Editorischen Bericht zu „Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten“, oben, S.  123, Anm.  7. 4  Die Hochschul-Nachrichten, die „neben Statistik und Geschichte das Verständnis für die idealen Interessen der Hochschulen besonders deutscher Zunge pflegen und jede Schädigung des jugendlichen Idealismus durch Eintragung politischer und konfessioneller Differenzen in die Studentenschaft bekämpfen“ sollten, besaßen amtlichen Charakter. Durch Erlaß vom 13. Juli 1893 hatte das preußische Kultusministerium bestimmt, daß die preußischen Hochschulen ihre Vorlesungsverzeichnisse in den Hochschul-Nachrichten gegen eine Gebühr veröffentlichen sollten. 1894 schloß sich die österreichische Regierung an. Auch die süddeutschen Universitäten inserierten für kurze Zeit in den „Hochschul-Nachrichten“. Das Blatt finanzierte sich durch die Inserate der Universitäten und wurde jedem Hochschullehrer gratis geliefert. Vgl. Brentano, Lujo, Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands. – Jena: Eugen Diederichs 1931, S.  286.

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Aufsatzes Vorbehalte hatte, geht aus seinem Brief an Lujo Brentano vom 13. April 1909 hervor: „Der Kerl ersuchte mich Weihnachten, ihm den Abdruck eines Artikels aus der ‚Lib[eralen] Corr[espondenz]’ zu gestatten. Ich antwortete, daß dies jedem frei stehe, daß aber, wenn er sich auf meinen Consens berufen wolle, ich eine Bemerkung über die confessionellen Professuren beifügen müsse. Das geschah dann […]“.5

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die ursprüngliche, in der Liberalen Correspondenz erschienene Fassung ist nicht nachgewiesen. Die Edition folgt dem Abdruck des Artikels, der unter der Überschrift „Die Lehrfreiheit der Universitäten“ in der von Paul v. Salvisberg herausgegebenen Zeitschrift Hochschul-Nachrichten, Nr.  4, Heft 220, Januar 1909, S.  89–91 (B), erschien. Bei diesem Text handelt es sich um die spätere, geringfügig erweiterte und leicht abgeänderte Fassung des Aufsatzes, der in drei Folgen unter der Überschrift „Die Lehrfreiheit der Universitäten“, in: Saale-Zeitung (Halle), Nr.  553 vom 25. November 1908, Mo.Bl., S.  1; Nr.  554 vom 25. November 1908, Ab.Bl., S.  1 und Nr.  558 vom 27. November 1908, Ab.Bl., S.  1 (A), veröffentlicht wurde und mit der ursprünglichen Fassung in der „Liberalen Correspondenz“ identisch sein dürfte.6 Jede der drei Folgen trägt die Überschrift „Die Lehrfreiheit der Universitäten“ sowie den Zusatz „Von Professor Max Weber (Heidelberg)“, außerdem ist jede Folge mit einer römischen Ordnungsziffer versehen, also I. II. III. An die Überschrift der zweiten Folge bindet eine Fußnote der Redaktion an, in der auf die „heutige Morgenausgabe der SaaleZeitung“ hingewiesen wird,7 in der der erste Teil von Max Webers Artikel abgedruckt worden war. Ediert wird der Abdruck in den „Hochschul-Nachrichten“ (B) als Fassung letzter Hand. Die Abweichungen der Fassung A werden im textkritischen Apparat annotiert. Zwei Textpassagen gibt es dort noch nicht – eine davon zur konfessionellen Frage.8 Unterschiede in der Schreibung von Einzelwörtern, wie z. B. academisch/akademisch oder Laufe/Lauf und die unterschiedliche Zusammen- oder Getrenntschreibung, wie z. B. weiter verbreitete oder Dem gegenüber, werden nicht nachgewiesen.

5  Vgl. MWG II/6, S.  94 f. 6  Vgl. dazu die Hg.-Anm. in: MWG II/6, S.  95, Anm.  10. 7  Vgl. unten, S.  132, textkritische Anm.  r. 8 Vgl. dazu unten, S.  131 f. mit textkritischer Anm.  q und S.  136 f. mit textkritischer Anm.  n.

Editorischer Bericht

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Die hervorgehobenen Wörter – in A und B gesperrt gesetzt – werden entsprechend den Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe kursiv gedruckt. Der Spaltendruck beider Fassungen wird nicht ausgewiesen.

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Die Lehrfreiheit der Universitäten.a Die Diskussionen auf dem zweiten deutschen Hochschullehrertag in Jena über die Lehrfreiheitb1 sind nicht geeignet gewesen, dieses schwierige und doch grundlegende Problem wirklich zu klären. Wie so manches, was über diesen Gegenstand im Laufe der letzten Jahre gesagt worden ist, standen die versammelten Hochschullehrer viel zu ausschließlich unter dem Drucke von „Berufsinteressen“ derjenigen, welche zufällig bereits Hochschullehrer sind. Nur so ist es zu erklären, daß allen Ernstes von der Möglichkeit ausgegangen wurde, man könne die Diskussion der Frage: Ob die Betätigung einer bestimmten (z. B. einer politisch-c oder dreligiös„radikalen“d) Überzeugung des Hochschullehrers dessen Belassung auf dem Katheder ausschließe – was natürlich verneint wurde – 23

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a  In B bindet hier eine redaktionelle Bemerkung an: 1) Anmerkung der Redaktion. Unser Mitarbeiter Herr Prof. Bornhak-Berlin hat im Oktoberheft der „H[ochschul-] N[achrichten]“2 im Anschluß an die Beratungen des Jenenser Hochschullehrertags das Thema über die politische Gesinnung des Hochschullehrers angeschnitten, das wohl mehr als manch’ andere academische Tagesfrage allgemeine Aufmerksamkeit und eine möglichst vielseitige Diskussion erfordert. Dem Grundsatz getreu, jedweder Meinung die Spalten der „H[ochschul-]N[achrichten]“ offen zu halten, haben wir Herrn Prof. Max Weber-Heidelberg, der aus dem Programm des Hochschullehrertags zweifellos die unbefangensten Folgerungen gezogen hat, ersucht, seinen für eine politische Zeitungskorrespondenz verfaßten Aufsatz über die „Lehrfreiheit der Universitäten“,3 entsprechend ergänzt, durch die „H[ochschul-]N[achrichten]“ auch einem weiteren academischen Publikum zwecks Diskussion zugänglich zu machen. – In A folgt auf Überschrift und Autorenangabe: I.  b In A hervorgehoben.  c Bindestrich fehlt in A.   d A: religiös-radikalen 1 Zu den Debatten des II. Deutschen Hochschullehrertages vgl. die direkt im Anschluß daran veröffentlichten Presseberichte im Berliner Tageblatt und den MNN, unten, S.  773–776, sowie das offizielle Protokoll vom Dezember 1908, in: Verhandlungen des II. HT, S.  628–639. Zu Webers Diskussionsbeiträgen vgl. oben, S.  122–124, und unten, S.  773–776. 2  Vgl. Bornhak, Conrad, Sozialdemokraten im academischen Lehramt, in: HochschulNachrichten, Nr.  1, Heft 217, Okt. 1908, S.  1. In diesem Beitrag gibt es auch eine Anspielung auf Max Webers Äußerungen beim Hochschullehrertag, vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten, oben, S.  123 mit Anm.  7. 3  Gemeint ist die „Liberale Correspondenz“, in der Max Webers Beitrag vermutlich zuerst erschien. Vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  125, Anm.  1.

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von der Beantwortung der anderen Frage: Ob die Betätigung der gleichen Überzeugung von der Zulassung zume Katheder ausschließen könne, trennen. Nimmt man diese Ansicht zusammen mit einer gleichfalls weitverbreiteten anderen: der Hochschullehrer habe zwar einerseits, da er ja „Beamter“ sei, in seinem öffentlichenf Auftreten (als Staatsbürger, bei Wahlen, bei Äußerungen in der Presse usw.) „Rücksichten zu nehmen“, auf der anderen Seite könne er aber als sein Recht beanspruchen, daß seine Äußerungen vom Kathederg herab jeder Weiterverbreitung in der Öffentlichkeit entzogen bleiben – Professor Schmoller hat bekanntlich mit Erfolg Strafantrag gegen einen Studenten gestellt, der Kollegäußerungen von ihm weiterverbreitete4 –, so käme man zu folgendem seltsamen Begriff der „Lehrfreiheit“: 1. Der Hochschullehrer darf und soll bei seiner Zulassung zum Katheder nicht nur auf seine wissenschaftliche Qualifikation, sondern auch auf seine Obödienz gegenüber den jeweiligen politischen Machthabern und den kirchlichen Gebräuchen geprüft werden. 2. Ein öffentlicher Protest gegen das jeweilige politische System kann den im Besitz des Katheders befindlichen Hochschullehrer seine Stelle kosten – dagegen 3. in seinem Hörsaale, der Öffentlichkeit und also der Kritik entzogen, darf der einmal zum Lehrer Zugelassene sich äußern, wie es ihm beliebt, „unabhängig von allen Autoritäten“. Man sieht, dieser Begriff von Lehrfreiheit wäre ein Ideal von „gesättigten Existenzen“, von „beati possidentes“,5 denen weder die Freiheit der Wissenschaft als solche, noch die Rechte und Pflichten der academischen Lehrer als Staatsbürger etwas gelten, die vielmehr nur in der Ausübung der „Lebensstellung“, in der sie sich einmal befinden, ungenierth sein wollen. Und zugleich könnte e In A hervorgehoben.  f Hervorhebung fehlt in A.   g Hervorhebung fehlt in A.  h  Hervorhebung fehlt in A. 4  Gustav Schmoller erstattete Strafanzeige gegen den Studenten Erich Woth, da dieser seine Kollegäußerungen zu den Handelsverträgen und der Zolltarifvorlage mit einem Zeitungsartikel in den Hamburger Nachrichten an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Das Gericht sah darin einen groben Verstoß gegen das Urheberrecht sowie gegen die akademische Sitte und Ordnung und verurteilte Woth am 21. Mai 1902 zu 200 Mark Geldstrafe oder 40 Tagen Gefängnis. Vgl. Vossische Zeitung, Nr.  233 vom 22. Mai 1902, Morgenausgabe, Rubrik: Gerichtliches. 5  „Glücklich (sind) die Besitzenden“, Zitat nach dem Dramenfragment „Danae“ von Euripides. Hier: von „glücklichen Besitzenden“.

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diese i„Freiheit“i natürlich als Feigenblatt für die möglichste Aufrechterhaltung einer bestimmten politischen Färbung des Hochschulunterrichtes in allen den Fächern, in denen eine solche möglich ist, dienen. Wie sehr sie dabei überdiesj den Charakter des Habilitations-Reflektanten gefährdet, braucht hier wohl nur angedeutet zu werden. Demgegenüber ist doch wohl zu sagen: Daran, daß einer solchen,k vor Zulassung zum Lehramt sorgsam in Bezug auf ihre politische und (äußerlich-)kirchliche „Unbedenklichkeit“ durchgesiebten Professorenschaft das Recht auf den Besitz ihrer Katheder garantiert werde, hat die Gesamtheit keinerlei wie immer geartetes Interesse. Eine „Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre“6 an der Universität besteht jedenfalls da nicht, wo die Zulassung zur Lehrtätigkeit an den Besitz (oder das Erheucheln) einer bestimmten politisch oder kirchlich „hoffähigen“ Anschauungsweise geknüpft wird. Wenn von einer solchen „Freiheit“ die Rede sein soll, so ist vielmehr erstes Erfordernis selbstredendl gerade: daß Zulassung zum Katheder und Belassung auf dem Katheder in dieser Hinsicht zum mindesten gleich behandelt werden. Eine Handlung, welche, nach den bestehenden Gesetzen[,] für jemanden, der Hochschullehrer ist, seine (gerichtliche oder disziplinarische) Entfernung vom Lehramt bedingt, kann zweifellos auch seine Nichtzulassung rechtfertigen. Wo aber das eine nicht der Fall ist, darf selbstverständlich auch das andere nicht der Fall sein. Es kann jemand recht wohl die Ansicht vertreten, daß eine strafbare Handlung (z. B. politischen Charakters), die eine Disqualifikation für das Amt eines Professors bedinge, dennoch die Zulassung zur Privatdozentur, die ja kein „Amt“ verleiht, nicht hindern dürfe. Aber der in Jena mehrfach vertretene gerade umgekehrte Grundsatz: daßm jemand wegen eines Verhaltens, das einen Professor nicht für sein Amt disqualifiziert, dennoch für die Habilitation als Privatdozent disqualifiziert

i–i   Anführungszeichen fehlen in A.   j  Fehlt in A.  k  Komma fehlt in A.   l Fehlt in A.  m A: Daß 6  Zur Freiheit von Wissenschaft und Lehre an den Universitäten vgl. Weber, Die sogenannte Lehrfreiheit, oben, S.  112 mit Anm.  5.

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erscheinen könne,7 ist eine einfache Ungeheuerlichkeit. Erst nachdem diesen völlig selbstverständliche Erkenntniso feststeht, kann man an die Erörterung der Frage herantreten, welches – öffentliche oder private – Verhalten denn nun als ein solches anzusehen sei, das mit der Stellung des Hochschullehrers unvereinbar wäre. Über diese Frage werden in einem zweiten Aufsatz noch einige grundsätzliche Erörterungen gepflogen werden.p  qZu diesem Punkt habe ich hier lediglich einige Bemerkungen zu machen gegenüber einer Anschauung, welche meint, daß der formal-juristische Charakter der Universitäten als Staatsanstalten hier ein Kriterium der Auslese zu liefern habe. Auf den ordentlichen Professuren ausländischer Staatsuniversitäten finden sich z. B. Sozialisten,8 und zwar auch der denkbar radikalsten Färbung, und manche von ihnen gehören zu den besten wissenschaftlichen Namen, welche die betreffenden Nationen aufzuweisen haben. In Deutschland hat der – je nach den wechselnden Strömungen der „Kartell“- oder „Block“-Konstellationen9 – als „Reichsfeind“ Geltende eo ipso alle Chancen gegen sich, und vollends der im Sinne der politischen Polizei „Staatsfeindliche“ wird nicht nur durch das in den meisten Staaten bestehende Kontrollrecht der Behörden (politisches Leumundsattest vor oder Bestätigung der Zulassung durch die politische Behörde nach der Habilitation!)10 vom Katheder ausgeschlossen. Sondern, auch unaufgefordert, pflegen die Fakultäten sich als

n A: dieser  o A: Grundsatz  p  In A folgt die Anmerkung der Redaktion: (Schluß folgt morgen.)   q–q  (S.  132) Fehlt in A. 7  Auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag wies Karl v. Amira darauf hin, daß nur der Staat Mittel in der Hand habe, die Lehrfreiheit zu beschränken. So könne er dem zugelassenen Privatdozenten die Venia legendi wieder entziehen. Eine Beschränkung der Lehrfreiheit des angestellten oder beamteten akademischen Lehrers sei aber schwieriger. Vgl. Verhandlungen II. HT, S.  629. 8  An italienischen Universitäten lehrten u. a. die Sozialisten Alfredo Angiolini, Ettore Ciccotti und Antonio Labriola, an französischen Edgard Milhaud und an russischen Sergej Bulgakov und Michail Tugan-Baranovskij, obwohl sie Mitglieder sozialistischer Parteien waren. Vgl. dazu die Hg.-Anm. in: MWG II/5, S.  223, Anm.  4. 9  Im Kaiserreich wurden Koalitionen zwischen den politischen Parteien im Reichstag „Kartelle“ oder „Blöcke“ genannt. 10  In Preußen bestand aufgrund eines Erlasses vom 27. Februar 1883 die Pflicht, die erfolgte Habilitation eines Privatdozenten beim Ministerium zu melden sowie seinen Lebenslauf und Studiengang mitzuteilen. Vgl. auch Daude, Paul, Die Rechtsverhältnisse der Privatdozenten. Zusammenstellung der an den Universitäten Deutschlands

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Mandatare der politischen Polizei zu gerieren. Dies Alles, weil die Universitäten staatlich subventioniert und privilegiert seien, – und obwohl der Staat die Prüfung der Reflektanten auf seine Ämter nach seinem Belieben reguliert und die Universitätsbildung nur Voraussetzung der Anstellung (eine unter mehreren) ist, aber keinerlei Anspruch darauf verleiht. – Indessen: lassen wir diese formalistische Art der Behandlung ganz bei Seite und fassen wir die „Frage“ wie es sich gebührt: als Kulturproblem!q Daßr11 smit dem Unterricht überhaupts auch der höhere Unterricht bei uns eine Angelegenheit des Staatest geworden ist, ist Produkt einer ganz bestimmten Kulturentwickelung, die Folge insbesondere der Säkularisationenu auf der einen Seite, auf der anderen der jahrhundertelangen tiefen Armut der Nation, welche die Entstehung so gewaltiger privater Stiftungen, wie die sind, auf denen in den angelsächsischen Ländern so viele hervorragende Universitäten beruhen, ausschloß. Heute ist diese Entwickelung bei uns eine Tatsache, mit der zu rechnen istv und auf deren Konto unzweifelhaft – das braucht hier nicht näher begründet zu werden – sehr bedeutende positive Werte kommen, da nach Lage der Dinge die materiellen Mittel für die Universität in dem Umfange, wie sie zur Verfügung gestanden haben, nicht anders als vom Staate zu beschaffen waren. Natürlichw ist damitx über die Frage, wie diese Entwickelung der materiellen Grundlagen unseres Universitätswesens endgültig in der Gesamtheit ihrer Wirkungen zu bewerteny ist, noch nichts gesagt. Wenn sich der „Staat“, das heißt:z die jeweilig die Nation beherrschenden Träger der politischen Gewalt, etwa auf den Standpunkt

q  (S.  131)–q  Fehlt in A.  r  In A geht voraus: Die Lehrfreiheit der Universitäten. – mit der redaktionellen Anmerkung: *) Siehe die heutige Morgenausgabe der SaaleZeitung.12 – Von Professor Max Weber (Heidelberg).  s A: der Unterricht, und insbe­sondere   t Hervorhebung fehlt in A.   u A: Säkularisation  v A: ist,   w A: Gleichwohl  x  Fehlt in A.  y  Hervorhebung fehlt in A.   z Doppelpunkt fehlt in A. und Österreichs sowie an den deutschsprachigen Universitäten der Schweiz über die rechtliche Stellung der Privatdozenten erlassenen Bestimmungen. – Berlin: Julius Becker 1896, S.  9. 11  Vgl. den ersten Teil des Artikels, oben, S.  128–130.

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stelltea: b„wes Brot ich esse, des Lied ich singe“b,12 wenn erc mit anderen Worten die durch die materielle Situation der Universitäten in seined Hände gelegte Macht nicht als eine Übernahme von Kulturaufgaben, sondern als ein Mittel zur Erzielung einer bestimmten epolitischen Dressure der academischen Jugend auffaßtef, so wäre das Interesse der Wissenschaft bei einem solchen „Staate“ nicht besser, sondern in vielen Hinsichten schlechterg geborgen,h als in der früheren Abhängigkeit von der Kirche.i Die,j jede Entwickelung charaktervoller Persönlichkeiten vernichtende,k Folge einer solchen lKastration der Freiheitl und Unbefangenheit des Universitätsunterrichtes könnte durch keine noch so schönen Institute, noch so großem Hörerzahlen, noch so vielen Dissertationen, Preisarbeiten und Examenserfolge irgendwie aufgewogen werden. Die beliebte Argumentation: „der Staat“, das heißt, wohlgemerkt, immer: die nach der politischen Konstellation jeweilig herrschende politische Gruppe, o„könne es sich nicht gefallen lassen“o, daß von den Universitäten „staatsfeindliche Lehren“ verbreitet würden, krankt an einem grundsätzlichen, freilich, wie nicht zu leugnen ist, auch in Universitätskreisen zu findenden pIrrtum über Sinn und Wesen der academischen Lehrep überhaupt. Darüber einige Worte.q Die Universitäten haben weder „staatsfeindliche“, noch „staatsfreundliche“, noch irgendwelche randere Weltanschauungr zu lehren. Sie sind keine Anstalten, welche Gesinnungsunterricht zu treiben haben. Sie analysieren Tatsachen und ihre realen Bedingungen, Gesetze und Zusammenhänge, und sie analysieren Begriffe und ihre logischen Voraussetzungen und Inhalte. Dagegen lehren sie nicht und könnens nicht lehren: was geschehen soll t, – denn dies ist Sache der letzten persönlichen Werturteile, der Weltanschauung, a A: stellen  b–b Anführungszeichen fehlen in A.   c A: sie  d A: ihre   e Hervorhebung fehlt in A.   f A: auffassen  g Hervorhebung fehlt in A.   h  Komma fehlt in A.   i  In A folgt ein Absatz.   j  Komma fehlt in A.   k Komma fehlt in A.   l  In A hervorgehoben.  m B: großen  n B: vielen  o–o Anführungszeichen fehlen in A.   p–p  In A hervorgehoben.  q A: Worte!  r A: andere Ansichten oder irgend welche Weltanschauungen   s Hervorhebung fehlt in A.  t  Hervorhebung fehlt in A. 12  Zu diesem Sprichwort vgl. Deutsches Sprichwörterlexikon. Ein Handbuch für das deutsche Volk, hg. von Karl Friedrich Wilhelm Wander, Band 1. – Stuttgart: Akademische Verlagsgesellschaft 1987, Nr.  303, S.  480.

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die nichts ist, was man „beweisen“ könnte wie einen wissenschaftlichen Lehrsatz. Gewiß, die Universitäten lehren ihre Höreru Weltanschauungen kennen:v sie entwickeln sie in ihrer psychologischen Entstehung, analysieren sie auf ihren Gedankengehalt und auf ihre letzten allgemeinen gedanklichen Voraussetzungen hin, eben auf jenes nichtw mehr beweisbare, sondern geglaubte, was in ihnen allen liegt,x – aber sie würden das Gebiet des Wissenschaftlichen überschreiten, sobald sie sich anmaßen würden, nicht nur Wissen, sondern auch Glauben und y„Ideale“ anzuerzieheny. In den Dienst welcher Ideale der einzelne sich stellen will, –z „welchen Göttern er dient“ – das schieben sie ihm selbst in sein eigenes Gewissen. Sie schärfen ihm dabeia den Blick für die tatsächlichen Bedingungen seines Strebens, sie lehren ihn die Fähigkeit, sich gedanklich  klar zu werden: b„zu wissen, was er will“b. Aber sie ständen um kein Haar über, sondern noch unter einer Jesuitenschule, wenn sie ihm die persönlichen Ideale ihrer Lehrer, etwa deren politische Meinungen (sie seien nun c„radikal“c, nach rechts oder links, oder „gemäßigt“)d als „Wissenschaft“e auftischen wollten. Sie haben hierf gdie Pflicht der Selbstbescheidungg zu üben. Ein Element allerh „echten“ Weltanschauung allein ist es, welches sie ihrem Wesen nachi ihren Hörern mit auf den Lebensweg zu geben haben: diej Gewöhnung an die kPflicht zur intellektuellen Rechtschaffenheitk und damit auch zur rücksichtslosen Klarheit über sich selbst. Allesl andere:m den ganzen Inhaltn seines Strebens,o muß der einzelne im Kampfe mit dem Leben sich selbst erobern.p  Esq wäre ein ebensolcher anmaßlicher Unfug, wenn ein Universitätslehrer sich unterfangen würde, z. B. die „Berechtigung“ irgendwelcher sozialerr Forderungen zu „beweisen“, wie wenn er ihre „Nichtberechtigung“ mit den Mitteln der Wissenschaft „nachwei-

u In A folgt: solche  v A: kennen,  w Hervorhebung fehlt in A.   x Komma fehlt in A.   y A: Ideale anzuerziehen   z Gedankenstrich fehlt in A.   a In A folgt: recht  b–b  Anführungszeichen fehlen in A.   c–c  Anführungszeichen fehlen in A.   d A: gemäßigt),  e  In A hervorgehoben.  f  A: vielmehr  g Hervorhebung fehlt in A.   h  In A hervorgehoben.  i A: nach,  j A: Die  k Hervorhebung fehlt in A.   l A: Manches  m A: andere,  n  Hervorhebung fehlt in A.  o Komma fehlt in A.   p In A folgt die Anmerkung der Redaktion: (Schluß folgt morgen.)   q  In A geht voraus: Die Lehrfreiheit der Universitäten. Von Professor Max Weber (Heidelberg). III. (Schluß.)  r A: sozialistischer

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sen“ wollte. Beides ist mit den Mitteln der Wissenschaft sschlechthin unmöglich.s Was die Wissenschaft hier zu bieten hat, ist lediglich: Die Analyse jener Forderungen zunächst auf ihren eigentlichen Inhalt und damit auf diejenigen letzten,t nichtu mehr beweisbaren oder vwiderlegbaren, Glaubensüberzeugungenv und Werturteile, die ihnen wzugrunde liegen; alsdann:w die Erörterung ihrer geschichtlichen xEntstehung; weiter: die Untersuchung der praktischen Vorbedingungen ihrer Realisierung und der voraussichtlichen faktischen Konsequenzen derselben und endlich: die Feststellung, ob die Gegenwartsentwicklung sich in ihrer Richtung bewegt oder nicht, und warum?x Dies alles sind wirklich „wissenschaftliche“y Fragen. Ob nun aber der zeinzelne jene „letzten“z Überzeugungen billigen oder verwerfen, ob era jene bVorbedingungen und Konsequenzenb ihrer Realisierung in den Kauf nehmen will, cob erc die Opfer zu groß findet im Verhältnis zu den Chancen des Erfolges, – dasd zu entscheiden ist seine Pflicht, die ihm sein wissenschaftlicher Lehrer nicht abnehmen kann und vor allen Dingen nicht abnehmen darfe, weil darüber f„wissenschaftlich“f schlechthin nichts auszumachen ist. Gewiß, es ist leider bekannt, daß es nicht wenige academische Lehrer (durchaus nicht etwa vorwiegend politisch „radikal“ gesinnte, sondern gerade vermeintlich g„staatsmännisch“g begabte Vermittelungspolitiker) gibt, die jene Pflicht der Selbstbescheidung nicht üben und sich selbst die Befugnis, ja recht eigentlich die Aufgabe zuschreiben: Die academische Jugend in bestimmten politischen Gesinnungen und Weltanschauungen zu erziehen. Mit dieser Anmaßung würden sich die Universitäten auf die Dauerh in ihr eigenes Fleisch schneiden. Denn es ist bei dieser Auffassung der Aufgaben des Unterrichtes die Forderung nicht zu umgehen, daß der unter allen Umständen Nächstbeteiligte:i der Familienvaterj, der seinen Sohn auf seine Kosten auf die Universität schickt, die s–s A: schlechthin unmöglich. Punkt fehlt in B.   t  Komma fehlt in A.   u Hervorhebung fehlt in A.   v A: widerlegbaren Glaubensüberzeugungen   w A: zu Grunde liegen, alsdann   x–x  A: Entstehung und somit die Chancen ihrer Zukunft, jedenfalls aber der Mittel und Wege, die zu ihrer Durchführung erforderlich wären.   y  Ausführungszeichen fehlt in A.   z A: einzelne etwa jene letzten   a Hervorhebung fehlt in A.   b–b A: Mittel zu   c A: oder ob er   d  Hervorhebung fehlt in A.  e  Hervorhebung fehlt in A.   f–f  Anführungszeichen fehlen in A.   g–g Anführungszeichen fehlen in A.   h  In A folgt: recht  i A: Nächstbeteiligte,  j Hervorhebung fehlt in A.

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Garantie habe, dort auch seine Weltanschauung vertreten zu sehen. Konfessionelle, ökonomische, soziale, politische Parteien hättenk alsdann jedel das Recht darauf, für die Unterweisung in ihren Idealen gesonderte Universitäten oder Lehrstühle bewilligt zu erhalten.m nDann müßte man sich auf den prinzipiellen Boden der (konsequenter auszubauenden) Kuyper’schen Universitäts„Reform“ in Holland13 stellen und Jedermann das Recht geben, an den Universitäten vollberechtigte Lehrstühle und zugleich ein Kuratorium mit dem Recht der Besetzung derselben zu stiften: der „Zentralverband deutscher Industrieller“,14 der „Monistenbund“15 und der „Keplerbund“,16 das „Gewerkschaftskartell“,17 sämtliche Kirchen und politischen Parteien könnten dann, je nach ihren Finanzen, von diesem Rechte ebenso Gebrauch machen, wie heute die katholische und andere Kirchen in Holland zu tun beginnen. Das wäre „Lehrfreiheit“ auf dem Boden des „Gesinnungsunterrichts“. Wer derartige Konsequenzen ablehnt, der muß ehrlicherk A: haben  l  Hervorhebung fehlt in A.   m  In A folgt ein Absatz.   n–n  (S.  137) Fehlt in A. 13  Die „Hogeronderwijsnovelle“ (Hochschulnovelle) des niederländischen Premierministers und reformierten Theologen Abraham Kuyper führte 1905 u. a. zur Einrichtung katholischer Lehrstühle. Das Gesetz richtete sich gegen die liberale Hochschulpolitik, und u. a. gab es bestimmten, durch königliche Verordnung festgelegten Institutionen das Recht, an Reichsuniversitäten Lehrstühle einzurichten. Nach Bekanntgabe des „Gesetzes Kuyper“ gründete der Episkopat in Zusammenarbeit mit bedeutenden Katholiken wenige Wochen später die St. Radboudstiftung, die eine katholische Universität vorbereitete und sich überdies um die Einrichtung katholischer Lehrstühle an den öffentlichen Universitäten bemühte. Vgl. Brabers, Jan, Proeven van eigen cultuur – vijf­ en­zeventig jaar Katholieke Universiteit Nijmegen 1923–1998, Deel 1: 1923–1960. – Nij­ megen: Valkhof Pers 1998, S.  60 ff. 14  Der 1876 gegründete Zentralverband Deutscher Industrieller vertrat vornehmlich die Interessen der Schwer- und Montanindustrie und forderte im Verbund mit den Großagrariern eine Schutzzollpolitik. 15  Der 1906 von Ernst Haeckel gegründete Monistenbund propagierte eine einheitliche, auf Naturerkenntnis gegründete Weltanschauung, die kulturbildend und eine Alternative zum Christentum sein sollte. Der Monismus führte heterogene, sozialreformerisch und kulturkritisch orientierte Bevölkerungsgruppen zusammen und trug in erheblichem Maße zur Popularisierung der Naturwissenschaften bei. 16 Als Gegenbewegung zum Monistenbund gründete Eberhard Dennert 1907 den evangelischen Keplerbund zur Förderung der Naturerkenntnis, der eine Versöhnung zwischen Naturwissenschaft und Gottesglauben verfolgte. 17  Gewerkschaftskartelle waren in der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik lokale Zusammenschlüsse aller am Ort vertretenen Gewerkschaften, u. a. sammelten und verteilten sie Streikgelder.

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weise auch den Gesinnungs-Unterricht als Aufgabe und die Gesinnungs-Qualifikation als Erfordernis des Hochschullehrers ablehnen. Er muß die Schaffung von Lehrstühlen (z. B. historischen, philosophischen), welche z. B. eine klerikale Tendenz zu vertreten ausgesprochenermaßen bestimmt sind, ebenso als eine schnöde Vergewaltigung der „Freiheit der Wissenschaft“ ansehen, wie umgekehrt die Zurücksetzung eines wissenschaftlich Qualifizierten aus dem Grunde, weil er „Zentrumsmann“ oder „Sozialist“ sei.n Nur auf dem Boden ostrenger wissenschaftlicher Selbstbescheidungo ist die heutige Kultureinheit auf dem Gebiete des Unterrichtes innerlichp zu rechtfertigen. Will man sie, so muß der Gedanke an jedeq Art von Gesinnungsunterricht fallen, so ist der academische Lehrer, gerade in dem heute so ängstlich gehüteten Geheimkabinett seines Hörsaales ganz besonders streng verpflichtet, jeder eigene Stellungnahme in dem Kampfe der Ideale zu vermeiden, sein Katheder, statt zu einer Stätte der Bekämpfung, zu einer solchen des historischen und gedanklichen Verständnisses fremder, von der seinen abweichender,s Weltanschauungen zu machen. Eine rein historisch bedingte, scheinbare Schwierigkeit in der Durchführung dieser Anforderungen bilden heute nur die theologischen Fakultäten. Keine prinzipielle: es läßt sich vielmehr mit voller Eindeutigkeit angeben, welche Arten der Besprechung und Behandlung des Phänomens des religiösen Lebens in den Umkreis der Universitäten (bei Erhaltung ihres oben umschriebenen Charakters) gehören, welche anderen nicht. Daß heute auch diese letzteren, nur dogmatisch gebunden zu behandelnden Disziplinen und diet apologetischen und praktischen Fächer[,] statt durch Institutionenu freier kirchlicher Gemeinschaften, durch staatlich angestellte, aber dabei in ihrer Lehrfreiheitv beschränkte Hochschullehrer behandelt werden, entspringt wkeinerlei Bedürfnissen desx religiösen Lebens, sondern allein dem Wunsche staatlicher Kulturreglementierungw. Die Überzeugung, daß die starken Kirchengemeinschaften, insbesondere die katholische Kirche, den Zweck dieser Reglementierung schon heute völlig illusorisch zu machen wissen, n (S.  136)–n  Fehlt in A.   o–o  Hervorhebung fehlt in A.   p A: sittlich  q Hervorhebung fehlt in A.   r  Hervorhebung fehlt in A.   s  Komma fehlt in A.   t In A folgt: mehr  u A: Individuen  v In A folgt: irgendwie  w–w  Hervorhebung fehlt in A.   x A: eines  

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Die Lehrfreiheit der Universitäten

wird,y in Verbindung mit anderen Motiven der Kulturentwickelung die unumgängliche Scheidung,z im Interesse agrade aucha des religiösen Lebens hoffentlich nicht zu spät,b bringen.

y  Komma fehlt in A.  z  Komma fehlt in A.  a  Fehlt in A.   b  Komma fehlt in A.

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Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens

Editorischer Bericht Zur Entstehung Unter der Fülle der soziologischen Probleme, mit denen sich die neue Gesellschaft für Soziologie befassen wollte, befindet sich auch „Das Wesen der öffentlichen Meinung“ und „Die Presse“.1 Max Weber machte sich diese Probleme zu eigen und entwickelte dafür ein Projekt. Seit seinem Beitritt zur Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)2 und seiner Wahl zu ihrem provisorischen Ausschußvorsitzenden3 beschäftigten ihn neben der Organisationsfrage vor allem die mit diesem Projekt verbundenen Fragen, über die, wie es später heißt, „es sehr leicht ist, ein hübsches Feuilleton, über die es ungemein schwer ist, eine wissenschaftliche Darstellung zu bieten“.4 Bereits am 28. März 1909 spricht Weber in einem Brief an Friedrich Naumann von „einer großen Arbeit, die ich über ‚Zeitungswesen‘ anregen helfen möchte (So­zio­ lo[gische] Gesellschaft)“.5 Am Tag darauf bestätigt er gegenüber Heinrich Herkner, daß das „Thema: Zeitungswesen“ fest verabredet sei.6 Am 11. April 1909 schickt er Herkner ein „Blatt, auf dem ich absolut provisorisch einige ‚Fragen‘ und Personen notiert hatte, die m. E. bei der Erhebung: ‚Presse‘ in Betracht kommen“.7 Ebenfalls im April schreibt Weber an Lujo Brentano, um ihn zum Beitritt zu der neuen Gesellschaft zu motivieren: „Publikationen (nach 1  Weber, Einladung zum Beitritt 1909, unten, S.  153–155. 2  Vgl. den von Weber Ende 1908 mitunterzeichneten Gründungsaufruf, unten, S.  819– 823. 3  Die Wahl zum provisorischen Ausschußvorsitzenden (nicht zu verwechseln mit dem Vorstandsvorsitzenden) erfolgte im Frühjahr 1909 per Umlaufverfahren. Weber setzte sich mit 7 Stimmen gegen seine Mitbewerber Kurt Breysig und Franz Oppenheimer durch. Dies teilte Hermann Beck im Einladungsschreiben zu der in Berlin am 6. März stattfindenden Eröffnungsveranstaltung mit. Vgl. Einladung von Hermann Beck vom 4. März 1909, (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.11). Zu Webers Funktionen in der DGS vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Über Ausrichtung und Vorgehen der DGS, unten, S.  153–155. 4  Vgl. Weber, Vorbericht, unten, S.  208–228. 5  Brief Max Webers an Friedrich Naumann vom 29. März 1909, MWG II/6, S.  84 f., Zitat: S.  85. 6  Brief Max Webers an Heinrich Herkner vom 29. März 1909, MWG II/6, S.  86 f., Zitat: S.  87. 7  Brief Max Webers an Heinrich Herkner vom 11. April 1909, MWG II/6, S.  92.

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Disposition für eine Untersuchung des Zeitungswesens

Art des V[ereins] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik], aber unter Ausschaltung ‚praktischer‘ Ziele, also rein wissenschaftlich). Z[ur] Zeit erwägen wir, ob wir dem Ausschuß 1) eine Analyse der Presse (ökonomisch, nach der Art ihrer sozialen Existenzbedingungen und als Faktor der öffentlichen Meinung) vorschlagen sollen als nächstes konkretes Arbeitsthema. Sodann: 2) Analyse der Vereine in ihrer soziologischen Bedeutung (von der Studentenverbindung und dem Kriegerverein bis zur ‚Partei‘).“8 Die provisorische Skizze zum Thema Pressewesen, die Max Weber am 11. April 1909 an Heinrich Herkner schickte, ist nicht überliefert. Vermutlich verfaßte er auf dieser Grundlage einen ersten Entwurf. Am 13. Mai 1909 schreibt der Geschäftsführer der DGS: „Den Weber’schen Entwurf einer Disposition für die Bearbeitung einer Soziologie der Presse habe ich abschreiben und von Herrn Prof. Weber wieder korrigieren lassen. Die korrigierte Abschrift liegt hier bei. Ich fasse den Entwurf so auf, daß sich Interessenten noch ergänzend oder kritisch dazu äußern können.“9 Die „Disposition“ muß folglich zwischen dem 11. April und dem 13. Mai 1909 entstanden, von einem Mitarbeiter der DGS abgeschrieben und von Weber korrigiert worden sein.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Zum Abdruck kommt die sechsseitige maschinenschriftliche Abschrift, die sich unter der Überschrift „Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens. (Entwurf von Professor Max Weber, Heidelberg.)“ im Nachlaß Ferdinand Toennies in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel, Cb 54.61: 1.2.08 (A), befindet. Der Entwurf enthält keine handschriftlichen Zusätze. Unterstreichungen, Verbesserungen von Schreibfehlern wurden maschinenschriftlich vorgenommen. Er enthält viele Tippfehler, wie beispielsweise „Agentueren“ statt „Agenturen“, „Acquisitation“ statt „Acquisition“, „Maases“ statt „Maßes“, „Kreusseitung“ statt „Kreuzzeitung“, „monopolitistischsch“ statt „monopolistisch“, „Neusten“ statt „Neuesten“. Sie werden, ebenso wie falsch gesetzte Satzzeichen, im textkritischen Apparat nicht aufgeführt, sondern stillschweigend 8  Brief Max Webers an Lujo Brentano, zweite Aprilhälfte 1909, MWG II/6, S.  107 f., Zitat: S.  107. 9  Brief von Hermann Beck an die Mitglieder des Vorstandes der DGS vom 13. Mai 1909, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. Seit Januar 1909 gehörten dem Vorstand der DGS Hermann Beck, Heinrich Herkner, Georg Simmel, Ferdinand Tönnies und Alfred Vierkandt an. Nach der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 14. Oktober 1909 bildeten Georg Simmel, Werner Sombart und Ferdinand Tönnies den Vorstand.

Editorischer Bericht

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korrigiert. Das gilt auch für uneinheitliche Schreibweisen, wie etwa „Stoffverteilung“ und „Stoff-Verteilung“, und fehlende Leerstellen zwischen zwei Wörtern. Textkritisch nachgewiesen werden hingegen Zeichen- und Schreibfehler, die sinnverändernd sind. Der Entwurf enthält keine originale Paginierung. Der Editor fügt die Seitenzählung als A (1) etc. ein.

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Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens.a A. Das Zeitungsgeschäft. I. Besitzer der Zeitungen, Entwicklung in den letzten Jahrzehnten für eine Anzahl großer Zeitungen und einige typische Gebiete. Quelle: Handelsregister, Einfluß der Besitzer, der Großanteilhaber usw. auf die Richtung der Zeitungen und seine Grenzen. Besondere Maßregeln zur Sicherung der „Richtung“ der Zeitung ihm gegenüber. Dotatoren von Zeitungen (z. B.  Fürst von Fürstenberg).1 II. Kapitalsbedarf der Zeitungen, je nach Größe und Eigenart. Vergleich mit dem Ausland: Bestehen z. B. Unterschiede infolge des Einflusses des Einzelnummerverkaufs? Kapitalsumschlag der Zeitungen und seine Beeinflussung durch das gleiche Moment. Leider sind die Bücher der „Naumann“schen Tageszeitung – „Zeit“ – nach Erkundigung so schlecht geführt worden, daß nur die Endsummen: 158000 Mark Ausgaben, 40000 Mark Einnahmen im ersten Jahre, feststehen, nicht aber eine Benutzung für diese Untersuchungen möglich ist.2 Ob Cotta die Bücher der Allgemeinen Zeitung (oder die wichtigsten Zahlen) hergeben würde?3

a  In A folgt in einer neuen Zeile: (Entwurf von Professor Max Weber, Heidelberg.) 1 Franz Egon Graf von Fürstenberg-Stammheim gehörte neben Moritz August von Bethmann Hollweg und Albert von Pourtalès zu den Gründern und Financiers des 1851 entstandenen Preußischen Wochenblattes zur Besprechung politischer Tagesfragen. Danach wurde die liberal-konservative Wochenblattpartei benannt. 2  Schon vor der Gründung des Nationalsozialen Vereins hielt man im Naumann-Kreis eine täglich erscheinende Parteizeitung für notwendig. Max Weber gehörte dem Komitee an, das die Gründung einer national-sozialen Tageszeitung fördern sollte, und unterzeichnete auch die im Januar und Februar 1896 vorgelegten Entwürfe der Grundlinien (vgl. Vertrauliches Anschreiben und Programmentwurf für eine neue Tageszeitung, in: MWG I/4, S.  885–895). Außerdem unterstützte er das Zeitungsprojekt im September 1896 mit einer Spende in Höhe von 500 Mark (vgl. Brief Max Webers an Friedrich Naumann, vor oder am 9. Sept. 1896, MWG II/3, S.  213). Am 6. August 1896 kam es in Heidelberg zu einem Doppelbeschluß: der Vereinsgründung und Gründung einer reichsweiten Tageszeitung. Die Zeit. Organ für nationalen Sozialismus auf christlicher Grundlage, Berlin, erschien vom 1. Oktober 1896 bis 30. September 1897 und wurde von Heinrich Oberwinder und Hellmut von Gerlach redigiert. Vgl. Düding, Dieter, Der Nationalsoziale Verein. 1896–1903. – München: R. Oldenbourg 1972, S.  118. Am

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III. Produktionskosten der Zeitungen. a) Druckerei, Versand, andere sachliche Kosten. In Verbindung damit Agenturwesen. b) Bedarf an Redakteurenb und deren Kosten. Vergleich mit dem Auslande, je nach dem Typus der Zeitungen. Art der Korrespondentenvergütungc und sonstige Kosten für die Stoffbeschaffung. Höhe der Honorare für Gelegenheitsmitarbeiter. Damit in Verbindung: Vergleich mit dem Auslande. IV. Art der Stoffbeschaffung.d 1. von außen her: Vor allem: a. Nachrichtendienst. Stellung der großen Agenturen. Geschäftliche Analyse der „Associated Press“,4 Havas, Reuter, Wolff5 usw. Ver3

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b A: Redakteurer  c A: Korrespondenzenvergütung  d A: Stoffbeschaffung! 28. März 1909 bat Max Weber Friedrich Naumann brieflich, ihm die „Rechnungen aus der Zeit der ‚Zeit‘ (Tages-Zeitung) […] im Interesse einer großen Arbeit, die ich über ‚Zeitungswesen’ anregen helfen möchte (Soziol[ogische] Gesellschaft) und wo natürlich von den materiellen Bedingungen auszugehen wäre“, zur Verfügung zu stellen (MWG II/6, S.  85). Zu den von Weber genannten Zahlen konnte nichts ermittelt werden, da die Unterlagen der „Zeit“ nicht überliefert sind. 3  Die Allgemeine Zeitung (A. Z.) wurde 1798 von Johann Friedrich Cotta in Tübingen zunächst unter dem Namen Neueste Weltkunde als überregionale, liberale Tageszeitung gegründet. Noch im selben Jahr wurde sie in Allgemeine Zeitung umbenannt und ihr Erscheinungsort nach Stuttgart verlegt. 1803 zog die Zeitung wegen der strengen württembergischen Zensur nach Ulm um, als auch das 1810 württembergisch wurde, nach Augsburg. Gestützt auf ein weitverzweigtes Korrespondentennetz und Autoren wie Heinrich Heine, Ludwig Börne und Karl Gutzkow entwickelte sich die Allgemeine Zeitung im Vormärz zu einer der bedeutendsten deutschen Tageszeitungen. Seit 1882 erschien sie in München. Nach dem Tod Karl v. Cottas 1888 wurde der Verlag, seit 1889 unter der Bezeichnung „J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger“, erst von Adolf und Paul Kröner und ab 1911 von Robert Kröner weitergeführt. 1907 wurde das Blatt an den Scherl-Konzern verkauft, ab 1908 erschien es nur noch wöchentlich. 4  Im Gegensatz zu den europäischen Presseagenturen Havas, Reuter und Wolff (vgl. die nachfolgende Anm.), die Privatfirmen waren, war die amerikanische Associated Press (AP) ein Zusammenschluß von Zeitungsverlegern mit genossenschaftlicher Ausrichtung. Sie wurde 1848 in New York von sechs Zeitungsverlegern gegründet, mit dem Ziel, internationale Nachrichten zu sammeln, um die erheblichen Kosten der telegraphischen Nachrichtenübermittlung zu minimieren. Unter der Führung von Melville E. Stone, dem Begründer der Chicago Daily News, wurde die AP 1900 modernisiert und zu einer „Not-for-profit-cooperative“ ausgebaut. Der genossenschaftliche Charakter begründete die finanzielle und damit auch die politische Unabhängigkeit der AP. Vgl. Weber, Vorbericht, unten, S.  214, 220. 5 Der Besitzer der Berliner National-Zeitung, Bernhard Wolff, gründete 1849 nach Freigabe des Telegraphen für private Nachrichten das „Telegraphische Correspondenz-Bureau (B. Wolff)“, um mit anderen Berliner Zeitungen und Privatleuten die Mel-

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gleich untereinander nach relativer Bedeutung innerhalb des Nachrichtendienstes und deren Entwicklung.  b. Feuilleton- und Beilagen-Fabriken, geschäftlich zu analysieren und nach Provenienz ihres Stoffs zu untersuchen. – Ebenso alle sonstigen Klischee-Gewerbe für die Presse, insbesondere c. Partei- und andere politische „Korrespondenzen“, zunächst wieder geschäftlich, nach Kosten, Art und Versorgung mit Stoff und Art der Leitung und politische Beeinflussung. Speziell ferner: d. amtliche und offiziöse Stoffbeschaffung, alle Stufen und Formen, in denen sie auftreten, unter Vergleich mit dem Ausland zu analysieren. e. Gesondert endlich: Herkunft, Kosten, Eigenart der Handels­ nachrichten.e 2. innerer Dienst und Art der Stoffverteilung. a. Frühere und heutige Rolle des „Leitartikels“, Vergleich mit dem Auslandef (Amerika, England, Frankreich), Entwicklungstendenzen. b. Mehrfache tägliche Ausgaben der großen Zeitungen. Geschäftlicher Grund und Unterschiede gegenüber der Ein-Ausgaben-Praxis des Auslandes. Einfluß dieser Unterschiede auf Kosten und sonstige geschäftliche Bedingungen der Zeitungspraxis. Art der Stoffverteilung unter die mehreren täglichen Ausgaben. Gründe des Vordringensg der Abendblätter bei uns, Zustand des Auslandes in dieser Hinsicht.

e A: Handelsnachrichten!  f A: Auslande,   g A: Vorbringens dungen über Börsenkurse aus Paris und London zu beziehen und an andere Zeitungen weiterzuverkaufen. Im Lauf der Zeit wurden die Börsennachrichten durch politische Nachrichten ergänzt. Das Wolffsche Büro zog andere Gründungen in Bremen, Frankfurt, Hannover, Dresden und Leipzig nach. Vorbild war das Büro des Franzosen Charles Havas, das 1835 in Paris gegründet worden war. 1850 organisierte Paul Julius Reuter, ein ehemaliger Mitarbeiter von Havas, in Brüssel einen Nachrichtendienst zwischen Aachen und Brüssel, zunächst noch mit Brieftauben. Nachdem 1851 ein Unterseekabel zwischen Calais und Dover verlegt worden war, ließ sich Reuter in London nieder. Ab dem Ende der 1850er Jahre bestanden zwischen Wolff, Havas und Reuter Abkommen über den gegenseitigen Austausch von Nachrichten. Nach dem Kartellvertrag vom 1. Februar 1870 berichtete Reuter über Großbritannien und Ostasien, Havas über die romanischen Länder und Wolff über das Deutsche Reich, dessen Kolonien sowie Nord- und Osteuropa. Seit 1865 war das „Wolffsche Telegraphenbureau“ eine offiziöse Institution unter direkter Kontrolle der preußischen Regierung.

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c. „Amerikanismus“ im Zeitungswesen,6 bezüglich der Stoffverteilung und der relativen Bedeutung der einzelnen Zeitungs-Rubriken. Genaue Analyse der geschäftlichen Eigenart amerikanischer Zeitungen, Eindringen dieser Eigenart bei uns, Grund warum, oder eventuell Grund warum nicht. d. Art der Stoffverteilung innerhalb des Personals: Mittel der Aufrechterhaltung der „Einheitlichkeit“ in der Haltung der Zeitung (Redaktionskonferenzen pp.) Arth der Zentralisierung der Leitung der Zeitung. 3. Annoncendienst und Annoncen-Acquisition. Analyse der geschäft­ lichen Seite der großen Annoncenunternehmungen. Möglichkeit der Abschätzung der Annoncenwirkung. (Grundlagen der s. Z. erörterten  Scherl’schen Pläne gegenüber dem Postgeheimnis).7 Entwicklung spezifischer Annoncenzeitungen. Analyse des i„Lokal-Anzeiger“-Typusi.8 Gründe des Vordringens dieses Typus. Verh  In A folgt: und 〈Maß〉    i–i A: „Lokal-Anzeiger“Typus   6  Das Stichwort umschreibt die Kommerzialisierung des Zeitungsgeschäftes, die plakative Aufmachung der Zeitung und die entsprechenden redaktionellen Veränderungen. Obwohl diese Entwicklung in Deutschland erst während des Ersten Weltkrieges einsetzte, wurde bereits um 1910 unter „Amerikanismus“ die Verdrängung der „anständigen“ Parteipresse durch ein „großkapitalistisches Zeitungsunternehmertum“ verstanden und die starke Beeinflussung der Leser durch das Inseratenkapital beklagt. Man befürchtete, daß in einer noch weiter amerikanisierten Presse schließlich alles, vom Leitartikel bis zur Lokalnotiz, zu kaufen wäre. Vgl. Hammer, Walter, Die Generalanzeiger-Presse ein Herd der Korruption, 3.  Aufl. – Leipzig: Dr. Hugo Vollrath 1912, S.  11. Mit der Formulierung „‚Amerikanismus’ im Zeitungswesen“ umriß Weber ein Forschungsthema, das von der zeitgenössischen Literatur zwar bereits angesprochen, aber noch nicht ausgeführt worden war. Vgl. Löbl, Kultur und Presse, S.  153 f. Erst Emil Dovifat behandelte das Thema in seiner Karl Bücher gewidmeten Arbeit ausführlich. Vgl. Dovifat, Emil, Der Amerikanische Journalismus. – Berlin und Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart 1927, sowie Groth, Otto, Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik), 1.  Band. – Mannheim, Berlin, Leipzig: J. Bensheimer 1928, S.  343–349. 7  Die Kunden bestellten und bezahlten ursprünglich ihre Zeitung bei der Reichspost. Diese gab den Zeitungsunternehmen nur die Zahl der bestellten Exemplare, nicht aber Namen und Wohnort ihrer Besteller an. Der Vertrieb erfolgte durch Spediteure der Reichspost. Der Zeitungsverleger August Scherl (1849–1921), der 1883 in Berlin ein neues Wochenblatt, den Berliner Lokal-Anzeiger, begründete, umging dieses Postgeheimnis, indem er allen im Berliner Adressbuch aufgeführten Haushalten ein Exemplar des Berliner Lokal-Anzeigers durch eigene Träger zustellen ließ. Diese nahmen dann die Abonnements entgegen und wurden so zum Bindeglied zwischen Verlag und Leser. Vgl. Weber, Vorbericht, unten, S.  218, Anm.  18. 8  Der General- oder Lokalanzeiger war im Gegensatz zu den Nachrichten- und programmgebundenen Zeitungen (zur Klassifikation Max Webers vgl. Weber, Vorbericht,

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gleiche mit dem Auslande (z. B. auch Unterschied je nach mehr oder minder vorherrschendem Einzelverkauf?)[.] V. Einnahmen der Zeitung. Entwicklung der Größe der Auflage und des Maßes des Annoncierens. Schranken des Annoncierens und Tendenz zum Ersatz desselben (Annonce und Plakat, Zeitungs- und Fachzeitschriften-Annonce)j. Durchrechnung einiger zeitlich auseinanderliegender Jahrgänge typischer großer und kleiner Zeitungen nach Raumumfang oder nach der Art des Bedarfs, dem die Annonce dient, zur Feststellung von Entwicklungstendenzen. Rentabilität der Annoncenkategorien. Speziellk zu erörtern: Arbeits-, Miets- und Heiratsannoncen. Endlich auf Grund aller dieser Feststellungen: VI. Konkurrenzl und Monopol auf dem Gebiete der Presse. Aufkäufe von Zeitungen durch andere (z. B. „Kreuzzeitung“)9, Arten und Mittel der Konkurrenz. Faktische Monopolpositionen der einmal bestehenden Zeitungen: Maximum in Amerika (wegen

j  Schließende Klammer fehlt in A.   k A: speziell  l A: Konkurrenzunten, S.  218) ein anzeigenbetonter Zeitungstyp, der von der raschen industriellen Entwicklung und der damit einhergehenden Ausweitung der wirtschaftlich orientierten Presse profitierte. Um Anzeigenkunden zu gewinnen, wurde der durch Anzeigen finanzierte Generalanzeiger zeitweise gratis verteilt. Nach einer Frist folgte dann die Umstellung auf Abonnements mit monatlicher Zahlung sowie die Koppelung an eine Versicherung für die Abonnenten. Das Vorbild stammt aus Frankreich, wo Emile de Giradin (1806–1881) 1836 mit La Presse das Muster einer billigen, durch Anzeigen finanzierten Zeitung geschaffen hatte, und aus den USA, wo James Gordon Bennett (1795–1872) seit 1835 mit dem New York Herald etwas ähnliches versuchte. In Deutschland etablierte sich seit 1845 der Leipziger Generalanzeiger als die älteste Zeitung dieser Art, wirklichen Erfolg hatte aber erst der von August Scherl ab 1883 herausgegebene Berliner Lokal-Anzeiger. Seit 1885 erschien das Blatt wöchentlich mit einer Auflage von 150.000 Exemplaren zu einem monatlichen Bezugspreis von einer Mark. Der redaktionelle Teil enthielt Nachrichten aus aller Welt. Das Hauptgewicht lag auf den Lokalnachrichten. Der Inhalt des Blattes war auf die Bedürfnisse der breiten Leserschichten abgestimmt. 9  Gemeint ist die 1848 in Berlin gegründete Tageszeitung Neue Preußische Zeitung. Wegen ihres von dem Wahlspruch „Vorwärts mit Gott für König und Vaterland“ eingerahmten Eisernen Kreuzes im Titelkopf wurde sie auch Kreuzzeitung genannt. Seit 1911 führte sie diesen Namen im Titel (Neue Preußische Kreuzzeitung). Die Kreuzzeitung war Organ der evangelischen Hochkonservativen. Mitarbeiter waren u. a. Otto von Bismarck und Theodor Fontane. Im März 1891 wurde das Deutsche Tageblatt von der Kreuzzeitung aufgekauft und am 1. April 1891 aufgelöst. Vgl. Bussiek, Dagmar, „Mit Gott für König und Vaterland!“. Die Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung) 1848–1892. – Münster: LIT Verlag 2002, S.  272.

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der – zu analysierenden – Wirkung der im Besitz der bestehenden Blätter befindlichen mAssociated Pressm im Nachrichtendienst). Grad der Zurückdrängung der Konkurrenz durch das Monopol bei uns. Geringere Bedeutung der monopolistischen Position der einmal bestehenden Blätter bei herrschendem Einzelverkauf? In welchem Maße bedeutet herrschender Einzelverkauf überhaupt: stärkeren Wechsel der gelesenen Zeitung durch das Publikum, günstigere Chancen neu entstehender Blätter oder qualitativ sich verbessernder Blätter? Konkurrenz der Zeitungstypen: Gründe des Untergangs z. B. nvon Typen wie:n „Allgemeine Zeitung“, in Konkurrenz mit den Münchner Neuesten Nachrichten10 usw. Wie weit wirken rein geschäftliche, wie weit ideelle (politische u. andere) Gründe?o Welche Typen (nach Stoffgehalt usw.) siegen? Tendenzen zur regionalen Monopolisierung der politischen Information (z. B. Position der „Frankfurter Zeitung“ in Süddeutschland:11

m A: Press-Association  n  Zu erwarten wäre: eines Typus wie   o A: Gründe. 10  Die Münchner Neuesten Nachrichten wurden 1848 von einem Werkmeister einer Druckerei, der sich einen Nebenerwerb schaffen wollte, herausgebracht. Die Zeitung enthielt zunächst eine Zusammenstellung von Nachrichten aus fremden Blättern und Anzeigen. 1864 kaufte Julius Knorr die Zeitung und stellte sie unter die Leitung des Publizisten August Vecchioni. Unter der Verlegerschaft von Georg Hirth, dem Schwiegersohn Knorrs, entwickelten sich die Münchner Neuesten Nachrichten zu einem weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannten, liberalen Blatt, das auch in Österreich und Italien Absatz fand. Mit der 1908 erfolgten Umwandlung der Allgemeinen Zeitung in ein Wochenblatt und dem Wechsel ihres Chefredakteurs Martin Mohr zu den Münchner Neuesten Nachrichten setzte der Niedergang der Allgemeinen Zeitung ein. Zu deren Geschichte oben, S.  143, Anm.  3. 11  1856 gründeten die Bankiers Leopold Sonnemann und H. B. Rosenthal den „Frankfurter Geschäftsbericht“. Das Blatt brachte informierende Artikel über die Aktienmärkte, verbunden mit den telegraphischen Berliner Börsenberichten. Sonnemann wollte damit der Spekulation entgegentreten und sich für die Seriosität des deutschen Aktienwesens einsetzen. Bereits einen Monat nach der Gründung erschien das Blatt unter dem Namen Frankfurter Handelszeitung. 1859 übernahm der Journalist und Volkswirt Max Wirth die Redaktion. Er erweiterte das Handels- und Wirtschaftsblatt um einen allgemeinen und politischen Teil, dessen politische Ausrichtung Sonnemann bestimmte. Das Blatt galt von nun an als fortschrittliche, politische Zeitung, 1866 wurde sie in Frankfurter Zeitung umbenannt. Im Wettbewerb der überregionalen, außerhalb Berlins erscheinenden Tageszeitungen führten die Münchner Neuesten Nachrichten seit der Jahrhundertwende mit einer Auflage von 98.000 (1901). Damit ließen sie die für den süddeutschen Raum wichtigen Zeitungen wie Frankfurter Zeitung oder Kölnische Zeitung weit hinter sich. Vgl. Heenemann, Horst, Die Auflagenhöhen der deutschen Zeitungen. Ihre Entwicklung und ihre Probleme, Diss. Leipzig 1929, S.  84 f.

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Fehlenp  oder Rückgang aller anderen großen Organe selbst in den süddeutschen Residenzen. Gründe?)[.] B. Die Zeitungsgesinnung. I. Die Beeinflussung der Gesinnung der Zeitung von außen her 1. Grad des Gebundenseins der formal „freien Zeitung“ an ihre Tradition. Vergleiche mit dem Ausland. Mittel dieser Bindung: Durch die Besitzer oder Aktionäre (cf. A I),12 durch die Käufer, durch offiziöse und ähnliche Einflüsse. Vordringen der gesinnungslosen Zeitung. Analyse des Typus „Tägliche Rundschau“13 und ähnlicher. Spezielle Analyse des Handelsteiles in bezug auf die Provenienz der Information und desq Urteiles, unter Vergleich mit dem Ausland. Verhältnis zu den Banken und anderen Interessenten als Informationsquellen. Gesinnungswandel großer Zeitungen. In welchem Maße empfangen die Zeitungen private und spontane Zuschriften ihrer Leser, oder welche andere Mittel der Fühlung mit dem Leserkreise wenden sie an? 2. Die „unfreie“ Zeitung. a) Katholische Presse. Art ihrer Gründe, Finanzierung, Leitung und Beeinflussung, Grund (und Schwanken) der relativen Selbständigkeit einzelner Blätter:Analyse der Typen „Kölnische Volkszeitung“14 einerseits, der „Kaplanspresse“15 andererseits. Provenienz der Redakteure. Machtverteilung zwischen Presse, Organisationen und

p A: Fehler  q  Fehlt in A; des sinngemäß ergänzt. 12  Oben, S.  142. 13  Die Tägliche Rundschau wurde 1881 von Bernhard Brigl in Berlin gegründet. Das Blatt verstand sich anfangs als reines Unterhaltungsblatt, als „Zeitung für Nichtpolitiker, zugleich ein Ergänzungsblatt zu den politischen Organen jeder Partei“, und widmete sich der Kunst, Literatur und Musik. Später neigte es der Nationalliberalen Partei zu. 14 Die Kölnische Volkszeitung wurde 1860 unter dem Titel „Kölnische Blätter“ von Josef Bachem, einem katholischen Buchhändler und Buchdrucker, gegründet. Das Blatt sollte eine katholische, aber politisch unparteiische Zeitung sein. Bald entwickelte es sich zu einer der führenden katholischen Zeitungen Deutschlands. Während des Kulturkampfes setzte es sich für die Zentrumspartei ein. 15  Im Kulturkampf entstandene Bezeichnung für die Verbandspresse des politischen Katholizismus. Prominentester „Preßkaplan“ war der Priester und Publizist Georg Friedrich Dasbach, der von seinen Gegnern „Centrums-Scherl der Rhein-Provinz“ genannt wurde. Vgl. Fohrmann, Ulrich, Trierer Kulturkampfpublizistik im Bismarckreich. – Trier: Paulinus Verlag 1977, S.  5.

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offiziellen Kirchengewalten. Vergleich mit dem Auslander (Amerika, Frankreich, Österreich). b) Sozialdemokratische Presse. Besonderheiten ihrer Existenzbedingungen. Offizielle und faktische Beziehungen zur Parteileitung, zu lokalen Parteigruppen, zu Gewerkschaften und andren Interessenten. Provenienz und Brevier sozialdemokratischer Redakteure. Faktische Monopole (Vorwärts)16 und Machtverteilung innerhalb der Presse und zwischen Presse, Organisationen, Interessenten und „Intellektuellen“. c) Interessentenpresse: „Deutsche Tageszeitung“17 und ähnliche.  Verhältnis der politischen Parteien zur freien Presse. Faktische Machtverteilung in den einzelnen Parteien. II. Produktion öffentlicher Meinungen durch die Presse. 1. Vergleichende Analyse der Art der Zeitungslektüre im Auslands (z. B. Amerika, Frankreich) und bei uns. 2. Quantitative Vergleichung der Zeitungslektüre (hierfür besonders Analyse der Lokalblätter bei uns und im Auslande)t, im Süden, Osten und Westen Deutschlands. 3. Welche andere Lektüre-Objekte verdrängt die Presse?u (Klassisches Beispiel, Rußland vor und nach Gewährung der – relativen – Preßfreiheit. Verdrängung der Zeitschriften, Umwälzungen in der Art der Lektüre.)18 r A: Auslande.  s A: Ausland,  t  Schließende Klammer fehlt in A.   u A: Presse: 16  Bei Erlaß des Sozialistengesetzes 1878 existierten 42 politische Zeitungen, die der SPD nahestanden. Zusammen mit dem Unterhaltungsblatt „Die neue Welt“ hatten sie etwa 100.000 Abonnenten. Fast alle mußten unter dem Sozialistengesetz ihr Erscheinen einstellen. Nach dessen Fall 1890 bediente sich die Sozialdemokratische Partei fortan des größten Lokalblattes, des 1884 auf Veranlassung der Parteileitung gegründeten Berliner Volksblattes. Auf dem Parteitag in Halle 1890 wurde es offiziell der Partei zur Verfügung gestellt und trug vom 1. Januar 1891 an den Namen: Vorwärts, Berliner Volksblatt, Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Damit knüpfte es an den von 1876–1878 bestehenden und von Wilhelm Liebknecht und Wilhelm Hasenclever redigierten Vorwärts an. Die Kontrolle des Blattes wie die Anstellung oder Entlassung der Redaktionsmitglieder lag in den Händen des Parteivorstandes sowie einer von den Berliner Sozialdemokraten gewählten sog. Presskommission. Vgl. Groth, Otto, Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik), Band 2. – Mannheim, Berlin, Leipzig: J. Bensheimer 1929, S.  400–418. 17  Die Deutsche Tageszeitung wurde 1894 vom „Bund der Landwirte“ gegründet, um deren Interessen zu vertreten, vor allem in der Zollpolitik. Sie entwickelte sich zu einer der großen politischen Tageszeitungen Deutschlands. 18  Weber spielt hier auf die Lockerung der Zensurmaßnahmen durch das „Manifest vom 17. Oktober 1905“ an. Damit und mit den erneut einsetzenden Zensurmaßnah-

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4. Zu welcher Art von Lektüre erzieht die Presse? (Klassisches Beispiel: „Magazine“-Wesen in Amerika)v.19 Maß und Art des Parallelismus und Antagonismus von Zeitungsund anderer Lektüre. 5. Art der Ansprüche an den Inhalt der Presse je nach Geschlecht, Beruf, sozialer Schicht im In- und Auslande (u. a.: die wissenschaftlichen und kritischen „Beilagen“ im Vergleich mit den wissenschaftlichen Fachorganen). Das „Briefkasten-Wesen“20 der Zeitungen und seine „Kultur“. 6. Das Maß der Diskretion der Presse. Analyse der Schund- und Revolverpresse an Beispielen.  A (6)

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Art der Bearbeitung. Zur Fragebogenbearbeitung würden sich wohl nur einige Partien sub A, ferner B II21 eignen. Fast alles andere müßte der Enquête durch ausgewählte Mitarbeiter überlassen werden. In erster Linie käme für die grundlegenden statistischen Unterlagen wohl Dr. Hjalmar Schacht in Betracht, der unbedingt seine jetzt 10 Jahre alte Arbeit (bei Conrad)22 abermals und unter Heranziehung z. B. v  Schließende Klammer fehlt in A. men im „‚zeitweilige[n] Reglement über die Presse’ vom 24. November (7. Dezember) 1905“ hatte er sich ausführlich in seiner Schrift „Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus“ (MWG I/10, S.  281–680, bes. S.  321) auseinandergesetzt. Infolge der neuen Pressefreiheit wurde Rußland von Flugblättern, Zeitungen und Zeitschriften regelrecht überschwemmt. In Sankt Petersburg wurden innerhalb von acht Wochen 400 neue Blätter angekündigt. Vor allem liberale Blätter erzielten nun hohe Auflagen. Der bis dahin bestehende Absatz illegaler, vor allem im Ausland hergestellter Presseerzeugnisse brach zusammen. Vgl. Kluge, Ernfried, Die russische revolutionäre Presse in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. – Zürich: Artemis 1948. 19  Als „Magazin“ wurde eine monatlich oder vierteljährlich erscheinende Zeitschrift mit einem großen Mitarbeiterkreis bezeichnet, die ihr Lesepublikum auf unterhaltsame (mit Erzählungen und Illustrationen) oder wissenschaftliche Weise (mit Aufsätzen) anspricht. Der Begriff stammt aus dem Arabischen („machzin“ = Vorratshaus). Als Erfinder des Magazins gilt William Randolph Hearst, der um 1900 mit dem Sunday Supplement, das dem New York Journal beilag, mit Pulitzers New York World konkurrieren wollte. 20  Zur Förderung eines engen Leser-Blatt-Verhältnisses unterhielten die Familienzeitschriften eine „Briefkasten“ genannte Rubrik, in der Leserbriefe und Antworten der Redaktion abgedruckt wurden. 21  Oben, S.  148 f. 22  Gemeint ist: Schacht, Statistische Untersuchungen, die 1898 erschienen waren.

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der Fragen sub A I,23 und wenn er Neigung hat, möglichst noch andere, für die Gegenwart machen sollte. Die Änderungen seit 1897 sind sicher enorme. Kosten müßte man ihm im vorweg ersetzen. (Subskription nach meinem Vorschlage). Ferner wären m. E. die Herren Dr. Wettstein-Zürich, Prof. von Wenckstern-Breslau und Prof. Thiess-Danzig anzugehen, ob sie etwas und was sie eventuell zu übernehmen geneigt wären. Die vorliegenden Zeitungsgeschichten (Kölnische, Allgemeine, Schlesische, Frankfurter, Schwäbischer Merkur etc.)24 wären heranzuziehen. In das Arbeitscommittee würde man wohl jedenfalls außer Brunhuber auch Jastrow (die beste Analyse des Scherl’schen Geschäftsgebahrens25 hörte ich einmal in einer Diskussion von ihm) und Naumann (hat recht erhebliche Erfahrungen)[,] ferner möglichst Friedrich Dernburg, Frentzelw (beide speziell auch für die Entwicklung des Feuilletons) heranziehen müssen, wenn sie irgend zu haben sind. Für den Handelsteil würde meines Erachtens Bernhard (Plutus) Unersetzliches leisten können, u. a. für die Bankbeziehungen (NB. wenn er will!). Für Kritik und Qualität der Handelsberichterstattung wäre eventuell Dr. Meerovichx (hier)26 mit zu brauchen, der sie sehr genau studiert hat. Die Zerlegung und Verteilung der Arbeit könnte m. E. erst, nachdem man weiß, welche Persönlichkeiten aktiv mitmachen,

w A: Frenzel  x A: Meyerowitsch 23  Oben, S.  142. 24 Über diese, von Weber genannten Zeitungen existierten bereits Monographien: Cardauns, Hermann, Fünfzig Jahre Kölnische Volkszeitung. – Köln: Bachem 1910; Dieudonné, Franz, Die Kölnische Zeitung und ihre Wandlungen im Wandel der Zeiten. – Berlin: Hermann Walther 1903; Heyck, Eduard, Die Allgemeine Zeitung 1798–1898. Beiträge zur Geschichte der deutschen Presse. – München, Leipzig: E. F. Steinacker 1898; Weigelt, Carl, 150 Jahre Schlesische Zeitung. Ein Beitrag zur Schlesischen Kulturgeschichte. – Breslau: Wilhelm Gottlieb Korn 1892; Geschichte der Frankfurter Zeitung 1856–1906, hg. vom Verlag der Frankfurter Zeitung. – Frankfurt a. M.: Osterrieth 1906; Elben, Otto, Geschichte des schwäbischen Merkurs. – Stuttgart: Neff 1885. 25  Zum Zeitungsverleger August Scherl und seinem Wochenblatt Berliner Lokal-Anzeiger vgl. oben S.  145, Anm.  7, und S.  145 f., Anm.  8. Auf welchen Diskussionsbeitrag von Ignaz Jastrow Max Weber hier anspielt, konnte nicht ermittelt werden. Beide waren Mitglieder des Vereins für Socialpolitik und der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. 26  Gemeint ist wohl Gregor Meerovich.

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Disposition für eine Untersuchung des Zeitungswesens

unternommen werden. Für die sozialdemokratische Presse vielleicht Dr. yMichels-Turin.y27

y A: Michels-Turin! 27  Robert Michels geht in seinem Aufsatz „Die deutsche Sozialdemokratie“, in: ­AfSSp, Band 23, 1906, S.  471–556, am Rande auch auf die sozialdemokratische Presse ein (ebd., S.  471, 530 f.). Von den Kandidaten erklärten sich offenbar nur Robert Michels, Hjalmar Schacht und Oskar Wettstein zu einer Mitarbeit bereit. Vgl. die Mitarbeiterliste, die Weber seinem Brief an Hermann Beck, vor dem 16. Febr. 1911, MWG II/7, S.  98 f., beilegte.

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[Über Ausrichtung und Vorgehen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Als (provisorischer) Ausschußvorsitzender der DGS versandte Max Weber im Juni 1909 einen von ihm unterzeichneten Rundbrief, mit dem er für die neu gegründete Deutsche Gesellschaft für Soziologie warb. Diesem Brief lagen die „Einladung zum Beitritt zu der am 3. Januar 1909 in Berlin gegründeten ‚Deutschen Gesellschaft für Soziologie‘“ und ein Beitrittsformular bei. Bei der Gründung der DGS am 3. Januar 1909 wurden gemäß den „Satzungen“1 ein Vorstand, bestehend aus fünf Personen, und ein Vorsitzender des Ausschusses gewählt. Dem Vorstand gehörten an: Hermann Beck (Schriftführer), Heinrich Herkner, Georg Simmel, Ferdinand Tönnies und Al­fred Vierkandt.2 Der Ausschuß, ein zwischen Vorstand und Mitgliederversammlung stehendes Organ der DGS, hatte – laut „Einladung zum Beitritt“ von 19093 – zu diesem Zeitpunkt 33 Mitglieder, darunter Max Weber. Als Ausschußvorsitzender wurde zunächst Kurt Breysig gewählt. Aufgrund eines Einspruchs von Ferdinand Tönnies, den der Vorstand in seiner Sitzung am 30. Januar 1909 akzeptierte, mußte diese Wahl wiederholt werden. Sie wurde schriftlich durchgeführt. Es beteiligten sich 16 Ausschußmitglieder. Dabei erhielt Max Weber die meisten Stimmen.4 Bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am 14. Oktober 1909 in Leipzig agierte er als (provisorischer) Ausschußvorsitzender. Dieses Amt wurde dann auf sein Betreiben hin abgeschafft und statt dessen das Amt des Rechners neu eingeführt. In Leipzig wählte man auf der Grundlage des inzwischen geänderten Statuts5 1  Vgl. §  6 der Satzungen, abgedruckt als Teil der Einladung zum Beitritt zu der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Berlin, 17. Januar 1909, S.  5–7, hier S.  6, überliefert in: GStA PK, VI. HA, Nl. Werner Sombart, Nr.  18b (hinfort: Berliner Statut), abgedruckt in Anhang II, unten, S.  858. 2 Die Namen sind im Anschluß an die Einladung zum Beitritt (wie vorhergehende Anm.), S.  3, angeführt. 3  Vgl. den von Max Weber mitunterzeichneten Aufruf zum Beitritt, unten, S.  824–830. 4  Vgl. dazu die Einladung von Hermann Beck vom 4. März 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.11). 5  Vgl. Statut der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, überliefert als Beilage zum Brief an Wilhelm Windelband vom 29. Mai 1910, abgedruckt in: MWG II/6, S.  548–553, ebenso in Anhang II, unten, S.  859–863.

154 Über Ausrichtung und Vorgehen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

anstelle des Vorstands mit fünf Personen drei Vorsitzende (Ferdinand Tönnies, Georg Simmel und Werner Sombart).6 Diese kooptierten vier weitere Personen (Hermann Beck, Alfred Julius Ploetz, Alfred Vierkandt und Max Weber), so daß der Vorstand aus insgesamt sieben Mitgliedern bestand. Zudem wurde Max Weber mit dem neu geschaffenen Amt des Rechners betraut. Auch nach seinem Austritt aus dem Vorstand im Januar 1911 führte er dieses Amt provisorisch weiter. Der Rechner hatte außer der Pflicht der Rechnungsprüfung auch das Recht der Teilnahme an den Sitzungen des Vorstands und der Ausschüsse.7 Weber legte dann auch dieses Amt nieder und trat schließlich im Januar 1914 aus der Gesellschaft aus. Außer der Funktion Max Webers in der DGS und der gedruckten Datumsangabe „Juni 1909“ sind keinerlei Hinweise auf die Entstehung des Rundbriefes bekannt. Auch eine Adressatenliste ist nicht erhalten. Vorangegangen sind allgemeiner gehaltene Beitrittsaufrufe vom Dezember 19088 und vom Januar 1909, die Max Weber mitunterzeichnet hat.9

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Zum Abdruck gelangt ein dreiseitiger gedruckter Text, der sich im BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr.  67, Bl. 89–91 (A), befindet. Die erste Seite versah Weber mit dem handschriftlichen Zusatz „für Lujo Brentano“.10 Der hier gedruckte Text weist zwei handschriftliche Änderungen von fremder Hand auf. Da eine der beiden Änderungen einen Druckfehler betrifft, wird diese ohne Nachweis übernommen. Die andere ist sachlich falsch und bleibt unberücksichtigt. Hervorhebungen in der Textvorlage sind im allgemeinen gesperrt, bei der Anrede jedoch kursiv und bei der ersten Nennung der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ sowie der Unterschrift fett gedruckt. Alle Hervorhebungen werden hier einheitlich kursiv wiedergegeben. Eckige Klammern in der Textvorlage werden stillschweigend in runde

6  Vgl. dazu §  12 des Leipziger Statuts, unten, S.  861, sowie die Einladung zur außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS am 14. Oktober 1909 mit Hinweis auf den Tagesordnungspunkt Nr.  3, Wahl des Vorstandes (SHLB Kiel, Nl. Ferdi­nand Toennies, Cb 54.61:1.2.11). Ein Protokoll dieser Sitzung ist im Nl. Toennies nicht nachgewiesen. 7  Vgl. §  33 des Leipziger Statuts, unten, S.  863. 8  Vgl. Weber, Einladung zum Beitritt 1908, unten, S.  819–823. 9  Vgl. Weber, Einladung zum Beitritt 1909, unten, S.  824–830. 10  Der speziell an Brentano gerichtete Begleitbrief ist unter den Briefen Max Webers ediert. Vgl. das Schreiben Max Webers an Lujo Brentano vom Juni 1909, MWG II/6, S.  138.

Editorischer Bericht

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Klammern umgewandelt. Die Einladung ist überschrieben mit „Hochgeehrter Herr“ und schließt mit „gez. Prof. Max Weber“. Der Titel ist vom Editor gebildet und in eckige Klammern gestellt. Die Archivpaginierung wird marginal als A 89 etc. mitgeführt.

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[Über Ausrichtung und Vorgehen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie] Heidelberg, Juni 1909.

[A 89]

Hochgeehrter Herr! Beifolgend gestatte ich mir, Ihnen die Einladung zum Beitritt zu der in Berlin gegründeten „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ zu übersenden,1 aus welcher Sie sowohl deren allgemeinen Zweck, wie den derzeitigen (provisorischen) Bestand des Vorstandes und des Ausschusses,2 und die für die Gesellschaft hauptsächlich in betracht kommenden Arbeitsgebiete ersehen wollen. Indem ich noch bemerke, daß die Wahl eines Vorsitzenden der Gesellschaft – voraussichtlich aus den in Berlin wohnenden, derzeitigen Vorstandsmitgliedern3 – definitiv in der nächstjährigen Mitgliederversammlung vorgenommen werden soll,4 und daß den Vorsitz im Ausschusse vorläufig ich übernommen habe,5 diese Stellung jedoch abzugeben gedenke, sobald die Arbeiten der Gesellschaft vorläufig in die Wege geleitet sind, gestatte ich mir, über die für die nächste Zeit beabsichtigte Art des Vorgehens den Ausführungen der „Einladung“6 noch folgendes hinzuzufügen: 1  Vgl. Weber, Einladung zum Beitritt 1909, unten, S.  824–830. 2  Zur Organisation der DGS Mitte 1909 und der Funktion Max Webers als Ausschußvorsitzender vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  153 f. 3  In Berlin wohnten Hermann Beck, Heinrich Herkner, Georg Simmel und Alfred Vierkandt. 4  Das Berliner Statut §  12 und 13 sah zwei Vorsitzende vor: Einen Vorsitzenden des Vorstandes und einen des Ausschusses (vgl. unten, S.  859). Max Weber mahnt hier – wie auch in seinem Brief an Heinrich Herkner vom 7. April 1909 (MWG II/6, S.  90 f., hier S.  91) – die baldige Wahl eines Vorsitzenden des Vorstandes, also der Gesellschaft, an. Er wollte Herkner für dieses Amt gewinnen, der aber schließlich absagte. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS am 14. Oktober 1909 in Leipzig wurde dann kein Vorsitzender des Vorstandes, sondern ein Dreiervorstand mit Ferdinand Tönnies, Georg Simmel und Werner Sombart gewählt. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  153 f. mit Anm.  6, und MWG II/6, S.  91 f., Anm.  6. 5  Obwohl Weber aus gesundheitlichen Gründen keine Ämter übernehmen wollte (vgl. Brief Max Webers an Heinrich Herkner vom 29. März 1909, MWG II/6, S.  86–88, hier S.  86), nahm er seine im Frühjahr 1909 erfolgte Wahl zum provisorischen Ausschußvorsitzenden (nicht zu verwechseln mit dem Vorstandsvorsitzenden) überraschenderweise an. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  153 mit Anm.  4. 6  Vgl. Weber, Einladung zum Beitritt 1909, unten, S.  824–830.

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Die Gesellschaft soll, dem ganzen Sinn ihrer Gründung nach, einen rein objektiv wissenschaftlichen Charakter haben. Es folgt daraus, daß jede Art von politischer, sozialpolitischer, sozialethischer oder irgend welcher sonstigen Propaganda für praktische Ziele oder Ideale innerhalb ihrer oder unter ihrem Namen ausgeschlossen sein muß.7 Sie darf sich nur in den Dienst der Erforschung von Tatsachen und ihrer Zusammenhänge stellen. Es wird s. Z. zu erörtern sein, ob es sich nicht empfiehlt, dies auch im Statut ausdrücklich festzulegen.8 Die wissenschaftlichen Ziele der Gesellschaft sollen gefördert werden: I. Durch die jährlichen, im Ort wechselnden, Soziologentage9 mit Vorträgen hervorragender Fachmänner über vorher durch den Ausschuß zu genehmigende, und wenn nötig und möglich, durch Publikationen (s. Nr. II) vorzubereitende Themata mit Diskussionen. Angesichts der in ihren methodischen Prinzipien sehr verschiedenen Richtungen in der Soziologie wird der nächstjährige Soziologentag voraussichtlich so gestaltet werden, daß möglichst jede der verschiedenen Methoden durch einen hervorragenden Vertreter an einem sachlichen Problem ihre Leistungsfähigkeit darzulegen Gelegenheit hat. II. Durch fortlaufende Publikationen, welche, ebenso wie die Stenogramme der Verhandlungen der Soziologentage, an die Mit7  Weber grenzt sich hier von Rudolf Goldscheid ab, der 1907 die „Soziologische Gesellschaft“ in Wien mitgegründet hatte. Diese Gesellschaft verfolgte in erster Linie praktische Ziele. Sie wollte Soziologie als Studienfach etablieren und das Fach in den Schulen als Bestandteil politischer Bildung aufwerten. 8  In §  1 des Berliner Statuts vom Januar 1909 ist der Zweck der DGS allgemein formuliert als „die Förderung der soziologischen Forschung und die Verbreitung soziologischer Kenntnisse“ (vgl. unten, S.  857). Dagegen betont §  1 des Leipziger Statuts, verabschiedet auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS vom 14. Oktober 1909, viel stärker (durch Webers Statutenänderung) den wissenschaftlichen Charakter der DGS: „Ihr Zweck ist die Förderung der soziologischen Erkenntnis durch Veranstaltung rein wissenschaftlicher Untersuchungen und Erhebungen, durch Veröffentlichung und Unterstützung rein wissenschaftlicher Arbeiten und durch Organisation von periodisch stattfindenden deutschen Soziologentagen. Sie gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum […].“ Vgl. unten, S.  860. 9 Dies wurde in §  1 des Leipziger Statuts festgeschrieben (vgl. die vorangehende Anm.). Der Erste Deutsche Soziologentag fand unter Webers Vorbereitung und Beteiligung vom 19. bis 22. Oktober 1910 in Frankfurt a. M., der zweite vom 20. bis 22. Oktober 1912 in Berlin statt.

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glieder verteilt werden, in ähnlicher Art, wie dies z. B. auf seinem Gebiet in mustergültiger Weise der „Verein für Sozialpolitik“ tut.10 Bezüglich dieser Publikationen gestatte ich mir zur vorläufigen Orientierung noch folgendes hinzuzufügen mit der Bitte jedoch, diese Bemerkungen als der Öffentlichkeit gegenüber durchaus vertraulich zu behandeln, da es sich hierbei um noch schwebende Projekte handelt, welche der Erörterung und Genehmigung durch den Ausschuß bedürfen. Je nach dem Thema würden offenbar zur Vorbereitung der Publikationen mehr oder minder umfangreiche Erhebungen erforderlich werden können. Die Kosten solcher Erhebungen und anderer statistischer oder sonstiger Vorarbeiten, Fragebogenversendungen,  Reisestipendien für systematische persönliche Nachfragen durch wissenschaftlich geschulte Bearbeiter, werden die aus den Mitgliederbeiträgen11 verbleibenden Überschüsse gewiß oft übersteigen. Es steht daher zur Erwägung, zur Deckung solcher voraussichtlicher Defizitea so vorzugehen: daß von den einzusetzenden Kommissionen zunächst detaillierte Arbeitspläne ausgearbeitet und, nach Begutachtung durch heranzuziehende Fachautoritäten und Gutheißung durch den Ausschuß, mit Angabe der voraussichtlichen ungedeckten Kosten zur Subskription an wissenschaftlich interessierte Korporationen, Verbände und bemittelte Privatleute in Zirkulation gesetzt werden. Von sachlichen Problemen, welche einer Erhebung und Bearbeitung durch die Gesellschaft unterzogen werden könnten, kommen für die nächste Zeit – wie ich, ebenfalls der Öffentlichkeit gegenüber vertraulich, hinzufügen kann –b, u. a. namentlich in Betracht: 1. Die Presse. Ausgehend von ihren rein geschäftlichen Existenzbedingungen und allen jenen zahlreichen gesellschaftlich bedingten Umständen, welche für die Art ihres Inhalts und ihrer Verbreitung maßgebend sind, dabei in steter Vergleichung der Verhältnisse in den Hauptkulturstaaten, würde eine solche Untersuchung natura A: Defizits  b  Gedankenstrich fehlt in A. 10 Der Verein für Socialpolitik zeichnete sich durch eine rege Publikationstätigkeit aus. Im Jahre 1908 lagen 126 Bände der „Schriften des Vereins“ vor. Vgl. Verzeichnis der Schriften des Vereins für Sozialpolitik, in: Boese, Verein, S.  305–322. 11  Der Mitgliedsbeitrag betrug 1909 jährlich mindestens 10 Mark, wie aus dem Berliner Statut 1909 (vgl. Berliner Statut §  2, unten, S.  857) hervorgeht.

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gemäß ausmünden müssen in die weit verzweigten Fragen nach der Art ihrer Einwirkung auf das gesellschaftliche Leben und auf die „Kultur“ im weitesten Sinne dieses Wortes. Es besteht begründete Aussicht, hervorragende Fachmänner für die Leitung dieser Untersuchung zu gewinnen, ebenso liegen Vorschläge zur Gestaltung des Arbeitsprogrammes vor,12 und es werden selbstverständlich vor allem die Vertreter der Presse aller Parteien um ihre Mitwirkung angegangen werden, sobald das Thema und ein provisorisches Programm von dem im Herbst zusammentretenden Ausschuß genehmigt sein und die für die Vorarbeit erforderlichen Geldmittel gesichert erscheinen werden. 2. Das Vereinswesen, ausschließlich der bereits von anderen Seiten behandelten[,] rein wirtschaftliche Interessen verfolgenden Vereinigungen (wie: Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und ähnliche), im übrigen jedoch von den rein geselligen Vereinigungen beginnend bis hinauf zu den politischen Parteien. In international vergleichender Darstellung wären die Vereine nach statistischer Bedeutung, Art der formalen Organisation und der soziologischen Struktur, der Rekrutierung, der Art und Intensität der durch sie gestifteten Beziehungen, deren Zusammenhang mit den Lebensgewohnheiten und Kulturbedingungen der einzelnen Bevölkerungsschichten und endlich die Rückwirkungen des Vereinslebens auf das persönliche Leben und auf die soziale Gruppenbildung zu untersuchen. Vorschläge für ein Arbeitsprogramm sind in Vorbereitung. Die Heranziehung auch der Formen der Geselligkeit in ihrer sozialen Bedingtheit und ihren sozialen Funktionen und Rückwirkungen läge dabei nahe. 3. Wegen des Zusammenhangs zwischen technischer Entwicklung und Kultur unter Heranziehung der psychologischen und ferner speziell auch der technologischen Fachmänner, sowie, wenn möglich, in Zusammenarbeit mit den großen Verbänden der Praktiker. Es würde hier zweifellos für die einzusetzenden Kommissionen13 vorerst die Aufgabe entstehen, diejenige (heute fast stets zu

12  Gemeint ist die von Max Weber erstellte und im Mai 1909 an die Mitglieder der DGS verschickte „Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens“, oben, S.  139–152. 13  Das Berliner Statut §  7 sah nur einen Ausschuß vor (vgl. unten, S.  858), während §§   27–31 des späteren Leipziger Statuts bereits die flexiblere Form von mehre-

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vermissende) Präzision der Fragestellungen herauszuarbeiten, welche eine erfolgreiche Inangriffnahme dieser wichtigen Probleme erst ermöglichen kann. 4. In wie weit die Gesellschaft schon in nächster Zeit die schwierigen Fragen der physischen und psychischen Degeneration durch systematische Arbeit zu fördern imstande sein wird, muß naturgemäß erst recht davon abhängen, inwieweit die auf diesem Gebiete allein kompetenten ärztlichen, speziell auch die neurologischen und psychiatrischen, Autoritäten Fragestellungen zu präzisieren vermögen, deren organisierte Bearbeitung ihnen zweckmäßig erscheint. Ganz allgemein muß natürlich die Inangriffnahme dieser Themata, welche (neben andren) als Gegenstände der ersten Arbeiten und Publikationenc der Gesellschaft zur Erwägung stehen, von der Gewinnung der geeigneten Persönlichkeiten zur Leitung und von den zu beschaffenden Geldmitteln abhängen. III. ist die Gewährung von Unterstützungen für umfangreiche wissenschaftliche (namentlich wohl: sozial- und moralstatistische und ähnliche) Arbeiten an hervorragende Gelehrte ein Programmpunkt, der praktisch erst nach hinlänglicher Kräftigung der Finanzen der Gesellschaft in Frage kommen wird. – IV. steht die Veranstaltung von Vorträgen und wissenschaftlichen Kursen im Programm der Gesellschaft: Die Pflege dieser Seite ihrer Aufgaben liegt aber der Natur der Sache nach in den Händen der Ortsgruppen,14 wo sich solche bilc A: Publikation ren Ausschüssen zur Vorbereitung und Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten (unten, S.  863) anführten. 14  Auf der gemeinsamen Sitzung des Vorstandes und Ausschusses der DGS am 7. März 1909 wurde beschlossen, daß „Ortsgruppen an allen Orten gegründet werden [sollten], wo sich Interessenten der Gesellschaft (nicht etwa nur Mitarbeiter an den Forschungsarbeiten) finden“. Protokoll der gemeinsamen Sitzung des Vorstandes und Ausschusses vom 7. März 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.5). In derselben Sitzung wurde ein Antrag Goldscheids auf baldige Gründung einer Ortsgruppe in Berlin, die im kommenden Sommer Propagandavorträge halten sollte, angenommen. Dagegen äußerte Max Weber Vorbehalte (vgl. den Brief an Heinrich Herkner vom 7. April 1909, MWG II/6, S.  90 f. mit Anm.  4). In seinem Rundschreiben vom 13. Mai 1909 an die Mitglieder des Vorstandes der DGS teilte Beck mit (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1), daß es zu einer Gründung der Berliner Ortsgruppe noch nicht gekommen sei. Im übrigen brauche eine solche Ortsgruppe eine Satzung, über die der Vorstand noch nicht gesprochen habe.

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den. Eine solche Betätigung von Ortsgruppen würde naturgemäß überall da auf mancherlei Schwierigkeiten stoßen, wo bereits „sozialwissenschaftliche“ oder wie immer sonst sich nennende Vereinigungen mit verwandten Zielen bestehen,15 zumal die Gesellschaft durchaus kein Interesse daran hätte, diesen gewissermaßen „Konkurrenz“ zu machen. Gleichwohl dürfte auch in solchen Fällen die, wenn auch nur formale, Bildung von Ortsgruppen, welche ja an sich keinerlei Verpflichtungen auferlegt, um deswillen wünschenswert sein, weil laut §  14 der Statuten16 jede mehr als zehn Mitglieder umfassende Ortsgruppe das Recht auf Vertretung im Ausschuß hat. Sie kann also, durch Delegierung eines Mitgliedes, Einfluß auf die wissenschaftliche und geschäftliche Gebahrung der Gesellschaft gewinnen, dadurch z. B. ein Übermaß von Centralisation durch den, an sich unvermeidlich an Berlin gebundenen, Vorstand hindern, vor allem auch Anträge auf Veranstaltung von Arbeiten stellen, welche die Ortsgruppe für zeitgemäß hält. Im übrigen versteht es sich von selbst, daß jede Art von selbständiger, das Interesse an den Problemen der Soziologie fördernder, Arbeit innerhalb der Ortsgruppen lebhaft begrüßt werden würde, und daß dieselben in dieser Hinsicht gänzlich freie Hand haben, vorausgesetzt lediglich, daß dadurch in die Gesellschaft keinerlei Parteiungen praktischer, sei es materieller oder ideeller, Art hineingetragen werden. Falls Sie, hochgeehrter Herr,17 wie ich hoffen möchte, den Bestrebungen der Gesellschaft Interesse entgegenbringen, ihr aber noch nicht angehören, so bitte ich Sie, Ihren Beitritt unter Benüt15  Gemeint sein könnten die Sozialwissenschaftlichen Studentenvereinigungen, die ab 1893/94 an zahlreichen deutschen Universitäten gegründet wurden. Diese organisierten Vorträge zu sozialen Fragen für Hörer aller Fakultäten, vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Die Kampfesweise des Freiherrn v. Stumm, in: MWG I/4, S.  512 f. 16  §  14 des Berliner Statuts sieht vor, daß eine Ortsgruppe, sofern noch keines ihrer Mitglieder dem Ausschuß der DGS angehört, das Recht habe, „einen Vertreter in den Ausschuß zu delegieren“. Vgl. den vollständigen Text, unten, S.  859. Zu Webers Einflußnahme auf die Statuten vgl. Weber, Statutenänderung, unten, S.  188–194. 17  In einem Brief an Heinrich Herkner vom 8. Mai 1909 sprach Weber die Kooptation von Frauen an und empfahl Helene Simon sowie Käthe Schirmacher als „die beiden einzigen Frauen, die wissenschaftliche ‚soziologische’ Leistungen aufzuweisen haben bei uns“ (MWG II/6, S.  113–117, Zitat: S.  114). Auf der Mitgliederversammlung der DGS am 19. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. wurden Helene Simon und Elisabeth Gnauck-Kühne in den Ausschuß kooptiert. Vgl. Protokoll der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt a. M. am 19. Oktober 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10.

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zung der beifolgenden Formulare anmelden zu wollen. Für weitere Auskunft stehe ich gern zur Verfügung, bin auch für alle sachlichen Anregungen und Vorschläge zur Übermittlung an Vorstand und Ausschuß dankbar. Mit vorzüglicher Hochachtung gez. Prof. Max Weber.

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[Rezension von: Franz Eulenburg, Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Franz Eulenburgs Buch über die Universität Leipzig1 wurde im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel am 12. Juli 1909 angezeigt.2 Kurz darauf schrieb Max Weber einen Brief an Eulenburg, in welchem er ihn um ein Exemplar des Werkes für eine Ankündigung im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik bat.3 Die Rezension übernahm Max Weber selbst. Sie erschien in Heft 2 des Archivs am 30. September 1909. Max Weber hielt den in Leipzig lehrenden Nationalökonomen Franz Eulenburg „für einen der tüchtigsten und leistungsfähigsten Leute auf unserm Gebiete überhaupt“ und wußte um die Beeinträchtigungen, die er als Jude in der Universitätslaufbahn hatte.4 Zu dessen Buch „Der Akademische Nachwuchs“5 schrieb er Eulenburg am 20. Mai 1908 einen ausführlichen Brief.6 Bei der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, für die „Zeitungsenquete“ und für den „Grundriß der Sozialökonomik“ warb Weber um Eulenburgs Mitwirkung. Auch empfahl er ihn mehrfach für Berufungen, zuletzt noch 1920 in München als zukünftigen Kollegen.7

1  Gemeint ist: Eulenburg, Entwicklung der Universität Leipzig, erschienen 1909. 2  Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Nr.  158 vom 12. Juli 1909, S.  8222. 3  „Wenn Sie noch Exemplare Ihres Buchs haben, so ist es sehr unrecht, wenn Sie es mir […] vorenthalten, gleichviel ob wir im Archiv vielleicht nur einen kurzen Hinweis bringen können. Sie wissen, daß mich Ihre Arbeiten – auch bei Dissenz – mehr interessieren und daß ich sie besser lese als Sie die meinigen.“ Brief Max Webers an Franz Eulenburg, nach dem 12. Juli 1909, MWG II/6, S.  172–175, Zitat: S.  173. 4  Brief an Richard Graf Du Moulin-Eckart vom 4. Mai 1907, MWG II/5, S.  287–290, Zitat: S.  290. 5  Eulenburg, Franz, Der akademische Nachwuchs. Eine Untersuchung über die Lage und die Aufgaben der Extraordinarien und Privatdozenten. – Leipzig und Berlin: B. G. Teubner 1908. 6  MWG II/5, S.  568–573. 7  Vgl. Weber, Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, unten, S.  638, Weber, Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr II, unten, S.  649 f., und Weber, Zu den Vorschlägen Johann Plenges, unten, S.  697.

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Rezension von: Eulenburg, Die Entwicklung der Universität Leipzig

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hg. von Edgar Jaffé, Werner Sombart und Max Weber, 29.  Band, Heft 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1909, S.  672–675, in der Rubrik „Literatur-Anzeiger“ erschien (A). Der Artikel ist mit „(Max Weber.)“ gezeichnet.

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[Rezension von:] Eulenburg, Professor Dr. Franz, Leipzig, Die Entwicklung der Universität Leip- [A 672] zig in den letzten hundert  Jahren. Statistische Untersuchungen. S. Hirzel, Leip- A 673 zig 1909. VIII, 216 S. M. 6.–, geb. M. 7.–. 5

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Von den Publikationen, welche anläßlich des Jubiläums der Universität Leipzig erschienen,1 ist dies die wissenschaftlich wertvollste – sehr lesenswert, obwohl sie – übrigens unter steter Vergleichung der Zustände der andern Universitäten, soweit dies z. Z. möglich – sich auf die Leipziger Verhältnisse beschränkt. Die Tabellen (am Schluß) umfassen: Inskription und Jahresfrequenz 1410–1830, Frequenz 1830 bis 1909, dieselbe nach Jahrfünft-Durchschnitten, Besuch und Anteil der Fakultäten ebenso, Heimat, Alter, soziale Herkunft, Aufenthaltsdauer der Inskribierten seit 1830 in absoluten und relativen Zahlen, Prüfungen und Promotionen, Gebürtigkeit,2 Alter, Studienzeit der Doktoranden, Budgets von 1856/7 und 1906/7. Die Darstellung schildert zunächst I. die Frequenz, durchweg auf Grund seiner bekannten (oder vielmehr: weniger als verdient gekannten) Arbeit in den Abhandlungen der philosophisch-historischen Klasse der K[öniglich] Sächs[ischen] Ges[ellschaft] der Wissenschaften von 1904;3 den Verhältnissen der anderen Universitäten entspricht die Entwicklung Leipzigs mit einigen charakteristischen Unterschieden, von denen die Stellung in der Reformationszeit ain dera für Leipzig besonders scharfenb Konkurrenz Wittenbergs, – der Rückgang im 18. Jahrhundert cin derc Konkurrenz von Göttingen und Halle, – der rapide Anstieg nach 1870 jedenfalls in einer Mehrzahl vorerst auch von Eulenburg nur hypothetisch feststellbarer Ursachen – der relativ langsamere a A: durch die   b A: scharfe  c A: durch die   1  Zum 500-jährigen Jubiläum der 1409 gegründeten (Königlichen Sächsischen) Universität Leipzig erschien 1909 eine von Rektor und Senat herausgegebene Festschrift in fünf Bänden: Friedberg, Emil, Die Leipziger Juristenfakultät, ihre Doktoren und ihr Heim. – Leipzig: Hirzel 1909; ders., Die Institute und Seminare der philosophischen Fakultät an der Universität Leipzig, 2 Bände, ebd. 1909; Kirn, Otto, Die Leipziger Theologische Fakultät in fünf Jahrhunderten, ebd. 1909; ders., Die Institute der medizinischen Fakultät an der Universität Leipzig, ebd. 1909, sowie der von Weber besprochene Band Eulenburgs. 2  Gemeint ist das Geburtsland. 3  Gemeint ist: Eulenburg, Frequenz.

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Rezension von: Eulenburg, Die Entwicklung der Universität Leipzig

Fortschritt neuestens in der auf Leipzig besonders stark zurückwirkenden Bevorzugung der Reichshauptstadt einerseits, der süddeutschen „Sommeruniversitäten“4 andererseits und in Leipzigs dadurch wachsendem Charakter als „Arbeitsuniversität“ älterer Semester und als „Ausländeruniversität“5 dseinen Grund hatd. – Die Darstellung in Abschnitt II (die Studentenschaft) behandelt zunächst die Gebürtigkeit, wobei für den Prozentsatz der Studierenden unter der Gesamtbevölkerung u. a. auch der Einfluß der ökonomischen Konjunktur (Vermehrung durch schlechte Konjunkturen und umgekehrt) für wahrscheinlich erachtet wird (S.  54). Die Eigenart der Sachsen als solcher zeigt sich nach E[ulenburg] in einer das gewöhnliche Maß übertreffenden Bevorzugung der eigenen Landesuniversität, ferner in einer Bevorzugung des theologischen und juristischen Studiums gegenüber namentlich dem philosophischen (sowohl naturwissenschaftlichen als humanistischen): sie sind eben, in ihren bürgerlichen Klassen, der spezifisch „autoritäre“, d. h. irdischen Autoritäten fügsame und sie anbetende Stamm Deutschlands, ganz dem ihnen spezifischen Luthertum entsprechend. Die Erörterung über die Altersverhältnisse ergibt, daß trotz der bekannten Verjüngung der Abiturienten in Deutschland6 (welche, zusammen mit dem Durchschleppen zu vieler Unbegabter und der steten Steigerung der nervösen Inanspruchnahme des Kindesalters durch außerhalb der Schule liegende Einflüsse[,] den bekannten „Überbürdungs“-Schwindel7 gezeigt hate) das Alter der d A: ihren Grund haben   e A: haben 4  Die süddeutschen Universitäten wurden im Sommer stärker besucht als im Winter. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Vorlesungen über „Allgemeine (‚theoretische’) Nationalökonomie“, in: MWG III/1, S.  157–181, hier S.  158, 161. 5  Eulenburg, Entwicklung der Universität Leipzig, S.  46–50, errechnet den Anteil der Fremden, d. h. der nicht aus Sachsen stammenden Studierenden, und den Anteil der Ausländer, d. h. der Nicht- Reichsdeutschen, an der Universität Leipzig. 6  Im Abschnitt „Die Studentenschaft. Die Altersverhältnisse“, ebd., S.  57–65, stellt Eulenburg fest, daß sich das Alter der Abiturienten an sächsischen Gymnasien „in den letzten zwanzig Jahren eher verjüngt, mindestens nicht hinausgeschoben“ habe (ebd., S.  58). Zum Vergleich zitiert er Conrad, Johannes, Einige Ergebnisse der deutschen Universitätsstatistik, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Bd. 32, 1906, S.  433–492, hier S.  445, der für Preußen zu demselben Ergebnis kommt. 7  Als „Überbürdung“ wurde seit den 1880er Jahren in Zusammenhang mit der Diskussion über die Reform des höheren Schulwesens die angebliche geistige Überforderung und damit die gesundheitliche Gefährdung der Schüler durch die Schulanforderungen, insbesondere des humanistischen Gymnasiums, diskutiert. Vgl. Albisetti,

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Leipziger Studierenden steigt: Ursachen: 1. für Leipzig speziell: die Füchse8 gehen zunehmend nach den süddeutschen Universitäten, – 2. allgemein (außer bei den Juristen): notwendige Verlängerung des Studiums; mit Recht weist E[ulenburg] darauf hin, daß die Zahl der Studierenden mit Reichstagswahlrecht zunimmt und dem allmählich in ihrer Rechtsstellung Rechnung getragen werden müsse9 (S.  64). Die Erörterungen über die soziale Abstammung ergeben – bei vergleichender Heranziehung der preußischen Erhebungen – die von E[ulenburg] zuerst eingehender analysierten Ergebnisse: Starker Rückgang der relativen Bedeutung der akademisch gebildeten Kreise (am stärksten: der Richter und Anwälte, etwas weniger: der Geistlichen, Ärzte, höheren Staats- und Kommunalbeamten, gar nicht: der Gymnasiallehrer und erst recht nicht der vielmehr im rapiden Anstieg begriffenen Techniker), ebenso Rückgang der Großgrundbesitzer, Stillstand (stets: der relativen Bedeutung) des Subalternbeamtentums,10 Rückgang der Handwerker, mäßiges (relatives) Steigen der Bauern, dagegen sehr starkes Steigen des Anteils der Großindustriellen und noch mehr der Kaufleute. In Preußen, wo der Anteil der akademisch gebildeten Kreise schon seit Jahrzehnten noch wesentlich geringer ist als in Leipzig, scheint eine deutliche Entwicklungsrichtung jetzt nicht wahrnehmbar. – Während bei den Leipziger Studenten innerhalb der liberalen Berufe,11 soweit der Nachwuchs überhaupt wieder akademisch tätig wird, die Neigung zum Ergreifen eines dem väterlichen gleichen oder ähnlichen Berufes deutlich erkennbar ist, drängen sich die Söhne der Landwirte dort vorwiegend zum naturwissenschaftJames C., Secondary School Reform in Imperial Germany. – Princeton, New Jersey: Princeton University Press 1983, S.  119–139. Weber hielt diese Überbürdungsthese für unbegründet. 8  In studentischen Verbindungen werden Studenten der ersten beiden Semester so bezeichnet. 9  Männer erreichten mit dem 25. Geburtstag das Reichstagswahlrecht. Diese veränderte Rechtsstellung wirkte sich jedoch nicht auf ihre Rechtsstellung als Studenten an der Universität aus. So war die Einberufung von Versammlungen nach der preußischen Disziplinargesetzgebung vom 29. Mai 1879 von der Genehmigung des Rektors abhängig. Gegen abschlägige Entscheidungen gab es keine Rechtsmittel. Vgl. Ssymank, Paul, Die Reformbedürftigkeit der Gesetzgebung für Studierende. – München: Academischer Verlag 1908, S.  35 ff. 10  Gemeint sind untere und mittlere Beamte. 11  Gemeint sind insbesondere freiberuflich Tätige wie Ärzte, Apotheker und Rechtsanwälte.

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lichen, die der Fabrikanten vorwiegend zum juristischen Studium (Symptom der Feudalisierung der Gesinnung des industriellen Bürgertums, wie sie auch in der Gebarung der Hörer der Handelshochschulen – die selbst wesentlich diesem Zweck dienen – hervortritt),12 während kaufmännische Abstammung keine ausgesprochene positive Tendenz, dagegen eine negative gegen die Theologie hat, die aus dem Handwerk und dem Volksschullehrerstand eine Prädisposition für Theologie und Philologie, die aus dem Subalternbeamtentum nur für die historisch-philologischen Fächer (Lehramt). Den mancherlei Problemen der Wirkung von „Auslese“, Kultur-„Tradition“, Kulturwandel, Klassenbildung und -Auflösung, wie sie in diesen Erscheinungen liegen, geht hoffentlich Eulenburg selbst auch künftig, wie schon jetzt, immer weiter nach.13 Anzugliedern wäre dann z. B. die Analyse der ökonomischen, so­zialen und beruflichen Fundamentierung des eigentlichen „Intellektuellentums“ in der Vergangenheit: seit den Zeiten, wo die „Pfründe“ in all ihren Formen der materielle Grundstein der geistigen Kultur war, der Kampf der Päpste mit den Konzilien und der Landesherren um ihre Verwendung ganz ebenso wie noch in England unter Cromwell der Kampf um die Zehnten (auf denen ja die materielle Existenz der den radikalen antitheologischen Führern so verhaßten Universitäten in England ruhte)14 wirkliche große „Kulturprobleme“ darstellten, – über die Zeit hinweg, wo unsere ersten Gelehrten und Dichter als Hauslehrer feudaler oder patrizischer Geschlechter oder als Sinekuristen kleinerer Landesherren zu existieren hatten, bis in die Gegenwart, – in international 12  Vgl. auch den Redebeitrag auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden im November 1911: Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, unten, S.  331, Anm.  17. 13  Auf dem I. Deutschen Hochschullehrertag 1907 in Salzburg hatte Franz Eulenburg einen Vortrag über ein von Lujo Brentano angeregtes Thema gehalten, vgl. Eulenburg, Franz, Die Frage des akademischen Nachwuchses, in: Verhandlungen des ersten deutschen Hochschullehrer-Tages zu Salzburg im September 1907, hg. von dem engeren Ausschuß für 1907/08. – Straßburg: Karl J. Trübner 1908, S.  22–32. Weber wollte Eulenburg u. a. für das Referat „Auslese der Intellektuellen-Schicht“ auf dem Ersten Deutschen Soziologentag vom 19. bis 22. Oktober 1910 in Frankfurt am Main gewinnen. Vgl. Brief Max Webers an Hermann Beck vom 8. März 1910, MWG II/6, S.  422 f., hier S.  422. 14  Ende 1653 wurde in dem von Oliver Cromwell ernannten „Kurzen Parlament“ auch um den Zehnten heftig gestritten, durch den u. a. die Universitäts-Colleges finanziert wurden.

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vergleichender Darstellung natürlich. – Die Analyse der Vorbildung zeigt auch für Leipzig den Rückgang der humanistisch gebildeten, diejenige der Konfession den Anstieg der katholischen Studenten, die Verkürzung der Aufenthaltsdauer auf derselben Universität entspricht in Leipzig der allgemein beobachteten Fluktuationszunahme. – Die Darstellung in Abschnitt III (Unterricht) stützt in der Erörterung der Entwicklung des Lehrkörpers und der quantitativen Unterrichtsleistungen Eulenburgs bekannte These,15 deren rückhaltlose Vertretung ihm den Zorn so vieler von den Herrn Ordinarien zugezogen16 und seine akademischen „Chancen“ so verschlechtert hat.17 Das stetige Schlechterwerden der Ergebnisse der Prüfungen scheint, da die Prüfungen, so viel ich sehe, überall zum mindesten eher leichter als schwerer werden (einige wenige Ausnahmen abgerechnet), jedenfalls eher gegen die modernen Experimente im Schulwesen18 zu sprechen, zumal gerade die naturwissenschaftlichen Fächer, deren Forderungen  zunehmend erfüllt worden sind, davon betroffen werden (doch bedürfte das noch sorgsamster Untersuchung). Die Doktorprüfungsstatistik gereicht, jedenfalls in der juristischen Fakultät (pro Tag des Jahres, einschließlich aller Ferien, fast 1½ Doktoren in den 21 Jahren von 1885–1906!) der Universität zur Schande, so wenig manche anderen Hochschulen berechtigt sein mögen, darauf mit Steinen zu werfen. Die Finanzen zeigen den Aufstieg des „kapitalistischen Betriebes“ in den medizinischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten in der ungeheuren auch relativen Zunahme der 15 Eulenburg, Der akademische Nachwuchs (wie oben, S.  163, Anm.  5), S.  150 ff., prangert an, daß die „inoffizielle Universität“, d. h. Assistenten, Privatdozenten und Extraordinarien, zwar angesichts der steigenden Studentenzahlen für den Lehrbetrieb unverzichtbar, von der universitären Selbstverwaltung jedoch ausgeschlossen sei. 16  Lujo Brentano z. B. hatte diese Schrift einer harschen Kritik unterzogen. Vgl. Brentano, Lujo, Der akademische Nachwuchs, in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  36 vom 11. Aug. 1908, S.  337–342. 17  Eulenburg erhielt erst 1917, mit 50 Jahren, eine ordentliche Professur an der TH Aachen. 18  In den preußischen Lehrplänen von 1892 und 1901 wurde der naturwissenschaftliche Unterricht an humanistischen Gymnasien ausgeweitet und damit der sprachlichhistorische Unterricht reduziert. Vgl. Führ, Christoph, Die preußischen Schulkonferenzen von 1890 und 1900. Ihre bildungspolitische Rolle und bildungsgeschichtliche Bewertung, in: Bildungspolitik in Preußen zur Zeit des Kaiserreiches, hg. von Peter Baumgart, Band 1: Preußen in der Geschichte. – Stuttgart: Klett-Cotta 1980, S.  189– 223.

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Ausgaben für sachliche Unterrichtsmittel (Institute) und damit jene Spaltung in der Eigenart des Lehrbetriebs, dief die Institutsdirektoren so oft der Denkweise ihrer humanistischen Kollegen tief entfremdet und andere, hier nicht zu erörternde, sehr weittragende Konsequenzen und Probleme im akademischen Leben mit sich gebracht hat. Die „Universitas litterarum“ ist nicht zum wenigsten aus diesen unvermeidlichen Entwicklungsmotiven heraus eine Fiktion geworden.g

f A: der  g  In A folgt: (Max Weber.)

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[Zum Hochschullehrertage] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 19. Oktober 1909]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Diese und die nachfolgende Zuschrift1 Max Webers an die Frankfurter Zeitung beziehen sich auf die „Tendenzprofessur“ in Leipzig, die für den Rostocker Staatswissenschaftler Professor Richard Ehrenberg angeblich von Großindustriellen finanziert werden sollte. Kurz zuvor hatte sich Max Weber auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig am 12. Oktober 1909 zu dem Thema geäußert. In dem umgehenden Bericht der Frankfurter Zeitung über die Verhandlungen des Hochschullehrertages wurde er wörtlich zitiert: „Da wir in Leipzig tagen, will ich erinnern an den jüngst unternommenen Versuch, hier in Leipzig eine Persönlichkeit, die hinter dem Zentralverband Deutscher Industrieller steht, als Honorarprofessor unterzubringen. Es ist erfreulich, daß das zurückgewiesen worden ist.“2 Während Weber keinen Namen genannt hatte, gab die Frankfurter Zeitung am 15. Oktober 1909, Weber teilweise korrigierend, Namen und Hintergründe preis:3 Der Verband Sächsischer Industrieller habe dem sächsischen Kultusministerium 30.000 Mark geboten, wenn Richard Ehrenberg 1  Weber, Professor Ehrenberg, unten, S.  176–179. 2  Zur Wiedergabe von Webers Diskussionsbeitrag im Bericht der Frankfurter Zeitung vom 14. Oktober 1909 (Nr.  285) vgl. Weber, Die Auslese für den akademischen Beruf. Berichte, unten, S.  785–787. Die Presseberichte erschienen vor dem offiziellen Verhandlungsprotokoll, vgl. Weber, Die Auslese für den akademischen Beruf, unten, S.  180–187. Der ebenfalls in Leipzig anwesende Lujo Brentano unterstützte Weber in seinem Redebeitrag zum Fall Ehrenberg: „Im übrigen zeigt uns gerade der Leipziger Fall, der hier zur Sprache kam, daß eine Prüfung vor der Zulassung notwendig ist. Sonst besteht die Gefahr, daß wir alle möglichen Leute in den Lehrkörper hineinbekommen, die von religiösen Parteien oder von Interessentengruppen dotiert werden, damit sie sich um die Habilitation bewerben. Diese Leute müssen bestimmte Anschauungen vertreten, und ich meine, daß ein solcher Mann nicht w ­ ürdig ist, das Lehramt auszuüben. Ganz sicher werden diese Gruppen immer Leute finden, die bereit sind, die Ansichten dieser Gruppen gegen Geld zu vertreten.“ Vgl. III. Deutscher Hochschullehrertag. II. [Teil], in: Frankfurter Zeitung, Nr.  285 vom 14. Okt. 1909, 1. Mo.Bl., S.  1. 3  Vgl. Die Leipziger Tendenzprofessur, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  286 vom 15. Okt. 1909, 2. Mo.Bl., S.  1.

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Zum Hochschullehrertage

eine Professur an der Leipziger Universität, einen Lehrstuhl für exakte Wirtschaftskunde, erhielte. Weitere Berichtigungen erfolgten am 28. Oktober 1909 in derselben Zeitung durch den Syndikus des sächsischen Verbands, Gustav Stresemann:4 Nicht der Verband, sondern er selbst habe die Initiative im Fall Ehrenberg ergriffen. Der Direktor der Siemens & Halske AG und Vorsitzende der „Vereinigung der Freunde der Ehrenbergschen Wirt­schafts­ methode“,5 Ernst Budde, habe ihn im Frühjahr 1908 mit den Plänen dieser Vereinigung bekannt gemacht, ein Institut für „Exakte Wirtschaftsforschung“ in Leipzig zu gründen. Stresemann habe daraufhin den sächsischen Kultusminister Heinrich Beck über das Vorhaben unterrichtet. Dieser habe die Anregung an die Philosophische Fakultät der Universität Leipzig weitergegeben, noch bevor die Vereinigung der Ehrenbergschen Freunde ein Gesuch an das Kultusministerium habe richten können. Max Weber reagierte mit seiner ersten Zuschrift zunächst auf die Berichterstattung der Frankfurter Zeitung vom Hochschullehrertag am 14. Oktober und die Enthüllungen zu Ehrenberg am 15. Oktober. Nahezu zeitgleich äußerte sich auch Ehrenberg mit einer ausführlichen Zuschrift, die unter der Überschrift „Die Tendenzprofessur“ am 17. Oktober in Der Tag6 erschien und am 19. Oktober 1909 in der Frankfurter Zeitung nochmals abgedruckt wurde.7 Durch diesen Artikel sah sich Max Weber zu einer zweiten Zuschrift genötigt, die er an die Redaktionen beider Zeitungen schickte.8

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt der Zuschrift, die in der Frankfurter Zeitung, Nr.  290 vom 19. Oktober 1909, 1. Mo.Bl., S.  1, unter der 4 Stresemann, Gustav, Zum Falle Ehrenberg, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  299 vom 28. Okt. 1909, 2. Mo.Bl., S.  1. 5  Ehrenbergs „exakt-vergleichende Wirtschaftsforschung“ wurde in Fachkreisen, wie Ehrenberg selbst beklagte, im großen und ganzen ignoriert. Er stützte sich weitgehend auf die Schriften des Agrar- und Volkswirtschaftlers Johann Heinrich v. Thünen (1783–1850), propagierte seine Methode aber dezidiert als „neuartig“, so in seiner programmatischen Schrift: Ehrenberg, Richard, Sozialreformer und Unternehmer. Unparteiische Betrachtungen. – Jena: Gustav Fischer 1904, sowie seit 1906 in dem von ihm gegründeten „Thünenarchiv. Organ für exakte Wirtschaftsforschung“. Damit bekämpfte er die Mitglieder des Vereins für Socialpolitik als „Kathedersozialisten“, vgl. Ehrenberg, Richard, Terrorismus in der Wirtschaftswissenschaft. – Berlin: Reimar Hobbing 1910, S.  47 (hinfort: Ehrenberg, Terrorismus). 6  Ehrenberg, Richard, Die Tendenzprofessur, in: Der Tag, Nr.  757 vom 17. Okt. 1909, S.  1 f. 7 Ehrenberg, Richard, Die Tendenzprofessur, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  290 vom 19. Okt. 1909, Ab.Bl., S.  2 (hinfort: Ehrenberg, Tendenzprofessur). 8  Vgl. Weber, Professor Ehrenberg, unten, S.  176–179.

Editorischer Bericht

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Rubrik „Zum Hochschullehrertage“ erschien (A). Sie ist mit „Max Weber“ gezeichnet. Der Titel beruht vermutlich auf einem redaktionellen Zusatz. Die Rubrik in der Frankfurter Zeitung umfaßt eine weitere, anonyme Zuschrift aus „Leipziger Universitätskreise[n]“, die Webers Zuschrift vorangestellt ist, sowie redaktionelle Vor- und Nachbemerkungen.9

9  Vgl. unten, S.  174, textkritische Anm.  a, und S.  175, textkritische Anm.  e.

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[Zum Hochschullehrertage] [A 1]

Sehr geehrte Redaktion!a Zu den Verhandlungsberichten über den Hochschullehrertag1 gestatten Sie mir nachzutragen: 1) An dem Versuch, die Anstellung eines Tendenzprofessors mit Geld zu erkaufen,2 hatte sich der betreffendeb, nach sehr vielversprechenden Anfängen3 zunehmend auf die Bahn plattester Schnellpublikation geratene Gelehrte dadurch beteiligt, daß er an einen Professor der betreffenden Fakultät, und zwar an einen hervorragenden Kathedersozialisten, das Ansinnenc richtete, für seine Berufung zu wirken.4 – In Preußen dürfte der betreffende, einstmals streng antiagrarische Herr jetzt, seinem Verhalten entsprechend, vom Bund der Landwirte in Entreprise genommen werden.5 Man darf alsdann gespannt sein, ob das dortige Ministerium sich in der Lage befinden wird, auch nur ein solches Mindestmaß von formaler Korrektheit walten zu lassen, wie dies in Sachsen der Fall war.6 Denn so naiv, wie dies in Sachsen geschehen ist, gehen die a  In A geht voraus der Abdruck einer anonymen Zuschrift aus „dem Leipziger Universitätskreise“. Dann folgt ein Absatz: Ferner schreibt uns Herr Professor Max Weber in Heidelberg:    b A: Betreffende  c A: Ansehen 1  Vor dem offiziellen Protokoll (Verhandlungen des III. HT) hatte die Frankfurter Zeitung unmittelbar berichtet, vgl. Frankfurter Zeitung, Nr.  284 vom 13. Okt. 1909, Ab.Bl., S.  1 f., und Nr.  285 vom 14. Okt. 1909, 1. Mo.Bl., S.  1 und 2. Mo.Bl., S.  2. 2  Vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  171 f. 3  Ehrenberg, Richard, Das Zeitalter der Fugger. Geldkapital und Kreditverkehr im 16. Jahrhundert, 2 Bände. – Jena: Gustav Fischer 1896, und ders., Der Handel, seine wirtschaftliche Bedeutung, seine nationalen Pflichten und sein Verhältnis zum Staate. – Jena: Gustav Fischer 1897. 4  Vgl. Ehrenberg, Richard, Plan zur Errichtung eines Instituts für exakte Wirtschaftsforschung, in: Thünenarchiv. Organ für Exakte Wirtschaftsforschung, hg. von Richard Ehrenberg, Band 2. – Jena: Gustav Fischer 1909, S.  167–175, hier S.  175. Für diesen Plan bat er in einem Brief vom 20. Juni 1908 den Leipziger Ordinarius für Nationalökonomie, Karl Bücher, um Unterstützung. Dieser lehnte ab. Vgl. Ehrenberg, Terrorismus (wie oben, S.  172, Anm.  5), S.  88. 5  Die Frankfurter Zeitung berichtete am 15. Oktober 1909, Ehrenberg sei seit kurzem der Schützling der Agrarier, weil er die Nachlaßsteuer als sozialistisches Experiment bekämpft habe. Vgl. Die Leipziger Tendenzprofessur, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  286 vom 15. Okt. 1909, 2. Mo.Bl., S.  1. 6  Der Universitätsdezernent im sächsischen Kultusministerium, Geheimrat Dr. Heinrich Waentig, gab die Eingabe des Verbandes Sächsischer Industrieller an die Univer-

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Junker nicht vor – wie der Fall Ruhland7 gezeigt hat, – und die von ihnen angewandten Mittel haben ferner den für sie außerhalb wie innerhalb der Steuerpolitik großen Vorzug, ihre Taschen nicht mit einem Aufwand von 30000 Mark zu belasten.d 2) Der Versuch, den Sinn der Wachschen Thesen, nachdem ihnen der sozialdemokratische Korreferent8 ausdrücklich zugestimmt hatte, zu verdrehen, hat wohl nur innerhalb des Leserkreises der „Täglichen Rundschau“9 Aussicht auf Erfolg. Hochachtungsvoll Max Weber.e

d A: belasten;  e  In A folgt der redaktionelle Zusatz: Die Erklärung von Dr. Hellmann, die wir veröffentlichten, hat nicht genügt, die „Tägliche Rundschau“ von ihren Verdrehungen abzubringen. Vielleicht genügt nun diese Bemerkung von Professor Weber. sität Leipzig weiter, deren Rektor sie wiederum an den akademischen Senat weiterleitete. Dieser lehnte sie als Zumutung einstimmig ab. 7  Der Nationalökonom und Agrarpolitiker Gustav Ruhland war seit 1895 wissenschaftlicher Berater im Bund der Landwirte. 1902 kam es in der hessischen Kammer zu einem Versuch, Ruhland zu einer Professur in Gießen zu verhelfen. Der Abgeordnete Philipp Köhler-Langsdorf regte dort an, einen neuen Lehrstuhl zu errichten, der agrarischen Sonderinteressen dienen sollte. Als einzigen Kandidaten brachte er Ruhland ins Spiel. Max Weber witterte eine „Strafprofessur“ gegen die bisherigen Vertreter der Nationalökonomie Magnus Biermer und Robert Liefmann. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Lujo Brentano, vor oder am 6. Febr. 1910, MWG II/6, S.  386 f. 8  Gemeint ist der Historiker und Freund Max Webers, Ludo Moritz Hartmann. Auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig hatte er als Korreferent von Adolf Wach dessen Thesen zu der Frage: „Darf man die Zulassung zur Habilitation abhängig machen von religiösen oder politischen Voraussetzungen?“ ausdrücklich zugestimmt. Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  4 f. und S.  12 ff. 9  Die Tägliche Rundschau hatte aus den Thesen Wachs gefolgert, Sozialdemokraten seien prinzipiell von der Habilitation auszuschließen. Die 1881 gegründete Tages­ zeitung führte den Untertitel „Zeitung für Nichtpolitiker, zugleich Ergänzungsblatt zu den politischen Organen jeder Partei“. Seit 1900 propagierte sie eine nationalistische Politik.

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[Professor Ehrenberg] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 20. Oktober 1909]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag spielte Max Weber, ohne die Person zu nennen, auf Richard Ehrenberg und den gescheiterten Versuch an, diesem eine „Tendenzprofessur“ in Leipzig zu verschaffen.1 In die in der Presse folgende Debatte schaltete sich auch Ehrenberg ein, mit einer ausführlichen Zuschrift an die Redaktion der Zeitung Der Tag2 in Berlin. Die Frankfurter Zeitung druckte sie am 19. Oktober in der Abendausgabe nochmals ab.3 Daraufhin sah sich Max Weber zu einer zweiten Zuschrift genötigt, die er an Der Tag sowie an die Frankfurter Zeitung schickte.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt der Zuschrift, die unter dem Titel „Professor Ehrenberg“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  291 vom 20. Oktober 1909, Abendblatt, S.  1 f. (A), erschien. Sie ist mit „Max Weber“ gezeichnet. Der Titel wird übernommen, aber als vermutlich redaktioneller Zusatz in eckige Klammern gestellt. Die textidentische Zuschrift in: Der Tag, Nr.  758 vom 23. Okt. 1909, weist geringfügige Abweichungen in Zeichensetzung und Hervorhebungen auf. Da diese Abweichungen vermutlich redaktionell bedingt sind, wird dieser Text von der Edition nicht berücksichtigt.

1 Vgl. dazu ausführlich den Editorischen Bericht zu Weber, Zum Hochschullehrer­ tage, oben, S.  171–173. 2  Ehrenberg, Richard, Die Tendenzprofessur, in: Der Tag, Nr.  757 vom 17. Okt. 1909, S.  1 f. 3  Ehrenberg, Tendenzprofessur (wie oben, S.  172, Anm.  7).

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Vona Herrn Professor Ehrenberg erhalte ich heute, Dienstag, den 19. Oktober, seine Auseinandersetzung.1 Er glaubt, mich zu der Erklärung auffordern zu dürfen, daß ich ihn „ohne Grund in seiner Ehre gekränkt“ habe. Ich habe selbstverständlich an dem, was ich über ihn sagte (vgl. „Frankfurter Zeitung“ No. 290)[,]2 kein Wort zu ändern und nur folgendes hinzuzufügen: 1. Kein Nationalökonom von Bedeutung, der von Methodik das mindeste versteht, kann Herrn Professor Ehrenberg die Erfindung irgend einer neuen Methode zugestehen.3 2. Jeder Nationalökonom, auch Herr Professor Ehrenberg, weiß, daß der sogenannte „Kathedersozialismus“4 heute in keinem Sinn des Worts eine „Richtung“ darstellt, daß vielmehr in dem „Verein für Sozialpolitik“, dessen Mitglieder vor nunmehr 36 Jahren von liberaler Seite mit diesem Titel belegt wurden, seit langem die denkbar schärfsten Gegensätze der Ansichten und Ideale bestehen, ganz ungleich stärkere, als zwischen Mitgliedern des Vereins und Außenstehenden. Der Verein sucht heute, wie bekannt, seine Ehre darin, nach Aufklärung des Tatbestandes durch rein wissenschaftliche Erhebungen, alle Meinungen, z. B., wie wohl noch erinnerlich, auch die der Herren Kirdorfb und Gen[ossen],5 auf seinen

a  In A geht voraus: Von Professor Max Weber erhalten wir folgende, von ihm an die Redaktion des „Tag“ geschickte Erwiderung auf die (von uns gestern wiedergegebenen) Bemerkungen des Professors Ehrenberg:  b A: Kirdorff 1 Richard Ehrenberg antwortete auf die Berichterstattung über den III. Deutschen Hochschullehrertag, soweit sie ihn persönlich betraf, in einer ausführlichen Zuschrift, die am 17. Oktober in Der Tag erschien und am 19. Oktober in der Frankfurter Zeitung wiederabgedruckt wurde. Vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  176, Anm.  2 und 3. 2  Weber, Zum Hochschullehrertage, oben, S.  172, Anm.  7. 3  Zu Ehrenbergs Methode der „exakt-vergleichenden Wirtschaftsforschung“ vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Zum Hochschullehrertage, oben, S.  172, Anm.  5. 4  Max Weber bezieht sich auf den ersten Satz von Ehrenberg, Tendenzprofessur (wie oben, S.  172, Anm.  7), wo er von einem „herrschenden kathedersozialistischen Dogmatismus“ gesprochen hatte, dem er seine „exakt vergleichende Methode“ gegenüberstellen wollte. 5  Gemeint ist Emil von Kirdorf, Mitbegründer des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats. Er nahm an der Mannheimer Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik

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Versammlungen zur Aussprache gelangen zu lassen. Er hat übrigens auch Herrn Prof. Ehrenberg zu seinen Arbeiten heranzuziehen gesucht, – umsonst.6 Die Andeutung vollends, als ob die Qualität als „Kathedersozialist“ die Chancen der akademischen Laufbahn verbessere, wird heute, den jedermann bekannten Tatsachen gegenüber, niemand ernst nehmen.7 3. Kein Nationalökonom von Belang wird vollends gerade Herrn Professor Ehrenberg glauben, daß irgend eine angebliche besondere „Richtung“ von ihm einem Fakultätsvorschlag im Wege gestanden habe8 oder stehe. Jeder ernst zu nehmende Fachmann weiß vielmehr, daß es der Eindruck einer – nach sehr vielversprechenden Leistungen – bei steigender Hast leider unaufhaltsam sinkenden Qualität seiner Publikationen ist, der einen Vorschlag heute für sorgsam prüfende Fakultäten wohl auch dann außerordentlich erschweren würde, wenn nicht sein jetzt in Rede stehendes, im deutschen akademischen Leben noch niemals erhörtes Verhalten allein schon genügen müßte, einen solchen normalerweise unmöglich zu machen. 4. Herr Ehrenberg hat mir persönlich nie etwas zuleide getan. Ich habe nahe Freunde in allen denkbaren sozialpolitischen Lagern. Ich bin, solange ich selbst an Fakultätsvorschlägen beteiligt war, für Leute aus den heterogensten Lagern eingetreten, speziell für solche, die ich ungerechterweise zurückgesetzt fand. Herr Ehrenberg wird sich selbst sagen müssen, daß für mich keinerlei denkbares

vom 25. bis 28. September 1905 teil und ergriff nach dem Hauptreferat Gustav Schmollers, von dessen Thesen er sich bestätigt fühlte, das Wort. Vgl. Verhandlungen VfSp 1905, S.  272–293. 6  Richard Ehrenberg lehnte es z. B. ab, bei der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik als Korreferent über die Arbeitsverhältnisse in den privaten Riesenbetrieben zu berichten. Vgl. Ehrenberg, Terrorismus (wie oben, S.  172, Anm.  5), S.  49–52. 7  Ehrenberg, Tendenzprofessur (wie oben, S.  172, Anm.  7), hatte geschrieben, daß die Gründung seines geplanten Instituts an einer deutschen Universität durch die „Unduldsamkeit des herrschenden Kathedersozialismus“ erschwert worden sei. Sogar der preußische Ministerialdirektor Friedrich Althoff, der Ehrenberg zum Zwecke der Institutsgründung an eine preußische Universität habe berufen wollen, sei nicht gegen die Vertreter des Kathedersozialismus durchgedrungen. 8  Es handelte sich um die Neubesetzung der ordentlichen Professur für Staatswissenschaften in Kiel. Max Weber war im Herbst 1906 die Liste der von der Philosophischen Fakultät in Erwägung gezogenen Kandidaten, darunter Richard Ehrenberg, vertraulich übermittelt worden. Vgl. Brief Max Webers an Carl Neumann vom 3. Nov. 1906, MWG II/5, S.  174–176.

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Motiv besteht, ihm um seiner vermeintlich eigenartigen Richtung willen persönlich wehe zu tun oder ihm die erstrebte Berufung zu mißgönnen, wenn er sie nach seinem gegenwärtigen Habitus verdienen würde.9 Allein ein Verhalten, wie es hier von seiner Seite vorlag und als Tatsache durch seine eigene Erklärung10 ja lediglich bestätigt wird, hätte öffentlich festgestellt werden müssen, auch wenn Herr Ehrenberg nicht in der letzten Zeit den sogen. „Kathedersozialismus“ mit den maßlosesten Schmähungen überschüttet hätte11 und ihm auch jetzt leichtfertig ungerechte Unterdrückung Außenstehender vorwürfe. Die Art der Beurteilung seines Verhaltens wird bei keinem unbefangenen, im akademischen Leben stehenden Mann irgendwie zweifelhaft sein können. Und gegen diese Beurteilung können Herrn Professor Ehrenberg keinerlei Erklärungen helfen, am allerwenigsten aber die vorsichtigen Formen, in welche er sein Vorgehen gekleidet hat. Denn alle diese Dinge sind, wie die Römer sagen würden, „protestationes facto contrariae“.12 Sache und Person sind für mich damit erledigt. Hochachtungsvoll Max Weber.c

c  In A folgt eine Nachbemerkung der Redaktion zu einer Stellungnahme der Kölnischen Zeitung zum „Fall Ehrenberg“, in der Ehrenbergs Bestreben, einzelne Unternehmungen und Betriebe zu erforschen, gewürdigt wird. 9  Max Weber beurteilte Ehrenberg als wissenschaftlich und persönlich ungeeignet für ein Ordinariat: „Ich habe, trotz Anerkennung einiger seiner früheren Arbeiten (die aber methodisch stets zu wünschen übrig lassen, stets zu schnell gearbeitet sind, – Auskunft bei Dietrich Schäfer) persönlich so viel gegen ihn einzuwenden, daß ich nur auf Verlangen über ihn schreibe.“ Brief Max Webers an Richard Graf Du Moulin-Eckart vom 4. Mai 1907, MWG II/5, S.  287–296, Zitat: S.  295 f., sowie den Brief an Carl Neumann vom 3. Nov. 1906, MWG II/5, S.  174–176, bes. S.  174 f. 10  Gemeint ist: Ehrenberg, Tendenzprofessur (wie oben, S.  172, Anm.  7). 11 Am 16. Oktober 1909 hatte Ehrenberg in einem Zeitungsartikel den „Geist des Kathedersozialismus“ für den Sturz Bismarcks verantwortlich gemacht, vgl. Ehrenberg, Richard, Der Verein für Sozialpolitik, in: Der Tag, Nr.  243 vom 16. Okt. 1909, Ausgabe A, S. [1 f.]. 1909 erschien auch seine Schrift: Ehrenberg, Richard, Gegen den Katheder-Sozialismus! Die Katheder-Sozialisten und die Reichs-Finanzreform, Erstes Heft. – Berlin: Carl Heymanns Verlag 1909. 12  Nach dem aus dem Römischen Recht stammenden Grundsatz: Protestatio facto contraria non valet (lat.: ein Widerspruch, der im Gegensatz zum tatsächlichen Handeln steht, gilt nicht).

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[Die Auslese für den akademischen Beruf] [Diskussionsbeiträge auf dem III. Deutschen Hochschul­ lehrertag in Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig wurde in der Vormittagssitzung des ersten Verhandlungstages die Frage diskutiert, ob man die Zulassung zur Habilitation von der Erfüllung religiöser oder politischer Voraussetzungen abhängig machen dürfe.1 Diese Frage hatte bereits auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag in Jena ein Jahr zuvor eine Rolle gespielt.2 Nun wurde sie ausführlich behandelt. In seinem Eröffnungsreferat erwähnte Adolf Wach die in Jena zurückgestellte Resolution Alfred Webers zum Thema und vermutete: „Herr Weber hat Anlaß zu dem Antrage […] wohl in Regierungsakten gefunden, speziell in dem Fall Schmidt, dem Fall Arons und vielleicht in dem Fall Michels“, was Max Weber durch einen Zwischenruf verneinte.3 Wie schon in Jena, beteiligte sich Max Weber anschließend mit einem längeren Diskussionsbeitrag an der Debatte.4 In einem zweiten Diskussionsbeitrag distanzierte er sich von den „Hochschulnachrichten“, insbesondere von ihrem Herausgeber.5 Am zweiten Verhandlungstag äußerte sich Weber zweimal in der Vormittagsdebatte über „Die Auslese für den akademischen Nachwuchs“.6

1  Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  4–21. 2  Der II. Deutsche Hochschullehrertag hatte am 28. und 29. September 1908 in Jena stattgefunden. Vgl. Weber, Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten, oben, S.  122–124. 3  Das Referat von Adolf Wach findet sich in: Verhandlungen des III. HT, S.  4–12, Zitat: S.  6, dort auch Webers Zwischenruf „Nein!“. 4  Vgl. unten, S.  182–185. 5  Vgl. unten, S.  185, in den überlieferten Zeitungsberichten vom Hochschullehrertag wird dieser Beitrag nicht erwähnt, vgl. dazu Weber, Die Auslese für den akademischen Beruf. Berichte, unten, S.  777–787. 6  Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  35–52; zu Webers Beiträgen vgl. unten, S.  185 f. und 186 f.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Diskussionsbeiträge werden wiedergegeben nach dem offiziellen Protokoll des Hochschullehrertages: Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages zu Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909. Bericht erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß. – Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avenarius) 1910, S.  16 f. [1.], S.  20 f. [2.], S.  41 [3.] und S.  47 [4.] (A). Ein Zwischenruf zum Referat von Adolf Wach (ebd., S.  6) wird nicht ediert.7 Der offizielle Bericht wurde erst am 10. Februar 1910, also vier Monate nach dem Hochschullehrertag, veröffentlicht. Es ist wahrscheinlich, daß den Rednern ihre Beiträge vorher vorgelegt wurden und sie als autorisiert gelten können. Anders verhält es sich mit der Berichterstattung in der Tagespresse, die im unmittelbaren Anschluß an den Hochschullehrertag, auf der Grundlage stenographischer Mitschriften, erfolgte und eine öffentliche Debatte aus­ löste.8 Diese nicht autorisierten Berichte über den Hochschullehrertag und Webers Beiträge werden unten gesondert ediert.9 Max Webers Redebeiträge sind im Protokoll jeweils mit „M. Weber (Heidelberg)“ bzw. „Weber (Heidelberg)“ eingeleitet.

7  Vgl. dazu oben, S.  180 mit Anm.  3. 8  Vgl. dazu Weber, Zum Hochschullehrertage, oben, S.  171–175, und Weber, Professor Ehrenberg, oben, S.  176–179. 9  Weber, Die Auslese für den akademischen Beruf. Berichte, unten, S.  777–787.

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[Die Auslese für den akademischen Beruf]

1. [A 16]

Zu den Bemerkungen des Vorredners1 frage ich: wozu in aller Welt ist das Kolloquium vorhanden! Man stelle im Kolloquium Fragen,2 die die allerunangenehmsten sind, und dehne das Kolloquium solange aus, bis Klarheit besteht, daß der Mann zwischen seinem Glauben und zwischen der Art seiner wissenschaftlichen Arbeit in einer Weise zu scheiden weiß, von der man sagen muß: das ist ein Denker, deshalb gehört er in den Kreis der Wissenschaft hinein, möge seine Überzeugung, seine religiöse Überzeugung uns persönlich noch so absurd erscheinen. Zu dem, was Herr Wach über die theologische Fakultät und ihre Stellung an der Universität gesagt hat,3 bemerke ich: es ist nicht richtig, daß mit dem Begriffe der theologischen Fakultät das Dogma verbunden ist. Es gibt theologische Fakultäten, die dogmenfrei sind, die holländischen, die von aller Bindung an irgendein abzulegendes Glaubensbekenntnis befreit sind.4 Infolgedessen werden an 1  Webers Vorredner Georg Kaufmann aus Breslau hatte bestritten, daß ein Vertreter der äußersten Orthodoxie oder ein Marxist fähig sei, zwischen seiner religiösen bzw. politischen Überzeugung und seiner wissenschaftlichen Arbeit zu unterscheiden. Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  15 f. 2  Als Teil der Habilitationsanforderungen veranstalteten die Fakultäten der Regel entsprechend mit dem Bewerber ein Kolloquium. Dieses konnte aber auch erlassen werden, wenn sich der Habilitand durch seine vorgelegten wissenschaftlichen Arbeiten als ausreichend qualifiziert erwiesen hatte. Vgl. Daude, Paul, Die Rechtsverhältnisse der Privatdozenten. Zusammenstellung der an den Universitäten Deutschlands und Österreichs sowie an den deutschsprachigen Universitäten der Schweiz über die rechtliche Stellung der Privatdozenten erlassenen Bestimmungen. – Berlin: Julius Becker 1896, S.  4. 3 Adolf Wach hatte in seinem Referat die Ansicht vertreten, daß ein Katholik nicht Mitglied einer evangelischen Theologischen Fakultät sein könne. Ebensowenig könnten Atheisten oder Dissidenten an einer theologischen Fakultät unterrichten. Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  7. 4  An den holländischen Reichsuniversitäten Leiden, Groningen und Utrecht wurde in der Theologie zwischen Staats- und Kirchenfächern unterschieden. Dogmatik lehrte man nach den Vorschriften der Reformierten Kirche, Exegese und Kirchengeschichte dagegen blieben von kirchlicher Vormundschaft frei. Diese Trennung galt nicht für die streng reformierte Vrije Universiteit in Amsterdam und die katholische Universität in Nijmwegen.

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diesen Fakultäten nur historische Gebiete gepflegt, dagegen weder Apologetik noch Dogmatik. Das Ministerium Abraham Kuyper5 hat nun allerdings dem Zustande ein Schnippchen geschlagen, indem es ein System eingeführt hat, das hier an der Universität Leipzig beinahe sein Gegenbild gefunden hätte. Wer nämlich heute in Holland eine Geldsumme stiftet, kann dafür verlangen, daß an der Universität ein Lehrstuhl begründet werde, wenn die Geldsumme ausreicht. Der erste, der von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht hat, war der Bischof von Utrecht,6 und der erste, der bei uns in Deutschland an der Universität Leipzig von solchem Privileg Gebrauch machen würde, würde Herr Bueck sein, der Generalsekretär des Verbandes deutscher Industrieller.7 Denn es ist bekannt, daß er an die Universität mit einem solchen Ansinnen herangetreten ist. Es ist ferner bekannt, daß der Mann, den er meinte,  sich gleichzeitig bewerbend an den hiesigen Ordinarius der betreffenden Fakultät gewendet hat.8

5  Wenige Wochen nach Bekanntgabe der „Hogeronderwijsnovelle“ (Hochschulnovelle) des niederländischen Premierministers Abraham Kuyper richtete der Episkopat in Zusammenarbeit mit bedeutenden Katholiken die St. Radboudstiftung ein, die eine katholische Universität vorbereiten sollte und sich überdies um die Einrichtung katholischer Lehrstühle an den öffentlichen Universitäten bemühte. Vgl. dazu Weber, Die Lehrfreiheit, oben, S.  136, Anm.  13. 6  Gemeint ist Henricus van de Wetering. 7  Der Vorsitzende des Hochschullehrertages, der Straf- und Staatsrechtslehrer Karl Binding, teilte in seinem folgenden Diskussionsbeitrag mit, daß eine namentlich nicht genannte Interessensgruppe dem sächsischen Kultusministerium eine jährliche Summe von 30.000 Mark geboten habe, wenn ein dieser Gruppe genehmer Nationalökonom als Professor an die Universität Leipzig berufen würde. Da es sich dabei um ein Habilitationsgesuch handelte, habe das Ministerium es an den akademischen Senat weitergeleitet, der es als Zumutung zurückwies. Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  18. Wie die Frankfurter Zeitung, Nr.  286 vom 15. Okt. 1909, 2. Mo.Bl., S.  1, richtigstellte, handelte es sich bei der erwähnten Interessensgruppe um den Verband Sächsischer Industrieller und die Berufung Richard Ehrenbergs. Vgl. dazu ausführlich den Editorischen Bericht zu Weber, Zum Hochschullehrertage, oben, S.  171 f. 8  Gemeint ist der Rostocker Professor für Staatswissenschaften Richard Ehrenberg. Er beabsichtigte, mit finanzieller Unterstützung aus Industriekreisen ein wirtschaftswissenschaftliches Institut für die von ihm entwickelte „exakt-vergleichende Wirtschaftsforschung“ zu gründen, die den Vergleich von „Privatwirtschaften“ zum Gegenstand hatte. Vgl. Ehrenberg, Terrorismus (wie oben, S.  172, Anm.  5), S.  47. Ehrenberg wollte sein „Institut für exakte Wirtschaftsforschung“ bei der Universität Leipzig ansiedeln. Deshalb forderte er am 20. Juni 1908 Karl Bücher, Leipziger Ordinarius für Nationalökonomie, brieflich auf, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Bücher lehnte dieses Ansinnen in seinem Antwortschreiben am 21. Juni 1908 ab. Ebd., S.  88.

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Die Auslese für den akademischen Beruf

Ein prinzipieller Gegensatz zwischen mir und Wach besteht nur über die Werturteile.9 Werturteile gehören überhaupt nicht auf das Katheder, sondern der Dozent soll sich beschränken auf die Feststellung der Tatsachen und ihrer Kausalzusammenhänge, zweitens auf die Feststellung des logischen Sachverhaltes; gehört zur wissenschaftlichen Erörterung auch die Tatsache, daß ein bestimmter Zweck erreicht werden soll, den der Staat oder irgendein Individuum oder irgendeine Partei verfolgt, so darf ich mich nur mit den Mitteln der Wissenschaft nahen und sagen: zu diesem Zweck bedarf es der und der wissenschaftlichen Mittel. Unter diesen Mitteln befinden sich vielleicht einige, von denen man sich fragen wird: willst du diese Mittel mit in Kauf nehmen für deinen Zweck? Denn aus solchen Kompromissen und Zwecken bestehen alle unsere Wertungen; dadurch werde ich dem Hörer vielleicht zur Klärung verhelfen und überlasse ihm selbst die Entscheidung. Aber ihm diese Entscheidung abzuschneiden und ihm ein bestimmtes Soll zu suggerieren, ist nicht gestattet. Das habe ich immer abgelehnt, und ich bin auch heute stolz darauf, daß Schüler aus meinem Seminare von dem äußersten agrarischen bis zu dem extrem linksstehenden alle denkbaren Standpunkte im Leben vertreten haben, und ebenso muß z. B. auch der Jurist, der Historiker verfahren. Das Stück gemeinsamen Kulturbodens, das wir mit unsern Gegnern gemein haben, ist die schlichte Wissenschaft von den Tatsachen. Nichts weiter haben wir unseren Schülern mitzugeben, und wer eine echte und starke Überzeugung hat, der ist auch der Meinung, daß damit die Schüler nicht sich verlieren und jedem preisgegeben werden. Und wenn man auch in den Blättern nationale Töne angeschlagen hat gegen mich, der hier die Sozialdemokraten in die Höhe bringen wolle auf Lehrstühlen, m[eine] H[erren], lassen wir die Sozialdemokraten doch einen Versuch machen, die Lehrstühle der deutschen Universitäten zu besetzen, und dann wollen wir die Blamage 9  Adolf Wach hatte in seinem Einführungsreferat (Verhandlungen des III. HT, S.  4–12) betont, es sei wünschenswert, daß der zukünftige Hochschullehrer eine „feste religiöse und politische Überzeugung“ habe (ebd., S.  8). Diese könne u. U. in den historischen Disziplinen deutlich zum Ausdruck kommen, da Wissenschaftler keine Automaten, sondern lebendige Menschen seien. Es könne sich aber diese religiöse und politische Einstellung im Einzelfall als unvereinbar mit der Lehrtätigkeit herausstellen. Deshalb sei eine Eignungsprüfung notwendig, die auch die religiöse und politische Betätigung des Kandidaten mit einbeziehe. Sie könne dazu führen, dem Kandidaten die Habilitation zu verweigern.

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ansehen, die dabei herauskommt. Sie haben gar nicht die Kräfte, etwas zu bieten, wie es die deutsche Wissenschaft in ihrer Gesamtheit bietet.

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Einera der Herren Redner hat bemerkt, daß in die „Hochschulnachrichten“ seinerzeit Kollegen geschrieben hätten.10 Gemeint war ich. Nachdem ich aber das Urteil mit seinem Inhalt gesehen habe, und daß der Mann,11 von dem ich angenommen, daß es ein Gentleman wäre, gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt hat, stehe ich allerdings auf dem Standpunkt: von mir kommt keine Zeile mehr in die Zeitschrift hinein! Das ist das eine. Das zweite betrifft meine Persönlichkeit. Ich muß dabei bleiben, daß ich imstande bin, wissenschaftliche Zusammenhänge darzulegen ohne Werturteile, und bin nur  auf den Teil meiner Lehrtätigkeit stolz, in dem ich diesem Ideal treu geblieben bin.

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3.

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Jeder Institutsdirektor, den man ernstlich vor die Frage stellt, ob so etwas wie konstitutionelle Verhältnisse in seinem Institut möglich sind, wie Lamprecht eben angedeutet hat,12 wird sagen: das ist unmöglich, ich bin für mein Institut verantwortlich mit meinem a  In A geht (auf die Nennung Max Webers folgend) der Protokollzusatz voraus: (persönliche Bemerkung) 10 Der Redner war Karl v. Amira. In seiner Eröffnungsrede berichtete er über das Ende der Zusammenarbeit zwischen dem geschäftsführenden Ausschuß des Hochschullehrertages und den von Paul v. Salvisberg herausgegebenen Hochschul-Nachrichten. Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  4–12. Als v. Amira hervorhob, daß „immer noch bis in die letzte Zeit sogar einige von unseren Gesinnungsgenossen in diesem Organ geschrieben haben“ (ebd., S.  4), fühlte sich Weber angesprochen, da er den Aufsatz „Die Lehrfreiheit der Universitäten“ in den Hochschul-Nachrichten vom Januar 1909, veröffentlicht hatte. Vgl. oben, S.  125–138. 11  Gemeint ist Paul von Salvisberg. 12  Karl Lamprecht hatte auf die Abhängigkeit der Assistenten von den Institutsdirektoren hingewiesen und angeregt, „etwas Konstitutionelles“, wie z. B. eine Dozentenkonferenz, einzurichten. Vgl. Lamprecht, Diskussionsbeitrag, in: Verhandlungen des III. HT, S.  41.

[A 41] A 42

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Vermögen. Es ist eine Utopie, daß man mehr als ganz bestimmte, näher zu erörternde, aber, wie ich glaube, in den Rahmen der heutigen Diskussion kaum gehörende Palliativmittel vorschlagen kann gegen die Renitenz des Institutsdirektors. Ferner müssen wir uns die für die Verhältnisse der Assistenten undb des Nachwuchses überhaupt tragische Tatsache klar machen, daß die Rücksicht auf die Wissenschaft die brutalste Auslese verlangt. Was speziell die Assistenten anbelangt, so ist das einzige, daß man zu dem alten Grundsatze zurückkehrt, daß es sich nicht gebührt, daß ein Assistent länger als 3 Jahre Assistent ist.13 Ich kann mich sehr gut der Zeit erinnern, wo man es dem Assistenten verübelte, wenn er länger als 3 Jahre dem hinter ihm Stehenden im Wege war. Heute ist das anders geworden, und ich möchte in dieser Beziehung sagen: die Herren Assistenten mögen auch an ihre eigene Brust schlagen.

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In der Debatte der Ortsgruppe München14 vermisse ich einen Gesichtspunkt: ist der Privatdozent nichts weiter als akademischer Nachwuchs? Ist er nicht freier Lehrer und Forscher, dem Gelegenheit gegeben wird, durch Habilitation seine Ansichten kundzugeben? Er ist doch nicht nur eine Art Avantageur;15 das wäre eine bureaukratische und militärische Auffassung. Jedem Privatdozenten muß in die Seele geschrieben werden, daß er unter keinen Umständen ein irgendwie ersitzbares Recht auf irgendwelche Versorgung habe.c Hinaus mit all den Gesichtspunkten, die an Bureau-

b  Fehlt in A; und sinngemäß ergänzt.   c  In A folgt der Protokollzusatz: (Bravo!) 13  Assistentenstellen wurden nur befristet besetzt, Verlängerungen waren aber möglich. Als Staatsdiener waren die Assistenten auf vierteljährliche Kündigung angestellte Beamte. Vgl. Paletschek, Sylvia, Die permanente Erfindung einer Tradition. Die Universität Tübingen im Kaiserreich und der Weimarer Republik. – Stuttgart: Fritz Steiner 2001, S.  254. 14  Weber bezieht sich auf das Protokoll einer Sitzung der Ortsgruppe München vom 1. Juli 1909, das kurz vor seiner Wortmeldung verlesen worden war. Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  43 f. 15 Frz.: Offiziersanwärter, Fahnenjunker oder Berufsanfänger der höheren militärischen Laufbahn mit geregeltem Aufstieg.

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kratie und an das Schema des aufsteigenden Unteroffiziers,­ Sergeanten usw., oder auch an gleiches Recht usw., kurz an irgendwelche bureaukratischen Gesichtspunkte erinnern.d

d  In A folgt der Protokollzusatz: (Stürmischer langanhaltender Beifall.)

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Antrag auf Statutenänderung [der Deutschen Gesellschaft für Soziologie]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die ersten „Satzungen“ der DGS wurden auf der Gründungsversammlung am 3. Januar 1909 in Berlin beschlossen (Berliner Statut).1 An ihrer Formulierung war Max Weber noch nicht beteiligt. Er versuchte aber in der Folge, auf die weitere Ausgestaltung dieses Statuts Einfluß zu nehmen. Seine Änderungsvorschläge gingen denn auch in die späteren Fassungen, vom Oktober 1909 (Leipziger Statut)2 bzw. vom Oktober 1910 (Frankfurter Statut),3 ein. Wie Weber die Gesellschaft gestaltet sehen wollte, ist seinem Rundschreiben vom Juni 1909 zu entnehmen. Dem wollte er mit seinen Änderungsanträgen Rechnung tragen.4 Der hier edierte Text ist Webers zweiter Antrag auf eine Satzungsänderung. Dieser schlägt sich in dem Statut vom Oktober 1910 nieder (Frankfurter Statut). Der erste – nicht überlieferte – Antrag5 liegt etwa ein Jahr davor und führte zum Leipziger Statut, insbesondere der Umformulierung von §  1. Den im folgenden edierten Antrag auf Satzungsänderung sandte Max Weber am 25. September 1910 an den Geschäftsführer der Deutschen 1  Das Berliner Statut war der Einladung des Vorstandes zum Beitritt zur Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. Januar 1909 (vgl. unten, S.  824–830) beigefügt und ist in Anhang II, unten, S.  857–859, abgedruckt. 2  Zum Leipziger Statut vgl. Anhang II, unten, S.  859–863. 3  Das Frankfurter Statut (Anhang II, unten, S.  864–868) wurde in der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der DGS vom 19. Oktober 1910 verabschiedet. Vgl. Protokoll der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt a. M. am 19. Oktober 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10. Auf Wunsch Max Webers wurden in der Mitgliederversammlung am 6. März 1911 noch einige redaktionelle Änderungen beschlossen. Vgl. Weber, Änderung des Statuts, unten, S.  814–818. 4  Vgl. Weber, Über Ausrichtung und Vorgehen der DGS, oben, S.  153–162. 5  Am 31. August 1909 beantragte Weber die Einberufung einer Sitzung, u. a. zur „Besprechung über die Verfassung der Gesellschaft und etwa notwendige Statutenänderungen“ (Brief Max Webers an Hermann Beck vom 31. Aug. 1909, MWG II/6, S.  240 f., Zitat: S. 241). In der Einladung zur außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS am 14. Oktober 1909 in Leipzig stand dann unter Punkt 2: „Antrag des Herrn Prof. Max Weber betr. Statutenänderung“ (Entwurf des Einladungsschreibens vom 8. Sept. 1909 mit handschriftlichen Korrekturen, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.11.). Der Antrag selbst ist nicht überliefert, auch kein Protokoll der Versammlung.

Editorischer Bericht

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Gesellschaft für Soziologie Hermann Beck. Weber empfahl, „die Elastizität der Gesellschaftsverfassung in Bezug auf die beiden in Betracht kommenden Punkte (Zuziehung von Praktikern, Abteilungen) möglichst zu erhöhen und alle Regelungen dem Einzelfall anheimzustellen“.6 Das Frankfurter Statut von 1910 berücksichtigt die von Weber vorgeschlagenen Änderungen. Sein erster Änderungsvorschlag wurde nahezu wörtlich als §  25 übernommen.7 Sein zweiter Änderungsvorschlag (§  32) betrifft die Einführung von Abteilungen innerhalb der DGS.8 Dieser wurde von der Mitgliederversammlung am 19. Oktober 1910 mit einer Einschränkung ange­ nom­men.9 Dessen ungeachtet findet sich Webers Formulierung wörtlich in §  29 des Frankfurter Statuts von 1910.10

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Dem Abdruck liegt der dreiseitige maschinenschriftliche Text in: SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.60, Bl. 176–178, zugrunde (A), den Max Weber als Beilage zu dem Brief an Hermann Beck vom 25. September 1910 verschickte.11 Im Nachlaß von Ferdinand Tönnies befindet sich außerdem eine maschinenschriftliche Abschrift des Antrags (ebd., Cb 54.61:1.2.01), die geringfügige Abweichungen von Webers Text aufweist. Die Abschrift wurde offenbar aus Gründen der Vervielfältigung angefertigt, aber von Weber nicht autorisiert, so daß sie nicht als eigenständige Textfassung angesehen werden kann. Aus diesem Grund bleibt sie hier unberücksichtigt. Der Antragstext ist überschrieben: „Max Weber: Antrag auf Statutenänderung“. Oberhalb der Überschrift findet sich der in Klammern gesetzte, maschinenschriftliche Zusatz: „Entwurf zur Kenntnisnahme des Vorstandes:“. Der dreiseitige Text enthält eine doppelte Archivpaginierung: Bl. 176–178 und die durchgestrichene Zählung Bl. 83–85. Beide werden durch eine Neuzählung des Herausgebers von 1 bis 3 ersetzt und als A (1) etc. sigliert. Alle Unterstreichungen sind maschinenschriftlich vorgenommen und werden durch

6  Vgl. Brief Max Webers an Hermann Beck vom 25. Sept. 1910, MWG II/6, S.  622–625, Zitat: S.  624; der Antrag ist abgedruckt ebd., S.  626–628. 7  Vgl. Frankfurter Statut, unten, S.  864–868. 8  In einem Brief an Hermann Beck schlug Max Weber Abteilungen für Statistik, Philosophie und Soziologie des Rechts und für Wirtschaftstheorie vor. Vgl. Brief Max Webers an Hermann Beck vom 4. Okt. 1910, MWG II/6, S.  634 f., hier S.  634. 9  Weber, Satzung, Geschäftsbericht, Rechner, unten, S.  809. 10  Vgl. Frankfurter Statut, unten, S.  867. 11  Vgl. den Abdruck der Briefbeilage in: MWG II/6, S.  626–628.

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Antrag auf Statutenänderung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

Kursivdruck wiedergegeben. Der Text enthält maschinenschriftliche Korrekturen von Schreibfehlern, z. B., „Bedingungen“ zu „Bedingung“, „recchen“ zu „reichen“. Drei Wörter sind maschinenschriftlich unkenntlich gemacht. All dies wird textkritisch nicht nachgewiesen.

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Antrag auf Statutenänderung.

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I Zu §  11:1 Einfügen: Nr.   4 „die etwa gemäß §   32 gebildeten Abteilungen“a Die jetzige Nr.  4 in „5“ umändern. II Zu §  12:2 Zeile 1 statt „7“ zu setzen „folgenden“b ” 2 „und zwar“ zu streichen ” 3 „und“ ” ” unter entsprechender Änderung der Interpunktion. Zeile 5 hinzufügen: „und je ein von jeder gemäß §  32 geschaffenen Abteilung hineindelegiertes Mitglied.“ III Zu §  28:3 von „und dem Kreise“4 bis „zuziehen“ zu streichen und durch folgende Formulierung zu ersetzen: „doch sollen mit beschließender Stimme höchstens soviele Nichtmitglieder zugezogen werden, wie dem Ausschuß Mitglieder der Gesellschaft angehören. Die Zusammensetzung und jede Änderung derselben ist dem Vorstand der Gesellschaft anzuzeigen. Die Mitgliederversammlung behält das Recht der Zuwahl und des Ausschlusses von Ausschußmitgliedern“[.] a A: „Abteilungen“  b A: „folgende“ 1  Das Leipziger Statut führt in §  11 vier „Organe der Gesellschaft“ auf: „1. der Vorstand 2. die Mitgliederversammlung 3. die Ausschüsse 4. der Rechner.“ Vgl. unten, S.  861. Zur Umsetzung vgl. §  7 des Frankfurter Statuts, unten, S.  865. 2  §  12 des Leipziger Statuts lautet: „Der Vorstand besteht aus 7 auf 3 Jahre […] bestellten Personen, und zwar aus 3 von der Mitgliederversammlung zu wählenden Vorsitzenden der Gesellschaft, einem ebenso zu wählenden Schriftführer und 3 von diesen 4 Personen hinzuzuwählenden anderen Vorstandsmitgliedern.“ Die von Weber angegebenen Stellen sind kursiv wiedergegeben (vgl. auch unten, S.  861). Zur Umsetzung vgl. §  8 des Frankfurter Statuts, unten, S.  865. 3  §  28 des Leipziger Statuts lautet: „Jeder Ausschuß hat das unbeschränkte Recht der Zuwahl aus dem Kreise der ordentlichen Mitglieder und darf mit beratender Stimme jede ihm geeignet scheinende Persönlichkeit zuziehen.“ Hervorhebung der von Weber zu ändernden Passage (vgl. auch unten, S.  863). Zur Umsetzung vgl. §  25 des Frankfurter Statuts, unten, S.  867, dort mit kleineren Modifikationen gegenüber Webers Vorschlägen: „Sonder-Ausschuß“ statt „Ausschuß“, „Der Hauptausschuß“ statt „Die Mitgliederversammlung“ und „Mitgliedern der Sonder-Ausschüsse“ statt „Ausschußmitgliedern“. 4  §  28 des Leipziger Statuts lautet: „aus dem Kreise“. Vgl. unten, S.  863.

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Antrag auf Statutenänderung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

IV Hinter den jetzigen §  31c einzuschieben:5 Abschnitt E: „Abteilungen“ §   32 Die Mitgliederversammlung kann für wissenschaftliche Sondergebiete Abteilungen einrichten und dabei ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft und ihrer Geschäftsordnung generell oder für jeden Einzelfall regeln oder ihnend die Regelung ihrer Geschäftsordnung und ebenso die Ausübung bestimmter einzelner von denjenigen Rechten ganz oder teilweise überlassen,e welche nach §§  21, 25, 27 ihr selbst zustehen. Die jetzigen §§   32 und 33 in §§   33 und 34, denf Abschnitt „E“ in „F“ umnennen. A (2)



Begründung. 1. die Vorschläge zu §  11 sind nur redaktionell. Diejenigen zu §   12 sind meines Erachtens Konsequenz einer etwaigen Errichtung von Abteilungen.  Vermehrt sich dadurch die Zahl der Vorstandsmitglieder nun auch weiter, so wird es allerdings dringendstes schon jetzt empfundenes Bedürfnis, daß a. der Vorstand selbst geschäftsordnungsmäßig6 im Interesse eines weniger schleppenden Ganges der Geschäftsführung bestimmte mehr äußerliche und technische Angelegenheiten unter voller Wahrung des Rechtes der anderen Vorstandsmitglieder auf Information und Wahrung der Möglichkeit des Eingreifens den in Berlin wohnhaften, evtl. einigen anderen einzelnen Herren überläßt;g

c A: 32  d A: Ihnen  e A: überlassen.  f A: der  g A: überläßt. 5  Auf §  31 folgt im Leipziger Statut: „E. Rechner.“ mit den zugehörigen §§  32 und 33, vgl. unten, S.  863. 6  Weber hielt eine Geschäftsordnung für den Vorstand der DGS, welche die Arbeitsteilung unter den drei Vorstandsmitgliedern Ferdinand Tönnies, Werner Sombart und Georg Simmel regelt, für erforderlich. Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Entwurf einer Geschäftsordnung für den Vorstand, unten, S.  243 f.

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b. daß ferner die drei Herren Vorsitzenden sich ihrerseits in bestimmte Geschäfte teilen.7 Darüber sollte m. E. eine Vorstandssitzung in Frankfurt/Main beraten.8 2. Der Vorschlag zu §  28 rechtfertigt sich durch die Bedürfnisse, wie sie schon die Wahl des Ausschusses für die Presse-Enquête ergeben wird.9 Die Zuziehung von Praktikern ist unerläßlich, und hervorragende Praktiker müssen einerseits mit gleichem Recht kooptiert werden (was jetzt nicht möglich ist),h andererseits kann man sie nicht zum Eintritt als unterstützende Mitglieder pressen wollen, gleichviel ob dies mit Erfolg geschehen könnte. In der vorgeschlagenen Fassung erscheint das beantragte Recht wohl unbedenklich. 3. §  32 soll die Möglichkeit, in jedem Einzelfall und vorbehaltlich jederzeitiger Änderungen die Stellung der projektierten Abteilungen zu regeln, eröffnen. Die Schwierigkeiten dieser Regelung werden sich voraussichtlich auf folgende Punkte erstrecken: a. Kooptationsrecht der Abteilungen? m. E. unter Vorbehalt einstimmiger Zustimmung des Vorstandes zur Kooptationsliste für die statistische Abteilung10

h A: ist,)   7  Vgl. dazu oben, S.  191, Anm.  1. 8  Die Vorstandssitzung fand am 21. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. statt. Ob über die Frage der Arbeitsteilung beraten wurde, geht aus dem Protokoll nicht hervor. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zu Frankfurt a. M., am Freitag den 21. Oktober abends 7 Uhr, in: SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10. 9  Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Vorbericht, unten, S.  208–210. Max Weber legte seinem Brief an Hermann Beck, vor dem 16. Februar 1911, eine Liste von Verlegern und Journalisten bei, die er als „Praktiker“ in den Presseausschuß kooptiert sehen wollte (vgl. MWG II/7, S.  99). 10  Eine offizielle Kooptationsliste für die Statistische Abteilung ließ sich nicht finden, nur der „Entwurf eines Schreibens an Herrn von Mayr“ (Beilage zum Brief an Hermann Beck vom 5. Dez. 1910, MWG II/6, S.  710 f.), wo Weber die folgenden Personen vorschlägt: Paul Kollmann, Friedrich Schäfer, Sigmund Schott, Wilhelm Böhmert und Eugen Würzburger. Georg v. Mayr sollte den Vorsitz der Sektion übernehmen. Vgl. Weber, Vorläufiger Entwurf Abteilung Statistik, unten, S.  229–234.

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Antrag auf Statutenänderung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

unbedenklich, und dann natürlich mit Wirkung für die Gesellschaft als solche. b. Finanziellei Rechte der Abteilungen? Solange die Gesellschaft selbst so zahlungsunfähig ist, wie jetzt, ohne größere Bedeutung. Aber im Fall sich dies ändert, schwieriger Punkt, bezüglich dessen aber die Stellung von Anträgen seitens der provisorisch zu konstituierenden Abteilungen als solcher abzuwarten sein wird. c. Eigene wissenschaftliche Unternehmungen und eigene Ausschußwahlen (§   27) der Abteilungen?? M.E. mit Bedingung der Zugehörigkeit eines Vorstandsmitgliedes der Gesellschaft zu den Abteilungsvorständen und jallen Abteilungsausschüssenj zu koncedieren, soweit die Finanzen der Abteilung reichen.

i A: finanzielle  j A: aller Abteilungsausschüsse

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Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie [Unter Mitarbeit von Hermann Beck]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 8. April 1910 richtete Hermann Beck an Max Weber die Bitte, einen „zu vervielfältigenden (und auch der Fach- und Tagespresse zuzusendenden […]) Bericht abzufassen, der an alle Mitglieder jetzt mit der Mitteilung ihrer Kooptation […] zu versenden wäre“.1 Dieser Bericht sollte folgende Punkte enthalten: „a. einen kurzen Bericht über das, was wir im verflossenen Jahre (nicht) geleistet haben, b. die Veränderung der Structur der Gesellschaft durch die Leipziger Satzungsänderung […], c. das Ergebnis der Wahlen in den Vorstand […], d. den Plan des Soziologentages unter Angabe der Themata, des Ortes und der Zeit […], e. unsere Pläne bezügl. der wissenschaftlichen Arbeiten, deren Themata ebenfalls zu nennen wäre[n] […].“ Darüber hinaus regte Beck an, einen Auszug aus dem in Leipzig vorgelegten Kassenbericht zu geben. Weber erschien ihm als Autor am geeignetsten „da er sich am meisten mit dem Gegenstande beschäftigt hat und auch der letzten Sitzung in Halle einen Bericht erstattet hat“.2 Die Abfassung des Berichtes wolle er selbst übernehmen, falls Weber dazu keine Zeit habe. Ferner bat er die Vorstandsmitglieder um Material „bezügl. der Themata am Soziologentag“. Wie aus einem Schreiben Becks an Weber vom 9. Juni 1910 hervorgeht, kam Weber dieser Aufforderung brieflich nach.3 Daraufhin stellte Beck aus Webers Materialien einen Geschäftsbericht für die Mitglieder zusammen sowie „verschiedene Aufsätze“.4 Etwas später regte Weber an, die „Mitteilung“ über die Deutsche Gesellschaft für Soziologie an Edgar Jaffé zur Publikation im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik zu schicken.5 Beck tat dies mit der Bemerkung, „nach Gutdünken redaktionell 1  Vgl. die Mitteilung im Rundschreiben Hermann Becks an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 8. April 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.5; dort auch die nachfolgenden Zitate. 2  Über die Sitzung in Halle und den besagten Bericht ist nichts bekannt. 3  Brief Hermann Becks an Max Weber vom 9. Juni 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1. 4 Ebd. 5 Brief Max Webers an Hermann Beck vom 10. Juli 1910, MWG II/6, S.  583 f., hier S.  584.

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Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie

zusammenzustreichen oder zu ändern“.6 Bei der von Weber erwähnten „Mitteilung“ handelt es sich vermutlich um das Manuskript der Texte, die unter dem Titel „Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik bzw. in den „Dokumenten des Fortschritts“ anonym erschienen sind.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der gedruckte Text liegt in zwei Fassungen vor: 1) als Abdruck in: Dokumente des Fortschritts. Internationale Revue, hg. von R[odolphe] Broda in Verbindung mit Hermann Beck und Erich Lilien­ thal. – Berlin: Georg Reimer, 3. Jg., 8. Heft, ausgegeben Anfang September 1910, S.  588–592 (A), und 2) als Abdruck in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hg. von Edgar Jaffé in Verbindung mit Werner Sombart und Max Weber. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 31.  Band, Beilage zum 2. Heft 1910, ausgeliefert am 30. September 1910 (B). Beide Fassungen sind überschrieben mit „Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie.“ und wurden anonym veröffentlicht, doch weisen Satzbau, Wortwahl und Interpunktion auf Max Weber als Urheber hin.7 Zum Abdruck kommt hier die Fassung B als Fassung letzter Hand, da nur sie die aktualisierte Liste der Redner für den Ersten Deutschen Soziologentag enthält.8 Da Weber als Mitherausgeber des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik den Text noch bis zuletzt bearbeiten konnte, dürften die Änderungen gegenüber der Fassung A auf ihn zurückgehen. Die Abweichungen der Fassung A werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Nicht nachgewiesen wird der differierende Gebrauch von zeitbedingter Recht-

6  So die Mitteilung von Hermann Beck in seinem Brief an Max Weber vom 15. Juli 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.15. 7  So etwa der Ausdruck „Dilettantentreiben“, die Rede von der „organisierten Kollektivarbeit“, von der „notwendigen Elastizität“ des Mitarbeiterstandes und von der Einbeziehung von „Praktikern“. Vgl. dazu den Brief an Hermann Beck vom 25. Sept. 1910, MWG II/6, S.  622–625, hier S.  624, sowie den Brief an Wilhelm Windelband vom 9. Mai 1909, ebd., S.  501–504, hier S.  502. Sowohl in dem unten abgedruckten Text als auch in seinem Bericht für den Ersten Deutschen Soziologentag erhofft sich Weber ein Mäzenatentum, das die wissenschaftliche Arbeit um „ihrer selbst willen fördern“ solle. Vgl. Weber, Geschäftsbericht, unten, S.  286. Ob und welche Passagen von Hermann Beck stammen, läßt sich nicht mehr ermitteln. 8  Vgl. unten, S.  202.

Editorischer Bericht

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schreibung, Abkürzungen und Schreibung von Zahlen (z. B. Entwicklung/Entwickelung, anderen/andern, u./und, z. Zt./zur Zeit, 7/sieben). Der Text der Fassung B umfaßt vier Seiten, die nicht paginiert sind; die Seiten werden vom Editor mit 1 bis 4 neu gezählt und mit B (1), B (2) etc. sigliert.

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Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Die Wissenschaft der „Soziologie“ war bis vor kurzem bei uns[,] nach ihrem Aufgabenkreis und ihrer Methode, nach ihren Zu­kunfts­ chancen und selbst nach ihrem Namen,a umstritten. Sie besaß im Ausland, sowohl im angelsächsischen wie im romanischen Kulturgebiet, bereits eine stattliche Zahl nicht nur von Zeitschriften und Kompendien, sondern auch von Instituten mit zuweilen sehr großen Mittelnb und – was dem deutschen Publikum wohl immer noch den meisten Eindruck macht:c – von ordentlichen Professuren an den Universitäten.1 In Deutschland ist sie d, unter ihrem eigenen Namen wenigstens,d nur literarisch vertreten und überwiegend von Gelehrten, die innerhalb der offiziellen Zunft schwer Platz finden.2 Spezialzeitschriften von Bedeutung fanden sich für sie nicht, von Instituten vollends ist auch heute noch keine Rede,e und innerhalb a Komma fehlt in A.   b B: Mitteln,  c Doppelpunkt fehlt in A.   d In A Gedankenstriche statt Kommata.   e  Komma fehlt in B. 1  In den USA gab es schon vor der Jahrhundertwende soziologische Zeitschriften wie The New York Journal of Social Science (1866), The American Sociologist (1883), The Sociologic News (1890), American Journal of Sociology (1895). 1892 errichtete Albion Small an der Universität von Chicago das erste Department of Sociology. 1909 lehrten 50 hauptamtliche Soziologieprofessoren an amerikanischen Universitäten, darunter Charles H. Cooley, Franklin Giddings und James M. Williams. 1905 wurde die American Sociological Society gegründet. Vgl. Hardin, Bert, The Professionalization of Sociology. A Comparative Study: Germany-USA. – Frankfurt a. M.: Campus 1977, S.  20– 23. In London und in Manchester gab es seit 1904 eine Sociological Society. In Frankreich existierte bereits seit 1872 die Société de Sociologie. Emile Durkheim, der seit 1882 einen Lehrauftrag als „Chargé d’un Cours de Science Sociale et de Pédagogie“ an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bordeaux innehatte, gründete 1889 die Année Sociologique. Mit seinem 1895 erschienenen Werk „Règles de la méthode sociologique“ trug er zur Etablierung und Verbreitung des Faches bei. 1902 erhielt Durkheim einen Ruf auf die Professur für Erziehungswissenschaft an die Sorbonne. Diese wurde 1913 in „Erziehungswissenschaft und Soziologie“ umbenannt. René Worms gründete 1892 die Revue internationale de sociologie, 1893 das Institut international de sociologie und 1895 die Société de sociologie. In Belgien gab es seit 1901 das Institut Solvay, vgl. dazu unten, S.  207, Anm.  22, seit 1903 die Société Belge de Sociologie. 2  Nach Webers Meinung setzte sich der Vorstand der DGS aus „Refusés“ zusammen. Der Gesellschaft stünden kaum namhafte Wissenschaftler zur Verfügung. Dies würde sie bei der Werbung um Mitglieder und Forschungsmittel benachteiligen. Vgl. dazu den Brief Max Webers an Franz Eulenburg vom 27. Okt. 1910, MWG II/6, S.  655 f., sowie die Einleitung, oben, S.  30.

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des akademischen Lehrplans war nur ein Teilgebiet: die allgemeine Staatslehre, und auch diesef nur vereinzelt, Promotionsfach und Gegenstand von Lehraufträgen. Andere soziologische Gebiete oder die Soziologie in ihrem Gesamtumfang finden sich in den Vorlesungsverzeichnissen erst neuerdings und dann meist unstet. Allerdings hatte ein geräuschvolles Dilettantentreiben seinerzeit den Namen „Soziologie“ bei uns derart diskreditiert, daß bis in die jüngste Vergangenheit hinein es ernste Gelehrte gegeben hat, welche Bedenken trugen, Arbeiten unzweifelhaft soziologischen Charakters auch offen unter dieser Flagge segeln zu lassen. Was in letzter Zeit einen Umschwung in dieser spezifisch deutschen Stellungnahme herbeiführt, ist zunächst die wachsende Einsicht, daß man bei der Ergründung der Strukturverhältnisse unserer Kultur zunehmend zu Fragestellungen gelangt, welche zu den Forschungszielen derjenigen Einzeldisziplinen, welche das soziale Leben unter spezifischen Einzelgesichtspunkten behandeln (also: Nationalökonomie, Rechtskunde, Kulturgeschichte, historische und vergleichende Religionswissenschaft, historische und systematische Sittenkunde, Sozialpsychologie),g teils als umfassendere Probleme, teils als Zwischen-, teils als Berührungsgebiete sich verhalten. Dann die fernere Einsicht, daß es unter den für diese Gebiete gemeinsamen Aufgaben solche gibt, welche schlechterdings nur durch organisierte Kollektivarbeit3 zu bewältigen sind. –h Nach mannigfachen älteren Versuchen darf jetzt von einem Beginn organisierter soziologischer Arbeit berichtet werden. Die seit dem vorigen Jahre mit dem Sitze Berlin (W. 50 Spichernstraße 17) bestehende Deutsche Gesellschaft für Soziologie hat sich kürzlich ihre definitive Verfassung gegeben.4 Die einfache (unterstützende) Mitgliedschaft, welche das Recht auf aktive Teilnahme an allen wissenschaftlichen Veranstaltungen der Gesellschaft (insbesondere an den Diskussionen der Tagungen und am Publikaf A: dies  g  Komma fehlt in A.   h  Gedankenstrich fehlt in A. 3  So auch die von Weber vorgeschlagenen Forschungsvorhaben. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Vorbericht, unten, S.  208–210. 4  Das Statut erhielt erst auf der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der DGS am 19. Oktober 1910 – nach Übernahme der Änderungsvorschläge Max Webers – seine endgültige Gestalt (Frankfurter Statut). Vgl. unten, S.  864–868. Zu den Hintergründen vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Antrag auf Statutenänderung, oben, S.  188–190.

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tionsbezug zu Vorzugsbedingungen) gibt, kann von jedermann gegen die Verpflichtung zu einem Jahresbeitrag von 10 Mk. erworben werden. Es genügt Einzahlung des Betrages an die Kommerzund Diskontobank, Depositenkasse D, Berlin W. 15, Kaiserallee 211 und Mitteilung davon an die obige Adresse. Über Anträge auf Veranstaltungen wissenschaftlicher Arbeiten (zu deren Stellung und persönlicher Vertretung jedes Mitglied berechtigt ist) beschließt, dem Zweck der Gesellschaft entsprechend, die ausschließlich aus soziologischen Fachmännern (Theoretikern und Praktikern) bestehende Versammlung der sogen.i ordentlichen Mitglieder, welche zur Zeit aus ca.j 100 Personen5 besteht und ihrer stetigen weiteren Ergänzung entgegengeht. Die Einladung zur Gründung unterzeichneten seinerzeit u. a.: Prof. Bernheim (Greifswald), Prof. Breysig (Berlin), Prof. Cohen (Marburg), Dr. Eduard David (Berlin), Prof. E[berhard] Gothein (Heidelberg), kProf. H[einrich] Herkner (Charlottenburg),k Prof. I[gnaz] Jastrow (Berlin), Prof. G[eorg] Jellinek (Heidelberg), Prof. Paul Laband (Straßburg), Prof. W[ilhelm] Lexis (Göttingen), Prof. F[ranz] von Liszt (Berlin), Dr. R[ichard]l M[oritz] Meyerm (Berlin), Dr. A[lbert] Moll (Berlin), Prof. P[aul] Natorp (Marburg), Prof. W[ilhelm] Ostwald (Leipzig), nProf.  G[eorg] Simmel (Berlin), Prof. W[erner] Sombart (Berlin),n Dr. L[ouis] W[ilhelm] Stern (Breslau), oProf. F[erdinand] Tönnies (Kiel),o Prof. E[rnst] Troeltsch (Heidelberg), pProf. A[lfred] Vierkandt (Berlin),p Prof. H[einrich] Waentig (Halle, zur Zeit Tokyo), Prof. Alfred Weber (Heidelberg) q, Prof. Max Weber (daselbst)q. Die Vorberatung und Durchführung von Arbeiten der Gesellschaft liegt in den Händen teils von Ausschüssen, welche von der ordentlichen Mitgliederversammlung im Einzelfall damit betraut werden, teils in denenr des Vorstandes, welcher aus 7 Personen (zur Zeit den 3 Vorsitzenden: Prof. F[erdinand] TönniesKiel, Prof. G[eorg] Simmel-Berlin, Prof. W[erner] Sombart-Berlin, i A: sogenannten  j A: etwa  k–k Fehlt in A.   l B: W.  m B: Meier   n–n  Fehlt in A.   o–o  Fehlt in A.   p–p  Fehlt in A.   q–q  Fehlt in A.   r  A, B: der 5  Laut Verzeichnissen vom Beginn des Jahres 1910 gehörten der DGS 92 „ordentliche“ und 26 „unterstützende“ Mitglieder an. (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.12). Während es sich bei den „ordentlichen Mitgliedern“ vor allem um Gelehrte handelte, fanden sich unter den „unterstützenden Mitgliedern“ auch Personen anderer Berufsgruppen.

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und Dr. H[ermann] Beck-Berlin sals Schriftführers, fernert Dr. A[lfred] uPloetz-Münchenu, Dr. A[lfred] Vierkandt-Berlin, Prof. Max Weber-Heidelberg) besteht.6 Die Verfassung der Gesellschaft sucht, indem sie die ordentlichen Mitgliederversammlungen und vebenso alle einzelnen, für spezielle Arbeiten gewähltenv Ausschüsse mit dem Kooptationsrecht (unter sehr liberaler Handhabung desselben) und ferner mit der Befugnis der Zuziehung aller geeigneten Personen7 als Berater wund völliger Bewegungsfreiheitw ausstattet, in dem Personalbestand der leitenden Instanzen die für wissenschaftliche Arbeiten unentbehrliche Stetigkeit mit der ebenso notwendigen Elastizität und weitherzigen Offenhaltung der Mitarbeit für jeden ernsten Denker, gleichviel welchen Gepräges, welcher mitarbeiten will, zu vereinigen.8 Denn der Betrieb der Wissenschaft kann einerseits seinem Wesen nach niemals eine Angelegenheit von Majoritätsabstimmungen, Wahlagitationen u. dgl. werden, auf der andern Seite darf er nicht Sache einer Coteriex9 sein. – Die fortlaufende Kontrolle der Geldverwaltung liegt in allen Einzelheiten in den Händen eines dafür besonders bestellten Rechners;10 soweit die Mittel für wissenschaftliche Arbeiten von Dritten (Akademien oder ähnlichen Korporationen oder privaten Stiftern) herrühren, wird d ­ ieseny durch Zuziehung ihrer Vertreter zu dem betreffenden Ausschuß die Kontrolle einer bestimmungsgemäßen und zweckdienlichen Verwendung der von ihnenz gegebenen Mittel gewährleistet. – Für die Zwecke international zu s  Fehlt in A.   t  Fehlt in A.   u  A, B: Plötz-München  v A: alle  w–w Fehlt in A.   x A: Koterie  y B: diesem  z B: ihm 6  Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Ausrichtung und Vorgehen der DGS, oben, S.  153 f. mit Anm.  6. 7  Dies war im Leipziger Statut in den §§  25 und 28 (unten, S.  862 f.) und dann später im Frankfurter Statut in §  25 geregelt. Letzterer ermöglichte auch den Sonderausschüssen, Nichtmitglieder nicht nur mit beratender, sondern auch „mit beschließender Stimme“ zu wählen. Vgl. unten, S.  867. 8  Am 25. September 1910 schrieb Max Weber an Hermann Beck: „Ich gestatte mir, einen Antrag auf Statutenänderung beizulegen, der in seiner Fassung den Zweck verfolgt, die Elastizität der Gesellschaftsverfassung in Bezug auf die beiden in Betracht kommenden Punkte (Zuziehung von Praktikern, Abteilungen) möglichst zu erhöhen und alle Regelungen dem Einzelfall anheimzustellen.“ Vgl. MWG II/6, S.  622–625, Zitat: S.  624. 9  Abwertend für: geschlossene Gesellschaft, Partei, Kaste. Weber hat hier den Verein für Socialpolitik im Sinn. 10  Zu den umfassenden Rechten des Rechners vgl. §  33 des Leipziger Statuts, unten, S.  863, sowie §  31 des Frankfurter Statuts, unten, S.  868.

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organisierender Arbeiten (und, gegebenenfalls, auch internationaler Kongresse) tritt die Gesellschaft mit den gleichartigen Verbänden des Auslands in Verbindung. Innerhalb Deutschlands werden von ihr zurzeit folgende Veranstaltungen in die Wege geleitet: 1. Die Abhaltung eines deutschen Soziologentages, der erstmalig im Oktober dieses Jahres (voma 19. bis 21. Oktoberb) in Frankfurt stattfinden soll11 (Näheres durch  cbesondere Bekanntmachung und auf Anfragec) und an dessen Diskussionen, neben besonders geladenen Gästen, alle Mitglieder der Gesellschaft Anteil zu nehmen berechtigt sind. Von Vorträgen sind, vorbehaltlich näherer Bestimmung, vorläufig folgende in Aussicht genommen:12 1. Prof. Dr. Georg Simmel, Soziologie der Geselligkeit; 2. Prof. Dr. Ferdinandd Tönnies, Wegee und Ziele der Soziologie; 3. Prof. Dr. W[erner] Sombart, Technik und Kultur; 4. Dr. A[lfred] Ploetz, Der Begriff der Rasse und die Soziologie; 5. Prof. Dr.f Troeltsch, Heidelberg, Religiöses und profanes Naturrechtg; 6a.h Prof. Dr. Andreas Voigt, Wirtschaft und Recht;i   jb. Privatdozent Dr. Kantorowicz, Rechtswissenschaft u. Sozio­ logie“;j 7. Prof.k Dr. E[berhard] Gothein, Soziologie der Panik.l 2. Die wissenschaftlichen Arbeiten der mGesellschaft werdenm in Serien von Monographien, jede Serie einem bestimmten Problemkreis gewidmet, im Buchhandel erscheinen und nan sämtliche Mitglieder zu einem lediglich die Selbstkosten deckenden Vorzugspreis verteiltn werden.

a A: voraussichtlich vom   b A: Okt. d. J.   c–c A: Programme, die von der Geschäftsstelle kostenlos bezogen werden können   d A: Alfred  e A: Wesen  f B: D.  g In A folgt: in ihren soziologischen Beziehungen   h A: 6.   i A: Recht,    j–j  Fehlt in A.   k  Fehlt in A.   l  In A folgt ein Absatz und: Ferner sind zu erwähnen:   m A: Gesellschaft. Diese werden   n–n A: sämtlichen Mitgliedern zu einem Vorzugspreis abgegeben   11  Der Erste Deutsche Soziologentag fand vom 19. bis 22. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. statt. 12  Alle genannten Vorträge wurden unter teilweise leicht geändertem Titel auf dem Ersten Deutschen Soziologentag gehalten und sind abgedruckt in: Verhandlungen DGS 1910, S.  17–309.

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Von solchen Arbeiten soll z. Zt. zunächsto a) diep Veranstaltung einer umfassenden Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens in Deutschland unter Vergleichung mit den Verhältnissen anderer Hauptkulturländer (namentlich Amerika, England, Frankreich)13 in die Wege geleitet werden. Der Schaffung der für die Vorarbeiten dieses,q der Analyse eines der wichtigsten modernen Kulturfaktoren geltenden,r Unternehmens auf mindestens sMk. 25 000s veranschlagten Geldmittel sind tdie Akademie der Wissenschaften in Heidelberg, das Institut für Gemeinwohl in Frankfurt a. M.t und einige private Stifter (innerhalb und außerhalb der Gesellschaft)14 in der Art näher getreten, daß für den Fall der Schaffung der erforderlichen Arbeitsorganisation, über welche z. Zt. Verhandlungen mit den berufenen Vertretern der Presse u(des Zeitungsverlages sowohl wie des Journalistenstandes)u  15 eingeleitet werden sollen, der genannte Betrag zu annäherndv vier Fünfteln als voraussichtlich gedeckt gelten darf. Es muß gehofft werden, daß alsdann private Opferwilligkeit den noch ungedeckten Restbetrag übernehmen wird, vor allem aber, daß die selbstverständlich für das Gelingen der Erhebung ganz unentbehrliche Zusammenarbeit der Praktiker mit geeigneten Vertretern der Wissenschaft sich herstellen,w und so der vorläufig nur ganz pro­ visorisch entworfene Grundriß eines Arbeitsplanes16x zu einer ­definitiven Präzisierung konkreter Themata und Feststellung der für ihre Lösung zu beschaffenden Materialien und geeigneten Methoden führen wird. yDer Absichty der Gesellschaft nach sollo  Fehlt in A.   p A: Die    q  Komma fehlt in A.   r  Komma fehlt in A.   s A: 25 000 Mk.  t–t  A: angesehene wissenschaftliche Körperschaften   u–u  In A Gedankenstriche statt Klammern.   v A: etwa  w  Komma fehlt in A.   x  In A folgt: sich  y A: Den Ansichten   13  Dieses Vorhaben geht auf einen Vorschlag Webers zurück. Vgl. Weber, Disposi­ tion, oben, S.  139–152, und Weber, Vorbericht, unten, S.  208–228. 14  Vgl. dazu Weber, Geschäftsbericht, unten, S.  285 f., sowie den Brief Max Webers an die Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Stiftung Lanz), z. Hd. Herrn Geh. Rath Windelband vom 9. Mai 1910, MWG II/6, S.  501–504. Dort auch der Hinweis, daß sich Weber in derselben Sache an Wilhelm Merton, den Stifter des Instituts für Gemeinwohl, gewandt hatte (ebd., S.  503, Anm.  4). 15  Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Vorbericht, unten, S.  208–210. Für die Presseenquete schlug Weber Journalisten und Verleger vor, die er in den Ausschuß kooptieren wollte. Vgl. die Beilage zum Brief an Hermann Beck, vor dem 16. Febr. 1911, MWG II/7, S.  99. 16  Vgl. Weber, Vorbericht, unten, S.  208–228.

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tenz die Arbeiten möglichst sowohl die geschäftlichen und organisatorischen Existenzbedingungen des modernen Zeitungswesens (Verlagsgeschäft,17 Redaktion, Nachrichtengeschäft, An­ non­cen­geschäft, in allen ihren Verzweigungen), soweit sie direkt oder indirekt für dessen kulturgeschichtliche und soziologische Eigenart bestimmend sind, erfassen, wie ferner die Art der Wirkung der Presse auf die politischen und Kulturverhältnisse der großen unter einander zu vergleichenden Kulturländer und umgekehrt die Abhängigkeit der allgemeinen Stellung der Presse und des Journalismus von den allgemeinen politischen Kulturbedingungen, insbesondere aber auch die neuesten Tendenzen der Entwickelung des Zeitungswesens und seiner Kulturbedeutung. Da die Deutsche Gesellschaft für Soziologie die Beschränkung ihrer Tätigkeit auf streng wissenschaftliche Arbeit,  unter strikter Ablehnung jedweder politischen, sozialpolitischen, konfessionellen, ethischen oder sonstigen praktischen Stellungnahmea zu einem ihrer statutenmäßig festgelegten Grundprinzipien18 gemacht hat, so kann es sich bei diesen,b wie bei anderen Arbeiten ausschließlich und allein um objektive Feststellung von Tatsachen und deren Ursachen, niemals aber um ein moralisierendes coder überhaupt kritisierendesc Räsonnement über diese Tatsachen handeln. Das gleiche gilt für andere, vorerst nur innerhalb des Vorstands erwogene und eventuell der Gesellschaft zu unterbreitende Arbeitspläne. Dahin dürfte vor allem gehören b) die Untersuchung der Auslese der ökonomisch oder sozial oder intellektuell oder künstlerisch führenden Schichten der Kulturnationen nach ihrer geographischen, ethnischen, beruflichen und sozialen, kulturlichen Provenienz,19 sowie c) die soziologische Analyse der zwischen dem heutigen Staat (und anderen öffentlichen oder öffentlich anerkannten und privilegierten Körperschaften) und den Einzelindividuen stehenden z A: sollen  a A: Stellungnahmen  b  Komma fehlt in A.   c  Fehlt in A. 17  Vgl. Weber, Vorbericht, unten, S.  212, Abschnitt A: Das Zeitungsgeschäft. 18  Das Leipziger Statut betont unter Abschnitt „A. Allgemeine Bestimmungen“, in §  1, den rein wissenschaftlichen Zweck der DGS, bekannte sich zum Methodenpluralismus und der strikten Ablehnung „der Vertretung irgendwelcher praktischen […] Ziele“, vgl. zum vollen Wortlaut unten, S.  860. 19  Von Franz Eulenburg vorgeschlagen. Vgl. dazu Weber, Geschäftsbericht, unten, S.  283 f., Anm.  48.

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gesellschaftlichen Gemeinschaften, von den dreinen lokalend und rein gesellige Zwecke verfolgenden Vereinen angefangen bis zu den idealen Gemeinschaften,20 welche sich die Pflege künstlerischer oder wissenschaftlicher oder sittlicher oder anderer Kulturgüter zum Ziel setzen[,] und bis zu den politischen Parteiorganisationen mit ihren jetzt auch bei uns zunehmend raffinierten Apparaten. Die Tragweite der Zugehörigkeit des einzelnen zu solchen Gemeinschaften ist eine verschieden große.e Aber sehr weitgehend und über den direkt beabsichtigten oder doch offiziell zugestandenen Zweck weit hinausgehend, oft diesem gänzlich inkongruent, ist ihre Wirkung auch bei uns in den meisten Fällen, mag es sich nun um Gesangvereine, Kriegervereine, studentische Korporationen, Künstlersekten oder um was immer handeln. Stets gehören diese zahlreichen Gemeinschaftskreise, in denen der einzelne steht, zu den wichtigsten Faktoren, welche die persönliche Eigenart des Individuumsf ebenso wie die objektiven Kulturgüter prägen. – Auch hier ist natürlich strengste Enthaltung von aller und jeder Parteinahme Vorbedingung für die Gewinnung von sachlich zutreffenden Resultaten.g Wie die beabsichtigte Arbeit über die Presse würde aber auch diese Erhebung großer Mittel bedürfen,h für die unentbehrlichen Vorarbeiten, die hier wie dort zum Teil rein mechanischer Natur sind, zum Teil umfängliche statistische Rechnungen einschließen.i Die Gesellschaft, welche aus ihren laufenden Mitteln zunächst im wesentlichen die Kosten der Soziologentage und laufende Ausgaben zu decken hat, kann die Gewinnung der außerordentlichen Mittel für groß angelegte Arbeiten nur erwarten, wenn, entsprechend dem gestiegenen Reichtum, das wissenschaftliche Mäcenad A: rein lokale   e  In A folgt: Sie ist nicht in jedem Fall so umfassend wie z. B. in den Vereinigten Staaten, wo die Sekte ebenso wie die Unterstützungskasse und der Turnklub den Anspruch erhebt, nur „Gentlemen“ in sich hineingelangen zu lassen und daher ihrerseits dem einzelnen als wichtigstes Mittel seiner Legitimation als solcher im geschäftlichen und geselligen Leben dienen.   f A: Individiums  g  Absatz fehlt in A.  h  Komma fehlt in A.   i  In A folgt: Endlich [Absatz] d) steht zur Erwägung, die Art und Tragweite der Beeinflussung des modernen Kulturlebens, speziell der in dieser Hinsicht schwer zugänglichen breiteren Volksschichten durch religiöse Momente zu untersuchen.   20  Von Weber vorgeschlagen. Vgl. Weber, Über Ausrichtung und Vorgehen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, oben, S.  159, sowie den Brief an Hermann Beck vom 16. Juli 1909, MWG II/6, S.  186–188, hier S.  187 f.

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tentum in Deutschland, welches bis heute erst durch einige wenige, glänzende und in aller Mund befindliche Namen vertreten ist, aufhört, in dem Maße Ausnahmeerscheinung zu sein, wie es dies bis heute  bei uns, sehr im Gegensatz zu Amerika und anderen Ländern, ist. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie kann freilich einen Mäcenaten (außer der selbstverständlichen Abstattung des Dankes durch Nennung auf ihren Publikationen) nur durch seine Aufnahme in den Kreis der „Stifter“ (welchen statutengemäß die dauernde Mitbeteiligung an allen ihren Verhandlungen zusteht)21 ehren. Aber sie glaubt hoffen zu dürfen, daß der Sinn für die Bedeutung wissenschaftlicher, speziell kultur- und sozialwissenschaftlicher Arbeit auch in Deutschland in Zunahme begriffen ist. Bisher waren bei uns wesentlich für aktuelle technische Probleme einerseits, für bestimmte ästhetische Zwecke andererseits,j in ziemlich umfassendem Maße private Geldmittel verfügbar. Ebenso unter Umständen für gewisse naturwissenschaftliche Arbeiten, von deren Förderung man, direkt oder indirekt, Früchte für therapeutische oder technische Zwecke erhoffen zu können glaubte. Dies alles war sehr erfreulich und wird hoffentlich so bleiben. Für Arbeiten im Dienst sozialwissenschaftlicher Erkenntnis, deren praktische Tragweite, obwohl selbstverständlich ebenfalls vorhanden, nicht so unmittelbar greifbar zutage tritt, war ähnliches bei uns vorerst nur ausnahmsweise der Fall. Je mehr wir aber den Charakter eines vorwiegend utilitarisch gestimmten Parvenüvolkes abstreifen und wieder ein Kulturvolk werden, desto zahlreichere Gefolgschaft werden hoffentlich auch jene bisher schon aufgetretenen glänzenden Ausnahmen finden, welche die wissenschaftliche Arbeit um ihrer selbst willen fördern und also die Geduld haben, von ihrem ruhigen, durch allzu schnelles Schielen nach unmittelbar praktischen Resultaten knicht gestörten,k Wachstum zu erwarten, daß es auch l„dem Leben dienen“l werde. Was speziell die Aufgaben der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ anlangt,m so ist sicherlich eine ihrer wesentlichsten

j  Komma fehlt in A.   k A: freien  l  Anführungszeichen fehlen in A.   m Komma fehlt in A. 21  Nach §  8 des Leipziger Statuts stand den Stiftern das Recht zu, an der Mitgliederversammlung mit beratender Stimme teilzunehmen. Vgl. unten, S.  860.

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Zukunftspflichten, nach nallseitig anerkanntenn Mustern des Auslandes, auch die Schaffung eines Soziologischen Instituts.22 Es steht z. Z. zur Erwägung, event. zugleich mit der Einleitung der Untersuchung über die Presse die allerersten Schritte zu tun, um ein solches, in vorerst sehr bescheidenem Ausmaße, vorzubereiten. Aber – wie das Ausland zeigt – etwas wirklich Großzügiges zu leisten, wäre hier nur möglich bei Unterstützung einerseits durch sehr beträchtliche Kapitalien, andererseits durch jenes „Massen-Mäcenatentum“, an dem sich jeder an den Aufgaben der Gesellschaft Interessierte durch Eintritt in den Kreis der „unterstützenden“ Mitglieder beteiligen kann.

n A: den für die Praxis anerkannten, 22  1901 gründete der belgische Chemiker und Industrielle Ernest Solvay das Institut für Soziologie (Institut Solvay).

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Vorbericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber hatte im Zusammenhang mit den Arbeitsplänen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im April/Mai 1909 eine „Disposition“ der geplanten Zeitungsenquete vorgelegt, die, nach Überarbeitung, am 13. Mai 1909 von Hermann Beck an die Mitglieder des Vorstandes verschickt wurde, verbunden mit der Anregung, dazu Stellung zu nehmen.1 Auf der Grundlage dieser „Disposition“ und möglicher Anregungen dürfte der hier abgedruckte „Vorbericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens“ entstanden sein. Weber reichte ihn zusammen mit einem Brief vom 9. Mai 1910 bei der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg mit dem Ziel ein, von dieser eine finanzielle Unterstützung zu erlangen.2 Die Akademie sagte mit Beschluß vom 16. Juli 1910 eine Förderung im Umfang von 10.000 Mark zu. Dafür stellte sie zwei, von Weber selbst in einem Brief an Wilhelm Windelband aufgestellte Bedingungen: „daß: 1) diese Constituierung [eines Arbeitsausschusses für die Presseenquete] in einer, nach dem Urteil der von der Klasse bezeichneten Persönlichkeiten (vielleicht: Sie selbst und Geheimrath Gothein?), genügende Garantie bietenden Art zustande kommt, – und daß: 2) die Abgrenzung der für die Akademie-Unterstützung geeigneten Arbeitsgebiete aus dem Gesammtthema gelingt“.3 Die Wahl des Presse-Ausschusses durch die Mitgliederversammlung fand dann am 6. März 1911 in Heidelberg statt.4 Zwei Heidelberger Akademiemitglieder, Gothein und Weber, wurden gewählt und zahlreiche Experten aus Wissenschaft und Praxis kooptiert.

1  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  139–152. 2  Brief Max Webers an Wilhelm Windelband, den ersten Sekretär der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, vom 9. Mai 1910, MWG II/6, S.  501–504, hier S.  501. 3  Brief Max Webers an Wilhelm Windelband vom 9. Juli 1910, MWG II/6, S.  581 f., hier S.  582. 4  Protokoll der Mitgliederversammlung in Heidelberg am 6. März 1911, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Ein handschriftliches Manuskript ist nicht überliefert. Der Text liegt in drei Fassungen vor. Zum Abdruck kommt Fassung C, ein 7-seitiges gedrucktes Manuskript, das als Fassung letzter Hand anzusehen ist. Es trägt die Überschrift: „Vorbericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens“ und befindet sich in der SHLB in Kiel im Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.08. Als Fassung B bzw. B1 wird ein 14-seitiges Typoskript bezeichnet, das sich im Archiv der Akademie der Wissenschaften Heidelberg Nr.  492, S.  1–14, befindet. Es weist als einziges Max Webers Namen (in Maschinenschrift) auf und enthält Korrekturen von seiner Hand (B1). Das Typoskript trägt ebenfalls die Überschrift „Vorbericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens“. Als Fassung A wird ein 11-seitiges Typoskript bezeichnet, das im GStA PK, VI. HA, Nl. Werner Sombart, Nr.  18b, Bl. 200–210, überliefert ist. Sie ist offensichtlich die älteste Fassung und mit „Vorläufiger Bericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens“ (statt „Vorbericht“) überschrieben. Bei einer vierten (Teil-)Fassung mit der Überschrift „Die Produktion der Zeitungsgesinnung“, die sich in der SHLB, Kiel im Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.08 befindet, handelt es sich nicht um einen eigenständigen Text, sondern um eine Abschrift der Seiten 8–11 der Fassung A. Dieses Fragment findet keine Berücksichtigung. Die Autorschaft ist durch Webers Namen in Fassung B, B1 eindeutig belegt. Da die Fassungen inhaltlich nur geringfügig voneinander abweichen, dürften alle drei Fassungen von Weber stammen. Fassung C, der Text letzter Hand, ist am besten durchgearbeitet. Die Formulierungen sind geschliffener und präziser als in den beiden anderen Fassungen. Fassung A und Fassung B, B1 weichen nur geringfügig voneinander ab, während Fassung C sich stärker von jenen unterscheidet.5

Zur Datierung der Fassungen Von den drei Fassungen läßt sich nur Fassung B, B1 auf Grund eines Briefes Max Webers an Wilhelm Windelband bzw. die Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 9. Mai 1910 eindeutig datieren.6 Fassung A entspricht bis auf geringfügige Abweichungen der Fassung B, B1. Es ist anzunehmen, daß sie der Fassung B, B1 zugrunde lag und vor dem 9. Mai 1910 entstanden ist. Daß es sich bei dieser Fassung A um die Fassung erster Hand handelt, legt auch die nur ihr eigene Überschrift nahe: „Vorläufi5  Vgl. dazu unten, S.  220, textkritische Anm.  v, y, und S.  221, textkritische Anm.  c. 6  Vgl. dazu oben, S.  208, Anm.  1.

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ger Bericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens“. Fassung C, das Manuskript letzter Hand, ist demnach nach dem 9. Mai 1910 entstanden.

Zur Edition Zum Abdruck gelangt die Fassung C als Fassung letzter Hand. Die Abweichungen der Fassungen A, B und B1 werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Nicht nachgewiesen werden: – damals übliche Abweichungen in der Schreibung (z. B. Accidenzdrukkereigeschäfte/Akzidenzdruckereigeschäfte, Carriere/Karriere, sociale/soziale, andern/anderen, Apparates/Apparats, Ausland/Auslande, Standard/ Standart, Maß/Maass, Telegraphenagenturen/Telegrafenagenturen, u.s.w./ usw.), speziell in der Groß- und Kleinschreibung (z. B. des Gedruckten/des gedruckten oder nach Aufzählung) sowie in der Getrennt- oder Zusammenschreibung (z. B. inwieweit/in wieweit) – Abweichungen in der formalen Gestaltung der Abschnitte (mit arabischen statt mit römischen Zahlen) – Inkonsistenzen im Gliederungsschema einzelner Fassungen (Wechsel von arabischer zu römischer Zählung in den Fassungen A, B, B1 ab „V. Einnahmen der Zeitung“) – handschriftliche Korrekturen dritter Hand in Fassung A (z. B. Korrektur von „Postegeheimnis“) – Fehler in Fassung B, die vermutlich beim Diktat entstanden und von Weber in der Fassung B1 handschriftlich korrigiert wurden (z. B.: Provienz/Provenienz, Machterteilung/Machtverteilung) Gemäß den Editionsregeln werden die maschinenschriftlichen Unterstreichungen in A, B, B1 und die entsprechenden Sperrungen in C einheitlich in Kursivdruck umgewandelt. Die Paginierung der verschiedenen Fassungen läuft am Rand mit (A 1; B, B1 1 und C 1 usw.). Die der Fassung A hinzugefügte Archivpaginierung bleibt unberücksichtigt.

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Vorberichta über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens.b

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Der nachstehende Plan soll in ganz provisorischer und in den Einzelheiten nicht verbindlicher Weise die voraussichtlichen Zwecke der vorgeschlagenen Erhebung über das Zeitungswesen skizzieren. cIn derc Art der Disposition kann er naturgemäß für ddie zu bildende Kommissiond in keiner Weise bindend sein wollen, welchere vielmehr die Art der Arbeitsgliederungf durchaus zu überlassen ist. Er gversucht nur, möglichst viele Punkte aufzuzeigen, dieg jedenfalls in irgend einer Weise durch die Erhebung aufgeklärt werden müssen. Eine Erhebung über das Zeitungswesen muß in letzter Linie ausgerichtet sein auf die großen Kulturprobleme der Gegenwart: I. Die Art der Bildung jenes Apparats von psychischenh Suggestionsmittelni, durch welche die moderne Gesellschaft kontinuierlich den einzelnen sich einzufügen und anzupassen trachtet: die Presse als eins der Mittel zur Prägung der subjektiven Eigenart des kmodernen Menschenk l, II. die durch die öffentliche Meinung, deren wichtigste Determinante heute die Zeitung ist, geschaffenen Bedingungen für die Entstehung, Erhaltung, Untergrabung, Umbildung von künstlerischen, wissenschaftlichen, ethischen, religiösen, politischen, sozialen, ökonomischen  Kulturbestandteilen: die Presse als Komponente der objektiven Eigenart der modernen Kultur.m Diese letzten Ziele der Untersuchung können indessen nicht als deren erstes Objekt an den Anfang gestellt werden. Auszugehen ist vielmehr von der Tatsache, daß die Art des Funktionierens allern Kulturarbeit  der Presse heute an die Existenzbedingungen priva-

a In C geht voraus: Als Manuskript gedruckt. A: Vorläufiger Bericht    b B: Zeitungswesen  c  A, B, B1: Für die   d–d  A, B, B1: den zu bestimmenden Vorsitzenden des Komites   e  A, B, B1: dem  f  A, B, B1: Ausgestaltung  g  A, B, B1: soll nur alle die Punkte umfassen, die nach allseitiger Übereinstimmung wohl   h Fehlt in B, B1.  i A: Zwangs- und Suggestionsmitteln   k B, B1: modernen Menschen  l  In A, B, B1 folgt: sofern diese durch jene Mittel bedingt ist   m  In A, B, B1 folgt ein Gedankenstrich, kein Absatz.   n  A, B, B1: jener

A (1) B, B1 (1) C (1)

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ter Unternehmungen gebunden ist und sein muß: es ist m. a. W., zunächst und vor allem andern das Zeitungsgeschäft in der Art seiner onotwendig gegebeneno Existenzbedingungen und in den Rückwirkungen dieser auf die Gestaltung und die Chancen der untereinander sehr verschiedenenp modernen Zeitungstypen, deren Konkurrenz wir beobachten, zu untersuchen. Dabei ist daran festzuhalten:q daß die Zeitungsgeschäfte selbst im allgemeinen natürlich nicht geneigtr sein können, eine Untersuchung ihrer individuellen Verhältnisse in dieser Hinsicht zu gestatten, oder genaue zahlenmäßige Auskünfte süber die Zusammensetzung ihrer Kosten und Einnahmens zu geben. t(Gewisse Relativzahlenu wurden mir übrigens als seitens mindestens eines Großunternehmensv eventuell zur Verfügung stehend bezeichnet1 wund werden ohne alle Gefahr für die Zeitungen auch sonst gegeben werden können, sofern die nötigen Garantien für Diskretion in der Verwendung geboten werdenw. Im übrigen muß man x, neben der Analyse vonx Bilanzen dery Zeitungsaktiengesellschaften,z vor allem die Mitarbeit von im Zeitungsgeschäft erfahrenen Personen heranziehen.)t 2 Nicht unbedingt exakte, sondern nur runde Zahlen sind zu erhoffen, genügen aber auch, wenn das wichtigste: die Relationena dieser Zahlen untereinander und ihr Verhältnis zu entsprechenden ausländischen Zahlen feststellbar und vergleichbar bleiben.  Es würde sich also zunächst um die Beantwortung etwa folgender Vorfragen handeln, welche A. das Zeitungsgeschäft behandeln. 

o  Fehlt in A, B, B1.  p  B, B1: verschieden  q  B, B1: festzuhalten,  r B: geeignet  s–s  Fehlt in A, B, B1.  t–t  Klammern fehlen in A, B, B1.  u  A, B, B1: Relativzahlen  v  In B1 folgt: als  w–w  Fehlt in A, B, B1.  x–x  A, B, B1: die  y  A, B, B1: von  z  A, B, B1: Zeitungsaktiengesellschaften und   a  Hervorhebung fehlt in A, B, B1. 1  Der Sachverhalt konnte nicht aufgeklärt werden. 2  In seinem Brief an Hermann Beck vom 8. Juni 1910, MWG II/6, S.  556–558, nennt Weber Sachverständige, z. B. den zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Bundes deutscher Redakteure, Richard Jacobi, den Direktor der Frankfurter Zeitung, Theodor Curti, und den Vorsitzenden des Zeitungsverleger-Verbandes, Max Jänecke, die er zur Mitarbeit an der Presseenquete gewinnen wolle (ebd., S.  556).

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I. Besitzer der Zeitungen, Entwicklung in den letzten Jahrzehnten für eine Anzahl großer Zeitungen und für einige typische Gebiete. Quelle: Handelsregister. – Einfluß der Besitzer, Großanteilshaber, Dotatorenb  3 auf die c„Richtung“c der Zeitung und Grenzen desselben. Etwa geschaffene besondere Garantien zur Sicherung der d„Richtung“d der Zeitung ihnen gegenüber.e Ankauf f von Zeitungen zwecks Änderung ihrer g„Richtung“ und Aufnahme solcher Vorgänge durch den Abnehmerkreis.g II. Kapitalbedarf und Kapitalumschlag im Zeitungsgeschäft  je nach Größe und sonstiger Eigenart. Vergleich mit dem Ausland: Bestehen z. B. darinh Unterschiede bei vorherrschendem Einzelnummerverkaufi (solche Unterschiede bestehen in der Tat und haben sehr erhebliche Bedeutung). –  j Wünschenswert wäre an sich die Durcharbeitung der Bücher einer nicht mehr existierenden großen Zeitung.4 k Ob die Herren Cotta bezw. Bürklin die Bücher der „Allgemeinen Zeitung“ (oder doch die wichtigsten Zahlen)l zur Verfügung stellen könnten?5 6 7 8 9

b  In A, B, B1 folgt: (Fürst von Fürstenberg)6  c–c  Anführungszeichen fehlen in A, B, B1.  d–d Anführungszeichen fehlen in A, B, B1.    e Satzzeichen fehlt in A.  f  A, B, B1: Verkauf    g–g A: Richtung (Beispiel: der Hegauer Erzähler) ; B, B1: Richtung (Beispiel: der Hegenauer Erzähler)7    h  Fehlt in A, B, B1.  i  B, B1: Einzelnummer-Verkauf  j  Gedankenstrich fehlt in A, B, B1.  k  In A, B, B1 folgt: Leider sind die Bücher der Naumannschen [B, B1: Naumann’schen] Tageszeitung „Zeit“ nach Erkundungen nur summarisch geführt worden, 8 daß ihre Benutzung für diese Untersuchungen keinen Zweck hätte.   l In A, B, B1 folgt: oder Herr Geh. Kommerzienrat Barthling diejenigen der jetzt eingehenden „Nationalzeitung“ 9 3  Lat.: Stifter. 4  Gemeint ist die National-Zeitung, wie aus den früheren Fassungen des Vorberichts hervorgeht (vgl. Anm.  9 zur textkritischen Anm.  l). 5 Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  143, Anm.  3. Gemeint ist der Dotator der A. Z. ­Albert Bürklin. 6  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  142, Anm.  1. 7  Der Hegauer Erzähler (1845–1936) war ein „Verkündungsblatt“ für die Amtsbezirke Engen, Meßkirch, Stockach und Radolfzell. 8  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  142, Anm.  2. 9 Die National-Zeitung wurde 1848 von Bernhard Wolff, Theodor Mügge, Heinrich Runge, Friedrich Diesterweg, Carl Nauwerck und David Kalisch als Aktiengesellschaft gegründet. Geschäftsführer war Bernhard Wolff, der später auf der Basis seines 1849 gegründeten Nachrichtenbüros „Wolffsches Telegraphenbureau“ (W.T.B.) sämtliche

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III. Ungefähre laufende Produktionskosten der Zeitungen. Relative Zahlen scheinen von einerm großen Zeitung eventl.n erhältlich, im übrigen müßten oNachkalkulationen undo Schätzungen geschäftlichp gut orientierter Fachleute für die Haupttypen von Zeitungen wohl oder übel genügen q, da ja hier nicht die Genauigkeit der Einzelzahl, sondern der Vergleich der relativen Bedeutung der einzelnen Posten jetzt gegen früher, im Inland im Verhältnis zum Ausland, und zwischen den einzelnen Zeitungstypen, das Wesentliche ist und auf die stattfindenden Verschiebungen und Entwicklungstendenzen der Hauptnachdruck gelegt werden mußq. Es kommen in Betracht: a) Papier,r Druckerei, Versand, andere sachliche Kosten. In Verbindung damit: Zeitungsaustrag- und Agenturwesen  im Vergleich mit dem Postdebit,10 Grad der Bedeutung des öffentlichen Verkaufs durch Ausrufer und Auslage im Verhältnis zum Abonnement, bei uns und im Ausland. b) Bedarf an Redakteuren und Kosten derselbens. Vergleich mit dem Auslande, Unterscheidung je nach dem Zeitungstypus.t Art der Korrespondentenvergütung und sonstigeu Kosten für die Stoffbeschaffung des v„kritischen“v Teils. Höhe der Honorare für Gelegenheitsmitarbeiter w, – alles möglichst in zeitlicher und geographischer Vergleichungw. c) Nachrichtenkostenx bei uns im Vergleich mit dem Auslande. IV. Art der Stoffbeschaffung. 1. Von außen her: vor allem a) Nachrichtendienst.y Stellung der großen Telegraphenagenturen. Geschäftlichez Analyse der Associated Press,a Havas,  Reuter, Wolff11 (über dieses Bureau stehtb schon in nächster Zeit eine unter Leitung von Professor Gothein gemachte Arbeit cin Ausm  A, B, B1: einer    n  B, B1: evtl.    o  Fehlt in A, B, B1.    p  Fehlt in A, B, B1.   q–q  Fehlt in A, B, B1.  r  Fehlt in A, B, B1.    s A: desselben  t  In A, B, B1 folgt ein Gedankenstrich.    u  B, B1: sonstiger  v–v  Anführungszeichen fehlen in A, B, B1.  w–w  Fehlt in A, B, B1.  x  In A, B, B1 folgt ein Komma.   y  Punkt fehlt in B, B1.  z A: Geschäftsliche  a  B, B1: Press.    b  A, B, B1: stände   Aktien der National-Zeitung übernahm. Unter seiner Ägide entwickelte sich das Blatt zum Organ der Nationalliberalen Partei. 1910 erfolgte die Umbenennung in 8 Uhr Abendblatt. 10  Vertrieb der Zeitung durch die Post. 11  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  143 f., Anm.  4 und 5.

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sichtc).12 Vergleiche dieser Bureaus unter einander dnach ihren Geschäftsprinzipiend, ferner nach relativer Bedeutung innerhalb des gesamtene Nachrichtendienstes und deren Entwicklung. Besonders wichtig wären Reuter und die Associatedf Press, letztere die einzige in den Händen der bestehenden (amerikanischen) Zeitungen selbst befindliche Agentur, die dadurch zugleich eins der mächtigsten Monopolisierungsmittel der einmal bestehenden Zeitungen darstellt. gZu untersuchen wären die geschäftlichen Prinzipien, nach denen die Zeitungen auf die Nachrichten bei den Bureaus abonnieren[,] bezw. die (ungefähren) Bedingungen, zu denen die Abonnements gegeben werden, die zu diesem Behufe üblichen Klassifikationen der Nachrichten (z. B. in „wichtige“ und „sensationelle“) und die Verschiebungen dieser Kategorien. Endlich: die Kartellierungstendenzen.g b) Feuilleton- und Beilagenfabriken, geschäftlich zu analysieren und zu untersuchen. Ebenso alle sonstigen Clichégewerbeh für die Presse,i13 insbesondere c) Partei- und andere politische Korrespondenzen, zunächst wieder geschäftlich, nach Kosten,  Art der Versorgung mit Stoff, Art der Leitung und politischen Beeinflussung. Speziell dann ferner:  d) Amtliche und offiziöse Stoffbeschaffung, in allen Stufen und Formen, in denen sie auftreten,j unter Vergleich mit dem Auslande. e) Gesondert endlich: Herkunft, Kosten, Eigenart der Handelsnachrichten. Der Vergleich mit dem Auslande, – Paris nicht minder

c–c  A, B, B1: zur Verfügung   d–d  Fehlt in A, B, B1.  e  Fehlt in A, B, B1.  f A: Associatet  g–g  Fehlt in A, B, B1.  h  B, B1: clichegewerbe  Komma fehlt in B, B1.  j  Komma fehlt in A, B, B1. 12  Gemeint ist die 1910 als Teilabdruck erschienene Dissertation von Blanck, Nachrichtenmarkt. Der Autor arbeitete in den 1890er Jahren als Redakteur beim „Wolffschen Telegraphenbureau“ in Berlin. Ab 1904 in Heidelberg lebend, besuchte er die journalistischen Vorlesungen von Adolf Koch und hielt in dessen Seminar Vorträge über das Wolffsche Telegraphenbureau. Unter Gotheins Betreuung erweiterte er seine Vorträge zu einer allgemeinen volkswirtschaftlichen Erörterung des deutschen Nachrichtenwesens. 13  Das Clichégewerbe liefert den Zeitungen Klischees (Druckformen) für Bilder und alle möglichen „(Preßinhalte), von der Sport- und Rätsel-Ecke bis zum Roman“. Vgl. unten, S.   271.

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als Amerika und London,k – lwürde namentlich auch das Maß der Unabhängigkeitm von den Einflüssen der Geschäftswelt nfestzustellen haben,l und esn wäre interessanto zu untersuchen, auf welchem Wege und aus welchen Gründen der jetzige p, gegen früher verbessertep Standard der Integrität q(wo er besteht)q erreicht worden ist.r Die Beeinflussungs des sachlichent Gehalts der Zeitung durch die geschäftlichenu Bedingungen würdev dannw[,] an das Vorhergehendex sichy anschließend,z in folgende Unterprobleme sicha gruppieren lassen: 2. Innerer Dienst und Art der Stoffverteilung. a) Frühere und heutige Rolle des b„Leitartikels“b, Vergleich mit dem Auslande (Amerika, England, Frankreich), Entwicklungstendenzen und deren Grund. Typen der großen Nachrichtenblätter im Gegensatz zu den kritischen Blättern, Vordringen der ersteren nach Art und Maß. b) Mehrfache tägliche Ausgaben der großen Zeitungen.c Geschäftlicher Grund dder Unterschieded gegenüber der Ein-Ausgaben-Praxis des Auslandes. Einfluß dieser Unterschiede auf Kosten und sonstige geschäftliche Bedingungen der Zeitungen. Art der Stoffverteilung unter diee mehreren täglichen Ausgaben. fGesonderte Post- und Stadt-Ausgaben.f Gründe des Vordringens der Abendblätter bei uns, Zustand des Auslandes in dieser  Hinsicht. c) „Amerikanismus“ im Zeitungswesen,14 bezüglich des Stoffarrangements, der Stoffverteilung,g der relativen Bedeutung der ein-

k  Komma fehlt in B, B1.  l–l A: würde, wenn unter zu Hülfenahme der geeigneten Personen gemacht, mit großer Wahrscheinlichkeit die außerordentlich viel größere Unabhängigkeit aller eigentlich großen Zeitungen Deutschlands von den Einflüssen der Geschäftswelt ergeben. Dem war notorisch nicht immer so,    m  In B, B1 folgt: der großen Zeitungen   n–n  B: zu er[??]n haben. Es ; B1: zu erörtern haben. Es  o B, B1: dann  p A: relativ ziemlich hohe ; B, B1: günstigere  q Fehlt in A, B, B1.   r  In B, B1 folgt ein Gedankenstrich.   s  In A, B, B1 hervorgehoben.  t Hervorhebung fehlt in A, B, B1.  u  In A, B, B1 hervorgehoben.  v  In B1 folgt: sich  w A, B, B1: nunmehr  x  A, B, B1: Vorgehende  y  Fehlt in B1.  z  Komma fehlt in A, B, B1.  a  Fehlt in B, B1.  b–b  Anführungszeichen fehlen in A, B, B1.  c  B, B1: Zeitungen,    d A, B, B1: und Unterschied   e B, B1: den  f–f Fehlt in A, B, B1.  g  A, B, B1: Stoffverteilung und 14  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  145, Anm.  6.

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zelnen Rubriken hund des Spitzmarkenwesens.15 Einfluß auf den Charakter der Zeitung und die Art des Zeitungslesensh. Genaue Analyse der geschäftlichen Eigenart amerikanischer Zeitungen gegenüber den unsrigen, Eindringen dieser Eigenart bei uns,i Grund warum j(oder warum nicht)?j d) Art der Stoffverteilung innerhalb des Personals. Mittel der Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit in der Haltung der Zeitung (kZentralisation – nach Art und Maß – oder Kollegialsystem,k Redaktionskonferenzen usw.) in ihrem lEinfluß und ihreml Zusammenhang mit der Anonymität der Artikel.m Verhältnis der Redaktions- undn Korrespondentenarbeit und die darin neuerdings eintretenden Verschiebungeno. pDas Bedürfnis nach „zugkräftigen“ Namen unter den Mitarbeitern der Zeitung und seine durch das Interesse der Zeitung gegebenen Grenzen.p 3. Annoncendienst und Annoncenacquisition.16 qGründe der Entstehung und Mittel der beruflichen Annoncenacquisition.q Analyse der rrechtlichen und geschäftlichen Stellungr der großen Annoncenunternehmungen.17 sAufkommen, Risiko und Wirkungen des Annoncenkredits.s Möglichkeit der Abschätzung der An-

h–h Fehlt in A, B, B1.    i A, B, B1: uns?   j A, B, B1: oder warum nicht.   k–k  Fehlt in A, B, B1.  l  Fehlt in A, B, B1.  m  In A, B, B1 folgt: Art der Zentralisierung in der Leitung der Zeitung und Maß derselben.   n In A, B, B1 folgt: der   o B: Verschiebung  p–p  Fehlt in A, B, B1.    q–q  Fehlt in A, B, B1.  r  A, B, B1: geschäftlichen Seite   s–s  Fehlt in A, B, B1. 15  Spitzmarke – ein Ausdruck des Druckwesens – heißt ein in auffallender Schrift am Anfang eines Absatzes stehendes, eine Überschrift ersetzendes Wort. 16  Mitte des 19. Jahrhunderts entstand ein neuer Geschäftszweig: Annoncendienst, Annoncenakquisition und Annoncenexpedition. Wer eine Anzeige plazieren wollte, beauftragte und bezahlte ein Annoncenunternehmen (Vorläufer unserer heutigen Werbeagentur). Dieses schickte die Vorlage für die Anzeige an die Zeitungen und zahlte ­ihnen den Anzeigenpreis. Das älteste Annoncenunternehmen in Deutschland war die 1856 gegründete Firma Haasenstein und Vogler. Vgl. die Dissertation von Munzinger, Ludwig, Die Entwicklung des Inseratenwesens in den deutschen Zeitungen. Eine histo­risch-wirtschaftliche Studie als Beitrag zur Geschichte des Verkehrswesens. – Heidelberg: Carl Winter 1901. 17  Die Annoncenunternehmen sicherten sich bei den Zeitungen, welche sie mit ihren Inseraten bedienten, einen Rabatt, den die Zeitungsverleger wiederum durch die Erhöhung der Insertionspreise auf die Inserenten abwälzten. Die Annoncenunternehmen bevorzugten deshalb jene Zeitungen, bei denen sie am meisten Rabatt erhielten, forderten aber den Inserenten den Nominalzeilenpreis ab.

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noncenwirkung. t(Maß der Kenntnis der Zeitungen über ihren Abnehmerkreis: Wirkung des Postgeheimnisses.)18 Psychologische Grenzen der Wirksamkeit der Affiche19 und anderer Reklameformen einerseits, des Inserats andererseits, bei letzterem je nach Verschiedenheit des Zweckes.t Entwicklung spezifischer Annoncenzeitungen oderu  einer Annoncenausgabe neben der politischen. Analyse des v„Generalanzeiger“- undv w„Lokalanzeiger“w-Typus20 xin seinen technischen und ökonomischen Bedingungen (insbesondere auch: der Verschiebung in der Zusammensetzung der Inserenten)x. Maß des Vordringens desselben. Vergleiche ydes Annoncendienstes bei unsy mit dem Ausland (z. B. Unterschied je nach mehr oder minder vorherrschendemz Einzelverkauf, der die Bedingungen des Annoncierens aerheblich verschiebt).a bInteressenkonflikte und Interessenausgleich zwischen Zeitungen und Annoncengeschäften. (Gepachtete oder eigene Zeitungen der Annoncengeschäfte und deren Stellung. Schaffung von „Anzeigezentralen“.)b Die Bedeutung der materiellen Abhängigkeit der Zeitungen vom Annoncenertrag für den Preis der Zeitung und für deren Eigenart.c 21

t–t  A, B, B1: (Grundlagen der s. Zt. erörterten Scherl’schen Pläne gegenüber dem Postgeheimnis).    u  In A, B, B1 folgt: (Kölnische Zeitung)21    v  Fehlt in A, B, B1.   w–w  Anführungszeichen fehlen in A, B, B1.    x–x  Fehlt in A, B, B1.    y–y  Fehlt in A, B, B1.    z  A, B, B1, C: vorherrschenden  a A: völlig verschiebt).; B, B1: völlig verschiebt.)  b–b  Fehlt in A, B, B1.    c  A, B, B1: Eigenart: 18  Man bestellte seine Zeitung bei der Reichspost. Diese gab den Zeitungsunternehmen nur die Zahl der bestellten Exemplare, nicht aber Namen und Wohnort ihrer Besteller an. Der Zeitungsverleger August Scherl, der 1883 in Berlin ein neues Wochenblatt, den Berliner Lokal-Anzeiger, begründete, umging dieses Postgeheimnis (vgl. dazu auch textkritische Anm.  t). Er schuf für seine Zeitung ein eigenes Trägersystem, mit welchem er gleichzeitig die Spediteure umging. Der Vertrieb beruhte zunächst auf dem Berliner Adreßbuch. Scherl ließ allen dort aufgeführten Haushalten durch Boten ein Exemplar seines Berliner Lokal-Anzeigers zustellen. Später ließ er ein Verzeichnis aller Wohnungsinhaber in Berlin als Grundlage für den Vertrieb seines Blattes erarbeiten. Die Zeitungsträger wurden die Verbindung zwischen Verlag und Redaktion einerseits, Käufern und Lesern andererseits. 19  Frz.: Anschlag, Plakat. 20  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  145 f., Anm.  8. 21  Die Kölnische Zeitung geht auf eine Postamtszeitung aus dem Jahre 1762 zurück. Seit 1802 im Besitz der Familien Schauberg und DuMont, gehörte sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu den größten deutschen Tageszeitungen. Um den überregionalen Charakter des Blattes zu wahren, wurde 1876 der Stadt-Anzeiger zur Kölnischen Zeitung gegründet, der anfangs ein reines Anzeigenblatt war und als Werbebeilage zur Kölnischen Zeitung sowie als kostenlose Postwurfsendung an Kölner Haushalte verteilt wurde.

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und wirkliched Gefährdung der Integrität des eInhalts einerseits – andererseits:e Ermöglichung besserer Qualität  des Nachrichtendienstes und des sonstigen inneren Gehaltes.)f Verhältnis von Reklame und Text (bezahlter gText, kachierte Reklame, Formen derselben). Versuche der Inserenten (Großinserenten und – gelegentlich – gewerblicher Vereine)[,] auf den redaktionellen Teil der Zeitung und die künstlerische und sonstige Kritik Einfluß zu gewinnen oder Konkurrenzinserate auszuschließen.g  V. Einnahmen der Zeitung.h Entwicklung der Größe der Auflagen und des Maßes des iAnnoncierens („Papiergrenze“22 und Annoncenpreise, vergleichend mit den hierin z. T. sehr andersartigen Verhältnissen des Auslandes). Geschäftlichei Schranken des Annoncierens jvom Standpunkt des Annoncierenden ausj und etwaige Tendenzenk zum Ersatz desselben durch andere lReklamemittel (Annonce, beigelegter Prospekt und öffentliches Plakat, in ihrem Verhältnis zu einander, ebenso: Zeitungs- und Fachzeitschriften-Annonce, neuerdings: direkte Reklamezusendungen, Herstellung massenhafter handschriftlicher Reklamebriefe usw.).l Durchrechnung von zeitlich auseinander liegenden Jahrgängen typischer großer und kleiner Zeitungen verschiedener Eigenartm 1. nach dem Raumumfang, 2. nach der Art des Bedarfs, dem die Annonce dient,n einerseits zur Feststellung von Entwicklungstendenzen, andererseits zur Abschätzung der relativeno Rentabilität der einzelnen Annoncenkategorien. pDabei speziellp zu erörtern: Bank­ annoncen, einfache Geschäfts- und Ausverkaufsannoncen, Stel­ lungs-,q Miets- und Heiratsannoncen. Unterschiede in der Konjunkturbedingtheitr des Annoncierens sje nach den Gattungen der Annoncens. Unterschiede in der Stetigkeit der Rentabilität t, z. B.t der kleinen Annoncen im Gegensatz zu den großen. Verschied Fehlt in A, B, B1.    e–e A, B, B1: Inhalts,    f Klammer fehlt in A, B, B1.   g–g  A, B, B1: Text !) im Inland und Ausland.    h  In A, B, B1 folgt ein Absatz.   i–i A: Annoncierens ; B, B1: Annoncierens.  j Fehlt in A, B, B1.    k A, B, B1: Tendenz  l–l A, B, B1: Reklamemittel: Annonce und Plakat, Zeitungs- und Fachzeitschriften-Annonce u.s.w.    m In A folgt Komma.   n Komma fehlt in A, B.   o  Fehlt in A, B, B1.  p  A, B, B1: Speziell  q  Komma fehlt in B, B1.  r  A, B, B1: Konjunkturabhängigkeit    s–s  Fehlt in A, B, B1.  t  Fehlt in A, B, B1. 22 Papiergrenze ist eine bestimmte Auflagenziffer, die nicht überschritten werden darf, wenn die Kosten für Papier und Farbe nicht überproportional steigen und der Zeilenpreis eingehalten werden soll.

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bungen in der Bedeutung uder einzelnen Annoncenkategorien für die Zeitungen und ihrer Rentabilität für den Annoncentenu. Verbindung von Zeitungsverlag mit anderen, insbesondere Akzidenz­ druckerei­ge­schäften,23 Adreßbuchgeschäften usw. VI. Konkurrenz und Monopol auf dem Gebiete der Presse. vKombinierter Zeitungsbesitz,v Ankäufe von Zeitungen durch andere w, mit oder ohne Verschmelzung, Betriebsmittelgemeinschaften zwischen Zeitungen u. dgl.w Arten und Mittel der Konkurrenz. Faktische Monopolstellung der einmal bestehenden Zeitungen: Maximum in Amerika (wegen der Associated Press).24 Grad und Art der Zurückdrängung der Konkurrenz durch das Monopol bei uns. Akkumulation des xKapitals, Trustbildungx im Zeitungswesen in England,y Amerika, zbei uns („Concerne“z im Norden bezw. Süden bei uns in ihrem Aufbau und ihren aWirkungen).a bEingehend zu analysieren: die Tätigkeit des Vereins deutscher 25

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u–u A: der Annoncenkategorien und in der Rentabilität der Annoncen für den Annoncenten ; B: Annoncentenkategorien und in der Rentabilität der Annoncen für die Annoncenten ; B1: der Annoncentenkategorien und in der Rentabilität der Annoncen für die Annoncenten    v  Fehlt in A, B, B1.  w–w  A, B, B1: (z. B. einer Berliner Zeitung durch die Kreuzzeitung). 25  x  A, B, B1: Kapitals und Trusts   y  A, B, B1: England und   z A: Scherlscher und Huckscher Conzern ; B, B1: Scherl’scher und Huck’scher Conzern 26  a  A, B, B1: Wirkungen. –    b–b (S. 221)  Fehlt in A, B, B1; dort auch kein Absatz. 23  Der Ausdruck aus dem Druckwesen bezeichnet das das Gestalten und Setzen von Akzidenzen (lat.: accidentia = Zufall). Damit sind Druckerzeugnisse oder Druckarbeiten gemeint, die nicht zum Buch- oder Zeitschriftendruck gehören, etwa Anzeigen, Formulare, Prospekte, Visitenkarten oder Familienanzeigen. Für die Zeitungsverlage bedeuteten solche Akzidenzdruckereien ein Nebengeschäft. 24  Vgl. dazu Weber, Disposition, oben, S.  143, Anm.  4. 25  1891 wurde das Deutsche Tageblatt von der Kreuzzeitung aufgekauft. 26  August Scherl gründete 1883 einen Presse- und Buchverlag, der seit 1900 unter dem Namen August Scherl GmbH firmierte. Seit 1883 gab er den Berliner Lokal-Anzeiger, eine kostenlose, entpolitisierte Zeitung heraus, die sich über Inserate finanzierte, 1889 kam die Berliner Abend-Zeitung, 1894 die Neuesten Berliner Handels- und Börsen-Nachrichten, 1895 als erste deutsche Sportillustrierte Sport im Bild hinzu. 1899 gründete er Die Woche, 1900 Der Tag, 1903 kaufte er Die Gartenlaube. Daneben ­gründete er 1895 die August Scherl Dt. Adressbuch-GmbH und erwarb 1905 die Anzeigenagentur G. L. Daube & Comp.  1914 verkaufte er sein Presseimperium an den Deutschen Verlagsverein, der es 1916 an den Hugenberg-Konzern weiterveräußerte. – August Huck (1849–1911) gründete 1887 den Nürnberger Generalanzeiger und 1888 den Breslauer Generalanzeiger. Es folgten die Dresdner Neuesten Nachrichten, die Halleschen Nachrichten, die Münchener Zeitung und die Stettiner Abendpost. Daneben erwarb er Schriftgießereien sowie Setzmaschinen- und Papierfabriken. Die Zeitungen Hucks verfolgten eine gemäßigt liberale Richtung.

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Zeitungsverleger27 (Kampf um feste Insertionstarife und Rabattprinzipien, gegen die kachierte Reklame, Schaffung von Papiereinkaufsstellen, Streben nach typischen Redakteurverträgen, Kampf für die Purifikation des Zeitungsinhalts usw.) in der Entwicklung seiner Ziele und der Festigkeit der Organisation.b Geringere Bedeutung der monopolistischen Position bei herrschendem Einzelverkauf? In welchem Maße bedeutet herrschender Einzelverkauf überhaupt: stärkeren Wechsel der gelesenen Zeitungen auf Seiten des Publikums, günstigere Chancen neuentstehender Blätter cund qualitativ sich verbessernder Blätterc? Konkurrenz der dZeitungstypen und ihr Resultat.d Wie weit wirken rein geschäftliche, wie weit politische und andere Gründe? Welche Typen siegen? Inneree Tendenzen zur regionalen Monopolisierung der politischen Information fdurch die großen Zeitungen.f Inwieweit beherrscheng die hGroßstadt- und speziell die hauptstädtischen Zeitungenh das Land? VII. Zeitung und Journalismus.i Qualitative Ansprüche an den modernen Journalisten, Anpassung und Auslese durch die Bedingungen des Zeitungsgeschäfts. jSoziale Provenienz, Vorbildung, Stellenvermittlung, Art der Anstellung und Bezahlung und „Laufbahn“ der Journalisten (möglichst durch Fragebogenerhebung), Eigenart und Entwicklung der ökonomischen und sozialen Position des Journalistenstandes, Berufswechsel von und zu anderen Lebensstellungen und Art der Lebenschancen des Journalisten 28

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b  (S.  220)–b  Fehlt in A, B, B1; dort auch kein Absatz.   c  Fehlt in B, B1.  d  A, B, B1: Zeitungstypen: Gründe des Untergangs z. B. von Typen wie „Allgemeine Zeitung“ (in Konkurrenz mit den „Münchener Neuesten Nachrichten“), „Nationalzeitung“ u.s.w.? 28  e  Fehlt in A, B, B1.  f–f  A, B, B1: (z. B. Position der Frankfurter Zeitung in Süddeutschland: Fehlen oder Rückgang der meisten anderen großen­ 29 Gründe?).     g  A, B, B : beOrgane selbst in süddeutschen Residenzen.  1 herrscht  h–h  A, B, B1: Großstadt – und speziell hauptstädtische [A: hauptsächliche] Zeitung –   i  In A, B, B1 folgt Absatz.   j–j  (S.  222) A, B, B1: Provenienz [B: Provienz] und Laufbahn des Journalisten (möglich durch Fragebogenerhebung), [A: Fragebogenergebung).] 27  Der Verein Deutscher Zeitungsverleger wurde nach Bemühungen Karl Helfreichs am 7. Mai 1894 gegründet, mit dem Ziel, die Verlegerinteressen gegenüber den Inseratenagenturen, den Abonnentenwerbern sowie den billigen Generalanzeigern zu vertreten. Trotzdem wurden bereits 1901 Verleger von Generalanzeigern in den Verein aufgenommen. 28  Vgl. dazu Weber, Disposition, oben, S.  147, Anm. 10. 29  Vgl. dazu Weber, Disposition, oben, S.  147, Anm. 11.

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(heute im Vergleich mit früher, bei uns im Vergleich mit dem Ausland) innerhalb sowohl wie außerhalb seines Berufes. Interessenkonflikte und Interessenausgleich zwischen Zeitungsgeschäft und Journalismus. – Standesorganisation der Journalisten in ihrer organisatorischen Entwicklung und in der Art und Ausgestaltung ihres Aufgabenkreisesk (Stellenvermittlung, Kassen, Ehren- und Schiedsgerichte des „Verbandes deutscher Redakteure“)30.j Grad des Einflusses des einzelnen Journalistenl auf den m„Geist“ der Zeitung in seiner Entwicklung.m nVIII. Die sonstigen Zeitungs-Beamten.31 Anfänge einer Berufsorganisation und Chancen derselben. –n Dieo wesentlich geschäftlichen,p formalen und quantitativen Erörterungen qüber das Zeitungsgeschäftq, welche wo immer möglich r(durch Zerschneiden von Zeitungen, Sortierung nach dem In- halt  und sNachmessen mit dem Zirkels)r auf genaue rechnerischet Grundlage zu stellen sind, geben alsdann die Unterlage für die Untersuchung der qualitativen Tendenzen der Zeitungsentwicklung, deren Probleme sich etwa folgendermaßen gruppieren ließen.u

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B. Die Zeitungsgesinnungv.  A8

I. Die Produktion der Zeitungsgesinnung.w Kollektivismus und Individualismus bei der Schaffung des Zeitungsinhalts. Die Anonymität der Zeitung: ihre Gründe: geschäftliche (xz. B.x Gegensatz der Abonnementspresse zur Einzelverkaufspresse),y politische (zz. B.z größere oder geringere Elastizität der politischen Parteiorganisationen als Bedingung dafür), soziale (az. B.a Streben nach Wahrung der Tradition und des Prestiges der Zeitung als bsolcher undb

j  (S.  221)–j  A, B, B1: Provenienz […] und Laufbahn des Journalisten (möglich durch Fragebogenerhebung), […]   k C: Aufgabekreises  l  Fehlt in A, B, B1.  m–m A: Geist der Zeitung. – ; B, B1: Geist der Zeitung.   n–n  Fehlt in A, B, B1.  o  A, B: Diese  p  Komma fehlt in A, B, B1.  q  Fehlt in A, B, B1.  r–r  Klammern fehlen in A, B, B1.  s  A, B, B1: Aufkleben auf Bögen bestimmten Umfangs [B, B1: Umfang]  t  Hervorhebung fehlt in A, B, B1.  u  B, B1: ließen:    v  A, B, B1: Zeitungsgesinnung  w  In A folgt Absatz.    x  Fehlt in A, B, B1.  y  Komma fehlt in A, B, B1.  z  Fehlt in A, B, B1.  a  Fehlt in A, B, B1.    b  A, B, B1: solcher, nach 30  Gemeint sein könnte entweder der Verein deutscher Redakteure oder der Bund deutscher Redakteure. Beide gingen 1910 im Reichsverband der deutschen Presse auf. 31  Gemeint sind die im 19. Jahrhundert als Privatbeamte bezeichneten Angestellten.

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Erhaltung des Machtverhältnisses zwischen Zeitungskapital und Journalismus) und kulturliche (cz. B.c größere oder geringere Autorität des gedruckten, speziell des anonym gedruckten und als Kollektivprodukt erscheinenden Wortes beim Publikum je nach der Art von dessen politischer Bildung dusw.). Ihred Wirkungen: auf den Journalisten, – auf die Förderung oder Hemmung der Erziehung der öffentlichen Meinung, – auf die politische und Kulturbedeutung der Zeitung als solcher. II. Die Beeinflussung der Gesinnung der Zeitung von außen her. 1. Grad des Gebundenseins der formell freien Zeitung an ihre Traditione. Vergleiche mit dem Ausland,f Mittel jener Gebundenheit: durch Besitzer oder Aktionäre  (vergl. a, 1),32 durch die Käufer, durch offiziöse oder ähnliche Einflüsse. Zunahme oder Abnahme der Gebundenheit, international vergleichend. Vordringen der gmehr oder minder reinen Nachrichten-Zeitungg und der wirklich oder angeblich parteilosen hZeitungen, der „bürgerlichen Familien“-Zeitung, der farblos „nationalen“ Zeitung.h Spezielle Analyse des Handelsteils in Bezug auf die Provenienz der Information und des Urteils und Vergleich mit dem Auslande. Verhältnis zu den Interessenten als Informationsquellen.i Gesinnungswandel großer Zeitungen jgenerell oder für spezielle Fragenj. Welche Mittel der Fühlung mit dem Leserkreise besitzen die Zeitungen? kWelchen faktischen Einfluß übt die Gesinnung des Leserkreises, und wie?k 2. Die l(allgemein oder in bestimmten Richtungen)l formal mprogrammgebundene Zeitung:m a) Katholische Presse. Art ihrer Finanzierung, nLeitung undn Beeinflussung, oGrad und Art der Sonderstellungo einzelner Blät-

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c Fehlt in A, B, B1.  d B, B1: u.s.w.), ihre   e Hervorhebung fehlt in A, B, B1.   f  A, B, B1: Ausland.    g  A, B, B1: gesinnungslosen Zeitung    h–h  A, B, B1: Zeitungen. Analysen [A: Analyse] des Typus „Tägliche Rundschau“ 33 und ähnlicher.   i  In B, B1 folgt nach einem Absatz: Festlegung der „Zeitungsgesinnung“ durch einzelne unentbehrliche Personen (Correspondenten).    j–j  Fehlt in A, B, B1.    k–k Fehlt in A, B, B1.    l Fehlt in A, B, B1.    m–m A, B, B1: parteigebundene Zeitung.   n  B, B1: Leitung,    o  A, B, B1: Grund und Schranken der relativen Selbständigkeit   32  Oben, S.  213. 33  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  148, Anm.  13.

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ter.p Provenienz der Redakteure. Faktische Machtverteilung zwischen Presse, qfreien katholischenq Organisationen und offiziellen Kirchengewalten. Vergleich mit dem Auslande (Amerika, Frankreich, Österreich). b) Sozialdemokratische Presse. Besonderheiten ihrer Existenzbedingungen, offizielle und faktische Beziehungen zur Parteileitung, zu den lokalen Parteigruppen, zu Gewerkschaften und anderen Interessenten. Provenienz und Karriere sozialdemokratischer Redakteure. Faktische Monopolpositionen und Machtverteilung innerhalb der Presse und  zwischen Presse,r Partei, Interessenten und s„Intellektuellen“s. c) t„Bürgerliche Interessentenpresse.“t 34 3.u Verhältnis der politischen Parteien zur formal v„freien“ Presse. Faktischev Machtverteilung zwischen Partei und Presse in den einzelnen Parteienw (Zuziehung der Presse zu Parteikonferenzen, Streben der Presse nach Unabhängigkeit, der Partei nach Beeinflussung der Presse).x III. Produktion öffentlichery Meinung durch die Presse. 1. Vergleichendez Analyse der Art der Zeitungslektüre im Ausland (z. B. Amerika, Frankreich) und bei uns, sowohl quantitativ wie qualitativ (hierfür besonders:a qualitative Analyse der Lokalblätter im Auslande, im Süden, Osten und Westen Deutschlands)b. cStilisierung der Zeitungslektüre selbst durch die Art der Anordnung des Drucks, died Zunahme und Arte der telegraphischenf Berichterstattung gund der dabei möglichen größeren oder ge35

p  A, B, B1: Blätter: Analyse des Typus „Kölnische Volkszeitung“ 35 im Gegensatz zu anderen Blättern.    q  Fehlt in A, B, B1.    r  Komma fehlt in B, B1.    s–s Anführungszeichen fehlen in A, B, B1.    t–t  Anführungszeichen fehlen in A, B, B1; in A, B, B1 folgt: „Deutsche Tageszeitung“ und ähnliche.    u  Ziffer fehlt in A, B, B1.    v–v A, B, B1: freien Presse, faktische    w  B, B1: Parteien,    x A: Presse. : B, B1: Presse.). ; in A, B, B1 folgt nach einem Absatz: Damit gelangte man dann an die Frage nach der Art des Einflusses, den die Zeitung übt. Auch hier wäre eine Anzahl formaler Fragen zunächst zu erledigen:    y B, B1: der öffentlichen    z A, B: Vergleichen der   a  Doppelpunkt fehlt in A, B, B1.   b  Schließende Klammer fehlt in A, B, B1.   c–c (S.  225) Fehlt in A.    d B, B1: der    e B, B1: Eigenart    f Fehlt in B.   g–g  (S.  225)  Fehlt in B, B1. 34  Damit ist u. a. Die Deutsche Tageszeitung als Organ des Bundes der Landwirte gemeint. Vgl. textkritische Anm.  t sowie die Erläuterungen zu Weber, Disposition, oben, S.  149, Anm.  17. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden eigene Börsenund Handelszeitungen. 35  Vgl. ebd., oben, S.  148, Anm.  14.

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ringeren Betonung und Färbung bestimmter Inhalte der Nachrichteng.c 2. Welche anderenh Lektüreobjekte verdrängti die Presse? (klassisches Beispiel: Rußland vor und nach derj Gewährung der relativen Preßfreiheit,k36 Verdrängung der Zeitschriften, Umwälzung in der ganzen Art und Richtung der Lektüre). Urbanisierung des platten  Landes und der Kleinstadt durch die Presse. 3. Zu welcher Art von Lektüre und zu welchen formalen Änderungen der Ausdrucks-l und Denkweise erziehtm  die Presse? (Klassisches Beispieln für den ersten Punkt: oAnalyse des „Magazine“-Wesenso in Amerika.)p37 Maß und Art des Parallelismus von Zeitungs- und anderer Lektüre. 4.q Beeinflussung der Alltagssprache durch die Presse (rwirkliches und angeblichesr Zeitungsdeutsch, bedingt durch Telegramms und Telephon) und Weiterwirken dieser Beeinflussung auf die Schrift- und Literatursprache (tnur als sorgfältiget philologische Facharbeit zuverlässigu zu behandeln). Beeinflussung des Wissensund Diskussionsbedürfnisses durch die vzugleich „sachliche“ und „emotionale“v Stilisierung der Zeitungsnachrichten und der Zeitungskritik. Wirkliche und scheinbare Erweiterung des Horizonts, Anreicherung und Schematisierung des Denkensw. (Nur Veranschaulichung an massenhaftenx konkreten Beispieleny hat Wert.) z5.a Welche Art von Personen bmacht die Presse „berühmt“ oderb einflußreich? Reiz des cZeitungsruhms fürc wen und was? g  (S.  224)–g Fehlt in B, B1.  c  (S.  224)–c Fehlt in A.   h A, B, B1, C: andere   i  Hervorhebung fehlt in A, B, B1.    j  Fehlt in A, B, B1.    k  B, B1: Preßfreiheit.   l  B, B1: Ausdruck‑    m  Hervorhebung fehlt in A, B, B1; B: erzielt    n  A, B, B1: Beispiel:    o–o  A, B, B1: Magazine-Wesen  p  A, B, B1: Amerika).    q Ziffer fehlt in A, B, B1.    r–r  Fehlt in A, B, B1.    s  A, B, B1: Telegramme    t  A, B, B1: z. T. als    u  Fehlt in A, B, B1.  v–v  A, B, B1: emotionale  w  In A, B, B1 folgt: andererseits    x  Fehlt in A, B, B1.  y B: [??]en ; B1: Fällen    z–z (S.  226) Fehlt in A.   a  B, B1: 4.    b–b  B, B1: macht die Presse bekannt und   c  B, B1: „Zeitungsruhms“ – für    36  Weber, Disposition, oben, S.  149 f., Anm.  18. 37  Gemeint ist die Magazin-Beilage, auch Supplement genannt. Sie hebt sich äußerlich durch Format, Papier und Mehrfarbendruck von der Zeitung ab. Sie hat damit Zeitschriftencharakter, ohne ihre Zeitungszugehörigkeit aufzugeben. Die Erfindung des Magazins wird William Randolph Hearst zugeschrieben, der um 1900 mit der Beilegung des Sunday Supplement zu seinem New York Journal der Konkurrenz von Pulitzers New York World begegnen wollte. Vgl. auch Weber, Disposition, oben, S.  150, Anm.  19.

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Von wem und was schweigtd die Zeitung eund aus was für, in ihrer Eigenart und den Bedürfnissen ihres Publikums liegenden, Gründene?z 6.f Art der Ansprüche an den Inhalt der Presse je nach Geschlecht, Beruf, sozialer Schicht im In- und Auslande. Vergleichung der wissenschaftlichen und kritischen Beilagen im Vergleich mit den wissenschaftlichen Fachorganen, des Feuilletons mit der Belletristik. Das Briefkastenwesen der Zeitungen und seine Kultur.g 7.h Das Maß der i„Diskretion“i der jPresse und die Prinzipien der Zeitungen betreffs dieses Punktes, über welchenj zum Teil sehr irrtümliche Vorstellungen verbreitet sind. (Dabei Analyse der sog. Schund- und Revolverpresse,k international vergleichend nach Quantität und Qualität.)l m8. Zeitungspublizität und „öffentliche Moral“, zeitlich und international vergleichend.m Solchen Fragen lassen sich leicht vervielfältigen und ersto im Anschluß an sie pund ähnliche würdenp die eigentlich großen Kulturfragen qder Bedeutungq der Presse, ihr Anteil an dem materiellen  Inhalt der modernen Kulturgüter und ihr ubiquisierender, uniformierender, versachlichender und dabei doch kontinuierlich emotional gefärbter Einfluß auf die Gefühlslage und Denkgewohnheiten des modernen Menschen, auf den politischen, literarischen, künstlerischen Betrieb, auf  die Bildung und Zersetzung von Massenurteilen und Massenglauben[,] zu erörtern sein. Wiederholtr muß bemerkt werden, wass durch die tvorgehende Skizzet veranschaulicht werden sollte: daß, ehe man an solche Fragen geht, über die es sehr leicht ist,u ein hübsches Feuilleton, über die es unglaublich schwer ist, eine wissenschaftliche Darstellung zu bieten, eine breite Unterlage von Erfahrungen und Analysen zu

d Hervorhebung fehlt in B, B1.  e–e Fehlt in B, B1.  z  (S.  225)–z Fehlt in A.   f A: 4. ; B, B1: 5.  g  A, B, B1: „Kultur“. In B, B1 folgt nach einem Absatz: 6. Publizität und öffentliche Moral.    h A: 5.    i–i Anführungszeichen fehlen in A, B, B1.    j–j  A, B, B1: Presse, – über welche   k  Komma fehlt in A.    l Schließende Klammer fehlt in A.    m–m  Fehlt in A, B, B1.    n  A, B, B1: Diese    o  Fehlt in A, B, B1.    p  A, B, B1: würde nunmehr    q  Fehlt in A, B, B1.    r  In A, B, B1 folgt: aber    s A: daß    t–t A: ganze vorgehende Darstellung ; B, B1: ganze vorstehende Darstellung ; C: vorgehenden Skizze    u  Komma fehlt in B, B1.

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schaffen ist. Die Autobiographien großer Zeitungen:38 Kölnische, Allgemeine, Schlesische, Frankfurterv Zeitung, Schwäbischer Merkur, Hamburger wNachrichten usw.w können dabei als erstex Vorarbeiten dienen. Als eigentliches Material aber kommeny neben dem Handelsregister zFragebogenerhebungen über einzelne präzise Fragen und[,] neben den Zeitungsarchiven (soweit diese zugänglich gemacht werden), die Durcharbeitung von Zeitungen mit der Schere in Betracht. Ferner aber: Reisenz speziell dazu auszulesendera Persönlichkeiten ins bAusland: Amerika, England, Frankreich. (Man würde als geeignete Mitarbeiter hierbei wohl namentlich auf schon in der Praxis des deutschen Zeitungsgeschäfts und möglichst auch des Journalismus einigermaßen gut orientierte Herren reflektieren müssen, denen z. B. ein Zuschuß zu den Kosten eines längeren Studienaufenthalts in Amerika zur Orientierung oder zum Volontärdienst in der dortigen Presse im eigenen Fortbildungsinteresse willkommen wäre.) Das sind aberb alles Dinge, welche cnicht nurc beträchtliche Mittel in Anspruch nehmen d, sondern auch erhebliche Geduld,d sowohl der beauftragten Bearbeiter,e wie des auftraggebenden fVereins und seiner Dotatoren, wief des resultateerwartendeng Publikums,h erfordern. Und selbstredend setzt das Gelingen der Arbeit ein sehr wohlwollendes und vertrauensvolles Entgegenkommen der Herren Zeitungsverleger und anderer Zeitungsinter39

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v  A, B, B1: Frankfurter, Mecklenburger 39  w  A, B, B1: Nachrichten,    x  Fehlt in A, B, B1.    y A, B, B1: kommt    z–z A, B, B1: und den Zeitungsarchiven die Durcharbeitung von Zeitungen mit der Schere und für einzelne Fragen die Fragebogenerhebungen in Betracht, daneben [A: Daneben] aber vor allem: Reisen   a A: auserlesener    b–b  A, B, B1: Ausland (Amerika, England, Frankreich) –   c  Fehlt in A, B, B1.    d  A, B, B1: und erhebliche Geduld,   e  B, B1: Arbeiter    f A: Vereins, wie ; B, B1: Vereins wie   g A: resultaterwartenden  h  Komma fehlt in A, B, B1.   38  Gemeint sind Monographien über die Geschichte einzelner großer Zeitungen, die seit den 1860er Jahren publiziert wurden. Vgl. dazu Weber, Disposition, oben, S.  151, Anm.  24. 39  Vermutlich ist die Mecklenburgische Zeitung gemeint, die auf die 1757 gegründete Schwerinsche Zeitung von den merkwürdigsten Staats-Geschichten zurückgeht. 1848 in Mecklenburgische Zeitung umbenannt, wurde sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer der wichtigsten Tageszeitungen Mecklenburgs und erschien täglich in einer Mittags- und einer Abendausgabe. Politisch dem linken Flügel der Nationalliberalen Partei nahestehend, unterstützte sie von 1918–20 kurzzeitig die DDP.

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Vorbericht über eine Erhebung zum Zeitungswesen

essenten und der Journalisteni voraus, jderen berufene Vertreter demgemäß alsbald nach vorläufigerj Sicherstellung der materiellen Mittelk  durch die Bitte um lAnnahme ihrer Kooptation in den Ausschuß und uml Bezeichung von zur Mitarbeit geeigneten Persönlichkeiten angegangen werden müssen. mEs darf gehofft werden, daß sie dem  Unternehmen Vertrauen entgegenbringen, sofern sie – wie zu hoffen – sich davon überzeugen, daß keinerlei andere als rein wissenschaftliche, allein auf streng objektive Tatsachenfeststellung gerichtete, dagegen jedem (in weitestem Sinne) politischen oder (ebenfalls in weitestem Sinne) „moralisierenden“ Bedürfnis gänzlich fernstehende Interessen zu dem Versuch dieser Erhebung führen.m Treten nsodann angesehene, mit der Praxis des Zeitungswesens vertrauten Gelehrte, deren Unbefangenheit, Sachkunde und Freiheit von Parteigebundenheit bekannt ist, hinzuo, so darf auf ein Gelingenp wohl gehofft werden.q

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i  A, B, B1: Presse überhaupt    j–j  A, B, B1: welche demgemäß alsbald nach Zusammensetzung des Arbeitsausschusses [B, B1: Arbeitsschusses] und    k In A, B, B1 folgt: sowohl durch Kooptation wie   l–l  Fehlt in A, B, B1.  m–m  Fehlt in A, B, B1.  n–n A, B, B1: angesehene  o A, B, B1: an die Spitze der Arbeit   p  A, B, B1: solches Entgegenkommen   q  In B, B1 folgt: Max Weber.

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Vorläufiger Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik [Unter Mitarbeit von Eugen Würzburger]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Eugen Würzburger, der Direktor des Königlich Sächsischen Statistischen Landesamtes, war von der Leipziger Mitgliederversammlung 1909 zum ordentlichen DGS-Mitglied gewählt worden. Er schrieb am 26. August 1910 an die Deutsche Gesellschaft für Soziologie: „Es drängt sich der Gedanke auf, innerhalb Ihrer Gesellschaft eine statistische Sektion in ähnlicher Weise zu begründen, wie bei verschiedenen der bestehenden großen wissenschaftlichen Vereinigungen besondere Fachabteilungen vorhanden sind“.1 Hermann Beck unterstützte dieses Ansinnen in seinem Rundschreiben an den Vorstand vom 28. August 1910 mit dem Argument, die DGS könne mit einer eigenen Abteilung eine selbständige statistische Vereinigung verhindern, die eine starke Konkurrenz zur DGS bilden würde.2 Max Weber, zu diesem Zeitpunkt mit der Bildung des Ausschusses für die Presseenquete beschäftigt, begrüßte diesen Vorschlag und wollte ihn unter den Punkt „Anträge auf Statuten-Ergänzung“ auf die Tagesordnung der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der DGS setzen, die am 19. und 22. Oktober 1910 in Frankfurt stattfinden sollte.3 Er entsprach damit Eugen Würzburgers Wunsch, der das „Bedürfnis nach einem engeren Zusammenschluß“ der Statistiker ausgesprochen habe.4 Da der größte Teil der akademischen Statistiker, so Würzburger, soziologisch qualifiziert sei, womit sie die Anforderungen

1  Brief von Eugen Würzburger an den Vorstand der DGS vom 26. August 1910, eine Abschrift des Briefes befindet sich in: SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.64. In diesem Schreiben bedankt sich Würzburger für seine Wahl zum ordentlichen Mitglied. 2  Rundschreiben Hermann Becks an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 28. August 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.64. 3  Vgl. Protokoll der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 19. Oktober 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10 (hinfort: Protokoll der DGS-Mitgliederversammlung am 19. Okt. 1910), sowie den Brief Max Webers an Hermann Beck vom 12. Sept. 1910, MWG II/6, S.  606 f. 4  Vgl. Protokoll der DGS-Mitgliederversammlung am 19. Okt. 1910 (wie oben, Anm.  3).

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Vorläufiger Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik

der DGS erfüllten, könnten diese ohne weiteres als ordentliche Mitglieder kooptiert werden. Da die Mitglieder des Vorstandes der DGS keine Einwände erhoben, kam es zu einer informellen Vorbesprechung am 18. Oktober 1910 in Frankfurt5 – tags darauf zur Gründung der Statistischen Sektion.6 Am 5. Dezember 1910 schickte Weber an den Vorstand der DGS den im folgenden abgedruckten „Vorläufigen Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik“. Aus dem Begleitbrief geht hervor, daß der Entwurf von Weber stammte, aber nach Absprachen mit Eugen Würzburger7 geändert wurde. So heißt es: „Die sehr schwierigen Finanz-Fragen sind (da Herr W[ürzburger] meinen Vorschlägen zu genereller Regelung keinen Geschmack abgewann) in §  8 der Regelung ‚von Fall zu Fall‘ unterstellt.“8 Diesen Entwurf kritisierte Beck in seinem Rundschreiben vom 9. Dezember 1910.9 Statt „Verein deutscher Statistiker, Abteilung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ (§  1) zog Beck es vor, die Abteilung „Statistische Sektion der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ zu nennen. Auch wollte er eine absolute Unabhängigkeit der Sektion hinsichtlich ihrer Organisation und Tätigkeit (§  2)10 nicht hinnehmen. Auf Becks Einwände antwortete Weber: „Ich mache gar keinen Hehl daraus, daß mir eine föderalistische Gestaltung der soziologischen Organisationen, für welche dann die Muttergesellschaft nur noch der Kontrollpunkt bleiben würde, als die einzig mögliche erscheint.“11 Er erkannte, „daß nämlich die Statistiker (wie der Entwurf des Schreibens an Herrn v. Mayr zeigt – er stammt von Herrn Geheimrat W[ürzburger] –) vor Allem auch ‚Standes-Interessen’ zu fördern beabsichtigen. Das liegt uns eigentlich fern, – aber wenn wir die Abteilung, einerlei unter welchem Namen, einmal gründen, werden wir es de facto nicht ausschließen können, daß dies geschieht.“12 Die von Beck in seinem Rundschreiben vom 9. Dezember vorgetragenen Änderungs-

5  Vgl. dazu MWG II/6, S.  606, Anm.  2. 6 Vgl. dazu das Protokoll der DGS-Mitgliederversammlung am 19. Okt. 1910 (wie oben, S.  229, Anm.  3). Zu den anschließenden Diskussionen vgl. die Briefe Webers an Hermann Beck bzw. den Vorstand der DGS vom 5., 11. und 14. Dez. 1910, MWG II/6, S.  705–707, 712–714 und 724. 7  Eine Korrespondenz Max Webers mit Eugen Würzburger ist nicht nachgewiesen. 8  Brief Max Webers an Hermann Beck vom 5. Dez. 1910, MWG II/6, S.  705–707, Zitat: S.  705 f. 9  Rundschreiben Hermann Becks an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 9. Dezember 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.64. 10  Vgl. die Editorische Vorbemerkung zu dem Schreiben Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 11. Dez. 1910, MWG II/6, S.  712. 11  Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 11. Dez. 1910, ebd., S.  712–714, Zitat: S.  712. 12  Ebd., S.  713.

Editorischer Bericht

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vorschläge fanden schließlich Eingang in die endgültige Fassung der Statuten der Statistischen Sektion und wurden im Sommer 1911 veröffentlicht.13

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Zum Abdruck kommt eine zweiseitige maschinenschriftliche Abschrift, die mit „Vorläufiger Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik“ überschrieben ist und sich in SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.01, S. [I]–II, befindet (A). Der Entwurf des Gründungstatuts wurde von Max Weber am 5. Dezember 1910 als Briefbeilage an Hermann Beck geschickt mit dem Bemerken, daß der Entwurf des Statuts und ein ebenfalls beigefügtes Schreiben an Georg v. Mayr „im Verlauf einer Korrespondenz entstanden“ seien; der Entwurf „als Korrektur eines von mir ihm [d. i. Eugen Würzburger] vorgelegten Entwurfes“.14 Weitere Zwischenfassungen bis zur endgültigen Druckfassung der Statuten vom Juni 191115 sind nicht überliefert, so daß sich der Anteil Max Webers daran nicht mehr zweifelsfrei feststellen läßt. Aus diesem Grund bleibt hier die Druckfassung der Statuten unberücksichtigt. Nur die zweite Seite ist maschinenschriftlich mit „II“ paginiert. Die Paginierung wird ergänzt und als A (I) und A II marginal mitgeführt. Tippfehler, wie z. B. „Diskusionen“, werden stillschweigend verbessert.

13  Das definitive „Gründungsstatut der Statistischen Sektion der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ ist abgedruckt in: Deutsche Statistische Gesellschaft. Abteilung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Niederschrift der Verhandlungen der konstituierenden Versammlung in Dresden am 17. Juni 1911, S.  15 (hinfort: Statut der Statistischen Gesellschaft). Das Statut ist überdies erschienen als Beilage in: Deutsches Statistisches Zentralblatt, Jg. 3, Nr.  6, 1911. 14  Brief Max Webers an Hermann Beck vom 5. Dez. 1910, MWG II/6, S.  705–707, Zitat: S.  705. Der Entwurf des Statuts ist bereits als Beilage 1 zum Brief abgedruckt, ebd., S.  708 f. 15  Vgl. dazu oben, Anm.  13.

232 A (I)

Vorläufigera Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik. §  1. Auf Grund des Statuts der Deutschen Gesellschaft für Soziologie1 wird bei dieser eine Abteilung errichtet zur Pflege der statistischen Wissenschaft und ihrer Forschungs- und Lehrmethodik. Sie führt den Namen: „Verein deutscher Statistiker. Abteilung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“.2 Die Stellung dieser Abteilung innerhalb der Gesellschaft wird durch die folgenden näheren Bestimmungen geregelt. §  2. Über ihre innere Organisation und Tätigkeit beschließt die Abteilung nach eigenem Ermessen. Sie nimmt in ihren Vorstand ein von ihr auszuwählendes Mitglied des Gesamt-Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie auf. Der I. Vorsitzende der Abteilung ist kraft seines Amts Mitglied des Gesamt-Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.3 §  3. Die Abteilung bestimmt nach eigenem Ermessen die Bedingungen für die Abteilungsmitgliedschaft. §  4. Bei den vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie der Mitgliederversammlung jeweils zu machenden Vorschlägen für Zuwahlen ordentlicher Mitglieder der Gesellschaft sind die Mit-

a  In A geht voraus: Abschrift. 1  Vgl. §  29 des Frankfurter Statuts, unten, S.  867. 2  Im definitiven Statut der Statistischen Gesellschaft heißt die Sektion: „Deutsche Statistische Gesellschaft, Abteilung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“. Vgl. Statut der Statistischen Gesellschaft (wie oben, S.  231, Anm.  13), S.  15. 3  Im definitiven Statut schließt sich hier der folgende Satz an: „Die Bureau-, Kassenund Buchführung ist die gemeinschaftliche der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.“ Ebd.

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Vorläufiger Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik

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glieder der Abteilung unter Berücksichtigung der Vorschläge ihres Vorstandes anteilsmäßig zu beteiligen.

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§  5. Die Abteilung kann geschlossene Sitzungen abhalten, an welchen teilzunehmen nur berechtigt ist, wer durch Beschluß der Abteilung dazu berufen wird. Zu nicht geschlossenen Sitzungen, insbesondere zu rein wissenschaftlichen Vorträgen haben alle Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Zutritt mit dem Recht der Teilnahme an etwaigen Diskussionen. Die Abteilung hat jedoch das Recht,  ihren Mitgliedern dabei den Vortritt in der Rednerliste zu wahren. §  6. In Jahren, in welchen ein Soziologentag stattfindet, fallen Ort und Zeit der Tagung der Abteilung mit diesem zusammen oder schließen sich an ihn unmittelbar vorausgehend oder nachfolgend an. Die Abteilung hat Anspruch darauf, daß auf den Soziologentagen in gleich berechtigter Abwechslung mit anderen Abteilungen ein Thema ihrer Wahl unter die Hauptvortragsthemata aufgenommen wird. §  7. Die Abteilung hat Anspruch darauf, sofern eine wissenschaftliche Unternehmung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie sich auch auf statistische Erhebungen oder Arbeiten erstreckt, an deren Leitung, und zwar auf Verlangen durch von ihr besonders zu bestimmende Vertreter, mitbeschließend beteiligt zu werden. §  8. Alle sonstigen Einzelheiten der Beziehungen zwischen der Gesamtgesellschaft und der Abteilung können im Rahmen des Statutes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie von Fall zu Fall4 durch Beschlüsse des Gesamtvorstandes geregelt werden, sofern diese mit Zustimmung der Abteilungsvorsitzenden gefaßt worden sind.

4  Vgl. zu dieser Formulierung den Editorischen Bericht, oben, S.  230, mit Anm.  8.

A II

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Vorläufiger Entwurf eines Gründungsstatuts der Abteilung für Statistik

§  9. Bis zur formellen Konstituierung der Abteilung und Wahl ihres Vorsitzenden wird dieser und sein Stellvertreter provisorisch durch den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ernannt.5 

5  §  9 der endgültigen Fassung lautet: „Bis zur formellen Konstituierung der Abteilung und zur Wahl ihres Vorsitzenden wird durch den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie provisorisch Unterstaatssekretär z. D. Professor Dr. Georg von Mayr in München zum Vorsitzenden und Geheimer Regierungsrat Dr. Eugen Würzburger in Dresden zu seinem Stellvertreter ernannt.“ Ebd.

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[Zur Affäre Dr. Ruge I] [Zuschrift an das Heidelberger Tageblatt, 9. Januar 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Diese und die nachfolgend abgedruckte Zuschrift Max Webers stehen im Zusammenhang mit einer in der Heidelberger Presse geführten Kontroverse zwischen Marianne Weber und Arnold Ruge im Winter 1910/11. Max Weber griff in diesen öffentlich ausgetragenen Streit erst am Schluß direkt ein. Konfliktauslösend war ein Bericht des Heidelberger Tageblatts über eine Versammlung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“.1 Als Vorsitzende des Heidelberger Ortsvereins eröffnete Marianne Weber die Tagung.2 Eva Cohnheim und Anna Blanck sprachen in einem Referat und Korreferat über das Thema des „Einküchenhauses“. Die Referentin Cohnheim wollte die Küche im Privathaushalt durch eine Zentralküche zwecks Arbeitsentlastung der berufstätigen Frau ersetzen. Die Korreferentin Blanck wies dagegen auf die hohen Bau- und Haushaltskosten hin. Am 1. Dezember 1910 erschien im Heidelberger Tageblatt ein anonymer Leserbrief,3 der den Heidelberger Frauentag zum Anlaß einer Polemik nahm und die Frauenbewegung vom Standpunkt eines antimodernistischen, national-konservativen Frauen- und Gesellschaftsbildes kritisierte. Zwei Tage später, am 3. Dezember 1910, druckte das Heidelberger Tageblatt die Zuschriften von Marie Bernays, Erna Glaesner sowie Arnold Ruge ab.4 Während die beiden Frauen die Idee des Einküchenhauses auf unterschiedliche Weise verteidigten, stellte sich der Heidelberger Privatdozent Arnold Ruge hinter die Polemik des anonymen Leserbriefschreibers und verunglimpfte die Frauenbewegung, die sich „aus alten Mädchen, sterilen Frauen, Witwen und Jüdinnen“ zusammensetze. Frauen, die Mütter seien und die Pflichten der Mutter erfüllten, seien aber nicht dabei.5 1  Heidelberger Tageblatt, Nr.  279 vom 29. Nov. 1910, S.  4. 2 Ebd. 3  „Das Einküchenhaus“, in: Heidelberger Tageblatt, Nr.  281 vom 1. Dez. 1910, S.  5. 4  Marie Bernays, Erna Glaesner und Arnold Ruge, Zur Frage des Einküchenhauses, in: Heidelberger Tageblatt, Nr.  283 vom 3. Dez. 1910, 2. Bl., S.  3. 5 Ebd.

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Zur Affäre Dr. Ruge I

Diese Unterstellungen und Beleidigungen veranlaßten Marianne Weber am 6. Dezember 1910 zu einem Brief an Arnold Ruge mit der Frage, auf welche Mitglieder der Heidelberger Frauenbewegung er sich beziehe.6 Sie schickte ihren Brief zusammen mit Ruges Zuschrift vom 3. Dezember sowie einer von ihr verfaßten ausführlichen „Erläuterung für Ihre Leser“ an eine andere, die Heidelberger Zeitung.7 Sie widerlegt darin sachlich und mit statistischen Angaben die Behauptung Ruges, unter den Mitgliedern der Frauenbewegung seien keine Mütter. Sie tritt überdies dem gängigen Vorurteil entgegen, die Frauenbewegung begünstige den „Rassenselbstmord“ des deutschen Volkes, und macht ökonomische und soziale Gründe für den Rückgang der Geburtenzahl im europäischen Maßstab verantwortlich. All dem fügte sie noch die inzwischen brieflich erfolgte Antwort Ruges, die nur ausweichend auf ihre Argumente eingegangen war,8 inhaltlich zusammengefaßt, hinzu, sowie ein weiteres, von ihr unterzeichnetes Antwortschreiben vom 10. Dezember 1910.9 In dieser, unter Marianne Webers Namen abgedruckten und von Max Weber (mit)verfaßten, Polemik10 heißt es: „Wie mein Brief ergab, handelte es sich für mich ganz ausschließlich um die Ihrer unbeherrschten Zunge und Feder entschlüpften ausdrücklichen Behauptungen, die Frauen der Frauenbewegung wollten nicht Mutter sein und erfüllten die Pflichten einer Mutter nicht. Daß beides […] durch keinerlei Mittel zu beweisende, sachlich ganz wertlose Schmähungen sind, müssen Sie sich selbst gesagt haben, sofern Sie normal urteilsfähig sind. Daß überhaupt der Ersatz sachlicher Argumente durch allgemein gehaltene Anspielungen auf Verhältnisse des intimsten persönlichen und ehelichen Privatlebens der Gegner allen Anforderungen edler

6  GLA Karlsruhe, Nl. Arnold Ruge, Nr.  18. 7 Ihre Einsendung wurde abgedruckt: Weber, Marianne, Zur Frauenbewegung, in: Heidelberger Zeitung, Nr.  289 vom 10. Dez. 1910, 2. Bl., S.  2 f. (hinfort: Weber, Marianne, Zur Frauenbewegung). 8  Ruge hatte u. a. geschrieben: „Ich fühle in mir kein Recht, wenn ich vom allgemeinen Kulturinteresse an einer Sache rede, besondere Zustände und besondere Personen zu kennzeichnen. […] wollen Sie bitte, wenn Ihnen daran liegt festzustellen, in wieweit mit einigem Recht meine kurzen Ausführungen auf Heidelberger Verhältnisse bezogen werden können, selbst prüfen, wer von den Vertretern der eigentlichen Frauenbewegung hier größtenteils hervortritt, und dann erinnern Sie sich vielleicht noch daran, wer in den beiden allgemeinen Sitzungen der Frauentagung das Wort führte. Es mag sich dann vielleicht zeigen, daß man durch mannigfache Beispiele verleitet in die Gefahr kommen könne, die allgemeinen Beobachtungen auf spezielle Heidelberger Verhältnisse zu deuten, eine Gefahr, die meine Zeilen begünstigen zu wollen schienen.“ Hier zitiert nach Ruge, Arnold, Erwiderung, in: Heidelberger Zeitung, Nr.  290 vom 12. Dez. 1910, S.  4 (hinfort: Ruge, Erwiderung). 9  GLA Karlsruhe, Nl. Arnold Ruge, Nr.  18. 10  Weber, Marianne, Zur Frauenbewegung (wie oben, Anm.  7). Marianne Weber zufolge enthielt diese Antwort „eine öffentliche Züchtigung, an deren schneidender Schärfe jeder den Mitverfasser erkannte“. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  436.

Editorischer Bericht

237

Sitte Hohn spricht und daß eine allgemeine Anwendung solcher Gepflogenheiten jede Diskussion in die Gosse zerren würde, muß jeder, der im Kampf um Weltanschauungen öffentlich Partei ergreift, sich gegenwärtig halten, wenn er für vollwichtig und vollwertig genommen werden will. Mein privater Brief sollte Ihnen lediglich den, eines voll entwickelten Mannes allein würdigen, Entschluß, eine schwere und für sie wenig ehrenvolle Entgleisung durch rückhaltloses, öffentliches, ehrliches Eingeständnis Ihres Unrechts wieder gutzumachen, erleichtern. […] Ihr Schreiben enthält der Sache nach lediglich den Versuch, sich um die Erfüllung einer klaren Anstandspflicht herumzuwinden.“ Ruges ursprünglich private Antwort vom 7. Dezember 1910 wurde unter der Überschrift „Zur Frauenbewegung. Erwiderung“ in der Heidelberger Zeitung am 12. Dezember 1910 abgedruckt.11 Sie enthält im wesentlichen eine Wiedergabe von Marianne Webers erstem Brief an Ruge vom 6. Dezember 1910 sowie dessen Antwort. Ruge, der mit der Bemerkung schließt, es habe ihm ferngelegen, mit seiner Kritik an der Frauenbewegung Heidelberger Damen zu kränken, betrachtet die Diskussion von seiner Seite aus für abgeschlossen. Erst nach dieser „Erwiderung“ schaltete sich Max Weber direkt mit einem privaten Brief an Ruge ein: „Ich möchte nach Kenntnisnahme von der Art Ihrer ‚Erwiederung‘, Sie nicht im Zweifel lassen, daß ich natürlich jedes Wort der Erklärung meiner Frau auch meinerseits unterschreiben möchte und daß ich bedaure, daß Jemand, der sich so verhält, wie Sie es getan haben, der Universität angehört. Ich veröffentliche, nach so viel dem Ansehen der Universität abträglichen öffentlichen Worten, diesen Brief nicht. Antwortschreiben Ihrerseits weise ich aber auch meinerseits zurück, ohne sie zu öffnen.“12 Damit begann die Affäre Ruge – Max Weber, in die auch Wilhelm Windelband, Ruges Lehrer, und die philosophische Fakultät der Heidelberger Universität hineingezogen wurden.13 Eine unerwartete Wendung nahm der Vorgang einige Wochen später, als das Heidelberger Tageblatt am 7. Januar 1911 unter der Überschrift „Eine Duellforderung an der Heidelberger Universität“, bezugnehmend auf einen Bericht im Hamburger Fremdenblatt,14 mitteilte, daß „der Privatdozent Dr. Ruge den Nationalökonomen Professor Max Weber gefordert habe wegen

11  Ruge, Erwiderung (wie oben, S.  236, Anm.  8), S.  4. 12  Schreiben Max Webers an Arnold Ruge vom 13. Dez. 1910, MWG II/6, S.  715–717, Zitat: S.  717. 13 Dazu die Briefe Max Webers an Friedrich Blanck vom 13., am oder nach dem 13. Dez., 17. und nach dem 17. Dez. 1910, einschließlich der Editorischen Vorbemerkungen, MWG II/6, S.  718–720, S.  721–723, S.  743–745, S.  746 f. 14  Hamburger Fremdenblatt Nr.  5 vom 6. Jan. 1911, S.  2.

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Zur Affäre Dr. Ruge I

einer Angelegenheit, mit der dieser gar nichts zu tun hatte“.15 Danach folgte ein den Tatsachen entsprechender Bericht über die Auseinandersetzung zwischen Marianne Weber und Arnold Ruge mit der zusätzlichen Behauptung, Ruge habe auf den zweiten Brief Marianne Webers hin bei Max Weber angefragt, „ob er die Äußerungen seiner Gattin billige und ob er sie ev. mit der Waffe verteidigen wolle. Professor Weber wies dieses Ansinnen gebührendermaßen zurück. Von dem akademischen Senat soll dann Dr. Ruge einen Verweis erhalten haben“.16 Zwei Tage später dementierte Max Weber die im Heidelberger Tageblatt wiedergegebenen Mitteilungen des Hamburger Fremdenblattes.17 Im Anschluß an Webers kurzes Dementi fügte die Redaktion eine längere Erklärung an, die Arnold Ruges Bestrebungen, den „Fall“ zu lösen, schildern.18 Das führte zu einer weiteren, längeren Zuschrift Max Webers, die am 13. Januar 1911 im Heidelberger Tageblatt veröffentlicht ­wurde.19

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Dem Abdruck liegt die Zuschrift zugrunde, die unter dem Titel „Eine Duellforderung an der Heidelberger Universität“, in: Heidelberger Tageblatt, Nr.  7 vom 9. Januar 1911, S.  4 (A), erschienen ist. Durch die redaktionelle Vorbemerkung ist Max Weber als Verfasser ausgewiesen.20 In Anlehnung an die Überschrift zur zweiten Zuschrift, die am selben Ort am 13. Januar erschien, hat der Editor den Titel gebildet.

15  Eine Duellforderung an der Heidelberger Universität, in: Heidelberger Tageblatt, Nr.  6 vom 7. Jan. 1911, S.  5 (hinfort: Duellforderung, Bericht des Heidelberger Tageblatts). 16 Das Heidelberger Tageblatt (ebd.) kommentierte diese, dem Hamburger Fremdenblatt entnommenen Mitteilungen wie folgt: „Wir haben uns sofort bemüht, in der Angelegenheit eine authentische Darstellung zu erhalten. Unsere Bemühungen sind jedoch ohne Erfolg geblieben, da die beiden in Frage stehenden Herren Professor Weber und Privatdozent Dr. Ruge verreist und von Heidelberg abwesend sind. Jedoch können wir auf Grund zuverlässiger Information mitteilen, daß die Meldung des Hamburger Blattes über eine Forderung Ruges an Weber nicht zutrifft. Eine solche Forderung ist bisher nicht erfolgt und dürfte auch nicht erfolgen, da, wie wir weiter hören, die Beleidigungssache Weber–Ruge den Gegenstand einer Privatklage bilden wird.“ 17  Vgl. unten, S.  239, textkritische Anm.  a. 18  Vgl. unten, S.  239 mit textkritischer Anm.  b. 19  Vgl. Weber, Zur Affäre Ruge II, unten, S.  240–242. 20  Vgl. die redaktionelle Vorbemerkung, unten, S.  239, textkritische Anm.  a.

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[Zur Affäre Dr. Ruge I]

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Ana der Nachricht des „Hamburger Fremdenblattes[“] ist kein wahres Wort. Die Angelegenheit selbst, über deren wirklichen Verlauf ich es nicht für richtig halten würde, mich öffentlich ohne absolut zwingenden Grund zu äußern, ist für mich persönlich in jedem Sinne erledigt.b

a  In A geht die redaktionelle Vorbemerkung voraus: („Eine Duellforderung an der Heidelberger Universität“.) Nach unserer Information sind die Mitteilungen über die Differenzen zwischen Prof. Weber und Privatdozent Ruge von durchaus unberufener Seite in einem Hamburger und einem Berliner Blatt veröffentlicht worden. Schon die Behauptung, Dr. Ruge habe Professor Weber eine Duellforderung zugehen lassen, ist, wie wir schon am Samstag festgestellt haben, vollständig aus der Luft gegriffen. Wir erhalten hierüber von Herrn Professor Dr. Max Weber, zurzeit in Charlottenburg, folgendes Dementi: b In A folgt der redaktionelle Kommentar: Aber auch sonst ist die Darstellung des „Falles“ in verschiedenen Punkten falsch. So hat vor allem Dr. Ruge von Professor Weber nicht Genugtuung verlangt wegen des der Öffentlichkeit übergebenen Schreibens der Frau Marianne Weber. Dr. Ruge hat vielmehr von Professor Weber einen Brief erhalten, durch dessen Inhalt sich der Empfänger in seiner Ehre als Dozent beleidigt fühlte. Es ist also eine grobe Fälschung, wenn behauptet wird: „Dr. Ruge frug bei Professor Weber an, ob er die Äußerungen seiner Gattin billige und ob er sie eventuell mit der Waffe verteidigen wolle.“ Im Gegenteil, Dr. Ruge hat die Vermittlung eines Fakultätsmitgliedes in Anspruch genommen, um einen friedlichen und geräuschlosen Ausgleich der Angelegenheit zu erlangen. Selbstverständlich machte Ruge die Zurücknahme der Bemerkungen, die er als Beleidigung auffaßte, zur Bedingung. Die in dieser Beziehung unternommenen Versuche, die Sache zu erledigen, sind jedoch völlig gescheitert. Es wäre nun allerdings der Weg gegeben gewesen, die Angelegenheit mit der Pistole zu erledigen. Dieser Weg wurde jedoch aus prinzipiellen Gründen nicht beschritten. Eine zweite Möglichkeit, sich durch den Spruch der Universitätsdisziplinarbehörde Recht zu verschaffen, lag ebenfalls nicht vor, da Professor Weber als inaktiver Professor keiner Disziplinarbehörde untersteht. Aus demselben Grunde konnte auch die philosophische Fakultät als entscheidende Instanz nicht in Anspruch genommen werden. Es blieb also Dr. Ruge nur der Weg der Privatklage offen, den er auch tatsächlich beschritten hat. – Auch die Bemerkungen über die Einmischung der Universitätsbehörden in dieser Angelegenheit in den Blättern entsprechen den Tatsachen nicht ganz.

[A 4]

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[Zur Affäre Dr. Ruge II] [Zuschrift an das Heidelberger Tageblatt, 13. Januar 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Obgleich Max Weber den Bericht des Heidelberger Tageblatts vom 7. Januar 1911 nur kurz dementieren wollte,1 sah er sich danach doch noch zu einer erweiterten Stellungnahme gezwungen, weil das Heidelberger Tageblatt an sein Dementi eine eigene Darstellung des Vorgangs angeschlossen hatte.2

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Dem Abdruck liegt die Zuschrift zugrunde, die unter dem Titel „Zur Affäre Dr. Ruge – Professor Weber“, in: Heidelberger Tageblatt, Nr.  11 vom 13. Januar 1911, S.  4 (A), erschien. Die Zuschrift ist mit „Prof. Max Weber“ unterzeichnet. In Anlehnung an die redaktionelle Überschrift fügt der Editor den Titel ein.

1  Vgl. dazu Weber, Zur Affäre Ruge I, oben, S.  235–239. 2  Vgl. oben, S.  239 mit textkritischer Anm.  b.

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[Zur Affäre Dr. Ruge II] Sehra geehrte Redaktion!

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Da Ihre Notiz vom 9. d. M.1 auch positive Angaben enthält, muß ich nunmehr dazu bemerken: Da der Eindruck nicht entstehen dürfte, als bedürften Frauen zur erfolgreichen Abwehr von Angriffen der hier in Frage stehenden Art in der Öffentlichkeit irgend eines ehemännlichen Schutzes, habe ich meine Auffassung von seinem Verhalten Herrn Dr. Ruge lediglich privatschriftlich2 und ferner erst dann mitgeteilt, als er seine „Diskussion“ mit meiner Frau als „abgeschlossen“ bezeichnet hatte.3 Ich habe dabei gleichzeitig einige mir zugängliche Kollegen gebeten,4 ein scharfes, disziplinares Vorgehen gegen Herrn Dr. R[uge] möglichst hintanzuhalten – ich selbst bin übrigens kein pensionierter Professor, sondern ein Dozent wie Herr Dr. Ruge, lediglich behaftet mit einer Titulatur,5 deren praktische Bedeutung sich gänzlich darin erschöpft, daß sie mich besonderer Beurlaubungsgesuche enthebt. Und endlich habe ich den Vermittlungsanträgen eines hochgeschätzten Kollegen6 gegenüber sofort genau diejenigen nach der Sachlage selbstverständlichen Voraussetzuna  In A geht voraus: (Zur Affäre Dr. Ruge – Professor Weber) erhalten wir folgende Zuschrift: 1  Vgl. oben, S.  239, textkritische Anm.  b. 2  Brief Max Webers an Arnold Ruge vom 13. Dez. 1910, MWG II/6, S.  715–717. 3  Gemeint ist Ruges Antwort an Marianne Weber vom 7. Dezember 1910, abgedruckt in: Ruge, Erwiderung (wie oben, S.  236, Anm.  8), S.  4. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Zur Affäre Dr. Ruge I, oben, S.  235–238. 4  Am oder nach dem 13. Dezember 1910 hatte Max Weber an Friedrich Blanck geschrieben, er habe die Fakultät gebeten, von einer Disziplinierung Ruges abzusehen (MWG II/6, S.  721–723). Friedrich Blanck war der Ehemann von Anna Blanck, die beim Frauentag referiert hatte. 5  Max Weber wurde im Vorlesungsverzeichnis der Universität Heidelberg als „inaktiver ordentlicher Professor“ geführt. Er hatte eine Honorarprofessur inne, ohne Promotions- und Mitwirkungsrecht in der Fakultät. Arnold Ruge war seit 1910 Privatdozent an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg. 6  Gemeint ist Wilhelm Windelband, der Mentor von Arnold Ruge. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Arnold Ruge vom 13. Dez. 1910, MWG II/6, S.  715–717, bes. S.  717, und den Brief an Heinrich Rickert, nach dem 15. Jan. 1911, MWG II/7, S.  46–50.

[A 4]

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Zur Affäre Dr. Ruge II

gen angegeben,7 deren Erfüllung mir es überhaupt erst ermöglichen würde, ohne Unaufrichtigkeit meinen erwähnten privaten Brief einer erneuten Erwägung zu unterziehen. Eine etwaige Privatklage,8 für deren voraussichtlich wenig erfreuliche Folge ich die Verantwortung ablehne, wäre das am allerwenigsten geeignete Mittel, mich zu einer Änderung meiner Beurteilung der Tatsachen zu veranlassen[.] Hiermit genug. Mit vorzüglicher Hochachtung. Prof. Max Weber.

7  In seinem Brief an Friedrich Blanck, am oder nach dem 13. Dezember 1910, nennt Weber als Voraussetzung die „öffentliche bedingungslose Zurücknahme 1) der Form – 2) der persönlich gewendeten Behauptungen (unter Aufrechterhaltung seiner Ablehnung der ‚Frauenbewegung‘)“ (MWG II/6, S.  721–723, hier S. 722). Er formulierte dies abgeschwächt auch in einer „Erklärung“, die er auf Wunsch des Vermittlers Windelband verfaßt hatte und die Ruge unterschreiben sollte, um die Sache aus der Welt zu schaffen – was dieser ablehnte. Briefe Max Webers an Friedrich Blanck vom 17. Dez. und nach dem 17. Dez. 1910, MWG II/6, S.  743–745 bzw. S.  746 f. 8 Vgl. oben, S.  239, textkritische Anm.  b. Arnold Ruge reichte am 30. Januar 1911 Privatklage gegen Max Weber beim Amtsgericht Heidelberg ein. Die Klage wurde Weber am 14. Februar 1911 zugestellt, aber bereits am 17. Februar von Ruge zurückgezogen. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert, nach dem 15. Jan. 1911, MWG II/7, S.  46 f.

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[Entwurf einer] Geschäftsordnung für den Vorstand [der Deutschen Gesellschaft für Soziologie]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In seinem Brief an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. Februar 1911 erwähnte Weber, daß in der letzten Vorstandssitzung am 5. Januar 1911 die Notwendigkeit einer Teilung der Vorstandsgeschäfte zur Sprache gekommen sei.1 Laut Protokoll war die Frage einer Geschäftsordnung für den Vorstand zwar angesprochen, eine Entscheidung jedoch vertagt worden.2 Obwohl Weber zum 1. Januar 1911 aus dem Vorstand ausgetreten war,3 entwarf er noch eine Geschäftsordnung für diesen. Dazu fühlte er sich in seiner Funktion als „Rechner“ berechtigt.4 Der Geschäftsordnungsentwurf wurde mit einem Rundschreiben vom 7. Februar 19115 an die Vorstandsmitglieder Ferdinand Tönnies, Georg Simmel und Werner Sombart versandt.6

1  Vgl. Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. Febr. 1911, MWG II/7, S.  78. Zur Vorgeschichte des Geschäftsordnungsentwurfes für den Vorstand von Max Weber vgl. den Teilabdruck eines Briefes von Ferdinand Tönnies an den Vorstand der DGS vom 2. November 1910, in: MWG II/6, S.  679 f. (Editorische Vorbemerkung), sowie Max Webers Antwortschreiben, ebd., S.  680–682, 687 f. 2  Protokoll der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Berlin, am 5. Januar 1911, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10. 3  Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 27. Okt. 1910, MWG II/6, S.  659–662, hier S.  661. 4  Vgl. Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. Febr. 1911, MWG II/7, S.  78. 5 Das Rundschreiben ist überliefert in: SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. 6  In einem Schreiben vom 10. Februar 1911 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.50) erklärte sich Sombart mit dem Geschäftsordnungsentwurf einverstanden. Wie sich Simmel und Tönnies äußerten, geht aus den Akten der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel nicht hervor.

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Geschäftsordnung für den Vorstand

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck erfolgt nach einem undatierten Typoskript mit der Überschrift „Geschäftsordnung für den Vorstand“, das sich in der SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10, befindet (A).7 Dabei handelt es sich um eine maschinenschriftliche Abschrift der DGS. Die Autorschaft Max Webers ergibt sich aus der Überlieferungslage. Das erste Blatt ist nicht paginiert, das zweite maschinenschriftlich, so daß die Siglierung als A (1) und A 2 erfolgt.

7  Der Entwurf ist bereits als Beilage zum Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. Febr. 1911 in MWG II/7, S.  79 abgedruckt.

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1. Die erste Anfrage an ein Vorstandsmitglied über eine Angelegenheit bedeutet normalerweise das Ersuchen um Meinungsäußerung, bei Sachen, die als „eilig“ bezeichnet sind, das Ersuchen um Abstimmung. Meinungsäußerungen, welche rechtzeitig (No. 2) eintreffen, werden an alle Vorstandsmitglieder versendet. Diese Versendung ist stets mit dem Ersuchen um Abstimmung verbunden. Ein Mitglied, welches sich auf die erste Zuschrift geäußert hat, auf die zweite nicht oder nicht rechtzeitig (No. 2), gilt als im Sinne seiner ersten „Meinungsäußerung“ abstimmend. Mitglieder, die sich gar nicht bezw. nicht rechtzeitig geäußert haben, sind durch die Abstimmung der übrigen gebunden. 2. „Rechtzeitig“ ist eine Antwort, welche vom Tage des Abgangs der Anfrage an gerechnet binnen 6 Tagen, bei als „eilig“ bezeichneten Sachen binnen 3 mal 24 Stunden eintrifft. 3. Um eine Angelegenheit als „eilig“ zu bezeichnen, bedarf der Schriftführer der Zustimmung mindestens eines in Berlin (und Vororten) ansässigen Vorsitzenden der Gesellschaft. 4. Von den Vorsitzenden übernimmt: a) Herr Prof. Tönnies: die Vertretung in den internationalen Beziehungen; die Leitung der Mitgliederversammlungen; die Vorverhandlungen mit der Sektion für Statistik1 bis zur Beschlußfassung durch den Vorstand. Für etwaige weitere sich bildende Sektionen2 bestimmt der Vorstand eines seiner Mitglieder zur Vorverhandlung. b) die Herren Prof. Simmel und Prof. Sombart abwechselnd: die Leitung der öffentlichen Versammlungen und Diskussionen.3 1  An diesen Vorverhandlungen war Weber maßgeblich beteiligt. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Vorläufiger Entwurf Abteilung Statistik, oben, S.  229–231. 2  Die Gründung einer „gesellschaftsbiologischen Sektion“ wurde auf der Vorstandssitzung am 21. Oktober 1910 zwar besprochen, erfolgte jedoch nicht. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zu Frankfurt a. M. am 21. Oktober 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10. 3  Die Veranstaltung von Vorträgen und wissenschaftlichen Kursen wurde in der Einladung zum Beitritt zur Deutschen Gesellschaft für Soziologie als eine der Aufgaben der Gesellschaft genannt. Vgl. Weber, Über Ausrichtung und Vorgehen der DGS, oben, S.  160, sowie Weber, Einladung zum Beitritt 1909, unten, S.  830.

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Ihre etwa nötige Vertretung ordnet der Vorstand von  Fall zu Fall. 5. Finanzielle Fragen sind von den Herren Prof. Stein (falls er die Kooptation annimmt)4 und Dr. Beck in Gemeinschaft mit dem Rechner vorzuberaten. 6. Für Verlagsverträge und die daraus sich ergebenden Fragen hat der Rechner die Vorverhandlungen mit den Buchhandlungen zu führen5 und dem Vorstand zur Beschlußfassung zu berichten.

4  Laut Protokoll der DGS-Vorstandssitzung am 5. Januar 1911 (SHLB Kiel, Nl. Ferdi­ nand Toennies, Cb 54.61:1.2.10) sollte Philipp Stein an die Stelle von Max Weber in den Vorstand kooptiert werden. Stein nahm die Kooptation mit seinem Brief an den Vorstand der DGS vom 15. Februar 1911 an, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.52. 5 Für die Drucklegung der Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages war Max Weber als Rechner beauftragt worden, „die Verhandlungen mit dem ihm am geeignetst [sic] erscheinenden Verleger bis zum formellen Abschluß, der satzungsgemäß durch ein Vorstandsmitglied und den Schriftführer zu erfolgen hat, vorzubereiten“. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 5. Januar 1911 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10).

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[Tischrede auf der Hochzeit von Dora Busch, geb. Jellinek, am 21. März 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Dora Jellinek, die Tochter von Camilla und Georg Jellinek, und der Arzt Friedrich Busch feierten am 21. März 1911 ihre Hochzeit. Kurz zuvor, am 12. Januar 1911, war Georg Jellinek gestorben. Camilla Jellinek bat Marianne Weber, mit der sie als Leiterin der Beratungsstelle für Frauen in Rechtsfragen eng zusammenarbeitete, auf der Hochzeitsfeier zu sprechen.1 Auch Max Weber hielt dort eine Tischrede. Er war seit seiner Berufung nach Heidelberg 1897 und bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt 1903 gemeinsam mit Georg Jellinek Direktor des Staatswissenschaftlichen Seminars gewesen. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft.2 Auch mit der Tochter Dora stand er in Verbindung. So schrieb er ihr einen ausführlichen Brief zu ihrer Seminararbeit über Stefan Georges Dichtung.3 Sie besuchte später auch die offenen Nachmittage von Max und Marianne Weber in der Ziegelhäuser Landstraße 17.4 Nach der Hochzeit schrieb Marianne Weber am 23. März 1911 an ihre Schwiegermutter Helene Weber: „Ich darf schon sagen: wir Beide Max u. ich haben als Küster u. Kantor die Feierlichkeit u. Stimmung bestritten – ohne uns wäre es grauslich nüchtern gewesen – wir haben beide ‚schön’ gesprochen […]. Und daß Frau Jellinek so dankbar war, daß wir ihr wirklich etwas bieten konnten, das hat uns sehr erfreut.“5

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Auch ein „Durchschlag der Tischrede“, den Dora Busch am 2. November 1962 an Johannes Winckelmann, den Lei1  Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Marianne Weber vom 9. März 1911, in: MWG II/7, S.  133. 2  Vgl. dazu seinen Kondolenzbrief an Camilla Jellinek vom 14. Jan. 1911, MWG II/7, S.  37 f. 3  Vgl. Brief Max Webers an Dora Jellinek vom 9. Juni 1910, MWG II/6, S.  559–563. 4  Brief von Dora Busch an Johannes Winckelmann vom 22. Aug. 1962, Max WeberArbeitsstelle, BAdW München. 5  Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 23. März 1911, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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ter des Max Weber-Archivs in München, übersandte6 und den dieser nach einer maschinenschriftlichen Abschrift am 7. November 1962 an sie zurückgab, ist nicht mehr vorhanden.7 Der Abdruck des Redetextes folgt der fünfseitigen, von Johannes Winckelmann angefertigten maschinenschriftlichen Abschrift, Max Weber-Arbeitsstelle, Bayerische Akademie der Wissenschaften, München (A). Diese ist überschrieben „Tischrede Max Webers aus Anlaß der Hochzeit der Tochter Georg Jellineks, Frau Dr. Busch, am 21. III. 1911“. Der Titel dürfte von Johannes Winckelmann stammen, er wird hier gekürzt übernommen und in eckige Klammern gesetzt. Die Paginierung der Vorlage wird übernommen und die fehlende auf dem ersten Blatt als A (1) ergänzt. Die Abdrucke der Rede bleiben unberücksichtigt. Es handelt sich zum einen um eine verkürzte und abgeänderte Wiedergabe in: Weber, Marianne, 481–486, und um den Abdruck der Winckelmannschen Lebensbild3, S.   Abschrift in: Max Weber zum Gedächtnis. Materialien und Dokumente zur Bewertung von Werk und Persönlichkeit, hg. von René König und Johannes Winckelmann (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 7). – Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag 1963, S.  13–17.

6  Vgl. den Brief von Dora Busch an Johannes Winckelmann vom 2. Nov. 1962, Max Weber-Arbeitsstelle, BAdW München. 7  Vgl. den Brief von Johannes Winckelmann an Dora Busch vom 7. Nov. 1962, ebd.

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Wo im Eingang der Schriften des Alten Testaments von der Ehe die Rede ist,1 geschieht dies in dem Gedankenzusammenhang, daß man, um einander für immer anzugehören, die Eltern für immer verläßt. Und so ist es ja äußerlich, aber zunächst auch innerlich – für eine so junge Frau zumal,2 zu der das Glück in der hellen Morgenfrühe des ungebrochenen Lebens trat, traumhaft schön, scheinbar alles umbildend und alles Vergangene hinter ihr zum Versinken bringend. Nun formen beide sich für und nach einander, ganz neuen unerlebten Schicksalen entgegen, die dann gestaltend und prägend sich des jungen Lebens bemächtigen und aus ihm ein Menschenlos formen, eigenständig, losgelöst aus dem Boden der eigenen Vergangenheit, – so scheint es. Und dennoch: „Nach dem Gesetz, wonach du angetreten“,3 – es bleibt nicht leicht etwas verloren, was einmal in uns gelegt wurde. Dies Geschick vollzieht sich verschieden an den Menschen je nach ihrer Eigenart. Ich weiß nicht, ob in der Generation unserer Eltern so, wie in der unsrigen. Und wohl auch in uns bei jedem einzelnen anders. Sehe ich unsre junge Frau richtig, dann wurde ihr, wie so manchem von uns, neben so vielem anderen, auch die schöne schicksalsvolle Gabe besinnlichen Sichinsichselbstversenkens, die innere Nötigung, es zu tun, mit in die Wiege gegeben. Und nun habe ich oft gesehen an Menschen ähnlicher Art: es kamen im Leben und Wachsen der Ehe für die junge Frau, mitten im hellsten Leuchten des Glücks, früher, später, irgendwann, – Stunden einer eigentümlichen Einsamkeit, die alle starke Liebe vom Manne und zu ihm nicht tilgen wollte. So kommt es – oder in anderer Form: immer ist es eins, was da mit unsichtbaren Händen nach ihr greift: die eigene Natur, die Heimat, alles das, was die Vergangenheit ihr versprach und auferlegte. Langsam scheint sie wieder zurückzugleiten in die Bahnen ihrer 1  1. Mose 2, 24: „Darum wird ein Mann seinen Vater und Mutter verlassen, und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch“. 2  Dora Busch war zur Zeit ihrer Hochzeit 23 Jahre alt. 3  Vgl. Goethe, Johann Wolfgang, Urworte. Orphisch. ΔAIMΩN, Dämon, in: Goethes Werke, Weimarer Sophien-Ausgabe, Bd. 3. – Weimar: Hermann Böhlau 1887, S.  95. Max Weber zitiert den 4. Vers der Stanze.

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Natur und Vorgeschichte: „So mußt du sein, du kannst dir nicht entfliehen“.4 Bin ich geworden, was ich werden konnte? Und was war das doch? Was gab mir Erbschaft und Tradition des Elternhauses? – Der Außenstehende darf das Kind des Hauses wohl vielleicht daran erinnern, daß diese Frage kommt; aber es ziemt ihm dann, Halt zu machen, da er ja nicht wagen darf, sie zu beantworten. Statt dessen ist es ihm aber wohl erlaubt, zu bezeugen, was ihm selbst diese Eltern bedeutet haben und bedeuten, soweit er das vermag.  Da muß es mir gestattet sein, in diesem Kreise zuerst der tiefen Verehrung zu gedenken, die mich seit so manchen Jahren an die Frau5 bindet, welche wir heute im Witwenschleier sahen. Ihr leidenschaftliches Bedürfnis nach Klarheit und Wahrheit, ihre entschiedene Ablehnung aller Halbheiten und Kompromisse, ihr Streben nach eindeutigen Entschlüssen, die stolze Sicherheit ihres Wesens, das alles wurzelt in einem starken herben Gefühl für Würde, – in einem ganz konventionsfreien Sinn dieses Wortes, – und in einer völligen Freiheit von aller Menschenfurcht, die mich immer wieder erfrischt hat inmitten dessen, was uns sonst so viel umgibt. Das alles gab ihr die innere Souveränität gegenüber dem Leben und seinen Fügungen, – auch gegenüber Schmerz und Tod. Vielfach ganz anders erschien dem ersten oberflächlichen Blick er, der heute immer und überall mitten unter uns ist. Als ich vor jetzt 14 Jahren hierher nach Heidelberg berufen war,6 kam ich aus etwas komplizierten Verhältnissen und glaubte, nach dem, was ich erlebt hatte, und auch nach manchem, was hier vorgegangen war, in weit schwierigere zu kommen, und nach Lage der Dinge ganz speziell in den Beziehungen zu dem Mann, von dem ich rede. Statt dessen stehe ich heute hier unter der Macht einer Dankesschuld für eine Freundschaft und Freundestreue des älteren, damals so viel reiferen, Mannes zu mir, wie sie mir selten geboten wurde, die unwandelbar blieb in schweren Zeiten, in denen ich selbst außer-

4  Der 5. Vers derselben Stanze lautet: „So mußt Du sein, dir kannst du nicht entfliehen.“ Ebd. 5  Camilla Jellinek, geb. Wertheim, die seit 1883 mit Georg Jellinek verheiratet war. 6  Max Weber wurde 1897 von Freiburg als Nachfolger von Karl Knies auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an die Universität Heidelberg berufen.

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stande war, andern geistig etwas zu bieten,7 – einer Freundschaft, die es mir direkt erschwert, über ihn zu sprechen: sie rückt mir sein Bild vielleicht allzu nahe vor die Augen. Ich sah bald, daß dieser Mann mit Männern der allerverschiedensten, teilweise schwierigsten, Eigenart dauernde feste Freundschaften pflegte, die ihnen etwas bedeuteten: um nur zwei zu erwähnen, mit so grundverschiedenen Naturen wie Erwin Rohde und Georg Friedrich Knapp. Er war ein im weitesten und besten Sinn konzilianter Mensch, immer geneigt, sich zu vertragen und weit entgegenzukommen, die Dinge und Menschen von ihren verschiedenen Seiten zu sehen, den Realitäten Rechnung zu tragen, vorsichtig Mittel und Erfolg und alle Bedenken gegeneinander abzuwägen, einseitigen und präjudizierlichen Entschlüssen und Ansichten nicht geneigt. Und doch: – Temperament, Wege, Grenzen waren gewiß verschieden bei ihm, der Gelehrtennatur, gegenüber der stark wollenden Vertreterin der Interessen ihres Geschlechts, – aber in dem entscheidenden Punkt fand er sich mit ihr völlig zusammen. Wie Bismarck von dem „Portepée“ sprach, bei dem sein alter Kaiser gefaßt werden mußte,8 um sofort zu reagieren, – so war es auch bei diesem scheinbar so grenzenlos nachgiebigen und vorsichtigen Mann. Es soll ihm un- vergessen bleiben, daß er, der Vermögenslosea, in einer Zeit, wo alles Professorentum über die Übergriffe von Ministerien klagte und klagt, ohne je daraus ernsthafte Konsequenzen zu ziehen, zu den wenigen gehört hat, die einer Regierung ihre Professur vor die Füße warfen, als ihnen Unwürdiges zugefügt wurde.9 Das war es a A: vermögenslose 7  In der Zeit seiner Erkrankung 1898–1903. 8  Jemanden am Portepée fassen: an sein Ehr- und Pflichtgefühl appellieren. Vgl. Bismarck, Fürst Otto von, Gedanken und Erinnerungen, Erster Band. – Stuttgart: Cotta 1898, S.  285 f. 9  Georg Jellinek, seit dem 9. Juli 1883 a. o. Professor für Staatsrecht mit einem Lehrauftrag für Völkerrecht an der Universität Wien, wurde dort im Juni 1887 zum o. Professor an der Juristischen Fakultät vorgeschlagen. Trotz mündlicher Zusagen ließ die Ernennung auf sich warten. Als Jellinek erkennen mußte, daß der Unterrichtsminister Baron Gautsch von Frankenthurn nicht daran dachte, seine Zusagen einzuhalten, vermutlich weil Jellinek Jude war, nahm er Anfang August 1889 seinen Abschied von der Universität Wien. Anfang Dezember desselben Jahres erhielt er einen Ruf als o. Professor für Staatsrecht an die Universität Basel, dem er folgte. Vgl. Kempter, Klaus, Die Jellineks 1820–1955. Eine familienbiographische Studie zum deutschjüdischen Bildungsbürgertum (Schriften des Bundesarchivs 52). – Düsseldorf: Droste 1998, S.  239–255 (hinfort: Kempter, Die Jellineks).

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eben: der entscheidende Punkt, wo auch bei ihm seine Konzilianz umschlug in rücksichtslose Unnachgiebigkeit, lag da, wo es sich um die Angelegenheiten der persönlichen Würde handelte. Er schonte sie bei anderen: ich habe ihn über Gelehrte von wirklich hervorragender Bedeutung wohl witzig, aber nie, nach übler Professorengepflogenheit, häßlich reden hören. Und so verlangte er sie auch für sich selbst und wahrte sie. Auch für seine Leistungen. Daß er sein Handwerk zu verstehen beanspruchte, daraus machte er keinen Hehl. Und er durfte es ja wahrlich beanspruchen. In diesem Kreise heute hat von ihm ja nicht als Gelehrten die Rede zu sein. Nur darf gerade ich vielleicht erwähnen, wie sehr zu dem, was mir das Schicksal überhaupt vergönnte zu leisten, wesentlichste Anregungen mir gerade aus seinen großen Arbeiten kamen. Um nur einige Einzelheiten zu berühren: die Scheidung naturalistischen und dogmatischen Denkens im „System der subjektiven öffentlichen Rechte“10 für methodische Probleme, die Prägung des Begriffs der „sozialen Staatslehre“11 für die Klärung der verschwimmenden Aufgaben der Soziologie, der Nachweis religiöser Einschläge in der Genesis der „Menschenrechte“ für die Untersuchung der Tragweite des Religiösen überhaupt auf Gebieten, wo man sie zunächst nicht sucht.12 Und auch das sei noch erlaubt, hier auszusprechen: Wie sehr ich mit vielen anderen es immer als Produkt einer ganz spezifischen „Dummheit“ der Menschen und der Dinge bei uns empfunden habe, daß dieser Mann, der zu den wenigen gehörte, die in ihrem Fach Weltruf genossen, der dieses Fach in einer eigentlichen nur ihm eigenen Art vertrat, zu dem jahraus jahrein ein breiter und doch erlesener internationaler Schülerkreis13 zusammen-

10  Jellinek, System. 11  Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 12  Jellinek, Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Max Webers Studie „Die protestantische Ethik und der ‚Geist’ des Kapitalismus“ (1904/05) wurde u. a. von Jellineks Schrift angeregt. 13  Zu Jellineks Hörerkreis in Heidelberg gehörten u. a. die späteren österreichischen Professoren Julius Hatschek, Joseph Lukas und Hans Kelsen, die Russen Theodor (Bogdan) Kistiakovskij, Theodor (Fedor) Kokoschkin, Fedor Stepun (Friedrich Step­ puhn), das spätere Mitglied des sozialrevolutionären Zentralkomitees Abram Goc (Gotz) sowie der wegen seiner Beteiligung an der Münchner Räterepublik 1919 hingerichtete Eugen Leviné. Vgl. Kempter, Die Jellineks (wie oben, S.  251, Anm.  9), S.  375– 377.

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strömte, dennoch von den ersten Stellen, an die er gehörte,14 ausgeschlossen und daß so die große Künstlerschaft seiner Lehrbegabung von einer breiten Wirksamkeit abgeschnitten und auf unsere kleine Universität angewiesen blieb, – dieser gewiß zum Heil und uns, seinen hiesigen Freunden, zum Genuß. Er selbst trug dieses eigentümliche und sicher nicht erwartete Geschick mit einer Eigenschaft, auf die ich, weil sie für ihn, so wie ich ihn kenne, sehr wichtig war, näher zu sprechen kommen muß: mit „Humor“.  In der Tat, in dem Wesen dieses Mannes, der ja mit so mancherlei körperlichen und Stimmungs-Hemmungen seit jungen Jahren zu schaffen hatte,15 war der Humor, sein ihm eigener Humor, ein Element von beherrschender Bedeutung. Wohl verstanden: es handelt sich hier nicht darum, daß er „witzig“ war. Das war er gewiß in hohem Maße. Wenn es einem passierte, daß man seine eigenen Erzählungen später einmal von ihm, kursfähig geworden, zu Edelsteinen geschliffen, wiederhörte, dann erkannte man sehr wohl seine hohe, auch rein formale Künstlerschaft auf diesem Gebiet. Mir ist von Lebenden nur der Witz Alfred Doves bekannt, – und man sagt mir, daß auch derjenige Joseph Ungers ähnlich geartet sei, – der so wie derjenige unseres Freundes in vollster Konzentration, unter strengem Fortstreichen alles nicht „zur Sache“ Gehörigen, den in einer Situation oder Gedankenkombination steckenden Gehalt an echter Komik herauszuschälen und zu einer Einheit zusammenzuschließen wüßte. Aber wovon hier die Rede ist, das ist doch etwas ganz anderes. Humor ist nicht einfach Witz. Cervantes16 ist kein Spötter, – und mit dessen Sinn für das Groteske[,] als für das unentrinnbare Schicksal der reinen Gesinnung bei dem Versuch ihrer Verwirklichung unter den gegebenen Bedingtheiten der geformten Welt, hatte jene geistige Eigenart unseres Freundes, von der ich spreche, Verwandtschaft. Dieser „Humor“ aber führt in seinen schönsten und höchsten Äußerungen in eine der letzten mög14  Anspielung auf den Umstand, daß Georg Jellinek nie einen Ruf an die Universität Berlin erhalten hat. 15  Nach dem plötzlichen Tod seines knapp fünfjährigen Sohnes Paul am 11. März 1889 trat bei Georg Jellinek eine tiefe Depression auf. Diese sei „später bei verhältnismäßig kleinen Anlässen, ja selbst bei großen Ermüdungen häufig und recht intensiv wiedergekehrt.“ Vgl. Jellinek, Camilla, Georg Jellinek. Ein Lebensbild, entworfen von seiner Witwe (Nachdruck). – Aalen: Scientia 1970, S.  41. 16  Gemeint ist der spanische Dichter Miguel de Cervantes (1547–1616).

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lichen Stellungnahmen des Menschen zum Leben überhaupt hinauf. Aus Sinnvollem und Sinnlosem ist ja unser Tun und Erleiden geflochten und zu einem „Schicksal“ geformt, und indem er diesen letzten Kern des Lebens ergreift und vor uns hinstellt, schenkt uns der echte Humor in seinem feinsten Sinn ein von allem Spott weit entferntes, herzhaftes, gesundes und gutes, befreiendes Lachen. Das eben konnte auch unser Freund in seinen guten Stunden uns geben. Und dahinter steckte nun nicht die heute wieder moderne Attitüde der „romantischen Ironie“17. Denn es war, wie in seiner Gattin, so auch in ihm, wohl keine Ader von einem Romantiker. In diesem Betracht wurzelte er überhaupt nicht in unserem nebligen phantastischen Norden, sondern war im Innersten eine „klassische“ Natur. Seine Heimat hätte recht wohl am Markt von Athen stehen können, erfüllt wie er war von jenem Drange nach Klarheit, der auch dem Wesen seiner Gattin, nur in ganz anderen Formen, das Gepräge gibt. Und dazu nun noch ein Letztes: aus seiner Abkunft und den Traditionen seiner Familie hatte er etwas von jenem feinen Duft empfangen, der uns aus der linden und reifen Empfindungswelt des Orients entgegenweht.18 Nicht nur an die große Reinheit und Güte im letzten menschlichen Kern seines Wesens denken wir dabei, – nicht daran allein also, wie der funkelnde Edelstein  seines Geistes in solch ein lauteres Gold der Gesinnung gefaßt war, an dem man sich menschlich tief erfreute, ohne doch Worte darüber machen zu können. Sondern an jene, nach allem Wandel kommender und gehender Stimmungen, doch immer wieder in ihr Gleichgewicht zurückkehrende und darin schwebende, eigenartig souveräne Stellung der Seele zur Welt, die wir wohl „Lebensweisheit“ im Sinn des antiken Orients nennen dürfen. Wenn er innerlich ganz bei sich war, in seinen besten Stun17  Die „romantische Ironie“ ist eine eigenständige, über das rhetorische Mittel der Ironie hinausgehende literaturtheoretische Position, die vor allem von Friedrich Schlegel geprägt wurde. Dabei soll die Ironie nicht nur ein stilistisches Element sein, sondern mit den Mitteln der Illusionierung und Desillusionierung sowie der Distanzierung des Autors von seinem Werk eine Objektivierung des Kunstwerks erreicht und dessen Entstehungsbedingungen gezeigt werden. 18  Georg Jellineks Großeltern stammten mütterlicherseits aus dem rabbinischen Judentum in Mähren. Sein Vater, Adolf Jellinek (1820–1893), war seit 1865 Prediger der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde und galt als einer der besten zeitgenössischen jüdischen Kanzelredner. Vgl. Kempter, Die Jellineks (wie oben, S.  251, Anm.  9), S.  25– 28 und 137.

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den, leuchtete ein milder Strahl von ihr in ihm auf, und aus dieser Quelle speiste sich das Beste von dem, was ich unter seinem „Humor“ verstehen wollte. Und so angesehen ist ja dieser Humor nicht nur einer der ganz großen Meister und Bezwinger jenes Alltags, von dessen lähmender Macht heute schon einmal hier die Rede war, sondern auch eine der Formen, in denen wir inne werden können, daß Menschenwürde auch der Götter Stärke nicht erliegen muß. Diese Art von Humor hat mit gebaut an dieser wundervoll geschlossenen, glücklichen Ehe,19 die auf ihrer Höhe vom ersten Tage an blieb, bis ein schneller, schöner und würdiger Tod sie schied, zur rechten Zeit, ehe Krankheit oder Alter das Bild des Jugendgeliebten für seine Gattin hätte trüben können. Ein Tod, den er sah und hinnahm, beneidet von uns heutigen Menschen, die wir die Würde im eigenen Sterben und in der Hinnahme des Abschieds des anderen so sehr verlernt haben. Es wäre nicht in seinem Sinn, wenn wir heute hier in bedrückter Trauer bei dem verweilten, was wir durch sein Fortgehen verloren. Es sei mir erlaubt, der jungen Frau in unserer Mitte, ihr selbst und ihrem Mann, zu wünschen, daß das Unverlierbare seines Erbteils in ihr lebendig bleibe, wenn die ganze Tragweite und der Umkreis der großen Aufgabe: eigene Art und fremde Art zu einer Einheit zusammenzufügen, sich ihr deutlicher zeigen wird, als es nach Menschenlos, heute vielleicht der Fall sein kann. Wir aber gedenken, ernst aber ohne Bitterkeit, dankbar und froh des Freundes, der uns geschenkt war.

19  Camilla und Georg Jellinek hatten am 17. Juli 1883 in Wien geheiratet.

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[Geschäftsbericht der Deutschen Gesellschaft für Soziologie] [Rede auf dem Ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt am Main am 20. Oktober 1910]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf dem Ersten Deutschen Soziologentag, der vom 19. bis 22. Oktober 1910 in Frankfurt am Main stattfand, berichtete Max Weber am 20. Oktober ausführlich über die Arbeit der DGS im abgelaufenen Jahr. Nach Absprache mit deren Vorstand1 war Weber durch die Mitgliederversammlung am Vortag beauftragt worden, diesen Bericht zu erstatten.2 Ob er ihn schriftlich vorbereitet hatte oder nach der mündlichen Präsentation hinterher für den Druck ausarbeitete, ist nicht bekannt. Darin erläutert er die „Verfas­ sungs­ änderungen“,3 welche die Gesellschaft, vor allem aufgrund seiner Vorschläge, vorgenommen hatte, sowie die wissenschaftlichen Vorhaben, die in Angriff genommen worden waren. In diesem Zusammenhang sprach er ausführlich über den Stand der Presseenquete und die geplante Vereinsenquete.4 Weber übernahm überdies die Redaktion der „Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages“,5 die, nachdem von mehreren Verlagen Angebote eingeholt worden waren, im Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) erscheinen sollten.

1  Vgl. Rundschreiben von Hermann Beck an die Mitglieder des Vorstandes der DGS vom 21. Sept. 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. 2  Vgl. Protokoll der DGS-Mitgliederversammlung am 19. Okt. 1910 (wie oben, S.  229, Anm.  3), S. II, Punkt 5. 3  Unten, S.  258. 4  Unten, S.  262–274 und 274–283. 5  Vgl. Verhandlungen DGS 1910. In der Vorstandssitzung am 5. Januar 1911 wurde Max Weber vom Vorstand „ermächtigt […], die Verhandlungen mit dem ihm am geeignetst erscheinenden Verleger bis zum formellen Abschluß, der satzungemäß durch ein Vorstandsmitglied und den Schriftführer zu erfolgen hat, vorzubereiten. Die stenographische Wiedergabe der Diskussion soll von Herrn Prof. Weber in angemessener Weise zusammengestrichen werden“. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Berlin, am 5. Januar 1911 nachmittags 4 Uhr, in: SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10.

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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck des Geschäftsberichts der Deutschen Gesellschaft für Soziologie folgt der Publikation in: Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages vom 19. bis 22. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. Reden und Vorträge von Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Max Weber u. a. und Debatten. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1911, S.  39–62 (A). Der Text ist eingeführt mit „Professor Dr. Max Weber (Heidelberg):“ und dürfte von ihm, da er den Druck der Verhandlungen betreute, in dieser Fassung auch autorisiert sein. Statt einer Überschrift findet sich in den Verhandlungen die Anrede: „Meine Damen und Herren!“. Der Editor übernimmt aus dem Kolumnentitel das Stichwort „Geschäftsbericht“ und stellt es, zusammen mit der eigenen Ergänzung, in eckige Klammern.

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Dera Geschäftsbericht unserer Gesellschaft, den ich zu erstatten den Auftrag habe, hat sich wesentlich zu erstrecken 1. auf die Verfassungsänderungen,1 welche im Laufe des verflossenen Jahres die Gesellschaft vorgenommen hat, und 2. auf die konkreten wissenschaftlichen Aufgaben, die sich die Gesellschaft für die nächste Zukunft gestellt hat. Denn bei dem schwankenden Inhalt des Begriffes „Soziologie“ tut eine Gesellschaft mit diesem bei uns unpopulären Namen gut, das, was sie sein möchte, tunlichst durch ganz konkrete Angaben über ihre derzeitige Konstitution und ihre derzeitigen nächsten Aufgaben erkennbar zu machen. Was nun das Erste anlangt, so sind folgende Grundsätze, die ich ganz kurz registriere, erst im Laufe des letzten Jahres in unseren Statuten zum Ausdruck gelangt: Erstens – ein Prinzip, über welches ja schon mein verehrter Herr Vorredner2 gesprochen hat: – daß die Gesellschaft jede Propaganda praktischer Ideen in ihrer Mitte grundsätzlich und definitiv ablehnt.3 Die Gesellschaft ist nicht etwa „unparteiisch“ nur in dem Sinne, daß sie jedem gerecht zu werden, jeden zu verstehen oder daß sie die beliebte „Mittellinie“ zu ziehen suchen möchte zwischen Parteiauffassungen, zwischen politischen, sozialpolitischen, ethischen oder ästhetischen oder andern Wertungen irgend welcher Art, sondern daß sie mit diesen Stellungnahmen überhaupt ihrerseits gar nichts zu tun hat, daß sie auf allen a  In A geht voraus: Professor Dr. Max Weber (Heidelberg): / Meine Damen und Herren! 1  Die erste Satzung (Berliner Statut) der DGS lag auf der Gründungsversammlung am 3. Januar 1909 vor, die zweite (Leipziger Statut) wurde auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 14. Oktober 1909 verabschiedet. Nach dem Soziologentag von 1910 wurde ein endgültiges Statut (Frankfurter Statut) verabschiedet. In der Mitgliederversammlung am 6. März 1911 wurden auf Wunsch Max Webers noch einige redaktionelle Änderungen des in Frankfurt verabschiedeten Statuts beschlossen. Vgl. Weber, Antrag auf Statutenänderung, oben, S.  188–194, und Weber, Änderung des Statuts, unten, S.  814–818. 2  Max Weber sprach nach dem Eröffnungsvortrag von Ferdinand Tönnies, Wege und Ziele der Soziologie, in: Verhandlungen DGS 1910, S.  17–38. 3  Zum Wortlaut von §  1 des Frankfurter Statuts vgl. unten, S.  864, und zu seiner Entstehung oben, S.  157, Anm.  8.

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Gebieten schlechthin parteienlos ist. Es könnenb also das Bestehen, die Eigenart, die Forderungen und die Erfolge von politischen, ästhetischen, literarischen, religiösen und anderen Parteimeinungen selbstverständlich sehr wohl Gegenstand einer auf die Tatsache ihrer Existenz, auf die vermeintlichen und wirklichen Gründe derselben, auf ihre Erfolge und Erfolgschancen, auf ihre  „prinzipiellen“ und „praktischen“ Konsequenzen gerichteten und cdiese rein objektivc, von aller eignen Bewertung frei, ermittelnden Analyse werden. Aber niemals, das besagt der jetzige §  1 unseres Statuts,4 kann in unserer Gesellschaft das Für und Wider, der Wert oder Unwert einer solchen Meinung Gegenstand der Erörterung werden. Wenn z. B. die Gesellschaft eine Enquete über das Zeitungswesen veranstaltet – ich werde davon zu sprechen haben –,5 so ist damit nach unseren Grundsätzen gesagt: daß sie nicht im entferntesten daran denkt, zu Gericht sitzen zu wollen über den faktischen Zustand, von dem sie zu sprechen hat, daß sie nicht fragen wird: ob dieser Zustand erwünscht, oder unerwünscht ist, daß sie nichts Weiteres tut, als feststellen: Was besteht? warum besteht es gerade so, wie es besteht? aus welchen historischen und sozialen Gründen? Der zweite Grundsatz, den wir festgelegt haben, ist der, daß die Gesellschaft keinen „Akademismus“ treibt. Die Gesellschaft ist keine Notabilitätsgesellschaft, sie ist das gerade Gegenteil von irgend etwas wie einerc Akademie; es kann z. B. keine Gekränktheit geben von Leuten, die etwa zufällig einem Ausschuß der Gesellschaft nicht angehören, es soll keine „Ehre“ sein – das klingt ja etwas paradox –[,] diesem Ausschuß der Gesellschaft anzugehören; denn diese Zugehörigkeit besagt nur: daß augenblicklich der Aufgabenkreis der Gesellschaft so gestaltet ist, daß die Herren, die in diesen Ausschuß eingetreten sind, teils weil sie aus eigner Initiative uns ihre Neigung dazu kundgegeben haben, teils weil wir sie von uns aus darum gebeten haben, für diese konkreten Aufgaben zweckmäßige Mitarbeiter sind, und daß sie die eine einzige allgemeine Voraussetzung der Zuwahl erfüllen: daß sie nämlich durch rein wissenschaftliche, also nicht praktische, sondern rein soziologische Leistungen bereits bekannt sind und auf diesem von jedem b A: kann  c–c A: diese durch rein objektive   d A: eine 4  Vgl. die vorangehende Anm. 5  Unten, S.  262–274.

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Parteistreit entfernten Boden mit uns zusammen arbeiten wollen.6 Die Gesellschaft ist eine Arbeitsgemeinschaft, aber nicht – ich wiederhole es – irgend etwas einer „Akademie“ Ähnliches. Wer immer bei uns in unserem Sinn mittun will, der mag es sagen: er ist herzlich willkommen. Drittens haben wir den Grundsatz festgelegt, daß die Gesellschaft keinen „Ressort-Patriotismus“ treibt, daß sie nicht sich selbst als Selbstzweck ansieht, nicht versucht, Aufgaben für sich zu konfiszieren und anderen wegzunehmen, daß sie deshalb  auch bei sich selbst dem Grundsatz der Dezentralisation der wissenschaftlichen Arbeit in weitgehendem Maße huldigt. Das kommt in unserer Verfassung darin zum Ausdruck, daß 1. der Schwerpunkt der gesamten Arbeit der Gesellschaft nicht in Versammlungen der Mitglieder7 als solcher, sondern in den von der Gesellschaft für jede konkrete Arbeitsaufgabe einzusetzenden Ausschüssen liegt.8 Diese Ausschüsse, für die die Gesellschaft nur den Vorsitzenden und eventuell einige Mitglieder – möglichst wenige – wählt, sind jeder auf seinem Gebiet völlig souverän, insbesondere in der Kooptation anderer, und zwar auch außerhalb der Gesellschaft stehender Mitarbeiter. Insbesondere die Herren Praktiker, beispielsweise also auf dem Gebiete des Zeitungswesens die Zeitungsverleger und die Vertreter des Journalismus, ohne die wir ja gar nicht arbeiten können, gehören in unsere Ausschüsse hinein, wo wir mit ihnen mit vollem gleichem Stimmrecht, in jeder Hinsicht gleichberechtigt, zusammen arbeiten wollen, und wo wir von ihnen die direkten Anregungen für unsere Arbeiten zu finden hoffen. Zweitens drückt sich der gleiche Grundsatz der Dezentralisation darin aus, daß voraussichtlich die soziologische Gesellschaft nie 6  Nach §  15 des Frankfurter Statuts durften dem Hauptausschuß nur Personen angehören, „welche auf dem Gebiete der Soziologie oder ihrer Hilfsdisziplinen wissenschaftlich qualifiziert sind“. Vgl. unten, S.  866. 7  Auf Antrag Webers wurden die „Mitgliederversammlung“ in „Hauptausschuß“ und die „ordentlichen Mitglieder“ in „Hauptausschußmitglieder“ umbenannt. Vgl. Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 27. Okt. 1910, MWG II/6, S.  659–662, hier S.  661 f., sowie §§  15 und 16 des Frankfurter Statuts, unten, S.  866. 8  Gemeint sind die Sonder-Ausschüsse, die in Abschnitt D des Frankfurter Statuts in §§  24–28 geregelt sind (vgl. unten, S.  867). Die Sonder-Ausschüsse werden durch den Hauptausschuß beauftragt (§  24).

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wieder in der Form wie heute und in den nächsten Tagen vor die Öffentlichkeit treten wird, als eine ungegliederte Einheit, die eine ganze Reihe einzelner Themata nacheinander in Vorträgen und Diskussionen behandelt. Es besteht vielmehr die Absicht, Abteilungen sich bilden zu lassen. Die Bildung einer Abteilung für Statistik ist bereits aus den Kreisen der Herren Statistiker angeregt worden,9 und die Gesellschaft hat den Grundsatz, nun nicht schematisch die Bildung von Abteilungen ihrerseits schematisch zu oktroyieren, sondern umgekehrt: den Interessenten in ihrer Mitte es zu überlassen, sich zu Fach-Abteilungen zusammenzuschließen; – der Vorstand wird dann mit diesen Abteilungen darüber verhandeln, welche Stellung innerhalb der Gesellschaft ihnen einzuräumen ist, und zwar in dem Sinne, daß sie auf ihren Gebieten so völlig selbständig gestellt werden, wie es überhaupt denkbar ist, daß es ihnen z. B. überlassen ist, ihrerseits die Fachmänner, und nur die Fachmänner, des betreffenden Gebietes heranzuziehen, unter Ausschluß aller derjenigen, die nicht als solche zu betrachten sind; daß sie selbst zu beschließen haben, welche Arbeiten sie vornehmen wollen und in welcher Weise. Wir werden daher bei  künftigen Soziologentagen – sagen wir einmal, nach zwei Jahren oder eineinhalb Jahren – voraussichtlich, da auch von anderen Interessenten ähnliche Anregungen zu gewärtigen sind, sehen, daß einerseits mehrere Abteilungen nebeneinander tagen; vielleicht eine Abteilung für theoretische Nationalökonomie,10 innerhalb deren sich die Theoretiker und niemand anders über theoretische Probleme unterhalten; eine Abteilung für Statistik,11 innerhalb deren sich die Statistiker, die Fachstatistiker und niemand anders über ihre Probleme unterhalten, natürlich nach ihrem eigenen Belieben auch unter Zuziehung anderer, die sich dafür interessieren, aber, 9  Abschnitt E (ebd., S. 867) des Statuts sah die Bildung von Abteilungen innerhalb der DGS vor. Weber unterstützte die Bildung einer statistischen Abteilung, weil er amtlich erhobene Daten der sozialwissenschaftlichen Auswertung zugänglich machen wollte (vgl. Lepsius, M. Rainer und Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: MWG II/6, S.  5 f.). Vor dem Soziologentag hatte Weber bereits mit den beiden Statistikern Eugen Würzburger und Georg v. Mayr über die Bildung der Abteilung verhandelt (vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Vorläufiger Entwurf der Abteilung Statistik, oben, S.  229–231). 10  Die Gründung einer Abteilung für theoretische Nationalökonomie (Sozialökonomik) konnte nicht nachgewiesen werden. 11  Vgl. dazu oben, Anm.  9.

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wenn sie es wollen, unter Beschränkung der aktiven Teilnahme an der Auseinandersetzung auf die, die etwas von den Dingen wirklich fachmännisch verstehen, – und daß dann daneben die Muttergesellschaft ihre Versammlungen in der Art hält, wie diesmal, aber wohl möglichst unter Beschränkung auf einige wenige große, wenn möglich, durch Publikationen und Arbeiten der Gesellschaft vorbereitete Themata. Denn die Gesellschaft wird den Hauptnachdruck ihrer Tätigkeit zu verlegen haben auf die Seite der Publikationen. Ich habe nunmehr davon zu sprechen, was für Arbeiten die Gesellschaft in dieser Art in Angriff nehmen will durch fachmännisch geleitete und durch einen möglichst großen Kreis von Mitarbeitern, unter Beteiligung eines jeden, der mit uns zusammen arbeiten will, der sich mit uns in den Dienst der Sache stellen will, bearbeitete Publikationen. Es versteht sich, daß diese Ausführungen hier nur einen ganz grob skizzenhaften, wenn sie wollen: feuille­tonistischen Charakter haben können. Denn, m[eine] H[er­ ren], gerade die Formulierung der eigentlichen, von uns zu bearbeitenden, Fragestellungen ist ja die entscheidende wissenschaftliche Aufgabe. M[eine] H[erren], das erste Thema, welches die Gesellschaft als geeignet zu einer rein wissenschaftlichen Behandlung befunden hat, ist eine Soziologie des Zeitungswesens.12 Ein ungeheures Thema, wie wir uns nicht verhehlen, ein Thema, welches nicht nur sehr bedeutende materielle Mittel für die Vorarbeiten erfordern wird, sondern welches unmöglich sachgemäß zu behandeln ist, wenn nicht die führenden Kreise der Interessenten des Zeitungswesens mit großem Vertrauen und Wohlwollen in unsre Sachlichkeit dieser Angelegenheit entgegenkommen. Es ist ausgeschlossen, daß, wenn wir auf seiten der Vertreter des Zeitungsverlages oder auf seiten der Journalisten dem Mißtrauen begegnen[,] daß die Gesellschaft irgendwelche Zwecke moralisierender Kritik an den bestehenden Zuständen verfolge – es ist ausgeschlossen, sage ich, daß wir dann unsern Zweck erreichen, denn es ist ausgeschlossen, daß wir ihn erreichen, wenn wir nicht im weitestgehenden Maße von eben dieser Seite mit Material versorgt werden können. Es wird in der nächsten Zeit das Bemühen des Ausschusses, der dafür 12  Vgl. dazu auch Weber, Vorbericht, oben, S.  208–228.

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zusammenzusetzen ist,13 sein, nun die Fachmänner des Pressewesens, einerseits die Theoretiker des Pressewesens, die heute bereits sehr zahlreich existieren – wir haben bekanntlich bereits glänzende theoretische Publikationen auf diesem Gebiete (lassen Sie mich im Augenblick nur an das Buch von Löbl erinnern,14 deshalb, weil grade dies auffallenderweise viel weniger gekannt ist, als es verdient) –[,] und ebenso die Praktiker des Pressewesens zur Mitarbeit zu gewinnen. Es ist nach den vorläufig gepflogenen Verhandlungen Hoffnung vorhanden, daß wenn wir, wie es geschehen wird, in der allernächsten Zeit uns sowohl an die großen Presseunternehmungen wie an die Verbände der Zeitungsverleger und Zeitungsredakteure wenden, dieses Wohlwollen uns entgegengebracht werden wird. Geschieht es nicht, so wird die Gesellschaft von einer Publikation eher absehen, als eine solche zu veranstalten, bei der voraussichtlich nichts herauskommt. M[eine] H[erren], über die Größe der allgemeinen Bedeutung der Presse hier etwas zu sagen, hat ja keinen Zweck. Ich käme in den Verdacht der Schmeichelei gegenüber den Herren Pressevertretern, umsomehr, als das, was darüber von hochstehenden Seiten schon gesagt worden ist, ja unüberbietbar ist. Wenn die Presse mit kommandierenden Generalen15 verglichen worden ist – es ist ja allerdings nur von der ausländischen Presse gesagt worden –[,] so weiß jeder Mensch: darüber gibt es bei uns nichts rein Irdisches mehr, und es wäre nötig, in das Gebiet des Überirdischen zu greifen, um Vergleiche zu finden. Ich erinnere Sie einfach daran: Denken Sie sich die Presse einmal fort, was dann das moderne Leben wäre, ohne diejenige Art der Publizität, die die Presse schafft. Das antike Leben, verehrte Anwesende, hatte auch seine Publizität. Mit Grausen stand Jakob Burckhardtd der Öffentlichkeit des helleni-

d A: Burkhardt 13  In der DGS-Mitgliederversammlung am 6. März 1911 wurden Max Weber, Eberhard Gothein und Hermann Beck einstimmig in den Ausschuß für die Presseenquete gewählt. Vgl. Protokoll der Mitgliederversammlung in Heidelberg (Hotel Viktoria) am 6. März 1911, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10. 14  Gemeint ist: Löbl, Kultur und Presse. 15  In seinem Handbuch der Journalistik verglich Richard Wrede einen Chefredakteur mit einem Feldherrn. Vgl. Wrede, Richard, Handbuch der Journalistik, 2.  Aufl. – Berlin: Dr. R. Wrede 1906, S.  113 (hinfort: Wrede, Handbuch).

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schen Lebens, die die gesamte Existenz des athenischen Bürgers bis in die intimsten Phasen hinein umfaßte, gegenüber.16 Diese Publizität besteht so heute nicht  mehr, und es ist nun schon interessant, einmal zu fragen: Wie sieht denn eigentlich die heutige Publizität aus und wie wird diejenige der Zukunft aussehen, was wird alles durch die Zeitung publik gemacht und was nicht? Wenn das englische Parlament vor 150 Jahren Journalisten zu kniefälliger Abbitte wegen breach of privilege vor den Parlamentsschranken zwang, wenn sie über seine Verhandlungen berichteten[,]17 und wenn heute die Presse durch die bloße Drohung, die Reden der Abgeordneten nicht abzudrucken, die Parlamente auf die Knie zwingte[,] so hat sich offenbar ebenso der Sinn des Parlamentarismus wie die Stellung der Presse geändert.18 Und dabei müssen auch lokale Differenzen bestehen, wenn z. B. noch bis in die Gegenwart es amerikanische Börsen gab, welche ihre Fenster mit Milchglas versahen, damit die Kursbewegungen auch nicht durch Signale nach außen gemeldet werden könnten, und wenn wir auf der anderen Seite doch sehen, daß fast alle wesentlichen Eigentümlichkeiten in der Art der Zeitungszusammenstellung durch die Notwendigkeit, auf die Börsenkurspublikationen Rücksicht zu nehmen, e A: zwingen 16  Vgl. Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte2, Band 1, S.  57–89. Webers Handexemplar befindet sich in der Max Weber-Arbeitsstelle, BAdW München. Wie aus einem Brief Max Webers an Carl Neumann vom 11. November 1900 hervorgeht, bezieht sich Weber in dieser Aussage vor allem auf dessen Aufsatz: Neumann, Carl, Griechische Kulturgeschichte in der Auffassung Jakob Burckhardt’s, in: HZ, Band 85, N. F. Band 49, 1900, S.  385–452. Neumann beschreibt Jakob Burckhardts Individualismus und seine daraus resultierende Abneigung gegenüber dem Leben in der griechischen Polis, ebd., S.  410. Vgl. dazu auch den Brief an Carl Neumann vom 11. Nov. 1901, MWG II/3, S.  796–798, hier S.  797 mit Anm.  3. 17  In England konnte das Parlament nach altem Gewohnheitsrecht jedes Berichten – ohne Lizenz – über seine Verhandlungen als Privilegienbruch strafen. Dieses Privileg sollte offenbar verhindern helfen, daß der Inhalt der Verhandlungen dem König bekannt werde. Ohne Lizenz durften daher keine Berichte über das Parlament veröffentlicht werden. 18  Dafür, daß der Zentrumsführer Adolf Gröber die Journalisten auf der Tribune am 19. März 1908 öffentlich „Saubengel“ genannt hatte, verlangten diese eine förmliche Entschuldigung. Um nach dem ersten, ihnen nicht genügenden Ausdruck des Bedauerns ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, verweigerten sie eine Woche lang die Berichterstattung aus dem Parlament. Erst nach einer Intervention des Reichskanzlers v. Bülow, der die eigene Rede in der Zeitung veröffentlicht sehen wollte, erhielten die Journalisten die verlangte Entschuldigung. Vgl. Cullen, Michael S., Der Reichstag. Parlament, Denkmal, Symbol. – Berlin: be.bra verlag 1995, S.  199 f.

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mitbeeinflußt werden. Wir fragen nun, wohl gemerkt, nicht, was soll publik gemacht werden? Darüber gehen die Ansichten weit auseinander, wie jedermann weiß. Es ist natürlich interessant, auch festzustellen: welche Ansichten darüber heute bestehen und früher bestanden und bei wem? Auch das fällt in unseren Arbeitskreis; aber nichts weiter als diese faktische Feststellung. Jedermann weiß z. B., daß darüber in England andere Ansichten bestehen als bei uns, daß man erlebt, daß wenn etwa ein englischer Lord eine Amerikanerin heiratet, in der amerikanischen Presse ein Steckbrief über Physis und Psyche dieser Amerikanerin mit allem, was dazu gehört, einschließlich der Mitgift natürlich, zu finden ist,19 während nach den bei uns herrschenden Auffassungen wenigstens eine Zeitung, die etwas auf sich hält, in Deutschland das verschmähen müßte. Woher diese Differenz? Wenn wir für Deutschland festzustellen haben, daß heute das ernstliche Bemühen gerade bei den ernsten Vertretern des Pressegeschäftes dahin gerichtet ist, rein persönliche Dinge aus der Zeitungspublizität auszuschließen, – aus welchen Gründen und mit welchen Ergebnissen? – so werden wir auch konstatieren müssen, daß auf der anderen Seite ein sozialistischer Publizist wie Anton Menger der Meinung war: umgekehrt im Zukunftsstaat würde die Presse gerade die Aufgabe haben, Dinge, die  man nicht dem Strafgericht unterstellen kann, vor ihr Forum zu führen, die antike Zensor-Rolle zu übernehmen.20 Es lohnt sich, festzustellen: welche letzten Weltanschauungen der einen und der andern Tendenz zugrunde liegen. Nur dies freilich, nicht eine Stellungnahme dazu, wäre unsere Aufgabe. – Wir werden unsererseits vor allem die Machtverhältnisse zu untersuchen haben, welche die spezifische Zeitungspublizität schafft. Sie hat z. B. für wissenschaftliche Leistungen eine andere,

19  Löbl, Kultur und Presse, S.  41, bringt einen solchen Fall: Als sich Miss Consuelo Vanderbilt mit dem Herzog von Marlborough verlobte, habe die amerikanische Presse „eine sehr eingehende, ganz in der Form eines polizeilichen Steckbriefes gehaltene Personenbeschreibung der Braut“ veröffentlicht. „Alter: 18 Jahre; Höhe: 5 Fuß, 5 Zoll; Gewicht: 116½ Pfund; Handschuhnummer: 53/4; Fähigkeiten: Musik, Malerei, Sprachen; Hauptfertigkeit: keine; Mitgift: 10 Millionen Dollars; zu erwartendes Vermögen: 5 Millionen Dollars; Lieblingsblume: die Rose etc.“. 20 Der Wiener Jurist und Sozialtheoretiker Anton Menger behandelte im 9. Kapitel seines Buches: Neue Staatslehre, 2.  Aufl. – Jena: Gustav Fischer 1904, S.  56–59, den Einfluß der Zeitungspresse auf das sittliche Handeln.

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wesentlich geringere Bedeutung, als etwa für solche, die, wie eine schauspielerische oder Dirigenten-Leistung, mit dem Tage vergehen, und sie ist bei allem, was unter dem Striche besprochen wird, überhaupt besonders groß: in gewissem Sinn ist der Theater- und auch der Literatur-Rezensent derjenige Mann in der Zeitung, welcher am leichtesten Existenzen schaffen und vernichten kann.21 Für jeden Teil der Zeitung, vom politischen angefangen, ist aber dies Machtverhältnis äußerst verschieden. Die Beziehungen der Zeitung zu den Parteien bei uns und anderswo, ihre Beziehungen zur Geschäftswelt, zu all den zahllosen, die Öffentlichkeit beeinflussenden und von ihr beeinflußten Gruppen und Interessenten, das ist ein ungeheures, heute erst in den Elementen bebautes Gebiet soziologischer Arbeit. – Aber kommen wir zu dem eigentlichen Ausgangspunkt der Untersuchung. Treten wir der Presse soziologisch näher, so ist fundamental für alle Erörterungen die Tatsache, daß die Presse heute notwendig ein kapitalistisches, privates Geschäftsunternehmen ist, daß aber die Presse dabei eine vollständig eigenartige Stellung schon insofern einnimmt, als sie im Gegensatz zu jedem anderen Geschäft zwei ganz verschiedene Arten von „Kunden“ hat: die einen sind die Käufer der Zeitung und diese wieder entweder der Masse nach Abonnenten oder aber der Masse nach Einzelkäufer – ein Unterschied, dessen Konsequenzen der Presse ganzer Kulturländer entscheidend verschiedene Züge aufprägt – die anderen sind die Inserenten, und zwischen diesen Kundenkreisen bestehen die eigentümlichsten Wechselbeziehungen. Es ist z. B. ja gewiß für die Frage, ob eine Zeitung viel Inserenten haben wird, wichtig, ob sie viel Abonnentenf hat[,] und, in begrenzterem Maße, auch umgekehrt. Aber nicht nur ist die Rolle, die die Inserenten im Budget der Presse spielen, bekanntlich eine sehr viel ausschlaggebendere als die der Abonnenten, sondern man kann es geradezu so formulieren: eine Zeitung kann nie zuviel  Inserenten haben, aber – und das im Gegensatz zu jedem anderen Warenverkäufer – zuviel Käufer, dann nämlich, wenn sie nicht in der Lage ist, den Insertionspreis so zu steigern, daß er die Kosten der immer weiter sich ausdehnenden Auflage deckt. Das ist ein für manche Arten von f A: Abonennten 21  Vgl. Wrede, Handbuch (wie oben, S.  263, Anm.  15), S.  279, Anm.  14.

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Blättern durchaus ernsthaftes Problem und hat ganz allgemein die Folge, daß von einer bestimmten Auflageziffer ab das Interesse der Zeitungen nach weiterer Vermehrung nicht mehr steigt, – wenigstens kann es so kommen, wenn unter gegebenen Voraussetzungen eine weitere Erhöhung der Inseratenpreise auf Schwierigkeiten stößt. Das ist eine Eigentümlichkeit nur der Presse, die rein geschäftlicher Art ist, die aber natürlich ihre mannigfachen Konsequenzen hat. Nun ist bei internationaler Vergleichung das Maß und die Art des Zusammenhanges zwischen der Presse, welche doch das Publikum politisch und auf andern Gebieten belehren und sachlich informieren will[,] und dem in dem Inseratentum sich äußernden Reklamebedürfnis der Geschäftswelt ein höchst verschiedenes, namentlich wenn man Frankreich zum Vergleich heranzieht. Warum? mit welchen allgemeinen Konsequenzen? – das sind die Fragen, die wir, so oft darüber schon geschrieben wurde, doch wieder aufnehmen müssen, da eine Übereinstimmung der Ansichten nur teilweise besteht. Nun aber gehen wir weiter: Ein Charakteristikum ist heute vor allem das Wachsen des Kapitalbedarfs für die Preßunternehmungen. Die Frage ist, und diese Frage ist heute noch nicht entschieden, die best unterrichteten Fachmänner streiten darüber: in welchem Maß dieser wachsende Kapitalbedarf wachsendes Monopol der einmal bestehenden Unternehmungen bedeutet. Das könnte vielleicht nach den Umständen verschieden liegen. Denn auch abgesehen von der Einwirkung des steigenden Kapitalbedarfs ist die Monopolstellung der schon bestehenden Zeitungen wohl verschieden stark, je nachdem die Presse regelmäßig auf Abonnements beruht oder auf Einzelverkauf, wie im Ausland, wo der einzelne jeden Tag die Wahl hat, ein anderes Blatt zu kaufen, als er am Tag vorher gekauft hatte, und also – so scheint es wenigstens auf den ersten Blick – das Aufkommen neuer Blätter vielleicht erleichtert ist. Vielleicht – es ist etwas, was untersucht und mit dem der wachsende Kapitalbedarf als solcherg in seiner Wirkung bei der Betrachtung kombiniert werden müßte für die Beantwortung der Frage: Bedeutet dieses wachsende stehende Kapital auch steigende Macht, nach eignem Ermessen die öffentliche Meinung zu prägen? Oder umgekehrt – wie es behauptet, aber doch noch nicht g A: solchem

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eindeutig bewiesen worden ist, – wachsende Empfindlichkeit des einzelnen Unternehmens gegenüber den Schwankungen der öffentlichen Meinung? Man hat gesagt, der augenfällige Meinungswechsel gewisser französischer Blätter – man pflegt z. B. an den „Figaro“ gelegentlich der Dreyfußaffäre22 zu erinnern – sei einfach daraus zu erklären, daß das so große in diesen modernen Zeitungsunternehmungen fest investierte Kapital gegen irgendwelche Mißstimmungen des Publikums, welche sich in Abbestellungen äußern, in solchem Maße zunehmend nervös und dadurch vom Publikum abhängig werde, weil es sie geschäftlich nicht ertragen könne, – wobei freilich die in Frankreich bei herrschendem Einzelverkauf so große Leichtigkeit des Wechsels natürlich mit ins Gewicht fallen würde. Das hieße also, daß steigende Abhängigkeit von den jeweiligen Tagesströmungen die Konsequenz des wachsenden Kapitalbedarfs sei. Ist das wahr? Das ist eine Frage, die wir zu stellen haben. Es ist von Preßfachmännern – ich bin kein solcher – behauptet, es ist von anderen Seiten bestritten worden. Ferner: stehen wir im Gefolge der Zunahme des stehenden Zeitungskapitals vielleicht, wie oft bei wachsendem Kapitalbedarf, vor einer Vertrustung des Zeitungswesens? Wie liegt die Möglichkeit einer solchen? M[eine] H[erren], das ist bestritten worden, auf das allerenergischste von Fachmännern der Presse allerersten Ranges, von Theoretikern sowohl wie von Praktikern. Allerdings, der hauptsächlichste Vertreter dieser Ansicht, Lord Northcliffe,23 könnte es vielleicht besser wissen, denn er ist einer der größten Trustmagna22  Als das konservative Blatt Le Figaro eine am 15. November 1897 einsetzende Artikelserie Émile Zolas zur Verteidigung von Alfred Dreyfus veröffentlichte, protestierten die konservativen Leser, und man rief zum Subskriptionsboykott auf. Wegen des Rückgangs der Abonnentenzahl beendete Le Figaro die Kampagne. 23  Gemeint ist: Alfred Charles William Harmsworth (1865–1922), seit 1904 Alfred Lord Northcliffe. Ursprünglich Journalist, wurde er zusammen mit seinem Bruder Harold, dem späteren Viscount Rothermere, erfolgreichster Verleger seiner Zeit. Die beiden Brüder gründeten in Großbritannien 1888 das wöchentlich erscheinende Magazin Answers to Correspondents, von dem sich nach fünf Jahren über eine Million Exemplare pro Woche verkauften. Mit dem Ankauf weiterer Publikationsorgane schuf Northcliffe allmählich das weltgrößte Zeitschriftenverlagshaus, die Amalgamated Press. 1894 kaufte er die Londoner Zeitung Evening News und begann seine Karriere als Zeitungsverleger. Mit dieser und weiteren, neu gegründeten Zeitungen (u. a. Daily Mail 1896 und Daily Mirror 1903) veränderte er das britische Zeitungswesen nach amerikanischem Vorbild und führte Frauenseiten, Serien und Klatschspalten ein. 1908 kaufte er die Times auf und verhalf ihr durch eine veränderte Herausgeberpolitik und ein neues Layout zum wirtschaftlichen Erfolg.

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ten auf dem Gebiete des Zeitungswesens, die es überhaupt gibt. Welches aber würde die Folge für den Charakter der Zeitungen sein, wenn das geschähe? Denn daß die Zeitungen der großen, schon heute bestehenden Konzerne einen vielfach andern Charakter tragen als andere, lehrt der Augenschein. Genug – ich führte diese Beispiele ja nur als solche an, die zeigen, wie sehr der geschäftliche Charakter der Presse-Unternehmungen in Betracht zu ziehen ist – wir müssen uns fragen: was bedeutet die kapitalistische Entwicklung innerhalb des Pressewesens für die soziologische Position der Presse im allgemeinen, für ihre Rolle innerhalb der Entstehung der öffentlichen Meinung? Ein anderes Problem: Der „Institutions“-Charakter der mo- dernen Presse findet bei uns in Deutschland seinen spezifischen Ausdruck in der Anonymität dessen, was in der Presse erscheint. Unendlich viel ist gesagt worden „für“ und „wider“ die Anonymität der Presse. Wir ergreifen da keine Partei, sondern fragen: wie kommt es, daß diese Erscheinung sich z. B. in Deutschland findet, während im Ausland teilweise andere Zustände bestehen, in Frankreich z. B., während England darin uns näher steht.24 In Frankreich ist heute eigentlich nur eine einzige Zeitung vorhanden, die strikt auf dem Boden der Anonymität steht: der „Temps“. In England haben dagegen Zeitungen, wie die „Times“[,] auf das strengste an der Anonymität festgehalten. Das kann nun ganz verschiedene Gründe haben. Es kann sein – wie es z. B. bei der Times der Fall zu sein scheint –, daß die Persönlichkeiten, von denen die Zeitung ihre Informationen hat, vielfach so hoch gestellt sind, daß es für sie nicht möglich wäre, öffentlich unter ihrem Namen Information zu geben. Die Anonymität kann aber in andern Fällen auch den gerade umgekehrten Grund haben. Denn es kommt darauf an: Wie stellt sich diese Frage vom Standpunkt der Interessenkonflikte aus, die nun einmal – darüber kommt man nicht hinweg – bestehen zwischen dem Interesse des einzelnen Journalisten daran, möglichst bekannt zu werden, und dem Interesse der Zeitung daran, nicht in Abhängigkeit von der Mitarbeit dieses einzelnen Journalisten zu geraten. Natürlich liegt auch so etwas geschäftlich sehr ver24  Karl Bücher zufolge sprang das Prinzip der Anonymität von England auf den Kontinent über. Vgl. Bücher, Karl, Zur Geschichte der Anonymität, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Zeitungskunde. – Tübingen: H. Laupp’sche Buchhandlung 1926, S.  109– 118, hier S.  111.

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schieden, je nachdem ob Einzelverkauf vorherrscht oder nicht. Und vor allem spielt dabei natürlich auch mit die politische Volkseigenart, je nachdem z. B., ob eine Nation, wie es die deutsche tut, dazu neigt, sich von institutionellen Mächten, von einer als ein „überindividuelles“ Etwas sich gebärdenden „Zeitung“, sich mehr imponieren zu lassen, als von der Meinung eines einzelnen, – oder ob sie von dieser Art von Metaphysik frei ist. – Das sind schon Fragen, die dann hinüberführen in das Gebiet des GelegenheitsJournalismus, auf dem es in Deutschland ganz anders aussieht, als beispielsweise in Frankreich, wo der Gelegenheitsjournalist eine allgemeine Erscheinung ist, und auch als in England. Und da würde man sich die Frage vorzulegen haben: wer denn eigentlich überhaupt von außen her heute noch in die Zeitung schreibt und was? und wer und was nicht? und warum nicht? Das führt nun weiter zu der allgemeinen Frage: wie beschafft sich die Presse überhaupt das Material, das sie dem Publikum bietet?  Und was bietet sie ihm denn eigentlich, alles in allem? Ist das bei uns stetige Wachstum der Bedeutung des reinen Tatsachenreferats eine allgemeine Erscheinung? Auf englischem, amerikanischem und deutschem Boden ist es der Fall, dagegen nicht ganz so auf französischem: – der Franzose will in erster Linie ein Tendenzblatt. Warum aber? Denn z. B. der Amerikaner will von seinem Blatt nichts als Fakta. Was an Ansichten über diese Fakta in der Presse publiziert wird, das hält er überhaupt nicht der Mühe für wert zu lesen, denn als Demokrat ist er überzeugt, daß er im Prinzip das ebensogut, wenn nicht besser versteht, als derjenige, der die Zeitung schreibt. Aber der Franzose will doch auch ein Demokrat sein. Woher also der Unterschied? Jedenfalls aber: In beiden Fällen ist die gesellschaftliche Funktion der Zeitung eine ganz verschiedene. Da aber der Nachrichtendienst der Presse trotz dieser Differenzen doch in allen Ländern der Erde nicht nur das Budget der Presse steigend belastet, sondern auch an sich immer stärker in den Vordergrund tritt, – so fragt es sich weiter: wer denn nun eigentlich letztlich die Quellen dieser Nachrichten sind: – das Problem der Stellung der großen Nachrichtenbureaus und ihrer internationalen Beziehungen untereinander. Wichtige Arbeiten sind darüber zu machen, sind teilweise in den Anfängen schon vorhanden. Die Behauptungen, die über die Verhältnisse auf diesem Gebiet vorgetragen werden, standen bisher teilweise im Wider-

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spruch miteinander, und es wird die Frage sein, ob es nicht möglich ist, rein objektiv darüber mehr Material zu erhalten, als heute zu erlangen ist. Soweit nun aber der Inhalt der Zeitung weder aus Nachrichten noch, andererseits, aus Produkten eines Clicheegewerbes25 – es gibt bekanntlich Massenproduktionen von Preßinhalten, von der Sport- und Rätsel-Ecke bis zum Roman, von allem Möglichen, in eigenen Groß-Unternehmungen, – ich sage, soweit weder Clichees, noch reine Nachrichten die Presse anfüllen, bleibt übrig die Produktion dessen, was an eigentlich journalistischen Leistungen in der Presse heute geboten wird, und was bei uns in Deutschland wenigstens, im Gegensatz zu manchen nicht deutschen Ländern, noch von fundamentaler Bedeutung für die Bewertung der einzelnen Zeitung ist. Da können wir uns nun nicht mit der Betrachtung des vorliegenden Produktes begnügen, sondern müssen seine Produzenten würdigen und nach dem  Schicksal und der Situation des Journalistenstandes fragen. Da ist nun das Schicksal z. B. des deutschen Journalisten ganz heterogen von dem im Ausland. In England sind unter Umständen sowohl Journalisten wie ZeitungsGeschäftsleute ins Oberhaus gekommen,26 Männer, die zuweilen gar kein anderes Verdienst hatten, als daß sie als businessmen für ihre Partei ein glänzendes, alles andere unterbietendes – darf man in diesem Fall nur sagen, nicht: überbietendes – Blatt geschäftlich geschaffen hatten. Journalisten sind Minister geworden in Frankreich, massenhaft sogar.27 In Deutschland dagegen dürfte das eine sehr seltene Ausnahme sein.28 Und, – auch ganz von diesen hervorstechenden Äußerlichkeiten abgesehen, – werden wir zu fragen

25  Zum Klischee bzw. Cliché vgl. Weber, Vorbericht, oben, S.  215, Anm.  13. 26  Löbl zufolge war in England um die Jahrhundertwende die „höhere Journalistik“ eng mit den regierenden Klassen des Landes verbunden. Vgl. Löbl, Kultur und Presse, S.  181. 27  Der Journalismus in Frankreich war – so Löbl – mit den führenden Kreisen verbunden: „Journalisten werden Abgeordnete, die abgedankten Minister kehren wieder zur Journalistik zurück […] es gab eine Zeit, wo es als Tradition galt, daß wenigstens ein Redaktionsmitglied des ‚Temps’ im Besitze eines Ministerportefeuilles war.“ Ebd., S.  184. 28  Weber bezieht sich auch hier auf Emil Löbl, der behauptet, daß der Journalismus auch in Deutschland eine Vorstufe für weitere Karrieren sei, dazu aber keine Beispiele nennt. Ebd., S.  175.

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haben: wie sich die Verhältnisse der Berufsjournalisten in der letzten Vergangenheit in den einzelnen Ländern verschoben haben. Welches ist die Herkunft, der Bildungsgang und was sind die Anforderungen an einen modernen Journalisten in beruflicher Hinsicht? – und welches ist das innerberufliche Schicksal des deutschen und im Vergleich mit ihm des ausländischen Journalisten? – welches endlich sind seine – möglicherweise außerberuflichen – Lebenschancen überhaupt heute bei uns und anderwärts? Die allgemeine Lage der Journalisten ist, von anderm abgesehen, auch nach Parteien, nach dem Charakter des Blattes usw. sehr verschieden, wie jedermann weiß. Die sozialistische Presse z. B. ist eine Sondererscheinung, die ganz besonders behandelt werden muß, und die Stellung der sozialistischen Redakteure ebenso; die katholische Presse und ihre Redakteure erst recht. Schließlich: was bewirkt denn eigentlich dieses auf den von uns zu untersuchenden Wegen geschaffene Produkt, welches die fertige Zeitung darstellt? Darüber existiert eine ungeheure Literatur, die zum Teil sehr wertvoll ist, die aber ebenfalls, auch soweit sie von hervorragenden Fachleuten herrührt, sich oft auf das allerschärfste widerspricht. M[eine] H[erren], man hat ja bekanntlich direkt versucht, die Wirkung des Zeitungswesens auf das Gehirn zu untersuchen,29 die Frage, was die Konsequenzen des Umstandes sind, daß der moderne Mensch sich daran gewöhnt hat, ehe er an seine Tagesarbeit geht, ein Ragout zu sich zu nehmen, welches ihm eine Art von Chassieren30 durch alle Gebiete des Kulturlebens, von der Politik angefangen bis zum Theater und allen möglichen anderen Dingen, aufzwingt. Daß das nicht gleichgültig ist, das  liegt auf der Hand. Es läßt sich auch sehr wohl und leicht einiges Allgemeine darüber sagen, inwieweit sich das mit gewissen anderen Einflüssen zusammenfügt, denen der moderne Mensch ausgesetzt ist. Aber so ganz einfach ist das Problem doch nicht über die allereinfachsten Stadien hinauszubringen. 29  Emil Löbl zitiert ebd., S.  228 f., eine Studie von E. M. Vogué, die den physiologischen Einfluß der Presse auf das Gehirn erörtert: „Ganz augenscheinlich nimmt die kostbare Gabe beharrlicher Aufmerksamkeit bei dermaßen behandelten Gehirnen ab; ebenso büßt die Menge der Zeitungsleser ein gut Teil an intellektueller Strammheit und Ausdauer ein. Den Beweis hierfür bietet uns bereits die Ungeduld unserer Kinder, welche vor jeder ernsten Lektüre, wenn sie länger währt als ein Zeitungsartikel, zurückschrecken.“ 30  Von chasser, frz.: jagen, hetzen.

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Man wird ja wohl von der Frage auszugehen haben: welche Art von Lesen gewöhnt die Zeitung dem modernen Menschen an? Darüber hat man alle möglichen Theorien aufgestellt. Man hat behauptet, das Buch werde verdrängt durch die Zeitung. Es ist möglich; die deutsche Bücherproduktion zwar steht quantitativ in unerhörter „Blüte“, so wie in keinem andern Land der Welt; nirgends werden soviel Bücher auf den Markt geworfen wie bei uns.31 Die Absatzziffern dieser selben Bücher dagegen stehen im umgekehrten Verhältnis dazu. Rußland hatte, und zwar vor der Einführung der Preßfreiheit32 Auflagen von 20 000 bis 30 000 Exemplaren, für solche – bei aller Hochachtung vor Anton Mengers Charakter – unglaubliche Bücher wie seine „Neue Sittenlehre“.33 Es hatte sehr gelesene Zeitschriften, die durchweg eine „letzte“ philosophische Fundamentierung ihrer Eigenart versuchten. Das wäre in Deutschland unmöglich, und wird in Rußland unter dem Einfluß der wenigstens relativen Preßfreiheit34 unmöglich werden, die Anfänge zeigen sich schon. Es sind unzweifelhaft gewaltige Verschiebungen, die die Presse da in den Lesegewohnheiten vornimmt, und damit gewaltige Verschiebungen der Prägung, der ganzen Art, wie der moderne Mensch von außen her rezipiert. Der fortwährende Wandel und die Kenntnisnahme von den massenhaften Wandlungen der öffentlichen Meinung, von all den universellen und unerschöpflichen Möglichkeiten der Standpunkte und Interessen lastet mit ungeheurem Gewicht auf der Eigenart des modernen Menschen. Wie aber? Das werden wir zu untersuchen haben. Ich darf mich darüber nicht ausführlich fassen und schließe mit der Bemerkung: 31  1910 erschienen in Deutschland 31.281 Novitäten. Damit stand Deutschland an der Spitze der Weltbuchproduktion. Vgl. Wittmann, Reinhard, Geschichte des deutschen Buchhandels, 3.  Aufl. – München: C.H. Beck 1991, S.  295. 32  Weber dürfte hier auf die Lockerung der Zensurmaßnahmen durch das „Manifest vom 17. Oktober 1905“ anspielen (vgl. dazu Weber, Disposition, oben, S.  149 f., Anm.  18). Damit und mit den erneut einsetzenden Zensurmaßnahmen im „‚zeitweilige[n] Reglement über die Presse‘ vom 24. November (7. Dezember) 1905“ hatte er sich ausführlich in seiner Schrift „Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus“ (MWG I/10, S.  321–325, Zitat: S.  321) beschäftigt. 33  Menger, Neue Sittenlehre, 1905 bei Gustav Fischer in Jena, erschien bereits ein Jahr später in russischer Übersetzung. Max Weber äußerte sich in seinen Rußlandschriften abschätzig über diese Verbreitung (vgl. Weber, Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus, MWG I/10, S.  325). 34  Vgl. dazu oben, Anm.  32.

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Wir haben die Presse letztlich zu untersuchen einmal dahin: was trägt sie zur Prägung des modernen Menschen bei? Zweitens: Wie werden die objektiven überindividuellen Kulturgüter beeinflußt, was wird an ihnen verschoben, was wird an Massenglauben, an Massenhoffnungen vernichtet und neu geschaffen, an „Lebensgefühlen“ – wie man heute sagt –, an möglicher Stellungnahme für immer vernichtet und neu geschaffen? Das  sind die letzten Fragen, die wir zu stellen haben, und Sie sehen sofort, verehrte Anwesende, daß der Weg bis zu den Antworten auf solche Fragen außerordentlich weit ist. Sie werden nun fragen: Wo ist das Material für die Inangriffnahme solcher Arbeiten. Dies Material sind ja die Zeitungen selbst, und wir werden nun, deutlich gesprochen, ganz banausisch anzufangen haben damit, zu messen, mit der Schere und mit dem Zirkel, wie sich denn der Inhalt der Zeitungen in quantitativer Hinsicht verschoben hat im Lauf der letzten Generation, nicht am letzten im Inseratenteil, im Feuilleton, zwischen Feuilleton und Leitartikel, zwischen Leitartikel und Nachricht, zwischen dem, was überhaupt an Nachrichten gebracht wird und was heute nicht mehr gebracht wird. Denn da haben sich die Verhältnisse außerordentlich geändert. Es sind die ersten Anfänge von solchen Untersuchungen vorhanden, die das zu konstatieren suchen, aber nur die ersten Anfänge. Und von diesen quantitativen Bestimmungen aus werden wir dann zu den qualitativen übergehen. Wir werden die Art der Stilisierung der Zeitung, die Art, wie die gleichen Probleme innerhalb und außerhalb der Zeitungen erörtert werden, die scheinbare Zurückdrängung des Emotionalen in der Zeitung, welches doch immer wieder die Grundlage ihrer eigenen Existenzfähigkeit bildet, und ähnliche Dinge zu verfolgen haben und darnach schließlich in sehr weiter Annäherung die Hoffnung haben dürfen, der weittragenden Frage langsam näher zu kommen, welche wir zu beantworten uns als Ziel stecken. – M[eine] H[erren], ich muß mich nun noch wesentlich kürzer und skizzenhafter fassen über die zwei anderen Problemgebiete, die die Gesellschaft außerdem beabsichtigt in Angriff zu nehmen. Das zweite Thema muß ich zunächst notgedrungen sehr weit dahin formulieren, daß es eine fundamentale Aufgabe einer jeden Gesellschaft für Soziologie ist, diejenigen Gebilde zum Gegenstand ihrer Arbeiten zu machen, welche man konventionell als „gesell-

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schaftliche“ bezeichnet, d. h. alles das, was zwischen den politisch organisierten oder anerkannten Gewalten – Staat, Gemeinde und offizielle Kirche – auf der einen Seite und der naturgewachsenen Gemeinschaft der Familie auf der anderen Seite in der Mitte liegt. Also vor allem: eine Soziologie des Vereinswesens35 im weitesten Sinne des Wortes, vom Kegelklub – sagen wir es ganz drastisch! – angefangen  bis zur politischen Partei und zur religiösen oder künstlerischen oder literarischen Sekte. M[eine] H[erren], auch ein solches ungeheures Thema ist unter den allerverschiedensten Gesichtspunkten in die allerverschiedensten Fragestellungen zu zerlegen: wenigstens einige wenige davon will ich ganz kurz andeuten. Der heutige Mensch ist ja unzweifelhaft neben vielem anderem ein Vereinsmensch in einem fürchterlichen, nie geahnten Maße. Man muß ja glauben: das ist nicht mehr zu überbieten, seitdem sich auch „Vereins-Enthebungs“-Organisationen36 gebildet haben. Deutschland steht in dieser Hinsicht auf einem sehr hohen Standard. Es läßt sich aus einem beliebigen Adreßbuch feststellen – wenn es wirklich die Vereine auch nur annähernd vollständig enthält, was meist nicht der Fall ist, in Wirklichkeit vielleicht niemals, in Berlin beispielsweise ganz unvollständig, dagegen in kleinen Städten zuweilen besser –[,] daß beispielsweise in einzelnen Städten von 30 000 Einwohnern 300 verschiedene Vereine bestehen; also auf 100 Einwohner, d. h. auf 20 Familienväter, ein Verein. M[eine] H[erren], mit der quantitativen Verbreitung geht die qualitative Bedeutsamkeit des Vereinswesens nicht immer Hand in Hand. Welches ist, qualitativ betrachtet, das Vereinsland par excellence? Zweifelsohne Amerika, – und zwar aus dem Grund, weil dort die Zugehörigkeit zu irgend einem Verein für den Mittelstand direkt zur Legitimation als Gentleman gehört – richtiger: gehörte, denn jetzt europäisiert sich das alles. Ein paar drastische Beispiele! Mir erzählte ein deutscher Nasenspezialist, daß sein erster Kunde in Cincinnati vor Beginn der Behandlung ihm sagte: „Ich gehöre der first Baptist-church in der so und sovielten street an“.37 Was das mit dem Nasenleiden zu tun habe, konnte der 35  Zu einem solchen Projekt ist es nicht gekommen. 36  Solche Organisationen konnten nicht nachgewiesen werden. 37  Vgl. dazu Weber, „Kirchen“ und „Sekten“ in Nordamerika, MWG I/9, S.  426–462, hier S.  438.

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betreffende Arzt nun nicht einsehen. Es bedeutete aber gar nichts anderes als: Ich bin ein patentierter gentleman und – zahle gut und prompt. Der zweite, der zu ihm kam, zeigte ihm als erstes eine Art von Ehrenlegions-Rosette38 im Knopfloch. Der Arzt erkundigte sich und erfuhr, daß das ein bestimmter Klub sei, in den man nach sorgsamen Recherchen über die Persönlichkeit hineinballotiert39 würde; wenn man dem nun angehörte, so war man eben als „gentle­ man“ legitimiert. Massenhaft finden sich diese Art von Klubs oder Vereinen aller Art im Bürgertum verbreitet. Heute sind sie zunehmend weltlichen Charakters. Aber der Urtypus alles Vereinswesens ist – das kann man grade in Amerika studieren – die Sekte im spezifischen Sinne des Wortes. Ob rein historisch, ist hier gleichgültig – aber prinzipiell. Deshalb, weil die Sekte ihrem Sinn nach ein Zusammenschluß von spezifisch qualifizierten Menschen ist und nicht eine „Anstalt“, weil sie nach ihrem soziologischen Strukturprinzip die Sanktion der autoritären Zwangsverbände – Staat, Kirche – ablehnt und „Verein“ sein muß. In Amerika spielt sie deshalb vielfach noch heut die Rolle, sozusagen das ethische Qualifikationsattest für den Geschäftsmann auszustellen. Ehe z. B. die Baptisten jemand aufnehmen, unterwerfen sie ihn einer Prüfung, die an unsere Reserveoffiziersprüfungh erinnert und die sich auf seine ganze Vergangenheit erstreckt: Wirtshausbesuch, Beziehungen zu Damen, Kartenspiel, Schecks und alle nicht bezahlte Dinge des persönlichen „Wandels“ werden herausgesucht, ehe er die Taufe erreichen kann. Wer dann getauft ist, – der ist als unbedingt kreditwürdig legitimiert und macht gute Geschäfte. Nicht ganz so streng, aber ähnlich machen es andre traditionelle amerikanische Vereine, und mit ähnlichen Konsequenzen. Ganz ähnlich funktionierte das Freimaurertum, auch bei uns, wie man sich aus Freimaurerakten leicht überzeugen kann, – aber erst recht in Amerika. Wie mir dort einmal ein Herr,40 der es sehr beklagte, daß er aus äußeren Grünh A: Reserveoffizierprüfung 38  Der höchste französische Verdienstorden, ein fünfzackiger Stern am roten Band. 39  Von Ballotage: Geheime Abstimmung mit Wahlkugeln, bei der jeder Abstimmungsberechtigte eine schwarze oder eine weiße Kugel (ballot) in ein verschlossenes Gefäß wirft, um Ablehnung bzw. Zustimmung auszudrücken. 40  Weber dürfte sich hier auf ein in New York geführtes Gespräch mit David Blaustein beziehen, vgl. den Brief von Max und Marianne Weber an Helene Weber und Familie vom 19. und 26. Nov. 1904, MWG II/4, S.  398–407, hier S.  403.

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den nicht die Stellung als Meister am Stuhl41 habe erlangen können, auf meine Frage: warum ihm das wichtig sei? sagte: Wenn ich Meister am Stuhl bin und auf meinen Geschäftsreisen als solcher mit dem Geheimzeichen auftreten kann, so bekomme ich alle Kunden, ich schlage jede Ware los, da von Jedermann vorausgesetzt wird, ich liefere nur reelle Ware zu reellem Preise; denn wenn ich das jemals nachweislich nicht getan hätte, so würden mich die Freimaurer in ihrer Mitte nicht dulden. So ist es im gesellschaftlichen Leben in Amerika überhaupt. Wer da nicht hineinkommt – und beispielsweise der Deutsch-Amerikaner hat selten das Glück hineinzukommen, der kommt nicht in die Höhe. Die Demokratie in Amerika ist kein Sandhaufen, sondern ein Gewirr exklusiver Sekten, Vereine und Klubs. Diese stützen die Auslese der an das amerikanische Leben überhaupt Angepaßten, stützen sie, indem sie ihnen zur geschäftlichen, zur politischen, zu jeder Art von Herrschaft im sozialen Leben verhelfen. – Wie steht es damit bei uns? Finden sich – und in welcher Art und welchem Umfang – dazu Analogien? Wo? Mit welchen Konsequenzen? Wo nicht? Warum nicht? Das ist die eine, nach außen gewandte, Seite der Sache. Eine zweite Frage ist: Wie wirkt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Art von Verband nach innen? auf die Persönlichkeit als solche? Man kann allgemein sagen: Wer einem Verband angehört, sei es z. B. einer Couleur in Deutschland,42 sei es einer Greek Letter Society43 oder anderen studentischen Klubsi in Amerika, der muß sich in der Mitte seiner Verbandsgenossen im äußerlichen und im innerlichen Sinn des Wortes „behaupten“. Und die Frage ist: wodurch er sich behauptet? Im vorliegenden Beispiel hängt das z.  B. davon ab: welches spezifische Ideal von „Männlichkeit“, bewußt und absichtsvoll oder auch unbewußt und traditionell[,] i A: Klub 41 Gemeint ist die bei den Freimaurern heute noch übliche Bezeichnung „Meister vom Stuhl“ für den jährlich von den Freimaurern frei gewählten Vorsitzenden der Bruderschaft. Er vertritt die Loge nach innen und außen. 42  Unter „Couleur“ versteht man einerseits Kleidungsstücke und Accessoires in bestimmten Farben, die in Deutschland die Zugehörigkeit zu einer bestimmten studentischen Verbindung anzeigten. „Couleur“ bezeichnet andererseits als Pars pro toto die (deutsche) Studentenverbindung. 43  Seit dem 19. Jahrhundert benennen sich amerikanische Studentenverbindungen mit (drei) griechischen Buchstaben.

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innerhalb einer deutschen Couleur einerseits und eines englischen Sportklubs oder eines amerikanischen Studentenvereins andererseits gepflegt wird? Die Bedingungen, sich die Achtung der Genossen zu erwerben, sind dabei natürlich grundverschieden. Sie sind es ganz allgemein, nicht nur je nach Nationen, sondern auch nach den verschiedenen Schichten und den Kategorien von Vereinen. Der einzelne aber wird nach diesem Ideal bewußt oder unbewußt ausgelesen und dann geprägt. Und es handelt sich dann ja weiter nicht nur um die Frage, ob er sich die äußere Achtung der Genossen erwirbt, sondern letztlich müssen wir ja immer fragen: wie besteht der einzelne, der nun diesen Einflüssen ausgesetzt ist, vor seiner eigenen Selbstachtung und vor seinem Bedürfnis „Persönlichkeit“ zu sein? Was für innere Positionen verschieben sich, die für die Ausbalanciertheit dessen, was wir „Persönlichkeit“ nennen, für die Notwendigkeit, das auf eine neue Basis zu stellen, wichtig werden können? Denn unter solchen inneren Problemstellungen vollzieht sich ja die Aneignung der Einflüsse solcher sozialen Ensembles, in die der einzelne gesteckt wird, die Einfügung dieser Einflüsse in den Zusammenhang des eigenen „Ich“. Und das Gefühl der eignen „Würde“ kann sich, je nach Art des Ensembles, auf grundverschiedene Postamente verschieben. Nun weiter: Jeder Verein, zu dem man gehört, stellt dar ein Herrschaftsverhältnis zwischen Menschen. Zunächst, wenigstens der Regel nach, formal und offiziell ein Majoritätsherrschaftsverhältnis. Es ist also die Psychologie dieser Majoritätsherrschaft über den Einzelnen, die letztlich in Frage steht, und die sich auf dem Boden dieser Privatverbände in sehr spezifischer  Art äußert und wirkt, – wobei ich hier nur auf den Punkt zu sprechen kommen kann, der der entscheidende ist: daß selbstverständlich innerhalb jedes solchen Gremiums, wie es auch heiße, Partei, Verein, Klub oder was es ist, in Wirklichkeit die Herrschaft stets eine Minoritätsherrschaft, zuweilen eine Diktatur Einzelner ist, die Herrschaft Eines oder einiger irgendwie im Wege der Auslese und der Angepaßtheit an die Aufgaben der Leitung dazu befähigter Personen, in deren Händen die faktische Herrschaft innerhalb eines solchen Vereins liegt. Wie nun, unter welchen Bedingungen, unter welchen, ich möchte sagen, „Spielregeln“ diese Auslese der Leitenden innerhalb der einzelnen Kategorien von Vereinen, Parteien, oder was es ist, sich vollzieht, das ist für die Frage entscheidend, welche Art von Per-

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sönlichkeiten die Herrschaft an sich bringen. Und das ist wieder nur speziell für je ganz bestimmte Arten von Vereinen und je nach den Kulturbedingungen der Umwelt zu beantworten. Es ist dies aber eine zentral wichtige soziologische Frage, und nicht minder ist es die weitere, daran sich anknüpfende: durch welche Mittel die leitenden Gruppen die Loyalität gegenüber den Vereinen, das heißt gegenüber ihrer eignen Herrschaft, zu sichern suchen. Über diese Frage liegen mancherlei wichtige Vorarbeiten schon vor1). Weiter: Welche Art von Beziehungen besteht zwischen einem Verein irgendwelcher Art, wieder von der Partei bis – das klingt ja paradox – zum Kegelklub herab, zwischen einem beliebigen Verein also und irgend etwas, was man, im weitesten Sinne des Wortes, „Weltanschauung“ nennen kann? Überall ist eine solche Beziehung irgendwie vorhanden, auch wo man sie gar nicht vermuten sollte. Aber in sehr verschiedener Art. Zunächst ist es eine alltägliche Erscheinung, daß Vereinigungen, die ausgegangen sind von großen Weltanschauungsideen, zu Mechanismen werden, die sich faktisch zunehmend davon loslösen. Das liegt einfach an der allgemeinen, wie man zu sagen pflegt: „Tragik“ jedes Realisationsversuchs von Ideen in der Wirklichkeit überhaupt. Es gehört ja zu jedem Verein bereits irgend ein, sei es bescheidenster, Apparat, und sobald der Verein propagandistisch auftritt, wird dieser Apparat in irgend einer Weise versachlicht und vom Berufsmenschentum okkupiert. Denken Sie – um ein grobes Beispiel zu nehmen – daran, daß ein so heikles und delikates Problemgebiet, wie das Problem erotischen Lebens, daß die Propaganda von Ideen auf diesem Gebiet schon heute die pekuniäre Grundlage für Existenzen zu bilden hat. Ich spreche das hier nicht in Form irgend eines sittlichen Vorwurfs gegen die betreffenden Personen aus, und halte mich dazu, angesichts dessen, daß so und soviele Professoren auf ihren Kathedern noch heute die Propaganda für ihre subjektiven 44

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Es ist hier namentlich an die Arbeiten von Prof. G[erhard] A[lexander] Leist ge- A 56

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politischen oder anderen Ideen für ihre Aufgabe halten, für nicht berechtigt. Aber es ist Tatsache und hat selbstverständlich sehr weitgreifende Folgen, wenn dasjenige spezifische Stadium der Versachlichung eines Ideengehaltes, wo die Propaganda für diese Ideen die Grundlage für materielle Existenzen wird, erreicht ist, natürlich wiederum verschiedene Konsequenzen, je nach der Art und dem Charakter dieser Ideale. – Auf der anderen Seite, m[eine] H[erren], attrahiert fast jeder Verein, auch ein solcher, der das prinzipiell vermeiden will, in irgend einer Weise „weltanschauungsmäßige“ Inhalte. In gewissem Sinne, könnte man behaupten: sogar auch ein deutscher Kegelklub, in deutlicherem Maße schon ein deutscher Gesangverein. M[eine] H[erren], – um dabei zu bleiben – die Blüte des Gesangvereinswesens in Deutschland übt m. E. beträchtliche Wirkungen auch auf Gebieten aus, wo man es nicht gleich vermutet, z. B. auf politischem Gebiete. Ein Mensch, der täglich gewohnt ist, gewaltige Empfindungen aus seiner Brust durch seinen Kehlkopf herausströmen zu lassen, ohne irgend eine Beziehung zu seinem Handeln, ohne daß also die adäquate Abreaktion dieses ausgedrückten mächtigen Gefühls in entsprechend mächtigen Handlungen erfolgt – und das ist das Wesen der Gesangvereinskunstj –, das wird ein Mensch, der, kurz gesagt, sehr leicht ein „guter Staatsbürger“ wird, im passiven Sinn des Wortes. Es ist kein Wunder, daß die Monarchen eine so große Vorliebe für derartige Veranstaltungen haben. „Wo man singt, da laß dich ruhig nieder“.45 Große starke Leidenschaften und starkes Handeln fehlen da. Es klingt das paradox, es ist vielleicht, das gebe ich zu, etwas einseitig, es soll auch kein Tadel sein, – es kann vielleicht ja einen Standpunkt geben, von dem aus man sagt, daß eben dies der Reichtum des deutschen Volkes sei, daß es fähig ist, diese Ablösung zu vollziehen und auf dieser Basis eine ihm eigne künstlerische Kultur zu schaffen, und man kann ferner sagen, daß  jede Art von Kultur in der Einschaltung von Hemmungen zwischen Empfindung und Abreaktion ihre Basis findet. Ich lasse das alles gänzlich dahingestellt, denn es geht die Frage der Bewertung uns gar nichts an. Ich konstatiere nur, daß eine solche Beziehung, wie ich sie andeutete, j A: Gesangvereinkunst 45  Dieses Zitat ist eine abgewandelte Zeile aus Gottfried Seumes Gedicht „Die Gesänge“ von 1804.

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möglicherweise – ich weiß nicht, in welcher Stärke, ich habe vielleicht übertrieben – vorhanden sein kann. In solchen und ähnlichen Fällen handelt es sich ja wesentlich um die unbewußte Beeinflussung des Gesamthabitus durch den Inhalt der Vereinstätigkeit. Aber es gibt die allerverschiedensten Abschattierungen in der Art des Übergreifens rein fachlichek oder rein sachliche Ziele verfolgender Gemeinschaften auf das Gebiet der Beeinflussung und Reglementierung der praktischen Lebensführung. Sie kann auch ganz bewußt erfolgen, von rein fachlich-sachlichen Positionen aus, hinter denen wir sie an sich gar nicht vermuten würden. Denken Sie doch daran, daß ganz bestimmte Theorien medizinischer Art, ganz bestimmte psychiatrische Theorien, heute auf dem offenkundigen Weg zur Sektenbildung begriffen sind, daß eine bestimmte, von einem berühmten Wiener Psychiater geschaffene Theorie dazu geführt hat, daß eine Sekte sich gebildet hat, die bereits so weit ist, daß sie ihre Zusammenkünfte solchen, die nicht zu ihr gehören, streng verschließt und sekretiert.46 Der „komplexfreie“ Mensch als das Ideal und eine Lebensführung, durch die dieser komplexfreie Mensch geschaffen und erhalten werden kann, ist Gegenstand dieser Sektenwirksamkeit, die allerverschiedensten Lebenszweige finden ihre Reglementierung von diesen Idealen aus, – was gewiß kein Mensch, wenn er zunächst diese Theorien rein als psychiatrische und für wissenschaftliche Zwecke bestimmte sich ansieht, daraus allein entnehmen könnte, obwohl der Zusammenhang nachher sehr leicht verständlich ist. Ähnliches kann z. B. auch auf dem Gebiete des Ästhetischen: der künstlerischen Sektenbildung, sich ereignen, ja, die von künstlerischen Weltgefühlen getragenen Sekten gehören in soziologischer k A: fachlicher 46  Gemeint ist Sigmund Freud, mit dessen psychoanalytischen Theorien sich Weber, auf Anregung von Otto Gross, seit 1906 ausführlich beschäftigte (vgl. dazu Lepsius, M. Rainer und Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: MWG II/5, S.  10). Freud, der seit 1902 Professor für Neuropathologie an der Wiener Universität war, diskutierte und erprobte bei den Sitzungen der 1902 gegründeten „Psychologischen Mittwochs-Gesellschaft“, die in seiner Wohnung stattfanden, die neue psychoanalytische Deutungskunst. Gründungsmitglieder waren Wilhelm Stekel, Max Kahane, Rudolf Reitler und Alfred Adler. Diese Gesellschaft und die „Wiener Psychoanalytische Vereinigung“, die ihr 1908 nachfolgte, waren als arkane Veranstaltungen angelegt, mit Freud im Mittelpunkt. Vgl. Gay, Peter, Freud. Eine Biographie für unsere Zeit. – Frankfurt am Main: Fischer 1989, S.  199–225.

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Hinsicht – sie bieten auch sonst ein erhebliches Interesse – oft zu dem Interessantesten, was es geben kann; sie haben noch heute, ganz wie eine religiöse Sekte, ihre Inkarnationen des Göttlichen gehabt, – ich erinnere an die Sekte Stefan Georges47 – und die Prägung der praktischen Lebensführung, der inneren Attitüde zum gesamten Leben, die sie in ihren Anhängern  erzeugten, kann eine sehr weitgreifende sein. Und wir erleben ja ganz dasselbe auf dem Gebiete der Rassentheoretiker. Das Heiraten nach adeligen Ahnentafeln kann man selbstverständlich durch das Heiraten nach hygienischen Ahnentafeln ersetzen, und es weiß jedermann, daß eine Sekte mit vornehmlich diesem Zweck aus esoterischen und exoterischen Anhängern besteht, – wobei ich, wie hier durchweg, den Ausdruck Sekte gänzlich wertfrei gebrauche. Der Ausdruck ist ganz ohne Grund bei uns so eigentümlich in Verruf, weil man den Begriff der „Enge“ damit verbindet. Spezifische, fest umrissene Ideale können aber gar nicht anders als zunächst im Weg der Bildung einer Sekte begeisterter Anhänger, die siel voll zu verwirklichen streben und sich deshalb zusammenschließen und von andern absondern, ins Leben getragen werden. M[eine] H[erren], wir kommen, – denn ich muß damit abbrechen, um Ihre Zeit nicht zu weit in Anspruch zu nehmen – schließlich zu zwei ähnlichen prinzipiellen Fragestellungen, wie bei der Presse: Wie wirken die einzelnen Kategorien solcher Verbände und Vereine, von den Parteien angefangen – denn auch diese können entweder Maschinen sein, reine Maschinen, wie die amerikanischen Parteien, oder angebliche Weltanschauungsparteien, wie heute die Partei der Sozialdemokratie, die es ehrlich glaubt, eine solche zu sein, obwohl sie es schon lange nicht mehr ist, oder wirkliche Weltanschauungsparteien, wie in immerhin weitgehendem Maße noch heute die Partei des Zentrums, obwohl auch bei ihr dieses Element im Schwinden begriffen ist, und es gibt da die allerverschiedensten Paarungen zwischen Idee und Mechanismus, – l A: sich 47  Friedrich Gundolf beschrieb den „inneren Kreis“ um Stefan George in seiner George-Biographie als Sekte: „[…] eine kleine Anzahl Einzelner mit bestimmter Haltung und Gesinnung, vereinigt durch die unwillkürliche Verehrung eines großen Menschen, und bestrebt der Idee, die er ihnen verkörpert (nicht diktiert) schlicht, sachlich und ernsthaft durch ihr Alltagsleben oder durch ihre öffentliche Leistung zu dienen“. Gundolf, Friedrich, George. – Berlin: Bondi 1920, S.  31.

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wie[,] sage ich, und mit welchen Mitteln wirken sie in der doppelten Richtung: einmal der Prägung der einzelnen Individuen, und dann der Prägung der objektiven, überindividuellen Kulturgüter? Wenn Sie nun nach dem Material fragen, mit dem eine solche Untersuchung zu führen sei, so ist der Stoff, mit dessen Bewältigung zunächst einmal anzufangen ist, wiederum ein ganz trockener, trivialer, und ohne solche trockene, triviale, viel Geld und viel Arbeitskraft einfach in den Boden stampfende Arbeit ist nichts zu machen. Zunächst lohnt der systematische Versuch, von den Vereinen Auskunft darüber zu erhalten, welchen Berufen, welchen geographischen, ethnischen, sozialen Provenienzen ihre Mitglieder angehören. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, wenn auch nicht für sicher, daß wir im Lauf der Zeit eine Art von Kataster der wichtigsten Vereinskategorien in dieser Hinsicht schaffen können und damit den Ausleseprinzipien auf die Spur kommen, die den Vereinen selbst natürlich meist ganz unbewußt sind und nur aus ganz großem und umfassendem Material erschlossen werden können. Daneben haben wir dann die Mittel der Vereinseinwirkung nach Innen, auf die Mitglieder, nach Außen in propagandistischem Sinn und im Kampf, zu analysieren und schließlich die propagierten Inhalte selbst, alles in frischer, soziologischer Kasuistik. Eine Arbeit vieler Jahre! – Da ich soeben von „Auslese“ sprach, so erwähne ich anschließend daran gleich das letzte, schon jetzt von uns in Aussicht genommene große Arbeitsgebiet. Das ist die von Prof. Eulenburg in Leipzig bei uns zur Diskussion und zur systematischen Bearbeitung angeregte Frage der Auslese der führenden Berufe innerhalb der modernen Gesellschaft,48 derjenigen Berufe, die man im üblichen Sinn – denn von etwas anderem als dem konventionellen Sinn kann die Soziologie nicht ausgehen – die „führenden“ nennt, der ökonomisch und politisch Führenden, der wissenschaftlich, literarisch, künstlerisch Führenden, der Geistlichen, der Beamten, der Lehrer, Unternehmer usw. Wir fragen dabei: woher stammen diese Leute, was war ihr Vater und Großvater, wo stammen sie ethnisch 48  Über die Realisierung dieses Projekts innerhalb der DGS ist nichts bekannt. Wie aus einem Brief Max Webers an Gustav v. Schmoller vom 22. Februar 1910 hervorgeht, sprach sich Weber dagegen aus, da sich die DGS, „die ja anderweit genug zu thun hat“, damit in Konkurrenz zum VfSp begeben würde. (MWG II/6, S.  412 f., Zitat: S.  413).

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her, was haben sie für Lebensschicksale hinter sich, d. h., wie, über welche Staffeln hinweg, sind sie an ihren jetzigen Posten gelangt usw., kurz, wieso hat die überall wirksame Auslese gerade sie – und das könnten wir natürlich nur aus einer großen Zahl erschließen – in diese Stellungen gebracht, welche ethnische, berufliche, soziale, materielle usw. Provenienz ist es, die die günstigsten Chancen am meisten in sich enthält, grade in diese Berufe und Positionen zu gelangen? Eine Aufgabe, die wiederum erst durch sehr umfassende Erhebungen im Lauf der Zeit vielleicht gelöst werden kann. Ich habe, m[eine] H[erren], in der mir gesteckten Zeitspanne lediglich versuchen können, rein illustrativ, an beliebig herausgegriffenen Beispielen, Ihnen deutlich zu machen, daß es auf den von uns anzugreifenden Problemgebieten Fragen gibt, deren Inangriffnahme wissenschaftlich lohnt. Sie sehen aber, daß schon diese konkreten Aufgaben, die ich hier erwähnt habe, nicht solche sind, daß Sie darauf rechnen  könnten, im nächsten Jahre läge etwa schon irgend ein brillantes Resultat vor. Die Gesellschaft wird Geduld haben müssen, das Publikum auch. Diese Arbeiten erfordern nicht nur eine Selbstlosigkeit der Hingabe an den selbstverständlich im einzelnen Fall begrenzten Zweck, wie sie heute selten anzutreffen ist, wie sie aber immerhin gelegentlich und hoffentlich zunehmend angetroffen wird, und sie erfordernm – wie ich hinzufügen muß: bedauerlicherweise –, sie erfordernn sehr erhebliche pekuniäre Mittel. M[eine] H[erren], für die Zwecke der Preßenquete allein sind die Kosten auf ungefähr 25 000 M. für die Vorarbeiten geschätzt. Von diesen 25 000 M. stehen uns jetzt rund 20 000 zur Verfügung durch eine Vereinbarung mit der Heidelberger Akademie der Wissenschaften49 und mit dem Institut für Gemeinwohl hier in Frankfurt50 und durch private Stifm A: erfordert  n A: erfordert 49  Am 9. Mai 1910 stellte Weber bei der Heidelberger Akademie der Wissenschaften einen Antrag auf finanzielle Unterstützung der Presseenquete (Brief Max Webers an Wilhelm Windelband vom 9. Mai 1910, MWG II/6, S.  501–504). Die Akademie beschloß in ihrer Sitzung vom 28. Mai 1910, eine wohlwollende Unterstützung des Projektes in Erwägung zu ziehen. Am 16. Juli 1910 wurde dann förmlich beschlossen, den Antrag Webers unter bestimmten Bedingungen, d. h. nach Konstituierung des für das Projekt verantwortlichen Arbeitsausschusses, mit einem Betrag von 10.000 Mark zu fördern (Editorische Vorbemerkung zum Brief, ebd., S.  501). 50  Das Frankfurter Institut für Gemeinwohl gewährte eine Summe von 5.000 Mark für die Presseenquete; vgl. das im Auftrag von Wilhelm Merton abgefaßte Schreiben

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tungen von innerhalb und außerhalb unserer Gesellschaft. Es ist zu hoffen, daß der noch notwendige Rest ebenfalls in irgend einer Weise von privater Seite gestiftet wird, da wir unter keinen Umständen mit unserer Arbeit beginnen werden, ehe wir sicher sind, daß die Mittel, die wir jetzt für erforderlich halten müssen, und die hoffentlich reichen, wenigstens vorhanden sind. Für die anderen Untersuchungen steht heute noch nichts an Geldern zur Verfügung außer den laufenden Mitteln der Gesellschaft, und diese fallen für solche Arbeiten nicht ins Gewicht bei einem Mitgliederbestand von vorläufig nicht wesentlich über 200 – wir hoffen ja, daß er steigen wird – ich sage, die laufenden Mittel der Gesellschaft können dafür natürlich nicht die Unterlage bilden, sie gehen für laufende Geschäfte, zum überwiegenden Teil wenigstens, darauf und müssen die Kosten solcher Tagungen, wie wir sie hier und in, wie gesagt, wesentlich veränderter und verbesserter Form künftig haben werden, tragen helfen. Wir sind also, das gestehen wir offen, auf Mäzenatentum angewiesen, auf Mäzenatentum, wie es sich bisher bereits in einem Fall in einer für Deutschland ungewöhnlichen Art manifestiert hat. Denn, m[eine] H[erren], in vollem Gegensatz zu den Zuständen des Auslands, nicht nur Amerikas, ist es in Deutschland äußerst selten, daß bedeutende Geldmittel für rein wissenschaftliche Zwecke zu haben sind. Geldmittel sind in Deutschland zu haben für Zwecke der Technik, etwa für Flugprobleme und Derartiges, für Zwecke, bei denen irgend etwas für den lieben Körper und seine Kur herausspringt, also für Radio-Therapie oder Derartiges, wenn wenigstens in ferner Aussicht steht, daß irgend etwas Therapeutisches dabei herauskommt. Sie stehen ferner noch in erfreulicher Weise zunehmendem Maße für künstlerische Zwecke zur Verfügung. Wenn aber bei uns in Deutschland Geld gegeben wird für wissenschaftliche Zwecke, so kann man im allgemeinen sicher sein, daß es staatlichen Instanzen anvertraut wird, aus Gründen, die ich hier nicht weiter erörtern will, die sehr verschiedener Art, subjektiv gewiß oft berechtigter Art, objektiv nach meiner Meinung aber nicht immer erfreulicher Art sind. Damit allein ist es aber natürlich auf die Dauer für den Fortschritt der Wissenschaft bei aller hohen Anerkennung dessen, was der Staat dafür bei uns Philipp Steins vom 7. Mai 1910 an Max Weber, das dieser in seinem Brief an Franz Eulenburg vom 21. Mai 1910 erwähnt (vgl. MWG II/6, S.  534 f. mit Anm.  2).

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im Gegensatz zu anderen Ländern auf diesem Gebiet geleistet hat, nicht getan. Es gibt bis jetzt nur eine Stadt, in der in ganz großem Maßstab Mäzenatentum geübt worden ist für Zwecke der Wissenschaft ohne Staatseinmischung in einer Art, wie sie etwa in Amerika üblich ist, das ist Frankfurt a. M.51 Aber es ist nicht möglich, sich damit abzufinden, daß Frankfurt a. M. dieses Monopol auf die Dauer behalten soll, sondern man muß – und davon ist nicht nur unsere spezielle wissenschaftliche Arbeit, sondern der Fortschritt der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt abhängig – man muß hoffen, daß die wenigen in aller Munde befindlichen glänzenden Namen, die auf dem Gebiete des deutschen rein wissenschaftlichen Mäzenatentums – und das bedeutet ein Mäzenatentum, welches die Geduld hat, abzuwarten, daß die um ihrer selbst willen betriebene Wissenschaft schließlich irgendwann auch „dem Leben diene“ – ich sage, man muß hoffen, daß ein solches Mäzenatentum in Deutschland auch außerhalb dieser Stadt in größerem Maße, als es bisher in Deutschland der Fall war, erwachsen werde, nicht nur, wie gesagt, um die speziellen Aufgaben dieser Gesellschaft zu fördern, sondern im Interesse der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt.o

o  In A folgt der Protokollzusatz: (Lebhafter Beifall.) 51  Vgl. Weber, Votum, unten, S.  292, Anm.  9.

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[Ein Votum zur Universitätsfrage] [Zuschrift an die Volksstimme, 26. Juni 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Frankfurter Oberbürgermeister Franz Adickes verfolgte den Plan, mehrere in Frankfurt am Main angesiedelte wissenschaftliche Einrichtungen in einer Stiftungsuniversität zusammenzuführen und sie der Verwaltung des preußischen Kultusministeriums zu unterstellen. Dieser Plan wurde seit Ende 1909 in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.1 Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung setzte am 23. März 1911 eine 15-köpfige Kommission ein, die das Für und Wider einer solchen Gründung beraten sollte. Darin war die SPD mit vier Stadtverordneten vertreten, befand sich also zahlenmäßig in der Minderheit. Die Mehrheit befürwortete den Plan, während die sozialdemokratischen Stadtverordneten ihn ablehnten. Sie fühlten sich „von der Mehrheit in der bekannten Weise vergewaltigt“, wie es später in der in Frankfurt erscheinenden sozialdemokratischen Volksstimme hieß.2 Für ihren Sprecher, Max Quarck, Redakteur der Volksstimme, war eine vom preußischen Kultusministerium genehmigte Universität Ausdruck des Klassenstaates. Er trat für die freie Bildung der Persönlichkeit in einer staatsfreien Sphäre ein.3 Um der sozialdemokratischen Position Nachdruck zu verleihen, bat Max Quarck Max Weber, den er aus anderen Zusammenhängen kannte,4 um eine Stellungnahme.5 Bei einem Besuch in Heidelberg am 15. März 1911 besprachen die beiden die Frankfurter Universitätsfrage.6 Weber schrieb seine Stel1  Vgl. Kluke, Paul, Die Stiftungsuniversität Frankfurt am Main 1914–1932. – Frankfurt a. M.: Waldemar Kramer 1972, S.  66 ff. (hinfort: Kluke, Stiftungsuniversität). 2  Vgl. die redaktionelle Vorbemerkung unten, S.  290, textkritische Anm.  a. 3  Vgl. Kluke, Stiftungsuniversität (wie oben, Anm.  1), S.  76–79. 4  Max Quarck hatte am Ersten Deutschen Soziologentag im Oktober 1910 teilgenommen und sich an der Debatte über Werner Sombarts Vortrag „Technik und Kultur“ beteiligt (vgl. Verhandlungen DGS 1910, S.  91–93). Weber war schon im Zusammenhang mit den Habilitationsproblemen von Robert Michels mit Quarck in Kontakt getreten, vgl. den Brief Max Webers an Max Quarck vom 5. Febr. 1907, MWG II/5, S.  247–249, hier S.  247. 5  Vgl. dazu die redaktionelle Vorbemerkung unten, S.  290, textkritische Anm.  a. 6  „Mittwoch kommt Dr Quarck von der ‚Volksstimme’ (wegen der Universität Frankfurt)“, Karte Max Webers an Marianne Weber vom 13. März 1911, MWG II/7, S.  140 f.,

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Ein Votum zur Universitätsfrage

lungnahme aber erst drei Monate später, am 24. Juni 1911, die dann am 26. Juni 1911, einen Tag vor der Entscheidung der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, in der Volksstimme veröffentlicht wurde. Im redaktionellen Nachwort zu Webers Zuschrift heißt es: „Möge sie in den Kreisen, die morgen die Entscheidung zu treffen haben, offene Ohren finden!“7 Die Frankfurter Zeitung hatte schon zuvor das Votum von Karl Bücher zur Universitätsfrage veröffentlicht. Ähnlich wie Max Weber, sprach auch er sich, wenn auch mit teilweise anderen Argumenten, gegen eine solche Gründung aus.8 In der im folgenden abgedruckten Stellungnahme warnt Max Weber nachdrücklich vor dem politisch-konservativen Einfluß des preußischen Kultusministeriums und nimmt seinen scharfen Angriff gegen das System Althoff vorweg, den er im Herbst 1911 auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden vorbringen sollte.9

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Webers Zuschrift erschien unter der Überschrift „Ein Votum zur Universitätsfrage“ in: Volksstimme. Sozialdemokratisches Organ für Südwestdeutschland (Frankfurt am Main), Nr.  146 vom 26. Juni 1911, S.  1 f. (A). Sie ist in Form eines Schreibens an Max Quarck

Zitat: S.  141, sowie die Mitteilung vom 15. März 1911 an Marianne Weber (ebd., S.  144): „Heute also: Dr Quarck (Frankfurt)“. 7  Redaktionelle Bemerkung, unten, S.  297, textkritische Anm.  i. 8  Bücher, Karl, Ein Votum zur Universitätsfrage, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  111 vom 22. April 1911, 1. Mo.Bl., S.  1 (Teil I); Nr.  112 vom 23. April 1911, 1. Mo.Bl., S.  1 (Teil II). Im ersten Teil seines Artikels bestreitet er generell die Überfüllung der deutschen Universitäten und die Notwendigkeit einer Universitätsgründung in Frankfurt. Er befürwortete dagegen den Ausbau einiger weniger Massenuniversitäten. Mit der strikten Ablehnung des Überfüllungsargumentes stellte sich Bücher gegen die Ergebnisse der Habilitationsschrift von Eulenburg, Frequenz, S.  306 f., obwohl er einzelne Aspekte dieser Studie in sein Votum einfließen ließ. Im zweiten Teil kritisierte Bücher die Frankfurter Gründungspläne. Es sei keine freie Universität geplant, das Recht der korporativen Selbstverwaltung und Selbstergänzung sei in noch geringerem Maße als an den preußischen Universitäten gegeben, die Finanzierung für eine große Universität sei nicht ausreichend gesichert, die Großstadt Frankfurt werde sich nur eine kleine Universität leisten können, die umliegenden alten Universitäten würden in ihrer Frequenz geschädigt werden. Bücher schlug vor, Frankfurt solle sich der Gründung von Forschungsinstituten oder einer „politischen Hochschule“ nach amerikanischem Vorbild für die Ausbildung von Verwaltungsbeamten zuwenden. 9  Vgl. dazu Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nord­ ameri­ kanischen Hochschulen, unten, S.   394–410, sowie die im Anschluß an die Presse­berichterstattung, unten, S.  788–806, erfolgte öffentliche Auseinandersetzung, unten, S.  298–393.

Editorischer Bericht

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abgefaßt, beginnt mit „Sehr geehrter Herr Doktor!“ und endet mit „Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Prof. Max Weber“ sowie dem Zusatz „Heidelberg, 24. Juni 1911“. Eine Vor- und eine Nachbemerkung setzte die Redaktion hinzu.10 Auch der Titel dürfte auf die Redaktion zurückgehen, so daß er hier übernommen, aber in eckige Klammern gestellt wird. Am folgenden Tag erschien unter der Überschrift „Die Universität“ ein redaktionell gekürzter und passagenweise in indirekter Rede zusammen­ gefaßter Teilnachdruck in: Frankfurter Zeitung, Nr.  176 vom 27. Juni 1911, 3. Mo.Bl., S.  2, Rubrik „Frankfurter Angelegenheiten“. Da es sich um einen offenbar von Weber nicht bearbeiteten und autorisierten Teilnachdruck handelt,11 wird er von der Edition nicht berücksichtigt. Editionsgrundlage ist der Text in der Volksstimme (A).

10  Vgl. unten, S.  290, textkritische Anm.  a, und S.  297, textkritische Anm.  i. 11  Vgl. die redaktionelle Vorbemerkung: „Die Minderheit der Stadtverordnetenkommission, welche die Universitätsvorlage veröffentlichte, hatte sich, wie die ‚Volksstimme’ mitteilt, zur Überprüfung ihres Standpunkts an Prof. Max Weber in Heidelberg gewandt. Die Antwort liegt jetzt vor. Prof. Weber sagt u. a. […]“, Frankfurter Zeitung, Nr.  176 vom 27. Juni 1911, 3. Mo.Bl., S.  2.

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Esa ist ja unmöglich, auf einen so nachdrücklich an die persönliche Ehre sich wendenden Appell,1 wie den Ihrigen, nicht zu antworten, – und zwar natürlich mit der Ermächtigung, davon jeden beliebigen Gebrauch zu machen, – obwohl ich weder gerade mich für in erster Linie zur Aussprache über diese Probleme berufen halte, noch auch den geringsten Erfolg von einer Äußerung gerade meinerseits 2

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a  In A geht voraus: Als die Minderheit der Stadtverordnetenkommission zur Beratung der Frankfurter Universitätsfrage von der Mehrheit in der bekannten Weise vergewaltigt worden war, beschloß sie, sich zur Überprüfung ihres Standpunktes an einen geistig hochstehenden Mann der jüngeren deutschen Professorenschule zu wenden. Ihre Wahl fiel auf Professor Dr. Max Weber–Heidelberg, dessen unerschrockenes und sachkundiges Urteil über die sozialen Zustände der deutschen Gegenwart bis in die Reihen der Frankfurter bürgerlichen Demokratie hinein oft lebhafte Zustimmung gefunden hatte. Ihm wurden durch Genossen Quarck alle auf die Frankfurter Universität bezüglichen Schriftstücke einschließlich der Minderheitserklärung2 mit der Bitte um ein Votum unterbreitet, wie es Geh. Rat Prof. Dr. Bücher in der „Frankf[urter] Z[ei]t[un]g“ vor Beginn der Kommissionsberatungen ab[ge]geben hatte. 3 Die Antwort bestand in folgendem, dankenswerten Schreiben: Sehr geehrter Herr Doktor! 1  Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  287–289, und die redaktionelle Vorbemerkung, textkritische Anm.  a. 2  Welche Schriftstücke Weber für seine Stellungnahme vorlagen, läßt sich nur vermuten. Die Originale sind nicht überliefert, doch kann man aus seinen Argumenten schließen, daß ihm einige von den bei Wachsmuth, Richard, Die Gründung der Universität Frankfurt. – Frankfurt a. M.: Englert und Schlosser 1929, S.  113–257 (hinfort: Wachsmuth, Universität Frankfurt), abgedruckten Dokumenten vorlagen, so z. B. der Bericht des Dozenten-Kollegiums der Akademie an den Großen Rat betr. Mehrkosten vom 11. Februar 1910, die Denkschrift über die Begründung einer Stiftungs-Universität in Frankfurt a. M. vom Februar 1911 (ebd., S.  171–191), Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, Begründung einer Stiftungs-Universität betreffend vom 23. März 1911 (ebd., S.  192–198) und der Bericht des Sonder-Ausschusses: Begründung einer Stiftungs-Universität betr. vom 14. Juni 1911 (ebd., S.  198–214). Auch könnte ihm ein Antrag der Minderheit des Dozentenkollegiums vorgelegen haben, die für Lehrfreiheit eintrat. Laut Bericht des Sonder-Ausschusses sollte unter Bezugnahme auf den Vertrag der Carl-Zeiss-Stiftung mit der Universität Jena folgende Bestimmung aufgenommen werden: „Die Stadt, die beteiligten Stiftungen und Gesellschaften werden Leistungen für die Universität nur solange übernehmen und fortsetzen, als die Zulassung und das Verbleiben im Lehramte nicht von den religiösen, wissenschaftlichen und politischen Überzeugungen des Lehrers abhängig gemacht wird, sowie als die Dozenten volle Lehrfreiheit genießen und in der Ausübung staatsbürgerlicher und persönlicher Rechte nicht beschränkt werden.“ (Ebd., S.  201). 3  Zu Büchers Stellungnahme in der FZ am 22. und 23. April 1911 vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  288 mit Anm.  8.

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versprechen kann, und obwohl endlich eine solche gerade für mich auch eine einigermaßen heikle Sache ist. Sie könnte leicht im Sinn jener so trübseligen „Konkurrenzfurcht“ vor Nachbaruniversitäten gedeutet werden, wie sie ja leider anderweit hervorgetreten ist.4 Und sie setzt sich vermutlich in Widerspruch mit der Ansicht hochgeschätzter Kollegen, – der jetzigen Lehrer an der Frankfurter Akademie –,5 welche ja schließlich als die in erster Linie Betroffenen und Interessierten den Anspruch darauf hätten, daß auch ihre Auffassung mit in erster Linie Beachtung finde, an der öffentlichen Geltendmachung dieser jedoch durch Gründe der Delikatesse immerhin stark behindert sind. Unter den Gründen, welche die Entwicklung zu einer „Universität“ des üblichen Schemas mit fast unwiderstehlicher Stärke begünstigen, ist aber einer der eindruckvollsten wohl gerade der: daß die gegenwärtige „Akademie“6 in der Art der Gestaltung ihres Lehrbetriebs, nach Inhalt und Methode, bereits so stark dem Lehrbetrieb der offiziellen Universitäten angenähert, im Wesentlichen geradezu mit ihnen identisch ist, daß das Erstreben der vollen „Gleichberechtigung“ in bezug auf die Examina, ganz unvermeidlich stets von neuem sich einstellen wird 4 1910 protestierten Marburger Studenten vor dem Marburger Rathaus gegen die Errichtung der Frankfurter „Großstadt-Universität“. Der Marburger Oberbürgermeister brachte im Kommunallandtag, der Volksvertretung der preußischen Provinz HessenNassau, eine Resolution gegen die Universitätsgründung in Frankfurt ein. Im Großherzogtum Hessen schloß sich die Universität Gießen den Protesten an. Vgl. Kluke, Stiftungsuniversität (wie oben, S.  287, Anm.  1), S.  72 f. 5  Das Dozenten-Kollegium der Akademie hatte unter Ausschluß der Öffentlichkeit bereits am 26. November 1909 Adickes’ Pläne zu einer Universitätsgründung erörtert. Nur drei Professoren, der Nationalökonom Ludwig Pohle, der Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre und Finanzwesen Andreas Voigt sowie der Betriebswissenschaftler Richard Lambert, hatten sich gegen eine Universitätsgründung ausgesprochen. Die drei wurden mit 11 Stimmen in die Minderheit verwiesen (ebd., S.  63), so daß es im „Bericht des Dozenten-Kollegiums der Akademie an den Großen Rat betr. Mehrkosten“ vom 15. Februar 1910 hieß, die Professoren begrüßten den Plan einer staatlich genehmigten Stiftungsuniversität. Vgl. Wachsmuth, Universität Frankfurt (wie oben, S.  290, Anm.  2), S.  169. 6  Gemeint ist das 1891 in Frankfurt von Wilhelm Merton, dem Gründer der Metallgesellschaft AG, und dem Frankfurter Oberbürgermeister Franz Adickes gegründete „Institut für Gemeinwohl“, das 1901 zu einer vom preußischen Staat anerkannten „Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften“ erweitert wurde. Die Akademie sollte frei von jeder bürokratischen öffentlichen Aufsicht bleiben und ihre Lehrinhalte selbst bestimmen. In den ersten fünf Jahren ihres Bestehens nahm die Akademie zunehmend Universitätscharakter an. Vgl. Kluke, Stiftungsuniversität (wie oben, S.  287, Anm.  1), S.  60.

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und muß.7 Und da, an sich, – wenn man nämlich einmal die allgemeinen Bedenken gegen den jetzt bestehenden Universitätstypus bei Seite lassen würde, – angesichts der Überfüllung der schon bestehenden Universitäten durch die zunehmenden Studentenzahlen8 eine Vermehrung derselben durchaus am Platze wäre, so ist naturgemäß der Versuch einer Opposition, welche lediglich behauptet: daß gerade Frankfurt dafür nicht in Frage zu kommen habe, in einer schwierigen Lage. Man kann es vom Standpunkt der Wissenschaft aus vielleicht bedauern, daß die großen Mittel, welche hier zum ersten Mal in Deutschland zu solchen Zwecken zur Verfügung gestellt werden,9 nicht wenigstens teilweise reinen Forschungszwecken zugeführt worden sind, da die gewiß nützliche Verbindung von Forschung und Lehre durch die staatlichen Universitäten genugsam vertreten ist, die üblichen „Akademien“ aber wesentlich Subventions- und dabei Notabilitäten-Institute ohne eigenen Arbeitsbetrieb sind.10 Aber das ist nun einmal nicht geschehen und

7  Nachdem 1903 ein Lehrstuhl für Romanistik errichtet worden war, wurde 1906 ein zweisemestriges Studium der Romanistik an der Akademie für das Staatsexamen für das höhere Lehramt anerkannt. Seit 1909 gab es Bestrebungen, auch das Studium der Naturwissenschaften (Chemie, Physik) für das Staatsexamen anerkennen zu lassen. Vgl. Kluke, ebd., S.  59, und Wachsmuth, Universität Frankfurt (wie oben, S.  290, Anm.  2), S.  50 und 57. 8  Die Zahl der immatrikulierten Studenten an preußischen Universitäten hatte sich in der Zeit vom Wintersemester 1880/81 bis zum Wintersemester 1907/08 von 11.005 auf 22.576 erhöht. Vgl. Wachsmuth, ebd., Anlage 27, S.  181. In dieser Zeit wurde nur eine Universität, die Universität Münster, gegründet. An der Frankfurter Akademie waren aus den 36 Studenten des Eröffnungsjahres 1901 im Winterhalbjahr 1906/07 schon über 1.000 geworden. Vgl. Kluke, Stiftungsuniversität (wie oben, S.  287, Anm.  1), S.  60. Dieser Frequenzanstieg wurde auch, in geringerem Maße, reichsweit beobachtet. Vgl. Eulenburg, Frequenz, S.  306 f. 9  In Frankfurt wurden wissenschaftliche Einrichtungen von Stiftungen mit bedeutenden Mitteln unterstützt. So wurde die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften von der Georg und Franziska Speyer-Stiftung (1 Million Mark) und der Dr. LuciusMeister-Stiftung (500.000 Mark) gefördert. 2 Millionen Mark standen aus dem Nachlaß der Brüder Friedrich Martin August und Karl Franz Jügel für eine Carl Christian Jügel’sche Stiftung bereit, die einer akademischen Unterrichtsanstalt für Geschichte, Philosophie, deutsche Sprache und Literatur zugute kam, welche ihrerseits eng mit der Akademie verbunden wurde. Mit der Eugen Tornow’sche-Stiftung (475.000 Mark) und der Dr. Arthur v. Weinberg-Stiftung (300.000 Mark) wurden neue mathematischnaturwissenschaftliche Lehrstühle eingerichtet. Vgl. Denkschrift über die Begründung einer Stiftungs-Universität in Frankfurt a. M. vom Februar 1911, in: Wachsmuth, Universität Frankfurt (wie oben, S.  290, Anm.  2), S.  174 f. 10  Gemeint sind die Akademien der Wissenschaften.

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wird jetzt schwerlich (oder vielmehr: sicher nicht) nachträglich geschehen können. Der Protest gegen die Verstaatlichung muß sich, soweit er sich auf die besonderen Voraussetzungen und Bedingungen des hier vorgelegten Planes11 gründet, in ersterb Linie gegen die, trotz aller Großartigkeit der privaten Stiftungen, unzulänglichen, genauer gesagt: wohl für eine kleine „Provinzialuniversität“, nicht aber für ein Institut, welches – wie die Vorlage des Magistrats behauptet hatte12 – mit den großen Großstadt-Universitäten um Zuhörer konkurrieren soll, zulänglichen Mittel richten. Daneben fallen namentlich jene Veränderungen in der Stellung der Krankenhäuser, sowohl ihres Personals, wie ihres Materials, ins Gewicht, über deren Bedenklichkeit der Mehrheitsbericht13 in der Tat wohl allzu leicht hinweggegangen ist, und gegen die es im Fall der Umwandlung in Universitäts-Institute kein sicheres Mittel gibt. Aber weit schwerer als all dies muß für jede die heutige preußische Bureaukratie nicht schlechthin bejahende Partei die Frage ins Gewicht fallen: ob es erwünscht ist, ein Institut, welches doch immerhin freiem Bürgersinn seine Entstehung und Entwicklung verdankt, und auch in seiner bisherigen Situation höchst achtungswerte pädagogische Arbeit geleistet hat, der Beherrschung durch das preußische Unterrichts-Ministerium auszuliefern, solangec dessen Eigenart und durch eine fast 40jährige Tradition14 geschaffene Praxis so bleiben, wie sie heute sind. Ich bemerke ausdrücklich, daß b A: ersten  c A: so lange 11  Gemeint ist der Plan einer zu gründenden, staatlich genehmigten Universität, der nach dem Tod von Franziska Speyer am 11. Dezember 1909 vom Vorstand der Speyer’schen Studienstiftung beschlossen und an den Großen Rat der Akademie, dessen Vorsitzender Adickes war, zur Beratung weitergegeben wurde. Vgl. Denkschrift über die Begründung einer Stiftungs-Universität in Frankfurt a. M. vom Februar 1911, in: Wachsmuth, Universität Frankfurt (wie oben, S.  290, Anm.  2), S.  171–191, Kluke, Stiftungsuniversität (wie oben, S.  287, Anm.  1), S.  62 ff. 12  Weber bezieht sich auf die vom Frankfurter Oberbürgermeister Adickes verfaßte „Denkschrift über die Begründung einer Stiftungs-Universität in Frankfurt a. M. vom Februar 1911“, in: Wachsmuth, Universität Frankfurt (wie oben, S.   290, Anm.   2), S.  171–191. Die dringend erwünschte Entlastung der drei großen Universitätsstädte Berlin, Leipzig, München könne nur von einer „Universität erwartet werden, die selbst jene Anregungen bietet, die mit anderen Worten selbst Großstadt ist.“ Ebd., S.  182. 13  Gemeint ist: Bericht des Sonder-Ausschusses der Stadtverordnetenversammlung: Begründung einer Stiftungs-Universität betr., in: Wachsmuth, ebd., S.  198–213. 14  Vermutlich Anspielung auf den „Kulturkampf“ Anfang der 1870er Jahre in Preußen.

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hier nicht etwa Vorwürfe gegen konkrete Persönlichkeiten erhoben werden sollen: die Beamten jenes Ministeriums sind sicherlich nicht „schlechter“ und nicht „besser“, als andere Menschen unter ähnlichen Bedingungen es auch wären. Sie sind einfach Knechte eines Systems, welches nicht sie geschaffen haben, welches wenigstens manche von ihnen vielleicht gern ändern würden, wenn das in ihrer Macht läge. Dieses System ist aber gesetzlich durch die „Lex Arons“15 in derjenigen Interpretation, welche die höchste Disziplinar-Instanz ihr gegeben hat, festgelegt, und schlechterdings keine Art der Gestaltung des Vorschlagsverfahrens kann hindern, daß diese Interpretation sich auch auf die Frankfurter Dozenten erstrecken wird. Selbst die Klausel in dem Vertrage der Zeiß-Stiftung mit den Behörden,16 welche eigens zum Ausschluß eben dieser Interpretation der „Amtspflichten“ der Dozenten von Abbe eingefügt wurde, garantiert nur die Meinungsfreiheit der schon in Jena angestellten bezw. zum Lehren zugelassenen Dozenten, hindert aber nicht, daß bei der Frage der Berufung von auswärts und der Habilitation die gehässigste politische Gesinnungsschnüffelei stattfinden darf. Es ist durchaus zuzugeben, daß politische, sozialpolitische, ökonomische Interessenten unter jeder Art von Universitätsverfassung und in jedem Lande irgendwie die Mittel finden können, gelegentlich und hinter den Kulissen die rein sachlichwissenschaftliche Auslese der akademischen Lehrer zu trüben, und daß es keine politische Partei oder andere soziale Gruppe gibt, der die Versuchung dazu nicht gelegentlich nahe läge, auch wohl keine,

15  Die sog. Lex Arons vom 17. Juni 1898 unterwarf Privatdozenten, die nicht als Beamte galten, der disziplinarischen Bestrafung nach dem preußischen Disziplinargesetz vom 21. Juli 1852. Auf der Grundlage dieses Gesetzes leitete der preußische Kultusminister Robert Bosse am 13. April 1899 das Dienststrafverfahren gegen den Sozialdemokraten und Berliner Privatdozenten der Physik, Leo Arons, ein, als dessen Ergebnis, gegen das Votum der Fakultät, Arons die Venia legendi entzogen wurde. 16  In dem „Bericht des Sonder-Ausschusses: Begründung einer Stiftungsuniversität betr.“ wurde auf das Verhältnis der Carl-Zeiss-Stiftung zur Universität Jena hingewiesen. Vgl. Wachsmuth, Universität Frankfurt (wie oben, S.  290, Anm.  2), S.  201. Ernst Abbe, der Begründer der Carl-Zeiss-Stiftung in Jena, bestimmte in einem „Ergänzungsstatut“ vom 24. Februar 1900, daß die Dotation von Lehrstühlen und andere Leistungen für die Universität Jena von der Stiftung nur übernommen würden, wenn die Dozenten volle Lehrfreiheit genössen und in der Ausübung der allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte nicht eingeschränkt seien. Vgl. dazu Weber, Die sogenannte Lehrfreiheit, oben, S.  112, Anm.  5, und den Kommentar in MWG II/5, S.  90, Anm.  2.

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die ihr nicht gelegentlich unterlegen wäre. Zweifellos ist dies z. B. gelegentlich auch in Amerika geschehen. Die Bemerkung über die „Herrschaft des Dollars“ an den amerikanischen Hochschulen, welche in Frankfurt in letzter Zeit einmal gefallen ist, ist jedoch, wie nachdrücklich bemerkt sei, eine in höchstem Grade leichtfertige, zumal mit unserem „Balken im Auge“.17 So gewiß auch in England, Frankreich, Skandinavien, der Schweiz und selbst in Italien in diesem Punkt: Unabhängigkeit der Zulassung zum Lehramt von anderen als rein wissenschaftlichen Qualifikationsmerkmalen – gelegentlich „mit Wasser gekocht“ wird, – es gibt keinen „Kulturstaat“, welcher sich in dieser Hinsicht mit der feststehenden Praxis des derzeitigen Preußen irgendwie noch so entfernt vergleichen ließe. Denn vor allem ist das, was dort von unabhängigen Gelehrten als ein gelegentlicher und schnöder Mißbrauch empfunden wird, in Preußen offizielle Doktrin. Dazu tritt nun aber noch der Gesamthabitus des preußischen Unterrichtsministeriums in der Auffassung seiner Aufgaben gegenüber den Universitätsdozenten. Ganz gewiß sind auch die heutigen Fakultäten und würden auch irgendwelche anders zusammengesetzte Fakultäten fehlbar und daher einer kontrollierenden und korrigierenden Instanz bedürftig sein. Aber die heutige preußische Unterrichtsbureaukratie ist gerade hierfür die am allerwenigsten geeignete Behörde. Keine noch so bedeutenden Erfolge, welche speziell (wie unbedingt anzuerkennen ist) der verstorbene Ministerialdirektor Althoff18 z. B. auf dem Gebiet der Beschaffung von Unterrichtsmitteln und vielem anderen erzielt hat, vermögen über den korrumpierendend Einfluß – ein anderes Wort gibt es nicht – hinwegzutäuschen, welchen sein an dieser Stelle nicht näher zu analysierendes System der Menschenbehandlung19 auf den akademischen Nachwuchs ausgeübt hat. Es ist in dieser Hinsicht seither nicht besser, sondern – da seine immerhin sehr bedeutende Persönlichkeit fortgefallen ist – wesentlich schlimd A: koprumpierenden 17  Zitat nach Mt. 7,3: „Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?“ 18  Friedrich Althoff war am 20. Oktober 1908 verstorben. 19 Gegen das „System Althoff“ richteten sich die Angriffe Max Webers auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag 1911 in Dresden, vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410, und die Berichterstattung in der Presse darüber, unten, S.  788–806.

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mer geworden. Der sog. Fall Bernhard20 z. B.,  mit all seinen widerlichen Erscheinungen, kommt fast ausschließlich auf das Konto der Unterrichtsbureaukratie. Er begann mit einem Rechtsbruch und mit der, nach akademischer Standessitte, unanständigen Zumutung einer ehrenwörtlichen Schweigepflicht, fand dann seine Fort­setzung in einer vom Ministerium mit herbeigeführten Friedensstörung, zeitigte weiterhin Erscheinungen, wie die, daß das Ministerium, welches durch Zuweisung von Inseraten offiziöse HochschulOrgane alimentiert,21 Herausgeber von Zeitschriften, welche ihm opponieren, durch Entziehung von Inseraten mürbe zu machen sucht, daß ferner Beamte dieses Ministeriums ausschließlich amtlich ihnen bekannt gewordene Tatsachen, aus dem Zusammenhang gerissen, an einen Teil der Presse gaben und dadurch eine widerliche Kampagne dieser Presse gegen angesehene Gelehrte in Szene setzen halfene und dergleichen mehr – alles zurf Begünstigung eines protegierten Professors.22 Wenn, nach solchen „Leistungen“, der Unterrichtsminister sich gestatten zu dürfen glaubte, eine Stärkung „der Machtstellung“ der Unterrichts-Bureaukratie als Heilmittel in Aussicht zu stellen, so ist dies wohl nur in einem Parlament von der Eigenart des jetzigen preußischen Landtages möglich.23 Unter diesen Umständen muß, scheint mir, für eine unabhängige Partei die Umgestaltung der Organisation[,] und vor allem des „Geistes“, der Unterrichtsbureaukratie an Haupt und Gliederng, die Voraussetzung für die Auslieferung von Instituten, deren Mittel nicht einmal zu einem Bruchteil der Staatshilfe entstammen, an den derzeitigen preußischen Staat sein. Sollte sie aber dennoch erfolgen, so müßte allerdings durch Aufnahme einer, möglichst e A: hilft  f A: zu  g A: Gliedern,   20  Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–77. 21  Gemeint sind u. a. die von Paul v. Salvisberg herausgegebenen Hochschul-Nachrichten. Vgl. Weber, Die Lehrfreiheit der Universitäten, oben, S.  125 mit Anm.  4. Auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909 machte Karl v. Amira publik, daß v. Salvisberg von den Regierungen „pekuniäre Vorteile“ verschafft wurden. Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  3 f. 22 Anspielung auf Ludwig Bernhard. Vgl. dazu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–85. 23  Die Zusammensetzung des preußischen Landtags war durch das Drei-KlassenWahlrecht bestimmt.

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noch schärfer und eindeutiger zu fassenden, Bestimmung, nach Art der von Abbeh in sein Stiftungsstatut eingefügten Klausel[,]24 dafür gesorgt werden, daß jene gehässige politische Interpretation der Lex Arons,25 welche – ohne daß sie formell im Gesetz selbst enthalten wäre – die staatliche Disziplinarbehörde gegen den Protest der Fakultät eingenommen hat, für Frankfurt ausgeschlossen bleibt.i 26

h A: Abbe,  i  In A folgt: Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Prof. Max Weber. Heidelberg, 24. Juni 1911. sowie die redaktionelle Bemerkung: An Deutlichkeit läßt diese erfreuliche Kundgebung aus den Kreisen süddeutscher Hochschullehrer sicher nichts zu wünschen übrig. Sie unterstreicht mit allem nur wünschenswertem Nachdruck die eminente politische und finanzielle Gefahr, in die sich Frankfurt mit der Hingabe seiner Stiftungsuniversität in die kgl. preußische Verwaltung gegen Kultur und gegen Unterricht begeben würde. Möge sie in den Kreisen, die morgen die Entscheidung zu treffen haben,26 offene Ohren finden! 24  Vgl. dazu oben, S.  294, Anm.  16. 25  Vgl. dazu oben, S.  294, Anm.  15. 26  Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung tagte am 27. und 29. Juni 1911. An beiden Tagen stand das Thema Stiftungsuniversität auf der Tagesordnung. Vgl. Protokolle der Stadtverordnetenversammlung, Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, P 942.

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[Deutscher Hochschullehrertag] [Zuschrift an die Heidelberger Zeitung, 20. Oktober 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die im folgenden edierte Zuschrift war der erste von zehn Leserbriefen, in denen Max Weber auf Berichte über seinen Diskussionsbeitrag auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden am 13. Oktober 1911 reagierte. Die Berichte über seine Ausführungen zu den Handelshochschulen und zum System Althoff erschienen vom 14. bis zum 18. Oktober 1911 in verschiedenen überregionalen Tageszeitungen, so in der Täglichen Rundschau, der Germania und der Vossischen Zeitung, zumeist mit wörtlichen Zitaten.1 Max Weber hatte den Eindruck, daß seine Äußerungen in der Presse nicht zutreffend wiedergegeben worden seien und schickte entsprechende Richtigstellungen an die Zeitungsredaktionen. Eine der Ursachen für die teilweise irreführende Darstellung seiner Position lag offenbar in Webers Vortragsweise begründet. In mündlicher Rede spitzte er die Dinge zu. Er trug in der Debatte keinen ausgearbeiteten Text vor, sondern stützte sich – wie er später mitteilte2 – auf Notizen, die er kurz vor seinem Auftritt niedergeschrieben hatte und an die er sich dann während des Vortrags mehr oder weniger hielt. Später erinnerte er sich nicht mehr genau, was er hinzugefügt oder weggelassen hatte. Der von ihm autorisierte Abdruck seines dann weitgehend geglätteten Redebeitrags erschien erst im folgenden Jahr in den Verhandlungen des IV. Deutschen Hochschullehrertages zu Dresden.3 Die Diskussion bezog sich aber nicht darauf, sondern auf die Presseberichte über Webers Äußerungen während der Tagung. In seiner Zuschrift an die Heidelberger Zeitung, die am 20. Oktober 1911 erschien, bezieht sich Weber auf deren Bericht über den Dresdner Hochschullehrertag, den sie zwei Tage zuvor unter der Überschrift „Hochschul­leh­ rertag und Modernisteneid“ gebracht hatte. Dort heißt es über Webers Bei1  Vgl. die Presseberichte über die Diskussionsbeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag, unten, S.  788–806. 2  Vgl. Weber, Die Handelshochschulen, unten, S.  331. 3  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  397–408 (der Hauptbeitrag), und S.  409 f. (die Stellungnahme zu der an ihm geäußerten Kritik).

Editorischer Bericht

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trag: „Bemerkt sei bei dieser Gelegenheit noch, daß eine Äußerung von Prof. Max Weber–Heidelberg auf dem Hochschullehrertag eine beträchtliche Aufregung hervorrief. Prof. Weber geißelte die ‚Protektionswirtschaft’, die an gewissen Universitäten herrsche. Er habe sie, allerdings nicht zu seinem Schaden, am eigenen Leibe erfahren, denn er verdanke seine akademische Carriere zum Teil dem Landtagsmandat seines Vaters. Man lebe an den preuß[ischen] Universitäten in unsauberer Luft. Eine Anzahl von Professoren aus Preußen protestierten gegen diese Behauptung.“4

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck der Zuschrift Max Webers folgt dem Text, wie er unter der Überschrift „Deutscher Hochschullehrertag“ in der Heidelberger Zeitung, Nr.  246 vom 20. Oktober 1911, 1. Blatt, S.  1 (A), erschien. Der Zuschrift geht eine redaktionelle Bemerkung voraus, die Max Weber als Autor ausweist. Die Überschrift dürfte von der Redaktion hinzugefügt sein.

4  Vgl. Heidelberger Zeitung, Nr.  244 vom 18. Okt. 1911, S.  1.

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Icha habe das System des verstorbenen Ministerialdirektors Althoff in der Behandlung von Personen angegriffen, indem ich gleichzeitig hervorhob, daß er nicht nur glänzende sachliche Erfolge erzielt, sondern daß auch seine Motive sachlicher, „ressortpatriotischer“ Natur gewesen seien und daß er persönlich, trotz aller rauhen Formen, ein Mensch von großer Herzensgüte gewesen sei.1 Ich fügte hinzu, daß ich persönlich ihm, als Person, gewiß zum größten Dank verpflichtet gewesen sei, daß mir aber die Freude an der ganz auffällig günstigen Behandlung, welche ich von ihm erfahren habe, stark vergällt worden sei durch die Erfahrung, daß das Abgeordnetenmandat meines Vaters damit augenscheinlich in tatsächlicher Verbindung gestanden habe. Denn Herr Althoff erlaubte sich eines Tages, bei der Beratung des Kultusbudgets, auf einem parlamentarischen Abend an meinen Vater, welcher ein Budgetreferat hatte,2 heranzutreten: „er (mein Vater) möge doch dafür sorgen, daß seine Fraktion nicht eine bestimmte neu geforderteb (nationalökonomische)c Professur, wie sie (angeblich) beabsichtige, ablehne. Er möge doch mich (damals war ich Privatdozent in Berlin) einmal fragen, ob ich für diese Ablehnung sei“[.] Diese in jeder Hinsicht äußerst bedenkliche Äußerung veranlaßte meinen Vater, nach Rücksprache mit mir, sein Referat niederzulegen (bezw. nicht wieder zu übernehmen). Die Fassung von Althoffs Bemerkung war – bei aller faktischen Unzweideutigkeit des Sinnes – zu vorsichtig in der Form, um Herrn Althoff zu „stellen“ und gegen ihn amtlich vorzugehen. – Nach dieser (und zahlreichen anderen, nur teilweise angeführten) Erfahrungen, bemerkte ich, hätte ich trotz aller Freundlichkeiten a  In A geht voraus: Herr Prof. Max Weber, hier, schreibt uns zu der vorgestrigen Notiz über seine Äußerung auf dem Hochschullehrertag:   b A: geforderte,  c Schließende Klammer fehlt in A; sinngemäß ergänzt.   1  Max Weber gibt hier seine Ausführungen vom 13. Oktober 1911 wieder, die er beim IV. Deutschen Hochschullehrertag zu Friedrich Althoff und seinem „System“ gemacht hat. Vgl. dazu das offizielle Protokoll, unten, S.  403–405, sowie der Pressebericht, unten, S.  796–799. 2  Max Weber sen., der von 1868–1882 und von 1884–1897 als Abgeordneter dem Preußischen Abgeordnetenhaus angehörte, war von 1893–1897 Mitglied der Budgetkommission. In dieser vertrat er die Referate des Elementarschulwesens, des höheren Schulwesens und der geistigen Angelegenheiten.

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Althoffs, für die ich ihm zu Dank verpflichtet war, das Gefühl gehabt, „in sauberere Luft“ zu kommen,3 als ich die Berufung nach Freiburg angenommen hatte. – Ich füge noch hinzu, daß ich Herrn Althoff s. Z. nicht darüber im Zweifel gelassen habe, daß mir gewisse Seiten seines Verhaltens äußerst unangenehm waren. Da aber ein Privatdozent einem Ministerium selbstredend keinen „Rüffel“ erteilen kann – ich bin übrigens niemals freiwillig mit ihm in persönliche Berührung getreten –, so geschahen diese Mitteilungen auf dem Wege durch den Dekan der juristischen Fakultät in Berlin, an welchen ich mich gewandt hatte.4

3  So im offiziellen Protokoll der Verhandlungen, unten, S.  402, und in der Presseberichterstattung, unten, S.  795. 4  Eine derartige Äußerung Max Webers an den Dekan der Berliner Juristischen Fakultät ist in den Akten des Universitätsarchivs der Humboldt-Universität Berlin nicht zu finden.

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[Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag zu Dresden] [Zuschrift vom 20. Oktober 1911 an die Tägliche Rundschau]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Mit dem im folgenden abgedruckten Leserbrief reagierte Max Weber auf den Bericht über seine Diskussionsbeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden, den die Tägliche Rundschau am 14. Oktober 1911 gebracht hatte.1 Das Berichtete erregte das Mißfallen des badischen Kultusministers Franz Böhm, der denn auch in einem Brief an Max Weber vom 16. Oktober 1911 eine Klarstellung verlangte.2 Weber war der Bericht nach eigenem Bekunden erst am 19. Oktober 1911 zur Kenntnis gekommen.3 Vermutlich machte ihn erst der Brief von Böhm auf den Vorgang aufmerksam. Er verfaßte wohl daraufhin den Leserbrief und sandte eine Durchschrift an Böhm.4 Auch Otto v. Gierke fühlte sich von Passagen in Webers Rede provoziert, die als wörtliche Zitate wiedergegeben waren.5 Das Blatt hatte u. a. Weber folgendermaßen zitiert: „Auch mir hat man seinerzeit zugemutet, einen Revers zu unterschreiben, in dem mir ein geheimer Lehrauftrag angesonnen wurde. Als ich fragte warum, da sagte man mir, der Lehrauftrag müsse geheim bleiben, weil sonst die Professoren Brunner und Gierke gegen meine Ernennung stimmen würden. Es wurde mir also direkt eine Unanständigkeit angesonnen.“6 1  Webers Äußerungen waren im Gesamtbericht über die Verhandlungen des Hochschullehrertages am 13. Oktober 1911 – neben anderen – in direkter Rede wiedergegeben worden. Vgl. Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Okt. 1911, abgedruckt unten, S.  790–803. Neben der Täglichen Rundschau hatten andere große Tageszeitungen Berichte veröffentlicht, vgl. dazu unten, S.  305 mit Anm.  2, sowie unten, S.  790– 804. 2 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, in: MWG II/7, S.  285. 3  Vgl. Brief Max Webers an Franz Böhm vom 20. Okt. 1911, MWG II/7, S.  315–318, hier S.  315. 4 Es handelt sich um Fassung A bzw. A1 des nachfolgend edierten Textes, unten, S.  305–316. 5  Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Otto v. Gierke, nach dem 18. Okt. 1911, in: MWG II/7, S.  304. 6  Vgl. Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Okt. 1911, unten, S.  800.

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Zum Teil auf die Vorhaltungen v. Gierkes hin7 korrigierte Weber diesen Passus sowie andere mit Hilfe des folgenden Leserbriefs.

Zur Überlieferung und Edition Die Zuschrift Max Webers ist als siebenseitiges maschinenschriftliches Manuskript in Durchschrift (A) mit Ergänzungen, Korrekturen, Streichungen und Unterstreichungen von seiner Hand sowie seiner eigenhändigen Unterschrift (A1) in der Personalakte Max Weber im Generallandesarchiv Karlsruhe, Rep.  235, No. 2643, Bl. 109–115, überliefert.8 Max Weber sandte die Durchschrift unter dem Datum 20. Oktober 1911 an den badischen Kultusminister Franz Böhm und versah sie mit dem handschriftlichen Zusatz „Copie“ und dem eingeklammerten handschriftlichen Vermerk „Einschreiben! Eilbote bezahlt! Telegraphische Antwort über ungekürzte sofortige Aufnahme in Briefmarken anbei!“.9 Ein Abdruck der Zuschrift erschien unter der Überschrift „Professor Max Weber-Heidelberg über seine Rede auf dem Deutschen Hochschultag [sic!] zu Dresden“ in der Berliner Tageszeitung: Tägliche Rundschau, Nr.  497 vom 22. Oktober 1911, 2. Beilage, Mo.Bl., S.  2 f. (B). Die Redaktion versah die Zuschrift neben der Überschrift auch mit einer kurzen Vorbemerkung.10 Sie veränderte den Text Max Webers, vor allem durch Hervorhebungen einzelner Wörter und Passagen. Weiterhin ist ein Teilabdruck der Zuschrift in: Germania. Zeitung für das deutsche Volk, Berlin, Nr.  246 vom 25. Oktober 1911, 1. Blatt, S.  [3], überliefert. Er steht unter der Überschrift „Vom Hochschullehrertag“ und wird eingeleitet: „Professor Max Weber-Heidelberg erbittet von unserer Loyalität die Aufnahme folgender Berichtigung, die er in der Tägl. Rundschau veröffentlicht“. Es folgen Ausführungen zu Punkt 1 der Zuschrift, entsprechend der Textwiedergabe in der Täglichen Rundschau.11 Dieser Wiederabdruck wird nicht berücksichtigt. Da die Redaktionen Änderungen vornahmen, folgt die Edition dem von Max Weber bearbeiteten Originalmanuskript (A1). Die Abweichungen des Abdrucks in der Täglichen Rundschau (B) sowie des maschinenschriftlichen 7  Vgl. MWG II/7, S.  304. 8  Den gedruckten Artikel schickte Weber als Beilage zu seinem Brief an Franz Böhm vom 25. Okt. 1911, vgl. MWG II/7, S.  321 f., hier S.  321 mit Anm.  1. 9  Offenbar war dieser Vermerk an die Redaktion der Täglichen Rundschau gerichtet, denn diese antwortete am 21. Oktober 1911 telegraphisch „artikel erscheint morgen rippler“. Vgl. Brief Max Webers an Franz Böhm vom 22. Okt. 1911, MWG II/7, S.  319 f., hier S.  319 mit Anm.  1. 10  Vgl. unten, S.  305, textkritische Anm.  c. 11  Vgl. unten, S.  306, Z.  5–23.

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Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag zu Dresden

Manuskripts (A) werden im textkritischen Apparat ausgewiesen. Davon ausgenommen sind Abweichungen in der Art der Numerierung (1. in Fassung A, A1 und 1) in Fassung B) sowie zeitübliche Abweichungen in der Schreibweise (wie z. B. andren/anderen, anderseits/andererseits, Bürokratie/Bureaukratie, Collegen/Kollegen, in bezug/in Bezug, No./Nr., so viel/soviel, sogen./sogenannte, s. Zt./seinerzeit). Die Fassung A1 weist neben der Archivpaginierung die ursprüngliche maschinenschriftliche Paginierung von 2–7 auf. Diese wird als A, A1 (1), A, A1 2 etc. sigliert.

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aHeidelberg,

den 20. Oktober 1911.

Sehr geehrte Redaktion!a 5

bGesternc

gelangteb Ihr Bericht über eine Rede von mir auf dem Hochschullehrertag in No. 483 1. Beilage vom 14. Oktober in meine Hände.1 Der Bericht enthält eine Anzahl Irrtümer, ewelche übrigens, wie ichf höre, ganz ähnlich in den Berichten anderer Zeitungen2 sich finden sollen unde deren Entstehung teils durch offenbareg Hörfehler, teilweise aber dadurch hsich erklärth, daß bei der unvermeidlichen Zusammenziehung des Gesagten Sätze ausgefalleni sind, welche Ihrem Herrn Referenten ganzj begreiflicherweise unerheblich erscheinen konnten, auf die ichk aber das größte Gewicht legen muß, da ohne ihre Wiedergabe lz. B.l einige besonders hervorragende Gelehrte der mBerliner Universitätm 3 in einem Lichte erscheinen würden, welches ich auch nicht deutschend

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a–a  Fehlt in B.   b A: Soeben gelangt   c  In B geht voraus: Herr Professor Max Weber in Heidelberg ersucht uns um Aufnahme folgender Ausführungen zu seiner kürzlich in Dresden gehaltenen und so viel Aufsehen erregenden Rede. Wie der Herr Verfasser in einem Begleitbriefe hervorhebt, handelt es sich um keine „Berichtigung“, sondern um eine eingehende Darlegung der Punkte, in denen Mißverständnisse vorliegen.  d B: Deutschen  e–e  Fehlt in A.   f  In B folgt: inzwischen  g  Fehlt in A.  h A: entstanden sind   i Hervorhebung fehlt in A, B.   j Fehlt in A, B.    k  Hervorhebung fehlt in A, B.   l  Fehlt in A; B: beispielsweise  m–m  In B hervorgehoben. 1  Weber erhielt den Bericht nach eigenem Bekunden am Donnerstag, dem 19. Oktober 1911. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  302 mit Anm.  3, sowie zum Abdruck des Berichts der Täglichen Rundschau, unten, S.  788 f. 2  Berichte, zum Teil mit wörtlichen Zitaten Webers, die nicht von ihm autorisiert waren, waren in der Vossischen Zeitung, Nr.  513 vom 14. Oktober 1911, im Berliner Tageblatt, Nr.  524 vom 14. Oktober 1911, in der Germania, Nr.  239 vom 17. Okt. 1911, und in der Heidelberger Zeitung, Nr.  244 vom 18. Okt. 1911, S.  1, erschienen. Vgl. dazu Berichte über die Diskussionsbeiträge, unten, S.  789. 3  Gemeint sind die Berliner Professoren Otto v. Gierke und Heinrich Brunner, die in dem Artikel der Täglichen Rundschau namentlich erwähnt wurden. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  302 mit Anm.  6.

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einenn Augenblick unwidersprochen auf ihnen ruhen lassen könnte. Gestatten Sie mir daher, zu den mir wesentlichsten Punkten folgende Bemerkungen oin Ihrem,p in akademischen Kreisen viel gelesenen Blatteo: 1. Es ist in Ihrem Bericht gesagtq: „Als ich von Preußen nach Baden berufen wurde, wurde mir in Baden die ganze Korrespondenz vorgelegt, die Preußen mit dem badischen Ministerium geführt hat, und ich las dort darin, was von Preußenr über mich geschrieben worden war. Der badisches Dezernent fragte mich, wie ich denn von einem Kerl, der solche Briefe über mich geschrieben hat, früher einen Ruf hätte annehmen können.“4 Hier liegt eine einfache Verwechslung tvor. Sowohl das, was ich gesagt habe, wie der Tatbestand verhalten sich genau umgekehrtt. Und zwar folgendermaßen: Eheu meine Berufung nach Baden erfolgte, fand eine Korrespondenz zwischen dem damaligen badischen Dezernenten v, Oberregierungsrat Arnsperger,v 5 und dem damaligenw Geh. Rat Althoffx statt. Der badische Dezernent erkundigte sichy zunächstz danach, ob gewisse Angaben über meine Berliner Einkommensverhältnissea, welche ich der Freiburger Fakultät auf Wunsch gemacht hatte, sich tatsächlich so verhielten. Geh. Rat Althoff legte mir  diese Anfrage vor und knüpfte daran die Frage: Ob ich von einem „Kerl“, welcher in meine Angaben Zweifelb setze, einen Ruf in Ehren annehmen zu können glaube. – Der badische Dezernent führte cein anderes Malc aus, daß die Regierung in Baden wohl in die Lage versetzt werden würde, dem wiederholten Drängen der Freiburger Fakultät,d mich zu berufen, nachzugeben, daß aber die und die erein sachlichene Bedenken (das einzelne führtf ghier wohlg

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n  In B hervorgehoben.  o–o  Fehlt in A.   p  Komma fehlt in B.   q B: als Äußerung von mir wiedergegeben   r  Hervorhebung fehlt in A.   s  Hervorhebung fehlt in A.   t–t B: vor, sicherlich infolge eines Hörfehlers. Der Tatbestand verhält sich genau umgekehrt  u  In B hervorgehoben.  v–v  Fehlt in B.   w  In B folgt: preußischen Dezernenten,   x B: Althoff,  y  A, A1: 〈[??]〉    z B: einmal  a  In B hervorgehoben.  b  In B hervorgehoben.  c A: in einem anderen Falle   d  Komma fehlt in A, A1.  e B: (rein sachlichen)   f B: führte  g  Fehlt in A. 4  Vgl. den Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Okt. 1911, unten, S.  796, dort mit anderen Hervorhebungen. 5 Ludwig Arnsperger, war 1893/94 mit Webers Berufung nach Freiburg befaßt. Zu Webers Berufung im einzelnen vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Franz Böhm, MWG II/7, S.  284 f.

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zu weit) gegenh meine Berufung bestehen könnten, insbesondere die Frage, ob ichi nicht besser täte, in Berlin zu bleiben. Geh. Rat Althoff knüpfte daran die Frage, ob ich von einem j„Menschen“j, der den k„animus non possidendi“k 6 in Bezug auf mich an den Tag lege undl derart mit ihm über mich korrespondiere, eine Berufung annehmen zu könnenm glaube?n Ich hatte im ersten Fall erwidert, daß ich in der Bitteo um amtliche Bestätigung der Angaben eines Privatmannes nicht unbedingtp etwas für mich Beleidigendes finde, im zweiten Falle:q daß rin denr betreffenden sAusführungen, das sie nur denjenigen Bedenken entsprächen, welche tich selbstt der Freiburger Fakultät, als sie mir von ihrer Absicht, mich vorzuschlagen, Kenntnis gab, mitgeteilt hätte,u etwas Beleidigendes sicherv nicht liege, im übrigenw für mich das Vertrauen der Kollegenx, mit denen ich zusammen zu arbeiten hätte, in erster Linie zu stehen yhaben würdey.z Ich habe auf dem Hochschullehrertage nicht diese Einzelheiten, die ich noch vervollständigen könnte, sondern lediglich die Tatsache, daß mir von dem preußischen Dezernentena Briefe, welche sein badischer Kollege über mich an ihn schrieb, im Original bmit jenenc despektierlichen Glossen (und: der Frage: was er ddenn nurd meiner Ansicht nach antwortene solle?)b zur Durchsicht gegeben wurden,f 7 mitgeteilt, um daran zu illustriereng, in welcher Weise die anderen deutschen Universitätsverwaltungen, dieh – wie  auch Ihr Bericht wiedergibt – von Preußen im Wege des bekannten Kartell-

h  In B hervorgehoben.   i  Hervorhebung fehlt in A.   j–j  Anführungszeichen fehlen in A.   k–k  Anführungszeichen fehlen in A; In B hervorgehoben.  l  In B folgt: überhaupt  m B: könne  n  A, B: glaube. In B folgt ein Absatz.   o  In B folgt: an eine Behörde   p  In B hervorgehoben.  q B: Falle erwiderte ich,    r  A, B: die    s B: Ausführungen – zumal   t  In B hervorgehoben.  u A: hatte, ; B: hätte, −   v Fehlt in A, B.   w In B folgt: aber  x Hervorhebung fehlt in A.   y–y B: habe  z  In A folgt: Geh.Rat Althoff erwiderte: ungefähr: wörtlich: Der Mann will ja von mir eine Ablehnung von Ihnen vermittelt haben: Ich werde ihm schreiben, er möge Sie nur berufen. In B folgt: Das Weitere interessiert für die Aufhellung des Mißverständnisses nicht.   a In A folgt: die  b–b Fehlt in A.   c In A1 folgt: 〈mich sehr〉    d  Fehlt in B.   e  Hervorhebung fehlt in B.   f  In B folgt ein Gedankenstrich.  g  Hervorhebung fehlt in A, B.   h A: welche, ; A1, B: die, 6  Lat.: der Wille, nicht zu besitzen. 7  Zu den drei von Ludwig Arnsperger an Friedrich Althoff in der Berufungssache Weber überlieferten Briefen vgl. die Erläuterung zum Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  288, Anm.  5.

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verhältnisses8 sehr stark beeinflußt iworden seien,i und, soviel ich jwisse, noch würden, ihrerseits von Althoff behandelt worden wären. –j Im Schlußpassus Ihres Berichtes ist nunk gesagt:l ich hätte m„hoch und heilig versichert“m, ndiese Dingen durch Briefeo belegen zu können.9 Das war ein Hörfehlerp: Wie mir die Anwesenden bestätigen qmüßten, soweitq sie genau gehörtr habens, habe ich tim Gegenteilt gesagt, daß von einem u„dokumentarischen“u Beweise dieser rein persönlichen Unterredung nur in dem Sinne die Rede sein könne, daß ich den Inhaltv dieser Briefe dem Sinne nach ziemlich genau wiederzugeben in der Lage sei. Ob sich diese wwegen des badischen Herrn Dezernentenw auf Oktavbriefpapier eigenhändig geschriebenen Briefex bei den amtlichen Akten befinden oder von Geh. Rat Althoff als private Korrespondenz behandelt worden sind, kann ich nicht wissen. y(Zu meinem großen Bedauern erfuhr ich (erst jetzt), daß der betreffende frühere badische Dezernent, der nachherz ein andres Amt übernahm, ebenfalls verstorben ist.)y10 2. Der zweitea Punkt betrifft folgenden Satz Ihres Berichtes: „Es ist so weit gekommen, daß infolge der taktlosen und dreisten Art, mit der der Dezernent des Kultusministeriums auf diese persön­lichen Verhältnisseb (von mir zu meinem, damalsc dem Abgeordnetenhause angehörigen Vater) Bezugd nahm, mein Vater i A: wurden  j–j A: weiß, noch werden, ihrerseits von Althoff behandelt wurden. ; B: wisse, noch würden, ihrerseits von Preußen behandelt worden wären. In B folgt ein Absatz.  k  Fehlt in A.   l  A, B: gesagt,  m–m  Anführungszeichen fehlen in A.   n A: diesen Fall   o  In B hervorgehoben.  p  In B hervorgehoben.  q B: müßten (soweit   r A: zugehört  s B: haben)  t–t  Fehlt in B.   u–u Anführungszeichen fehlen in A.   v  In B hervorgehoben.  w–w  Fehlt in A, B.   x  In B folgt: des Herrn Oberregierungsrat Arnsperger  y–y  Fehlt in A.   z B: später  a  In B hervorgehoben.  b B: Verhältnisse“  c  Fehlt in A.   d B: „Bezug 8  Anspielung auf die von dem preußischen Ministerialdirektor Friedrich Althoff initiierte Hochschulreferenten-Konferenz, die erstmals am 25. Juni 1898 in Eisenach zusammentrat. Vgl. dazu Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  402, Anm.  14. Zur Wiedergabe im Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Okt. 1911 vgl. unten, S.  795. 9  Im Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Okt. 1911, unten, S.  802, war Weber mit der Aussage: „Ich kann alles mit Briefen belegen“, wörtlich zitiert worden. In Webers autorisierter Rede im Protokoll des IV. Hochschullehrertages, unten, S.  394–410, fehlt diese Aussage. 10  Ludwig Arnsperger war bereits am 17. Juli 1907 verstorben. Vgl. dazu auch den Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  288.

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sein eMandat in der Budgetkommissione des Abgeordnetenhausesf niedergelegt hat.“11 Ich bemerke dazu gzur Präzisierungg: Mein Vater hatte ein Referat über Teile des Budgets.12 Nachdem Geh. Rat Althoff bei einem parlamentarischen Abend ihm gegenüber darauf angespielt hatte, daß mein Vater doch über die Erwünschtheit der Bewilligung einer hbestimmten (hier wohl nicht interessierenden)h neu geforderten nationalökonomischeni Professur dochj michk l(damals Privatdozent)l befragen möge, ehe er zuließe, daß die nationalliberale Fraktion diese Professur m(wie sie, angeblich, beabsichtigen)m ablehne, erklärte mir mein Vater nach eingehender Rücksprache und mit meiner lebhaften Zustimmungo, daß er weiterhin diesp Referatq nichtr mehr zu übernehmen sich in der Lage fühle.13 Die Äußerung Althoffs war formells so gefaßt, daß ein direktes Vorgehen tgegen ihnt nicht möglich war,  sachlich ihrem Sinne nach aber unmißverständlich. Ich lege Gewicht darauf, den Vorfall hier etwas ausführlicher wiederzugeben, damit ukeine Zweideutigkeitu bleibt. 3. Ihr Bericht erwähnt folgende Äußerung von mir: „Auch mir hat man seinerzeit zugemutet, einen Reversv14 zu unterschreiben, in dem mir ein geheimer Lehrauftrag angesonnen wurde. Als ich fragte warum, da sagte man mir, der Lehrauftrag müsse geheim bleiben, weil sonst die Professoren Brunnerw und Gierkex gegen e  In B hervorgehoben.  f  A, A1: Angeordnetenhauses  g  Fehlt in A.   h–h Fehlt in A.   i Hervorhebung fehlt in A; B: (nationalökonomischen)  j Fehlt in A.   k Hervorhebung fehlt in A.   l Fehlt in A.   m–m Fehlt in A.   n B: beabsichtigt  o  In B hervorgehoben.  p  A, A1: 〈[??]〉    q  A, A1: 〈[??]〉    r  In B hervorgehoben.  s Fehlt in A.   t In B hervorgehoben.  u–u In B hervorgehoben.   v  In B hervorgehoben.  w  In B hervorgehoben.  x  In B hervorgehoben. 11  Vgl. Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Okt. 1911, unten, S.  799, dort mit anderer Hervorhebung. 12  Vgl. Weber, Deutscher Hochschullehrertag, oben, S.  300, Anm.  2. 13 Einem Bericht der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, Nr.  256 vom 31. Okt. 1911, S.  2, zufolge, hatte Max Weber sen. sein Referat nicht zurückgegeben: „Der genannte Abgeordnete ist nach zehnjähriger Pause im Januar 1893 wieder in die Budgetkommission eingetreten und hat derselben bis zu seinem Tode im Sommer 1897 angehört. Er hat in dieser ganzen Zeit stets dieselben Referate gehabt, die sich auf das Elementarschulwesen, auf das höhere Schulwesen und die geistigen Angelegenheiten bezogen. Ein Referat über die Universitätsverwaltung hat er, beiläufig bemerkt, niemals gehabt.“ Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  346, Anm.  18. 14  Vgl. dazu Weber, Über das „System Althoff“, unten, S.  320.

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meine Ernennung stimmen würden. Es wurde mir also eine direkte Unanständigkeit angesonnen.“15 yDas ist unvollständig und nicht ganz genau.y Ich hatte in der zDresdener Redez hinzugefügt, daß ich die Unterzeichnung desa Reverses, germanistische Vorlesungen16 neben den lehrauftragsmäßigen halten zu müssenb, abgelehnt und bezüglich der Geheimhaltung cund ihrer Gründe Herrn Althoffc bemerkt hatte, daß die beiden Herrend Brunner und Gierkee in der Fakultät ja bereits fürf meine Ernennung gestimmt hätteng, hobwohl sieh i(und ebenso der Dekan)i durch mich bereits darüber jgenau unterrichtet gewesenj seien, daß ich jene Vorlesungen zu halten beabsichtigek.17 Geh. Rat Althoff erklärte daraufhin: dann erledige sich ja die Sache, und machte sich einige Bleistiftnotizen.l Ich habe den Vorfall in der Verhandlung erwähnt, um zu verdeutlichen, in welcher Art meine so menschenverachtendem Einschätzung selbst unserer bedeutendsten Gelehrten undn der Umstand, daß solche Unterstellungeno einem ihrerp jungen qBerliner Collegen vom Dezernenten für Personalienq vorgetragen wurden, korrumpierendr auf den Charakter des Nachwuchses zu wirken  geeignet swar. Zugleich aber auch, ums zu erläutern, in welcher Weise tz. B.t y–y  Fehlt in A.   z A: Verhandlung  a B: eines  b A: wollen  c–c  Fehlt in A.  d B: Germanisten  e  In A folgt: – von denen ich hier wohl nicht zu bemerken brauche, daß ich sie gegenüber einer so niedrigen Einschätzung einer ausdrücklichen Inschutznahme für nicht bedürftig halte,   f  Hervorhebung fehlt in A, B.   g Hervorhebung fehlt in A, B.   h A: obwohl sie ; B: obwohl sie   i  Klammern fehlen in A.  j A: genau unterrichtet   k  In B hervorgehoben.  l  In A folgt: Der ganze Vorfall spielte sich ab, nachdem die Fakultät bereits ihre Zustimmung gegeben hatte und Geh.Rat Althoff hatte nicht gesagt: die Herren würden gegen jene Ernennung stimmen, sondern sie würden, wenn er meinen Lehrauftrag auf Germanistik ausgegeben hätte, dagegen gestimmt haben. In B folgt ein Absatz.   m A: die menschenverachtende  n  In B folgt: vollends  o A: Dinge  p  Fehlt in A.   q–q A: Manne, wie ich es damals war,   r Hervorhebung fehlt in A.   s A: war und um zugleich  t  Fehlt in A.   15  Vgl. Bericht der Täglichen Rundschau vom 14. Okt. 1911, unten, S.  800, dort mit anderen Hervorhebungen und einer Abweichung. 16  Weber gebraucht hier die heute veraltete Bezeichnung „Germanist“ für einen Juristen auf dem Gebiet des deutschen und germanischen Rechts. 17  In dem von Weber autorisierten Abdruck seiner Rede erscheint diese von Gierke kritisierte Stelle so: „Man hat mir, als ich Extraordinarius wurde[,] einen geheimen Lehrauftrag angesonnen, und als ich nach dem Grunde fragte, wurde mir gesagt, weil die beiden in Betracht kommenden Ordinarien gegen meine Ernennung zum Extraordinarius stimmen würden.“ Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  407.

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der sogen. uFall Bernhardu18 entstanden ist. Denn vnichts anderesv als der Umstand, daß Prof. Bernhard die, vom kollegialen Standpunkt angesehen, Unanständigkeit der Zumutung von Schweigepflichten bei weinem die Rechte der Universität verletzenden Versprechen der Regierung nicht sofortw erkannt hat, hat xihn in konsequenter Entwicklungx in jene yäußere und innerey Situation gebracht, um welche ihn, bei allem z„Glanz“z dera Stellung, doch sicherlich bkein Kollege beneiden wird. −b cDamit genug.c Sie gestatten mir daber wohld noch zweie Bemerkungen: Es war selbstverständlich nichtf angenehm,g in einer öffentlichenh Versammlung fortwährend ivon mir selbsti reden zu müssen. Allein es liegt auf der Hand, daß ich die zahllosen ähnlichen Erlebnisse Dritterj, welche ich vertraulichk kenne, unter schlechterdings lgar keinenl Umständen und auch auf die Gefahr hin, daß Leute, die mich nicht kennen, mirm nicht glauben, jemals öffentlich oder privatim zur Sprache bringen kann, daß ich auch nicht einmal einen Druck auf sie ausüben könnte,n mir dies zu gestatten. Man könnteo ferner fragen: Warum ich denn diese Dinge nicht zu Althoffs Lebzeitenp zur Sprache gebracht habe? Hierauf bemerke ich: Als das bekannte q„Althoff-Diner“q19 veranstaltet

u  In B hervorgehoben.  v  Hervorhebung fehlt in A.   w–w A: geheimen Versprechungen nicht   x–x B: ihn, in konsequenter Entwicklung,  y  Fehlt in A.   z–z Anführungszeichen fehlen in A, B.   a  In A, B folgt: äußeren  b A: kein Kollege beneiden wird. ; B: kein Kollege beneiden wird.  c  Fehlt in A.   d  Fehlt in A.   e In B hervorgehoben.  f Hervorhebung fehlt in A, B.   g Komma fehlt in A, A1.   h  In B hervorgehoben.  i A: von mir selbst ; B: von mir selbst   j  In B hervorgehoben.  k  In B hervorgehoben.  l  Hervorhebung fehlt in A.   m Hervorhebung fehlt in A.   n A: kann  o A: kann  p  In B hervorgehoben.  q A: AlthoffDiner ; B: „Althoff-Diner“ 18  Vgl. dazu dem Editorischen Bericht zu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–77. 19  Am 5. Januar 1902 luden führende Berliner Professoren, u. a. Gustav Schmoller, Adolf Harnack und Hans Delbrück, zu einer Solidaritätsveranstaltung in Form eines Festessens für Friedrich Althoff ein. Auslöser für diese Veranstaltung war der sog. Fall Spahn. Nach der Aufteilung des Lehrstuhls für Mittelalterliche und Neuere Geschichte an der Universität Straßburg in ein katholisches und ein protestantisches Ordinariat war der Bonner katholische Historiker Martin Spahn im Oktober 1901 gegen den Willen der Straßburger Philosophischen Fakultät berufen worden. Diese Berufung löste große Widerstände in der ganzen deutschen Gelehrtenwelt aus, die Theodor Mommsen in einem Aufsatz über die Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft kritisch zusammen­faßte. Der Straßburger Ordinarius für Archäologie, Adolf Michaelis, ver-

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wurde, habe ich mit verschiedenen Kollegen darüber konferiert,20 ob man nicht diese und zahlreiche ähnliche Dinge zur Sprache bringen soller, um dens von Prof. Schmollert als u„unerhört“u bezeichneten Angriff des verstorbenen Prof. Michaelisv auf das Althoffsche System21 w(der ja in einzelnen Punkten fehlgriff, bezüglich der Menschenbehandlung aber nach unserer Überzeugung das Richtige traf),w gegen jene Bemerkung in Schutz zu nehmen (ich bemerke vorsichtshalberx, daß Prof. Michaelisy mir damals persönlich völlig unbekannt war). Wir kamen zu dem Resultat, zdaß trotz allemz Althoff seinen avoraussichtlichen Amtsnachfolgern vorzuziehena seib und daß man deshalb calle solchec Dinge jetzt auf sich beruhen lassen sollte. Wenn ich jetztd mich entschlossen  habe, die von mir s. Zt. öffentlich gegen die Auslieferung der zukünftigen Frankfurtere Hochschule an die preußische Bürokratie erhobenen Bedenken,22 von denen man damals gesagt hat, sie müßten durch Beispiele gestützt werden, durch einige solche aus eigenerf Erfahrung zu illustrieren, so ist dafür einerseits der Umstand maßgebend gewesen, daß der preußische Herr Kultusministerg, der dochh erst seit rechti kurzer Zeit in sein Amt eingetreten ist, sich dennochj berechtigt glaubte, kin Breslauk öffentlich r A: soll  s  A, A1, B: dem  t  In B hervorgehoben.  u–u Anführungszeichen fehlen in A.   v  A, A1: Michaeli ; B: Michaelis  w–w A: der Menschenbehandlung, der in einzelnen Punkten fehlgriff, in anderen aber nach unserer Überzeugung das Richtige traf ; B: (der in einzelnen Punkten fehlgriff, in anderen aber nach unserer Überzeugung das richtige traf)   x Fehlt in A.   y A, A1: Michaeli  z B: daß, trotz allem,  a–a  Hervorhebung fehlt in A.   b B: sei,  c A: diese  d Hervorhebung fehlt in A.   e  In B hervorgehoben.  f  In B hervorgehoben.  g  In B hervorgehoben.  h A: ja  i  Fehlt in A; B: recht  j  Fehlt in A.   k  Fehlt in A. schärfte und personalisierte diese Kritik in einem polemischen Artikel, in welchem er heftige Angriffe gegen Friedrich Althoff richtete. Er schrieb u. a.: „Überall treten einem Beispiele und Fälle entgegen von den dabei beliebten Mitteln: Grobheiten, Einschüchterungen, Drohungen, Reverse, die die Freiheit des Berufenen einschränken oder seine Interessen schädigen, Strafprofessuren usw. Von einem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Universitäten und der Unterrichtsverwaltung ist kaum mehr die Rede, bürokratische Gewalt ist an die Stelle der einst freien und blühenden Selbstbestimmung getreten.“ Zitiert nach Sachse, Arnold, Friedrich Althoff und sein Werk. – Berlin: E. S. Mittler & Sohn 1928, S.  143. 20  Mit welchen Kollegen sich Max Weber beraten hatte, ist nicht nachgewiesen. 21  Vgl. oben, S.  311, Anm.  19. 22  Max Weber hatte seine Meinung über die Umwandlung der Frankfurter Akademie in eine preußische Universität öffentlich dargelegt und dabei das „System Althoff“ angegriffen. Vgl. Weber, Votum, oben, S.  287–297.

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seinel Bürokratie m, und gar nach dem, was im vorigen Jahre passiert war,m 23 auf Kosten der Universitäten herauszustreichenn.24 Andererseits aber war dafür maßgebend die Art des Vorgehens der preußischen Unterrichtsverwaltung gegen drei hervorragende Berliner Kollegen imo Falle Bernhard.p 25 Es ist qm. W. unwidersprochenq festgestellt, daß Beamte des Unterrichtsministeriums reinem Teil derr Presse ihnen nurs amtlicht bekanntes Material bekannt gegeben haben für einen Preßfeldzug uvon, wie sie wissen mußtenu[,] schnödestervArt gegen jene drei Kollegen. wEs bezweifelt in Berlin xNiemand, den ich kennex, daß diey Herren des Unterrichtsministeriums denz Herrn Prof. Bernhard zu demjenigen Verhalten, welches von dem eingesetzten Schiedsgericht als Wortbruch bezeichnet werden mußte,26 angestifteta oder allermindestens ihn l A: die  m–m Fehlt in A.   n In B hervorgehoben.  o In A folgt: sogen.   p In B folgt ein Absatz.   q–q A: unwidersprochen ; B: (m. W. unwidersprochen)   r–r A: der Scherl’schen ; B: einen Teil der   s  Fehlt in A.   t  Hervorhebung fehlt in A.  u–u Fehlt in A.   v Hervorhebung fehlt in A.   w–w (S.  314) Fehlt in A.  x B: niemand mehr, der die Vorgänge kennt  y Fehlt in B.   z Fehlt in B.  a  In B hervorgehoben. 23  Anspielung auf den „Fall Bernhard“, vgl. dazu unten, Anm.  24 und Anm.  25. 24  Gemeint ist die Rede des preußischen Kultusministers August von Trott zu Solz anläßlich der Hundertjahrfeier der Universität Breslau im August 1911. Der Minister betonte das Recht des Staates, die Freiheit von Forschung und Lehre zu schützen. Deshalb sei dem preußischen Staate die freie Besetzung der Lehrstühle vorbehalten. Daneben bliebe freilich der sachverständige Rat der Fakultäten unentbehrlich. Es handele sich dabei nicht um eine staatliche Machtfrage, sondern um eine Sachfrage im Interesse der Universitäten. Vgl. die Erläuterung zum Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  292 f., Anm.  13. 25  Gemeint sind die drei Berliner Professoren Gustav Schmoller, Adolph Wagner und Max Sering, die bei Bernhards Berufung auf den vierten nationalökonomischen Berliner Lehrstuhl nicht beteiligt wurden (vgl. dazu auch Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–85). Bernhard genoß die Protektion des Kultusministeriums. In der Spätphase der Affäre 1910/11 forderten die drei den Minister August von Trott zu Solz auf, die Berufung Bernhards rückgängig zu machen. Vgl. vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung (wie oben S.  80, Anm.  7), S.  132 f. 26  Ludwig Bernhard hatte, um die Erregung nach seiner unerwünschten Berufung im Jahre 1908 zu glätten, intern auf das Recht verzichtet, turnusmäßig die Hauptvorlesung zu halten, die aufgrund der mit ihr verbundenen Kolleggelder als das Privileg der Ordinarien betrachtet wurde. Bernhard blieb jedoch nicht bei seinem Versprechen, sondern kündigte im Einvernehmen mit dem Kultusministerium 1910/11 eine konkurrierende Hauptvorlesung an. Das zur Lösung dieses Konfliktes eingesetzte akademische Schiedsgericht bestand aus einer Fünferkommission (Otto v. Gierke, Adolf v. Harnack, Wilhelm Kahl, Walther Hermann Nernst, Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff). Vgl. vom Bruch, ebd., S.  131, Anm.  292.

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bestärktb haben, – undc daß dann dieselbe Instanzd sich für berufen hielt, in einer Sache, wo sie Partei war, den Richter zu spielen.w Es steht fernere fest, daß die preußische Unterrichtsverwaltung staatlichef Gelder dazu benutzt hat, um durch Bezahlung vong objektiv h, nach der Ansicht Bernhards,h inicht unentbehrlichen Vorlesungsinserateni einerseits,j durch Entziehungk der gleichenl Inserate mandererseits, unabhängige Organe zu züchtigen und Reptile27 zu subventionierenm, welche es als ihre Aufgabe ansahenn, den Professoren, welche obeno unbequem wurden, in den Rücken zu fallen.p Ich habe qtrotzdem ausdrücklichq weder die Personen des Herrn Kultusministersr und seiner Beamten, noch deren berufliche Gewissenhaftigkeit sangreifen zu wollen erklärts, sondern lediglich den Fortbestand eines Systemst, welches in ihren Händen alleu Schwächen und keinev der wauch von mirx anerkanntenw Stärken an sich trägt, die es in den Händen seines genialeny Begründers, des Geh. Rats zAlthoff besaßz. Daß ich auch adiesem Herrna menschlich und beruflich voll gerecht geworden bin, ergibt Ihrb Bericht.  Meine persönliche Ansicht über sein Systemc aber kannte Herr dAlthoff, –d den ich freiwillige niemals aufgesucht fhabe, – genauf, sowohl durch eine direkte Bemerkung von mir gleich bei dem ersten eingehenderen Gespräch, wie durch den Dekan der Berliner juristischen Fakultät, den ich gebeten hatte, ihm das absolut Unmögliche einiger Bemerkungen gvon ihmg (über gleichaltrige

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b B: in diesem Verhalten bestärkt  c  In B hervorgehoben.  d  In B hervorgehoben.  w  (S.  314)–w Fehlt in A.  e In B hervorgehoben.  f Fehlt in A.   g A: unnötiger ; fehlt in B.   h Fehlt in A.   i–i A: nicht unentbehrlicher Vorlesungsinserate ; B: nicht unentbehrlicher Vorlesungsinserate  j In B folgt: und   k  Hervorhebung fehlt in A, B.   l  In B hervorgehoben.  m–m A: an einer Stelle, wo sie am Platze war, andererseits, unabhängige Männer, welche nicht der gleichen Meinung waren wie sie selbst, zu züchtigen und 〈[??]〉 zu subventionieren ; B: andererseits, hier unabhängige Männer, welche nicht der gleichen Meinung waren wie sie selbst, materiell zu züchtigen, Reptile zu subventionieren  n A: ansehen  o Fehlt in A.   p  A, A1: 〈[??]〉    q  Fehlt in A, B.   r A: Kultusminister  s A: angegriffen  t In B hervorgehoben.  u Hervorhebung fehlt in A.   v Hervorhebung fehlt in A.   w–w  Fehlt in A.   x  In B folgt: ausdrücklich  y  In B hervorgehoben.  z–z A: Althoff, wie ich anerkannt habe, gezeitigt hat   a–a B: Herrn Althoff   b In A folgt: eigener  c  Hervorhebung fehlt in A.   d A: Althoff, ; B: Althoff −   e Hervorhebung fehlt in A.   f A: habe, genau ; B: habe − genau  g  Fehlt in A.   27  Kriechtier, fig. Kriecher. Mit den Mitteln aus seinem „Reptilienfonds“ korrumpierte Bismarck Zeitungen.

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Kollegen von mir) und seines ganzen Verhaltens noch wirksamer klar zu machen, als ich es selbst schon zu tun versucht hatte, wie endlich durch einen drittenh, ihm persönlich nahestehenden Herrn.28 Seine fast grotesken Antworten in solchen Fällen – mir persönlich ist er niei direkt zu nahe getreten – habe ich Freunden oft zur Belustigungj erzählt; sie gehören nicht hierher. Man mußte schließlich persönlichk ihn nehmen, wie er war, und ich habe ihm persönlichl beim Abschied sehr warm schriftlich für alle Förderung gedankt,m ohne deshalb sein Systemn verzeihlichero zu finden, welches mir, wie er wußte, unerträglich war. Sein entscheidender Fehler war die prücksichtslose Bekundungp einer absoluten Menschenverachtungq: daß für rderen Entstehungr auch so manches, was innerhalb der Universitäten passiert war, mit verantwortlich gewesen sei, dies habe ich in Dresden sunter lebhafter Zustimmung der Anwesendens betont. Aber ich mußte allerdings zugleich zum Ausdruck bringen: es geht, wie andere, in Universitätssachen genau ebensogutt und heute besseru verwaltete,v Staaten beweisen, wauch ohnew jene xeigentümlich „verschmitzte Tücke“x, welcher so ziemlich jedermann von seiner Seite ausgesetzt war, für welche ich in Dresden ein in Ihrem Bericht nicht erwähntes y(und sachlich gleichgültiges)y Beispiel29 anführte und welche den Charakter des Nachwuchses wahrlich znicht günstigz beeinflussen konnte. Denn – um ein Mißverständnis des Herrn Kollegen Kaufmann30 zu beseih  A, A1, B: Dritten; in B hervorgehoben.   i  Hervorhebung fehlt in A.   j  In B hervorgehoben.  k  Hervorhebung fehlt in A.   l  Hervorhebung fehlt in A.   m B: gedankt –   n In B hervorgehoben.  o A: verzeihlich  p A: rücksichtslose ­Bekundung ; B: rücksichtslose Bekundung   q  In B hervorgehoben.    r A: diese   s–s  Hervorhebung fehlt in A.   t  In B folgt ein Komma.   u  In B folgt ein Komma.  v  Komma fehlt in A, B.   w–w  Hervorhebung fehlt in A.   x A: eigentümliche „verschmitzte Tücke“ ; B: eigentümlich „verschmitzte Tücke“  y–y Klammern fehlen in A, B.   z  In B hervorgehoben. 28  Um wen es sich handelte, ließ sich nicht ermitteln. 29  Ein solches Beispiel ist auch in dem von Weber autorisierten Protokoll seiner Rede nicht enthalten. Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410. 30  Auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden hatte der Breslauer Professor Georg Kaufmann Max Weber wegen seiner scharfen Ausdrucksweise Althoff betreffend kritisiert. Er sagte: „Ich muß Protest erheben gegen den Ausdruck, der dem Kollegen Weber entfallen ist, daß in Preußen eine unreine Luft herrsche. In Preußen herrscht eine scharfe Luft, und es herrschen viel kleinliche Dinge, und es ist viel durch Althoff geschehen, was nicht hätte geschehen sollen. Aber das Schlimmste, was von

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tigen – im Verkehr mit den Ministeriena (von diesenb sprach ich cja alleinc) fühlte ich mich allerdings in Baden d„in sauberer Luft“d. eMit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Webere

a  In B hervorgehoben.  b  Hervorhebung fehlt in A.   c–c  Fehlt in A.   d A: in sauberer Luft ; B: „in sauberer Luft“  e  Fehlt in A, B. ihm ausgegangen ist, ist ausgegangen von der Sorge vor dem Ansturm ungeeigneter Persönlichkeiten.“ Vgl. Verhandlungen des IV. HT, S.  80.

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[Über das „System Althoff“] [Zuschrift vom 25. Oktober 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Mit der nachfolgend edierten Zuschrift vom 25. Oktober 1911 reagierte Max Weber auf eine „Notiz der ‚Norddeutschen Allgemeinen Zeitung‘“ vom 24. Oktober,1 die seine Aussagen zum System Althoff beim IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden „auf ein rein persönliches Gebiet“ gezogen habe.2 In der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung hieß es: „Der Heidelberger Honorarprofessor Herr Dr. Max Weber hat nach von ihm nicht beanstandeten Zeitungsnachrichten es kürzlich in einer öffentlichen Versammlung von Hochschullehrern in Dresden unternommen, das Andenken an den verewigten Ministerialdirektor Exzellenz Althoff durch heftige Angriffe zu trüben. […] Solche Angriffe können die hohen Verdienste Althoffs um die preußischen Universitäten und die ihm über den Tod hinaus in weiten Kreisen gewidmete Verehrung nicht schmälern; sie fallen auf den Angreifenden zurück.“3 Außerdem war in dem Artikel ein Brief Althoffs vom 19. Februar 1894 an den badischen Dezernenten Ludwig Arnsperger Max Weber betreffend abgedruckt.4 Zur „Richtigstellung“ schickte Weber seine Zuschrift nicht nur „an eine Anzahl von Zeitungen“, sondern auch an den badischen Kultusminister Franz Böhm.5 Die Frankfurter Zeitung, die direkt am 24. Oktober über den Artikel in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung berichtet hatte,6 druckte Webers Zuschrift am 27. Oktober 1911 ab,7 während sie in der Vossischen Zeitung

1  Anonym, [ohne Titel], in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Nr.  250 vom 24. Okt. 1911, 3. Mo.Bl., S.  2. 2  So Weber in seinem Brief an Franz Böhm vom 25. Okt. 1911, MWG II/7, S.  321 f., Zitat: S.  322. 3  Wie oben, Anm.  1. 4  Zum Wortlaut des Briefes vgl. Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  286. 5  Wie oben, Anm.  2. 6  Anonym, [ohne Titel], in: Frankfurter Zeitung, Nr.  295 vom 24. Okt. 1911, 3. Mo.Bl., S.  2. Dieser Artikel wurde in der redaktionellen Vorbemerkung zu Webers Zuschrift erwähnt (vgl. unten, S.  319, textkritische Anm. a zu Fassung B1). 7  Unten, S.  319–324.

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Über das „System Althoff“

einen Tag später erschien.8 Es ist nicht bekannt, ob Max Weber seine Zuschrift direkt an die Norddeutsche Allgemeine Zeitung geschickt hat. Ein Abdruck findet sich dort jedenfalls nicht.

Zur Überlieferung und Edition Max Webers Zuschrift liegt in drei von ihm namentlich gezeichneten Fassungen vor. Die Durchschrift eines vierseitigen maschinenschriftlichen Manuskripts (A) mit handschriftlichen Unterstreichungen, Korrekturen und Ergänzungen von seiner Hand sowie seiner eigenhändigen Unterschrift (A1) befindet sich in der Personalakte Max Weber im Generallandesarchiv Karlsruhe, 235/2643, Bl. 129–132. Es trägt das Datum 25. Oktober 1911 und wurde von ihm mit einem Brief vom selben Tag an den badischen Kultusminister Franz Böhm übersandt.9 Diesen Text schickte Max Weber auch an verschiedene Zeitungen. Zwei Abdrucke der Zuschrift sind überliefert und erschienen unter der Überschrift „Max Weber über das ‚System Althoff’“ in der Frankfurter Zeitung, Nr.  298 vom 27. Oktober 1911, Ab.Bl., S.  2 f. (B1), bzw. unter der Überschrift „Die Reverse des Kultusministeriums“ in der Vossischen Zeitung, Nr.  539 vom 28. Oktober 1911, S.  2 (B2). Da die Redaktionen Änderungen vornahmen, folgt die Edition dem von Max Weber bearbeiteten Originalmanuskript (A1). Die meist nur formalen Abweichungen in der Frankfurter Zeitung (B1) und in der Vossischen Zeitung (B2) sowie die zahlreicheren Abweichungen des maschinenschriftlichen Manuskripts (A) werden im textkritischen Apparat ausgewiesen. Nicht nachgewiesen werden die unterschiedlichen Gliederungszeichen (1., 2. im maschinenschriftlichen Manuskript und der Frankfurter Zeitung, aber 1), 2) in der Vossischen Zeitung) sowie unterschiedliche Schreibweisen (z. B. jahrzehntelang/Jahrzehntelang, z. Zt./zur Zeit, äußerstenfalls/äußersten Falls). Die Seitenzählung läuft unter den Siglen marginal mit. Bei der Fassung A, A1 wurde nicht die Archivzählung, sondern die ursprüngliche maschinenschriftliche Paginierung zugrunde gelegt. Diese setzt mit Seite 2 ein, so daß die Siglierung als A, A1 (1), A, A1 2 etc. erfolgt. Die Fassung A, A1 weist außer der Anrede „Sehr geehrte Redaktion!“ keine eigene Überschrift auf, so daß die Überschriften in den Zeitungsabdrucken von den Redaktionen stammen dürften. Vom Editor wurde in Anlehnung an die Frankfurter Zeitung eine Überschrift gebildet.

8  Unten, S.  319–324. 9  Wie oben, S.  317, Anm.  2.

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[Über das „System Althoff“] aHeidelberg,

den 25. Oktober 1911.a

A, A1 (1) [B1 2] [B2 2]

Sehrb geehrte Redaktion!

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Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“1 sucht meinen Angriff auf das in wichtigen Punkten bei der preußischen Unterrichtsverwaltung noch heute fortbestehende, meines Erachtens kor­ rum­ pierende,c dSystem der Menschenbehandlungd als einen persön­ lichene Angriff gegen den verstorbenen Geh. Rat Althofff hinzustellen und dadurch die Angelegenheit von der Gegenwart in die Vergangenheit und von den Zuständen auf das rein persönliche Gebiet zu spielen. Sie publiziert zu diesem Zweck einen mir, nicht seinem speziellen Inhalt, wohl aber seiner Existenz und seinem Zweckg nach,h bekannt gewesenen Brief des genannten Herrn an den früheren badischen Universitätsdezernenten,2 zu welchem ich, nachdem er nun einmal publiziert ist, folgendes bemerke: a–a  Fehlt in B1; in B2 geht voraus die Überschrift und: Von dem Heidelberger Hochschullehrer Prof. Max Weber erhalten wir folgende Zuschrift, der wir als Antwort gegenüber der „Nordd[eutschen] Allg[emeinen] Z[ei]t[un]g“ loyal Aufnahme gewähren zu müssen glauben:  b  In B1 geht voraus die Überschrift und: Herr Professor Max Weber hat sich, wie bekannt, auf dem Hochschullehrertage in Dresden in ähnlicher Weise wie auch schon früher über Althoff geäußert. Darauf hat sich die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ in einer offiziösen Notiz gegen Professor Weber gewandt; wir haben davon im III. Morgenblatt vom 24. d. M. Mitteilung gemacht. Nun schreibt uns Herr Professor Weber:  c Komma fehlt in A, B1.  d Hervorhebung fehlt in A.    e Hervorhebung fehlt in A.   f In B2 hervorgehoben.  g Hervorhebung fehlt in A.  h  Komma fehlt in A, B1.   1  Gemeint ist der anonym und ohne Titel erschienene Beitrag in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Nr.  250 vom 24. Okt. 1911, 3. Mo.Bl., S.  2. 2  Vgl. den Abdruck des Briefes von Friedrich Althoff an den badischen Kulturdezernenten Ludwig Arnsperger vom 19. Febr. 1894, ebd., S.  2: „Sehr geehrter Herr Kollege! Auf ihre gefällige Anfrage vom 10. d. M. erwidere ich ergebenst, daß Herrn Professor Weber bei einer Berufung nach Freiburg die Wahl völlig frei gelassen werden wird, und daß es uns durchaus fern liegt, aus dem Umstande, daß er hier vor kurzem zum Extraordinarius ernannt worden ist, eine Verpflichtung für ihn zur Ablehnung der Berufung herleiten zu wollen. Wenn er selbst im Gegensatze zu N.N. Bedenken trägt, ohne vorheriges Benehmen mit der vorgesetzten Behörde eine Entscheidung zu treffen, so gereicht ihm das gewiß zur Ehre. Um so weniger wird es aber der hiesigen Praxis entsprechen, ihm in seiner freien Entschließung irgendwelche Hindernisse in den Weg zu legen. Herr Professor Weber ist ein in jeder Beziehung vortrefflicher Mann, daß wir

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1. Der Brief enthält den Passus: „umso weniger wird es aber der hiesigen (Berliner) Praxis entsprechen, ihmi (mir) in seiner freien Entschließung irgendwelche Hindernisse in den Weg zu jlegen“3 –,j obwohl die Berliner Praxis wark und ist, neuernannte Dozenten durch Revers zur Ablehnung auswärtiger Berufungen zu verpflichten, lund obwohll nicht allzu lange vorher Geh. Rat Althoff ausdrücklich versucht hatte, mauch michm durch einen ngenau ebensolchenn Revers zu binden.4 Daß dieser Versuch gemacht worden war, muß teilweise aktenkundigo sein, da das Schreiben, welches pjenen p war.5 Die eigenhändige NachVersuch zurücknahm, kanzliert  schrift und meine Briefe, auf welche qdiese letztere Bezug nahmq, dürften vielleicht in den Akten fehlen, ebenso wie eine (vollständige)r Angabe des Inhalts der Unterredung, auf welche in dem Schreiben selbst Bezug genommen wurdes.6 Die tEinzelheiten dieser Vorgänget gehören nicht hierher.  2. Der Brief enthält einige schmeichelhafte Bemerkungen über mich. Ich kann hier nicht in eineu Darlegung der Antezedenzienv und des Zwecks dieses Schreibens näher eingehen und bemerke in dieser Hinsicht nur,w daß Geh. Rat Althoff, wie sich für mich wiederholt ergab, meinena steten nachdrücklichen Erklärungen, daß i A: Ihnen    j A: legen – , B2: legen“,    k A: wahr  l In B1 hervorgehoben.   m A: mich ; B1, B2: auch mich  n–n A: ebensolchen    o B1, B2: „aktenkundig“   p–p A: ihn zurücknahm, kanzliert ; B1, B2: jenes Verlangen zurücknahm, kanzliert   q A: dieser bezugnahm ; A1: dieser letztere bezugnahm  r B2: (vollständige!)   s A: wird    t–t A: zum Teil höchst grotesken Einzelheiten  u A: einen  v A, A1: Antizedenzen ; B2: Antizedentien    w B2: nur:  a  A, A1: meine ; emendiert nach B1.   ihm nur das Beste wünschen und jedenfalls nicht die Verantwortung übernehmen können, seinen eigenen Ansichten über das, was für seine Entwicklung am besten ist, irgendwie vorzugreifen. In vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebenster gez. Althoff.“ Vgl. dazu auch die Wiedergabe im Brief von Franz Böhm an Max Weber vom 16. Okt. 1911 in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  286. 3  Vgl. dazu oben, S.  319, Anm.  2. 4  Gemeint ist ein Vorgang anläßlich Webers Berufung zum Extraordinarius an die Universität Berlin im Jahr 1893. Vgl. den Brief Max Webers an Franz Böhm vom 19. Okt. 1911, MWG II/7, S.  306–311. Darin teilt Weber mit, daß er es Friedrich Althoff gegenüber abgelehnt habe, jede Art von Revers zu unterschreiben. Der damals übliche Revers fehlt tatsächlich in den Akten. Vgl. ebd., S.  307, Anm.  10. 5  Das Schreiben Althoffs ist weder in seinem Nachlaß (GStA PK, VI. HA, Nl. Althoff, Nr.  1005) noch in den Ministerialakten (GStA PK, I. HA, Rep.  76) nachgewiesen. 6  Die Nachschrift und die Briefe Max Webers sind nicht nachgewiesen.

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ich mit einer Berufung nach Baden,b – die ja sein Schreiben cnach Lage der Dingec beinahe erzwingend mußte und auch erzwingen wollte,e – keine f„Handelsgeschäfte“ (im Sinne eines von ihm, wie ich voraussah, beabsichtigten Arrangements)f treiben, sondern entweder bedingungslosg bleiben oder bedingungslosh gehen würde, den Glauben ihartnäckig versagti hat. Ich bemerke kaber fernerk, daß ich in der lArt der amtlichen Beurteilung und Behandlungl eines Dozenten, welche doch nicht aus persönlicher Freundlichkeit, sondern aus sachlichenm Gründen der Unterrichtsinteressen zu erfolgen hat, schlechterdings ngar nichtsn erblicke, was den Betreffenden zu persönlichemo Dank verpflichten müsse poder auch nur dürfep. Ebenso rkonntes unmöglich Althoffs persönlichr freundliche Ansicht über meine Person (von der ich in Dresden ausführlich gesagt habe,7 aus welchen tGründen die Art,t wie sieu sich äußerte,v und wdie Motive, durch die sie,x teilweise,y bedingt schien, mich verletzten)w 8 unmöglichz mich dazu verpflichten, sein  Systema günstig zu beurteilen. An diesen beiden Punkten lag, wie Althoff (ich wiederhole das) bgenau wußteb, die Grenze meiner Dankbarkeit. Die Art übrigens, wie c(konservative!)c Gelehrte, wie G[ustav] Schmoller und A[dolph] Wagner, welche beide für die Verklärung der preußischen Königskrone und der preußischen Verwaltung wahrlich mehr geleistet habend als alle Beamte des Kultusministeriums zusammengenommene und fvon denen Schmollerf jahrzehntelang jene Beamten in den schwierigb  Komma fehlt in B2.  c–c  Fehlt in A.   d  Hervorhebung fehlt in A, B1.  e Komma fehlt in B2.  f–f A: Handelsgeschäfte im Sinne eines von ihm beabsichtigten Arrangements ; B1, B2: „Handelsgeschäfte“ im Sinne eines von ihm, wie ich voraussah, beabsichtigten Arrangements    g  In B1, B2 hervorgehoben.   h  In B1, B2 hervorgehoben.  i In B1, B2 hervorgehoben.   k A: noch  l–l A: Befürwortung der Beförderung  m Hervorhebung fehlt in A.   n–n Hervorhebung fehlt in A, B2.   o  Hervorhebung fehlt in A, B1, B2.  p  Hervorhebung fehlt in A.   r–r A: kann Althoffs    s B2: kann  t–t A1: Gründen, die Art, ; A: Gründen die Art ; B1: Gründen die Art,   u  Fehlt in B2.  v  A, A1: äußerte    w–w A: wie sie teilweise bedingt schien,   x  Komma fehlt in B2.  y  Komma fehlt in B2.  z  Fehlt in B1, B2.  a Hervorhebung fehlt in A.   b  In B1 hervorgehoben.   c–c A: konservative  d B2: haben,  e B2: zusammengenommen,  f–f A: welche, wie Schmoller,   7  Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410, und Berichte über die Diskussionsbeiträge, unten, S.  788–804. 8  Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302– 316.

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sten Teilen ihrer Geschäfte in geiner Weise unterstützt hat, daß man fast sagen kann: er hatteh ihnen iden wesentlichsteni Teil ihrer Sorge abgenommen, trotzdemkg von den jetzigen Herren dieses Ministeriums im l„Falle Bernhard“l 9 behandelt worden sind, dürfte hinlänglich zeigen, daß  jedenfalls zu den Eigenschaften der preußischen Unterrichtsverwaltung die „Dankbarkeit“ ganz gewiß nichtm zählt. Es ist eine Unwahrheit n, daß ich das Andenken an Althoff’s,o von mir so starkp wie von irgend jemandemr sonsts öffentlich und privatim tanerkannte Verdienstet oder auch die rein menschlichen Qualitäten, welche er besaß, durch das von mir uwirklich (und nicht nur angeblich) Gesagte „getrübt“u habe. Aber nicht von diesen vnur illustrativ vorgebrachten Dingen ist jetztv zu reden, sondern von dem durch ihn geschaffenen und heute noch fortbestehenden Systemw. Einem System, xwelches, –x mit seinen Reverseny (1. Reversen der Dozenten über alle möglichen und unmöglichen Dinge, keineswegs etwa nur über Nichtannahme von Berufungen, 2. Reversen der Unterrichtsverwaltung, enthaltend Exspektanzena auf den Todesfall von Berliner und anderen Ordinarien u. dergl.),b cSchweigepflichten, friedensstörenden Eingriffenc in kollegiale Beziehungen, dInseratensubvention und Inseratenentziehunged je nach der Gesinnungf, Bekanntgabe amtlichen Materials zum Zweck von Preßkampagnen und all deng Dingen, von denen ich in Wirklichkeit gesprochen hhabe, – darnach strebt,

g–g A: der ausgiebigsten Weise unterstützt, man kann fast sagen, ihnen einen wesentlichen Teil ihrer Sorge abgenommen haben,  h  In B2 folgt: trotzdem  i B2: einen wesentlichen  k  Fehlt in B2.  l–l  Anführungszeichen fehlen in A.    m Hervorhebung fehlt in A.   n Hervorhebung fehlt in A.    o A: Althoff ; B1, B2: Althoffs,  p  A, B2: stark,  r  A, A1, B2: jemanden  s B2: sonst,  t A: anerkannten Verdiensten; A1, B2: anerkannten, Verdiensten  u–u A: wirklich und nicht nur angeblich Gesagte getrübt  v–v A: Dingen war  w Hervorhebung fehlt in A.  x A: welches ; B2: welches –  y  In B2 hervorgehoben.    a A: Expectanzen   b Komma fehlt in A, A1.  c–c In B2 hervorgehoben.   d–d In B2 hervorgehoben.  e A: Inseratenentziehungen  f B2: „Gesinnung“  g  In A folgt: andern   9  Weber bezieht sich auf die von staatlicher Seite unterstützten Presseangriffe gegen die Berliner Professoren Gustav Schmoller, Adolph Wagner und Max Sering in ihrem Konflikt mit Ludwig Bernhard. Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  313, Anm.  25, sowie den Kommentar zum Brief Max Webers an Franz Böhm vom 22. Okt. 1911, MWG II/7, S.  319 f., Anm.  9.

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unserenh akademischen Nachwuchs allmählich iin eine Art von jakademischen Geschäftsleutenj umzuwandelni, kdagegen Persönlichkeiten, welchek ohne Hintergedanken in diesen Apparat lhineingeraten, in Gewissenskonfliktem bringt oder zu falschen Schritten verleitetl, an deren Konsequenzen sie nachher vielleichtn ihr ganzes akademisches Leben hindurch innerlicho zu tragen haben.  Eine sachliche Unterrichtsverwaltung, pderen Beamte den Gefahren der großen, in ihren Händen liegenden Macht innerlich gewachsen sindp, kann solcher Mittel entbehren und muß sich ihrer enthalten, ganz abgesehen davon, daß,q was man Althoff schließlich doch immer wieder verzieh, darum noch lange nicht andern verziehen werden kann.−r Ich darf Sie schließlich wohl bitten, auch hier wiederholen zu dürfen, daß sin einem großens Teil der Presse über den Inhalt meiner Darlegungen teils fehlerhaft, teils mißverständlich berichtet worden ist, und daß dadurcht z. B. sowohl das badische Ministerium wie zwei hervorragende Berliner Gelehrte10 absolut unbegründeten Verdächtigungen ausgesetzt waren, wie ich dies inzwischen öffentlich an anderem Orte festgestellt habe.u11 Da es schlechthin unmöglich istv zu wissen, wie weit speziell diese Irrtümer in der Presse weitergegeben wurden, ebenso unmöglich aber, der gesamten deutschen Presse Berichtigungen zuzuschicken, so darf ich

h–h  A: habe, geeignet ist, aus unserem ; A1: habe, – darnach strebt, unserem ; B2: habe – darnach strebt, aus unserem    i–i A: eine Kategorie akademischer Geschäftsleute zu machen und ehrliche ; B1: in eine Art von akademischen Geschäftsleuten zu verwandeln; B2: eine Art von akademischen Geschäftsleuten zu machen  j A1: akademischer Geschäftsleute  k–k Fehlt in A; B1, B2: Persönlichkeiten aber, die  l–l A: hineingeratende Persönlichkeiten in Gewissenskonflikte zu bringen oder zu falschen Schritten zu verleiten  m In A1 folgt: zu    n Fehlt in A.   o Fehlt in A, B1, B2.  p–p  Hervorhebung fehlt in B1, B2.  q  Komma fehlt in A.   r Gedankenstrich fehlt in B1, B2.    s A1: ein großer  t  Fehlt in A.   u  In A1 Randbemerkung: Tägl. Rundschau No 497 Bezüglich der Handelshochschule im Berliner Tageblatt vom 2[7]/X Ziffer unleserlich.   v B2: ist,   10  Gemeint sind Otto Gierke und Heinrich Brunner. 11  Gemeint ist: Weber, Über die Rede auf dem Hochschullehrertag, oben, S.  302– 316. Die Zuschrift war in der Täglichen Rundschau, Nr.  497, erschienen, vgl. auch die textkritische Anm.  u.

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wohl hiermit andere Preßorgane bitten, von diesen Bemerkungen12 Notiz nehmen zu wollen. Endlich darf ich bei dieser Gelegenheit vielleicht noch eins aussprechen: Hie und da in der Presse ist von dem besonderen „Mut“w gesprochen worden, den die offene Erörterung solcher Dinge von meiner Seite – mit einem unangenehmen Seitenblick auf meine Kollegen – beweise.13 Sehr mit Unrecht. Meine Kollegen, speziell in Preußen, setzen bei offener Erörterung xsolcher, allseitig bekannten,x Dinge keineswegs nur ihre persönliche Stellung, sondern vielfachy auch die sachlichen Interessen ihrer Institute aufs Spiel, da sie bezüglich der Lehrmittel vielfach auf den guten Willen des Unterrichtsministeriums angewiesen sind. Bei mir ist dies nicht der Fall, da meine, in Erinnerung an frühere Jahre mir wertvolle,a Beziehung zur Universität Heidelberg, welche ich äußerstenfalls aufs Spiel setzeb, leider z. Zt. und für die absehbare Zukunft nur eine formelle sein kann.14 cAuf dden, etwas bequemen,d Standpunkt freilich: „solche Erörterungen enützenf voraussichtlich doche nichts, gdarum sollg man sie lassen“, stelle ich hmich nichti, jedenfalls nicht inh diesen Angelegenheiten. Mit vorzüglicher Hochachtung jProfessor Max Weber.jc

w  In B2 hervorgehoben.   x–x  A, B2: solcher allseitig bekannten  y  Fehlt in B2.   a  Komma fehlt in A, B1, B2.  b B1: setzte  c–c  Fehlt in A.   d B1: den, etwas bequemen ; B2: den etwas bequemen   e–e B2: nützen doch (voraussichtlich)   f B1: nutzen    g B2: daher solle  h–h  Fehlt in A1, weil unterer Blattrand zerstört; hier nach B1.  i  B2: nicht    j  B1: Prof. Max Weber. ; B2: Prof. Max Weber. 12 Gemeint ist: Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, oben, S.  325– 333. Diese Zuschrift war am 27. Oktober 1911 im Berliner Tageblatt erschienen, vgl. dazu oben, S.  323, textkritische Anm.  u. 13  Auf welche Presseberichte Max Weber hier anspielt, konnte nicht nachgewiesen werden. 14  Aufgrund seiner Krankheit hatte Weber 1903 auf das Ordinariat für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Heidelberg, das er seit 1897 innehatte, verzichtet. Er war fortan nur noch Honorarprofessor ohne Sitz und Stimme in der Fakultät und ohne Verpflichtung, Lehrveranstaltungen abzuhalten.

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[Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung] [Zuschrift an das Berliner Tageblatt, 27. Oktober 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Webers Bemerkungen über die Handelshochschulen auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden1 lösten bei Mitgliedern dieser Einrichtung heftige Proteste aus, die sich in öffentlichen und privaten Stellungnahmen niederschlugen. So äußerten sich im Berliner Tageblatt u. a. zwei Professoren der Berliner Handelshochschule, der Rektor Arthur Binz2 sowie der Jurist Paul Eltzbacher,3 und verwahrten sich gegen die Weber zugeschriebenen Vorwürfe.4 Auf diese Leserbriefe antwortete Weber mit der im folgenden abgedruckten Zuschrift an das Berliner Tageblatt. Durch die auch danach anhaltende Diskussion über seine Äußerungen sah sich Weber veranlaßt, noch einmal seine Ansichten über die Handelshochschulen, in einer Denkschrift, darzulegen. Diese schickte er am 7. November 19115 an die deutschen Handelshochschulen und an das Großherzogliche Ministerium des Kultus und Unterrichts in Karlsruhe.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Webers Zuschrift erschien unter der Überschrift „Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung. Von Professor Dr. Max Weber. Heidelberg, 24. Oktober“ im Berliner Tageblatt, Nr.  548 vom 27. Oktober 1911, Mo.Bl., S.  1 (A). 1  Die Proteste beziehen sich auf das in der Tagespresse Berichtete, u. a. im Berliner Tageblatt vom 14. Okt. 1911, (unten, S.  788–804) und nicht auf das offizielle Verhandlungsprotokoll mit den autorisierten Redebeiträgen, das erst 1912 erschien (unten, S.  394–410). 2  Binz, Arthur, [ohne Titel], in: Berliner Tageblatt, Nr.  530 vom 17. Okt. 1911, Ab.Bl., S.  [3]. 3 Eltzbacher, Paul, Max Weber und die Handelshochschulen, ebd., Nr.  528 vom 16. Okt. 1911, Ab.Bl., S. [4]. 4  Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Arthur Binz vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  297 f. 5  Weber, Denkschrift an die Handelshochschulen, unten, S.  363–377.

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Die Zuschrift wird durch eine redaktionelle Bemerkung eingeleitet.6 Die Überschrift wurde vermutlich von der Redaktion gebildet und wird daher in eckige Klammern gesetzt.

6  Zum Wortlaut vgl. unten, S.  327, textkritische Anm.  a.

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Ohnea sich bei mir zu erkundigen, ob in einer durch einen großen Teil der Blätter gegangenen Notiz1 eine Äußerung von mir betreffend die Handelshochschulen richtig und vollständig wiedergegeben sei, haben zwei Professoren,2 darunter bedauerlicherweise auch der Rektor der Handelshochschule in Berlin[,] gegen mich im „Berliner Tageblatt“ Angriffe erhoben (welche sie, wie ich gern anerkenne, wenigstens die nicht von allen Seiten geübte Loyalität hatten, mir zuzusenden).3 Angesichts der Eile, mit welcher diese Herren die Handelshochschulen sehr „wirksam“ in Schutz genommen hatten, habe ich, nach langer Abwesenheit von hier,4 überbeschäftigt mit zahlreichen unaufschiebbaren Dingen, mich zu besonderer Eile in der öffentlichen Richtigstellung nicht mehr veranlaßt sehen können, zumal nachdem ich beiden Herren mitgeteilt hatte, daß jene Notiz einen unzutreffenden Eindruck des von mir Gesagten erwecke.5 Dies letztere hat seinen Grund im wesentlichen a In A geht voraus: Von Professor Max Weber [Nachdruck verboten.] Heidelberg, 24. Oktober. Die bekannte Rede Professor Dr. Max Webers in Heidelberg ist in drei uns zugegangenen und von uns veröffentlichten Entgegnungen beantwortet worden. Nachdem so zwei Vertreter der Berliner Handelshochschule – der Rektor Professor Dr. Binz und Professor D[r]. Paul Eltzbacher – und ein Vertreter der Leipziger Universität, Professor Dr. Ludwig Beer, sich hier nacheinander zu der Rede geäußert haben, wollen wir noch den nachstehenden Ausführungen Raum geben, die Professor Dr. Max Weber uns sendet. Die Redaktion des „Berliner Tageblatts“. 1  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen. Berichte, darunter der Bericht des Berliner Tageblatts vom 14. Okt. 1911, unten, S.  788–804. 2  Gemeint sind die Zuschriften an das Berliner Tageblatt von Arthur Binz und Paul Eltzbacher vom 16. und 17. Oktober 1911, vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  325 mit Anm.  2 und 3. 3  Max Weber reagierte am 18. Oktober 1911 auf die Zusendung der Zuschriften, vgl. dessen Briefe an Arthur Binz und Paul Eltzbacher vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  297 f. bzw. 299 f. Die Briefe von Binz und Eltzbacher an Max Weber sind im Nl. Max Weber nicht nachgewiesen. 4  Am 14. Oktober 1911, als die Meldungen über Webers Rede auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in der Presse erschienen, fand die zwölf Stunden dauernde Hauptverhandlung im Beleidigungsprozeß Julius Ferdinand Wollf/Otto Bandmann gegen Max Weber vor dem Schöffengericht in Dresden statt. Vgl. Brief an Franz Böhm vom 22. Okt. 1911, MWG II/7, S.  319 f., Anm.  5. Bereits am 17. Oktober korrespondiert Weber wieder von Heidelberg aus, vgl. MWG II/7, S.  284 ff. 5  Weber hatte am 18. Oktober 1911 sowohl an Arthur Binz als auch an Paul Eltzbacher geschrieben (MWG II/7, S.  297 f. bzw. 299 f.).

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darin, daß der Berichterstatter sich, offenbar Raumes halber, genötigt sah, nicht nur mehrere Sätze, sondern Sätze aus zwei ganz verschiedenen Reden von mir in einen einzigen, nur das ihm wesentlich Erscheinende enthaltenden Satz zusammenzuziehen.6 Denn ich hatte mich am Schluß der Verhandlungen eigens zu dem Zwecke noch einmal zum Wort gemeldet, um, gegenüber der Interpellation eines anwesenden Handelshochschulkollegen,7 in einer jede Möglichkeit der „Herabwürdigung“ der Handelshochschulen absolut ausschließenden Art ausdrücklich und nachdrücklich hervorzuheben, wie gut ich wisse (ich pflege nämlich die mir überhaupt zugänglich gemachten Berichte der Handelshochschulen, speziell der ­Kölner, ziemlich genau zu lesen), welche in jeder Hinsicht ausgezeichnete Arbeit von den zum Teil sehr hervorragenden Kollegen an den Handelshochschulen geleistet werde. Da übrigens die Handelshochschule Berlin in erster Linie der Arbeit meines früheren Berliner Kollegen I[gnaz] Jastrow, die in Köln und Mannheim derjenigen meines hiesigen Kollegen E[berhard] Gothein ihre Entstehung verdanken, da ferner (um von anderen Herren nicht zu reden) zum Beispiel an der Berliner Handelshochschule mein Freund und Redaktionskollege W[erner] Sombart lehrt,8 so konnte auch der schlechtest unterrichtete Rektor sich sagen, daß hier eine Anfrage bei mir, zum mindesten vor öffentlichen Schritten, wohl am Platze sei. Am Tage der Absendung seines Schreibens an das „Berliner Tageblatt“ (16. Oktober) hätte er meine Antwort auf seinem Tische

6  Weber meint seine beiden Redebeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden. Weil sein erster Diskussionsbeitrag auf Kritik stieß, ergriff Weber vor Schluß der Debatte noch einmal das Wort. Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  409 f. 7  Ludwig Beer (Leipzig) hielt in der Debatte Weber vor, er habe für sein harsches Urteil über die Handelshochschulen keine Tatsachen angeführt. Vgl. Verhandlungen des IV. HT, S.  84. 8  Der Historiker und Nationalökonom Ignaz Jastrow lehrte seit 1905 an der Handelshochschule in Berlin, von 1906 bis 1909 war er deren Rektor. Der Nationalökonom und Kulturhistoriker Eberhard Gothein gründete 1909 zusammen mit dem Mannheimer Oberbürgermeister Otto Beck die Mannheimer Handelshochschule. 1901 war Gothein Mitbegründer der Handelshochschule in Köln. Der Nationalökonom und Mitherausgeber des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Werner Sombart lehrte an der 1906 von der Berliner Kaufmannschaft gegründeten Handelshochschule.

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gefunden, wenn er mir die Nummer des Blattes vom 14. Oktober9 sofort geschickt hätte. Ich lege großen Wert darauf, gerade in diesem Blatte jetzt noch zu Worte zu kommen. Gesagt habe ich in Dresden gelegentlich der zur Diskussion stehenden Vergleichung amerikanischer mit deutschen Verhältnissen (dem Sinn, teilweise aber auch dem Wortlaut nach) bezüglich des hier interessierenden Punktes folgendes:10 Inb Amerika zeige sich in bezug auf das althistorische Institut des „College“ (Studenteninternat mit einem, wie wir sagen würden: stark „humanistischen“, etwa der Prima unserer Gymnasien und den ersten philosophischen Studiensemestern entsprechenden Lehrgang) eine doppelte Tendenz: die Entwickelung des Fachstudiums nach europäischem Muster strebe dahin, jenes Institut als Bestandteil der alten Universitäten in den Hintergrund zu drängen (in Baltimore zum Beispiel bestehe schon jetzt ein Gymnasium deutscher Art als Vorbildungsanstalt für die Universität). Dem stehe, wie mir (zu meiner Überraschung) von beteiligten amerikanischen Herren wiederholt versichert worden sei (die Allgemeingültigkeit und Dauer dieser Erfahrung könne ich freilich nicht nachprüfen), eine ziemlich starke entgegengesetzte Tendenz gerade in amerikanischen Geschäftskreisen gegenüber. Das College mit seiner spezifischen Prägung der Persönlichkeit (im Sinne des angelsächsischen „Gentle­ man“-Ideals nämlich) und cder spezifischenc Allgemeinbildung, welche es biete, scheine diesen Kreisen, nach ihren Erfahrungen, vielfach eine besonders geeignete Stätte der Erziehung zur Selbstbehauptung (und, wäre hinzuzufügen, zum gesunden bürgerlichen Selbstgefühl) des angehenden Kaufmanns, sowohl als Menschen wie für seinen Beruf, eine bessere als ein Fachkursus. Gewiß gehöre auch diese (in jenen Kreisen) steigende Bewertung von „Bildungsdiplomen“ (degrees) jenem Kreise von Europäisierungserscheinungen an, welche das ganze amerikanische (auch das akademische) Leben heute erfaßt habend und mit der Zivildienstreform11 b A: „In  c A: die spezifische   d A: habe   9  Gemeint ist der Bericht des Berliner Tageblatts vom 14. Okt. 1911, unten, S.  788– 804. 10  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  397–408. 11  Die Reform des amerikanischen Zivildienstes begann 1883 mit dem sog. „Pendleton Act“. Das seit der Amtszeit Andrew Jacksons (1829–1837) herrschende „spoils

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immer weiter fortschreiten werdene (immerhin, möchte ich hier hinzufügen, ist die Art der Erlangung und die praktische Bedeutung der verschiedenen Bildungsdiplome in Amerika doch eine in wichtigen Punkten andere als bei uns). Bei uns, fügte ich nun hinzu, erstrebe man Ähnliches auf dem Wege der Gründung von Handelshochschulen.12 Der Grund dieser Schöpfung gesonderter (NB!) Institute für diesen Zweck sei einerseits – was ich sehr stark hervorhob – in dem Hochmut unserer traditionellen Universitätsprofessoren zu suchen. „Man denke sich den Schauder eines durchschnittlichen juristischen Geheimrats, wenn ihm, etwa in einer rechts- oder staatswissenschaftlichen Fakultät, zugemutet würde, mit einem Menschen in einer Fakultätssitzung sich zusammenzufinden, der ein so wenig salonfähiges (ob ich diesen Ausdruck brauchte, weiß ich nicht mehr) Fach wie etwa Handelsbetriebslehre, gewerbliche Kalkulationslehre und dergleichen verträte“ (Fächer, von denen ich hier bemerken möchte, daß ich es für ein Unheil halte, daß der Nachweis ihres gründlichen Studiums nicht obligatorisch für jeden nationalökonomischen Examenskandidatenf an den Universitäten ist). Auf der anderen Seite entstamme aber ein gut Teil des „Kampfes“ für die Schaffung der gesonderten Handelshochschulen auch dem in unserem kaufmännisch-industriellen Nachwuchs unleugbar vorhandenen (ich habe nicht gesagt: „durchweg“ oder auch nur: „überwiegend“ vorhandenen) Streben, jenes feudale Prestige sich anzueignen, welches bei uns die durch Farbentragen, Schmisse, überhaupt das traditionelle, von der intensiven Arbeit ablenkende Studentenleben zu erwerbende „Satisfaktions“- und „Reserve­offi­ziers­fähigkeit“13 gewähren. Ich habe hinzugefügt, daß, wenn diese Tendenzen und – wie ich nach Ausweis e A: werde  f A: Examenkandidaten system“, die Besetzung von öffentlichen Ämtern nach Parteizugehörigkeit, wurde damit außer Kraft gesetzt und durch das Leistungsprinzip ersetzt. Angehende Beamte mußten eine Aufnahmeprüfung ablegen und wurden nach bestandener Prüfung auf eine Anwärterliste gesetzt. 12  Die Handelshochschulen wurden im Deutschen Reich gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Hochschulen der Städte oder Handelskammern gegründet. Sie besaßen anfangs kein Promotionsrecht und standen in Rang und Ansehen hinter den Universitäten zurück. 13  Der Begriff umschreibt den ständischen Anspruch, verletzte Ehre auf formalisierte Weise wiederherzustellen.

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meiner unmittelbar vor der Rede gemachten Notizen14 hinzufügen wollte, vielleicht aber im Eifer der Rede vergaß – überhaupt schon an sich das, nachgerade in allen Berufen chinesenhaft15 um sich greifende Streben nach Schaffung immer neuer Arten von offiziellen Bildungspatenten überhaupt immer weiter wuchern würden, dies uns im ökonomischen Kampf mit den großen Arbeitsvölkern der Erde16 vielleicht nicht zum (wohlgemerkt) dauernden Vorteil gereichen werde. Dies habe ich gesagt. Ich hatte einen Vergleich zu ziehen und folglich auch die beiderseits mitspielenden Tendenzen darzulegen, auch die beiderseitigen Schwächen, was ich für die amerikanischen Hochschulen (nach anderen Richtungen hin) ausgiebig getan habe. Verschweigen konnte ich diese Dinge nicht und mußte mich darauf verlassen, daß in dem Kreise, in welchem ich sprach, hinlänglich bekannt wäre, daß mir eine so törichte Behauptung, wie die: es studierten vorwiegend oder gar: nur Leute mit jenem feudalen Ehrgeiz an den Handelshochschulen, ebenso fern lag wie die Behauptung, es gebe an den Universitäten nur Couleurstudenten, die, wie jedermann weiß, auch dort überall in der Minderheit, aber dennoch sehr einflußreich sind.17 Und nun eine kleine Geschichte: Auf dem Kontor einer bedeutenden Fertigfabrikatfirma erscheint als Geschäftsreisender eines ihrer Halbfabrikatlieferanten ein Herr von einem Aussehen, welches an Tadellosigkeit dem Inhalt der überreichten Visitenkarte gleichkommt: „X., Leutnant der Reserve des usw., (unten links:) Firma Y. und Co. (unten rechts:) in Z. (Sitz der Firma).“ Der auf dem Kontor anwesende Mitinhaber der besuchten Fabrik spricht sein Bedauern aus, daß der Besuch nicht telephonisch angemeldet worden sei, wie das Geschäft dies von allen seinen Lieferanten, 14  Diese sind nicht überliefert. 15  Um in China den Rang eines Beamten zu erlangen, mußten die Kandidaten bis ins 20. Jahrhundert ein an der konfuzianischen, klassischen Literatur ausgerichtetes, mehrstufiges Prüfungssystem durchlaufen. Zumindest formal war die Zulassung zu den Prüfungen nicht von der Klassenzugehörigkeit des Kandidaten abhängig. Vgl. Weber, Konfuzianismus, MWG I/19, S.  285–369. 16  Weber rechnete die Amerikaner zu den größten Arbeitsvölkern der Welt. Vgl. Weber, Fideikommißfrage, MWG I/8, S.  81–188, hier S.  184 f., Fn.  67. 17  Dem Bericht des Berliner Tageblatts vom 14. Oktober 1911 (unten, S.  790) zufolge hatte Weber über die Handelshochschulen gesagt, daß sie „weiter keinen Zweck haben, als daß unsere jungen Kommis satisfaktionsfähig werden, ein paar Schmisse ins Gesicht bekommen und ein bißchen studieren und sich sehr viel von der Arbeit drücken lernen“.

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Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung

auch der von dem Reisenden vertretenen Firma, zwecks prompter Erledigung dringend erbeten habe. Er könne gerade jetzt seinen Kompagnon, welcher diese Abschlüsse zu erledigen habe, schlechterdings nicht mitten aus den (näher angegebenen) unaufschiebbaren Arbeiten herbitten lassen. Der Herr Reisende möge zu anderer Tagesstunde wiederkommen. Übrigens müsse er selbst seinerseits bereits auf zweierlei aufmerksam machen: die zuletzt gelieferte Ware bestehe nachweislich die Qualitätsprobe nicht, und die zuletzt geforderten Preise würden nachweislich von der Konkurrenz geschlagen. – Vornehm „nasale“ Antwort (annähernd wörtlich): „Äh – be-dau-re sehr, daß nach Ihrer Meinung Ihr Herr Kompagnon, der, soviel ich weiß, Offiziersqualifikation hat, es nicht für erforderlich erachten würde, einen Ka-me-ra-den sogleich zu begrüßen. Im übrigen könnte Ihnen ja wohl genügen, daß ich Reserveoffizier bin, um zu wissen, daß ich nur reelle Ware zu den besten Preisen anbiete. Be-dau-re sehr!“ – Tadelloser und stolzer Rückzug. – Für dieses Prachtexemplar eines Reisenden, über welches der verblüffte Fabrikant noch nach Wochen lachte, und mit welchem seine Firma auf die Dauer schwerlich glänzende Resultate erzielt haben dürfte, fällt es mir nun (vorsichtshalber sei es ausdrücklich gesagt) gewiß nicht ein, die bestehenden Handelshochschulen verantwortlich zu machen. Ich bemerke nur noch, daß mir von einem Herrn aus einer ganz anderen Branche, dem ich den Vorfall zu seinem Amüsement erzählte, gesagt wurde: Ganz vereinzelt stehe das keineswegs da; manche Lieferanten glaubten ernstlich, durch solche Reisende imponieren zu können; und in der Tat: einmal, das erstemal, sei er in der Verblüfftheit, wie man einen so ungewohnt auftretenden Herrn wieder los werde, tatsächlich auf einen Posten (unbrauchbarer) Ware hereingefallen, was ihm freilich nicht wieder passieren werde, – und ich füge hinzu: in einer gewiß etwas fratzenhaften Art könnte dies Histörchen immerhin illustrieren, welche Entwickelungstendenz in der Eigenart unseres kaufmännisch-industriellen Nachwuchses gezüchtet oder gestärkt werden würde, wenn in unseren Kontoren eine mit Hochschulbildungspatenten ausgerüstete und deshalb sich ihren Kollegen sozial überlegen dünkende Schicht sich breit zu machen beginnen sollte, und vollends, wenn überdies auch noch gar die Eigenarten, welche das studentische Verbindungswesen erzieht, oder schließlich vollends die heutzutage durch militärische Qualifikationsatteste nur

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allzu leicht geschaffene Art von feudalen Prätensionen in den Mittelpunkt des Gesichtskreises rücken sollte. Hier ist nicht der Ort, zu erörtern, in welchem Sinn die Zugehörigkeit zu studentischen Verbindungen (über die ich so generell, wie mir zugeschrieben wurde, nicht gesprochen habe) und das Militär „erziehlich“ wirken. Aber: weder der Besitz eines Couleurbandes, noch der Besitz eines Offizierspatentes sind, als solche, in irgendeinem Sinne geeignet, den Beweis zu liefern, daß ihr Besitzer für die harte und nüchterne Arbeit geeignet ist, ohne welche unser Bürgertumg in Handel und Gewerbe die Machtstellung Deutschlands in der Welt nicht behaupten wird. Da mir in einem Blatt hochmütiges Herabsehen auf die „Kommis“18 unterstellt wird: Ich selbst trage meinen Namen von westfälischer Leinwand19 und verleugne den Stolz auf diese bürgerliche Herkunft nicht in der Art, wie es jene Kreise, von denen ich sprach, nur allzu gern tun möchten. Ohne den anderen Handelshochschulen irgendwie zu nahe zu treten, muß auch unbedingt anerkannt werden, daß die mir wohlbekannte Unterdrückung jenes für Kaufleute lächerlichen Verbindungsunfugs an der Berliner Handelshochschule20 doch ein positives Verdienst ist. Es hängt dieses, an sich ja nur einen kleinen Einzelzug darstellendeh Verhalten wohl zusammen mit dem auch sonst etwas abweichenden Gesamtcharakter, welcher dieser Gründung von Anfang an in manchen Hinsichten aufgeprägt wurde, von dem aber auch bekannt ist, welche Schwierigkeiten dadurch den Männern, die sie schufen, und weiterhin auch noch der Anstalt selbst in ihrer ersten Zeit, entstanden sind, und zwar zum Teil aus gewissen zu feudalen Idealen neigenden Kreisen der deutschen Industrie selbst.

g A: Bürgerturm  h A: darstellendes 18  Zu Webers Zeiten übliche Bezeichnung für Handelsgehilfen und Kaufmännische Angestellte. Auf welches Blatt Weber hier anspielt, konnte nicht nachgewiesen werden. 19  Max Webers Vater stammte aus einer westfälischen Familie, die seit Generationen Leinenweberei und Leinenhandel betrieb. 20  Im Sommersemester 1907 wurde an der Berliner Handelshochschule die Absicht, eine farbentragende Verbindung zu gründen, vom Hochschulkollegium abgelehnt. Vgl. Die Handelshochschule Berlin. Bericht über die erste Rektoratsperiode Oktober 1906–1909, erstattet von Ignaz Jastrow. – Berlin: Reimer 1909, S.  53.

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[Die preußische Unterrichtsverwaltung] [Zuschrift an die Badische Landeszeitung, 28. Oktober 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Mit seiner Zuschrift vom 22. Oktober 1911 suchte Max Weber die Presseberichte über seine Rede auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag zu korrigieren, diesmal mit Blick auf eine badische Leserschaft. Hintergrund waren die Irritationen, die diese Berichte bei der badischen Unterrichtsverwaltung ausgelöst hatten.1 In einem Brief an den badischen Unterrichtsminister Franz Böhm vom 22. Oktober 1911 nannte Weber dann auch einen der Gründe für seine Zuschrift an die Badische Landeszeitung, das Organ der Nationalliberalen Partei: „Der ‚Badischen Landeszeitung’ habe ich neben andren Bemerkungen auch mein Bedauern, daß ein so vornehm reservierter Beamter, wie Geh. Rath Arnsperger, Objekt eines Mißverständnisses geworden ist, aus­ge­ drückt.“2

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Edition folgt dem Abdruck in der Badischen Landeszeitung, Nr.  504 vom 28. Oktober 1911, Ab.Bl., S.  2 (A). Webers namentlich gezeichnete Zuschrift mit der Angabe „Heidelberg, 22. Oktober 1911“ erschien unter der Überschrift „Die preußische Unterrichtsverwaltung und Prof. Max Weber-Heidelberg“ und war durch eine redaktionelle Bemerkung eingeleitet.3

1  Vgl. auch das Schreiben von Franz Böhm an Max Weber vom 16. Okt. 1911, in: GStA PK Berlin, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr.  30, Bd. 6, Bl. 65–66, sowie das Antwortschreiben Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  287–296; in der Editorischen Vorbemerkung, ebd., S.  285 f., ist auch das Schreiben Böhms abgedruckt. 2  Vgl. Brief Max Webers an Franz Böhm vom 22. Okt. 1911, MWG II/7, S.  319 f., Zitat: S.  320. 3  Vgl. unten, S.  335, textkritische Anm.  a.

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[Die preußische Unterrichtsverwaltung] Heidelberg,a 22. Oktober 1911. Sehr geehrte Redaktion!

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Von einer Reise, während deren ich keine Zeitungen beachten konnte, heimkommend,1 wurde ich am Dienstag von fünf ver­ schiedenen, sehr gewichtigen Stellen2 auf offenbare Irrtümer in dem Bericht von Berliner Blättern über Äußerungen von mir auf dem Dresdner Hochschullehrertage hingewiesen, welche, wie ich höre, seitdem weithin durch die Presse die Runde gemacht haben. Nachdem ich Freitag endlich in den Besitz der Nr.  483 der „Täglichen Rundschau“ gelangt war,3 sandte ich dieser die beifolgende, nach telegraphischem Versprechen heute daselbst erscheinende Dar­legung, von der ich Sie, speziell bezüglich des ersten Punktes,4 Notiz zu nehmen sehr ergebenst bitte. Er betrifft den Umstand,

a In A geht die redaktionelle Bemerkung voraus: Herr Universitätsprofessor Max ­ eber, der dieser Tage von der „Nordd[eutschen] Allg[e]meinen Ztg.“ wegen seiner W Rede auf dem Dresdner Hochschullehrertag gegen das „System Althoff“ angegriffen wurde,5 schreibt der Redaktion folgenden Brief: 1  Am 14. Oktober 1911, als die ersten Presseberichte über Max Webers Rede auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden erschienen, fand die Hauptverhandlung in erster Instanz im Beleidigungsprozeß Julius Ferdinand Wollf/Otto Bandmann gegen Max Weber in Dresden statt. Vgl. Brief Max Webers an Franz Böhm vom 22. Okt. 1911, MWG II/7, S.  319 f., Anm.  5. 2  Am Dienstag, dem 17. Oktober 1911, antwortete Max Weber brieflich auf die Kritik von Franz Böhm, am folgenden Tag auf die Einwände von Arthur Binz und Paul Eltzbacher und wenig später auf die Otto v. Gierkes (vgl. die Briefe in MWG II/7, S.  284–305). 3 Laut seiner brieflichen Mitteilung an Franz Böhm von Freitag, dem 20. Oktober 1911, hatte Weber den in der Täglichen Rundschau, Nr.  483 vom 14. Okt. 1911, erschienenen Bericht bereits am Vortag (19. Okt.) erhalten (vgl. MWG II/7, S.  315). Zum Wortlaut des Berichts vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen. Berichte, unten, S.  788–804. 4 Diese erschien in der Täglichen Rundschau, Nr.  497 vom 22. Okt. 1911, Mo.Bl., S.  2 f. Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302–316. Zu Punkt 1, ebd., S.  306–308.

[A (2)]

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Die preußische Unterrichtsverwaltung

daß ein von mir mitgeteiltes Verhalten5 des bekannten Geheim­ rates Althoff dem – wie ich mit großem Bedauern bei dieser Gelegenheit erfuhr – ebenfalls bereits verstorbenen früheren badischen Personaldezernenten, damaligen Oberregierungsrat Arnsperger,6 zugeschrieben wurde. Die vornehm reservierte Natur des genannten Herrn, dem ich persönlich, ebenso wie übrigens Geheimrat Althoff, zu großem Danke verpflichtet bin – und zwar ohne daß ich bei ihm jemals auf jene, m. E. korrumpierende, Art der Menschenbeurteilung gestoßen wäre, welche mein Empfinden bei dem Verkehr mit Herrn Althoff immer wieder aufs schwerste verletzte –, schloß für jeden Kenner seiner Persönlichkeit die Möglichkeit aus, den von dem Berichterstatter7 begangenen Irrtum zu verkennen. Da ich hier die Gastfreundschaft eines badischen Blattes erbitte, so erlauben Sie mir vielleicht hinzuzufügen: Es war nicht etwa meine Absicht, auf dem Hochschullehrertage die Dinge so darzustellen, als ob in Baden im Gegensatz zu Preußen, vom Standpunkt der Universitätsinteressen aus gesehen, lediglich Sonnenschein herrsche. Mit wachsender Sorge betrachten, wie allgemein bekannt ist, weite Kreise, zu denen auch viele der ersten Männer unserer Universitäten zählen, die wachsende Kühnheit, mit welcher ein kleiner Kreis konservativer Partei- und Kirchenpolitiker einen Einfluß auf die Universitätsverhältnisse erstrebt, der weder ihrer Zahl, noch ihrer geistigen Bedeutung, noch selbstverständlich den wissenschaftlichen und sachlichen Universitätsinteressen entspricht. Wir können nicht wissen, ob nicht die zuständigen In­stanzen in ihrem sicherlich vorhandenen Bestreben[,] an der alten badischen Tradition, welche[,] rein sachlich und von allen Partei­ten­den­ zen freib, lediglich nach den Interessen der Wissenschaft fragte, festzuhalten, auf zunehmende Schwierigkeiten stoßenc. Solche, vielleicht vorhandenen, Schwierigkeiten standen indes mit den auf dem Hochschullehrertag erörterten Dingen nicht in Beziehung. In b  In A folgt: war,  c A: stößt 5 Gemeint ist der anonym und ohne Titel erschienene Bericht der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 24. Okt. 1911, vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber. Über das „System Althoff“, oben, S. 317, Anm.  1. 6  Vgl. dazu Webers Bemerkung im Brief an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  287 f. 7  Gemeint ist der Berichterstatter der Täglichen Rundschau. Vgl. dazu unten, S.  788– 804.

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Bezug auf das, was dort erörtert wurde, vor allem: die sachlichen Leistungen der Universitätsverwaltung und die sachliche (und dabei menschlich wohlwollende) Behandlung der Personalien, wird Baden auch heute, wie jeder, der vergleichen konnte und kann, weiß, von keiner Verwaltung übertroffen. Ich bitte Sie, falls Sie meiner Bitte geneigt, von jener Berichtigung Notiz zu nehmen, auch um Abdruck dieses Briefes. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Professor Max Weber.

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[Über das „System Althoff“] [Zuschrift vom 1. November 1911 an die Nationalliberale Correspondenz]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In der Täglichen Rundschau vom 22. Oktober 1911 hatte Max Weber auf deren Bericht über seine Diskussionsbeiträge auf dem Dresdner Hochschullehrertag reagiert.1 Daraufhin ließ die Nationalliberale Correspondenz2 Webers dort gemachte Aussagen „aktenmäßig“ überprüfen und veröffentlichte das Ergebnis am 29. Oktober 1911 unter dem Titel „Zu den Erklärungen des Herrn Professor Dr. Max Weber (Heidelberg)“. In dem anonym veröffentlichten Artikel wurde festgestellt, die nationalliberalen Mitglieder der Budget-Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses hätten dem geforderten Extraordinariat für Nationalökonomie an der Universität Marburg durchaus positiv gegenübergestanden; anders als von Max Weber behauptet.3 Auch habe sein Vater, Max Weber senior, seine Referate in der BudgetKommission niemals niedergelegt.4 Weber las den Artikel offenbar nicht in der Nationalliberalen Correspondenz, sondern, wie er selbst sagt, in „hiesige[n] Zeitungen“.5 Mit seiner Zuschrift reagierte er darauf. Er avisierte diese Erwiderung auch der Täglichen Rundschau, die sie dann in der Fassung der Nationalliberalen Correspondenz übernahm.

1  Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302– 316. 2 Die Nationalliberale Correspondenz war das Zentralorgan der Nationalliberalen Partei und erschien seit 1874 in täglichen Ausgaben. Sie versorgte auch andere Zeitungen mit Informationen aus dem sozialliberalen Lager. Die Ausgaben sind nach Ausweis der heutigen Bibliothekskataloge nur für die Jahrgänge 1917–1933 überliefert, frühere Ausgaben finden sich nur noch vereinzelt in Nachlässen. 3  Vgl. Anonym, Zu den Erklärungen des Herrn Professor Dr. Max Weber (Heidelberg), in: Nationalliberale Correspondenz, [Nr. 231] vom 29. Okt. 1911, hier zitiert nach dem Exemplar im GStA PK, I. HA, Rep.  76 Va, Sekt. 1, Tit. IV, Nr.  45, Bd. 2, Bl. 100 (hinfort: Anonym, Zu den Erklärungen Max Webers). – Zu Webers eigener Darstellung vgl. Weber, Deutscher Hochschullehrertag, oben, S.  298–301. 4  So Webers Aussage, unten, S.  346 f. 5  Vgl. unten, S.  340.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Die Zuschrift Max Webers an die Nationalliberale Correspondenz ist als 8-seitiges Typoskript unter dem Datum 1. November 1911 (A) mit handschriftlichen Korrekturen, Ergänzungen und Unterstreichungen (A1) in: GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr.  30, Bd. 6, Bl. 80–87, überliefert. Diese Fassung wird der Edition zugrundegelegt. Das Typoskript ist nicht unterschrieben, es dürfte sich um die von Weber korrigierte Kopie der Zuschrift handeln. Der Abdruck in der Nationalliberalen Correspondenz ist hingegen nicht überliefert,6 wohl aber ein Wiederabdruck unter der Überschrift „Professor Weber über das System Althoff“, in: Tägliche Rundschau (Berlin), Nr.  519 vom 4. November 1911, Mo.Bl., 1. Beilage, S.  1 f. (B). In der redaktionellen Vorbemerkung der Täglichen Rundschau heißt es: „Wir geben auch sie [Webers Erwiderung] hier wieder, wie sie in der ‚Nat[ional] lib[eralen] Korr[espondenz]’ zu lesen ist.“7 Bei diesem Wiederabdruck handelt es sich um eine stark gekürzte Fassung von Webers Zuschrift. Diese redaktionelle Vorbemerkung der Täglichen Rundschau und Webers Aussage gegenüber der Nationalliberalen Correspondenz, er überlasse es der Redaktion, zu entscheiden, was sie „aus diesen Ausführungen zum Zweck der Information Ihrer Leser über meine Erklärungen zur Sache wiederzugeben für richtig“8 finde, sprechen dafür, daß die Kürzungen auf die Nationalliberale Correspondenz zurückgehen. Das umfangreichere Typoskript mit den handschriftlichen Korrekturen kann also als der von Weber autorisierte Text (A1) ,gelten. Die Abweichungen des Typoskripts (A) und des Abdrucks in der Täglichen Rundschau (B) von der edierten Fassung (A1) werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Nicht nachgewiesen werden Unterschiede in den Numerierungszeichen 1., 2. in Fassung A und A1, dagegen 1), 2) in Fassung B sowie unterschiedliche Schreibweisen und Handhabung von Abkürzungen (wie z. B. Dritten/dritten, thatsächlich/tatsächlich, bezw./bzw., Prof./Professor). Die Paginierung der Fassungen wird marginal mitgeführt. Bei der Fassung A und A1 wird nicht der Archivpaginierung, sondern der ursprünglichen, schreibmaschinenschriftlichen Zählung gefolgt. Die erste Seite ist nicht paginiert und als (1) sigliert.

6  Der Abdruck in der Nationalliberalen Correspondenz dürfte zwischen dem 1. und 3. November 1911 erfolgt sein. Zur Überlieferungslage vgl. oben, S.  338, Anm.  2. 7  Vgl. unten, S.  343, textkritische Anm.  q. 8  Vgl. unten, S.  349.

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aHeidelberg,

den 1. November 1911

Sehr geehrte Redaktion! Die von Ihnen publizierte, mir erst durch hiesige Zeitungen bekannt gewordene Äußerung zu meinen Angaben in der Täglichen Rundschau No. 4971 geht von zeitlich sowohl wie sachlich irrigen Voraussetzungen aus. Ehe ich mich dazu äußere, was nur ziemlich eingehend geschehen kann, gestatten Sie vielleicht einige allgemeine Bemerkungen. Die sehr sachliche und auf ziemlich bedeutendem Aktenstudium beruhende Darlegung bekundet zugleich ein büberaus großes Zutrauenb darauf, daß „Akten“c das in einer bestimmten Frage Wesentliche auch wirklich, und zwar, vor allen Dingen, vollständigd, zu enthalten pflegen. Dem ist in diesem Fall nicht nur nicht so, sondern kann offenbar, nach der Eigenart des Vorgangs, gar nicht so sein; es trifft aber auch in Fällen, wo man es an sich erwarten dürfte, häufig nicht zu. Vielleicht trägt es immerhin zur Erschütterung des Glaubens an den alten Satz: e„Quod non in actis, non in mundo“e,2 bei, wenn ich Ihnen nur beispielsweise mitteile, daß z. B. ich persönlich nur deshalb mir gefallen lassen mußf, amtlichg als ein h„emeritierter (also mit Pension, i– die ich gar nicht beziehe, –i in den Ruhestand versetzter) ordentlicher Professor“h geführt zu werden, weil mein erster, bei späteren Wiederholungen stets in Bezug genommener, Antrag auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis (j„Aufkündigung“j), wie sich später herausstellte, aus den Akten verschwundenk war.3 Wenn dies – es ist aktenkundig – dem

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a–a  (S.  342) Fehlt in B.   b–b Hervorhebung fehlt in A.   c In A folgt ein Komma.  d  Hervorhebung fehlt in A.   e–e  Anführungszeichen fehlen in A.    f A: mußte  g Hervorhebung fehlt in A.   h–h  Anführungszeichen fehlen in A.   i–i  Gedankenstriche fehlen in A.   j–j  Anführungszeichen fehlen in A.   k Hervorhebung fehlt in A. 1  Gemeint ist Webers Zuschrift in der Täglichen Rundschau vom 22. Okt. 1911, vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302–316. 2  Lat.: Was nicht in den Akten steht, ist nicht in der Welt. 3  Nachdem Max Weber seine für das WS 1899/1900 angekündigte Vorlesung „Agrarpolitik“ nach kurzer Zeit aus gesundheitlichen Gründen abbrechen mußte, stellte er

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damaligen, notorisch überaus gewissenhaften, badischen Ministe­ rial­dezernenten,4 widerfahren konnte, so habe ich mit Geh. Rat Althoff erlebt, daß die schriftlich mit mir getroffenen Abmachungen über mein Gehalt ebenfalls verloren  gegangen warenl und eine abermalige Feststellung auf Grund meiner einseitigen Angaben über das Vereinbarte stattfinden mußte, nachdem ich wegen der unbegreiflichen Hinauszögerung meiner schon von den Zeitungen bekannt gegebenen Ernennung eine zweimalige Mahnung meinerseits veranlaßt und dadurch ihn zu jenem Eingeständnis genötigt hatte,5 während er in einem anderen Fall mir die Unvollständigkeit seiner Akten ziemlich unwirsch bestritten hatte. Ich bezweifle, ob dies aktenkundig ist, dagegen steht nach schriftlicher amtlicher Mitteilung an mich fest, daß auch in einem anderen Punkt, den ich in Dresden berührt hatte (Vorgänge bei meiner Berufung in Baden)6[,] die Akten mindestens einesm der beteiligten Ministerien in einem wichtigen Punkte n, wie sich aus ihnen selbst ergibt,n unvollständig sind, weil s. Zt. die Dezernenten noch in weitem Umfang die Gepflogenheit hatten, zahlreiche wichtige Verl  A, A1: war  m A: eine  n–n  Fehlt in A. beim Großherzoglichen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts am 7. Januar 1900 (MWG II/3, S.  711–714), am 26. März 1902 (ebd., S.  813–815) und am 16. April 1903 (MWG II/4, S.  51) einen Antrag auf Entlassung. Erst dem dritten Entlassungsbegehren wurde stattgegeben und Max Weber „unter Anerkennung“ seiner „hervorragenden Leistungen“ zum 1. Oktober 1903 in den Ruhestand versetzt (vgl. das Schreiben des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts an Max Weber vom 24. Juni 1903, GLA Karlsruhe, 235/3140, Bl. 135). Am 22. November 1903 verzichtete er auf die ihm zustehende Pension (MWG II/4, S.  185). Vom WS 1903/04 bis zum SS 1919 wurde er in den Vorlesungsverzeichnissen der Universität Heidelberg unter den ordentlichen Honorarprofessoren geführt, jeweils mit dem Vermerk: „Liest nicht.“ 4  Gemeint ist der Ministerialrat Franz Böhm. 5  Max Weber, der in Vertretung seines Lehrers Levin Goldschmidt seit Februar 1893 als Privatdozent an der Juristischen Fakultät der Berliner Universität lehrte, spricht hier von seiner von Friedrich Althoff geförderten, zum WS 1893/94 erfolgten Ernennung zum besoldeten Extraordinarius für Handelsrecht. In einem an Althoff gerichteten Schreiben vom 25. Oktober 1893 äußert er die Befürchtung, daß seine, durch den Dekan der Juristischen Fakultät öffentlich kolportierte, jedoch von der Fakultät noch nicht bestätigte Ernennung zum Extraordinarius zu Falschmeldungen in der Presse führen könnte, vgl. den Brief Max Webers an Friedrich Althoff vom 25. Okt. 1893, GStA PK, VI. HA, Nl. Althoff B, Nr.  194, Bd. 2, Bl. 38–39 (MWG II/2). 6  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410, und die direkten Berichte in den Tageszeitungen, unten, S.  788–804.

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handlungen unter einander und mit Dritten privatschriftlich ohne Zurückbehaltung von Abschriften zu erledigen. Im Anschluß daran gestatte ich mir die weitere Bemerkung: Gegen eine Behauptung des Inhalts, es sei nach den Akten unmöglich, daß der von mir bezeichnete Vorfall sich wirklich zugetragen habe, würde ich keine Kritik üben. Denn das Entscheidende an diesem Vorfall: die Mitteilung meines Vaters an mich, daß Geh. Rat Althoff an ihn mit der von mir erwähnten Äußerung7 herangetreten sei, hat mir s. Zt. natürlich einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen und ist für mich undiskutabel, während die Akten höchstens ergeben können, in welchem spezielleren Zusammenhang jener von meinem Vater, der in seinen Behauptungen, wie alle seine Bekannten bestätigen müssen, sich der äußersten Vorsicht befleißigte, ausführlich erwähnte Vorgang sich abspielte. Was mich selbst anbetrifft, so müßte man mir nicht nur ein erstaunliches Maß böswilliger Erfindungsabsichten, sondern auch einen weit größeren Grad von rein künstlerischer Phantasie,  als ich zu meinem Bedauern besitze, gewähren,o wenn man glauben wollte, in diesenp allein wesentlichen Punkt in meinen Angaben Zweifel setzen zu dürfen. Andererseits versteht es sich von selbst, daß ich in anderen, außerhalb jenes entscheidenden Punktes selbst gelegenen, für die Sache unwesentlichen Dingen, mich, wie jedermann[,] sehr wohl irren könnte. Ich werde im folgenden das, was Tatsache ist, und das, was meiner Erinnerung in verschieden starker Bestimmtheit vorschwebt[,] in dem Maße dieser Bestimmtheit erkennbar machen und bemerke noch, daß ich zur Kontrolle meines in einzelnen, aber durchweg unwesentlichen Punkten, wie ich nachdrücklich hervorhebe, unsicheren Gedächtnisses hier an Ort und Stelle amtliches Material irgendwelcher Art weder besitze noch mir beschaffen kann. Dies vorausgeschickt, bemerke ich zur Sache Folgendes:a

o  Fehlt in A.   p A: diesem  a  (S.  340)–a  Fehlt in B.   7  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410, und deren direkte Wiedergabe durch die Tagespresse, unten, S.  788–804.

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1.q rDie in Frage stehende Professur war nicht eine Stelle in Marburg,8 sondern eine solche inr Kiel s.9 Ob diese letztere im Etat als Extraordinariat oder etwa als t„künftig wegfallendes“t Ordinariat angefordert worden ist, ob sie von Mitgliedern der Fraktion bestritten war (was ich nicht behauptet habe: ich habe lediglich gesagt, daß „angeblich“, nämlich nach der Meinungu Althoffs, ihr Schwierigkeiten hätten entstehen können), zu wessen Ergänzung oder Ersatz sie bestimmt war, – dies alles weiß ich heute nicht und habe es wahrscheinlich nie gewußt, da es mich nicht interessierte. Sehr unsicher v(und vielleicht ganz irrtümlich)v schwebt mir allerdings vor, daß irgendwelche sachlichen Schwierigkeiten bestanden hätten, vielleicht (wenn überhaupt) solche, die schon vor der Anforderung beseitigt und interner Natur gewesen wären. Ich bemerke ferner, wdaß mir auch diese (Kieler) Stellew (sei sie nun damals schon geschaffen oder ihre Anforderung erst beabsichtigt gewesen) xgelegentlich mündlich, und zwar als ein Extraordinariat, jedoch mit der Aussicht, sehr bald Ordinariat zu werden, von q  In B geht die redaktionelle Bemerkung voraus: Prof. Max Weber hat jetzt seine uns telegraphisch angekündigte Erwiderung auf die Erklärung der parteiamtlichen „Nat[ional]lib[eralen] Kor­r[espondenz]“ zu seinen Dresdener Mitteilungen formuliert. Wir geben auch sie hier wieder, wie sie in der „Nat[ional]lib[eralen] Korr[espondenz]“ zu lesen ist:   r–r  In B hervorgehoben.   s  Hervorhebung fehlt in A.   t A: künftig wegfallende   u  In A folgt: von  v  Klammern fehlen in A.   w  In B hervorgehoben.  x–x  (S.  344)  In B hervorgehoben. 8  In dem Artikel der Nationalliberalen Correspondenz, Anonym, Zu den Erklärungen Max Webers (wie oben, S.  338, Anm.  3), hieß es, daß es sich bei der geforderten Professur um ein Extraordinariat für Nationalökonomie an der Universität Marburg handelte, das von den Mitgliedern der Budget-Kommission in der Sitzung vom 14. Februar 1894 ohne Widerspruch angenommen worden sei. In einem Brief an Franz Böhm vom 20. Oktober 1911 (MWG II/7, S.  315–318) schrieb Weber, daß ihm Friedrich Althoff in einem Gespräch, vermutlich am 5. August 1893, „ohne direkten Anlaß eine ganze Anzahl preußischer Professuren an den verschiedensten Universitäten (Extraordina­ riate in Marburg, (Staatsrecht), Kiel, Königsberg (Nationalökonomie), Bonn (Germanistik))“ angeboten habe. Zitat: ebd., S.  316. 9  Dazu bemerkte der parlamentarische Korrespondent der Nationalliberalen Corrrespondenz in seiner Replik vom 4. November 1911: „Wenn Herr Professor Dr. Weber die Hasbachsche Professur in Kiel im Auge hatte, kann die Unterredung mit seinem Vater nur im Januar oder Februar 1893 stattgefunden haben. 1892 wurde allerdings schon ein staatswissenschaftliches Extraordinariat für Kiel angefordert. Dieses aber kommt nicht in Betracht, da Abg. Dr. Weber (Halberstadt), wie aktenmäßig feststeht erst 1893 in die Budgetkommission eingetreten ist.“ (Anonym, Nochmals die Erklärungen des Herrn Professor Dr. Max Weber (Heidelberg), in: Nationalliberale Correspondenz, Nr.  236 vom 4. Nov. 1911; hier zitiert nach dem Exemplar im GStA PK, I. HA., Rep.  76 Va, Sekt. 1, Tit. IV, Nr.  45, Bd. 2, Bl. 110).

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Herrn  Althoff zur Auswahl neben einigen anderen teils juristischen, teils nationalökonomischen Stellen angeboten wurdex, darunter übrigens auch, und zwar unter der gleichen Avance­ments­ chance, die von Ihrem Herrn Referenten erwähnte,10 damals, soviel ich mich erinnere, erst geplante Stelle. Dies geschah indessen erst in einem späteren Zeitpunkt, als dem jener Unterredung Althoffs mit meinem Vater, und ich habe diese sämtlichen Angebote alsbald ohne weitere Erörterung von der Hand gewiesen, wofür neben anderen entscheidenden Gründen auch jene Antezedenzien und ferner der Umstand maßgebend war, daß keinerlei Verhandlungen über mich mit den betreffenden Fakultäten vorlagen. Ich bemerke ferner noch, daß die irrtümliche Annahme, es habe sich bei dem von mir öffentlich berichteten Vorfall um ein Marburger nationalökonomisches Extraordinariat gehandelt, bei dem Herrny Verfasser Ihrer Darlegung vielleicht dadurch entstanden ist, daß, wenn ich s. Zt. nicht falsch berichtet wurde, allerdings über einen eventuellen Vorschlag meiner Person in Marburg auf Veranlassung Herrn Althoffs Verhandlungen gepflogen worden sind, wie m. E. auch aktenkundig sein müßte (nach meiner speziell über den Zeitpunkt sehr unsicheren Erinnerung im Frühjahr 1893; über die Verhandlungen selbst hat mir s. Zt. lediglich Herr Professor Enneccerus etwas mir nicht mehr Erinnerlichesz mitgeteilt).11 Es handelte sich dabei jedoch um ein m. W. später durch Herrn Professor Bergbohm besetztes damaliges Ergänzungsextraordinariat für Staats-

x  (S.  343)–x    In B hervorgehoben.   y B: Herr  z  A, A1, B: erinnerliches 10  Dabei dürfte es sich um das im Artikel erwähnte Extraordinariat in Marburg handeln, vgl. dazu oben, S.  343, Anm.  9. 11  Daß Friedrich Althoff Max Weber tatsächlich nach Marburg berufen wollte, belegt seine handschriftliche Notiz „M[eo] v[oto] zweifellos der beste Mann für Marburg“ auf einem an ihn gerichteten Schreiben Max Webers vom 3. März 1893 (GStA PK, I.HA, Rep.  76, Va Sekt. 2, Tit. XIV, Bd. V, Nr.  11; MWG II/2). Aus diesem Schreiben geht hervor, daß Althoff am 2. März 1893 Weber aufforderte, ihm seine „bisherigen größeren Arbeiten“ zukommen zu lassen. Weber sandte ihm daraufhin die Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, die Römische Agrargeschichte und seine Studie über die Verhältnisse der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland. In den Akten der Philosophischen und der Juristischen Fakultät der Universität Marburg finden sich allerdings keine diesbezüglichen Hinweise (schriftliche Auskunft des Archivs der Philipps-Universität Marburg vom 20. Jan. 2010).

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recht a12 b(wobei der von mir Herrn Althoff gegenüber betonte Umstand, daß ich mich mit diesem Fache niemals wissenschaftlich befaßt hatte, auf ihnc keinerlei Eindruck gemacht hatte; ich hatte die Bedingung gestellt, daß das betreffende Extraordinariat ein germanistisches werden müsse)b. Die etwa gepflogenen weiteren Verhandlungen führten, wenn sie überhaupt zu amtlichem Charakter gediehen sind, wahrscheinlich nicht einmal zu einem Vorschlag, jedenfalls  nicht zu einer Berufung. Die von mir gemeinte Kieler Professur dagegen ist später durch Herrn Professor Hasbach besetzt worden, wie ich glaube (aber hier nicht kontrollieren kann) schon im Lauf des Jahres 1894,13 ich weiß nicht, ob alsbald als Ordinariat oder (wie dies mir vorgeschlagen war) zunächst als Extraordinariat;d später jedenfalls und m. W. schon bald hat der genannte Gelehrte sie als Ordinarius längere Jahre hindurch vertreten. 2. eDer fragliche Vorfalle fällt natürlich nichtf (wie Ihr Herr Referent als allein möglich voraussetzt) gin den Winter 1893/94g,14 in welchem ich bereits Extraordinarius in Berlin für Handelsrecht hwar. Sondernh er fällt in die Zeit meiner Privatdozenturi, und zwar in den Winterj. Meine Habilitation war materiell im Spätherbst 1891 perfekt, ihre formelle Erledigung nach außen durch öffentliche Antrittsredek Anfang 1892.15 Es würde sich danach aus Akten und amtlichem Stenogramm vielleicht ermitteln lassen, in welchem der beiden allein in Frage stehenden Winter der Vorfall a  Keine Hervorhebung in A, B; in A folgt ein Komma.   b–b  Klammern fehlen in A.   c  A, A1: ihm  d  A, A1: Extraordinariat:    e  In B hervorgehoben.    f  In B hervorgehoben.  g  In B hervorgehoben.   h B: war, sondern   i  In B hervorgehoben.  j  In B hervorgehoben.   k A: Antrittsreden 12  Karl Magnus Bergbohm wurde zum 1. April 1893 zum außerordentlichen Professor für Staatsrecht und Rechtsphilosophie in Marburg berufen. 13  Wilhelm Hasbach wurde am 25. Juli 1893 zum ordentlichen Professor der Staatswissenschaften in Kiel ernannt. 14  In dem Artikel der Nationalliberalen Correspondenz, Anonym, Zu den Erklärungen Max Webers (wie oben, S.  338, Anm.  3), hieß es: „Die betreffende Professur wurde, wie bereits gesagt, im Etat für 1894 angefordert. Diese Forderung gelangte also zur Kenntnis des Abgeordnetenhauses mit der Einbringung des Etats im Januar 1894.“ 15  Das am 22. Oktober 1891 von Weber eingereichte Habilitationsgesuch wurde im Dezember 1891 von der Juristischen Fakultät der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität angenommen. Am 19. Januar 1892 fanden Probevorlesung und Colloquium, am 1. Februar 1892 die öffentliche Antrittsvorlesung statt. Vgl. dazu den Editorischen Bericht in MWG I/1, S.  122–126.

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gespielt haben muß. Nach den bisher von Ihrem Herrn Referenten gemachten Mitteilungen könnte dies (ausl gleichm zu erwähnenden Gründen)n nicht nur im Winter 1892/93,16 sondern auch in den vorher­gehenden der Fall gewesen sein. Ich weiß dies heute, nach 18 Jahren, nicht mehr und bemerke zu dieser Frage des Zeitpunktes ferner, daß mein Gedächtnis nocho in peinem Punkte nicht absolut sichero ist: Ich glaubte und glaube zwar ziemlich bestimmt, daß mein Vater ausdrücklich von einer beabsichtigten „Niederlegung“ eines von ihm bereits übernommenen oder jedenfalls ihmq fest zugedachten und von ihm zugesagten Budgetreferates gesprochen hat,17 wonach er also schon Mitglied oder mindestens designiertes Mitglied der Kommission gewesen sein müßter.18 Doch wäre es allerdings auch möglich, daß er von der Ablehnung eines ihms nur (wirklich oder seiner Annahme nach) zugedachten, aber noch nicht t übernommenen Referates gesprochen hat und ich in diesem, mir begreiflicherweise damals nicht wichtigen Punkte ihn vielleicht mißverstanden hätte. Ob mein Vater ein etwa übernommenes Referat weiterhin tatsächlichu (wofür die Akten maßgebend sein müssen) niedergelegtv oder (was die Akten eventl. nicht ergeben würden) ein ihm angebotenes Mandat für die betreffende Session thatsächlichw xnicht übernommenx hat, dies kann ich mit l  Klammer fehlt in A.   m A: leicht  n  Klammer fehlt in A, A1.  o  Fehlt in A.   p–p A: einem Punkte nicht sicher; Hervorhebungen fehlen in B.   q Fehlt in A.   r A: mußte  s A, A1: ihn  t Hervorhebung fehlt in A, B.   u Hervorhebung fehlt in A, B.   v  Hervorhebung fehlt in A, B.   w  Fehlt in A.    x Hervorhebung fehlt in A, B. 16  Vgl. dazu oben, S.  344, Anm.  10. 17  Die Behauptung Max Webers, sein Vater habe sein Mandat in der Budgetkommission niedergelegt, wurde vom Verfasser des Artikels in der Nationalliberalen Correspondenz vom 29. Oktober 1911 bestritten: „Der genannte Abgeordnete ist nach 10jähriger Pause im Januar 1893 wieder in die Budget-Kommission eingetreten und hat derselben bis zu seinem Tode im Sommer 1897 angehört. Er hat in dieser ganzen Zeit stets dieselben Referate gehabt, die sich auf das Elementarschulwesen, auf das höhere Schulwesen und die geistigen Angelegenheiten bezogen. Ein Referat über die Universitätsverwaltung hat er, beiläufig bemerkt, niemals gehabt. Es ist also unrichtig, daß der Abg. Dr. Weber jemals eines seiner Referate in der ganzen Zeit, in der er der Budget-Kommission angehörte, aus irgend welchen Motiven aufgegeben hätte. Er hat sie vielmehr bis zu seinem Tode vertreten. Damit entfällt die Grundlage der von Herrn Prof. Max Weber aufgestellten Mitteilung.“ 18  Max Weber sen., der von 1868–1882 und von 1884–1897 als Abgeordneter dem Preußischen Abgeordnetenhaus angehörte, war von 1893–1897 Mitglied der Budgetkommission, seit 1886 Mitglied der preußischen Staatsschuldenkommission.

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Sicherheit nicht wissen. Denn es war bei ihm, speziell in den späteren Jahren, etwas ganz Ungewöhnliches, wenn er von der Art seiner persönlichen parlamentarischen Tätigkeit innerhalb seiner Familie überhaupt nähere Mitteilungen machte, und er hat mir (wie ich in der „Täglichen Rundschau“ berichtet habe)19 nur von seiner Absicht gesprochen, so zu handeln, ohne daß ich wissen kann, ob vielleicht eine Rücksprache mit einem seiner Freunde angesichts des Umstandes, daß er ja ein Universitätsreferaty nicht hatte (was ich auch weder behauptet habe noch behaupten konnte), ihn umgestimmt hat. Daß er übrigens schon 1890/91, als der Ablauf seiner Wahlperiode im Berliner Magistrat allmählich näher rückte und seine Wiederwahl infolge der Parteiverhältnisse unsicher erschien, mit der Wiederaufnahme seiner unterbrochenen Tätigkeit in den Landtagskommissionen rechnete, ist mir durch einen zufälligen Umstand zeitlich ziemlich deutlich erinnerlich. Da Ihr Herr Referent möglicherweise auf diesenz, freilich für die Frage der Authentizität des allein wesentlichen Vorfalls m. E. bedeutungslosen Punkt Gewicht legen könnte, so möchte ich ausdrücklich hinzufügen, daß, dem eben Gesagten gemäß, meine Formulierung betreffs der Frage, wie mein Vater schließlich gehandelt hat a, – ein Punkt, in welchem ich nicht b nach eigenem Augen- bzw. Ohrenschein berichten konnte, nochc vorsichtiger hätte sein sollen, wie ich dies gegebenenfalls auch öffentlich feststellen werde. Denn es ist selbstverständlich, daß in der  Tat darüber die Akten allein entscheiden können. Es wäre dies übrigens in meinen ziemlich eingehenden und die verschiedensten Punkte berührenden öffentlichen Ausführungen die bisherd einzige zu beanstandende Formulierung, welche mir (bisher)e aufgefallen ist. y Hervorhebung fehlt in A, B.    z A: diese   a Hervorhebung fehlt in A, B.   b Hervorhebung fehlt in A, B.   c Hervorhebung fehlt in A, B.   d Fehlt in B.   e  Klammern fehlen in A. 19  Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302– 316. In dieser Zuschrift an die Tägliche Rundschau hatte Weber geschrieben: „Mein Vater hatte ein Referat über Teile des Budgets. Nachdem Geh. Rat Althoff bei einem parlamentarischen Abend ihm gegenüber darauf angespielt hatte, daß mein Vater doch über die Erwünschtheit der Bewilligung einer bestimmten (hier wohl nicht interessierenden) neu geforderten (nationalökonomischen) Professur doch mich (damals Privatdozent) befragen möge, ehe er zuließe, daß die nationalliberale Fraktion diese Professur (wie sie, angeblich, beabsichtigt) ablehne, erklärte mir mein Vater nach eingehender Rücksprache und mit meiner lebhaften Zustimmung, daß er weiterhin dies Referat nicht mehr zu übernehmen sich in der Lage fühle.“

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3. Da ich juristischer Privatdozent war, mußte meinem Vater und mir und muß Dritten jetzt auffallen, daß Geh. Rat Althoff schon damals auf eine eventl. nationalökonomische Professur für mich anspielte. Wie sich später herausgestellt hat, muß dies seinen Grund darin gehabt haben, daß von mehreren (mir persönlich damals fernstehenden) Gelehrten er auf Grund meiner die Grenzgebiete beider Disziplinen berührenden Arbeiten auf mich aufmerksam gemacht worden ist, wie dies auch in einem späteren Zeitpunkt nachweislich geschehen ist.20 Leider läßt sich der Zeitpunkt jener älteren Korrespondenz jetzt nicht mehr feststellen, sonst würde ich ganz eindeutige Angaben in zeitlicher Hinsicht zu machen in der Lage sein. Zum Schluß möchte ich noch ausdrücklich bemerken: daß ich ein irgendwelches Interesse der nationalliberalen Partei als solcher an der Bewilligung oder Nichtbewilligung der fraglichen Professur oder gar an der Art ihrer Besetzung ersichtlich in schlechterdings keiner Weise behauptet habe, noch auch je öffentlich oder privatim die Behauptung aufgestellt habe, daß diese Partei oder einzelne ihrer Mitglieder sich aus eigener Initiative irgendwie in diese Personalfrage einzumischen für richtig befunden hättenf. Ein Schatten fällt also in dieser Angelegenheit, deren entscheidender Punkt: die von meinem Vater mir erzählteg Unterhaltung Althoffs mit ihm[,] für jeden, der meinen Vater und mich (und übrigens auch: Althoffs rücksichtslose Menschenverachtung) einigermaßen kennt, allerdings als Tatsache feststeht, auf die nationalliberale Partei sicherlich in gar keiner Weise.h  iEs versteht sich nach Form, Inhalt und unvermeidlichem Umfang dieser Darlegungen von selbst, daß dieselbenj nicht etwa eine k„Berichtigung“k im Sinne des Pressegesetzes darstellen können oder wollen. Eine solche wäre übrigens angesichts der großen 21

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f  A, A1: hätte ; Emendation nach B.   g A: erzählten  h  In B folgt: Dazu bemerkt die „Nat[ional]lib[erale] Korr[espondenz]“: Unser parlamentarischer Mitarbeiter wird auf diese Darlegungen in einer der nächsten Nummern der „N[ational]L[iberalen] K[orrespondenz]“ eingehen. 21  i–i  (S.  349) Fehlt in B.    j A: dieselbe  k–k Anführungszeichen fehlen in A. 20  Vgl. dazu oben, S.  344, Anm.  11. 21  Dies geschah in: Nationalliberale Correspondenz, Nr.  236 vom 4. Nov. 1911, vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Noch einmal die Erklärungen, unten, S.  356, Anm.  4.

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Sachlichkeit Ihrer Ausführungen und nach den mir wohlbekannten Traditionen Ihres Organs ganz gewiß nicht am Platze. Vielmehr überlasse ich es vollkommen Ihrer Loyalität und der Ihres Herrn Referenten, was Sie aus diesen Ausführungen zum Zweck der Information Ihrer Leser über meine Erklärungen zur Sache wiederzugeben für richtig finden müssen. Ich habe auch das volle Vertrauen, daß dies so geschieht, daß dadurch ein zutreffendes Bild entsteht und insbesondere berücksichtigt wird, daß, wenn ich hier neben dem von mir als unumstößliche Tatsache Behauptetenl auch Angaben gemacht habe, für welche ich ausdrücklich das beneficium inventarii22 meines Gedächtnisses in Anspruch nehmen muß, dies nicht zu Mißdeutungen führen kann. Denn ich habe diese im einzelnen oder ganzen unsicheren Angaben und überhaupt allerhand mit dem eigentlichen Vorgang selbst nur indirekt in Zusammenhang stehende Punkte nur deshalb in aller Ausführlichkeit dargelegt, weil ich nach der Art der Darlegungen Ihres Herrn Referenten glauben muß, daß es ihm um eine möglichst ausgiebige Ermittlung der nach den dort verfügbaren Akten feststellbaren Begleitumständem des Vorfalls zu tun ist und ich mich verpflichtet fühlte, zur Erleichterung dieser Aufgabe das Meinige beizutragen. Ich stehe daher auch eventl. Anfragen sehr gern Rede. Meinerseits habe ich bisher, und zwar nur in einigen Zeitungen, festgestellt, daß die Voraussetzungen, von denen in Ihrem Artikel ausgegangen wurde, irrige waren, und ich werde mich, wie ich annehme, damit begnügen können.i

l  A, A1: behaupteten  m  Hervorhebung fehlt in A.  i  (S.  348)–i  Fehlt in B. 22 Lat.: die „Rechtswohltat des Inventars“. Mit Einreichen eines Nachlaßinventars konnte der Erbe seine Haftung auf den Nachlaß beschränken.

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[Das „System Althoff“] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 2. November 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung veröffentlichte am 29. Oktober 1911 einen Artikel, in dem sie sich nochmals auf eine Äußerung Max Webers bezog, die dieser während des Deutschen Hochschullehrertags in Dresden gemacht hatte.1 Diese betraf die Gepflogenheit der preußischen Unterrichtsverwaltung unter Althoff und danach, mit einem fragwürdigen System von Reversen zu arbeiten, um das Berufungsgeschehen in ihrem Sinne zu beeinflussen. In dem Artikel wurde behauptet, diese Äußerung Webers sei „völlig falsch“.2 Von den nach Preußen berufenen Professoren werde kein Revers verlangt, sie müßten lediglich eine „Erklärung“ unterzeichnen. Um dies zu beweisen, druckte die Zeitung den Wortlaut dieser „Erklärung“ ab: „Aus Anlaß meiner Berufung nach … verpflichte ich mich 1. über eine Berufung an eine andere Hochschule oder in eine sonstige Stellung nicht ohne vorgängige Benachrichtigung des Herrn Kultusministers in Verhandlung zu treten; 2. auch nach Erfüllung der Verpflichtung zu 1 einer Berufung jedenfalls nur zum 1. Oktober und 1. April und nur nach vorgängiger dreimonatiger Kündigung zu entsprechen; 3. falls ich einer Berufung innerhalb der ersten 3 Jahre vom 1. … ab Folge leisten sollte, die mir bei meiner Übersiedlung von … nach … bewilligte Umzugskosten-Entschädigung von … M[ark] … Pf[ennig] noch vor meinem Abgange von … an die dortige Universitätskasse zurückzuzahlen.“ Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung fügte hinzu, die Verpflichtung zu Punkt 3 werde in allen Bundesstaaten gefordert, nur daß bei einigen Universitätsverwaltungen nicht 3, sondern 5 Jahre vorgesehen seien.3 Weber schickte seine Gegendarstellung offenbar nicht an die Norddeutsche Allgemeine Zeitung – diese hatte sich bereits am 24. Oktober 1911

1  Zur vorangehenden Auseinandersetzung vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  338 f. 2  Anonym, [ohne Titel], in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Nr.  255 vom 29. Okt. 1911, S.  1. 3 Ebd.

Editorischer Bericht

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gegen ihn gestellt4 und wollte sich mit ihm nicht weiter auseinandersetzen5 –, sondern an die Vossische Zeitung und die Frankfurter Zeitung sowie möglicherwiese auch noch an andere Zeitungen. Die beiden liberalen Zeitungen hatten ebenfalls über Webers Äußerungen auf dem Hochschullehrertag berichtet und ihre Leser über die Hintergründe des Vorgangs durch Webers Zuschrift über das „System Althoff“ informiert.6

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Zuschrift ist durch den Abdruck in zwei Tageszeitungen erhalten. Der Edition liegt der längere Abdruck zugrunde, der unter der Überschrift „Max Weber und das System Althoff“ in der Frankfurter Zeitung, Nr.  304 vom 2. November 1911, 1. Mo.Bl., S.  2 f. (A2), erschien. In kürzerer und auch sonst leicht abweichender Fassung war die Zuschrift unter der Überschrift „Die ‚Reverse’ des Kultusministeriums“ zuvor in der Vossischen Zeitung, Nr.  547 vom 1. November 1911, S.  2 (A1), erschienen. Weber ist in beiden Zuschriften als Autor kenntlich gemacht.7 Beide Fassungen sind redaktionell eingeleitet und mit abweichenden Überschriften versehen. Die Überschrift der Fassung A2 wird leicht abgewandelt von der Edition übernommen und als nicht autoreigen in eckige Klammern gestellt. Die Abweichungen der Fassung A1 von der Fassung A2 werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Davon ausgenommen sind die unterschiedlichen Kürzel für die Norddeutsche Allgemeine Zeitung.

4  Anonym, [ohne Titel], in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Nr.  250 vom 24. Okt. 1911, S.  2, sowie Webers Reaktion darauf: Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  317–324. 5  Dies hatte sie in ihrem Artikel vom 29. Okt. 1911 bekundet, vgl. dazu unten, S.  354, Anm.  9. 6  Vgl. Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen. Berichte, unten, S.  788–804, sowie die weiteren Artikel: „Max Weber über das ‚System Althoff’“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  298 vom 27. Okt. 1911, Ab.Bl., S.  2 f., und „Die Reverse des Kultusministeriums“, in: Vossische Zeitung, Nr.  539 vom 28. Okt. 1911, S.  2. Vgl. dazu Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  317– 324. 7  Vgl. unten, S.  352, textkritische Anm.  b zu Fassung A2, und die Vorbemerkung zu Fassung A1, unten, S.  352, textkritische Anm.  c.

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geehrte Redaktion!

Ich wäre Ihnen für die Aufnahme folgender Bemerkung zu den Äußerungen der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 28. Oktober1 dankbar: Die „N[orddeutsche] A[llgemeine] Ztg.“ verschiebt abermals den Diskussionsgegenstand.a Diec von ihrd mitgeteilte, von allene Professoren zu unterzeichnende „Erklärung“2 ist selbstverständlich kein „Revers“3 der von mir besprochenen Art. fDie unter Nr.  3 derselben enthaltene Verpflichtung habe ich selbst bei meiner Berufung nach Baden als selbstverständlich und unbedenklich übernommen. Die Punkte No. 1 und 2 sind ebenfalls normalerweise durchaus harmlos.f Der Revers dagegen, welcher gmir abverlangt g 4 wurde, enthielt die Anerkennung: daß ich einen etwa an a–a  Fehlt in A1.  b  In A2 geht die redaktionelle Bemerkung voraus: Herr Professor Max Weber in Heidelberg schreibt uns:   c  In A1 geht voraus: Die „Nordd[eutsche] Allg[emeine] Ztg.“ hat am Sonnabend versichert: „Von den Professoren wird bei ihrer Berufung keinerlei Revers verlangt, sondern lediglich folgende Erklärung verlangt“, die u. a. eine Benachrichtigung des Kultusministers vor etwaigen Verhandlungen über die Übernahme einer anderen Stellung fordert. Gegenüber dieser Darstellung sendet uns Herr Prof. Max Weber Heidelberg eine Zuschrift, in der es heißt:   d A1: der „Nordd[eutschen] Allg[emeinen] Ztg.“   e Hervorhebung fehlt in A1.  f–f Fehlt in A1.  g–g  Hervorhebung fehlt in A1.   1  Gemeint ist der Artikel in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, Nr.  255 vom 29. Okt. 1911, S.  1. 2  Vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  350 f. 3  Vgl. dazu Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  338–349. 4  Zu den Vorgängen anläßlich Webers Berufung als Extraordinarius an die Universität Berlin vgl. das Schreiben Max Webers an den badischen Minister des Kultus und Unterrichts Franz Böhm vom 19. Oktober 1911 (MWG II/7, S.  306–311), das Schreiben Friedrich Althoffs an Max Weber vom 6. August 1893, in welchem Althoff die Bedingungen für Webers Berufung zum Extraordinarius darlegte (teilweise abgedruckt, ebd., S.  308, Anm.  13), sowie das Schreiben Webers an Friedrich Althoff vom 5. August 1893 (GStA PK, VI. HA, Nl. Althoff B, Nr.  194, Bd. 2, Bl. 34–35; MWG II/2; teilweise abgedruckt in MWG II/7, S.  308 f., Anm.  14). Sowohl in den Ministerialakten (GStA PK, I. HA, Rep.  76) als auch im Nachlaß Althoff (GStA PK, VI. HA, Nl. Althoff) fehlt der Hinweis auf ein „Revers“. Das einzige, von Weber unterzeichnete „Anerkenntnis“ vom 27. Oktober 1893 betraf die Verpflichtung, im Falle einer Ernennung zum Extraordinarius an juristischen Prüfungen als Mitglied der Kommission teilzunehmen (vgl. MWG II/7, S.  307, Anm.  10).

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mich gelangenden „Ruf abzulehnen“ mich verpflichtet hätte. Da in der mündlichen Verhandlung von etwas derartigem keine Rede gewesen war, entzog ich mich brieflich dieser Zumutung (in einer hier nicht näher interessierenden Art).5 Wenn aberh die „N[orddeutsche] A[llgemeine] Ztg.“ etwai behaupten wollte, daß Reverse kvon genauk der gleichenl Art dem System des verstorbenen Ministerialdirektors Althoff fremdm gewesen seien, so würde diese Aufstellung zweifellos das größte Aufsehen bei denjenigen zahlreichen Kollegen erregen, welchen ebenfalls ein solcher Revers (teils mit, teils ohne Erfolg) angesonnen worden ist. Soll endlichn die Bemerkung lediglich besagen, daß in o„den letzten Jahren“o (von denen die „N[orddeutsche] A[llgemeine] Ztg.“ spricht) diese Praxis nicht mehr bestehe, so wäre darauf hinzuweisen: daß die Ausgestaltung des Kartellverhältnisses der Universitätsverwaltungenp6 dieses,r von außerpreußischen Verwaltungen naturgemäß unangenehm  empfundene Mittel nunmehr für den beabsichtigten Zweck entbehrlicher erscheinen ließ. Allein: ich habe ausdrücklichs nicht nur von Reversen der eben erwähnten,t immerhin nicht direkt anstößigen Art gesprochen, sondern von Reversen betreffend die uVerpflichtung zu nicht lehrauftragsgemäßen Vorlesungenu (ein solcher wurde mir angesonnen),7 von Schweigepflichten (wie sie mir und anderen,v und zwar gerade in letzter Zeitw unter aVerletzung bestehender Korporationsrechtea angesonnen wurden), ferner z. B. von Reversen, welche das Auftreten in öffentlichen Versammlungen betrafen (wie dies in einer mir genau bekannten Art, allerdings längere Zeit zurückliegend, passiert ist).8 Ferner von Reversen der Unterrichtsverwaltung, betreffend Eröffnung von Exspektanzenb auf künftigc irgendwo vakant werdende Professuren, also z. B. h Fehlt in A1.  i Fehlt in A1.  k Fehlt in A1.  l Hervorhebung fehlt in A1.   m  Hervorhebung fehlt in A1.  n  Fehlt in A1.  o A1: den „letzten Jahren“   p A1: Universitätsverwaltung  r Komma fehlt in A1.  s Hervorhebung fehlt in A1.   t  Komma fehlt in A2.  u–u  In A1 hervorgehoben.   v  Komma fehlt in A1.  w In A1 folgt: und  a–a  Hervorhebung fehlt in A1.  b A1: Exspektanten ; A2: Expektanzen  c  Hervorhebung fehlt in A1.   5  Vgl. den Brief Max Webers an Friedrich Althoff vom 5. Aug. 1893, wie oben, S.  352, Anm.  4. 6  Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  307 f., Anm.  8. 7  Vgl. ebd., oben, S.  310, Anm.  17. 8  Der Sachverhalt konnte nicht aufgeklärt werden.

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auf den Todes- oder Rücktrittsfall bestimmter Ordinarien großer Universitäten: mit diesem „Papiergeld“ ist unter der Verwaltung Althoffs bei Berufungen nach Preußen freigebig gezahlt worden,d und ich warte die Behauptung ab, daß ederartige Offertene in den letzten Jahren fnicht mehrf passiert seieng. Diese Reverse hwaren (in mir bekannten Fällen) schriftlichh gegeben. iDa die „N[ord­deut­ sche] A[llgemeine] Ztg.“ erklärt, keinen Anlaß zu weiteren Erörterungen mit mir zu haben,9 so bemerke ich dazu: daß ich ein Bedürfnis nach solchen mit dieser Zeitung als notwendig unfruchtbar von Anfang an nicht besessen habe. Ich mache nur wiederholt darauf aufmerksam: daß meine Auslassungen ersichtlich in erster Linie an öffentlich feststehende, der jüngsten Vergangenheit angehörende Vorfälle anknüpften, und daß die Heranziehung einiger weiter zurückliegenderj Beispiele lediglich zur Illustration des „Systems“ erfolgte. Ich darf mir vielleicht noch die Bitte erlauben, bezüglich meiner Bemerkungen über die Handelshochschulen, welche ich an anderer Stelle eingehend richtiggestellt hatte,10 hinzufügen zu dürfen: Da mir private Zuschriften sowohl wie Anschreiben von Rektoren von Handelshochschulen11 den Beweis liefern, daß trotz jener Darlegung meine Auslassungen noch immer als eine „Herabwürdigung“ der Tätigkeit der Handelshochschulen empfunden werden, und da außerdem ich den Eindruck habe: daß wenigstens in Köln meine Befürchtungen bezüglich des Einflusses des m. E. für Handelshochschüler gänzlich deplacierten Verbindungswesens als unbegründet

d  Komma fehlt in A1.  e A1: Derartiges  f  Hervorhebung fehlt in A1.  g A1: sei    h–h A1: waren, in mir bekannten Fällen, schriftlich  i–i  (S.  355)  Fehlt in A1.   j A2: zurückliegenden 9  Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung hatte in ihrem Artikel, Nr.  255 vom 29. Okt. 1911, S.  1, erklärt: „Wir haben im übrigen keinen Anlaß, uns in weitere Erörterungen mit Herrn Prof. Weber einzulassen.“ 10  Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, oben, S.  325–333, war am 24. Oktober geschrieben und am 27. Oktober 1911 im Berliner Tageblatt veröffentlicht worden. 11  Der Rektor der Berliner Handelshochschule Arthur Binz hatte seiner Kritik am 16. Oktober 1911 in einem Brief an Max Weber Ausdruck verliehen. Vgl. den Brief Max Webers an Arthur Binz vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  298, sowie den Editorischen Bericht zu Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, oben, S.  325 f. Weitere Zuschriften sind nicht nachgewiesen.

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angesehen werden,12 so komme ich auf diese Punkte in einem ­dieser Tage an die Leiter der betreffenden Handelshochschulen zu versendenden Schreiben zurück,13 welches die Tatsachen, auf ­welche ich mich stütze und welche, mündlich und schriftlich, aus Kreisen stammen, deren Unbefangenheit und Informiertheit anzuzweifeln für mich keinerlei Möglichkeit besteht, zu beliebiger Verwendung mitteilen wird.i Mit vorzüglicher Hochachtung Professor Max Weber.

i  (S.  354)–i  Fehlt in A1. 12  Der Rektor der Handelshochschule Köln Christian Eckert schrieb in seinem Bericht über die Studienjahre 1906 und 1907, daß die Studierenden die „Erlaubnis erhalten haben, die äusseren Abzeichen deutschen Studentenlebens sich zuzulegen“, da diese von den Handelshochschulen nicht gänzlich auszuschließen seien. Er betonte aber, daß die Mehrzahl der Studierenden besser in „sportlichen und wissenschaftlichen Vereinen“ aufgehoben wäre. Vgl. Die städtische Handels-Hochschule in Cöln. Bericht über die Studienjahre 1906 und 1907. Erstattet von Christian Eckert. – Köln: Paul Neubner 1908, S.  97. 13  Am 7. November 1911 schickte Max Weber eine Denkschrift an die Handelshochschulen Berlin, Köln, Mannheim und München, vgl. oben, S.  325–333.

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[Noch einmal die Erklärungen] [Zuschrift vom 6. November 1911 an die Nationalliberale Correspondenz]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die folgende Zuschrift Max Webers bezieht sich auf eine Erklärung in 11 Punkten in der Nationalliberalen Correspondenz vom 4. November 19111 und bildet die Fortsetzung einer öffentlich geführten Kontroverse zwischen Max Weber und dieser Zeitung.2 Deren parlamentarischer Mitarbeiter hatte die Ausführungen Webers auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden über ein Gespräch zwischen Friedrich Althoff und seinem Vater, Max Weber sen., im Jahre 1893 in Zweifel gezogen. Weber hatte in Dresden seine „auffällige Protektion“ durch Althoff auf das nationalliberale Abgeordnetenmandat seines Vaters zurückgeführt und Althoff einen vermeintlichen Beeinflussungsversuch unterstellt, da dieser versucht habe, über seinen Vater die Zustimmung der nationalliberalen Fraktion zu einer von Althoff gewünschten, neu beantragten nationalökonomischen Professur zu erreichen. Sein Vater habe nach diesem Gespräch sein Mandat in der Budgetkommission niedergelegt.3 Der parlamentarische Mitarbeiter der Nationalliberalen Correspondenz bezog seine Informationen, laut eigenen Angaben, aus dem Protokoll der Budgetkommission vom 8. Februar 1893 sowie aus dem Protokoll der nationalliberalen Fraktionssitzung vom 22. Februar 1893.4 In seiner zwei Tage spä1  Vgl. Anonym, Nochmals die Erklärungen des Herrn Professor Dr. Max Weber (Heidelberg), in: Nationalliberale Correspondenz, Nr.  236 vom 4. Nov. 1911, GStA PK, I. HA., Rep.  76, Sekt. 1, Tit. IV, Nr.  45, Bd. 2, Bl. 110 (hinfort: Anonym, Nochmals die Erklärungen Max Webers), Teilwiedergabe in einer Erläuterung zum Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  294, Anm.  15. Zu den Hintergründen vgl. die redaktionelle Vorbemerkung der Nationalliberalen Correspondenz zu Webers Zuschrift, unten, S.  359, textkritische Anm.  i. 2  Vgl. Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  317–324, insbes. den Editorischen Bericht, S.  317 f. 3  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410, sowie den Brief an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  293 f. 4  Nationalliberale Correspondenz, Nr.  236 vom 4. Nov. 1911, GStA PK, Rep.  76, Sekt. 1, Tit. IV, Nr.  45, Bd. 2, Bl. 110.

Editorischer Bericht

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ter an die Nationalliberale Correspondenz geschickten Zuschrift vom 6. November 19115 geht Weber davon aus, daß der Verfasser des Artikels seine Informationen „aus den mir unbekannten und unzugänglichen Akten und Materialien“ bezogen hatte.6

Zur Überlieferung und Edition Die Zuschrift an die Nationalliberale Correspondenz ist als dreiseitiges maschinenschriftliches Manuskript unter dem Datum 6. November 1911 in zweifacher Ausfertigung sowie in einem verkürzten Abdruck unter der Überschrift „Noch einmal die Erklärungen des Herrn Professor Dr. Max WeberHeidelberg“ in der Nationalliberalen Correspondenz, Nr.  241 vom 10. November 1911, S.  1 (B), überliefert.7 Zum Abdruck gelangt das maschinenschriftliche Manuskript vom 6. November 1911, das sich in der Personalakte Max Weber, GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 136–138 (A), befindet und mit handschriftlichen Unterstreichungen, Korrekturen und Ergänzungen Webers versehen ist (A1). Es trägt in der linken oberen Ecke eine Bemerkung von Max Webers Hand: „Abschrift. An die Nationalliberale Correspondenz.“, womit es sich, auch ohne eigenhändige Unterschrift, als ein Text Max Webers ausweist. Ein identisches maschinenschriftliches Manuskript befindet sich in: GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr.  30, Bd. 6, Bl. 88–90 (A2). Es trägt am oberen und am linken Rand folgende handschriftliche Zusätze Max Webers: „Zur gefl. Kenntnisnahme.“ sowie: „An die Nationalliberale Correspondenz“. Es weist keine (weiteren) handschriftlichen Änderungen auf und wird daher nachfolgend nicht berücksichtigt. Abweichungen des Typoskripts (A) und der Druckfassung (B) von der edierten Fassung A1 werden im textkritischen Apparat nachgewiesen, das betrifft auch die redaktionelle Vor- und Nachbemerkung der Nationalliberalen Correspondenz. Nicht nachgewiesen werden zeitübliche Abweichungen in der Rechtschreibung (wie z. B. deplacierten/deplazierten) und Tippfehler (wie z. B. verletztend oder zeimlich). Die Seitenzählungen der Textfassungen werden marginal mitgeführt. Bei Fassung A, A1 wird statt der Archivpaginierung die ursprüngliche maschinenschriftliche Zählung verwendet, die auf S.  2 einsetzt. Die Siglierung erfolgt als A, A1 (1), A, A1 2 etc.

5  Vgl. unten, S.  358–362. 6  Unten, S.  358. 7  Dieses Exemplar findet sich in: GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr.  30, Bd. 6, Bl. 91, also in direktem Anschluß an die Manuskriptvorlage Max Webers (Fassung A2).

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[Noch einmal die Erklärungen] A, A1 (1), [B 1]

aHeidelberg,

den 6. November 1911.

Sehr geehrte Redaktion! Ich empfing mit verbindlichstem Dank Ihre No. 236.1 Nachdem Ihr Herr Referent sich auf Grund meiner Angaben aus den mir unbekannten und unzugänglichen Akten und Materialien überzeugt hat, daß in deren Inhalt die von ihm anfänglich angenommene b„Unmöglichkeit“b der von mir erwähnten Vorfälle keinec Stütze findet, besteht für mich z. Zt. kein Grund, Sie noch mit denjenigen zusätzlichen Bemerkungen zu belasten, zu welchen einige von den Punkten 1–11d2 seiner Ausführungen (soweit dieselben nicht eine wichtigee Bestätigung meiner eigenen Darlegung ergeben) mir Anlaß geben könnten (speziell No. 1, 6, 8).3 Ich bemerke nur zu Punkt 10,4 daß – wie meine Darlegungen ergeben – auch heute mir die allein wesentlichenf Punkte des Vorfalls (der ersten und mir daher sehr eindrucksvoll gebliebenen Berührung mit der preußischen Unterrichtsverwaltung) gabsolut unzweideutig erinnerlichg sind. – a–a  (S.  359) Fehlt in B.   b–b  Anführungszeichen fehlen in A.   c Hervorhebung fehlt in A.   d A: 10    e  Fehlt in A.   f  Hervorhebung fehlt in A.   g–g Hervorhebung fehlt in A. 1  Gemeint ist: Anonym, Nochmals die Erklärungen (wie oben, S.  356, Anm.  1). 2  Vgl. ebd. 3  In diesen Punkten (ebd.) hieß es: „1. Wenn Herr Professor Dr. Weber die Hasbachsche Professur in Kiel im Auge hatte, kann die Unterredung mit seinem Vater nur im Januar oder Februar 1893 stattgefunden haben. 1892 wurde allerdings schon ein staatswissenschaftliches Extraordinariat für Kiel angefordert. Dieses kommt aber nicht in Betracht, da Abg. Dr. Weber (Halberstadt), wie aktenmäßig feststeht[,] erst 1893 in die Budgetkommission eingetreten ist.“ […] 6. Es ist unerfindlich und heute nicht mehr zu ergründen, wie Dr. Althoff auf den Gedanken kommen konnte, daß die Nationalliberalen die Ersatzprofessur ablehnen wollten. […] 8. Die Mitteilung des Vorgangs durch Herrn Professor Dr. Weber würde wahrscheinlich wesentlich geringeren Eindruck auf die Hörer gemacht haben, wenn er lediglich von einer ‚Absicht’ seines Vaters gesprochen hätte.“ 4  In Punkt 10 (ebd.) hieß es: „ Es ist gewiß nicht zu verwundern, und kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß Herr Professor Dr. Weber nach 18 Jahren sich des Vorganges in allen seinen einzelnen Teilen nicht mehr genau erinnern kann.“

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Lediglich gegen den letzten Punkt (11)5 seiner Darlegungen habe ich nachdrücklich Verwahrung einzulegen, da er m. E. weder den Tatsachen noch meinen offen erklärten Absichten gerecht wird. 1. Daß und warum ich s. Zt. daraufh zurückkam, diesen und andere Vorfälle öffentlich während Herrn Althoffs Amtszeit zur Sprache zu bringen, ist von mir ausführlich in der Täglichen Rundschau No. 497 gesagt.6 Privatim habe ich wiederholt den Vorfall mit vertrauenswürdigen Kollegen besprochen. 2.a Diei Wendung, man müsse sich j„wundern“j,7 daß ich diesen 18 Jahre zurückliegendenk Vorfall erst heute l„ans Licht ziehe“l, „um die gegenwärtigenm Ministerialbeamten der preußischen Unterrichtsverwaltung anzugreifen“, ist nicht nur unzutreffend, sondern, und zwar ohne objektiven Grund, verletzend. Denn nichts in meinen Äußerungen in Dresden oder später8  gibt irgendwelchen Anlaß zu der Annahme, daß dies letztere geschehen oder beabsichtigt gewesen sei. Diese älteren Vorgänge sind ausgesprochenermaßen nur herangezogen, um zu nkonstatieren, wien ich zur Sicherheit außerdem auch noch nachher wiederholt erklärt habeo: daß diejenigen Vorgänge, aus denen ich, in Übereinstimmung zum mindestenp mit der überwältigenden Mehrheit der

h  A, A1, B: davon  a  (S.  358)–a  Fehlt in B.   i  In B geht die redaktionelle Bemerkung voraus: Herr Professor Dr. Max Weber-Heidelberg sendet uns auf die Darlegungen unseres parlamentarischen Mitarbeiters in Nr.  236 wiederum eine Entgegnung. Professor Weber geht sachlich nur auf den Punkt 11 der Feststellungen unseres Mitarbeiters ein, wo gesagt war: „Wundern muß man sich dagegen, daß Herr Professor Dr. W[eber] einen vermeintlichen Beeinflussungsversuch, der 18 Jahre zurückliegt, erst heute ans Licht zieht, um die gegenwärtigen Ministerialbeamten der preußischen Unterrichtsverwaltung anzugreifen.“ Hierzu bemerkt Herr Professor Weber:   j–j Anführungszeichen fehlen in A.   k  Hervorhebung fehlt in A, B.    l–l Anführungszeichen fehlen in A.   m Hervorhebung fehlt in A, B.   n B: konstatieren (wie   o B: habe)  p  A, A1: mindestens   5  Vgl. textkritische Anm. i. 6  Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302– 316. Die Zuschrift an die Tägliche Rundschau war am 22. Oktober 1911 erschienen. 7  Weber bezieht sich hier auf Punkt 11 der Ausführungen des parlamentarischen Mitarbeiters der Nationalliberalen Correspondenz, vgl. oben, Anm.  5. 8  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410, sowie Webers Zuschriften an verschiedene Tageszeitungen, oben, S.  298–355.

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deutschen qHochschullehrer, wirklichq Vorwürfe (und zwar allerdings ziemlich schwere Vorwürfe) für die Gegenwartr herleite,9 Überkommnisse einer Tradition seien, welche durch Herrn Althoff geschaffen swar, welches auch unter ihm schwere Schatten warf,t aber freilich unter seiner Verwaltung durch die großen Lichtseiten seineru von mir sehr stark anerkanntenv Organisationsleistungen mehr als kompensiert wurde.w Daß ich dabei nicht Erfahrungen Dritter, die ich in beträchtlicher Zahl und aus den verschiedensten Zeiten kenne, aber natürlich streng vertraulich behandeln muß, verwerten konnte, ist klar und von mir auch ausdrücklich gesagt. Da ich persönlich aber seitx 17 Jahren mit der preußischen Unterrichtsverwaltung amtliche Beziehungen nicht mehr habe, konnte ich nicht wohl über jüngere eigene Erfahrungen verfügen.y Ihr Herr Referent ist in seinen hierher gehörigen Bemerkungen (Punkt 11)10 offenbar ein Opfer der um die Gegenwart herumgehenden, teilweise direkt unaufrichtigen Erklärungen der zNorddeutschen Allgem[einen] Zeitungz11 geworden, welche die Aufmerksamkeit von dem, was den gegenwärtigena Ministerialbeamten von mir wirklichb und ausdrücklichc unter spezieller Angabe der einzelnen Punkted öffentlich zum Vorwurf gemacht worden ist,12 auf andere Punkte abzulenkene geeignet und ersichtlich auch dazu

q A: Hochschullehrer wirklich    r  Hervorhebung fehlt in A.   s A: war, ; B: war und    t In B folgt: die  u In B folgt ein Komma.   v In B folgt ein Komma.  w B: wurden  x  Fehlt in A.   y  In B folgt ein Gedankenstrich, aber kein Absatz.  z–z B: „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“   a In B hervorgehoben.  b  In B hervorgehoben.   c  In B folgt ein Komma.   d  In A, B folgt ein Komma.  e  In B folgt ein Komma. 9  Vgl. Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  319. 10  Vgl. oben, S.  359, textkritische Anm. i. 11  Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung (Nr.  255 vom 29. Okt. 1911, S.  1) hatte Max Webers Aussage in Zweifel gezogen, daß bei der preußischen Unterrichtsverwaltung ein System von Reversen verschiedenster Art bestehe, und als Gegenbeweis eine „Erklärung“ abgedruckt, die die Professoren bei ihrer Berufung an eine preußische Universität zu unterzeichnen hatten. Vgl. dazu Weber, Das „System Althoff“, oben, S.  350. 12  Gemeint ist vermutlich der „Fall Bernhard“, vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–77, sowie Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  394–410.

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bestimmt waren. Ich verweise in dieser Hinsicht auf die Bemerkungen der fRedaktion der Kölnischen Zeitung vom 29.X.f 13 Sehr gegen meine Neigung muß ich daraus den Anlaß nehmen, abermalsg höffentlich unzweideutigh festzustellen, was der gegenwärtigeni Unterrichtsverwaltung von mir zum Vorwurf gemacht worden ist, und zwar diesmal in einer Form, welche eine  gerichtliche Feststellung des Sachverhalts ermöglicht. Denn ich bin nicht gesonnen, einen von so gewichtiger Seite ausgehenden Angriff auf mir sitzen zu lassen, andererseits aber nichtj geneigt, kfür diese Zweckek den Weg privaterl Information von Parlamentspolitikernm zu nbeschreiten, worinn ich mich sicherlich der Zustimmung Ihres Herrn Referenten selbst erfreuen werdeo. Denn politische Parteien sind ihrem Wesen nach genötigt, auch derartige Angelegenheiten politischen Zwecken und Gesichtspunkten einzuordnen. Mein Angriff aber, der in Wirklichkeit eine Abwehr vonp unter den gegebenen Umständen ganz besondersq deplazierten Äußerungen des Herrn Kultusministersr gegen die Universitäten war,14 verfolgt seinerseits weder politische noch persönliche Zwecke und war, wie ich auch hier nachdrücklich hervorheben möchte, auch nicht etwa durch Anregungen oder Informationen beteiligter Universitätskol-

f A: Kölnischen Zeitung in No. ; B: Redaktion der „Kölnischen Zeitung“ vom 29. Oktober. – In B folgt kein Absatz.   g  Hervorhebung fehlt in A.    h  In B hervorgehoben.  i  In B hervorgehoben.   j  Hervorhebung fehlt in A, B.   k–k  Fehlt in A; A1: über diese Zwecke  l  In B hervorgehoben.   m  Hervorhebung fehlt in A, B.   n B: beschreiten (worin   o B: werde)  p  In B folgt ein Komma.   q  In B folgt ein Komma.   r A: Kulturministers 13  Die Kölnische Zeitung schrieb am 29. Okt. 1911: „Wir glaubten diesen schweren Vorwürfen gegen die preußische Unterrichtsverwaltung, die ja schon wiederholt laut geworden sind, Raum geben zu müssen, weil wir glaubten, daß die ministerielle Behörde nun das Bedürfnis und die Verpflichtung empfinden werde, darauf zu antworten […]. Man wird nicht sagen können, daß die Angaben Webers damit widerlegt seien, und man wird es bedauern müssen, daß die Unterrichtsverwaltung auf die anderen Vorwürfe nicht eingeht.“ Der Zeitungsausschnitt befindet sich in den Akten des preußischen Kultusministeriums, GStA PK, I. HA, Rep.  76, Sekt. 1, Tit. IV, Nr.  45, Bd. 2, Bl. 98. 14  Vgl. Weber, Nochmals das „System Althoff“, unten, S.  384 mit Anm.  9. Anspielung auf die Rede von August von Trott zu Solz im August 1911, vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  313 mit Anm.  24.

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legen veranlaßt. Ich werde die persönliche Hereinziehung Dritters auch jetzt tnach Möglichkeitt zu vermeiden suchen.u

s  In A folgt: 〈daher〉    t A: unter allen Umständen    u  In B folgt die redaktionelle Bemerkung: Wir möchten diese Diskussion hiermit, soweit die „Nat[ional]lib[erale] Corr[espondenz]“ in Frage kommt, abschließen, zumal auch unser parlamentarischer Herr Mitarbeiter, dem wir diese neuerliche Auslassung des Herrn Professor Dr. Weber vorlegten, darauf verzichtet, auf die Angelegenheit nochmals zurückzukommen.

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[Denkschrift an die Handelshochschulen]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden äußerte sich Max Weber auch zu den deutschen Handelshochschulen.1 Was in den Zeitungen darüber (nicht immer korrekt) berichtet wurde, rief viel Kritik hervor.2 Das veranlaßte ihn, seine Ansichten in einer Denkschrift umfassend darzulegen. Diese schickte er am 7. November 1911 mit einem vertraulichen Begleitschreiben an die Handelshochschulen in Berlin, Köln, Mannheim und München3 sowie eine Abschrift an Paul Eltzbacher und Werner Sombart „zur gef. Kenntnisnahme“4 und, versehen mit einem Begleitbrief, am 8. November 1911 auch an das Großherzogliche Ministerium des Kultus und Unterrichts in Karlsruhe.5

Zur Überlieferung und Edition Die Denkschrift ist als 11-seitige maschinenschriftliche Abschrift in zwei Ausfertigungen überliefert; die an die vier Handelshochschulen in Berlin, Köln, Mannheim und München verschickten Exemplare müssen hingegen als verschollen gelten.6 Max Weber versah die Abschrift (A), die offenbar in mehre-

1  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, unten, S.  398, 410. 2 Vgl. dazu Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, oben, S.  325–333, mit Editorischem Bericht. 3  Brief Max Webers an die Handelshochschulen Berlin, Köln, Mannheim, München vom 7. Nov. 1911, MWG II/7, S.  327 f. 4  Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Bestand Wirtschaftshochschule Berlin, Nr.  989, Bl. 139–149. 5  Vgl. den Brief Max Webers an Franz Böhm vom 8. Nov. 1911, MWG II/7, S.  329 f. Die Abschrift der Denkschrift befindet sich im GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 141–151. 6  Vgl. die schriftlichen Auskünfte an die Generalredaktion der Max Weber-Gesamtausgabe, BAdW München, vom UA Köln (14. April 1997), von der UB Mannheim (5. März 1997), des UA (25. April 1997) und des Historischen Archivs der Technischen Universität München (31. März 2010). Bei der in Berlin archivierten Denkschrift (vgl. oben, Anm.  4) handelt es sich nicht um das offizielle Exemplar an den Rektor der Handelshochschule Arthur Binz, sondern um eine Abschrift an die beiden Professoren Eltzbacher und Sombart.

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Denkschrift an die Handelshochschulen

ren Durchschlägen angefertigt worden war, mit leicht voneinander abweichenden handschriftlichen Zusätzen, Korrekturen und Unterstreichungen. Zum Abdruck gelangt hier die von Max Weber nicht nur mit eigenhändigen Zusätzen versehene, sondern auch unterschriebene Abschrift, die von ihm am 8. November mit einem Begleitbrief an den badischen Minister des Kultus und Unterrichts übersandt wurde7 und die sich in der Personalakte Max Weber, GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 141–151 (A1), befindet. Alle Abweichungen der maschinenschriftlichen Abschrift A von der Fassung A1 werden textkritisch nachgewiesen. Ebenfalls textkritisch nachgewiesen werden die Abweichungen der zweiten Ausfertigung, die mit dem Zusatz „Herrn Prof. Eltzbacher u. Herrn Prof. Sombart zur gef. Kenntnisnahme“ versehen ist und sich im Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Bestand Wirtschaftshochschule Berlin, Nr.  989, Bl. 139–149 (A2), befindet.8 Nicht berücksichtigt wird eine weitere maschinenschriftliche Abschrift, die handschriftliche Zusätze Marianne Webers und Eduard Baumgartens trägt und vermutlich erst nach Webers Tod angefertigt worden ist. Sie kam als Schenkung von Eduard Baumgarten an das Max Weber-Archiv München und befindet sich heute im Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446. Die Edition gibt die originale maschinenschriftliche Paginierung als A1 2 bzw. A2 2 etc. wieder und ergänzt die fehlende Zählung der ersten Seite als A1 (1) bzw. A2 (1). Auf die Annotation der Archivpaginierung wird verzichtet. Stillschweigend korrigiert werden Tippfehler, wie z. B. fehlender Wortabstand sowie Schreibfehler, wie „sicht“ statt „sich“, „Kökn“ statt „Köln“ oder „ihrem“ statt „ihren“. Nicht nachgewiesen werden maschinenschriftliche Sofortkorrekturen.

7  Vgl. den Brief Max Webers an Franz Böhm vom 8. Nov. 1911, MWG II/7, S.  329 f. 8  Diese Fassung lag dem Abdruck der Denkschrift in: Hayashima, Akira, Max Weber und die deutschen Handelshochschulen, in: Kwansei Gakuin University Annual Studies, Vol. 35, Dez. 1986, S.  168‑172 (hinfort: Hayashima, Handelshochschulen), zugrunde, der hier unberücksichtigt bleibt.

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[Denkschrift an die Handelshochschulen] Heidelberg, den 7. November 1911.

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Die auch nach meiner Darlegung im Berliner Tageblatt No. 548 vom 27. Oktober1 anhaltenden zahlreichen öffentlichen Angriffea und privaten Zuschriften anläßlich meiner Bemerkung über die Handelshochschulenb auf dem Hochschullehrertage veranlassen mich zu den nachfolgenden Bemerkungen, von denen ich anheimstelle, jeden erwünschten Gebrauch zu machen. Eine Veröffentlichung unterlasse ich meinerseits, weil ich dadurch wenigstens bei Unkundigen in der Tat vielleicht den Schein erwecken könnte, als sei meine Absicht, den Handelshochschulen etwas anzuhängen, dac ich hier ja nicht vermeiden kann, gewisse konkrete Zustände vorwiegend kritisch zu beleuchten. Ich schicke, ehe ich zur Sache komme, einige Bemerkungen voraus. Es ist vor den geschehenen öffentlichen Schritten2 von keiner der beteiligten Seiten an mich die Anfrage gerichtet worden, ob die Zeitungsmeldungen zutreffend und vollständig seien, obwohl doch die Voraussetzung, daß ich hier Gelegenheit, Zeit und übrigens auch: Neigung hätte, ohne konkreten Anlaß norddeutsche Blätter nach Berichten über eigene Reden zu durchforschen, wohl kaum als selbstverständlich gelten konnte. Man sagt mir, daß die ­Frankfurter Zeitung an der Sensationsmacherei anläßlich meiner Rede sich nicht beteiligt habe.3 Ich selbst weiß dies nicht, da ein zwölfstündiger Prozeßtermin am 15. und eine Ganztagesreise am 16. Oktober mich außerstand setzte,4 irgend einen, insbesondere a  In A2 hervorgehoben.  b  Hervorhebung fehlt in A, A2.  c A: weil 1  Vgl. Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, oben, S.  325–333. 2  Arthur Binz und Paul Eltzbacher, Professoren an der Berliner Handelshochschule, verwahrten sich in Zeitungszuschriften gegen die von Weber erhobenen Vorwürfe. Vgl. Binz, Arthur, [ohne Titel], in: Berliner Tageblatt, Nr.  530 vom 17. Okt. 1911, Ab.Bl., S. [3], und Eltzbacher, Paul, Max Weber und die Handelshochschulen, ebd., Nr.  528 vom 16. Okt. 1911, Ab.Bl., S. [4]. 3  Die Frankfurter Zeitung berichtete nicht über Webers Rede auf dem Hochschul­leh­ rertag. 4  Die zwölf Stunden dauernde Hauptverhandlung im Beleidigungsprozeß Julius Ferdinand Wollf/Otto Bandmann gegen Max Weber vor dem Schöffengericht in Dresden

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diesen Bericht,5 zu lesen. Nachdem ich erstmalig von den Preßberichten erfuhr (17. Oktober),6 habe ich privatim nach Berlin und Köln mitgeteilt, daß selbstredend eine Richtigstellung  etwaiger Irrtümer erfolgen werde.7 In Köln ist diese Mitteilung festgestelltermaßen durch einen nicht vorauszusehenden Zufall nicht an den Herrn Studiendirektor gelangt.8 Das erste Berliner Blatt erhielt ich am Donnerstag, den 19. Oktober abends. Meine sehr eingehende Berichtigung einer ganzen Anzahl anderweiter Falschberichte datiert vom 21. und erschien in der Täglichen Rundschau vom 22. Oktober,9 meine eingehende Darlegung betreffs der Handelshochschulen vom 24. erschien infolge einer verzögernden Rückfrage des Berliner Tageblatts daselbst am 27. Oktober.10 Indem ich nachstehend mein inzwischen öffentlich gegebenes Versprechen einlöse, die Gründe und Tatsachen, auf welche ich mich stütze, näher zu spezifizieren,11 nehme ich bezug auf die eben erwähnte beiliegende Darlegung12 und bemerke, daß ich Namen zu nennen oder indirekt die Quellen erkennbar zu machen, nach eingehender Erwägung ablehne, auch da wo mir dies, wie z. B. in

fand nicht am Sonntag, dem 15. Oktober, sondern am Samstag, dem 14. Oktober 1911, statt. Weber reiste am 16. Oktober 1911 nach Heidelberg zurück. Vgl. Brief Max Webers an Franz Böhm vom 22. Okt. 1911, MWG II/7, S.  319 f., Anm.  5. 5  Zu den Berichten über Webers Diskussionsbeiträge vgl. unten, S.  788–804. Weber könnte hier speziell an den Bericht der Täglichen Rundschau denken, die nach seinen Informationen „die gröbsten Irrtümer begangen“ habe, vgl. den Brief Max Webers an Arthur Binz vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  297 f. 6  Weber erfuhr davon durch einen Brief des badischen Kultusministers Franz Böhm vom 16. Oktober 1911. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  285. 7  Max Weber hatte am 18. Oktober 1911 sowohl Arthur Binz, dem Rektor der Handelshochschule in Berlin, als auch dem Juristen und Professor an der Berliner Handelshochschule Paul Eltzbacher brieflich eine Richtigstellung der Presseberichte angekündigt (vgl. die Briefe an Arthur Binz bzw. Paul Eltzbacher vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  297 f. bzw. 299 f.). Am 7. November 1911 schickte Weber Briefe an die Handelshochschulen Berlin, Köln, Mannheim und München. Vgl. MWG II/7, S.  327 f. 8  Der Rektor der Handelshochschule in Köln war Christian Eckert. Um welchen Zufall es sich handelte, ist nicht nachgewiesen. 9  Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302– 316, bes. den Editorischen Bericht, S.  303, Anm.  9. 10  Weber, Die Handelshochschulen. Eine Entgegnung, oben, S.  325–333. 11 Weber hatte dies den Handelshochschuldirektoren in seiner Zuschrift an die Frankfurter Zeitung angekündigt. Vgl. Weber, Das „System Althoff“, oben, S.  355 mit Anm.  13. 12  Wie oben, S.  365, Anm.  1.

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einem erst kürzlich erhaltenen umfangreichen Schreiben,13 ausdrücklich freigestellt worden ist. Denn andernfalls würde ich lediglich Veranlassung zu sterilen Rekriminationen und Personalrecherchen aller Art geben. Ich habe davon nur für einen Fall, in dem übrigens Außenstehenden gegenüber als absolut vertraulich anzusehenden, Begleitschreiben an die beiden Herren Hochschulleiter in Köln und Berlin14 eine in jenem Schreiben näher motivierte Ausnahme gemacht. dDie imd Lauf der Jahre mir teils mündlich, teils schriftlich zugegangenen Meinungsäußerungen betrafen teils (zum wesentlich kleineren Teil) die Wirkung der Diplome der Handelshochschulen als solcher, teils aber und namentlich die Wirkung des Couleurwesens; sie stammten 1. von Firmen, 2. von Angestellten, 3. – in einem Fall – aus den Kreisen der hochschulmäßig vorgebildeten Handelslehrer.15 Ich scheide alle diejenigen aus, welche – wie der Fall ad 3 und die meisten ad 2 – durch ihre Tonart Bedenken gegen die Sachlichkeit des  Schreibers erregen. Alsdann verbleiben folgende Punkte: Der Herr Rektor der Berliner Hochschule weist es als verletzend zurück, daß in Berlin ein Verbindungswesen existieree.16 Der

d A: Im  e A: existiert 13  Auf welches Schreiben sich Weber hier bezieht, ist nicht nachgewiesen. 14  In dem Begleitschreiben an die Handelshochschulen Berlin/Köln/Mannheim/München heißt es: „Da ich aus einer Preßäußerung glaube entnehmen zu sollen, daß hie und da die kleine Geschichte, welche ich in dieser Darstellung eingeflochten habe, als eine pointiert zugestutzte Anekdote aufgefaßt worden ist, so bemerke ich ausdrücklich: der Vorfall hat sich, soweit menschliches Gedächtnis einen Vorfall wortgetreu überhaupt zu behalten imstande ist, genau so wie erzählt in einer Fabrik zugetragen, an welcher ich selbst mit fast meinem ganzen Vermögen Teilhaber bin. Dagegen möchte ich ebenso ausdrücklich bemerken, daß von ausnahmslos allen denjenigen anderen Tatsachen, welche ich angeführt habe und anführe, keine einzige dieser selben Quelle entstammt.“ Vgl. MWG II/7, S.  327 f. 15  Solche Briefe erhielt Max Weber im Oktober 1911 von Arthur Binz und von Paul Eltzbacher. Vgl. die Editorischen Vorbemerkungen zu den Briefen an Arthur Binz bzw. Paul Eltzbacher vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  297–299. 16  Gemeint ist Arthur Binz. In einem Brief an Max Weber vom 17. Oktober 1911 erklärte er, daß das Couleurwesen „schon deshalb nicht als Kriterium der Handelshochschulbewegung gelten“ könne, weil es „garnicht auf allen Handelshochschulen eingeführt“ sei. In Berlin sei es sogar an der Handelshochschule verboten. Hier zitiert nach der Editorischen Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Arthur Binz vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  298.

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Herr Studiendirektor in Köln umgekehrt spendet den dortigen Verbindungsstudenten Anerkennung und hält das Verbindungswesen mindestens für unschädlich, wenn nicht für erfreulich, wie aus Äußerungen in den Jahresberichten sowohl wie in seiner letzten Immatrikulationsrede hervorgeht.17 Nun existiert aber das Verbindungswesen auch in Berlin, nach den eingehenden Mitteilungen eines Herrn, der mit den dortigen Verbindungsstudenten persönlich verkehrt hat.18 Nur offenbar auf viel tieferem Niveau des Zuschnitts und der gesellschaftlichen Formen. Während in Köln in erster Linie Abkömmlinge vermögender Familien und einer sogenannten guten Kinderstube sich den Luxus eines Couleurlebens nach Art der Universitäten zu leisten scheinen, mindestens die tonangebenden Elemente sind, fehlen anscheinend diese Elemente unter den Berliner Verbindungsstudenten fast gänzlich, und der dort herrschende Ton wird als zum Teil eben deshalb höchst minderwertig geschildert. Es scheint sich um eine Auslese der Minderwertigsten zu handeln, und das Verbot hat also immerhin die Wirkung gehabt, tüchtigere Elemente aus diesem Treiben auszuschalten. Was sodann die Kölner Verbindungen anlangt – deren Zahl und Mitgliederstärke mir im einzelnen nicht bekannt ist, deren praktische Bedeutung aber, auch mit den Universitäten verglichen, keinesfalls gering sein kann, da ihre f(auch an den Universitäten überall vorhandene)f Minderheitsstellung für ihre Rolle nicht maßgebend ist, so liegen deren soziale Schichtungsverhältnisse gerade umgekehrt, und danach bestimmt sich nach den mir gemachten Mitteilungen19 auch ihr Einfluß. Dies würde meinen persönlichen Erfahrungen durchaus entsprechen.

f–f  Klammern fehlen in A, A2. 17 Gemeint ist der Leiter der Kölner Handelshochschule Christian Eckert, der das studentische Couleurwesen tolerierte. Vgl. Weber, Das „System Althoff“, oben, S.  355, Anm.  12. 18  Auf wessen Mitteilungen sich Weber hier bezieht, ist nicht nachgewiesen. 19  Seine Informationen über die Kölner Handelshochschule und deren Verbindungswesen bezog Weber aus den Mitteilungen derselben. Vgl. Die städtische HandelsHochschule in Cöln. Bericht über die Studienjahre 1906 und 1907. Erstattet von Christian Eckert. – Köln: Paul Neubner 1908. Bericht über die Entwicklung der Handels-Hochschule im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens unter besonderer Berücksichtigung der Studienjahre 1909 und 1910. Erstattet von Christian Eckert. – Ebd. 1911.

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Als ich in Heidelberg Couleurstudent war,20 betrug die Zahl aller Verbindungsstudenten zusammen noch nicht 1/7 der Studentenschaft (heute wesentlich mehr,  was für die Entwicklungsprognose auch der Handelshochschulstudentenschaft wichtig sein dürfte); dennoch aber spielten diese, schon weil für die äußere Repräsentation der Studentenschaft ihre Mitwirkung als unentbehrlich galt, in studentischen Angelegenheiten eine ausschlaggebende Rolle. Vor allem aber ließ sich, auch bei solchen Studierenden, welche außerhalb der Couleuren oder ihnen direkt feindlich gegenüberstanden, dennoch der unwillkürliche Einfluß der von den Verbindungen gezüchteten Formen des Auftretens nach meinen sehr deutlichen Erinnerungen nicht verkennen. Eben dies wird von der Existenz, Anerkennung und öffentlichen Belobung des Verbindungswesens an den Handelshochschulen teils – vielleicht mit Unrecht – schon jetzt behauptet, teils – m. E. nicht ohne Grund – für die Zukunft befürchtet. Diese dem Couleurstudententum mit gewissen Schichten der in Preußen offiziell als gesellschaftsfähig anerkannten Kreise gemeinsame Art sich zu geben: im Verkehr mit Gleichstehenden sowohl wie im Verkehr der Gesellschaft wie vor allem im Verkehr mit Untergebenen und mit anderen Kreisen Angehörenden, sind nun, wo immer sie sich zeigen, das gGespött des gesamten Auslandsg. Die Tragweite dieser h(i„prinzipiell“i ja gewiß gleichgültigen)h Dinge ist infolgedessen in der Praxis gerade für die Pionierarbeit des Handels keineswegs ganz gering. Sie schädigen, wie ich, nach einjährigem Aufenthalt in Italien, und von Beobachtungen bei persönlichen Besuchen in Holland, England, Nordamerika her,21 vor allem aber durch die Mitteilungen meiner zahlreichen Verwandtschaft in diesen drei Ländern und in Belgien

g–g  Hervorhebung fehlt in A.   h–h  Klammern fehlen in A.   i–i Anführungszeichen fehlen in A. 20  Weber war seit seinen Heidelberger Studienjahren 1882–1884 Mitglied der Burschenschaft „Allemannia“, am 17. Oktober 1918 erklärte er seinen Austritt. Vgl. dazu den Brief an Friedrich Keller vom 17. Okt. 1918, MWG II/10, S.  269–271. 21  Weber verbrachte das Jahr 1902 krankheitsbedingt vorwiegend in Italien; im Oktober 1903 unternahm er Reisen nach Holland, von August bis November 1904 eine Reise durch die Vereinigten Staaten. Die Zeit von Mitte August bis Mitte September 1910 verbrachte Weber in England.

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und Norwegen,22 mit vollster Bestimmtheit behaupten darf, die Beliebtheit und das Ansehen des Deutschtums dort auf das allerempfindlichste. Jener Spott – der einen ganz anderen Charakter hat, als z. B. die stets mit einem Einschlag von geheimem Respekt verbundene Heiterkeit, welche bei uns z. B. Engländer und Amerikaner gelegentlich erregen, – müßtej natürlich ertragen werden, wenn wir selbst der Ansicht  sein könnten, er sei unberechtigt. Dies ist aber, bei mir wenigstens, keineswegs der Fall. Während in früheren Jahrzehnten das zu geringe Gefühl für Würde und Haltung, speziell auch der deutschen Handlungsreisenden,k im Ausland unser Ansehen beeinträchtigtel, besteht jetzt die Gefahr, daß auch der deutsche Kaufmannsstand von jener auf den Außenstehenden ganz ebenso, daneben aber stillos und grotesk wirkenden Geschwollenheit des Auftretens angesteckt wird, welche ganz gewiß nicht ausnahmslos, aber in sehr hohem Maße durch das Couleurleben gezüchtet zu werden pflegt. Mit der Bemerkung: daß es überall geschmacklose Menschen gebe, ist es da schlechterdings nicht getan. Ich scheue mich nicht, ganz offen zu sagen, und überlasse es gerne jedem, der Lust dazu hat, darüber zu scherzen: daß ich die Schwierigkeit, diese in unreifen Jahren auf der Universität unwillkürlich eingeübten „Gesten“ wieder, sozusagen, aus den Gliedern loszuwerden, am eigenen Leibe erfahren habe. Das Gleiche darf ich, wiederum aus eigener, und zwar ziemlich ernster Erfahrung, von der Bedeutung der couleurstudentischen

j A: müsse  k  In A folgt: die  l A: beeinträchtigten 22 Max Webers Großmutter mütterlicherseits, Emilie Fallenstein, geb. Souchay, stammte aus einer Hugenottendynastie, die im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts zu den reichsten deutsch-englischen Familien zählte. Ihr Vater, Carl Cornelius Souchay, gründete in England die Firma Schunck, Souchay & Co, ihre Brüder Charles und John Souchay ließen sich in Manchester nieder. Ihr Schwager, Friedrich Wilhelm Benecke, stand der Firma Benecke, Souchay & Co. in London vor. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Belgien und Holland beruhten auf der Heirat Laura Fallensteins, der Halbschwester Helene Webers, mit dem aus Amsterdam stammenden und in Antwerpen tätigen Kaufmann Carl Gustav Bunge. Drei Halbbrüder Helene Webers (Adalbert, Otto und Friedrich Fallenstein) wanderten nach Amerika aus. Max Webers Schwägerin, Valborg Weber, geb. Jahn, die seit 1903 mit Max Webers jüngerem Bruder Arthur verheiratet war, stammte aus Trondheim in Norwegen. Zu Webers weitverzweigter Verwandtschaft im Ausland, vgl. Roth, Guenther, Max Webers deutsch-englische Fami­ liengeschichte 1800–1950. – Tübingen: Mohr Siebeck 2001.

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Alkoholgewohnheiten23 für die Arbeitskraft, namentlich für deren Nachhaltigkeit in späteren Jahren, sagen. Es ist nicht die in, sei es noch so schweren, Gelegenheitsexzessen sich äußernde historische Trinkfröhlichkeit unseres Volkes, welche bedenklich ist, sondern die einen Bestandteil der Couleurdressur bildende Verpflichtung, regelmäßig und vorgeschriebenermaßen zu trinken. Daß heute in den Couleuren quantitativ im Trinken viel weniger geleistet wird als zu meiner Studentenzeit, ja nach unseren damaligen Maßstäben erbärmlich wenig, ändert daran nichts. Daß es heute schlagende Verbindungen von ganz gutem Ruf gibt, welche Limonade als Getränk auf der Kneipe zulassen, ist ebenso wie jener Umstand ein Symptom für die mit steigender Intensität der Arbeitsanforderungen gesunkene physische und psychische Alkoholkapazität. Wäre aber ein auf Limonade basiertes  Couleurleben unter Beibehaltung der auf Alkohol basierten Geselligkeitsformen eine stillose Lächerlichkeit und ein Zeichen seiner eigenen Überlebtheit, so ist die Übertragung der unvermeidlichen Trinkdressur auf Hochschüler, denen im Leben eine wesentlich härtere und angespanntere Arbeitsleistung bevorsteht, als (nach meinen eigenen Erfahrungen in der juristischen Praxis) den durchschnittlichen preußischen Juristen, eine schwere Gefahr für deren Interessen. Daß diese Trinkdressur und alle sonstigen Eigenarten des studentischen Verbindungslebens ganz in traditioneller Art auch den Couleuren der Handelshochschulen eignenm, ist mir aber für Köln sehr nachdrücklich versichert worden, erst soeben wieder aus Köln selbst von einer Seite, welche dies aus persönlichem Verkehr mit den dortigen Verbindungsstudenten genau zu wissen erklärt. Als besonders schwere Schäden des Verbindungslebens wurden mir in ziemlich typischer Art folgende Momente hervorgehoben, von denen einige ebenfalls in Zuschriften aus den letzten Wochen erneut mit Beispielen belegt werden: Zunächst die nicht ganz seltene Teilnahme auch Minderbemittelter an demn, seinemo Wesen und auch meiner eigenen Erfahrung nach, lediglich auf den Geldbeutel bemittelter Studenten zugem  A, A2: eigene  n  A, A1, A2: den  o  A, A2: ihrem 23  Zum Alltagsleben der Korporationen gehörte das wöchentliche Kneipen, bei dem die Studenten soviel Bier wie möglich trinken mußten. Marianne Weber schrieb, daß sich auch Max Weber während seines Studiums durch „hervorragende Trinkfestigkeit“ ausgezeichnet habe. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  73.

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schnittenen Couleurleben. Die wirkliche oder vermeintliche Poesie dieser Lebensform an sich scheint dabei, wie (heute) auf den Universitäten, so auch auf den Handelshochschulen keineswegs das regelmäßig entscheidende Motiv der Teilnahme zu sein. Vielmehr wird berichtet, und dies würde völlig meinen eigenen Erfahrungen aus der Zeit, als ich Gegenstand des „Keilens“ war,24 entsprechen: daß die von den Couleuren selbst genährte Erwartung, auf diesem Wege Konnexionen zu gewinnen, gerade für Minderbemittelte sehr oft den Ausschlag gebe. Für diese Schichten aber bedeutet die Couleurzeit nicht nur die Gefahr des Schuldenmachens um der soeben erwähnten materiellen Zukunftschance willen, sondern auch herbe Enttäuschungen und ein erschwertes Sichabfinden  mit dem späteren Leben, wenn der Kontrast der unvermeidlich fühlbaren Abhängigkeit im Kontor mit der Ungebundenheit des Studentenlebens sich geltend macht. Von seiten von Handelsangestellten wird – soweit hier sachliche Äußerungen mit greifbarer und plausibler Begründung vorliegen – der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß künftig in den Kontoren die Berücksichtigung der Leistung hinter denp durch das Couleurleben geschaffenen Konnexionen und überhaupt den gesellschaftlichen ebenfalls dadurch bedingten Konventionen zurücktreten könnte. Indem ich bemerke, daß aus den Kreisen von Arbeitgebern mir gelegentlich die ganz entsprechende Bemerkung gemacht wurde: für den Chef würdeq eine unangenehme Lage entstehen, wenn ein Teil seiner Angestellten eine vermeintliche, durch frühere Couleurzugehörigkeit bedingte, soziale Sonderstellung seinen Angestellten oder auch ihm selbst gegenüber zur Geltung zu bringen sich in der Lage fühlen würde, möchte ich einen noch stärkeren Nachdruck auf das von der gleichen Seite geäußerte Bedenken legen: daß die Empfehlungen früherer Couleurbrüder (als Empfohlener oder Empfehlender) bei der Frage der Anstellung oder Entlassung eine Rolle zu spielen beginnen können. Nach meinen persönlichen Erfahrungen innerhalb der preußischen Bürokratie kann ich diese Befürchtungen keineswegs für übertrieben erachten. p A: denen  q A: wäre 24  Gemeint ist das Anwerben neuer junger Mitglieder („Füchse“) für die Burschenschaften.

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Im Zusammenhang damit wurde mir nun von Chefs sowohl wie von Angestellten wiederholt ganz allgemein die Befürchtung ausgesprochen,25 daß schon das bloße Entstehen einer DiplomAristokratie innerhalb der Kontore den Frieden und die Arbeitsfreude der Angestellten stören könne. Dies werde natürlich noch wesentlich gesteigert, wenn das Couleurwesen um sich greife und auch seinerseits Schichten schaffen würde, welche – trotz aller offiziellen Verwahrungen dagegen – eben doch faktisch ein spezifisches Prestige und zwar aus Gründen, die nicht in ihrer Leistung und Stellung im Geschäft lägen, beanspruchen würden. In einem in letzter Zeit mir zugegangenen  äußerst sachlichen und eingehenden Schreiben26 wird dies durch eine ganze Reihe von – wie nachdrücklich hervorgehoben wird – durchweg bei persönlich genau bekannten Firmen und bei persönlich genau bekannten Angestellten rvorgefallenen und authentischen Beispielenr aus der Praxis erläutert. Zunächst durch eine Anzahl von Fällen, in welchen Hochschul-Verbindungsstudenten tatsächlich infolge ihres in der Couleurdressur eingelernten Auftretens und Allgemeinverhaltens gegenüber anderen Angestellten haben entlassen werden müssen. Es wird ferner über eine sehr bedeutende Firma berichtet, welche nach ihrer eigenen Mitteilung sich veranlaßt gesehen habe, bei Anstellung eines Akademikers einige Zeit hindurch eine förmliche Überwachung in Bezug auf dessen Betragen gegenüber den anderen Angestellten vorzunehmen, nachdem sie sich für den Fall, daß derselbe zu Beschwerden Anlaß gebe, die Entlassung vorbehalten habe. Eine Anzahl anderer mir berichteter Fälle lassen Zweifel darüber entstehen, ob nicht mindestens neben den Folgen der Couleurdressur auch individuelle Eigenschaften bei den betreffenden Erfahrungen mitgespielt haben[,] und bleiben daher vielleicht besser außer Betracht. Aber die zitierten einwandsfreien Erfahrungen scheinen mir immerhin ausreichend, um diejenigen Bedenken, welche ich ausgesprochen habe, zu begründen. Diese meine Bedenken richten sich in erster Linie gegen die, von dem[,] auch von mir, wie ihm selbst wohl bekannt, ganz besonders hochgeschätzten Herrn r  A, A2: vorgefallene und authentische Beispiele 25  Solche Äußerungen sind nicht nachgewiesen. 26  Wie oben, S.  367, Anm.  13.

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Studiendirektor in Köln27 wiederholt öffentlich und ausdrücklich bekundete freundliche Beurteilung des Couleurwesens als einer Stätte lediglich harmloser studentischer Fröhlichkeit. Hier steht seiner Überzeugung allerdings die meinige schnurstracks entgegen und die von ihm in solchen Fällen, wie ich sehr wohl weiß, ebenfalls ausgesprochenen Vorbehalte und Ermahnungen stehen mit dem innersten Wesen des Couleurwesens im Widerspruch, ein Punkt, in welchem ich für mich als salten Couleurstudentens Sachverständnis beanspruche. Das Couleurleben strebt heute überall  nach Exclusivität und Dressur in dem früher in dieser Art unbekannten Sinn: daß die Zugehörigkeit zut einer Verbindung uden Studentenu von der Zugehörigkeit zuv anderen Vereinen, wissenschaftlicher, sportlicher oder geselliger Art und in zunehmendem Maße geradezu überhauptw von dem Umgang mit anderen, mindestens mit anders denkenden, Studentenx abschneidet und der Couleurstudent[,] in den Kreis seiner Couleurbrüder eingesponnen, nur ihrer Kontrolle untersteht und damit einer außerordentlichen Verengerung seines geistigen Horizontes ausgesetzt wird. Ich bemerke noch, daß die mündlichen und schriftlichen Mitteilungen, aus denen ich hier schöpfte, von jeglicher Animosität gegen die Handelshochschulen als solche durchaus frei waren. – Was die Leistungen der diplomierten Handelshochschüler in den Kontoren anlangt, so ist mir für sie im Gegensatz zu anderen Angestellten ein generell ungünstiges Urteil, welches die sehr verdienstlichen Feststellungen der Kölner Handelshochschule in ihren Jahresberichten direkt umzustoßen geeignet wäre, nicht entgegengetreten; andererseits allerdings auch keines, welches direkt eine durch die Hochschulbildung erhöhte Brauchbarkeit behauptet hätte. Indessen bin ich persönlich von dem Nutzen jeder, und speziell auch der an den Handelshochschulen betriebenen geistigen Arbeit, wenn sie gründlich und ehrlich vor sich geht, wie sicherlich bei sehr zahlreichen Handelshochschülern, von vornherein fest überzeugt. Und ich füge hinzu, daß aus den Kreisen der Handelsangestellten selbst mir wenigstens zwei Äußerungen vorliegen,28 welche ausdrücklich auss A: alter Couleurstudent   t  Fehlt in A.   u  Fehlt in A.   v A: von  w Fehlt in A.   x  Fehlt in A. 27  Gemeint ist Christian Eckert. Vgl. oben, S.  368, Anm.  17. 28  Auf welche Äußerungen sich Weber hier bezieht, ist nicht nachgewiesen.

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sprechen, daß sie an Handelshochschulen etwas Tüchtiges gelernt hätten. Was ich, um es offen auszusprechen, für meine Person problematisch finde (und darin finde ich mich mit den Ansichten mancher Praktiker von bedeutender Erfahrung zusammen)[,] ist die Wohltätigkeit der Schaffung einer Klasse offiziell approbierter Kaufleute. Daß ich in meinen wirklichen (nicht: angeblichen) Äußerungen die Tragweite des Strebens nach der y„Satis­fak­tions­ fähig­keit“y  29 mit ihren militärischen und sonstigen Konsequenzen nicht unrichtig beurteilt haben kann, zeigen mir auch jetzt wieder ausdrückliche Äußerungen von durchaus unbefangenen Seiten, die sich gerade auf diesen Punkt bezogen. Da ich übrigens die gleichen Bedenken bereits vor 7 Jahren öffentlich geltend gemacht habe (Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Bd. 19 S.  571),30 so darf mir sicherlich nicht imputiert werden, daß dieselben ein Produkt einer momentanen Stimmung gewesen seien und nicht auf hinlänglicher Überlegung beruht hätten[,] und noch weniger, daß ich diejenigen, wie ich hoffe, sehr zahlreichen Studierenden, welche lediglich um der Arbeit willen die Handelshochschulen beziehen, damit hätte identifizieren wollen. Daß die Ansichten der Hochschul-Studierenden über Zweck und Ziel des Besuchs der Handelshochschule indessen recht vielfach noch außerordentlich undeutliche sind, soweit die daselbst zu leistende Arbeit in Betracht kommt, wird mir von einem genauen Kenner und hervorragenden Gönner der Mannheimer Handelshochschule bestätigt,31 wonach die konsequentesten und zielbewußtesten Arbeiter unter den Studierenden dem Handelslehrerstande zugute zu kommen pflegen, während sonst eine gewisse Planlosigkeit eine ziemlich häufig zu beobachtende Erscheinung sei. Die Wahrscheinlichkeit scheint mir nicht gering, daß nach der Analogie anderer Schichten (Bund der y–y  Anführungszeichen fehlen in A. 29 Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nord­ amerikanischen Hochschulen, unten, S.  398. 30  Gemeint ist: Weber, Fideikommißfrage, S.  571 f., Fn.  1 (MWG I/8, S.  183 f., Anm.  67), mit einer frühen Kritik an den Handelshochschulen. 31  Vermutlich meint Weber hier Karl Wilhelm Lanz, der 1910 den „Heinrich Lanz-Gedächtnisfonds“ einrichtete. Der Fonds umfaßte ein Vermögen von mehr als einer Million Goldmark und sollte der Handelshochschule zur Anerkennung als einer Anstalt öffentlichen Rechts verhelfen. Vgl. Chantraine, Heinrich und Ralf Mitsch, 85 Jahre Handelshochschule – 25 Jahre Universität Mannheim: von der Handelshochschule zur Universität. Begleitheft zur Ausstellung. – Mannheim: Universitätsverlag 1992, S.  9.

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Diplomingenieure, – damit zu vergleichen auch das sogar in einzelnen journalistischen Kreisen sich findende Streben nach patentierten und patentierenden Fachschulen) die Erwartung sozialer Vorteile, derz sogen. a„Standeshebung“a und damit dann indirekt auch des Anspruches auf b„standesgemäße“b Bezahlung[,] sehr oft stärker mitspricht als der Wunsch nach Erweiterung des Wissens. Im übrigen möchte ich, was die Mannheimer Handelshochschule anlangt, gegenüber einigen wenig liebenswürdigen Andeutungen in der Presse, ausdrücklich bemerken, daß ich zu einem Urteil über die dortigen Verhältnisse ganz besonders wenig kompetent bin. Ich bin, als ich noch im Amt war, kein Anhänger der Errichtung gesonderter Handelshochschulen gewesen, habe daraus auch amtlich keinen Hehl gemacht und mich, abgesehen von gesundheitlichen Gründen, auch deshalb der Beteiligung an der Schaffung der ­dortigen Handelshochschule, die von befreundeten und sehr hervorragenden Collegen ausging,32 enthalten. Die außerordentliche Zunahme des Examenwesens und sein Übergreifen auf alle möglichen Berufe scheint mir in einem Augenblick sehr zweifelwürdig, wo hervorragende Verwaltungsbeamte in Preußen nach ihren mir genau bekannten Anschauungen allmählich zu der Ansicht gelangen, daß es vielleicht an der Zeit sei, gegen diese stetig wachsende Examensbürokratie irgend ein Gegengewicht durch Schaffung der Möglichkeit, auch ohne den vorgeschriebenen Bildungsgang in faktisch leitende Stellungen zu gelangen, czu schaffenc, wenn sich

z A: die  a–a  Anführungszeichen fehlen in A.   b–b  Anführungszeichen fehlen in A.   c  A, A2: geschaffen werden müsse 32  So strikt, wie hier behauptet, hat sich Weber nicht von der Mannheimer Handelshochschule ferngehalten. Als die Handelskammer Mannheim sich mit der Bitte an ihn wandte, im Winter 1897 eine Vorlesung der beiden vom Börsenvorstand und dem kaufmännischen Verein eingerichteten Vorlesungszyklen zu übernehmen, willigte er ein. Die Mannheimer Kaufmannschaft wollte mit diesen Zyklen die Errichtung einer Handelshochschule vorbereiten. Webers Vorlesung, die er im November und Dezember 1897 an vier Abenden hielt, trug den Titel: „Der Gang der wirthschaftlichen Entwicklung“ (vgl. MWG I/4, S.  842–852). Dem Jahresbericht der Mannheimer Handelskammer zufolge fanden die Vorlesungszyklen starke Resonanz. Vgl. Hayashima, Handelshochschulen (wie oben, S.  364, Anm.  8), S.  144 f. Das Gesuch der kaufmännischen Vereinigungen Mannheims, die zweite nationalökonomische Professur in Heidelberg mit einer Lehrverpflichtung in Mannheim zur Unterrichtung junger Kaufleute zu verbinden, lehnte Weber jedoch in einem Gutachten vom 21. Dezember 1898 ab. Vgl. Weber, Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim, unten, S.  594–598.

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dazu ein gangbarer Weg finden sollte. Daß sich ein solcher finden könnte, ist mir freilich mehr als zweifelhaft, und die Universitäten, died mit ihren Studenten ja zu mehr als 9/10 in ganz der gleichen Lage sich befinden, welche oben von mir hypothetisch für einen unbekannten Bruchteil der Handelshochschülerschaft vermutet wurde, haben sicherlich keinerlei Ursache[,] sich gegenüber den Handelshochschulen irgendwie auf das hohe Pferd zu setzen. Allein in einem Vortrage, wie in Dresden,33 konnte ich bei einem Vergleich mit der amerikanischen Entwicklung die bei uns bestehende Entwicklungstendenz mit ihren nach meiner Meinung keineswegse eindeutig erfreulichenf Konsequenzen auch dann nicht totschweigen, wenn ich sie – wie dies tatsächlich der Fall gist –g für voraussichtlich unwiderstehlich hielt. Den einmal bestehenden Handelshochschulen aber etwas anderes zu wünschen, als daß ihre sehr hervorragenden Lehrkräfte an einer möglichst großen Zahl möglichst tüchtiger Studenten ein ihnen erfreuliches Arbeitsgebiet fänden, hat mir dabei natürlich ganz fern gelegen.h

d A, A2: welche  e Hervorhebung fehlt in A.   f A: erfolgenden  g A: ist,   h  In A1 folgt: Max Weber 33  Weber bezieht sich auf seine Diskussionsbeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden, unten, S.  394–410.

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[Nochmals das „System Althoff“] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 10. November 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber sah sich durch die Berichte in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung1 und insbesondere durch die Kritik des parlamentarischen Mitarbeiters der Nationalliberalen Correspondenz2 an seinen Ausführungen auf dem Dresdener Hochschullehrertag nicht nur zu zwei aufeinanderfolgenden Zuschriften an die Nationalliberale Correspondenz,3 sondern auch zu einer Zuschrift an andere Zeitungen veranlaßt, die hier ediert wird. Den Text schickte Weber an die Tägliche Rundschau und an die Frankfurter Zeitung. Es sollte sein „letztes Wort“ in dieser Angelegenheit sein,4 tatsächlich folgten aber noch weitere Zuschriften.5

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die folgende Zuschrift Max Webers erschien in: Tägliche Rundschau (Berlin), Nr.  528 vom 9. November 1911, Ab.Bl., 2. Beilage, S.  1 (A1), unter der redaktionellen Überschrift „Nochmals Weber-Althoff“. Sie erschien ebenfalls unter der Überschrift: „Nochmals das ‚System Althoff’“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  312 vom 10. November 1911, 3. Mo.Bl., S.  1 (A2). Beide Abdrucke sind mit „Professor Max Weber“ unterzeichnet. Beide Texte sind gleich, unterscheiden sich aber in der Textgestaltung. Zum Abdruck gelangt hier derjenige in der Frankfurter Zeitung (A2), da er in der Gestaltung der Hervorhebungen und der Fußnote dem Original näher stehen dürfte. Abweichungen in den Hervorhebungen und der Zeichensetzung in A1 werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Nicht nachgewie1  Vgl. dazu unten, S.  380 mit Anm.  1. 2  Zur Nationalliberalen Correspondenz vgl. oben, S.  338, Anm. 2. 3  Vgl. Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  338–349, und Weber, Noch einmal die Erklärungen, unten, S.  356–362. 4  Vgl. unten, S.  385. 5  Vgl. Weber, Noch einmal die Erklärungen, oben, S.  356–362, und Weber, Noch einmal das „System Althoff“, unten, S.  386–393.

Editorischer Bericht

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sen werden jedoch Abweichungen in der zeitüblichen Schreibung (z. B. Preßfeldzug/Pressefeldzug), Unterschiede in der Art der Gliederungsnumerierung (wie 1), 2) in Fassung A1 und 1., 2. etc. in Fassung A2) sowie der verwendeten Abkürzungen (z. B. Nordd. Allgem. Ztg./Nordd. Allg. Zeitung). Da Webers Zuschrift offenbar außer der Anrede „Sehr geehrte Redaktion!“ keine Überschrift aufwies, sind die Überschriften, die in den Zeitungen voneinander abweichen, als redaktionelle Hinzufügungen zu betrachten. Hier wird die Überschrift der Frankfurter Zeitung (Fassung A2) übernommen und als nicht autoreigen in eckige Klammern gestellt.

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[Nochmals das „System Althoff“] A1 1 [A2 1]

aSehrb

geehrte Redaktion!a

Ichc bitte Sie, mir noch einmal, – ich denke: zum letzten Mal, – Gastrecht zu gewähren. Irgendwelche Entgegnung auf meine, an öffentlich feststehende Tatsachen anknüpfendend Ausführungen über die gegenwärtige preußische Unterrichtsverwaltung hatte ich weder beansprucht noch provozieren wollen. Allein in der e„Nordd[eutschen] Allg[emeinen] Ztg.“e ist zweimal entgegnet worden,1 und die Art, wie dies geschah, hat derartige Irreführungenf im Gefolge gehabt, daß jetzt auch ein von mir bei aller Verschiedenheit der Standpunkte sehr geachtetes goffizielles Organ einer großen politischen Parteig 2 mir den Vorwurf macht: ich zöge weit zurückliegende Dinge ans Licht zu dem Zweck, die gegenwärtigen preußischen Ministerialbeamten anzugreifen. Parlamentarische Persönlichkeiten oder politische Parteien, welche, ihrem Wesen nach, unvermeidlich auch solche Angelegenheiten politischen Gesichtspunkten und Zwecken einzuordnen veranlaßt sind, in Universitätsfragen meinerseits hineinzuziehen, zumal im Wege unkontrollierbarer a–a Fehlt in A1.  b In A2 geht voraus: Herr Professor Max Weber in Heidelberg schreibt uns:    c  In A1 geht voraus: Herr Professor Max Weber-Heidelberg schreibt uns:  d  In A1 folgt ein Komma.   e–e  In A1 hervorgehoben.  f  In A1 hervorgehoben.  g–g  In A1 hervorgehoben. 1  Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Nr.  250 vom 24. Okt. 1911, S.  2, hatte einen Brief Friedrich Althoffs an den damaligen Großherzoglichen badischen Universitätsreferenten vom 19. Februar 1894 abgedruckt, aus dem hervorgeht, daß Althoff Weber bei einer Berufung nach Freiburg keine Hindernisse in den Weg legen würde. In seiner Ausgabe, Nr.  255 vom 29. Okt. 1911, S.  1, hatte das Blatt eine „Erklärung“ veröffentlicht, die das preußische Kultusministerium den Professoren bei der Berufung vorlegte. Vgl. Weber, Das „System Althoff“, oben, S.  350 f. 2  Gemeint ist die Nationalliberale Correspondenz, das Organ der Nationalliberalen Partei. In ihrer Ausgabe vom 4. November 1911 hatte der parlamentarische Korrespondent des Blattes Weber in elf Punkten energisch kritisiert. In seinem elften Punkt hatte er geschrieben: „Wundern muß man sich dagegen, daß Herr Professor Dr. Weber einen vermeintlichen Beeinflussungsversuch, der 18 Jahre zurückliegt, erst heute ans Licht zieht, um die gegenwärtigen Ministerialbeamten der preußischen Unterrichtsverwaltung anzugreifen.“ (Nationalliberale Correspondenz, Nr.  236 vom 4. Nov. 1911, hier zitiert nach dem Exemplar im GStA PK, I. HA, Rep.  76, Sekt. 1, Tit. IV, Nr.  45, Bd. 2, Bl. 110).

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privaterh Information, würde ich meinerseits das größte Bedenken tragen. Jenen Vorwurf aber kann ich nicht auf mir sitzen lassen, bin auch der ewigen Mißverständnisse müdei und bemerke daher notgedrungen öffentlich folgendes: Notorisch und, wenn nötig, auch gerichtlich erweislich, sind folgende, die gegenwärtige Universitätsverwaltung belastende Tatsachen: 1. jEntgegen der Ableugnung der „N[orddeutschen] A[llgemei­ nen] Z[eitung]“j 3 ist auch in der Gegenwart mit der Gepflogenheit nicht gebrochen worden, kals Entgeltk für die Ablehnung von Berufungen oder für andere Dienste Exspektanzenl auf künftig mvakant werdende „große“ akademische Stellungenm anzubieten. – Ein solches Vorgehen widerspricht dem Geist der Universitätsstatuten und ist geeignet, Streberein zu züchten. Es muß dahin führen, das oein System von „Schiebungen“o entsteht, welches unter dem akademischen Nachwuchs einen Typus hochkommen läßt, der sich als „Kreatur“ des jeweils in der Macht befindlichen Ministerialbeamten fühlt und als solcher bewähren zu müssen glaubt. Sein praktischer Effekt für die Universitäten muß sein, wissenschaftliche Nullen1)p von praktischem „Nutzwert“ in akademische Stellungen zu bringen, welche nach sachlichen Grundsätzen ausschließlich wissenschaftlich hervorragenden Persönlichkeiten gebühren. Sein praktischer Effekt auf die Veranstaltung von praktisch-politisch wichtigen Arbeiten und Untersuchungen anderseits muß sein, daß diese nicht um ihres sachlichen Nutzens, sondern um akademischer Avancementschancen willen veranstaltet werden. 4

1)  pIch bemerke ausdrücklich, daß ich diesen Ausdruck auf den Herrn Professor Bernhard nicht anwenden würde,4 dessen wesentlichster Fehler übrigens darin bestand, daß er die Natur der Zumutungen und Offerten der Unterrichtsverwaltung nicht erkannt hat, als es an der Zeit war.p

h  Hervorhebung fehlt in A1.  i A2: müde, ; Emendation nach A1.  j–j  In A1 hervorgehoben.  k  In A1 hervorgehoben.  l A1: „Exspektanzen“  m–m  In A1 hervorgehoben.  n  In A1 hervorgehoben.  o  In A1 hervorgehoben.  p–p  Der Index fehlt in A1; in A1 folgt, in Klammern gestellt, der Text der Fußnote. 3  Wie oben, S.  380, Anm.  1. 4  Zu den Auseinandersetzungen um Ludwig Bernhard vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–77.

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2. Es sind von Ministerialbeamten anläßlich schriftlicher Reverse Schweigepflichten auferlegt worden, und zwar in einer ausdrücklich als einem Ehrenwort äquivalent bezeichneten Weise, bei einer Gelegenheit, wo die Verletzung der (durch Recht oder Sitte) feststehenden, den dauernden Universitätsinteressen entsprechenden, Übung: die Fakultäten gutachtlich zu hören, beabsichtigt war und erfolgt ist.q Die Zumutung einer solchen Schweigepflicht muß, unter diesen Umständen, vom Standpunkt der berechtigten Universitätsinteressen aus als Zumutung einer Unanständigkeit bezeichnet werden; die gewählte Form aber widerspricht den guten Gepflogenheiten amtlichen Verkehrs und ist mit der Stellung einer Behörde nicht in Einklang zu bringen. 3. rVon Beamten der Unterrichtsverwaltung ist ein Professor zu einem Verhalten gegenüber weit älteren Kollegen, darunter solchen von Weltruf,5 angestiftet wordenr, welches (wie bekannt sein mußte) ihn in Gewissenskonflikte brachte, ihm den von einem aus unbeteiligten Kollegen, durchweg Gelehrten von Weltruf, eingesetzten Schiedsgericht6 einstimmig ausgesprochenen Vorwurf des Wortbruchs und der Unreife zuzog und ihn der einstimmig amtlich q  In A1 folgt ein Gedankenstrich.   r–r  In A1 hervorgehoben. 5  Weber bezieht sich hier auf die drei Berliner Professoren Gustav Schmoller, Adolph Wagner und Max Sering, die gegen Bernhards Berufung auf den vierten nationalökonomischen Berliner Lehrstuhl eintraten. (Vgl. dazu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–85). Bernhard genoß die Protektion des Kultusministeriums. In der Spätphase der Affäre forderten die drei Gelehrten den preußischen Kultusminister August von Trott zu Solz auf, die Berufung Bernhards rückgängig zu machen. Vgl. vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung (wie oben, S.  80, Anm.  7), S.  132 f. 6  Um die Wogen nach seiner Berufung durch das Kultusministerium zu glätten, hatte Ludwig Bernhard versprochen, solange keine Lehrveranstaltungen abzuhalten, bis die Philosophische Fakultät zu einer Entscheidung über sein Verbleiben an der Universität gekommen sei. Nachdem sich diese nach Ablauf eines Jahres nicht zu einer Entscheidung durchringen konnte, setzte Bernhard das stillschweigende Einverständnis seiner Fachkollegen voraus und nahm 1909 seine Lehrtätigkeit auf. Als es dadurch zu neuen Konflikten kam, mußten sich beide Parteien einem Schiedsgericht unterwerfen. Dieses bestätigte die Ernennung Bernhards, allerdings mußte er ein Revers unterzeichnen, in dem er sich verpflichtete, keine wirtschaftswissenschaftlichen Hauptvorlesungen abzuhalten. Als Bernhard dennoch für das Wintersemester 1910/11 eine wirtschaftswissenschaftliche Hauptvorlesung in Konkurrenz zu Max Sering ankündigte, kam es zu erneuten heftigen Konflikten, die darin mündeten, daß vom Rektor der Universität, Max Rubner, eine Fünferkommission, bestehend aus den Professoren Otto v. Gierke, Adolf v. Harnack, Wilhelm Kahl, Walther Hermann Nernst und Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff, zur Schlichtung eingesetzt wurde.

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ausgesprochenen Mißachtung seiner Fakultät aussetzte. Dabei ist durch Eingriffe von Beamten in kollegiale Verhältnisse der akademische Frieden schwer gestört und seine Herstellung durch friedliche Vereinbarungs und andere kollegiale Mittel vereitelt und ferner der Versuch gemacht worden, auch das von den beteiligten Teilen anerkannte akademische Schiedsgericht in seiner Tätigkeit zu hindern. Schließlich haben sich alsdann dieselben Beamten, welche in dieser Angelegenheit als Partei eingegriffen hatten, in der gleichen Sache zu Richtern aufgeworfen. Dies gesamte Verhalten ist mit einer sachlichen Unterrichtsverwaltung in keiner Weise in Einklang zu bringen;t es entspricht den Aufgaben einer Behörde ebensowenig wie den Interessen und dem Ansehen der ihr unterstellten Hochschulen vor dem In- und Auslande. 4. Als im Gefolge des vornehmlich durch die Schuld der Unterrichtsverwaltung entstandenen und ausschließlich durch ihre Schuld zu dieser Schärfe gediehenen Konflikts ein Teil der Presse eine systematische Kampagne mit Schmähungen schwerster Art gegen hochverdiente Gelehrte, darunter solche von Weltruf, eröffnete, haben Beamte der Unterrichtsverwaltung eben diesen Teil der Presse7 dazu ausersehen, um durch Mitteilungen von einseitig ausgewählten Tatsachen, die ihnen dienstlich bekannt waren, diesen Preßfeldzug zu unterstützen, welcher das Ansehen der Universitäten vor dem In- und Auslande auf das schwerste zu schädigen geeignet war. Ein solches Verhalten ist weder mit den Aufgaben einer Behörde, noch mit der Sachlichkeit einer Unterrichtsverwaltung, noch schließlich auch nur mit den elementarsten Pflichten persönlicher Ritterlichkeit zu vereinbaren. s A1: Vereinbarungen  t A1: bringen: 7  Die Fünferkommission (vgl. dazu die vorangehende Anm.) bemerkt in ihrem Bericht (SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Kasten 8, Fasz. 20, Bl. 7) über die Presseberichterstattung: „Es ist auffällig, daß in der Presse zuerst ausschließlich und bis heute weit überwiegend Artikel veröffentlicht sind, die den Fall vom Standpunkte Bernhards aus erörterten und auf Informationen zurückgingen, die nur aus ihm nahe stehenden Kreisen stammen konnten. Ein förmlicher Preßfeldzug zugunsten Bernhards, der zugleich das Ansehen der Universität schwer schädigt, wurde in dem Augenblick eröffnet, in dem die Parteien ihr Einverständnis mit der Einsetzung einer Kommission durch den Herrn Rektor erklärt und sich diesem gegenüber verpflichtet hatten, bis zur Entscheidung dieser Kommission die Angelegenheit von der Öffentlichkeit fernzuhalten.“ Zur Presseberichterstattung im „Fall Bernhard“ vgl. vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung (wie oben, S.  80, Anm.  7), S.  131 f.

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5. uBeamte der Unterrichtsverwaltung haben über amtliche Gelder für Inseratenzwecke in einer Art verfügt, daß durch Belassung oder Entziehung von einträglichen Inseraten private Besitzer von periodischen Publikationsorganenu,8 welche keinen amtlichen Charakter haben, vmateriell belohnt oder geschädigt wurdenv, je nach ihrer (nicht einmal öffentlichen) persönlichen Stellung zu den persönlichen Auffassungen der betreffenden Beamten.w Das Verhalten war geeignet, das Vertrauen in die Sachlichkeit der Unterrichtsverwaltung schwer zu erschüttern, entspricht nicht den besten Sitten einer staatlichen Verwaltung und nicht der Stellung einer Behörde. Wenn nun – leider! – unterstellt werden muß, daß die betreffenden Beamten der Unterrichtsverwaltung der Ansicht gewesen sind, zu den vorstehend charakterisierten Mitteln greifen zu dürfen und Grund zu der Ansicht hatten, daß dies von der ihnen vorgesetzten Stelle keine nachdrückliche Ahndung finden würde, und wenn – wie es geschehen ist – ihr Verhalten von amtlicher Seite vor der Öffentlichkeit keinen Tadel fand, so berechtigt dies zu dem xUrteil: daß hier ein System einer Gebahrung in der Unterrichtsverwaltung vorliegt, welches der Reform dringend bedürftig istx. Nachdem trotzdem der preußische Herr Unterrichtsminister geglaubt hat, öffentlich die Art der Verwaltung und den Weitblick seiner Bureaukratie, und zwar ausdrücklich auf Kosten der Universitäten, loben zu dürfen,9 so war es am Platze, daß, ynach langem zornigen Schweigen, aus den Kreisen der Hochschullehrer, deren überwältigende Mehrzahl in ihrem Urteil über jene Vorgänge untereinander übereinstimmen, dagegen protestiert wurdey. Ausschließlich diesen Zweck, dagegen keinerlei politische oder persönliche Absicht veru–u In A1 hervorgehoben.  v In A1 hervorgehoben.  w In A1 folgt ein Gedankenstrich.    x–x  In A1 hervorgehoben.  y–y  In A1 hervorgehoben. 8  Durch Erlaß vom 13. Juli 1893 hatte Friedrich Althoff bestimmt, daß die preußischen Hochschulen ihre Vorlesungsverzeichnisse in den von Paul v. Salvisberg herausgegebenen „Hochschulnachrichten“ gegen eine Gebühr veröffentlichen sollten. 1894 schloß sich die österreichische Regierung an. Die süddeutschen Universitäten folgten eine Zeitlang freiwillig. Das Blatt finanzierte sich durch die Inserate der Universitäten und wurde jedem Hochschullehrer gratis geliefert. 9  Gemeint ist die Rede des preußischen Kultusministers August von Trott zu Solz anläßlich der Hundertjahrfeier der Universität Breslau im August 1911 (vgl. dazu Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  313, Anm.  24).

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folgten meine Ausführungen, welche, wie abermals betont sei, weder auf Anregungen noch auf Informationen der beteiligten Universitätskollegen noch auf irgendwelche sonstigen Verabredungen zurückgingen. Ausdrücklich bemerkt sei schließlich nochmals: daß die Heranziehung von Beispielen aus der Zeit der Verwaltung des Herrn Althoff10 lediglich zur Illustration der Kontinuität jenes Systems erfolgte. Ebenso sei nochmals nachdrücklich betont, daß den außerordentlichen Verdiensten dieses unzweifelhaft genialen Mannes und der von allen persönlichen Rücksichten freien Sachlichkeit seiner Ziele dadurch kein Eintrag geschehen soll, daß ein Teil der von ihm angewendeten Mittel, insbesondere seine Art der Menschenbehandlung, scharf abgelehnt werden mußte,z – ein Punkt, über welchen, wie ich bestimmt zu glauben positiven Anlaß habe, in der Zukunft noch so mancherlei den meinigen durchaus gleichartige Erfahrungen der Öffentlichkeit bekannt werden dürften. Dies ist, wie ich hoffen darf, in dieser Angelegenheit mein letztes Wort. Mit vorzüglicher Hochachtung Professor Max Weber.

z  Komma fehlt in A1. 10  Weber bezieht sich hier auf den Artikel des parlamentarischen Mitarbeiters der Nationalliberalen Correspondenz, Nr.  236 vom 4. Nov. 1911, insbes. auf Punkt Nr.  11, vgl. dazu oben, S.  380, Anm.  2.

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[Noch einmal das „System Althoff“] [Zuschrift vom 17. November 1911 an die Nationalliberale Correspondenz]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Im Zusammenhang mit der öffentlichen Kontroverse, die sich infolge der Berichterstattung über den IV. Deutschen Hochschullehrertag und Webers dortige Redebeiträge, vor allem über das System Althoff, entwickelt hatte,1 richtete Max Weber ein Schreiben an die Nationalliberale Correspondenz, das er als „Privatbrief“ an den ihm unbekannten parlamentarischen Mitarbeiter des Blattes erklärte. Dieser hatte nach einem Aktenstudium Max Webers Mitteilung über seinen Vater, Max Weber sen., nationalliberaler Abgeordneter im preußischen Landtag, stark in Zweifel gezogen.2 Die Nationalliberale Correspondenz veröffentlichte diesen Brief, wobei sie sich darauf berufen konnten, daß Weber ihr die Verwendung freigestellt hatte.

Zur Überlieferung und Edition Zu der Zuschrift ist eine fünfseitige maschinenschriftliche Abschrift unter dem Datum 17. November 1911 überliefert, die den eigenhändigen Zusatz „An die Nat. Lib. Correspondenz“ trägt. Ein Abdruck der Zuschrift dort konnte nicht nachgewiesen werden, weil in den deutschen Bibliotheken keine Exemplare der Nationalliberalen Correspondenz für die zweite Hälfte November 1911 belegt sind.3 Auch in anderen Zeitungen fand sich der Abdruck nicht.

1  Vgl. Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  338–349, und Weber, Noch einmal die Erklärungen, oben, S.  356–362. 2  So in einem Artikel vom 29. Oktober 1911, Anonym, Zu den Erklärungen Max Webers (wie oben, S.  338, Anm.  3), und am 4. November 1911, Anonym, Nochmals die Erklärungen Max Webers (wie oben, S.  356, Anm.  1). Vgl. dazu auch die Editorischen Berichte, oben, S.  338 f. und 356 f. 3 Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  338, Anm.  2.

Editorischer Bericht

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Ediert wird das maschenschriftliche Manuskript der Zuschrift vom 17. November 1911, das sich in GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr.  30, Bd. 6, Bl. 123– 127 (A), befindet und mit eigenhändigen Korrekturen, Unterstreichungen und Zusätzen versehen ist (A1). Das maschinenschriftliche Manuskript ist nicht unterzeichnet, aber durch die Zusätze als Webers eigener Text ausgewiesen. Die Abweichungen der maschinenschriftlichen Fassung A von der edierten Fassung A1 werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Offensichtliche Tippfehler der Vorlage, wie z. B. „dem“ statt „den“, „amusanten“, „zudiskreditieren“ oder Kleinschreibung nach einem Punkt, werden stillschweigend verbessert. Die Zuschrift weist neben der Archivpaginierung eine eigene maschinenschriftliche Paginierung ab Seite 2 auf; diese wird hier als A, A1 2 etc. wiedergegeben und die fehlende Paginierung der ersten Seite als A, A1 (1) sigliert. Die Zuschrift enthält nur die Anrede „Sehr geehrte Redaktion“, aber keine Überschrift.

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[Noch einmal das „System Althoff“] A, A1 (1)

Heidelberg, den 17. November 1911. Sehr geehrte Redaktion! Nachdem die Erörterung der Angelegenheit in Ihren Spalten erledigt ist,1 möchte ich – gegenüber der Bemerkung in Ihrem letzten mir freundlichst zugesendeten Blatt: daß ich „nur“ auf den letzten Punkt der (zweiten) Darlegung Ihres Referenten eingegangen sei,2 – diesem Herrn gegenüber noch die Bemerkung hinzufügen und begründen: daß ich damit nicht etwa die übrigen Punkte als einwandsfrei zugebe. I.a Nach wie vor halte ich den Glauben an die Vollständigkeit von Akten und Drucksachen in diesen Angelegenheiten für eine sehr problematische Voraussetzung.3 Im vorliegenden Fall kommt jetzt noch folgendes in Betracht: Nach der zuletzt gemachten Angabe, wonach ein freisinniger Parlamentarier4 derjenige Professor gewesen ist, zu dessen Ergänzung der Etat 1892b ein Extraora  Fehlt in A, A1; Gliederungsziffer sinngemäß ergänzt.   b A: 1902 1  Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  386, Anm.  2. Die Nationalliberale Correspondenz hatte am Ende des Abdrucks von Webers zweiter Zuschrift am 10. Nov. 1911 den redaktionellen Hinweis angefügt, daß sie „diese Diskussion hiermit […] abschließen [möchte], zumal auch unser parlamentarischer Herr Mitarbeiter, dem wir diese neuerliche Auslassung des Herrn Professor Dr. Weber vorlegten, darauf verzichtet, auf die Angelegenheit nochmals zurückzukommen.“ Vgl. Weber, Noch einmal die Erklärungen, oben, S.  362, textkritische Anm.  u. 2  Max Weber könnte sich hier auf die redaktionelle Vorbemerkung beziehen, die dem Abdruck seiner Zuschrift in der Nationalliberalen Correspondenz am 10. November 1911 vorangestellt war: „Herr Professor Dr. Max Weber–Heidelberg sendet uns auf die Darlegungen unseres parlamentarischen Mitarbeiters in Nr.  236 wiederum eine Entgegnung. Professor Weber geht sachlich nur auf den Punkt 11 der Feststellungen unseres Mitarbeiters ein, wo gesagt war: ‚Wundern muß man sich dagegen, daß Herr Professor Dr. W[eber] einen vermeintlichen Beeinflußungsversuch, der 18 Jahre zurückliegt, erst heute ans Licht zieht, um die gegenwärtigen Ministerialbeamten der preußischen Unterrichtsverwaltung anzugreifen‘“. Ebd., S.  359, textkritische Anm.  i. 3  Vgl. Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  341. 4  Wilhelm Seelig hatte seit dem WS 1854/55 in Kiel eine Professur für Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und Statistik inne. Zunächst für die Fortschrittspartei, dann für die Freisinnigen Liberalen war er von 1870–1873 Mitglied des Reichstags und von 1873–1893 Mitglied des preußischen Landtags.

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dinariat[,] derc Etat 1893d ein Ordinariat forderte,e5 muß ich mit Sicherheit annehmen, daß es sich um Herrn Professor Seelig handelt, was auch übereinstimmen würde mit den einzigen mir hier verfügbaren Materialien (Hwb. der Staatswiss.,6 – die Landtagsdrucksachen sind laut Katalog und Recherche auf der Bibliothek unvollständig und zwar leider gerade für diese Jahre). Ist dem so, dann warenf über die Art der Erledigung dieser Angelegenheit in der Tat Schwierigkeiten und Erörterungen entstanden. Ich wußte nicht mehr, daß dieser Gelehrte in Kiel Ordinarius gewesen war und erinnerte mich deshalb nicht mehr, daß die spätereg, von mir zitierte, Unterredung sich ebenfalls auf seine Ergänzung bezw. Nachfolge bezog und zweifellos an eineh frühere anknüpfte. Denn ich weiß allerdings genau, daß Herr Althoff schon einige Zeit vor der hier in Betracht kommenden Unterredung mit meinem Vater davon gesprochen und dabei auch persönliche Verhandlungen zwischen sich selbst und Prof.  Seelig erwähnt hatte. Die Art jener Schwierigkeiten werde ich, wenn ich im Januar in Berlin sein werde, noch näher zu ermitteln suchen und dabei vielleicht auch aus den ziemlich weitschichtigen Papieren meines Vaters noch näheres feststellen können, obwohl dies nicht völlig sicher ist. Jedenfalls aber halte ich die immerhin sehr zuversichtliche Art, in welcher allerhand Möglichkeiten auf Grund parlamentarischer Akten7 für i„ausgeschlossen“i erklärt werden, für recht bedenklich. Es würde Ihrem Herrn Referenten z. B. schwerlich gelingen, aus diesen Materialien festzustellen, woher die (etatmäßige) Stelle rührt, die ichj selbst in Berlin bekleidet habe. Eine unbesetzte reguläre Stelle war nicht da, eine zweite Professur für Handelsrecht ist niemals, eine neue juristische Professur überhaupt weder in der betreffenden c  A, A1: dem  d A: 1903    e A: folgte  f  Hervorhebung fehlt in A.   g A: späteren  h A: die  i–i Anführungszeichen fehlen in A.   j Hervorhebung fehlt in A.   5  Wilhelm Hasbach wurde am 25. Juli 1893 zum o. Professor der Staatswissenschaften nach Kiel berufen. 6  Vgl. den Artikel zu Wilhelm Hasbach, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. von Johannes Conrad, Ludwig Elster, Wilhelm Lexis und Edgar Loening, Band 5, 3.  Aufl. – Jena: Gustav Fischer 1910, S.  402. 7  Vgl. Anonym, Nochmals die Erklärungen Max Webers (wie oben, S.  356, Anm.  1). Der Verfasser des Artikels bezog sich auf das Protokoll der Budgetkommission vom 8. Februar 1893 sowie das Protokoll der nationalliberalen Fraktionssitzung vom 22. Februar 1893.

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Session, noch in den vorangehenden angefordert worden. Den für die Praxis des preußischen Etatrechts etwas amüsanten Aufschluß könnte Ihrk Herr Referent außer von mir selbst nur erhalten, wenn ihm das Kultusministerium, dessen Akten ihm ja, wie ich aus verschiedenen Einzelheiten ersah, zugänglich gemacht worden sind, das Konzept meiner Bestallung vorlegen würde. II. Es ist gesagt worden: meine Bemerkungen würden einen wesentlich geringeren Eindruck gemacht haben, wenn ich nicht gesagt hätte, mein Vater habel sein Referat niedergelegt.8 Abge­ sehen davon, daß in der für die Zeitungsöffentlichkeit allein maßgebenden Darstellung in der Täglichen Rundschau,9 welche er­heblich vor den ersten Ausführungen der nat[ional]lib[eralen] Korrespondenz vorlag,10 davon nichts steht, so ist dies auch ein starker Irrtum. Die Frage, ob mein Vater seine sehr entschieden bekundete Absicht, jene äußerliche Konsequenz zu ziehen, ausgeführt hat, dürfte ein solches Gewicht lediglich für die Herren Ab­geordneten haben. Ist er tatsächlich von seiner Absicht zurückgetretenm, so zweifellos aus dem Grunde, der auch in unserer Unterhaltung von ihm als besonders unangenehm betont wurde: daß die Äußerung Althoffs,  zwar der Sache nach unmißverständlich war, aber die Hintertür zu einer harmlosen Deutung offen ließ, genau ebenso, wie zahlreichen andere zweideutige Äußerungen in anderen Situationen, welche mir von ihm bekannt sind. Ein offizieller Schritt konnte danach in der Tat ein nutzloser und inopportuner Schlag in die Luft seino. Aber freilich: zu der Ansicht, daß ein Mitglied der Kommission, welches über den fraglichen Posten zwar nicht formell zu referieren, wohl aber mit abzustimmen hatte, eine direkte Anspielung auf persönliche Interessen seines Sohnes ignorieren könne, würde sich mein Vater nicht verstanden haben und k A, A1: ihr  l Hervorhebung fehlt in A.   m A, A1: zurückgekommen  n A: zahllose  o A: greifen 8  In Punkt 8 des Artikels (ebd.) hieß es: „Die Mitteilung des Vorgangs durch Herrn Professor Dr. Weber würde wahrscheinlich wesentlich geringeren Eindruck auf die Hörer gemacht haben, wenn er lediglich von einer ‚Absicht‘ seines Vaters gesprochen hätte“. 9  Gemeint ist: Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302–316, erschienen am 20. Oktober 1911 in der Täglichen Rundschau. 10  Der Artikel in der Nationalliberalen Correspondenz: Anonym, Zu den Erklärungen Max Webers (wie oben, S.  338, Anm.  3), war am 29. Oktober 1911 erschienen.

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würde sich auch ihr Herr Referent im gleichen Falle nicht verstehen. Auch der Ausdruck „Beeinflussungsversuch“11 erscheint mir sehr milde, und ich kann versichern, daß in dem Kreise, in dem ich sprach, niemand gewesen ist, den, gegenüber der Tatsache einer solchen, ich will auch hier nur sagen: dreisten und taktlosen, Anspielung eines Dezernenten gegenüber einem Parlamentarier,p die äußeren Konsequenzen noch interessiert hätten. III. Es lag für mich natürlich sehr nahe, vorauszusetzen, daß mein Vater bei seiner sehr energischq ausgesprochenen Absicht geblieben sei. Gleichwohl räume ich bereitwillig, wie schon früher, ein, daß die Aussprache dieser Annahme ohne genaue Nachprüfung an den Akten ein Versehen war und füge hinzu, daß mir dasselbe, so völlig gleichgültig es für die Sache bleibt und obwohl es sofort korrigiert wurde, gewiß nicht angenehm ist. Wenn nun aber Ihr Herr Referent nicht gerade ausgesprochenermaßen, aber in dem zuletzt zitierten Passus12 doch indirekt,r Vorwürfe daraus gegen mich herleitet, so möchte ich ihn immerhin auf folgendes aufmerksam machen: Ich sprach in diesem – und nur in diesem – Fall von Vorgängen, die ich aus eigenem Augenschein nicht kannte. Ihm selbst aber sind in Fällen, wo er sich durch den Augenschein ohne alle Schwierigkeiten informieren konnte, erhebliche Irrtümer widerfahren, die öffentlich durch  eine große Zahl von Zeitungen gingen, mich zu diskreditieren geeignet waren und von ihm nicht als solche eingeräumt worden sind. So zunächst der für jeden Leser meiner Darlegungen zutage liegende Irrtum (Punkt 11), gegen welchen ich in meinem letzten Schreiben mich verwahrte.13 Ferner aber und namentlich die unmotivierte Heranziehung jenes Marburger Exraordinariats in der ersten öffentlichen, in zahlreiche p  Komma fehlt in A.   q A: energischen  r  Komma fehlt in A. 11 In Punkt 9 des Artikels, Anonym, Nochmals die Erklärungen Max Webers (wie oben, S.  356, Anm.  1), hieß es: „Wenn der Abg. Dr. Weber die ihm zugeschriebene Absicht, trotzdem sein Sohn ihr ‚lebhaft zustimmte‘, aufgegeben hat, war dies sehr vernünftig von ihm. Denn niemand hätte es verstanden, wenn ein Abgeordneter wegen einer als Beeinflußungsversuch empfundenen Äußerung eines Regierungskommissars ein Referat abgegeben hätte, das mit dem Dezernat des betreffenden Kommissars nicht das Geringste zu tun hatte“. Vgl. auch die Wiederholung von „Beeinflußungsversuch“ in der redaktionellen Vorbemerkung zu Max Webers am 10. November 1911 veröffentlichter Zuschrift, oben, S.  388, Anm.  2. 12  Vgl. oben, S.  390. 13  Weber, Noch einmal die Erklärungen, oben, S.  359.

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Blätter übergegangenen Erklärung,14 welche mit der größten Bestimmtheit die „Unmöglichkeit“, daß ich etwas Wahres berichtet habe, deduzierens wollte, weil ich zur Zeit der Anforderung schon Extraordinarius gewesen sei. Nirgendst war in meinen Darlegungen von einer Marburger Stelle, noch auch gerade von einem Extraordinariat udie Redeu, ausdrücklichv dagegen ist gesagt worden, daß die Angelegenheit während meiner Privatdozenturw passiert sei, so daß an sich gänzlich unbegreiflich war, wieso Ihr Herr Referent, da doch die Akten über die Anforderung der Kieler Professur Auskunft gaben, auf jene andere verfallen und darauf eine Auseinandersetzung aufbauen konnte, welche mich öffentlich umso schwerer belastete, als naturgemäß die Zeitungen zwar eine parlamentarische Mitteilung, die in dem amtlichen Blatt Ihrer Partei erscheint, gern abgedruckt haben, dagegen – wie es auch geschehen ist – von meiner Erwiderung nicht in gleicher Weise Notiz nahmen. Ich darf jetzt, da die Sache völlig erledigt ist, wohl nachträglich mitteilen, daß hiesige, mit den Tatsachen durch mich längst bekannte Kollegen, den Eindruck äußerten, daß hier dem heutigen Unterrichtsministerium auf meine Kosten ein politischer Liebesdienst erwiesen werden solle. Nach der Art, wie ich diese Korrespondenz geführt habe, brauche ich wohl nicht zu versichern, daß ichx diese Auffassung nicht geteilt habe. Vielmehr setzte und setze ich bezüglich des Zweckes jener Mitteilung voraus, daß es sich lediglich um den Wunsch, jede denkbare y(von mir selbstverständlich weder beabsichtigtez noch übrigens auch aus meinen Äußerungen irgendwie ableitbare)y Mißdeutung des Verhaltens der nationalliberalen Partei zu beseitigen, handeltea. Bezüglich jenes Irrtums aber nahm ich an, daß entweder auch hier wieder einmal irreführende Informationen aus dem Ministerium vorgelegen oder andere von mir s.  Zt. angedeutete zufällige Gründe sein Entstehen begünstigt haben. Im übrigen aber war und bin ich gewiß nicht geneigt, von jenem Übersehen des Inhalts meiner Darlegung ein Aufheben zu machen, da uns allen derartige Irrtümer leicht zustoßen können. Nur mußte ich allerdings voraussetzen, daß auch Ihr Herr Referent s A: denunzieren  t A: Nirgens  u Fehlt in A.   v Hervorhebung fehlt in A.   w  Hervorhebung fehlt in A.   x  Hervorhebung fehlt in A.   y–y  Klammern fehlen in A.   z A: beabsichtigten  a A: hatte 14  Vgl. dazu Weber, Über das „System Althoff“, oben, S.  343, Anm.  8.

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dies in Betracht zog[,] und hätte auch aus diesem Grunde die Vermeidung einer aggressiven Äußerung, wie sie die vorletzte Veröffentlichung in Punkt 11,15 und zwar wiederum auf Grund eines offensichtlichen Übersehens, enthielt, von ihm erwarten dürfen. Ich darf wohl bitten, da ich seine Person zwar vermuten, aber nicht wissen kann, ihm diese Mitteilungen, die ich meinerseits als Privatbrief behandle, zur durchaus beliebigen Verwendung oder auch Nichtverwendung zu übermitteln, in dem Vertrauen, daß darin nicht der Ausdruck irgendwelcher persönlichen Gereiztheit erblickt werden wird. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst

15  Vgl. dazu oben, S.  388, Anm.  2.

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[Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen] [Diskussionsbeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden am 13. Oktober 1911]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der IV. Deutsche Hochschullehrertag fand am 12. und 13. Oktober 1911 in Dresden statt. Am zweiten Verhandlungstag sprach George Stuart Fullerton, Columbia Universität New York, zum Thema „Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen“.1 In der anschließenden Diskussion ergriff Max Weber das Wort. Im zweiten Teil seines Beitrages ließ er sich nicht nur in polemisch-scharfer Form über das „System Althoff“ in Preußen aus, sondern würzte seine Bemerkungen noch mit eigenen Erfahrungen, die er mit Althoff gemacht hatte. Dieser zweite Teil stieß auf Kritik dreier Kollegen – Herman Anders Krüger (Hannover), Georg Kaufmann (Breslau) und Max Pappenheim (Kiel) –, die sich vor allem gegen Webers Ausdruck wandten, er habe bei seiner Versetzung von Preußen nach Baden das Gefühl gehabt, „in saubere Luft“ gekommen zu sein.2 Pappenheim kritisierte, das Thema „System Althoff“ habe nicht auf der Tagesordnung gestanden, und es sei von Weber zudem „in einer zum Teil persönlich höhnenden Art“ behandelt worden.3 Krüger lobte zwar Webers Beitrag, kritisierte aber dessen Äußerung über das preußische Kultusministerium. Als sich unter der Zuhörerschaft Zustimmung, aber auch Widerspruch regte, fügte er an Weber gerichtet hinzu: „Und ich spreche es infolgedessen ruhig aus, daß Herr Professor Weber, wie ich ihn kenne, das gewiß nicht übel nehmen wird.“4 Dies motivierte Weber zu einem Zwischenruf, den das Publikum mit „Heiterkeit“ quittierte: „Fällt mir gar nicht ein! Ich habe aber schon

1  Fullerton, George Stuart, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, in: Verhandlungen des IV. HT, S.  53–66 (hinfort: Fullerton, Einrichtungen). 2  Vgl. ebd., S.  77–81. 3  Zu Webers Zitat vgl. unten, S.  409, die Debatte darüber in: Verhandlungen des IV. HT, S.  81. 4  Ebd., S.  77.

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Rücksicht genommen!“5 In einem Geschäftsordnungsantrag ergriff der Jurist Ludwig Beer aus Leipzig, der nebenamtlich auch an der Leipziger Handelshochschule Rechtswissenschaft las, am Schluß der Debatte das Wort und bemängelte Webers Ausführungen über die Handelshochschulen. Webers Urteil beruhe nicht auf Tatsachen.6 Weber sah sich daraufhin veranlaßt, in einem Schlußwort auf die Kritik zu antworten und seine Meinung bezüglich des Systems Althoff sowie der Handelshochschulen klarzustellen. In den Wahlen, die sich an die Beratungen anschlossen, wurde Weber zum ersten Mal in den 12-köpfigen Großen Ausschuß der Hochschullehrervereinigung gewählt.7 Webers Äußerungen auf dem Hochschullehrertag zogen sofort eine lange Auseinandersetzung in der Presse nach sich, die noch vor der Veröffentlichung des nachfolgend edierten, offiziellen Versammlungsprotokolls in verschiedenen Zeitungen geführt wurde.8 Als eines der ersten Blätter brachte die Tägliche Rundschau am 14. Oktober 1911 einen Bericht mit wörtlichen Zitaten Max Webers,9 die auch auf den Widerspruch von Gelehrten, u. a. Otto v. Gierkes, stießen.10 Daraufhin präzisierte Weber seine Formulierungen, die von der Täglichen Rundschau am 22. Oktober abgedruckt wurden.11 Die anhaltenden Auseinandersetzungen in der Presse12 könnten Weber motiviert haben, seine Diskussionsbeiträge zwischen dem mündlichem Vortrag am 13. Oktober 1911 in Dresden und dem Abdruck in dem offiziellen Verhandlungsprotokoll im März 1912 im Ton zu entschärfen.

5 Ebd. 6  Ebd., S.  84. 7  Ebd., S.  87. 8  So schrieb Paul v. Salvisberg, in: Hochschul-Nachrichten, 22. Jg., Heft 253, Okt. 1911, S.  8, Max Weber habe „wie unter einem akuten Anfall von Psychopathia incriminabilis plötzlich ganz wild zu einem Sturmlauf gegen die preußische Unterrichtsverwaltung“ angesetzt und „unter Reproduktion merkwürdiger persönlicher Erinnerungen gegen das ihm verhaßte ‚System Althoff’ und letzteren selbst in einer Weise losgelegt, die weder in diesen Zusammenhang paßte, noch überhaupt parlamentarisch genannt werden kann.“ 9  Zu den Presseberichten vgl. die Wiedergabe, unten, S.  788–804. 10  Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Otto v. Gierke, nach dem 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  304. 11  Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  302– 316. Die Zuschrift war in der Täglichen Rundschau, Nr.  497 vom 22. Oktober 1911, erschienen. 12  Vgl. dazu die Zuschriften Max Webers, die sich mit den Handelshochschulen und vor allem mit dem „System Althoff“ befaßten, oben, S.  298–362, 378–393, sowie zur Berichterstattung, unten, S.  788–804.

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Die deutschen und nordamerikanischen Hochschulen

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Edition folgt dem Abdruck in den Verhandlungen des IV. Deutschen Hochschullehrertages zu Dresden am 12. und 13. Oktober 1911. Bericht, erstattet vom geschäftsführenden Ausschuß. – Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avenarius) 1912, S.  66–77 [1.] und 85 f. [2.] (A). Die Diskussionsbeiträge sind jeweils eingeführt mit: „M. Weber (Heidelberg)“ und dürften von Weber autorisiert sein. Als Titel wird der Vortragstitel von Fullerton übernommen. Die Presseberichte über Webers Äußerungen auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag werden gesondert ediert.13

13  Vgl. dazu unten, S.  788–804.

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[Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen] 1.

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Die Haupterscheinung, auf die man bei Betrachtung der amerikanischen Universität zunächst stößt, ist die große Differenzierung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht. Wir finden Universitäten, die embryonal in den Anfängen der Entwicklung stehen, und daneben andere mit einem so differenzierten, umfangreichen Lehrbetrieb, daß selbst große Universitäten bei uns sich dagegen verstecken müssen. Aber auch in ihrer Eigenart differenzieren sich die amerikanischen Universitäten, und zwar darf man behaupten, daß diese Differenzierung wesentlich durch eine allmähliche und langsame Europäisierung der Universitätsverhältnisse bewirkt wird, eine Europäisierung, die nie zur Gleichheit mit europäischen Verhältnissen führen wird, die aber doch in einer Richtung der Annäherung an deutsche Verhältnisse sich vollzieht, ebenso wie man von uns vielleicht in mancher Hinsicht auch auf dem Universitätsgebiete von einer Amerikanisierung wird sprechen dürfen.  Die klassische alte amerikanische Universität ist aus dem College herausgewachsen,1 und diese Colleges lagen nicht in Großstädten, sondern womöglich auf dem Lande, jedenfalls aber an kleinen Orten; ferner waren die alten Colleges überwiegend von Sekten eingerichtet.2 Reminiszenzen daran finden sich noch über1  Das amerikanische Hochschulwesen umfaßt Ausbildungsgänge für „undergraduates“ und „graduates“, die aufeinander aufbauen. Die „undergraduates“ studieren in der Regel an „Colleges“, die ursprünglich selbständige Einrichtungen waren und es teilweise auch heute noch sind. Die Ausbildung, die mit einem BA abschließt, ist eher allgemeinbildender als fachlicher Natur. Wer weiterstudiert, wechselt in der Regel an eine Universität (wenn das „College“ zu einer Universität gehört, meist an eine andere). Die Qualität der Einrichtungen wird mittels Akkreditierungsverfahren ständig überprüft. Fullerton betonte in seinem Referat, daß sich die amerikanischen Universitäten im Vergleich zu den deutschen mehr an den „Bedürfnissen des Gemeinwesens“ orientierten, „der Staat hat wenig direkt mit der Sache zu tun, und die Zahl der Studierenden, die sich bewußt für eine Staatskarriere vorbereiten, ist verhältnismäßig klein.“ Vgl. Verhandlungen des IV. HT, S.  54. 2  Max Weber lernte auf seiner Amerikareise 1904 amerikanische Colleges kennen. Er interessierte sich für „die deutlichen Spuren der organisatorischen Kräfte religiösen Geistes“ und stellte fest, daß die meisten Colleges ursprünglich Werke puritanischer

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all. Heute dagegen sind die amerikanischen Universitäten bis zu einem gewissen Grade doch auf dem Wege, Großstadt-Universitäten zu werden. Und ferner ist kein Zweifel, daß mindestens ein Teil der Universitäten das alte Collegesystem mit seinem Internatszwange und seiner strengen Kontrolle auch der Lebensführung der Studenten über Bord zu werfen teils im Begriffe steht, teils schon über Bord geworfen hat. Dagegen ist mir aus amerikanischen Geschäftskreisen versichert worden, daß diese es seien, welche auf den Fortbestand des College und der besonderen Art der Collegebildung hinwirken, die nicht in erster Linie Heranbildung zur Wissenschaft bezweckt, sondern Ausbildung der Persönlichkeit zum Sich-behaupten-lernen in Kreisen gleichartiger Studenten, erwachsener Menschen, Ausbildung einer Gesinnung, die dem amerikanischen Staats- und Gesellschaftswesen als Unterlage zu dienen hat. Währenddessen gründet man bei uns Handelshochschulena.3 Wenn wir uns ganz deutlich ausdrücken wollen, so ist der Dampf, der diese Handelshochschulen macht, doch eigentlich immer der Umstand, daß die Kommis4 gern satisfaktions- und damit reserveoffiziersfähig werden möchten: ein paar Schmisse ins Gesicht, ein bißchen Studentenleben, ein bißchen Abgewöhnung der Arbeit – alles Dinge, bei denen ich mich frage, ob wir denn damit, wenn sie unserem kaufmännischen Nachwuchs anerzogen werden, den großen Arbeitsvölkern der Welt, insbesondere den Amerikanern, werden Konkurrenz machen können. Der Unterschied des inneren Wesens der amerikanischen Universität gegenüber der unserigen beruht zum guten Teil darauf, daß die amerikanische Universität nicht von Amts wegen verpflichtet a A: Handelsschulen   Sekten waren, wie z. B. das Quäkercollege Haverford bei Philadelphia. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  301. 3  Um die Jahrhundertwende gab es im Deutschen Reich eine sog. „Handelshochschulbewegung“. Träger der Bewegung waren prominente Großkaufleute, Handelskammern und kaufmännische Vereine sowie Handelsschullehrer und -direktoren. Mit Hilfe einer verbesserten wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung der Führungskräfte wollte man eine soziale Aufwertung gegenüber der traditionellen Bildungselite erreichen. Vgl. Franz, Heike, Zwischen Markt und Profession: Betriebswirte in Deutschland im Spannungsfeld von Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum (1900–1945). – Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998, S.  28–36. Vgl. dazu auch Weber, Denkschrift an die Handelshochschulen, oben, S.  363–377. 4  Handlungsgehilfen und kaufmännische Angestellte.

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ist, dem Staate für seine Bureaukratie, für seine Schule, für, ich weiß nicht was alles, den entsprechend examensmäßigb vorgebildeten Nachwuchs zu liefern.5 Damit ist die amerikanische Universität in einer beneidenswerten Lage. Ich bin allerdings überzeugt, daß mit dem Fortschreiten der Verwaltungsreform früher oder später der Moment in Amerika kommen wird, wo eine irgendwie ähnliche Situation auch für die amerikanische Universität eintritt, und ich wünsche ihr, daß sie sich dann unter Wahrung ihrer Selbständigkeit, unter Wahrung von sehr viel mehr ihrer heiligsten Güter zu dieser Situation zu stellen in der Lage sein wird, als die deutschen Universitäten dies ohne ihre Schuld gegenüber der Übermacht des Staates vermocht haben. Mit wenigen Worten möchte ich die Lehrmethode streifen, von der Lamprecht mit einem gewissen Recht sagte, daß es schwer für uns sein dürfte, sie zu übernehmen oder daraus zu lernen.6 Lehrreich an sich ist sie. Es ist da zu scheiden zwischen freien Vorlesungen und den College-Vorlesungen. Jene unterscheiden sich in nichts von deutschen Vorlesungen außer einer sehr viel ausgiebigeren Benutzung von Anschauungsmaterial. Im übrigen habe ich diese Vorlesungen, die ich gehört habe,7 nicht anders als die unseren gefunden: sachlich, präzise, nüchtern, ohne irgendwelche Mittel, die auf die Masse wirken könnten. Anders die traditionellen b A: examenmäßig 5  Durch die stärker werdende Verklammerung von Staat und Universität seit dem frühen 19. Jahrhundert zählte, neben der Förderung der Wissenschaften, die Ausbildung und Prüfung künftiger Staatsdiener wie Theologen, Juristen oder Gymnasiallehrer zu den Hauptaufgaben der deutschen Landesuniversitäten. 6  Max Weber bezog sich auf Karl Lamprecht, der nach dem Referat Fullertons in seinem Diskussionsbeitrag die amerikanische Lehrmethode angesprochen hatte: „Was endlich die Methode angeht, so glaube ich nach meinen Beobachtungen sagen zu können: soweit es sich wesentlich um Übungen und Verwandtes handelt, ist die Methode in Amerika mehr entwickelt. Ob man dort aber qualitativ ganz auf unserer Höhe steht, möchte ich im Zweifel lassen. Ich glaube jedenfalls, daß wir in diesem Punkte nicht übermäßig zu lernen haben, wohl in verschiedenen äußeren Formen, aber nicht in dem inneren Geiste der Entwicklung.“ Lamprecht, Diskussionsbeitrag, in: Verhandlungen des IV. HT, S.  53–87, Zitat: S.  65. 7  Max Weber besuchte am 25. Oktober 1904 an der Johns Hopkins University die Vorlesung „Economic Theories since Adam Smith“ von Jacob H. Hollander. Im November 1904 hörte er Vorlesungen an der Columbia University New York. Vgl. den Brief Max Webers an Jacob H. Hollander vom 27. Okt. 1904, MWG II/4, S.  351–353, hier S.  351 mit Anm.  1, sowie Scaff, Lawrence A., Max Weber in America. – Princeton: Prince­ton University Press 2011, S.  255 f.

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und spezifisch amerikanischen, von den unserigen abweichenden Vorlesungen für die Anfänger, die College-Vorlesungen. Diese werden so durchgeführt, daß dem Studenten aufgegeben wird, eine bestimmte Anzahl Paragraphen eines Lesebuches bis zu dem und dem Tage zu lernen; über den Inhalt dieser Paragraphen wird er dann ausgefragt. Das kann natürlich ein unerhört  geistloses Examinieren sein. Aber auf der anderen Seite habe ich diese Lehrmethode an der Columbiauniversität und sonst in einer Art handhaben sehen, gegen die alles, was wir an Vorlesungs- und Seminarbetrieb haben, einfach extensive Lehrmethode ist. Es gehört zu dieser Lehrmethode selbstverständlich auch der Collegebesuchszwangc, der in Amerika besteht. Das Studentenleben in Amerika im allgemeinen unterscheidet sich sehr stark von dem unserigen, obwohl auch hier europäische, und zwar speziell deutsche Einflüsse – und es ist fraglich, ob solche der besten Art – im Vordringen sind[.] Wenn ich mit amerikanischen Studenten zusammen war, so interessierte sie gar nichts auf der weiten Welt mehr, als was eigentlich eine deutsche Mensur wäre. Und auf der Columbiauniversität wurde ich von einem Kollegen zu einem regelrechten deutschen Kommerse mit Schlägern und allem, was dazu gehört, eingeladen, der in der Aula der Universität stattfinden sollte, veranstaltet von seiten der germanistischen Abteilung der Universität zur Einführung in die deutsche Kultur.8 Der amerikanische Student hat wie der deutsche Student seine Verbindungen. Diese sind anderer Art als die deutschen. Die deutschen Verbindungen sind heute mehr und mehr Versicherungsanstalten für Konnexionen und Avancement geworden. Daß das den amerikanischen Verbindungen ganz fehlt, kann man nicht behaupc A: Collegebesuchzwang   8  In dem Brief von Max und Marianne Weber an Helene Weber vom 2., 4. und 5. Sept. 1904 (MWG II/4, S.  266–273) berichtet Max Weber von einer Begegnung mit dem amerikanischen Germanistikprofessor William Addison Hervey (1870–1918) an der Columbia University. Dieser habe erzählt, „daß jetzt zwei Mal jährlich ein ‚deutscher Commers’ in der germanistischen Abteilung der Universität gefeiert werde, mit Schlägern, Liedern und Bier vom Faß, die 8 germanistischen teachers, die graduates und die college-Studenten außer den freshmen (Füchse). Es sei – hieß es dann ganz im üblichen Styl – das erste Universitätsgebäude, in Amerika, in welches ein Faß Bier gebracht worden sei. So ernst nimmt man es hier mit der Einführung der Studenten in den Geist der deutschen Cultur.“ (Ebd., S.  272).

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ten. Man braucht sich nur die Jahrbücherd und die Alten-Herrenlisten anzusehen, wo notiert wird, daß in diesem Jahre der Mister Roosevelt zum Präsidenten gewählt ist9 usw. Immerhin ist die ganze Art des Betriebes innerhalb der Verbindungen dennoch heute eine sehr andere, als bei uns mit ihrem Hausbesitzercharakter,10 mit all dem bureaukratischene Wesen, dem Drill, der drum und dran hängt. Gemeinsam ist beiden und anderen amerikanischen Verbindungen mit den deutschen der erziehliche Charakter, der darin liegt, daß auch hier das Individuum in einem Kreise sehr scharf und rücksichtslos kritisierender Genossen sich behaupten muß. Nur divergieren das Männlichkeitsideal des Amerikaners und das des deutschen Studenten in wichtigen Punkten, und es ist schwierig, das eine an dem anderen zu messen. Damit komme ich zu der Verfassung amerikanischer Universitäten. Einige ausgiebigere Worte darüber müssen Sie mir schon gestatten, und zwar unter Bezugnahme auf deutsche Verhältnisse. Die Verfassung der amerikanischen Universitäten und vieles andere in ihrem Zustande ist dadurch bedingt, daß die amerikanischen Universitäten, in noch sehr viel höherem Maße als die deutschen, Institute sind, die miteinander zu konkurrieren haben. Der Umstand, daß in der Stadt Chicago allein zwei Universitäten11 sindf und im Staate Illinois eine dritte, die Staatsuniversität ist,12 zeigt ja schon allein, wie es damit steht, und zwar ist diese Konkurrenz im Prinzip ganz frei. Die amerikanischen Universitäten konkurrieren mit ziemlich rücksichtslosen Mitteln gegenüber ihren d A: Jachtbücher  e A: bureaukratischem  f  Fehlt in A. 9  Theodore Roosevelt studierte in Harvard, wo er Mitglied der Studentenverbindung Phi Beta Kappa war, sowie an der Columbia University. Im November 1904, während Max Webers Amerikareise, wurde Roosevelt zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt. 10  Bei seinem Austritt aus der Burschenschaft Allemannia schrieb Weber: „An eine ‚Reform‘ der bestehenden Verbindungen glaube ich nicht, daran hindert sie schon der von mir stets innerlich als unstudentisch abgelehnte Hausbesitz und die dadurch vermittelte Gebundenheit an den Geldbeutel und dadurch an die ‚Traditionen‘ der Alten Herren.“ Vgl. den Brief Max Webers an Friedrich Keller vom 17. Okt. 1918, MWG II/10, S.  269–271, Zitat: S.  270. 11  Die „Northwestern University“ und die „University of Chicago“. 12  Gemeint ist die University of Illinois in Urbana-Champaign. Max Weber traf in den USA mit deren ehemaligem Präsidenten, Edmund J. James, zusammen, vgl. MWG II/4, S.  278, Anm.  20.

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Schwesterinstituten. Sie tragen auch darin den Charakter eines Konkurrenzinstituts, daß sie wie ein modernes Fabrikunternehmen eine rücksichtslose Auslese in bezug auf Tüchtigkeit mindestens ihrer jüngeren Lehrkräfte halten, unendlich viel rücksichtsloser als irgendeine deutsche Universität. Die entscheidende Frage, von der wir aber doch reden möchten, ist ein Vergleich der amerikanischen und der deutschen Universität in bezug auf ihre Beziehungen zur Bureaukratie. Denn es ist ja doch die Frage, die uns heute in Deutschland vor allem am Herzen liegt. Die deutschen Universitäten befinden sich seit langer  Zeit in einem teils latenten, teils offenen Kampfe der alten Universitätsgewalten mit der über ihnen stehenden staatlichen Bureaukratie. Diese staatliche Bureaukratie ist in Deutschland formal keine einheitliche; die Universitätsgewalt liegt in den Händen der Einzelstaaten, und sie ist in ihrem ganzen Charakter vor allen Dingen qualitativ differenziert, in jedem einzelnen deutschen Staate, der Universitäten zu verwalten hat, anders als in anderen. Die beiden Universitätsbureaukratien Sachsens und Badens stehen an der Spitze aller an Wohlwollen und verständnisvoller Berücksichtigung der Wünsche der Universitäten, auch da, wo sie ihnen im ersten Augenblicke irrationell und töricht erscheinen, wo sie auch vielleicht einmal wirklich töricht sind. Diese beiden Verwaltungen sind, wie ich aus eigner Erfahrung weiß, ganz heterogen gegenüber der Verwaltung Preußens seit langen Jahren, und es scheint auch gegenüber der Verwaltung Bayerns; man sagt es so.g Ich bekenne ganz offen, als ich seinerzeit aus dem Gebiete der preußischen Unterrichtsverwaltung in das der badischen versetzt wurde, hatte ich das Gefühl, in saubere Luft zu kommen.13 Die deutschen Unterrichtsverwaltungen stehen in einem Kartell14 mit g  In A folgt der Protokollzusatz: (Heiterkeit.) 13  Im Frühjahr 1894 nahm Max Weber einen Ruf der Universität Freiburg an und zog im Herbst von Berlin nach Freiburg um. 14  Der preußische Ministerialdirektor Friedrich Althoff initiierte die Hochschulreferenten-Konferenz, die am 25. Juni 1898 zum ersten Mal in Eisenach zusammentrat. Hier koordinierten die Hochschulreferenten aus den Kultusministerien der Einzelstaaten die Hochschulpolitik ihrer Regierungen. Vgl. vom Brocke, Bernhard und Peter Krüger, Hochschulpolitik im Föderalismus. Die Protokolle der Hochschulkonferenzen der deutschen Bundesstaaten und Österreichs 1898 bis 1918. – Berlin: Akademie Verlag 1994, S.  19.

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einander, welches diesen Zustand der Konkurrenz unter ihnen in weitem Grade beseitigt hat. Dieses Kartell ist aber selbstverständlich[,] ganz ebenso wie ungefähr die deutsche Eisen­bahn­gemein­ schaft,15 an der man arbeitet, eine Sache, bei der die übrigen Unterrichtsverwaltungen Vasallen der preußischen werden. Wess’ Geisteskind dies Kartell ist, geht daraus hervor, daß, als ich nach Baden aus Preußen berufen wurde, mir die gesamte Korrespondenz, welche das badische Ministerium mit dem preußischen gepflogen hatte, von dem preußischen Ministerialdezernenten16 mit dem Bemerken vorgelegt wurde, ob ich denn von einem Kerl – ich mildere den Ausdruck  etwas –, der solche Briefe über mich schrieb, einen Ruf anzunehmen geneigt sein würde.h Das umgekehrt Entsprechendei, meine Herren, wäre wohl ausgeschlossen. Es ist nicht möglich[,] über diese Dinge zu sprechen, ohne an die Persönlichkeit anzuknüpfen, welche das heute bestehende System der preußischen und damit der deutschen Unterrichtsverwaltung geschaffen hat. Das ist der verstorbene Ministerialdirektor Althoff. Es ist sehr schwierig, über diesen Mann zu sprechen. Er war nicht nur ein wirklich guter Mensch im spezifischen Sinne des Wortes, sondern er war ein Mann von sehr weiten Gesichtspunkten. Er konnte von sich in der Tat sagen: Ich sehe weiter als die Herren an den einzelnen Universitäten. Ob das der heutige preußische Kultusminister17 ernstlich von sich behaupten kann, darüber kann ich

h  In A folgt der Protokollzusatz: (Heiterkeit.)  i A: entsprechende 15 Mit Gründung der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft am 23. Juni 1896 wurde die hessische Ludwigsbahn, eine der letzten großen, eigenständigen Privatbahnen des Kaiserreichs, verstaatlicht. Die Eisenbahngemeinschaft war in Hessen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges äußerst umstritten. Vgl. Hager, Bernhard, „Aufsaugung durch Preußen“ oder „Wohltat für Hessen“? Die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft von 1896/97, in: „Auf eisernen Schienen, so schnell wie der Blitz“, Regionale und überregionale Aspekte der Eisenbahngeschichte, hg. von Andreas Hedwig. – Marburg: Hessisches Staatsarchiv, 2008, S.  81–111. 16 In den Presseberichten war an dieser Stelle vom „badische[n] Dezernent[en]“, unten, S.  796 mit Anm.  9, die Rede. Gegenüber dem badischen Kultusminister Franz Böhm erklärte Max Weber dies für einen „Irrtum gröbster Art“, denn er habe diese Äußerung in Dresden „in Wahrheit als eine Äußerung des damaligen Dezernenten Geh. Rats Althoff in Berlin zitiert“. Vgl. den Brief Max Webers an Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  284–296, Zitat: S.  287. 17  Gemeint ist August v. Trott zu Solz, der von 1909 bis 1917 preußischer Kultusminister war.

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nichts sagen.j Althoff war aber weiter ein Mann, dem die deutschen Universitäten Dinge verdanken, die in gewissem Sinne unsterblich sind. Er war von einem Maß Ressortpatriotismus beseelt, wie man ihn rücksichtsloser sich nicht denken kann. Er sagte zu mir einmal: „wenn ich zu dem Minister Miquel gehe, werde ich künftig immer eine Pistole mitnehmen, sonst kriege ich von dem Manne kein Geld für die Bedürfnisse der Universitäten.“18 Er hat die preußischen Universitäten in technischer Hinsicht, in allem, was Verwaltungsmittel und Institute anlangt, auf ein außerordentlich hohes Niveau gehoben. Und in personaler Hinsicht kann nicht nachdrücklich genug betont werden, daß auch da für ihn sein Ressortpatriotismus maßgebend war. Nepotismus gab es unter ihm nicht, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie man sich das gewöhnlich vorstellt. Er konnte sich ja vergreifen und hat sich vergriffen. Aber er hat unter Umständen auch glänzendere Wahlen getroffen als die deutschen Universitäten. Nur eins muß als Vorbehalt hinzugefügt werden: er ging bei der Behandlung der Personalien von der Anschauung  aus, daß jeder, mit dem er zu tun hatte, ein Schuft oder zum mindesten ein ordinärer Streber sei. Versetzen Sie sich nun in die Situation eines mittellosen, vielleicht gar verehelichten oder verlobten jungen Dozenten, der das erstemal unter die Wirkung dieser ganz überlegenen Intelligenz kam, und Sie werden mir zugeben, daß darin die Gefahr lag, daß der betreffende junge Mann, wenn er dauernd dieser Einwirkung ausgesetzt war, wirklich auf die Bahn gedrängt wurde, das zu werden, und sei es auch nur zum Teil, was Althoff hinter ihm vermutete. Die Mittel, mit welchen die preußische Unterrichtsverwaltung arbeitete, waren die denkbar rücksichtslosesten, und dieses System von Mitteln hat die Gefahr erzeugt, daß bei uns ein akademischer Nachwuchs entsteht, der nicht mehr die alten Universitätstraditionen hoch hält, auch nicht mehr in sie hineinpaßt, sondern der dem Typus eines Amerikaners gleicht, aber nicht eines Amerikaners an der Universität, sondern j  In A folgt der Protokollzusatz: (Heiterkeit.) 18  Das Zitat konnte nicht nachgewiesen werden. Der erwähnte preußische Politiker, Johannes v. Miquel, wurde 1890 nach Bismarcks Sturz zum preußischen Finanzminister berufen. Seit 1897 war er stellvertretender preußischer Ministerpräsident. Aufgrund von Differenzen mit dem Kaiser in Fragen des Kanalbaus nach dem Scheitern der zweiten Kanalvorlage im preußischen Abgeordnetenhaus wurde er 1901 entlassen.

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an der Börse. Der Einfluß des Althoffschen Systems hat direkt korrumpierend gewirkt. Man wird sagen: Beispiele! Nun gut, ich will mit einigen Beispielen aufwarten. Ich persönlich bin dem Geheimrat Althoff zu außerordentlichem Danke für die Art verbunden, in der er mich äußerlich und innerlich in einer Weise gefördert hat, die zu meinem Verdienste in gar keiner Weise im Verhältnis stand.19 Aber diese Freude wurde mir durch die Beobachtung geschmälert, daß diese auffällige Protektion mit dem nationalliberalen Abgeordnetenmandat meines Vaters im Zusammenhang stand, an den der Dezernent des Unterrichtsministeriums gelegentlich in einer so taktlosen und dreisten Art unter Bezugnahme auf dieses Personalverhältnis herangetreten ist, daß das zu einer Niederlegung des Mandats meines Vaters in der Budgetkommission geführt hat.20 Die Tatsache liegt vor, und ich bin nicht der einzige gewesen, der deshalb froh sein konnte,  als er von einem anderen als dem preußischen Staat Anerkennung für seine Leistungen fand. Sie werden mir zugeben, daß eine solche Praxis auf das Parlament einen korrumpierenden Einfluß auszuüben geeignet war, und nicht nur auf das Parlament, sondern auch sonst sind solche Einflüsse von der gleichen Stelle ausgegangen. Sie werden sich eines Falles erinnern, auf den ich nicht näher eingehen werde, den ich nur streife, der im vorigen Jahre so außerordentlich viel Staub an der Berliner Universität aufgewirbelt hat.21 Wir alle, die wir sicher einmütig hinter den vom Ministerium schikanierten Berliner Kollegen stehen, haben damals bedauert, daß von diesen Kollegen einem anderen, vom Ministerium protegierten Kollegen ein bestimmter Revers abverlangt war.22 Das ist akademischem Brauche nicht entsprechend. Aber das Reverssystem stammt aus dem preußischen Ministerium. Ich will nur wenige Worte darüber sagen. 19  Wie Marianne Weber schreibt, interessierte sich Althoff für den begabten Dozenten Weber und wollte ihn in Preußen halten. Althoff habe ihn zum Nachfolger Levin Goldschmidts bestimmt, ohne sich der Zustimmung der Berliner Fakultät sicher zu sein. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  212. 20  Dies erläuterte Max Weber in einem Brief an den badischen Kultusminister Franz Böhm vom 17. Okt. 1911, MWG II/7, S.  284–296, bes. S.  293–295. 21  Als Ludwig Bernhard für das Wintersemester 1910/11 eine Hauptvorlesung ankündigte, kam es erneut zum Streit mit seinen Kollgen in der Philosophischen Fakultät. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Der „Fall Bernhard“, oben, S.  75–77. 22  Ludwig Bernhard erklärte sich in einem Revers bereit, zunächst auf die Durchführung von Hauptvorlesungen zu verzichten. Vgl. ebd., S.  77.

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Wenn Dozenten von auswärts unter Althoffs Regierung nach Preußen berufen wurden, so ging das nie, ohne daß ein Teil der Bezahlung in Papiergeld erfolgte mit einem Reverse auf Avancement an einer anderen, insbesondere an der Berliner Universität. Wenn die Berliner Kollegen es erlebt hätten, daß eines Tages all dieses Papiergeld einmal öffentlich notiert worden wäre und all diese Reverse auf ihren Todesfall ihnen ins Gesicht gehalten worden wären mit der Frage: willst du denn ewig leben? – sie würden sich geschämt haben, weiter zu existieren.k Das waren Reverse, welche das Ministerium den Leuten aufzwängte. Ich selbst bin in die erstaunliche Lage gekommen, als ich in Berlin Extraordinarius werden sollte23 und längst mit der Fakultät in Verbindung stand, daß mir der Ministerialdezernent um jeden Preis einen Revers in die Hand drückte. Ich wußte nicht, weshalb, bis ich auf dem Heimwege bemerkte, daß in den Revers nachträglich  eine Verpflichtung gesetzt worden war, die ich nicht übernommen hatte und die auch noch nicht darin stand, als ich ihn durchlas.l 24 Das nebenbei! Die Hauptsache ist aber, daß, als er mir dieses Papiergeld in die Hand drückte, er die Überzeugung hatte: das wird mein Mann, der wird von mir abhängig werden. Reverse des Ministeriums von der einen, Reverse des Dozenten von der anderen Seite! Meine Herk  In A folgt der Protokollzusatz: (Heiterkeit.)  l  In A folgt der Protokollzusatz: (Heiterkeit.) 23  Max Weber wurde zum Wintersemester 1893/94 zum besoldeten Extraordinarius für Handelsrecht ernannt. 24  In einem Brief an den Badischen Minister des Kultus und Unterrichts Franz Böhm vom 19. Oktober 1911 stellt Weber den Vorgang dar: „Und zwar vollzog sich dies so: daß, so unglaublich dies erscheint, Geh. Rath Althoff, als er mir aus eignem Antrieb seine schriftliche (von mir nicht erbetene) Zusicherung – ich darf sagen: – aufnötigte: daß er an die Fakultät in Berlin die mich betreffende Anfrage wegen meiner Ernennung zum Extraordinarius richten werde, er mir diese Zusicherung in seinem Bureau (ununterschrieben) zeigte mit der Frage, ob ich mit dem Inhalt einverstanden sei, alsdann erklärte, er werde sie nun unterschreiben, darauf an sein Pult ging, schrieb, die Zusicherung in ein Aktencouvert steckte, welches er verschloß, sie mir mit der Bitte um Zustellung einer Abschrift an ihn einhändigte – und sich, als ich das Couvert nachher öffnete, ergab, daß er, ohne mich zu fragen, den unzutreffenden Satz hinzugefügt hatte: ‚Dr. W[eber] verpflichtete sich, jede an ihn gelangende Berufung … abzulehnen.’ Ich remonstrierte sofort und erhielt umgehend einen Brief des Inhalts (kanzliert): Ew. Wohlgeboren … teile ich mit, daß ich bei nochmaliger Erwägung unserer Unterredung darauf verzichte, Sie irgendwie binden zu wollen, meinerseits jedoch die gegebene Zusage aufrecht erhalte.“ Vgl. MWG II/7, S.  306–311, Zitat: S.  307 f. (Auslassungspunkte im Original).

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ren, auch darin habe ich persönliche Erfahrungen. Man hat mir ganz dasselbe angesonnen, durch dessen Übernahme der Kollege, dessen Name im vorigen Jahre soviel Aufsehen machte,25 auf die schiefe Bahn der Schwäche und Unentschlossenheit gekommen ist. Man hat mir, als ich Extraordinarius wurde[,] einen geheimen Lehrauftrag angesonnen, und als ich nach dem Grunde fragte, wurde mir gesagt, weil die beiden in Betracht kommenden Ordinarien gegen meinem Ernennung zum Extraordinarius stimmen würden.26 Es wurde mir damit eine Unanständigkeit angesonnen. Ich sagte, die beiden Herren seien längst von mir informiert. In einem Augenblick, wo ein preußischer hochgestellter Ministerialbeamter einem jungen Manne so etwas ansinnt, kann ich auf den jungen Mann keinen Stein werfen, der dann in diese Falle hineingeht und etwas begeht, was objektiv nach akademischer Standessitte eine Unanständigkeit ist. Ich schließe damit diese Erörterungen und frage nun: wie steht es wohl in Amerika mit diesem Zustande? Amerika hat seinen Althoff an jeder Universität. Der amerikanische Präsident ist eben ein solcher. Er verwaltet die Universität und all die Dinge, die bei uns selten ohne Drahtziehen von seiten der Unterrichtsministerien gelingen, geschehen durch ihn. Seine Macht ist faktisch sehr viel größer als formell. Er ist in der Lage, auch das, was wir Fakultät nennen, matt zu setzen, indem er sich auf die Universitätsdemokratie der jüngeren Lehrkräfte stützt. Mir wurde gesagt, daß das ganz besonders an den modernen großen Universitäten in starkem Maße der Fall sei. Der Unterschied ist vorläufig nur, daß eben unzählige Althoffs da nebeneinander sitzen, daß der an der einen Universität ganz anders aussieht als an der anderen, wobei allerdings zu bedenken ist, daß Berufungen junger Dozenten von einer m A: Meine 25  Ludwig Bernhard. 26  Gemeint sind die beiden Berliner Ordinarien Heinrich Brunner und Otto v. Gierke, wie aus dem direkten Bericht über Webers Diskussionsbeitrag im Berliner Tageblatt vom 14. Oktober 1911 hervorgeht (vgl. unten, S.  800): „Auch mir [d. h. Weber] hat man seinerzeit zugemutet, einen Revers zu unterschreiben, in dem mir ein geheimer Lehrauftrag angesonnen wurde. Als ich fragte warum, da sagte man mir, der Lehrauftrag müsse geheim bleiben, weil sonst die Professoren Brunner und Gierke gegen meine Ernennung stimmen würden.“ Weil diese Formulierungen v. Gierkes Ärger erregt hatten, änderte Weber sie für das offizielle Protokoll. Vgl. Weber, Über die Rede auf dem Deutschen Hochschullehrertag, oben, S.  309 f.

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Universität an eine andere nicht gerade sehr häufig und jedenfalls wohl eher in der Abnahme begriffen sind, daß es vielmehr das Ideal der Präsidenten der Universitäten ist, ihren Nachwuchs für die höheren Stellen selbst heranzuzüchten. 27 Über diesen Nachwuchs einige Worte! In Amerika ist die Bureaukratisierung der Universitätsverfassung in außerordentlich weitgehendem Maße durchgeführt und ebenso ein Ideal durchgeführt, das zu meinem persönlichen Bedauern, aber ganz begreiflicherweise ein größerer Teil unseres Nachwuchses pflegt: Die Sicherung der Existenz des Nachwuchses. Die Universitäten in Amerika müssen konkurrieren. Da ist nun die Kehrseite der Bureaukratisierung des Nachwuchses und des Umstandes, daß jeder junge Dozent in Amerika bereits Gehalt bekommt, und zwar eine für unsere Begriffe hohe Anfangseinnahme, daß der gesamte Nachwuchs auf Kündigung steht und von dieser Kündigung nicht in dem Maße, wie es geschehen könnte, aber in recht erheblichem Umfange Gebrauch gemacht wird. Und weiter: als Entgelt für das Gehalt ist der dortige Nachwuchs mit Lehraufgaben in einem Umfange belastet, wie wir das bei uns in Deutschland nicht kennen. Ich frage mich gelegentlich immer wieder vergebens: wie kann ein amerikanischer junger Assistent bei dem Maß von Vorlesungen, welches ihm sehr häufig aufgeladen ist, überhaupt zu Fortschritten in seiner Wissenschaft kommen, denn die Verhältnisse sind so, daß, während der Ordinarius in der Woche drei Stunden, der Dozent ein Vielfachesn davon liest.  Die Verhältnisse sind also gerade umgekehrt wie bei uns. Und es ist sehr ernstlich zu fragen, was zunächst vom Standpunkte des Fortschreitens der Wissenschaft aus vorzuziehen ist, das amerikanische System oder das deutsche. Darüber möchte ich mir heute absolut kein Urteil erlauben, zumal die Erfahrungen, die ich habe, nur von einigen Universitäten stammen. Wir stehen ja heute überhaupt hier nicht vor der Frage: sollen wir dies oder jenes amerikanisch machen, sondern ich habe mich darauf beschränkt, Vergleiche zwischen den beiden Ländern zu ziehen.o

n A: vielfaches  o  In A folgt der Protokollzusatz: (Stürmischer Beifall.) 27  Diese Ansichten über die Präsidenten amerikanischer Universitäten wurden in der Diskussion von dem amerikanischen Professor Paul Samuel Reinsch der University of Wisconsin-Madison zurechtgerückt. Vgl. Verhandlungen des IV. HT, S.  83.

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Einep Bemerkung des Kollegen Pappenheim28 hat mich sehr befremdet. Er hat hier gesagt, über preußische Verhältnisse hat hier unter Verhimmelung der sächsischen und seiner eignen Unterrichtsverwaltung ein Mann gesprochen, der kein Preuße ist usw. Er hat damit wohl zweifellos nicht sagen wollen, daß, wenn ich in Preußen wäre, ich nicht ganz dasselbe bemerkt hätte.q Damit ist meiner Meinung nach die Sache erledigt. Ich bin der ehrlichen Meinung und wiederhole das, daß die Verhältnisse in Sachsen und in Baden günstiger liegen als anderwärts. Ich möchte noch eine Sache richtig stellen. Es ist mir sehr übel genommen worden, daß ich von einer unreinen Luft gesprochen habe, die in Preußen herrsche.29 Ja, meine Herren, ich habe sehr genau spezialisiert, inwiefern ich allerdings der Meinung bin, daß nicht die Persönlichkeit, aber das System des damaligen Geheimrats und späteren Ministerialdirektors Althoff unter dem akademischen Nachwuchs eine fatale Atmosphäre verbreitet hat und daß damals in den Räumen des preußischen Ministeriums in persönlicher Hinsicht mit Mitteln gearbeitet wurde, die nicht zu billigen sind, und denen gegenüber ich es scharf und klar aufrecht erhalte als mein gutes Recht, meine Empfindung dahin auszusprechen, daß ich allerdings froh war und es als eine saubere Atmosphäre empfand, als ich mit anderen als dem damaligen preußischen Dezernenten30 zu tun hatte, unbeschadet meiner Verehrung und Dankbarkeit für seine Person; denn es lag in seinem System, und es lag p  In A geht voraus: (Schlußwort):  q  In A folgt: (Zuruf: Nein!) 28  Max Pappenheim kritisierte: „Die Sache hat nicht auf der Tagesordnung gestanden, und ich würde es von meiner Seite für eine Falschheit halten, wenn ich nicht sagen würde, ich finde es unrichtig, daß diese zum Teil an den Haaren herbeigezogene Erörterung auf sächsischem Boden seitens eines badischen Kollegen unter Hervorhebung der sächsischen und badischen Regierung dem gegenwärtigen preußischen Kultusminister gegenüber, den ich gar nicht kenne und auch gar nicht beurteilen kann und will, in einer zum Teil persönlich höhnenden Art stattgefunden hat. Ich will nicht unterlassen, für meine Person dagegen Einspruch zu erheben.“ Vgl. Verhandlungen des IV. HT, S.  80 f. 29  Diesen Einwand hatte Herman Anders Krüger, Hannover, gegen Webers Äußerungen vorgebracht, vgl. dazu den Bericht im Berliner Tageblatt vom 14. Okt. 1911, unten, S.  801. 30  Gemeint ist Friedrich Althoff.

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Die deutschen und nordamerikanischen Hochschulen

in der Menschenverachtung, die ihm eigen war und an der er vielleicht nicht ganz allein – das wollen wir ja sagen – schuld gewesen ist. Auch angesichts der Erörterung des Herrn von der  Handelshochschule31 bin ich verpflichtet, noch einiges zu sagen. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß die deutschen Handelshochschulen Ausgezeichnetes leisten, soweit ich darüber urteilen kann. Was ich hier zum Ausdruck bringen wollte, ist das Bedauern, daß man den Weg besonderer Handelshochschulen und nicht den Weg der Angliederung an die Universität beschritten hat. Der Grund, weshalb man das getan hat, liegt allerdings nach der Richtung, die ich angedeutetr habe, nach der Richtung, daß Herren, die innerhalb des Handelsstandes sich betätigen wollen, eine bestimmte in der Eigenart unserer feudalen Gesellschaftsordnung in Deutschland liegende Qualifikation sich verschaffen wollen.

r A: andeutet 31 Vgl. den Redebeitrag von Ludwig Beer, Leipzig, in: Verhandlungen des IV. HT, S.  84 f.

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Rechenschaftsbericht für die abgelaufenen beiden Jahre [Rede auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag in Berlin am 21. Oktober 1912]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag in Berlin vom 20. bis 22. Oktober 1912 trat Weber nicht, wie ursprünglich vom Vorstand der DGS vor­ge­schla­ gen,1 als Vortragsredner auf, beteiligte sich aber an den Diskussionen2 und erstattete in seiner Funktion als Rechner am 21. Oktober den Rechenschaftsbericht der Gesellschaft.3 Bereits ein Jahr zuvor hatte der Vorstand gebeten, Weber möge auf der Vorstandssitzung am 26. Oktober 1911 über den Stand der Presseenquete berichten. Dies hatte Georg Simmel angeregt.4 Weber konnte an dieser Vorstandssitzung nicht teilnehmen,5 teilte aber mit, daß die Enquete wegen eines Presseprozesses, an dem er beteiligt war, derzeit stocke.6   1  Vgl. Protokoll des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 2. Februar 1912, nachmittags 18 Uhr (SHLB, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10). Es wurde angeregt, daß Max Weber einen Vortrag über das Thema „Nation und Kultur“ halten sollte. 2 Vgl. Webers Diskussionsbeiträge zu den Vorträgen von Paul Barth, Ferdinand Schmid, Franz Oppenheimer, Ludo Moritz Hartmann und Robert Michels, in: Verhandlungen DGS 1912, S.  49–52, 72 f., 74 f. und 188–191 (MWG I/12). 3  Vgl. unten, S.  413–417. Das Vortragsprogramm des Zweiten Deutschen Soziologentages verzeichnete Webers Bericht unter Punkt 2. der Tagesordnung. Sein „Jahresbericht“ sollte sich an Paul Barths Vortrag über das Thema „Nationalität in ihrer soziologischen Bedeutung“ anschließen. SHLB, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.11. Weber referierte zwar am Ersten Verhandlungstag, aber erst am Nachmittag, nach dem Vortrag von Ferdinand Schmid über „Das Recht der Nationalitäten“. In der sich anschließenden Diskussion stand der Vormittagsvortrag von Paul Barth im Mittelpunkt, vgl. Verhandlungen DGS 1912, S.  72–75. 4  Schreiben von Georg Simmel an Hermann Beck vom 19. Okt. 1911, SHLB, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. 5  Vgl. Rundschreiben an die Mitglieder des Vorstandes der DGS vom 30. Okt. 1911, SHLB, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. 6  Weber schrieb: „Die Presse-Enquête stockt nur deshalb, weil ein Presseprozeß, den ich gegen ein sehr einflußreiches Mitglied des Vorstandes des Presse-Verbandes

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Rechenschaftsbericht für die abgelaufenen beiden Jahre

Bevor der Rechenschaftsbericht an der Reihe war, beteiligte sich Weber an den Diskussionen der vorangegangenen Vorträge. Den Vortrag von Paul Barth unterbrach er durch einen heftigen Zuruf, um ihn an den §  1 des DGSStatuts – keine Werturteile – zu erinnern.7 Einen Tag später trat Weber aus dem Ausschuß der DGS aus und teilte mit, er werde in Zukunft Soziologentage nicht mehr besuchen, weil er nicht mehr daran glaubte, daß der statutenmäßige Verzicht auf Werturteile durchzusetzen sei, und er immer wieder mit seinem Insistieren Anstoß erregen würde.8

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der im folgenden edierte „Rechenschaftsbericht“ über die Tätigkeit der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in den beiden Jahren seit dem letzten Kongreß im Oktober 1910 erschien in: Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages vom 20.–22. Oktober 1912 in Berlin. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1913, S.  75–79 (A). Webers Bericht schließt sich direkt an seinen Diskussionsbeitrag an und ist gekennzeichnet mit: „Professor Max Weber (Heidelberg)“.9 Weber betreute die Drucklegung der Verhandlungen,10 insofern darf der Text als von ihm durchgesehen und autorisiert gelten. Die Paginierung wird vom Herausgeber als A 75 etc. wiedergegeben. Tippfehler wie „registreiren“ statt „registrieren“ werden stillschweigend korrigiert.

führe und führen muß, so lange er nicht erledigt ist, mich in der Möglichkeit, in dieser Sache leitend hervorzutreten, hindert.“ Vgl. Brief an den Vorstand der DGS vom 8. November 1911, MWG II/7, S.  331. 7  Vgl. Frankfurter Zeitung, Nr.  293 vom 22. Okt. 1912, 3. Mo.Bl., S.  2, sowie Webers von ihm autorisierte Diskussionsbeiträge zum Vortrag von Paul Barth, in: Verhandlungen DGS 1912, S.  49–52, 72 f.und 74 f. (MWG I/12). 8  Vgl. Brief Max Webers an Hermann Beck vom 22. Okt. 1912, MWG II/7, S.  709. Aus einem Schreiben Georg Simmels an Ferdinand Tönnies vom 16. Oktober 1912 (SHLB, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05) geht jedoch hervor, daß Webers Rücktrittsabsichten dem Vorstand schon Mitte Oktober bekannt waren. Der nächste Soziologentag fand erst nach Webers Tod, am 24. und 25. September 1922, in Jena statt. 9  Vgl. Verhandlungen DGS 1912, S.  74. 10  Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Geschäftsbericht, oben, S.  256.

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Nunmehr habe ich Ihnen im Auftrage des Vorstandes den Rechenschaftsbericht für die abgelaufenen beiden Jahre zu erstatten. Zunächst ist als sehr erfreulich zu registrieren, daß es gelungen ist, als eine Sektion der Deutschen Gesellschaft für Soziologie die Deutsche statistische Gesellschaft zu begründen unter dem Vorsitze des Nestors der deutschen Statistik, Herrn von Mayr.1 Über die inneren Verhältnisse, die Organisation und die Tätigkeit dieser Gesellschaft wird zweifellos in deren Sitzungen Bericht erstattet werden. Ich habe hier lediglich zu erwähnen, daß, unserem Prinzip gemäß, die unbedingteste Autonomie dieser Tochtergesellschaft besteht, daß lediglich vereinbart ist, die beiderseitigen Tagungen möglichst gleichzeitig oder anschließend aneinander stattfinden zu lassen[,] und gemeinsame Unternehmungen besonders erleichtert sind, daß im übrigen die Konstanz der Fühlungnahme von beiden Seiten dadurch gewährleistet ist, daß im Vorstand der Deutschen Gesellschaft  für Soziologie der erste Vorsitzende der Tochtergesellschaft in dieser seiner Eigenschaft Sitz und Stimme hat und umgekehrt die Deutsche statistische Gesellschaft statutenmäßig ein Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie mit Sitz und Stimme in ihren Vorstand aufnimmt. Über die Gründung einer gesellschaftsbiologischen Sektion schweben Verhandlungen.2

1  Die konstituierende Versammlung der Deutschen Statistischen Gesellschaft, Abteilung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie fand am 17. Juni 1911 in Dresden statt. Weber hatte den ersten Entwurf des Statuts verfaßt. Vgl. Weber, Vorläufiger Entwurf, oben, S.  229–234. 2  In der Vorstandssitzung vom 21. Oktober 1910 richtete Weber an Alfred Ploetz die Frage, wie er zur Errichtung einer gesellschaftsbiologischen Sektion stehe. Nachdem Ploetz einer solchen Gründung unter der Voraussetzung zugestimmt hatte, daß sich die Gesellschaft auf die rein gesellschaftlich-biologischen Probleme beschränken werde, stand, wie das Protokoll bemerkte, „der Gründung einer gesellschaftsbiologischen Sektion nichts mehr im Wege“. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zu Frankfurt a. M. am 21. Oktober 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10.

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Die Mitgliederzahl unserer Gesellschaft beträgt zurzeit 334, das bedeutet an Mitgliederbeiträgen eine Jahreseinnahme von 2311 Mark, an welcher jedoch die Deutsche statistische Gesellschaft für ihre Mitglieder, die als solche zugleich Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie sind, in einem zwischen den beiderseitigen Vorständen vereinbarten Umfang partizipiert. Das Vermögen unserer Gesellschaft einschließlich der Außenstände beträgt zurzeit 3223,38 Mark. Von den Unternehmungen, welche die Deutsche Gesellschaft für Soziologie geplant hat, habe ich leider bisher nur Anfänge und Ansätze zu registrieren. Das liegt an durchaus zufälligen und persönlichen Umständen. Ein ganz besonderer Unstern hat über demjenigen Unternehmen gewaltet, welches die deutsche Gesellschaft für Soziologie als erstes ins Leben rufen wollte: der Erhebung über das Zeitungswesen.3 Hier spielen leider Verhältnisse, die direkt mit meiner Person verknüpft sind, die entscheidende Rolle, denn mir persönlich hat die Verpflichtung oblegen, dieses von mir vorgeschlagene Unternehmen in Gang zu bringen. Im Dezember 1910 hat auch die Konstituierung des dafür vorgesehenen Ausschusses mit dem Rechte der Kooptation stattgefunden und zahlreiche angesehene Theoretiker und Praktiker des Zeitungswesens hatten ihre Mitwirkung zugesagt, auch war es gelungen, den Vorstand des Vereins deutscher Zeitungsverleger und den Reichsverband der Presse teils zum Eintritt in den Ausschuß, teils zum Zusammenwirken zu gewinnen. Große Zeitungen hatten zugesagt, ihre geschäftliche Entwicklung durch Angabe über die prozentuale Entwicklung und Bedeutung der einzelnen großen Einnahme- und Ausgabeposten offenzulegen. Alles war auf dem besten Wege. Zu Anfang 1911 aber geriet ich in einen Konflikt, der in unaufhaltsamer Verkettung zu einem Presseprozeß und an diesen anschließend zu einem Prozeß mit einem andern Herren führte.4 Bei dem Presseprozeß handelte es  3  Vgl. Weber, Disposition, oben, S.  139–152, sowie Weber, Vorbericht, oben, S.  208– 228. 4  Max Weber war 1911 und 1912 in eine Reihe von Konflikten verwickelt, die im Winter 1910/11 mit einer Auseinandersetzung zwischen Marianne Weber und Arnold Ruge begonnen hatten (vgl. die Editorische Vorbemerkung Weber, Zur Affäre Dr. Ruge, oben, S.  235–238). Nachdem sich Weber, auch öffentlich, eingemischt hatte, erschien

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sich nun um den Versuch, trotz des Redaktionsgeheimnisses, welches kein ehrenhafter Journalist preisgibt, die Quelle eines anonymen Angriffs zu ermitteln. Dies ist schließlich gelungen. Die ganze Angelegenheit aber hat sich im ganzen über mehr als 1½ Jahre hingezogen und erst jetzt vor einigen Tagen ihren vorläufigen prozessualen Abschluß gefunden. Es lag auf der Hand, wie leicht jener nach Lage der Dinge ganz unvermeidliche Versuch einer Durchbrechung des Redaktionsgeheimnisses mich in den Augen der deutschen Presse mit einem sehr schweren Odium belasten konnte, welches ein Zusammenwirken der für die Unternehmung unentbehrlichen Herren Praktiker des Pressewesens mit mir außerordentlich erschwert hätte. Ich konntea die sehr erheblichen Mittel, welche teils von der Heidelberger Akademie, teils vom Institut für Gemeinwohl in Frankfurt, teils von Privaten gezeichnet waren, – zusammen 20 000 Mark – diesem an meiner Person haftenden Risiko unmöglich aussetzen.Daher stellte ich sofort, nachdem sich die Unvermeidlichkeit des Presseprozesses ergeben hatte, meine Tätigkeit für dieses Unternehmen und die gesamte umfangreiche Korrespondenz dafür ein. Ein Ersatz für mich aber war zunächst nicht vorhanden. Ich selbst werde mir auch jetzt noch, solange die Angelegenheit nicht wirklich ganz erledigt ist, Zurückhaltung auferlegen müssen. Dadurch ist zu meinem großen Bedauern vorläufig alles ins Stocken geraten, wie ich bestimmt hoffe, nicht mehr für allzulange Zeit. Soweit es trotzdem möglich war, habe ich einige Arbeiten, die schon lange im Gange waren, weiter gefördert. Es a  In A folgt: die Verantwortung, in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 8. Januar 1911 eine Meldung, daß er eine Duellforderung Arnold Ruges wegen seines schlechten Gesundheitszustandes abgelehnt habe. Trotz des Dementis von Ruge, weigerten sich die Dresdner Neuesten Nachrichten, den Artikel zu widerrufen und den Informanten zu nennen. Als Weber am 18. März einen absichtlich provokanten Brief an die Dresdner Neuesten Nachrichten sandte (MWG II/7, S.  147–150), reichten sowohl der Chefredakteur Julius Ferdinand Wollf, der dem Vorstand des Presseverbandes angehörte, als auch der für den Artikel verantwortliche Redakteur Otto Bandmann am 22. bzw. 27. Mai eine Privatklage gegen ihn ein. Obwohl der Prozeß mit einem Vergleich endete, hatte Weber sein Ziel ­erreicht und den Namen des Informanten erfahren. Es war dies der Heidelberger Journalistik-Dozent Adolf Koch. Vom 14. bis 17. Oktober 1912 fand dann vor dem Heidelberger Schöffengericht der sog. „Heidelberger Professoren-Prozeß“ zwischen Weber und Koch statt. Koch nahm die Klage am 18. Oktober 1912 zurück, am 28. Februar 1913 wurde ihm die Venia legendi entzogen. Zu den Vorgängen im Einzelnen vgl. die Einleitung zu MWG II/7, S.  5–9.

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sind Arbeiten dem Abschluß nahe über die Bedeutung der „kleinen Anzeigen“ für die deutsche Presse, von einem Praktiker des Pressegeschäfts,5 über die württembergische Presse von einem journalistischen Praktiker.6 Ferner Arbeiten über die westpreußische Lokalpresse.7 Dazu tritt eine größere Arbeit, welche sich wesentlich auf die Entwicklung der Feuilleton-Belletristik und verwandte Probleme erstrecken soll.8 Es ist daraus zu schließen, daß, wenn die jetzt bestehenden rein persönlichen Schwierigkeiten behoben sein werden – sei es, daß statt meiner ein anderer Herr die Leitung übernimmt, sei es, daß es sich zeigt, daß meine Annahme, ich persönlich könne bei der Presse auf Mißtrauen stoßen, sich als unbegründet erweist –, das von uns geplante Unternehmen eine günstige Prognose aufweist. Ich jedenfalls werde, wenn die Gesellschaft es wünscht und es sich  nicht als unzweckmäßig oder unmöglich erweist, auch künftig zur Verfügung stehen, während ich allerdings meine Stellung als Rechner der Gesellschaft jetzt nicht mehr weiter beibehalten kann. Dies ist es im wesentlichen, was ich Ihnen zu berichten habe. Wenn die Entwicklung einer Gesellschaft, wie der unsrigen, auf nicht geringe Schwierigkeiten gestoßen ist und immer noch stößt, wenn es namentlich vorläufig nicht gelungen ist, der großen alten, glänzend geleiteten und mit reichen Mitteln arbeitenden Organisation des Vereins für Sozialpolitik, die in mehr als einer Hinsicht für uns als Muster gedient hat, mit etwas schon jetzt Ebenbürtigem für unsere Zwecke an die Seite zu treten, so liegt das teils an sachlichen, teils an persönlichen Verhältnissen. Wir haben nicht, wie der Verein für Sozialpolitik, die Mehrzahl der älteren Gelehrten mit weithin klingendem Namen und damit die Hilfe der großen Seminare für unsere Arbeiten zur Verfügung. Unsere Mitglieder, die ja zum großen Teil, wie ich selbst, auch eifrige Mitglieder des Vereins für Sozialpolitik sind – daneben haben wir andere, welche jener 5  Huck, Wolfgang, Die kleine Anzeige, ihre Organisation und volkswirtschaftliche Bedeutung (Phil. Diss. Heidelberg vom 11. Mai 1914). – Halle a. S.: Buchdruckerei des General-Anzeigers für Halle und die Provinz Sachsen 1914. 6 Groth, Otto, Die politische Presse Württembergs (Rer. pol. Diss. Tübingen vom 10. Juni 1913). – Stuttgart: Scheufele 1915. 7  Schultz, Fritz, Die politische Tagespresse Westpreußens (Phil. Diss. Heidelberg vom 18. Sept. 1913). – Deutsch Krone: Emil Schultz 1913. 8  Meunier, Ernst Friedrich, Die Entwicklung des Feuilletons der großen Presse (Phil. Diss. Heidelberg vom 28. Febr. 1914). – Nürnberg: Benedikt Hilz 1914.

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Organisation ablehnend oder feindlich gegenüberstehen –, sind vorwiegend solche Gelehrte, welche außerhalb der Ordinariate der Universität tätig sind oder erst künftig in solche einzurücken die Chance haben. Wir haben ferner im Gegensatz zum Verein für Sozialpolitik, dessen Sinn ja gerade in der Propaganda bestimmter Ideale besteht, keinerlei propagandistische, sondern ausschließlich sachliche Forschungszwecke. Es ist aber klar, daß die Erörterung aktueller großer sozialpolitischer Fragen, wie sie der Verein für Sozialpolitik pflegt, die öffentliche Aufmerksamkeit in stärkerem Maße in Anspruch nimmt und auch das persönliche Pathos der an den Diskussionen Beteiligten stärker wachruft als nüchterne Diskussionen über Tatsachenfragen. Diejenigen von uns, welche zugleich Mitglieder des Vereins für Sozialpolitik sind, werden den Wunsch haben, daß dieser Verein bleiben möge, was er bisher in großartiger Art – das bestreiten auch die Gegner der in ihm vertretenen Ideale nicht – gewesen ist. Sie werden aber zugleich hoffen und wünschen, daß auch für diejenige anderweitige Art von Arbeit, welche wir zu pflegen wünschen, eine Organisation bestehe, und hoffen, daß es unserer Gesellschaft gelingen möge, der soziologischen Wissenschaft auch in Deutschland endlich denjenigen Platz zu erringen, welchen sie im Auslande längst  besitzt, und der dieser früher mit einem gewissen Recht verschrien gewesenen Disziplin nach ihren jetzigen Leistungen auch unbedingt zukommt. Ich darf in diesem Zusammenhang erwähnen und schließe damit diesen Bericht: daß der Vorstand auf eine Anregung des Herrn Professor Dr. Ferdinand Schmid in Leipzig hin beschlossen hat, Erwägungen darüber anzustellen, auf welchem Wege am besten dem jetzt in Deutschland offiziell an den wissenschaftlichen Lehranstalten noch gänzlich unvertretenen Fache der Soziologie bder ihm gebührendeb Platz und Rang als ein reguläres Lehrfach zu erringen wäre.9

b A: den ihm gebührenden 9  In einem Brief an Max Weber vom 2. Juni 1912 (SHLB, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.47) regte der Leipziger Professor für Statistik und Verwaltungslehre Ferdi­ nand Schmid an, eine Enquete über den Stand des soziologischen Unterrichts an deutschen, österreichischen und schweizerischen Hochschulen in die Wege zu leiten. Vgl. dazu den Brief Max Webers an Hermann Beck vom 4. Juni 1912, MWG II/7, S.  551.

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Redaktionelles Nachwort [zu Arthur Salz]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Paul Sander, apl. Professor für Wirtschaftsgeschichte an der deutschen Universität in Prag, schrieb eine äußerst kritische Rezension über das Buch „Geschichte der böhmischen Industrie in der frühen Neuzeit“ von Arthur Salz,1 in der er den Autor des Plagiats bezichtigte. Sie erschien am 18. Oktober 1913 in der Deutschen Literaturzeitung.2 Dies markiert den Beginn einer Auseinandersetzung zwischen Arthur Salz und Paul Sander, in die sich auch Max Weber einschaltete. Salz entgegnete zunächst auf Sanders Kritik am 14. Februar 1914,3 und dieser erwiderte an gleicher Stelle, indem er seine Kritik verschärfte.4 Daraufhin wurde Arthur Salz im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Raum für eine ausführliche Antikritik gewährt. Dies war ungewöhnlich insofern, als diese Zeitschrift an dem Vorgang bis dahin nicht beteiligt war. Weber sah bei Sanders Rezension die Regeln des akademischen Anstands verletzt und überzeugte seine Mitherausgeber davon, ausnahmsweise die Antikritik von Salz im Literatur-Anzeiger des „Archivs“ zu drucken.5 Zur Rechtfertigung dieser Ausnahme fügte er den Ausführungen „In eigener Sache“ von Arthur Salz6 ein „Redaktionelles Nachwort“ von beachtlicher Länge hinzu. Es gipfelte in der Aussage, Sander werde bei dem „unerfreulichen Niveau [seiner] Gesinnung“ „auf jene schweigende aber beharrliche Distanz stoßen, welche man gegen den aufrichtet, den man nicht als seinesgleichen anerkennt“.7 Er rechtfertigte diese ungewöhnliche Abqualifikation Sanders mit dem Hinweis, es liege „im Interesse des Wissenschaftsbetriebes und speziell im gemeinsamen Interesse der Redaktionen literarkritischer Zeitschriften, daß von Zeit zu Zeit einmal ein Exempel statuiert“ werde.8 Weber betonte, es gehe nicht um die wissenschaftliche Qualität des 1  Salz, Böhmische Industrie, war 1913 bei Duncker & Humblot erschienen. 2  Sander, Rezension. 3  Salz, Entgegnung, erschien am 14. Februar 1914 ebenfalls in der Deutschen Literaturzeitung (DLZ). 4  Sander, Antwort, folgte in der Deutschen Literaturzeitung direkt auf Salz, Entgegnung. 5  Vgl. die Karte Max Webers an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, MWG II/8, S.  529, sowie die Editorische Vorbemerkung zu dieser Karte. 6  Salz, In eigener Sache, erschien im AfSSp, 38.  Band, Heft 2, 1914, S.  527–538. 7  Vgl. unten, S.  442. 8  Vgl. unten, S.  441.

Editorischer Bericht

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Buches, das Arthur Salz vorgelegt hatte. Hier sei die schärfste sachliche Kritik erlaubt. Er selbst habe durchaus sachliche Einwände gegen das Buch vorzubringen. So halte er es für „teilweise etwas über das Knie gebrochen“, „nicht hinlänglich gerundet und bloße Vorarbeit“.9 Aber die Kritik von Sander sei nicht sachlich, sondern denunziatorisch. Verteidigen wollte er nicht den sachlichen Gehalt des Buches, sondern die guten Sitten der Gelehrten untereinander. Weber war von der Integrität von Arthur Salz überzeugt, den er als einen gebildeten und feinsinnigen Menschen sehr schätzte. Dieser war mit Alfred Weber von Prag nach Heidelberg gekommen und hatte sich hier 1909 habilitiert.10 Bald gehörte er, zusammen mit seiner Frau Sophie (Soscha) Kantorowicz, der Tochter eines jüdischen Mitbesitzers einer Likör- und Spirituosenfabrik in Posen und Schwester von Ernst Kantorowicz,11 zum Freundeskreis von Max und Marianne Weber in Heidelberg. Wegen der scharfen Kritik Max Webers an seiner Person wandte sich Paul Sander an die Prager Fakultät mit dem Ersuchen, ein Disziplinarverfahren gegen ihn selbst einzuleiten.12 Die Prager Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät erstellte daraufhin ein Gutachten, das sie an verschiedene deutsche Universitäten verschickte.13 Es erschien auch in der Prager Monatsschrift Deutsche Arbeit und in Schmollers Jahrbuch.14 Darin stellte sie fest, die Angriffe Max Webers seien maßlos und schon ihrer Form nach unzulässig. Sie seien „vollkommen grundlos und unberechtigt“; „die wissenschaftliche und sittliche Integrität Sanders [stehe] außer jedem Zweifel“.15 Deshalb sei kein Disziplinarverfahren gegen ihn geboten. Damit entstand aus dem Streit

9  Brief Max Webers an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juli 1914, MWG II/8, S.  732 f. 10  Schönhärl, Korinna, Fried, Johannes, Art. Salz, Arthur, in: Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch, Band 3, hg. von Achim Aurnhammer, Wolfgang Braungart, Stefan Breuer und Ute Oelmann in Zusammenarbeit mit Kai Kauffmann. – Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2012, S.  1609–1612. 11  Vgl. Grünewald, Eckhart, Art. Kantorowicz, Ernst, ebd., S.  1471–1477. 12  Vgl. den redaktionellen Bericht in der Rubrik „Notizen und Mitteilungen“, in: Deutsche Literaturzeitung, 35, Jg., Nr.  30 vom 25. Juli 1914, Sp.  1914 f. 13  Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der deutschen Universität in Prag über den Angriff Professor Dr. Max Webers gegen Professor Dr. Paul Sander. – Prag: Im Selbstverlag der Fakultät 1914, S.  3–32. Ein Exemplar des Drucks findet sich im UA Heidelberg, I-IV-102/140, Bl. 319 ff. (hinfort: Erste Erklärung der Prager Fakultät). Ein Teilabdruck findet sich in: Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, unten, S.  452; dort (ebd., S.  465, Fn.  7, und S.  466 f., Fn.  9) teilt Weber mit, daß die Erklärung nach seiner Replik auf Sander in der DLZ vom 27. Juni, aber vor seiner Stellungnahme in der FZ vom 2. Juli erschienen sei. 14  Deutsche Arbeit, Jg. 13, Heft 10, 1914, S.  651–664, und in: SchmJb, Jg. 38, Heft 3, 1914, S.  1667–1683. 15  Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, Anm.  13), S.  3.

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Redaktionelles Nachwort zu Arthur Salz

zwischen Weber und Sander eine Auseinandersetzung zwischen Weber und der Prager Fakultät. Nach dem Prager Gutachten sah sich nun auch Arthur Salz genötigt, bei der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg ein Disziplinarverfahren gegen sich zu beantragen (21. Juni 1914). Die Fakultät gab für Arthur Salz eine Ehrenerklärung ab und schloß damit die Angelegenheit für sich ab.16 In diesem Zusammenhang schrieb Weber am 26. Juni 1914 eine Stellungnahme an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg, die er zu den Fakultätsakten genommen sehen wollte. Darin warf er der Prager Fakultät unter anderem vor, sie sei gegenüber Arthur Salz voreingenommen. So habe sie etwa die Publikation seines Buches „ohne Angabe von Gründen“ abgelehnt. Weber beendete sein Schreiben mit der Ankündigung, er werde Paul Sander in einem öffentlichen Gerichtsverfahren als einen Feigling bezeichnen, der nicht in einen Lehrkörper hineingehöre.17 Am 6. Juni veröffentlichte Sander in der Deutschen Literaturzeitung eine Replik auf Webers Angriff,18 auf die dieser wiederum am 27. Juni 1914 antwortete.19 Während sich Arthur Salz und Paul Sander nicht mehr öffentlich äußerten, führte Weber die Debatte fort, indem er am 2. Juli in der Frankfurter Zeitung zu dem Gutachten der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Stellung nahm.20 Im Septemberheft des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik publizierte er dann unter dem Titel „Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914 S.  539 f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag“ eine Art kommentierte Dokumentation von wichtigen Stellungnahmen, die sein „redaktionelles Nachwort“ – Weber sagt hier statt „Nachwort“ „Geleitwort“ – ausgelöst hatte.21 1916 antwortete er abschließend22 auf eine zweite Erklärung der Prager Fakultät, die 1915 im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschienen war.23

16 Stellungnahme der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg vom 7. Juli 1914, UA Heidelberg, H-IV-102/140, Bl. 323 (hinfort: Stellungnahme der Heidelberger Fakultät vom 7. Juli 1914). 17  Vgl. Brief Max Webers an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914, MWG II/8, S.  730–743; bes. S.  731, 733, 743. 18 Sander, Angelegenheit, erschien in der Deutschen Literaturzeitung am 6. Juni 1914; Teilabdruck in: Weber, Zum redaktionellen Geleitwort, unten, S.  461, Fn.  5. 19  Weber, Erklärung zu Paul Sander, unten, S.  443–446. 20  Weber, Erklärung zur Affäre Salz-Sander, unten, S.  447–449. 21  Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, unten, S.  450–493. 22  Weber, Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, unten, S.  494–498. 23 Erklärung des Dekans der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der deutschen Universität Prag, in: AfSSp, 39.  Band, Heft 2, 1915, S.  567 (hinfort: Zweite Erklärung der Prager Fakultät).

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Dem Abdruck liegt der 11-seitige Text zugrunde, der unter der Überschrift: „Redaktionelles Nachwort“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hg. von Edgar Jaffé in Verbindung mit Werner Sombart, Max Weber und Robert Michels, 38.  Band, Heft 2, 1914, S.  539–550 (A), im Märzheft 1914, ausgeliefert am 2. April, erschien. Der Beitrag ist mit „Max Weber“ gekennzeichnet. Der Text ist im Original in Petit gesetzt und wird hier in Normalschrift wiedergegeben. Zitate im Zitat (z. B. unten, S.  426) werden stillschweigend in einfachen statt in doppelten Anführungszeichen wiedergegeben.

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Redaktionelles Nachworta Antikritiken gegen anderwärts erschienene Angriffe nimmt das Archiv – selbst wenn einem Autor die Möglichkeit eingehender Erwiderung dagegen versagt worden ist1 – ausschließlich dann auf, wenn ein Interesse der guten Sitten literarischer Diskussion in Frage steht. Der im Einzelfall verantwortliche Mitherausgeber hat daher die unangenehme Pflicht, auf Grund eigener materieller Prüfung die Aufnahme zu begründen. Daß der Autor, wie im vorliegenden Fall Herr Dr. Salz, den noch so dringenden und begreiflichen Wunsch äußert: von einem redaktionellen Geleitwort abzusehen, weil sonst der Anschein entstehen könnte, als bedürfe oder gar als wünsche er „Hilfe“, darf aus jenem Grunde nicht berücksichtigt werden. Denn absolut nicht um ihn und um sein Werk handelt es sich, sondern um die Frage: ob die Qualitäten der „Rezension“ mit jenen Interessen vereinbar sind. Herr Dr. Salz dürfte durch Umfang und Art dieser meiner Bemerkungen stark überrascht werden. Ich hätte auf seine Ausführungen verweisen können. Allein dem Leser gilt er begreiflicherweise für „Partei“. Daher habe ich mich unabhängig von ihnen gehalten. Ich bemerke ausdrücklich vorweg: daß ich, erstens, zu dem rezensierten Werk auch nicht die allergeringsten noch so indirekten Beziehungen hatte oder habe, und daß ich, zweitens, zur Abgabe eines maßgeblichen Urteils über seinen Wert inkompetent bin, daher auch ein solches nicht abgebe und also auch der sachlich rücksichtslosesten Kritik desselben im „Archiv“ hier in gar keiner Weise vorgreife.2 Die Besonderheit des Falles liegt vielmehr gerade darin: daß für die Feststellung, worum es sich bei der hier erörterten sogenannten „Rezension“ handelt, nicht die geringsten Fachkenntnisse erforderlich sind. Außer der Fähigkeit a  In A folgt: Von MAX WEBER. 1  In seiner im AfSSp erschienenen Stellungnahme schreibt Salz, In eigener Sache, S.  527 f., daß in der DLZ nur eine gekürzte und deshalb „unvollständige und lendenlahme“ Fassung seiner Entgegnung auf die Sanderschen Vorwürfe abgedruckt worden sei. 2 Laut dem Schreiben Max Webers an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914 sollte Karl Grünberg im AfSSp das Buch von Arthur Salz rezensieren, die Besprechung ist jedoch nicht erschienen. Vgl. MWG II/8, S.  733.

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des Lesens genügt dazu die – freilich, wie der „Rezensent“ bei seinem Vorgehen mit Grund vorausgesetzt hat, bei der überwältigenden Mehrzahl des Lesepublikums niemals geübte – Geduld, einfach dieb sog. „Rezension“ mit dem (angeblich) „rezensierten“ Buche selbst genau zu vergleichen. Dann ergibt sich zur Evidenz folgendes, allerdings zunächst kaum glaubliche Resultat: 1. Die angebliche „Rezension“ des Herrn Paul Sander3 enthält irgendwelche sachlichen Auseinandersetzungen mit Darlegungen, welche in dem von ihm angeblich rezensierten Werk wirklich (und nicht nur angeblich) stehen, überhaupt nicht. Die Begründung dafür in bezug auf die wenigen, ganz und  gar interesselosen, sich als sachliche Kritik äußerlich gebärdenden Teile des 6½ enggedruckte Spalten umfassenden Elaborats verweise ich unter den Strich1). 

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oben):4

  Standort des Tuchgewerbes (Sp.  2677 unten, 2678 An zwei Stellen (S.  298, A 540 292),5 welche der Rezensent beide selbst kennt (denn er erwähnt die Seitenzahl)[,] werden vom Autor die bekannten betriebstechnischen Vorzüge des städtischen Standorts erwähnt. Daneben glaubt er nun für diese Stadtsässigkeit noch gewisse durch Konsumverhältnisse begründete Vorzüge: die Art des bürgerlichen Kleidungsbedarfs gegenüber dem vielfach auswärtige Produkte bevorzugenden feudalen, geltend machen zu können. – Aus diesem ganz eindeutig angegebenen Gegensatz macht der Rezensent einen Gegensatz von bürgerlichem zum bäuerlichen Kleidungsbedarf. Aus dem vom Autor hervorgehobenen „relativen (sic) Massenbedarf“ einer – wie ausdrücklich betont wird – „uniformen“ Schicht (des Bürgertums) im Gegensatz zum Adel macht er das „Massenbedürfnis nach Kleidung“,6 welches nach Dr. Salz den Tuchmacher nach der Stadt gezogen habe, um dann darauf hinzuweisen: daß ja doch ein Massenbedürfnis, sich zu kleiden, natürlich überall, auch auf dem Lande und auch nach Leinwand bestehe[,] und alsdann den Autor aufzufordern[,] „seinen“ (diesen!) „Gedanken (sic) zu Ende zu denken“.7 Den vom Autor behaupteten technischen Konservatismus des Zunftgeistes (S.  292 unten)8 bei den Tuchmachern – im Gegensatz zu dem den „Kottondruckern“ zugeschriebenen Unternehmungsgeist – verwandelt der Rezensent in so­ ziale Fügsamkeit und findet ihn also unvereinbar mit der Tatsache, daß „die Weber ein besonders unruhiges Element der Stadtbevölkerung“ gewesen seien.9 Von Kritik des wirklich Gesagten findet sich keine Spur.   2. Glashandel: Auch für den böswilligsten Rezensenten unzweideutig ist es: in welchem Sinn der Autor (S.  241)10 in einer gänzlich beiläufigen Bemerkung meint: im Fall einer bestimmten Hypothese über die Art seiner (unbekannten) Entstehung (Ersatz 1)

b A: der 3  Sander, Rezension. 4  Ebd., Sp.  2677 f. 5  Salz, Böhmische Industrie, S.  298, 292. 6  Sander, Rezension, Sp.  2677. 7  Ebd., Sp.  2678. 8  Salz, Böhmische Industrie, S.  292. 9  Sander, Rezension, Sp.  2678. 10  Salz, Böhmische Industrie, S.  241.

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2. aber ergibt sich leider: daß die angebliche Rezension von Anfang bis zu Ende statt eines redlichen Dienstes an der Sache der 11

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des ausführenden Glaskünstlers durch den Geschäftsmann) könne der Glashandel vielleicht als ein „Degenerationsprodukt der Kunst“ bezeichnet werden. Daran werden (S.  242)11 dann, ebenfalls in wenigen Sätzen, hypothetische Konsequenzen für die künstlerische Entwicklung der Glasmalerei geknüpft. Der Rezensent aber benutzt jene beiläufige Bemerkung nicht nur, um den unwahren Anschein zu erwecken, als solle damit eine Erklärung ökonomischer Vorgänge gegeben werden. Sondern, da der Autor an einer anderen Stelle hypothetisch auch die Möglichkeit der Entwicklung des Glashandels aus dem Frachtgeschäft erwähnt, so fragt er, ob nun also der Handel „Degenerationsprodukt des Frachtgeschäfts“ sei?12 Derartige „sachliche“ Bemerkungen richten sich wohl von selbst. Von Kritik des wirklich Gesagten auch hier keine Spur.   3. Unter – man muß sagen: – gröblicher Irreführung der Leser wird Sp.  2678 unten13 geflissentlich der Anschein erweckt, als ob der dort wiedergegebene eine abstrakte Satz das enthielte, was der Autor über die Entstehung der auswärtigen Handelskolonien und ihre Gründe zu sagen wisse. Darüber äußert sich aber der Autor S.  244–24714 seines Werkes, die man nachlesen kann. Von sachlicher Kritik des wirklich Gesagten wiederum keine Spur.   4. Um das gleiche Verfahren handelt es sich, wenn Sp.  267915 behauptet wird: „Die Eigenart der Baumwollindustrie im Gegensatz zur Leinenindustrie“ oder aber der „spezifisch freiheitliche Charakter der Baumwollindustrie im Gegensatz zur Leinenindustrie“ werde vom Autor auf Umstände zurückgeführt, welche auch für die LeineninA 541 dustrie zutreffen, was der Autor  – dem dabei ausdrücklich eine hastige Benützung eines andren Schriftstellers (Schreyer)16 zugeschoben wird – „übersehen“ habe. Man sollte es danach nicht für möglich halten, daß in dem rezensierten Werk ausdrücklich auseinandergesetzt ist: daß die Behandlung der Leinenindustrie die gleiche war (S.  334),17 nachdem ebenso schon vorher (S.  330)18 ausdrücklich gesagt war: daß diese äußerlich gleichartige Behandlung für die Baumwollindustrie bei deren ganz heterogenen Bedingungen nur eine „Maske“ für deren Vordringen habe bilden können. –   Man wird es nicht glauben, aber es ist dennoch so: mit diesen vier Punkten sind die sämtlichen Bemerkungen des „Rezensenten“, welche sich als sachliche Auseinandersetzungen mit dem rezensierten Werke wenigstens äußerlich gebärden, erschöpft. Zähle ich richtig, so betreffen sie 7 (sieben) Seiten, aus einem Werke von 628 Seiten. Oder vielmehr sie betreffen auch aus diesen 7 Seiten nur einzelne Bemerkungen, welche, wie man gesehen hat, teils direkt grob entstellt, teils durch Zerreißung des Zusammenhangs oder durch Weglassung der entscheidenden Beiworte um ihren Sinn, wie er dem 11  Ebd., S.  242. 12  Sander, Rezension, Sp.  2678. 13 Ebd. 14  Salz, Böhmische Industrie, S.  244–247. 15  Sander, Rezension, Sp.  2679. 16  Schreyer, Joseph, Commerz, Fabriken und Manufakturen des Königreiches Böhmen, theils wie sie schon sind, theils wie sie es werden könnten. Ein nützliches Handbuch für teutsche Kaufleute, 2 Teile. – Prag: Neureutter 1790 bzw. Prag und Leipzig: Schönfeldisch-Meisznersche Buchhandlung 1790 (hinfort: Schreyer, Commerz, Fabriken und Manufakturen). 17  Salz, Böhmische Industrie, S.  334. 18  Ebd., S.  330.

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Wissenschaft ausschließlich den Versuch darstellt, die wissenschaftliche Persönlichkeit des Autors in einer in unserer Literatur glücklicherweise seltenen Art zu beflecken, und zwar mit Mitteln, deren Charakter der Leser alsbald kennen lernen wird. Der Rezensent erklärt zwar jetzt (D.L.-Z. 1914 Spalte 446), er „habe das Wort (sic) Plagiat nicht gebraucht“, vielmehr habe er sich „darauf beschränkt, Tatsachen sprechen zu lassen“.19 Beides ist richtig. Wie aber jene Vorsicht zu bewerten ist, wird sich alsbald ergeben, und von den „Tatsachen“, welche der Rezensent „sprechen“ läßt, entspricht, wie sich zeigen wird,20 nicht eine einzige wirklich der Wahrheit. Der Rezensent erweckt allerdings geflissentlich den Eindruck der allergrößten Akribie und zitiert zu diesem Zweck Seiten, Zeilen, Anmerkungen, Parallelzitate, Quellenwerke, falschgesetzte Nummern von Anmerkungen, Druckfehler usw. mit ganz erstaunlicher höchst ostensibler Präzision. Daher möge hier Satz für Satz seiner Behauptungen (soweit sie positive Angaben enthalten)2)c mit den betreffenden Partien des Buches konfrontiert werden. Dabei sperre ich meinerseits gelegentlich im Text diejenigen Worte, durch welche der Rezensent seine angeblichen „Tatsachen“ – „sprechen läßt“. 21 22

Werke selbst ohne alle und jede Mühe und spezielle Sachkenntnis zu entnehmen ist, gebracht worden sind.   Der Rezensent nennt jene herausgerissenen Bemerkungen, welche er entstellt wiedergibt, „Geistesblüten“, versichert, er bringe nur „Proben“, und es sei für „jedermann“ leicht, sich selbst einen „Strauß“ davon zusammenzustellen.21 Ich zweifle gewiß nicht, daß dies ihm, bei Anwendung dieser Methode, in der Tat äußerst „leicht“ sein wird. Die Wissenschaft aber darf, glaube ich, dankbar sein, daß der glücklicherweise bei uns normale Standard der Gewissenhaftigkeit es jedem anderen verbietet, seine Pflichten gegenüber der Arbeit eines Autors so „leicht“ zu nehmen. 2)  Also unter Fortlassung der lediglich abstoßend wirkenden „Stilkritik“ (vgl. zu dieser Anm.  1, Nr.  3)22 und allgemeiner Redensarten. 

c  In A folgt ein Komma. 19  In seiner Antwort auf die erste Replik von Arthur Salz in der DLZ schreibt Sander: „Das Wort ‚Plagiat‘ habe ich selbst nicht gebraucht. Feststellen aber mußte ich, daß die sachlichen Ausführungen, die hier den allgemeinen Betrachtungen vorausgehen und folgen, im wesentlichen ein Exzerpt aus Hallwich sind.“ Außerdem habe er sich darauf beschränkt, „Tatsachen reden zu lassen“. Vgl. Sander, Antwort, Sp.  446 f. 20  Unten, S.  426–442. 21  Sander, Rezension, Sp.  2679. 22  Oben, S.  424, Fn.  1, Punkt 3.

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1. D.L.-Z. Sp.  2675 unten:23 „Wer die Geschichte der böhmischen Industrie schreiben will, ist also auf archivalische Quellen angewiesen, in erster Linie  auf die reichen Bestände der Wiener und Prager Archive. In diese erwartet der Leser eingeführt zu werden und der Verf. unterstützt diese (sic) Erwartung, indem er in der Vorrede sich gegen den Eindruck wehrt, als ob er ‚in der Benützung des amtlichen Materials unvollständig geblieben‘ sei.“ Hiervon ist alles für das Urteil des Lesers in Betracht Kommende unwahr. Das zuletzt gebrachte Zitat führt durch Herausreißung dieser Worte irre. Es enthält nach dem Zusammenhang nicht die mindeste Verweisung auf irgendwelche Archive. Von den Wiener und Prager Archiven insbesondere ist vollends schlechterdings nirgends die Rede. Dagegen legt der Autor S. III, IV der Vorrede ausführlich dar: daß eine Fundamentierung der böhmischen Industriegeschichte auf Grund der Archive „Generationen“ in Anspruch nehmen werde.24 (Es kommen, wie auch der mir vorliegende Schebeksche Katalog der Wiener Sonderausstellung von 187325 in seinen 67 Großoktavseiten füllenden bloßen Übersichten ergibt, für die materielle Wirtschaftsgeschichte vor allem die a. a. O. von Dr. Salz erwähnten Archive des Grundadels, der Klöster und Städte in Betracht.) Dr. Salz spricht dabei die Erwartung aus, daß voraussichtlich der künftigen Benutzung dieser Archive keine prinzipiellen Schwierigkeiten entstehen werden. Der Rezensent verschweigt alle diese Tatsachen. Es ist klar, zur Erweckung welchen – unwahren – Anscheins. Das Buch des Autors tritt übrigens mit der größten Ausdrücklichkeit Seite V unten als „erster Versuch und Anlauf“ auf, dessen „Unvollkommenheit“ er sich nicht verhehle, und der bestimmt sei, „in die bescheidene Stellung einer bloßen Vorarbeit zurückzutre23  Sander, Rezension, Sp.  2675. 24  Salz, Böhmische Industrie, S. III, schreibt im Vorwort: „Aber der größte Schatz ist noch ungehoben und unberührt: er schlummert in den Archiven des Adels, der Klöster und Städte, und wie viel immer davon zerstört sein mag, es bleibt genug, um eine oder mehrere Generationen ausgiebig zu beschäftigen.“ 25  Gemeint ist die Materialsammlung, die der Sekretär der Prager Handelskammer Edmund Schebek anläßlich der 1873 in Wien stattfindenden Weltausstellung zusammengetragen hatte (Schebek, Collectiv-Ausstellung). Vgl. Brief Max Webers an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914, MWG II/8, S.  730–743, hier S.  737, Anm.  24; sowie bes. S.  738 f.

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ten“, auch wenn er – wie er dabei bemerkt – „dann dem gewöhnlichen Schicksale aller ersten Versuche, von den Nachfolgern gering geschätzt“ zu werden, verfalle.26 2. Der „Rezensent“ fährt fort: „In Wirklichkeit liegen nennenswerte archivalische Studien dem Buche nicht (sic) zugrunde. Die Tatsachen, worauf die Darstellung sich stützt, sind aus den wenigen gedruckten (sic) Vorarbeiten geschöpft.“27 1: Die Besprechung der gedruckten Vorarbeiten (durchweg, im Gegensatz zu Salz, Einzel­ erörterungen) würde eine kleine bibliographische Monographie füllen! 2: Die absolute Unwahrheit des zweiten Satzes aber, zunächst für den ganzen ersten Teil des Buches (Bergbau), kannte der Rezensent genau und „salvierte“ sich daher in dem ersten Satz durch das für den Leser unscheinbare Wort „nennenswert“, hinter welches er sich dann in seiner „Antwort“ D.L.-Z. 1914 Sp.  447 folgendermaßen zurückzieht: „Als ‚nennenswert‘ wären diese Forschungen“ (zum ersten Buch) „nicht zu bezeichnen gewesen, da das Kapitel dürftig und fragmentarisch ist.“28 Das „dürftige Kapitel“ umfaßt 231 Seiten Text und 60 Seiten Anmerkungen und ­enthält Untersuchungen über die Rechtsgrundsätze, privat- und volkswirtschaftliche Bedeutung, Ursachen des Mißerfolgs der Bergbaupolitik, Bergbau und Finanzen, Bergbau und Naturwissenschaft, künstlerische und religiöse Kultur usw. usw. – „Jetzt (sic) – heißt es weiter – bekennt Herr Salz selbst, daß er nicht einmal diese Arbeit selbständig durchgeführt hat. Er hat dazu fremde Kollektaneen29 benutzt. Ich habe also (sic) seine archivalische Forschertätigkeit noch zu hoch eingeschätzt. Die Liberalität des Monsignore Lindner“ (dessen Exzerpte Dr. Salz neben eigener Archivarbeit benutzt hat) „erwähnt er zwar schon in seinem Buch; aber die Arbeitsteilung bleibt dabei völlig unklar,  da die betr. Anmerkung (S.  419 n.  51) ganz willkürlich an einer Stelle eingefügt ist, wo im Text (S.  103) die Chroniken des Matthesius und Seltenreich zitiert werden.“30 Welcher Anschein dadurch erweckt werden 26  Salz, Böhmische Industrie, S. V. 27  Sander, Rezension, Sp.  2676. 28  Sander, Antwort, Sp.  447. 29  Sander (Rezension, Sp.  2679 f.) bezeichnet die von Edmund Schebek für die Wiener Weltausstellung zusammengetragene Materialsammlung (Schebek, Collectiv-Ausstellung) als „Kollektaneen“. 30  Gemeint sind der lutherische Pfarrer von St. Joachimsthal in Böhmen, Johannes Matthesius, der neben seinem umfangreichen theologischen Werk auch eine Chronik

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soll, ist wohl eindeutig. Aber die eben erwähnte „unklare“ Anmerkung ist, wie sich beim Nachsehen sofort ergibt, absolut sachgemäß an derjenigen Stelle des Textes eingefügt, wo überhaupt von Quellen für die Geschichte von Joachimsthal die Rede ist, und sie lautet wörtlich: „Großen Dank schulde ich dem hochw[ürdigen] Herrn Stadtdechant in Joachimsthal, Monsignore Gregor Lindner, der mir seine reichhaltige Exzerptensammlung zur Geschichte Joachims­thals in liberalster Weise zur Verfügung stellte.“31 Klarer kann man nicht sein. Die „Akribie“ des Rezensenten, der soviele Druckfehler und Parallelzitate herausgefunden zu haben angibt, findet diese ganz eindeutige Anmerkung „schwer auffindbar“. Welchen Schein diese Bemerkung auf den Autor werfen soll, ist klar. 3. Es folgen nun in der sog. „Rezension“ (Sp.  2676, 2677)32 abfällige Bemerkungen allgemeiner Art über Stil und Stoffeinteilung, welche wissenschaftlich absolut interesselos und für schlechthin keinen ernsten Leser von Wichtigkeit sind, während zur Charakteristik des „Rezensenten“ daraus folgendes zu bemerken ist: Es wird ausdrücklich versucht, den Anschein zu erwecken, als bewege sich der Autor lediglich in allgemeinen Redensarten. Zu diesem Zwecke wird in einer höchst widerwärtig „beflissen“ wirkenden Art behauptet: die Erklärung des Autors auf S.  346 (im Anschluß an eine abstrakte Formulierung):33 „möglichst einfach ausdrücken zu wollen, was gemeint ist“, werde „schnell wieder vergessen“, denn „in Fortsetzung derselben Erörterungen“ würden „zwei Seiten“ später abermals gewisse (wörtlich zitierte) abstrakte Wendungen gebraucht. Die Behauptung ist, wie, beiläufig bemerkt, alle derartigen Behauptungen des Rezensenten, unwahr. Denn sie verschweigt das Entscheidende: daß auf eben jenen „zwei Seiten“ der Ankündigung entsprechend gänzlich eindeutig, „einfach“ und konkret ausgeführt wird, worum es sich bei den abstrakten Sätzen von St. Joachimsthal verfaßte (Matthesius, Johannes, Sarepta oder Bergpostill Sampt der Joachimßthalischen kurzen Chroniken. Johann Mathesii. Psalm CXLVIII. Berg und Thal lobet den Herrn. – Nürnberg: Johann vom Berg und Ulrich Newber 1562), sowie der Stadtschreiber von St. Joachimsthal, Johannes Seltenreich, der eine handschriftliche Chronik von St. Joachimsthal schrieb. 31 Der ehemalige Stadtdechant von St. Joachimsthal, Monsignore Gregor Lindner, hatte Salz seine Exzerptensammlung zur Verfügung gestellt. Vgl. dazu die entsprechende Stelle bei Salz, Böhmische Industrie, S.  419, Anm.  51. 32  Sander, Rezension, Sp.  2676 f. 33  Salz, Böhmische Industrie, S.  346.

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vorher gehandelt habe (Bodenständigkeit der übrigen Industrien gegenüber der Baumwollindustrie, was dort im einzelnen erläutert wird). Es folgen nun weiter, nach einem Monitum über angeblich falsche Numerierung von Abschnitten (!), welche den Eindruck der „Flüchtigkeit“ (a. a. O.)34 erregen soll, die vorhin unter dem Strich schon charakterisierten angeblich „sachlichen“ Auseinandersetzungen. Im Anschluß an diese findet sich (Sp.  2679) die Behauptung: 4. „Darauf folgt auf mehr als zehn Seiten ein Auszug aus Hallwichs ‚Firma Franz Leitenberger‘,35 die den Gedanken der Hallwichschen Darstellung Seite für Seite (sic) wiedergibt ohne auch nur zu versuchen (sic), diesen fremden Gedankengang mit den vorhergehenden eigenen Erörterungen in Beziehungen zu setzen.“36 Der bezweckte Eindruck ist ganz klar. Die Nachprüfung ergibt aber: Unwahr ist, daß die sehr gedrängte (10 S.) und einen ganz winzigen Teil des Buches bildende Wiedergabe vom Inhalt des (mir vorliegenden, 150 Seiten starken) Buches von Hallwich irgendwie anders gestaltet wäre, als dies dem für jedermann sofort ersichtlichen Zweck dieser für jeden, der jene Monographie nicht besitzt, dankenswerten und vor allem sachlich notwendigen Einschiebung entsprach. Unwahr ist ferner vor allem, daß dieser Gedankengang mit den vorhergehenden Erörterungen in „keine Beziehung“ gesetzt sei. Diese kurze „Nacherzählung“[,] als welche sie der Autor ausdrücklich einführt, ist überall von Bemerkungen, Resumés, Räsonnements des Autors durchsetzt, welche jeweils ganz genau angeben, auf welche Punkte es diesem für seine Zwecke ankommt. Es wird an dem Beispiel vor allem der Gegensatz zwischen der typischen, bekanntlich s. Z. von Engel charakterisierten „Sta­ro­sten­ industrie“37 Böhmens und Schlesiens, einer Form der „Vermögens-

34  Sander, Rezension, Sp.  2676 f. 35  Hallwich, Firma Franz Leitenberger. 36  Sander, Rezension, Sp.  2679. 37  Als „Starosten“ (Älteste) wurden in Polen ursprünglich adlige Lehensleute auf königlichen Gütern bezeichnet, später die Landräte. Max Weber verwendet den Begriff schon früher im Zusammenhang mit den schlesischen Kohlen- und Eisenerzgruben der Grafen Henckel-Donnersmarck. Vgl. Weber, Gutachten zum Heimstättenrecht, MWG I/4, S.  663, ders., Fideikommißfrage, MWG I/8, S.  134, sowie ders., Gemeinschaften, MWG I/22–1, S.  159.

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nutzung“, und derd primär bürgerlichen, „kapitalverwertenden“, Industrie erläutert, und dies ist, wie sofort erkennbar, genau der gleiche Gesichtspunkt, welcher vorher S.  348 unten, 349 oben ausdrücklich ausgeführt war.38 Noch in seiner „Antwort“ versichert der, in seiner Sicherheit, nicht nachgeprüft zu werden, niemals verlegene „Rezensent“ (Sp.  447)39 trotz alledem: „daß die sachlichen Ausführungen, die hier den allgemeinen Betrachtungen vorausgehen und folgen, im wesentlichen ein Exzerpt aus Hallwich sind“. Er fährt fort: „Wohl zitiert Herr S[alz] u. a. auch (sic) diesen als Gewährsmann, aber in welchem Umfang er von ihm abhängig ist, wird aus seinen Zitaten nicht ersichtlich.“ Der Sinn der Behauptung ist klar. Die Behauptung selbst aber ist eine gröbliche Unwahrheit. Anmerkung 42 auf S.  481 des Salzschen Werkes – sie steht genau am Eingang der Darstellung der Leitenbergerschen Gründung – lautet: „Hallwich nacherzählt.“40 Zum Überfluß ist schon sofort beim Eingang der Erörterungen über die Baumwollindustrie überhaupt in Anmerkung 2 auf das Buch von Hallwich mit vollem Titel verwiesen,41 und die ausdrückliche Verweisung darauf wiederholt sich dann in einem Dutzend Anmerkungen (19, 23, 24, 25, 34, 40, 42, 45, 48, 50e, 51). Manf kann danach ermessen, mit welchem Maß von bona fides42 jener unwahre und bösartige Schein, den zu erwecken der Rezensent, entgegen seinen Versicherungen in der „Antwort“, die handgreifliche Absicht hatte, erregt worden ist. 5. Der Rezensent behauptet ferner a. a. O.:43 der Umfang der Abhängigkeit des Autors von Hallwich – wohlgemerkt: es handelt sich immer nur um diese eine winzige Partie von dessen Buch, die als „Nacherzählung“ bezeichnet ist – sei schon deshalb „nicht ersichtlich“, „weil Herr S[alz] die Gewährsmänner Hallwichs neben diesem selbst als seine eigenen Gewährsmänner aufführt.“44 Auch hier wird also trotz jenes Sachverhaltes geflissentlich der Anschein d A: zur  e A: 80  f A: Mann 38  Salz, Böhmische Industrie, S.  348 f. 39  Sander, Antwort, Sp.  447. 40  Salz, Böhmische Industrie, S.  481, Anm.  42. 41  Ebd., S.  478, Anm.  2. 42 Lat. (hier Rechtssprache): guter Glaube. Ein Rechtsgeschäft, zu dem der eine Partner nicht berechtigt ist, ist gültig, wenn dem anderen Partner Gutgläubigkeit zugestanden werden kann. Weber meint hier den guten Glauben des Lesers der Rezension. 43  Sander, Antwort, Sp.  447. 44 Ebd.

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erweckt, als habe der Autor durch Anwendung unfairer Mittel versucht, eine von ihm selbst (Anm.  42)45 ausdrücklich als solche hervorgehobene „Nacherzählung“ der Hallwichschen Darstellung als aus in Wahrheit nicht benützten Quellen geschöpft hinzustellen. Dieser Vorwurf wiederholt sich nun in der „Rezension“ selbst und in der „Antwort“ stets von neuem und wird dem Leser stets mit den gleichen Mitteln suggeriert. Damit aber kommen wir zu den in jeder Hinsicht abstoßendsten Partien dieser Elaborate. Stets erneut wird durch Heraussuchen von Parallelzitaten und (angeblichen!) gemeinsamen Druckfehlern geflissentlich der Eindruck hervorzurufen versucht, als übernehme der Autor überwiegend Zitate eines anderen Schriftstellers und suche er dabei dennoch den fälschlichen Anschein zu erwecken, als kenne er die von diesem zitierten Autoren selbst, während er sie tatsächlich nicht selbst gelesen habe. Wenn aber der Rezensent dann in seiner „Antwort“, gegenüber der ihm entgegengehaltenen Tatsache: daß der Autor zahlreiche andere von Hallwich nirgends zitierte Stellen jener Autoren an zahlreichen anderen Orten seines Buches zitiert, sich hinter der Bemerkung versteckt (Sp.  448): „daß Herr S[alz] die … zitierten Autoren erst aus H[allwich] kennen gelernt (sic) habe, ist von  mir nicht behauptet worden“46 so kann man den Charakter dieser „Salvierung“ an der Hand der soeben wiedergegebenen ebenso wie der weiterhin folgenden Bemerkungen ermessen. Dafür genügt es, seine unmittelbar daran anschließende Angabe: „festgestellt aber habe ich, daß er hier eine ganze Reihe von Quellennachweisen (ich zähle – sic – deren zehn) aus H[allwich] abdruckt“ zusammenzuhalten mit der ganz eindeutigen allgemeinen Behauptung in der „Rezension“ (Sp.  2680 unten):47 „Wiederholt übernimmt er“ (Salz) „mit dem fremden Material, das er seinem Buche einverleibt, auch die Quellenangaben seines Gewährsmanns, so daß der Schein entsteht, er selbst habe die Studien gemacht, die in Wahrheit das Werk jenesg sind.“ Unmittelbar an jene, angesichts dieses, wie man sieht, absolut unzweideutigen Satzes mehr als nur „peinlich“ wirkende „Salvierung“ schließt sich aber überdies in der „Antwort“ selbst g A: jener 45  Salz, Böhmische Industrie, S.  481, Anm.  42. 46  Sander, Antwort, Sp.  448. 47  Sander, Rezension, Sp.  2680.

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(Sp.  448)48 abermals die Bezugnahme auf zwei nach Behauptung des Rezensenten vom Autor aus Hallwich mit abgeschriebene Druckfehler anh, die, wie er sagt, zum „Verräter“ (sic) würden. Danach ist kein Zweifel, welcher Schein auch jetzt noch auf den Autor geworfen werden soll. Daß dabei der Rezensent mit der vermeintlichen Entlarvung des einen Zitats, welches er für einen übernommenen Druckfehler hält (S.  331 Zeile 15 von oben)49 sich selbst eine wenig ehrenvolle wissenschaftliche Blöße gegeben hat (in diesem einen Punkte darf ich wohl auf die Ausführungen von Dr. Salz verweisen)50 – ein Druckfehler, den jeder Dialektkenner verbessern mußte, stand in der Quelle! – belehrt Herrn Paul Sander vielleicht für künftig darüber: daß die leidenschaftliche Begierde, einem anderen die literarische Ehre abzuschneiden, ein schlechter Berater ist. Nicht wesentlich günstiger für die Beurteilung des Rezensenten steht es aber, wie jede Nachprüfung ergibt, mit den anderen Produkten dieser peinlich subalternen Schnüffelei (anders wüßte ich dies alles wirklich nicht zu bezeichnen). Zunächst: der andere in der „Antwort“ a. a. O.51 aufgeführte angeblich abgeschriebene Druckfehler lautet bei Dr. Salz (S.  481 n.  39): Kopetz 1, S.  317, 220, bei Hallwich (S.  31, Anm.  2) dagegen: I, 217, 220 ff.,52 ist also überhaupt höchstens halb identisch (wobei wenigstens ich mir nicht die Mühe nehme, weiter zu erforschen, ob überhaupt und welcher der beiden Autoren oder vielleicht beide bei der Korrektur jeder einen anderen Druckfehler übersehen haben möge: an Stelle einer sachlichen Diskussion solche Lappalien zu erörtern, ist ohnehin unter jedem Niveau der Wissenschaft!) h  Fehlt in A. 48  Sander, Antwort, Sp.  448. 49  Sander, ebd., Sp.  446, bezieht sich hier auf Salz, Böhmische Industrie, S.  331, und schreibt: „[…] es wäre denn, dass ein Weg gefunden würde, die Baumwolle inner Lands zu ziegeln […]. Sowohl Hallwich (Firma Franz Leitenberger) als auch Salz schreiben „ziegeln“, in der von Hallwich benutzten Hörnigk-Ausgabe (Hörnigk, Österreich über alles) steht jedoch ‚ziehlen‘.“ 50  Salz, In eigener Sache, S.  537 f., schrieb dazu: „Die Sache liegt aber einfach so, daß Hallwich zweifellos den richtigen Text hergestellt hat, während bei Hörnigk vermutlich ein Druckfehler vorliegt. Mir war das Wort ziegeln (zügeln) in der Bedeutung ‚kultivieren‘ aus dem heimatlichen (bayrisch-österreichischen) Dialekt und aus älteren Schriftstellern (z. B. Becher) bekannt.“ 51  Sander, Antwort, Sp.  448. 52  Gemeint ist: Kopetz, Österreichische Gewerbs-Gesetzkunde, Band II, S.  217–220 (nicht: Band I, wie angegeben).

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6. In der „Antwort“ heißt es weiter (a. a. O.):53 „Auch Salz S.  482 n.  49 = Hallwichi S.  102 ist eine interessante Parallele.“ Der Zweck ist wiederum klar. Die Nachprüfung ergibt: Bei Salz ist in der zitierten Anmerkung davon die Rede, daß die englische Industrie damals den Kontinent als „dumping ground“ behandelte, bei Hallwich von Englands „erdrückender Konkurrenz“, und beide zitieren dafür, beide aber in Anführungszeichen, die gleiche Stelle aus dem Werke von v. Keeß.54 Zu erinnern ist dabei erneut, daß der ganze mehrere Seiten umfassende Abschnitt von Salz unmittelbar vorher ausdrücklich als „Hallwich nacherzählt“ bezeichnet ist. Der erweckte Anschein einer irgendwie unberechtigten und gar einer irgendwie „verschleierten“ Entlehnung ist also auch hier eine unwahre Irreführung des Lesers. Das gleiche gilt natürlich für die Verweisung Anm.  46 auf Riegger und das Zitat Anm.  47 aus ihm.55  Vorher, nachher und immer erneut ist auf Hallwich verwiesen, es ist unerfindlich, wie irgend ein noch so indirekter falscher Schein zugunsten des Autors und auf Kosten von Hallwich durch den Umstand, daß hier bei dieser Verweisung auf einen dritten Autor sein Name nicht nochmals figuriert, entstehen könnte. 7. Die „Antwort“ fährt fort:56 „Was die Zitate aus Hörnigk anbetrifft, so vergleiche man Salz S.  331 Zeile 4–16 v[on] o[ben] mit Hallwich S.  7 f.57 Man wird daraus ohne weiteres die sachliche (sic) Abhängigkeit (sic) des Salzschen Gedankenganges von dem an dieser Stelle nicht genannten H[allwich] erkennen.“ Die Nachprüfung ergibt: Salz a. a. O. Z. 4–16 enthält ganz ausschließlich Zitate i A: „Hallwich 53  Sander, Antwort, Sp.  448. 54  Keeß, Stephan von, Darstellung des Fabriks- und Gewerbswesens im österreichischen Kaiserstaate. Vorzüglich in technischer, mercantilistischer und statistischer Beziehung, 2. berichtigte, viel vermehrte und mit einem Anhange bereicherte Aufl., 3 Bände in 4 Teilen. – Wien: Mörschner und Jasper 1824 (hinfort: Keeß, Fabriks- und Gewerbswesen I–III), hier Band I, S.  84. 55  Salz, Böhmische Industrie, S.  481, Anm.  46 und 47, verweist auf Riegger, Joseph Anton von, Materialien zur alten und neuen Statistik in Böhmen, Heft 1–12. – Leipzig: K. Widtmann 1787–1793 (hinfort: Riegger, Materialien zur Statistik I–XII), hier Heft VIII, S.  55 f., und Heft V, S.  54. 56  Sander, Antwort, Sp.  448. 57 Sander vergleicht hier Salz, Böhmische Industrie, S.  331, und Hallwich, Firma Franz Leitenberger, S.  7 f., in Bezug auf ihre Zitate aus Hörnigk, Philipp Wilhelm von, Österreich über alles, wann es nur will. 1684 (hinfort: Hörnigk, Österreich über alles).

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aus dem berühmten Buch von Hörnigk („Österreich über alles, wenn es nur will“),58 welches dabei natürlich ausdrücklich auch im Text zitiert ist und in Anm.  1 charakterisiert wird. Hallwich a. a. O. enthält ebenfalls Zitate der gleichen allein in Betracht kommenden Partie. Für eine „sachliche Abhängigkeit“ des Autors von Hallwich 5 bestand also schon aus diesem Grunde überhaupt gar keine Möglichkeit: die Behauptung einer solchen ist eine auf den ersten Blick erkennbare Unwahrheit. Aber weiter: Nicht nur lehrt der oberflächlichste Blick die andere Anordnung der Salzschen Exzerpte aus Hörnigk. Sondern ausdrücklich ist überdies (Anm.  1)59 die 10 Ausgabe des Hörnigkschen Werkes von 1684, bei Hallwich dagegen a. a. O. ebenso ausdrücklich die Ausgabe von 1685 zitiert. Kann dies schon an sich schlechterdings kein gewissenhafter Leser übersehen, so war es dem Rezensenten in der Salzschen Entgegnung (D.L.-Z. Sp.  446 am Schluß)60 zum Überfluß auch noch ausdrück- 15 lich entgegengehalten worden. Die für einen „wissenschaftlichen“ Schriftsteller nicht gewöhnliche Unbedenklichkeit des Rezensenten ging aber so weit, daß er nun dennoch nicht nur ausdrücklich nochmals den falschen Schein einer absichtsvoll verhohlenen Entnahme dieses Zitats, sondern überdies auch noch den der Unauf- 20 richtigkeit auf den Autor wirft: denn unmittelbar an die soeben charakterisierte Bemerkung schließt sich die schon oben be­ 61 sprochene, für Herrn Sander selbst kompromittierliche Behauptung: daß jener schon oben erwähnte angebliche Druck­fehler62 für die von Salz, mit Recht, bestrittene Übernahme zum „Verräter“63 25 werdej. Das Ganze macht einen schlechterdings abstoßenden Eindruck. 8. Wir kehren von der „Antwort“ zur „Rezension“ zurück und lassen dabei zunächst die Erörterungen des Verhältnisses des Autors zu den Schebekschen „Kollektaneen“ (wie der Rezensent 30 sich ausdrückt) Sp.  2680 beiseite. j A: werde, war 58  Ebd.; der Titel lautet: Österreich über alles, wann es nur will. 59  Salz, Böhmische Industrie, S.  477, Anm.  1. 60  Salz, Entgegnung, Sp.  446. 61  Oben, S.  432. 62 Ebd. 63  Sander, Antwort, Sp.  448.

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Sp.  268164 heißt es, abermals ausdrücklich zum Beweise, daß der Autor den Schein erwecke, fremde Studien selbst gemacht zu haben: „So werden zu dem Text auf S.  350–364 in mehr als einem halben Dutzend Anmerkungen die Werke von Kreutzbergk, Sommer, Schaller, Schreyer, Kopetz, Riegger und Keeß zitiert.65 Aber alle diese Zitate stammen aus Hallwich, dessen Darstellung der Verf. hier folgt. Wo Hallwich fehlerhaft zitiert, wird der Fehler von S[alz] getreulich wiederholt.“ Der hier vom Rezensenten erweckte Anschein ist eindeutig. Aber die sofort erkennbare Unwahrheit der beiden letzten Sätze ist soeben (Nr.  5, 6)66 festgestellt; der erste erledigt sich dadurch und außerdem durch die aus zahlreichen anderen Stellen des Buches für jedermann sofort ersichtliche genaue Kenntnis der betreffenden (immer wieder zitierten) Schriftsteller von seiten des Autors von selbst. Alle jene Zitate (Seite 350–364) sind übrigens hinten in die Anmerkungen verwiesen und gehören ausnahmslos zur Sache.  9. „Eine halbe Seite kleinsten Druckes, die Hallwich aus Riegger übernimmt, wird von S[alz] noch einmal nach Hallwich abgedruckt.“ Die Wiedergabe der 27 Zeilen langen Stelle (wohlgemerkt: auch hier, was der Rezensent dem Leser verschweigt, hinten in den Anmerkungen) ist, da doch nicht jeder das Werk von Riegger zur Hand hat (hier z. B. ist es überhaupt nicht erhältlich) sachgemäß und dankenswert. 67

k A: Kreuzberg    64  Sander, Rezension, Sp.  2680 f. 65 Kreutzberg, Karl Joseph, Skizzierte Übersicht des gegenwärtigen Standes und der Leistungen von Böhmens Gewerbe und Fabrikindustrie. – Prag: Kronberger und Weber 1836; Sommer, Johann Friedrich, Das Königreich Böhmen statistisch-topographisch dargestellt, 16 Bände. – Prag: Calve 1833–1849; Schaller, Jaroslaus, Topographie des Königreichs Böhmen, darinn alle Städte, Flecken, Herrschaften, Schlösser, Landgüter, Edelsitze beschrieben werden, 8 Bände. – Prag: Plakaczek (ab Band 3: – Prag und Wien: von Schoenfeld) 1785–1790; Schreyer, Commerz, Fabriken und Manufakturen (wie oben, S.  424, Anm.  16); Kopetz, Österreichische Gewerbs-Gesetzkunde; Riegger, Materialien zur Statistik (wie oben, S.  433, Anm.  55); Keeß, Fabriks- und Gewerbswesen (wie oben, S.  433, Anm.  54). 66  Vgl. oben, S.  430–433. 67  Sander, Rezension, Sp.  2681, bezieht sich auf Salz, Böhmische Industrie, S.  481, Anm.  47. Salz gibt an, nach Riegger zu zitieren.

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10. „Auch auf S.  331 wird Hallwich ausgeschrieben (sic), während Hörnigk zitiert wird.“68 Die Unwahrheit dieser in der Antwort (Sp.  448) in anderer Form nochmals – und zwar wie ein neues Argument! – auftauchenden Bemerkung ist, wie schon oben dargetan,69 angesichts der ausdrücklich zitierten Ausgaben auf den ersten Blick handgreiflich. Zur Beurteilung der Vorsicht und des moralischen Muts des Rezensenten beachte man aber die philologische Akribie in der Art, wie er seine Vorwürfe interpretiert: er braucht hier den absolut eindeutigen Ausdruck: „ausgeschrieben“ – während er sich in der Antwort (Sp.  447) dagegen verwahrt, das Wort „Plagiat“ gebraucht zu haben. 11. „Eine andere Reihe von Anmerkungen, die auf archivalische Quellen (sic) verweisen (S.  479 Nr.  10–14), sind aus Kopetz70 über­ nom­men.“ Die Angabe ist unwahr. Denn jeder Kommentar erübrigt sichl wohl, wenn man sich durch einfaches Nachsehen überzeugt: daß die zitierten, angeblich auf „archivalische Quellen“ verweisenden Anmerkungen in Wahrheit wörtlich lauten: Anmerkung 10: „Durch Patent für Böhmen und Mähren 1765 und Hofdekret 1775“; – 11: „Hofdekret 1773“; – 12: „Hofdekret für Böhmen 1774“; – 13: „Hofdekret 1766“; 14: „Hofreskript für Böhmen 1755“. – Wie sich von selbst versteht, ist, wo Kopetz inhaltlich wirklich benutzt ist, er auch zitiert (Anm.  8, 15).71 12. „Demselben Kopetz werden S.  470 Nr.  28 zwei enggedruckte Seiten entlehnt, die zur Erklärung des im Text erwähnten ‚Wollgroschen‘ dienen sollen. Darin ist auch ein Abschnitt (sic) über Angaben von Leinwandbleichen und Leinwandhandel enthalten. Bei Kopetz sind diese Angaben ganz am Platze. Bei S[alz] haben sie nichts zu suchen. Dennoch werden sie mit abgedruckt.“72 Die Nachprüfung ergibt: die Anmerkung enthält zunächst ein Zitat aus

l  Fehlt in A; sich sinngemäß ergänzt. 68  Sander, Rezension, Sp.  2681 bezieht sich auf Hörnigk, Österreich über alles (wie oben, S.  433, Anm.  57), bei Salz, Böhmische Industrie, S.  331. 69  Oben, S.  433 f. 70  Kopetz, Österreichische Gewerbs-Gesetzkunde. 71  Salz, Böhmische Industrie, S.  478 f. 72  Sander, Rezension, Sp.  2681.

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einem Werk von Schreyer,73 dann die Stelle aus dem am Anfang und Schluß zitierten Kopetz, deren Wiedergabe hier, wiederum hinten in einer Anmerkung, sachlich absolut am Platze ist. Sie enthält u. a. auch 10 (zehn) Zeilen über Leinwandbleiche. Ein Kommentar erübrigt sich wohl. 13. Der Rezensent scheut sich nicht, diesen Leistungen als sein Resumé derselben hinzuzufügen: „Soviel über die Selbständigkeit des Verfassers.“74 Ich unterlasse es besser, mich hierüber so zu äußern, wie es geschehen müßte. 14. „Im Interesse des Lesers sei nur erwähnt, daß auf S.  459 die Anmerkungen Nr.  24–31 um eine Nummer zu niedrig und auf S.  483 die Nummern 12–30 um eine Nummer zu hoch angesetzt sind.“75 – Ich habe diese „Entdeckungen“, offen gestanden, nicht nachgeprüft. Sind sie richtig, so bedeutet diese Feststellung ein – allerdings, so viel ich sehe: das einzige – Verdienst der „Rezension“. Denn 15. daß (Sp.  2679) auf S.  35176 bei zweitmaliger Erwähnung gewisser Dekrete nicht (z. B. etwa durch den Zusatz: „wie wir schon früher gesehen haben“) der Leser daran erinnert wird, daß davon schon 17 Seiten früher einmal in allgemeinerem Zusammenhang kurz die Rede war, wird den Leser wohl kaum stören, noch weniger aber ihm wahrscheinlich machen, daß der Autor das Buch von Hallwich auf S.  350–364, wie damit dargetan werden soll, gedankenlos ausgeschrieben habe. Das Nötige über diese gröbliche Unwahrheit ist schon oben festgestellt.77 Hier ist schließlich nur noch festzustellen: daß sich diese ganze dem Leser bewußt und absichtlich den Schein einer unfairen Unselbständigkeit des Autors durch Mittel, deren Charakter ja wohl nun feststeht, vortäuschende Schnüffelarbeit des „Rezensenten“ auf einen Abschnitt beschränkt,

73  Schreyer, Commerz, Fabriken und Manufakturen (wie oben, S.  424, Anm.  16). 74  Sander, Rezension, Sp.  2681. 75 Ebd. 76  Salz, Böhmische Industrie, S.  351, nennt das Hofdekret vom 12. Februar 1765 und das Spinnpatent vom 24. November 1765, mit denen die „seit 1 ½ Jahrzehnten für die Leinenspinnerei in Böhmen geltenden sehr detaillierten gewerbepolizeilichen Vorschriften, die auf dem Gedanken der Rayonnierung der Spinner beruhten […] auch auf die Baumwollgarnspinnerei ausgedehnt“ wurden. 77  Oben, S.  436.

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der ausdrücklich als „Nacherzählung“ bezeichnet ist und ca. 1¾% des angeblich „rezensierten“ Werkes umfaßt. Zur Charakteristik des Rezensenten mußte ich dies Resultat einer eklen eigenen Nachprüfung dieser seiner sämtlichen in das Gebiet der Plagiatschnüffelei gehörenden Leistungen hier in extenso vorlegen. Das Resultat ist: Gegenüber dem ganz geflissentlich erweckten Anschein einer zwar absolut subalternen, aber um so gewissenhafteren Akribie ergibt sich die absolute, bei jeder Nachprüfung sofort erkennbare Unwahrheit seiner sämtlichen höchst widerwärtigen Denunziationen. Nun noch einige Bemerkungen über die Vorwürfe, welche sich auf die Nichtnennung der Schebekschen „Kollektaneen“78 beziehen sollenm. (Schebeks Name ist im übrigen ausdrücklich genannt!) Selbstverständlich bleibt die Anständigkeit der Gesinnung, aus welcher heraus der Autor seinem nun einmal gegebenen Wort entsprechend handeln zu müssen glaubte,79 gegen die Versuche dieses Rezensenten, ihn zu beschmutzen, gesichert. Ebenso selbstverständlich ist andererseits, daß ich persönlich die Tendenz zur nationalistischen Monopolisierung, welche jene Bitte an ihn veranlaßte, für entschieden unberechtigt halte und ferner meine, der Autor hätte sein Schweigen nicht so weit treiben sollen, wie er es tat. Dies zu sagen war natürlich das Recht auch des Rezensenten. Aber ­dieser tat etwas ganz anderes. Daß der Autor nach mancherlei Erwägungen die ausdrückliche Erwähnung jener Materialsammlung im Vorwort wieder strich, gibt ihm den willkommenen Vorwand zu folgenden Leistungen: Er wußte genau – denn seine Rezension Spalte 268080 gibt es hern –, daß neben den früher erwähnten Archivarbeiten und Monographien speziell auch diese Materialien der Darstellung zugrunde lagen. Daß Dr. Salz sie zu diesem Zwecke gesucht und wieder aufgefunden hatte, ist, wie ich m A: soll  n  Fehlt in A; her sinngemäß ergänzt. 78  Vgl. dazu oben, S.  427, Anm.  29. 79  Salz, Entgegnung, Sp.  446, schreibt: „Daß ich diese Quellen nicht nenne, hat einen Grund, den mir zum Vorwurf zu machen Herr S[ander] nicht berechtigt ist: man wollte es s. Z. vermeiden, daß dieses in vielen Beziehungen reichhaltige, seit 1873 so gut wie verschollene, von mir wieder entdeckte, aber durchaus nicht erschöpfte und noch niemals wissenschaftlich behandelte Material in andere als deutsche Hände falle und von nichtdeutscher Seite zuerst bearbeitet würde.“ 80  Sander, Rezension, Sp.  2680.

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höre, aktenkundig und war ihm also ebenfalls bekannt. Denn seine Schnüffelei ist so weit gegangen (Spalte 2680), daß er sich sogar nach der Art der dem Autor gewährten Rechenbeihilfe erkundigt hat. Angesichts dessen ist es sehr schwer glaubhaft, daß er nicht auch gewußt hätte, worauf das Schweigen des Autors beruht. Zu seinen Gunsten möge dies dennoch unterstellt werden. Dann hat er eben über seiner subalternen Schnüffelei nach unfairen Praktiken des Autors die Pflicht verabsäumt, sich danach zu erkundigen, ob dieser nicht vielleicht anständige Motive gehabt habe. Spätestens aber erfuhr er es aus der Entgegnung des Autors. Seine daraufhin in der Antwort (Spalte 447) gemachte Bemerkung: „daß Herr S[alz] aus nationalen Gründen den Schein auf sich nehmen mußte, als ob er die darin enthaltene, mühsame Sammelarbeit selbst geleistet habe, kann ich nicht anerkennen“,81 dürfte sich wohl kaum über das Prädikat „hämisch“  beschweren, und entspricht auch keineswegs der Anstandspflicht, einen zu Unrecht und ohne hinlängliche Erkundigung zu Lasten des Autors erweckten bösen Schein rückhaltlos wieder gut zu machen. Wer, obwohl er sich mit einer – im Vergleich zu der ausschließlich zum Zweck der Anschwärzung, mit Hilfe unwahrer Behauptungen, aufgewendeten philologischen „Akribie“ – ganz geringen Mühe über den wirklichen Sachverhalt orientieren konnte, statt dessen solche Gesinnungen bei einem makellosen Gelehrten voraussetzt, der darf sich nicht beschweren, wenn man ihm selbst zum mindesten höchst subalterne Motive zutraut. Der „Rezensent“ arbeitet selbst offenbar auf diesem Gebiet. Der Wunsch, neben dieser Vorarbeit selbst nach Möglichkeit auch die wissenschaftliche Qualität ihres Autors zu diskreditieren, hat den „Rezensenten“ auf die Bahn getrieben, die wir kennen lernten. – Die Bezeichnung des Schebekschen Materials als „Kollektaneen“82 muß, wie jeder Blick in den Schebekschen Katalog zeigt, den Leser irreführen. Der Katalog ergibt: in der überwältigenden Mehrzahl handelt es sich um Materialien und Zusammenstellungen, welche auf Veranlassung eines von Schebek entworfenen Rundschreibens der Prager Handelskammer eingesendet wurden. Die Publikation und Verarbeitung dieser, seitdem 40 Jahre lang der Sache nach völlig unbenützt und vergessen in 81  Sander, Antwort, Sp.  447. 82  Vgl. dazu oben, S.  427, Anm.  29.

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Prag ruhenden, Materialien war s. Z. von hervorragenden Gelehrten mehrfach angeregt worden, aber unterblieben. Diese Benützung holt der Autor nach. Über den Wert dieser seiner „Vorarbeit“ – als solche tritt sie, laut Vorwort, ausdrücklich auf – meinerseits irgend ein Urteil (wie dies von berufeneren Seiten schon geschehen ist und noch geschehen wird) abzugeben, habe ich, wie man sieht, geflissentlich vermieden. Das Maß von dauerndem Wert des Buches kenne ich nicht, und es geht mich auch hier gar nichts an. Ich identifiziere mich ferner nicht mit der Formulierung derjenigen Bemerkungen, welche Herr Dr. Salz in seiner übrigens vornehm zurückhaltenden Darlegung, in berechtigter Geringschätzung der subalternen Gesinnung seines Rezensenten[,] nebenbei gemacht hat und welche ihm bei böswilliger Deutung – wie ich ja genau weiß, sehr gegen seine Ansicht3) – als Mißachtung der wirtschaftsgeschichtlichen Aktenarbeit ausgelegt werden könnten.83 Solchen Arbeiten verdankt ja die deutsche Wissenschaft eine Reihe ihrer stolzesten Leistungen (Schmoller, Knapp, von Below, Schulte): freilich waren deren Schöpfer von etwas anderem Kaliber als der Herr Verfasser der hier von mir unter die Lupe genommenen „Leistung“. Die denkbar schärfste sachliche Kritik des Salzschen Buches könnte an dem, was hier über dessen Rezensenten gesagt worden ist, kein Wort ändern. Gesagt werden mußte es im Interesse der

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  Er selbst erhofft ja – Vorwort S. III, IV84 – alles von Erschließung der Archive. 

83  Gemeint ist die Bemerkung von Salz, In eigener Sache, S.  531: „Ich weiß, daß alle diese und noch weitläufigere Ausführungen meinen Rezensenten nicht überzeugen werden und zwar aus dem Grunde, weil er mit seinem Vorwurf auf etwas anderes abzielt und etwas anderes meint, als er zu meinen vorgibt. Die ganze auf das Material meiner Arbeit bezügliche Polemik gründet nämlich in zwei Wertgrundsätzen: I. in der Ansicht, daß die Geschichte eines Erwerbszweiges aus den Akten der Behörden zu schöpfen, ja damit identisch sei, und nur dasjenige historischen Wert besitze, was aktenmäßig zu belegen ist, und 2. in der Ansicht, daß die Resultate eines Buches zu werten seien nach der Mühe, die es gemacht hat sie zu erlangen, anders ausgedrückt: der Wert eines (historischen) Buches bemesse sich nach dem Quantum Schweiß, das man ihm anmerkt. – Ueber diese apriorischen Wertaxiome ist nicht zu streiten; ich selbst stehe, so sehr ich die seltene Kunst, Urkunden wirklich zum Reden zu bringen bewundere, eben deswegen auf anderem Boden als Herr Sander. Für mich ist die Wirtschaftsgeschichte etwas anderes als die Zeit angesehen durch das Temperament des Bureaukraten, und was den Maßstab der disutility auf literarischem Gebiete betrifft, so halte ich es in diesem Falle mit den alten Germanen, von denen Tacitus schreibt: pigrum et iners sudore acquirere quod possis sanguine parare.“ 84  Salz, Böhmische Industrie, S. III f.

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literarischen Sittenpolizei. Jedermann weiß: Die Redaktionen literarischer Zeitschriften können schlechterdings nicht jede Rezension, vollends nicht eine solche, die mit dem falschen, aber geschickt vorgetäuschten Schein strengster „Sachlichkeit“ auftritt, darauf nachprüfen, ob wirklich ein redlicher Dienst an der Sache der Wissenschaft bezweckt ist, oder vielleicht etwas ganz anderes. Sonst müßten sie ihren Betrieb einstellen. Die Masse der Leser kann eine solche Nachprüfung vollends nicht vornehmen. Ein Herr von der Eigenart dieses „Rezensenten“ hat also leichtes  Spiel. Es liegt daher im Interesse des Wissenschaftsbetriebes und speziell im gemeinsamen Interesse der Redaktionen literarkritischer Zeitschriften, daß von Zeit zu Zeit einmal ein Exempel statuiert wird. Wenn dies gerade an der Hand dieses speziellen Falles geschah, so noch aus einem anderen Grunde. Der Rezensent hat sich nicht gescheut, sein Elaborat, unaufgefordert und ohne daß bisher die mindesten literarischen Beziehungen bestanden hätten, Mitgliedern der hiesigen Philosophischen Fakultät zuzuschicken.85 Der Charakter seiner schon an sich häßlichen, in diesem Fall aber überdies – soweit sie den Autor zu verunglimpfen trachtet – vom ersten bis zum letzten Wort unwahren, bei günstiger Beurteilung grobleichtfertig die Ehre eines anderen angreifenden und in ihren Mitteln subalternen Denunziation wird dadurch wohl hinlänglich klargestellt. Und zum Schluß: ich habe meinerseits zuweilen in scharfer, vielleicht einmal zu scharfer Form rezensiert. Dazu hatte ich dann Gründe. Aber in einem langen wissenschaftlichen Leben habe ich nie leichtfertig die Ehre eines Autors angegriffen. Und vollends niemals habe ich mich dahinter verkrochen: „die Tatsachen (unwahre Tatsachen vollends!) sprechen zu lassen“.86 Diese Art von „Rezensionen“ kenne ich aus langjähriger Erfahrung nur zu gut. Dieser „Rezensent“ mag künftig einmal ganz brauchbare historische Arbeiten liefern. Nun – auch andere leisten das. Eine „wissenschaftliche Persönlichkeit“ aber – wie sie Dr. Salz ist, bliebe selbst kein Stein dieses Buches auf dem andern – ja! das ist man 85  Aus der Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät von 1914 geht hervor, daß Sander seine Antwort auf die Salzsche Entgegnung den Dozenten der Volkswirtschaftslehre und Geschichte in Heidelberg übersandt hatte. Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  571. 86  Sander, Antwort, Sp.  446.

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damit noch nicht. Denn dazu gehören einige Qualitäten der Gesinnung, die ihm leider völlig fehlen. Und sehr nachdrücklich muß ihm bemerklich gemacht werden: das eigene sehr unerfreuliche Niveau der Gesinnung bei einem andern makellosen Autor vorauszusetzen, gab ihm niemand ein Recht. Er wird, möge er „leisten“, was er wolle, fortan bei denen, welche seine „Technik“ durchschaut haben, auf jene schweigende aber beharrliche Distanz stoßen, welche man gegen den aufrichtet, den man nicht als seinesgleichen anerkennt.

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Erklärung [zu Paul Sanders Äußerung] [Zuschrift an die Deutsche Literaturzeitung, 27. Juni 1914]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Zuschrift steht in Zusammenhang mit der Kontroverse Max Webers mit Paul Sander, die sich an dessen Rezension von Arthur Salz’ Buch über die Geschichte der böhmischen Industrie entzündet hatte.1 Auf die scharfen Angriffe und persönlichen Invektiven gegen Paul Sander, die Weber im „Redaktionellen Nachwort“2 zu der Antikritik „In eigener Sache“ von Arthur Salz vorgetragen hatte, reagierte Sander mit einer Erklärung „In eigener Angelegenheit“ am 6. Juni 1914 in der Deutschen Literaturzeitung. Er apostrophierte darin Max Weber als einen Beschützer von Arthur Salz, der ihm (Sander) unlautere Motive unterstelle. Das sei ein Angriff auf seine bürgerliche Ehre, dem nicht in der Wissenschaft, sondern nur vor Gericht begegnet werden könne. Außerdem sei Weber bei seinem Angriff von irrtümlichen Annahmen ausgegangen. Weber sah sich daraufhin seinerseits zu einer „Erklärung“ veranlaßt.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Dem Abdruck liegt der Text zugrunde, der unter der Überschrift „Erklärung“, in: Deutsche Literaturzeitung, hg. von Paul Hinneberg, 35. Jg., Nr.  26 vom 27. Juni 1914, Sp.  1659–60 (A), erschien. Einen Vorabdruck dieser Erklärung fügte Max Weber seinem Schreiben an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914 bei.3 Ein gekürzter Wiederabdruck der Erklärung findet sich auch in Webers Darstellung des Streitfalls im „Archiv“, die unter dem Titel „Zum redaktionellen

1  Ausführlich dazu der Editorische Bericht zu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–421. 2  Vgl. oben, S.  422–442. 3  Vgl. Brief Max Webers an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914, MWG II/8, S.  730–743, bes. S.  742 mit Anm.  41. Die Beilage befindet sich im UA Heidelberg, H-IV-102/140, Bl. 303.

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Erklärung zu Paul Sanders Äußerung

Geleitwort im Märzheft 1914“ im August 1914 erschien.4 Vor- und Wiederabdruck werden hier nicht gesondert berücksichtigt. Die Zuschrift in der Deutschen Literaturzeitung ist unterzeichnet mit „Heidelberg. Max Weber“.

4  Weber, Zum redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, unten, S.  450–493.

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Erklärunga.

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Zu der Äußerung des Herrn Paul Sander vom 6. Juni (Sp.  1460– 61)1 möchte ich mit freundlicher Erlaubnis der Schriftleitung folgendes bemerken: 1. Seine Erklärung: daß er nicht auf dem gleichen Gebiet wie Herr Salz tätig sei, ergibt, daß mit den  an diese Annahme geknüpften Folgerungen2 ihm zweifellos Unrecht geschehen ist, wie ich gern erkläre. Es tut mir leid, in diesem Punkt einem täuschenden Anschein getraut zu haben, andrerseits aber bin ich erfreut, ihn darin anders als geschehen beurteilen zu dürfen. 2. Herr Paul Sander sieht, daß man einen ungerechten Vorwurf loyal aus der Welt schaffen kann. Es liegt ihm ob, dies Herrn Salz gegenüber mit jener unverklausulierten Rückhaltlosigkeit zu tun, welche der Sachlage entspricht. An seine „Einsicht“ zu appellieren, habe ich nicht nötig, denn diese besitzt er. Ich wende mich an Eigenschaften der „Gesinnung“. 3. Guten Gepflogenheiten gemäß wird die jetzige, ebenso wie eine etwaige weitere Erklärung des Herrn Paul Sander den Lesern des „Archiv“ vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht3 und dazu bemerkt werden, was, je nachdem, der Sachlage entspricht. An meine Loyalität hat noch niemand vergeblich appelliert. Ganz vergeblich aber an meine vermeintliche Sorge, ob vielleicht ein Gericht sachlich begründete Vorwürfe von mir formell zu schroff finden könnte.4 Wenn irgend etwas, so ist mir die Gewohnheit fremd, Vora  In A geht die redaktionelle Vorbemerkung voraus: Herr Prof. Max Weber (Heidelberg) bittet uns um die Aufnahme der nachstehenden 1  Sander, Angelegenheit. 2  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.439, nimmt an, daß Sander auf dem gleichen Gebiete wie Salz arbeitet, und folgert, daß ihn „höchst subalterne Motive“ angetrieben hätten. 3  Max Weber gab Sanders Erklärung vom 6. Juni 1914 (Sander, Angelegenheit) in seinem eigenen Artikel, der im August 1914 im AfSSp erschien, nahezu vollständig wieder. Vgl. Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, unten, S.  461 f., Fn.  5. 4  Paul Sander erklärte in seiner Replik auf das Redaktionelle Nachwort Max Webers, daß er die sachlichen Einwände gegen seine Rezension „an einem anderen Ort“ widerlegen werde. Gegen den persönlichen Angriff wolle er sich jedoch vor Gericht zur Wehr setzen. Vgl. Sander, Angelegenheit, Sp.  1460 f.

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Erklärung zu Paul Sanders Äußerung

würfe zwischen den Zeilen lesen zu lassen und sich persönlich dabei zu salvieren. Heidelberg.

Max Weber.

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[Eine Erklärung zur Affäre Salz-Sander] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 2. Juli 1914]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Auseinandersetzung zwischen Arthur Salz und Paul Sander – ausgelöst durch eine Buchbesprechung von Salz’ Geschichte der böhmischen Industrie – sowie Max Webers Beteiligung daran zogen nicht zuletzt wegen der öffentlich gemachten Angriffe der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät auf Weber immer weitere Kreise.1 Sie war inzwischen nicht mehr nur eine akademische, sondern eine öffentliche Angelegenheit. Auch die Tagespresse berichtete darüber.2 Weber hielt es deshalb für geboten, seine Position der Öffentlichkeit zu unterbreiten. Dies geschah mittels der Erklärung in der Frankfurter Zeitung, die in der Folge abgedruckt ist.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Dem Abdruck liegt der Text zugrunde, der unter der Überschrift „Eine Erklärung von Max Weber“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  181 vom 2. Juli 1914, Ab.Bl., S.  2 (A), erschien. Der Text ist unterzeichnet mit „Heidelberg, 1. Juli. Prof. Max Weber“ und somit von ihm autorisiert. Die Überschrift, die von der Redaktion der Frankfurter Zeitung stammen dürfte, wird hier abgeändert und als nicht autoreigen in eckige Klammern gesetzt.

1 Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–421. 2  Die deutschsprachige Prager Zeitung Bohemia schrieb in ihrer Ausgabe vom 23. Juni 1914, daß die Prager Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät mit ihrem Gutachten nur den Pflichten eines „über den Parteien stehenden Gerichtshofes“ nachgekommen sei, da die Angriffe Max Webers auf Paul Sander jegliches Maß überschritten hätten. Vgl. den anonym erschienenen Artikel: Eine wissenschaftliche Ehrenangelegenheit. Dr. Salz – Prof. Sander – Prof. Max Weber, in: Bohemia, 87. Jg., Nr.  170 vom 23. Juni 1914, Mo.Bl., S.  5.

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[Eine Erklärung zur Affäre Salz-Sander] [A 2]

Zua den auffallenderweise (und zwar: von Prag aus) über die Fachzeitschriften hinaus in die politische Presse gebrachten Nachrichten von einer Resolution der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät gegen michb1 habe ich mit Bedacht so lange geschwiegen, bis ich nunmehr Einsicht in deren Begründung nehmen konnte. Ich werde der Fakultät die Antwort (an dem dafür passenden Ort)2 nicht schuldig bleiben. Hier stelle ich fest: daß der gegen mich gerichtete Angriff den ganz ausschließlich entscheidenden Punkt mit Schweigen übergeht. Denn die Bemerkungen, zu welchen ich genötigt war, um den ganz ungewöhnlichen Schritt der Aufnahme einer Gegenbemerkung3 gegen anderwärts abgedruckte Angriffe in unserer Zeitschrift zu rechtfertigen, betrafen folgenden Tatbestand: Der Professor an der Prager Universität, Herr Dr. Paul Sander, hat zunächst eine Rezension und dann, gegenüber der Entgegnung, eine Replik veröffentlicht,4 welche beide gegen einen hiesigen Dozenten,5 dessen makelloser Charakter und dessen absolute Aufrichtigkeit außer allem und jedem Zweifel stehen, einen, wie die Nachprüfung sofort ergab und wie gegebenen Falls strikt nachgewiesen werden wird, für jeden akademischen Lehrer ehrenrührigen Anschein erweckten: als habe er teils direkt Plagiat verübt, teils in unfairer Absicht den Anschein von eigenen Studien und Arbeiten

a In A geht die redaktionelle Vorbemerkung voraus: Herr Professor Max Weber in Heidelberg ersucht uns um Abdruck des Folgenden:    b  In A folgt: (wir hatten keine Notiz davon genommen; D. Red.) 1  Gemeint ist: Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), die u. a. in Schmollers Jahrbuch veröffentlicht wurde. Vgl. dazu oben, S.  419, Anm.  14. 2  Max Weber veröffentlichte seine ausführliche Antwort im Septemberheft des AfSSp. Vgl. Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, unten, S.  450–493. 3  Es handelt sich um die im AfSSp abgedruckte Erklärung von Salz, In eigener Sache, der Max Weber als Mitherausgeber der Zeitschrift ein Nachwort beigefügt hatte. Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 4  Gemeint sind: Sander, Rezension; Salz, Entgegnung und Sander, Antwort. Zu den Hintergründen vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–421. 5  Der Heidelberger Privatdozent Arthur Salz.

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erweckt, die in Wahrheit nicht er, sondern andere gemacht hätten, teils endlich unaufrichtiger Weise dies sein Verhalten nicht eingestanden. Daß dieser Anschein, welcher durch die Äußerungsweise des Herrn Prof. Sander objektiv erweckt werden mußte, auch tatsächlich erweckt worden ist, – nicht nur hier und nicht bei beliebigen Personen, sondern bei absolut unbeteiligten, sachkundigen Gelehrten hier und anderwärts, deren Urteil nicht anzufechten ist, – dies wird gegebenen Falls strikt nachgewiesen werden. Sollte nun Herr Prof. Sander, nach Kenntnisnahme von dieser Sachlage, sich in der Lage befinden, rückhaltlos zu erklären: daß es außerhalb aller und jeder Absicht seinerseits gelegen habe, den Anschein irgend eines unfairen Verhaltens gegen jenen Dozenten entstehen zu lassen, so versteht es sich nicht nur als meinec Pflicht ganz von selbst, sondern es wird mir eine persönliche Freude sein, meinerseits sofort jede Spur eines abfälligen Urteils über die Gesinnung und das persönliche Verhalten des Herrn Prof. Sander in dieser Angelegenheit restlos und rückhaltlos aus der Welt schaffen zu dürfen. Denn ich, ebenso wie andere, werde dann zu der erfreulichen Überzeugung kommen dürfen und müssen: daß nur eine sehr unglückliche Ausdrucksweise unvorhergesehen ein bedauerliches Mißverständnis erregt hat. Der rein wissenschaftliche Streit aber zwischen den beiden beteiligten Herren, in welchem ich nicht im geringsten Partei genommen habe oder nehme, ginge niemanden als diese selbst etwas an. Sollte freilich Herr Prof. Dr. Sander eine solche rückhaltlose Erklärung nicht abgeben, dann würde bedauerlicherweise, und zwar nun unwiderleglich, feststehen: daß die Erregung jenes ehrenrührigen Scheins auch seiner Absicht entsprach und damit natürlich auch alle daraus zu ziehenden Konsequenzen. Einstweilen hoffe ich bestimmt, daß eine, ohnehin unvermeidliche, rückhaltlose Erklärung des Herrn Prof. Dr. Sander der Angelegenheit diejenige Wendung gibt, welche allein eine unter offenen und ritterlichen Männern eigentlich selbstverständliche Erledigung ermöglicht. Heidelberg, 1. Juli.

c A: meiner

Prof. Max Weber.

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Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S.  539 f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag

Editorischer Bericht Zur Entstehung Nach der Veröffentlichung der Stellungnahme der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zum Fall Sander sah sich Weber zunehmend einer „gemeine[n] Kampagne persönlichen Charakters“ ausgesetzt.1 Wohl um den Lesern des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik ein begründetes Urteil über den Vorgang zu ermöglichen, veröffentlichte er im Septemberheft des Jahres 1914 eine vierteilige, mit seinen Kommentaren versehene Darstellung, die sich aus der Erklärung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der deutschen Universität Prag, der Erklärung der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, der Erklärung Alfred Webers sowie der Zusammenfassung seiner eigenen Stellungnahmen zusammensetzt. Mit der Überschrift stellt er den Bezug zu seiner ersten Äußerung in dieser Sache im Märzheft des „Archivs“ her, die er hier als „redaktionelles Geleitwort“ bezeichnet. Dort hieß es „redaktionelles Nach­ wort“,2 aber es blieb, da die Kontroverse weiterging,3 kein Nachwort. Seine Argumentation richtet sich jetzt nicht mehr nur gegen Sander, sondern auch gegen die diesen schützende Prager Fakultät.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Dem Abdruck liegt der 26 Seiten starke Text zugrunde, der unter der Überschrift „Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S.  539 f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hg. von Edgar Jaffé in Verbindung mit Werner Sombart und Max Weber, 39.  Band, Heft 1, 1914, S.  227–252 (A), erschien. Der Text ist mit „Heidelberg. Max Weber“ gezeichnet. 1 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 27. Juli 1914, MWG II/8, S.  775 f., Zitat: S.  776. 2  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 3  Vgl. dazu Weber, Erklärung zu Paul Sander, oben, S.  443–446, und ders., Erklärung zur Affäre Salz-Sander, oben, S.  447–449. Zum Verlauf der Kontroverse vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–421.

Editorischer Bericht

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Zitate im Zitat werden stillschweigend mit einfachen statt doppelten Anführungszeichen wiedergegeben. Eine längere im Original in Petit gesetzte Passage (unten, S.  478–491) wird in Normaldruck wiedergegeben, mit textkritischem Nachweis. Die Fußnotenzählung des Abdrucks, auch mit der eingefügten Fußnote 4a (unten, S.  459), bleibt erhalten.

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Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S.  539 f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag. I.1 1. „Das Professorenkollegium der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der deutschen Universität in Prag bedauert die maßlosen und schon ihrer Form nach unzulässigen Angriffe, welche Prof. Max Weber gegen Prof. Paul Sander wegen dessen Kritik des Buches ‚Geschichte der böhmischen Industrie in der Neuzeit‘ von Arthur Salz gerichtet hat, erklärt, daß sich diese Angriffe auf die schriftstellerische und persönliche Ehre Sanders nach reiflicher Nachprüfung des von Weber beigebrachten Materials als vollkommen grundlos und unberechtigt darstellen, und gibt seiner Überzeugung Ausdruck, daß die wissenschaftliche und sittliche Integrität Sanders außer jedem Zweifel steht. 2. Für eine Disziplinaruntersuchung gegen Professor Sander2 liegt kein Anlaß vor, und es bedarf auch keiner gerichtlichen Klage, um etwa Sander der Fakultät gegenüber wegen der gegen ihn gerichteten Angriffe zu rehabilitieren. Zugleich wurde beschlossen, zur Aufklärung der Öffentlichkeit die Ausführungen des Berichterstatters3 zu veröffentlichen, was hiermit geschieht“1).  4

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1) Erschien unter dem Titel: Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der deutschen Universität in Prag über den Angriff Prof. Dr. Max Webers gegen Prof. Dr. Paul Sander. Prag 1914 im Selbstverlag der Fakultät. Die Äußerung wurde versendet, außer an Zeitschriften,4 auch an Fakultäten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz,

1  Max Weber gibt hier die Erste Erklärung der rechts- und statswissenschaftlichen Fakultät der deutschen Universität in Prag wieder (wie oben, S.  419, Anm.  13). 2  Als Max Weber Sander ehrenrühriges Verhalten vorgeworfen hatte (vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442, bes. S.  441), bot dieser der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der deutschen Universität Prag an, ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zu beantragen. Vgl. den redaktionellen Bericht in der Rubrik „Notizen und Mitteilungen“, in: DLZ, 35. Jg., Nr.  30 vom 25. Juli 1914, Sp.  1914 f. 3 Vermutlich handelte es sich um Arthur Spiethoff. Vgl. den Brief Max Webers an Edgar Jaffé vom 15. Juli 1914, MWG II/8, S.  767 mit Anm.  2. 4  Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  419, Anm.  13 und 14.

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II.5 „Die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg hat den Streitfall des Herrn Privatdozenten Dr. Salz mit Herrn Prof. Dr. 6

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nicht m. W. an die Heidelberger Fakultät.6 Die Prager Fakultät wurde vom Verlag,7 auf Veranlassung von mir und mit dem Hinweis darauf, daß von dieser 32 Seiten starken, also hier unmöglich reproduzierbaren Publikation viele Leser des „Archivs“ mit Interesse „und manche vielleicht mit Freude“ Kenntnis nehmen würden, um Zustellung einer entsprechenden Anzahl von Exemplaren behufs Versendung mit dieser Nummer ersucht. Aber sie hatte schon alle Exemplare verwertet. Für die Art der Argumentation der Fakultät seien die Wendungen8 „unqualifizierbar“, „eines Professors9 unwürdig“, „leichtfertiger Weise“, „Selbstverspottung“, „ob es gerade der von ihm geforderte moralische Mut war, läßt sich füglich bezweifeln“, endlich die Heranziehung der „allen A 228 Rechtsanwälten bekannten Tatsache, daß sich ungebildete und unerfahrene Laien eine ihnen ungünstige gerichtliche Entscheidung nur damit erklären können, daß“ usw. notiert. Über den sachlichen Wert des Inhalts s. u.10 Vor Veröffentlichung durch die Fakultät konnte schon die Tagespresse: zuerst „Bohemia“ in Prag,11 sie glossieren: Diese gab als Motiv meiner Äußerung Informationen über angebliche persönliche Beziehungen von Dr. Salz zwar nicht zu mir, aber zu Prof. Alfred Weber wieder.12 Der Informator nannte sich nicht. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung jener Scheltworte erhielt ich den Privatbrief eines Mitgliedes der Fakultät,13 der von der Hoffnung auf „Verständigung“ sprach! Wenn die Herrn auf ihre in amtlicher Form niedergelegten Worte so wenig Gewicht legen, können sie von mir nicht verlangen, daß ich sie sehr ernst nehme. – Die Publikation selbst übersandte ich der hiesigen Fakultät zur Kenntnisnahme und drückte die Erwartung aus, daß mir die Austragung dieses Streites allein überlassen bleibe14 (was natürlich auch geschehen ist).  5  Max Weber zitiert hier aus der Stellungnahme der Heidelberger Fakultät vom 7. Juli 1914 (wie oben, S.  420, Anm.  16). 6  Hier irrt Weber: Die Prager Broschüre ging am 2. Juli 1914 in Heidelberg ein. Vgl. die Mitteilung des Dekans der Philosophischen Fakultät Carl Neumann vom 3. Juli 1914 (UA Heidelberg, H IV-102/140, Bl. 318), sowie die Berichtigung durch Weber selbst, unten, S.  492, Fn.  18 mit Anm.  59. 7  Gemeint ist der Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), der das Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik herausgab. Ein entsprechendes Schreiben ist im Verlagsarchiv nicht nachgewiesen. 8 Max Weber zitiert im folgenden aus den gegen ihn gerichteten Sätzen in dem Schlußabschnitt der Ersten Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  30–32. 9 In der Erklärung der Prager Fakultät, ebd., S.  30, steht nicht, wie Max Weber schreibt, „Professor“, sondern „Universitätsprofessor“. 10  Vgl. unten, S.  457–493. 11  Weber bezieht sich auf den anonym erschienenen Artikel: Eine wissenschaftliche Ehrenangelegenheit. Dr. Salz – Prof. Sander – Prof. Max Weber, in: Bohemia, 87. Jg., Nr.  170 vom 23. Juni 1914, Mo.Bl., S.  5. 12  Im Artikel der Bohemia (ebd.) hieß es: „Es ist tief bedauerlich, daß die persönliche Voreingenommenheit des Professor Max Weber für den seinem Bruder, dem ehemaligen Prager Professor Alfred Weber nahestehenden Verfasser des der Kritik ausgesetzten Buches Dr. Salz, ihn so weit getrieben hat.“ 13  Ein entsprechender Brief an Max Weber ist nicht nachgewiesen. 14  Vgl. den Brief Max Webers an die Philosophische Fakultät der Universität Heidel-

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Sander in Prag durch unbeteiligte Mitglieder prüfen lassen, und erklärt danach die Angriffe des Herrn Prof. Sander, soweit sie die persönliche und literarische Ehre des Herrn Dr. Salz betreffen, für durchaus unbegründet. Die Fakultät findet ihrerseits keine Veranlassung, in die schwebende Kontroverse über den Gesamtwert des Buches des Herrn Dr. Salz einzugreifen. Sie ist jedoch der Meinung, daß die generelle Selbständigkeit der Arbeit auch durch die bisher vorgebrachten einzelnen formellen Beanstandungen nicht in Frage gestellt wird, und daß überhaupt in den bisherigen kritischen Auseinandersetzungen eine Würdigung des ganzen Sachgehaltes der Arbeit noch nicht erfolgt ist. Aus diesen Gründen sieht sich die Fakultät nicht veranlaßt, das von Herrn Dr. Salz gegen sich beantragte Disziplinarverfahren einzuleiten.“ III.15 „In der Angelegenheit der Nichtnennung der Schebekschen Preismaterialien16 in der Böhmischen Industriegeschichte von Dr. Arthur Salz habe ich zu erklären, daß ich seinerzeit Herrn Dr. Salz die ursprünglich von ihm vorgenommene Nennung der Materialien in seiner Einleitung und eine Schilderung der Vorgänge zwischen ihm und der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft und Kunst in Prag17 widerraten habe.18 Ich habe das getan berg vom 26. Juni 1914, MWG II/8, S.  730–743; dort heißt es: „Ich darf als selbstverständlich voraussetzen, daß die Ausfechtung dieses Streits mir ganz allein überlassen bleibt.“ (ebd., S.  731). 15  Max Weber gibt die Erklärung seines Bruders Alfred Weber an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 8. Juli 1914 wieder, UA Heidelberg, H-IV102/140, Bl. 326 f. Ein Abdruck erschien in: DLZ, 35. Jg., Nr.  30 vom 25. Juli 1914, Sp.  1915. 16  Schebek, Collectiv-Ausstellung. Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  426, Anm.  25. 17  Die 1891 gegründete „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen“ gewährte Arthur Salz eine finanzielle Unterstützung für die Vorarbeiten zu seinem Buch. Salz zufolge wollte die Gesellschaft verhindern, daß das von ihm wiederentdeckte und benutzte Material (Schebek, Collectiv-Ausstellung) „in andere als deutsche Hände falle und von nichtdeutscher Seite zuerst bearbeitet würde.“ Vgl. Salz, In eigener Sache, S.  533 f. 18  In einem Brief an Else Jaffé vom 5. Juli 1914 schrieb Alfred Weber (Nl. Alfred Weber, BA Koblenz, Nr.  66), er habe Arthur Salz den Rat gegeben, die bibliographischen Angaben sowie die Fundstelle der Schebekschen Preismaterialien zu verschweigen.

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erstens, um Auseinandersetzungen über persönliche und sachliche Angelegenheiten, die mir vor der breiten Öffentlichkeit nicht wünschenswert, vor allem auch für die Gesellschaft selbst an-  gesichts ihres Verhaltens zu den Materialien nicht wünschenswert erschienen, zu vermeiden, und zweitens gleichzeitig, um die von der Gesellschaft bezüglich der Materialien gewünschte Rücksicht einzuhalten. Wenn die Gesellschaft jetzt das Verlangen dieser Rücksichtnahme einschränkend interpretiert2), so ist zu sagen, daß Dr. Salz 

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2)  In Heft 10 des 13. Jahrgangs der Prager Monatsschrift „Deutsche Arbeit“,19 wo- A 229 selbst es nach Darstellung des Streitfalles heißt: „Zur Frage, ob die Nichtangabe der Quelle durch Herrn Salz auf die Gesellschaft zurückgeführt werden könne, sei zunächst bemerkt, daß in den Zuschriften der Gesellschaft an Herrn Salz von einer Geheimhaltung des Materials nicht die Rede ist. Ebensowenig sind nach dieser Richtung oder wegen Monopolisierung des Materials für eine deutsche Bearbeitung interne Beschlüsse in der Gesellschaft gefaßt oder Beratungen gepflogen worden. In Besprechungen, die im Laufe der Jahre, die Herr Salz in Prag verbrachte, zwischen ihm und einem Mitgliede der mit dieser Angelegenheit beschäftigten Kommission der Gesellschaft20 stattfanden, hat dieses hervorgehoben, daß die Fortsetzung der Salzschen Untersuchungen unterbrochen werden könnte, wenn bekannt würde, daß die Schebekschen Kollektaneen sich in der hiesigen Bibliothek befinden; denn die Bände müßten in dieser jedem zum Studium übergeben werden, der sich meldet, und es sei auch die Möglichkeit von Entlehnungen nicht auszuschließen. Es wurde im Anschluß hieran von demselben Mitgliede betont, daß es für die Gesellschaft nicht angenehm und nicht wünschenswert wäre, wenn das in deutscher Sprache abgefaßte, von einem Deutschen (Schebek) gesammelte und von einem anderen Deutschen gefundene Material, an dessen wissenschaftlicher Behandlung die Gesellschaft materiell interessiert ist, nicht von deutscher Seite zuerst bearbeitet würde. (Von mir gesperrt. M. W.) Diese Bemerkungen bezogen sich auf das Salzsche Werk: es sollten alle Hemmnisse, Weiterungen und Schwierigkeiten hintangehalten werden, die mit konkurrierenden Bearbeitungen verbunden sein können. Ein Verhalten im Sinne dieser Auffassung entsprach dem Interesse der Salzschen Untersuchungen. Ein Ehrenwort wurde von ihm nicht verlangt und nicht gegeben, aber er hat den erwähnten Standpunkt sofort akzeptiert. Daß die Quelle, der die Preise entstammen, im Salzschen Buche genannt werden solle, hielt die Kommission, wie dies der Natur der Sache entspricht, für selbstverständlich. Es liegt aber auch ein Beweis vor: in einem der Vollversammlung der Gesellschaft im Jahre 1909 erstatteten Berichte, der die Salzsche Industriegeschichte betrifft, wurden u. a. über Inhalt und Gliederung dieses Buches Mitteilungen gemacht;

„Ich habe, um für Salz gestern eine auch nur einigermaßen anständige Erklärung in der Fakultät durchzusetzen, – wenigstens die Schuld der Nichtnennung des Namens ganz und gar auf mich genommen.“ 19  Max Weber zitiert hier aus dem Abdruck der Ersten Erklärung der Prager Fakultät in der Deutschen Arbeit, Jg. 13, Heft 10, 1914, S.  651–664, hier S.  663 f. 20  Gemeint ist die „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen“. Vgl. dazu oben, S.  454, Anm.  17.

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diese einschränkende Interpretation bei dem bestimmt und mehrfach geäußerten Verlangen der Geheimhaltung nicht ahnen konnte 21

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demnach sollte in einem besonderen Abschnitte der Arbeit die Eigenart des vorliegenden Quellenmaterials, darunter auch der Schebekschen Sammlung, dargestellt werden. Es war also der Diskretion von vornherein eine bestimmte zeitliche Grenze gezogen. Es wurde mit Herrn Salz von demselben Mitgliede der Kommissiona 21 gelegentlich auch die Frage erörtert, ob eine zweite Kraft zur Mitwirkung herangezogen, d. h. ob mit einem fachlich geeigneten Herrn über diese Angelegenheit gesprochen werden sollte. Davon wurde jedoch auf Wunsch des Herrn Salz abgesehen und die Frage der Teilung der Arbeit war damit endgültig beseitigt. Die Monopolisierung des Materials für eine deutsche Bearbeitung überhaupt besaß anläßlich der Salzschen Untersuchungen keine Aktualität und ist, wie erwähnt, in der Gesellschaft niemals erörtert worden. EbensoA 230 wenig bildete die Frage einer über  die Salzschen hinausgehenden, oder einer im Falle der Ablehnung der Salzschen Arbeit vorzunehmenden deutschen Behandlung des Materials den Gegenstand von Beratungen in der Gesellschaft oder mit Herrn Salz. Tatsächlich hat die Gesellschaft auch nach Ablehnung der Salzschen Industriegeschichte keinen Schritt wegen einer deutschen Bearbeitung getan. Sie betrachtet ihr Eingreifen in dieser Angelegenheit als durch die Salzschen Untersuchungen abgeschlossen. Wenn Herr Salz die Nichtangabe der Quelle damit erklärt, daß er die Pläne der Gesellschaft, auch nach Erscheinen seines Buches eine deutsche Bearbeitung des Schebekschen Materials zu bewirken, nicht durchkreuzen wollte, so hat er die oben erwähnten Bemerkungen über die Behinderung, die seine Untersuchungen durch die Mitteilung erfahren könnten, daß die Schebeksche Sammlung sich in der hiesigen Bibliothek befinde usw., in sehr weitem Sinne aufgefaßt. Zur Frage, ob dieser Glaube als begründet bezeichnet werden könne, sei nur angeführt, daß bei Mitteilung der Ablehnung der Industriegeschichte an Herrn Salz mit keinem Worte davon die Rede war, daß die Gesellschaft das Material nun von einer anderen Kraft behandeln lassen werde“. (S.u.!22 M. W.) „Herr Salz hat in der ursprünglichen Fassung der Vorrede, wie er nun bekannt gibt, die Quelle der Preiszusammenstellungen angegeben, aber diese Stelle auf Rat eines Gelehrten23 weggestrichen. Herr Salz würde, da er im Zweifel war, richtig gehandelt haben, wenn er an die Gesellschaft die Frage gerichtet hätte, ob sie gegen die Angabe der Quelle etwas einzuwenden habe. Diese Frage wäre natürlich verneinend beantwortet worden. Mit dieser Anfrage würde er sich auch persönlich nichts vergeben haben, da die Beziehungen nicht abgebrochen waren. Es kann als unstreitig hingestellt werden, daß Herr Salz, indem er diesen Schritt nicht machte, in dieser für ihn so wichtigen Angelegenheit die nächstliegende Sorgfalt anzuwenden unterlassen hat.“ – Soweit die Gesellschaft. Zu dem angemerkten Satz des letzten Absatzes ist ergänzend zu bemerken: daß Gründe der Ablehnung überhaupt nicht angegeben wurden, auch ein Brief eines Heidelberger Professors an ein Mitglied der Prager Fakultät,24 welcher diese erbat, auffallenderweise gänzlich unbeantwortet blieb. (Nach Privatmitteilung sei er nicht an den Adressaten gelangt.) Da im übrigen die Benutzung des Materials durch Herrn Dr. Salz mit diesem Buche nicht erledigt sein, sondern die Entwicka A: Komission 21  Es handelt sich vermutlich um Arthur Spiethoff. 22  Unten, S.  473. 23  Gemeint ist Alfred Weber, vgl. oben, S.  454, Anm.  15. 24  Ein Brief eines Heidelberger Professors an ein Mitglied der Prager Fakultät ist nicht nachgewiesen.

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und daß für ihn ein Schritt, der eine Inanspruchnahme einer Gefälligkeit der Gesellschaft für die Publikation bedeutet hätte, bei Lage der Sache (nach der ihm zuteil gewordenen Abweisung) nicht möglich war. Es ist demnach für Dr. Salz ein im Interesse der Gesellschaft stillschweigend übernommenes Opfer gewesen, die Schebekschen Materialien25 nicht zu nennen, wie es für mich ein Opfer war, ihm den  Rat einer so weitgehenden Rücksicht auf die Wünsche der Gesellschaft zu erteilen. Heidelberg, den 8. Juli 1914. (gez.) Professor Dr. Alfred Weber.“

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IV. Zu der Publikation der Prager Fakultät ist, unter Zurückhaltung aller naheliegenden scharfen Bemerkungen, von meiner Seite zu sagen: Vorweg: wenn sie Anstoß daran nimmt, daß ich „offenbar“ über die Person und Leistungen des Herrn Prof. Dr. Paul Sander nicht unterrichtet sei, so erwidere ich: ich kannte ihn als Schriftsteller3), 26 27

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lung der landwirtschaftlichen Verhältnisse umfassen sollte (die entsprechenden Exzerpte lagern bei ihm), so bestand selbst nach ihren eigenen Darlegungen die Diskre­ tions­pflicht fort. Und wie Dr. Salz sie auffaßte, war ersichtlich: denn in einer früheren, den Herrn zugänglichen, Darlegung war für die Materialien das ungewöhnliche Mittel eines nur Eingeweihten verständlichen Deckzitates verwendet. (Wallenstein als Merkantilist, p.  25, Anm.  1 des Separat-Abdruckes. Erschien 1909 in den Mitteilungen z[ur] Gesch[ichte] der Deutschen Böhmens).26 Daß trotzdem gegen Herrn Dr. Salz ein Vorwurf mangelnder Sorgfalt zu erheben versucht wird, ist höchst bedauerlich.  3)  Meine Bemerkung:27 er werde vielleicht „in Zukunft“ gute historische Arbeiten A 231 machen, bezog sich selbstredend auf das hier in Frage stehende Gebiet der böhmischen Industriegeschichte, auf dem er, wie ich damals glauben mußte, arbeitete. Um auch das nicht zu verschweigen: trotz der durch v. Below hervorgehobenen und anderer Mängel habe ich aus meiner Schätzung für sein Buch über „Feudalstaat und bürgerliche Gesellschaft“ keinen Hehl gemacht.28 Es ist ganz ebenso nützlich wie das Buch von Dr.

25  Vgl. dazu oben, S.  426, Anm.  25. 26  Salz, Wallenstein. 27  Max Weber zitiert hier frei aus seinem „Redaktionellen Nachwort“, das im AfSSp erschienen ist. Zum Wortlaut vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  441. 28  Gemeint ist: Sander, Feudalstaat. Eine Besprechung Max Webers zu diesem Buch liegt nicht vor. Below nannte das Buch einen „Mißerfolg“, da Sander versucht habe, eine juristische Frage mit soziologischen Betrachtungen zu lösen. Vgl. Below, Georg

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dagegen war mir die Tatsache, daß er inzwischen Professor geworden sei, bei meiner Gleichgültigkeit gegen akademische Personalien in der Tat unbekannt geblieben, hätte aber zur Sache auch nichts ausgetragen, am wenigsten etwas zu seinen Gunsten. Allgemein bemerke ich: Jedermann kann sehen, daß ich4) meine Bemerkungen29 geschrieben habe in ganz persönlicher starker Entrüstung  darüber, daß ein offenkundig, wie jetzt auch die hie30

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Salz, obwohl es gerade von solchen Fehlern, die er selbst an diesem hart rügt, nicht etwa frei ist, wie ich öffentlich nachzuweisen erbötig wäre. Hier aber hat man es ebenso wenig mit den Büchern des Herrn Prof. Sander wie mit denen des Herrn Dr. Salz zu tun. 4)  Da dort zulande vielleicht nicht die richtigen Vorstellungen davon herrschen, wie man hier bei uns solche Dinge behandelt, so sei besonders bemerkt (was sich eigentlich von selbst versteht): ich habe von der Replik des Herrn Prof. Sander und von meiner Absicht, dieses Geleitwort30 zu schreiben, mit niemandemb (ich bitte ganz genau zu lesen: „mit niemandem“) auch nur ein Wort gesprochen, und niemand hat davon, ehe es gedruckt war, erfahren, weil ich in solchen Dingen stets allein und auf alleinige Verantwortung ohne Deckung durch irgend jemand zu handeln pflege. – Als einige Herrn einen unbeteiligten hiesigen Fachkollegen31 auf die Rezension aufmerksam machten, fand dieser sie derart, daß man darauf überhaupt nicht nötig habe zu reagieren. Dr. Salz erhielt daher Kenntnis davon erst durch einen anderen Fachkollegen.32 Da in der D.L.Z. kein Raum war, bat er mich unter Darlegung der Vorgänge, ihm im „Archiv“ Raum zu gewähren.33 Ich erklärte ihm, daß ich dies nach näherer Prüfung der Sachlage „kurz“ motivieren müsse und mußte trotz seiner dringenden Bitte, dies wegen des

b A: niemanden von, Der deutsche Staat des Mittelalters. Ein Grundriß der deutschen Verfassungsgeschichte, 1.  Band: Die allgemeinen Fragen. – Leipzig: Quelle & Meyer 1914, S.  104– 107. 29  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 30 Gemeint sind: Sander, Antwort, und Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 31  Um wen es sich dabei handelt, konnte nicht aufgeklärt werden. 32  Es dürfte sich um den Heidelberger Historiker Hermann Oncken handeln, wie aus dem Brief von Alfred Weber an Else Jaffé vom 16. Jan. 1914 (Nl. Alfred Weber, BA Koblenz, Nr.  66) hervorgeht: „Da erzählt mir plötzlich der Oncken, daß ihm in einer Besprechung seines Buchs in der Deutschen Literaturzeitung (Du weißt, erstklassiges Organ) schon vor einem Vierteljahr Plagiat vorgeworfen sei! Telefon! Er hat die Sache bis dahin ebenso wenig gesehen wie ich.“ 33  Die Deutsche Literaturzeitung druckte nur eine kurze Replik von Arthur Salz auf die Rezension von Paul Sander ab (Salz, Entgegnung), auf welche Paul Sander im selben Heft antwortete (Sander, Antwort). Wie Alfred Weber am 16. Februar 1914 an Else Jaffé schrieb (Nl. Alfred Weber, BA Koblenz, Nr.  64), war er es, der Salz von der Notwendigkeit einer ausführlichen Antwort überzeugt hatte. „Es liegt das größte Interesse vor, daß die ausführliche Antwort im nächsten Archivheft kommt und wirklich gut ist. Ich hab’ ihm das heute andeuten müssen, was mir nicht leicht ward.“

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sige Fakultät festgestellt hat,34 gegen die persönliche Ehre des Herrn Dr. Salz erweckter sehr böser Schein, der ehrenrührigste, der einen Gelehrten treffen kann, auf Vorhalt nicht sofort entweder durch ausdrückliche Erhebung des entsprechenden Vorwurfes der gerichtlichen Feststellung zugänglich gemacht oder ebenso offen aus der Welt geschafft wurde, wozu die Entgegnung des Herrn Dr. Salz unter allen Umständen Anlaß geben mußte. – Die schwer verletzenden Äußerungen des Herrn Prof. Sander waren dabei offensichtlich Produkt ganz leidenschaftsloser Überlegung: eben dies veranlaßte meine Schärfe4a). Was man nun gar davon halten soll, wenn ein Dutzend Kollegen als „Fakultät“ die Köpfe zusammenstecken und dann, als Kollektivprodukt, ausgeklügelte Scheltworte gegen mich in die Welt gesetzt werden, weiß ich wirklich nicht. Der Eindruck stimmt Niemanden ernst. Zu ihren Ausführungen aber bemerke ich der Fakultät das Folgende: Die Fakultät behauptet, meine Gegenäußerung hätte von der Frage auszugehen gehabt, ob das rezensierte Buch mit Recht ungünstig beurteilt worden sei.35 Denn nur im Fall der Verneinung 36

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möglichen falschen Scheins, als wolle ich ihn „in Schutz nehmen“, zu unterlassen, dabei bleiben, weil diese Rezension einen „Typus“ vertrat. – Seine höchst bedenklich mißdeutbare „Replik“36 schickte Herr Prof. Sander vier Fakultätsmitgliedern37 zu, wie ich jetzt gern annehme, ohne denunziatorische Absicht. Darüber aber, daß dieser Eindruck entstand, darf er sich bei der Eigenart der Replik nicht wundern. Da Entgegnung und Replik38 auf den gleichen Seiten der D.L.Z. stehen, konnte niemand die erste ohne die  letzte lesen und bestand also irgend ein Bedürfnis nach dieser auffälligen Zustel- A 232 lung objektiv überhaupt nicht. 4a)  Wenn ich ihm also zu Unrecht eine „leidenschaftliche“ Absicht der Verletzung der Ehre des Herrn Dr. Salz vorwarf,39 so wäre der Gegensatz: „wohlüberlegt“, wohl noch gravierender gewesen. 

34  Gemeint ist die Stellungnahme der Heidelberger Fakultät vom 7. Juli 1914 (wie oben, S.  420, Anm.  16). 35  „Man sollte gerade umgekehrt erwarten, daß zunächst ins Klare gestellt wird, ob das Buch gut oder schlecht ist.“ Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  6. 36  Sander, Antwort. 37  An welche Fakultätsmitglieder Paul Sander seine Antwort schickte, geht aus den Akten des Universitätsarchivs Heidelberg nicht hervor. 38  Salz, Entgegnung, und Sander, Antwort. 39  Bei Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  432, heißt es, „daß die leidenschaftliche Begierde, einem anderen die literarische Ehre abzuschneiden, ein schlechter Berater ist“.

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dieser Frage wären weitere Vorwürfe überhaupt berechtigt gewesen. Ich muß sehr entschieden bitten: das Streitobjekt nicht zu entstellen. Nachdrücklich wie nur irgend möglich habe ich festgestellt: daß dies Buch und seine Vorzüge oder Mängel mich bei dieser Gelegenheit gar nichts angehe, daß aber die rücksichtsloseste, auch nicht einen Stein auf dem andern lassende, rein sachliche Kritik nicht die geringste Berechtigung geben könnte für jenen Schein eines unfairen Verhaltens, den der Rezensent auf den Autor geworfen hat. Vermutlich hätte ich die schwersten Bedenken getragen, Raum im „Archiv“ für die Gegenäußerung des Herrn Dr. Salz zu beantragen,40 wenn es sich nur um eine Kontroverse rein wissenschaftlichen Charakters über sein Buch gehandelt hätte. Jeder von uns weiß c[oder sollte wissen: wenigstens ich gebe es zu]c: daß er gelegentlich angreifbare Arbeiten liefert. Wenn der Rezensent nur den Eindruck erweckt hätte, welchen jetzt die Fakultät in ihrem Resümee der Rezension als von ihm allein hervorgerufen vortäuscht: daß Herr Dr. Salz, nach anderen anerkannten Arbeiten, auch einmal ein mangelhaftes Buch geschrieben habe, ja selbst, wenn er behauptet hätte: daß das Buch grundschlecht oder daß es miserabel gearbeitet sei, dann hätte jedenfalls ich meinerseits auch bei noch so abweichender Ansicht keine Feder angesetzt. Denn weit schwerere wissenschaftliche Vorwürfe sind, wie erinnerlich, wiederholt in den härtesten überhaupt möglichen Formen von Gelehrten ersten Ranges gegen andere Gelehrte gerichtet worden, die auf unseren allerersten Lehrstühlen sitzen, und niemand ist auf  die Idee verfallen, daß sie die persönliche Ehre des Angegriffenen berührten. Hier aber handelte es sich objektiv um Angriffe auf die Ehre, dem schuldhaft erweckten Anschein nach sogar nur um solche. Jedes Hinüberspielen der Erörterung auf die Bewertung des Buchs fälscht die Streitlage.

c–c  [ ] in A. 40  Gemeint ist: Salz, In eigener Sache. Eine entsprechende Anfrage von Max Weber an seine Mitherausgeber ist im Verlagsarchiv Mohr/Siebeck nicht überliefert.

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Ich habe noch schärfer die Irreführung zurückzuweisen, welche in der Behauptung5) liegt: ich sei für die Person des Herrn Dr. 41

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  Des Rezensenten in der D.L.Z. vom 6. Juni,41 wo er folgendes publizierte: A 233 „In eigener Angelegenheit. Im neuesten Heft des ‚Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik’ (Bd. 38, 539 ff.), das mir infolge der Ferien erst jetzt bekannt geworden ist, nimmt der Mitherausgeber dieser Zeitschrift, Herr Max Weber, Veranlassung, gegen meine Anzeige des Buches ‚A. Salz, Geschichte der böhmischen Industrie der Neuzeit’ (DLZ. 1913, Nr.  42) Verwahrung einzulegen. Die sachlichen Einwände, die er dabei geltend macht, werde ich mit aller wünschenswerten Genauigkeit an einem anderen Ort widerlegen. Sie vermögen trotz der Entschiedenheit, mit der sie auftreten, meine Beurteilung des Salzschen Buches nicht umzustoßen, aber sie erfordern eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Buche selbst und mit den z. T. überraschenden Verteidigungsgründen, die von Herrn Salz und seinem Beschützer dafür ins Feld geführt werden.   Leider läßt es Herr Max Weber aber bei einer sachlichen Antikritik nicht bewenden, sondern erlaubt sich, meiner Kritik unlautere Beweggründe zu unterstellen. Ohne jeden Grund behauptet er, ich sei auf demselben Gebiete tätig wie Herr Salz und daher durch ‚zum mindesten höchst subalterne Motive‘ (S.  549) zu meinem ungünstigen Urteil über das Buch veranlaßt worden[“] (folgen weiter die Wendungen, durch welche Prof. Sander sich beleidigt fühlt und die jetzt – s. u.42 – wohl nichts mehr zur Sache tun).43   „Gegen diesen persönlichen Angriff, der alle bisherigen ähnlichen Leistungen des Herrn Max Weber tief in den Schatten stellt, ist, weil er sich unmittelbar gegen meine bürgerliche Ehre richtet, ein Kampf mit wissenschaftlichen Argumenten unmöglich. Über ihn wird daher das Gericht zu entscheiden haben, vorausgesetzt, daß nicht bessere Einsicht Herrn Max Weber veranlaßt, seine Beleidigungen alsbald an derselben Stelle, wo er sie ausgesprochen hat, in vollem Umfange zurückzunehmen.  Prag. Paul Sander“.   So kurz die Erklärung war, so enthielt sie doch nicht weniger als drei irrige Angaben, welche vermieden werden konnten und mußten. 1. Ich hatte nirgends von „unlauteren“, sondern von „subalternen“ Motiven gesprochen.44 – 2. Die völlige Korrektheit des „bürgerlichen“ Verhaltens des Herrn Prof. Sander ist von mir nicht in Zweifel gezogen. Die Vorwürfe bezogen sich auf sein literarisches Verhalten in einem Fall, wo er selbst, wenn seine Worte objektiv interpretiert wurden, einen schwer ehrenrührigen Vorwurf gegen das literarische Verhalten eines jungen Kollegen gerichtet hatte (der sich im Gegensatz zu ihm nicht in Amt und Würden befindet). – 3. Vor allem aber war aus meiner Äußerung mit absoluter Eindeutigkeit zu ersehen, daß ich nicht als „Beschützer“ des Herrn Dr. Salz auftrat. Ich weise diese Entstellung gebührend zurück und bemerke nur: das Referat über das Buch desselben, welches der Herr Referent leider wegen Arbeitsüberhäufung erst gegen Ende des Jahres liefern zu können erklärt, lag und liegt in den Händen eines Gelehrten, von dem mir genau bekannt  ist, daß er A 234 das Buch in den wichtigsten Punkten ablehnt.45 Niemals hat unsre Zeitschrift zu dem 5)

41  Sander, Angelegenheit. 42  Unten, S.  465 f. 43  Max Weber läßt in der Wiedergabe von Sander, Angelegenheit, 27 Zeilen aus. 44  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  439. 45  Als Rezensent für das „Archiv“ von Salz, Böhmische Industrie, war Karl Grünberg vorgesehen. Vgl. dazu den Brief Max Webers an die Philosophische Fakultät der Uni-

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Salz  eingetreten. Das hatte sich, wie ich festgestellt hatte,46 Herr Dr. Salz ausdrücklich bei mir verbeten, und jedermann kann sich ohne Weiteres sagen: daß es für ihn selbstverständlich nur unangenehm sein konnte, daß ein seine Person betreffender Vorfall den Anlaß zu meinem Protest gab. Denn dies: gegen eine, trotz aller Veränderung meines Urteils über Herrn Sanders persönliche Absichten, welche mir (s. u.)47 durch private Versicherungen ermöglicht ist, nach wie vor bedingungslos zu verurteilende Art des Rezensierens ein für allemal zu protestieren und zu zeigen, wohin sie führt, war der für Jeden offensichtliche und ausschließliche Zweck meines Geleitswortes.48 Das mußte jeder, den es anging, sehen. Sollte jetzt noch die Andeutung gewagt werden:d daß etwas anderes, insbesondere ein Vorgehen im Interesse der Person des Herrn Dr. Salz, beabsichtigt gewesen sei, so würde ich bedauern, den, der es täte, als „Verleumder“ bezeichnen zu müssen. Schon an sich, vollends aber angesichts dieses offenkundigen Sachverhaltes, vermisse ich nun mit peinlicher Überraschung in dem von der Fakultät gegebenen Resümee der Streitlage jede Würdigung von Sätzen wie den folgenden:49 „In Wirklichkeit zeigt sich, daß er (der Autor) durchaus nicht abgeneigt ist, seine Selbständigkeit preiszugeben, um (sic) den Anschein der Vollständigkeit zu

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Glauben Anlaß gegeben, sie schütze irgend einen Autor gegen wissenschaftliche Angriffe noch so schwerer Art. (Mir hat die Aufnahme von scharfen Rezensionen gelegentlich persönliche Unannehmlichkeiten mit befreundeten Kollegen bereitet, und Prof. Sombart ist im Archiv selbst auf das schärfste angegriffen worden).50 Ich darf daher solche Bemerkungen mir verbitten.  d A: werden; versität Heidelberg vom 26. Juni 1914, MWG II/8, S.  730–743, hier S.  733. Eine Besprechung des Buches ist im AfSSp nicht erschienen. 46  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  422. 47  Unten, S.  468. 48  Gemeint ist: Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 49  Weber zitiert Sander, Rezension, Sp.  2680. 50  Max Weber denkt hier – wie aus dem Brief an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914, ebd., S.  733 f., hervorgeht – an die im AfSSp erschienenen Rezensionen von Franz Eulenburg zu: Simmel, Georg, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie, 3., erweiterte Aufl. – Leipzig: Duncker & Humblot 1907 (AfSSp, Band 29, Heft 1, 1909, S.  168–197), von Emil Lask zu: Schmidt, Richard, Allgemeine Staatslehre, Band I. – Leipzig: C. L. Hirschfeld 1901 (AfSSp, Band 19, Heft 3, 1904, S.  460–478), und von Julius Guttmann zu: Sombart, Werner, Die Juden und das Wirtschaftsleben. – Leipzig: Duncker & Humblot 1913, (AfSSp, Band 36, Heft 1, 1913, S.  149–212).

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erwecken.“ „Wiederholt übernimmt er …. auch die Quellen seines Gewährsmanns, so daß der Schein entsteht, er selbst habe die Studien gemacht, die in Wahrheit das Werk jenes sind ….“ „Auch auf S.  331 wird Hallwich ausgeschrieben, während Hörnigk zitiert wird.“ Und vor allem, auf den Vorhalt des Autors, daß ihm der Vorwurf des Plagiats gemacht werde, in der Replik: „Das Wort (sic) ‚Plagiat‘ habe ich selbst (sic) nicht gebraucht …“ „auch hier wird ein Druckfehler zum Verräter.“ Kein Unbefangener konnte auf den Gedanken verfallen, daß darin etwas anderes als ein unfaires Verhalten angedeutet werde. Namentlich der vorletzte hier (von mir) unterstrichene Satz ist ja objektiv gänzlich eindeutig. Es ist mir auch damals, bei Erscheinen jener Replik, schlechterdings niemand bekannt geworden, der ihn nicht ganz genau so gedeutet hätte, wie ich es tat. Wie sich jetzt zeigt, hat auch die Heidelberger Fakultät sich der Feststellung, daß objektiv ein persönlicher Angriff auf die Ehre des Herrn Dr. Salz vorliegt, voll angeschlossen.51 Und dieser Eindruck mußte ja, wenn es noch nötig gewesen wäre, zur vollen Gewißheit werden durch die Art, wie in einem doch kaum jemals dagewesenen Umfang statt jeder eingehenden Auseinandersetzung mit Meinungen des Autors wieder und wieder nur von angeblichen Abhängigkeiten von anderen, von Parallelzitaten, von übernommenen Druckfehlern u. dergl. die Rede war, – fast ausnahmslos unter Heranziehung eines 13½ Seiten langen, unter Zitat nacherzählten Abschnitts, – wie versichert wurde: der Verfasser unterstütze die Erwartung, daß bestimmte Archivalien benutzt seien, ohne daß dies den Tatsachen entspreche, er habe, wie dem Rezensenten „mitgeteilt“ werde, umfangreiche Rechenarbeiten, die an sich eine höchst anerkennenswerte Leistung darstellen würden, sich von anderen liefern lassen und dabei, dem erweckten Anschein zuwider, nur deren Resultat übernommen, er bekenne erst jetzt (in seiner Entgegnung), fremde Kollektaneen benutzt zu haben, so daß der Rezensent selbst in seiner Rezension die eigene Archivarbeit des Autors noch zu hoch veranschlagt habe, endlich durch die

51  In der Stellungnahme der Heidelberger Fakultät vom 7. Juli 1914 (wie oben, S.  420, Anm.  16), erklärt die Fakultät „die Angriffe des Herrn Professor Sander, soweit sie die persönliche und literarische Ehre des Herrn Dr. Salz betreffen, für durchaus unbegründet“.

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Anzweifelung ausdrücklicher tatsächlicher Angaben des Autors und den überaus höhnischen Ton, der angeschlagen wurde. Danach konnte eine andere Deutung als die angegebene bei Unbefangenen ganz unmöglich auch nur aufkommen. Ohne die zitierte ausdrückliche Bemerkung aber: das Wort „Plagiat“ nicht gebraucht zu haben (in einem Falle, wo zur Erörterung stand: ob der Sachverhalt eines solchen behauptet werde), würde ich mich dennoch mit einer ganz allgemein gehaltenen Begründung der Aufnahme der Gegenerklärung des Autors begnügt haben, wie sie nach unseren Grundsätzen erfolgen mußte. Aber jene Wendung in Verbindung mit dem vom Rezensenten tatsächlich gebrauchten Wort „ausschreiben“ ließ nicht nur nicht den geringsten Zweifel, daß tatsächlich jener Vorwurf beabsichtigt werde. Sondern ich mußte nunmehr vor allem den bestimmten Eindruck gewinnen, daß der Rezensent die Erfüllung der akademischen Pflicht vermissen lasse: einen solchen Vorwurf auf Vorhalt entweder ganz unzweideutig und ausdrücklich zu erheben und zu vertreten, oder aber ebenso deutlich und ausdrücklich festzustellen: daß er nicht erhoben werde. Mit völligem Stillschweigen gleitet die umfangreiche Erklärung der Fakultät52 über diesen offenbar allein für den ganzen Streit entscheidenden Punkt hinweg. Statt dessen erweckt sie den Anschein: als hätte ich meine durch jene schwer ehrenkränkenden Äußerungen begründeten Vorwürfe auf sachliche Beanstandungen aufgebaut, durch deren „Widerlegung“ irgend etwas geändert werden könnte. Allein: wären die Behauptungen des Rezensenten selbst alle richtig, so wäre die Erweckung jenes bösen Scheins dennoch schwer schuldhaft. Ganz gelegentlich und nebenher sucht denn auch die Fakultät wenigstens eine jener Wendungen als objektiv harmlos erscheinen zu lassen. Aber was soll man eigentlich denken, wenn sie da versichert: „Ausschreiben“ (eines Schriftstellers, während ein anderer zitiert werde) und „Plagiieren“ sei zweierlei? Es hieß einmal: in Österreich freue man sich des Verschwindens des „Defizit“, da fortan nur noch ein „Fehlbetrag“ vorhanden sei. Allein ein amtliches Schriftstück einer Fakultät sollte nicht den Spott herausfor-

52  Gemeint ist die Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13).

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dernd 6). Stellte die Fakultät aber die Anforderung rückhaltloser Offenheit an ihre Mitglieder nicht, so wäre das beklagenswert. Ich sage offen: daß ich jemandem, der einen ehrenrührigen Anschein versteckt und juristisch unangreifbar erweckt, schlechthin alles zutraue. Daß ich dem Rezensenten mit einer bestimmten – wie ich sagte: „subalternen“53 – Deutung seiner Motive Unrecht tat, habe ich selbstverständlich alsbald, nachdem er diese bestritt, rückhaltlos gut gemacht7), behielt aber damals natürlich das Gefühl: daß er sich eigentlich ernstlich kaum beschweren dürfe, wenn man seine Gesinnung so ungünstig (wenn auch irrig) gedeutet habe, 54

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6)  Denn mit der „Begründung“ der Anwendung edieses eigentümlichen Dialektse A 236 für diesen Fall steht es erst recht übel: Zitate, um die es sich ja hier allein handle, könne man ja überhaupt nur „ausschreiben“, meint die Fakultät, – um schon eine Seite später weitläufig den Beweis anzutreten, daß vom Rezensenten ganz mit Recht an eben jener selben Stelle nicht eine bloße Übernahme von Zitaten, sondern vielmehr eine „sachliche Abhängigkeit“ behauptet werde! Ich kann dieses Eintreten für zwei einander entgegengesetzte Behauptungen, je nachdem, welche von beiden es gerade zu rechtfertigen gilt, wirklich nicht für einer akademischen Körperschaft in einem amtlichen Schriftstück angemessen erachten und es noch schwerer mit den Vorwürfen vereinbaren, welche die Fakultät mir machen zu dürfen glaubt und die ich ihr hiermit zurückgebe. 7)  Die nachstehende Erklärung54 wurde sofort nach Kenntnisnahme von der oben wiedergegebenen Erklärung des Herrn Prof. Sander vom 6. Juni am 10. Juni der D.L.Z. eingeschickt und erschien in Nr.  26, also vor der Publikation der Prager Fakultät:   „Zu der Äußerung des Herrn Paul Sander vom 6. Juni (Sp.  1460–61) möchte ich mit freundlicher Erlaubnis der Schriftleitung folgendes bemerken:   1. Seine Erklärung: daß er nicht auf dem gleichen Gebiet wie Herr Salz tätig sei, ergibt, daß mit den an diese Annahme geknüpften Folgerungen ihm zweifellos Unrecht geschehen ist, wie ich gern erkläre. Es tut mir leid, in diesem Punkt einem täuschenden Anschein getraut zu haben, andrerseits aber bin ich erfreut, ihn darin anders als geschehen beurteilen zu dürfen.   2. Herr Paul Sander sieht, daß man einen ungerechten Vorwurf loyal aus der Welt schaffen kann. Es liegt ihm ob, dies Herrn Salz gegenüber mit jener unverklausulierten Rückhaltlosigkeit zu tun, welche der Sachlage entspricht. An seine ‚Einsicht‘ zu appellieren, habe ich nicht nötig, denn diese besitzt er. Ich wende mich an Eigenschaften der ‚Gesinnung‘.   3. Guten Gepflogenheiten gemäß wird die jetzige, ebenso wie eine etwaige weitere Erklärung des Herrn Paul Sander den Lesern des ‚Archiv‘ vollinhaltlich zur Kenntnis

d A: herausfordern  e Lies: dieser eigentümlichen Dialektik 53  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  441. 54  Gemeint ist: Weber, Erklärung zu Paul Sander, oben, S.  448 mit Anm.  2.

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nachdem er selbst, unprovoziert und grundlos, weit Schlimmeres Herrn Dr. Salz versteckt untergeschoben habe. – Die Fakultät konnte natürlich erklären: sie habe sich – wie sie ja unbedingt tun mußte, wenn sie Herrn Prof. Sander in Schutz neh- men wollte, – die Gewähr verschafft, daß der Rezensent ein unfaires Verhalten des Autors nicht behaupten wollte. Dann gewann der ganze Fall sofort ein anderes Gesicht, und dies wäre das Verdienst der Fakultät gewesen. Sie erklärt das nicht nur nicht, sondern erweckt leider direkt den Anschein, eine solche Ansicht des Rezensenten auch ihrerseits zu unterstützen, wie ich noch feststellen werde8). Ganz ebenso wäre der Fall sofort erledigt gewesen, wenn Herr Prof. Sander selbst alsbald, nachdem er bemerkte: zunächst, daß bei demf Autor selbst, dann: daß auch bei anderen, Unbeteiligten, jener Anschein erweckt worden war, diesen rückhaltlos beseitigt hätte. Es war offenbar eine zwingende Pflicht der Ritterlichkeit, daß eine solche Erklärung abgegeben wurde und zwar ganz speziell von seiten der Fakultät, wenn sie sich überhaupt in einer derart eingehenden Weise öffentlich äußern wollte. Unbekümmert um alle denkbaren Mißdeutungen habe ich auch noch, trotz der Art der Angriffe der Fakultät, alsbald in einer rückhaltlos entgegen kommenden Art zu einer solchen Erklärung den Weg geebnet9). 55

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gebracht55 und dazu bemerkt werden, was, je nachdem, der Sachlage entspricht. An meine Loyalität hat noch niemand vergeblich appelliert. Ganz vergeblich aber an meine vermeintliche Sorge, ob vielleicht ein Gericht sachlich begründete Vorwürfe von mir formell zu schroff finden könnte. Wenn irgend etwas, so ist mir die Gewohnheit fremd, Vorwürfe zwischen den Zeilen lesen zu lassen und sich persönlich dabei zu salvieren.“  8)  Unten Nr.  11.56 A 237 9)  Sofort nach Publikation der Broschüre der Fakultät in der Abendnummer der Frankfurter Zeitung vom 2. Juli,57 wo ich erklärte, daß jede Spur von Vorwurf gegen die

f A: den 55  Oben, S.  461 f., Fn.  5, gibt Max Weber große Teile von Sander, In eigener Angelegenheit, wieder. Weitere Erklärungen von Paul Sander sind nicht im A ­ fSSp erschienen. 56  Unten, S.  486–488. 57  Weber, Erklärung zur Affäre Salz-Sander (wie oben, S.  447–449). Mit der Broschüre ist gemeint: Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13).

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Diese Erklärung, zu der sich Herr Prof. Sander anscheinend sehr schwer das Herz faßt, erfolgte dennoch nicht. Ich muß dies unter allen Umständen schwer verurteilen. Dem Verhalten der Fakultät gegenüber aber muß ich feststellen: daß es offenbar im Punkte der Ritterlichkeitspflicht Dinge gibt, über welche ich mich mit den Prager Herren Fakultätskollegen niemals verstehen und verständigen werde. Wo diese Voraussetzungen mangeln, erübrigt sich wohl eine Auseinandersetzung mit der Fakultät über „moralischen“ und „anderen“ Mut. Ich habe jedenfalls mit ihrer Sinnesart nichts gemein. – Inzwischen wurde nun privatim von sehr hochgeschätzten Kollegen58 die nachdrückliche Versicherung hierher übermittelt: man wisse ganz genau und könne dafür einstehen, daß es absolut nicht in der Absicht des Herrn Prof. Sander gelegen habe, den Anschein eines unfairen Verhaltens des Autors zu erwecken[,] und daß das Entstehen dieses Anscheins auch von ihm nicht vorausgesehen worden sei. Es sei auch ganz ausgeschlossen, daß Herr Prof. Sander einen von ihm beabsichtigten Vorwurf nicht offen erhebe. Es stehe auch fest, daß er, von dem Entstehen dieses Anscheins überzeugt, ihn rückhaltlos beseitigen würde. Diese Erklärungen wurden schriftlich und in einem Fall in mündlicher Rücksprache hier mit sehr schmeichelhaften, auf langjähriger Kenntnis beruhenden Schilderungen des Charakters des Herrn Prof. Sander verbunden: er sei eine anima candida59 usw. Gut! Ich darf natürlich in solche Versicherungen  angesichts der Seiten, von denen sie ausgingen und welche dafür die Verantwortung und Bürgschaft zu übernehmen verpflichtet sind, keinerlei Zweifel setzen und erleichtere, wie Gesinnung des Rezensenten sofort von mir aus der Welt geschafft würde, sobald er öffentlich erklären könne, daß ihm alle und jede Absicht, Herrn Dr. Salz ein unfaires Verhalten zu unterstellen, fern gelegen habe. Das geschah nicht. 

58  In einem Brief an Max Weber vom 28. Juni 1914 trat der Straßburger Historiker Walter Goetz für Paul Sander ein: „Ich glaube nach meiner langjährigen Kenntnis der wissenschaftlichen und der menschlichen Persönlichkeit Sanders sagen zu können, daß ihn lediglich sachliche Gründe, ein sicherer Einblick in die Unzulänglichkeit der Salzschen Arbeit zu seiner Kritik bestimmt haben.“ (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 59  Lat.: reine Seele, argloser Mensch.

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es scheint, Herrn Prof. Sander die Erfüllung seiner Pflicht, wenn ich dies – wie für mich selbstverständlich – möglichst nachdrücklich konstatiere. Aus jenen Versicherungen folgt, daß, dem entstandenen und unvermeidlichen Anschein zuwider, Herrn Prof. Sander der Vorwurf, er habe dem Autor „die Ehre abschneiden“ wollen,60 fernerhin von mir jedenfalls nicht mehr gemacht werden darf, ebenso also nicht der Vorwurf der „Plagiatschnüffelei“61 und die gleichartigen sonstigen Vorwürfe; vor allem aber ist er damit auch von dem in meinen Augen weitaus schwerwiegendsten Odium zu entlasten: seinerzeit nicht den richtigen „moralischen Mut“62 zur offenen Vertretung eines beabsichtigten Vorwurfes und also eine verächtliche Gesinnung an den Tag gelegt zu haben10). Die anderen von mir erhobenen Vorwürfe sind dementsprechend durchweg insoweit zu korrigieren, als sie den Vorwurf einer absichtlichen Verunglimpfung des Autors enthalten oder sonst irgend einen Makel auf die sittlichen oder literarischen Absichten des Rezensenten und dessen Charakter zu werfen geeignet sind. Dies hiermit feststellen zu dürfen[,] freue ich mich. Meiner Natur würde es nun entsprechen, ganz unbeschadet des Umstandes, daß die Verantwortung für den entstandenen bösen Schein und damit für den ganzen Streit Herrn Prof. Sander trifft, diesem in kollegialer Gesinnung so entgegenzukommen, daß jeder Rest von Gegensatz verschwände, und auf den Streit selbst mit keinem Wort zurückzukommen. Allein das hätte ein ganz anderes Verhalten von seiner Seite vorausgesetzt. Es stand objektiv absolut fest, daß bei den urteilsfähigsten Leuten durch seine Schuld auf Herrn Dr. Salz ein schlimmer Schein gefallen war. Er hat daraus nicht diejenigen Konsequenzen gezogen, welche nicht nur ich daraus gezogen hätte, sondern jeder ziehen müßte. Er hat es nicht getan, als der Autor ihm vorhielt, was er getan habe, nicht, als ich es wiederholte und bisher auch nicht, nachdem die hiesige Fakultät das Gleiche festgestellt hat.63 So darf A 238

10)  Es ist mir einerlei, ob diese Vorwürfe ausdrücklich so in meiner Äußerung enthalten sind. Ich hatte die Wahrscheinlichkeit nur grobfahrlässigen Verhaltens festgestellt, aber jene anderen Vorwürfe nicht ausdrücklich ausschließen können. Also ziehe ich hier auch die Konsequenzen. 

60  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  432. 61  Ebd., S.  438. 62  Ebd., S.  436. 63  Vgl. oben, S.  463 mit Anm.  51.

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Niemand handeln. Tut er es doch, so darf er sich, einerlei ob die ihm widerfahreneg Beurteilung, wie hier, objektiv unrichtig war, persönlich darüber nicht beschweren. Die Einzelpunkte, welche Herr Prof. Sander vorgebracht hatte, und welchen ich entgegengetreten bin – nicht wie die Fakultät vorgibt, um durch diese „Mosaikarbeit“64 erst einen Vorwurf zu konstruieren, sondern um in allen Einzelheiten die Unverantwortlichkeit des feststehendermaßen erweckten Anscheins darzutun –, sind inzwischen sämtlich, auf Grund einer nochmaligen, unter Zuziehung ganz außenstehender Herren vorgenommenen, genauen Nachprüfung sowohl der Rezension wie der Entgegnungen des Herrn Dr. Salz, wie meiner eigenen Äußerungen, weiter unten erörtert,65 und es ist zu jedem einzelnen, gegenüber den Ausführungen der Fakultät, vermerkt: inwieweit ich mich in der Lage zu befinden glaube, diese meine Einzelbeanstandungen zu korrigieren und inwieweit ich sie aufrecht zu erhalten oder durch weitere Beanstandungen zu ergänzen genötigt bin. Ich hoffe[,] wenigstens keine nennenswerte Einzelheit übergangen zu haben. Als Resultat aber ergibt sich: 1. daß sowohl Herrn Prof. Sander, wie mir, wie namentlich der Fakultät Einzelirrtümer passiert sind – dieser letzteren auch außer ihren prinzipiellen Mißgriffen –, 2. daß Herrn Dr. Salz das eine wirkliche Versehen passiert war, eine absolut eindeutige Deklaration: daß ein sehr kleiner (13½ Seiten langer) und überall von eigenen Erörterungen durchbrochener Abschnitt seines Buchs einem anderen, von ihm schon vorher zitierten Autor „nacherzählt“ sei, dreieinhalb Seiten zu spät in sein Manuskript eingefügt zu haben und ferner 3. innerhalb dieses Abschnitts nicht jedes mitübernommene Zitat nochmals besonders als übernommen auch innerhalb seiner selbst gekennzeichnet zu haben. Den Grund, aus welchem jenes zu 2. bezeichnete alles

g A: wiederfahrene 64  Die Prager Fakultät hatte in ihrer Erklärung Weber vorgeworfen, er habe sich seine Arbeit dadurch erschwert, „daß er seine Anklage durch mosaikartige Darlegungen begründen muß, indem er einzelne, oft untergeordnete Punkte der Besprechung unter die Lupe nimmt. Bei solchem Vorgehen gestaltet sich der Indizienbeweis leicht zur probatio diabolica.“ Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.   419, Anm.  13), S.  6. 65  Unten, S.  478.

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andere entscheidende Versehen passiert ist, kennt die Fakultät, wie ihre eigene Argumentation ergibt (s. Nr.  4c),66 genau. War nun dies schon kein Anlaß, an den man ernstlich Vorwürfe knüpfen durfte, so verdienten die sonstigen Kleinigkeiten (s. u.)67 überhaupt keine Erwähnung. Für durchaus möglich muß ich es natürlich halten, daß von derartigem sich noch mehr beibringen läßt, wenn man sich danach auf die Suche begibt. Aber das würde ich eben „subaltern“ nennen müssen. Ich bemerke dazu: Herr Dr. Salz war durch hier nicht zu erörternde Erfahrungen genötigt, seine Arbeit in Prag in mehr als einer Hinsicht vorzeitig abzubrechen und hat sein Buch so sehr als bloße „Vorarbeit“ – als welche es ja in der Vorrede sich ausdrücklich einführt,68 – aufgefaßt und aufgefaßt zu sehen erwartet, daß er in sehr vielen Fällen sich selbst im Licht steht durch die achtlose Nichtkennzeichnung von Ausführungen, welche durch eigene Archivarbeit fundamentiert sind. Er wird auf der anderen Seite gewiß gelegentlich überall ebenso achtlos, nachdem er die Benutzung bestimmter Autoren für einen Abschnitt einmal festgestellt hatteh – und das hat er getan –[,] nicht jede Einzelheit durch nochmaliges Zitat deklariert haben. Und Andres Ähnliche. Auf sein Verhältnis zur Archivarbeit im ganzen habe ich keinen Anlaß einzugehen. Mir ist gut bekannt, daß seine methodologischen Ansichten von den meinigen in manchem auch prinzipiell abweichen. Ob ihm vom Standpunkt seiner eigenen Ansichten und, wenn man den Maßstab eines als Vorarbeit deklarierten Buches zugrunde legt, vom Standpunkt seiner Absichten aus erhebliche Fehler nachzuweisen sind, ist nicht untersucht und kann ich hier ebensowenig untersuchen wie die gegen die Art der Disposition erhobenen Bedenken. Es ist ganz gewiß ein Standpunkt möglich, der Bücher, welche nur „Vorarbeiten“ sein wollen, ein für allemal ablehnt. Damit wären jedenfalls auch alle größeren Arbeiten von h  In A folgt ein Komma. 66  Unten, S.  482. 67  Unten, S.  488–491. 68  Salz, Böhmische Industrie, S. V, schrieb im Vorwort: „Das vorliegende Buch erhebt freilich keinen anderen Anspruch als einem ersten Versuch und Anlauf füglich beigemessen werden kann. Besitzt es diese Kraft der Anregung, so wird es gern in die bescheidene Stellung einer bloßen Vorarbeit zurücktreten […].“

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mir, die nie einen anderen Anspruch erheben konnten, ebenfalls erledigt11). Da ich z. B. meine „Römische Agrargeschichte“ unter äußerst ungünstigen Bedingungen auswärts zu korrigieren gezwungen war,69 so muß ich für höchst wahrscheinlich halten, daß außer den mir bekannten und von mir seinerzeit angegebenen Fällen mir auch sonst Versehen bei der Verifizierung der Verweisungen passiert und bis heute unbekannt geblieben sind. Daß mir eine damals gerade erschienene ausgezeichnete Abhandlung von Fustel de Coulanges70 ganz entgangen war, war vielleicht entschuldbar. Aber mit Recht machte mich Th[eodor] Mommsen privatim darauf aufmerksam: daß ich an einer Stelle, wo ich mich dessen absolut nicht mehr entsonnen hatte, sicherlich von Rudorffs Ansichten71 beeinflußt und abhängig war, und es war mir daher nachträglich peinlich, diesen hochverdienten Forscher dort nicht ausführlich genannt zu haben. Ich habe es als Zeichen vornehmer Gesinnung angesehen, daß, wie andre, auch Mommsen und Paul Krüger,72 die sachlich in fast allen Punkten anderer Ansicht waren als ich, ohne irgend eine Schwäche des Buches zu übergehen, es ganz unter ihrem Niveau fanden, Derartiges in ihren ausführlichen Besprechungen zu erwähnen. Mit einem Hinweis in einer Fußnote wäre dergleichen Dingen, wie sie hier Herrn Dr. Salz als „unklare Zitate“ aufgemutzt wurden, doch schon zu viel Wichtigkeit beigemessen; für die Wissenschaft entbehren sie allen und jeden Interesses. Und mit größtem Nachdruck habe ich erneut hervorzuheben: fast nur eine als solche 11) Der Gesinnung der Herrn Kollegen stelle ich anheim zu schließen: „Deshalb A 240 also“!

69  Gemeint ist: Weber, Römische Agrargeschichte, MWG I/2. Weber las die Korrekturen des in Druck gegangenen Werkes 1891 während seiner dritten Wehrübung in einer Kaserne in der Kreisstadt Schrimm (Šrem). Vgl. dazu Deininger, Editorischer Bericht, in: Weber, Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S.  55–89, hier S.  61. 70  Fustel de Coulanges, Numa Denis, Le Colonat romain. – Paris: Hachette et Cie 1885. 71  Weber übernahm vor allem Rudorffs Ansichten über die „Gromatischen Institutionen“, ohne sie eigens auszuweisen. Vgl. Rudorff, Adolf August Friedrich (Hg.), Gromatici veteres. – Berlin: Reimer 1848. Vgl. dazu Deininger, Einleitung, in: MWG I/2, S.  1–54, hier S.  14, Anm.  4. 72  Die Rezension der Weberschen Agrargeschichte von Paul Krüger erschien in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 34. Jg. (N. F. 15), 1892, S.  481–493. Der Romanist Krüger hatte sich gegen die Art der Quellenbenutzung Webers gewandt. Theodor Mommsens Besprechung erschien unter dem Titel: Zum römischen Bodenrecht, in: Hermes, Band 27, 1892, S.  79–117.

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deklarierte Nacherzählung von 13½ Seiten, von den eigenen Darlegungen des Autors aber im ganzen 7–8 Seiten, dieses Buchs von über 600 Seiten sind überhaupt und zwar durchweg in der von mir geschilderten Art zum Gegenstand einer 7 Spalten langen Besprechung gemacht worden. Alles andere sind ganz allgemeine Bemerkungen. Es erübrigt sich jedes Wort über den Eindruck, den das macht. Das ist nicht die Gesinnung, aus der man rezensiert! Da die Fakultät anscheinend einen anderen Standpunkt einnimmt, so ziehe ich, zumal angesichts des fatalen Eindrucks einiger ihrer Darlegungen (s. u.) den Schluß12): daß alle weiteren aus diesem Kreise etwa noch in Aussicht stehenden Angriffe auf Herrn Dr. Salz mit absoluter Skepsis aufzunehmen sein werden. Sein Buch mag gut oder mangelhaft sein, jedenfalls giebt dies keine „Kritik“. Ich erbiete mich, auf die gleiche Art  jedes Buch, einschließlich insbesondere der eigenen Bücher des Rezensenten, mit dieser Technik derart, und zwar ohne jede Anwendung grober und plumper Mittel, „abzuschlachten“, daß die Lacher, was auch erwidert werden möge, auf meiner Seite bleiben und daß mithin der Autor, wie in diesem Falle Herr Dr. Salz (und im gleichen Fall ich selbst und jeder, den es trifft), dagegen absolut wehrlos sein soll. Ich rede nicht ins blaue, sondern habe die Probe gemacht und bin bereit, sie niederzuschreiben und öffentlich vorzulegen. Aber ich würde es mir schwerlich verzeihen, wenn ich im Ernst einem Autor gegenüber so verfahren wäre. Ich hoffe auch nicht, daß dies sonst den Gepflogenheiten des Herrn Prof. Sander entspricht. In irgend einer Art muß in diesem Falle der Rezensent in seinem Urteil über die wissenschaftliche Persönlichkeit und die Absichten des Herrn Dr. Salz in Täuschung versetzt worden sein. Ich lege, wie gesagt, das Gewicht nicht darauf, daß, wie man weiter unten ersehen kann, so viele ganz offenkundige und wirklich sehr leicht vermeidbare Irrtümer sowohl des Rezensenten wie jetzt der Fakultät festgestellt bleiben, welche einen gänzlich ungerechtfertigten bösen Schein zuungunsten des Autors erwecken. Sondern vor allem steht fest: daß in der Tat die Ehre des Autors durch eine nicht zu verantwortende Unvorsichtigkeit der Ausdrucksweise verletzt worden war. Herr Dr. Salz hätte, 73

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12) Der auch durch andere Eigentümlichkeiten der Fakultätspublikation (unter Nr.  11)73 nahegelegt wird. 

73  Unten, S.  486–488.

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bei unfreundlichster Beurteilung, Unvorsichtigkeiten bei einer sachlichen, niemand persönlich nahetretenden Arbeit begangen. Der Rezensent aber bei einem Angriff auf eine Persönlichkeit. Und das gleiche gilt von der Fakultät. Was diese im speziellen anbelangt, so muß ich schon hier vorweg auf zweierlei aufmerksam machen: I. Das Schriftstück der Fakultät bezeichnet den Sachverhalt, betreffend die Schebekschen Materialien74 als „vorläufig nicht genügend klargestellt“, da Herr Dr. Salz darüber nur „Andeutungen“ mache. Nicht nur aber gibt Herr Dr. Salz im Archiv S.  53675 den Sachverhalt keineswegs nur in Andeutungen, sondern in aller wünschenswerten Ausführlichkeit, jedenfalls ähnlich deutlich an, als es inzwischen geschehen ist, und zwar ganz mit dem gleichen Ergebnis wie dies jetzt durch Prof. Alfred Weber festgestellt worden ist.76 Warum die Fakultät dies unterdrückt, bleibt unerfindlich. Vor allem aber: ein der „Gesellschaft zur Förderung usw.“ angehöriges Mitglied der Fakultät,77 welches den Sachverhalt persönlich genau kannte, also ihn auch innerhalb der Fakultät sofort aufklären konnte, versendet gleichzeitig privatim an mich und einige andere Herren den Sonderabdruck einer mit dem Fakultätsbericht zugleich in der Zeitschrift „Deutsche Arbeit“ in Prag publizierten Erklärung,78 welche eben jenen angeblich nicht klargestellten Sachverhalt aufzuklären bestimmt ist. Es soll gar nicht beanstandet werden, daß dabei einige nachweisliche Erinnerungsfehler (oben Anm.  2)79 unterlaufen, wie dies leicht vorzukommen pflegt. Festgestellt ist darin jedenfalls: daß die Bitte um Diskretion bezüglich dieser Materialien gestellt und daß sie auch so, wie von Dr. Salz angegeben (das von einem Deutschen – Schebek – gesammelte, von einem Deutschen – Salz – aufgefundene Material durch Deutsche bearbeiten zu lassen), motiviert worden ist. Gegenseitiges Mißverstehen scheint bezüglich der Tragweite jener Bitte aller74  Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  426, Anm.  25. 75  Die entsprechende Passage findet sich bei Salz, In eigener Sache, S.  532–534. 76  Vgl. oben, S.  454–457. 77  Gemeint ist die „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen“. Bei dem Fakultätsmitglied könnte es sich um Arthur Spiethoff handeln. 78  Vgl. dazu oben, S.  455, Fn.  2 mit Anm.  19. 79  Oben, S.  455–457, Fn.  2.

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dings stattgefunden zu haben (Anm.  2 oben).80 Es macht nun aber doch einen ganz unglaublichen Eindruck, daß die Fakultät sich nicht für verpflichtet glaubte, jenen Sachverhalt durch ihr Mitglied81 13) selbst aufzuklären, auch nicht: von der Erklärung der Gesellschaft (so sehr auch diese noch – s. Anm.  282 – ungerechtfertigte Vorwürfe gegen die „Vorsicht“ des Herrn Dr. Salz erhebt) in ihrer im Selbstverlag vertriebenen, nach auswärts hin verschickten Darstellung mindestens nachträglich in irgend einer Form Notiz zu nehmen! Denn im übrigen zeigt sie sich über den Sachverhalt, sogar mit Einschluß des Standortes des betreffenden Schrankes,83 glänzend orientiert! – wenn auch ein, und zwar gerade ein recht charakteristischer, Umstand fortgeblieben ist.84 Ebenso muß als bedauerlich bezeichnet werden, wenn von der Fakultät das in dem Buche verwendete Zitat: „nach archivalischen Quellen“85 beanstandet wird, nur weil die von der Fakultät gezogenen Stichproben sich als „Operate“86 darstellten. Um so mehr, als die Fakultät selbst – zugunsten des Rezensenten natürlich (s. Nr.  11)87 – in der Zulassung des Ausdruckes „archivalisch“ von erstaunlicher Weitherzigkeit ist. i[Die Originale, nach denen seinerzeit die Materialien herA 242

13)  Nicht diesen, mir nur als loyal bekannten Herrn, der gewiß zur Aufklärung sofort bereit gewesen wäre, trifft der entscheidende Vorwurf. 

i–i  (S.  475)  [ ] in A. 80  Oben, S.  455–457, Fn.  2. 81  Vgl. dazu oben, S.  473, Anm.  77. 82  Oben, S.  455–457, Fn.  2. 83  Salz, In eigener Sache, beschreibt die Umstände, unter denen er Schebeks Material fand. Die Materialien seien in einem abgeschlossenen Schrank im Keller der Bibliothek aufbewahrt worden. Der Schrank habe von einem Schlosser geöffnet werden müssen. 84  Laut dem Gutachten der Prager Fakultät mußte der Schrank nicht erst entdeckt bzw. geöffnet werden, da er sich in den Ausstellungsräumen der Universitätsbibliothek im Erdgeschoß befand und von außen die Aufschrift ‚Geschichte der Preise‘, ‚Kollektivausstellung‘, ‚Handels- und Gewerbekammer in Prag‘ getragen habe. Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  27. 85  Salz, Böhmische Industrie, S.  543. Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  10. 86  In der Erklärung der Prager Fakultät, ebd., S.  27, heißt es dazu: „In der Tat befinden sich in dem Schranke, wie stichprobenweise festgestellt wurde, Operate, welche auf Schebeks Veranlassung von Herrschaftsverwaltungen auf Grund von Archiven angefertigt wurden, so daß es also derjenige, der die Sammlung benutzt, schon mit verarbeitetem Archivmaterial zu tun hat.“ 87  Unten, S.  486–488.

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gestellt wurden, sind, wie Dr. Salz schon gesagt hat, die Fakultät aber verschweigt, zum Teil überhaupt nicht mehr in Archiven vorhanden, die Einsender der „Operate“ zum erheblichen Teil anonym, Schebek selbst hat die Materialien nicht durch Archivarbeit, sondern durch Rundschreiben der Prager Handelskammer gesammelt.]i – Gar kein Verständnis habe ich endlich dafür, daß die Fakultät meine Bemerkung: Herr Dr. Salz hätte trotz alledem sein, auf sehr anständigen Motiven beruhendes, Schweigen „nicht so weit treiben sollen“88 aufgreift, um zu behaupten: ich sagte „nur mit anderen Worten“ dasselbe, wie der Rezensent, welcher nach der von Dr. Salz gegebenen Aufklärung die recht unangenehm hämisch wirkende, objektiv jedenfalls ein unanständiges Motiv suggerierende Bemerkung machte: Herr Dr. Salz habe nicht nötig gehabt, „aus nationalen Gründen den Schein auf sich zu nehmen“, als ob er „die darin enthaltene mühsame Sammelarbeit selbst geleistet habe“!89 Ich finde, eine akademische Körperschaft hätte diese Bemerkung nicht vertreten, am allerwenigsten aber diese Vertretung so motivieren dürfen. Daß ich Herrn Prof. Sander ausdrücklich, so schwer dies, wie ich sagte, an sich glaubhaft schien, unterstellte: er habe von dem Sachverhalt nichts gewußt, unterdrückt die Fakultät und erhebt auf Grund dieser Verschweigung Anklagen gegen mich! Ich  gebe ihr aus allen diesen Gründen alle gegen mich erhobenen Vorwürfe verschärft zurück. II. Fast fataler als dies alles aber wirkt der folgende Tatbestand: Die Rezension sagte von gewissen sehr umfangreichen Umrechnungsarbeiten über die Preisentwicklung von verschiedenen Waren (S.  517 ff., 544–615 des Buches): „Freilich verdient die Arbeitsleistung, die ihnen zugrunde liegt, an und für sich schon hohe Anerkennung. Aber sie ist nicht (sic) das Verdienst des Verfassers…. Auch die Umrechnung (sic) der Originalpreise in Kronenwährung und ihre Zurückführung auf die Gewichtseinheit von 100 kg wird nur zum kleinsten Teil als Werk des Verfassers zu betrachten sein, denn, wie mir mitgeteilt wird (sic), ist diese Rechenarbeit auf Kosten der Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft, Kunst und Litei  (S.  474)–i  [ ] in A. 88  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 89  Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  28.

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ratur in Prag von technischen Hilfskräften durchgeführt worden.“90 (Sperrungen stets von mir.) Ich hatte scharf getadelt, daß ein Rezensent sich nach derartigen Interna einer Arbeit „erkundige“. Die Fakultät meint: ich hätte Grund gehabt, anzunehmen, was das Natürliche sei: daß Herr Prof. Sander jene Mitteilung ohne besondere Erkundigung erhalten habe. „Psychologisch“ (!) sei ja ganz unmöglich für ihn gewesen, sich nach der Art der Rechenarbeit zu erkundigen, wenn er von dieser noch nichts gewußt habe.91 Ob es, außerhalb Prags, „naheliegend“ wäre: daß dem Rezensenten Angaben, die den Autor des Buches einem schweren Odium aussetzen, „gesteckt“ werden, ist mir fraglich. Umsomehr, als ich nun der Fakultät etwas vorzuhalten habe, was nach solchen Bemerkungen gewiß niemand vermutet: Die ausdrückliche Erklärung: daß Herrnj Dr. Salz jene Rechenbeihilfe gestellt wurde, findet sich nämlich an der sichtbarsten Stelle seines Buches: am Schlusse der Vorrede!92 Welchen Anschein die Nichterwähnung dieser Tatsache durch den Rezensenten und ganz ebenso jetzt durch die Fakultät auf Herrn Dr. Salz wirft, ist offensichtlich. Die Rezension nun fährt überdies fort: „Dem Verfasser fiel in diesem Fall also nur (sic) die Herausgabe des Ganzen zu.“93 Allein es sind die von Herrn Dr. Salz ganz persönlich und zwar, wie ihr Umfang ergibt, in monatelanger angestrengtester Arbeit, hergestellten Rechnungen zur Ermittlung der Umrechnungsschlüssel für Währung und Masse14) noch vorhanden und beweisen die absolute Haltlosigkeit jenes grundlosen sehr schweren Vorwurfs. Daß dem aber so sei, mußten – das tritt schließlich zu allem andern auch noch hinzu – mindestens ein, eigentlich aber zwei Mitglieder der Fakultät wissen, denn mit ihnen hat er nach der Fertigstellung der A 243

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  Außer natürlich für die neuste Zeit, wo sie bekannt sind. 

j A: Herr 90  Vgl. Sander, Rezension, Sp.  2680. 91  Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  29. 92  An das Vorwort fügte Salz folgende Bemerkung an: „Es lag ursprünglich in meinem Plane, die Geschichte der Preise in Böhmen zu schreiben. Für die dazu nötigen Rechenarbeiten wurden mir seinerzeit von der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kultur und Literatur in Böhmen Geldmittel zur Verfügung gestellt.“ Salz, Böhmische Industrie, S. VI, Anm.  1. 93  Sander, Rezension, Sp.  2680.

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Rechnungen Aussprachen darüber gehabt. Nimmt man nun auch an, daß dies den Herren gänzlich aus dem Gedächtnis entschwunden war, daß sie deshalb den Rezensenten nach Erscheinen der Rezension darauf nicht, wie sie mußten, aufmerksam gemacht und deshalb  auch die Fakultät selbst es in ihrem Berichte nicht, wie sie mußte, erwähnt hat, so bleibt doch unter allen Umständen bestehen: die Fakultät, welche den Anschein gründlicher Prüfung des Sachverhaltes erweckt, hat die ausdrückliche Erwähnung jener Beihilfe im Vorwort des Herrn Dr. Salz ganz einfach verschwiegen und erweckt dadurch ganz direkt einen sehr bösen Schein gegen Dr. Salz. Ich muß der Fakultät also auch hier die mir gemachten Vorwürfe und auch in diesem Fall mit Rücksicht auf die Sachlage sehr verschärft zurückgeben. Die Publikation der Fakultät, welche sich schmeichelt, daß sich ihre Untersuchung zu einer „Anklage gegen den Angreifer“ (mich) gestaltet habe,94 enthält, wie die weiteren Ausführungen unten ergeben, nicht nur so viele Irrtümer, sondern erweckt vor allem, und zwar sachlich ganz unnötigerweise (unten Nr.  11)95 einen bösen Anschein, geeignet, Herrn Dr. Salz zu diskreditieren, daß man fragen muß: ob die Fakultät so außerordentlich urteilslos war, dies nicht zu bemerken[,] und ob sie keinen Referenten finden konnte, der ihr das Peinliche dieses Eindruckes und übrigens auch manchen ihrer Irrtümer erspart hätte. In welche Gesellschaft aber sie selbst und Herr Professor Sander – dies selbstverständlich ohne alle und jede Absicht – durch die weder sachlich richtige noch sonst (durch die Buchhandels- und Pressepublizität) den akademischen Gepflogenheiten entsprechende Wahl der von ihr angewendeten Mittel geraten sind, dies würde im Falle eines Gerichtsverfahrens auch der Öffentlichkeit verständlich machen, warum hier ein sehr scharfes Vorgehen meinerseits angebracht war: ohne zwingenden Grund habe ich mich noch niemals derartig exponiert. Hier bemerke ich nur zur Vermeidung von Mißverständnissen: daß diese Dinge mit Herrn Professor Sander gar nichts zu tun haben und diesen absolut nicht belasten. 94  Die Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  32, schließt mit dem Satz: „Die Untersuchung, ob Webers Beschuldigungen zutreffen, gestaltet sich unwillkürlich zu einer Anklage gegen den Angreifer selbst.“ 95  Unten, S.  486–488.

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den Einzelheiten halte ich mich an die Reihenfolge meiner Bemerkungen1 und stelle nur die Anmerkung auf S.  540 hier an den Schluß.2 Zu bemerken ist: Die unrichtigen Zitate der Fakultät beginnen bereits bei der Behauptung: ich hätte zuerst das Versprechen gemacht: „Satz für Satz“ der Rezension vorzunehmen, dann aber dies Versprechen „eingeschränkt“3 15). Ich habe gesagt: der Leser müsse zur Nachprüfung durch eine Vergleichung „Satz für Satz“ eine größere Geduld als üblich anwenden, und später bemerkt, daß ich nur greifbare Tatsachen, nicht allgemeine Redensarten, in dieser Art nachprüfe. Sind diese letzteren der „Kern“ der „Kritik“, wie die Fakultät behauptet, – umso schlimmer. Ich gehe nun die Nummern meiner Äußerung durch. 1. Nach dem Rezensenten ist der Erforscher böhmischer Industriegeschichte auf archivalische Quellen angewiesen, „in erster Linie auf die reichen Bestände der Wiener und Prager Archive. In diese (sic) erwartet der Leser eingeführt zu werden und der Verfasser unterstützt diese (sic) Erwartung“ (die Erwartung der Einführung in die Wiener und Prager Archive!), „indem er  in der Vorrede sich gegen den Eindruck wehrt, als ob er in der Benutzung des amtlichen Materiales unvollständig geblieben sei“.4 Indem sie diesen Satz unvollständig zitiert, nämlich unter Weglassung gerade des gesperrten Passus, obwohl er durch „sic“ hervorgehoben war, – bemerkt dazu die Fakultät: „den Vorwurf, daß Salz die Wiener und Prager Archive zu verwerten versprochen, dieses Versprechen 5

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15)  Daß die „probatio diabolica“5 nicht ein „Indizienbeweis“ ist, sollte, beiläufig bemerkt, in einer juristischen Fakultät auch heute noch bekannt sein. 

k–k  (S.  491)  Petitdruck in A. 1  Hier und im folgenden zitiert Weber frei aus seinem im AfSSp erschienenen Redaktionellen Nachwort, oben, S.  422–442. 2  Unten, S.  480–493. 3  Die Bemerkung findet sich bei Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  425; die Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  6 nimmt darauf Bezug. 4  Vgl. Sander, Rezension, Sp.  2675 f., und Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  10 f. 5 Lat. (hier Rechtssprache): Teufelsbeweis. Jemandem wird eine Beweislast auferlegt, die er nach dem Recht nicht hätte oder die er schwer oder objektiv unmöglich erfüllen kann.

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aber nicht gehalten habe, hat Sander weder erhoben noch auch nur zwischen den Zeilen erkennen lassen.“(!)6 Ich verlange von der Prager Fakultät nicht die Fähigkeit, „zwischen den Zeilen“ zu lesen, wohl aber die andere: wenigstens im entscheidenden Punkt gewissenhaft zu zitieren, zumal dann, wenn sie sich erlaubt, mir Vorwürfe zu machen. Daß unter dem „amtlichen Material“ in der Salzschen Vorrede die Schebekschen Materialien,7 deren Erwähnung dann gestrichen wurde, verstanden waren, hätte nun nachgerade nicht mehr ignoriert werden dürfen. Daß Salz in der Vorrede ausdrücklich die künftige Ausbeutung der Archive selbst als Arbeit von „Generationen“ bezeichnete, also für sich nicht in Anspruch nahm, sucht die Fakultät unglaublicherweise als gleichgültig hinzustellen! Ich finde an meiner Beanstandung inhaltlich nichts zu ändern. 2. a) Die Benutzung archivalischen Materials in dem Buche von Dr. Salz beschränkt sich nicht auf das vom Rezensenten herangezogene Kapitel: „Das Leben der Bergstädte“,8 wie die Fakultät offenbar voraussetzt. Archivalische Arbeit im engsten Sinne (also außerhalb der dem Buch hauptsächlich zugrunde liegenden ungedruckten Schebekschen Materialien) steckt nachweislich auch in zahlreichen anderen Partien. Überdies sind aber solche Kapitel, welche sich z. B. mit der Stellung Agricolas9 usw. befassen, zwar gewiß nicht auf „Archivalien“ aufgebaut, enthalten aber doch nicht etwa eine Verarbeitung „gedruckter Vorarbeiten“. Und wohin gehört eigentlich die wichtigste neue Quelle: die ungedruckten, von Salz wiederentdeckten Schebekschen Materialien?10 Unter die „gedruckten Vorarbeiten“ doch nicht. Als zweite Alternative aber gibt es für die Rezension selbst hier nur: „Archivalien“. Ich kann also nur das zugeben, daß mein Ausdruck: „das ganze erste Buch“11 6  Ebd., S.  12. 7  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  426, Anm.  25. 8  Salz, Böhmische Industrie, S.  83–111. 9 Salz behandelte die Studie des St. Joachimsthaler Stadtarztes und Mineralogen Georgius Agricola vor allem im Kapitel über „Die Bergindustrie und die neuere Naturwissenschaft“. Ebd., S.  143 f. 10  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  426, Anm.  25. 11  Diesen Ausdruck gebrauchte Weber in seinem „Redaktionellen Nachwort“, oben, S.  427: „Die absolute Unwahrheit des zweiten Satzes aber, zunächst für den ganzen ersten Teil des Buches (Bergbau), kannte der Rezensent genau und ‚salvierte‘ sich daher in dem ersten Satz durch das für den Leser unscheinbare Wort ‚nennenswert‘, […]“.

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gewiß ungenau war, muß aber festhalten: daß der Rezensent durch seine Bemerkung völlig falsche Vorstellungen erweckt hat. Und darauf allein kam es an. b) Dr. Salz hat in seinem Buche S.  419 Anm.  51 über seine Studien für Joachimstal folgendes gesagt: „Großen Dank schulde ich dem hochwürdigen Herrn Stadtdechant von Joachimstal, Monsignor Gregor Lindner, der mir seine reichhaltige Exzerptensammlung zur Geschichte Joachimstals in liberalster Weise zur Verfügung stellte.“12 Trotzdem sagte der Rezensent in seiner Replik: „Jetzt“ – also: erst in seiner Entgegnung – „bekennt Herr Salz selbst, daß er nicht einmal diese Arbeit“ (die Studien über Joachimstal) „selbständig ausgeführt hat. Er hat dazu fremde Kollektaneen benützt. Ich“ (der Rezensent) „habe also (sic) seine archivalische Forschertätigkeit noch zu hoch eingeschätzt.“13 Diese Bemerkung ist durch schlechterdings gar nichts zu rechtfertigen, und sie wirft überdies und vor allem auf Herrn Dr. Salz ein ganz unbegründetes Odium. Die Fakultät aber geht darüber mit Schweigen hinweg. Die Bemerkung: „daß jene (nicht reproduzierte) Angabe nur einen Dank enthalte“,14 ist offensichtlich irreführend, wie die (von mir) gesperrten Worte ergeben. Ich gebe ihr ihre Vorwürfe zurück. – Der Rezensent nannte ferner, was die Fakultät ebenfalls übergeht, jene Anmerkung des Herrn Dr. Salz, auf die dieser sich mit Recht beruft, „schwer auffindbar“15 (was ebenfalls ein Odium auf Dr. Salz wirft), obwohl sie gewiß nicht schwerer auffindbar ist als jene zahlreichen anderen, die er so minutiös daraufhin geprüft hat, ob vielleicht gegen Dr. Salz aus ihnen  etwas abzuleiten sei. Ich halte meine Beanstandung dessen aufrecht. Wenn schließlich er und ebenso die Fakultät Herrn Dr. Salz vorwirft, daß dabei die Arbeits12  Vgl. Salz, Böhmische Industrie, S.  419, Anm.  51. 13  Sander, Antwort, Sp.  447. 14  Im Kapitel „Das Leben der Bergstädte“ zitiert Salz „einige Preise nach Matthesius’ und Seltenreichs Chronik von Joachimsthal“ (Salz, Böhmische Industrie, S.  419). Die angefügte Anm.  51 lautet: „Großen Dank schulde ich dem hochwürdigen Herrn Stadtdechant von Joachimsthal, Monsignor Gregor Lindner, der mir seine reichhaltige Exzerptensammlung zur Geschichte Joachimsthals in liberalster Weise zur Verfügung stellte“. 15  Sander, Antwort, Sp.  447, schrieb: „Wenn ein Gelehrter dem Verfasser eines Buches ‚viele Monate lang‘ eine ‚überaus reichhaltige Exzerptensammlung‘ zur Verfügung stellt, so gehört der Hinweis darauf nicht in eine schwer auffindbare Anmerkung, sondern in die Vorrede.“

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teilung zwischen Lindner und ihm „unklar“ geblieben sei, so konnte damit Herr Dr. Salz, da seine Vorrede ja die eigene Archivarbeit überhaupt nicht beansprucht, bei Nichtsachkennern einen Irrtum mindestens ebensoleicht zu seinen eigenen Ungunsten hervorrufen. Recht könnte ich der Fakultät höchstens in dem einen Punkt geben: daß die Anmerkung auch an anderen als an dieser Stelle allenfalls angebracht werden konnte. Allein eben dort spezialisiert sich die Darstellung auf Joachimsthal (S.  103–107).16 Das Gesagte bleibt inhaltlich bestehen. 3. Ich habe festgestellt: daß die Behauptung: „in Fortsetzung derselben Erörterungen“ würde Dr. Salz dem Vorsatz: „möglichst einfach ausdrücken zu wollen, was gemeint ist“, zwei Seiten später wieder untreu, dem Leser verschweige: daß eben jene zwei Seiten diesen Vorsatz durchaus sachgemäß ausführen (wie ich näher angab).17 Das scheint die Fakultät nicht zu bestreiten. Im Gegensatz zu ihr war ich aber der Ansicht: daß, wenn einmal über Derartiges eine so abfällige Bemerkung gemacht wurde, wie es geschah, auch dies nicht hätte unterdrückt werden dürfen und bleibe natürlich dabei. 4. Von dem Exzerpt aus Hallwich18 sagt der Rezensent: a) es gebe dessen Gedanken „Seite für Seite“ wieder, und zwar b) ohne auch nur zu versuchen, diesen fremden Gedankengang mit den eigenen Erörterungen in Beziehung zu setzen.19 ad a) habe ich gesagt und bleibe natürlich dabei: daß die Wiedergabe durchaus ihrem Zweck entsprechend gestaltet ist,20 – was die Fakultät anscheinend nicht bestreitet. Ich füge hinzu: daß, wenn ein vom Autor zitiertes Buch von 120 Seiten auf 13½ Seiten exzerpiert und dieses Exzerpt mit eigenen Erörterungen durchflochten wird, der Ausdruck „Seite für Seite wiedergeben“, schon an sich den Leser über den Sachverhalt durchaus irrezuführen und einen sehr bösen Schein zu Unrecht zu erwecken geeignet ist. ad b) Diese Behauptung muß ich auch jetzt als jeden Grundes entbehrend und einen ungerechten bösen Schein erweckend

16  Salz, Böhmische Industrie, S.  103–107. 17  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  428. 18  Gemeint ist: Hallwich, Firma Franz Leitenberger. 19  Sander, Rezension, Sp.  2679. 20  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  429.

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bezeichnen. Die Fakultät übergeht meine Beanstandung gänzlich. Ich erhalte sie aufrecht. c) Ich hatte darauf hingewiesen, daß die „Nacherzählung“ nach Hallwich als solche deklariert ist.21 Gegenüber dem Monitum der Fakultät ist bereitwillig, aber auch ausschließlich zuzugeben: daß, nachdem unbestrittenermaßen Hallwich schon einmal voll zitiert war (und dann immer erneut angezogen wird), diese ausdrückliche Deklaration als „Nacherzählung“ versehentlich 3½ Seiten zu spät erfolgt ist. Daß es sich aber um ein Versehen bei der Einfügung dieser Anmerkung in das Manuskript handelt, ist so sehr offensichtlich, daß die Fakultät selbst nicht umhin kann, den für dessen Entstehung zweifellos entscheidenden Umstand: daß hier im Text der Name „Leitenberger“,22 also der Titelname des Buches, steht, für die Entstehung meiner Auffassung: daß diese Stelle für jene Deklaration die richtige sei, verantwortlich zu machen! Es ist absolut nicht abzusehen, warum der gleiche Entstehungsgrund nicht von vornherein auch Herrn Dr. Salz zugebilligt wurde, erst recht aber nicht, warum eigentlich das Vorhandensein jener Deklaration in der Rezension überhaupt nicht erwähnt wurde. Denn daß ein nicht prinzipiell unfreundlicher Beurteiler nun gerade auf die von der Fakultät allein als vernünftig bezeichnete Idee verfallen „müßte“: diese Bemerkung, gemacht in einer, wie die Fakultät selbst hervorhebt, kontinuierlich über das gleiche Objekt berichtenden „Nacherzählung“, dürfe und müsse dennoch nur auf die eine einzige Seite bezogen werden, welche zufällig zwischen zwei übernommenen, ihr vorausgehenden und nachfolgenden Zitaten liege, – dies ist m. E. wirklich nicht ernstlich diskutabel. Mit der obigen kleinen Einschränkung erhalte ich also meine Beanstandung aufrecht. d) Bereitwillig ist ferner, da die Fakultät darauf überaus breit eingeht, zuzugestehen (was ich in meinem Geleitwort als eine mir zu subalterne Frage dahingestellt sein ließ): daß die Anmerkung 39 (Verweisung auf Kopetz) offenbar zu den aus Hallwich übernommenen Verweisungen gehört und ebenso, daß dabei Salz einen weiteren Druckfehler dem schon vorhandenen hinzugefügt hat (dies

21 Ebd. 22  Gemeint ist: Hallwich, Firma Franz Leitenberger.

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zugleich zu Nr.  5).23 Meine Ansicht, daß solche Dinge, wissenschaftlich gewertet, bloßer „Tratsch“ sind, wird dadurch aber nicht geändert. e) Bereitwillig zuzugestehen ist endlich: daß Dr. Salz unzweifelhaft vorsichtiger gehandelt hätte, wenn er trotz jener (versehentlich um 3½ Seiten verschobenen) Deklaration als „Nacherzählung“ auch noch speziell in jedem einzelnen Fall der Übernahme einer Verweisung diese innerhalb ihrer selbst nochmals als solche festgestellt hätte. Er wäre dadurch auch gegen die übelwollendste Beurteilung gesichert gewesen, da ja die Übernahmen an sich auch darin durchaus sachgemäß erfolgt sind, daß im allgemeinen bei Zitaten aus wenig verbreiteten Schriftstellern auch der Wortlaut wiedergegeben, bei verbreiteteren dagegen (ich nehme die hiesige Bibliothek als Maßstab) nur die Verweisung auf den betreffenden, gegenüber der (seltenen) Hallwichschen Monographie leichter zugänglichen, Schriftsteller reproduziert wurde. Die Art aber, wie dieser, bei ungünstiger Beurteilung, allenfalls als ein Verstoß gegen einen literarischen Brauch in einer Fußnote beiläufig zu monierende Mangel dem Autor in unerträglicher Art stets erneut in beflissener Breite zum Vorwurf gemacht worden ist, kann durch gar nichts gerechtfertigt werden. f) Was nun gar den vermeintlich aus Hallwich übernommenen und seinerzeit in der Replik ganz besonders emphatisch betonten angeblichen Druckfehler („ziegeln“ statt „ziehlen“)24 betrifft, so hätte es der Fakultät wahrlich besser zu Gesicht gestanden, statt auch hier von einem „unaufgeklärten Sachverhalt“ zu reden und dadurch Herrn Dr. Salz zu belasten, offen einzugestehen, daß die Verhältnisse vielmehr ganz klar liegen. l[Das Wort „ziehlen“ ist zum mindesten in den gangbaren Lexika nicht bekannt16), dagegen kannte Dr. Salz den Dialekt seiner Heimat. Und daß er jetzt, um nur ja alle vorhandenen Möglichkeiten zu konstatieren, das Kom25

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16)  Mir wird nachträglich mitgeteilt, daß das Wort bei Hörnigk25 öfter vorkommt, A 247 also dort kein Druckfehler ist.

l–l  (S.  484)  [ ] in A. 23  Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  430–432, zugleich eine Erläuterung zu Nr.  5 der Ersten Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  17. 24  Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  432, Anm.  49. 25  Vgl. Hörnigk, Österreich über alles (wie oben, S.  433, Anm.  57).

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positum „aufzielen“26 ausgegraben hatte, ändert nichts daran, daß hier eine Korrektur des Textes, nicht aber ein übernommener Druckfehler vorliegt.]l Ich bleibe selbstverständlich bei meiner Beanstandung. g) Die weiter folgenden Auseinandersetzungen der Fakultät dagegen darf ich, obwohl sie offenbar sehr stolz darauf ist, übergehen, wie sofort zu motivieren. Ich habe nicht die Zeit, mir hier unnütz das Buch von Hörnigk aus Wien27 zu beschaffen. Die Richtigkeit der über dessen Inhalt gegebenen Darstellung bezweifle ich natürlich trotz der Unzuverlässigkeit anderer Zitate: – oben Nr.  128 – der Fakultät nicht17). Aber alles, was die Fakultät da mit einem ebenso anerkennenswerten wie zugleich sterilen Fleiß und Scharfsinn ausgegraben hat, ist absolut gleichgültig. Denn alle diese langwierigen Argumentationen zerfallen in nichts gegenüber den vorhandenen alten Exzerpten des Herrn Dr. Salz aus Hörnigk, welche die von ihm reproduzierten Zitate (insbesondere das strittige) und zwar mit der von ihm verwendeten Schreibart und mit, dem übernommenen Text vorhergehenden und folgenden, bei Hallwich gar nicht vorhandenen, Stellen umfassen.29 Es ist also ganz klar, daß dieser Schriftsteller selbst seiner Darstellung zugrunde liegt, mag auch diese späterhin, was ich, weil es jedem Autor leicht passiert, ganz gern als möglich zugeben will, woraus ich aber bei der Häufigkeit dieses Vorgangs keinen erheblichen Vorwurf konstruieren kann, nachträglich noch durch die Darstellung Hallwichs und die Art, wie dieser Hörnigk benutzt, beeinflußt worden sein. Der befremdliche kontradiktorische Widerspruch in den Argumentationen der Fakultät: einerseits, daß auf S.  331 nur Übernahme 17)  Also auch nicht, daß ich mich in der Annahme, die betreffende Stelle aus Hörnigk sei die allein in Betracht kommende, ebenso geirrt habe, wie Hallwich selbst. 

l  (S.  483)–l  [ ] in A. 26  Vgl. Salz, In eigener Sache, S.  538. 27  Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  433, Anm.  57. 28  Oben, S.  478 f. 29  Nach dem Erscheinen der Ersten Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13) schrieb Arthur Salz an Max Weber: „Beschwören aber kann ich mit hundert Eiden, dass ich Hörnigk eingesehen und durchgearbeitet habe. Ich lege Ihnen 2 Proben bei: 1.) mein Manuscript zum Abschnitt: Baumwollindustrie, wo ich deutlich ‚ziegeln‘ schreibe und 2.) Excerpte aus Hörnigk, die auf Textilsachen Bezug haben.“ Vgl. den undatierten Brief von Arthur Salz an Max Weber, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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von Zitaten behauptet werde, also das Wort „ausschreiben“ unverfänglich sei, andererseits: daß auf S.  331 keineswegs nur Zitate übernommen, sondern eine sachliche Abhängigkeit zu konstatieren sei, ist schon erwähnt worden.30 5.–10. Diese, so viel ich sehe, in nahezu allen wesentlichen Punkten schon soeben bei Nr.  4 erörterten31 Übernahmen liegen, außer der soeben besprochenen Einzelheit, gänzlich innerhalb des vom Rezensenten seinem diesbezüglichen Angriff ja überhaupt fast ausschließlich zugrunde gelegten, als „Nacherzählung“ (versehentlich, wie bemerkt, 3½ Seiten zu spät) deklarierten Abschnittes S.  350– 364.32 Es durfte schon deshalb aus diesem Anlaß keinerlei Bemerkung gemacht werden, welche über ein rein formales Monitum hinaus irgend einen bösen Schein auf Herrn Dr. Salz zu werfen geeignet war. – Ich bin zu 5.) ganz selbstverständlich der Ansicht, daß eine Deklaration: „Nacherzählt“ die Übernahme einer winzigen Zahl von Zitaten deckt, daß jedenfalls gar nichts es rechtfertigt, wenn man anderer Ansicht ist, den Schein entstehen zu lassen, als handle es sich um bedenkliche Verschleierungen des Autors, vollends in der Form: der Anschein entstehe, als habe er „Studien“ Anderer (für das Zitieren einiger Stellen aus Schriftstellern!) selbst gemacht.33 Bei Nr.  6 meint die Fakultät in dem Fall eines feststehendermaßen übernommenen Zitates noch untersuchen zu müssen: wo die indirekte Rede in die direkte übergeht, die Anführungszeichen stehen usw.34 Meine Beanstandungen bleiben davon unberührt.35 Zu Nr.  7 ist bereitwillig zuzugeben, daß Salz und Hallwich beide, und Salz vielleicht unter dem nachträglichen Einfluß von H[allwich], Hörnigk nicht richtig verstanden haben mögen. Jedoch ist die eine einzige in Betracht kommende Salzsche Bemerkung derart landläufig, daß jener Einfluß ganz unnötig und gar die Redensart von einer „sachlichen Abhängigkeit des Salzschen Gedankenganges“ grotesk ist und irreführend wirkt. Nr.  8 bleibt bis auf den einen, von mir seinerzeit dahingestellt gelassenen Punkt

30  Oben, S.  463. 31  Oben, S.  481–485. 32  Gemeint ist: Salz, Böhmische Industrie, S.  350–364. 33  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  432. 34  Vgl. Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  17. 35  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  433.

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(oben Nr.  4 d)36 voll bestehen, ebenso die folgenden Nummern. (Was ich nach den mir von angesehenen Kollegen gegebenen Bürgschaften nicht aufrecht erhalte, hier wie anderwärts, sind die gegen die Absichten des Rezensenten gerichteten Bemerkungen. Unter „unwahr“ verstand ich: „schuldhafterweise unrichtig“. Eine absichtliche Unwahrheit pflege ich stets als solche zu kennzeichnen.) Ich beanstande ferner nach wie vor die sehr schwer tadelnswerte und noch bis heut nicht offen gut gemachte grobe Unvorsichtigkeit seiner Ausdrücke. Schon solche Dinge wie: daß der Rezensent in der Replik nur von einem von ihm nicht bezweifelten „Kennen­ lernen“37 der früheren Darstellungen durch den Autor redet, wo dieser seine Vorgänger, wie ihre anderweitige Benutzung zeigt, gründlich durchgearbeitet hat, – während er dagegen von „Stu­ dien“38 spricht, wenn es sich um Arbeiten dieser anderen Darsteller selbst handelt, wo diese ebenfalls nicht anderes als Exzerpte und Verweisungen gebracht haben und zwar, wie die Fakultät für Hallwich selbst mühsam nachweist: teilweise ebenfalls irrige. Ferner beanstande ich selbstverständlich auf das allerschärfste Wendungen wie „ausschreiben“, „Verräter“ (von einem Druckfehler) und vor  allem die Erklärung: das Wort „Plagiat“ nicht gebraucht zu haben, wo es sich um die Sache handelt.39 Ferner: daß durchweg dem Leser nicht mitgeteilt wird: daß die überhaupt übernommenen Zitate und Verweisungen in jenem Abschnitt sich hinten in den Anmerkungen befinden und eine Minderzahl unter anderen bilden, daß endlich die Bemerkungen des Autors in dessen Entgegnung in der Replik einfach ignoriert oder angezweifelt wurden. Das alles sind unzweideutige Ausdrücke einer Gesinnung gegen den Autor, aus der heraus man nicht rezensieren soll. 11. Es ist schwer verständlich, wie die Fakultät glauben machen kann, ich hätte irgendwie in Abrede stellen wollen, daß Herr Dr. Salz bei einer ausdrücklich im Text (welcher beginnt: „Freie Gewerbe, so belehrt uns Kopetz usw.“)40 und überdies in einem besonderen Verweis kenntlich gemachten Übernahme aus Kopetz 36  Oben, S.  482 f. 37  Vgl. Sander, Antwort, Sp.  448. 38  Ebd., Sp.  447. 39  Ebd., Sp.  447. 40  Salz, Böhmische Industrie, S.  335.

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die Jahreszahl41 gewisser Patente und Dekrete, die dieser in den Noten angibt, seinerseits, ebenfalls in Noten, mitübernommen hat. (Nicht die Kopetzschen Anmerkungen selbst, sondern lediglich die Jahresdaten der zitierten Erlasse sind dabei übernommen). Was ich an den Behauptungen der Rezension scharf beanstandete und natürlich auch jetzt ganz ebenso beanstande, war ganz ausdrücklich durch ein „sic“ kenntlich gemacht und für Jeden absolut unzweideutig erkennbar: daß der Rezensent behauptete, es werde hier auf „archivalische Quellen“ verwiesen[,] und damit den Anschein erweckte, als nehme Herr Dr. Salz durch die Wiedergabe jener Jahreszahlen fälschlich archivalische Forschungen für sich in Anspruch. Für diese Behauptung existiert natürlich auch nicht der allerentfernteste Schatten eines Grundes. Die Fakultät aber sagt: diese (für das, was ich sage, ganz allein in Betracht kommende) Frage könne, als „eine Fachfrage, die überdies nebensächlich ist“,42 füglich beiseite bleiben. Ich finde dies ein etwas starkes Stück. Denn die Fakultät wird schließlich kaum behaupten können, es sei eine „Fachfrage“, ob die Angabe der Jahreszahl etwa eines in der Literatur bekannten Gesetzes des alten Deutschen Reichs eine Verweisung auf „archivalische Quellen“ vortäusche! Und ich muß denn doch hinzufügen: wer wie der Rezensent und sogar noch jetzt die Fakultät mit dem Autor ins Gericht gehen will, weil er die Schebekschen Materialien,43 aus feststehendermaßen unanfechtbaren Motiven, durch den Ausdruck „archivalische Quellen“ gedeckt hat, der sollte seinerseits am allerletzten mit der Verwendung genau des gleichen Ausdrucks so für jeden Leser irreführend umgehen und dadurch einen bösen Schein auf den Autor werfen. Nicht nur also habe ich das von mir Gesagte aufrecht zu erhalten. Sondern ich habe nun weiter noch die Fakultät44 auf den sehr peinlichen Eindruck einer gewissen gehässigen Beflissenheit aufmerksam zu machen, der dadurch notwendig entstehen muß, daß sie bei einer derart offenkundig liegenden Gelegenheit, wo überdies Herr Dr. 41  Ebd., S.  478, Anm.  8. Salz zitiert hier aus Kopetz, Österreichische Gewerbs-Gesetzkunde. 42  Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  22. 43  Vgl. Weber, Redaktionelles Nachwort, S.  426, Anm.  13. 44  Weber bezieht sich hier auf eine Stelle aus: Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  23, wo die Anmerkungen von Kopetz und die von Salz übernommenen Anmerkungen gegenübergestellt sind.

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Salz den Sachverhalt schon erschöpfend aufgeklärt hatte, sich dennoch das „Vergnügen“ nicht versagen zu sollen glaubt: nun die, wie sie selbst ausdrücklich zugesteht, im Buche selbst als übernommen deklarierte Stelle mit dem Original nebeneinander zu drucken und dadurch bei ununterrichteten Lesern den Eindruck hervorruft, als habe sie den Autor auf einer von diesem verhohlenen Übernahme „ertappt“. Auch nicht der allergeringste Schein eines sachlichen Interesses für dies Verfahren ist zu entdecken[.] Auch hier tritt die „Gesinnung“, mit welcher der Autor in Prag zu rechnen hat, greifbar hervor. Ich kann nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, daß ein amtliches Schriftstück und eine akademische Instanz einen solchen Eindruck, wie er hier und auch sonst entsteht, niemals auf sich laden darf. Ich nehme ja an, daß es sich um den unerquicklichen Übereifer des für seine Aufgabe besonders wenig qualifizierten, vor allem ganz und gar nicht sachlich über den Dingen stehenden Referenten handelt. Die Vorwürfe, welche die Fakultät gegen mich erhebt, muß ich ihr aber wesentlich verschärft zurückgeben. 12.–15. enthalten bestrittene Tatsachen nicht. – Die Schebekschen Materialien endlich sind schon erörtert.45 – Von meinen Bemerkungen über die als „sachliche“ Kritik auftretenden Beanstandungen des Rezensenten (Archiv S.  540 Anmerkung, Nr.  1–4),46 greift, wie jetzt nachzuholen ist, die Fakultät nur zwei (1 und 3) heraus.47 Zwei andere (2 und 4) meint sie übergehen zu können. Ich bedaure, auch auf diese letzteren nachdrückliches Gewicht legen zu müssen, beschränke mich aber hier natürlich ebenfalls auf Nr.  1 und 3.48 Nr.  1. Standort des Tuchgewerbes. Es ist ganz richtig, daß auf S.  292 der Autor49 die städtische Kaufkraft für „ausschlaggebend“ erklärt. Ausdrücklich aber ist S.  298 von bestehenden „Nachteilen“ dieses Standortes die Rede, welche aber nach Dr. Salz „offenbar überwogen“ wurden durch die Vorteile, die der städtische Standort „auch vom betriebstechnischen Standpunkt“ aus nun einmal bot. (Von den Institutionen, welche diese betriebstechnischen Vorzüge

45  Oben, S.  479. 46  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  423, Fn.  1. 47  Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  24. 48  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  423 f., Fn.  1. 49  Salz, Böhmische Industrie, S.  292 und – nachfolgend – S.  298.

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laut S.  298 bedingten, sind, als die ältesten, die Tuchwalken schon S.  292 kurz erwähnt). Danach war es durch gar nichts zu rechfertigen, daß der Rezensent den Anschein erweckte, als kenne der Autor die Theorie von der maßgeblichen Bedeutung der betriebstechnischen Vorzüge nur vom Hörensagen, und ich habe diese Beanstandung auf das bestimmteste aufrecht zu erhalten. Wenn die Fakultät darauf Gewicht legt, daß ich auf Grund jenes Sachverhalts von einem „Nebeneinander“ beider Kausalreihen bei Salz spreche, während, wie bemerkt, auf S.  292 das Wort „ausschlaggebend“ für eine der beiden gebraucht ist, auf S.  298 aber wieder die andere als unter bestimmten Umständen „überwiegend“ bezeichnet ist, so bin ich nicht rechthaberisch genug, darüber mit den Herren zu streiten, stelle aber fest: die Fakultät findet keinerlei Wort dafür, daß der Rezensent seinerseits den wirklichen Inhalt der Darstellung durchaus verschwiegen hat. Nun weiter. Das „relative“ Massenbedürfnis nach Kleidung bei einer „uniformen“ Schicht (dem Bürgertum) ist nach Salz das für den Standort Entscheidende.50 Hier findet die Fakultät erstaunlicherweise, daß die Fortlassung der beiden unterstrichenen Bestandteile der These für die Wiedergabe des Sinnes derselben „unerheblich“ sei,51 obwohl offenbar gerade diese Worte für die ökonomische Bedeutung die allein entscheidenden sind. Nur durch ihre Fortlassung brachte es der Rezensent zuwege, die These des Autors in ein „Massenbedürfnis nach Kleidung“52 überhaupt zu verwandeln, welches angeblich nach dem Autor nur in der Stadt herrsche[,] und nun zu fragen: ob nicht auch die Bauern sich kleiden müßten. (Aber doch, wie jeder Student, also auch eine Fakultät, wissen sollte, nicht notwendig durch gekaufte Kleider und nicht notwendig durch Kauf beim Tuchmacher!) Nur der Rezensent also hat dem Gedanken des Autors, den er diesen auffordert, „zu Ende zu denken“, seine jetzige, in der Tat schon a priori törichte, Gestalt gegeben. Daß infolgedessen jede sachliche Kritik der wirklichen These des Autors fehlt, darf auch die Fakultät, die hier von einem „sachlichen Einwand“ redet, nicht leugnen. Legt sie statt dessen auch hier mit dem ihr durchweg eigenen, die wirklichen Sachverhalte 50  Ebd., S.  292. 51  Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  25. 52  Sander, Rezension, Sp.  2677.

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gern umgehenden, Formalismus Gewicht auf meinen ganz gewiß etwas zu knappen und daher für sehr unintelligente Leser vielleicht mißverständlichen Ausdruck: der Rezensent „mache“ aus dem Gegensatz: feudal-bürgerlich den anderen: bäuerlich-bürgerlich, so liegt mir die Rechthaberei fern, darüber mit  ihr streiten zu wollen. An dem Sachverhalt selbst ändert dies natürlich kein Haar. Endlich hatte ich beanstandet, daß der Autor, der den technischökonomischen Konservatismus und seine Wirkungen auf die Persönlichkeitsentfaltung bei den Tuchmachern hervorhebt, von dem Rezensenten durch den Hinweis auf den bei ihnen häufigen sozialrevolutionären Geist kritisiert werde. (Es ist ja wohl für keinen Sachkenner der Hinweis nötig: daß gerade jene technisch-ökonomische Art von Konservatismus sehr oft, wie noch heute bei den russischen Bauern, der Träger sozial-revolutionär wirkender Bewegungen gewesen ist.) Für diese Unterscheidung findet nun freilich die Fakultät mit der ihr eigenen Sicherheit bei falschen Behauptungen bei Salz „keinen Anhaltspunkt“: Jener technische Konservatismus sei bei ihm nur Beispiel für die allgemeine konservative Gebundenheit, mithin der Rezensent im Recht.53 Allein ganz ausdrücklich konstatiert Salz auf S.  295,54 daß die Tuchmacher zu den Hauptträgern des Kampfes und Sieges der „Handwerkerdemokratie“ gehörten. Und überdies ist, wie ich hervorgehoben hatte,55 der Sinn des Gemeinten auch noch ganz eindeutig an dem Gegensatze gegen die Kattundrucker bei Salz S.  293 und ganz so, wie ich angab, erläutert. Die Fakultät verschweigt das. Das von mir Gesagte bleibt vollinhaltlich bestehen. Nr.  3. Ich habe in den höhnischen Bemerkungen des Rezensenten über einige bildliche und abstrakte Sätze des Autors eine sachliche Kritik des von ihm Gesagten vermißt und meinerseits bemerkt: daß sie den gröblich irreführenden Anschein erwecken: als ob die dort wiedergegebenen Sätze das enthielten, was der Autor über die auswärtigen Handelskolonien zu sagen wisse, unter Hinweis auf die darüber in extenso handelnden Partien des Buches. Die Fakultät ist der Meinung, daß der Ausruf des Rezensenten: „wir halten inne!“ hinlänglich zeige, daß nicht erschöpfend referiert werde, 53  Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  26. 54  Salz, Böhmische Industrie (auch im folgenden). 55  Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  423, Fn.  1.

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sondern daß nur die Darstellungsmittel gekennzeichnet werden sollen.56 Eine Seite vorher aber hatte sie im Widerspruch damit das gute Recht des Rezensenten, eine solche Stilkritik zu üben, gerade daraus hergeleitet: daß der Stil auf das engste mit dem Gedanken zusammenhänge und gesagt: „jeder Blick“ zeige, daß nicht nur der Stil bemängelt werde.57 Auch hier kann von zwei einander entgegengesetzten Bemerkungen auch im Munde einer akademischen Körperschaft nur eine richtig sein. Eben die letzte von beiden zeigt aber auf das deutlichste: in welcher Art der Leser durch ein solches Verfahren eines Rezensenten tatsächlich zuungunsten des Autors irregeleitet wird. Denn im vorliegenden Fall ist, wie ich erneut feststelle, die sachliche Darlegung des Autors in schlechthin gar keiner Art von der verspotteten Darstellungsform berührt. Ich mache dem Rezensenten natürlich, um dies ausdrücklich hervorzuheben, nirgends den Vorwurf einer absichtlichen Täuschung des Lesers. Allein der Effekt ist ganz der gleiche, hier, wie bei anderen ähnlichen Beanstandungen, zumal die gesamte Tonart seiner Rezension auf jeden Unbefangenen in dieser Richtung wirken muß. Voll aufrecht zu erhalten habe ich, daß es in einer sachlichen Kritik durchaus unzulässig ist, so wie er es tut, angebliche „Geistesblüten“ aus der „Fülle des Gebotenen“ herauszugreifen und dabei zu versichern: „jedermann“ könne sich leicht einen Strauß davon zusammenstellen. Ich wiederhole auch hier: daß ich mich anheischig mache, die überwältigende Mehrzahl aller Bücher in ähnlicher Art einem oft weit berechtigteren Spott preiszugeben. Insbesondere diejenigen des Rezensenten.k Ich bin damit am Ende. Was Herrn Prof. Dr. Sander anlangt, so muß ich annehmen, daß ihm die Prager Atmosphäre eine Beurteilung des Herrn Dr. Salz beigebracht hatte, welche auf die  Art seiner Rezension, deren Eigenart denn doch in der Literatur heute selten ist, nachteilig eingewirkt hat. „Zufall“ ist es doch nicht, daß ihm, wie der Fall mit den Rechenarbeiten zeigte, nur (unwahre) Dinge zugetragen worden sind, welche die Entstehung eines unfreundlichen Urteils bedingten, dagegen alle andern, dort ebenk  (S.  478)–k  Petitdruck in A. 56  Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13), S.  9. 57  Ebd., S.  8.

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falls bekannten, Umstände unbekannt blieben. In einem Punkt ist ihm, wiederhole ich, von mir Unrecht geschehen, im übrigen ist seine Gesinnung von mir, zwar subjektiv ohne mein Verschulden – wie ich feststellen muß, – aber objektiv, wie ich jetzt glauben darf, ungerecht beurteilt worden. Die Art dieses Rezensierens ist aber nicht nur unerfreulich, sondern auch wissenschaftlich wertlos. Seine monatelange Zögerung, einen von ihm verschuldeten bösen Schein zu beseitigen, ist durch nichts zu rechtfertigen. Was die Fakultät18) anlangt, so hat sie, jenseits aller Einzelirrtümer, die ihr passiert sind, durch die Art, wie feststehende Tatsachen ignoriert, wie Sachverhalte, welche Mitgliedern bekannt und also feststellbar waren, „unaufgeklärt“ gelassen, und wie die allein entscheidende Frage: durfte gegen Herrn Dr. Salz ein böser Schein erweckt werden?, umgangen wurde, dann aber durch die Art ihrer Darlegung (oben Nr.  11 und öfter) und durch die Art von deren Vertrieb gegen Herrn Dr. Salz nicht nur eine schwere Schuld auf sich geladen, die sie, nach dem Satz: „semper aliquid haeret“,58 durch nichts wieder gut machen kann. Sondern sie hat gegen ihn einen Akt der Unritterlichkeit begangen, der ihr bei den mit den Tatsachen Vertrauten nicht zur Ehre gereichen kann. Was ihr Verhalten gegen mich anlangt, so handelt es sich da um eine „minder haltbare Tagesleistung“ ihres Referenten, die sie im Interesse ihrer Würde nicht hätte amtlich decken sollen. Entscheidend für meine Beurteilung der Fakultät ist aber ihr eben gekennzeichnetes Ver59

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18)  Für Gegenäußerungen steht der Raum des „Archivs“ zur Verfügung. Bei Abschluß des Drucks teilte mir Herr Prof. Jaffé mit, daß die Fakultät vollständigen oder auszugsweisen Abdruck ihrer Äußerung im „Archiv“ erbeten habe.59 Hätte sie diese nur in wissenschaftlichen Zeitschriften erscheinen lassen, so wäre das unbedingt geschehen. Indem sie aber diese Angelegenheit in gehässiger Art in den Buchhandel60 brachte und in die Presse gelangen ließ, begab sie sich dieses Rechts. Buchhändlerische Verlagsobjekte abzudrucken lehnen wir ab. Im übrigen s. Anm.  1.61 Für den Charakter, den dieser Streit jetzt angenommen hat und weiter annimmt, trifft die Verantwortung die Fakultät. Ich erfahre, daß nachträglich die Prager Fakultät ihre Äußerung auch der hiesigen Fakultät zugesandt hatte (zu Anm.  1).

58  Vollständig: Audacter calumniare, semper aliquid haeret; auf Deutsch: Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen. 59  Das AfSSp wurde von Edgar Jaffé herausgegeben. Ein entsprechendes Schreiben Edgar Jaffés an Max Weber ist nicht nachgewiesen. 60  Vgl. oben, S.  452 f., Fn.  1. 61  Vgl. oben, S.  452 f., Fn.  1.

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halten gegenüber Herrn Dr. Salz. Darnach habe ich mit der Gesinnung dieser akademischen Körperschaft nichts gemein und ihre Stellungnahme zu mir ist für mich von keinem Gewicht.l

l  In A folgt: Heidelberg. Max Weber.

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Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf den auszugsweisen Abdruck der Stellungnahme der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und Webers Kommentar dazu im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik vom August 19141 reagierte der Dekan der Prager Fakultät mit einer Erklärung, die im Mai 1915 ebenfalls in dieser Zeitschrift erschien.2 In dieser betont er, seine Fakultät beabsichtige nicht, die Debatte weiterzuführen, da sie in der Auseinandersetzung zwischen Paul Sander und Max Weber nicht „Nebenintervenientin“ sei. Er wolle aber „zwei neuerliche tatsächliche Irrtümer“ Max Webers berichtigen: 1.) „Es ist nicht richtig, daß die hiesige Fakultät die von ihr ausgegebene Schrift an die Heidelberger Fakultät nicht, oder erst nachträglich geschickt hat; richtig ist vielmehr, daß diese Schrift an die Heidelberger philosophische Fakultät zu gleicher Zeit, wie an die anderen Fakultäten abgesendet wurde.“ 2.) „Unrichtig ist ferner die Behauptung des Prof. Weber, daß die hiesige Fakultät die Angelegenheit in den Buchhandel gebracht habe. Die Schrift ist im Buchhandel nicht erschienen und nicht erhältlich […].“ Darauf gab Weber, kriegsbedingt mit fast einem Jahr Verzögerung, die folgende Stellungnahme ab, die den Abschluß der Salz-Sander-Affäre bildete.3

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem eineinhalbseitigen Text, der unter der Überschrift „Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Bd. 39, S.  567“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 41.  Band, Heft 3, 1916, S.  927 f. (A), erschien. Der Beitrag

1  Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, oben, S.  450–493. 2  Zweite Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  420, Anm.  23). Sie erschien in Band 39, Heft 2, des AfSSp, das – wie Weber unten, S.  496, mitteilt – am 29. Mai 1915 ausgeliefert wurde. 3  Zur Kontroverse vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–421.

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ist mit „Heidelberg. Prof. Max Weber“ gezeichnet. Die darin enthaltenen Querverweise beziehen sich auf Webers im August 1914 veröffentlichte Abhandlung „Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914“, die oben, S.  450–493, ediert ist. Die Verweise sind ohne Nachweis auf die Edition umgestellt.

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Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Bd. 39, S.  567. Des Erscheinens dieser am 29.V.15 publizierten Erklärung1 seinerzeit gewahr zu werden, verhinderte mich dienstliche Inanspruchnahme.2 Nun sie mir in die Augen fällt, bemerke ich abschließend dazu: Die Fakultät „möchte“, wie sie sagt, nur zwei „neuerliche“, tatsächliche Irrtümer berichtigen. Zu diesen „Berichtigungen“ bemerke ich: 1. 14 Tage vor der Versendung des Elaborats an die Heidelberger Philos[ophische] Fakultät erfuhr ich den Inhalt von Mitgliedern auswärtiger Fakultäten.3 2. Wenn die Fakultät dasselbe, wie sie sagt (wie aber nicht erkennbar war) trotz des Aufdruckes: „Im Selbstverlag“ nicht in den Buchhandel gab, so doch – ebenfalls schon vor der Versendung – an die Tagespresse.4 Ob die Fakultät amtlich oder ihre Mitglieder privatim, ist in beiden Fällen gleichgültig, das letztere nach guten, freilich nicht von allen akademischen Körperschaften beobachteten, Gepflogenheiten noch viel anstößiger. Im übrigen will die Fakultät nur ein Urteil über das Verhalten eines Mitglieds abgegeben haben, über welches daher eine Diskussion mit Dritten (d. h. mit mir) ihr „nicht anstehe“. Diese Angabe 1  Zweite Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  420, Anm.  23). 2  Bereits am 2. August 1914 hatte sich Weber freiwillig zum Militärdienst gemeldet und war als Reserveoffizier der Heidelberger Reservelazarett-Kommission zugeordnet worden. Er baute mehrere Reservelazarette auf und beschäftigte sich mit Disziplinarverstößen. Nach Auflösung der Kommission wurde er am 15. Oktober 1915 aus dem Dienst entlassen. 3  Der Straßburger Historiker Walter Goetz informierte am 28. Juni 1914 Max Weber über den Inhalt der Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Vgl. den Brief von Walter Goetz an Max Weber vom 28. Juni 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 4 Die Erste Erklärung der Prager Fakultät (wie oben, S.  419, Anm.  13) erschien im Selbstverlag und wurde Ende Juni 1914 verschickt. Vorab berichtete aber die Tageszeitung Bohemia in ihrer Ausgabe vom 23. Juni darüber, vgl. Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, oben, S.  453 mit Anm.  12. Weitere Abdrucke erschienen in der Prager Monatsschrift Deutsche Arbeit und in Schmollers Jahrbuch, vgl. dazu Weber, ebd., oben, S.  419 mit Anm.  14.

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ist eine Unwahrheit: das Pamphlet wimmelt von ganz ordinären Schimpfreden gegen mich, welche ich s. Z. in Blütenlese zusammenstellte.5 Wenn sie vollends – anstatt zu schweigen – nun noch hinzufügt: sie habe von ihren Ausführungen nichts zurückzunehmen oder auch nur zu berichtigen (!), so stelle ich fest: Ich habe der Fakultät – neben der Verwendung von Argumenten, welche das genaue Gegenteil voneinander behaupten (meine Erklärung, S.  484 Nr.  4. g. a. E. und S.  490 Nr.  3) und neben Ausführungen, welche den Spott herausfordern (S.  463 unten, S.  486 Nr.  11 Mitte) – strikt, unter Nebeneinanderstellung der Zitate nachgewiesen: 1. grob fahrlässige Unwahrheiten (ebenda Nr.   1, Nr.   2  b, Nr.  2 f), 6 – 2. die Tatsache, daß die Fakultät Tatbestände, welche, nachweislich und unbestrittenermaßen, Mitgliedern, die an der Beschlußfassung teilnahmen, ganz genau bekannt waren, als „unaufgeklärt“ hinstellt (ebenda S.  473 sub Nr. I, S.  475 Nr. II), obwohl sie dadurcha  wissentlich einen, wie jenen Mitgliedern genau bekannt, unwahren, bösen Schein gegen einen jungen Gelehrten erregte, – 3. die Tatsache, daß sie, geflissentlich und gehässig, ohne allen und jeden sachlichen Zwang, gegen den gleichen Gelehrten einen, wie der Verfasser ihres Berichts7 genau wissen mußte, ganz unbegründeten bösen Schein zu erwecken nicht vermied (ebenda S.  486 Nr.  11). Die Fakultät findet es nicht nötig, diese von ihrem Referenten verschuldeten Dinge gut zu machen. Ich würde, wenn ich in ähnlicher Lage ähnlich handelte1), glauben, den Vorwurf unritterlicher und unwürdiger Feigheit auf mich

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1)  Ich stelle fest, daß ich meinerseits und mit aller denkbaren Gewissenhaftigkeit alle A 928 bei diesen Erörterungen mir unterlaufenen noch so unerheblichen Versehen berichtigt habe (ebenda S.  478  ff.). 

a A: dadurch, 5  Vgl. Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, oben, S.  450–493. 6  Ebd., S.  478 f., 480 f. und 483 f. 7  Vermutlich Arthur Spiethoff.

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zu laden. Es ist mir peinlich, ein solches Verhalten in der gegenwärtigen Zeit bei einer Körperschaft feststellen zu müssen, welche sich als Vertreterin des Deutschtums gebärdet.b

b  In A folgt: Heidelberg. Prof. Max Weber.

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[Eine katholische Universität in Salzburg] [Zuschrift an die Frankfurter Zeitung, 10. Mai 1917]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Salzburger Benediktineruniversität wurde von dem bayerischen König Maximilian I. Joseph per Dekret vom 25. November 1810 geschlossen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden Vereine, die den Zweck verfolgten, die Universität Salzburg wieder zu gründen. Sie waren gespalten in solche, die eine katholische, und solche, die eine staatliche Universität wollten. Auch daß der I. Deutsche Hochschullehrertag am 8. und 9. September 1907 in Salzburg stattfand,1 gehört in diesen Zusammenhang. Damit wollte man ein Zeichen gegen die Gründung einer konfessionellen Universität in Salzburg setzen. Nach der kriegsbedingten Schließung der staatlichen Franz-Josephs-Universität in Czernowitz2 wurde vom Salzburger Gemeinderat deren Verlegung nach Salzburg gefordert.3 Da in Salzburg bereits eine Theologische Fakultät existierte, schien dadurch eine „Kompromißuniversität“ möglich: Die zwei Fakultäten der staatlichen Universität Czernowitz, die Philosophische und die Juridische, konnten mit der Salzburger Theologischen Fakultät zusammengeführt werden. Die kirchlichen und die weltlichen Parteien einigten sich darauf, und auch der österreichische Kaiser stimmte am 23. April 1917 diesem Kompromiß zu. Das löste eine Pressekampagne aus, an der sich auch Max Weber mit der folgenden Stellungnahme beteiligte. Er verfaßte sie allerdings offenbar erst, nachdem seine Bedenken, sich im Kriege und bei den in Österreich herrschenden „Verstimmungen über und gegen uns“ in inner-österreichische Angelegenheiten einzumischen,4 durch seinen befreundeten Wiener Kolle1  Verhandlungen des ersten deutschen Hochschullehrertages zu Salzburg im September 1907, hg. von dem engeren Ausschuß für 1907/08. – Straßburg: Karl J. Trübner 1908. 2  Die deutschsprachige Franz-Josephs-Universität in Czernowitz wurde am 4. Oktober 1875 eröffnet. Sie war ein Geschenk anläßlich der Hundertjahrfeier der Eingliederung der Bukowina in die Donaumonarchie. 3  Vgl. die anonyme Notiz in: Deutscher Hochschulwart, Mitteilungen des Salzburger Hochschul-Vereins, Band 12, Folge 2, 1916, S.  1–8. 4  Vgl. den Brief Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 1. Mai 1917, MWG II/9, S.  624 f., Zitat: S.  625.

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gen Ludo Moritz Hartmann zerstreut worden waren und dieser ihn mit den wichtigsten Tatsachen bekannt gemacht hatte.5 Diese Bedenken könnten Max Weber veranlaßt haben, die Zuschrift anonym in der Frankfurter Zeitung veröffentlichen zu lassen. Er schickte sie als „Notiz“ am 8. Mai 1917 an den Verleger Heinrich Simon.6 Der Ausgang des Ersten Weltkrieges machte dann alle Aussichten auf die Gründung einer Salzburger Universität zunichte. Erst am 5. Juli 1962 erging das Gesetz zur Wiedererrichtung der Universität Salzburg.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Edition liegt die Zuschrift zugrunde, die unter der Überschrift „Eine katholische Universität in Salzburg“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  128 vom 10. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S.  2, anonym erschien (A). Von der Zuschrift ist eine maschinenschriftliche Abschrift überliefert, die sich im Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446, OM 7, befindet. Sie besteht aus zwei Blättern, die Johannes Winckelmann nach eigenem Bekunden „seinerzeit von Marianne Weber erhalten“ hat.7 Die Abschrift gibt den abgedruckten Text ohne Hervorhebungen wieder und enthält zusätzlich die Angabe zum Abdruck: „Erstes Morgenblatt der Frankfurter Zeitung, Donnerstag 10. Mai 1917“, sowie die Überschrift und die redaktionelle Vorbemerkung. Sie kann also erst nach dem Erscheinen in der Frankfurter Zeitung angefertigt worden sein und wird daher von der Edition nicht berücksichtigt. Max Webers Autorschaft ist durch den Briefwechsel mit Ludo Moritz Hartmann und Heinrich Simon bezeugt.8 Die Überschrift dürfte von der Redaktion angebracht worden sein.

5  Vgl. den Brief an Heinrich Simon vom 8. Mai 1917, ebd., S.  636: „Für die Authentizität der Tatsachen verbürgt sich Prof. Ludo Moritz Hartmann in Wien“. 6  Vgl. ebd., S.  636. 7  Vgl. die Notiz von Johannes Winckelmann vom 29. Nov. 1961, Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446, OM 7. Winckelmann bezeichnet die „SchreibmaschinenZweitschrift“ als „Originaldurchschlag des Eingesandts“, was, da sie Teile enthält, die die Zeitung hinzugefügt hat, nicht stimmen kann. Es muß sich um eine Abschrift des bereits erschienenen Artikels handeln. 8  Vgl. oben, S.  499 f. mit Anm.  3 bis 5.

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Durcha die Presse ging kürzlich die Nachricht, in Salzburg solle eine Universität gegründet werden. Daran ist soviel zutreffend, daß Bestrebungen bestehen, im Anschluß an die in Salzburg bestehende theologische Fakultät1 eine auch für einen Teil der weltlichen Professuren konfessionell gebundene Hochschule zu errichten. Nicht etwa nur in dem Sinn, daß die Tatsache einer bestimmten Konfessionszugehörigkeit für die Übertragung bestimmter Professuren gefordert würde. Bis vor kurzem waren solche Reste älterer Zeiten bei einzelnen alten Stiftungsprofessuren auch an deutschen Universitäten noch nicht beseitigt, und hie und da ist dies vielleicht noch jetzt nicht der Fall. Wo es etwa noch besteht, ist das vom Standpunkt einer rein wissenschaftlichen Auslese der Bewerber unbedingt abzulehnen, und die Beseitigung ist auch überall im Gange. Aber solche Bestimmungen bedeuten keine innerliche konfessionelle Bindung des Lehrers. In Salzburg soll aber die kaiserliche Ernennung für nicht weniger als fünf von den weltlichen Professuren an die vorhergehende Zustimmung des Erzbischofs gebunden werden, also: eine „missio canonica“2 in aller Form bestehen. Eine solche Hochschule wäre natürlich keine „Universität“, die irgendwelche Aussicht hätte, von akademischen Körperschaften als gleichberechtigt angesehen und als vollwertig behandelt zu werden. Angeblich soll ein Salzburger katholischer Verein3 Mittel hergeben und die bisherige deutsche Universität Czernowitz dorthin verlegt werden. Dieser würde damit freilich eine schwere Degradation drohen. Der Plan entstammt den Erwerbsinteressen lokaler Salzburger Kreise. Die Behauptung dieser Interessenten: ein Ministerium eines süddeutschen Bundesstaats und sogar ein a  In A geht die redaktionelle Bemerkung voraus: Aus akademischen Kreisen schreibt man uns: 1  Nach der Auflösung der Salzburger Universität gründete man am 9. Dezember 1811 dort ein Lyceum mit einer theologischen und einer philosophischen Sektion. 1850 wurde das Lyceum zu einer Universität erhoben, diese blieb aber auf die theologische Fakultät beschränkt. 2  Lat.: Kirchliche (Lehr-)Beauftragung. 3  Gemeint ist der 1884 gegründete „Verein zur Gründung und Erhaltung einer freien Katholischen Universität in Salzburg“.

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reichsdeutscher Staatssekretär seien vorher um Zusage des Anerkenntnisses der Gleichberechtigung angegangen worden und hätten zugestimmt, entspricht schwerlich den Tatsachen.4 Eine solche Zustimmung würde übrigens einer solchen konfessionellen Anstalt nie dazu verhelfen können, daß ihre Zöglinge für die Promotion an Volluniversitäten oder ihre Graduierten für die Habilitation an solchen als qualifiziert angesehen würden. Darüber können außerakademische Instanzen nichts verfügen.

4  Eine solche Initiative ließ sich nicht nachweisen.

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[Das Gymnasium und die neue Zeit]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der im folgenden abgedruckte Text Max Webers ist Teil eines Sammelbands mit weiteren 87 Beiträgen von Philologen, Historikern, Philosophen, Theologen, Juristen, Medizinern, Industriellen, hohen Verwaltungsbeamten, Pädagogen und Schuldirektoren. Sie plädieren für eine Beibehaltung des humanistischen Gymnasiums in einer Zeit, als eine durchgreifende Reform des Schulwesens in Preußen wie auch in anderen Ländern unumgänglich zu sein schien. Die Anregung zu diesem Band ging von dem Leipziger Verlagsbuchhändler Alfred Giesecke-Teubner aus.1 Er wurde gefördert von verschiedenen gymnasium-freundlichen Vereinen, so von dem „Reichsausschuß zum Schutze des humanistischen Gymnasiums“, dem „Deutschen Gymnasialverein“ und den „Vereinigungen der Freunde des humanistischen Gymnasiums“.2

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Abgedruckt wird der Text aus dem Band: Das Gymnasium und die neue Zeit. Fürsprachen und Forderungen für seine Erhaltung und seine Zukunft. – Leipzig und Berlin: B. G. Teubner 1919, S.  133 f. (A). Die Schrift erschien am 24. Mai 1919. Der Beitrag ist mit „Heidelberg  Dr. Max Weber  Professor der Nationalökonomie an der Universität“ gezeichnet. Der Text hat keine Überschrift, ihm wird der Titel des Bandes in eckigen Klammern vorangestellt.

1  Giesecke-Teubner, Alfred, Zur Einführung, in: Das Gymnasium und die neue Zeit. Fürsprachen und Forderungen für seine Erhaltung und seine Zukunft. – Leipzig und Berlin: B.G. Teubner 1919, S.  3–6, hier S.  4. 2  Ebd., S.  5.

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Mehr als je ist heute, nach dem Sturz der überlieferten Gewalten,1 die gründliche Vertrautheit wenigstens der berufsmäßig zu leitenden Stellungen ausgebildeten Schichten mit der Gedankenwelt des klassischen Altertums Bedürfnis. Nicht nur aus dem geschichtlichen Grunde: weil ohne die Selbstbehauptung des Hellenentums gegen den Orient und ohne die Machtentfaltung der Römer wir heute vielleicht überhaupt keine Kultur, sicherlich aber nicht eine von patriarchalen und traditionalistisch gebundenen politischen und hierarchischen Mächten freie geistige Kultur, wie sie der Okzident allein hervorgebracht hat, besitzen würden: eben um deren Existenz wurde, den Kämpfern unbewußt, bei Marathon und Salamis gefochten.2 Sondern auch deshalb, weil alles „voraussetzungslose“ Denken auf wissenschaftlichem und insbesondere auf politischem Gebiet in dem Sinn, den dieses Wort überhaupt haben kann, auf der Grundlage der antiken Denkarbeit erwachsen und noch heute durch sie beeinflußt und mitbedingt ist. Ganz ebenso wie die politischen Probleme und die Gedankengebilde unserer eigenen Vergangenheit und der christlichen Kirche gehören auch die politischen, philosophischen, mathematischen und wissenschaftlichen, aber auch – trotz aller Gegensätzlichkeit – die künstlerischen und literarischen Monumente antiker Kultur zu unserer eigenen Vorgeschichte und ihre geistigen Träger zu unseren eigenen Ahnen. Mit zahlreichen seiner Kollegen hat auch der Unterzeichnete seinerzeit als akademischer Lehrer3 die Erfahrung gemacht: daß es sehr breite geistige Gebiete gibt, auf denen die Einschulung des Denkens durch intimen Verkehr mit den literarischen Erzeugnissen der Antike in deren  Ursprache dem jungen Menschen die Präzision und Nachhaltigkeit des Denkens mehr erleichtert, als ihm selbst irgendwie bewußt ist. Humanistisch gebil1  In der Revolution von 1918. 2  In den Schlachten bei Marathon (490 v. Chr.) und Salamis (480 v. Chr.) wehrten die verbündeten Griechen die Angriffe der Perser endgültig ab. 3  Zum Zeitpunkt, als Weber diesen Beitrag schrieb, war er noch ohne Lehramt, das er krankheitsbedingt aufgegeben hatte. Erst im April 1919 übernahm er ein Ordinariat für Gesellschaftswissenschaft, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München.

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det waren die Träger des bürgerlichen ebenso wie des proletarischen Freiheitskampfes des 19. Jahrhunderts fast ohne jede Ausnahme. Humanistisch gebildet waren und sind auch die Träger des englischen ebenso wie des französischen Nationalgefühles, der amerikanischen demokratischen Kultur und des Sozialismus. Es ist banausisch, unwahr und ein trauriger nationalistischer Kleinglaube, zu meinen, die nationale oder die demokratische oder die sozialistische Eigenart unserer Jugend sei gefährdet durch die intime Berührung mit ewigen Werten, nur um deshalb, weil deren Schöpfung örtlich und zeitlich weit von uns entfernt vollbracht wurde. Möge man die Gattungen der Mittelschulen hinlänglich differenzieren, um anderen unabweisbaren und durchaus ebenbürtigen Bedürfnissen und der Gefahr der Halbheit und inneren Zersplitterung der Schüler Rechnung zu tragen; aber möge man gerade diese Gelegenheit benützen, im Umkreis der gleichberechtigten Bildungsmöglichkeiten endlich auch das humanistische Gymnasium wieder zu dem werden zu lassen, was es für Deutschland einstmals gewesen ist.a

a  In A folgt: Heidelberg  Dr. Max Weber  Professor der Nationalökonomie an der Universität

I b.  Promotionen und Habilitationen

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[Promotionsgutachten Victor Daudert] (23. Januar 1895)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg, wurde am 12. Januar 1895 von dem Dekan der Philosophischen Fakultät, Bernhard von Simson, schriftlich gebeten, ein Erstgutachten „über die Arbeit des Herrn V. Daudert abzugeben“,1 was bald darauf geschah. Victor Daudert wurde daraufhin von der Fakultät zur mündlichen Doktorprüfung am 4. Februar 1895 zugelassen.2 Die Arbeit erschien sowohl als Aufsatz in den Annalen des Deutschen Reichs wie auch als selbständige Publikation3 – aber mit Verzögerung, weshalb Weber Anfang 1896 ein Gesuch um Fristverlängerung für die Abgabe von Pflichtexemplaren beurteilen mußte.4

Zur Überlieferung und Edition Das handschriftliche, von Weber unterschriebene Gutachten befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 42/1263 Victor Daudert, ohne Blattzählung (A). Es steht auf demselben Blatt unter dem Ersuchen des Dekans v. Simson und trägt das Datum 23. Januar 1895 sowie die Bemerkung „Orig. dem Herrn Dekan der philosophischen Fakultät zurückgereicht mit nachfolgender Censur“.

1  Vgl. das Schreiben des Dekans der Philosophischen Fakultät, Bernhard v. Simson, an Max Weber vom 12. Jan. 1895, UA Freiburg i. Br., B 42/1263, Victor Daudert. 2 Ebd. 3  Daudert, Victor, Beiträge zur Geschichte der württembergischen Biersteuer, in: Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik, 30. Jg., Nr.  2, 1897, S.  85–108, und ders., Beiträge zur Geschichte der württembergischen Biersteuer. − München: Knorr & Hirth 1897, zugleich: Freiburg, Univ. Diss. 1897, Theil 1, hg. von dem K. Statistischen Landesamt. – Stuttgart: W. Kohlhammer (hinfort: Daudert, Biersteuer). 4  Vgl. dazu Weber, Verlängerungsgesuch Victor Daudert, unten, S.  514 f.

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[Promotionsgutachten Victor Daudert] Censur Die Arbeit zeigt in schriftstellerischer Beziehung eine Anzahl augenfälliger Mängel, welche dem Nichtfachspezialisten die Lektüre erschweren dürften. Nicht immer, – namentlich im zweiten Teile des ersten Capitels – ist die Darstellung übersichtlich zu nennen, vielfach ist sie zweifellos zu breit, auch wäre eine einleitende Einführung in den Gang der Biersteuergesetzgebung im Allgemeinen erwünscht – Desiderata, deren Abstellung Ref[erent] dem Cand[idaten] bei event. Druck nahe legena würde. Dagegen steht die Arbeit als Doktordissertation und wissenschaftliche Anfängerleistung weit über dem Durchschnitt dessen, was in derartigen Arbeiten geboten zu werden pflegt. Sie ist das Ergebnis eines für einen Studenten durchaus ungewöhnlichen Maßes von Archivarbeit, füllt eine bisher bestandene und sehr unangenehm empfundene Lücke in der Biersteuerlitteratur in einer nach jeder Richtung recht befriedigenden Weise aus, bekundet die völlige Beherrschung der Materie der Bierbesteuerung durch den Candidaten und dessen finanzwissenschaftliche Qualifikation, und kann Alles in Allem, trotz ihres wesentlich deskriptiven Charakters m. E. als eine werthvolle Bereicherung der finanzhistorischen Literatur gelten. In jedem Fall aber genügt sie unbedenklich allen billigen Ansprüchen an eine Probeleistung für das Doktorexamen, so daß ich die Zulassung des Kandidaten beantrage und glaube, daß bei entsprechendem Ausfall der mündlichen Prüfung ein lobendes Prädikat nicht ausgeschlossen sein dürfte. Max Weber

a A: liegen

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[Promotionsgutachten Oscar Münsterberg] (14. Juli 1895)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Im Sommersemester 1895 wurde Max Weber von Alois Riehl, dem Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg, um ein Gutachten über die Dissertation „Japans Edelmetall-Handel von 1542–1854“ von Oscar Münsterberg gebeten.1 Eine erheblich erweiterte Fassung erschien unter dem Titel: Japans Auswärtiger Handel von 1542 bis 1854. Bearbeitet nach Quellenberichten (Münchener Volkswirtschaftliche Studien, hg. von Lujo Brentano und Walther Lotz, 10.  Band). – Stuttgart: J.G. Cotta Nachfolger 1896.2

Zur Überlieferung und Edition Das handschriftliche, von Weber unterschriebene ganzseitige Gutachten befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 42/1275 Philosophische Fakultät, Promotionsgutachten 1895/96, ohne Blattzählung (A). Am oberen Rand steht in der Handschrift des Dekans Alois Riehl: „Ich ersuche Herrn Prof. Weber um sein Gutachten über die beiliegende Promotions-Arbeit des Cand. Oskar Münsterberg. A. Riehl.“

1  Münsterberg war im SS 1895 als Hörer für folgende Lehrveranstaltungen Max Webers eingeschrieben: „Praktische Nationalökonomie“, „Die deutsche Arbeiterfrage in Stadt und Land“ und „Agrarpolitik“. 2  Münsterberg, Oscar, Japans Edelmetall-Handel von 1542–1854, Diss. Freiburg. – Stuttgart: Druck der Union der Deutschen Verlagsgesellschaft 1895, umfaßte 38 Seiten, die erweiterte Fassung von 1896 dagegen 312 Seiten.

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[Promotionsgutachten Oscar Münsterberg] Die Arbeit steht ohne Zweifel erheblich über dem Niveau durchschnittlicher Dissertationen[.] Das Material ist mit großem Fleiß zusammengetragen. Da ich dasselbe zum weit überwiegenden Teil selbst nicht kenne, es auch nicht mir zugänglich ist, so muß ich die Verantwortung für die Solidität der Arbeit in zahlreichen Einzelausführungen und Zahlenangaben, bei denen sich der Verf. auf jenes selbst gesammelte Material stützt, ihm überlassen. – Die Art, wie dies Material verarbeitet wird, ist im Allgemeinen eine recht sachgemäße. In Partien, wo der Verf. sich über die Chancen der Abgeschlossenheit Japans ausspricht, ist das Material zur Aufstellung so bestimmter Behauptungen, wie er sie bringt, wohl nicht überall ausreichend, era zeigt sich hier auch in den Thatsachen, die er vorträgt, beeinflußt durch Rathgen,1 namentlich wohl deshalb[,] weil ihm die inneren Siedlungsverhältnisse Japans nicht eingehend aus eigner Kenntnis bekannt waren und die Sprachkenntnis fehlte. – Ein entscheidend wissenschaftliches Verdienst von Bedeutung ist dagegen andererseits die Darlegung der Entstehung des Abschlusses des Landes und des Zwischenstadiums des Freihandels, welches bisher durchaus nicht genügend beachtet worden war. Ebenso sind die Erörterungen über den Edelmetallverkehr sehr verdienstliche und im gleichen Maß noch eine nicht geringe Anzahl sonstiger Einzelausführungen (so die auf die Handelstechnik bezüglichen). – Kann ich also auch einen Teil der thatsächlichen Grundlagen der Darstellung des Verf. nicht nachprüfen und muß ich es dahingestellt sein lassen, ob manche seiner allgemeinen Betrachtungen bei intimeren Kennern der inneren Struktur des Landes nicht auf Widerspruch stoßen können, so scheint mir die Arbeit doch un­zweifel­haft werthvolle Erweiterungen unsres Wissens zu enthalten, auch die methodische wissenschaftliche Qualifikation des Verf. zu erweisen und als Doktorpromotions-Arbeit jedenfalls nicht nur

a A: es   1 Rathgen, Karl, Japans Volkswirtschaft und Staatshaushalt. − Leipzig: Duncker & Humblot 1891.

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Promotionsgutachten Oscar Münsterberg

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zu genügen, sondern geeignet zu sein, dem Verf. lobendeb Anerkennung einzutragen. Freiburg 14/VII 95

b A: lobend

Max Weber

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[Verlängerungsgesuch Victor Daudert] (8. Januar 1896)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Victor Daudert, dessen Dissertation Max Weber im Jaunar 1895 begutachtet hatte,1 mußte nach Abschluß der Prüfungen noch die Pflichtexemplare einreichen. In einem Schreiben vom 8. Januar 1896 bat er die Philosophische Fakultät wegen „äusserst dringender Gründe“, die Frist bis zum 4. August 1896 zu verlängern. Dieser Antrag wurde von Max Weber unterstützt. Als abermals eine Fristverlängerung nötig wurde, stimmte Weber in einem Brief auch dieser zu. 2

Zur Überlieferung und Edition Das handschriftliche, von Weber unterschriebene Gutachten umfaßt eine Seite und befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 42/1263, Victor Daudert, ohne Blattzählung (A).

1  Vgl. Weber, Promotionsgutachten Victor Daudert, oben, S.  509 f. 2  UA Freiburg i. Br., B 42/1263 Victor Daudert. Vgl. das Schreiben Max Webers an Friedrich Kluge vom 16. Juli 1896, MWG II/3, S.  203 f.

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Ich unterstütze diesen Antrag. Die ziemlich umfangreiche Arbeit sollte in den „Württembergischen Jahrbüchern für Statistik“ erscheinen.1 Deren Herausgeber hält sie aber ohne gleichzeitige Bearbeitung des sog. „Umgeldes“2 für wesentlich wirtschaftshistorisch werthvoll und lehnte deshalb die Aufnahme ab, und auch Schanz, der Herausgeber des „Finanzarchiv“,3 will sie nur nehmen, wenn jene Beurteilung des Umgeldes gleichzeitiga damit verbunden wird. Da aber – wie in den mir vorliegenden Briefen der betr. Herren an den Verf. selbst ausgeführt wird – das Umgeld bereits anderweit bearbeitet ist, kann der Verf. m. E. auf diese, vom speziellen Standpunkt der betreffenden Zeitschriften allenfalls verständlichen Desiderate nicht wohl eingehen,b würde dadurch auch der wissenschaftliche Werth seiner Arbeit m. E. nicht wesentlich erhöhtc. Die Arbeit muß daher – da sie für andre Zeitschriften zu umfangreich ist – jetzt als Dissertation gedruckt werden,4 und die Verzögerung fällt dem Verf., den ich s. Z. um einige Änderungen ersucht hatte, nicht zur Last. Daher scheint mir der Antrag gerechtfertigt. Professor Max Weber

a  〈erfolgt〉    b  〈da〉    c A: erhöhen 1  Die Arbeit erschien nicht in den Württembergischen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde, sondern in den Annalen des Deutschen Reiches für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft und zusätzlich als Sonderdruck, vgl. Daudert, Biersteuer (wie oben, S.  509, Anm.  3). 2 Der Begriff „Umgeld“ (früher: „Ungelt“, „Umgelt“, auch „Unrecht“ von seiten der damit Unzufriedenen) bezeichnet Aufwandsteuern. Als das Königreich Württemberg im 19. Jahrhundert Konzessionsgelder von Brauerei- und Gaststättenbesitzern erhob sowie die in Gaststätten ausgeschenkten Getränke mit einer Steuer belegte, bürgerte sich für diese Abgaben der Begriff „Umgeld“ ein. Vgl. Kersting, Gabriele, Steuerwiderstand und Steuerkultur, Der Kampf gegen das Umgeld im Königreich Württemberg (1819–1871). – Stuttgart: W. Kohlhammer 2006. 3  Finanz-Archiv, Zeitschrift für das Gesamte Finanzwesen, hg. von Georg v. Schanz. – Stuttgart: Verlag der J.G. Cotta’schen Buchhandlung 1884 ff. 4  Vgl. Daudert, Biersteuer (wie oben, S.  509, Anm.  3).

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[Promotionsgutachten Franz Rickert] (15. November 1896)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Richard Schmidt, der Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i. Br., bat Max Weber am 7. November 1896, „das Referat der Arbeit“ von Franz Rickert zu übernehmen.1 Rickert hatte seit seinem zweiten Semester in Freiburg neben juristischen und philosophischen hauptsächlich volkswirtschaftliche Vorlesungen, u. a. bei Max Weber, gehört.2 Für seine Doktorarbeit wählte er ein volkswirtschaftliches Thema. Sie erschien unter dem Titel: Das Schreinergewerbe in Freiburg im Breisgau (Schriften des Vereins für Socialpolitik 69). – Leipzig: Duncker & Humblot 1896.

Zur Überlieferung und Edition Das anderthalbseitige handschriftliche Gutachten befindet sich in der Promotionsakte Franz Rickert, Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 110/405, Bl. 143 und 151 (A). Es enthält Webers eigenhändige Unterschrift und die Bemerkung „Dem Herrn Dekan mit folgendem Gutachten zurückgereicht“. Im Archiv sind die beiden Blätter getrennt und mit der Archivpaginierung 143 und 151 überliefert.

1  Vgl. die Aufforderung von Richard Schmidt (handschriftlich) in der Promotionsakte von Franz Rickert, UA Freiburg i. Br., Juristische Fakultät, Protokoll-Beilagen 1896/97, Dekanat Richard Schmidt, B 110/405, Bl. 143. 2  Rickert hörte bei Max Weber im WS 1894/95 die Vorlesung „Allgemeine ‚theoretische‘ Nationalökonomie“ und im SS 1895 „Praktische Nationalökonomie“ und „Agrarpolitik“.

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Die Arbeit des Herrn Rickert leidet in formaler Beziehung an einera mehrfach hervortretenden, mit der guten Gesammtauffassung der entscheidenden Probleme contrastierenden Ungewandtheit in der Thatsachengruppierung, namentlich in Cap. III Abschnitt A, wo die Übersichtlichkeit dadurch erheblich in Frage gestellt ist. Eine erhebliche Anzahl recht glücklicher Beobachtungen verbergen sich ja an Orten, wo man sie nicht vermuthet[,] und allgemeine Gesichtspunkte, die man an die Spitze gestellt sehen möchte,b hinken der Erörterung nach. Der Abschnitt C desselben Capitels zeichnet sich in dieser Beziehung dagegen vorteilhaft vor dem Restbestandteil aus, und bei Darstellung der Möbelschreinerei – Cap. IV – sind derartige Mängel in geringem Maß vorhanden und darf die Darstellung vielfach als eine wohlgelungene bezeichnet werden. Sachlich stand der Candidat der ungünstigen Situation gegenüber, daß die ausgezeichnete Arbeit über das Berliner Tischlergewerbec in den Schriften des V[ereins] f[ür] Sozialpolitik1 ihr eine Fülle der wesentlichsten Gesichtspunkte vorweggenommen hat. Erschöpfender in den Gesichtspunkten ist auch die ebenda erschienene Darstellung der Kölnerd Schreinerei,2 während edie vorliegende Arbeite sich mit den sonstigen Publikationen über das gleiche Gewerbe wohl messen kann. Zu wenig eingehend ist die Behandlung der speziellen Probleme des Freiburger Kleingewerbes unter dem Gesichtspunkt des Consumbedarfs der einzelnen sozialen Schichten und derf sich daraus ergebendeng Einwirkung a A: einem   b  〈sind〉   c  〈[??]〉gewerbe > Tischlergewerbe   d  〈Möbel〉   e–e  sie > die vorliegende Arbeit   f A: die  g A: ergebende 1  Voigt, Paul, Das Tischlergewerbe in Berlin, in: Untersuchungen über die Lage des Handwerks in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie (Schriften des Vereins für Socialpolitik 65, Band 4, 2. Teil). – Leipzig: Duncker & Humblot 1895, S.  325–498 (hinfort: Voigt, Tischlergewerbe). Die Arbeit ging aus dem Seminar von Max Sering in Berlin hervor. 2 Schönbeck, Franz v., Die Lage des Kleingewerbes in der Kölner Schreinerei, in: Untersuchungen über die Lage des Handwerks in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie (Schriften des Vereins für Socialpolitik 62, Band 1, 1. Teil). – Leipzig: Duncker & Humblot 1895, S.  261– 310.

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Promotionsgutachten Franz Rickert

der spezifisch süddeutschen Vermögensschichtung. Der Herkunft des Capitals der Meister3 und dieser selbst hätte gleichfalls eingehender nachgegangen werden können. Die  wohl unbedenklich beste Partie ist die über die Wohnstubenmöbel – Cap. IV B –, hier hat der Verf. trotz der erwähnten Schwierigkeit seiner Lage am meisten eigne und zum Teil recht brauchbare Gedanken an den Tag gelegt, und ist zu Einzelbeobachtungen von selbständigem wissenschaftlichem Werth gelangt. – Im Ganzen steht die Dissertation unzweifelhaft höher als der Durchschnitt der Anfängerarbeiten gleicher Art, kann unbedenklich als Probeleistung genügen und schließt die Erteilung eines guten Prädikats bei entsprechendem Ausfall der mündlichen Prüfung nicht aus, giebt vielmehr Anwartschaft auf ein solches. Ich beantrage die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Prüfung. Freiburg 15. XI. 96. Max Weber

3  Diese Frage behandelt Voigt, Tischlergewerbe (wie oben, S.  517, Anm.  1), S.  404– 409, in Abschnitt „e. Kapital und Kredit“.

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[Verlängerungsgesuch Gustav Hecht] (Februar 1897)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber richtete die nachfolgende Empfehlung an die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg i. Br. in seiner Funktion als Mitherausgeber der Reihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen“,1 in der die Promotionsschrift von Gustav Hecht veröffentlicht werden sollte. Gustav Hecht war von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz mit einer Arbeit über „Colbert’s politische und volkswirtschaftliche Grundanschauungen“ promoviert worden.2 Für die Aufnahme in die Reihe verlangte v. Schulze-Gaevernitz eine Erweiterung der Quellenbasis. Dies machte eine Archivreise nach Paris erforderlich, so daß Hecht den ordnungsgemäßen Abgabetermin für die 150 gedruckten Pflichtexemplare seiner Dissertation nicht einhalten konnte.3 In seinem am 19. Februar 1897 an die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg gerichteten Gesuch bat Hecht um das Imprimatur für seine Doktorarbeit sowie um eine Verlängerung der Abgabefrist für die gedruckten Exemplare.4 Dieses Gesuch wurde sowohl von Max Weber als auch von Gerhart 1 Die Reihe wurde von Max Weber zusammen mit Carl Johannes Fuchs, Heinrich Herkner und Gerhart v. Schulze-Gaevernitz seit 1897 herausgegeben. Darin erschienen u. a. als 1.  Band, 1. Heft Robert Liefmanns von Max Weber betreute Doktorarbeit: Die Unternehmerverbände (Konventionen, Kartelle). Ihr Wesen und ihre Bedeutung (1897); dann Gustav Hechts Doktorarbeit als 2. Heft des 1.  Bandes (1898); Marianne Webers Abhandlung über „Fichte’s Sozialismus und sein Verhältnis zur Marx’schen Doktrin“ erschien als 4.  Band, 3. Heft (1900), und Martin Offenbachers Doktorarbeit „Konfession und soziale Schichtung. Eine Studie über die wirtschaftliche Lage der Katholiken und Protestanten in Baden“ als 4.  Band, 5. Heft (1900). Die „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen“ erschienen bis zum VI. Band im Verlag Mohr (Paul Siebeck), ab dem VII. Band im Verlag der Braunschen Hofbuchhandlung in Karlsruhe. Nach dem VII. Band gab Max Weber seine Mitherausgeberschaft auf. 2  Gerhart v. Schulze-Gaevernitz verfaßte auch das Gutachten über die Dissertation (vom 12. Dez. 1895), UA Freiburg i. Br., Promotionsakte Gustav Hecht, B 42/1285. 3  Nach der ab 1902 gültigen Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg (die in den 1890er Jahren gültige Promotionsordnung ist nicht auffindbar), mußte die angenommene Dissertation binnen Jahresfrist in 150 gedruckten Exemplaren an die Fakultät abgeliefert werden. Nachträgliche Änderungen am Text bedurften der Genehmigung der Fakultät, UA Freiburg i. Br., D 76/46. 4  UA Freiburg i. Br., Promotionsakte Gustav Hecht, B 42/1285.

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Verlängerungsgesuch Gustav Hecht

v. Schulze-Gaevernitz befürwortet. Hechts Arbeit erschien erst 1898 als 1.  Band, 2. Heft der Volkswirtschaftlichen Abhandlungen, hg. von Carl Johannes Fuchs, Heinrich Herkner, Gerhar[t] von Schulze-G[ae]vernitz und Max Weber. – Freiburg i. Br., Leipzig und Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1898.

Zur Überlieferung und Edition Die Stellungnahme Max Webers befindet sich auf der Rückseite des Gesuchs von Gustav Hecht im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., Promotionsakte Gustav Hecht, B 42/1285, ohne Blattzählung (A). Die undatierte handschriftliche Stellungnahme trägt die eigenhändige Unterschrift Max Webers. Darunter befindet sich die handschriftliche Bemerkung von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz: „Ich schließe mich der Befürwortung des Prof. M. Weber an. Ergebenst Prof. v. Schulze-Gaevernitz“.

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[Verlängerungsgesuch Gustav Hecht]

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Das vorstehende Gesuch möchte ich meinerseits der hohen Philosophischen Fakultät zur Bewilligung empfehlen. Die Arbeit des Herrn Dr Hecht soll in einem Broschürenzyklus erscheinen,1 den wir vorbereiten und der nicht vor etwa Juli/August d. J. publiziert werden kann. Ich stelle daher das Gesuch, Herrn Hecht bis 1.  Oktober d. J. Frist zu gewähren. Ein Präcedenzfall für eine so lange Frist ist durch Herrn Dr Daudert2 aus entsprechendem Grunde geschaffen. Der Philosophischen Fakultät sehr ergebenster Professor Max Weber

1 Gemeint ist die Reihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen“, vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  519 mit Anm.  1. 2 Vgl. Weber, Verlängerungsgesuch Victor Daudert, oben, S.  514 f., sowie für die zweite Fristverlängerung den Brief Max Webers an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br., Friedrich Kluge, vom 16. Juli 1896, MWG II/3, S.  203 f.

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[Habilitationsgutachten Heinrich Sieveking] (1. März 1897)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 23. Februar 1897 richtete Heinrich Sieveking an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg i. Br. das Gesuch, ihm aufgrund seiner „bisher veröffentlichten Schriften“ sowie seiner noch nicht vollendeten Studie über das „Genueser Finanzwesen bis zur Gründung der Bank von S. Giorgio 1408“,1 die „venia legendi für die Fächer der Wirtschaftsgeschichte, Nationalökonomie und Finanzwissenschaft“ zu erteilen.2 Weber, der zu diesem Zeitpunkt den Ruf an die Universität Heidelberg angenommen und Sieveking in einem privaten Schreiben von einer Habilitation abgeraten hatte,3 verfaßte ein Gutachten über die „von Herrn Dr H. Sieveking zur Habilitation vorgelegten 5 Arbeiten“ und empfahl, Heinrich Sieveking zur Habilitation zuzulassen. Diese war erfolgreich,4 Sieveking lehrte in Freiburg von 1898 bis 1903, zunächst als Privatdozent und seit 1900 als außerordentlicher Professor. Als er 1902 einem Ruf nach Marburg folgte, wurde Robert Liefmann sein Nachfolger.5

1  Als ausgearbeitete Fassung 1898 und 1899 in den Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen erschienen: Sieveking, Genueser Finanzwesen. 2  Gesuch Heinrich Sievekings an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg i. Br., UA Freiburg i. Br., B 110/406, Bl. 51. 3  Er empfahl ihm, sich seine „Bewegungsfreiheit“ zu bewahren und statt „Füchse [zu] dressieren“ neben Genua noch weitere italienische oder holländische Städte „durch[zu]kneten“. Vgl. den Brief Max Webers an Heinrich Sieveking, nach dem 28. Jan. 1897, MWG II/3, S.  285 f. 4  Am 10. März 1897 schrieb Max Weber an Carl Johannes Fuchs: „Vor 2 Tagen hat sich hier – wie ich Ihnen, irre ich nicht, schon s. Z. ankündigte – Herr Dr Sieveking (Schüler Bücher’s und Lamprecht’s) habilitiert. Er ist wissenschaftlich offenbar als Wirtschaftshistoriker vortrefflich, mit dem Docieren wird es wohl zunächst sehr hapern.“ Vgl. MWG II/3, S.  297 f. 5  Robert Liefmann wurde im WS 1896/97 von Max Weber promoviert mit einer Arbeit über „Die Unternehmerverbände (Konventionen, Kartelle). Ihr Wesen und ihre Bedeutung.“ Vgl. Weber, Promotionsgutachten Robert Liefmann, unten, S.  528–531.

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Zur Überlieferung und Edition Das nachfolgend edierte Habilitationsgutachten befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 110/406, Bl. 53–55 (A). Der formlose, handschriftliche dreiseitige Schriftsatz ist von Max Weber unter dem Datum 1. März 1897 eigenhändig unterzeichnet. Die Archivpaginierung, die nur ungerade Seitenzahlen umfaßt, wird vom Editor als A 53, A 55 wiedergegeben, die gerade Seitenzahl in runden Klammern ergänzt.

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Gutachten betr. die von Herrn Dr H. Sieveking zur Habilitation vorgelegten 5a Arbeiten. 1. Die Habilitationsschrift. Dieb Arbeit des Herrn Dr. Sieveking darf schon in ihrem jetzigen, offenbar nicht ganz definitiven Zustand als eine überaus werthvolle Bereicherung unsres Wissens über das mittelalterliche Finanzwesen und die Natur der mittelländischen Stadtstaaten des Mittelalters überhaupt bezeichnet werden. Sie bildet namentlich einen ganz eminenten Fortschritt über die bisherigen Darstellungen der St. Georgs-Bank hinaus. Die rechtlichen und ökonomischen Unterlagen der Besteuerung Genuas vor dem Übergang zum System der Zwangsanleihen sind, soweit es das Material gestattet, im ersten Kapitel sehr gut dargestellt.1 Manche dringend erwünschten näheren Aufklärungen, so über die Natur der „Albergen“,2 können z. Z. mit dem vorhandenen Material nicht gegeben werden, an einzelnen Punkten wird Herr S[ieveking] dagegen wohl noch Einiges zur Vervollständigung nachtragen können, so bezüglich der Natur der beiden Grundsteuern der Stadt. Sehr zutreffend und in einer mir höchst erfreulichen Übereinstimmung mit meinen auf andren Gebieten gewonnenen und im Colleg, aber nie öffentlich, vorgetragenen Anschauungen ist sodann im 2ten Capitel das treibende Motiv des Übergangsc von der außerordentlichen Personalsteuer zur verzinslichen Anleihe dargestellt: das Interesse der besitzenden Classen, statt die Nothbedürfnisse der Stadt durch partielle Vermögensconfiskationen decken zu müssen, dieselben vielmehr zur Erwerbung von Rententributrechten benutzen zu können, – statt im Wege der Personalsteuer gratis einen Teil ihres Vermögens in die Bresche zu werfen, vielmehr Gläubiger des Staates zu werden. Es ist überaus anschaulich geschildert, wie im Wege der fideicommissarischen Festlegung der a  4 > 5  b  In A geht voraus: 〈1.〉    c A: Übergang 〈zum〉 1  Sieveking, Genueser Finanzwesen, S.  1–41. 2  Das genuesische Patriziat schloß sich im 13. Jahrhundert in Albergen zusammen. Nach Albergen wurde gewählt, zum Heeresbann eingerückt und besteuert.

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Gläubigerrechte, ihrer Conzentration in wenigen Händen, der Verpfändung aller Einnahmen des Staates aus indirekten Steuernd schließlich die ganze Finanzverwaltung nur noch im Interesse der Gläubiger geführt wird, welche den Staat mit einer festen Rente sustentieren. – Mit diesen höchst werthvollen Ergebnissen hält nun allerdings die Darstellungsform des Verf. nicht überall Schritt. Der Eingang des 2ten Capitels besonders ist wenig geschickt. Die Darstellung entbehrt des Zusammenhanges, setzt allerlei als bekannt voraus, was später erklärt wird, und macht dem mit dem Wesen der mutua und comperae3 nicht vertrauten Leser diese Institute schwerlich verständlich. An manchen Punkten sind auch Lücken oder Schwächen zu finden. So unterschätzt S[ieveking] die Tragweite der popularen Erhebung von 1339 doch wohl: Der Übergang zur direkten Besteuerung ist doch  offenbar eine Conzession an sie, mochte Boccanegrae auch die verbrannten Schuldbücher herstellen.4 – Der „Zins“ der Comperistenherrn5 ist eine contingentierte Dividende, was S[ieveking] nicht genügend klar macht. – Nicht versucht ist die Erörterung der Frage nach dem Grunde der differenten Formen der Verschuldung imf nördlichen Europa (Rentenschuldeng) einerseits, im Süden (Zwangsanleihen mit compera) andererseits, – offenbar: in Deutschland oft auswärtige Gläubiger, in Italien die eigene Aristokratie. – Diese Lücken und die Mängel der Darstellung wird S[ieveking] mit leichter Müheh beseitigen können, da er das Material in seltenem Maße beherrscht und die großen Gesichtspunkte mehr sich auszusprechen und hineinzutragen scheut, als daß sie ihm fremd wären.6 d A: Steuern,  e A: Boccanigra  f  in dem > im  g  Unsichere Lesung.    h  〈so〉 3  Die Staatsschuld Genuas setzte sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts aus unverzinslichen Zwangsanleihen (mutua) und freiwilligen, festverzinslichen Anleihen (compere) zusammen. 4  1339 kam es in Genua wegen der hohen Steuern zu einem Volksaufstand, bei dem Steuerregister und Schuldbücher verbrannt wurden. Der Adel wurde von den obersten Staatsämtern ausgeschlossen, Simone Boccanegra zum ersten popularen Dogen Genuas gewählt. 5  Der Staat verpfändete oder verpachtete Staatseinkünfte an Staatsgläubiger (Comperisten). 6  Heinrich Sieveking hielt Ende Januar 1897 im Kameralistischen Seminar Max Webers einen Vortrag. Vgl. Sieveking, Heinrich, Erinnerungen 1871–1914. – Hamburg: Gesellschaft der Bücherfreunde 1977, S.  57.

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Schon mit diesem Bruchteil seines auf wohl mindestens den dreifachen Umfang berechneten Werkes wird er zweifellos Ehre einlegen und ist es als Habilitationsleistung ohne allen Zweifel ausreichend. – 2. Von den sonstigen Arbeiten, die ich sämmtlich schon von früher kenne, also ad hoc nicht noch einmal gelesen habe, ist mir diejenige über das „Seedarlehen im Altertum“7 (Dissertation) am wenigsten deutlich in Erinnerung und kann ich namentlich den juristischen Werth nicht mehr beurteilen. Die Behandlung namentlich des griechischen Teils hat mich s. Z. interessiert. – Die Arbeit über „Erpel und Unkel“8 ist durch große Sorgfalt und Vorsicht ausgezeichnet, die Vorsicht geht teilweise wohl zu weit und verschuldet es namentlich, daß der Verf. allgemeine Gesichtspunkte wenig oder gar nicht in seinem Stoff gefunden hat. Unerörtert ist deshalb geblieben, ob die geschilderte Entwicklung typisch ist, unerörtert namentlich der Grund des Collapses von der Geld- zur Naturalwirtschaft. – Die Arbeit über die „Genueser Seidenindustrie“9 schildert Verhältnisse, welche ähnlich auch anderwärts zu finden sind, auch bereits für andere Gewerbe ähnlich dargestellt sind,  mit derjenigen umsichtigen Sorgfalt, die überhaupt die Stärke des Verf. ist. – Die Arbeit über die Sieveking’schen „Colonisationspläne“10 endlich erhebt wissenschaftliche Ansprüche im engeren Sinne nicht, ist aber gut geschrieben und läßt einen mir sympathischen Grundgesichtspunkt erkennen. Nach Allem kann Herr Dr. Sieveking als eine durchaus erwünschte Acquisition für unser Fach angesehen werden. Die hie und da hervortretende Scheu vor der Aufzeigung größerer Zusammenhänge ist teils die Folge derjenigen Vorzüge, welche S[ieveking] auszeichnen und ihn speziell zum Wirtschaftshistoriker in weit höherem Maß befähigen, als die große Zahl der auf diesem Gebiet arbeitenden Phantasten, teilsi Folge einer gewissen Schüchternheit, die gewiß in so jungen Jahren kein Fehler und jedenfalls ein solcher i  〈wird sie mit〉 7  Sieveking, Seedarlehen. 8  Sieveking, Rheinische Gemeinden. 9  Sieveking, Genueser Seidenindustrie, S.  101 f. 10  Sieveking, Hamburger Kolonisationspläne, S.  149–170. Gemeint sind die Kolonisationspläne des Hamburger Syndikus Karl Sieveking (1787–1847).

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ist, der mit wachsenden wissenschaftlichen Erfolgen zu schwinden pflegt. Die vorgelegten Arbeiten gestatten allerdings noch kein ausreichendes Urteil über die rein theoretische Befähigung des Verf. – in dieser Beziehung wird die Probevorlesung11 die Lücke ergänzen müssen. Aber auch auf Grund der vorgelegten Leistungen allein bereits könnte der Verf. mit Vertrauen zum Lehrberuf auf dem Gebiet unserer Wissenschaft, soweit esj historischer und praktisch-sozial- oder finanzpolitischer Natur ist, zugelassen werden. Ich beantrage deshalb Herrn Dr. Sieveking zu den weiteren Habilitationsleistungen zuzulassen. Freiburg i. B. 1.3.1897

Max Weber

j  〈uns〉 11  Die Probevorlesung zum Thema „Büsch und seine Schrift über den Geldumlauf“ fand am 6. März 1897 statt.

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[Promotionsgutachten Robert Liefmann] (6. März 1897)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Das Thema der Dissertation von Robert Liefmann hatte Max Weber angeregt, der auch das Gutachten verfaßte. Wegen der „einseitig theoretischen Begabung“ des Verfassers wurde sie nur magna cum laude bewertet, dann aber in der von Max Weber mitherausgegebenen Reihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen“ unter dem Titel „Die Unternehmerverbände (Konventionen, Kartelle). Ihr Wesen und ihre Bedeutung“ publiziert.1 Die weitere Karriere Liefmanns wurde dadurch behindert, daß er Jude war. Auf Grundlage der 1899 unter dem Titel: „Die Hausweberei im Elsaß“2 veröffentlichten Arbeit verfaßte Liefmann eine zweite juristische Dissertation, mit der er sich nach Absprache mit Carl Johannes Fuchs in Freiburg habilitieren wollte. Diese Arbeit lehnte die Fakultät im Februar 1900 als juristisch nicht genügend ab.3 Da ihm Heinrich Dietzel und Wilhelm Lexis von einer Habilitation in Bonn oder Göttingen abrieten, wandte sich Liefmann, beraten von Wilhelm Lexis, mit seinem Anliegen an Max Weber in Heidelberg. Weber schien Liefmann habilitieren zu wollen,4 mußte im April 1900 aber aufgrund seiner Erkrankung von seinem Angebot zurücktreten.5 Liefmann appellierte 1 Liefmann, Unternehmerverbände, erschien 1897. Im Vorwort dankt er seinem „hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. M. Weber in Heidelberg, welcher nicht nur die Anregung zu dieser Arbeit gegeben sondern mir auch in allen Phasen ihrer Entstehung auf das Freundlichste mit Rat und Hilfe zur Seite gestanden hat.“ 2  Liefmann, Robert, Die Hausweberei im Elsaß, in: Hausindustrie und Heimarbeit in Deutschland und Österreich, Band 1 (Schriften des Vereins für Socialpolitik 84). – Leipzig: Duncker & Humblot 1899, S.  191–247. 3  Brief von Robert Liefmann an Max Weber vom 24. Febr. 1900, Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 4  Brief von Robert Liefmann an Max Weber vom 7. März 1900 (ebd.): „Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihr freundliches Schreiben und Ihre Bereitwilligkeit, mich dort als Privatdozent anzunehmen. Bis Ende der Ferien wird es sich jedenfalls entscheiden, ob ich noch in Bonn oder Göttingen Aussicht habe anzukommen. Sehr wahrscheinlich scheint es mir bisher nicht. Sollte es doch der Fall sein, so würde ich es vielleicht, Ihrem Rate folgend, eine Habilitation in Heidelberg vorziehen.“ 5  Dies geht aus einem Brief von Robert Liefmann an Max Weber vom 10. April 1900 (ebd.) hervor: „Besten Dank für Ihre freundliche Benachrichtigung, die mich natürlich

Editorischer Bericht

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an Weber, ihn nicht fallen zu lassen,6 und bat ihn, sich bei Karl Rathgen für ihn einzusetzen. Rathgen hatte jedoch offensichtlich einen anderen Aspiranten für die Privatdozentur in Heidelberg vorgesehen.7 Noch während seines Kuraufenthaltes in Urach vom 2. Juli bis 17. November 1900 setzte sich Max Weber für Liefmann gutachtlich bei einem Kollegen in Gießen ein.8 Dort konnte sich Liefmann schließlich bei Magnus Biermer habilitieren. 1903 wurde er in Freiburg als Nachfolger Sievekings zum außerordentlichen Professor ernannt. Weber schlug ihn 1907 für die Neubesetzung des Lehrstuhls für Nationalökonomie an der TH München vor. Dabei empfahl er Liefmann als „erste Autorität auf dem Gebiet des industriellen Kartellwesens und ein[en] Kenner unsrer Industrie überhaupt, wie nur wenige existieren“. Er kenne Liefmanns Charakter, seine „bedingungs- und vorbehaltlose Ehrenhaftigkeit, mit Bescheidenheit verbundene innere Sicherheit und gesellschaftliche Durchgebildetheit“. „Ich würde es speziell bei ihm sehr bedauern, wenn ihm seine Abstammung im Wege stände.“9 Liefmann wurde nicht nach München berufen, er blieb bis 1933 als ordentlicher Professor für Nationalökonomie in Freiburg. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen.

um so mehr in Bestürzung versetzte, als ich gehofft hatte, mich bald habilitieren zu können. Auch von Herrn Prof. Lexis habe ich inzwischen ‚unter voller Anerkennung des Wertes meiner Arbeiten’ eine absagende Antwort erhalten und glaube ich, daß er in erster Linie seine eigenen Schüler zu berücksichtigen bestrebt ist.“ 6  „Ich bin nun ausschließlich Ihr Schüler und glaube, daß, wenn es mir in Heidelberg nicht gelingt, ich wenig Aussicht habe, irgendwo anzukommen und weiß nicht, was ich dann anfangen soll.“ Ebd. 7  Brief von Robert Liefmann an Max Weber vom 17. April 1900 (ebd.): „Wenn jener andere Aspirant mir definitiv vorgezogen ist, fürchte ich fast selbst, daß Prof. Rathgen nicht sehr geneigt sein wird, noch einen zweiten Dozenten dort aufzunehmen. Ich weiß aber nicht, was ich sonst anfangen soll. Vielleicht können Sie mir sagen, ob ich wohl in Tübingen Aussichten hätte? Ich scheue mich nur, dort anzufragen, nachdem ich schon zwei Absagen erhalten habe.“ 8  Dies geht aus einem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 10. Juli 1900 hervor (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Vor einigen Tagen kam ein Brief eines Gießener Kollegen, der um Auskunft über Dr. Liefmanns Charakter etc. bat. Dr. L. ist Maxens Schüler, er möchte sich habilitieren, hat aber Schwierigkeiten, weil er Jude ist. Max hat sich nun immer sehr für ihn interessiert u. die Habilitationsangelegenheit[,] mit der der arme Kerl gräulich in der Klemme saß, lag ihm sehr am Herzen. Na, ich zeigte ihm mittags den Brief und [er] diktierte mir auch in 1/4 Stunde vier Seiten.“ 9  Brief Max Webers an Richard Graf Du Moulin-Eckart vom 4. Mai 1907, MWG II/5, S.  287–296, Zitat: S.  290 f.

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Promotionsgutachten Robert Liefmann

Zur Überlieferung und Edition Das im folgenden abgedruckte Promotionsgutachten befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 110/405, Bl. 385 (A). Der formlose, zweiseitige handschriftliche Schriftsatz mit der Überschrift „Censur“ steht auf einem Blatt in der Promotionsakte Liefmann. Er ist von Max Weber unter dem Datum 6. März 1897 eigenhändig unterzeichnet. Die Vorderseite wird vom Editor als A 385r, die Rückseite als A 385v paginiert.

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Der nicht unerhebliche wissenschaftliche Werth der Arbeit des Herren Liefmann liegt in der sehr sorgfältigen und scharfen Gliederung der einzelnen Formen der Kartelle, ihrer Reduktion auf ein übersichtliches, sehr brauchbares Schema einfacher Typen und der gründlichen und scharfsinnigen theoretischen Erörterung ihrer Wirkungsweise. In dieser Hinsicht darf ein ganz bedeutender Fortschritt gegenüber der gesammten bisherigen Litteratur über diesen Gegenstand constatiert werden in einem Maß, wie dies bei Doktordissertationen durchaus ungewöhnlich ist. Die Schrift von Kleinwächter1 namentlich fällt daneben stark ab. Etwas prinzipiell sachlicha Neues hat andererseits der Verf. naturgemäß nicht liefern können, die prinzipielle Vorstellungb der wissenschaftlichen Behandlung der Kartelle, die der Arbeit verdankt wird, liegt vielmehr in der Erkenntnis der spezifisch verschiedenen Wirksamkeit derselben je nach dem Wege, auf welchem das allen gemeinsame Ziel erstrebt wird, und demgemäß auch in der verschiedenen sozial[-] und wirtschaftspolitischen Beurteilung, welche sie zu erfahren hatte. Die Schwäche des Verf. liegt in seiner einseitig theoretischen Begabung. Es fehlt ihm schlechthin der historische Sinn und damit die Fähigkeit, wo die formalen Merkmale der Entwicklung versagen, dieselbe ökonomisch zu deuten. Deshalb leiden die historischen ebenso wie ein Teil der ersten allgemeinen Partien der Schrift an erheblichen Ungeschicklichkeiten und breiten, wenig fruchtbaren, Deduktionen aus dem „Sprachgebrauch“ und selbstgeschaffenen Formeln. Hier werden einige Änderungen unerläßlich sein.2 Die Arbeit als  Ganzes kann darnach nicht auf das erste, wohl aber auf das zweite Prädikat Anspruch erheben. Fr[eiburg] 6.III.97

Max Weber

a  [??] > sachlich  b  Zu erwarten wäre: Förderung 1  Gemeint ist: Kleinwächter, Kartelle. 2  Die veränderte Arbeit schickte Liefmann am 16. April 1897 an Max Weber. Vgl. den Brief von Robert Liefmann an Max Weber vom 16. April 1897, Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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[Antrag auf Herabsetzung der DissertationsPflichtexemplare von Robert Liefmann] (3. Mai 1897)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Robert Liefmann stellte an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg am 29. April 1897 das Gesuch, die Anzahl der einzureichenden Pflichtexemplare seiner Dissertation herabzusetzen.1 Zur Begründung verwies er auf den großen Umfang der Arbeit und ihr baldiges Erscheinen im Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Max Weber, Liefmanns Doktorvater,2 der inzwischen in Heidelberg lehrte, befürwortete den Antrag. Gerhart v. Schulze-Gaevernitz schloß sich dem Votum Max Webers an, die anderen Fakultätsmitglieder zeichneten zustimmend ab.3 Am 8. Mai 1897 wurde dem Antrag Liefmanns stattgegeben.4

Zur Überlieferung und Edition Das handschriftliche, an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät gerichtete Gutachten Max Webers befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 110/406, Bl. 61 (A). Es ist von ihm auf den 3. Mai 1897 datiert und eigenhändig unterzeichnet. Webers Gutachten steht auf demselben Blatt, das Robert Liefmann für seinen Antrag vom 29. April 1897 benutzte. Unterhalb von Webers Text schließen sich das Votum von Schulze-Gaevernitz und der anderen Fakultätsmitglieder sowie die Aktennotiz an, daß dem Antrag Liefmanns stattgegeben wurde.

1  Gesuch Robert Liefmanns an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg i. Br., UA Freiburg i. Br., B 110/406, Bl. 61. 2 Vgl. Weber, Promotionsgutachten Robert Liefmann, oben, S.  528–531. Liefmann, Unternehmerverbände, erschien 1897 in der Reihe Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen. 3  UA Freiburg i. Br., B 110/406, Bl. 61. 4 Ebd.

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[Antrag auf Herabsetzung der DissertationsPflichtexemplare von Robert Liefmann]

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Ich möchte meinerseits diesen Antrag bei dem sehr großen Umfang der Arbeit dringend empfehlen und halte es für angemessen, wenn der Candidat 10 Exemplare1 einreicht. In Urschrift Herrn Professor Dr. von Schulze-Gävernitz Freiburg mit der Bitte, den Antrag der Fakultät befürwortend vorlegen zu wollen Heidelberg 3.V.97 Professor Max Weber.

1  Wie Max Weber später in einem Brief an Paul Siebeck vom 19. Mai 1897, MWG II/3, S.  332 f., präzisierte, handelte es sich dabei um zehn „Voll-Exemplare“, die Robert Liefmann einreichen sollte.

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[Promotionsgutachten Heinrich Oppenheimer] (28. November 1898)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Unter den Promotionsgutachten Max Webers stellt das folgende eine Ausnahme dar. Er lehnt die eingereichte Dissertation von Heinrich Oppenheimer mit dem Titel „Das Trägheitsgesetz der Arbeit. Eine nationalökonomische Studie“ in scharfen Worten ab. Oppenheimer, der 1892 in Heidelberg den medizinischen Doktorgrad erworben hatte und seit 1893 als Arzt in London praktizierte, begründete die Wahl seines zweiten Dissertationsthemas wie folgt: „Durch die tagtägliche Discussion oekonomischer Probleme, die in England einen der wichtigsten Gesprächsstoffe bilden, auf das Studium der Nationalökonomie hingewiesen, hab ich seit meiner Niederlassung in London meine freie Zeit der Lektüre der einschlägigen Literatur gewidmet und nachdem hierdurch mein Interesse für die Staatswissenschaften im allgemeinen geweckt war, habe ich mich des weiteren auch anderen Zweigen der politischen Wissenschaften zugewandt. Auch besuchte ich längere Zeit die Vorlesungen in der London School of Economics and Political Science.“1

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt das handschriftliche Gutachten Max Webers, Universitätsarchiv Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 121 (A). Es befindet sich auf der Vorder- und Rückseite des offiziellen Formulars der Philosophischen Fakultät, mit dem „Dr. med. Oppenheimer“ seine Promotion beantragte, und zwar unterhalb der gedruckten Überschrift „Gutachten“. In das Formular sind neben persönlichen Angaben des Kandidaten dessen Prüfungsfächer, eine Liste der vorgelegten Zeugnisse und Leistungsnachweise sowie der Name des Erstgutachters, in diesem Fall Max Webers, eingetragen. Es ist von Dekan Dietrich Schäfer unter dem 27. November 1898 unterzeichnet. Die Blattzählung wird vom Editor als A 121r (für die Blattvorderseite) und A 121 v (für die Blattrückseite) wiedergegeben. 1  Vgl. den handschriftlichen Lebenslauf Heinrich Oppenheimers im UA Heidelberg, H-IV-102/130, Bl.126.

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[Gutachten.]

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Daß das anliegende Elaborat als Doktor-Dissertation eingereicht wird, ist ein klassischer Beweis für die impertinente Naivität, mit welcher quivis ex populo1 über die schwierigsten Fachfragen der Nationalökonomie nicht nur mitsprechen zu können, sondern die Fachmänner meistern zu können, meint. Das Wenigea, was sie an Richtigem in ihrem unsäglich trivialen Gedankenablauf bietet, erhebt sich nicht über Das, was  jedem Fuchs2 in der ersten Vorlesungsstunde über theoretische Nationalökonomie oder über Arbeiterfrage gesagt zu werden pflegt. Ich glaube nicht, daß die „Gartenlaube“3 das Machwerk annehmen würde, meine daher auch, daß die Fakultät sich nicht weiter damit befassen sollte und beantrage „Abweisung.“ H[eidelberg] 28. ∕XI 98 Max Weber

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a A: wenige 1  Lat.: jeder Beliebige aus dem Volk. 2  Der Begriff aus der Sprache der Studentenverbindungen bezeichnet einen Anfängerstudenten. 3  Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt, 1853 gegründet und seit 1904 bei Scherl in Berlin verlegt, bot belehrende Unterhaltung. Autoren waren u. a. Eugenie Marlitt, Theodor Storm, Paul Heyse, Friedrich Spielhagen und Wilhelm Raabe.

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[Promotionsgutachten Adolf Tienken] (19. Juni 1899)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Adolf Tienken hörte bei Max Weber im Sommersemester 1897 „Allgemeine (‚theoretische‘) Nationalökonomie“ und nahm am Volkswirtschaftlichen Seminar teil. Im Wintersemester 1897/98 besuchte er die Vorlesungen „Praktische Nationalökonomie: Handels-, Gewerbe- und Verkehrspolitik“ und „Agrarpolitik“, im Sommersemester 1898 „Arbeiterfrage und Arbeiterbewegung“ und das Volkswirtschaftliche Seminar.1 Seit dem Frühjahr 1898 arbeitete er an seiner Dissertation „Die wirtschaftlichen und gewerblichen Verhältnisse in Marsch und Geest der Provinz Hannover“.2 Er stützte sich dabei teilweise auf Material der vom Evangelisch-sozialen Kongreß in Auftrag gegebenen und von Max Weber und Paul Göhre 1892/93 durchgeführten Erhebungen zur Lage der Landarbeiter im Deutschen Reich. Weber kam aufgrund seiner Berufungen nach Freiburg und Heidelberg nicht zu einer systematischen Auswertung des Materials und überließ es seinen Heidelberger Doktoranden.3 Obwohl Tienken seine mündliche Prüfung zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde bereits am 22. Juni 1899 in Heidelberg abgelegt hatte, zog sich die Abfassung des Manuskripts noch bis Sommer 1900 hin.4 Wie aus

1  Vgl. die Heidelberger Hörerlisten zu Max Webers Veranstaltungen im UA Heidelberg, Rep.  27–1409. 2  Ein Teil der Arbeit (55 Seiten) erschien zunächst als: Tienken, Adolf, Die Geest und Marsch des Amtes Hagen in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen. Inaugural-Disserta­ tion zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde an der Universität Heidelberg. – Merseburg: Friedrich Stollberg 1900, die Langfassung (221 Seiten) unter demselben Titel bei Paul Parey, Berlin 1901. Zur Niederschrift der Arbeit vgl. den Brief von Adolf Tienken an Max Weber vom 12. März 1898, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 3  Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands, MWG I/4, S.  687–690. 4  Adolf Tienken schrieb Weber am 27. Mai 1900 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Daß die Arbeit immer noch nicht ganz abgeschlossen ist, hat seinen Grund darin, daß ich bis zum Februar d. J. so gut wie gar nicht daran arbeiten konnte und auch später nur meine freie Zeit dafür übrig hatte, daß ferner ne-

Editorischer Bericht

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seinen Briefen an Max Weber hervorgeht, war er zu dieser Zeit gezwungen, außerhalb der Universität seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt das handschriftliche Gutachten Max Webers, Universitätsarchiv Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 274 (A). Es befindet sich auf der Vorder- und Rückseite des offiziellen Formulars der Philosophischen Fakultät mit dem Promotionsgesuch und unterhalb der gedruckten Überschrift „Gutachten“. Das Formular enthält neben persönlichen Angaben des Kandidaten dessen Prüfungsfächer und eine Liste der vorgelegten Zeugnisse und Leistungsnachweise. Es ist mit dem Datum 15. Juni 1899 von dem Dekan Dietrich Schäfer unterzeichnet. Am Ende steht die Aufforderung an Max Weber, die Begutachtung der Dissertation zu übernehmen, nebst dem Zusatz, er möge darüber berichten, „ob er Dispens vom Maturitäts-Zeugnis befürworten bzw. beantragen kann“. Die Blattzählung wird vom Editor als A 274r (für die Blattvorderseite) und A 274v (für die Blattrückseite) wiedergegeben.

ben den Abschnitten ‚Bäuerliche Zustände’ und ‚Vermögensverhältnisse (Verschuldung), die ganz neu sind, auch die Abschnitte „das [??] und ‚Arbeitsverhältnisse‘ eine nochmalige Bearbeitung, die an Zeitaufwand fast einer Neuanfertigung gleichkam, erfahren haben und endlich darin, daß ich leichtgläubig und thöricht genug war, auf einiges mir zugesagte amtliche Material, das ich auch heute noch nicht habe, zu warten. Es fehlen demnach an der Arbeit demnach[!] noch die Abschnitte ‚Viehzucht’ und ‚Ackerbau’, sowie ein kurzes Schlußkapitel.“

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[Gutachten.] Die Arbeit des Verf. ista ein Teil einer umfassenden Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf Marsch und Geest an der Weser. Sie ist in ihrem hier vorgelegten (größeren) Teil kein besonders gut abgerundetes Ganzes, die Entwicklung des Anbaues fehlt noch, die bäuerlichen Wirtschaftsverhältnisse  sind im Gegensatz zu anderen Teilenb, namentlich dem die Arbeiterverhältnisse behandelnden Teil, der eine gewisse „epische Breite“ aufweist, fragmentarisch gehalten. Die Arbeit bedarf vor der Publikation einer Beseitigung dieserc Lückend und einer Ausgleichung jener Differenzen durch eingehende Ausführung hier, Kürzung dort. Trotzdem halte ich sie als Dissertation für unbedenklich genügend. Nicht nur weist sie einen höchst erfreulichen Fleiß des Verf. in der Zusammentragung der Thatsachen und der Verwertung und rechnerischen Ausbeutung des statistischen Materials auf, sondern sie zeigt auch, daß der Verf. ökonomisch soweit geschult ist, um die wissenschaftlich wesentlichen Thatsachen in ihrem Zusammenhang zu verstehen und darzulegen. Dies tritt am deutlichsten in dem Abschnitt über das Handwerk hervor, in anderen ist es durch die große Breite der hier vielfach einen „kulturgeschichtlichen“ Charakter annehmenden Darstellung mehr verdeckt, in der ersten Partie (Bevölkerungsbewegung) wird noch eine Reihe von Gesichtspunkten in die hier etwas zu rein descriptive statistische Erörterung hineinzutragen sein. Deutlicher zeigt sich die ökonomische Schulung des Verf. wieder in einigen der mit großem Fleiß berechneten Tabellen, in der Auswahl der berechneten Objekte, nur fehlt hier mehrfach noch der erläuternde Text und wird dieser nachträglich in die Abhandlung hineinzuarbeiten sein. – Auszumerzen sind manche in die Arbeit hineingerathenen anekdotenhaftene Bemerkungen. –

a  〈die〉    b Fehlt in A; Teilen sinngemäß ergänzt.   c  〈[??]〉    d A: Lücken,   e A: Anekdotenhaften

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Promotionsgutachten Adolf Tienken

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Der Verf. hat sich unter schwierigen Verhältnissen,1 mit pekuniärer Unterstützung von Allmers,2 trotz ungünstiger Gesund­heits­ ver­hältnisse,3 in gewissenhaftem und schwerem Arbeiten soweit durchgerungen, daß er jetzt vor der Promotion steht. Sein Charakter ebenso wie sein redliches Streben bürgen dafür, daß er der Fakultät keine Unehre machen wird. Ich beantrage daher: unter Dispens von der Maturität4 den Candidaten zuzulassen. Heidelberg 19/VI 99

Max Weber

1  Für Adolf Tienkens Dissertation waren umfangreiche Datenerhebungen notwendig, die er in Fußmärschen von Hof zu Hof sammeln mußte. Im Frühjahr 1898 verzögerte stürmisches und regnerisches Wetter seine Arbeit. Schwierigkeiten ergaben sich auch bei der Einsicht in das Grundbuch und der Materialerhebung zur Verschuldung der Höfe. Überdies bewarb sich Tienken nach seinem Rigorosum am 22. Juni 1899 auf verschiedene Stellen und leistete einen achtwöchigen Militärdienst ab. Vgl. die Briefe von Adolf Tien­ken an Max Weber vom 12. März 1898 und vom 26. Sept. 1899, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 2  Gemeint ist der Schriftsteller Hermann Ludwig Allmers, der Adolf Tienken mehrfach empfahl und protegierte. (Auskunft des Archivs des Landkreises Cuxhaven vom 7. Juni 2011). 3  In seinem Brief an Max Weber vom 7. Juli 1899 schrieb Tienken, er habe sich bei seinem ältesten Bruder einquartiert, um seine „Nerven mal wieder auf den Damm zu bringen“ (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 4  Adolf Tienken hatte das Gymnasium vor dem Abitur verlassen, um seinen einjährigen freiwilligen Militärdienst abzuleisten. An deutschen Universitäten bestand im allgemeinen die Möglichkeit des Dispenses vom Abitur als Eingangsvoraussetzung für das Studium. Diesen Dispens auch für die Promotion zu erteilen, war im Fach Nationalökonomie in Heidelberg der Fakultät anheimgestellt.

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[Habilitationsgutachten Robert Schachner] [nach dem 21. Juni 1903]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 21. Juli 1903 wurde Robert Schachner durch einen Erlaß des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts zur Habilitation an der Philosophischen Fakultät für das „Fach der politischen Ökonomie“ zugelassen.1 Weber war mit dem Korreferat über die Habilitationsschrift „Das Tarifwesen in der Personenbeförderung der transozeanischen Dampfschif�fahrt“ betraut. Das Erstgutachten erstellte Karl Rathgen, damals zugleich Dekan der Philosophischen Fakultät. Es ist auf den 21. Juni 1903 datiert,2 so daß Webers undatiertes Gutachten wenig später geschrieben sein dürfte. Schachners Arbeit erschien 1904 in der damals von Carl Johannes Fuchs, Karl Rathgen, Gerhart v. Schulze-Gaevernitz und Max Weber herausgegebenen Reihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen“.3 Der Autor dankt in seinem Vorwort Karl Rathgen für die Anregung zu dieser Arbeit. Max Weber wird nicht erwähnt. In Heidelberg hatte sich um die Jahrhundertwende ebenso wie an württembergischen (nach 1883) und preußischen Universitäten (nach 1892), eine Habilitationsordnung durchgesetzt, die einen schriftlichen und einen mündlichen Prüfungsteil enthielt. Damit hatte sich auch im Großherzogtum Baden die Habilitation von einem eher formalen Zulassungsverfahren zu einer Prüfung entwickelt, die nun am Anfang der Hochschullehrerlaufbahn stand. Nach §  4 der Habilitationsordnung mußte der Kandidat für den Probevortrag drei Themen einreichen. Schachners erstes Thema „Die gegenwärtige Krisis in der deutschen Reederei“ wurde der Fakultät von dem Dekan zur Annahme empfohlen.4 Weber, der sich mit seiner Unterschrift der Themenwahl des 1  Vgl. Schreiben des Engeren Senats der Universität Heidelberg an die Philosophische Fakultät vom 24. Juli 1903, UA Heidelberg, H-IV-102/135, Bl. 401. 2  Vgl. dazu unten, S.  542, Anm.  1. 3  Schachner, Tarifwesen. 4  Vgl. das Schreiben des Dekans Karl Rathgen vom 29. Juni 1903 „betr. Habilitationsgesuch des Dr. Schachner“, UA Heidelberg, H-IV-102/135, Bl. 400. Schachner hatte als weitere Themen „2. Die Veränderungen in der Organisation des deutschen Schiffbaugewerbes seit dem Jahre 1895“ und „3. Kritik des deutschen und österreichischen Kommunalsparkassenwesens“ angegeben. Vgl. Brief von Robert Schachner an den

Editorischer Bericht

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Dekans anschloß, bemerkte gleichwohl: „Bedauernd, daß der Habilitand nur Themata aus seinem engsten Arbeitsgebiet“ vorgelegt hat.5

Zur Überlieferung und Edition Der dreiseitige Schriftsatz, von Max Weber diktiert und von Marianne Weber geschrieben, befindet sich in den Akten der Philosophischen Fakultät, Universitätsarchiv Heidelberg, H-IV-102/134, Bl. 397–398 (A). Der undatierte Text trägt die eigenhändige Überschrift „Correferat“ sowie weitere Zusätze von der Hand Max Webers, die textkritisch annotiert werden. Das erste Blatt ist doppelseitig beschrieben, die Rückseite nicht paginiert. Der Editor fügt die Paginierung als A 397r und A 398r (für die Blattvorderseiten) und A (397v) für die nicht paginierte Blattrückseite an.

Dekan der Philosophischen Fakultät vom 27. Juni 1903, UA Heidelberg, H-IV-102/135, Bl. 399. Über das dritte Thema hatte Schachner, wie aus dem Erstgutachten von Karl Rathgen hervorgeht, das Max Weber vorlag, während seines Studiums eine Broschüre publiziert. Vgl. Schachner, Robert, Das bayerische Sparkassenwesen. – Erlangen, Leipzig: Deichert 1900. 5  Eigenhändiger Zusatz Max Webers auf dem Schreiben des Dekans Karl Rathgen vom 29. Juni 1903 „betr. Habilitationsgesuch des Dr. Schachner“, UA Heidelberg, H-IV-102/135, Bl. 400.

542 aCorreferat

A 397r

(Diktiert)a

A (397v)

Auch mir scheint der 1. Teil der Arbeit der wesentlich wertvollere,1 um nicht zu sagen allein wertvoll. Der Verfasser hat hier neue Thatsachenreihen von wissenschaftlichem Interesse ermittelt, und er hat diese Thatsachen unter die zutreffenden wirtschaftlichen Kategorien eingeordnet. Allerdings erscheint nun hiermit sein Gestaltungsvermögen erschöpft zu sein. Denn auch im 2. Teil – von welchem die Behandlung des eigentlichen Thema’s nur die kleinere Hälfte einnimmt, während der Rest allgemeineren Betrachtungen zufällt, die nur sehr teilweise neu u. selbständig sind, – fällt die außerordentliche Unbeholfenheit der Stoffgliederung auf. Viele Teile machen fast den Eindruck aneinander gereihter Notizen, zwei-b u. dreimalige Wiederholungen finden sich, die beherrschenden Gesichtspunkte sind selten an die Spitze gestellt,  die Scheidung in Wirkung der Selbstkostenverschiebungen und Wirkung der Konkurrenz – an sich ein ganz geeigneter Dispositionsgesichtspunkt – kommt innerhalb der einzelnen Kapitel immer wieder abhanden. Wo der Verfasser allgemeinere Gedanken ausspricht[,] ist deren Formulierung mehrfachc theoretisch nicht unbedenklich, oft etwas trivial, sehr oft ungeschickt, der Zusammenhang der Entwicklung, wenigstens in der 1. Hälfte des 2. Teil’s zugunsten der dannd doch nicht wirklich festgehaltenen Disposition auseinandergerissen, so daß man zu keiner eigentlichen Freude an der Darstellung der, wie Herr Kollege Rathgen mit Recht hervorhebt, sehr dankenswerten neuen Thatsachen gelangt.1)e – Nun wird der Verfasser die formalen Mängel der Arbeit, vor deren Publikation zweif1) Als gut gelungen können speziell einige der letzten Abschnitte bezeichnet werden, freilich z. T. Ausführungen, die mit den transozeanischen Personenreisen nur locker zusammenhängen.f

a–a  Überschrift und Zusatz eigenhändig.   b A: zwei.  c  oft > mehrfach   d  Eigenhändiger Zusatz.   e  Index eigenhändig.   f–f  Fußnote eigenhändig. 1  Der Erstgutachter Karl Rathgen stellte fest, daß der Schwerpunkt der Arbeit im ersten Teil liege (Gutachten Karl Rathgens vom 21. Juni 1903, UA Heidelberg, H-IV102/135, Bl. 395r-396v).

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Habilitationsgutachten Robert Schachner

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fellos stark durch Umarbeitung abzuschwächen in der Lage  sein und ebenso glaube ich mit Herrn Kollegen Rathgen, daß es sich bei der mangelnden Gestaltungskraft, die stark in die Augen fällt, um einen Fehler handelt, der abgelegt werden kann u. wird. Ob der Verfasser ein wissenschaftlich – d. h. an eignen Gedanken – produktiver Gelehrter werden wird, ist Vertrauensfrage u. hängt von eingehender Kenntnis der Persönlichkeit in ihrer Beantwortung ab. Ich besitze eine solche nicht, obwohl mir der Verfasser als ein Mann von guten Formen und mir sympathischem Wesen bekannt geworden ist.2 Herr Kollege Rathgen kennt ihn eingehend und sein in jener Hinsicht abgegebenes Urteil wird daher, wie mir, so der Fakultät, maßgebend sein müssen, da die vorliegende Arbeit eine Habilitation in ihrer jetzigen Form zwar nur notdürftig begründet, aber auch keineswegs ausschließt. gMax

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Weberg

g  Unterschrift eigenhändig. 2  Nach §  2 der Habilitationsordnung der Philosophischen Fakultät (UA Heidelberg, H-IV-102/132, Bl. 698) hatte die Fakultät sorgfältig zu untersuchen, ob der „sittliche Charakter“ des Habilitanden „durch Zeugnisse oder andere, allenfalls den Mitgliedern der Fakultät speziell bekannt gewordene Umstände hinreichend außer Zweifel gesetzt sei“.

A 398r

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[Promotionsgutachten Karl Breinlinger] [nach dem 23. Juni 1903]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Nachdem die Ergebnisse der Landarbeiterenquete des Vereins für Socialpolitik erschienen waren, beauftragte der Evangelisch-soziale Kongreß Paul Göhre und Max Weber 1892 mit einer zweiten Studie über die Lage der Landarbeiter im Deutschen Reich. Befragt wurden diesmal nicht die Arbeitgeber, sondern circa 15. 000 protestantische Geistliche. Im Mittelpunkt stand die Frage nach den psychologischen Folgen des in der ersten Enquete diagnostizierten Zerfalls der patriarchalischen Arbeitsverfassung. Weber sollte die Daten für die west- und ostelbischen Gebiete sowie die Provinzen Sachsen und Anhalt auswerten, übergab aber das Material Heidelberger Doktoranden, die es dann für ihre Promotionsarbeiten nutzten.1 Die Ergebnisse wurden in einer eigens dafür begründeten Reihe („Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzeldarstellungen nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses“) publiziert. Drei Hefte sind erschienen,2 das geplante vierte Heft sowie ein die Ergebnisse zusammenfassendes Schlußheft kamen, vermutlich wegen Webers Erkrankung, nicht mehr zustande. Außerhalb der Reihe erschienen die Dissertationen von Felix Gerhardt und Karl Breinlinger, die auch Daten der Erhebung bearbeiteten. Breinlinger, der bei Max Weber in Heidelberg Vorlesungen und ein Semi-

1  Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Promotionsgutachten Adolf Tienken, oben, S.  536 f. 2 Goldschmidt, Salli, Die Landarbeiter in der Provinz Sachsen, sowie den Herzog­ tümern Braunschweig und Anhalt (Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzeldarstellungen nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses, hg. von Max Weber, Heft 1). – Tübingen: Verlag der H. Laupp‘schen Buchhandlung 1899 (hinfort: Goldschmidt, Landarbeiter); Zweites Heft: Grunenberg, Andreas, Die Landarbeiter in den Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover östlich der Weser, sowie in dem Gebiete des Fürstentums Lübeck und der freien Städte Lübeck, Hamburg und Bremen. – Ebd.1899; Drittes Heft: Klee, Al­ fred, Die Landarbeiter in Nieder- und Mittelschlesien und der Südhälfte der Mark Brandenburg. – Ebd. 1902. Im ersten Heft erschien Max Webers „Vorbemerkung des Herausgebers“ (MWG I/4, S.  694–711).

Editorischer Bericht

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nar besucht hatte,3 legte als Dissertation eine Arbeit über „Die Landarbeiter im ostelbischen Deutschland 1. Pommern, 2. Mecklenburg“ vor.4

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt das handschriftliche Gutachten Max Webers, Universitätsarchiv Heidelberg, H-IV-102/135, Bl. 715 (A). Es befindet sich auf der Vorder- und Rückseite des gedruckten Formulars, das die Philosophische Fakultät für Promotionsgesuche verwendete, unterhalb der gedruckten Überschrift „Gutachten“. Darin eingetragen sind neben persönlichen Angaben des Kandidaten dessen Prüfungsfächer, die Liste der vorgelegten Zeugnisse und Leistungsnachweise sowie der Name Max Webers als Gutachter. Das Promotionsgesuch mit dem Datum 23. Juni 1903 ist von dem Dekan Karl Rathgen unterzeichnet, darauf folgt Max Webers Gutachten.

3  Breinlinger hörte jeweils im SS 1897 und 1898 „Allgemeine (‚theoretische’) Nationalökonomie, im WS 1897/98 „Praktische Nationalökonomie“ und „Agrarpolitik“, außerdem war er im SS 1898 Teilnehmer des „Volkswirtschaftlichen Seminars“. Im WS 1898/99 hörte er die Vorlesung „Praktische Nationalökonomie“. Vgl. Heidelberger Hörerlisten zu Max Webers Veranstaltungen im UA Heidelberg, Rep.  27–1409. 4  Breinlinger, Karl Borries, Die Landarbeiter in Pommern und Mecklenburg. Dargestellt nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät der Ru­ precht-Karls-Universität zu Heidelberg. – Heidelberg: E. Geisendörfer 1903 (hinfort: Breinlinger, Landarbeiter). Breinlinger bezieht in seine Untersuchung die Lektüre der Landarbeiter, vor allem ihre Zeitungslektüre, mit ein.

546 A 715r

[Gutachten.] Die Arbeit des Candidaten hält sich im Wesentlichen an das Vorbild, welches derselbe in der recht guten Arbeit des Herrn Dr. Goldschmidta über die Landarbeiter in Sachsen fand.1 – Das Material ist im Ganzen gut benutzt, hie und da etwas zu mechanisch und ohne daß der Verfasser versucht hätte, – wie dies wohl nicht unmöglich gewesen wäre – mehr als eine gut gegliederte Wiedergabe dessen, was er in den Berichten vorfand, zu geben. Besonders die auf Pommern bezügliche Partie, die auch unter einer gewissen formellen Ungewandtheit des Verf. leidet, zeugt darnach mehr von Fleiß, als von Schulung. Besser gelungen ist der Abschnitt über Mecklenburg, auch die Stilgebung ist hier gewandter, und der Verf. hat in verdienstlicher Weise die z. T. etwas entlegenen Daten der Landesstatistik herangezogen – z. T. fast zu ausgiebig, ein Teil der zahlreichen Tabellen wäre gut zu entbehren. Alles in Allem kann die Leistung als „genügend“ bezeichnet werden. Der Candidat bedarf des Dispenses von der Maturität.2 Eine eigentlich „hervorragende“ Leistung ist die Arbeit objektiv nicht, auch ist die Begabung des Verf. begrenzt. Wenn die Fakultät sich entschließen will, in Betracht zu ziehen, daß subjektiv insofern eine recht anerkennungswerthe Leistung vorliegt, als der Verf. neben seiner amtlichen Thätigkeit3 nur durch anstrengendste Arbeit u. großen Fleiß in der Lage war, die immerhin befriedigende Arbeitb vorzulegen, so trage ich kein Bedenken, da der Verf. in meinem

a A: Goldschmid  b  Leistung > Arbeit   1  Vgl. Goldschmidt, Landarbeiter (wie oben, S.  544, Anm.  2). 2  Vgl. dazu Weber, Promotionsgutachten Adolf Tienken, oben, S.  539, Anm.  4. 3 Als Gewerbelehrer. Vgl. Breinlinger, Landarbeiter (wie oben, S.   544 f., Anm.   4), S.  179.

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Promotionsgutachten Karl Breinlinger

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Seminar s. Z.4 stets befriedigende Leistungen bot und großen Arbeitseifer zeigte, den Dispens von der Maturität zu empfehlen. Max Weberc

c  Es folgt ein handschriftlicher Zusatz von Karl Rathgen zu den sprachlichen Fähigkeiten Karl Breinlingers in Französisch und Lateinisch. 4  Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  545 mit Anm.  3.

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[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Anton Bunk] [nach dem 21. Oktober 1919]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München legte Anton Bunk im Sommer 1919 eine Doktorarbeit über „Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenfürsorge in München während der letzten 10 Jahre“ vor.1 Nach Abweisung2 – der auch Max Weber zustimmte – und Überarbeitung reichte er sie erneut ein. Der Erstgutachter Friedrich Zahn schlug nun in seinem Gutachten vom 9. Oktober 1919 die „Note III“ vor. Dem schloß sich Georg v. Mayr am 21. Oktober an. Walther Lotz und Max Weber plädierten für eine Aussprache über die Benotung im allgemeinen.

Zur Überlieferung und Edition Die handschriftliche, undatierte Bemerkung Max Webers findet sich in der Promotionsakte Anton Bunk aus Dillingen, Universitätsarchiv München, M-II43p (Promotionen im Wintersemester 1919/20), ohne Blattzählung (A). Die Bemerkung von Walther Lotz wird in kleinerer, Webers eigene, darauf bezogene Bemerkung in normaler Schrift wiedergegeben.

1  Vgl. Bunk, Anton, Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenfürsorge in München während der letzten 10 Jahre. Maschinenschrift. – München, Staatswirtschaftliche Diss. vom 19. Juli 1921. 2  Promotionsakte Anton Bunk aus Dillingen, UA München, M-II-43p (WS 1919/20).

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[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Anton Bunk]

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Gesehen Lotz. Ich würde höchstens, wenn ich die recht dürftige Arbeit genommen hätte, Note IV beantragt haben, will aber nicht Abänderung beantragen, da Hr. Zahn und v. Mayr die Verantwortung vor der Öffentlichkeit tragen. Es muß aber einmal in der Fakultät besprochen werden, daß doch auf die Dauer die Anforderungen nicht unter ein bestimmtes Maß herabgedrückt werden dürfen.

Mit der von Herrn Koll[egen] Lotz gegebenen Anregung einer Aussprache sehr einverstanden Max Weber

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[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Hermann Koch] [nach dem 10. Januar 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Doktorand Hermann Koch, der bei Max Weber im Wintersemester 1919/20 die Vorlesung „Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ hörte,1 legte der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Januar 1920 seine Dissertation über die „Ansiedlung von Kriegsbeschädigten“ vor.2 Das Erstgutachten Georg v. Mayrs endete mit der Empfehlung: „Die Arbeit ist m. E. im Ganzen als eine zweifellos lobenswerte zu bezeichnen und verdient m. E. vollauf Annahme mit Note III dissertatio laudabilis“.3 Weber dagegen schlug die Note IV vor. Das Erstgutachten, Webers Urteil und die Unterschriften der anderen Fakultätsmitglieder sind alle undatiert. Da das Promotionsgesuch von dem Dekan Max Endres unter dem 10. Januar 1920 ausgestellt ist, müssen die Beurteilungen danach erfolgt sein.

Zur Überlieferung und Edition Die handschriftliche, undatierte Bemerkung Max Webers findet sich in der Promotionsakte Hermann Koch aus Lindau, Universitätsarchiv München, M-II-43p (Promotionen im Sommersemester 1920), ohne Blattzählung (A).

1  Vgl. die Quästurbücher des Wintersemesters 1919/20, UA München, Stud-BB-594. 2  Promotionsakte Hermann Koch, UA München, M-II-43p (SS 1920). 3 Ebd.

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[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Hermann Koch]

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Die Arbeit ist eine gut gemeinte, so viel ich sehe, gewissenhafte und auch nützliche Zusammenstellung und Sinn-Interpretation der entstandenen Gesetze und Verordnungen. Nationalökonomisch wertvolle Bestandteile enthält sie nicht. Jeglicher Vergleich der preußischen, nun schon Jahrzehnte alten, Erfahrungen mit den Chancen in Bayern fehlt. Für Note IV. Max Weber

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[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Eugen Weiß] (12. Januar [1920])

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Doktorand Eugen Weiß legte der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Dezember 1919 seine Dissertation über „Das Problem der Arbeitslosenversicherung“ vor.1 In seinem Erstgutachten vom 9. Januar 1920 schlug Georg v. Mayr die Annahme mit der „Note II“ vor.2 Gegen diese Benotung erhob Max Weber am 12. Januar Bedenken, die von Walther Lotz geteilt wurden.3 Daraufhin revidierte v. Mayr in einer „An die Herren Kollegen Lotz und Weber“ adressierten Stellungnahme die Note von II auf III.4

Zur Überlieferung und Edition Die handschriftliche Bemerkung Max Webers findet sich in der Promotionsakte Eugen Weiß aus Minfeld, Bezirksamt Germersheim, Universitätsarchiv München, M-II-43p (Promotionen im Wintersemester 1919/20), ohne Blattzählung (A).

1  Promotionsakte Eugen Weiß, UA München, M-II-43p (WS 1919/20). 2 Ebd. 3  Stellungnahme von Walter Lotz vom 15. Jan. 1920, ebd. 4  Stellungnahme von Georg v. Mayr vom 16. Jan. 1920, ebd.

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[Bemerkung zum Promotionsgesuch von Eugen Weiß]

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Es scheint mir nicht möglich, einer Arbeit, die von dem Herrn Ref[erenten] als in so vielen Punkten1 verbesserungsbedürftig bezeichnet worden ist und es tatsächlich auch (in noch mehr Punkten – s. meine Randbemerkungen –)2 ist, dennoch jetzt Note II zu geben. Note IV wäre genügend und m. E. zulässig, da der Verf. offenbar fleißig gewesen ist. Irgend welche neuen Gesichtspunkte hat er der Materie nicht abgewonnen, es fehlt jede Erörterung der ökonomischen Verschiedenheiten der Arbeitslosigkeit (Konjunktur-Problem) und jeder Versuch, rechnerisch etwas über die Tragweite zu ermitteln (oder: festzustellen, was jetzt nicht ermittelbar ist). Alles in Allem: eine zur Promotion eben ausreichende Leistung, aber doch ganz gewiß nicht mehr! 12/1 Max Weber

1  In seinem Erstgutachten vom 9. Januar 1920 monierte Georg v. Mayr, daß Weiß bei der Beschreibung der englischen Arbeitslosenversicherung keine Primärquellen benutzt habe. Auch die für England typische Verbindung von Versicherung und Arbeitsnachweis sei in der Dissertation nicht dargelegt worden. Das Gutachten Georg v. Mayrs befindet sich in der Promotionsakte Eugen Weiß, UA München, M-II-43p (WS 1919/20). 2  Die Randbemerkungen Max Webers sind im UA München nicht überliefert.

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[Promotionsgutachten Wilhelm Mattes] (15. Mai 1920)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Wilhelm Mattes aus Winterspüren in Baden war ein Münchener Doktorand Max Webers.1 Mit seiner Arbeit „Die bayerischen Bauernräte“ wollte er sich zunächst an einer von der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München gestellten Preisaufgabe beteiligen. Zu diesem Zweck reichte er die Arbeit unter dem Kennwort „Bodensee“ am 30. April 1920 bei der Fakultät ein.2 Diese hatte zur Bewertung der Preisaufgabe das übliche Promotionsformular – entsprechend abgeändert – verwendet. Dieses Formular, das im Fall von Mattes teilweise von Weber ausgefüllt worden war, trägt das Datum 3. Mai 1920. Weber aber machte dann die Änderungen rückgängig, strich den handschriftlichen Zusatz „Preisaufgabe“ mit der Bemerkung „(zurückgezogen!) als Dissertation vorgelegt“.3 Der Grund für diesen offenbar von Weber empfohlenen Rückzug könnte gewesen sein, daß ein anderer Kommilitone, Jacob Reindl, der sich zunächst ebenfalls an der Preisfrage beteiligt hatte, dessen Arbeit in diesem Zusammenhang von Weber aber negativ bewertet worden war, nun mit dieser promoviert werden wollte. Weber war aber der Meinung, zwei Herren sollten nicht mit demselben Thema an derselben Fakultät promoviert werden. Am 12. Mai fragte der Dekan Max Endres bei Max Weber an, ob er die Arbeit Reindls auch als Dissertation zurückweise. Darauf antwortete Weber: „Die Arbeit ist sehr unvollständig und steht weit hinter der gleichfalls als Dissertation mir vorlie-

1  Wilhelm Mattes hörte im WS 1919/20 bei Max Weber die Vorlesung „Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ und im SS 1920 die Vorlesung „Allgemeine Staatslehre und Politik (Staatssoziologie)“ sowie die Einführungsvorlesung „Sozialismus“. Vgl. die Quästurbücher, UA München, Stud-BB-596/612. 2  Vgl. den Brief von Wilhelm Mattes an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München vom 14. Mai 1920, Promotionsakte Wilhelm Mattes, UA München, M-II43p. 3  Eigenhändiger Zusatz auf dem Promotionsgesuch Wilhelm Mattes, Promotionsakte Wilhelm Mattes, ebd. Die Arbeit erschien als: Mattes, Wilhelm, Die bayerischen Bauernräte: eine soziologische und historische Untersuchung über bäuerliche Politik. – Stuttgart u. a.: Cotta 1921.

Editorischer Bericht

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genden Arbeit des Herrn Mattes über das gleiche Thema zurück.“4 Daraufhin scheint der Dekan Jacob Reindl von seinem Vorhaben abgebracht zu haben. Er füllte ein neues Formular mit dem Promotionsgesuch von Wilhelm Mattes aus, worin Max Weber als Erstgutachter um ein „Votum informativum“ gebeten wurde. Auf derselben Seite vermerkte Weber: „Votum informativum liegt bei (umst[ehend] einl[iegend]) Max Weber“. Das nachfolgend edierte Gutachten ist unter dem 15. Mai 1920 datiert. Wegen der Erkrankung Max Webers wurde Mattes am 10. Juni 1920 von Cosack, v. Mayr und Lotz geprüft. Er erhielt die Gesamtnote I, summa cum laude.5

Zur Überlieferung und Edition Das handschriftliche Gutachten Max Webers befindet sich in der Promotionsakte Wilhelm Mattes, Universitätsarchiv München, M-II-43p (Sommersemester 1920), ohne Blattzählung (A). Der Text des Gutachtens steht auf einem eingelegten Blatt der Promotionsakte, beginnt aber mit der Überschrift „Votum informativum“ auf dem Formblatt des Promotionsgesuchs vom 3. Mai 1920. Die Seiten werden vom Editor als A (1), A (2), A (3) gezählt.

4 Brief Max Webers an den Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät Max Endres vom 12. Mai 1920, MWG II/10, S.  1081. 5 Protokoll über das Examen rigorosum, Promotionsakte Wilhelm Mattes, UA München, M-II-43p.

556 [A (1)] A (2)

Votum informativum  Der Verf. ist selbst (badischer) Landwirtssohn. Er wollte die Arbeit auf die von der Fak[ultät] gestellte Preisaufgabe einreichen, muß aber jetzt promovieren und hat sie deshalb zurückgezogen. Sie wäre des Preises ohne allen Zweifel würdig gewesen, trotz kleiner Schwächen. (Verf. hat bei G[eorg] F[riedrich] Knapp gehört). Die Schwierigkeiten lagen im Verhalten der Ministerien. Min[ister] d[es] I[nnern] Endres1 hatte Gestattung der Einsicht in die periodischen Briefe der Amtmänner zugesagt. Der Land­ w[irt­ schafts-]­Minister2 protestierte, und es wurde nichts daraus, da die jetzige Bürokratie ihr „Dienstwissen“ genau so sekretiert wie die frühere.3 Der Verf. war auf Fragebogen, persönliche Reisen und Briefe angewiesen. Was er mit diesem Material geleistet hat, zeugt von mehr als gewöhnlicher Reife. Die Arbeit ist die weitaus beste rein sachliche u. immanente Kritik der Revolution, die ich kenne. Schwächen: 1. Es giebt noch Material über die Pferde-Demobilisationa, – wäre ev. nachzutragen oder die Fortlassung zu motivieren (was geschehen kann, denn es ist nicht unbedingt sachwichtig. Die Grundzüge sind richtig dargelegt)[.] 2. Die Finanzierung könnte noch durch Akten-Angaben ergänzt werden. Geschieht dies nicht – vital ist es nicht –[,] so ist es zu motivieren[.] 3. Etwas eingehender wäre der Kontrast zwischen Nieder-Bayern und Franken zu motivieren. (Auch nicht sehr wichtig: der Verf. kennt offenbar die Tatsachen).

a  Unsichere Lesung im ersten Wortteil. 1  Gemeint ist Friedrich (Fritz) Endres, bayerischer Innenminister vom 31. Mai 1919 bis 14. März 1920. Vgl. dazu das Schreiben Max Webers an Fritz Endres vom 4. Sept. 1919, MWG II/10, S.  752–754, bes. S.  753. 2 Gemeint ist Karl Freiherr von Freyberg, bayerischer Landwirtschaftsminister vom 31. Mai 1919 bis 14. März 1920. 3 Der Leiter des Statistischen Landesamts Friedrich Zahn, der vom Innenministerium zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde, machte am 22. September 1919 (BayHStA München, MK 35787) darauf aufmerksam, daß die zu befragenden Bezirksämter „auf vertrauliche Behandlung ihrer Äußerungen im Rahmen des allgemeinen Dienstbetriebs rechnen“ müssten. Deshalb dürfe die „Bearbeitung des einlaufenden Materials“ nur durch amtliche Stellen geschehen.

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Promotionsgutachten Wilhelm Mattes

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4. Einzelne Mängel des Ausdruckes, der sich erst langsam losringt, und, am Schluß, einige zu einseitig gesehene Behauptungen. Im Ganzen aber: politisch (soziologisch) und ökonomisch vorzüglich begründetes Urteil, namentlich angesichts jener Schwierigkeiten. Die Arbeit wird der Fak[ultät] m. E. nur Ehre machen, wenn sie publiziert wird. Sie enthält sich (fast) jeder eigenen Stellungnahme, und die – wie ich annehme – konservative Anschauung des Verf. tritt nirgends störend auf, beeinflußt vor Allem sein Urteil nicht, welches ich nachgeprüft habe. Nicht alle Angaben waren nachprüfbar, – wo dies der Fall war, zeigte sich: daß der Verf. sorgsam gearbeitet hatte. Ich habe noch keinen Maßstab für die Notenverleihung aus eigner Erfahrung in München; bitte daher die Herrn Kollegen um eigne Nachprüfung und eventuell Korrektur. Aber ich würde in Berlin, Freiburg oder Heidelberg für eine solche Seminar-Arbeit als Dissertation Note I (Heidelb[erger] Terminologie: „summa cum laude“) vorgeschlagen haben (umsomehr als dem Verf. ohne Verschulden der Preis entgeht) Max Weber 15.V.20 Ich bemerke noch: da es sich um eine Preisarbeit handeln sollte, habe ich dem Verf. keinerlei „Rat“ gegeben, nur den Zutritt zu den Akten zu vermitteln versucht.4 Die Arbeit ist absolut selbständig. Max Weber.b

b  In A folgen die Unterschriften der Fakultätsmitglieder. 4 Vgl. den Brief Max Webers an den bayerischen Innenminister Fritz Endres vom 4. Sept. 1919 sowie die Editorische Vorbemerkung, MWG II/10, S.  752–754.

I c.  Stellungnahmen zu universitären Strukturund Berufungsfragen

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[Antrag zur Erhöhung des Budgets für das Kameralistische Seminar Freiburg] [vor dem 5. Mai 1895]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Zum Kameralistischen (Staatswissenschaftlichen) Seminar der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg gehörte auch eine eigene Seminar­ bibliothek. Als Leiter des Kameralistischen Seminars beantragte Max Weber beim Großherzoglichen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts eine bessere finanzielle Ausstattung der Bibliothek.

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt der eigenhändige Schriftsatz Max Webers, der sich im Generallandesarchiv Karlsruhe, 235/7854, ohne Blattzählung, befindet (A). Die Datierung läßt sich aus dem ministeriellen Bewilligungsschreiben an den Senat der Universität Freiburg i. Br. vom 5. Mai 1895 (ebd.) „Vollzug des Budgets für 1896/97 betr.“ erschließen. Der Antrag trägt am linken Rand den Zusatz „erledigt!“ sowie Hervorhebungen von fremder Hand, die nicht nachgewiesen werden.

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[Antrag zur Erhöhung des Budgets für das Kameralistische Seminar Freiburg] Für das Cameralistische Seminar beantrage ich eine Erhöhung des Aversums1 von 500 auf 700 Mark. Der gegenwärtige Betrag ermöglicht es nicht, die inzwischen wesentlich vermehrten Fach-Zeitschriften auch nur des Inlandes vollzählig zu halten, wenn daneben auch nur die gangbarsten Werke, deren Zahl sich auf diesem Gebiet gleichfalls stetig gemehrt hat, zur Stelle sein und wenigstens die erheblichsten litterarischen Erscheinungen der wirtschaftspolitischen Litteratur neu beschafft werden sollen. Lehrbücher der Statistik z. B. konnten noch gar nicht angeschafft, die „Zeitschrift für Staatswissenschaft“2 nicht gehalten werden. Freiburg Mai 1895 Max Weber

1  Eigentlich bedeutet „Aversum“ eine Abfindung; im Budgetrecht wird der Begriff gebraucht für jährliche Ausschüttung oder Jahresetat. 2  Gemeint ist die seit 1844 fortlaufend erscheinende Zeitschrift für die gesam(m)te Staatswissenschaft (Tübingen: H. Laupp), eine der ältesten und wichtigsten Zeitschriften auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre.

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[Gutachten über die Errichtung eines Seminars für Versicherungswissenschaft in Freiburg] (20. November 1895)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 9. Oktober 1895 stellte der Preußische Regierungsreferendar a. D. und Hospitant an der Universität Freiburg, Max Grübnau, beim Großherzoglichen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts ein Gesuch auf Errichtung eines Seminars für Versicherungswissenschaft an der Universität Freiburg. Grübnau plädiert dafür, dem Beispiel Göttingens zu folgen, wo zum 1. Oktober 1895 das erste deutsche Seminar für Versicherungswissenschaft unter der Leitung von Wilhelm Lexis gegründet worden war. Auch in Freiburg seien „die geeigneten Kräfte vorhanden“. Namentlich nennt er Heinrich Rosin als Fachmann für Arbeitsversicherungsrecht, Konrad Cosack für Versicherungsrecht und Ludwig Stickelberger für politische Arithmetik. Theoretische und praktische Nationalökonomie werde in Freiburg in jedem Semester gelesen, „die Versicherungsstatistik würde einer der beiden Herren Professoren der Staatswissenschaften“, d. h. Max Weber oder Gerhart von Schulze-Gaevernitz, „wohl gern übernehmen.“1 Der Senat der Universität Freiburg reichte den Antrag am 18. Oktober 1895 an die Juristische und an die Philosophische Fakultät mit der Bitte um Stellungnahme weiter.2 Die Juristische Fakultät beschloß, auf den Antrag gar nicht erst einzugehen.3 Nachdem sich Grübnau erneut an das Ministerium gewandt hatte,4 forderte der Senat die Philosophische Fakultät am 19. November 1895 nochmals zu einer Stellungnahme auf.5 Deren Dekan, Alois Riehl, bat daraufhin Max Weber um ein Gutachten. Als dieses negativ ausfiel, lehnte der Senat den Antrag ab.6 Erst zum Winter-

1  Schreiben von Max Grübnau an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 9. Okt. 1895, UA Freiburg i. Br., B 0001/3118, Bl. 2 f. 2  Ebd., Bl. 1. 3  Schreiben von Konrad Cosack an die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg vom 25. Okt. 1896, ebd., Bl. 4. 4  Ebd., Bl. 5. 5  Ebd., Bl. 6. 6  Ebd., Bl. 9.

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Gutachten über ein Seminar für Versicherungswissenschaft

semester 1909/10 wurde in Freiburg doch noch ein versicherungswissenschaftliches Seminar gegründet.7

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt der auf den 20. November 1895 datierte, eigenhändige Schriftsatz Max Webers, der sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 0001/3118, Bl. 7 befindet (A). Auf der Vorderseite des doppelseitig beschriebenen Blatts befindet sich das an Weber gerichtete Gesuch des Dekans Alois Riehl. Die Archivpaginierung wird als A 7r (für die Blattvorderseite) und A 7v (für die Blattrückseite) übernommen. Das Schreiben Riehls wird in kleinerer, die Stellungnahme Webers in normaler Schrift wiedergegeben.

7  Zur Gründung des Seminars für Versicherungswissenschaften in Freiburg vgl. Zeiler, Frank, Statik und Wandel. Die Freiburger Rechtsfakultät im universitären Expan­ sionsprozess des Deutschen Kaiserreichs. – Freiburg, München: Karl Alber 2009, S.  117–129 (hinfort: Zeiler, Statik und Wandel).

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[Gutachten über die Errichtung eines Seminars für Versicherungswissenschaft in Freiburg]

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Sie werden um gef. Kenntnißnahme der beiliegenden Schriftstücke ersucht und A 7 r gebeten, Ihr Gutachten über den Antrag des Herrn Grübnau abgeben zu wollen. A. Riehl. Sr. Hochwohlgeboren: Herrn Professor Dr. M. Weber.

Dema Herrn Dekan der Philosophischen Fakultät zurückgereicht mit folgender ergebenster Äußerung: Ich würde es an sich durchaus nicht als unerwünscht ansehen, wenn an der hiesigen Hochschule ein Institut mit der Spezialaufgabe, denjenigen Complex an Gegenständen zu pflegen, welche man unter „Versicherungswissenschaft“ zusammenfaßt, entstünde. Nur schiene es mir  alsdann unumgänglich, daß Speziallehrkräfte gewonnen würden. Ich meinerseits habe in Berlin sowohl Versicherungsrecht als auch Versicherungswesen, letzteres aber nur für Anfänger in allgemeinen Grundzügen in 1stündigen Vorlesungen traktiert1 und habe nichts dagegen, gelegentlich über diesen Gegenstand ein Colloquiumb anzukündigen. Die Versicherungsmathematik dagegen und überhaupt die Technik des V[ersicherungs]W[e­ sens] könnte ich nicht docieren. Für sie müßte eine neue Lehrkraft angestellt werden, zumal wenn es sich um seminaristische Übungen handeln soll. So erwünscht dies an sich ist, scheint mir die cGewinnung einer Lehrkraftc für Statistik weit wichtiger und höchstens

A7v

a In A geht voraus: B[??]  b Fehlt in A; Colloquium sinngemäß ergänzt.   c–c  Schaffung eines Lehrstuhls > Gewinnung einer Lehrkraft 1  Max Webers Doktorvater Levin Goldschmidt hielt zwischen 1886 und 1890 die ersten systematischen Vorlesungen über privates Versicherungsrecht. Max Weber selbst bot im SS 1892 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin als Privatdozent eine einstündige Vorlesung zum Versicherungsrecht und im SS 1894 als außerordentlicher (etatmäßiger) Professor für Handelsrecht und deutsches Recht eine einstündige Vorlesung zum Versicherungsrecht und Versicherungswesen an. Zu den Lehrveranstaltungen Max Webers 1892–1903 vgl. MWG III/1, S.  52–63.

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Gutachten über ein Seminar für Versicherungswissenschaft

die Erwägung naheliegend, daß wenn – vielleicht bei Schaffung eines statist[ischen] Amtes bei der Stadt, weswegen ich mit dem Herrn Oberbürgermeister schon gelegentlich Rücksprache nahm2 – eine Lehrkraft hierfür gewonnen würde, man versuchen könnte, einen mathematischen Statistiker zu bevorzugen, der auch Versicherungsmathematik lesen könnte. – Mit den gegenwärtigen Lehrkräften ist das angeregte Institut nicht – wie in Göttingen unter Lexis’ Leitung – zu schaffen.

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Freiburg 20.XI.95 Professor Max Weber

2  Es dürfte sich um Otto Winterer handeln, der von 1888 bis 1903 Oberbürgermeister in Freiburg war.

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Separatvotum betreffend die Besetzung des philosophischen Ordinariates (7. Dezember 1895)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Nachdem der bisherige Inhaber des Freiburger Lehrstuhls für Philosophie, Alois Riehl, zum Sommersemester 1896 einen Ruf nach Kiel angenommen hatte, erstellte die von der Philosophischen Fakultät eingesetzte Berufungskommission, der außer Riehl der Sprachwissenschaftler Rudolf Thurneysen und der Zoologe August Weismann angehörten, eine Nachfolgeliste mit der Reihenfolge: Heinrich Rickert, Hugo Spitzer und Edmund Husserl.1 Die Philosophische Fakultät entschied jedoch – unter Mißachtung des Kommissionsvorschlags –, Hugo Spitzer an die erste und Heinrich Rickert an die zweite Stelle zu setzen.2 In einem Separatvotum forderten sieben Fakultätsmitglieder sogar, Rickert wegen seiner zu geringen wissenschaftlichen Reputation überhaupt nicht zu nominieren.3 Daraufhin übermittelte Max Weber dem Akademischen Senat der Universität Freiburg ein Sondervotum zugunsten Rickerts. Dieser wurde schließlich, nach Einberufung einer neuen Berufungskommission, doch vorgeschlagen und am 13. September 1896 zum ordentlichen Professor der Philosophie in Freiburg ernannt.4

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommt der achtseitige Schriftsatz, der sich im Universitäts­ archiv Freiburg i. Br., B 38/283, ohne Blattzählung (A), befindet. Der Text 1  Bericht der Berufungskommission vom 3. Dez. 1895, UA Freiburg i. Br., B 38/283, ohne Blattzählung. 2  Bericht der Berufungskommission an den akademischen Senat der Universität Freiburg vom 6. Dez. 1895, ebd. 3  Separatvotum vom 6. Dez. 1895, UA Freiburg i. Br., B 38/283, ohne Blattzählung, unterzeichnet von Otto Hense (Philologe), Franz Himstedt (Physiker), Bernhard Schmidt (Philologe), Gustav Steinmann (Geologe), Friedrich Kluge (Germanist), Jakob Lüroth (Mathematiker) und Aloys Schulte (Historiker). 4  Mitteilung des badischen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 18. Sept. 1896, UA Freiburg i. Br., B  38/283, Bl. 165.

568 Separatvotum betreffend die Besetzung des philosophischen Ordinariates

wurde von Max Weber diktiert, von Marianne Weber niedergeschrieben und von ihm mit eigenhändigen Zusätzen und Korrekturen versehen. Die Überschrift und der Zusatz „(Diktiert)“ auf der ersten Seite sowie Datum und Unterschrift auf der letzten Seite stammen ebenfalls von seiner Hand. Seine Zusätze sind textkritisch annotiert. Die Seitenzählung A (1) etc. ist vom Editor eingefügt.

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Fr[reiburg] 7. 12. 95

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aSeparatvotum

betreffend die Besetzung des philosophischen ­Ordinariates 5

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(Diktiert)a Ich habe in der Fakultät gegen die Abänderungb der Reihenfolge des Kommissionsvorschlages, also für die Berücksichtigung des Professor Rickert an erster Stelle gestimmt.1 Ich sehe mich veranlaßt[,] für diese auch von dem Fachvertreter2 cund derc Minderheit der Fakultät geteilte Ansicht im Wege des Separatvotums einzutreten, weil: Erstens:d die jetzt vorgeschlagene Reihenfolge aus einander widersprechenden Motiven hervorgegangen ist. Zwischen den Mitgliedern der Majorität bestand Übereinstimmung nur darin, daß ihnen Professor Rickert zur Zeit nicht als Ordinarius in erster Linie erwünscht schien, während sie im übrigen außerordentlich weit auseinandergingen. Zweitens: Weil ich, wie Andre, für die Aufnahme der jetzt ad 1 u. 3 vorgeschlagenen Herren3 in die Liste überhaupt nur unter der Voraussetzung zu stimmen in der Lage war, daß dieselben lediglich als Notbehelf berücksichtigt werden sollten, falls nämlich aus irgend einem Grund die Besetzung der Stelle mit dem m. E. allein zweifellos geeigneten Prof. Rickert unthunlich sein sollte. Drittens:e Weil, entgegen dem Antrage des Prof. von Simson, abgesehen wurde von der Einziehung amtlicher  Erkundigungen über die wissenschaftliche Bewährung des Prof. Rickert auch bei hervorragenden auswärtigen Philosophen, – sei es (nach dem ge-

a–a Eigenhändig.   b  〈in〉    c  Eigenhändige Korrektur: unter > und der   d Eigenhändige Korrektur: Erstens, > Erstens:  e  In A geht voraus: 〈3)〉 1  Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  567 mit Anm.  2. 2  Alois Riehl. 3 Hugo Spitzer und Edmund Husserl, vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  567, Anm.  1.

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dachten Antrag) beif Prof. Sigwart in Tübingen allein,4 sei es (nach meinem Wunsche) auch beig Prof. Windelband in Straßburg, eventuell beih Kuno Fischer in Heidelberg u. Paulsen in Berlin.5 Dadurch sahen sich, an Alter u. Erfahrung hervorragende, Mitglieder der Fakultät, weil sie die sichere Grundlage für ein eigenes Urteil noch nicht zu haben glaubten, gehindert[,] für den ihnen sonst genehmen Vorschlag des Prof. Rickert zu stimmen. Auf die Berücksichtigung derartiger billiger Wünsche nach Information hat aber m. E. das Fakultätsmitglied Anspruch. Viertens: Weil ich eventuell diei vorläufige Verwaltung der vacant werdenden Stelle durch Prof. Rickert als Extraordinarius mit entsprechendem Lehrauftrag als geeignetste Lösung der zweifellos in der Fakultät vorhandenen Meinungsverschiedenheit ansehe. Es ist mir auch bekannt, daß grade ältere u. erfahrene Mitglieder, welche gegen seine Ernennung zum Ordinarius stimmten[,] hiergegen keine Bedenken haben würden. Diese Ansicht konnte aber in dem Beschluß aus formalen Gründen keinen Ausdruck finden. Da der mit meiner Ansicht im Ergebnis übereinstimmende Fachvertreter, weil er als Dekan den Fakultätsbericht zu erstatten hat, Bedenken trägt, seine kvon letzteremk abweichende Auffassung amtlich zum Ausdruck zu bringen,6 glaube ich mich verpflichtet, meinerseits nachstehend die Gründe meiner Auffassung darzu­ legen. Die gegenwärtige Entwicklung der Sozialwissenschaften macht mich in meiner Lehrtätigkeit in höherem Maße als andere  f A: des  g A: der  h Fehlt in A; bei sinngemäß ergänzt.   i Eigenhändige Korrektur: auf > die  k  Eigenhändige Korrektur: davon > von letzterem 4  Christoph von Sigwart äußerte sich in einem Schreiben vom 6. Dezember 1895 äußerst positiv über Rickert, er hob besonders „die eingehende Gründlichkeit u. vollkommene Selbständigkeit seines Denkens und die concise Art seiner Darstellung“ hervor. Vgl. das Schreiben Christoph von Sigwarts an Alois Riehl vom 6. Dez. 1895, UA Freiburg i. Br., B 38/283, ohne Blattzählung. 5  Heinrich Rickert, der in Berlin die Vorlesungen Friedrich Paulsens besuchte, wurde 1888 bei Wilhelm Windelband mit der Arbeit „Zur Lehre von der Definition“ promoviert. In dieser setzt er sich kritisch mit dem ersten Band von Sigwarts „Logik“ und der darin vertretenen Definitionslehre auseinander. Vgl. Rickert, Heinrich, Zur Lehre von der Definition. − Freiburg: C.A. Wagner 1888, S.  5–7 (hinfort: Rickert, Definition). Sigwart hat dazu in einer Rezension Stellung genommen: Sigwart, Christoph von, Rezension von: Zur Lehre von der Definition. Von Heinrich Rickert, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen, 152. Jg., Nr.  2, Jan. 1890, S.  49–55. 6  Gemeint ist Alois Riehl, bei dem sich Heinrich Rickert 1891 in Freiburg habilitiert hatte.

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Fakultätsmitglieder abhängig von einer sachgemäßen Besetzung des philosophischen Lehrstuhls.

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1. Die Abstimmungsziffern der Fakultät über die einzelnen Herren ergeben ein Bild der wirklichen Stimmung nach ziemlich allseitigem Anerkenntniß nicht. Die beiden zu 1. u. 3. Vorgeschlagenen7 gelangten auf die Liste lediglich, weil sie in dem Kommissionsvorschlag sich befanden, außerhalb der Kommission fast Niemandem bekannt waren und deshalb die Unmöglichkeit einer ernstlichen Diskussion über sie aus den Umständen folgte. Was insbesondere den Prof. Spitzer anlangt, so gelangte er an die erste Stelle, weil nach Ablehnung des Kommissionsvorschlages: dorthin Prof. Rickert zu setzen, eine andre Abstimmung kaum möglich war. Dem, nach den Charaktereigenschaften des Prof. Spitzer sympathischen, Vorschlage würde m. E. nicht unbedingt entgegenstehen, daß er trotz seines Alters bisher in Österreich nicht zu einem ordentlichenl Lehrstuhl gelangtem,8 da hiermit die heftigen Angriffe katholischer Blätter gegen ihn auf Grund einer unvorsichtigen, aber misdeuteten Äußerung wohl nicht ohne Einfluß waren.9 Zur Zeit beabsichtigt die österreichische Regierung[,] ihn dem Vernehmen nach in Czernowitz zu verwenden, dies aber offenbar nur, weil sie nach ihren Gepflogenheiten Ausländer grundsätzlich nur in den äußersten Fällen berücksichtigt. In Deutschland ist derselbe dagegenn bisher nie vorgeschlagen, obwohl die deutschen Verwaltungen Österreicher keineswegs zurücksetzen. – Er ist in keinem der in der Fakultätssitzung produzierten Privatbriefe erwähnt. – Der Fachvertreter hat ihn, obwohl er ihn wissenschaftlich im Gegensatz zu Prof.

l  Eigenhändige Einfügung.   m A: gelangt  n  Eigenhändige Einfügung.   7 Hugo Spitzer und Edmund Husserl, vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  567, Anm.  1. 8  Hugo Spitzer war seit 1893 a. o. Professor für Philosophie an der Universität Graz, 1905 wurde er dort zum o. Professor berufen. 9  Auf welche Äußerung Hugo Spitzers Max Weber hier anspielt, konnte nicht nachgewiesen werden. Spitzer war ein Anhänger des Darwinschen Selektionsprinzips und wurde v. a. wegen der Schrift, Spitzer, Hugo, Beiträge zur Descendenztheorie und zur Methodologie der Naturwissenschaft. – Leipzig: F. A. Brockhaus 1886, von katholischer Seite stark kritisiert.

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Rickert als seinen  Schüler betrachtet,10 dennoch als für die hiesigen Bedürfnisse diesem nicht gleichwertig bezeichnet. 2. Die Persönlichkeit des Prof. Rickert und den ungewöhnlicheno Umfang seines Wissens auf dem Gebiete meiner und verwandter Wissenschaften glaube ich aus engem persönlichen Verkehr, zu dem ich mit ihm gelangt bin, genauer als die meisten Mitglieder zu kennen.11 Betreffs seiner Lehrgabe sind mir[,] wie andern Fakultätsmitgliedern, von begabten Studenten seine Vorlesungen als solche bezeichnet worden, diep zu den besten und in ihrer Form anregendsten gehören, welche an der hiesigen Hochschule gehalten werden. Von der Solidität ihres Inhalts konnte ich mich aus Kollegnachschriften überzeugen.12 Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten ist seine Erstlingsschrift13 von mir bekannten bedeutenden juristischen Lehrern (auch einem hiesigen) methodologisch benutzt worden, wie auch ich dies seiner Zeit zu thun pflegte. Die bisher publizierte Partie14 aus seinem jetzt im Druck befindlichen Werk15 ergab qfür michq schon jetzt eine derartige Bedeutung auch für den Methodenstreit in der Nationalökonomie, daß ich rz. B.r in meinen theoretischen Vorlesungen zu diesem originellen Gedankenkreise Stellung nehmen mußte. Im übrigen wird dasselbe m. E. nur von anerkannten Erkenntnißtheoretikern, wie den früher

o  Unsichere Lesung.   p  Eigenhändige Korrektur: welche > die  q Eigenhändige Einfügung.   r  Eigenhändige Einfügung. 10  Hugo Spitzer hatte in Graz bei Alois Riehl Philosophie studiert. 11  Marianne Weber, die in Freiburg bei Rickert Vorlesungen hörte, beschrieb das Verhältnis zwischen beiden wie folgt: „Schon Rickerts und Webers Eltern pflegten ja nahe politische und gesellschaftliche Beziehungen; die fast gleichaltrigen Söhne kennen sich seit der Knabenzeit, wenn auch nicht nahe. Weber hat schon vor Jahren Rickerts erste erkenntnistheoretische Schriften: ‚Zur Lehre von der Definition‘ und ‚Der Gegenstand der Erkenntnis‘ studiert und in ihrer gedanklichen Schärfe und Durchsichtigkeit bewundert.“ Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  216. 12  Vermutlich Kollegnachschriften Marianne Webers. 13  Gemeint ist: Rickert, Definition (wie oben, S.  570, Anm.  5). 14  Gemeint ist: Rickert, Heinrich, Zur Theorie der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Leipzig, Band 18, Heft 3, 1894, S.  277–319. 15  Im Druck befand sich der erste Teil von: Rickert, Heinrich, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften. – Freiburg i. Br.: Mohr 1896 (hinfort: Rickert, Grenzen I). Um den zweiten Teil ergänzt erschien die Schrift unter demselben Titel 1902 vollständig, vgl. Rickert, Grenzen.

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genannten,16 schwerlich aber von rein naturwissenschaftlich gerichteten Philosophen, maßgebend beurteilt werden können. Über die gegen seine Berufung geltend gemachten nachstehend wiedergegebenen Bedenken, habe ich folgendes zu bemerken:  a) Es ist begreiflich, daß auf naturwissenschaftlicher Seite das Verlangen auf einen naturwissenschaftlich gerichteten Fachvertreter andre Erwägungen zurückdrängt. An der hiesigen Universität herrscht aber nach Lehrtätigkeit, beziehungsweise Persönlichkeit der Professoren: Braig in der theologischen, von Kries in der medizinischen, Weismann in der philosophischen Fakultät, und des Extraordinarius Prof. Münsterberg Gewähr dafür, daß die auf dem philosophischen Grenzgebiet der Naturwissenschaften liegenden Gesichtspunkte volle Beachtung finden.s Demgegenüber erscheint mir die insbesondere durch Windelband u. den jetzigen Inhaber geschaffene Tradition des Lehrstuhls17 als ein Moment, welches nicht nur aus ideellen Gründen Berücksichtigung fordert. b) Es wurde behauptet, daß die Ernennung des jungen Gelehrten, – der übrigens m. W. an Lebensalter wie akademischem Alter z. B. mich übertrifft,18 – andre jüngere Dozenten hier verletzen müsse, die bei ähnlichen Gelegenheiten übergangen seien. Allein dies geschah, weil, – anders als in diesem Falle, – zweifellos überlegene auswärtige Kräfte zu erlangen waren. Für den jetztt hier in Betracht kommenden Prof. Münsterberg wäre die Berufung einer jugendlichen Kraft von auswärts eine Kränkung, nicht aber die Berufung des hier bewährten Kollegen, welcher besser uals eru in die Tradition des Lehrstuhles paßt. Ich habe Grund zu der Annahme, daß der gedachte Dozent selbst die Sachlage ähnlich auffaßt. c) Es wurde behauptet, die Ernennung des Prof. Rickert werde auswärts befremden. vDies ist unerwiesen und unerheblichv[.] Während mir aber z. B. zufällig bekannt ist, daß eine maßgebende Pers  〈Es erscheint mir aber an〉    t  Eigenhändige Einfügung.   u  Eigenhändige Einfügung.  v  Eigenhändige Einfügung. 16  Wilhelm Windelband, Kuno Fischer und Friedrich Paulsen, wie oben, S.  570 mit Anm.  5. 17  Wilhelm Windelband und Alois Riehl waren die Hauptvertreter des südwestdeutschen Neukantianismus. 18  Heinrich Rickert war ein knappes Jahr älter als Max Weber.

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sönlichkeit der preußischen Unterrichtsverwaltung,19  welche letztere sich für Rickert bereits früher interessierte, es nunmehr als selbstverständlich ansah, daß die badische Regierung dessen Kraft für sich benutzen werde, würde die Berufung des Prof. Spitzer oder die eines jungen Dozenten von auswärts nirgends Verständnis findenw, wie eine Umfrage bei unbefangenen Beurteilern ergeben würde. d) Namentlich wurde geltend gemacht, daß Prof. Rickert sich litterarisch bisher nicht genügend bemüht habe. Mir ist bekannt, daß das Bedenken, daß seine neuste, – auch dem Umfange nach, unbedenklich genügende, – Arbeit zur Zeit noch nicht publizirt ist,20 für die negative Abstimmung der Mehrzahlx das thatsächlich ausgesprochner Maßen oder stillschweigendy Maßgebendez gewesen ist. Dies Bedenken würde für die meisten von ihnen nicht bestanden haben, falls die Möglichkeit vorhanden gewesen wäre vorzuschlagen, Prof. Rickert zunächst als Extraordinarius mit der Wahrnehmung des Ordinariats zu beauftragen, bis die vermißte Publikation der öffentlichen Kritik unterstanden hat. Ich kann trotz meines abweichenden Standpunktes nicht verkennen, daß jene Ansicht sich auf einen gewissen Brauch stützen kann, und würde jene Lösung deshalb eventuell angesichts der schroffen Meinungsverschiedenheit in der Fakultät annehmbar finden, zweifle auch nicht, daß eine etwaige Anfrage der großherzoglichen Regierung darüber die große Mehrheit der Fakultät finden würde. Der Wunsch verschiedener Fakultätsmitglieder, jedenfalls einen Ordinarius gewonnen zu sehen[,] ist ademgegenüber zwara begreiflich, die Besetzung eines philosophischen Lehrstuhls wirkt aber eventuell auf Jahrzehnte hinaus, u. es müssen deshalb augenblickliche  Unbequemlichkeiten zurücktreten. Die Möglichkeit der Gewinnung eines tüchtigen fremden Ordinarius ist übrigens sehr gering, da bei der Knappheit des Nachwuchses jede Regierung ihre Lehrkräfte mit Opfern zu halten bestrebt sein wird[.]

w Eigenhändige Einfügung.   x  〈der〉    y  〈Maß〉    z In A eigenhändige Korrektur: maßgebenden > maßgebende  a  Eigenhändiger Einschub. 19  Es ist unklar, auf wen Weber hier anspielt. 20  Gemeint ist: Rickert: Grenzen I (wie oben, S.  572, Anm.  15).

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Wo jene Möglichkeit vielleicht vorläge, – z. B. betreffs des Greifswalder Ordinarius,21 – hat der Fachvertreter22 den betreffenden als für uns keineswegs geeignet bezeichnet, und es erscheint unthunlich[,] dies Urteil zu ignorieren. Eine jugendliche fremde Lehrkraft aber, insbesondereb ein Privatdozent müßte sich naturgemäß gleichfalls zunächst der Erprobung als Extraordinarius unterziehen. – Von jüngeren Kräften, die unbedenklich dem Prof. Rickert vorzuziehen wären, könnte m. E. auchc nur der Berliner Privatdozent Simmel ernstlich in Betracht kommen, der als Israelit in der Fakultät auf Widerstand stoßen würde, auch nicht in die Traditionen des Lehrstuhls paßt. Die in Gießen u. Marburg Habilitirtend23 hat der Fachvertreter scharf kritisirt u. als ungeeignet bezeichnet. In der Fakultätsberatung sind von denjenigen, welche der Ernennung des Prof. Rickert widerstrebten[,] ernstliche Gegenvorschläge überhaupt nicht gemacht und eine zweifellos überlegene jüngere Kraft von auswärts nicht benannt worden.e Die Berufung eines nicht zweifellos überlegenen Privatdozenten aber wäre allerdings eine unnötige Kränkung bewährter hiesiger Lehrkräfte, welche diesenf die Fortsetzung der Lehrtätigkeit hierselbst verleiden müßteg. Auch der jetzt an dritter Stelle Vorgeschlagene24 kann schon deshalb ebenso wie Prof. Spitzer  m. E. nur in Frage kommen, falls wegen Nichtverwendbarkeit des Prof. Rickert es nötig würde[,] zu einem Notbehelf zu greifen. In diesem Falle allerdings wären die beiden Herren offenbar allen andern Kandidaten vorzuziehen. – Sollten die gepflogenen Erörterungen nicht ausreichend erscheinen, um zu dem oben vorgeschlagenen Auskunftsmittel25 zu greifen, so müßten m. E.[,] da eine Beseitigung der Meinungsverschiedenheit in der Fakultät aussichtslos erscheint, diejenigen amtlichen Auskünfteh über Prof. Rickert eingezogen werden, welche die Fakultät m. E.i mit Unrecht zu erheben unterlassen hat. Aus der b  Korrektur von der Hand Marianne Webers: z. B. > insbesondere  c Eigenhändige Einfügung.  d A: habilitirten  e  〈Unbedingte Vorauss〉    f A: diesem  g A: mußte  h  〈ein〉    i  〈zu〉 21  Johannes Rehmke. 22  Alois Riehl. 23  Hermann Siebeck und Paul Natorp. 24  Edmund Husserl. 25  Zu den von Weber vorgeschlagenen auswärtigen Gutachten von Wilhelm Windelband, Kuno Fischer und Friedrich Paulsen vgl. oben, S.  570 mit Anm.  5.

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576 Separatvotum betreffend die Besetzung des philosophischen Ordinariates

Fakultät wurde auf Prof. Sigwart hingewiesen, dem alsdann die fertiggestellten Teile der neusten Arbeit des Prof. Rickert26 vorzulegen wären. Den unbedenklich competenten Geheimrat Fischer in Heidelberg zu befragen möchte sich vielleicht durch die Stellung der Landesuniversitäten zueinander verbieten. Unumgänglich aber erscheint mir auch die eingehende amtliche Befragung Prof. Windelbands[,] obwohl dessen Privatansicht bekannt ist. Das immerhinj kleinliche Bedenken, daß Prof. Rickert dessen Schüler sei[,]27 muß bei dem Range dieses Gelehrten gegenüber der Erwägung schwinden, daß er grade deshalb in ebenso hohem Maße sich für die Qualitäten des von ihm Empfohlenen verantwortlich fühlen wird, wie ich dies von dem hiesigen Fachvertreter vertrauensvoll glaubte.

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kFreiburg

i. B. 7.XII.95 Professor Dr. Max Weberk

j  Eigenhändige Einfügung.   k–k  Eigenhändige Einfügung. 26  Gemeint ist: Rickert, Grenzen I (wie oben, S.  572, Anm.  15). 27  Vgl. dazu oben, S.  570, Anm.  5.

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Die Wiederbesetzung des erledigten Nationalökonomischen Ordinariats betr. [Zusätze zum Entwurf des Dekans, 2. Januar 1897]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Im Wintersemester 1896/97 beschloß die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg eine Berufungsliste zur Wiederbesetzung der Professur für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, die durch die Wegberufung Max Webers an die Universität Heidelberg erforderlich wurde. Die Reihenfolge lautete: Werner Sombart, Carl Johannes Fuchs, Wal­ ther Lotz. Obwohl sich die Fakultät sehr für Werner Sombart einsetzte,1 hielt sich das Ministerium nicht an die vorgeschlagene Reihenfolge und berief den an dritter Stelle plazierten Walther Lotz. Nachdem dieser abgelehnt hatte, erging der Ruf an Carl Johannes Fuchs, der annahm. Er wurde am 19. März 1897 als Nachfolger Max Webers zum ordentlichen Professor der Nationalökonomie und Finanzwissenschaft ernannt.2

Zur Überlieferung und Edition Dem Abdruck liegt der 14-seitige, undatierte und an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts adressierte Entwurf „Die Wiederbesetzung des erledigten Nationalökonomischen Ordinariats betr.“ zugrunde, der sich im Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 110/405, Bl. 271– 284 (A), befindet. Aus einem Schreiben des Dekans der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Richard Schmidt, an die Mitglieder der Fakultät 1 Auf der Fakultätssitzung vom 29. Dezember 1896 wurde die Berufungsliste beschlossen. Außerdem wurde der Dekan beauftragt, „im Interesse einer Berufung des Erstgenannten dem Herrn Minister mündlich zu berichten.“ Vgl. UA Freiburg i. Br., B 110/329, Bl. 160. Am 8. Februar 1897 beschloß die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, einen von Max Weber vorgelegten Antrag dem Ministerium mit dem Hinweis zu übermitteln, „daß eine Nichtbesetzung des erledigten Lehrstuhls für das Sommer-Semester eine schwere Schädigung der Interessen des Unterrichts mit sich bringen würde“. Vgl. ebd., Bl. 161. Der Antrag ist weder im UA Freiburg noch im GLA Karlsruhe überliefert. 2  UA Freiburg i. Br., B 36/674, Bl. 271–273.

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Die Wiederbesetzung des erledigten Nationalökonomischen Ordinariats

geht hervor, daß der Entwurf am 2. Januar 1897 fertiggestellt war.3 Die endgültige, an das Ministerium weitergeleitete Fassung vom 3. Januar 1897 ist hingegen nicht überliefert.4 Der Entwurf ist vom Dekan Richard Schmidt geschrieben und mit Ergänzungen und Korrekturen von Max Webers Hand versehen. Wie aus dem Entwurf hervorgeht, sollte die endgültige Ausfertigung im Namen der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät verschickt werden.5 Der Entwurf kann insofern als von Max Weber mitautorisiert gelten. Um Webers Anteil kenntlich zu machen, wird der Entwurf des Dekans in kleinerer Schrift, die Zusätze und Korrekturen Max Webers hingegen in normaler Schrift und mit textkritischer Annotation wiedergegeben. Einschübe und Streichungen im Text, die nicht auf Weber zurückgehen, werden nicht nachgewiesen. Im Archiv sind nur die Blattvorderseiten mit ungeraden Zahlen paginiert. Die Edition gibt die Ar­chiv­paginierung als A 271 etc. für die Blattvorderseiten wieder und ergänzt für die Blattrückseite A (272) etc. Das erste Blatt trägt den gedruckten Briefkopf „Universität Freiburg. Juristische Fakultät. Freiburg i. B., den …. 18…“. Kommentiert werden die Passagen Max Webers.

3  Vgl. das Schreiben des Dekans der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Freiburg i. Br. vom 2. Jan. 1897, Universitätsarchiv Freiburg i. Br. B110/405, Bl. 269. 4  Vgl. das Schreiben des Akademischen Senats der Universität Freiburg i. Br. an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 5. Jan. 1897, GLA Karlsruhe, 235/43005. 5  Vgl. unten, S.  579.

579 Entwurf!

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Großherzogl. Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts in Karlsruhe



Die Wiederbesetzung des erledigten Nationalökonomischen Ordinariats betr.

Durch die Berufung von Prof. Dr. Max Weber nach Heidelberg ist der eine der in der unterzeichnenden Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät bestehenden ordentlichen Lehrstühle der Nationalökonomie erledigt, und die unterzeichnete Fakultät beehrt sich in Hinblick hierauf, Großherzoglichem Ministerium die dringende Bitte vorzutragen, dieses Ordinariat, sofort mit einer neuen Lehrkraft besetzen zu wollen, da  vor allem an der Vertretung der Vorlesung A (272) über praktische Nationalökonomie im kommenden Sommersemester ein angelegentliches Interesse begründet ist. Zu diesem Zwecke schlägt die Fakultät einstimmig die folgenden Gelehrten vor: an erster Stelle den außerordentlichen Professor Dr. Werner Sombart in Breslau, an zweiter Stelle den ordentlichen Professor Dr. Karl Johannes Fuchs in Greifswald, an dritter Stelle den außerordentlichen Professor Dr. Walter Lotz in München. und zwar gestützt auf nachstehend dargelegte Thatsachen und Erwägungen: 1.) Sombart, ungef[ähr] 32 Jahre alt, evangelischen Bekenntnisses, Schüler von aGustav Schmoller und Adolf Wagner in Berlina[,] eine Zeit lang als Syndikusb der Handelskammer in Bremen thätig. Seit einigen Jahren als außerordentlicher Professor mit Lehrauftrag in Breslau angestellt,  ist nach A 273 dem übereinstimmenden Urteil der beiden nationalökonomischen Fachvertreter der Fakultät wie nach den Äußerungen andrer maßgebender Autoritäten

a  Eigenhändige Einfügung.   b  Sekretär > Syndikus  

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dieser Wissenschaft, insbes.c Knapps, Schmollers, Büchers[,] dA[dolph] Wagners, L[ujo] Brentanosd, eine in jeder Richtung hervorragende und originelle Gelehrtenerscheinung.1 Die literarische Thätigkeit, die S[ombart] bisher entfaltet hat, ist eine äußerst vielseitige und produktive. Nachdem er auf Grund umfassender persönlicher Erforschung der Verhältnisse die sozialökonomische Studie: „die römische Campagna“ (ine Schmollers staats- und sozialwiss[enschaftlichen] For­sch[un­ gen]) feine glänzende agrarhistorische Untersuchungf veröffentlicht

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ghatte,2

ging er nach eingehender Beschäftigung mit zahlreichen Einzelproblemen der Handelspolitik, zu deren Erörterungh – in einer großen Zahl von Einzelaufsätzen in Schmoller’s Jahrbuch3 – ihm seine Bremer Stellung4 Anlaß gab, zur Behandlung gewerbepolitischeri Fragen über. Die Kritik, welche erg in der Aufsatzserie „Die deutsche Hausindustrie“ (in Conrads Jahrbüchern) jan Methode und Ergebnissen der entsprechenden Erhebungen des „Vereins für Sozialpolitik“ übte,5 hatk ebenso wie seine eigenen positiven Meinungen mehrfach Widerspruch erfahren, allseitig wird aber anerc  〈Wagners〉  d–d  Eigenhändige Einfügung.   e  Eigenhändige Einfügung.   f Eigenhändige Einfügung.   g–g  wurde er durch die Beobachtung der schlesischen Weberdistrikte, deren Ergebnisse er > hatte, […] welche er   h  〈ihm seine Bremer Stellung Anlaß gab〉    i  〈Probleme über〉    j–j  (S.  581)  niederlegte, zur > an Methode […] zu einer   k A: haben   1 Im Auftrag der Fakultät erbat Max Weber von Karl Bücher, Adolph Wagner, Lujo Brentano, Georg Friedrich Knapp und Gustav Schmoller Gutachten über die Kandidaten. Vgl. die Briefe Max Webers an Karl Bücher vom 21. Dez. 1896, MWG II/3, S.  255– 257 (mit der Editorischen Vorbemerkung); Adolph Wagner vom 21. Dez. 1896, ebd., S.  258 f., und Lujo Brentano vom 25. Dez. 1896, ebd., S.  261 f. Deren Antwortschreiben sowie die Schreiben Webers an Georg Friedrich Knapp und Gustav Schmoller sind hingegen nicht überliefert. 2  Gemeint ist: Sombart, Römische Campagna, die bei Gustav Schmoller als Dissertation verfaßte agrarwissenschaftliche Studie über die landwirtschaftlichen Verhältnisse in „Roms näherer Umgebung“. 3  Gemeint sind u. a.: Sombart, Werner, Der Handel Bremens und Hamburgs im Jahre 1887, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 13. Jg., 1889, S.  371–380, und ders., Die neuen Handelsverträge, insbesondere Deutschlands, in: ebd., 16. Jg., 1892, S.  547–611. 4  Sombart war von 1888 bis 1890 Syndikus der Bremer Handelskammer. Nach Sombarts Abberufung bewarb sich Max Weber vergeblich um diese Stelle. Vgl. den Brief Max Webers an den Präses der Handelskammer Bremen Hermann Heinrich Meier vom 10. Juli 1890, Archiv der IHK Bremen (MWG II/2). 5  Sombart, Litteratur über Hausindustrie I und II. Im Gegensatz zu seinem Doktorvater Gustav Schmoller und anderen Mitgliedern des Vereins für Socialpolitik sah Sombart in der Hausindustrie ein Hindernis für die „gedeihliche“ Entwicklung der Industrie­ arbei­terverhältnisse.

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kannt, daß sie die Wissenschaft gefördert haben. Neuerdings ist Sombart zu einerj eindringenden Beschäftigung mit den sozialistischen Theorien lübergegangen und hatl seinen Standpunkt ihnen gegenüber in 5

dem Aufsatz: „Zur Kritik des Marx’schen Systems“ (Archiv f[ür] soz[iale] Gesetzg[ebung] u. Statistik) mdargelegt,6 der von Böhm-Bawerk (in der

Festschrift für Knies) bei principieller sachlicher Gegnerschaft dennoch viel glänzende Anerkennung fand[.]7 Endlichm lieferte ern

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neuestens eine populäre Zusammenfassung seinero Studien auf den letztbehandelten Gebieten in der Schrift „Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrh.“  In diesen sämtlichen Schriften hat er eine bemerkenswerte Fähig- A (274) keit bethätigt, den behandelten Stoffen neue Seiten abzugewinnen, die That­ sachen entwicklungsgeschichtlich und theoretisch zu gruppieren und in ästhetischer Form darzustellen, sowie er durch dieselben eine eindringende Sachkenntnis auf verschiedenen Haupt-Gebieten seiner Wissenschaft bewiesen hat. Insbesondere beweist er die letztere, abgesehen von Gewerbe- und Arbeiterpolitik, auch auf dem der Agrarpolitik, sodaß er gerade um deswillen besonders geeignet erscheint, sich mit dem hier verbleibenden ordentlichen Fachvertreter, Prof. v. Schulze-Gävernitz, zu ergänzen, – ein Erfolg, an dem die Fakultät ein spezielles Interesse besitzen kann. Die letztgenannte Schrift Sombarts illustriert als eine Sammlung zusammenhängender gemeinverständlicher Vorträge gleichzeitig diese glänzende Lehrgabe des genannten. Auch diese ist,  wie die hiesigen Fachkollegen bezeu- A 275 gen und die eingezogenen Nachrichten bestätigen, eine außergewöhnliche. Sie bewährt sich sowohl in seinen theoretischen Vorlesungen, in welchen er anerkanntermaasen eine überdurchschnittlich große Zuhörerzahl dauernd zu fesseln versteht, als auch in einer verzweigten seminaristischen Lehrthätigkeit, innerhalb deren es ihm gelungen ist, unerachtet derp erschwerenden Umstände qdie

in seiner Nichtbeteiligung an den Doctorprüfungen naturgemäß vorlagenq,8 zu einer großen Zahl gründlicher und tüchtiger Spezialun-

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tersuchungen die Anregung zu gebenr. Vor allem die letztere Thatsache reicht

j  (S.  580)–j  niederlegte, zur > an Methode […] zu einer   l  gefordert, um > übergegangen und hat   m–m  darzulegen. In allen diesen Schriften. Außerdem verteidigte er die von ihm gefundenen Gesichtspunkte – großenteils mit Erfolg – in zahlreichen kleineren Aufsätzen und lieferte > dargelegt, […] Endlich   n  Eigenhändige Einfügung.  o  〈sozialpolitischen〉    p Eigenhändige Einfügung.   q–q  in den kollegialen Beziehungen > die in […] vorlagen   r A: gaben 6  Sombart, Kritik des ökonomischen Systems. 7  Böhm-Bawerk, Abschluß. 8  Als Extraordinarius war Sombart nicht befugt, Doktorprüfungen abzuhalten.

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hin, dem von manchen Seiten gemachten Urteil, daß Sombart in seinen Vorlesungen bis zu gewissem Grade auf den Effekt arbeite, jedenfalls die ungünstige Nebenbedeutung zu nehmen, als ob das Effektvolle seines Vortrags die Wissenschaftlichkeit und Gründlichkeit seines Unterrichts beeinträchtige.  Nach alledem ist S[ombart]s nach Ansicht der Fakultät eine die Gewähr A (276) für vorzügliche Leistungen nach allen Seiten der akademischen Thätigkeit bietende Persönlichkeit, wie sie unter den übrigen jüngeren Vertretern des Fachs schlechterdings nicht zu finden ist. Ist aber demnach seine Gewinnung für Freiburg aus sachlichen Gründen lebhaft zu wünschen, so können dem auch seine persönlichen Eigenschaften nicht hindernd im Wege stehen. Die Fakultät hatte sich in dieser Hinsicht ernstlich die Frage vorzulegen, ob ein solches Hindernis in einem dem Genannten vielfach nachgesagtem politischen Radikalismus, – vulgär als „sozialdemokratische Gesinnung“ bezeichnet – zu finden sei, siet hat sich aber nach reiflicher Überlegung und Prüfung mit Entschiedenheit für die Verneinung dieser Frage aussprechen zu müssen geglaubt. Allerdings hat Sombart uin einem Aufsatz imv „Sozialpolitischen Centralblatt“9 vor

Jahren unter dem Eindruck des furchtbaren Notstandes der schlesischen Hausweber die von ihm erhobene Forderung der Errichtung von staatlichen Fabrikbetrieben in einer schroffen Form vertreten und seine Antwort10 auf einen denunciatorischenw Artikel der „Schlesischen Zeitung“11 mußte damals als möglich erscheinen lassen, daß er sich für die Vertretung seiner Ansichten einer agitatorischen Sprache bedienen würde. Allein diese Befürchtung hat sich seitdem nicht bewahrheitetu. Alle mündlich oder brieflich befragten Sachkenner, und vor allem auch hier die beiden nationalökonomischen Fakultätsmitglieder sind darin einig, daß diese Meinungs-Äußerungen im Hinblick A 277 auf die Beurteilung  seiner genannten politischen Stellung unter keinen Umständen verallgemeinert werden dürfen. Einerseits sind dieselben zweifellos nicht der politischen Leidenschaft des Verfassers, sondern dessen Bedürfnis nach theoretischer und entwicklungsgeschichtlicher Konstruktion entsprungen, s  Eigenhändige Einfügung.   t  Eigenhändige Einfügung.   u–u  zu Zeiten, – insbes. in der „deutschen Hausindustrie“ –, Anschauungen zum Ausdruck gebracht, die – abgesehen von der Schroffheit der Form –, inhaltlich den Lehren von Karl Marx mindestens sehr nahe kommen. Aber > in einem […] bewahrheitet   v  〈dem〉   w  Denunciant in der > denunciatorischen   9  Sombart, Arbeitslöhne. 10  Sombart, Demagogenthum. 11  Anonym, Demagogenthum in wissenschaftlichem Gewande, in: Schlesische Zeitung, Nr.  691 vom 2. Okt. 1892.

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das – in Verbindung mit einem temperamentvollen Naturell – um so leichterx zu einer zugespitzten Formulierung seiner Gedanken führen konnte, als seine wissenschaftliche Beschäftigung ihn (zum Teil zufällig) auf gewissey extremste Erscheinungen des proletarischen Elends (italienisches Bauernproletariat, schlesische Weber) hinwies. In seiner sozialen Stellung hat er sich stets als „Bourgeois“ geriert (Schmoller); hat eine praktische Fruktifizierung, geschweige denn eine agitatorische Propaganda seiner zAnsichten stetsz vermieden, den ihm gelegentlich angesonnenen Eintritt in die sozialdemokratische Partei sogar ausdrücklich mit der Motivierung, daß er nur seine wiss[enschaftliche] Überzeugung vertrete, abgelehnt, und, wenn er kürzlich einer Wahl zum Stadtverordneten für Breslau Folge geleistet hat, so ist er zu dieser Stellung als Kandidat der ersten (dem höchsten Steuer-Zensus zugehörigen) Wählerklasse, also auf Betreiben einer kapitalistischen Wählerschaft, gelangt. Weiter aber ist zu beachten,  daß jene literarischen Produktionen überhaupt nicht als abschlie- A (278) ßender Ausdruck, sondern nur als vorübergehende Phase seiner wissenschaftlichen Überzeugung anzusehen sind. Nach allgemeinem Urteil läßt sich erwarten, daß Sombart bei normalem Verlauf seiner akademischen Carriere; – falls er nicht insbesondere einer geflissentlichen Benachteiligung um seiner afrüher geäußertena wissenschaftlichen Anschauungen willen ausgesetzt wird, – zu maasvolleren und abgeklärteren Doktrinen gelangen werde. Ja, diese Klärung hat sich sogar zu einem wesentlichen Teile bereits vollzogen. Denn S[ombart] hat in der oben erwähnten ­„Kritik“ durchaus den Standpunkt überlegener kritischer Prüfung der sozialistischen Lehren eingenommen und diesen Standpunkt in dem soeben erschienenen „Sozialismus“ festgehalten, insbes. die Abwegigkeit aller revolutionären Richtungen und die Vereinbarkeit der nach seiner Meinung richtigen Elemente der Marx’schen Lehre mit Religion und Nationalitätsgedanken betont. In der Erwägung endlich,  daß die eminente A 279 Eindrucks- und Entwicklungsfähigkeit seiner Natur, die augenfällig „ästhetische“ Veranlagung derselben (Knapp) wie die anerkannte Liebenswürdigkeit und Lauterkeit seines Charakters das Innehalten des bisherigen Entwicklungsgangs Sombarts verbürgen, hält es die Fakultät nach bestem Gewissen für das der gerechten Würdigung des hochbegabten Gelehrten entsprechende und der Universität förderlichste, den bvon jenem längst vergangenen Vorgange denkbarer Weise herzuleitendenb Bedenken keinerleic Gewicht beizu-

x  Unsichere Lesung.   y  die extremsten > gewisse  z  Lehren > Ansichten stets   a–a  Eigenhändige Einfügung.   b–b  bezeichneten > von jenen (jenem) […] herzuleitenden  c  Eigenhändige Einfügung.

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legen. Sie würden deshalb die Berufung Sombarts als die weitaus glücklichste Besetzung des Lehrstuhls begrüßen. 2) Fuchs steht als Gelehrter und Schriftsteller hinter S[ombart] nicht zurück. Als Schüler Knapps und zuerst als Privatdozent in Straßburg thätig, dann Extraordinarius und seit 1894 Ordinarius in Greifswald, bearbeitete er anfänglich die agrargeschichtliche Entwicklung Neuvorpommernsd,12 die er für dieses egeographisch enge abgegrenzte Gebiet, aber mit selbständigem A (280) Urteil in unbestritten mustergiltiger Weise zur  Darstellung brachte: („Der Untergang des Bauernstandes und das Aufkommen der Gutsherrschaften in Neuvorpommern und auf Rügen“, i[n] d[en] Abh[andlungen] aus dem staatswiss[enschaftlichen] Seminar zu Straßburg)[.] Auch er bewährte jedoch sodann seine literarische Vielseitigkeit, insofernf er auf gVeranlassung des Vereins für Sozialpolitikg „Die Handelspolitik Englands und seiner Colonien (Bd. 57 d[er] Schriften des Vereins f[ür] Soz[ial]Pol[itik]) behandelte, heine

Schrift, welche ini unübertroffener Weise die ökonomischen und handelspolitischen Voraussetzungen der von Charles Dilke und Anderen vertretenenj weltpolitischen Gedanken („Greater Britain“) zur Anschauung bringt.13 Die Früchte seiner amerikanischen und englischen, für die Schrift und seitdem unternommenen Reisenk förderten zahlreiche kleinere, seitdem – in Conrad’s Jahrbüchern[,] Schmollers Jahrbuch undl an anderen Orten – erschienene Aufsätze zu Tage, welche seine eingehende Beschäftigung mit währungs- und börsenpolitischen Problemen erweisen. Als besonders glücklich sei daraus der Aufsatz über den „Warenterminhandel“ – Separatabdruck in Schmollers Jahrbuch – hervorgehoben.14 Der Umkreis dieserh Studien läßtm ihn gleichzeitig ebenso wie Sombart, ja vielleicht in noch höherem Maas, wie diesen, geeignet erscheinen, neben v. Schulze-Gävernitz für eine allseitige Beleuchtung des Wissenschaftsgebiets an unsrer Universität Sorge zu tragen.

d Eigenhändige Einfügung.   e Eigenhändige Einfügung.   f  sofern > insofern   g–g  Grund einer amerikanischen Reise > Veranlassung […] Sozialpolitik   h–h  ein Gedankenkreis, dem auch seine ferneren kleineren Arbeiten, insbes. neuestens die Abhandlungen über die amerikanischen Währungsverhältnisse (in Conrad‘s Jahrbüchern) entsprangen. Durch diese sämtlichen, Diese > eine Schrift […] dieser  i  〈schlechthin〉    j  〈großbri〉    k  〈bringen〉    l  〈anderswo〉    m  lassen > läßt 12  Gemeint ist die nachfolgend zitierte Schrift: Fuchs, Untergang. 13  Fuchs, Handelspolitik. 14  Fuchs, Waren-Terminhandel.

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Über die Dozentenleistungen von Fuchs wird günstiges berichtet. Es heißt, daß er fließend und gewandt spreche und vor allem, daß er gern spreche, sowie denn seine Vortragsthätigkeit in Greifswald, in Seminar und Vorlesungen  in A 281 Vorträgen vor größeren oder beschränkteren Kreisen eine sehr ausgebreitete zu sein scheint. Gleichwohl nunterliegt es keinem Zweifel, daß Fuchs in

dieser Hinsicht hinter Sombarts außergewöhnlicher Begabungo erheblich zurücksteht, und esn liegt hierin dasjenige Moment, das die

Fakultät bestimmt hat, ihn erst in zweiter Linie als wünschenswerte Aquisition für unsre Universität zu bezeichnen. Sein bisherigerp Lehrerfolgq beweist 10

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rimmerhin,

da er lange Zeit der einzige Fachvertreter in Greifswalds warr[,] nicht, daß ihm auch eine sot fesselnde, anregende Darstellungsgabe eigen ist, auf welche udie Fakultät im Interesse der Universität und vdes Fachsv, zumal bei der Eigenart der oberländischen Bevölkerung,w – wenn sich eine in dieser Beziehung so hervorragende Kraft wie Sombart gewinnen läßt –ux sie dringend ein ganz entscheidendes Gewicht legen muß. Die Fakultät muß deshalb, – obwohl auch über Fuchs’ persönliche Eigenschaften nur gute, sogar vorzügliche Auskunft vorliegt – den Vorschlag Sombarts demjenigen von Fuchs weit voranstellen. yDaß freilich, falls wider

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Erwarten Sombarts Gewinnung sich als unmöglich herausstellen sollte, Fuchs allen Anderen ohne Zweifel voranzustellen sein würde, konnte namentlich auch aus dem Urteil derz Fachgenossen ferneren Fachvertreter (insbesondere Bücher, Knapp, Brentano)15 entnommen werdeny[.]  3. aInsbesondere gilt nach dem Votum der Fakultät diese Voranstellung auch gegenüber dem Vorschlage von Lotz, dessen Berun–n  ist > unterliegt […] es   o  〈unbedenklich〉    p  Eigenhändige Einfügung.   q  In A folgt die von Weber gestrichene Passage: erklärt sich hinlänglich – abgesehen von seiner unzweifelhaften Sachkenntnis – aus dem Umstande, daß er in Greifswald und dessen Umgebung der einzige Vertreter seiner Wissenschaft ist. Er   r–r Eigenhändige Einfügung.   s  〈ist〉    t Eigenhändige Einfügung.   u–u  wie sie nach den Traditionen Freiburgs an unsrer Universität vor allem Bedürfnis ist, und wenn auch die Fakultät in dieser Hinsicht keine ungünstigen Berichte erhalten hat (– nur von einer gewissen Breite des Vortrags wird gesprochen –), so fehlt doch auf der anderen Seite durchaus eine bestimmt redende, positiv beruhigende Mitteilung. > die Fakultät […] läßt –   v  Von dritter Hand gestrichen.   w  〈für〉    x  〈für schlechthin geboten erachtet〉; in A folgt: ihr  y–y Eigenhändige Einfügung.   z  〈Fachgenossen〉  a–a  (S.  586)  Noch weniger kann die Fakultät die Berufung von Lotz > Insbesondere […] weniger 15  Vgl. dazu oben, S.  580, Anm.  1.

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fung sie noch wenigera als adäquaten Ersatz der Gewinnung Sombarts bezeichnen könnteb.

Lotz, ca. 32 Jahr alt, evangelisch,c Privatdozent in Leipzig als Schüler Brentanos und hierauf mit Brentano und dweil dieser es zur Bedingung machted als außerordentlicher Professor mit Lehrauftrag nach München übernommene,16 kann ebenfalls erhebliche Früchte literarischer Produktion aufweisen. Durch die „Geschichte und Kritik der deutschen Bankgesetze von 1845“, die „Technik des deutschen Emissionsgeschäfts“, (in Schmollers JB.), die „Ideen der deutschen Handelspolitik von 1860–1891“ (Bd. 50 der Schriften des V. f. Soz.Pol.), endlich durch die „Ergebnisse der deutschen Silberenquête“ (Schmollers JB.) hat L[otz] eine ausgebreitete Kenntnis auf dem Gebiet der Bank-, Handels- und Währungspolitik bewährt und damit große Anerkennung geerntet. Jedoch besteht fbei Anerkennung der namentlich in der citir-

ten handelspolitischen Schrift,17 in geringerem Maße in der Schrift über das Bankgesetz,18 sich bewährenden Fähigkeit, größere Gesichtspunkte in den Stoff hineinzutragen,f unter den Fachleuten keine volleg Übereinstimmung darüber, ob seine Arbeiten vorzugsweise eine bedeutende schriftstellerischeh Gewandtheit,i oder auch, wie es zu wün-

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A 283 schen,  eine charakteristische wissenschaftliche Eigenart erweisen. jDaß

letzteres der Fall sei, ist aus den Kreisen der Fachgenossen mehrfach bezweifelt worden, undk der Vergleich zwischen den Arbeiten von Lotz mit denen von Fuchs – der namentlich zwischen den beiderseitigen handelspolitischen Leistungen nahe liegt – fällt, was Tiefe und Gründlichkeit anlangt, unbedingt zu Gunsten von Fuchs aus. – j Als Dozent hat Lotz große Erfolge. Er stehtl in München m, da der Lehrstuhl unbesetzt ist, neben Brentano allein,m und versammelt ständig a  (S.  585)–a  Noch weniger kann die Fakultät die Berufung von Lotz > Insbesondere […] weniger   b  Eigenhändige Einfügung.  c  In A folgt der von Weber gestrichene Passus: möglicherweise von zum Teil semitischer Abstammung,   d–d  auf dessen Anregung > weil […] machte   e  übergesiedelt > übernommen  f–f Eigenhändige Einfügung.  g Eigenhändige Einfügung.   h Eigenhändige Einfügung.  i  In A folgt die von Weber gestrichene Passage: wie sie unter Umständen auch dem Tagesschriftsteller eignet,   j–j  Eigenhändige Einfügung.   k  〈ganz abgesehen davon, daß er weder〉    l  vertritt > steht  m–m  den noch unbesetzten Lehrstuhl. Lehrt > da der […] allein,   16  Vgl. Brentano, Lujo, Mein Leben. Im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands. – Jena: Eugen Diederichs Verlag 1931, S.  165. 17  Lotz, Handelspolitik. 18  Lotz, Bankgesetz.

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einen großen Zuhörerkreis um sich, was bei seinem Zusammenwirken mit neinem so überlegenenn Dozenten, wieo Brentano, gewiß nicht unterschätzt werden darf. Ganz zweifellos würde deshalb auch gerade hins[ichtlich] der Lehrbegabung unsre Universität eine zügige Kraft von großer Leistungsfähigkeit in ihm gewinnen, pund es ist möglich und nach mancher Richtung

wahrscheinlich, daß in dieser Hinsicht Lotz dem an 2ter Stelle Genannten eher überlegen sein könntep[.] Nun ist auch hier die Fakultät nicht ganz frei von Zweifeln darüber gebliebenq[,] ob Lotz in der Entfal-

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tung seiner Lehrthätigkeit die Grenze des Akademikers gegenüber dem Parteimann einhalte. rDer Grund der Wirksamkeit seiner Redes scheint

mehrt noch in ihrer Gewandtheit, als in der Macht deru zur Geltung gebrachten Überzeugung und der Tiefe der Gesichtspunktev zu liegen. –r Was win letzter Linie neben diesen Gesichtspunktenw für die 15

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Fakultät den Ausschlag giebt, Lotz unbedingt hinter Sombart sowohl wie vor allem auch hinter Fuchs zurückzustellen, ist seine wissenschaftliche Richtung, die sich mit der des anderen in Freiburg verbleibenden Fachvertreters, im wesentlichen deckt. L[otz] ist gleich v. Schulze-Gävernitz Schüler Brentanos,  xund auchx seine wissenschaftlichey Thätigkeit bewegt sich auf einem A (284) Gebiet, dem sich diejenige von v. Schulze besonders in letzter Zeit mehr und mehr zu nähern scheint. zInsbesondere hat er auf dem Gebiet der Agrarpolitik keinerlei nennenswerte Leistungen aufzuweisen.z Es kann aber für den Lehrzweck nicht wünschenswert sein, wenn an einer und derselben Universität zwei sich ain Fachinteressen und BeurteilungsMaßstab so sehr deckendea Gelehrte ihre Thätigkeit entwickeln, und es muß deshalb für Sombart und Fuchs bgegenüber Lotzb gleicherweise das Interesse an der Vielseitigkeit der wissenschaftlichen Betrachtungsweise ins Gewicht fallen. cDie Fakultät würde eined Berufung daher evt.e, falls

wider Verhoffen keiner der beiden vorher genannten Gelehrten zu gewinnen sein sollte, für erwünscht halten. –c

n–n  anderen > einem so überlegenen   o  spez. mit > wie  p–p Eigenhändige Einfügung.   q Eigenhändige Einfügung.   r–r  Eigenhändige Einfügung.   s  〈wird〉    t  〈im Allgemeinen〉    u A: in  v  〈zu gefunden. –〉    w  jedoch > in letzter […] Gesichtspunkten   x  – ja, > und auch   y  literarische > wissenschaftliche  z–z  Eigenhändige Einfügung.   a–a  so nahe stehende > in Fachinteressen […] deckende    b Eigenhändige Ein­fügung.    c–c  Eigenhändige Einfügung.   d  〈Gewinnung〉    e  Alternative Lesung: nur

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Von dem Eingehen auf andre, an sich verdienstvolle Gelehrte, wie vor allem Oldenberg in Berlin, Rathgen in Marburg – hat die Fakultät zur Zeit abgesehen, da eine wissenschaftliche Schätzung derselben im Verhältnis zueinander nicht leicht ausführbar erschien undf dieg hinter den bisher genannten hnach Ansicht der Mehrheit der Fakultäth zurück zustehen hatten.

f Eigenhändige Einfügung.   g In A folgt die von Weber gestrichene Passage: Betr[effenden] aber jedenfalls   h–h  Eigenhändige Einfügung.

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[Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg] (7. November 1898)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Emanuel Leser lehrte seit seiner Habilitation im Jahre 1873 an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg. Der jüdische Privatdozent hielt Vorlesungen über Eisenbahnwesen, Münz-, Bank- und Handelspolitik und teilte sich mit Karl Knies die turnusmäßigen Hauptvorlesungen „Theoretische Nationalökonomie“, „Praktische Nationalökonomie“ und „Finanzwissenschaft“. 1881 wurde er zum außerordentlichen Professor berufen, jedoch nicht etatisiert, also nicht besoldet. Nach 20-jähriger Lehrtätigkeit wurde ihm zwar von der Badischen Regierung das Ritterkreuz 1. Klasse verliehen,1 aber eine Ernennung zum etatmäßigen außerordentlichen Professor blieb aus. Kurz nach seiner Berufung stellte Max Weber den Antrag, Emanuel Leser zum etatmäßigen außerordentlichen Professor zu ernennen. Die Philosophische Fakultät faßte am 12. Mai 1897 einen einstimmigen Beschluß in diesem Sinne und gab ihn am 14. Mai an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts weiter, offenbar ohne Erfolg. Immerhin wurde Leser am 1. Juni 1897 auf Webers Initiative zum Lehrer an dem neu eingerichteten Volkswirtschaftlichen Seminar berufen. Aber auch diese Stelle war nicht besoldet.2 Leser blieb also allein auf das Hörgeld gestellt. Am 3. November 1898 bewilligte das Ministerium der Philosophischen Fakultät eine etatmäßige außerordentliche Professur.3 Dafür gab es neben der Nationalökonomie zwei weitere Interessenten: Der Sprachwissenschaftler Hermann Osthoff wünschte ein Extraordinariat für iranische Philologie, der 1  Vgl. Hentschel, Volker, Die Wirtschaftswissenschaften als akademische Disziplin an der Universität Heidelberg 1822–1924, in: Waszek, Norbert (Hg.), Die Institutionalisierung der Nationalökonomie an den deutschen Universitäten. Zur Erinnerung an Klaus Hinrich Hennings (1937–1986). – St. Katharinen: Scripta Mercaturae Verlag 1988, S.  192–232, hier S.  203 f. (hinfort: Hentschel, Wirtschaftswissenschaften). 2  Vgl. das Schreiben Max Webers an den Engeren Senat der Universität Heidelberg vom 1. Juni 1897, MWG II/3, S.  334. 3  Schreiben des Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 3. Nov. 1898, UA Heidelberg, H-IV102/130, Bl. 82.

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Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät Heidelberg

Dekan und das Ministerium befürworteten ein Extraordinariat für Geographie.4 Am 5. November 1898 bat der Dekan der Philosophischen Fakultät, Dietrich Schäfer, die Professoren Weber und Osthoff um Mitteilung, ob eine Fakultätssitzung zur Erörterung der Frage des Extraordinariats erwünscht sei.5 Weber, der offenbar schon im Juli 1898 abermals für ein nationalökonomisches Extraordinariat votiert hatte,6 verfaßte die im folgenden abgedruckte Stellungnahme, während Hermann Osthoff vorläufig auf ein Extraordinariat für indo-iranische Philologie verzichtete.7 Der Dekan und die Fakultät scheinen sich dann aber nicht für Nationalökonomie, sondern für Geographie entschieden zu haben.8 Damit war die Absicht, Leser zum planmäßigen Extraordinarius zu machen, endgültig gescheitert. Angesichts seiner Erkrankung und seiner damit verbundenen Beurlaubung stellte Max Weber im Mai 1899 dann einen Antrag auf Errichtung einer zweiten ordentlichen Professur für Nationalökonomie.9 Diese wurde genehmigt und im Mai 1900 mit Karl Rathgen besetzt. Emanuel Leser lehrte bis zu seinem Tode 1914 weiterhin als nicht-etatmäßiger außerordentlicher Professor in Heidelberg.

Zur Überlieferung und Edition Die von Weber handschriftlich niedergelegte und unterschriebene Stellungnahme befindet sich in den Akten der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, Universitätsarchiv Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 84 und 85 (A). Der Text, der auf den 7. November 1898 datiert ist, beginnt auf der Rückseite des Briefes von Dekan Schäfer an die Herren Professoren Osthoff und Weber vom 5. November 1898, wo er sich direkt an die Stellungnahme von

4  Dies geht aus dem Schreiben von Dietrich Schäfer vom 5. November 1898 an Max Weber und Hermann Osthoff (UA Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 84r) sowie aus dem Schreiben von Hermann Osthoff an Dietrich Schäfer vom 6. November 1898 (UA Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 84v) hervor. 5  Schreiben von Dietrich Schäfer an die Professoren Osthoff und Weber vom 5. Nov. 1898, UA Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 84r. 6  Dies erwähnt Schäfer, ebd. Dieses Votum Max Webers ist weder im GLA Karlsruhe noch im UA Heidelberg nachgewiesen. 7  Schreiben von Hermann Osthoff an Dietrich Schäfer vom 6. Nov. 1898, UA Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 84v. 8  In einem Schreiben an die Fakultät vom 9. November 1898 (UA Heidelberg, H-IV102/130, Bl. 80–81) bemerkt Dietrich Schäfer, daß seiner Einschätzung nach beim Ministerium „keine Neigung“ zur Schaffung eines nationalökonomischen Extraordina­riats bestehe und es deshalb sinnvoller sei, ein Extraordinariat für Geographie zu beantragen. 9  Vgl. Weber, Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur, unten, S.  599–601.

Editorischer Bericht

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Hermann Osthoff vom 6. November anschließt, und setzt sich auf dem nächsten Blatt fort. Die Archivpaginierung zählt nur die Blattvorderseiten. Der Editor paginiert die Seiten mit Webers Text als A 84(v) und A 85(r).

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[Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg] [A 84(v)]

A 85(r)

Ich sehe keinen Anlaß zu einer Sitzung und resümiere meinen den Herrn Collegen bekannten Standpunkt dahin, daß icha nach wie vor glaube, die Fakultät müsse[,] falls Professor Leser auf der Zuwendung des Extraordinariats an ihn besteht – und dies war nach den letzten mir gemachten Mitteilungen der Fall –[,] sich an das demselben durch den Dekan gegebene Versprechen binden, und es müssen alle sachlichen Erwägungen hinter der Verpflichtung, übernommene Verbindlichkeiten zu erfüllen, zurücktreten, da die Fakultät sich in der Möglichkeit befindet, denselben nachzukommen. – Was die sachliche Seite anlangt, so bemerke ich, daß[,] wenn Prof. Leser seine Lehrthätigkeit, die er ohne Verpflichtung im Wesentlichen infolge jenes Versprechens undb übrigens auf Wunsch der Fakultät auf die Abhaltung aller großen Vorlesungen des Fachs erstrecktc hat, auf das zulässige Minimum beschränkend oder auch nur wesentlich einschränken sollte, diee Inter[essen]f der Universität auf das allerernstlichste altriert werden könnten. – Von dem immerhin auffälligen Schritt eines Separat-Votums in dem wahrscheinlichen Fall einer meiner Meinung entgegengesetzten Abstimmung würde ich dann gern absehen,  wenn keiner der Herren Collegen etwas dagegen erinnert und der Herr Dekan es für zulässig erachtet, in dem Schreiben an das Ministerium zu bemerken, daß „der Vertreter der Nationalökonomie die Unmöglichkeit, daß angesichts des Vorhandenseins zweier Ordinariate in Freiburg, Straßburg, Tübingen der hier bestehende Zustand noch längere Zeit fortdauere, auf das Entschiedenste betonen zu müssen geglaubt habe.“ – Wenn nicht, möchte ich ein neues, kürzeres Votum beilegen. Daß ich im Übrigen sachlich in erster Linie die Herberufung eines mit mir in Seminar, Vorlesungsturnus etc. zu coordinierenden 2ten Ordinarius wünsche, ist der Fakultät ebenfalls bekannt, allein

a  〈gla〉    b  〈so〉    c  Unsichere Lesung.   d  Unsichere Lesung.   e  〈Fakultät〉   f  2. Wortteil nicht lesbar.

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Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät Heidelberg

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m. E. ist dieselbe durch ihre eigene Resolution und Billigkeitsrücksichten zu Gunsten von Prof. Leser gebunden.1 H[eidelberg] 7.XI.98 5

Max Weber.

1  Als der Antrag auf ein etatmäßiges Extraordinariat für Emanuel Leser gescheitert war und später Max Weber krankheitsbedingt um die Beurlaubung von den Lehrverpflichtungen nachsuchen mußte, trat eine Notlage ein, die Webers Wunsch nach ­einem zweiten Ordinariat beförderte.

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[Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim] (21. Dezember 1898)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die kaufmännischen Vereinigungen Mannheims strebten die Errichtung einer Handelshochschule in Mannheim an. Vorerst aber wollten sie nur sicherstellen, daß die abendlichen nationalökonomischen Vorlesungen, die für junge Kaufleute schon angeboten wurden, auch weiterhin stattfinden würden. Deshalb richteten sie am 12. Dezember 1898 an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts die Bitte, in Heidelberg einen zweiten Lehrstuhl für Nationalökonomie einzurichten mit der Maßgabe, Mannheim mit nationalökonomischen Vorlesungen für junge Kaufleute zu versorgen. Denn es werde immer schwieriger, Universitätsprofessoren für zusätzliche, abendliche Vorlesungen zu gewinnen. Daher sei es am einfachsten, diese „von dem benachbarten Heidelberg aus zu bewerkstelligen“. Begründet wurde diese Bitte damit, daß die jungen Kaufleute weder Zeit noch Geld hätten, eine Universität zu besuchen, und später, als „Direktoren und Prokuristen der großen Fabriken, Banken, Assekuranzen und anderen Handelsgeschäfte“, auch keine Gelegenheit mehr bekämen, dies nachzuholen.1 Bereits ein Jahr zuvor hatten Max Weber und Gerhart von Schulze-Gaevernitz Abendkurse in Mannheim gehalten. Weber gab einen vierstündigen Überblick über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart, Schulze-Gaevernitz referierte über Handelspolitik. Die Vorlesungsreihen fanden offenbar großen Anklang, sie wurden von ca. 1.300 Personen besucht, der Preis einer Vorlesung betrug 10 Pfennig.2 Das Ministerium leitete das Gesuch an den Engeren Senat und die Philosophische Fakultät, an der in Heidelberg die Nationalökonomie angesiedelt war, zur Stellungnahme weiter.3 Der Dekan der Philosophischen Fakultät, Dietrich 1  Schreiben des Kaufmännischen Vereins, der Handelskammer für den Kreis Mannheim und des Börsenvorstands an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 12. Dez. 1898, GLA Karlsruhe, 235/4576, ohne Blattzählung. 2  Ebd. Vgl. auch unten, S.  597 mit Anm.  3. 3 Schreiben des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts an den engeren Senat vom 19. Dez. 1898, GLA Karlsruhe, 235/4576.

Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim

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Schäfer, lehnte das Gesuch unter Bezugnahme auf das im folgenden edierte Gutachten Max Webers ab.4

Zur Überlieferung und Edition Der handschriftliche, von Weber unterschriebene eineinhalbseitige und auf den 21. Dezember 1898 datierte Schriftsatz befindet sich in den Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe, 235/4576, ohne Blattzählung (A). Es wird vom Editor die Paginierung A (1) und A (2) eingeführt. Der Text, der Streichungen und Einfügungen enthält, wird hier unter Übernahme (ohne Nachweis) der Einfügungen und Sofortkorrekturen wiedergegeben, Streichungen werden im textkritischen Apparat annotiert.

4  Schreiben von Dietrich Schäfer an den engeren Senat vom 23. Dez. 1898, ebd.

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[Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim] A (1)

Urschrift mit Anlage dem Herrn Dekan mit folgender Äußerung zurückgereicht: Daß eine zweite nationalökonomische Professur für Heidelberg unbedingtes Bedürfnis ist, hat die Fakultät sowohl wie ich persönlich auf das Nachdrücklichste betont.1 Ob es jedoch vom Standpunkt der Universität aus erwünscht sein würde, mit der Lehrverpflichtung an derselben für die, neu zu errichtende Professur einen Lehrauftrag für die kaufmännischen Corporationen Mannheims2 zu verbinden, muß recht fraglich erscheinen und wäre, falls wie ich hoffe[,] es zur Errichtung eines Ordinariats kommen sollte, m. E. zu verneinen. Für die schon bestehende Professur dürfte ein Zwang zur Übernahme einer solchen Lehrpflicht rechtlich nicht zulässig sein, und ich würde die freiwillige Übernahme einer solchen – auch „gegen Gehaltszulage“, nach welcher ich z. Z. keinerlei Bedürfnis empfinde – ablehnen zu müssen glauben. Denn es scheint mir dem Charakter der Universitäten und Fakultäten nicht zu entsprechen, daß ihre Mitglieder neben der akademischen Lehrpflicht, welche auf einea Hörerschaft von bestimmter Vorbildung zugeschnitten ist, noch mit Lehrverpflichtungen gegenüber ganz heterogenen Hörerschaften belastet werdenb. Insbesondre würde die Universitätsverwaltung und die Universität in die unmögliche Lage versetzt, bei Besetzung der Lehrstellen nicht lediglich das Interesse der Wissenschaft und des Universitätsunterrichts walten lassen zu sollen, sondern daneben das hiervon naturgemäß gänzlich verschiedene a  〈bestimmtes〉    b  〈und ferner es〉 1  Am 12. Mai 1897 beschloß die Philosophische Fakultät, für Emanuel Leser eine etatmäßige außerordentliche Professur für Volkswirtschaftslehre zu beantragen. Vgl. das Schreiben der Philosophischen Fakultät an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 14. Mai 1897, GLA Karlsruhe, 235/3140, Bl. 84. Als dieser Antrag scheiterte, forderte sie im Mai 1899 eine zweite ordentliche Professur. Vgl. Weber, Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur, unten, S.  599–601. 2  Gemeint sind der Kaufmännische Verein, die Handelskammer und der Börsenvorstand, die die Errichtung einer Handelshochschule in Mannheim förderten. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  594 f. mit Anm.  1.

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Bedürfnis der Mannheimer Petenten nach einem für mehr oder minder „populäre“ Vorträge geeigneten Dozenten. Auch schließt für die Ordinariate die Natur der Seminar-Thätigkeit die Notwendigkeit ein, entsprechend dem ungemein wechselnden Charakter und Umfang der starken Arbeitsbelastung, welche im volkswirtschaftlichen Fach durch sie herbeigeführt wird, gänzlich frei über die Arbeitszeit im ausschließlichen Interesse der Universität verfügen zu können. Wenn für ein etwa neu zu errichtendes Extraordinariat der letztgenannte Gesichtspunkt hinwegfallen würde, so bleiben die erstgenannten dagegen auch für eine solche Stelle bestehen, und es müßte m. E. auchc in der Combination eines solchen mit heterogenen Lehrpflichten eine Schädigung der Universitätsinteressen erblickt werden. – Ob übrigens nicht der an sich durchaus legitime und unter­ stützungswerthe Zweck der Petenten durch eine zwangsweise dAnweisung derselbend auf die jeweiligen Angehörigene der hiesigen Hochschule  als Lehrer unter Umständen ebenfalls geschädigt werden könnte, ist nicht meine Aufgabe zu erörtern. Bemerkt sei nur, daß doch unter Umständen sowohl das Arbeitsgebiet wie die Anschauungen des hiesigen Professors stark von dem abweichen könnten, was den dortigen Bedürfnissen und Wünschen entspricht, und daß deshalb die Petenten auch im eignen Interesse besser fahren würden, wenn sie – eventuell mit einem staatlichen Zuschuß – die Freiheit in der Wahl ihrer Dozenten sich wahren würden. – Ich habe im Winter v. J. die Abhaltung von 5 Vorträgen der gewünschten Art in Mannheim übernommen,3 sie in diesem Winter eingestellt, weil ich mich bei meinem noch nicht völlig beseitigten schlechten Befinden pflichtgemäß auf meine Lehrthätigkeit zu beschränken hatte, und werde bei voll wiederhergesteller Gesundheit, wie den Petenten bekannt ist, meiner Neigung für diese Artf mehr populärer Lehrthätigkeit auch künftig soweit nachgehen, als c  〈hier für〉     d­–d Lies: Anweisung von Lehrpflichten    e A: Inhaber    f  〈popu 〉 3  Max Weber hat in Mannheim unter dem Titel „Der Gang der wirthschaftlichen Entwicklung“ im Spätherbst 1897 vier Vorträge gehalten. Ein fünfter Vortrag ist nicht nachgewiesen. Am 19. November sprach er über „Die Entstehung des Privateigenthums und die agrarische Grundlage der europäischen Wirthschaft“, am 26. November über „Feudalismus und Städtewirthschaft im Mittelalter, am 3. Dezember über „Die Entwickelung der Volkswirthschaft und das Merkantilsystem“ und am 10. Dezember 1897 über „Die geschichtliche Stellung des modernen Kapitalismus“ (MWG I/4, S.  842–852).

A (2)

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Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim

dies mit meinen hiesigen Pflichten vereinbar ist. Jede Vermehrung der hiesigen Lehrstellen wird an sich die Chance der Petenten, von hier aus mit Dozenten versorgt zu werden, erhöhen. Aber eine – auch nur private – dauernde Verpflichtung zur Übernahme solcher Vorträge einzugehen würde ich, und[,] wie ich glaube[,] jeder beamtete Universitätslehrer[,] pflichtgemäß ablehnen müssen. Heidelberg 21.XII.1898 Professor Max Weber

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[Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg] [vor dem 16. Mai 1899]

Editorischer Bericht Zur Entstehung An der Universität Heidelberg wurde 1822 die staatswissenschaftliche Sektion aufgelöst. Die Eingliederung ihrer Fächer in die Philosophische Fakultät war mit einer drastischen Reduzierung ihrer ursprünglich sieben Professuren verbunden. Freiwerdende Lehrstühle wurden nicht mehr besetzt, so daß ab 1839 nur noch ein ordentlicher Professor die Nationalökonomie vertrat. Selbst in den Jahren 1865 bis 1870, als Karl Heinrich Rau und Karl Knies gleichzeitig Staatswissenschaften in Heidelberg lehrten, hatte man keinen zweiten Lehrstuhl geschaffen, sondern den bestehenden vorübergehend gewissermaßen doppelt besetzt.1 Zum Sommersemester 1897 wurde Max Weber als Nachfolger von Karl Knies auf die ordentliche Professur für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft nach Heidelberg berufen. Im Mai 1897 beantragte die Fakultät in Ergänzung dazu eine etatmäßige außerordentliche Professur. Als dieser Antrag scheiterte,2 forderte sie im Mai 1899 eine zweite ordentliche Professur. Erst als Max Weber wegen seines im Frühjahr 1898 ausgebrochenen Nervenleidens Lehrveranstaltungen absagen mußte und schließlich im Januar 1900 ein Entlassungsgesuch einreichte,3 schuf man einen zweiten Lehrstuhl, auf den Karl Rathgen zum Wintersemester 1900/01 berufen wurde. Das war die Voraussetzung dafür, daß Weber von allen Dienstgeschäften beurlaubt werden konnte. Bis dahin war er nur von der Lehre befreit. Ein Antrag Max Webers auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur lag der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg in ihrer Sitzung am 16. Mai 1899 vor. Das Protokoll vermerkt unter „Anträge zur Auf1  Hentschel, Wirtschaftswissenschaften (wie oben, S.  589, Anm.  1), S.  192–209. 2  Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät Heidelberg, oben, S.  589–591. 3  Vgl. das Schreiben Max Webers an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 7. Jan. 1900, MWG II/3, S.  711–714.

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Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur

stellung des Budgets für 1900/1901“ unter II.: „Dsgl. den Antrag auf Errichtung einer nationalökonomischen Professur und zwar in erster Linie eines Ordinariats unter Annahme der von Prof. Weber der Fachwelt vorgeschlagenen Begründung.“4

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommt der einseitige Schriftsatz von der Hand Marianne Webers, der auf einem Diktat Max Webers beruhen dürfte. Der Text enthält keine eigenhändigen Zusätze von ihm und befindet sich in den Akten der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, Universitätsarchiv Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 240 (A). Webers Urheberschaft ist durch das Sitzungsprotokoll vom 17. Mai 1899 belegt.5 Die Archivpaginierung wird als A 240 übernommen. Am oberen linken Blattrand befindet sich der handschriftliche Zusatz des Dekans Dietrich Schäfer: „Zum Bericht ans Mi­nist[e­ rium] vom16/5! D Sch.“.

4  Protokoll vom 17. Mai 1899 über die (Fakultäts-)„Sitzung am 16. Mai 1899 Nachmittags 6 Uhr“, UA Heidelberg, H-IV-102/130, Bl. 239. 5  Vgl. ebd.

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[Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg]

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Das großherzogliche Ministerium hat die Errichtung einer zweiten nat[ional]ök[onomischen] Professur im diesmaligen Voranschlag bereits zugesagt,1 und es muß das Vorhandensein einer solchen auch als unumgänglich notwendig im Interesse der Sicherstellung eines regelmäßigen vollbesetzten Turnus der Hauptvorlesungen des Fachs angesehen werden. Daß diese zweite Stelle als Ordinariat geschaffen werde[,] erscheint nicht nur im Interesse des Ansehens der Hochschule dringend erwünscht, nachdem nicht nur die andre Landesuniversität,2 sondern auch fremde kleinere Hochschulen zwei Ordinariate besitzen,3 sondern ist auch das geeignetste Mittel[,] den in erfreulichem Aufschwung begriffenen seminaristischen Unterricht weiter zu fördern. Der Umstand ferner, daß für ein Ordinariat naturgemäß wesentlich bedeutendere u. bewährtere Kräfte gewonnen werden könnten als für ein Extraordinariat[,] würde nicht nur der Hochschule selbst, sondern auch den Interessen der Mannheimer kaufmännischen Korporationen zu gute kommen, welche wie erinnerlich im Laufe des Winters im Sinn einer Vermehrung der Lehrkräfte vorstellig wurden.4

1  Eine entsprechende Zusage des Ministeriums ist nicht nachgewiesen. 2 Gemeint ist die Universität Freiburg i. Br., Lehrstuhlinhaber waren Gerhart von Schulze-Gaevernitz (bis 1923) und Carl Johannes Fuchs (bis 1908). 3  Wie etwa die Universitäten Tübingen und Straßburg. 4  Vgl. dazu Weber, Volkswirtschaftliche Vorlesungen in Mannheim, oben, S.  594–598.

A 240

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[Gutachten] betrifft: Beförderung des Herrn Dr. Kindermann (13. Juli 1899)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Gesundheitszustand Max Webers verschlechterte sich im Lauf des Jahres 1898 zusehends. Um Weihnachten kam es zu einem schweren Zusammenbruch. Er sah sich daraufhin gezwungen, sich für das Sommersemester 1899 von allen Unterrichtsverpflichtungen befreien zu lassen. Da neben Weber nur noch der apl. Professor Emanuel Leser mit vollem Deputat unterrichtete, war ohne Webers Beitrag das Lehrangebot nicht ausreichend. Dies war vermutlich der Grund, weshalb er Carl Kindermann, seit 1894 Privatdozent in Heidelberg, zur Ernennung zum „nicht-etatmäßigen apl. Professor“ vorschlug. Wie aus dem Brief an Arthur Böhtlingk vom 8. Januar 1899 hervorgeht,1 hatte er bereits früher geplant, einen solchen Antrag zu stellen, ihn aber nach Rücksprache mit seinen Fakultätskollegen wieder zurückgezogen. Nun tat er es dennoch, und die Philosophische Fakultät schloß sich seinem Antrag auf Verleihung des Professoren-Titels an Carl Kindermann an.2 Dieser wurde daraufhin am 23. August 1899 zum a. o. (Titular-)Professor ernannt.3

Zur Überlieferung und Edition Der von Weber handgeschriebene und unterschriebene Schriftsatz ist auf den 13. Juli 1899 datiert und umfaßt drei nicht paginierte Seiten. Er befindet sich im GLA Karlsruhe, 235/2164, Personalakte Carl Kindermann (A). Vom Editor wird die Paginierung A (1), A (2) und A (3) eingeführt. 1  Vgl. den Brief Max Webers an Arthur Böhtlingk vom 8. Jan. 1899, MWG II/3, S.  625– 628. Der Historiker Böhtlingk gehörte der Berufungskommission an, die an der TU Karlsruhe mit der Nachfolge Heinrich Herkners befaßt war. Carl Kindermann war dort als Kandidat im Gespräch. 2  Vgl. die Mitteilung des Dekans, Dietrich Schäfer, an den Engeren Senat der Universität Heidelberg vom 19. Juli 1899, GLA Karlsruhe, 235/2164. 3  Vgl. die Bestallungsurkunde, ebd.

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[Gutachten] Heidelberg 13.VII.99.

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An die Philosophische Fakultät hier 5

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betrifft: Beförderung des Herrn Dr Kindermann Ich beantrage, die Fakultät wolle dem Großherzoglichen Ministerium die Verleihung des Titels „Professor“ an Herrn Privatdozenten Dr Kindermann hierselbst vorschlagen. Derselbe wirkt an der Universität hierselbst seit nunmehr 10 Semestern1 und, wie die anliegenden Listen ergeben, mit äußerlich gutem, teilweise sehr gutem Erfolg;2 auch Anfragen von Studirenden ergeben, daß er gern gehört wird. Ebenso ist seine Hörerschaft an der Karlsruher Hochschule, wo er zeitweise vertretungsweise dozierte,3 eine recht beträchtliche gewesen. Ich habe mich aus seinem Vorlesungs-Grundriß4 und durch Nachfrage überzeugt, daß er seine Collegien auch mit großer Gewissenhaftigkeit vorbereitet, er hat sich auch in Form von Exkursionen u. dgl. der Studirenden mit  erfreulichem Eifer angenommen. 1  Kindermann habilitierte sich im Juli 1894 an der Universität Heidelberg und lehrte dort seit dem WS 1894/95 als Privatdozent (UA Heidelberg, PA 1826, Carl Kindermann). 2  Beigefügt war eine von der Universitätskasse und der akademischen Quästur am 12. Juli 1899 unterzeichnete Liste über die Hörerzahlen von Carl Kindermanns Vorlesungen seit 1894/95 bis zum laufenden SS 1899. Derzufolge hielt Kindermann sowohl Hauptvorlesungen als auch Spezialvorlesungen. Im WS las er in der Regel vier- bis fünfstündig „Praktische Nationalökonomie“ oder „Finanzwissenschaft“, im SS ein- bis zweistündig „Agrarpolitik“ oder „Arbeiterfrage“. Die zuletzt gehaltene Vorlesung zur Finanzwissenschaft im WS 1898/99 war mit 25 Hörern gut, die Spezialvorlesung zur Arbeiterfrage im laufenden SS 1899 mit 69 Hörern sehr gut besucht (Nachweisung über die Zahl der Zuhörer in den Vorlesungen und Übungen des Privatdozenten Dr. Kindermann, GLA Karlsruhe, 235/2164; vgl. auch die Quästurakte Carl Kindermann, UA Heidelberg, Rep.  27–560). 3  Zwischen dem Weggang Heinrich Herkners nach Zürich 1898 und der Berufung von Walter Troeltsch zu Herkners Nachfolger 1899 lehrte Carl Kindermann im SS 1898 und im WS 1898/99 zusätzlich an der TH Karlsruhe Nationalökonomie. 4  Ein solcher Vorlesungs-Grundriß ist nicht veröffentlicht worden.

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Gutachten betrifft: Beförderung des Herrn Dr. Kindermann

Was seine wissenschaftlichen Arbeiten anlangt, so halte ich den auf der Grundlage nicht ganz klar durchdachter Herbert Spen­ cer’scher Ideen ruhenden allgemeinen Teil seiner Schrift „Zur organischen Güterverteilung“ meinerseits für entschieden verfehlt,5 die Terminologie für nicht brauchbar, und es verrathen manche andere Partien etwas stark den Amtsdirektor,6 so daß dieselbe zur Qualifizierung Kindermanns für eine etatsmäßige Stelle wohl nicht ausreichen würde. Anderseits aber ist das Material gut und mit Fleiß und Sorgfalt, auch nicht ohne Methode gesammelt und gegliedert, auch nicht uninteressant, – und dürfte somit aus der Qualität dieser Arbeiten jedenfalls ein Grund gegen die Charakterisierung7 Kindermanns nach so langjähriger Lehrthätigkeit nicht zu entnehmen sein. Positiv für den gestellten Antrag aber spricht m. E. in  entscheidender Weise, daß die Hochschule, die einer zweiten etatsmäßigen Stelle noch entbehrt,8 ihm für die durch wiederholte Übernahme großer Hauptvorlesungen und deren gute Durchführung geleisteten Dienste unzweifelhaft verpflichtet ist, und zwar in erheblichem Maße.9 Professor Max Weber

5  Gemeint ist: Kindermann, Güterverteilung, S. 1–129. Max Weber hatte sich bereits in seinem Brief an Arthur Böhtlingk vom 8. Januar 1899 negativ zu Kindermanns Schriften geäußert und dadurch dessen Berufung auf den Lehrstuhl Heinrich Herkners mit verhindert (MWG II/3, S.  627). 6  Carl Kindermann hatte ursprünglich eine praktische juristische Laufbahn einschlagen wollen und war von 1885 bis 1888 an verschiedenen Gerichten tätig (UA Heidelberg, PA 1826, Carl Kindermann). 7 Gemeint ist die Verleihung des akademischen Titels eines a. o. Professors, ohne etatmäßige Besoldung. 8  Die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg beantragte bereits im Mai 1897 eine etatmäßige a. o. Professur für Nationalökonomie. Als dieser Antrag scheiterte, forderte sie im Mai 1899 eine zweite ordentliche Professur. Vgl. Weber, Ein Extraordinariat an der Philosophischen Fakultät Heidelberg, oben, S.  589–593, und ders., Antrag auf Errichtung einer zweiten nationalökonomischen Professur, oben, S.  599– 601. 9 Kindermann hatte mehrfach die Hauptvorlesung übernommen, die zum Deputat Webers gehörte.

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[Gutachten für die Juristische Fakultät der Universität Wien] [2. April 1918]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Nach dem Tod von Eugen von Philippovich am 4. Juni 1917 und der Ernennung des Hofrates Freiherr Friedrich von Wieser zum österreichisch-ungarischen Handelsminister waren die beiden Lehrstühle für politische Ökonomie an der Universität Wien verwaist. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät schlug am 28. September 1917 Max Weber unico loco als Nachfolger von Eugen von Philippovich vor.1 Weber verhandelte daraufhin mit der österreichischen Unterrichtsverwaltung und zeigte sich in einem Schreiben vom 31. Oktober 1917 bereit, bei Gewährung eines Rücktrittsrechts bis Ende Juni 1918 dem Ruf zu folgen.2 Diesem Wunsch wurde entsprochen und Weber zum Sommersemester 1918 als „Dozent mit Lehrauftrag zur Abhaltung eines zweistündigen Kollegs über ‚Wirtschaft und Gesellschaft‘“ vorläufig berufen.3 Nach Ablauf dieses Semesters sollte er sich entscheiden und gegebenenfalls endgültig berufen werden.4 Für den anderen nationalökonomischen Lehrstuhl erstellte der Besetzungsausschuß der Fakultät in seiner Sitzung am 22. März 1918 einen Berufungsvorschlag mit Ladislaus von Bortkiewicz an erster und Karl Diehl sowie Arthur Spiethoff pari passu an zweiter Stelle.5 Der Dekan der juridischen Fakultät, Carl Grünberg, bat daraufhin Max Weber, sich über die vorgeschlagenen Professoren gutachtlich zu äußern.6 Dieser kam der Bitte nach, hielt sich allerdings nicht an die Vorgabe, sondern schrieb ein vergleichendes Gutachten, das weit mehr Namen als die vorgeschlagenen umfaßte. Es lag zur Sitzung

1  Vgl. Ehrle, Franz-Josef, Max Weber in Wien. – Diss. phil. Freiburg i. Br. 1991, S.  21 f. (hinfort: Ehrle, Wien). 2  Ebd., S.  28. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  615. 3  Ehrle, Wien (wie Anm.  1), S.  30 f. 4  Ebd., S.  34. 5  Ebd., S.  38. 6  Vgl. Brief des k.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht an das Juridische Dekanat vom 17. Mai 1918, AVA Wien, Fasc. 742, 4 C/1, zu Vorgang Nr.  19226 und 200461.

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Gutachten für die Juristische Fakultät der Universität Wien

des Besetzungsausschusses am 10. April 1918 vor.7 Weber nahm an dieser Sitzung als Sachverständiger teil. Das Ergebnis: Bortkiewicz wurde unico loco vorgeschlagen.8

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt die siebenseitige maschinenschriftliche Durchschrift, die sich im Österreichischen Staatsarchiv, AVA, Unterricht-Allg., Ktn. 790, Zl. 27314/1918, befindet (B). Der Schriftsatz ist ohne Unterschrift und Datum. Carl Grünberg datierte ihn in seinem Kommissionsbericht auf den 2. April 1918.9 Er enthält nur eine handschriftliche Korrektur, die aber nicht eindeutig der Hand Max Webers zuzuordnen ist. Auf die maschinenschriftliche Überschrift „Gutachten“ folgt „Professor Webers“ (geschrieben von dritter Hand), was die Autorschaft Max Webers sichert. Am oberen linken und rechten Rand finden sich weitere Zusätze von dritter Hand: „z.Zl. 310 aus 1918“ und „ad 27314“ sowie „18“. Weiterhin ist eine siebenseitige maschinenschriftliche Durchschrift im GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr.  30, Bd. 13, Bl. 27–33, überliefert (A). Dieser Schriftsatz enthält Verbesserungen von Max Webers Hand (A1). Sie deuten darauf hin, daß das maschinenschriftliche Original auf einem Diktat beruht. Auch dieser Schriftsatz enthält keine Unterschrift und kein Datum. Unterhalb der maschinenschriftlichen Überschrift „Gutachten“ findet sich der Zusatz „an die Wiener Fakultät“ von Marianne Webers Hand. Offenbar hat dieser Schriftsatz als Vorlage für die in Wien überlieferte Fassung B gedient, da die handschriftlichen Korrekturen Webers berücksichtigt sind. Allerdings gibt es in B auch einige Zusätze, die in der Korrekturschicht A1 nicht enthalten sind, was auf eine weitere, nicht überlieferte Fassung schließen läßt. Zum Abdruck gelangt die Fassung B, die als Fassung letzter Hand anzusehen ist. Die Abweichungen der Fassungen A und A1 werden textkritisch annotiert. Die beiden Durchschriften sind maschinenschriftlich von Seite 2–7 paginiert, die Edition gibt dies als A, A1 2 bzw. B 2 usw. wieder und ergänzt die fehlende Paginierung der ersten Seite als A, A1 (1) bzw. B (1). Stillschweigend korrigiert werden Tippfehler, wie „wol“ statt „wohl“ oder „Einzelazsarbeitungen“ statt „Einzelausarbeitungen“. Sofortkorrekturen werden nicht nach-

7  Vgl. Brief des k.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht an das Juridische Dekanat vom 17. Mai 1918, AVA Wien, Fasc. 742, 4 C/1, zu Vorgang Nr.  19226 und 200461, sowie Ehrle, Wien (wie oben, S.  605, Anm.  1), S.  38. 8  Ebd., S.  38, Anm.  57. 9  Vgl. Kommissionsbericht von Carl Grünberg vom 10. April 1918, ÖStA, AVA, Unterricht-Allg., Ktn. 790, Zl. 27314/1918.

Editorischer Bericht

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gewiesen. Gesperrtes und Unterstrichenes wird in Kursivdruck wiedergegeben. Die Hervorhebung von Familiennamen in Fassung B durch Kapitälchen wird nicht übernommen.

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Gutachten. Über die von der Kommission in Aussicht genommene Liste befragt, gestatte ich mir folgende Bemerkungena: 1. Es ist unbedingte Pflicht auszusprechen, daß sich die Fakultät durch Übergehungb des bedeutendsten theoretischen und, wie ich aus allen Berichten von Studierenden entnehmen muß, auch des hervorragendsten Lehrtalents: Josef Schumpeter, cschwer schädigenc würde. Sollten dafür die d„englischen Beziehungen“d des Genannten1 maßgebend sein, so würde diese Berücksichtigung einer vergänglichen politischen Konstellation künftig bedauert werden. Ich gehöre nicht der gleichen Schule an wie Schumpeter. Aber es ist durchaus kein Zufall, daß gerade enach österreichischem Urteil praktisch besonders tüchtige österreichische Ministerialbeamtee die strenge formale Zucht dieser Schulung des Denkens durchgemacht haben.2 Die vermeintlich weltfremde Theorie hat eben, und zwar fim gesteigertenf Maße, ganz die gleiche Bedeutung wie die vermeintlich g„unpraktische“g humanistische Schule. Wir haben in Deutschland mith den nichti wirklich streng theoretisch geschulten Beamten auch im Kriege schlechte Erfahrungen gemacht. Es pflegt ihnen den Tatsachen gegenüber Distanz und Überblick und vor allem:j die Schärfe des rücksichtslosenk Durchdenkens zu fehlen. 2. An anderen bedeutendenl theoretisch geschulten Köpfen stehen, wenn Eulenburg, Liefmann und Landmann ausscheiden sollen,3 zurm Verfügung und wären für Wien zu gewinnen: v. Bort-

a A: Bemerkung  b A, A1, B: Übergebung  c–c Hervorhebung fehlt in A, A1.   d–d Anführungszeichen fehlen in A, A1.  e–e A: praktisch besonders tüchtige österreichische Ministerialbeamte nach österreichischem Urteil    f–f  A, A1: in gesteigertem  g–g  Anführungszeichen fehlen in A, A1.  h  Fehlt in B.   i Hervorhebung fehlt in A, A1.  j Doppelpunkt fehlt in A, A1.  k A, A1: rücksichtlosen   l A: bedeutend  m  A, A1: zu 1  Joseph Schumpeter studierte von 1906 bis 1907 an der London School of Economics, beherrschte die englische Sprache fließend und heiratete 1907 die Engländerin Gladys Ricarde Seaver. 2  Gemeint ist die formal-theoretisch orientierte österreichische Grenznutzenschule. 3  Gemeint ist Franz Eulenburg, Robert Liefmann und Julius Landmann, die jüdischer Herkunft waren.

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Gutachten für die Juristische Fakultät der Universität Wien

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kiewicz, Johann Plenge, Othmar Spann, Diehl, v. Zwiedineck n, A[ndreas] Voigtn. v. Bortkiewicz ist, neben dem Russen Tschuprow, der vorzüglichste lebende Theoretiker und Methodiker der Statistiko und auch einer der am schärfsten denkenden Nationalökonomen, in beiden Hinsichten Schüler von Lexis. In Deutschland hat lediglich der Umstand, daß er aus Petersburg gebürtig ist, seine Zurückstellung gegenüber  gebürtigen Deutschen verschuldet. Als Theoretiker ist Schumpeter ihm ebenbürtig, als Lehrtemperament unzweifelhaft überlegen. Mit diesem Vorbehalt muß sein Vorschlag, pvorausgesetzt, daß er aussichtsreich istp, Beifall finden.  Plenge ist ein offenbar ungewöhnlich temperamentvoller und begabter, im Seminarbetrieb vorzüglich durch Bücher geschulter Lehrer.4 Durch seine Schrift über q„Marx und Hegel“q 5 ist er als philosophisch geschulter Denker, durch seine glänzende Arbeit über Amerika (in Brauns Annalen)6 und durch die bank- und geldtheoretischen Bestandteile seines r(vielleicht etwas zu umfangreichen)r Bankbuchs7 als einer der besten konstruktiven Analytikers der hochkapitalistischen tWirtschaft, durcht seine Theorie der Entwicklungsstufen8 als konstruktiver Sozialhistoriker von ungewöhnlicher Begabung legitimiert. Namentlich aber für die wirtschafts­ organisatorischen Zukunftsprobleme und Aufgaben bietet er Anregungen und Gesichtspunkte (vorläufig nur diese,u noch keinev Einzelausarbeitungen),w wie kaum irgend ein anderer. Sein subjektivx nach langjähriger Ausbeutung begreiflicher, aber überscharfer,y

n–n  Fehlt in A, A1.  o  Hervorhebung fehlt in A, A1.  p–p  Hervorhebung fehlt in A, A1.  q–q Anführungszeichen fehlen in A, A1.  r–r Klammern fehlen in A, A1.   s  A, A1, B: Annalytiker  t A: Wirtschaft. Durch   u  A, A1, B: diese)  v  In B folgt: noch keine    w  Komma fehlt in A.   x B: sub[?]ektiv > subjektiv  y Komma fehlt in A. 4  Johann Plenge studierte bei Karl Bücher in Leipzig Nationalökonomie und promovierte 1898 bei ihm über das Thema: „Westerwälder Hausierer und Landgänger“. 5  Plenge, Marx und Hegel. 6  Plenge, Zukunft in Amerika. 7  Plenge, Crédit Mobilier. 8 Plenge, Wirtschaftsstufen; vgl. auch ders. und Bücher, Karl, Zum Prioritätsstreit über die Theorie der Wirtschaftsstufen. Eine Auseinandersetzung zwischen Karl Bücher und Johann Plenge, in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, Sonderdruck aus 5.  Band, 1. und 2. Heft. – Berlin: Springer 1917, S.  248–262.

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Angriff gegen seinen Lehrer Bücher9 hat ihm in Deutschland Antipathie zugezogen, und auchz ich meinerseits werde mich wohl gegen heftige Angriffe von ihm zu wehren haben.10 Aber er gehört unbedingt mit in die erste Reihe der Jüngeren und seine Übergehung zugunsten weit Unbedeutenderera wäre kaum zu begründen. Denn daß er infolge seiner Beziehungen zur deutschen Großindustrie b„annexionistisch“b gestimmt ist,11 also vielleicht unter der Augenblickskonstellation einen in Österreich nicht sehr beliebten Standpunkt vertritt, – was mir anfänglich Bedenken erregte, – kann bei ceiner solchen langec nachwirkenden Entscheidung unmöglich ins Gewicht fallen. Diehld ist als Mensch und Charakter etadellos, vore allem eine ritterliche Natur, dabei ein sehr gewissenhafter ernster und fruchtbarer Arbeiter mit wertvollen eigenen Gedanken und von  umfassendemf Wissen. Geschädigt werden seine Leistungen in ihrem Werte lediglichg dadurch, daß er sich von Stammlers Dialektik hat beeindrucken lassen und infolgedessen juristische und ökonomische Begriffsbildungh nicht immer hinlänglich scharf scheidet.12 Das tritt gelegentlich auch bei praktischen Fragen hervor. Aber die große Unbestechlichkeit und Nüchternheit seines stets maßvollen und charaktervollen praktischen Urteils mußi auch bei Abweichung des Standpunkts immer Eindruck machen.  Spannj ist nicht nur ein vortrefflicher Charakter und eine ungewöhnlich lebendige Persönlichkeit, sondern vor allem ein sehr ernst und leidenschaftlich strebender Forscher von reichen eigenen z  Fehlt in A.   a  A, A1: unbedeutenderer  b–b  Anführungszeichen fehlen in A.   c A: eine lang   d  In A1 hervorgehoben.   e A: tadellos. Vor   f B: umfassenden  g A, A1: gelegentlich  h A: Begriffsbildungen  i A, A1: mußte  j In A1 hervorgehoben. 9  Mit Karl Bücher verband Johann Plenge bis 1912 eine enge Freundschaft. Als Plenge Bücher des Plagiats bezichtigte, kam es zu einem öffentlich ausgetragenen Streit. Vgl. Schildt, Axel, Ein konservativer Prophet moderner nationaler Integration, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 35, Heft 4, 1987, S.  523–570, hier S.  531 (hinfort: Schildt, Plenge). 10  Worauf Weber hier anspielt, ließ sich nicht ermitteln. 11  Plenge plädierte 1917 für einen Dreibund Deutschland-England-Rußland. Dabei sprach er Deutschland, das seiner Ansicht nach die Erzlagerstätten in Belgien und Nordfrankreich annektieren sollte, eine führende Rolle zu. Vgl. Schildt, Plenge (wie oben, Anm.  9), S.  547. 12  Vgl. Weber, Max, R. Stammlers „Überwindung“ der materialistischen Geschichtsauffassung, in: AfSSp, 24.  Band, Heft 1, 1907, S.  94–151, hier S.  103–107 (MWG I/7).

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Ideen, soziologisch konstruktiv denkend, philosophisch geschult und weitgehend originell. Ich weiche von seinen Ansichten sehr oft stark ab, doch darf man sich Bedeutendesk von ihm versprechen, und ich glaube, daß man ihnl Diehl mindestens gleichordnen muß. Zum Unrecht etwas unterschätzt wird v. Zwiedineck, der aus einer ganzen Reihe zufälliger Gründe wiederholt um eine Berufung kam und kürzlich in Leipzig vorgeschlagen war. Da ich höre, daß für ihn gar keine Stimmung sein soll, unterlasse ich mit Bedauern ein näheres Eingehen, bemerke aber, daßn ich viele seiner Arbeiten sehr hoch schätzen muß. Gerade angesichts der zwischen uns bestehenden scharfen sozialpolitischen Gegnerschaft13 möchte ich schließlich nicht unterlassen, auch Andreas Voigto (Frankfurt) zu nennen, dessen Leistungen (noch neuerdings in p„Recht und Wirtschaft“p)14 überaus achtbare sind. Als Lehrtemperamente stehen die beiden Genannten vielleicht nicht ganz auf der Höhe von Schumpeter, Plenge u. a. Von den österreichischen jüngeren Gelehrten schätze ich persönlich Amonnq und rv. Misesr ganz besonders hoch, doch scheint es, daß man dort nicht beabsichtigt, sie jetzt mitzuberücksichtigen s, obwohl sie z. B. Spiethoff weit überlegen sinds.  Eine Liste, nach der tTüchtigkeit der theoretischen Schulungt und unter Berücksichtigung der Lehrbegabungu aufgestellt, würde jedenfalls 1. vSchumpeter 2. Plenge und Bortkiewicz 3. Spann und Diehlv umfassen.

k  A, A1: bedeutendes  l  A, A1, B: ihm  m  In A, A1 geht voraus: 3.    n  A, A1: das  o A: Vogt  p–p  Anführungszeichen fehlen in A, B.   q  In A1 hervorgehoben.  r  In A1 hervorgehoben.   s–s  Fehlt in A; A1: obwohl sie z. B. Prof. Spiethoff weit überlegen sind   t  Hervorhebung fehlt in A, A1.  u  Hervorhebung fehlt in A, A1.  v–v  Hervorhebungen fehlen in A, A1. 13  Andreas Voigt war Gegner der sog. „Kathedersozialisten“ im Verein für Socialpolitik und als solcher einer der Hauptautoren (und ab 1918 Mitherausgeber) der streng anti-kathedersozialistischen „Zeitschrift für Sozialwissenschaft“. 14  Voigt, Andreas, Wirtschaft und Recht, in: Verhandlungen DGS 1910, S.  249–265, zu dem sich Max Weber auch geäußert hatte (ebd., S.  265–270; MWG I/12). Ein späterer Beitrag Voigts zu diesem Thema ist nicht nachgewiesen.

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3.w Die von der Kommission vorgelegte Liste15 ist, falls die Regierung Bortkiewicz als gebürtigen Petersburger außer Betracht lassen sollte, xtatsächlich ein Einzelvorschlag von Prof. Spiethoffx. Ich muß daher auf diesen Vorschlag näher eingehen.  Dabei habe ich ganz bestimmten Anlaß[,] unzweideutig und nachdrücklich zu bemerken: Der Umstand, daß michy von Prof. Spiethoff Vorkommnisse, die er durch eine gewissez a„Schwäche“a verschuldet hat, über die ich mich öffentlich noch vor kurzemb rücksichtslos aussprechen mußte,c16 und die von seiner Seite irreparabel sind, dauernd persönlich trennen werden, hat selbstverständlich vollkommen auszuscheiden. Dadurch würde eine gedeihliche beiderseitige sachliche Arbeit im Dienst der Hochschule natürlich nicht im Geringstend gehindert. Ich habe mit Herren, die mir ganz fern standen und denen nicht seine trätablee und gefällige Art eignete, als Fachkollegen jahrelang reibungslos gearbeitet.17 Es handelt sich vielmehr um seine rein sachliche Eignung im Verhältnis zu den anderen Vorzuschlagenden und noch in Betracht Kommenden. In dieser Hinsicht ist folgendes zu sagen: Seine vor 15 Jahren angekündigten großen Arbeiten, deren wenigstens bruchstückweise Fortsetzung erst jetzt in Aussicht zu stehen scheint, schienen nach dem damaligenf Stande der Forschung Erheblichesg zu versprechen. Seine seitherigen allerdings an sich wissenschaftlich nicht bedeutenden Leistungen sind korrekt gearbeitet und brauchbar. In einem praktischen Seminar würde er kraft seiner Schulung als Schmollers Assistent den Studenten voraussichtlich gute Kenntnisse  übermitteln. Anderseits wird er, wie ich annehme, w A, A1: 4.  x Hervorhebung fehlt in A, A1.  y Hervorhebung fehlt in A, A1.   z B: gewissen  a–a Anführungszeichen fehlen in A, A1.  b A, A1: kurze,  c  Komma fehlt in A, A1.  d  A, A1: geringsten  e A: tratable  f Hervorhebung fehlt in A.   g B: erhebliches 15  Vgl. dazu den Editorischer Bericht, oben, S.  605–607. 16  Weber bezieht sich hier auf Spiethoffs Rolle als Gutachter der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Sachen Paul Sander contra Arthur Salz/Max Weber. Vgl. Brief Max Webers an Edgar Jaffé vom 15. Juli 1914, MWG II/8, S.  767, sowie Max Webers Beiträge zur Kontroverse in diesem Band: Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442; ders., Erklärung zu Paul Sander, oben, S.  443–446; ders., Erklärung zur Affäre Salz-Sander, oben, S.  447–449; ders., Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, oben, S.  450–493; ders., Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatwissenschaftlichen Fakultät, oben, S.  494–498. 17  Ein unmittelbarer Fachkollege war in Freiburg Gerhart v. Schulze-Gaevernitz, in Heidelberg Karl Rathgen. Über Webers Distanzierung von diesen ist nichts bekannt.

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selbst nichth in Anspruch nehmen, an Originalität des Denkens mit einem der oben genannteni fünf Gelehrten Gleichwertiges bereits vorgelegt zu haben. Jedenfalls müßte ich dies auf das Allerbestimmteste in Abrede stellen. Dagegen nehme ich an, daß von ihm eine Betätigung in praktischenj Aufgaben namentlich finanzpolitischer Art erwartet werden kann und erwartet wird, wie ich sie meinerseits für jetzt, wo ich neu nach Österreich komme, ablehnen zu müssen geglaubt habe (zumal meine persönlichen ziemlich prononciertenk Ansichten in Betreff der Vermögensabgabe18 dort parlamentarisch schwerlich durchführbar sein dürften). Hierl liegt, wie ich vermute, der Schwerpunkt des Interesses an seinem Vorschlag, und es muß daher darauf etwas näher eingegangen werden.  Die österreichische Regierung verfügt über handelspolitisch und finanzwissenschaftlich so gut geschulte Beamte, wie sie in Deutschlandm meines Wissens keinem Minister zur Verfügung stehen. Ein eigentlicher Bedarf nach n„Beratung“n besteht also schwerlich. Vielmehr handelt es sich um jeneno an sich durchaus begreiflichen und keineswegs illegitimen Bedarf nach Propaganda oder,p wenn man will:q nach Reklamer für die eigenen Absichten, aus dem heraus auch die preußische Regierung neuerdings an den Universitäten Persönlichkeiten ins Ordinariate einzuschieben pflegt, welche richtiger in die Büros der Ministerien gehörten (so in Berlin, Kiel, Königsberg, Breslau). Der politische t„Einfluß“t, den die Lehrkörper dadurch zu erlangen sich schmeicheln[,] ist weitgehend illusionär. Selbst eine Persönlichkeit von dem Eigengewicht Schmollers, des in Deutschland ohne Vergleich glänzendsten Repräsentanten des Typus, der doch zugleichu ein bedeutender Gelehrter war, hat h  Hervorhebung fehlt in A, A1.  i  A, A1: Genannten  j  Hervorhebung fehlt in A, A1.  k  A, A1: prononzierten  l  Hervorhebung fehlt in A, A1.  m  In A, A1 folgt: leider  n–n Anführungszeichen fehlen in A, A1.  o A, A1: jene  p Komma fehlt in A, A1.  q  Doppelpunkt fehlt in A, A1.  r  Hervorhebung fehlt in A, A1.  s B: im  t–t  Anführungszeichen fehlen in A, A1.  u  Hervorhebung fehlt in A, A1. 18  In seiner Rede „Das neue Deutschland“ am 5. Dezember 1918 in Wiesbaden hielt Max Weber eine „gewaltige Vermögenssteuer oder, was auf dieselbe Wirkung hinausläuft, eine Vermögensabgabe“ für unvermeidlich zur Tilgung der durch den Krieg angewachsenen Schulden (MWG I/16, S.  388–395, Zitat: S.  394). Über eine solche Abgabe wurde auch schon während des Krieges sowohl im Deutschen Reich als auch in Österreich-Ungarn diskutiert. Weber sah bereits 1916 eine solche Vermögenssteuer kommen und war zu einem persönlichen Opfer bereit. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  584.

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in jener v„beratenden“v Funktion wesentlich die Fähigkeit entwickelt, stets rechtzeitig zu wissen, was die Ministerien jeweils ver­ treten zu sehen wünschen[,] und dies dann als w„Ergebnis der Wissenschaft“w zu verkünden. Als Gegengabe  besaß er eine weitgehende Patronage für die akademische Stellenbesetzung, und dieserx Einfluß bildete die Grundlage seines Prestiges. Ähnliches pflegen die Fakultäten auch an yjenen „praktischen“ Nationalökonomeny zu schätzen, welche zheute bei unsz ähnliche a„beratende“a Funktionen versehen. Dem verstorbenen v. Philippovich wahrte seine wissenschaftliche theoretische Schulung b(und wohl auch die politischen Verhältnisse in Österreich)b eine meinem Eindruck nach weitc größere innere Unabhängigkeit den jeweiligen Tagesinteressen der Regierung gegenüber, als Schmoller sie besaß. Die Fakultäten pflegen nun neuerdings bei uns, aus dem erwähnten Vorstellungskreise heraus, d– in der Meinung also, dadurch Einfluß und Macht zu erlangen, –d nicht ungern neben einem e„wis­sen­schaft­ lichen“e auch einen solchen sogen. f„Geschäftsprofessor“,f wie jene Epigonen ihn darstellen, in ihrerg Mitte zu sehen. Es mag sein, daß sie damit h„zeitgemäß“h[,] und es mag dahingestellt bleiben, inwieweit sie damit klug handeln. Stolzer iund akademischeri würden sie jedenfalls handeln, wenn sie nur nach der wissenschaftlichen Qualifikation fragen  und auchj bedenken würden:k daß auch den staatlichen Interessen am besten gedient ist, wenn jene kritische Mitarbeit an der Wirtschaftspolitik, zu welcher akademische Gelehrte sich eignen, in den Händen innerlich ganz ungebundener und das heißt: prinzipiell nur an wissenschaftlichenl Aufgaben sich orientierender und ihnen hingegebener akademischer Persönlichkeiten liegt. Ich kenne nun die österreichischen Verhältnisse nichtm genügend, um übersehen zu können, inwieweit für dort eine ähnliche Entwicklung sich anbahnt. Jedenfalls besitzt Prof. Spiethoff unzweiv–v  Anführungszeichen fehlen in A, A1.  w–w  Anführungszeichen fehlen in A, A1.   x Hervorhebung fehlt in A, A1.  y A: den jettigen Epigonen    z Fehlt in A, A1.  a–a Anführungszeichen fehlen in A, A1.  b–b Klammern fehlen in A, A1.  c Hervorhebung fehlt in A, A1.  d–d Gedankenstriche und Hervorhebung fehlen in A, A1.  e–e Anführungszeichen fehlen in A, A1.  f–f Anführungszeichen und Komma fehlen in A, A1.    g  A, A1: ihre  h–h  Anführungszeichen fehlen in A, A1.  i  Fehlt in A; A1: und akademisch   j  Fehlt in A, A1.  k  A, A1: würden,  l  Hervorhebung fehlt in A, A1.  m  A, A1: nicht,  

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felhaft nichtn dasjenige Maß von Eigengewicht, wie Schmoller und Philippovich, um es beratend in die Wagschale werfen zu können, und es ist mir fraglich, ob er es je besitzen wird. Dagegen wäre er im übrigen ein durchaus brauchbarer Vertreter desjenigen Typus von Universitätslehrern, welcher jenen rein praktisch-politischeno Bedürfnissen der Regierung entsprechen würde. Die Unterrichtsverwaltung und die Fakultät pmüssen also wählenp. Daß jeder unabhängige Gelehrte es vorzieht, nur mit Kollegenq von erstklassigemr wissenschaftlichen Rang als Lehrer zusammenzuwirken[,] und jene Bedürfnisse als außerakademisch und heterogen ablehnts, wird nicht als unberechtigt empfunden werden dürfen. 4.t Ich möchte nicht unterlassen[,] darauf hinzuweisen, daß auch andere uältere und bewährteu Gelehrte in Betracht kommen können. Es handelt sich wesentlich um folgende drei: Prof. v. Schulze-Gaevernitzv hat nach seinen allbekannten großen früheren Arbeiten über England und Rußland in jüngster Zeit das Buch über Bankwesen publiziert,19 welches jedenfalls pädagogisch erheblichen Wert hat, mag man sich sonst dazu stellen wie immer. Er beeinflußt die Studenten sehr intensiv, ich habe ihn in Freiburg als Kollegenw sehr hoch einschätzen gelernt. Prof. Lotz soll in Wien einen schwachen Vortrag gehalten haben, was mich bei seiner inneren Stellung zum Thema nicht besonders wundert. Er lehnt sehr bescheiden die Prätentionx, ein origineller Denker zu sein, ab, isty als Lehrer und Finanzsystematiker zweifellos erstklassig. Für zProf. v. Gottl-Ottlilienfeldz, der jetzt sehr stark kriegswirtschaftlich orientiert, aber auch philosophisch sehr gut geschult ist, verweise ich auf die vorzügliche Arbeit über Technika (Grundriß

n  Hervorhebung fehlt in A, A1.  o A: praktischen    p  Hervorhebung fehlt in A, A1.  q A, A1: Collegen  r B: erstklassigen  s Hervorhebung fehlt in A, A1.   t A, A1: 5.  u Hervorhebung fehlt in A, A1.  v A, A1, B: Schultze-Gaevernitz  w  A, A1: Collegen  x B: Prätension  y  In A, A1 folgt: aber  z  A, A1: v. Gottl und Lilienfeld   a  A, A1, B: Technik, 19  Schulze-Gaevernitz, Gerhart von, Britischer Imperialismus und englischer Freihandel zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts. – Leipzig: Duncker & Humblot 1906; ders., Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland. – Leipzig: Duncker & Humblot 1899; ders. und Jaffé, Edgar, Bankwesen, in: Grundriß der Sozialökonomik, Abt. V, 2. Teil. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915.

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der Sozialwissenschaft),b 20 die bisher in fast lächerlicher Weise unverstanden geblieben ist. Die beiden Erstgenannten sind sehr cwahrscheinlich, derc zuletzt Genannte sicher zu gewinnen, alle drei aus rein zufälligen Augenblickskonstellationen heraus. Alled drei sind ohne allen Zweifel Prof. Spiethoff weit überlegene, so gern ich glaube, daß von diesem noch Vieles zu erwarten sein mag.

b  Komma fehlt in A, A1.  c  A, A1: wahrscheinlich. Der   d B: Aller  e Hervorhebung fehlt in A, A1. 20  Gemeint ist: Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Technik, erschienen im Grundriß der Sozialökonomik.

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[Zur Angelegenheit Dr. Salz] [Redebeiträge auf der Sitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München am 3. Juli 1919]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In seiner ersten Fakultätssitzung als ordentlicher Professor und Mitglied des engeren Fakultätsrates in München äußerte sich Weber auf der Sitzung am 3. Juli 1919 zu Punkt 2 der Tagesordnung „Angelegenheit Dr. Salz“. Von Arthur Salz lag seit dem 7. Dezember 1918 ein Antrag auf Aufnahme als Privatdozent in die Münchener Staatswirtschaftliche Fakultät vor. Arthur Salz wurde 1903 von Lujo Brentano in München promoviert, ging dann zu Alfred Weber nach Prag, mit dem er nach Heidelberg wechselte, um sich dort im Fach Nationalökonomie zu habilitieren.1 Die Habilitation erfolgte am 8. Mai 1909, und im Juni 1918 wurde er, noch während seines Kriegsdienstes, zum außerordentlichen Professor der Universität Heidelberg ernannt. Nach dem Krieg wollte er sich in München niederlassen und betrieb seine Umhabilitation an die dortige Staatswirtschaftliche Fakultät.2 Sein Gesuch wurde vom Dekan Karl Escherich am 19. Dezember 1918 befürwortet und an den Senat weitergeleitet mit der Bitte, dem Gesuch bald zu entsprechen, damit sich Salz an der Abhaltung von Wirtschaftskursen im Kriegsnotsemester 1918/19 beteiligen könne.3 Dem Gesuch lag eine Empfehlung Lujo Brentanos bei.4 Der Senat gab den Antrag an die Staatswirtschaftliche Fakultät zurück mit dem Hinweis, zunächst müßte den Bestimmungen der Habilita­ tions­ordnung genügt werden, die eine öffentliche Probevorlesung vorsahen.5 1  Vgl. Jaffé, Else, Biographische Daten Alfred Webers (1868–1919), in: Alfred Weber als Politiker und Gelehrter, hg. von Eberhard Demm. – Stuttgart: Franz Steiner 1986, S.  190, 192 f. 2  Schreiben von Arthur Salz an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München vom 3. Dez. 1918, UA München, Sen-II-528. 3  Schreiben der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München an den Senat der Universität München vom 19. Dez. 1918, ebd. 4 Ebd. 5 Schreiben des Rektors Clemens Baeumker an die Staatswirtschaftliche Fakultät vom 4. Jan. 1918, ebd. Der Habilitationsordnung der Universität München zufolge hatte Salz als Schüler von Lujo Brentano alle Bedingungen für eine Umhabilitation erfüllt (ebd.).

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Zur Angelegenheit Dr. Salz

Diese fand dann auch am 2. April 1919 zu dem von Salz gewählten Thema „Türkisches Lehnswesen“ statt und fiel zur Zufriedenheit der Staatswirtschaftlichen Fakultät aus. Diese beantragte daraufhin erneut, Salz als Privatdozent zuzulassen, und bat den Senat, um die Verleihung des Titels eines a. o. Professors beim Ministerium nachzusuchen.6 Salz, der seine Sache auf gutem Wege sah, stellte am 27. März 1919 bei der Universität Heidelberg einen Antrag auf Entlassung.7 Die Dinge nahmen jedoch in München einen unerwarteten Verlauf. Die Sache wurde zur erneuten Prüfung an die Fakultät zurückgegeben, „da inzwischen weitere Ereignisse eingetreten“ seien.8 Arthur Salz war am 14. Mai 1919 verhaftet und am 25. Mai wegen Beihilfe zum Hochverrat angeklagt worden.9 Er hatte dem ihm aus Heidelberger Universitätszeiten bekannten kommunistischen Agitator und Hauptverantwortlichen der zweiten Münchener Räterepublik Eugen Leviné und dessen Frau Rosa nach dem Zusammenbruch der Räteregierung ein Versteck besorgt.10 Leviné wurde von einem Standgericht zum Tode verurteilt und erschossen, während man Salz, für den sich Alfred Weber als Zeuge eingesetzt hatte,11 am 2. Juni 1919 freisprach, aber trotzdem aus Bayern auswies. 6 Schreiben der Staatswirtschaftlichen Fakultät an den Senat der Universität München vom 10. Mai 1919, ebd. Die Staatwirtschaftliche Fakultät hatte bereits am 23. März 1919 beim Staatsministerium den Antrag auf Umhabilitierung gestellt und um die Verleihung des Titels eines a. o. Professors für Salz gebeten. Vgl. Aktennotiz vom 26. März 1919, ebd. 7  Vgl. UA Heidelberg, PA 5581, Arthur Salz sowie Drüll, Dagmar, Artikel, Salz, Arthur, in: Heidelberger Gelehrtenlexikon. – Berlin, Heidelberg u. a.: Springer 1986, S.  231 (hinfort: Drüll, Arthur Salz). 8  Vermerk des Prorektors vom 19. Mai 1919 auf dem Schreiben der Staatswirtschaftlichen Fakultät an den Senat der Universität München vom 10. Mai 1919, UA München, Sen-II-528. 9  Vgl. Schreiben des Staatsanwaltes bei dem standrechtlichen Gericht für München an den Senat der Universität München vom 22. Mai 1919, ebd. 10  Vgl. dazu das Schreiben der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München an den Senat der Universität München vom 11. Juli 1919, ebd.: „Das Verhalten des Herrn Dr. Salz bei der Verbergung und Beschützung Levinés und ferner der Umstand, daß Dr. Salz bereits am 2. April vor seiner Probevorlesung die kommenden Ereignisse der Terrorisierung der Universität voraussagte (was darauf schließen läßt, daß er schon länger mit jenen Kreisen in Fühlung stand) hat die Fakultät zu dem Beschluß gebracht, ihren Antrag auf Übernahme in die Fakultät nicht zu wiederholen. Die Mehrzahl der Fakultätsmitglieder würden Herrn Dr. Salz das nötige Vertrauen nicht entgegenbringen können, und befürchtet [!], daß durch Aufnahme des Beschützers von Leviné in den Lehrkörper der Universität auf die Studierenden, welche während des Krieges ihr Bestes für das Vaterland gaben und auch jetzt jegliches Opfer bringen, eine verderbliche und zersetzende Wirkung ausgeübt werde.“ 11  Vgl. Demm, Eberhard, Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. Der politische Weg Alfred Webers bis 1920. – Boppard: Harald Boldt 1990 (hinfort: Demm, Alfred Weber), S.  286.

Zur Angelegenheit Dr. Salz

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Salzens Gesuch an die Universität wurde, da es immer noch einer endgültigen Erledigung harrte, dann am 3. Juli 1919 abermals auf die Tagesordnung der Fakultätssitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät gesetzt. In der Diskussion setzte sich Lujo Brentano uneingeschränkt dafür ein, das Gesuch der Fakultät an den Senat zu erneuern und verteidigte seinen ehemaligen Schüler gegen alle politischen und wissenschaftlichen Vorwürfe.12 Max Weber dagegen äußerte sich nicht eindeutig. Daß er Einwände gegen Salzens Vorhaben der Umhabilitation hatte, geht schon aus einem Brief an Else Jafffé vom Februar 1919 hervor.13 Nach der Fakultätssitzung schrieb er an Marianne Weber „Vorgestern war die erste – 4 ½stündige! – Fakultätssitzung. Allein 2 Stunden über die Habilitation von Salz, die nun abgelehnt ist – wie zu erwarten: die Wut auf Alles, was mit der ‚Räterepublik’ zu thun hatte, Antisemitismus, Abneigung gegen Heidelberger Umhabilitierungen u.s.w. – das Alles spielte zusammen. Schließlich: eigentlich beklagen kann S[alz] sich nicht. Denn ein wirklich sachlicher Grund lag halt wirklich nicht vor und er hätte gut in Heidelberg bleiben können. Sein letztes Buch war überdies schlecht,14 das ist auch nicht zu ändern und das hätte er auch bedenken sollen. Immerhin, er und vor Allem: die Soscha15 tut mir doch recht leid (er ist noch ausgewiesen, erst von hier, dann von Konstanz, weiß nicht, wohin er soll?)“.16

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt werden die Redebeiträge Max Webers nach dem Protokoll der sechsten Fakultätssitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München im Jahre 1918/19 am Donnerstag, den 3. Juli 1919, das im Universitätsarchiv München, M-III-1.10, überliefert ist (A). 12  Dies begründete Brentano damit, daß „die Freisprechung erfolgt ist durch Zurückziehung der Anklage des Staatsanwaltes, worauf das Gericht Freisprechung und unmittelbare Haftentlassung ausgesprochen hat. Der Grund seiner nochmaligen Verhaftung lag in einem Formfehler des Richters. Dr. Salz ist als unschuldig erklärt worden […].“ Vgl. Protokoll der sechsten Fakultätssitzung 1918/19 vom 3. Juli 1919, S. [2], UA München, M-III-1.10 (hinfort: Protokoll vom 3. Juli 1919). 13  „Heut war Arthur S[alz] da. Daß der sich nach M[ünchen] umhabilitiert, ist mir eigentlich nicht recht. Ich finde, das soll man nicht tun und dadurch jungen Leuten den Weg versperren. Ich bin persönlich ganz froh noch nicht in M[ünchen] zu sein und damit befaßt zu werden. Er ist fein und wertvoll, – aber daß die Jugend etwas von ihm haben sollte: das glaube ich nicht. Im Tonfall seiner Stimme schon liegt so etwas irgendwie ‚Gebrochenes’ und lag es immer.“ Brief Max Webers an Else Jaffé vom 18. Febr. 1919, MWG II/10, S.  464 f., Zitat: S.  464. 14 Gemeint ist: Salz, Böhmische Industrie, vgl. dazu auch Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 15  Gemeint ist Salzens Ehefrau Sophie (Soscha), geb. Kantorowicz. 16  Brief Max Webers an Marianne Weber vom 5. Juli 1919, MWG II/10, S.  675 f.

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Zur Angelegenheit Dr. Salz

Das 12-seitige Schriftstück trägt keine Seitenzahlen. Sie werden vom Editor als A (4) etc. sigliert. Auf der letzten Seite bestätigte Max Weber – wie auch die anderen Ordinarien der Fakultät – durch Unterschrift die Richtigkeit des Protokolls. Der erste Beitrag ist eingeleitet mit „Herr Max Weber“, der zweite ist indirekt wiedergegeben. Zum besseren Verständnis wird das übrige Protokoll auszugsweise (in kleiner Schrifttype) wiedergegeben.

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[Zur Angelegenheit Dr. Salz] 1.

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Der Eindruck von Prof. Endres1 über Dr. Salz ist falsch. Dr. Salz ist ein leidenschaftlicher Antitscheche und hat nichts spezifisch Jüdisches an sich. Er ist vielmehr ein sehr vornehmer feiner Mensch. Er hat auch als Dozent zweifellos erhebliche Verdienste aufzuweisen. Als Dozent und Charakter ist er vollkommen würdig, der Fakultät anzugehören. Wissenschaftlich sind allerdings einige Arbeiten scharf angegriffen worden.2 Die Vorgänge im Mai3 können ihn nicht diskreditieren. Die Verweigerung der Zulassung würdea einen politischen Anstrich haben. Etwas anderes wäre es, wenn die Fakultät prinzipiell gegen die Übernahme von Privatdozenten einer anderen Universität wäre,b  die sich selbst gemeldet hätten. Er würde einen solchen Beschluß freudig begrüßen.

[A (4)]

A (5)

2. Somit hat die Fakultät beschlossen, daß sie den Antrag, Herrn Dr. Salz in die [A (7)] Fakultät aufzunehmen  nicht wiederholt und sein Gesuch, die Einreisebewil- A (8) ligung zu erteilen, nicht befürwortet.

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Herr Prof. Weber stellt je nach der Art der Begründung dieses Beschlusses eine Erklärung in Aussicht, dasselbe tun Herren Geh. Rat Brentano und Lotz.

a  In A folgt: würde  b  Zeilenende nicht lesbar; wäre, sinngemäß ergänzt. 1 In seinem Redebeitrag hatte Max Endres gesagt, „Salz sei doch auch tschechischer Jude“. Protokoll vom 3. Juli 1919 (wie oben, S.  619, Anm.  12), S.  [4]. 2  Das Buch von Arthur Salz, Böhmische Industrie, war von Paul Sander heftig kritisiert worden. Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442. 3  Dekan Max Endres hatte vorher von Salzens Tat, Verhaftung und Ausweisung aus Bayern gesprochen. Protokoll vom 3. Juli 1919 (wie oben, S.  619, Anm.  12), S. [3]. Vgl. dazu auch den Editorischen Bericht, oben, S.  618 mit Anm.  9.

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[Sondergutachten Dr. Salz] (18. Juli 1919)

Editorischer Bericht Zur Entstehung In der Fakultätssitzung vom 3. Juli 1919 sprach sich die Mehrheit der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität dafür aus, Arthur Salz die Umhabilitation zu verweigern, nachdem er wegen Beihilfe zum Hochverrat angeklagt – aber nicht verurteilt – worden war.1 Für den Fall, daß diese Ablehnung von der Fakultät politisch begründet werden sollte, stellten Max Weber, Lujo Brentano und Walther Lotz eine separate Erklärung für den Akademischen Senat in Aussicht.2 Als die Fakultät in ihrem Schreiben an den Senat für die Ablehnung tatsächlich politische Gründe vortrug,3 verfaßten Weber, Lotz, Brentano und v. Mayr ein gemeinsames Schreiben,4 in dem sie vorschlugen: entweder solle man grundsätzlich alle Anträge auf Umhabilitation ablehnen oder den Antrag von Salz nochmals von der Fakultät beraten lassen. Zusätzlich reichte Max Weber ein Separatvotum beim Senat ein. Weder Brief noch Separatvotum hatten die gewünschte Wirkung. Am 28. August 1919 berichtete der Senat an das Kultusministerium, „daß das, was über die Persönlichkeit des Dr. Salz bekanntgeworden sei, ihn für eine Wirksamkeit an der hiesigen Universität nicht für geeignet erscheinen lasse“.5

Zur Überlieferung und Edition Dem Abdruck liegt das achtseitige maschinenschriftliche „Sonder-Gutachten“, die „Angelegenheit der Umhabilitation des Professors Salz“ betreffend, zugrunde, das Max Weber unter dem Datum vom 18. Juli 1919 an den Aka1 Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Zur Angelegenheit Dr. Salz, oben, S.  617–620. 2  Vgl. Protokoll vom 3. Juli 1919 (wie oben, S.  619, Anm.  12), S.  [2]. 3 Schreiben der Staatswirtschaftlichen Fakultät an den Senat der Universität München vom 11. Juli 1919, UA München, Sen-II-528. 4  Brief von Max Weber, Walther Lotz, Lujo Brentano und Georg v. Mayr an den Akademischen Senat der Universität München vom 18. Juli 1919, MWG II/10, S.  691–693. 5  UA München, Sen-II-528.

Editorischer Bericht

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demischen Senat der Universität München adressierte und das im Universitätsarchiv München, Sen-II-528, überliefert ist (A1). Der Schriftsatz trägt Webers eigenhändige Unterschrift und enthält eigenhändige Korrekturen, Streichungen und Einschübe. Abweichungen der ursprünglichen, maschinenschriftlichen Fassung (A) von der handschriftlich korrigierten Fassung (A1) werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Davon ausgenommen sind die Hervorhebungen (alle Unterstreichungen sind eigenhändig, hier kursiv wiedergegeben) sowie der Akzent bei „Leviné“, den Weber jeweils eigenhändig nachtrug. Reine Tippfehler, wie z. B. „Erkudnigung“, „Faklutät“ oder „unterder“, werden nicht nachgewiesen. Das erste Blatt ist doppelseitig beschrieben und ohne Paginierung, diese wird vom Editor als A, A1 (1)r (für die Blattvorderseite) und A, A1 (1)v (für die Blattrückseite) hinzugefügt. Die weiteren Blätter sind einseitig beschrieben und maschinenschriftlich paginiert. Diese Blattzählung wird als A, A1 2 etc. marginal mitgeführt.

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München, den 18. Juli 1919. An den akademischen Senat der Universität, Münchena. Betreff: Die Angelegenheit der Umhabilitation des Professors Salz. bSonder-Gutachtenb 1). Würde der akademische Senat sich auf den Standpunkt stellen: daß Umhabilitationen hierher grundsätzlich nur in besonderen Fällen zuzulassen seien1 und aus diesem Grunde die Weitergabe des Antrags der Fakultät abgelehnt haben, so wäre damit der Fall erledigt. Denn der Unterzeichnete teilt diesen Standpunkt. Die Fakultät hat sich aber nicht auf ihn gestellt,2 und auch die Herren der Mehrheit schienen der Ansicht zu sein, daß, nachdem der Antrag auf Zulassung des Prof. Dr. Salz einmal gestellt sei,3 das jetzige Votum der Fakultät dadurch nicht wohl begründet werden könne. – Im vorliegenden Fall liegen übrigens die Dinge so: daß Prof. Salz schon vor dem Kriege eine ausdrückliche c, wenn auch: nichtamtliche,c Aufforderung des Herrn Geheimrat Brentano zur

a  Hervorhebung maschinenschriftlich.   b  Fehlt in A.   c–c  Fehlt in A; Kommata sinngemäß ergänzt. 1  Diesen Standpunkt vertrat Weber schon in der Fakultätssitzung vom 3. Juli 1919. Vgl. dazu Weber, Zur Angelegenheit Dr. Salz, oben, S.  621, und bekräftigte ihn in dem zusammen mit Lotz, Brentano und v. Mayr verfaßten Schreiben an den Akademischen Senat der Universität München vom 18. Juli 1919, MWG II/10, S.  691–693. 2  Die Fakultät machte sich den Antrag Karl Freiherr v. Tubeufs zu eigen, der die Ablehnung nicht nur formal, sondern auch politisch zu begründen suchte: „Er habe Leviné verborgen und in Sicherheit gebracht, einen Mann, der mit schwerster Schuld beladen ganz München wochenlang in Angst und größten Qualen erhalten hat und allgemein als Verbrecher und Scheusal betrachtet und gesucht wurde. Salz hat für seine folgenschweren Handlungen die Verantwortlichkeit nicht anerkannt und somit nicht das nötige Gewissen gezeigt, aber auch nicht den Mut, seine Fehler einzugestehen. Einem solchen Manne könnte das nötige Vertrauen nicht entgegengebracht werden. Herr v. Tubeuf hält seine Zulassung in den Lehrkörper der Universität München nicht für möglich; auch den Studierenden, welche während des ganzen Krieges und auch in den gegenwärtigen schweren Zeiten ihr Bestes gaben und jedes Opfer bringen, müßte die Übernahme des Beschützers von Leviné in die Fakultät einen geradezu zersetzenden Eindruck machen.“ Vgl. Protokoll vom 3. Juli 1919 (wie oben, S.  619, Anm.  12), S.  [2]. 3  Antrag vom 19. Dez. 1919 vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Zur Angelegenheit Dr. Salz, oben, S.  617–620.

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Umhabilitierung zu dessen Unterstützung erhalten hatte, welcher er damals auf meine Bitte nicht gefolgt istd.4 2). Die Bezugnahme auf das politische Verhalten eines Habilitanden, darf, abgesehen davon, daß hier eine vom Staatsanwalte  selbst beantragte Freisprechung wegen erwiesener Schuldlosigkeit erfolgt ist, meines Erachtens keinesfalls ein Hindernis einer Habilitation sein.5 Ich müßte vielmehr für meine Person gegen die Motivierung des Votums der Fakultätsmehrheit grundsätzlichen Einspruch erheben. 3). Das Votum der Herren der Mehrheit wurde durch den Glauben an Tatsachen herbeigeführt, welche sämtlich unzutreffend oder in ihren Motiven irrig interpretiert sind. Es ist ausdrücklich zuzugeben: daßf die Entstehung des Eindrucks, welcher dem Votum der Mehrheit zugrunde lag, vollkommen verständlich ist. Allein dies ändert nichts daran, daß sie dennoch irrig informiert worden warg. Ich habe zwar nicht die Möglichkeit gehabt, Herrn Prof. Salz selbst zur Rede zu stellen, kann aber nach gewissenhafter Erkundigung, soweit eine solche jetzt möglich war, für folgende Tatsachen einstehen: a) Es steht absolut und unbezweifelbar fest, daß nicht die allergeringste Gesinnungsgemeinschaft, sachliche oder persönliche Sympathie, politische oder sonstige Beziehung gleichviel welcher Art zwischen Herrn Dr. Leviné und Prof. Salz bestanden hatte. Dr.

d  Fehlt in A.   e  In A1 folgt der Hinweis: wenden!  f  In A folgt: es  g A: waren   4  Weder Brentanos Aufforderung noch Webers Bitte sind nachgewiesen. 5  Anklageschrift und Gerichtsprotokoll der öffentlichen Sitzung des standrechtlichen Gerichts München am 2. Juni 1919, in: Meyer-Leviné, Rosa, Leviné. Leben und Tod eines Revolutionärs. Erinnerungen. – Frankfurt am Main: Fischer 1974, S.  192–195. (hinfort: Meyer-Leviné, Erinnerungen). In einer Erklärung für den Münchner Hochverratsprozeß hatte Alfred Weber Arthur Salz und Botho Schmidt entlastet. Vgl. Demm, Alfred Weber (wie oben, S.  618, Anm.  11), S.  285 f. Gemeinsam mit Max Weber, Prinz Max von Baden, Lujo Brentano und Max Graf von Montgelas unterzeichnete er einen am 12. Juni 1919 in den Münchner Neuesten Nachrichten veröffentlichten Aufruf zur Aufhebung des Standrechts, vgl. MWG I/16, S.  529–532. Max Weber hatte sich bereits früher dafür eingesetzt, daß das politische Verhalten eines Kandidaten keine Auswirkungen auf die Habilitation haben dürfe. Vgl. dazu etwa Weber, Die sogenannte Lehrfreiheit, oben, S.  109–117, sowie das Schreiben von Weber an den akademischen Senat der Universität München vom 18. Juli 1919 (wie oben, S.  624, Anm.  1).

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Leviné war schon vor Jahren als Student in Heidelberg6 als ein zwar ehrlicher, aber menschlich kalter Fanatiker des revolutionären Sozialismus bekannt. Prof. Salz hat ihn vielleicht gelegentlich in Diskussionsabenden gesehen, bestimmt aber keinerlei Verkehr, wederh damals noch inzwischen, mit ihm gepflogen. Prof. Salz und seine Familie haben im Hotel Vierjahreszeiten mindestens so stark unter der Räteherrschaft gelitten wie irgend jemand sonst. Kugeln flogen in ihre Zimmer, und die Frau sah unter solchen Umständen ihrer Niederkunft entgegen.7 Prof. Salz ist leidenschaftlichi anti­ czechisch gesinnter Deutsch-Böhme, er ist durch die Errichtung des neuen Staatswesens in Böhmen heimatlos geworden, von jeher, wie ich persönlich genau weiß, deutscher Patriot, Freund  Stefanj Georges,8 also aristokratischen Idealen kzuneigend, imk übrigen eine unpolitische Natur, ein wohlhabender Mann. Seine Frau stammt aus einer wohlhabenden, von jeher antipolnischen, jetzt ebenfalls heimatlos gewordenen Familie.9 Es muß für jeden, der seine Vergangenheit kennt, nahezu grotesk wirken, wenn ihm jetzt von der Polizei Gesinnungsgemeinschaft mit demokratischen Kommunisten10 zugetraut wird.

h A: wieder  i A: leidenschaft  j  A, A1: Stephan  k A: zuneigend. Im 6  Eugen Leviné war zunächst vom SS 1903 bis zum SS 1904 als Student der Rechte an der Heidelberger Universität immatrikuliert. Von Berlin kommend, immatrikulierte er sich am 18. November 1909 erneut an der Ruperto Carola, diesmal im Fach Nationalökonomie, und blieb bis zum Ende des SS 1913 in Heidelberg (Auskunft des UA Heidelberg vom 12. Nov. 2012). 7 Arthur Salz logierte nach dem Krieg mit seiner hochschwangeren Frau Sophie (Soscha) Salz, geb. Kantorowicz, im Münchner Hotel „Vier Jahreszeiten“ in der Maximilianstraße. Der Sohn, Heinrich Joseph, kam im Mai 1919 zur Welt. 8  Arthur Salz gehörte zum Kreis um Stefan George. Vgl. Fried, Johannes, Zwischen „Geheimem Deutschland“ und „geheimer Akademie der Arbeit“. Der Wirtschaftswissenschaftler Arthur Salz, in: Geschichtsbilder im George-Kreis. Wege zur Wissenschaft, hg. von Barbara Schlieben, Olaf Schneider und Kerstin Schulmeyer. – Göttingen: Wallstein 2004, S.  249–302 (hinfort: Fried, Arthur Salz), sowie Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch, Band 3, hg. von Achim Aurnhammer, Wolfgang Braungart, Stefan Breuer und Ute Oelmann in Zusammenarbeit mit Kai Kauffmann. – Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2012, S.  1609–1612. 9  Sophie (Soscha) Salz, geb. Kantorowicz, Schwester des Historikers Ernst Kantorowicz, der 1919 als Mitglied der gegenrevolutionären Volkswehr an der Niederschlagung der Räterepublik in München beteiligt war. 10  Eugen Leviné war seit März 1919 Führer der KPD in Bayern, vorher Mitglied der SPD und seit 1917 der USPD.

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b) Prof. Salz ist jüdischer Abstammung.11 Unausgesprochenermaßen könnte dieser Umstand vielleicht zu seinen Ungunsten ins Gewicht gefallen sein. Er war aber der Fakultät zweifellos vor ihrem Antrage bekannt. c) Prof. Salz wurde während des Bestehens der Räterepublik von Frau Dr. Leviné12 lediglich deshalb, weil auchl er früher in Heidelberg warm, um eine Unterkunft für diese angegangen und führte sie, da er sie selbst infolge der Niederkunft seiner Frau nicht aufnehmen konnte, zu Herrn Schmidt.13 Dort erklärte Frau Leviné, daß das angebotene Zimmer sich besser für ihren Mann eigne und motivierte ihre Bitte,n statt ihrer diesen aufnehmen zu wollen, ausdrücklich damit: o„daß Dr. Leviné durch den Anhang des Herrn Toller verfolgt und in seinem Leben bedroht werde“o. Zum Schutz gegen diese Gefährdung – nicht gegen die damals noch gar nicht retablierte Regierung Hoffmann – wurde Dr. Leviné aufgenommen.14 Daß Dr. Leviné diesen ihm der Öffentlichkeit gegenüber sehr unbequemen Tatbestand in der öffentlichen Verhandlung zu bestreiten suchte, ändert nicht das mindeste daran, daß die Dinge trotzdem in Wahrheit so und nicht anders verlaufen sind, wie schon der Zeitpunkt der Aufnahme beweist. Die erbitterte Feindschaft

l Fehlt in A.   m Fehlt in A.   n Komma fehlt in A.   o–o Anführungszeichen fehlen in A. 11  Bei seinem schriftlichen Antrag auf Umhabilitation vom 3. Dezember 1918 an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München (UA München, Sen-II-528) gab Salz in seinem Lebenslauf keine Religionszugehörigkeit an. In einem Aufsatz hatte er sich jedoch zum Judentum bekannt. Vgl. Salz, Arthur, Ver sacrum, in: Vom Judentum. Ein Sammelbuch, hg. vom Verein jüdischer Hochschüler (Bar Kochba) in Prag. – Prag, Leipzig: Kurt Wolff 1913, S.  169–172. 12  Gemeint ist Eugen Levinés Frau, Rosa Leviné, geb Broido. 13  Gemeint ist der Münchener Kunstmaler Botho Schmidt, ein Freund von Arthur Salz. Er versteckte Leviné in seiner Wohnung. Vgl. Meyer-Leviné, Erinnerungen (wie oben, S.  625, Anm.  5), S.  125. 14  Am 29. April 1919 wurde Leviné vom Zentralbüro der KPD in den Untergrund geschickt. An diesem Tag war das Ehepaar mit Arthur Salz verabredet, doch da der erschöpfte Leviné in seiner Unterkunft eingeschlafen war, nahm Rosa Leviné die Verabredung mit Salz alleine wahr. Die Zweite Räterepublik wurde am 2. Mai 1919 niedergeschlagen. Leviné fühlte sich, wie seine Frau später berichtet, nicht von der Roten Armee unter der Führung von Ernst Toller, sondern von den Weißen Garden und der Reichswehr bedroht. Vgl. Meyer-Leviné, Erinnerungen (wie oben, S.  625, Anm.  5), S.  96, 107, 117.

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der beiden revolutionären Gruppen15 ist inzwischen prozessual zweifelsfrei festgestellt.  Auch Toller hat sich seinerseits durch Leviné bedroht gefühlt. d) Prof. Salz hat, wie mir bekannt, und wiep durch Zeugen erweislich ist, monatelang einen hohen orientalischen Wür­den­trä­ ger,16 der in einem uns damals verbündeten Staat die deutsche Partei vertrat, und nachq welchem die Entente seit dem November fahndete,17 bei sich verborgen, nachdem das Auswärtige Amt in Berlin r(unter der Leitung des Herrn Solf wenig rühmlichen Angedenkens)r trotz aller seiner Bemühungen dem betreffenden Herrn in würdeloser Schwäche den Schutz versagt hatte. Der Name des Betreffenden könnte, da er zwar jetzt mit Hilfe von Prof. Salz s(und unter Konivenz der bayer[ischen] Regierung)s in die Schweiz entkommen, aber auch dort nicht sicher ist, nur in strengster Vertraulichkeit genannt werden. Prof. Salz hat dadurch den betreffenden Herrn vor einem Auslieferungsbegehren und Deutschland vor der Schande der Auslieferung bewahrt. Dieser Herr wünschte[,] mit t„Bolschewisten“t in Berührung gebracht zu werden,18 um mit

p  Fehlt in A.   q A: auch ; A1: auf   r–r  Klammern fehlen in A.   s–s Klammern fehlen in A.   t–t  Anführungszeichen fehlen in A.   15  Im April 1919 bekämpften sich in München zwei revolutionäre Gruppen. Am 6./7. April 1919 rief der revolutionäre Zentralrat in München unter Ernst Toller mit Unterstützung der USPD und anarchistischer Gruppen die Erste Räterepublik aus. Die Kommunisten unter der Führung Eugen Levinés verweigerten dieser „Scheinräterepublik“ die Mitarbeit. Am 13. April 1919 gelang es ihnen, die Sozialisten und Anarchisten um Toller zu entmachten und die Macht an sich zu reißen. Sie riefen noch am gleichen Tag die Zweite Räterepublik aus. 16  Gemeint ist der türkische Marineminister und Oberbefehlshaber der 4. Armee in Syrien Dschemal Pascha, den Salz in Damaskus kennengelernt und als Berater in dessen Armeestab fungiert hatte. 17 Nach dem Zusammenbruch der jungtürkischen Regierung Ende Oktober 1918 mußte Dschemal aus Konstantinopel fliehen, um der Verhaftung und Verurteilung durch die neue, liberale Regierung zu entgehen. Salz, der in Dschemal „einen Staatsmann von antikem Schnitt und Haltung“ sah, nahm ihn im November 1918 für kurze Zeit in seiner Wohnung in Berlin auf. 1919 wurde Dschemal bei den sog. „Istanbuler Prozessen“ in Abwesenheit wegen des Völkermordes an der armenischen Minderheit zum Tode verurteilt. Nach seiner Ermordung durch Armenier verfaßte Arthur Salz in der Frankfurter Zeitung vom 29. Juli 1922 einen Nachruf auf ihn. Vgl. Fried, Arthur Salz (wie oben, S.  626, Anm.  8), S.  284 f. 18  Mit Unterstützung der Bolschewiki reiste Dschemal 1919 über Moskau nach Afghanistan, wo er die afghanische Armee in ihrem Kampf gegen Großbritannien unterstützte.

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deren Hilfe ueine ententefeindlicheu v„Befreiungspropaganda“v im Orient zu inszenieren. Ich finde diesen Plan realpolitisch ungangbar, –w indessen hat bekanntlich unsere eigene Regierung unter General Ludendorff ganz ähnliche Wege beschritten.19 Jener Wunsch seines Schützlings hat bei dem Verhalten von Prof. Salz bestimmend mitgewirkt, was in der öffentlichen Verhandlung nicht bekanntgegeben werden konnte. e)x Vollkommen unbegründet ist die Behauptung, Herr Schmidt sei von Prof. Salz nicht darüber aufgeklärt worden, wen er aufnähme.20 Er hat dies vielmehr genau gewußt. Zur Zeit der Aufnahme hätte auch keinerlei Grund bestanden, es ihm zu verhehlen.  f) Selbstverständlich setzte Prof. Salz voraus, daß Leviné nach Retablierung der Regierung Hoffmann und nachdem auf ihn gefahndet wurde, von dem ihm gewährten Asyl keinen weiteren Gebrauch machen werde. Leviné aber haty auf die Anregung, eine andere Unterkunft zu suchen, lediglich höhnisch geantwortet: z„man könne ihn ja denunzieren und dadurch die ausgesetzte Belohnung verdienen“z. Von Schmidt21 darüber befragt, wie er sich denn überhaupt dazu stelle, daß ein so schroffer Gegner, wie Prof. Salz, ihm Schutz gewähre, erwiderte er: a„bei Prof. Salz habe sich eben das schlechte Gewissen des Kapitalismus geregt“a. b(Für die wirklichen Beziehungen der Beteiligten dürfte diese Bemerkung kennzeichnend sein.)b Salz hat Leviné, als er in Erfahrung brachte, daß dieser sich nicht fortbegeben hatte, auch seinerseits sein Erstaunen nicht verhehlt. Was er nicht über sich gewann, war: ihn u A: einer ententefeindlichen ; A1: eine ententefeindlichen   v–v Anführungszeichen fehlen in A.   w Gedankenstrich fehlt in A.   x A, A1: i)  y In A folgt: Herrn Schmidt   z–z Anführungszeichen fehlen in A.   a–a Anführungszeichen fehlen in A.   b–b  Klammern fehlen in A.   19  General Erich Ludendorff vertrat die Idee eines von Deutschland geführten Kaukasusblocks, der die in einem Südoststaatenbund zusammengefaßten Kosakengebiete und die nordkaukasischen Bergvölker umfassen sollte. Der mit Deutschland fest verbundene Kaukasusblock sollte Rohstoffe für den Krieg im Westen liefern sowie dasEindringen der Engländer in den Kaukasus verhindern. Vgl. Baumgart, Winfried, Die deutsche Ostpolitik im Sommer 1918: Zwischen Brest-Litowsk und Compiègne. – Wien, München: Oldenbourg 1966, S.  389. 20 Nach seiner Verhaftung gab Leviné zu Protokoll, „daß Schmidt selbst mich nur unter dem Namen Geisenberg kannte“. Meyer-Leviné, Erinnerungen (wie oben, S.  625, Anm.  5), S.  191. 21  Vgl. oben, S.  627, Anm.  13.

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der Polizei zu denunzieren. Ich glaube, daß auch ich und viele andere dies nicht getan hätten und würde es auch künftig nicht tun, möchte nun derjenige, der bei mir Asyl gefunden hat, etwa ein c„gegenrevolutionärer“c Offizier oder ein Kommunist oder wer immer sein. Denn dieses Maß von Ritterlichkeit gerade demd so­zia­ len und politischene Feinde gegenüber hat noch überall in der Welt nicht nur als sittlich erlaubt, sondern auch als menschlich geboten gegolten, und ich wünsche, daß es dabei auch in Zeiten wie den unsrigen bleibt. Ganz anders läge es selbstverständlich, wenn es sich um einen persönlich Ehrlosen handelte. Eine Annahme, zu der Salz keinerlei Anlaß hatte. g) Prof. Salz war während des Kriegs zuerst zur f(österreichischen)f Truppe eingezogen, dann in Konstantinopel, dann in Damaskus und Palästina verwendet. Er löste seinen Heidelberger Haushalt auf. Nach dem Zusammenbruch  war er ohne Heimat, fand in Heidelberg ebenso wie viele andere keinerlei Wohnungg und fand dort überdies die Zahl der Dozenten durch Neuhabilitation vermehrt. Da er schon vor dem Kriege, wenn auch außeramtlich, zur Habilitation hierher aufgeforderth war,22 durfte er als selbstverständlich annehmen, daß er willkommen sei. So lagen denn die Dinge auch in der Tat. Prof. Salz ist wiederholt um Beschleunigung der Umhabilitation ersucht worden. Insbesondere ist er, wenn ich nicht irre:i auch durch den Herrn Dekan,j ebenso wie durch Fachvertreter, zur Beschleunigung der Probevorlesung veranlaßt worden, für welche ihm meines Wissens nur eine Woche Frist blieb. Nachdem ihm alsdann k– m. W.k von Seiten des Herrn Dekans –l mitgeteilt worden war, daß die Zulassung beantragt und also m„alles in Ordnung sei“m, schied ern in aller Form aus dem Heidelberger Lehrkörper aus.23 Ohne das größte Befremden zu

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c–c Anführungszeichen fehlen in A.    d A: den   e A, A1: politischem   f–f  Klammern fehlen in A.   g  Randbemerkung von dritter Hand: Natürlich aber in München ein ganzes Haus!    h Hervorhebung vermutlich von dritter Hand und Randbemerkung: Von der Fakultät?   i A: irre,  j  Komma fehlt in A.   k Fehlt in A.   l Gedankenstrich fehlt in A.   m–m Anführungszeichen fehlen in A.   n  Fehlt in A, A1; er sinngemäß ergänzt. 22  Vgl. dazu oben, S.  625, Anm.  4. 23  Arthur Salz stellte bereits am 27. März 1919 bei der Universität Heidelberg einen Antrag auf Entlassung (UA Heidelberg, PA 5581, Arthur Salz). Die Probevorlesung in München fand am 2. April 1919 statt. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Zur Angelegenheit Dr. Salz, oben, S.  617–620.

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erregen[,] könnte er, wenn überhaupt, nach den dortigen Statuten dort keine Wiederaufnahme, sondern nur eine Neuhabilitierung erbitten, wozu er ebensowenig wie wohl irgend jemand sonst sich herbeizulassen geneigt sein dürfte. Die Ablehnung seiner Habilitation hier bedeutet also seine Streichung aus dem akademischen Leben überhaupt, wenn er keine Demütigung auf sich nehmen will. h) Die Wiederverhaftung hatte ihren Grund lediglich darin, daß nach den geltenden Bestimmungen das Standgericht die formelle Haftentlassung dem ordentlichen Gericht zu überlassen hatte. Sie ist denn auch sofort aufgehoben worden. Sie war ein Erzeugnis des jedem Eingeweihten wohl bekannten o„Kompetenzpatriotismus“o. Die Ausweisung trotz des Freispruchs warp nur unter dem Belagerungszustand möglich. Sie ist ein reiner  Willkürakt, wie deren leider jetzt manche vorkommen, und ist ganz augenscheinlich mit der Befürchtung motiviert, q(welche Frau Salz gegenüber von einer zuständigen Stelle ausgesprochen wurde)q: daß er r„wieder solche Gutmütigkeiten machen könnte“r. Daß dies nicht geschieht, dafür hat er inzwischen dem Staatsministerium Bürgen gestellt. Die betreffenden Eingaben sind aber, wie zahlreiche andere, seit vielen Wochen unerledigt.24 Nach allem dem ist auch nicht der leiseste Schatten von der offenbar in den Kreisen der Universität herrschenden Annahme aufrecht zu erhalten: daß Prof. Salz irgend etwas zur Last falle, was geeignet wäre, ihm,s wie die Mehrheit der Fakultät infolge irrtümlicher Information annimmt, das t„Vertrauen“t zu seiner Persönlichkeit urauben zu könnenu. Vielmehr scheint mir das Gegenteil schon jetzt sicher. Jedenfalls würde ich es angebracht finden, wenn ihm Gelegenheit zu mündlicher Verantwortung und zur Beibringung von Beweisen gegeben würde, ehe man eine seine akademische Existenz vernichtende Maßregelung vornimmt.

o–o Anführungszeichen fehlen in A.   p A: ist  q–q Klammern fehlen in A.   r–r Anführungszeichen fehlen in A.   s Komma fehlt in A.   t–t Anführungszeichen fehlen in A.   u–u A: rauben könnte   24  Auch Weber bemühte sich um die Aufhebung der Ausweisung, indem er den Vorsitzenden der Deutschen Demokratischen Partei in München, Georg Hohmann, einschaltete. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. und 10. Mai 1920, MWG II/10, S.  1076–1079, hier S.  1076.

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4). Was die Qualifikation des Herrn Prof. Salz anlangt, so ist von seinen bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten eine (über böhmische Industriegeschichte)25 sehr scharf angegriffen worden und weist tatsächlich auch nach meiner Ansicht beträchtliche Schwächen auf, obwohl ich einen dieser Angriffe im hohen Grade illoyal fand.26 Andere Arbeiten sind als v„vorzüglich“v zu bezeichnen. Als Dozent ist er vortrefflich bewährt. Persönlich erfreut er sich als lauterer Charakter und liebenswürdiger Mensch allgemeiner Sympathie. 5). Es ist nicht abzusehen, was durch die außerordentliche Eile der Erledigung dieser Sache, welche ja eine auch für die übrigen Herren der Fakultät und für den Senat schlüssige  Tatsachen-Feststellung ausschließt, gewonnen werden könnte. Sie erklärt sich wohlw nur aus dem Eindruck, daß der Sachverhalt im wesentlichen geklärt sei,x und dieser Eindruck ist irrig. Durch eine unzutreffend begründete Entscheidung von solcher Tragweite, wie es die Zurücknahme eines Antrags auf Erteilung der venia legendi ist, zumal in einem Fall, wo dies eine Vernichtung der akademischen Existenz bedeutet,27 würde die Universität meines Erachtens ohne Not sich schweren Vorwürfen aussetzen. Die Neigung zur Einmischung in Universitätsangelegenheiten und Stellenbesetzungen aus unsachlichen y, politischen,y Gründen besteht gerade heute in weiten Kreisen und könnte bei einer Erörterung dieses Falles, z– welchea auszuschließen nicht in unserer Macht liegt –z, nur gefördert werden. 6). Ich habe den Eindruck, daß die Verhandlung dieser Angelegenheit in gewissem Maße wenigstens mitbedingt ist durch die Befürchtung, man werde im Falle dieser Umhabilitation sich einer drohenden Überflutung durch weitere Kandidaten von Umhabiliv–v Anführungszeichen fehlen in A.    w Fehlt in A.    x Komma fehlt in A.   y  Kommata fehlen in A.   z–z  Gedankenstriche fehlen in A.   25  Gemeint ist: Salz, Böhmische Industrie. 26  Max Weber bezieht sich hier auf die Kritik Paul Sanders, der Arthur Salz des Pla­ giats bezichtigte. Vgl. dazu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–442, Weber, Erklärung zu Paul Sander, oben, S.  443–446, Weber, Erklärung zur Affäre SalzSander, oben, S.  447–449, Weber, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, oben, S.  450–493, und Weber, Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, oben, S.  494–498. 27  Arthur Salz lehrte von 1921–27 an der Akademie der Arbeit in Frankfurt a. M. und von 1927–33 wieder als a. o. Professor in Heidelberg.

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tationen, insbesondere aus Heidelberg[,] nur schwer erwehren können.28 Dieser Grund wäre in der Tat ernst zu nehmen. Nun liegen, wie gesagt, die Verhältnisse in diesem Fall,b wo eine Aufforderung von hier aus vorlag, immerhin besonders. Will man aber darauf Rücksicht nehmen, dann sollte jener Grund meines Erachtens auch in aller Form angegeben werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn der Senat sich auf den prinzipiellen Standpunkt stellen würde, Anträge auf Umhabilitationen nur in besonders gearteten Fällen weiterzugeben. cProfessor

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a A: welcher  b  Komma fehlt in A.    c  Fehlt in A. 28  An Marianne Weber schrieb Max Weber: „Jetzt hatte ich mit der Salz-Affäre viel zu tun: sie lehnen hier die Habilitation ab, damit nicht Muckle, Neurath und Levy (der sich auch meldete) auch noch kommen, und sie haben ganz recht, muß ich sagen […]“. Vgl. den Brief Max Webers an Marianne Weber vom 19. Juli 1919, MWG II/10, S.  697– 699, Zitat: S.  698.

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Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, hier betr. die Vorschläge für die Besetzung des nat[ional]ök[onomischen] Lehrstuhls [zwischen dem 18. August und 20. November 1919]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Georg v. Mayr, Ordinarius für Statistik, Finanzwissenschaft und Nationalökonomie an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München, sollte im Jahr 1920 emeritiert werden. Deshalb bildete die Fakultät am 18. August 1919 eine „Kommission zum Studium der Nachfolgerschaft des Unterstaatssekretärs Herrn v. Mayr“.1 Kommissionsmitglieder waren Walther Lotz, Karl Escherich und Max Weber. Die Kommission nominierte Franz Eulenburg an erster und Joseph Bergfried Eßlen an zweiter Stelle. Dieser Vorschlag stieß in der Fakultätssitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät vom 20. November 1919 auf den Widerstand v. Mayrs.2 Nachdem dieser überwunden war, wurde die Liste am 20. Dezember 1919 von der Fakultät angenommen.3 Am 17. Februar 1920 schrieb Max Weber an Franz Eulenburg: „Über die hiesige Lage streng vertraulich folgendes: Sie sind primo loco, von der Fakultät einstimmig, vom Senat, nachdem ein Antrag[,] Esslen Ihnen gleichzustellen mit 4 gegen 4 Stimmen (bei Stimmenthaltungen) abgelehnt war, vorgeschlagen, zum Herbst dieses Jahres[.] Doch mit dem Ersuchen, jetzt schon und bald die Erledigung herbeizuführen. Für die Erledigung kommt die große Angst in Betracht, was sicher nicht gut ist, auch der hiesige oft wahnsinnige Antisemitismus der Couleuren:4 Offiziere der Reichswehr schrieben mir, es sei ihnen selbst einerlei, aber doch schade, daß ich ein Jude sei! Deshalb halte ich Verschleppung und – bei Neuwahlen und Sturz des Ministeriums – Ablehnung für möglich…“.5 Mit Amtsantritt der rechtskonservativen Regierung v. Kahr am 16. März 1920 bestätigten sich die Befürchtungen Max Webers – in 1  Vgl. Protokoll der Fakultätssitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät vom 18. Aug. 1919, UA München, M-III-1.10. 2  Vgl. dazu Weber, Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr I, unten, S.  640–643. 3  Vgl. dazu Weber, Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr II, unten, S.  647–650. 4  Mitglieder farbentragender, politisch rechtsstehender Verbindungen. 5  Vgl. den Brief Max Webers an Franz Eulenburg vom 17. Febr. 1920, MWG II/10, S.  922.

Editorischer Bericht

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dem sich bis Ende 1920 hinziehenden Berufungsverfahren setzten sich weder Eulenburg noch Eßlen durch, sondern der dem Zentrum nahestehende Adolf Weber. Weber schrieb ein Gutachten zur Begründung der Berufungsliste. Es ist an die Juristische Fakultät der Universität München gerichtet. Diese hatte ein Informationsrecht bei der Besetzung nationalökonomischer Lehrstühle, da die Lehrveranstaltungen in den staatswirtschaftlichen Fächern überwiegend von angehenden Juristen besucht wurden.

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommt der undatierte, vier Seiten umfassende und von Max Weber handgeschriebene Schriftsatz, der sich im Universitätsarchiv München, L-II-29a, ohne Blattzählung (A), befindet. Er trägt die eigenhändige Unterschrift Max Webers und weist Unterstreichungen und eine Korrektur von seiner Hand auf. Auf dem dritten Blatt finden sich auf dem unteren linken Rand Zusätze von dritter Hand: „Spann“, „Ext[raordinarius] Heidelberg, Sozialist, Indes als Dozent sehr gut“. Vom Editor wird die Paginierung A (1) etc. eingeführt.

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Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, hier betr. die Vorschläge für die Besetzung des nat[ional]ök[onomischen] Lehrstuhls Da es mir schlechterdings nicht möglich ist, zur Sitzung1 zu kommen, möchte ich schriftlich folgendes darlegen: Maßgebend für die Vorschläge war 1) Ausschluß von Politikern oder – voraussichtlich – vornehmlich politisch Interessierten oder voraussichtlich politisch in Anspruch genommenen Herren. Ich selbst habe jeder Anteilnahme an der Politik entsagt,2 und die besonderen Bedürfnisse unsrer Disziplin hier jetzt in München machen zur Zeit die Durchführung dieses Grundsatzes unumgänglich. Deshalb konnte Prof. Bonn nur neben einem Andren in Betracht kommen.3 Eben deswegen wurden zurückgestellt: Hilferding (Sozialist)4 und v. Schulze-Gävernitz (Demokrat),5 beides sehr begabte  Herren. v. Schulze-Gävernitz schrieb mir: daß er nach Washington gehen werde.6 Hilferding redigiert die „Freiheit“ mit. Ebendeshalb und wegen seines grundsätzlich anfechtba1  Welche Sitzung der Juristischen Fakultät gemeint ist, ist nicht bekannt. 2  Max Weber hatte sich seit Dezember 1918 für die DDP engagiert. Vom Staatssekretär des Innern, Hugo Preuß, berufen, war er Mitglied der Kommission, die vom 9. bis 12. Dezember 1918 über die Grundzüge einer künftigen Reichsverfassung beriet. Er wurde vom Leiter der deutschen Friedensdelegation, Ulrich Graf v. Brockdorff-Rantzau, gebeten, in Versailles an einer Denkschrift über die deutsche Kriegsschuldfrage mitzuwirken. Im April 1920 trat er aus dem Parteiausschuß der DDP und kurz darauf aus der Partei selbst aus. Vgl. den Brief an den Vorsitzenden der DDP, Carl Petersen, vom 14. April 1920, MWG II/10, S.  985–989. 3  Moritz Julius Bonn, Direktor der Handelshochschule und a. o. Professor an der Universität München, nahm 1919 als Sachverständiger für Reparationsfragen an den Friedensverhandlungen in Versailles teil. Von 1920–1922 war er Sachverständiger für Reparationsfragen in der Reichskanzlei. In einem Schreiben vom 24. April 1920 (UA München, E-II-946) bat er die Staatswirtschaftliche Fakultät um Urlaub, da er von der Reichsregierung ersucht worden sei „die Ausarbeitung der Vorschläge über die Leistungsfähigkeit Deutschlands und über die nach Maßgabe dieser Leistungsfähigkeit zu prästierenden Leistungen in die Hand zu nehmen“. Dieser Antrag wurde ihm am 13. Mai 1920 vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus bewilligt. 4  Rudolf Hilferding gehörte zu den Gründern der USPD und war von 1918 bis 1923 Chefredakteur des Parteiorgans „Die Freiheit“. 5  Gerhart v. Schulze-Gaevernitz gehörte 1919/20 als Mitglied der DDP der Weimarer Nationalversammlung an. 6  Dieses Schreiben ist nicht nachgewiesen. Schulze-Gaevernitz gab 1923 seine Freiburger Professur auf und lehrte danach als Gastprofessor in England und in den USA.

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ren Verhaltens als (Wiener) Finanzminister wurde Schumpeter7 zurückgestellt, der begabteste von Allen. Ich mußte die von Anfang an bestehenden Bedenken von Prof. Lotz als begründet ansehen, nachdem Prof. v. Wieser (Wien), sein Lehrer, es ablehnte, ihn (für Wien) – wie bisher – in Betracht zu ziehen. 2) Zurückgestellt werden mußten Gelehrte, deren Leistungen grade auf dem gleichen Spezialgebieta liegen, welches hier schon vertreten ist. Deshalb – m. E. – die Herren Eheberg (von anderen Gründen abgesehen), J[ulius] Wolf (auch Alters halber) und Adolf Weber (den ich persönlich sonst schätze). Alle diese Herren haben ihre besten Leistungen auf dem schon durch Prof. Lotz vertretenen Fachgebiet8 hervorgebracht, „ersten Ranges“ ist Keiner von ihnen.  3) Nicht zu holen sind Berliner, Bonner, Leipziger Ordinarien (Sombart, Dietzel – auch zu alt! –[,] Pohle, Spiethoff – dieser Letztere ist enorm hoch bezahlt, von der preuß. Regierung herangezogen,9 auch hat er schlechterdings wissenschaftlich nicht gehalten, was er s. Z. – ausdrücklich – versprach). Nicht in Betracht kommt: Harms, der ein Institutsvorstand10 mit größtem Organisa­ tions­talent ist, aber als Gelehrter nicht mitzählt, auch sicher nicht könnte. Waentig (Halle) ist wissenschaftlich „indolent“, Oldenberg (Göttingen) kein Dozent, Diehl (Freiburg) kein klarer Kopf, Fuchs a  Fach > Spezialgebiet 7  Joseph Schumpeter war vom 15. März bis 17. Oktober 1919 Finanzminister im Kabinett Renner. Seine Amtszeit war von zahlreichen privaten Skandalen geprägt. Zu seinem Rücktritt führten die steigende Inflation sowie seine Meinungsverschiedenheiten mit Otto Bauer über einen Anschluß Österreichs an Deutschland. Vgl. März, Eduard, Joseph Alois Schumpeter – Forscher, Lehrer und Politiker. – München: R. Oldenbourg 1983, S.  131–153. 8 Walther Lotz hatte an der Universität München eine Professur für Finanzwissenschaft, Statistik und Nationalökonomie. Sein besonderes „Arbeitsfeld“ war das Geld-, Bank- und Börsenwesen sowie die Handels- und Verkehrspolitik. Vgl. das Schreiben von Lujo Brentano an die Staatswirtschaftliche Fakultät München vom 20. Mai 1916, BayHStA München, MK 69316. 9  Arthur Spiethoff war von 1917 bis 1920 Leiter des „Wissenschaftlichen Ausschusses zur Darstellung der deutschen Kriegswirtschaft“ beim Reichsamt des Innern. Vgl. Demeter, Karl, Die Spiethoff-Kommission beim Reichsamt des Innern (Wissenschaftlicher Ausschuß zur Darstellung der deutschen Kriegswirtschaft). – Potsdam: o. V. 1928. 10  Bernhard Harms leitete von 1914 bis 1933 das Kieler Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft.

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(Tübingen) wissenschaftlich stagnierend und als Dozent versagend, Wilbrandt (Tübingen) wissenschaftlich kindlich, Tröltsch (Marburg) und Skalweit (Gießen) nur historisch leidlich bewährt und nicht scharf denkend, Spann (Wien) nur statistisch und soziologisch (mit sehr großen Bedenken!) akzeptabel, aber ökonomisch nicht scharf denkend. Über Lederer (Extr[aordinarius] Heidelberg, Sozialist, Jude, als Dozent sehr gut) konnten Prof. Lotz  und ich in der Bewertung zu einem einheitlichen Urteil nicht kommen.11 v. Gottl (jetzt nach Hamburg berufen, Techn[ische] Hochschule hier)12 schätze ich sehr hoch, Bewertung als Dozent ist widerspruchsvoll.b Sollten die Bedenken gegen Schumpeter (die ähnlichen Charakters sind wie s. Z. gegen Sombart: ein Opfer grenzenloser Eitelkeit und unbefriedigten – berechtigten – Ehrgeizes) zurückgestellt werden können, dann wäre ich noch jetzt für ihn. Aber ich fürchte: nein. – Eulenburg ist (getaufter) Jude, tadelloser aufrechter Charakter, in erster Reihe kritisch veranlagt, vorzüglicher Dozent, absolut unpolitisch, hat nie etwas Anfechtbares geleistet, sondern stets höchst förderliche Spezial- (und auch: zusammenfassende) Arbeiten auf erstaunlich vielen Gebieten, vor Allem auch: Statistik13 (was bei Keinem der Andren zutrifft außer bei dem Russen Bortkiewicz– Berlin, der als Dozent nicht erster Qualität ist). – Eßlen ist ein taktischer klarer Denker, m. W. auch als Dozent sehr bewährt, und, so viel ich bisher weiß, auch ganz unpolitisch (wenigstens habe ich das Gegenteil nie gehört)c.

b  In A folgt eine Absatzmarkierung.   c  Schließende Klammer fehlt in A. 11  In einem Brief an Emil Lederer vom 16. Februar 1920 (MWG II/10, S.  918–921, bes. S.  920) bedauerte Max Weber dessen Nichtnominierung und erwähnt ein „Privatprotokoll“, in welchem dokumentiert sei, daß sich Walther Lotz gegen eine Nominierung Lederers ausgesprochen habe. Dieses Protokoll ist nicht nachgewiesen. 12  Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld lehrte seit 1908 an der TH München und wurde 1919 auf den Lehrstuhl für Theoretische Nationalökonomie an die Universität Hamburg berufen. 13  Eulenburg, Frequenz, hatte in seiner 1904 erschienenen Studie mit Hilfe statistischer Methoden 1,5 Millionen Matrikel deutscher Universitäten in Hinblick auf Größe der Universitäten, soziale Herkunft der Studenten, gewählte Studienfächer, Studiendauer, Promotionen und Lehrpersonal ausgewertet. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert.

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Das Unterrichts-Interesse ist durch diese beiden Vorschläge am besten gewährleistet. Max Weber

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[Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur I] [Redebeitrag und Protokollzusatz betr. die Sitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München am 20. November 1919]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In der ersten Sitzung des Wintersemesters 1919/20 beriet die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München vor allem über die „Wiederbesetzung der Professur von Mayr“ und die „Besetzung der Leonhard’schen Professur“. Zu beiden Tagesordnungspunkten äußerte sich Max Weber, zum ersten mündlich und zum zweiten in Form eines Protokollzusatzes, da er die Sitzung bereits vorzeitig verließ.1 Die Fakultät suchte einen Nachfolger für den damals 78-jährigen Georg v. Mayr.2 Obwohl diesem bereits im Februar 1919 vom bayerischen Kultusminister Johannes Hoffmann die baldige Emeritierung nahegelegt worden war, erklärte er sich erst am 20. Dezember 1919 dazu bereit – allerdings erst zum Wintersemester 1920/21.3 Eine im August 1919 eingesetzte Berufungskommission, zu der auch Max Weber gehörte, nominierte Franz Eulenburg an erster und Joseph Bergfried Eßlen an zweiter Stelle.4 Auf der Sitzung trug v. Mayr ein Gegenmemorandum vor – er favorisierte offenbar Adolf Weber als 1  Das Protokoll vermerkt, daß Max Weber – ebenso v. Tubeuf – die Sitzung, die um 17 Uhr begonnen hatte, um 18 Uhr verlassen haben. Vgl. Niederschrift über die 1. Fakultätssitzung am 20. Novbr. 1919 nachm. 5 Uhr, UA München, M-III-1.10, S. [1] (hinfort: Protokoll vom 20. Nov. 1919). 2  Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, oben, S.  605–607. 3  Vgl. das Schreiben Georg v. Mayrs an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 20. Dez. 1919, BayHStA München, MK 17862.Trotz seiner Emeritierung hielt er bis zum Ende des Sommersemesters 1925 Vorlesungen. Vgl. Pechmann, Hubert von, Geschichte der Staatswirtschaftlichen Fakultät, in: Die Ludwig-Maximilians-Universität in ihren Fakultäten, 1.  Band, hg. von Laetitia Boehm und Johannes Spörl. – Berlin: Duncker & Humblot 1972, S.  127–183, hier S.  155 (hinfort: Pechmann, Geschichte). 4  Vgl. dazu die Niederschrift über die 2. Fakultätssitzung am 20. Dez[em]b[e]r 1919 vormittags 10½ Uhr“, UA München, M-III-1.10, S.  [3].

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Nachfolger –, so daß die Fakultät die Berufungskommission um einen erneuten Bericht bat.5 Dieser wurde dann in der folgenden Sitzung am 20. Dezember besprochen.6 Zur Diskussion stand zweitens die Besetzung des von Rudolf Leonhard gestifteten Extraordinariats für Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftsgeographie.7 Max Weber hatte erwogen, daß er durch „Rücktritt von seinem Ordinariat dieses frei macht, und die Leonhardsche Stiftungsprofessur mit dem Lehrauftrag, außer für Wirtschaftsgeschichte, auch für Soziologie übernimmt“. Er fügte an: „Selbstverständlich erklärt er sich mit einer entsprechenden Herabsetzung seiner festen Bezüge einverstanden“.8 Die Fakultät folgte dem Vorschlag Webers nicht, der erste Inhaber der „Leonhardschen Stiftungsprofessur“ wurde Jakob Strieder.9

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommen Max Webers Redebeitrag, wie er von Dekan Max En­dres in der „Niederschrift über die 1. Fakultätssitzung am 20. Nov[em]b[e]r 1919 nachm. 5 Uhr“ festgehalten worden ist, sowie sein handschriftlicher, nicht datierter Zusatz zum Protokoll. Dieses ist überliefert im Universitätsarchiv München, M-III-1.10 (A). Das vierseitige Protokoll ist nicht paginiert. Der Editor fügt die Seitenzählung unter der Sigle A (2) etc. ein. Die Protokolle der Staatswirtschaftlichen Fakultät wurden den Fakultätsmitgliedern per Umlauf zur Genehmigung vorgelegt, daraus erklärt sich auch Max Webers Protokollzusatz. Um Webers Äußerungen in ihren Kontext zu stellen, werden die entsprechenden Passagen des Protokolls, in kleinerer Schrifttype, wiedergegeben. 5  Vgl. Protokoll vom 20. Nov. 1919 (wie oben, S.  640, Anm.  1), S. [2 f.]. Das Memorandum v. Mayrs ist nicht nachgewiesen. Aus einem Schreiben Max Webers an Emil Lederer vom 12. Mai 1920 (MWG II/10, S.  1082–1084) geht hervor, daß sowohl das Kultusministerium als auch v. Mayr Adolf Weber favorisierten. Dieser wurde zum SS 1921 nach München berufen. 6  Vgl. dazu Weber, Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr II, unten, S.  647–650. 7 Mit dem Vermächtnis des am 18. Oktober 1918 verstorbenen Extraordinarius für Wirtschaftsgeschichte, Wirtschaftsgeographie und Nationalökonomie Rudolf Leonhard, das sich aus 150.000 Mark und einer Bibliothek zusammensetzte, war für die Universität München der Auftrag zur Schaffung eines Extraordinariats für Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftsgeographie verbunden, 1921 wurde mit dem Erbe das Seminar für Wirtschaftsgeschichte ausgebaut. Vgl. dazu Pechmann, Geschichte (wie oben, S.  640, Anm.  3), bes. S.  159. 8  Vgl. das Schreiben Max Webers an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 13. Nov. 1919, MWG II/10, S.  837–839, Zitate: S.  838 f., sowie auch Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  683. 9  Erstmalig im Vorlesungsverzeichnis SS 1921 aufgeführt.

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[Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur I] 1. [A (2)]

Weber betont,1 daß er die Wiederbesetzung der von Mayr’schen Professur schon zum Sommersemester 1920 für dringend notwendig hält unter Berufung auf seine Berufungsverhandlungen.2

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2. [A (3)] Lotz bringt einen Bericht Webers3 [es folgt der Zusatz von Fabricius: der

inzwischen die Sitzung verlassen hat] zur Kenntnis der Fakultät, in dem Weber seinen Rücktritt von seiner Professur (Ordinariat) im Interesse der Lösung des Problems der Besetzung der volkswirtschaftlichen Lehrstühle ins Auge faßt und sich bereit erklärt, ein Extraordinariat (mit dem entsprechenden Gehalt) für Soziologie und Wirtschaftsgeschichte zu übernehmen. Die Fakultät hat dagegen Bedenken u. beauftragt den Dekan, mit Weber persönlich Rücksprache zu nehmen. […] Der Dekan macht über einige EinA (4) läufe Mitteilung, die den Fakultätsmitgliedern  nochmals im Zirkulationswege zur Kenntnis gebracht werden. Endres, Dekan

1  Vorangegangen war v. Mayrs Vortrag mit seinem Gegenmemorandum zum Bericht der Berufungskommission, den Walther Lotz vorgetragen hatte. 2  In dem Schreiben zu seiner Berufung wurde unter Punkt 5 festgehalten: „Professor Dr. Weber beabsichtigt, das Hauptgewicht seiner Lehrtätigkeit auf das Gebiet der Gesellschaftswissenschaft in Vorlesungen und im Seminar zu legen, hat sich aber bereit erklärt, bis zu einer etwaigen anderweitigen Regelung auch Vorlesungen über allgemeine Nationalökonomie, ergänzend zu den beiden anderen ordentlichen Professoren, zu halten. Nachdem Professor Dr. Lotz und Professor Dr. von Mayr sich bereit erklärt haben, die Vorlesungen und Übungen in praktischer Nationalökonomie bis auf weiteres zu übernehmen, besteht hiergegen keine Erinnerung. Bei der seinerzeitigen Auswahl eines Nachfolgers für Professor Dr. von Mayr wird auf die Versorgung der Fächer Allgemeine und Praktische Nationalökonomie besonders Bedacht zu nehmen sein“. Vgl. das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an den Senat der Universität München vom 6. April 1919, UA München, E-II-694. 3  Vermutlich ist damit das Schreiben Max Webers an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 13. Nov. 1919 (MWG II/10, S.  837–839) gemeint. Dieses sollte von der Staatswirtschaftlichen Fakultät an das Unterrichtsministerium weitergeleitet werden, was offenbar nicht geschehen ist.

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Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr I

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Gelesen mit dem Bemerken: daß, nach Rücksprache mit dem Herrn Dekan,4 ich auf dem Unterrichtsministerium vorsprechen werde und Ihnena von dem Ergebnis, nach Vereinbarung, Mitteilung mache. Soll die Soziologie hier vertreten werden, so ist die Lösung der Besetzungsfrage bis Frühjahr 1920 unumgänglich. Hindert das Verhalten des Herrn von Mayr5 die Lösung zu diesem Zeitpunkt, so sehe ich nicht, wie ich um die Konsequenz: zurückzutreten, herumkomme. Darüber werde ich dem Ministerium Bericht erstatten6 und gegebenenfalls die Konsequenzen ziehen. Max Weber

a  Unsichere Lesung 4  Über ein solches Gespräch mit dem Dekan Max Endres gibt es keine Zeugnisse. 5  Vgl. dazu auch den Brief von Max Weber an Heinrich Herkner vom 18. Dez. 1919, MWG II/10, S.  865 f. 6  Im Anschluß an Webers Bemerkung schreibt v. Mayr: „Ich setze voraus, daß die vom Kollegen Max Weber erwähnte ‚Berichterstattung‘ an das Ministerium doch wohl als Abgabe eines Segment-Votums zu dem zu vermerkenden Fakultätsbericht auf Grund der noch [aus]ständigen Beschlußfassung der Fakultät in der Angelegenheit einer Professur aufzufassen ist. In dieser Sitzung würde ja Herr Kollege Max Weber seine Auffassung in Betreff der Vertretung der Soziologie näher zu begründen Gelegenheit haben.“ Ein entsprechender Bericht oder mündlicher Vortrag Max Webers ist nicht nachgewiesen.

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[Entwurf einer Stellungnahme der Universität München Dr. Salz betr.] [vor dem 20. Dezember 1919]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Das Gesuch von Arthur Salz auf Umhabilitation an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München wurde mit Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 22. Dezember 1919 endgültig negativ beschieden.1 Dies wurde Salz am 6. Januar 1920 von der Staatswirtschaftlichen Fakultät mitgeteilt.2 Vorausgegangen war eine Sitzung des Senats der Universität am 20. Dezember 1919. In ihr ließ sich der Rektor Friedrich von Müller laut Protokoll zu dieser Sache folgendermaßen ein: „Der Senat habe unterm 28. August 1919 dem Ministerium berichtet, dass das, was über die Persönlichkeit des Dr. Salz bekanntgeworden sei, ihn für eine Wirksamkeit an der hiesigen Universität nicht geeignet erscheinen lasse. Staatssekretär Saenger habe hierzu nun kürzlich mündlich ihm, dem Rektor, mitgeteilt, diese Wendung müsse vom Leser auf die politische Haltung des Dr. Salz bezogen werden, ein solcher Standpunkt wäre aber unhaltbar. Er, der Rektor, habe darauf nach Rücksprache mit den Professoren Weber und Lotz folgenden Bericht an das Ministerium erstattet. Staatssekretär Saenger, dem der Bericht sogleich mitgegeben wurde, habe sich damit zufrieden erklärt. Auf Antrag des Rektors erklärt sich der Senat mit dem Vorgehen des Rektors nachträglich einverstanden“.3 Der „Bericht an das Ministerium“, von dem der Rektor sprach, wurde von Max Weber formuliert. Er bezog darin eine Position, die er schon in der Fakultätssitzung vom 3. Juli 1919 eingenommen4 und die er sowohl in seinem gemeinsamen Brief mit Lujo Brentano, Walther Lotz und Georg v. Mayr als auch in seinem Sondergutachten, beide vom 18. Juli 1919, dargestellt hatte.5 1  UA München, Sen-II-528. 2 Ebd. 3  Vgl. das Senatsprotokoll vom 20. Dez. 1919, ebd. 4  Vgl. Weber, Zur Angelegenheit Dr. Salz, oben, S.  617–621. 5  Vgl. den gemeinsamen Brief an den Akademischen Senat der Universität München vom 18. Juli 1919, MWG II/10, S.  691–693, und Weber, Sondergutachten Dr. Salz, oben, S.  622–633.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird das undatierte, eine Seite umfassende, handschriftliche Manuskript Max Webers. Es befindet sich im Universitätsarchiv München, Sen-II-528, Bl.  15 (A). Es enthält am oberen Blattrand Zusätze von dritter Hand: „Antwort des Rectors auf eine mündliche Anfrage des Staatssecretärs des Cultusminist[eriums] Dr. Saenger. 20.XII“, „zu den Acten Salz“, „F. v. Müller 3.I.20“. Am unteren Blattrand findet sich mittig die Blattzählung 15, die hier als A 15 übernommen wird. Von Weber gestrichene Passagen werden im textkritischen Apparat wiedergegeben, die Einschübe ebendort annotiert.

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[Entwurf einer Stellungnahme der Universität München Dr. Salz betr.] A 15

Was die aim Bericht angedeutetena Bedenken gegen die Person des Herren Prof. Salz anlangt,1 so bestehen sie in Folgendem: Nach fachmännischer, auch in dem Sonderbericht – wenn auch nur in allgemeiner Form – angedeuteter Ansicht bestehen gegenb eine der größeren Arbeiten des genannten Herren (Industriegeschichte Böhmens) sehr ernste wissenschaftliche Bedenken, die auch in äußerst scharfen Kritiken Ausdruck fanden.2 cDiese Arbeit ist nun graded die zuletzte (1913) von ihm erschienene.c Daß Herr Prof. Salz diese Scharte bisher nicht wieder ausgewetzt hat, kann ihm zwarf, da er im Kriegsdienst3 stand,g nicht zum Vorwurf gereichen undh hat auch nicht gehindert, daß ihm die Universität Heidelberg seither den Professor-Titel erwirkte.4 Immerhini mußte aber doch dieser Umstand einer Umhabilitierung hierher im Wege stehen, umso mehr als eine solche – wie auch der Bericht erwähnt5 – einem besondren Bedürfnis der Universität, grade diese Lehrkraft zu gewinnen, nicht entsprach und inzwischenj Anträge fürk Besetzung des dritten Ordinariats im Gange sind,6 vor derenl Erledigung Habilitationen zweckmäßiger Weise zurückgestellt werden sollten.

a Einschub.   b  eine > gegen  c–c Einschub vom linken Blattrand.   d  aber > grade  e  〈von〉    f Einschub.   g  〈(das Buch erschien 1913)〉  h  Einschub.   i  Immerh > Immerhin  j  seine > inzwischen  k  auf > für  l  dessen > deren 1  Vermutlich bezieht sich Max Weber hier auf das Schreiben des Akademischen Senats der Universität München an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 28. Aug. 1919. Vgl. das Senatsprotokoll vom 20. Dez. 1919, UA München, Sen-II-528, und den vorstehenden Editorischen Bericht. 2  Gemeint ist: Salz, Böhmische Industrie. Das 1913 veröffentlichte Buch war von Paul Sander kritisiert worden. Max Weber griff seinerseits Sanders Kritik scharf an, die nicht sachlich, sondern denunziatorisch sei und damit gegen die guten akademischen Sitten verstoße. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Redaktionelles Nachwort, oben, S.  418–421. 3  Vgl. dazu Weber, Sondergutachten Dr. Salz, oben, S.  622–633. 4  Arthur Salz war am 11. Juni 1918 zum a. o. Professor der Universität Heidelberg ernannt worden. Vgl. Drüll, Arthur Salz (wie oben, S.  618, Anm. 7), S.  231. 5  Vgl. oben, Anm.  1. 6  Gemeint ist die Besetzung der Professur Georg v. Mayrs, vgl. dazu Weber, Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr I und II, oben, S.  640–643, und unten, S.  647–650.

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[Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur II] [Anmerkungen zum Protokoll der Sitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München am 20. Dezember 1919]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Im Laufe des Jahres 1919 hatte sich die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München mit den Fragen zu beschäftigen, ob und wann Georg v. Mayr seinen Lehrstuhl freigeben würde und wie dieser und die Leonhardsche Stiftungsprofessur zu besetzen seien.1 Als die Vorschläge der von der Fakultät eingesetzten Berufungskommission für den Lehrstuhl v. Mayr in der Fakultätssitzung vom 20. November 1919 auf den Widerstand Georg v. Mayrs stießen, wurde die Kommission beauftragt, erneut an die Fakultät zu berichten. Die nächste Fakultätssitzung wurde für den 20. Dezember 1919 einberufen. Dort unterrichtete Walther Lotz die Fakultätsmitglieder über seine und Max Webers Erwiderung auf die Erklärung v. Mayrs vom 19. November 1919.2 Beschlossen wurde, diese nicht an den Senat weiterzuleiten.3 Nachdem entschieden war, daß v. Mayr zum Wintersemester 1920/21 zurücktritt, einigte man sich auf die von der Kommission vorbereiteten Vorschläge für die Besetzung seiner Professur und der neu zu errichtenden Leonhardschen Professur. Es wurden zwei Gesamtlösungen unterbreitet, die davon abhingen, ob „die Leonhard’sche außerordentliche Professur in ein Ordinariat umgewandelt werden kann“ oder nicht.4 Festgelegt wurden die Berufungsliste: Eulenburg (1. Stelle) und Eßlen (2. Stelle) als Nachfolger für v. Mayr, und die Kandidaten für eine außerordentliche Leonhardsche Professur5 (Jakob Strieder, Rudolf Kötzschke, Rudolf Häpke) bzw. für ein Leonhardsches Ordinariat 1  Vgl. dazu die Editorischen Berichte zu Weber, Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, oben, S.  605–607, und zu Weber, Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr I, oben, S.  640 f. 2  Vgl. dazu unten, S.  649. 3  Vgl. „Niederschrift über die 2. Fakultätssitzung am 20. Dez[em]b[e]r 1919 vormittags 10½ Uhr“, UA München, M-III-1.10, S.  5. 4 Ebd. 5  Ebd., S.  3.

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Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr II

(Bonn und Eßlen).6 Auch die zu lehrenden Fachgebiete („Nominalfächer“) wurden zugeordnet. Max Weber äußerte sich nur zu der unter Punkt 1A besprochenen „Wiederbesetzung der v. Mayr’schen ordentlichen Professur“, speziell zu dem an erster Stelle vorgeschlagenen Franz Eulenburg.7

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommen Max Webers Randbemerkungen und sein Protokollzusatz vom 2. Januar 1920 zu Punkt 1A der von Dekan Max Endres abgefaßten „Niederschrift über die 2. Fakultätssitzung am 20. Dez[em]b[e]r 1919 vormittags 10½ Uhr“. Das sechsseitige Protokoll ist im Universitätsarchiv München, M-III-1.10, überliefert (A). Die Niederschrift ist ab S.  2 paginiert. Die Seitenangaben werden vom Editor als A 2 etc. sigliert. Um Webers Äußerungen in ihren Kontext zu stellen, werden die entsprechenden Passagen des Protokolls, in kleinerer Schrifttype, wiedergegeben.

6  Für den Fall der Besetzung von zwei Ordinariaten (Mayrsche und Leonhardsche Professur) wünschte die Fakultät die Paarungen: 1) Eulenburg und Bonn; 2) Eulenburg und Eßlen; 3) Eßlen und Bonn. Ebd., S.  5. 7  Vgl. unten, S.  649 f.

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[Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr und Besetzung der Leonhardschen Professur II] I. 5

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Lotz gibt die schriftliche Erwiderung der Prof. Lotz und Weber zu der Erklärung des Prof. von Mayr v. 19. Nov. 1919 bekannt.1 […]  1) Wenn die Leonhard’sche außerordentliche Professur nicht in eine ordentliche A 3 umgewandelt werden kann. A) Für die Wiederbesetzung der v. Mayr’schen ordentlichen Professur: An erster Stelle Franz Eulenburg, geb. 1867 in Berlin, gegenwärtig als Ordinarius an die Universität Kiel berufen. Randbemerkung Max Webers:

schon dort Leitung, seit Oktober[.]2

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An zweiter Stelle Josef Bergfried Esslen, geb. 13. 8. 1879 in Trier, z. Z. o. Prof. an der Univ. Göttingen. Nominalfächer für jeden der Vorgeschlagenen sollen sein: Nationalökonomie, Finanzwissenschaft, Statistik, eventuell auch Versicherungswissenschaft. Diese Vorschläge fanden einstimmige Annahme, ausgenommen die Übertragung der Statistik als Nominalfach, wogegen zwei Mitglieder stimmten. Randbemerkung Max Webers: 2 bei Eulenburg einstimmig[.] […] 

20

Es wird beschlossen, daß die Kommissionsberichte Lotz u. Weber und das Gut- [A 5] achten v. Mayr nicht an den Senat geleitet werden.3 Der Dekan wird einen selbständigen Brief an den Senat erhalten. […]  An die Ordinarien zur Genehmigung

1  Weder das Memorandum Georg v. Mayrs noch die schriftliche Erklärung von Wal­ ther Lotz und Max Weber sind nachgewiesen. 2  Franz Eulenburg wurde am 25. Oktober 1919 zum ordentlichen Professor für Nationalökonomie und Statistik in Kiel berufen. 3  Vgl. das Schreiben v. Mayrs an das Bayerische Ministerium für Unterricht und Kultus vom 20. Dez. 1919, BayHStA München, MK 17862.

[A 6]

650

Neubesetzung des Lehrstuhls v. Mayr II

Zu 1 B stelle ich fest, daß bei Berufung von Dr. Häpke4 das Nominalfach Wirtschaftsgeographie nicht mit in Betracht kommt, sondern durch den Ordinarius wahrzunehmen ist. Im übrigen einverstanden 2. I. 1920 W. Lotz

Z[u] 1 A tatsächlich: 1) Eulenburg ist schon als Ordinarius in Kiel (allerdings für ein erst anzuforderndes Ordinariat) ernannt (seit Herbst) und dort tätig.5 2) Meiner Erinnerung nach war die Abstimmung für Übertragung der Statistik an Eulenburg einstimmig. (nicht: an Eßlen). Doch entscheidet hier die Erinnerung des Herrn Dekans. Sonst: wie Lotz 2/I. Max Weber

4  Rudolf Häpke war an dritter Stelle für die Besetzung der außerordentlichen Leonhardschen Professur nach Jakob Strieder und Rudolf Kötzschke genannt worden. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  647. 5  Vgl. dazu ebd.

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I d.  Stellungnahmen zu Fakultätsangelegenheiten

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[Befreiung Adolf Lugers von der Zahlung des Kolleggeldes] (14. November 1897)

Editorischer Bericht Zur Entstehung In einem Schreiben an die Quästur der Universität Heidelberg vom 14. November 1897 teilte Max Weber mit, daß der Gewerbelehrer Adolf Luger unentgeltlich an seinen Vorlesungen teilnehmen dürfe. Luger hörte im Sommersemester 1897 bei Max Weber die Vorlesung „Allgemeine (‚theoretische‘) Nationalökonomie“ und im Wintersemester 1897/98 die Vorlesung „Praktische Nationalökonomie“.1

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt die eigenhändige, auf den 14. November 1897 datierte Mitteilung Max Webers an die Quästur, die sich im Universitätsarchiv Heidelberg, Akademische Quästur, Rep.  27–1409, ohne Blattzählung (A) befindet. Das Blatt wird hier als A (1) sigliert.

1  UA Heidelberg, Akademische Quästur, Rep.  27–1409.

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[Befreiung Adolf Lugers von der Zahlung des Kolleggeldes] A (1)

Herrn Gewerbelehrer Luger gestatte ich den unentgeltlichen Besuch meiner Vorlesungen[.] Heidelberg 14.XI.97 Max Weber

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[Antrag zur Änderung der Habilitationsordnung] [19. Juli 1902]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Für die Fakultätssitzung am 19. Juli 1902 stellte Max Weber den Antrag, §  1, Absatz 2 der bisherigen Habilitationsordnung zu ändern. Dieser lautete: „Wer sich bei der philosophischen Fakultät habilitiren will, soll im Besitze des Reifezeugnisses eines humanistischen Gymnasiums sein“.1 Max Weber wollte für die Habilitanden im Fach Politische Ökonomie diese Anforderung lockern. Doch sah es zunächst so aus, als könne er nicht anwesend sein. Laut einem Schreiben des Dekans wollte man deshalb die Diskussion des Antrages auf den Beginn des Wintersemesters verschieben, „um dem jetzt in Urlaub befindlichen Herrn Collegen Weber Gelegenheit zu geben, sich auch seinerseits an den Beratungen über den für ihn wichtigen Gegenstand zu be­tei­ ligen“.2 Weber nahm dann aber doch an der Sitzung vom 19. Juli teil.3 Der unten edierte Antrag Max Webers wurde von der Philosophischen Fakultät einstimmig angenommen, vom Ministerium genehmigt4 und im Wortlaut in die neue Habilitationsordnung aufgenommen.5

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommt der Max Webers Antrag betreffende Auszug aus dem von dritter Hand abgefaßten Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg am 19. Juli 1902, Universitätsarchiv Heidelberg, H-IV-102/132, Bl. 718 (A). Die Sitzung begann um 18 Uhr, anwesend waren alle Fakultätsmitglieder mit Ausnahme von Alfred von 1  UA Heidelberg, H-IV-102/133, Bl.  41r. 2  Schreiben des Dekans Carl Bezold an die Mitglieder der Philosophischen Fakultät vom 7. Juli 1902, UA Heidelberg, H-IV-102/132, Bl. 694. 3  Vgl. den Brief Max Webers an Carl Bezold, vor oder am 16. Juli 1902, MWG II/3, S.  853. 4  Vgl. das Schreiben des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 30. Juli 1902, UA Heidelberg, H-IV-102/132, Bl. 697. 5  Vgl. die Druckfassung der Habilitationsordnung, ebd., Bl. 698.

656

Antrag zur Änderung der Habilitationsordnung

Domaszewski und Henry Thode. Fünf Tagesordnungspunkte wurden verhandelt, der vierte betraf Webers Antrag. Er ist hier wiedergegeben. Der von Weber formulierte Text ist in normaler, der übrige auszugsweise in kleinerer Schrifttype wiedergegeben.

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[Antrag zur Änderung der Habilitationsordnung]

5

Es folgt ein Antrag des Herrn Coll[egen] Weber, zu §  1, 2 (huma­nist[i­sche] A 718 Reifezeugnisse betr.) der neuzudruckenden, bezw. vom Gr[oßherzoglichen] Ministerium zu genehmigenden Habilitationsordnung folgenden Zusatz aufzunehmen:

„Bei solchen Bewerbern, welche sich für das Fach der Politischen Ökonomie habilitiren wollen, kann von der Facultät in besonderen Fällen von der Forderung ad 2) abgesehen werden“.

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[Semester- und Ferieneinteilung an den Hochschulen] [nach dem 4. August 1919]

Editorischer Bericht Zur Entstehung An den bayerischen Universitäten dauerte das Wintersemester in der Regel von Mitte Oktober bis Ende Januar, das Sommersemester von Anfang Mai bis Ende Juli. Mit Schreiben vom 4. August 1919 bat der Rektor der LudwigMaximilians-Universität München, Friedrich von Müller, um eine Stellungnahme der Fakultäten zu den Gutachten von Rudolf Martin und Alfred ­Pringsheim, die eine andere Jahreseinteilung vorschlugen.1 Während Pringsheim ein in Trimester unterteiltes Unterrichtsjahr wünschte,2 plädierte Martin für Semester von September bis Weihnachten und von März bis Ende Juni. Die in Martins Gutachten vertretene Vorstellung, daß die bis ins zwanzigste Lebensjahr noch wachsenden jungen Männer im Frühjahr weniger leistungsfähig seien und deshalb zur Stärkung in den Monaten Januar und Februar eine Ruhepause brauchten, kommentiert Max Weber am Rand des Gutachtens mit der handschriftlichen Bemerkung: „Und gerade da soll Semester sein!!“3 Unter dem maschinenschriftlichen Text des Rektorats finden sich die Unterschriften der Mitglieder der Staatswirtschaftlichen Fakultät, z. T. mit kurzen Kommentaren. In einem längeren Kommentar lehnt Walther Lotz den Vorschlag von Pringsheim ab, weil er die „Freizügigkeit der Studirenden“ schädige und eine „Trimestrierung“ in den staatswissenschaftlichen Fächern „ein Hemmnis gründlicher Lehrtätigkeit“ sei.4 Dem schließt sich Max Webers Kommentar auf der Rückseite des Blattes an.

1  Rudolf Martin, Professor für Anthropologie, und Alfred Pringsheim, Professor für Mathematik, gehörten der Philosophischen Fakultät an. 2  Vgl. den Vorschlag Alfred Pringsheims vom 26. Juli 1919, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“. 3  Vgl. den undatierten Vorschlag Rudolf Martins, ebd. 4  Vgl. die Stellungnahme von Walther Lotz unter dem Schreiben des Rektorats der Ludwig-Maximilians-Universität vom 4. Aug. 1919, ebd.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird der eigenhändige, undatierte Schriftsatz Max Webers, der sich auf der Rückseite eines Schreibens des Rektors der Universität München vom 4. August 1919 in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“, befindet (A). Die Akten sind nicht paginiert. Für die Blattrückseite wird hier die Sigle A (1)v eingeführt.

660

[Semester- und Ferieneinteilung an den Hochschulen] A (1)v

Ganz entschieden gegen diese Vorschläge,1 die mit den zu Grunde gelegten medizinischen Betrachtungen in schroffstem Widerspruch stehen, vor Allem aber das staatswiss[enschaftliche] Studium schwer schädigen würden.2 Es scheint doch sehr übereilt, grade jetzt, wo wir noch gar nicht wissen, mit welchen allgemeinen Bedingungen wir zu rechnen haben, an solchen Umsturz zu gehen, – nur um zu „ändern“. Mündliche Erörterung im großen Kreis wäre nötig[.] Max Weber

1  Gemeint sind die Vorschläge von Alfred Pringsheim und Rudolf Martin, vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  658. 2 Hier schließt sich Max Weber der Argumentation von Walther Lotz an, vgl. dazu oben, S.  658 mit Anm.  4.

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[Drucklegung von Dissertationen I] (29. November 1919)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Wegen der nachkriegsbedingten Papierknappheit und der hohen Druckkosten wurden die Universitäten in Bayern mit einer Ministerialentschließung vom 20. Oktober 1919 dazu angehalten, die Studenten vom „Zwange zum Druck der Doktordissertationen“ zu befreien“.1 Dies sollte aber nur eine vorübergehende Lösung sein. Um die Drucklegung von Dissertationen definitiv zu regeln, holte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Meinung der Ordinarien per Fragebogen ein, der über die Dekane geleitet wurde. Die Mitglieder der Staatswirtschaftlichen Fakultät lieferten ihre Kommentare zwischen dem 28. November und 3. Dezember 1919, und zwar auf einem Papierdoppelbogen, der die Aufforderung des Dekans enthielt.

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt der handgeschriebene Schriftsatz Max Webers vom 29. November 1919, der sich auf dem Umlaufschreiben des Dekans der staatswirtschaftlichen Fakultät vom 28. November 1919 befindet und in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Promotionsangelegenheiten“, überliefert ist (A). Die Akten sind nicht paginiert. Max Webers Kommentar befindet sich auf der Rückseite des ersten Blattes, die hier als A (1)v sigliert wird. Zum besseren Verständnis werden auch die Aufforderung des Dekans sowie der Kommentar von Walther Lotz auf der ersten Blattvorderseite (A (1)r), in kleinerer Schrift, wiedergegeben. Auf die Wieder-

1  Vgl. das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Senate der drei Landesuniversitäten und den Senat der Technischen Hochschule in München vom 20. Okt. 1919, UA München M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät, Unterabteilung „Promotionsangelegenheiten“. Gemäß §  8 der Promotionsordnung von 1909 (UA München G-VIII-1, Bd. 1d Doktor-Promotion) mußten 110 Exemplare unentgeltlich an die Universität abgeliefert werden.

662

Drucklegung von Dissertationen I

gabe der Stellungnahmen von v. Tubeuf, Escherich, Ramann, v. Mayr, Schüpfer und Fabricius, die auf Webers Stellungnahme auf den Blättern A (1)v und A (2)r folgen, wird hingegen verzichtet.

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Betr. Drucklegung der Dissertationen

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A (1)r

Beiliegende Ministerialentschließung zur Kenntnis der Herren Ordinarien und zwecks Stellungnahme zu Punkt 5 des Fragebogens.1 Die Fragen 1. u. 22 zu beantworten lehne ich ab, weil ich keine Zeit habe, auf zehn Jahre zurück sämtliche Promotionsakten durchzusehen. Wenn das Ministerium diese wirklich braucht, soll es einen Beamten schicken, der die Erhebungen macht. Endres, Dekan Frage 1 kann durch Befragung der Univ. Bibliothek beantwortet werden. Frage 2 macht einige Mühe, ist aber dann schnell aus den Akten zu erledigen Frage 33 führt irre, weil die besten Dissertationen in Sammlungen erscheinen und dann nicht ein Diss. Exemplar ausgeliehen [wird]. Frage 44 ist für Handbibliotheken wie im staatsw[irtschaftlichen] Seminar nicht ziffermäßig zu beantworten. Zu Frage 5: Einen Auszug aus der Arbeit als Dissertation drucken zu lassen haben wir stets abgelehnt. Dagegen haben wir bei sehr umfangreichen Arbeiten darauf gehalten, daß zwar die ganze Arbeit gedruckt und veröffentlicht wird, aber Einreichung eines selbständigen Teils in Diss. Exemplaren gestattet. Hiergegen protestierte die Univ. Bibliothek. Anderseits zwang eventuell die Rücksicht auf die materielle Lage zu diesem Vorgehen.  Ich bin dafür, daß A (1)v Einreichung eines Teils in Diss. Abzügen die Ausnahme zu bilden hat, aber gerade im Interesse d[er] hohen Qualität d[er] Dissertationen nötigenfalls beibehalten werden muß. 28.11.1919 Lotz

1  Frage 5: „Ist es zweckmäßig und genügt es, die Veröffentlichung eines vom Verfasser anzufertigenden Auszuges oder die Veröffentlichung einiger Kapitel der Arbeit oder beides zu verlangen?“. Vgl. Fragebogen zum Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 21. Nov. 1919, Vorgang Nr.  43162, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät, Unterabteilung „Promotionsangelegenheiten“. 2 Die Fragen lauteten: „1. Wieviel Doktor-Dissertationen sind in den Jahren 1909– 1919 in jedem Jahr angenommen worden? 2. Wieviel der angenommenen Doktor-Dissertationen haben die I., wieviel die II., wieviel die III. und wieviel die IV. Zensur erhalten?“. Ebd. 3  Frage 3: „Wieviel Dissertationen sind in jedem Jahre von der Bibliotheksverwaltung ausgeliehen worden, und welchen Fakultäten gehörten sie an?“. Ebd. 4  Frage 4: „Lassen sich Angaben über die Benutzung der Dissertationen in den einzelnen Instituten machen? Wenn ja, sind hierüber Angaben herbeizuziehen?“. Ebd.

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Drucklegung von Dissertationen I

Der von Prof. Lotz geschilderte Zustand besteht auch in Freiburg und Heidelberg. Dem Dekan zuzumuten, die Frage 25 zu beantworten, scheint auch mir unbillig. Mit dem bestehenden Zustand ist Niemand zufrieden. Aber ohne ein Diplom-Examen lassen sich die Verhältnisse nicht ändern.6 (Außer der Univ.-Bibl. käme für die Beantwortung der Frage 37 die Staatsbibl[iothek] in Betracht. Das Seminar kann darüber nichts aussagen). Im Übrigen durchaus mit Lotz einverstanden 29/11 Max Weber

5  Vgl. dazu oben, S.  663, Anm.  2. 6 Bisher konnten Studierende der Nationalökonomie ihr Hochschulstudium nur mit einer Promotion abschließen. In den Beschlüssen der engeren Fakultät vom 28. August 1919 (UA München M-III-1.10) hieß es unter Punkt 11: „Die Fakultät wird an die übrigen Hochschulen einschließlich der technischen und Handelshochschulen ein Rundschreiben richten, wie sie sich zur Frage eines einheitlich im Reiche einzurichtenden volkswirtschaftlichen Diplomexamens stellen. Nach Erledigung dieser Frage kann die Reform des Dok­tor­examens in Angriff genommen werden. Es wird anerkannt, daß ein Bedürfnis besteht, den Abschluß des staatswissenschaftlichen Studiums durch ein Diplomexamen zu ermöglichen. Allerdings wurden auch Bedenken geäußert, ob den Studierenden damit der erhoffte Nutzen zuteil werde.“ Walther Lotz verfaßte unter dem Titel „Diplomprüfungen“ ein Gutachten für den Verein für Socialpolitik: Die Reform der staatswissenschaftlichen Studien. Fünfzig Gutachten im Auftrage des Vereins für Sozialpolitik, hg. von Dr. I[gnaz] Jastrow (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 160). – München, Leipzig: Duncker & Humblot 1920, S.  355–357. Am 18. Dezember 1919 (MWG II/10, S.  865 f.) schrieb Max Weber an Heinrich Herkner: „Wenn es gelänge, das Doctor-Examen von dem Zudrang der Brot-Nationalökonomen zu entlasten, das würde ich begrüßen und jeder Weg wäre mir recht.“ Die Diplomprüfung für Volkswirte wurde in München 1923 eingeführt. Vgl. dazu auch den Brief Max Webers an Johann Plenge vom 28. Dez. 1919, MWG II/10, S.  874 f., hier S.  874. 7  Vgl. dazu oben, S.  663, Anm.  3.

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[Zwischensemester 1919/20] (4. Dezember 1919)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Allgemeinen Studentenausschüsse und Kriegsteilnehmerverbände der Universitäten Würzburg und Erlangen forderten im September bzw. Oktober 1919 das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf, dem Beispiel Preußens zu folgen und denjenigen Studenten, die am Krieg teilgenommen und dadurch mindestens sechs Semester verloren hätten, im Winter 1919/20 ein Zwischensemester zu genehmigen. Das Ministerium vertagte eine endgültige Entscheidung.1 Am 3. Dezember 1919 informierte dann der Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät in München, Max Endres, die Fakultät über die Ministerialentschließung, daß in der Zeit vom 9. Februar bis 31. März 1920 ein Zwischensemester abzuhalten sei.2 Zusätzlich bat er Wal­ ther Lotz um „Verständigung des Fachausschusses“. Vom 4. bis 9. Dezember nahmen die Fakultätsmitglieder – einige unter Abgabe von Kommentaren – die Mitteilung des Dekans zur Kenntnis. In der Fakultätssitzung vom

1  Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Allgemeinen Studentenausschüsse an den Universitäten Würzburg und Erlangen vom 12. Nov. 1919, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“. 2  Die Ministerialentschließung beruhte auf einem Landtagsbeschluß vom 2. Dezember 1919. Zum Zwischensemester zugelassen wurden: a.) Kriegsgefangene, die an dem Frühjahrszwischensemester 1919 nicht teilgenommen haben, b.) Kriegsteilnehmer, die durch Kriegsdienst 6 oder mehr Semester an ihrer Studienzeit verloren haben, c.) Kriegsteilnehmer, die nach Abschluß des Krieges ohne ihr Verschulden durch Maßnahmen feindlicher Mächte (Absperrung, Internierung) oder die durch Dienst beim Grenzschutz, bei einem Freikorps oder bei der Reichswehr verhindert waren, am Frühjahrszwischensemester 1919 oder am Sommersemester 1919 oder am Wintersemester 1919/20 teilzunehmen, d.) Kriegsbeschädigte, auch wenn sie einen Verlust an Studienzeit nicht erlitten haben, sofern ihnen aus ihren Gebrechen ein dauernder schwerer Schaden erwachsen ist. Vgl. das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Senate der drei Landesuniversitäten vom 10. Jan. 1920, UA München, ebd.

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Zwischensemester 1919/20

20. Dezember 1919 wurde die Ministerialentschließung zum Zwischensemester diskutiert.3

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird der eigenhändige Schriftsatz Max Webers vom 4. Dezember 1919, der sich auf dem Umlaufschreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät vom 3. Dezember 1919 befindet und in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“, überliefert ist (A). Die Akten sind nicht paginiert. Max Webers Kommentar befindet sich auf der Vorderseite des gehälfteten Blattes, wofür hier die Sigle A (1)r eingeführt wird. Zum besseren Verständnis werden auch die Aufforderung des Dekans und die Stellungnahme von Walther Lotz, in kleinerer Schrifttype, wiedergegeben. Auf den Abdruck der nachfolgenden Kommentare von v. Mayr (5.12.) und Sinzheimer (9.12.) sowie der Unterschriften von Zahn, Ramann, Schüpfer, v. Tubeuf, Fabricius und Hausmann, die sich auch auf die Blattrückseite erstrecken, wird hingegen verzichtet.

3 Vgl. das Protokoll der Fakultätssitzung vom 20. Dez. 1919, UA München, M-III-1.1.10.

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Betr.: Min[isterial]-Entschl[ießung] Zwischensemester 1919/20

1)  An Herrn Prof. Lotz zur Verständigung des Fachausschusses 2)  An die Gesamtfakultät zur Kenntnis 3.12.19 Endres, Dekan 5

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Gesehen. Ich werde dem Fachausschuß berichten, sobald das inzwischen in der Sache ergangene Schreiben des Herrn Rektors mir zugegangen ist. 4/XII 1919 Lotz

Gesehen. Da inzwischen die Studirenden durch Parteidemagogie und Stimmenfangsinteressen der Parlamentarier und Angehen des Ministeriums über unseren Kopf uns vor vollendete Tatsachen zu stellen suchen,1 werde ich mich weigern, an einem „Zwischensemester“ mitzutun (d. h.: nur Seminar halten)2 Max Weber  4. XII.

1  Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  665 mit Anm.  2. 2  Zu Webers Kritik an einem Zwischensemester vgl. seine Briefe an Mina Tobler vom 2. Dez. 1919, MWG II/10, S.  850 f., vom 12. Dez. 1919, ebd., S.  863 f., vom 19. Dez. 1919, ebd., S.  870–872, und vom 29. Jan. 1920, ebd., S.  905–908. Max Weber war durch die Arbeiten an den ersten Kapiteln von „Wirtschaft und Gesellschaft“ sowie die Korrekturen der „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie“ völlig überlastet.

A (1)r

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[Unterrichtsveranstaltungen im Zwischensemester] [nach dem 10. Januar 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber hatte der Bitte des „Nationalökonomischen Fachausschusses der staatswirtschaftlichen Fakultät“ vom 9. Januar 1920, einige Zusatzveranstaltungen im Zwischensemester 1920 anzubieten, einschränkend zugestimmt. Er halte ein Seminar, sonst aber nichts.1 Einen Tag später wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus eine Verfügung erlassen, die zusätzliche Unterrichtsveranstaltungen für Kriegsteilnehmer allen Dozenten zur Pflicht machte.2 Darüber war Weber so verärgert, daß er im Unterschied zu seinen Kollegen Georg v. Mayr und Walther Lotz, die Veranstaltungen anboten, nun auch das versprochene Seminar nicht abhielt.3

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird das eigenhändige, undatierte Schreiben Max Webers, das sich in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“, befindet (A). Die Akten sind nicht paginiert. Das Blatt wird hier als A (1) sigliert.

1  UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“. Bereits in seiner Erklärung vom 4. Dez. 1919 kündigte er an, im Zwischensemester lediglich ein Seminar abzuhalten. Vgl. Weber, Zwischensemester, oben, S.  665–667. 2  Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Senate der drei Landesuniversitäten vom 10. Jan. 1920, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“. 3  Bereits am 12. Dezember 1919 schrieb er an Mina Tobler: „Das Zwischensemester mache ich nicht mit. Ich streike da glatt.“, MWG II/10, S.  863.

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[Unterrichtsveranstaltungen im Zwischensemester]

5

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Angesichts der Eingriffe in das Recht, die allgemein, nach den sonst geltenden Bestimmungen, qualifizierten Hörer nach eigner Verantwortlichkeit zuzulassen, ziehe ich meine angemeldete Bereitwilligkeit, Seminarübungen abzuhalten, zurück und weigere mich, an den Veranstaltungen teilzunehmen. Mochte verfügt werden: daß das Zwischensemester nur Kriegsteilnehmern gerechnet werde, so ist diese Bestimmung derart odiös, daß ich nicht gesonnen bin, mich ihr zu fügen. Ich bitte mich also in den Listen zu streichen. Max Weber

A (1)

670

[Drucklegung von Dissertationen II] (16. Januar 1920)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Wegen der hohen Papier- und Druckkosten wurden die Fakultäten am 20. Oktober 1919 vom Ministerium gebeten, vom „Zwange zum Druck von Doktorarbeiten“ bis zu einer endgültigen Regelung abzusehen.1 Am 14. Januar 1920 bat der Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Max Endres, „die Herren Ordinarien zu Äußerung“ betreffend „Promotionswesen“. Zugrunde lag ein Schreiben der Philosophischen Fakultät, I. Sektion, der Universität München vom 12. Dezember 1919, in dem eine Neuregelung vorgeschlagen wurde. Darin hieß es u. a., daß Doktoranden, die sich den Druck ihrer Doktorarbeit nicht leisten können, nur eine Inhaltsangabe ihrer Studie, samt Lebenslauf, in gedruckter Form vorzulegen haben. Diese sei dann in einem Jahrbuch zu veröffentlichen.2 Nach dem 14. Januar 1920 gaben Max Weber und sechs weitere Mitglieder der Staatswirtschaftlichen Fakultät ihre vorwiegend skeptischen Stellungnahmen ab. Dieses Schriftstück leitete Walther Lotz am 24. Januar an den Senat mit dem Bemerken weiter, eine abwartende Haltung einzunehmen und die Hoffnung, „Dissertationen drucken zu lassen“, nicht aufzugeben.3

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommt Max Webers eigenhändiger und auf den 16. Januar 1920 datierter Schriftsatz, der sich auf dem doppelseitig beschriebenen Fakultätszirkular mit der Überschrift „Betr. Promotionswesen“ vom 14. Januar befindet und in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig1  Zum Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 20. Okt. 1919 vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Drucklegung von Dissertationen I, oben, S.  661 mit Anm.  1. 2  Schreiben der Philosophischen Fakultät (I. Sektion) an das Rektorat vom 12. Dez. 1919, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät, Unterabteilung „Promotionsangelegenheiten“. 3  Zusatz von Walther Lotz auf dem Zirkular „Betr. Promotionswesen“, ebd.

Editorischer Bericht

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Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Promotionsangelegenheiten“, überliefert ist (A). Die Akten sind nicht paginiert. Max Webers Stellungnahme befindet sich auf der Blattvorderseite, die vom Editor mit der Sigle A (1)r versehen ist. Sie folgt an zweiter Stelle auf die Stellungnahme von Walther Lotz. Diese wird, weil sich Weber auf sie bezieht, (in kleinerer Schrifttype) wiedergegeben, während die auf Webers Stellungnahme folgenden Bemerkungen von v. Tubeuf, v. Mayr, Ramann, Fabricius und die abschließende Bemerkung von Lotz (24.1.1920) nicht abgedruckt werden.

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[Drucklegung von Dissertationen II] A (1)r

[Betr. Promotionswesen] An die Herrn Ordinarien zu Äußerung 14. I.

Endres, Dekan

Die Drucklegung des Hauptergebnisses der Dissertation in einem Jahrbuch ist ein Ausweg, wenn an der Aussicht die Dissertation zu drucken definitiv [ge-] zweifelt wird. Einstweilen betrachte ich die Drucklegung unserer Dissertationen nur als hinausgeschoben. Zur Zeit wäre daher das Verfahren der philo­s[o­ phi­schen] Fak[ultät] I Sektion bei uns noch nicht nachzuahmen. Wird es einmal nachzuahmen sein, dann wäre bei uns die Drucklegung des Lebenslaufs, wie dies die phil[osophische] Fakultät thut, nicht erforderlich, wohl aber dafür die Mitteilung, wer Referent der Fakultät für die betr. Dissertation war. 15. I. 20 W. Lotz

Vor Entscheidung über die Frage der Diplom-Prüfung1 muß ich mich einer Äußerung enthalten. Den letzten Satz des vorstehenden Gutachtens aber unterschreibe ich natürlich unter allen Umständen. 16.1.20 Max Weber

1  Zur Einführung einer Diplomprüfung für Volkswirte vgl. Weber, Drucklegung von Dissertationen I, oben, S.  664, Anm.  6.

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[Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät I] [26. Januar 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Mit der Berufung Max Webers in die Kommission für die Juristische Univer­ sitäts­ schlußprüfung der Ludwig-Maximilians-Universität München am 13. Januar 19201 und der Einführung einer zusätzlichen, außerordentlichen juristischen Abschlußprüfung für Kriegsteilnehmer im Wintersemester 1919/202 gingen für ihn weitere universitäre Verpflichtungen einher. Als Vertreter der staatswirtschaftlichen Fächer hatte er die Kandidaten 30 Minuten in Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft zu prüfen.3 Für die juristischen Abschlußprüfungen im Jahre 1920 wurde für München, Würzburg und Erlangen je eine Prüfungskommission gebildet. Ihr gemeinsamer Vorsitzender war der Ministerialdirektor im Justizministerium Hermann Schmitt, sein Stellvertreter Ministerialrat Heinrich Spangenberger.4 Dieser bat Max Weber, „wenigstens morgen Dienstag in der gleichen Weise wie das letzte Mal an der Prüfung teilnehmen zu wollen“.5 Das Schreiben ist undatiert. Doch dürfte ­Dienstag, der 27. Januar 1920, gemeint sein, denn von den drei in den Akten

1  Vgl. das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an den Senat der Universität München vom 13. Jan. 1920, BayHStA München, MJu 10166. 2  Vgl. das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Rektorate der Universitäten München und Würzburg und an das Prorektorat der Universität Erlangen vom 27. Nov. 1919, ebd. 3  Die Prüfung in den staatswirtschaftlichen Fächern stand am Ende der mündlichen juristischen Abschlußprüfung. Zuvor wurden geprüft: bürgerliches Recht (einschließlich Handelsrecht, Wechselrecht und Zivilprozeßrecht), Strafrecht und Strafprozeßrecht, Staats- und Verwaltungsrecht. Vgl. den Erlaß von Hermann Schmitt vom 18. Jan.1920, ebd. 4 Vgl. das undatierte Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Senate der drei Landesuniversitäten, ebd. 5  Vgl. unten, S.  675.

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Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät I

vermerkten Terminen ist nur der 27. Januar ein Dienstag.6 Zusätzlich wurde Weber für denselben Tag noch zu einer Prüfungsvertretung aufgefordert.7 Das Ersuchen Spangenbergers und Max Webers Antwort darauf sind folglich auf Montag, 26. Januar 1920, zu datieren.

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck gelangt das undatierte, eigenhändige Antwortschreiben Max Webers auf das ebenfalls undatierte Ersuchen von Ministerialrat Spangenberger. Das Schreiben befindet sich in den Akten des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, MJu 10165 (A). Die Akten sind nicht paginiert. Die Seite wird hier als A (1) sigliert. Die Antwort Max Webers befindet sich auf demselben Blatt wie das Schreiben Spangenbergers, das hier in kleinerer Schrifttype wiedergegeben wird.

6  Laut den Abstimmungslisten der Zweiten Außerordentlichen Universitätsschlußprüfung (BayHStA München, MJu 10166) prüfte Weber am. 27. und 30. Januar sowie am 6. Februar 1920. 7  Vgl. Weber, Prüfungsvertretung für Moritz Julius Bonn, unten, S.  676–678.

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[Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät I]

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Euer Hochwohlgeboren A (1) bitte ich ergebenst, wenigstens morgen Dienstag in der gleichen Weise wie das letzte Mal an der Prüfung teilnehmen zu wollen. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Spangenberger

E[uer] Hochwohlgeboren bestätige ich, daß ich morgen, Dienstag, ¾ 1 Uhr zur Prüfung erscheinen werde. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Prof. Max Weber

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[Prüfungsvertretung für Moritz Julius Bonn] [27. Januar 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Ministerialrat im Bayerischen Justizministerium Heinrich Spangenberger ersuchte Max Weber am 27. Januar 1920, bei drei Prüfungen: „heute Nachmittag“, am 29. Januar und 6. Februar, Moritz Julius Bonn zu vertreten.1 Dieser war im Wintersemester 1919/20 beurlaubt, da er als Sachverständiger in dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß der Nationalversammlung mitwirkte.2 Max Weber sagte für zwei Termine zu, was Spangenberger umgehend bestätigte. Da es sich um den Prüfungstermin „Heut Nachmittag“3 handelt, ist der gesamte Schriftsatz auf den 27. Januar 1920 zu datieren.

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die undatierte, handschriftliche Antwort Max Webers auf das Ersuchen von Ministerialrat Spangenberger vom 27. Januar 1920, die sich in den Akten des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, MJu 10166, befindet (A). Die Akten sind nicht paginiert. Max Webers Antwort befindet sich auf demselben Blatt wie die beiden Schreiben Spangenbergers. Das Blatt wird hier als A (1) sigliert. Die Schreiben Spangenbergers werden in kleinerer Schrifttype wiedergegeben.

1  Vgl. unten, S.  677. 2  Die deutsche Nationalversammlung hatte am 20. August 1919 einen 28-köpfigen Ausschuß eingesetzt, der sich mit der deutschen Verantwortung für Kriegsausbruch, Kriegsverlauf, Verlängerung des Krieges und Verstöße gegen das Völkerrecht befassen sollte. Moritz Julius Bonn war Mitglied des Zweiten Unterausschusses, der die politisch und militärisch Verantwortlichen, darunter Bernstorff, Bethmann Hollweg, Helfferich, Ludendorff und Hindenburg, befragte. Vgl. Bonn, Moritz Julius, So macht man Geschichte. Bilanz eines Lebens – München: Paul List Verlag 1953, S.  233–241. 3  Vgl. unten, S.  677.

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[Prüfungsvertretung für Moritz Julius Bonn] Herr Professor Bonn, der heute nachmittag, ferner am Donnerstag, dem 29. A (1) d[es Monats] nachmittags und am Freitag, dem 6. dito zu prüfen hätte, ist durch Beurlaubung an der Prüfung verhindert. 5

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Ich bitte daher Euer Hochwohlgeboren ergebenst, an den genannten Tagen oder wenigstens heute Nachmittag (3 ½ Uhr) und am Donnerstag, dem 29. d[es] M[ona]ts für Herrn Prof. Bonn eintreten zu wollen. München, 27. Januar 1920 Spangenberger Ministerialrat

Zurück Herrn Ministerialrat Spangenberger Hochwohlgeboren

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1) Heut Nachmittag,1 2) Freitag den 6. II. will ich sehr gern aushelfen. Donnerstag den 29. d[es Monats] bin ich leider durch Verhandlungen vor dem Akademischen Senat verhindert.2 Hochachtungsvoll Max Weber

1  Auf der Prüferliste (BayHStA München, MJu 10166) wurde für den 27. Januar der Name Bonn durchgestrichen und durch Weber ersetzt. Am 6. Februar 1920 prüfte Max Weber. 2  Am 29. Januar 1920 übernahm Georg v. Mayr den Prüfungstermin (ebd.), Max Weber mußte sich vor dem Akademischen Senat der Universität München wegen der Arco-Unruhen rechtfertigen. Vgl. Weber, Unruhen in der Universität München, unten, S.  710–722.

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Prüfungsvertretung für Moritz Julius Bonn

Mit verbindlichstem Dank bitte ich Euer Hochwohlgeboren heute Nachmittag und Freitag, den 6. II. prüfen zu wollen. Mit vorzüglicher Hochachtung Spangenberger

K[ollegialer] G[ruß] Max Weber

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[Lehrauftrag für Arbeitsrecht] (9. Februar [1920])

Editorischer Bericht Zur Entstehung Heinz Potthoff, Referent für Arbeitsrecht in dem (von der Regierung Eisner neugebildeten) Ministerium für Soziale Fürsorge, verfocht nachdrücklich die Einführung des Arbeitsrechts als ordentliches Lehrfach an der Universität München. Bereits im Februar 1919 hatte er darüber eine Denkschrift verfaßt.1 Im Bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus stieß er damit offenbar auf den Widerstand von Ministerialrat Franz Matt.2 Dieser ließ verbreiten, die Fakultäten der Ludwig-Maximilians-Universität München hätten sich zu diesem Vorschlag ablehnend geäußert. Potthoff wollte nun wissen, ob dies der Wahrheit entsprach. Mit einem Schreiben vom 27. Januar 1920 auf einem „Ministerialbogen“ wandte er sich deshalb an die Staatswirtschaftliche und an die Juristische Fakultät.3 Der Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät, Max Endres, legte den Fakultätsmitgliedern am 6. Februar 1920 folgende Schriftstücke mit der Bitte um Stellungnahme vor: das Schreiben Potthoffs vom 27. Januar 1920, die Rückfrage des Dekans an das Ministerium für Soziale Fürsorge vom 28. Januar, ob das Schreiben Potthoffs ein Erlaß des Ministeriums oder nur eine „in amtliches Gewand gekleidete private Verteidigung“ sei,4 und die Antwort des Ministeriums vom 30. Januar, daß es sich dabei nicht um einen Erlaß des Ministeriums handle.5 Max Weber, der sich offenbar bereits zuvor ablehnend zu dem Vorschlag Potthoffs geäußert hatte, war der einzige, der eine Stellung-

1 Vgl. Seelig, Marie Louise, Heinz Potthoff (1875–1945). Arbeitsrecht als volkswirtschaftliches und sozialpolitisches Gestaltungsinstrument. − Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2008, S.  37. 2  Heinz Potthoff wurden, vor allem von seiten des Bayerischen Kultusministeriums, eigene Aspirationen auf eine Professur für Arbeitsrecht und somit eine Vermischung von Amts- und Privatinteressen unterstellt. Vgl. ebd., S.  35–44. 3  Brief von Heinz Potthoff an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München vom 27. Jan. 1920, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Verschiedenes“. 4 Ebd. 5 Ebd.

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Lehrauftrag für Arbeitsrecht

nahme verfaßte. Seine Kollegen zeichneten den Vorgang lediglich als gelesen ab.

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die handschriftliche Äußerung Max Webers mit dem Datum 9. Februar, die sich auf dem Umlaufschreiben des Dekans „Betr. Lehrauftrag Arbeitsrecht“ vom 6. Februar 1920 befindet und in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Verschiedenes“, überliefert ist (A). Die Akten sind nicht paginiert. Das einseitig beschriebene Blatt wird hier als A (1) sigliert. Auf Webers Text, der sich unterhalb der Mitteilung des Dekans findet, folgen die Unterschriften von v. Tubeuf, Zahn, Escherich, Sinzheimer, Ramann, v. Mayr, Fabricius und Hausmann.

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[Lehrauftrag für Arbeitsrecht]

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Zur Aufklärung: Herr Dr H[einz] Potthoff ist mir persönlich als ein grundanständiger, aber nicht immer geschickter Herr bekannt.1 Von eignen Aspirationen auf einen Lehrstuhl konnte bei seiner Anregung – die ich, wie die betr. (von der Juristenfakultät weitergegebenen) Vorgänge ergeben, als absolut sachlich ungeeignet bezeichnet habe, m. E. sicher keine Rede sein. Seine Anregung war entschieden nicht glücklich. Ebenso wenig billigenswert ist die Benutzung eines Ministerialbogens für eine nicht amtliche Mitteilung (die indessen als Unsitte nach meiner Erfahrung vielfach eingerissen zu sein scheint). Die Sache dürfte durch die Feststellung des Herrn Dekans für die Fakultät erledigt sein. Auf Antwort hat Herr Dr. H[einz] Potthoff keinerlei Anspruch. Doch sei wiederholt: wenn ihm solche Absichten unterstellt worden sind, so nach meiner Kenntnis mit Unrecht. 9/2. Max Weber

1  Heinz Potthoff war Mitglied des Vereins für Socialpolitik und über Bruno Müller mit Max Weber verwandt.

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[Stipendienprüfungen] [nach dem 22. Februar 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Stipendienreferent der Ludwig-Maximilians-Universität München, Ernst von Beling, verschickte am 27. Januar 1920 ein Rundschreiben. Darin forderte er eine Reform des Stipendienprüfungswesens zum Zwecke der „Erzielung einer sachgemäßeren Notengebung bei den Stipendienprüfungen“.1 Die Prüfer würden unterschiedliche Maßstäbe anwenden.2 Um das auszugleichen, solle in den Fakultätssitzungen aus den Einzelnoten der Prüfer eine Gesamtnote bestimmt werden. Dieser Ansicht schloß sich auch das Mitglied der Staatswirtschaftlichen Fakultät Schüpfer an. Sein Positionsschreiben vom 20. Februar 1920 wurde per Umlauf von den Fakultätsmitgliedern kommentiert. Dem „Antrag Schüpfer“ auf Besprechung der Noten in den Fakultätssitzungen stimmten Fabricus und v. Tubeuf explizit zu, während sich Weber verhalten äußerte.3 In einem erneuten Rundschreiben vom 5. März 1920 gab Dekan Endres, der sich im Februar nicht geäußert hatte, seinen Bedenken Ausdruck und lehnte eine Vereinheitlichung der Notengebung sowie eine Besprechung der Noten in den Fakultätssitzungen mit aller Entschiedenheit ab. Dazu schrieb Weber nur kurz: „Durchaus der Ansicht des Dekans“.4

1  UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Stipendienangelegenheiten Maximilianeum“. 2  Vgl. das Rundschreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät Max E ­ ndres vom 5. März 1920, ebd. 3  Vgl. Antrag Schüpfer vom 20. Febr. 1920, ebd. 4 Bemerkung Max Webers zum Rundschreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät Max Endres vom 5. März 1920, ebd.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die handschriftliche Äußerung Max Webers zum Positionsschreiben von Vinzenz Schüpfer vom 20. Februar 1920 die Stipendienprüfungen betreffend, das sich in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II43, Unterabteilung „Stipendienangelegenheiten Maximilianeum“, befindet (A). Die Akten sind nicht paginiert, so daß hier für das einseitig beschriebene Blatt die Sigle A (1) eingeführt wird. Neben Max Weber äußerten sich Fabricius, Escherich, v. Tubeuf und Ramann. Das Schreiben Schüpfers wird in kleinerer Schrifttype wiedergegeben.

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[Stipendienprüfungen] [A (1)] Bei den Beratungen des Stip[endien]-Ausschusses macht sich die offensichtlich

oft recht ungleiche Bewertung der Leistungen der Studierenden in der Sti­p[en­ dien]-Prüfung störend geltend. Diese Ungleichheit der Bewertung wird nie ganz beseitigt werden können, aber gewiß wäre es möglich eine Besserung herbeizuführen auf Grund der Vorschläge des Stip[endien-]Referenten. Ein Studierender, der Prüfungsfächer und Prüfende vorsichtig zu wählen versteht, erhält oft eine bessere Note als ein anderer, tüchtigerer Mann, der minder „vorsichtig“ war. Durch Besprechung in einer Sitzung könnten solche Unstimmigkeiten bis zu gewissem Grade beseitigt oder doch gemildert werden. In unserer Fakultät könnte die Sitzung auf Ausnahmefälle beschränkt werden, wenn sich die Herren der staatswirtschaf­tl[i­chen] Fächer bezüglich der Studierenden der Staatswirtschaft nach Einsendung der Prüfungsergebnisse der einzelnen Dozenten unter sich besprechen u. die endgültige Wertung des betr. Studierenden in einer Gesamtnote zum Ausdruck bringen würden. Für die Studierenden der Forstwirtschaft könnten analog die forst­[wirt­ schaft­lichen] Dozenten auf Grund gegenseitiger Besprechung und der vorliegenden Einzelnoten über die endgültige Gesamtnote sich einigen. München, 22. II 20 Schüpfer […]

Meine hiesige Erfahrung reicht zu einem eigenen Urteil nicht aus Max Weber

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[Reform der Juristischen Abschlußprüfungen] (28. Februar [1920])

Editorischer Bericht Zur Entstehung Das Staatsministerium der Justiz in Bayern plante eine Reform der juristischen Abschlußprüfung. Vorgesehen war u. a., die Zwischenprüfung abzuschaffen, Römische und Deutsche Rechtsgeschichte als Prüfungsgegenstand in das Schlußexamen aufzunehmen sowie Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft im schriftlichen Prüfungsteil wegfallen zu lassen.1 Die letztgenannten Fächer wurden von Mitgliedern der Staatswirtschaftlichen Fakultät geprüft. Als deren Vertreter hatten Walther Lotz und Max Weber schon Gutachten zu dieser Prüfungsreform geschrieben, die ihr Dekan an das Ministerium geschickt hatte. Nun bat der Dekan der Juristischen Fakultät Ernst Rabel am 17. Februar 1920 um Abschriften davon.2

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die handschriftliche Bemerkung Max Webers vom 28. Februar, die sich auf dem in Umlauf gegebenen Schreiben des Dekans der Juristischen Fakultät an den Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät vom 17. Februar 1920 „Betr. Juristische Univ. Schlußprüfung“ befindet. Das Blatt ist in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Juristische Prüfungen“, überliefert (A) und wird hier, weil die Akten nicht paginiert sind, als A (1) sigliert. Max Webers Äußerung folgt auf die Bemerkung von Walther Lotz „Gesehen 26/II 1920“, auf sie folgen noch Bemerkungen von Georg v. Mayr und Max Endres. Letztere wird in kleinerer Schrifttype abgedruckt. 1  Schreiben der Juristischen Fakultät der Universität München an das Staatsministerium der Justiz vom 31. Okt. 1919. Dieses sowie die Eingaben vom 6. und 27. Dez. 1919 und 24. Jan. 1920 hatte der Dekan der Juristischen Fakultät der LMU seinem Schreiben an den Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät vom 17. Febr. 1920 beigefügt. Vgl. UA München, M-II-43, Unterabteilung „Juristische Prüfungen“. 2  Ebd. Die Gutachten von Walther Lotz und Max Weber sind weder im Original noch in Abschrift überliefert.

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[Reform der Juristischen Abschlußprüfungen] [A (1)]

[Gesehen] 28/2 Weber Ich habe leider keine Abschrift.1 Mein Gutachten kritisierte, an der Hand preußischer Erfahrungen, die Prüfungstätigkeit nicht ad hoc geschulter Praktiker2 und die Herabsetzung der Zahl der Examinanden unter 3. 3 Weber […] Abschrift des Gutachtens Lotz der Jurist[ischen] Fakultät übergeben. Hat Kollege Weber eine Abschrift? Ich legte beide Gutachten in Urschrift dem Minist[erium] vor Endres

1 Vgl. dazu die nachfolgende Bemerkung von Dekan Max Endres, unten, Z.  8–10. Beide Gutachten sind nicht überliefert. 2  Nach den Plänen des Justizministeriums sollten in die Prüfungskommission nicht wie bisher nur akademische Lehrer, sondern auch Vertreter der Praxis aufgenommen werden. Vgl. das Schreiben der Juristischen Fakultät an das Staatsministerium der Justiz vom 6. Dez. 1919, UA München, M-II-43, Unterabteilung „Juristische Prüfungen“. 3  Bisher galt bei der mündlichen Prüfung von 45 Minuten Dauer Gruppenprüfung (3 Kandidaten). Das Ministerium plädierte für eine Einzelprüfung. Vgl. das Schreiben der Juristischen Fakultät an das Staatsministerium der Justiz vom 27. Dez. 1919, ebd.

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[Konferenz in Halle zur Reform des juristischen Universitätsunterrichts] (3. März 1920)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Juristische Fakultät der Universität Halle a. d. S. lud für den 28. März 1920 zu einer Konferenz, die sich mit der Reform des juristischen Studiums befassen sollte.1 Der Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München fragte seine Fakultätskollegen Walther Lotz, Georg v. Mayr und Max Weber, „ob die Konferenz in Halle beschickt werden soll u. wer von den Herrn die Vertretung übernehmen will“.2 Geld der Fakultät stehe dafür aber nicht zur Verfügung. Mit unterschiedlichen Begründungen lehnten Lotz, Weber und v. Mayr nacheinander eine Teilnahme ab.

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die Äußerung, die Max Weber handschriftlich unter dem Datum 3. März 1920 auf das Umlaufschreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät Max Endres an die Herren Lotz, v. Mayr und Weber vom 2. März 1920 setzte. Dieses befindet sich in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Juristische Prüfungen“ (A). Die Akten sind nicht paginiert. Das Anschreiben des Dekans sowie die Stellungnahmen von Walther Lotz und Max Weber vom 3. März 1920 sowie die von Georg v. Mayr vom 5. März 1920 befinden sich alle auf demselben Blatt, das hier als A (1) sigliert wird.

1 Schreiben des Prodekans der Juristischen Fakultät der Universität Halle, Rudolf Hübner, an den Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München vom 28. Febr. 1920, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Juristische Prüfungen“. 2  Schreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät der LMU Max Endres an die Herren Lotz, v. Mayr und Weber vom 2. März 1920, ebd.

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[Konferenz in Halle zur Reform des juristischen Universitätsunterrichts] [A (1)]

Der Hallenser Vorschlag1 ist im Ganzen sachlich gut. Es ist leider ganz ausgeschlossen, daß ich um jene Zeit eine Reise nach Halle antrete. Der Schwerpunkt liegt bei den Juristen. Wir sind hier im Ganzen zufrieden. 3.3.20 Max Weber NB! Denkenswert wäre nur eine Mitteilung, wer von den Herren Juristen hingeht, damit mit diesen Herren Rücksprache gepflogen werden könnte (s. das Votum des Koll. Lotz)[.]2

1  Es handelt sich um die 16 Seiten umfassende Broschüre: „Vorschläge und Leitsätze für die Beratungen der Vertreterversammlung der deutschen juristischen (rechts- und staatswissenschaftlichen) Fakultäten über die Reform des juristischen Studiums“. Die Beratungen sollten sich im wesentlichen auf die Ausgestaltung des Studiums und die erste juristische Staatsprüfung erstrecken. Vgl. UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Juristische Prüfungen“. 2  Lotz schrieb in seiner Ablehnung, die der Webers voranging: „Es ist mir aus persönlichen Gründen unmöglich, am 28. März in Halle zu sein. Es ist aber sehr wünschenswert, daß unsere Fakultät vertreten ist. Hoffentlich finden sich H[err] v. Mayr oder H[err] M. Weber dazu bereit. Sollte kein Mitglied unserer Fakultät zur Teilnahme an der Konferenz in Halle imstande sein, so beantrage ich bei der hiesigen juristischen Fakultät anzufragen, ob sie sich vertreten läßt und ob ihr Vertreter so freundlich sein will, sich vorher mit unserer Fakultät in Verbindung zu setzen. Die Erhebungen und die Ziele der Examinatoren aus de[r] hiesigen juristischen und staatswirtschaftlichen Fakultät [sind] in Prüfungsaufgaben in vielem konform.“

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[Lehraufträge für Landwirtschaft, insbesondere Almund Weidewirtschaft an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München] [nach dem 12. März 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Staatswirtschaftliche Fakultät an der Universität München hatte 1919 sechs forstwirtschaftliche und zwei nationalökonomische Lehrstühle. Das Studienfach Landwirtschaft war seit 1872 an der Technischen Hochschule München angesiedelt und wurde an der Universität nicht mehr gelehrt. Der Bauernvereinsfunktionär Franz Xaver Zahnbrecher stellte Anfang 1919 den Antrag, insbesondere für die Studierenden der Forstwissenschaft das Lehrfach Alm- und Weidewirtschaft an den Universitäten einzuführen.1 Die für die Ausbildung der Forstleute zuständige Forstabteilung des Finanzministeriums sah für solche Lehraufträge allerdings keine Notwendigkeit und erachtete es für ausreichend, wenn die künftigen Forstbeamten in sporadisch abgehaltenen praktischen Kursen einen Einblick in die Alm- und Weidewirtschaft bekämen. In einem an das Kultusministerium gerichteten Schreiben vom 19. Dezember 1919 fragte der zuständige Referent, ob man aber nicht ein allgemeines landwirtschaftliches Lehrfach an der Universität einführen müsse.2 Das Kultusministerium leitete dieses Schreiben am 27. Februar 1920 an den Senat der Universität München weiter.3 Am 12. März 1920 bat der Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät, Max Endres, die Fakultätsmitglieder um eine Stellungnahme, der er seine eigene, die Auffassungen des Finanzmini1  Der Antrag Zahnbrecher wird erwähnt in: UA München, Y-XVI, Akten des Akademischen Senats der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Alm- und Weidewirtschaft“. 2  Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen (Ministerial-Forstabteilung) an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 19. Dez. 1919, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München, Unterabteilung „Lehrauftrag über landwirtschaftliche Vorlesungen“. 3 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 27. Febr. 1920 an die Senate der Universität München, der Technischen Hochschule München sowie der Direktion der Hochschule für Landwirtschaft und Brauerei in Weihenstephan, ebd.

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Lehraufträge für Landwirtschaft, insbes. Alm- und Weidewirtschaft

steriums unterstützende Position voranstellte: Einführung einer für die Forststudierenden „obligate[n] Vorlesung über Landwirtschaftslehre“ und Ablehnung einer Spezialvorlesung über Alm- und Weidewirtschaft als zu weitgehende Spezialisierung des Lehrangebots.4 Dieser Ansicht schlossen sich die Fakultätsmitglieder Ramann, Schüpfer, Escherich, Fabricius und v. Mayr an, während v. Tubeuf und Lotz eine Besprechung in der nächsten Fakultätssitzung vorschlugen. Max Weber gab seine Stellungnahme als letzter ab.

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die undatierte, handschriftliche Stellungnahme Max Webers, die sich auf dem Umlaufschreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät betr. „Lehrauftrag für Alm- und Weidewirtschaft“ vom 12. März 1920 befindet und in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Lehrauftrag über landwirtschaftliche Vorlesungen“ überliefert ist (A). Die Akten sind nicht paginiert. Max Weber schrieb seine Bemerkung auf die Rückseite des Umlaufschreibens, die hier als A (1)v sigliert wird.

4 Rundschreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät Max Endres betr. „Lehrauftrag für Alm- und Weidewirtschaft“ vom 12. März 1920, ebd.

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[Lehraufträge für Landwirtschaft, insbesondere Almund Weidewirtschaft an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München]

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Es ist zu bedauern, daß nicht, wie andre Spezialhochschulen, auch eine landwirtschaftliche Abteilung der Universität, gleichviel in ­welcher Form, eingegliedert ist. Die Nationalökonomen können Vorlesungen über landwirtschaftliche Betriebslehre in dem technischen Sinn, wie es auch für die Studierenden der Forstwirtschaft nötig oder doch nützlich sein könnte, nicht wohl zu halten beanspruchen. Max Weber

A (1)v

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[Studium der Finanzwissenschaft und des Steuerrechts] [nach dem 16. April 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Das Reichsministerium der Finanzen teilte dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus in einem Schreiben vom 10. März 1920 mit, daß die juristische Ausbildung der höheren Finanzbeamten verbessert und auch der Hochschulunterricht in Finanzwissenschaft und Steuerrecht ausgebaut werden solle. Dazu holte man Gutachten von Walther Lotz (München), Ignaz Jastrow (Berlin) und Alfred Weber (Heidelberg) ein. Die Gutachter schlugen eine Erweiterung des universitären Unterrichts durch praktische finanzrechtliche Übungen sowie eine Versorgung der Studenten mit kostenlosen Gesetzestexten durch das Finanzministerium vor. Zur Finanzierung dieser Vorhaben sollte ein Reichsdotationsfonds geschaffen und die Universitäten steuerlich privilegiert werden.1 Da dem Reichsministerium der Finanzen diese Vorschläge nicht weit genug gingen und es auch nicht allein für die Finanzierung der Reformen zuständig sein wollte, schlug es vor, in den Kultusministerien und Universitäten weiter über „einheitliche Grundlinien“2 zu beraten. Daraufhin sandte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 26. März 1920 ein Schreiben über die „Ausgestaltung des Studiums der Finanzwissenschaft und des Steuerrechts“ an das Rektorat der Universität München, das seinerseits Abschriften davon am 7. April 1920 an die Staatswirtschaftliche Fakultät, die Juristische Fakultät und den Verwaltungsausschuß weiterleitete.3 Der Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät, Max Endres, gab seine Abschrift am 16. April in den Umlauf an die „Herrn Lotz, v.

1  Schreiben des Reichsministers der Finanzen an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 10. März 1920, UA München, M-II-43, Akten der Staatswirtschaftliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb Finanzen. Unterricht“. 2 Ebd. 3  Abschrift des Schreibens des Bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kultus an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 26. März 1920, ebd.

Editorischer Bericht

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Mayr u. Weber mit dem Ersuchen um gemeinschaftliche Begutachtung und Äußerung“.4

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die undatierte, handschriftliche Äußerung Max Webers, die sich auf der Rückseite der Abschrift des ministeriellen Schriftstücks betr. „Ausgestaltung des Studiums der Finanzwissenschaft und des Steuerrechts“ befindet, die vom Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät am 16. April 1920 in den Umlauf gegeben wurde. Das Schriftstück ist in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“ überliefert (A). Die Akten sind nicht paginiert, die Rückseite wird hier als A (1)v sigliert. Zum besseren Verständnis wird auch die Stellungnahme von Walther Lotz (in kleinerer Schrifttype) abgedruckt.

4  Rundschreiben des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät vom 16. April 1920, Rückseite der o.g. Abschrift des Schreibens des Bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kultus vom 26. März 1920, ebd.

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[Studium der Finanzwissenschaft und des Steuerrechts] [A (1)v] Gesehen Lotz. Wir haben Anträge gestellt, für deren Durchführung das Reichs-

finanzministerium bisher kein Geld bewilligt hat: 1. Heranziehung von Prä­s[i­ dent] Strutz zu finanzrechtlichen Übungen.1 Hierauf wird zurückzukommen sein. 2. Vervielfältigung des Budgets für Vorlesungszwecke. Ich wiederhole diese Anträge. Im übrigen ist mit der jurist[ischen] Fakultät gemeinsam zu beraten. Lotza

Einv[erstanden]: Max Weber Sollen Akademiker künftig Steuereinnehmer werden? Sehr beträchtlich ist der Neubedarf m. E. nicht, wenn nur die Einschätzung in Betracht kommt, wie zweifellos der Fall. Sachkundig ist nur Prof. Lotz. Max Weberb

a  In A folgt der Zusatz v. Mayrs: Einverstanden v. Mayr  b  In A folgt der Zusatz von Dekan Endres: Am 20.V.20 ein Exemplar des Berichtes Lotz an das Rektorat geschickt. 1  In der Fakultätssitzung der Staatswirtschaftlichen Fakultät am 28. August 1919 wurde beschlossen, „sobald als möglich“ zweistündige praktische finanzrechtliche Übungen im Semester anzubieten. Hierfür sollte der Senatspräsident am Reichsfinanzhof Georg Strutz als Mann aus der Praxis gewonnen und das Reichsfinanzministerium an der Bezahlung des Dozenten beteiligt werden. Vgl. Protokoll der achten Fakultätssitzung vom 28. Aug. 1919, UA München, M-III-1.9.

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[Zu den Vorschlägen Johann Plenges zur Ausgestaltung des volkswirtschaftlichen Unterrichts] (27. April 1920)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Johann Plenge, Direktor des Staatwissenschaftlichen Instituts der Universität Münster, sandte am 26. April 1920 an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität München mehrere Schriftstücke: ein „Gutachten über die praktische Ausgestaltung des volkswirtschaftlichen Unterrichts“, das sein Institut im Auftrag des Preußischen Unterrichtsministers erstellt hatte, ein Rundschreiben über die geplante Gründung eines „Bundes Deutscher HochschulRechtslehrer“ sowie die für das Sommersemester 1920 angekündigten staatswissenschaftlichen Vorlesungen in Münster. In seinem Schreiben forderte Plenge eine Vereinigung der staatswissenschaftlichen Dozenten.1 Der Dekan der Münchener Staatswirtschaftlichen Fakultät Max Endres leitete diese Schriftstücke am selben Tag an Lujo Brentano, Walther Lotz, Georg v. Mayr und Max Weber „zur Kenntnis“ weiter.2 Den ausführlichsten Kommentar verfaßte Max Weber, dem Lotz zustimmte, aber abschließend empfahl, „bei dieser Gelegenheit nichts weiter zu thun“.3

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die handschriftliche Bemerkung Max Webers vom 27. April 1920, die sich auf dem Zirkular des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakul1  Schreiben von Johann Plenge an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 26. April 1920, in: Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, UA München, M-II-43, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“. Zu Plenges früheren Bemühungen vgl. die Briefe Max Webers an Heinrich Herkner vom 18. Dez. 1919 (MWG II/10, S.  865 f.) sowie an Johann Plenge vom 18. Dez. 1919 (MWG II/10, S.  867) und vom 15. Jan. 1920 (MWG II/10, S.  888 f.). 2 Zirkular des Dekans der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München vom 26. April 1920, das sich auf der Rückseite des Schreibens von Johann Plenge vom selben Tag befindet (wie Anm.  1). 3 Ebd.

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Zu den Vorschlägen Johann Plenges

tät der Universität München vom 26. April befindet. Der Dekan benutzte die Rückseite des Plenge-Schreibens vom selben Tag. Das Schriftstück ist in den Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv München, M-II-43, Unterabteilung „Vorlesungsbetrieb. Finanzen. Unterricht“, überliefert (A). Die Akten sind nicht paginiert, die Rückseite wird hier als A (1)v sigliert. Die Stellungnahme Max Webers folgt auf die Lesebestätigungen von Brentano, Lotz und v. Mayr. Auf Weber folgt ein abschließender Kommentar von Walther Lotz.

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[Zu den Vorschlägen Johann Plenges zur Ausgestaltung des volkswirtschaftlichen Unterrichts] a27.IV.20a           Max

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Weber

Ich habe dazu zu bemerken: Herren Koll. Plenge ist es gelungenb, in (subjektiv durchaus berechtigter) Ausnutzung der „Konjunktur“ – d. h. der Ministerschaft des ihn persönlich verehrenden Herrn Haenisch in Preußen1 – cfür dasc Münsterische Seminar in beneidenswerter Weise Mittel zur Verfügung zu erhalten, – direkt und indirekt, – wie sie jetzt nirgends zu erlangen waren und jetzt wohl bei der Finanzlage auch in Preußen nicht mehr so bereitwillig dargeboten werden könnten wie dies 1918/9 geschah.2 In München wäre das Ganze zum erheblichen Teil Geldfrage, daneben allerdings auch Personenfrage. Eine Berufung von Prof. Eulenburg, der eben deshalb vorgeschlagen wurde,3 würde namentlich die Behandlung des von Plenge ganz mit Recht stark betonten KonjunkturProblems4 ermöglichen, da er darin Fachmann 1. Ranges ist. Aber für ein „Institut“ dürfte einfach das Geld fehlen, ebenso für Filmsd,

a–a  In A Wiederholungszeichen für das von Lotz eingetragene Datum.   b  Fehlt in A; gelungen sinngemäß ergänzt.   c  dem > für das   d  Unsichere Lesung. 1 Der SPD-Politiker Konrad Haenisch wurde als preußischer Kultusminister (1918– 1921) zum wichtigsten politischen Förderer Plenges. Vgl. Schildt, Prophet (wie oben, S.  610, Anm.  9), S.  537. 2  Das von Johann Plenge reorganisierte Staatswissenschaftliche Seminar war an die Universität Münster angegliedert und hatte zum WS 1919/20 seinen Betrieb aufgenommen. 3 Als Nachfolger des 1920 ausscheidenden Georg v. Mayr wünschte Max Weber nachdrücklich Franz Eulenburg. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Franz Eulenburg vom 19. Aug. 1919, MWG II/10, S.  726, sowie den Brief an Eulenburg vom 17. Febr. 1920, ebd., S.  922. Dieser wurde im Februar 1920 auch an erster Stelle von Fakultät und Senat dem Ministerium zur Berufung vorgeschlagen, doch nach dem Regierungswechsel in Bayern am 16. März 1920 ließ sich Eulenburg nicht mehr durchsetzen. Ende 1920 wurde Adolf Weber, der dem Zentrum nahestand, zum Nachfolger Georg v. Mayrs berufen. Vgl. dazu auch Weber, Gutachten für die hohe Juristische Fakultät, oben, S.  634–639. 4  Plenge forderte in seinem Gutachten den Einsatz einer Lehrkraft zur Schulung des „für alle Praxis grundwesentlichen Konjunkturverständnisses“. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  695 mit Anm.  1.

[A (1)v]

698

Zu den Vorschlägen Johann Plenges

Tafeln, Karten, Diagramme u. dgl.5 Dem Münster’schen Institut lieferte das Geld m. W. die Schwerindustrie, die Plenge heranzuziehen mit Geschick verstand.6 Dieser Weg ist in Bayern schwerlich gegeben. Erneute Empfehlung der Berufung Eulenburg’s wäre z. Z. die einzige sachentsprechende Maßregel.7 Max Weber.

e  〈für die〉 5 Zur Veranschaulichung der Unterrichtsmaterie empfahl Plenge Übersichtstafeln, Lichtbilder sowie Karten und Diagramme, ebd. 6  Größter Mäzen des Instituts wurde der Inhaber der Kaffee-Handels-Aktien-Gesellschaft (Kaffee HAG), Ludwig Roselius, aus Bremen. Vgl. Schildt, Prophet (wie oben, S.  610, Anm.  9), S.  555 f. 7  Vgl. dazu oben, S.  697, Anm.  3.

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[Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät II] (29. April 1920)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 28. April 1920 bat Hermann Schmitt, Ministerialdirektor im Bayerischen Justizministerium und Vorsitzender der Kommission für die Juristische Universitätsschlußprüfung der Ludwig-Maximilians-Universität München,1 Wal­ ther Lotz, Georg v. Mayr, Max Weber, Moritz Julius Bonn und Ludwig Sinzheimer, sich in die dem Schreiben beiliegende Prüferliste einzutragen.2 Max Weber lehnte das mit Hinweis auf seine Berufungszusagen ab.3

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird die Antwort Max Webers vom 29. April 1920, die er handschriftlich auf das Schreiben von Ministerialdirektor Hermann Schmitt vom 28. April 1920 setzte. Letzteres ist mit „Eilt!“ überschrieben. Es befindet sich in den Akten des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, MJu 10166 (A). Die Akten sind nicht paginiert. Das Blatt wird hier als A (1) sigliert. Die ebenfalls auf diesem Blatt befindlichen handschriftlichen Stellungnahmen von Lotz und Sinzheimer werden nicht mitgeteilt.

1  Zu dieser Kommission vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät I, oben, S.  673 f. 2  Schreiben von Ministerialdirektor Hermann Schmitt an die Herren Universitätsprofessoren Lotz, v. Mayr, Weber, Bonn und Sinzheimer vom 28. April 1920, B ­ ayHStA, MJu 10166. 3  Vgl. dazu unten, S.  700 mit Anm.  1.

700

[Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät II] [A (1)]

M[ünchen] 29. IV. 20 Gelesen Max Weber Nach meiner Berufungsorder und dem dabei geschlossenen Kontrakt bin ich nur ein Mal im Jahr verpflichtet, an Prüfungen teilzunehmen.1 Ich habe teilgenommen 1) vertretungsweise 2 Mal im Herbst 19192 2) primo loco und vertretungsweise wiederholt im Januar 1920[.]3 Ich würde gern aushelfen, aber ich kann es gesundheitlich nicht leisten und bitte mich zu entschuldigen. Max Weber

1  In dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an den Senat der Universität München betr. Besetzung der Professur für Nationalökonomie in der volkswirtschaftlichen Fakultät der Universität München vom 6. April 1919 (BayHStA München, MK 35787) heißt es unter Punkt 6: „Weiter hat Professor Dr. Weber den Wunsch geäußert, nur bei einer der beiden alljährlich stattfindenden Prüfungen in Anspruch genommen zu werden. Diesem Wunsche wird bei Zusammensetzung der Prüfungskommission Rechnung zu tragen sein“. 2  In Vertretung für Moritz Julius Bonn prüfte Max Weber am 21. und 28. Oktober 1919 (BayHStA München, MJu 10165). 3  Laut Prüferliste (BayHStA München, MJu 10166) nahm Max Weber am 27. und 30. Januar und am 6. Februar 1920 Prüfungen ab. Vgl. Weber, Prüfungsvertretung für Moritz Julius Bonn, oben, S.  676–678, und Weber, Prüfungstermine in der Juristischen Fakultät I, oben, S.  673–675.

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II.  Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge

II a.  Universitäten

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[Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philosophischen an die Juristische Fakultät sowie auf Beförderung von G. von Schulze-Gaevernitz I] [Redebeitrag auf der Sitzung der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. am 25. Juni 1895]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Wie an nahezu allen deutschen Universitäten waren Ende des 19. Jahrhunderts auch in Freiburg i. Br. die wirtschaftswissenschaftlichen Fächer der Philosophischen Fakultät zugeordnet.1 Max Weber, der seit dem Wintersemester 1894/95 Nationalökonomie und Finanzwissenschaft in Freiburg lehrte, trat dafür ein, das kameralistische (staatswissenschaftliche) Lehrfach und damit auch sein Ordinariat von der Philosophischen in die Juristische Fakultät zu überführen. Gleichzeitig sollte die Juristische Fakultät in eine Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät umbenannt werden. Max Weber griff damit eine Forderung auf, die schon zehn Jahre zuvor in der ersten Kammer der Badischen Landstände, auf Anregung von Hermann Schulze und Karl Knies, debattiert worden war. Schulze hatte verlangt, dem Vorbild Straßburgs zu folgen und „zeitgemäße“ Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultäten zu schaffen.2 Im Deutschen Reich gab es damals die Verbindung von Rechtsund Staatswissenschaften in einer Fakultät nur an den Universitäten Straßburg und Würzburg. In der Juristischen Fakultät stieß die geplante Vereinigung mit der Nationalökonomie zunächst auf Vorbehalte.3 Nachdem sich beide Fakultäten, die Philosophische und die Juristische, schließlich doch auf die Errichtung einer Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät geeinigt hatten, stellte der Dekan der Juristischen Fakultät, Konrad Cosack, beim Senat einen entspre-

1  Zur den Anfängen des ökonomischen Unterrichts an der Universität Freiburg i. Br. vgl. Biesenbach, Friedhelm, Die Entwicklung der Nationalökonomie an der Universität Freiburg i. Br. 1768–1896. Eine dogmengeschichtliche Analyse. – Freiburg i. Br.: Eberhard Albert 1969, S.  13–19. 2  Vgl. Zeiler, Statik und Wandel (wie oben, S.  564, Anm.  7), S.  137 f. 3  Vgl. ebd., S.  139 f.

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Anträge zur Überführung der Kameralistik an die Juristische Fakultät I

chenden Antrag.4 In seiner Begründung verwies er darauf, daß die Mehrzahl der staatswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen von Studenten der Rechtswissenschaften gehört würden.5 Der Senat befürwortete den Antrag und leitete ihn an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts weiter. Dieses stimmte dem Gesuch zu, „daß an der Universität Freiburg eine rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät unter Aufnahme der bisher der juristischen Fakultät zugehörigen rechtswissenschaftlichen und der bisher der philosophischen Fakultät zugehörigen staatswissenschaftlichen Fächer in die neue Fakultät errichtet werde“. Am 1. Juni 1896 wurde die neue Fakultät gegründet.6 Gleichzeitig mit der Neubildung der Fakultäten wurde das seit 1893 von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz gehaltene Extraordinariat für Nationalökonomie in ein Ordinariat umgewandelt.7 In der Fakultätssitzung am 25. Juni 1895 stellte Weber seine beiden Anträge unter dem letzten Tagesordnungspunkt Nr.  6. Der erste Antrag, auf Ausgliederung der Kameralistik, wurde länger debattiert, die Beschlußfassung allerdings auf die nächste Sitzung am 28. Juni vertagt, da drei Mitglieder die Sitzung bereits verlassen hatten.8

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird der Max Webers Anträge betreffende Auszug aus dem von dritter Hand abgefaßten Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. am 25. Juni 1895. Es befindet sich in dem Protokollbuch „Philosophische Fakultät, Sitzungen der Gesamtfakultät 1894–1911“, Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 3/795, Bl. 32 (A). Der Redebeitrag Max Webers ist indirekt wiedergegeben. Das Protokollbuch enthält keine Hinweise auf eine Autorisierung durch die Fakultätsmitglieder. 4  Schreiben der Juristischen Fakultät an den Senat vom 1. Juli 1895, UA Freiburg i. Br., B 36/674, Bl. 9. 5 In Baden wurden die angehenden Juristen bei der mündlichen Prüfung auch in Nationalökonomie geprüft. Vgl. Verordnung über die Vorbereitung zum öffentlichen Dienste in der Justiz- und der inneren Staatsverwaltung vom 16. Dez. 1853, in: Großherzoglich-badisches Regierungsblatt 1853, S.  425–435. 6  Schreiben des Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts an den Senat der Universität Freiburg vom 28. Mai 1896 UA Freiburg i. Br., B 110/409. 7 Ebd. 8 Vgl. Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. am 25. Juni 1895, UA Freiburg i. Br., B 3/795, Bl. 32. Zur erneuten Debatte vgl. Weber, Anträge zur Überführung der Kameralistik II, unten, S.  708 f.

707

[Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philosophischen an die Juristische Fakultät I]

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6. Prof. Weber stellt den Antrag auf Ausscheidung des Kameralistischen Lehrfaches aus der philosophischen Facultät und Zuteilung desselben an die juristische – ferner eventuell nach Ablehnung dieses Antrages, den a. o. Prof. v. Schulze-Gaevernitz zum ordentl[ichen] Professor zu befördern.

[A 32]

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[Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philosophischen an die Juristische Fakultät sowie auf Beförderung von G. von Schulze-Gaevernitz II] [Redebeiträge auf der Sitzung der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. am 28. Juni 1895]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Philosophische Fakultät hatte die Beratung von Webers Antrag auf Überführung des Kameralistischen Lehrfachs von der Philosophischen an die Juristische Fakultät am 25. Juni 1895 vertagt.1 Auf der folgenden Fakultätssitzung am 28. Juni waren dieser Antrag sowie der weitere Antrag Max Webers auf Errichtung eines Ordinariats für Gerhart v. Schulze-Gaevernitz ausschließliche Besprechungspunkte.

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt werden die Max Webers Anträge betreffenden Passagen des von dritter Hand abgefaßten Protokolls der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. am 28. Juni 1895. Sie befinden sich im Protokollbuch „Philosophische Fakultät, Sitzungen der Gesamtfakultät 1894–1911“, Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 3/795, Bl. 32–33 (A). Die Beiträge Max Webers sind indirekt wiedergegeben. Das Protokollbuch enthält keine Hinweise auf eine Autorisierung durch die Fakultätsmitglieder. Die Beschlüsse zu Webers Anträgen werden in kleinerer Schrifttype mit abgedruckt.

1  Zu den Hintergründen vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Anträge zur Überführung der Kameralistik I, oben, S.  705–707.

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[Anträge zur Überführung der Kameralistik von der Philosophischen an die Juristische Fakultät II]

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1. Nach eingehender Debatte, an der sich außer dem Antragsteller nament- [A 32] lich die Professoren Steinmann, Weismann, Schmidt, v. Simson, Hense beteiligen – und nachdem die Facultät mit 10 Stimmen gegen 6 abgelehnt hatte, die Frage der Übernahme des Kameralistischen Lehrfaches durch die jurist[ische] Facultät erst in Verbindung mit der Frage der Teilung der philosophischen Facultät zu entscheiden – wird der Antrag des Professor Weber lautend: „Die Facultät wolle beschließen, ihre Zustim-

mung dazu zu geben, daß Prof. Weber bei der juristischen Facultät die Übernahme des staatswissenschaftlichen (Kameralistischen) Lehrfaches und der entsprechenden Professuren: – des Ordinariates, des Extraordinariates und der Zuständigkeit für die Angelegenheiten des Landwirtschafts-Lehrst[uhls]1  unter Bildung einer rechts- und staatswissenschaftlichen Facultät beantrage“ – mit 10 Stimmen gegen 6 (und zwar die Stimmen der Professoren Schmidt, Hense, v. Simson, Steinmann, Schulte, Fabricius) zum Beschluß erhoben. – 2. Das Eintreten auf den weiteren Antrag des Professor Weber[,] die Errichtung eines zweiten Ordinariates für Nationalökonomie und die Beförderung des a. o. Prof. v. Schulze-Gaevernitz zum o. Professor betreffend[,] wird mit allen gegen 1 Stimme abgelehnt; jedoch der Decan2 mit schleuniger Berichterstattung über den ersten Antrag Weber beauftragt.

1  Innerhalb der volkswirtschaftlichen Fächer wurden unter dem Titel „Enzyklopädie der Landwirtschaft“ abwechselnd Lehrveranstaltungen in landwirtschaftlicher Produktions- und landwirtschaftlicher Betriebslehre angeboten. Dozent war der Landwirtschaftsinspektor und Vorstand der landwirtschaftlichen Winterschule Freiburg Alfred Schmezer. 2  Alois Riehl.

A 33

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[Unruhen in der Universität München] [Redebeiträge auf der außerordentlichen Sitzung des akademischen Senats der Universität München am 29. Januar 1920]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 21. Februar 1919 ermordete der Münchener Jurastudent Anton Graf von Arco-Valley den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Der Attentäter wurde am 16. Januar 1920 vom Landgericht München I zum Tode verurteilt. Bei Bekanntwerden des Todesurteils kam es noch am selben Abend zu studentischen Demonstrationen. Walther Hemmeter, Mitglied der deutschnationalen Fraktion im AStA,1 kündigte für den nächsten Morgen, Samstag, den 17. Januar 1920, um 8 Uhr eine Versammlung der Studentenschaft im Auditorium Maximum der Universität München an. Diese Versammlung, der Max Weber zeitweise beiwohnte,2 fand unter Leitung des Rektors Friedrich von Müller statt. Es wurde beschlossen, eine Deputation zum Ministerrat, der am selben Tag über das Urteil und seine Konsequenzen beriet, mit der Forderung zu entsenden, Graf Arco zu begnadigen.3 Um dem Eindruck entgegenzutreten, als sei die gesamte Studentenschaft dieser Meinung, wandte sich Friedrich Meyer, Vertreter des Sozialistischen Studentenbundes im AStA, gegen diesen Beschluß und kritisierte zugleich die angebliche Äußerung des Rektors von Müller, die Ermordung Eisners sei

1  Ein „Allgemeiner Studentenausschuß“ (AStA) war 1918 vom akademischen Senat der Universität München genehmigt worden. Vorsitzender war der Student Paul Bronger. Vgl. Boehm, Laetitia, Universitätsreform und Revolution im frühen 20. Jahrhundert, in: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Band 4: Das neue Bayern 1800– 1970, 2. Teilband, hg. von Max Spindler. – München: C.H. Beck 1979, S.  1032 (hinfort: Boehm, Universitätsreform). 2  Nach eigener Aussage, vgl. unten, S.  716 mit Anm.  6, verließ Max Weber die Veranstaltung und wurde dann – so der Bericht von Eduard Baumgarten – durch einen Studenten wieder zurückgerufen, vgl. dazu, unten, S.  711, Anm.  5. 3  Schreiben des Rektors Friedrich v. Müller an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 9. Febr. 1920, UA München, G-XVI-19.

Editorischer Bericht

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eine „mannhafte Tat“ gewesen.4 Daraufhin beschimpfte Walther Hemmeter die sozialistischen Kommilitonen als „Bande“, die in der Delegation nichts zu suchen habe. Zugleich ließ er verlauten, zwischen der Mehrheit der Studentenschaft und der Reichswehr bestehe Übereinstimmung in Sachen Begnadigung. Weber versuchte schon während der Versammlung vergeblich, den Rektor zum Einschreiten gegen Hemmeter zu bewegen. Die Beleidigung der sozialistischen Minderheit als „Bande“ und die Bemerkung über die Reichswehr aber blieben ungerügt. Meyer soll sich später an Weber mit der Bitte um Unterstützung gewandt haben. Er fühlte sich von einem organisierten Boykott bedroht.5 Weber nahm deshalb am Montag, den 19. Januar 1920, zu Beginn seiner Vorlesung zu den Vorfällen Stellung.6 Er sprach sich gegen eine Begnadigung Arcos aus und forderte Hemmeter mit scharfen Worten auf, seine Beleidigungen zurückzunehmen: „Sodann sind hier am Samstag [17. Januar 1920] Beschuldigungen gefallen, Beschuldigungen, die bis heute noch nicht

4  In einem Zeitungsbericht stellte Rektor Friedrich v. Müller fest, daß er „keineswegs die Tat Arcos verherrlicht, sondern lediglich dessen Verhalten während des Prozesses als ‚mannhaft’ bezeichnet habe.“ Vgl. Zum Konflikt Max Webers mit der Studentenschaft, in: FZ, Nr.  88 vom 3. Febr. 1920, 1. Mo.Bl., hier nach dem Editorischen Bericht zu Weber, Sachliche (angeblich: „politische“) Bemerkungen am 19.1.1920 zum Fall Arco, MWG I/16, S.  268–272, hier S.  269. 5  Vgl. unten, S.  716 mit Anm.  8. In seinem eigenen Bericht an den Senat der Universität München vom 31. Jan. 1920 (UA München, G-XVI 19) erwähnt Meyer allerdings nicht, daß er sich an Max Weber gewandt hatte. Dort heißt es: „Die Vergewaltigung und Beschimpfung einer Minderheit gab Herrn Professor Weber, da sonst niemand dagegen auftrat, Veranlassung, das Verhalten der Mehrheit vom Katheder aus zu rügen.“ Es gibt Hinweise darauf, daß Meyer wegen seiner jüdischen Konfession von seinen Kommilitonen boykottiert wurde. Die „Erklärung“ der sozialistischen Fraktion im AStA vom 21. Jan. 1920 (ebd.) stellt fest, daß die studentische Opposition „in ihrer Gesamtheit und ihre jüdischen Mitglieder im Besonderen in der gröblichsten Weise beleidigt wurde, ohne daß der Vorsitzende es für nötig hielt[,] dagegen einzuschreiten.“ Eduard Baumgarten zufolge hatte der AStA-Vorsitzende erklärt, die Resolution sei ein Beschluß nur von deutschen Studenten. Daraufhin habe sich ein Tumult erhoben. Auf den Schrei: „Hinaus mit Euch Hunden“, sei der jüdische Opponent (Friedrich Meyer) seinen Weg durch die ganze Versammlung bis zum Katheder und Ausgang des Auditorium Maximum gegangen, wo der präsidierende Rektor und einige Professoren saßen, ohne daß der Rektor eingegriffen und den Mann gegen die grölende Versammlung gedeckt hätte. Vgl. Baumgarten, Eduard, Max Weber, Werk und Person. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1964, S.  555. 6  Es handelt sich um die Vorlesung „Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“, die Max Weber im WS 1919/20 montags und mittwochs von 18 bis 20 Uhr abhielt. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Abriß der universalen Sozialund Wirtschaftsgeschichte, MWG III/6, S.  49–70, hier S.  52.

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Unruhen in der Universität München

zurückgenommen sind. Ein Hundsfott! der das nicht tut.“7 Auch kritisierte Weber den Rektor, weil er die Behauptung Hemmeters, Abteilung 4 der Reichswehr habe sich mit den Demonstranten solidarisch erklärt, nicht gerügt habe.8 Als Hemmeter am 20. Januar in einem Schreiben an den Rektor seinen Affront gegen die sozialistischen Studenten bedauerte,9 sahen diese, von Weber über Hemmeters Entschuldigung informiert, die Angelegenheit als erledigt an.10 Auch Weber nahm daraufhin seine Vorwürfe gegen Hemmeter am Beginn seiner Vorlesung am 21. Januar zurück. Das hinderte einen Teil der Versammelten, die dem nationalistisch-konservativen Lager zuzurechnen waren und nicht zu den eingeschriebenen Hörern der Vorlesung gehörten, nicht daran, einen Tumult zu inszenieren, der, trotz Intervention des Rektors, zum Abbruch der Vorlesung führte.11 Die Mehrheit im AStA suchte die Schuld dafür Weber selbst zuzuschieben. Schließlich habe er sich „in ungewöhnlich scharfer, einseitiger Weise mit schwebenden Differenzen zwischen Studierenden befaßt, sich dabei zu beleidigenden Äußerungen über einen Studierenden hinreißen lassen, die für einen Hochschullehrer unerhört genannt werden müssen, sich weiterhin in schweren Anwürfen gegen große Gruppen der Studentenschaft ergangen und im Rahmen seiner Vorlesung politische Dinge in einer das Empfinden weiter Kreise der Studentenschaft verletzenden Weise besprochen“.12 Am 22. Januar 1920 berichteten die Münchner Neuesten Nachrichten unter dem Titel „Eine verhinderte Vorlesung“ über den Vorfall.13 Noch am selben Tag schickte Max Weber eine Gegendarstellung an die Zeitung, die am fol-

7  Diese Version ist als stenographische Mitschrift eines nicht bekannten Zuhörers im GStA PK, VI. HA, Nr.  30, Band 5, Bl. 11 f., überliefert. Vgl. dazu den Abdruck im Editorischen Bericht zu Weber, Bemerkungen zum Fall Arco, MWG I/16, S.  270 f. 8  Brief Max Webers an Friedrich v. Müller vom 20. Jan. 1920, MWG II/10, S.  893–896. 9  Schreiben von Walther Hemmeter an Friedrich v. Müller vom 20. Jan. 1920, UA München, G-XVI-19. 10  Schreiben der Fraktion der sozialistischen Studentenschaft an das Rektorat und den Senat der Universität München vom 21. Jan. 1920, ebd. 11  Vgl. das Schreiben von Rektor Friedrich v. Müller an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 9. Febr. 1920, ebd. Der Rektor schrieb, daß sich vor Beginn der nächsten Vorlesung „eine große Zahl von Studierenden aller Fakultäten, also nicht nur die eigentlichen Schüler Webers versammelten, und Herrn Professor Weber mit Zischen und Scharren bald auch mit Pfeifen und Zurufen empfingen.“ Vgl. dazu auch den Editorischen Bericht zu Weber, Bemerkungen zum Fall Arco, MWG I/16, S.  274. 12  Anlage zum Schreiben von Friedrich v. Müller an den Allgemeinen Studentenausschuß der Universität München vom 31. Jan. 1920, UA München, G-XVI-19. Dort auch weitere Stellungnahmen von studentischen Vereinigungen zu den Vorgängen. 13  Anonym, Eine verhinderte Vorlesung, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr.  29 vom 22. Jan. 1920, Mo.Bl., S.  3. Vgl. dazu auch Weber, Eine Erklärung zum Fall Arco am 23. Januar 1920, MWG I/16, S.  274–278.

Editorischer Bericht

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genden Tag unter dem Titel „Die Demonstration in der Universität“ erschien.14 Am 24. Januar 1920 unterrichtete der Rektor den Senat über die Vorgänge. Dieser beschloß daraufhin, Max Weber selbst zur Sache zu hören und lud ihn für den 29. Januar 1920 zu einer außerordentlichen Sitzung vor.15 Diese war auch deshalb notwendig geworden, weil das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus durch Zeitungsmeldungen auf die Unruhen an der Münchner Universität aufmerksam geworden war. Über Max Weber wurde damals kolportiert, er habe sich in seinen Vorträgen „auch zu beleidigenden Ausfällen auf die Regierung des Freistaates Bayern hinreißen lassen“.16 Gegen den Vorwurf, in seiner Vorlesung politische Fragen angesprochen zu haben, hatte sich Weber bereits in einem Brief an den Rektor vom 26. Januar 1920 gewehrt.17 Auf der Senatssitzung am 29. Januar 1920 folgte auf die Darstellung Max Webers und seine Befragung18 eine längere Aussprache der Senatsmitglieder, die in seiner Abwesenheit stattfand. Der Senat fällte ein zwiespältiges Urteil. Einerseits tadelte er den Allgemeinen Studentenausschuß für dessen Angriffe auf Max Weber,19 andererseits erklärte er es für unangebracht, „wenn politische Erörterungen und namentlich in Form von beleidigenden Angriffen in den Hörsaal gebracht werden“.20 Einigkeit herrschte darüber, daß sich Weber unzulässig in die Geschäftsführung des Rektors eingemischt habe.

Zur Überlieferung und Edition Der Abdruck der Redebeiträge Max Webers folgt der maschinenschriftlichen Abschrift der „Niederschrift über die außerordentliche Sitzung des akademischen Senates am Donnerstag, dem 29. Januar 1920 Nachmittag 6 ¼ Uhr“, die sich im Universitätsarchiv München, D-III-93, S.  339–343 (A), befindet. Webers Bericht über die Vorgänge sowie seine Befragung sind teilweise in direkter, teilweise in indirekter Rede festgehalten. Das Protokoll enthält eine 14  Vgl. ebd., S.  275. 15  Einladung zur außerordentlichen Senatssitzung vom 27. Jan. 1920, UA München, G-XVI-19. 16  Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Senat der Universität München vom 28. Jan. 1920, ebd. 17  In dem Brief Max Webers an Friedrich v. Müller vom 26. Jan. 1920, heißt es: „Unwahr ist, daß ich im ‚Rahmen der Vorlesung’ irgend welche, gleichviel wie geartete, politische Äußerungen jetzt oder jemals früher getan hätte – sehr im Gegensatz zu zahlreichen andren Kollegen. Was ich sagte, wurde sorgsam außerhalb der Vorlesung gesprochen von dieser getrennt“. (MWG II/10, S.  903 f., Zitat: S.  904). Vgl. auch den Brief Max Webers an Mina Tobler vom 21. Jan. 1920, MWG II/10, S.  899 f., hier S.  900. 18  Vgl. unten, S.  715–720. 19  Vgl. unten, S.  721. 20  Vgl. ebd.

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Unruhen in der Universität München

Streichung sowie einen Zusatz von fremder Hand: „Das wesentlichste und die schärfsten Ausdrücke dürfte die Niederschrift enthalten.“21 Trotz der anscheinend wortgetreuen Wiedergabe ist aber davon auszugehen, daß Weber das Protokoll nicht gesehen und autorisiert hat. Zum besseren Verständnis werden Auszüge des Protokolls (in kleinerer Schriftgröße) wiedergegeben, einschließlich der Aussprache, an der Max Weber nicht mehr teilnahm, soweit sie sein Verhalten und die Reaktionen darauf betrifft. Auf jeder Seite steht am oberen Blattrand das Sitzungsdatum „29. Januar 1920“. Die originale maschinenschriftliche Paginierung wird als A 338 etc. wiedergegeben.

21  Unten, S.  717 mit textkritischer Anm.  a und b.

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I. Unruhen in der Universität

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[…] Der Rektor verliest die Bekanntmachung, worin er die Studierenden, welche jüngst die Vorlesung des Professors Weber störten, auffordert, sich zu melden.1 Der Senat ist damit einverstanden, daß, sofern nicht neue besonders erschwerende Umstände bekannt werden, in der Ahndung dieser Vorfälle über einen scharfen Tadel2 nicht hinausgegangen wird. Der Rektor berichtet, daß die letzten Vorlesungen des Professors Weber ohne Störung verlaufen seien3 und verliest die Entschließung des Studentenausschusses vom 23. Januar 1920.4 Auf Ersuchen äußert sich Professor Weber über die Vorfälle:

1 Die Vorlesung Webers „Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ wurde am Montag, den 19., und am Mittwoch, den 21. Januar 1920, von Studierenden gestört. Die Bekanntmachung des Rektors Friedrich v. Müller vom 29. Jan. 1920 (UA München, G-XVI-19) lautet: „Am 19./21. Jan. haben Studenten die Vorlesung von Professor Weber durch ruhestörenden Lärm planmäßig und trotz dem Einschreiten des Rektors verhindert. Dieses Verhalten widerspricht der akademischen Ordnung. Der Rektor erwartet, daß diejenigen Studenten, die sich in ihrer Erregung zu dieser Handlungsweise haben hinreißen lassen, freiwillig sich dem Rektorat melden, um sich wegen ihrer Haltung zu verantworten.“ 2  Die Studierenden, die sich auf die „Bekanntmachung“ des Rektors vom 29. Januar 1920 hin meldeten, wurden mit einem akademischen Verweis bestraft. Vgl. Schreiben von Friedrich v. Müller an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 9. Febr. 1920, ebd. 3  Für Webers Vorlesungen am 26. und 28. Januar 1920 hatte der Rektor die Teilnahme von abgestempelten Platzkarten abhängig gemacht. Vgl. Friedrich v. Müller, Bekanntmachung vom 24. Jan.1920, ebd. 4  In der an den Senat und an den Rektor gerichteten „Entschließung“ des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität München vom 23. Jan. 1920, ebd., heißt es: „Herr Professor Dr. Max Weber hat sich in seiner Vorlesung vom 19. ds. M. über Wirtschaftsgeschichte in ungewöhnlich scharfer, einseitiger Weise mit schwebenden Differenzen zwischen Studierenden befaßt, sich dabei zu beleidigenden Äußerungen über einen Studierenden hinreißen lassen, die für einen Hochschullehrer unerhört genannt werden müssen, sich weiterhin in schweren Anwürfen gegen große Gruppen der Studentenschaft ergangen und im Rahmen seiner Vorlesung politische Dinge in einer das Empfinden weiter Kreise der Studentenschaft verletzenden Weise besprochen. Damit hat sich Herr Professor Weber über die einem Hochschuldozenten durch sein Amt und das akademische Herkommen für seine Stellungnahme zu politischen Tagesfragen und studentischen Händeln gesteckten Grenzen in einer Weise hinweggesetzt, die in der Geschichte unserer Universität ohne Beispiel dasteht und im Interesse der akademischen Ordnung zu allerernstestem Bedenken Anlaß gibt.“ (Anlage zum Schreiben Friedrich v. Müllers an den AStA vom 31. Jan. 1920, UA München, G-XVI-19). Den Inhalt der Entschließung veröffentlichte der AStA in Form einer in der Universität ausgehängten „Bekanntmachung“, vgl. dazu unten, S.  718, Anm.  17.

A 339

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Unruhen in der Universität München

Ich bin durch den Pedell in die Große Aula gebeten worden,5 zog mich nach einiger Zeit zurück, wurde dann durch unbeteiligte Studierende zurückgeholt, da Beleidigungen gefallen seien, den Tatbestand hierüber hörte ich erst später,6 ich habe dann den Rektor gebeten, doch eine Remedur eintreten zu lassen und wohnte, da an ein Fortgehen aus dem überfüllten Saale nicht zu denken war, gezwungener Weise den weiteren Vorgängen bei. Veranlassung zu meinem späteren Vorgehen waren  1) Die Schlußworte des Rektors: „Wir freuen uns mit Ihnen dessen, was geschehen“. Ich freute mich nicht mit, sondern hielt das Geschehene für eine schwere Niederlage der Staats-Autorität. Während der Rektor so sprach, stand ich sichtbar auf der Estrade. Das „Wir“ mußte auch auf mich bezogen werden. 2) Hemmeter hatte den Ausdruck ‚Bande‘ gegen eine Gruppe gebraucht. Ich habe auf der Estrade den Rektor gebeten, eine Remedur eintreten zu lassen. Ich hörte, daß schon wiederholt eine Revokation gefordert, aber abgelehnt worden sei. Trotzdem wurde hernach Hemmeter zum Worte zugelassen und zwar, weil er Vertreter einer Abordnung7 sei. Später kam der Studierende Meyer8 zu mir und sagte, gegen ihn richte sich ein organisierter Boykott, er könne sich in der Universität nicht sehen lassen, ohne daß mit Fingern auf ihn gezeigt werde; eine Zurücknahme der Beleidigungen durch Hemmeter sei nicht erfolgt. Für mich bestanden zwei Möglichkeiten, die Angelegenheit zu besprechen: In der Presse9 oder an einem akademischen Orte. In beiden Fällen war ich Vorwürfen ausgesetzt. Ich habe geglaubt, die Presseerörterungen vermeiden zu sollen. Ich habe dem Rektor erst 5  Gemeint ist die studentische Versammlung am 17. Januar 1920 im Auditorium Maximum. Der Rektor berichtete, daß sich Max Weber zusammen mit vielen anderen Universitätsprofessoren und Studierenden am 17. Januar 1920 um 11 Uhr in der Nähe des Rednerpultes befunden habe. Vgl. das Schreiben von Friedrich v. Müller an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 9. Febr. 1920, ebd. 6  Vgl. Weber, Erklärung zum Fall Arco am 23. Januar 1920, MWG I/16, S.  277. 7  Hemmeter, im AStA zur deutschnational orientierten Fraktion gehörend und Mitglied des Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbundes, sprach für die Delegation, die um die Begnadigung Arcos beim Ministerrat nachsuchen sollte. 8  Zur Diskriminierung von Friedrich Meyer vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  711 mit Anm.  5. 9 Am 23. Januar 1920 erschien in den Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.  32, Ab.Bl., S.  4, ein Leserbrief Max Webers, in welchem er zu den Vorfällen Stellung nahm. Vgl. Weber, Erklärung zum Fall Arco, MWG I/16, S.  277 f.

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brieflich10 und dann in einer Unterhaltung gesagt, daß ich bittea[,] die Rücksichtslosigkeit nicht zu unterschätzen, mit der ich in einem solchen Falle vorginge. Was ich im Hörsaal dann gesagt habe, habe ich vor einigen Tagen aufgeschrieben.11 Für die Vollständigkeit und die wortgetreue Wiedergabe kann ich nicht bürgen.b Der Redner verliest diese Niederschrift seiner Äußerungen und fährt fort:  Ohne seine Bemerkungen hätte der Beleidiger12 sicher nichts A 341

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zurückgenommen, der Rektor hätte sich vergeblich bemüht. Hemmeter sei ein Mann, der solche Sachen taktisch erledige. So habe er seine Revokation später wieder revoziert.13 Auch sei deutlich, daß Hemmeter über seine Entschließungen nicht Herr sei, sondern in der Hand einer Gruppe stehe, die ihn unsichtbar dirigiere.14 Da helfe alles Überreden nichts. Redner berichtet über die Vorgänge in Heidelberg, die ihn, Redner, Ende 1918 zum Ausscheiden aus seiner Studentenverbindung bewogen haben.15 Der Anlaß sei gewesen, daß er, als im November 1918 nach einem Waffenstillstandsangebot in Heidelberg ein großes Couleur-Fest gefeiert wurde, erklärt habe: „Ein Hundsfott, wer Couleur trägt, solange a  In A folgt eine Streichung von fremder Hand: 〈unter solchen Verhältnissen〉    b In A folgt der Zusatz von fremder Hand: Das wesentlichste und die schärfsten Ausdrücke dürfte die Niederschrift enthalten. 10  Brief Max Webers an Friedrich v. Müller vom 20. Jan. 1920, MWG II/10, S.  893–896. Weber hatte den Rektor gebeten, „das Maß an Rücksichtslosigkeit nicht zu unterschätzen, dessen ich fähig bin, wenn einmal der Burgfriede gebrochen ist, und daß ich jede Verantwortung dafür, daß dies geschieht, schon jetzt ablehne.“ (ebd., S.  895). 11  Ein Gedächtnisprotokoll seiner zu Beginn der Vorlesung am 19. Januar 1920 gemachten Bemerkungen zur Begnadigungsfrage schickte Weber am 30. Januar 1920 als Anlage zu seinem Brief an den Rektor Friedrich v. Müller. Vgl. Weber, Sachliche (=  nicht auf die Beleidigungsangelegenheiten bezügliche) Bemerkungen am 19.1., MWG II/10, S.  911 f.; dass., mit kleineren Abweichungen, in: MWG I/16, S.  273. 12  Gemeint ist der Student Walther Hemmeter. Vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  711. 13  Aus dem Bericht der Fraktion der sozialistischen Studentenschaft im AStA an Senat und Rektor der Universität München vom 21. Jan. 1920 (UA München, G-XVI-19) geht hervor, daß Hemmeter zunächst gegenüber dem Vertreter der sozialistischen Studentenschaft im AStA zugegeben hatte, die sozialistische Studentenschaft beleidigt zu haben und sich bereit erklärte, diese Beleidigung zurückzunehmen. In der folgenden AStA-Sitzung habe Hemmeter seine Zusage jedoch wieder zurückgezogen. Vgl. Erklärung der Münchener Freien Studentenschaft vom 21. Jan. 1920, in welcher Hemmeter aufgefordert wurde, seine Beleidigung vom 17. Jan. 1920 zurückzunehmen (ebd.). 14  Vgl. oben, S.  716, Anm.  7 15  Vgl. die an Friedrich Keller adressierte Austrittserklärung Max Webers aus der Burschenschaft Allemannia vom 17. Okt. 1918, MWG II/10, S.  269–271.

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das Deutsche Reich in seiner alten Macht und Herrlichkeit nicht wieder aufgerichtet ist.“16 Wenn heute die Dinge in den Zeitungen so weitergehen wie bisher, und wenn weiter solche Vorkommnisse geschehen wie der Anschlag dieses Pamphlets des Studentenausschusses17 an den Säulen der Universität, so werde er die weiteren Konsequenzen ziehen und nicht einen Schritt entgegenkommen, als bisher geschehen.

Der Rektor verliest das Schreiben der Rhätia vom 28. Januar 1920,18 die Erklärung des Professors Dr. Mollier vom 25. Januar 1920.19

16  In seiner Wahlrede für die DDP in Heidelberg am 2. Januar 1919 hatte Weber – laut Zeitungsbericht – erklärt: „Ein Hundsfott, der Couleur trägt, solange Deutschland solche Tage erlebt, wo drüben im Osten deutsche Städte von Polen beherrscht werden. Verkauft Eure Verbindungshäuser. Legt Mützen und Bänder weg und laßt den ganzen feudalen Unfug, der nicht mehr in diese Zeiten paßt und niemandem nützt!“ Weber, Deutschlands Wiederaufrichtung, MWG I/16, S.  410–428, Zitat: S.  419. 17  Am 23. Januar 1920 informierte der Allgemeine Studentenausschuß über den Inhalt einer dem Rektor und Senat am selben Tag mitgeteilten Entschließung (vgl. dazu oben, S.  715, Anm.  4) in Form einer in der Universität ausgehängten „Bekanntmachung“ (UA München, G-XVI-19): „Der Allgemeine Studenten-Ausschuß der Universität München hat in seiner gestrigen Vollsitzung zu den Vorgängen in den Vorlesungen des Herrn Professor Dr. M. Weber vom 19. und 21. ds. Mts. Stellung genommen und als Vertretung der Studentenschaft der Universität München bei dem Senat der Universität Beschwerde über das Verhalten des Herrn Professor Dr. M. Weber in der Vorlesung am 19. ds. Mts. eingereicht. Zugleich hat es der Allgemeine Studenten-Ausschuß dabei auf’s schärfste mißbilligt, daß Studierende in ihrer begreiflichen Erregung zu Beginn der Vorlesung des Herrn Professor Dr. M. Weber am 21. ds. Mts. lärmende Kundgebungen in einer der akademischen Sitte widersprechenden Weise veranstaltet haben. Der Allgemeine Studenten-Ausschuß bittet die Studentenschaft, nachdem nunmehr die ganze Angelegenheit von den zuständigen Stellen in Erledigung genommen ist, von weiteren Kundgebungen im Interesse der Aufrechterhaltung der akademischen Sitte Abstand zu nehmen.“ 18 Gemeint ist die Erklärung der katholischen bayerischen Studentenverbindung Rhätia vom 28. Jan. 1920, ebd. 19  Der Anatom Siegfried Mollier hatte die Hörer seines Kollegs zu einer Ehrung Arcos aufgefordert, wie er in einem Schreiben an Friedrich v. Müller vom 25. Jan. 1920, ebd., berichtete. Zu Beginn seines Kollegs habe er „mit wenigen eindringlichen Worten die große Menschlichkeit des jungen Kommilitonen [behandelt], dessen ganzes Verhalten frei von jeder Theatralik, der Ausdruck einer Mannhaftigkeit war, wie sie in dieser Reinheit auf jeden der noch menschliche Anteilnahme hat den allergrößten Eindruck machen mußte. Ich sagte, daß dieser Eindruck der größte Dienst gewesen sei, den Arco für sein Vaterland geleistet hat und daß heute die moralische Verantwortung weiter Kreise durch sein Beispiel um eine Stufe höher zu werten sei. Zum Schlusse sagte ich, es sei meine tiefste Überzeugung, daß heute jeder der Anwesenden, möge er auch sonst denken wie er wolle, möge er gebildet oder ungebildet sein, möge er welcher Partei immer angehören, [sich] dennoch entschließen könnte, sich vor der großen Menschlichkeit Arcos zu beugen und bat in diesem Sinne sich von den Sitzen zu erheben.“

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Senator Dr. Kraepelin: Warum habe sich Professor Weber in die Geschäftsführung des Rektors eingemischt?

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Professor Weber: Trotz brieflicher und mündlicher Erörterung habe ihm der Herr Rektor nichts davon gesagt, daß er überhaupt irgend etwas in dieser Angelegenheit zu tun beabsichtige. Von sich aus habe er nicht annehmen können, daß das der Fall sein würde, nachdem der Rektor seiner auf der Estrade immer wieder ausgesprochenen Bitte um Remedur nicht entsprochen hatte. Wenn er sehe, es ist ein absolutes Unrecht geschehen und keine Remedur erfolgt, so frage er nach formalen Dingen niemals. Das habe er immer im Leben so gehalten, ob es sich nun um eine sozialistische Minderheit gehandelt habe oder um eine katholische oder um irgend welche andere. Er bemerke ausdrücklich, daß er mit der sozialistischen Akademischen Gruppe weder unmittelbar noch mittelbar Beziehungen habe, daß er ferner den Studierenden Meyer in früherer Zeit einmal, woran er erst jetzt erinnert worden sei, geprüft,20 ihn aber, als der vorliegende Fall auftauchte, nicht mehr gekannt habe. Senator Dr. Kraepelin: Waren Sie persönlich in die Sache irgendwie verwickelt?

Professor Dr. Weber: Nicht im geringsten. Senator Dr. Kraepelin: Haben Sie vorausgesehen, daß sich aus Ihrer Erklärung ein Skandal entwickeln werde? 25

Professor Dr. Weber: Nein, aber wenn ich es vorausgesehen hätte, so hätte ich unter gar keinen Umständen von meiner Erklärung abgesehen. Senator Dr. Rückert: Warum hat sich Professor Weber nicht offiziell an den Rektor, gegebenenfalls an den Senat gewendet?

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Professor Dr. Weber: Ich frage in solchen Lagen nicht nach Zuständigkeiten. Rektor und Senat hätten den Herrn Hemmeter niemals um Zurücknahme bewogen. 20  Nach seinem Abitur im Jahre 1913 studierte Friedrich Meyer 6 Semester in Hannover und 9 Kriegssemester in München. Im WS 1919/20 hörte er Webers Vorlesung „Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“. Daß er von Max Weber geprüft wurde, ist nicht nachgewiesen. Auf den Rat Max Webers zog Meyer nach den Vorfällen in München nach Heidelberg um. Vgl. Brief Alfred Webers an Else Jaffé vom 21. Juni 1920, BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, 86K: „Ich sagte am Schluß des Kollegs doch einige Worte über Maxens Tod. Dann kam in meine Sprechstunde jener Meyer, dessentwegen der Konflikt in München entstanden war. – Er ist hierher übergesiedelt noch auf Maxen’s Rat.“

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Senator Dr. von Drygalski: Den Studenten, welche über die  Hemmeter’sche Äußerung Beschwerde führten und eine Erledigung an Ort und Stelle wünschten, war es in der Elf-Uhr Versammlung bekannt geworden, daß der Rektor die Erledigung selbst in die Hand genommen hatte, sie bekamen nämlich vom Rektor die bestimmte Zusicherung, daß die Äußerung redressiert werde, es sei aber die jetzige Versammlung nicht der geeignete Ort, da sonst eine Nebensache zur Hauptsache gemacht würde.

Professor Dr. Weber: Mir ist von Studenten gesagt worden, sie hätten an den Rektor diese Zumutung gestellt, sie seien abgewiesen worden. Ich habe nachher den Rektor angesprochen, worauf der Rektor sagte: 1. habe der Mann seine, des Rektors, Worte verdreht.21 Hierzu muß ich bemerken, eine unrichtige Wiedergabe der Worte des Rektors durch den Studierenden Meyer liegt zweifellos vor, aber nicht in schlechtem Glauben. Jedenfalls ist eine Zurücknahme des Ausdrucks „Bande“ durch den Rektor nicht erfolgt, bis Montag Abend hat von diesen Studenten niemand etwas gewußt, daß von Seiten des Rektors irgend etwas im Gange ist. Senator Dr. Lotz: Auffällig sei der Anschlag des Studentenausschusses, worin mitgeteilt wurde, daß der Ausschuß über Professor Weber Beschwerde erhoben habe. Rektor: der Studentenausschuß habe nicht die Verpflichtung, die Genehmigung des Rektors zu seinen Anschlägen einzuholen. Rektor: Soll dem Studentenausschuß eine Antwort gegeben und er darin darauf hingewiesen werden, was falsch in seiner Eingabe ist? Der Senat ist einverstanden. Professor Dr. Weber geht. 

Nach der Behandlung von zwei weiteren Tagesordnungspunkten setzte der Senat die Diskussion über die „Unruhen in der Universität“ fort. Zunächst 21 Gemeint ist der Student Friedrich Meyer. Friedrich v. Müller schreibt in seinem Bericht an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 9. Febr. 1920 (UA München, G-XVI-19), ein „Studierender aus der Gruppe sozialistischer Akademiker“ habe dagegen protestiert, daß der Rektor seine Bewunderung für die Tat des Grafen Arco ausgesprochen hätte. Der Rektor stellt richtig: „Da es mir aber tatsächlich ferngelegen hatte, dies zu sagen, und da die Studentenversammlung der Überzeugung war, jener Studierende hätte ihrem Rektor Worte in den Mund gelegt, die er nicht gesprochen hatte, so erhob sich ein gewaltiger Sturm, der Redner konnte nicht weiter sprechen, wurde aufgefordert, den Raum zu verlassen und der Studierende Hemmeter ließ sich zu dem Ausruf hinreißen: Mit dieser Bande wollen wir nichts weiter zu tun haben!“

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einigte man sich darauf, dem Studentenausschuß eine schriftliche Antwort mit folgendem Inhalt zu geben:

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Der Senat habe über die Beschwerde des Studentenausschusses nach Anhö- A 347 rung des Professors Weber beraten, die nachträgliche Substantiierung, die der Ausschuß seinen gegen Professor Weber erhobenen Anklagen nachgeschickt habe, lasse den Tatbestand zum Teil wesentlich anders erscheinen, als die Beschwerdeschrift – von einer Seite wird vorgeschlagen zu sagen: „Der Senat weist es zurück, wenn heftige Angriffe in dieser Form gegen ein Mitglied des Lehrkörpers erhoben werden“ –, auch der Senat müsse es mißbilligen, wenn politische Erörterungen und namentlich in Form von beleidigenden Angriffen in den Hörsaal gebracht werden.

Dann wandten sich die Senatoren dem Verhalten Webers zu. Es herrschte Einigkeit darüber, daß sich Weber in die Geschäftsführung des Rektors eingemischt habe: 15

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Senator Dr. Kisch fragt den Rektor, ob er die Empfindung gehabt habe, daß Professor Weber in einer für ihn unliebsamen Weise in seine Zuständigkeiten eingegriffen habe. Er würde in diesem Falle ein Vertrauensvotum des Senates für den Rektor beantragen. Der Rektor erwidert: Professor Weber habe ihm einen sehr scharfen Brief geschrieben,22 der Brief habe ihn aber, da die Vor- A 348 würfe darin nach seiner Überzeugung sachlich nicht berechtigt waren, nicht gekränkt. Er habe nach Empfang des Briefes den Professor Weber zu einer Unterredung gebeten, sehr viel von dem, was er ihm darin gesagt habe, habe Professor Weber vergessen. So sei es undenkbar, daß er ihm nichts von seinen Bemühungen gesagt habe, Hemmeter zur Zurücknahme der Beleidigung zu bringen. Die von Senator Dr. Kisch gestellte Frage verneine er. Senator Dr. Kraepelin betont, die Einmischung in die Geschäftsführung des Rektors verletzte zugleich die Rechte der Universität als Körperschaft. Der Senat ist weiterhin einig in der Verurteilung dessen, daß Professor Weber im Hörsaal Tagesfragen in einer aggressiven Form besprochen habe und daß er nach seiner abgegebenen Erklärung auf dem Standpunkt stehe, er brauche sich in solchen Lagen, wie sie nach seiner Auffassung für ihn gegeben war, um Zuständigkeit und Förmlichkeiten nicht zu kümmern. Über den Standpunkt des Senats soll dem Professor Weber eine Mitteilung zugehen. Es besteht darüber Einigkeit, daß in dieser Mitteilung das Bedauern über die Einmischung in die Geschäfts22  Brief Max Webers an Friedrich v. Müller vom 20. Jan. 1920, MWG II/10, S.  893–896.

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führung des Rektors auszusprechen ist. Darüber, ob im Schreiben an Professor Weber auch die Unzulässigkeit politischer Erörterungen, ferner von beleidigenden Angriffen bemerkt werden soll, – von einer Seite wird angeregt, zu mißbilligen, wie Professor Weber die Tagesfragen in einer aggressiven Form behandelt habe, ohne sich um die Folgen zu kümmern-, werden von verschiedenen Seiten abweichende Meinungen geäußert. Die Senatoren Dr. Endres A 349 und Dr. Göttler regen an, im Schreiben an Professor  Weber auch zu sagen: Seine Auffassung, daß er sich um Zuständigkeiten nicht zu kümmern brauche, könne nicht geteilt werden. Eine solche Zurückweisung sei wichtig im Hinblick auf die künftigen Entgleisungen, ferner um den Standpunkt des Senates für künftige Rektoren kenntlich zu machen. Senator Dr. Endres bemerkt, Professor Weber habe dem Senat eigentlich geradezu erklärt: der Senat sei ihm gleichgültig. Senator Dr. Lotz erklärt, für einen solchen Antrag nicht stimmen zu können. Neben der Ordnung in der Universität komme für den Senat auch das wissenschaftliche Interesse einer Fakultät in Betracht, dieses aber würde durch eine Niederlegung der Professur durch Herrn Weber – wie sie bei einer solchen Erledigung der Angelegenheit zu erwarten stehe – schwer geschädigt. Senator Dr. Kisch hat die Äußerung des Professors Weber über Zuständigkeiten nicht als Angriff gegen den Senat empfunden, sondern als Entschuldigung, als Schilderung des Seelenzustandes in dem sich Professor Weber befinde. („Hier stehe ich, ich kann nicht anders“).23 Eine mündliche Erörterung zwischen Rektor und Professor Weber über diese Zuständigkeitsfragen sei ihm, dem Redner, lieber, als eine Bemerkung darüber im Senatsschreiben. Im Laufe der Erörterung wird auch auf die Aussprache zurückgegriffen, welche Professor Mollier über den Fall Arco im Hörsaal gehalten habe.24 Senator Lotz bemerkt, auch Mollier habe die Politik in den Hörsaal getragen. Senator Dr. Kisch führt aus, sowohl Weber wie Mollier habe die Politik in den Hörsaal hereingezogen, Mollier aber ohne damit in die Geschäftsführung des Rektors einzugreifen und ohne beleidigende Angriffe zu erheben. Von anderer A 350 Seite wird bemerkt, die Ansprache des Professors Mollier begründe überhaupt keinen Anlaß zu einem Tadel.

23  In Politik als Beruf (MWG I/17, S.  250) greift Weber das Luther-Zitat auf: „Ich kan nicht anderst, hie stehe ich, Got helff mir, Amen.“ 24  Vgl. dazu oben, S.  718, Anm.  19.

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II b.  Verein für Socialpolitik

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[Künftige Arbeiten des Vereins]

[Diskussionsbeiträge auf der Ersten Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 24. September 1905 in Mannheim]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber war dem Verein für Socialpolitik seit seiner Teilnahme an der Enquete über die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland 1892 verbunden.1 Er nahm in den Jahren 1893, 1903, 1905, 1907, 1909 und 1911 an den Generalversammlungen teil, zumeist auch mit Wortbeiträgen.2 Im März 1893 wurde Max Weber erstmalig in den Ausschuß, das Planungsgremium des Vereins unter Vorsitz von Gustav Schmoller, kooptiert.3 Die Zuwahl galt in der Regel für ein Jahr und wurde dann erneuert. Aus dieser Mitgliedschaft resultierte die Teilnahme an den Ausschußsitzungen, die sich vor allem der Vorbereitung der Generalversammlungen, aber auch der Planung von Großprojekten und der Schriftenreihe widmeten. Weber nahm zwischen 1893 und 1916 15 Mal an den Sitzungen teil.4 Diese fanden zumeist in Berlin

1  Vgl. dazu Weber, Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland, MWG I/3. 2  Zu den Redebeiträgen auf der Generalversammlung in Berlin am 20. und 21. März 1893 vgl. Weber, Die ländliche Arbeitsverfassung, MWG I/4, S.  157–207; in Mannheim am 26. und 28. Sept. 1905 vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Zur Verteidigung Friedrich Naumanns, oben, S.  61 mit Anm.  6; in Magdeburg am 2. Okt. 1907 vgl. Weber, Verfassung und Verwaltungsorganisation der Städte, MWG I/8, S,  300–325; in Wien am 28. und 29. Sept. 1909 vgl. Weber, Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinden, MWG I/8, S.  356–366, und Weber, Die Produktivität der Volkswirtschaft, in: Verhandlungen VfSp 1909, S.  580–585, 603–607 (MWG I/12); in Nürnberg am 10. Okt. 1911 vgl. Weber, Probleme der Arbeiterpsychologie, MWG I/11, S.  409–425. Zur Teilnahme an der Hamburger Generalversammlung im Sept. 1903 (ohne Wortbeiträge) vgl. die Karte Max Webers an Marianne Weber vom 13. Sept. 1903, MWG II/4, S.  145. 3  Vgl. dazu Aldenhoff-Hübinger, Rita, Einleitung, in: MWG II/3, S.  7 mit Anm.  32. 4  Im März 1893 und März 1896 in Berlin; im Sept. 1896 in Breslau; im Jan. 1899 in Berlin; im Sept. 1903 in Hamburg; im Jan. 1905 in Berlin; im Sept. 1905 in Mannheim; im Jan. 1907 in Berlin; im Sept. 1907 in Magdeburg; im Okt. 1908 in Berlin; im Sept. 1909 in Wien; im Mai 1910 in Dresden; im Jan. 1911, Jan. 1914 und im April 1916 in Berlin.

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Künftige Arbeiten des Vereins

oder parallel zu den an wechselnden Orten tagenden Generalversammlungen statt. In Einzelfällen wurden zu Spezialthemen auch Unterausschüsse gebildet, wobei Webers Mitgliedschaft in fünf belegt ist.5 Dokumentiert sind Max Webers Wortbeiträge in Ausschüssen und Unterausschüssen durch die vom Schriftführer des Vereins abgefaßten Ergebnisprotokolle, die in gedruckter Form und zu Informationszwecken offenbar nur an die Ausschußmitglieder verschickt wurden.6 Daß die Teilnehmer sie autorisiert hatten, ist nicht anzunehmen.7 Der Ausschuß des Vereins für Socialpolitik tagte dreimal am Rande der vom 25. bis 28. September 1905 stattfindenden Generalversammlung in Mannheim. Am ersten Sitzungstag, dem 24. September 1905, standen Berichte über die Finanzlage und den Stand der Vereinsschriften sowie die Beratung über künftige Arbeiten auf der Tagesordnung, am zweiten Sitzungstag, dem 26. September, vor allem Kooptationen. Am dritten Sitzungstag, dem 27. September, wurde u. a. über einen brieflichen Vorschlag Richard Ehrenbergs diskutiert, der eine Enquete über die Arbeitsverhältnisse in den Riesenbetrieben leiten wollte und dazu vom Verein Geldmittel verlangte. Max Weber nahm an allen drei Sitzungen teil, allerdings sind nur für die erste spezifizierte Redebeiträge dokumentiert. Zur dritten Sitzung wird lediglich vermerkt, daß er neben Brentano, Schmoller, Gierke, Lotz, Bücher und v. Berlepsch an der Diskussion teilgenommen habe.8 Auf der zweiten Sitzung wurde Weber erneut in den Ausschuß kooptiert.9

5  Bei folgenden Unterausschüssen wurde Weber als Mitglied geführt: Die Entwickelungstendenzen im Kleinhandel (1899), Erhebung über die Arbeitgeberverbände (1905); Die Lebensläufe der Arbeiter (1907); Die Reorganisation der preußischen Verwaltung (1908); Die Preisuntersuchungen (1911). 6  Die Protokolle sind in den Vereinsakten im GStA PK sowie im Nl. Ignaz Jastrow und Nl. Max Sering überliefert. In der Edition nicht dokumentiert werden Ausschußsitzungen, an denen Weber zwar teilgenommen, sich aber nicht geäußert hat bzw. kein eigen­ständiger Wortbeitrag im Protokoll vermerkt ist. Dies betrifft die Ausschußsitzungen 1893, 1896, 1899, 1903, Jan. 1905, Jan. 1907, Jan. 1914, sowie die Unterausschußsitzungen im Jan. 1905, Juni 1908, Okt. 1910, Jan. 1911. 7  Eine Ausnahme dazu bildet die Aussprache im VfSp-Ausschuß am 6. April 1916, die anhand der stenographischen Protokolle als Band 155 der Schriftenreihe des Vereins veröffentlicht und den Teilnehmern vorab vorgelegt worden ist. Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten, MWG I/15, S.  134–139, hier S.  138 f. 8  Vgl. das Ausschuß-Protokoll: Verein für Socialpolitik. Mannheim, 24. bis 28. September 1905, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic ­Science, London School of Economics and Political Science, London, S. [4]. 9 Ebd.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Diskussionsbeiträge Max Webers in der ersten Sitzung am 24. September 1905 werden wiedergegeben nach dem gedruckten Protokoll der Ausschußsitzungen: Verein für Socialpolitik. Mannheim, 24. bis 28. September 1905, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London (A), S. [2 f.]. Das vierseitige Protokoll enthält keine originale Paginierung. Der Editor sigliert die Seiten hier als A (2), A (3). Die Redebeiträge Max Webers sind mit „Dr. Max Weber“ bzw. „Dr. M. Weber“ gekennzeichnet und indirekt wiedergegeben. Zum besseren Verständnis werden ausgewählte Protokollpassagen, in kleinerer Schrift, mit abgedruckt.

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[Künftige Arbeiten des Vereins] 1. [A (2)]

Dr. Max Weber wünscht eine Betrachtung nicht nur vom sozialpolitischen, sondern auch vom wirtschaftlichen, namentlich vom handelspolitischen Gesichtspunkt.1

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2. [A (3)]

Dr. Max Weber hält dafür, daß der Verein für Socialpolitik hier2 unzuständig sei.

3. [A (3)] In betreff des Antrags 4: Herkunft der Arbeiter in Großbetrieben, wozu der

Antragsteller3 nicht erschienen, bemerkt Dr. M. Weber, Dr. Sering habe

dabei s. Zt. auf die Frage der Militärtauglichkeit hingewiesen,4 er selbst habe dabei die innere soziale Struktur der Arbeiterschaft im

1  Dies bezieht sich auf die vorgeschlagene Enquete über die „Arbeitgeberverbände“. Dafür wurde die Einrichtung eines Unterausschusses beschlossen, mit den Mitgliedern Hans Frhr. v. Berlepsch (Vorsitz), Lujo Brentano, Karl Bücher, Ernst Francke, Ignaz Jastrow, Waldemar Zimmermann und Max Weber. 2  Weber bezieht sich auf den Antrag Heinrich Albrechts, „Die Frage der volkswirtschaftlichen Bildung der Privatbeamten“ zu behandeln. Nachdem in der Debatte neben Weber auch Georg Friedrich Knapp, Hugo Thiel, Eberhard Gothein und Julius Pierstorff dagegen Bedenken erhoben hatten, zog Albrecht seinen Antrag zurück. 3  Gemeint ist Wilhelm Merton. Vgl. Boese, Verein, S.  122. 4  In einer „Denkschrift betr. die Ermittelungen über die Herkunft und die Besichtigung der beim Heeres-Ergänzungsgeschäft des Jahres 1902 zur Bestellung gelangten Militärpflichtigen“ kam Max Sering zu dem Ergebnis, daß die Militärtauglichkeit der Landbevölkerung die der Stadtbevölkerung überwiege. Vgl. Archiv des Deutschen Landwirtschaftsrats, Bericht über die Verhandlungen der XXXII. Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrats vom 9. bis 12. Februar 1904. – Berlin: Verlagsbuchhandlung Paul Parey 1904, S.  282–298.

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Künftige Arbeiten des Vereins

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Auge. Es empfehle sich, den Antrag nicht ausscheiden zu lassen, sondern die Erörterung auf eine künftige Sitzung zu verschieben.5

5  Der Antrag wurde nicht in der nächsten Ausschußsitzung, am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin, sondern in der Magdeburger Ausschußsitzung am 1. Oktober 1907 besprochen. Vgl. dazu Weber, Die Arbeiterschaft in der Großindustrie, unten, S.  746–749, sowie den Editorischen Bericht zu Weber, Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie, MWG I/11, S.  63–77.

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[Die Satzung des Vereins, Arbeitsgebiete und Themen der nächsten Generalversammlung] [Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Nach der turbulenten Generalversammlung in Mannheim vom 25. bis 28. September 19051 wurde im darauffolgenden Jahr weder die Generalversammlung noch der Ausschuß einberufen. Der Ausschuß kam erst wieder am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin zusammen. In einem vertraulichen Rundschreiben „An die Herren Mitglieder des Ausschusses“ hatte Gustav Schmoller Anfang Juli 1906 eine Diskussion über die Verfassung und die Ziele des Vereins angeregt.2 Zur Januar-Sitzung lagen Anträge von Lujo Brentano, Max Weber, Heinrich Herkner und Carl Johannes Fuchs vor.3 Weber hatte am 23. Oktober 1905 Gustav Schmoller mitgeteilt, er werde, als Reaktion auf die Vorgänge in Mannheim, den Antrag stellen, die Generalversammlung abzuschaffen.4 Das tat er nun auch. Er räumte allerdings ein, damit ein taktisches Interesse zu verfolgen: Ihm gehe es vor allem um eine Diskussion über den Sinn der Generalversammlung.

1  Vgl. Weber, Zur Verteidigung Friedrich Naumanns, oben, S.  60–64. 2 Vertrauliches Rundschreiben von Gustav Schmoller an die Mitglieder des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik, Anfang Juli 1906, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London (hinfort: Schmoller, Vertrauliches Rundschreiben, Juli 1906), teilweise abgedruckt in: Boese, Verein, S.  266–269. 3  Vgl. die Auflistung der vier Anträge in: Protokoll über die Verhandlungen des Ausschusses am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin (Herrenhaus), Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  1–10 (hinfort: Protokoll der Ausschußsitzungen, Jan. 1907), hier S.  2. Die Anträge von Heinrich Herkner und Carl Johannes Fuchs lagen gedruckt vor und sind überliefert in: Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, die Anträge von Lujo Brentano und Max Weber sind nicht überliefert. 4  Brief Max Webers an Gustav Schmoller vom 23. Okt. 1905, MWG II/4, S.  567 f.

Editorischer Bericht

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Brentano beantragte, nicht die Generalversammlung, wohl aber das Resumée des Vorsitzenden am Ende der Generalversammlung abzuschaffen.5 Die Art, wie Schmoller es in Mannheim nutzte, hatte zu dem Eklat geführt. Der Ausschuß folgte Brentanos Vorschlag. Daraufhin zog Weber seinen Antrag zurück,6 plädierte aber für weitere organisatorische Veränderungen. Am zweiten Verhandlungstag, dem 5. Januar 1907, diskutierte der Ausschuß über die Finanzlage des Vereins und über die Themen für die Generalversammlung 1907. Im Protokoll ist darüber hinaus vermerkt, daß der in Mannheim 1905 eingesetzte Unterausschuß zur Enquete über die Arbeitgeberverbände, dessen Mitglied Max Weber war, am 4. Januar ebenfalls getagt hatte.7 Nach wenig ermutigenden Anfängen zeichne sich nun eine Lösung ab: Ein Schüler von Karl Bücher, Gerhard Kessler, sowie Waldemar Zimmermann, die bereits Material gesammelt und mit dessen Bearbeitung begonnen hatten, sollten die daraus entstehende Abhandlung in der Schriftenreihe des Vereins veröffentlichen.8

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die Diskussionsbeiträge Max Webers werden wiedergegeben nach dem gedruckten Protokoll über die Verhandlungen des Ausschusses am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin (Herrenhaus), Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic ­Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  2, 4–7, 9 (A). Das 10-seitige Protokoll enthält eine gedruckte Seitenzählung, die vom Editor als A 2 etc. sigliert wird. Die Diskussionsbeiträge sind gekennzeichnet mit: „Dr. Max Weber“ und in indirekter Rede wiedergegeben.

5  Vgl. Protokoll der Ausschußsitzungen, Jan. 1907 (wie oben, S.  130, Anm.  3), S.  2. 6  Vgl. ebd., S.  5. 7  Vgl. ebd., S.  8, an der Unterausschußsitzung nahmen außer Weber v. Berlepsch, Brentano, Bücher, Francke, v. Philippovich und Sombart teil. Zur Einsetzung des Unterausschusses vgl. Weber, Künftige Arbeiten des Vereins, oben, S.  728, Anm.  1. 8  Vgl. Kessler, Gerhard, Die Deutschen Arbeitgeber-Verbände (Schriften des Vereins für Socialpolitik 124). – Leipzig: Duncker & Humblot 1907. Die Arbeit Waldemar Zimmermanns ist nicht erschienen.

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[Die Satzung des Vereins, Arbeitsgebiete und Themen der nächsten Generalversammlung] [Sitzung des Ausschusses am 4. Januar 1907] 1. [A 2]

Dr. Max Weber: Schon vor zehn Jahren habe Dr. Thiel den Antrag gestellt, die Generalversammlung abzuschaffen und sich auf die Herausgabe von Schriften sowie die Veranstaltung von Kursen zu beschränken.1 Wenn er jetzt den gleichen Antrag stelle, so veranlasse ihn dazu eine Bemerkung im Rundschreiben des Vorsitzenden vom Sommer 1906,2 wonach eine Anzahl Mitglieder ein Einschreiten des Vorsitzenden gegen Naumann in Mannheim für wünschenswert erklärt hätten, wenn sie im Verein bleiben sollten. An diesem Standpunkt müsse er den stärksten Anstoß nehmen. Unbedingt müsse klargestellt werden, daß uneingeschränkte Freiheit der Meinung und der Rede auf der Generalversammlung herrschen solle. Geschehe dies, dann ziehe er seinen Antrag zurück, der den Zweck habe, authentisch zu erfahren: Welchen Sinn hat die Generalversammlung?

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2. [A 4]

Dr. Max Weber: Nicht die Unmöglichkeit, ein objektives Resümee zu geben, sondern die Strömung, die ein gewisses Urteil, eine Zen1  Ein solcher Antrag Hugo Thiels ist nicht nachgewiesen. Allerdings hatte Thiel bei der Generalversammlung 1894 einleitend zu seinem Referat darüber geklagt, daß aufgrund langer Referate zu wenig Zeit für Diskussionen bleibe; die Publikationen würden ja alle lesen. Vgl. Thiel, Hugo, Das bäuerliche Erbrecht, in: Verhandlungen der am 28. und 29. September 1894 in Wien abgehaltenen Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik über die Kartelle und über das ländliche Erbrecht (Schriften des Vereins für Socialpolitik 61). – Leipzig: Duncker & Humblot 1895, S.  239–250, hier S.  240. 2 In Schmoller, Vertrauliches Rundschreiben, Juli 1906 (wie oben, S.  730, Anm.  2), findet sich eine solche auf Naumann bezogene Bemerkung nicht. Allerdings machte er eine solche Bemerkung in seinem Schreiben an Brentano, Max Weber und einige Ausschußmitglieder vom 29. Okt. 1905, GStA PK, I. HA, Rep.  196, Nr.  5, Bl. 6–12, hier Bl.  4.

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Die Satzung des Vereins, Arbeitsgebiete und Themen

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sur verlange, sei das Gefährliche. Um dies Ventil der Schwierigkeiten zu verstopfen, müsse man das Resümee abschaffen. Geschehe dies, so ziehe er seinen Antrag auf Aufhebung der Generalversammlung zurück. Aber noch einen andern Punkt müsse er berühren. Jetzt würden erst in der Generalversammlung selbst Leitsätze vorgelegt.3 Die Folge sei, daß man sich nicht an sie halte, gar nicht über sie diskutiere. Die Thesen müßten längere Zeit vorher bekannt gegeben werden, damit man sich gründlich vorbereiten könne. Den Anträgen Fuchs4 stimme er nicht zu: keine zeitliche Beschränkung der Mitgliedschaft, keine Scheidung der Arten von Generalversammlung! Dagegen gestehe er dem Antrag Herkner5 eine Berechtigung zu, da in der Tat, ein Bedürfnis nach einer Organisation für rein wissenschaftliche Erörterungen bestehe. Eine solche Organisation aber brauche dem Verein für Socialpolitik nicht abträglich zu sein, und der Verein könne sich nicht als einziges wissenschaftliches Forum konstituieren.6 Endlich rege er eine Entlastung des Vorsitzenden Schmoller,7 in dessen Händen die Leitung des Ver3 In der Generalversammlung 1905 in Mannheim hatte Hermann Schumacher abschließend eine Zusammenfassung seines Referats in sieben Thesen verlesen, „um für die Diskussion eine bessere Grundlage zu schaffen“ (vgl. Schumacher, Hermann, Über die finanzielle Behandlung der Binnenwasserstraßen, in: Verhandlungen VfSp 1905, S.  11–45, Zitat: S.  44). Schmoller hatte die Ausführungen seines Referats über „Das Verhältnis der Kartelle zum Staate“ in acht Leitsätzen zusammengefaßt, die der Versammlung bereits vorab vorlagen (vgl. ebd., S.  269–271). In der Berliner Ausschußsitzung nahm Heinrich Herkner Webers Kritik auf und bat darum, die Leitsätze bereits vor Zusammentritt der Versammlung zu versenden. Vgl. Protokoll der Ausschußsitzungen, Jan. 1907 (wie oben, S.  730, Anm.  3), S.  10. 4 Carl Johannes Fuchs hatte den Antrag gestellt, bei den Generalversammlungen zwischen wissenschaftlich unumstrittenen, für eine breitere Öffentlichkeit geeigneten Vorträgen und internen Debatten zu unterscheiden. Für erstere sollten dann Gästekarten ausgegeben werden. Er schlug vor, die Vereinsmitgliedschaft an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. In der Begründung seines Antrages hatte Fuchs gesagt, „für die Interessenten wünsche er Gästekarten, nicht Erwerbung der Mitgliedschaft nur für eine bestimmte Veranlassung“. Ebd., S.  3. 5  Heinrich Herkner hatte den Antrag gestellt, bei den Generalversammlungen „mindestens einen Tag für Referate und Debatten freizuhalten, die ganz oder vorwiegend Interessen der wissenschaftlichen Nationalökonomie inklusive Finanzwissenschaft und Statistik betreffen“. Ebd., S.  2. 6  Walther Lotz schlug in der Debatte (nach Webers Beitrag) die Errichtung einer „Sonderorganisation“ vor, die dieses Bedürfnis besser befriedigen könne. Ebd., S.  4. 7  Gustav Schmoller war 1907 69 Jahre alt und litt an „chronisch-neuralgischen Kopfschmerzen“, die ihm nur stundenweise zu arbeiten erlaubten. In einem Brief an Brentano, Max Weber und einzelne Mitglieder des Ausschusses vom 29. Oktober 1905 machte er seinen Rücktritt von allen Ämtern von seinem labilen Gesundheitszustand abhängig. Vgl. Brief Gustav Schmollers an Max Weber und einzelne Mitglieder des

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Die Satzung des Vereins, Arbeitsgebiete und Themen

eins bis an sein Lebensende unbedingt bleiben müsse, durch Beistellung einer Hilfskraft an.

3. A5

Dr. Max Weber: Gerade die ins Feld geführten Rücksichten auf die Presse verstärkten seinen Wunsch auf Abschaffung des Resümees,8 da dadurch ein einseitiger, oft schiefer Eindruck von den Debatten bewirkt werde.

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[Sitzung des Ausschusses am 5. Januar 1907] 1. [A 6]

Dr. Max Weber kommt angesichts der guten Finanzlage auf seine Anregung zurück,9 dem Vorsitzenden zur Entlastung eine Hilfskraft zu stellen und dafür die erforderlichen Mittel auszusetzen.

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2. [A 7]

Dr. Max Weber regt an, auch Spezialarbeiten über die kommunalen Bäckereien in italienischen Städten aufzunehmen.10 Ausschusses vom 29. Okt. 1905, GStA PK, I. HA, Rep.  196, Nr.  5, Bl. 6–12, sowie in: Boese, Verein, S.116. 8  Johannes Conrad hatte in der Debatte das Resümée des Vorsitzenden mit dem Argument verteidigt, daß es für die Außenwirkung des Vereins in Presse und Öffentlichkeit von „große[r] Bedeutung“ sei. Vgl. Protokoll der Ausschußsitzungen, Jan. 1907 (wie oben, S.  730, Anm.  3), S.  4. 9  Vgl. dazu oben, S.  733, Anm.  7. 10  In der Diskussion ging es um bereits in Arbeit befindliche und noch geplante Abhandlungen zum Thema Gemeindebetriebe. Weber korrespondierte im Dezember 1906 mit der Gattin seines Freundes Robert Michels, Gisela Michels-Lindner, über ihre Arbeit „Munizipalisation in Italien“, die ursprünglich im AfSSp erscheinen sollte. Vgl. Brief Max Webers an Gisela Michels-Lindner vom 6. Dez. 1906, MWG II/5, S.  198 f. Sie beschäftigte sich u. a. mit den kommunalen Brotfabriken Italiens Vgl. Michels-Lindner, Gisela, Geschichte der modernen Gemeindebetriebe in Italien (Schriften des Vereins für Socialpolitik 130,II). – Berlin: Duncker & Humblot 1909.

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Die Satzung des Vereins, Arbeitsgebiete und Themen

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3. Dr. Max Weber bezeichnet es als Recht und Pflicht des Antragstellers,11 das Thema selbst zu wählen und darüber vorzutragen.

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4.

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Dr. Max Weber macht darauf aufmerksam, daß das Büchersche Thema noch nicht reif, das literaturgeschichtliche zu schwierig sei.12 „Klassenbegriff“, „Klasseninteresse“ seien der Bearbeitung werte und bedürftige Gegenstände. Er bittet Dr. Herkner, weitere Vorschläge zu machen.

[A 9]

[A 9]

5. Dr. Max Weber ist hiermit einverstanden unter der Voraussetzung, daß Dr. Bücher selbst das Referat übernehme.13

11  Vgl. dazu oben, S.  733, Anm.  5. 12  Karl Bücher hatte für die nächste Generalversammlung (in Erweiterung von Herkners Vorschlag „Die Vorbildung des Nationalökonomen“) das Thema „Die Ausbildung der Wirtschaftsbeamten“ eingebracht. Vgl. Protokoll der Ausschußsitzungen, Jan. 1907 (wie oben, S.  730, Anm.  3), S.  9. Gustav Schmoller und Heinrich Herkner hatten als Thema vorgeschlagen: „Die literaturgeschichtliche Behandlung der Nationalökonomie“. Ebd. 13  Karl Bücher insistierte auf der „Behandlung eines weiteren praktischen Themas“, nämlich, wie bereits vorgeschlagen, der „Vorbildung der Wirtschaftsbeamten“. Ebd.

[A 9]

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[Die geistige Arbeit in der Großindustrie] [Diskussionsbeitrag auf der Dritten Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 1. Oktober 1907 in Magdeburg]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Nach der Berliner Sitzung am 4. und 5. Januar 19071 trat der Ausschuß des Vereins für Socialpolitik im selben Jahr ein zweites Mal zusammen und tagte parallel zur Generalversammlung, die vom 30. September bis zum 2. Oktober in Magdeburg stattfand. Es ging dabei hauptsächlich um das weitere Arbeitsprogramm des Vereins. Max Weber konnte an der ersten Sitzung des Ausschusses am 29. September nicht teilnehmen, deshalb legte er seinem Bruder Alfred, der teilnehmen konnte, am 3. September 1907 brieflich seine Vorstellungen über neue Arbeitsprojekte dar. Er wünschte eine „Serie von Untersuchungen“ über verschiedene Aspekte der Arbeit in der modernen Großindustrie, darunter auch über „Degenerationsfragen“.2 Das Thema „Degeneration“ wurde am ersten Sitzungstag, dem 29. September 1907, tatsächlich beraten,3 dann aber, möglicherweise wegen Webers Abwesenheit, zurückgestellt. Auf der zweiten und dritten Sitzung des Ausschusses, am 1. Oktober, war Weber dann anwesend. Auf der Nachmittagssitzung wurde er wiederum in den Ausschuß kooptiert,4 in der dritten Sitzung, am Abend, brachte er selbst seine Anregungen vor. Für die dort besprochene Untersuchung „Lebensläufe aller in der Industrie beschäftigten Arbeiter“

1  Vgl. oben, S.  730–735. 2  Brief Max Webers an Alfred Weber vom 3. Sept. 1907, MWG II/5, S.  381–384, Zitate: S.  382 f. 3  Von Brentano lag ein schriftlicher Antrag folgenden Inhalts vor: „Systematische Bearbeitung der Frage der Degeneration, ob eine solche stattgefunden hat, wo sie stattgefunden hat, sowie ihrer Ursachen.“ Vgl. Ausschuß-Protokoll des Vereins für Socialpolitik, Magdeburg, den 29. September bis 1. Oktober 1907, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  3. 4  Ebd., S.  5.

Editorischer Bericht

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wählte man einen 10-köpfigen Unterausschuß, dem auch Max Weber angehörte.5

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Max Webers Diskussionsbeitrag wird wiedergegeben nach dem gedruckten Ausschuß-Protokoll des Vereins für Socialpolitik, Magdeburg, den 29. September bis 1. Oktober 1907, das sich im Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic ­Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  6 (A), befindet. Das sechsseitige Protokoll enthält gedruckte Seitenzahlen. Der Redebeitrag, protokolliert in einer Mischung aus indirekter Rede und Direktzitat, ist gekennzeichnet mit „Dr. Max Weber“. Zum besseren Verständnis wird auch sein Kontext, in kleinerer Schrift, wiedergegeben.

5  Dem Unterausschuß gehörten an: „Dr. Bücher (Vorsitzender), Dr. Herkner, Dr. Oldenberg, Dr. Schumacher, Dr. Sering, Dr. Sinzheimer, Dr. Stein, Dr. Alfred Weber, Dr. Max Weber, Dr. Wirminghaus.“ Vgl. ebd., S.  6.

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[Die geistige Arbeit in der Großindustrie] [A 6] Man kommt auf den in der Ausschußsitzung vom 29. September besprochenen

Gegenstand: „Untersuchungen über die Lebensläufe aller in der Industrie beschäftigten Arbeiter“ zurück. Der Vorsitzende schlägt vor, einen Unterausschuß einzusetzen. Dr. Max Weber möchte das Thema anders fassen.

5

„Die geistige Arbeit in der Großindustrie“. Er wünscht die Frage beantwortet zu sehen: „Nach welchen Qualitäten psychischer und physischer Art fragt die Großindustrie?“ Der Unterausschuß möge selbst bestimmen, was innerhalb des weiten Rahmens zu behandeln sei.1

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1  Anschließend wurde der Unterausschuß eingesetzt (vgl. dazu den Editorischen Bericht, oben, S.  737 mit Anm.  5). Dieser trat zum ersten Mal am 13. Juni 1908 in Eisenach zusammen, „um den Arbeitsplan und den für die Erhebung für die Bearbeiter notwendigen Fragebogen festzulegen“. Darüber berichtet Otto von Zwiedineck-Südenhorst, daß diese Tage zu den ergiebigsten gezählt hätten, „die ich je in wissenschaftlicher Kollektivarbeit erlebt habe. Ein Sprühregen von Ideen darüber, wie man den soziologisch belangreichen Bestimmungsgründen der Berufswahl, des Berufserfolges und damit des Berufsschicksals auf die Spur kommen könnte, ging von den beiden Brüdern aus. Ihre Produktivität – hier ist dieser Begriff wieder im Hinblick auf den Zweck der Förderung der Untersuchungen durch geeignete Fragen gedacht und einwandfrei ohne Wertgehalt – die Fülle der von ihnen gebrachten Vorschläge war so stupend, daß andere Ausschußmitglieder nur wenig zu Wort kamen und Schmoller am Schlusse jener Eisenacher Tagung erklärte: Für die nächste Beratung bedürfen wir einer Geschäftsordnung, in deren §  1 bestimmt wird, daß innerhalb einer Stunde die beiden Weber nicht mehr als 55 Minuten sprechen dürfen.“ Vgl. Zwiedineck-Südenhorst, Otto von, Zum Wirken von Max und Alfred Weber im Verein für Sozialpolitik. Erinnerungen und Eindrücke, in: Synopsis. Festgabe für Alfred Weber, hg. von Edgar Salin. – Heidelberg: Lambert Schneider [1948], S.  763–788, Zitate: S.  785.

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[Die Produktivität der Volkswirtschaft, das Berufsschicksal der Privatbeamten] [Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 12. Oktober 1908 in Berlin]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am 12. Oktober 1908 beriet der Ausschuß des Vereins für Socialpolitik in Berlin zunächst über Ort und Themen der nächsten Generalversammlung. Als Ort wurde Wien bestimmt, Heinrich Herkner schlug das Thema „Ausbildung der Verwaltungsbeamten und Stellung der Techniker in der Verwaltung“ vor, Eugen v. Philippovich das Thema „In welchem Maße kann man eine Steigerung der Produktivität der Volkswirtschaft feststellen?“.1 Dieser Vorschlag stellte insofern eine Neuerung dar, als man bisher noch nie ein theoretisches Thema auf einer Generalversammlung verhandelt hatte. Max Weber nahm zu beiden Vorschlägen Stellung und unterstützte den Vorschlag v. Philippovichs. Als der Tagesordnungspunkt „neue Arbeiten“ aufgerufen wurde, meldete Weber sich ein zweites Mal zu Wort. Er schlug eine Untersuchung über die Vorbildung und das Berufsschicksal von Privatbeamten vor.2 Dieses Thema hatte er auf der Sitzung im September 1905 noch zurückgewiesen. Jetzt betrachtete er es als einen Bestandteil der geplanten Untersuchungen über die geistige Arbeit in der Großindustrie.3 1  Protokoll der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik am Montag, den 12. Oktober 1908 in Berlin, im Gebäude des Herrenhauses, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  1–6 (hinfort: Protokoll der Ausschußsitzung, Okt. 1908), hier S.  4. 2  Vgl. Weber, Künftige Arbeiten des Vereins, oben, S.  728 mit Anm.  2. 3 Weber hatte in einem Brief an Alfred Weber vom 3. September 1907 seine Meinungsänderung begründet: „Man kann nun gewiß sehr zweifeln, ob wir den Kraftaufwand, uns mit den heutigen praktischen Petita und Beschwerden der ‚Privatangestellten’ zu befassen, nicht besser als Ballast bei Seite ließen, – aber dann fehlt, glaube ich, das Schmieröl, um die Sache in Gang zu bringen innerhalb des Vereins, wie er nun einmal ist. Wir brauchen ja auch für die Ausfüllung von Fragebogen etc. die Chemiker, Ingenieure etc. und die Vorstände der ‚Angestellten’-Vereine u. müssen also, scheint mir, wohl an ihre Interessen anknüpfen.“ (MWG II/5, S.  383).

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Produktivität der Volkswirtschaft, Berufsschicksal der Privatbeamten

Diese fanden Eingang in Webers Schriften „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit“.4 Weber überließ es dann seinem Bruder Alfred, einen Antrag von Hugo Thiel zum Thema „Ausbildung der Verwaltungsbeamten“ und zur „Reorganisation und Vereinfachung der preußischen Verwaltung“5 zu unterstützen und zu präzisieren.6 Schmoller faßte schließlich die Diskussion im Ausschuß zusammen und formulierte den zweiten neuen Arbeitsgegenstand des Vereins wie folgt: „die Reorganisation der preußischen Verwaltung einschließlich der Vorbildung der Beamten“.7 Daraufhin wurde durch Zuruf ein Unterausschuß gebildet, bestehend aus Max Weber und acht weiteren Mitgliedern.8

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die beiden Diskussionsbeiträge Max Webers werden nach dem gedruckten Protokoll des Vereins für Socialpolitik wiedergegeben: Sitzung des Ausschusses am Montag, den 12. Oktober 1908 in Berlin, im Gebäude des Herrenhauses, das sich im Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science in London, S.  4 f. (A), befindet. Das siebenseitige Protokoll enthält eine gedruckte Seitenzählung. Die Redebeiträge Max Webers sind mit „Dr. Max Weber“ gekennzeichnet.

4  Die vierteilige Aufsatzserie erschien 1908/09 im AfSSp, ediert in MWG I/11, S.  150– 380. 5  Vgl. Protokoll der Ausschußsitzung, Okt. 1908 (wie oben, S.  739, Anm.  1), S.  5. 6 Ebd. 7  Ebd., S.  5 f. 8  Ebd., S.  6; vgl. dazu auch den Editorischen Bericht zu Weber, Die Reorganisation der preußischen Verwaltung, unten, S.  743 f.

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[Die Produktivität der Volkswirtschaft, das Berufsschicksal der Privatbeamten] 1.

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Dr. Max Weber ist gegen diesen Gegenstand,1 der nur nach sorgfältiger Vorbereitung durch Vereinsschriften fruchtbar erörtert werden könne. Er fürchtet, daß ohnedem die Verhandlungen in Etikettefragen und in einer Boxerei zwischen Juristen und Technikern erschöpft werden würden. Er tritt für die Behandlung der Frage nach der Steigerung der Produktivität der Volkswirtschaft ein, falls Dr. v. Philippovich sich zur Erstattung des Referates bereit erklärt.2 Er hält nach wie vor einen Ausbau des Vereins nach der theoretischen Seite hin für erwünscht, da etwas Analoges zu den Historikertagen3 ein Bedürfnis für die deutsche Nationalökonomie sei.

1 In den Beratungen über die Themen der nächsten Generalversammlung wandte sich Weber gegen den Ersatzvorschlag v. Philippovichs „Ausbildung der Verwaltungsbeamten und Stellung der Techniker in der Verwaltung“. Herkner, auf den dieser Vorschlag zurückging, sprach sich für dieses Thema aus, weil es mit dem über die kommunalen Betriebe in Verbindung stehe. Überdies lasse es die Teilnahme bedeutender Techniker an den Vereinstagen erwarten. Vgl. Protokoll der Ausschußsitzung, Okt. 1908 (wie oben, S.  739, Anm.  1), S.  4. 2  v. Philippovich hatte als erstes Thema vorgeschlagen: „In welchem Maße kann man eine Steigerung der Produktivität der Volkswirtschaft feststellen?“, ebd. 3  Der Historikertag fand erstmals 1893 in München statt. Anstoß für diese Zusammenkunft von Universitätshistorikern und Gymnasiallehrern war die Lehrplanreform des preußischen Gymnasiums durch Kaiser Wilhelm II. sowie Reformen in Sachsen und in Bayern. Auf Anregung des Grazer Historikers Hans von Zwiedineck-Südenhorst wurde 1894 eine Dauerorganisation zur Abhaltung von Historikertagen geschaffen. Der „Verband deutscher Historiker“, der auch deutschsprachigen Ausländern offen stand, wurde auf der 3. Tagung im April 1895 in Frankfurt gegründet. Seine Aufgabe war es, die Historikertage durch Mitgliedsbeiträge zu finanzieren. Waren zu Anfang Geschichtspädagogik und Geschichtsforschung gleichermaßen auf der Tagesordnung vertreten, so stand doch bald die Mitteilung neuester Forschungsergebnisse im Vordergrund. Dabei wurden auch die Nachbarwissenschaften, wie z. B. die Nationalökonomie, beachtet. Gustav Schmoller hielt 1894 auf dem zweiten Historikertag in Leipzig einen Vortrag. Vgl. Ritter, Gerhard, Die Deutschen Historikertage, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 4. Jg., 1953, S.  513–521.

[A 4]

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Produktivität der Volkswirtschaft, Berufsschicksal der Privatbeamten

2. [A 5]

Dr. Max Weber schlägt die allgemeinere Frage4 nach der Vorbildung und dem Berufsschicksal der in den einzelnen Betrieben tätigen Privatbeamten vor. In den beteiligten Kreisen sei reges Interesse hierfür vorhanden. Er empfiehlt die Behandlung nach drei Richtungen: 1. durch Fragebogenerhebung bei den Verbänden; 2. durch Monographien; 3. durch Erhebungen über die Anforderungen der Industrie.

4 Gustav Schmoller hatte die Diskussion über neue Vereinsprojekte mit dem Vorschlag eingeleitet, „die staatswirtschaftliche Ausbildung der Techniker“ zu untersuchen. Vgl. Protokoll der Ausschußsitzung, Okt. 1908 (wie oben, S.  739, Anm.  1), S.  5.

5

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[Die Reorganisation der preußischen Verwaltung] [Diskussionsbeitrag auf der Sitzung des Unterausschusses des Vereins für Socialpolitik am 28. Dezember 1908 in Berlin]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Auf der Ausschußsitzung am 12. Oktober 1908 war zur Vorbereitung des Themas „Die Reorganisation der preußischen Verwaltung, einschließlich der Vorbildung der Beamten“ ein Unterausschuß gebildet worden, dem neben Max Weber Georg Bernhard, Gustav Cohn, Ignaz Jastrow, Edgar Loening, Wal­ ther Lotz, Gustav Schmoller und Hugo Thiel angehörten.1 Er trat am 28. Dezember 1908 in Berlin zusammen. In der Diskussion schlug Max Weber eine kritisch-theoretische Erörterung des Phänomens der Bürokratie vor. Der Unterausschuß konzentrierte sich dagegen auf Fragen der Verbesserung der preußischen Verwaltung. Dazu sollten zunächst eine Reihe von Gutachten erstellt werden. Ferner wurde Otto Hintze mit der Darstellung der preußischen Verwaltung seit 1815 beauftragt.2 Auf der Generalversammlung in Wien am 28. September 1909 sprach Max Weber dann mit Nachdruck allgemein über Gefahren der Bürokratisierung und unterstützte damit die Position seines Bruders A ­ lfred Weber.3

1  Vgl. Protokoll der Ausschußsitzung, Okt. 1908 (wie oben, S.  739, Anm.  1), S.  6. 2  Über die „prinzipielle Hauptfrage, […] d. h. über die Fortbildung und Reform der gegenwärtigen innern Verwaltungsorganisation in Preußen, über das Verhältnis der Bureaukratie zur Selbstverwaltung, über die ständische, historisch gegebene, aber mit der neuern Entwicklung doch mehr und mehr in Widerspruch tretende Grundlage derselben“ sollten Gutachten in Auftrag gegeben werden. Darüber hinaus sollten Gutachten über die Frage der technischen, juristischen und kameralistischen Beamtenausbildung erstellt werden. Vgl. Protokoll des Vereins für Socialpolitik, Sitzung des Unterausschusses, welcher die Reorganisation der preußischen Verwaltung einschließlich der Vorbildung der Beamten beraten soll. Montag, den 28. Dezember 1908 im Landwirtschaftlichen Ministerium, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  3. 3 Weber, Max, Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinden. Diskussionsbeitrag auf der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik am 28. Sept. 1909, in: MWG I/8, S.  356–366, hier S.  362 f.

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Die Reorganisation der preußischen Verwaltung

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Diskussionsbeitrag Max Webers wird wiedergegeben nach dem gedruckten Protokoll des Vereins für Socialpolitik, Sitzung des Unterausschusses, welcher die Reorganisation der preußischen Verwaltung einschließlich der Vorbildung der Beamten beraten soll. Montag, den 28. Dezember 1908 im Landwirtschaftlichen Ministerium, das sich im Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  2 (A), befindet. Das dreiseitige Protokoll enthält eine Seitenzählung. Der indirekt wiedergegebene Redebeitrag Max Webers ist mit „Dr. Max Weber“ gekennzeichnet.

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[Die Reorganisation der preußischen Verwaltung]

5

Dr. Max Weber gibt seiner Ansicht dahin Ausdruck, daß das eigentliche Problem sei: Woher rührt das ständige Fortschreiten der bureaukratischen Präzisionsmaschine, und wie kann man gegen dieses Fortschreiten resp. gegen die Schattenseiten dieses Prozesses ankämpfen? Eine Analyse des bureaukratischen Mechanismus und seiner Begleiterscheinungen erscheint ihm sehr wichtig.

[A 2]

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[Preußische Verwaltungsreform, Arbeiter in der Großindustrie] [Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik am 26. September 1909 in Wien]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Anläßlich der vom 27. bis 29. September 1909 in Wien tagenden Generalversammlung trat der Ausschuß des Vereins für Socialpolitik zu zwei Sitzungen zusammen. Die erste fand am Sonntag, dem 26. September, die zweite am Dienstag, dem 28. September, statt. Max Weber nahm nur an der ersten Sitzung teil. Dort berichtete zunächst Hugo Thiel über den schleppenden Gang der Arbeiten zur „Beamtenorganisation“.1 Weber äußerte sich zu Aspekten dieses Projekts. Herkner berichtete anschließend,2 daß die von Weber verfaßte Druckschrift3 sowie Arbeitsplan und Fragebogen für die Erhebungen zu „Auslese und Anpassung der Arbeiter in der Großindustrie“ im Umlauf seien. Allerdings sei bisher nur die Fragebogenerhebung von Marie Bernays4 erfolgversprechend. Beim dritten Tagesordnungspunkt „neue Veröffentlichungen“ sprach Weber zu der Untersuchung über die Arbeiter in der Großindustrie, 1  Vgl. das Protokoll: Sitzungen des Ausschusses am Sonntag den 26. und Dienstag den 28. September 1909 in Wien, im Gebäude des Niederösterreichischen Gewerbevereins, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  1–5 (hinfort: Protokoll der Ausschußsitzungen, Sept. 1909), hier S.  1, sowie Weber, Die Reorganisation der preußischen Verwaltung, oben, S.  743–745. 2  Protokoll der Ausschußsitzungen, Sept. 1909 (wie oben, Anm.  1), S.  2. 3 Vgl. Weber, Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie, MWG I/11, S.  63–149. Weber hatte das Exposé zur Unterausschuß-Sitzung am 12. Okt. 1908 vorgelegt, vgl. ebd., S.  79, Anm.  1. 4  Marie Bernays wertete in ihrer Studie 1.300 Fragebogen aus. Vgl. Bernays, Marie, Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. Dargestellt an den Verhältnissen der „Gladbacher Spinnerei und Weberei“ A.-G. zu München-Gladbach im Rheinland (Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 133). – Leipzig: Duncker & Humblot 1910.

Editorischer Bericht

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die vorher schon Gegenstand gewesen war. Zuletzt diskutierten Weber, v. Schulze-Gaevernitz und Herkner über von Adolf Levenstein gesammeltes Material,5 was zu keinem Beschluß führte. In der zweiten Ausschußsitzung, am 28. September 1909, wurden Alfred und Max Weber erneut in den Ausschuß kooptiert.6 Die Debatte der Generalversammlung am 28. September 1909 in Wien ist insofern von Bedeutung, als Max Weber dort in Reaktion auf das Referat von Eugen v. Philippovich leidenschaftlich die Werturteilsfreiheit verfocht.7 Aus diesem Anfang heraus entwickelte sich eine Diskussion über diese Frage im Verein, die schließlich zur Sondersitzung des Ausschusses im Januar 1914 führte.8

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die beiden Diskussionsbeiträge Max Webers werden wiedergegeben nach dem gedruckten Protokoll des Vereins für Socialpolitik: Sitzungen des Ausschusses am Sonntag den 26. und Dienstag den 28. September 1909 in Wien, im Gebäude des Niederösterreichischen Gewerbevereins, das sich im Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  2 und 4 (A), befindet. Das sechsseitige Protokoll enthält eine gedruckte Seitenzählung. Max Webers indirekt wiedergegebene Diskussionsbeiträge sind mit „Dr. Max Weber“ gekennzeichnet.

5  Der Berliner Privatgelehrte Adolf Levenstein sammelte Selbstzeugnisse von Arbeitern. Im Novemberheft des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik aus dem Jahre 1909 rezensierte Max Weber drei der von Levenstein herausgegebenen Bücher. Vgl. dazu Weber, Zur Methodik sozialpsychologischer Enquêten und ihrer Bearbeitung, MWG I/11, S.  381–398. Um welches „Material“ Levensteins es sich hier handelt, ist nicht nachgewiesen. Möglicherweise waren es Teilergebnisse seiner Studie über die psychologische und physiologische Seite industrieller Arbeit. Vgl. dazu den Editorischen Bericht, ebd. S.  381. 6  Protokoll der Ausschußsitzungen, Sept. 1909 (wie oben, S.  746, Anm.  1), S.  6. 7  Philippovich, Eugen von, Das Wesen der volkswirtschaftlichen Produktivität und die Möglichkeit ihrer Messung, in: Verhandlungen der Generalversammlung in Wien, 27., 28. und 29. Sept. 1909 (Schriften des Vereins für Socialpolitik 132). – Leipzig: Duncker & Humblot 1910, S.  359–370, sowie Max Webers Diskussionsbeiträge dazu, ebd., S.  580–585 und 603–607 (MWG I/12). 8  Vgl. Weber, Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für So­ zial­politik. Als Manuskript gedruckt. – o.O. 1913, S.  83–120 (MWG I/12). Die 15 Stellungnahmen zur Werturteilsfrage wurden zur Vorbereitung der Ausschußsitzung am 5. Januar 1914 als Broschüre gedruckt und an die Teilnehmenden verschickt.

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[Preußische Verwaltungsreform, Arbeiter in der Großindustrie] 1. [A 2]

Dr. Max Weber bemerkt, daß schließlich nicht nur Beamte als Bearbeiter für dieses Gebiet in Betracht kämen. Auch die Interessenten auf seiten der Regierten seien zum Worte zu lassen. Natürlich mit Auswahl. So sei es z. B. gewiß empfehlenswert, wenn der Unterausschuß1 an die Handelskammern heranträte, damit sie geeignete Persönlichkeiten benennen könnten. Für die beabsichtigten Veröffentlichungen des Vereins sei es übrigens belanglos, ob bei der preußischen Regierung die Absicht bestehe, umfassende oder nur geringfügige Änderungen in der Verwaltungsorganisation eintreten zu lassen.2

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Dr. Max Weber schlägt vor, daß der Verein in seinen Untersuchungen sich mit den Privatbeamten beschäftigen solle. Aber nicht die ewige Frage, ob auch für sie eine Sozialversicherung einzurichten sei, bezw. ob diese getrennt oder mit der Arbeiterversicherung verbunden werden solle, sei zu erörtern. Vielmehr dürfte es viel fruchtbringender sein, die begonnene Enquete über die Provenienz der

1  Es handelt sich um den im Oktober 1908 eingesetzten Unterausschuß zur Vorbereitung des Themas „Die Reorganisation der preußischen Verwaltung, einschließlich der Vorbildung der Beamten“, an dem Max Weber beteiligt war. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Die Reorganisation der preußischen Verwaltung, oben, S.  743 f. 2 Im Juni 1909 wurde in Preußen eine „Immediatkommission zur Vorbereitung der Verwaltungsreform“ eingesetzt. Deren Ziele waren: 1. Modernisierung des bürokratischen Geschäftsganges, 2. Vereinfachung der Behördenorganisation in der Mittel­ instanz, 3. Dezentralisation und 4. Verkürzung des Instanzenzuges im Verwaltungsstreitverfahren. Vgl. Spenkuch, Hartwin, Die preußische Verwaltungsreform 1908–1918, in: Preußens Weg in die politische Moderne. Verfassung – Verwaltung – politische Kultur zwischen Reform und Reformblockade, hg. von Bärbel Holtz und Hartwin Spenkuch (Berichte und Abhandlungen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Sonderband 7). – Berlin: Akademie Verlag 2001, S.  321–356, hier S.  324.

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Arbeiter3 auch auf die Privatbeamten auszudehnen. Zu erwägen wäre, ob der Verein für Sozialpolitik nicht zugleich eine der bei den Privatbeamten heute so viel besprochenen Fragen, wie die nach der Einschränkung der Konkurrenzklausel,4 in das Programm aufnehmen solle. Man wecke dadurch mehr Interesse bei den zu Befragenden. Aber die Untersuchungen über die Provenienz sollten die Hauptsache bleiben. Man würde aller Voraussicht nach zu wichtigen und interessanten Ergebnissen gelangen. Wahrscheinlich würde dabei auch ein besonderes Licht auf die technischen Hochschulen und ihre Leistungen fallen. Vielfach könne man nämlich so obenhin die Beobachtung machen, daß die heraufgedienten Werkmeister bessere Karriere machten als die ehemaligen Hochschüler. Das gäbe zu denken.5

3  Zu den Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  746 mit Anm.  3 und 4. 4  Enthält ein Arbeitsvertrag eine Konkurrenzklausel, so darf der Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraumes nach Beendigung des Arbeitsvertrages keine Tätigkeit bei einem in der gleichen Branche tätigen Arbeitgeber aufnehmen. 5  Dies wurde in der Diskus­sion von dem österreichischen Historiker Hans v. Zwiedineck-Südenhorst als Angriff auf die Hochschulbildung der Techniker verstanden. Franz Eulenburg unterstützte Weber darin, die Karrierechancen von Hochschulabsolventen und Handwerksmeistern zu untersuchen, während Heinrich Herkner die von Weber vermuteten besseren Karrierechancen von „heraufgedienten“ Handwerksmeistern im Vergleich zu Hochschulabsolventen auf die Mechanisierung des Produktionsprozesses zurückführte. Vgl. Protokoll der Ausschußsitzungen, Sept. 1909 (wie oben, S.  746, Anm.  1), S.  5.

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[Waren- und Geldpreise, Wirkungen der Getreidezölle] [Diskussionsbeiträge auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik am 15. Mai 1910 in Dresden]

Editorischer Bericht Zur Entstehung In der Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik,1 die am Pfingstsonntag, dem 15. Mai 1910, im Gebäude der Technischen Hochschule Dresden stattfand, wurden nicht wie üblich Ort und Gegenstände der nächsten Generalversammlung verhandelt, sondern man beschränkte sich auf die Berichterstattung über die laufenden Vereinsarbeiten sowie auf die Beratung von neuen Projekten. In der Diskussion über die Anträge dazu meldete sich Max Weber dreimal zu Wort. Neu angenommen wurde ein von Alfred Weber und Max Weber unterstützter Antrag von Franz Eulenburg auf eine „Internationale Untersuchung über die Gestaltung der Waren- und Geldpreise in den letzten 20 Jahren (mit besonderer Berücksichtigung des Handels und der Geldwertänderungen)“.2 Für den dafür nötigen Unterausschuß legte Max Weber eine lange Namensliste vor.3 Schließlich einigte man sich auf weniger Mitwirkende, nämlich Richard van der Borght, Johannes Conrad, Franz Eulenburg, Max Sering, Arthur Spiethoff und (nach Karl Büchers Absage) Max Weber.4 Der Unterausschuß für „Preisuntersuchungen“ konstituierte sich am 16. Juli 1910.5 1  Auf dieser Sitzung beschloß der Ausschuß die Veränderung der Orthographie des Vereinsnamens. Diese war vom stellvertretenden Schriftführer Franz Boese beantragt worden. In den Schriften des Vereins schreibe man bereits das Wort „sozial“ und die damit zusammengesetzten und davon abgeleiteten Wörter mit „z“. Vgl. Protokoll der Sitzung des Ausschusses am Pfingstsonntag, den 15. Mai 1910 in Dresden, im Gebäude der Technischen Hochschule, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  1–8 (hinfort: Protokoll Ausschußsitzung, Mai 1910), hier S.  2. 2 Vgl. dazu die Anträge auf Schriftenpublikationen für die Ausschußsitzung am Pfingstfest 1910 in Dresden, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, ebd. (hinfort: Anträge für die Ausschußsitzung Mai 1910), hier S.  1–3 (Eulenburg Antrag A). 3  Vgl. Protokoll Ausschußsitzung, Mai 1910 (wie oben, Anm.  1), S.  8. 4 Ebd. 5  An dieser in Berlin stattfindenden Sitzung konnte Max Weber nicht teilnehmen, weil am selben Tag eine Sitzung der Heidelberger Akademie stattfand, auf der die Presse­

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Max Webers Diskussionsbeiträge werden wiedergegeben nach dem gedruckten Protokoll: Sitzung des Ausschusses am Pfingstsonntag, den 15. Mai 1910 in Dresden, im Gebäude der Technischen Hochschule, das sich im Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  4 f. und 7 (A), befindet. Weitere textidentische Exemplare sind im Bundesarchiv Koblenz, Nl. Sering, Nr.  104, sowie im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep.  196, Verein für Socialpolitik, Nr.  72, Bl. 140‑143v, überliefert. Das achtseitige Protokoll enthält gedruckte Seitenzahlen. Die indirekt wiedergegebenen Redebeiträge Max Webers sind mit „Dr. Max Weber“ gekennzeichnet.

enquete der DGS beraten wurde. Vgl. dazu Weber, Vorbericht, oben, S.  208–228. ­Weber übermittelte seine Vorschläge für die weitere Arbeit des Unterausschusses vorab an Gustav Schmoller, der den Vorsitz übernommen hatte. Vgl. den Brief Max Webers an Gustav Schmoller vom 10. Juli 1910, MWG II/6, S.  585 f. Im Protokoll der Unterausschuß-Sitzung am 16. Juli 1910 heißt es, daß „ein schriftlicher Antrag Dr. Webers für die Gestaltung der Untersuchungen“ vorliege, der „für die Anwesenden vervielfältigt worden sei“. Vgl. Protokoll der Sitzung des Unterausschusses für Preisuntersuchungen im Preußischen Herrenhause am 16. Juli 1910, BA Koblenz, Nl. Max Sering, Nr.  104, S.  1. Die nicht-autorisierte Abschrift findet sich ebd. Sie wird nicht hier ediert, sondern ist als Brief vom 10. Juli 1910 in MWG II/6 aufgenommen.

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[Waren- und Geldpreise, Wirkungen der Getreidezölle] 1. [A 4]

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Dr. Max Weber meint, daß der Antrag Rauchberg für Deutschland zu spät käme;1 würde man aber prinzipiell das Wesen aller Sozialversicherung untersuchen, dann fiele natürlich die Frage nach der Aktualität  fort. In dieser Form würde die Frage der Sozialversicherung sich übrigens besser zum Diskussionsthema einer Generalversammlung als zur schriftlichen Behandlung eignen. Von dem Antrag Bonn2 fürchte er, daß ihm die Geldfrage verhängnisvoll werden könnte, auch bei einer Durchführung in der Formulierung von Sering.3 Vielleicht empfehle sich die Form „Die Lebenschancen der Europäer“. Bei der Geldbeschaffung käme am Ende auch das Hamburger Institut4 in Betracht. Der Antrag Eulen1  Der Antrag des österreichischen Statistikers Heinrich Rauchberg, den Ausbau der Sozialversicherung zu untersuchen, war bereits von Gustav Schmoller zurückgewiesen worden, weil „Deutschland sich bezüglich der Sozialversicherung mitten in einer gesetzgeberischen Aktion befinde“, vgl. Protokoll Ausschußsitzung, Mai 1910 (wie oben, S.  750, Anm.  1), S.  3. Im Deutschen Reich wurden am 31. Mai 1911 die drei älteren Gesetze zur Kranken-, Unfall-, Invaliditäts- und Altersversicherung für (männliche) Arbeiter zur Reichsversicherungsordnung (RVO) zusammengefaßt. Am 20. Dezember 1911 dehnte man dann mit dem Versicherungsgesetz für Angestellte den Versicherungsschutz auf diese aus. 2  Moritz Julius Bonn wollte eine „Untersuchung über die Ausbreitungsmöglichkeit der Europäer in Kolonien – insbesondere in Afrika und Ozeanien –, die eine lebensfähige Eingeborenenbevölkerung besitzen“ beginnen. Vgl. ebd., S.  3. Franz Boese, der in dieser Sitzung als stellvertretender Schriftführer das Protokoll führte, berichtet, der Antrag Bonns sei angenommen und ein Unterausschuß für ihn gebildet worden. Vgl. Boese, Verein, S.  140. Von einem solchen ist in den gedruckten Protokollen nicht die Rede. 3 Max Sering befürwortete den Antrag Bonns grundsätzlich, schlug aber folgende Änderung vor: „Die Agrarverfassung der Tropenkolonien seit der Aufhebung der Sklaverei.“ Vgl. Protokoll Ausschußsitzung, Mai 1910 (wie oben, S.  750, Anm.  1), S.  4. 4 Gemeint ist das Hamburgische Kolonialinstitut, dessen Gründung 1908 auf eine Vereinbarung des Reichskolonialamtes mit dem Hamburger Senat zurückging. Neben der Ausbildung von Staats- und Privatbeamten, Schutztruppenoffizieren und Kaufleuten, die in die Kolonien gehen wollten, sollte das Institut alle „wissenschaftlichen kolonialen Bestrebungen“ in einer Zentralstelle konzentrieren. Vgl. Leveknecht, Helmut, 90 Jahre HWWA: von der Zentralstelle des Hamburgischen Kolonialinstituts bis zur Stiftung HWWA. Eine Chronik. – Hamburg: HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung 1998, S.  12.

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burg B5 weiche doch weitgehend von den Untersuchungen, die der Herknersche Unterausschuß6 anstrebt, ab. Eulenburg wolle nicht Lebensläufe aufdecken, sondern Lebenshaltung. Und hierüber etwas zu erfahren, namentlich von den höheren Klassen, wäre doch sehr interessant. Viel wichtiger natürlich sei der Antrag Eulenburg A.7 Redner glaubt, daß ein reiches Material über Preise heute schon vorliege, es sei nur sehr viel Geld nötig, um es herauszuziehen. Würde ein Unterausschuß für den Antrag Eulenburg A eingesetzt, dann müßte dieser zunächst einmal prüfen, wo Material und Quellen liegen und wie das Material zu bearbeiten sei. Dieser Unterausschuß müßte über diese Fragen an den Hauptausschuß berichten und dann sollte das für die Untersuchung nötige Geld bewilligt werden.

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Dr. Max Weber wendet sich dagegen, daß die ganze Untersuchung8 nur eine statistische sein soll. Schließlich bilde den Kern des Interesses doch die gegenwärtige „Preisrevolution“;9 eine Übersicht über diese sei auch ohne tiefgründige Statistik möglich. 5  Laut seinem zweiten Antrag, dem sog. Antrag B, wollte Franz Eulenburg die „So­ ziale Lebensführung typischer Bevölkerungsklassen“ untersuchen. Vgl. dazu die ausführliche Vorlage in: Anträge für die Ausschußsitzung Mai 1910 (wie oben, S.  750, Anm.  2), S.  4, sowie Protokoll Ausschußsitzung, Mai 1910 (wie oben, S.  750, Anm.  1), S.  3. 6 Als Vorsitzender des Unterausschusses leitete Heinrich Herkner die später unter dem Titel „Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie“ veröffentlichte Enquete des Vereins für Sozialpolitik. Zu den Hintergründen vgl. den Editorischen Bericht in MWG I/11, S.  63–77. 7  Zum ersten Antrag Eulenburgs über „Waren- und Geldpreise“ vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.  750 mit Anm.  2. 8  Gemeint ist der Antrag A von Franz Eulenburg. Vgl. ebd. 9  Eulenburg wollte – so der ausformulierte Antragstext – „die ‚Preisrevolution‘, die internationaler Art ist, ursächlich erklären“, vgl. Anträge für die Ausschußsitzung Mai 1910 (wie oben, S.  750, Anm.  2), S.  3. Nach Boese, Verein, S.  139, spiegelten sich in den Anträgen „zum Teil damalige wichtigere Zeitverhältnisse wider, so vor allem das, was man damals die ‚Teuerung’ nannte“. Im Deutschen Reich herrschte seit 1895 eine Phase des Wachstums und der Hochkonjunktur, die nur von kurzen Rezessionen unterbrochen war. Die Preise blieben zunächst stabil, stiegen dann aber im Zeitraum von 1900 bis 1907 um 17,5% bei den Investitionsgütern und um 10% bei den Konsumgütern Vgl. Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte 1866–1918, Band 1: Arbeitswelt und Bürgergeist. – München: C. H. Beck 1990, S.  286.

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Waren- und Geldpreise, Wirkungen der Getreidezölle

3. [A 7]

Dr. Max Weber bemerkt, der Antrag Bücher,10 wenn man ihn, wie der Antragsteller selbst wolle, weitgehend interpretiere, gehe genau so ins Uferlose als der Antrag Eulenburg. Aus den Ausführungen Büchers gehe aber als wichtiges Ergebnis hervor, daß den Rednern der Diskussion dreierlei Themata vorgeschwebt hätten: 1. die Wirkung der Agrarzölle im allgemeinen, 2. preisstatistische Erhebungen nach Conrad,11 3. Preisbildungsuntersuchungen vermittelst von Monographien. Es stehe nichts im Wege, daß ein Unterausschuß alle drei Wege verfolge.

10  Der Antrag Karl Büchers lautete: „Untersuchungen über die Wirkungen der Getreidezölle“. Vgl. Protokoll Ausschußsitzung, Mai 1910 (wie oben, S.  750, Anm.  1), S.  3. 11  Weber bezieht sich hier auf den Redebeitrag Johannes Conrads in der Beratung des Antrags A von Franz Eulenburg. Conrad schlug vor, in Kooperation mit dem Internationalen Statistischen Institut, eine Generalstatistik für all diejenigen Güter zu erstellen, für die es bereits offizielle Erhebungen gab. Die Daten für eine Detailstatistik sollten mit Hilfe kommunalstatistischer Büros, Handelskammern und einzelner Kaufleute erhoben werden. Vgl. ebd., S.  6.

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[Akten der Unfallversicherungsgenossenschaften] [Diskussionsbeitrag auf der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik am 4. Januar 1911 in Berlin]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Weber nahm am 4. Januar 1911 an der Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik in Berlin teil. Ein Diskussionsgegenstand waren die Akten der Unfallversicherungsgenossenschaften. Für die nächste Generalversammlung schlug Gustav v. Schmoller vor, „daß Dr. Herkner oder Dr. Max Weber, von denen Dr. Herkner sich hierzu bereit erklärt, Referate über das Ergebnis der Untersuchungen über Auslese und Anpassung der Arbeiter erstatten sollen“.1 Als Ort der nächsten Generalversammlung wurde FürthNürnberg bestimmt.2

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Diskussionsbeitrag Max Webers wird nach dem gedruckten Protokoll wiedergegeben: Verein für Sozialpolitik. Sitzung des Ausschusses am 4. Januar 1911 in Berlin im Preußischen Herrenhause, das sich im Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political an Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  2 (A), befindet. Das dreiseitige Protokoll ist ab Seite 2 paginiert. Der indirekt wiedergegebene Redebeitrag Max Webers ist mit „Dr. Max Weber“ gekennzeichnet.

1  Vgl. Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 4. Januar 1911 in Berlin im Preußischen Herrenhause, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London, S.  3. Zu Webers Diskussionsbeitrag bei der nächsten Generalversammlung in Nürnberg am 10. Oktober 1911 vgl. Weber, Probleme der Arbeiterpsychologie, in: MWG I/11, S.  409–425. 2  Max Weber hatte sich an der Debatte beteiligt und sich auch für Fürth-Nürnberg ausgesprochen. Dies ist im handschriftlichen Protokoll der Sitzung, GStA PK Berlin, Rep.  196, Nr.  73, Bl. 19, vermerkt.

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Akten der Unfallversicherungsgenossenschaften

Außerdem liegt ein handschriftliches dreiseitiges Stichwortprotokoll vor, GStA PK Berlin, Rep.  196, Nr.  73, Bl. 18r und 18v, Bl. 19. Es trägt die Überschrift „Herrenhaus 1015“, Verfasser ist der stellvertretende Schriftführer des Vereins, Franz Boese. Es enthält keine zusätzlichen Informationen und wird daher nicht berücksichtigt.

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[Akten der Unfallversicherungsgenossenschaften] Dr. Max Weber regt noch einmal an, die Vernichtung der Akten der Unfallversicherungsgenossenschaften,1 wenn möglich, zu verhindern.2

1  Frühere Anregungen zum Erhalt der Akten sind nicht nachgewiesen. In der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 wurden die verschiedenen Arbeiterversicherungsgesetze kodifiziert und gemeinsame Versicherungsbehörden geschaffen. So entstanden zwei Versicherungsämter und ein Oberversicherungsamt. In diesem Prozeß sollten offenbar Aktenbestände der Berufsgenossenschaften vernichtet werden. Da diese als Hauptquelle für die Erforschung der Lohnverhältnisse galten, wollte Weber sie für die Forschung sichern. 2  Dem Vorschlag Max Webers stimmten Ignaz Jastrow und der Syndikus an der Kölner Handelskammer Alexander Wirminghaus zu, während sich Heinrich Herkner skeptisch über den Wert des Aktenmaterials äußerte, so daß Gustav v. Schmoller eine vermittelnde Lösung vorschlug. Wirminghaus sollte das Material prüfen und einen Bericht vorlegen.

[A 2]

II c.  Badische Historische Kommission

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[Publikationen und Finanzen der Badischen Historischen Kommission] [Redebeiträge auf der XXII. Plenarsitzung der Badischen Historischen Kommission am 6. und 7. November 1903 in Karlsruhe]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die von Großherzog Friedrich I. von Baden 1883 gegründete Badische Historische Kommission sollte sich „mit der Sammlung und, soweit dies noch nicht in genügender Weise geschehen, mit der Herausgabe des erforderlichen Quellenmaterials für die Geschichte des fürstlichen Hauses und der Gebiete, welche das heutige Großherzogthum Baden bilden, beschäftigen. Außerdem wird sie aber auch wissenschaftliche Arbeiten über einzelne Abschnitte dieser Geschichte und über die geschichtliche Entwickelung der sozialen Zustände des Landes veranlassen oder deren Herausgabe fördern und unterstützen“.1 Die Kommission setzte sich aus 10 bis 20 ordentlichen Mitgliedern,2 vorwiegend Historiker und Nationalökonomen, zusammen. Finanziert wurde sie mit 9.000 Mark jährlich über einen ordentlichen Staats­ etat.3 Jedes Jahr im Herbst fand in Karlsruhe eine Plenarsitzung statt, in welcher der Sekretär über die Arbeiten und über die Verwendung der Geldmittel des abgelaufenen Jahres berichtete. Im Anschluß daran beriet die Kommission über die wissenschaftlichen Projekte und den Etat des kommenden Jahres sowie über etwaige Zuwahlen.4

1  Die Statuten sind abgedruckt in: Fünfundzwanzig Jahre der Badischen Historischen Kommission. 1883–1908. – Heidelberg: Carl Winters 1909, S.  55–59, hier S.  56. 2  §  2 des Statuts, ebd., S.  55. 3  Vgl. John, Herwig, „Zur Förderung der Kenntnis der Geschichte des Großherzoglichen Hauses und des Badischen Landes“: Die ersten fünf Jahrzehnte der Badischen Historischen Kommission, in: Staatliche Förderung und wissenschaftliche Unabhängigkeit der Landesgeschichte. Beiträge zur Geschichte der historischen Kommissionen im deutschen Südwesten, hg. von Meinrad Schaab. – Stuttgart: W. Kohlhammer 1995, S.  173–199, hier S.  184. 4  Ebd., S.  182.

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Publikationen und Finanzen der Badischen Historischen Kommission

Max Weber wurde auf der XV. Plenarsitzung am 20. Oktober 1896 auf Antrag Bernhard von Simsons5 mit acht gegen eine Stimme in die Badische Historische Kommission gewählt.6 Die offizielle Ernennung durch den Großherzog erfolgte am 12. November 1896.7 Er gehörte der Kommission von 1896 bis 1904 als ordentliches und von 1904 bis 1920 als korrespondierendes Mitglied an. Max Weber nahm zwischen 1896 und 1904 an drei Plenarsitzungen teil: am 25. und 26. Oktober 1897, am 20. und 21. Oktober 1899 und am 6. und 7. November 1903.8 Das Protokoll der Plenarsitzung von 1897 vermerkt keinen Redebeitrag Max Webers, wohl aber, daß man ihm die „Oberleitung“ über eine statistische Arbeit Franz Eulenburgs übertragen habe.9 Allerdings wurde diese Studie bereits ein Jahr später wegen Unstimmigkeiten zwischen Eulenburg und dem badischen Innenministerium abgebrochen.10 Laut Protokoll der Plenarsitzung von 1899 meldete sich Max Weber in dieser Sitzung zwar zu Wort, sein Redebeitrag ist im Protokoll jedoch nicht wiedergegeben.11 Auf der XXII. Plenarsitzung von 190312 setzte sich Weber in mehreren Wortmeldungen vehement für die von Georg Tumbült im Vorjahr beantragte Studie über eine Geld- und Münzgeschichte der im Großherzogtum Baden vereinigten Territorien ein. 1904 schied Max Weber nach dem Rücktritt von seinem Ordinariat (1. Oktober 1903) auf eigenen Wunsch als ordentliches Mitglied aus der Kommission aus.13 Sein Nachfolger wurde Eberhard Gothein.

5  Anträge zur XV. Plenarsitzung der Badischen Historischen Kommission am 19. und 20. Oktober 1896, GLA Karlsruhe, 449/238 III. 6 Vgl. Protokoll der Plenarsitzung am 19. und 20. Oktober 1896, GLA Karlsruhe, 449/234, S.  416. 7  Erlaß des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 17. November 1896, GLA Karlsruhe, 449/4. Vgl. auch den Bericht in der Frankfurter Zeitung, Nr.  324 vom 21. Nov. 1896, Ab.Bl., S.  1. 8  Vgl. die Berichte über die Plenarsitzungen, in: ZfGO, N. F., Band XIII, 1898, S.  1; Band XV, 1900, S.  1; Band XIX 1904, S.  1. 9  Protokoll der Plenarsitzung vom 25. und 26. Oktober 1897, GLA Karlsruhe, 449/234, S.  438. 10  Protokoll der Plenarsitzung vom 21. und 22. Oktober 1898, ebd., S.  452. 11  Protokoll der Plenarsitzung vom 20. und 21. Oktober 1899, ebd., S.  480. 12  Protokoll der Plenarsitzung am 6. und 7. November 1903, GLA Karlsruhe, 449/261, S.  88–168 (hinfort: Protokoll 1903). 13  Das Austrittsgesuch Max Webers ist nicht nachgewiesen, jedoch die Bestätigung seines Rücktritts durch den Großherzog vom 17. November 1904, GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 77.

Editorischer Bericht

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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Abgedruckt werden die indirekt wiedergegebenen Redebeiträge Max Webers aus dem Protokoll der XXII. Plenarsitzung der Badischen Historischen Kommission am 6. und 7. November 1903, das sich im Generallandesarchiv Karlsruhe 449/261 befindet, S.  107, 114, 115, 153, 154, 159, 164, 165, 166 (A). Das Protokoll der Sitzung umfaßt die Seiten 88–168 eines Protokollbuches. Es wurde von dritter Hand verfaßt und ist vom Vorstand Alfred Dove und vom Sekretär Friedrich v. Weech unterzeichnet. Es ist nicht anzunehmen, daß die Wiedergabe der Redebeiträge von den Sitzungsteilnehmern autorisiert wurde.

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[Publikationen und Finanzen der Badischen Historischen Kommission] [Sitzung der Badischen Historischen Kommission am 6. November 1903] 1. [A 107]

A 108

Gegenüber den letzten Ausführungen des Vorsitzenden möchte Herr Professor Dr. Weber festgestellt sehen, daß durch dieselben keine Präjudiz geschaffen werden solle zugunsten der vorzugsweisen Behandlung der Politischen Korrespondenz1 gegenüber etwa der Münz- und Geldgeschichte.2 Beides seien neue Unternehmungen, für die das Geld erst zu bewilligen sei; bei der Etatsberatung werde zu erwägen sein, welcher von beiden Publikationen man den Vorzug geben solle. Herr Professor Dr. Weber beharrt auch dem von dem Vorsitzenden und Herrn Geheimrat Dr. von Weech gegebenen Hinweis gegenüber, daß es sich bei der Herausgabe eines Nachtragsbandes zur  Politischen Korrespondenz3 überhaupt nicht um ein neues Unternehmen handle, und daß es bis jetzt stets Grundsatz der Kommission gewesen sei, alle Publikationen fortzusetzen und abzuschließen ehe man neue beginne, auf seiner Ansicht. 1  Der Vorsitzende Alfred Dove stimmte einem Ersuchen zu, für die Bearbeitung eines Nachtragsbandes zu der seit 1901 abgeschlossenen Edition: Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden. 1783–1806, hg. von der Badischen Historischen Kommission, 5 Bände. – Heidelberg: Carl Winter 1888–1901, einen Hilfsarbeiter einzustellen. Vgl. das Protokoll 1903 (wie oben, S.  762, Anm.  12), S.  104–107. Der die Jahre 1783–1806 umfassende Ergänzungsband ist 1915 erschienen. 2  Georg Tumbült beantragte auf der Plenarsitzung von 1902 die Bearbeitung einer Geld- und Münzgeschichte der im Großherzogtum Baden vereinigten Territorien. Das Projekt wurde auf Antrag Alfred Doves einer Subkommission zur Prüfung und Ausarbeitung eines detaillierten Konzeptes überstellt und auf der Plenarsitzung 1903 in das Programm der Badischen Historischen Kommission aufgenommen. Vgl. ebd., S.  147 f. Aus der geplanten Reihe erschien nur der folgende Band: Cahn, Julius, Münz- und Geldgeschichte der im Großherzogtum Baden vereinigten Gebiete, Band 1: Münzund Geldgeschichte von Konstanz und des Bodenseegebietes im Mittelalter bis zum Reichsmünzgesetz von 1559. Mit 10 Tafeln und einer Karte, hg. von der Badischen Historischen Kommission. – Heidelberg: Carl Winter 1911. 3  Vgl. dazu oben, Anm.  1.

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2.

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Herr Professor Dr. Weber widerspricht dem; nach den vorhergegangenen Erörterungen und nach der ganzen Sachlage halte er die Prüfung der von Professor Dr. Brunner eingelieferten Arbeiten durch eine Subkommission für zweckmäßig;4 es frage sich nur, ob in diese Subkommission nicht ausschließlich Historiker zu berufen seien.

[A 114]

A 115

[Sitzung der Badischen Historischen Kommission am 7. November 1903] 10

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1. Herr Professor Weber tritt sehr lebhaft für die Einstellung einer Position für die Münz- und Geldgeschichte in den Etat ein.5 Er glaube, daß man die nötige Summe sehr leicht bei anderen Positionen ersparen könne, so z. B. bei Position 13 – Siegel und Wappen der Städte und Landgemeinden Badens;6 die Bearbeitung der Geldgeschichte sei doch unstreitig ein wichtigeres Unternehmen.

4  Während der Edition der Korrespondenz des Fürstabts Martin Gerbert von St. Blasien kam es zwischen dem Leiter des Unternehmens Friedrich v. Weech und seinem Mitarbeiter, Archivassessor Karl Brunner, zu Spannungen. Es wurde erörtert, ob in dieser Sache eine Subkommission eingesetzt werden sollte. Vgl. Protokoll 1903 (wie oben, S.  762, Anm.  12), S.  108–114. 5  Vgl. oben, S.  764, Anm.  2. 6  Aus der Reihe Siegel und Wappen der badischen Städte lagen 1903 zwei von drei Heften vor. Die Texte stammten von Friedrich v. Weech, die Zeichnungen von Fritz Held. Vgl. Siegel der Badischen Städte in chronologischer Reihenfolge, 3 Hefte, hg. von der Badischen Historischen Kommission. – Heidelberg: Carl Winter 1899–1909. Im Anschluß an Webers Beitrag wies v. Weech darauf hin, „daß der Gehalt des Zeichners vertragsmäßig festgelegt sei und daher nicht gut gestrichen werden könne“, vgl. Protokoll 1903 (wie oben, S.  762, Anm.  12), S.  153.

[A 153]

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2. [A 153]

A 154

Als Herr Professor Dr. Weber hierauf für eine eventuelle Streichung der Positionen 9 – Oberbadisches Geschlechterbuch7 – und 18 – Neujahrsblatt8 – eintritt, wird er von dem Vorsitzenden ersucht, diesbezügliche Anträge bis zur Etatsberatung zurückzustellen. Herr Professor Dr. Weber verbreitet sich hierauf ausführlich über das von der Subkommission ausgearbeitete Programm. Nach seiner Ansicht ginge dasselbe in seinen Aufstellungen viel zu weit; er wünsche vor allen Dingen eine Ausscheidung des preisgeschichtlichen Teils, denn damit käme man ins Uferlose. Vielleicht sei der in Aussicht genommene Bearbeiter für eine solche Arbeit auch weniger geeignet. Er wünscht nur eine Arbeit über das rein technisch numismatische Gebiet, über Münzfuß, Geldwert, rauhen Gehalt u.s.w. – Die Arbeit werde für den Historiker, der hier auf Schritt und Tritt auf Schwierigkeiten stoße, geradezu unentbehrlich sein. Die Wahl des Bearbeiters Dr. Cahn halte er für eine ausgezeichnet glückliche; derselbe habe sich bereits durch tüchtige allgemein anerkannte Arbeiten auf diesem Gebiete bekannt gemacht.9 Er habe nur ein Desiderat an Herrn Dr. Cahn; er wünsche, daß derselbe die mittelalterlichen Geldwerte in moderne umrechne, wogegen er sich in seinen bisherigen Arbeiten ablehnend verhalten habe,10 nach Lexis’schen Vorgang11 dürfte sich dazu die Umrechnung in Thalerwerte empfehlen. – Gegen den von Herrn Geh. Hofrat Dr. Dove gemachten Vorschlag, auch fremde Staaten zu dem Unternehmen beizuziehen,12 könne er erhebliche Bedenken nicht unterdrücken; die Durchführung dieses Vorschlags dürfte, da die 7  Oberbadisches Geschlechterbuch, 3 Bände, hg. von der Badischen Historischen Kommission. – Heidelberg: Carl Winter 1898–1919. 8  Mit der 1891 begründeten Reihe der einmal jährlich erscheinenden „Neujahrsblätter“ bot die Badische Historische Kommission ihren Mitgliedern und Mitarbeitern ein Forum für die Veröffentlichung kürzerer, populärwissenschaftlicher Monographien. Vgl. Badische Neujahrsblätter, hg. von der Badischen Historischen Kommission, 7 Bände. – Karlsruhe: Braun 1891–1897; Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission, N. F., Bände 1–20. – Heidelberg: Winter 1898–1939. 9 Cahn, Münz- und Geldgeschichte, erschien 1895; ders., Der Rappenmünzbund 1901. 10  Cahn, Münz- und Geldgeschichte, S.  43; ders., Der Rappenmünzbund, S.  54. 11  Sachverhalt konnte nicht aufgeklärt werden. 12  Wie beispielsweise Württemberg. Vgl. Protokoll 1903 (wie oben, S.  762, Anm.  12), S.  153.

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Arbeit territorial doch sehr beschränkt sei, auf große Schwierigkeiten stoßen.

3.

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In Erwiderung auf diese Ausführungen13 tritt Herr Professor Dr. Weber, unterstützt von Herrn Geh. Rat Dr. Schröder,14 sehr warm für die Wahl des Herrn Professor Dr. Rathgen ein, auf dessen außerordentliche Wirksamkeit in seinem Seminar, die zum größten Teil der Durchforschung und Darstellung badischer Verhältnisse gewidmet sei, er besonders hinweist.15 Er würde kein Bedenken darin sehen, wenn durch die Neuwahlen sämmtliche 20 für die ordentlichen Mitglieder vorgesehenen Stellen besetzt würden. Die Möglichkeit späterer Berufungen dürfte in diesem Falle keinen Ausschließungsgrund bilden. Wenn jemals diese Möglichkeit an die Kommission herantreten sollte, so sei er für seinen Teil gern bereit, zu gunsten eines dritten zurückzutreten.

[A 159]

4. Herr Professor Dr. Weber glaubt, daß man die einzusetzenden Summen durch Ersparnisse bei anderen Positionen gewinnen kön13  Bezüglich der Zuwahl der ordentlichen Kommissionsmitglieder hatte sich der Vorredner, Alfred Dove, gegen eine Zuwahl Karl Rathgens ausgesprochen: Da es neben Rathgen noch zwei weitere Vorschläge (Karl Hampe und Peter P. Albert) gebe, würde sich die Zahl der ordentlichen Kommissionsmitglieder von 16 auf 19 erhöhen. Da laut den Statuten nur 20 Mitglieder erlaubt waren, könne künftig nur noch ein neues Mitglied aufgenommen werden. Außerdem sei das von Rathgen vertretene Gebiet der Wirtschaftsgeschichte mit zwei Vertretern schon ausreichend besetzt. Vgl. ebd., S.  158 f. 14  Richard Schröder, Carl Johannes Fuchs und Max Weber stellten den Antrag, Karl Rathgen als ordentliches Mitglied der Badischen Historischen Kommission aufzunehmen. In der geheimen Abstimmung wurde Rathgen mit 14 gegen 1 Stimme zum ordentlichen Mitglied gewählt. Vgl. ebd. 15  Karl Rathgen war seit 1901 neben Max Weber der zweite Lehrstuhlinhaber für Nationalökonomie in Heidelberg. Er hielt im WS 1903/04 die Vorlesungen „Praktische Nationalökonomie“ und „Großindustrie und Arbeiterfrage“ sowie das Seminar „Volkswirtschaftliche Übungen“. Ob er in diesen „badische Verhältnisse“ behandelte, geht aus den Ankündigungen nicht hervor. Vgl. Anzeige der Vorlesungen, welche im Winter-Halbjahr 1903/04 auf der Groß[herzoglich] Badischen Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg gehalten werden sollen. – Heidelberg: Universitäts-Buchdruckerei von J. Hörning 1903.

[A 163]

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ne.16 Er wiederholt seinen Vorschlag, daß man die Position 12 – Gehalt des Zeichners entweder streichen oder doch erheblich verkürzen möge.17 Ohne die Sammlung der Siegel und Wappen18 auf dieselbe Stufe stellen zu wollen, wie etwa eine Briefmarkensammlung, so wolle er doch betonen, daß sie an Wichtigkeit und Wert jedenfalls weit hinter der Gothein’schen Wirtschaftsgeschichte19 zurückstehe.

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5. [A 165]

Bei dieser Sachlage20 glaubt Herr Professor Dr. Weber, daß das Ministerium des Innern wohl bereit sein würde, einen Teil oder auch den ganzen Gehalt des Zeichners auf sein Budget zu übernehmen.

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6. [A 165]

Auf eine Anregung von Herrn Professor Dr. Weber, eventuell die Position bei §  12 – Badische Biographien21 – zu ermäßigen, erwidert Herr Archivrat Dr. Krieger, daß dies aus dem Grunde nicht angängig sei, weil die Mitarbeiter des Bandes, die zum Teil ihre Beiträge schon vor längerer Zeit abgeliefert hätten, auf Drucklegung derselben drängten. 16  Weber bezieht sich hier auf den von Richard Schröder gestellten Antrag, die Bearbeitung des zweiten Bandes der von Eberhard Gothein seit 1883 im Auftrag der Badischen Historischen Kommission zu erstellenden Studie über die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Schwarzwaldes in den Jahresetat zu überführen. Dem hatte v. Weech „aus finanziellen Gründen“ widersprochen. Vgl. das Protokoll 1903 (wie oben, S.  762, Anm.  12), S.  163. Erschienen ist nur der 1.  Band: Gothein, Eberhard, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften, Band 1: Städte- und Gewerbegeschichte (Schriften der Badischen Historischen Kommission, Band 1). – Straßburg: Karl J. Trübner 1892 (hinfort: Gothein, Wirtschaftsgeschichte). 17  Vgl. dazu oben, S.  765, Anm.  6. 18 Ebd. 19  Vgl. dazu oben, Anm.  16. 20  v. Weech machte darauf aufmerksam, daß die Haupttätigkeit des Zeichners nicht in der Publikation der Städtesiegel, sondern im Entwurf neuer Siegel für die Gemeinden Badens bestehe. Diese stelle er im Auftrag des badischen Innenministeriums her. Vgl. Protokoll 1903 (wie oben, S.  762, Anm.  12), S.  164 f. 21  Vgl. oben, S.  766, Anm.  7.

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Eine weitere Anregung von Herrn Professor Dr. Weber – §  18 – Neujahrsblatt22 – zu streichen, die er damit begründete, daß die Bearbeitung eines solchen für 1905 anscheinend doch auf Schwierigkeiten stoße,23 fand keine Unterstützung.  Schließlich möchte es Herr Professor Dr. Weber noch der Erwägung der Kommission anheimstellen, §  9 – Oberbadisches Geschlechterbuch24 – zugunsten der Wirtschaftsgeschichte zu streichen; auch diese Publikation könne sich an Wert jedenfalls nicht mit derselben vergleichen. Vielleicht sei es auch möglich, für diese Position gleichfalls einen Zuschuß aus dem Dispositionsfond Seiner Königlichen Hoheit zu erhalten.25

22  Vgl. oben, S.  766, Anm.  8. 23  Für das Neujahrsblatt von 1905 hatte Heinrich Witte eine Biographie des Markgrafen Jakob I. von Baden angekündigt. Nach seinem Tod am 15. Februar 1903 mußte ein anderer Bearbeiter gefunden werden. 24  Vgl. oben, S.  766, Anm.  7. 25 Es wurde beschlossen, von einer Aufnahme des zweiten Bandes von Gothein, Wirtschaftsgeschichte (wie oben, S.  768, Anm.  16), in den Etat für das Jahr 1904 abzusehen. Falls Gothein jedoch das druckfertige Manuskript des zweiten Bandes im Laufe des Jahres 1904 abliefere, sollten die für die Publikation notwendigen Mittel aus dem Dispositionsfonds des badischen Großherzogs beantragt werden. Vgl. Protokoll 1903 (wie oben, S.  762, Anm.  12), S.  167.

A 166

II d.  Hochschullehrertag

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[Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten] [Diskussionsbeiträge auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag am 28. September 1908 in Jena]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Im Mittelpunkt des II. Deutschen Hochschullehrertages, der am 28. und 29. September 1908 in Jena stattfand, stand der Vortrag Karl v. Amiras zum Thema „Die Stellung des akademischen Lehrers zur Freiheit in Forschung und Lehre“.1 Über den Vortrag und die darauffolgende Diskussion, an der sich Max Weber beteiligte, wurde unmittelbar danach in größeren Tageszeitungen berichtet. Die Berichte über seine Diskussionsbeiträge weichen von dem offiziellen Protokoll ab, das später veröffentlicht wurde.2 Das Berichtete und die Reaktionen darauf forderten Weber zu Erwiderungen heraus. Deshalb werden die Zeitungsberichte, die der Anlaß waren, hier gesondert ediert.

Zur Überlieferung und Edition Die drei Diskussionsbeiträge Max Webers am 28. September 1908 sind uns in zwei Presseberichten, in verschiedener Ausführlichkeit überliefert: 1. „2. Deutscher Hochschullehrertag. (Telegraphischer Bericht für das Ber­ liner Tageblatt.)“, in: Berliner Tageblatt, Nr.  496 vom 29. September 1908, 2. Beiblatt, S. [3] (A(1)); 2. „Die Freiheit in Forschung und Lehre.“, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr.  458 vom 1. Oktober 1908, Vorabend-Blatt, S. [2] (A(2)). Die beiden Presseberichte werden synoptisch abgedruckt.

1  Vgl. Verhandlungen des II. HT, S.  629–633. 2 Vgl. Weber, Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten, oben, S.  122–124; dort auch zu den Hintergründen. So wird im offiziellen Protokoll nicht erwähnt, daß Alfred und Max Weber unter Protest den Saal verließen, als die Mehrheit der Versammlung für den Antrag stimmte, die Debatte über den Antrag Alfred Webers auf den nächsten Hochschullehrertag zu vertagen.

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[Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten] [Bericht des Berliner Tageblatts]

[Bericht der Münchner Neuesten Nachrichten]

1.

1.

Professor Max Weber (Heidelberg):

Wenn kein Zweifel darüber herrscht, daß diese Anschauung die einmütige Meinung des Hochschullehrertages ist,1 daß wir einmütig die Maßregelung von Arons und Michels verurteilen,2 dann sind mein Bruder und ich bereit, unsere Resolution zurückzuziehen.3 Wir dürfen uns aber in unseren Beschlüssen nicht beschränken auf die akademische Freiheit derer, die schon das Glück haben, Hochschullehrer zu sein.4 Wie man das aber wird, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit.5 Ich pfeife auf die akademische Freiheit derer, die schon Hochschullehrer sind, wenn eine Durchsiebung durch-

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Professor Max Weber (Heidelberg), erklärt, er pfeife auf die akade-

mische Freiheit derer, die schon Lehrer sind, wenn die Durchsiebung schon beginne, ehe

1  Der Vorredner Max Webers, Georg Kaufmann, betonte, daß die Forderungen Alfred Webers bereits in den Thesen Amiras enthalten seien. 2  Vgl. dazu Weber, Die sogenannte „Lehrfreiheit“, oben, S.  112 mit Anm.  8 und Anm.  9. 3  Zum Antrag Alfred Webers vgl. Weber, Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten, oben, S.  124 mit Anm.  1. 4  Vgl. dazu ebd., S.  124, Anm.  4. 5  Redensart aus dem Volkslied „Als der liebe Gott die Welt erschaffen“.

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Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten

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geführt wird, ehe man begonnen hat, akademischer Lehrer zu sein.

man überhaupt akademischer Lehrer werde.

2.

2.

Professor Max Weber (Heidelberg) entgegnet,6 daß er persönlich

Max Weber (Heidelberg) erwidert,

einen Brief mit der Mitteilung an Michels gesehen habe, daß er keine Aussicht habe, bei den maßgebenden Instanzen das Habilitationsgesuch durchzubringen.7 Der Fall Arons habe dazu geführt, daß in Jena Zeiß noch einmal seine Stiftungsurkunde zurückverlangt und so abgeändert habe, daß wenigstens hier solche Fälle unmöglich seien.8

daß man Michels bedeutet habe, daß die Instanzen sein Habilitationsgesuch nicht genehmigen würden. Der Fall Arons habe bei der Karl-ZeißStiftung für die Universität Jena eine entscheidende Rolle gespielt. Es sei zur Zeit dafür gesorgt worden, daß die Mittel der Stiftung nur unter der Voraussetzung der völligen Lehrund Forschungsfreiheit gewährt würden.

3. 20

Professor Max Weber (Heidelberg):

Ich betone nochmals, daß wir

6  Max Weber antwortete auf die Äußerungen der Jenenser Professoren Ziegler und Rein, die behaupteten, daß bei der Philosophischen Fakultät Jena niemals ein offizielles Habilitationsgesuch Robert Michels eingegangen sei. 7  In einem Schreiben vom 28. April 1906 fragte Robert Michels den Jenaer Ordinarius Julius Pierstorff, ob seine Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei ein Hindernis für eine Habilitation in Jena sei. Pierstorff leitete die Sache an den Dekan weiter, auch Fakultät, Senat und Erhalterstaaten (Sachsen-Alten­burg, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha und Sachsen-Meiningen) wurden um ihr Votum gebeten. Am 7. Mai 1906 erhielt Michels von Pierstorff eine abschlägige Antwort. Vgl. dazu Weber, Die sogenannte „Lehrfreiheit“, oben, S.  113 mit Anm.  11 und Anm.  12. 8  Zum 1900 erlassenen Ergänzungsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung, das den Dozenten der Universität Jena die „volle Lehrfreiheit“ zusicherte, vgl. ebd., S.  294, Anm.  16. Ob der Erlaß dieses Statuts mit dem „Fall Arons“ in direktem Zusammenhang steht, geht aus den Akten nicht hervor (Auskunft des Carl Zeiss-Archivs vom 2. September 2011).

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Über die Lehrfreiheit an deutschen Universitäten

unseren Antrag nur zurückziehen können, wenn Sie einstimmig der Meinung Ausdruck geben, daß Gesinnungsschnüffelei an keiner Stelle der Universität betrieben werden darf. Wer der Gesinnung des akademischen Lehrers nachschnüffelt, ist ein Schuft! a

a  In A(1) folgt: (Beifall und Unruhe)

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[Die Auslese für den akademischen Beruf] [Diskussionsbeiträge auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag am 12. und 13. Oktober 1909 in Leipzig]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der wichtigste Punkt der Tagesordnung des III. Hochschullehrertages 1909 in Leipzig1 bezog sich auf die Lehrfreiheit, die man auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag nur dilatorisch behandelt hatte. Referent war Adolf Wach, Korreferent Ludo Moritz Hartmann.2 Am Ende der sich anschließenden Debatte wurde eine Resolution verabschiedet, die bestimmte, daß die Zulassung zur Habilitation nicht von politischen oder religiösen Voraussetzungen abhängig sein sollte.3 Weitere Tagungsthemen waren die „Nachwuchsfrage“ sowie die Frage der „Auslese für den akademischen Beruf“. Auch dazu ergriff Max Weber das Wort. Da das offizielle Protokoll über den III. Deutschen Hochschullehrertag erst vier Monate später, am 10. Februar 1910 erschien, darf man wohl annehmen, daß den Rednern ihre Beiträge vor der Drucklegung vorgelegt wurden und sie diese verändern konnten.4 Die im folgenden edierten Zeitungsberichte dagegen entstanden unmittelbar nach dem Geschehen.5

1 Zum III. Deutschen Hochschullehrertag vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Auslese für den akademischen Beruf, oben, S.  180 f. 2  Vgl. Verhandlungen des III. HT, S.  4–12 und 12–14. 3 Offenbar ging Weber diese Resolution nicht weit genug; am 13. Oktober 1909 schrieb er an Marianne Weber: „Gestern in der Versammlung war von vorn herein feststehend, daß unsre vorjährige Anschauung als ‚selbstverständlich‘ akzeptiert werden würde, wie sie voriges Jahr ‚gekreuzigt‘ wurde. Ich wollte nun noch mehr erzwingen, – die Anerkennung, daß die Lehre vom Katheder keine ‚Werthurteile‘ aufzwingen darf – aber das kapierte die Bande nicht, keine Hand erhob sich zum Beifall […].“ Vgl. MWG II/6, S.  288 f., Zitat: S.  288. 4  Vgl. Weber, Auslese für den Akademischen Beruf, oben, S.  181. 5  So fehlt beispielsweise im offiziellen Protokoll die Anspielung Webers auf das Wissenschaftsverständnis des sächsischen Königs. Vgl. unten, S.  781. Umgekehrt fehlt Webers Diskussionsbeitrag zu den „Hochschul-Nachrichten“ im offiziellen Protokoll, ebd., oben, S.  185, in den Zeitungsberichten.

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Die Auslese für den akademischen Beruf

Zur Überlieferung und Edition Die Diskussionsbeiträge Max Webers auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909 sind uns in folgenden Presseberichten des Berliner Tageblatts (A(1)) und der Frankfurter Zeitung (A(2)) überliefert: 1a. „Dritter deutscher Hochschullehrertag (Telegraphischer Bericht für das Berliner Tageblatt.)“, in: Berliner Tageblatt, Nr.  519 vom 12. Oktober 1909, Abend-Ausgabe, S. [4]; 1b. „Dritter deutscher Hochschullehrertag (Telegraphischer Bericht für das Berliner Tageblatt.)“, in: Berliner Tageblatt, Nr.  520 vom 13. Oktober 1909, 2. Beiblatt, Morgen-Ausgabe, S. [1 f.]; 1c. „Dritter deutscher Hochschullehrertag (Telegraphischer Bericht für das Berliner Tageblatt.)“, in: Berliner Tageblatt, Nr.  520 vom 13. Oktober 1909, Abend-Ausgabe, S. [3 f.]; 2a. „III. Deutscher Hochschullehrertag II.“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  285 vom 14. Oktober 1909, 1. Mo.Bl., S.  1; 2b. „III. Deutscher Hochschullehrertag III.“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  285 vom 14. Oktober 1909, 2. Mo.Bl., S.  2. Weiterhin ist ein Bericht in der Vossischen Zeitung überliefert.6 Er wird hier nicht abgedruckt. Ein Vergleich der drei überlieferten Berichte zeigt, daß es sich offenbar um einen stenographischen Bericht handelt, der von den drei Tageszeitungen in unterschiedlicher Weise abgedruckt worden ist. Auswahl, Akzentuierung durch Hervorhebungen sowie kleinere Abweichungen in der Orthographie und stilistische Nachkorrekturen – solche vor allem in der Frankfurter Zeitung – lassen sich feststellen. Die Textwiedergabe bis hin zu den Protokollzusätzen ist aber identisch, was für einen gemeinsamen Stammtext spricht. Der „Telegraphische Bericht“ des Berliner Tageblatts erschien als der umfangreichste Bericht zuerst, während der Bericht der Frankfurter Zeitung zuletzt erschien. Bei letzterem fehlen zwei Passagen, zu den Werturteilen im Lehrbetrieb der Universitäten und zur Hochschulverfassung,7 während eine Passage zur Glaubensfreiheit der Theologischen Fakultäten aufgenommen ist, die im Bericht des Berliner Tageblatts fehlt, aber durch die Berichterstattung der Vossischen Zeitung ebenfalls belegt ist.8 Da Max 6  „Dritter Deutscher Hochschullehrertag“, in: Vossische Zeitung, Nr.  480 vom 13. Okt. 1909, Morgen-Ausgabe, S.  4, und ebd., Nr.  481 vom 13. Okt. 1909, Abend-Ausgabe, S.  3. 7  Vgl. dazu die Wiedergabe im Berliner Tageblatt, unten, S.  782, Z.  2–11, und S.  783, Z.  7–11. 8  Vgl. dazu die Wiedergabe in der Frankfurter Zeitung, unten, S.  785, Z.  22–28 mit Anm.  3, wo die minimale Differenz zur Vossischen Zeitung dokumentiert ist.

Editorischer Bericht

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Weber offenbar die Berichte der Frankfurter Zeitung kannte, werden diese, auch wegen der hinzugefügten Passage, hier ebenfalls wiedergegeben. Im Vergleich zum offiziellen Protokoll des III. Deutschen Hochschullehrertages9 dürften die zeitnahen und wohl auf Stenogramm beruhenden Berichte der Tageszeitungen das gesprochene Wort authentisch wiedergeben. Dies rechtfertigt ihre Aufnahme in der Edition. Sacherläuterungen erfährt der Bericht des Berliner Tageblatts, der der Frankfurter Zeitung nur an den zusätzlichen Passagen, um Wiederholungen zu vermeiden.

9  Vgl. Weber, Auslese für den akademischen Beruf, oben, S.  180–187.

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[Die Auslese für den akademischen Beruf] [1. Bericht des Berliner Tageblatts]

1. Diskussionsbeitrag Professor Max Weber (Heidelberg): Ich kann mich so mit den Ausfüh-

rungen des Geheimrats Wach1 einverstanden erklären, daß ich mich frage: Warum der ganze Spektakel im vorigen Jahre?a2 Warum die Vertagung? Es war ein außerordentliches Verdienst von Geheimrat Wach, daß er uns diese Rede hielt. Die Frage, ob ein Sozialdemokrat habilitiert werden darf oder nicht, hätte schon vor einem Jahre beantwortet werden können und müssen.b Der Vorredner hat gesagt, er glaube nicht, daß ein Orthodoxer oder ein Marxist unbefangen wissenschaftlich lehren könne.3 Ja, wozu in aller Welt haben wir denn das Kolloquium?c Man stelle an die Leute in colloquium eine ganze Reihe von Fragen, mehr als in der Trägheit von den verehrten Kollegen meist gestellt werden.d Und verlängern Sie das Kolloquium, dann werden Sie schon bei dem Mann feststellen können, ob er fähig ist, das Lehramt unbefangen auszuüben oder nicht. Geheimrat Wach hat sich kurz über die theologische Fakultät a In A(1) folgt: (Heiterkeit.)  b In A(1) folgt: (Sehr richtig!)   c In A(1) folgt: (Sehr richtig!)   d  In A(1) folgt: (Unruhe.) 1  Adolf Wach stellte seinen Ausführungen folgende Thesen voran: „1. Es muß von den entscheidenden Instanzen gefordert werden, daß sie sich bei der Erteilung der venia legendi nicht durch Umstände bestimmen lassen, die von formalen Voraussetzungen abgesehen weder die wissenschaftliche Qualifikation, noch die Lehrfähigkeit oder persönliche Würdigkeit des Bewerbers betreffen, insbesondere nicht durch seine persönliche oder religiöse Überzeugung. 2. Es empfiehlt sich, die Entscheidung über die Habilitation den Fakultäten zu überlassen und der Kontrolle der Regierung nur insoweit, als abgesehen von Formalien Tatsachen vorliegen, die den disziplinaren Ausschluß vom Lehrerberuf zu begründen geeignet wären. 3. Als Kautelen gegen den Mißbrauch innerhalb der Fakultät sind erwägenswert angemessene Berichterstattung, motivierte Abstimmung und begründeter Bescheid an den Bewerber.“ Vgl. „III. Deutscher Hochschullehrertag I.“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  285 vom 13. Okt. 1909, Ab. Bl., S.  2. 2  Gemeint ist der II. Deutsche Hochschullehrertag, der am 28. und 29. September 1908 in Jena stattfand, vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Über die Lehrfreiheit, oben, S.  109 f. 3  Weber bezieht sich auf die Aussage von Georg Kaufmann aus Breslau, vgl. Weber, Auslese für den akademischen Beruf, oben, S.  182, Anm.  1.

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ausgesprochen.4 Ich sage, es ist nicht richtig, daß mit dem Begriff der theologischen Fakultät die dogmatische Gebundenheit verbunden sein muß. Es gibt dogmenfreie theologische Fakultäten, und zwar in Holland. Da wir in Leipzig tagen, will ich erinnern an den jüngst unternommenen Versuch, hier in Leipzig eine Persönlichkeit, die hinter dem Zentralverband Deutscher Industrieller steht, als Honorarprofessor unterzubringen.5 Es ist erfreulich, daß das zurückgewiesen worden ist.e

[2. Bericht des Berliner Tageblatts] 10

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In der Diskussion zu dem Referat des Professors Wach-Leipzig (über die wir bereits in der Abendausgabe berichteten, D. Red.) führte Professor Max Weber (Heidelberg) weiter aus:

Prinzipielle Meinungsverschiedenheiten trennen mich von Geheimrat Wach in der Frage der Bedeutung der Werturteile. Er hat gesagt, es müßte die Art, wie Werturteile vertreten werden, entscheidend sein dafür, ob jemand das Katheder betreten soll oder nicht.6 Wenn Geheimrat Wach Recht hat, dann hätte er in erster Linie einem Mann wie Treitschke das Katheder verbieten müssen.f Der damalige König von Sachsen, der etwas von akademischer Freiheit verstand – wie es heute ist, will ich nicht untersucheng – hat Treitschke als Pamphletisten bezeichnet.7 Die Remotion Treitschkes wäre also das erste gewesen, was zu verlangen gewesen wäre, wenn Geheimrat Wach Recht hat. Wenn man sagt, die Art e  In A(1) folgt: (Fortsetzung folgt.)   f  In A(1) folgt: (hört! hört!)   g  In A(1) folgt: (Heiterkeit) 4  Vgl. ebd., S.  182, Anm.  3. 5  Gemeint ist die Berufung Richard Ehrenbergs, die der Verband Sächsischer Industrieller unterstützte. Vgl. dazu ebd., S.  183, Anm.  7. 6  Adolf Wach vertrat in seinem Referat die These, daß es selbstverständlich sei, „daß beispielsweise ein Staatsrechtslehrer seine politische Grundanschauung durchblicken läßt“, da Wissenschaftler „keine Automaten, sondern lebende Menschen“ seien. Entscheidend dabei sei lediglich die Frage: „ob dieser Ausdruck eine Form anzunehmen vermag, die es unmöglich macht, den Betreffenden zu habilitieren, ob sich diese religiöse oder politische Stellung als Inkompatibilität mit der Lehrtätigkeit herausstellt.“ Vgl. „III. Deutscher Hochschullehrertag I.“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  285 vom 13. Okt. 1909, Ab.Bl., S.  2. 7 Eine Charakterisierung Treitschkes als Pamphletisten durch König Johann von Sachsen konnte nicht nachgewiesen werden.

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wie man Werturteile ausspricht, soll entscheidend sein, so sage ich: Werturteile gehören überhaupt nicht auf das Katheder.h Es ist gesagt worden, wir sollten auf dem Katheder die lebendigen Menschen sein, die vollen Menschen, die sich ihren Schülern geben. Gewiß, aber bin ich nicht der lebendige Mensch, wenn ich mich darauf beschränke, meinen Schülern zu sagen: Das ist ultramontan, das ist konservativ, das ist sozialistisch, das ist anarchistisch, und wenn ich meine Schüler nun befähige, zu verstehen, daß es diese Anschauungen gibt? Das ist auch eine Kulturarbeit, und ich meine, damit bannen wir nicht den lebendigen Menschen aus dem Hörsaal heraus.i Ich kann solche Fragen vom Katheder nicht entscheiden, wenn ich mir nicht anmaße, der Papst zu sein. Ich werde das immer ablehnen, und ich bin stolz darauf, daß meine Schüler allen Richtungen sich angeschlossen, von der äußersten agrarischen Richtung bis zu den am meisten linksstehenden Gruppen. Es kann großer Schaden angerichtet werden, wenn in der Jurisprudenz, und noch mehr Schaden, wenn in der Staatswissenschaft Werturteile vorgetragen werden. Noch schlimmer ist es in der Geschichte. Ich darf nicht ein Werturteil darüber abgeben, ob der Mann groß oder klein war. Ich trage nur vor, was war, wie er war und welche Zwecke er verfolgt hat, und dann trete ich schließlich zurück hinter dem, zurück hinter das, was ich an Tatsachen vorgetragen habe. Wenn ich das nicht tue, dann kann ich ein ausgezeichneter Mensch sein, aber eine Wissenschaft habe ich nicht vorgetragen. Man hat mich bekämpft, weil ich angeblichen Sozialdemokraten die Lehrstühle der Universitäten habe öffnen wollen. Lassen Sie doch einmal die Sozialdemokraten den Versuch machen, die Lehrstühle zu besetzen! Die Folge wird eine grenzenlose Blamage der Sozialdemokratie sein. Sie hat nicht die Kräfte, abgesehen von ein paar Ideologen, die die deutsche Wissenschaft bietet. Deshalb können wir die So­zial­demokratie ehrlich bekämpfen. Das erkläre ich trotz aller Leidenschaft und trotz all des Giftes, mit dem man mich bekämpft hat.j

h In A(1) folgt: (Oho!)  i In A(1) folgt: (Beifall und Widerspruch.)   j In A(1) folgt: (Lebhafter Beifall.)

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[3. Bericht des Berliner Tageblatts]

2. Diskussionsbeitrag Professor Max Weber (Heidelberg): Nicht nur die Stellung der

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Assistenten,8 sondern auch die Stellung der Privatdozenten ist vielfach eine unwürdige. Ich kenne ältere Privatdozenten, die ebenso gut wie 50 bis 60 Prozent aller Ordinarien einen Lehrstuhl hätten besetzen können, wenn ein solcher vorhanden gewesen wäre. Die Hochschulverfassung als solche und die große Gefahr, die in der Bewegung der jüngeren Dozenten liegt, sofern sie auslesefeindlich wirken können, müßten wir einmal auf die Tagesordnung des nächsten Hochschultages setzen.k Die Frage der Universitätsbeamten bitte ich recht vorsichtig zu behandeln, damit wir die Gefahr einer Bureaukratisierung der Universität vermeiden.

3. Diskussionsbeitrag 15

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In der Debatte nahm als erster Professor Max Weber (Heidelberg) das Wort:

Ich vermisse bisher in den Debatten über diesen Punkt einen Gesichtspunkt. Ist denn wirklich der Privatdozent weiter ­garnichts als ein Nachwuchs? Ist er nicht ein freier Lehrer und ­Forscher wie alle andern auch? Der Privatdozent ist nicht ein Avant­ageur9 innerhalb der akademischen Laufbahn, das ist eine militaristische Auffassung dieses ganzen Berufs, eine Bureaukratisierung, die wir hier zurückzuweisen haben.l Ich wenigstens protestiere dagegen aufs Schärfste. Ich bin der Meinung, daß jedem Privatdozenten in die Seele geschrieben werden müßte, daß er unter keinen Umständen irgendwie einen begründeten Anspruch auf Anstellung hat. Dieser Beköstigungsgesichtspunkt ist unver­ einbar mit den Grundlagen

k  In A(1) folgt: (Sehr richtig!)   l  In A(1) folgt: (Lebhafter Beifall.) 8  Max Weber bezieht sich hier auf seinen Vorredner Karl Lamprecht, der u. a. feststellte, daß die Assistenten wegen des Lehrermangels Aufgaben von „Kulis“ übernehmen müßten. Vgl. „III. Deutscher Hochschullehrertag III.“, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  285 vom 14. Okt. 1909, 2. Mo.Bl., S.  2. 9  Vgl. Weber, Auslese für den akademischen Beruf, oben, S.  186, Anm.  15.

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unserer Universitäts­ver­fassung.m Alles das, was auf diesen Versorgungsstandpunkt hinausläuft, ist eine Unmöglichkeit für uns.n

m  In A(1) folgt: (Lebhafter Beifall.)   n  In A(1) folgt: (Lebhafter Beifall).  

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[1. Bericht der Frankfurter Zeitung]

1. Diskussionsbeitrag In der Fortsetzung der Debatte über die Habilitationsfrage spricht zunächst Prof. Max Weber (Heidelberg): Ich kann mich mit den Ausführungen 5

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des Geheimrats Wach so einverstanden erklären, daß ich mich frage, warum der ganze Spektakel im vorigen Jahre?a Warum die Vertagung? Es war ein außerordentliches Verdienst von Geheimrat Wach, daß er uns diese Rede hielt. Die Frage, ob ein Sozialdemokrat habilitiert werden darf oder nicht, hätte schon vor einem Jahre beantwortet werden können und müssen.b Der Vorredner1 hat gesagt, er glaube nicht, daß ein Orthodoxer oder ein Marxist unbefangen wissenschaftlich lehren könne. Ja wozu in aller Welt haben wird denn das Colloquium?c Man stelle an die Leute im Colloquium eine ganze Reihe von Fragen, mehr als in der Trägheit von den verehrten Kollegen meist gestellt werden.d Und verlängern Sie das Colloquium, dann werden Sie schon bei dem Mann feststellen können, ob er fähig ist, das Lehramt unbefangen auszuüben oder nicht. Geheimrat Wach hat sich kurz über die theologische Fakultät ausgesprochen. Ich sage, es ist nicht richtig, daß mit dem Begriff der theologischen Fakultät die dogmatische Gebundenheit verbunden sein muß. Es gibt dogmenfreie theologische Fakultäten und zwar in Holland. Sie sind dort befreit von aller Bindung an irgend ein Glaubensbekenntnis.2 Infolgedessen werden an diesen Fakultäten Vorlesungen über Apologetik nicht gehalten, weil man sich dort sagt, das gehört in ein Priesterseminar. Nicht die Interessen der Religion und nicht die der Kirche sind es, die uns die theologische Fakultät in die Universitäten hinein­brin­gen,3 sondern es sind allgemeine Kulturvorstellungen. Da wir in Leipzig tagen, will ich erinnern an den jüngst unternommenen Versuch, a In A(2) folgt: (Heiterkeit.)  b In A(2) folgt: (Sehr richtig.)   c In A(2) folgt: (Sehr richtig!)   d  In A(2) folgt: (Unruhe.) 1  Georg Kaufmann. 2  Vgl. Weber, Auslese für den akademischen Beruf, oben, S.  182, Anm.  4. 3  In der Vossischen Zeitung lautet der Nebensatz: „was die theologische Fakultät uns in die Universitäten hineinbringt“. Vgl. „Dritter Deutscher Hochschullehrertag“, in: Vossische Zeitung, Nr.  480 vom 13. Okt. 1909, Morgen-Ausgabe, S.  4.

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hier in Leipzig eine Persönlichkeit, die hinter dem Zentralverband Deutscher Industrieller steht, als Honorarprofessor unterzubringen.4 Es ist erfreulich, daß das zurückgewiesen worden ist.e Prinzipielle Meinungsverschiedenheiten trennen mich von Geheimrat Wach in der Frage der Bedeutung der Werturteile. Er hat gesagt, es müßte die Art, wie Werturteile vertreten werden, entscheidend sein dafür, ob jemand das Katheder betreten solle oder nicht. Wenn Geheimrat Wach Recht hat, dann hätte er in erster Linie einem Mann wie Treitschke das Katheder verbieten müssen.f Der damalige König von Sachsen, der etwas von akademischer Freiheit verstand – wie es heute ist, will ich nicht untersucheng – hat Treitschke als Pamphletisten bezeichnet. Die Remotion Treitschkes wäre also das erste gewesen, was zu verlangen gewesen wäre, wenn Geheimrat Wach Recht hat. Wenn man sagt, die Art wie man Werturteile ausspricht, soll entscheidend sein, so sage ich: Werturteile gehören überhaupt nicht auf das Katheder.h Ich kann solche Fragen vom Katheder nicht entscheiden, wenn ich mir nicht anmaße, der Papst zu sein. Ich werde das immer ablehnen, und ich bin stolz darauf, daß sich meine Schüler allen Richtungen angeschlossen haben, von der äußersten agrarischen Richtung bis zu den am meisten linksstehenden Gruppen. Es kann großer Schaden angerichtet werden, wenn in der Jurisprudenz, und noch mehr Schaden, wenn in der Staatswissenschaft Werturteile vorgetragen werden. Noch schlimmer ist es in der Geschichte. Ich darf kein Werturteil darüber abgeben, ob der Mann groß oder klein war. Ich trage nur vor, was war, wie er war und welche Zwecke er verfolgt hat, und dann trete ich zurück hinter die Tatsachen. Wenn ich das nicht tue, dann kann ich ein ausgezeichneter Mensch sein, aber eine Wissenschaft habe ich nicht vorgetragen. Man hat mich bekämpft, weil ich angeblich So­zial­demokraten die Lehrstühle der Universitäten habe öffnen wollen. Lassen Sie doch einmal die Sozialdemokraten den Versuch machen, die Lehrstühle zu besetzen! Die Folge wird eine grenzenlose Blamage der Sozialdemokratie sein. Sie hat nicht die Kräfte, abgesehen von ein paar Ideologen, die die deutsche Wissenschaft bietet. Deshalb können wir die Sozialdemokratie ehrlich bekämpe  In A(2) folgt: (Beifall.)  f  In A(2) folgt: (Hört! Hört!)   g  In A(2) folgt: (Heiterkeit.)  h  In A(2) folgt: (Oho!) 4  Gemeint sind Richard Ehrenberg und der Verband Sächsischer Industrieller.

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fen. Das erkläre ich trotz aller Leidenschaft und trotz all dem Gift, mit dem man mich bekämpft hat.i [2. Bericht der Frankfurter Zeitung]

2. Diskussionsbeitrag 5

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Prof. Max Weber (Heidelberg): Nicht nur die Stellung der Assistenten,

sondern auch die Stellung der Privatdozenten ist vielfach eine unwürdige. Ich kenne ältere Privatdozenten, die ebenso gut wie 50 bis 60 Prozent aller ordentlichen Professoren einen Lehrstuhl hätten besetzen können, wenn ein solcher vorhanden gewesen wäre. Die Frage der Universitätsbeamten bitte ich recht vorsichtig zu behandeln, damit wir die Gefahr einer Bureaukratisierung der Universität vermeiden.

3. Diskussionsbeitrag

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In der Debatte nahm als erster Professor Max Weber das Wort: Ich vermisse bisher in den Debatten einen Gesichtspunkt. Ist denn wirklich der Privatdozent weiter gar nichts als ein Nachwuchs? Ist er nicht ein freier Lehrer und Forscher wie alle andern auch? Der Privatdozent hat nicht die Stellung eines Avantageurs. Das wäre eine militärische Auffassung dieses ganzen Berufes, eine Bureaukratisierung, die wir hier zurückzuweisen haben.j Ich wenigstens protestiere dagegen aufs schärfste. Ich bin der Meinung, daß jedem Privatdozenten in die Seele geschrieben werden müßte, daß er unter keinen Umständen irgendwie einen begründeten Anspruch auf Anstellung hat. Der Standpunkt der Begünstigung des Privatdozenten wäre unvereinbar mit den Grundlagen unserer Universitätsverfassung.k Alles das, was auf diesen Verordnungsstandpunkt hinausläuft, ist eine Unmöglichkeit für uns.l

i In A(2) folgt: (Lebhafter Beifall.)   j In A(2) folgt: (Lebhafter Beifall.)   k In A(2) folgt: (Lebhafter Beifall.)   l  In A(2) folgt: (Lebhafter Beifall.)

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[Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen] [Diskussionsbeiträge auf dem IV. Deutschen Hochschul­ lehrertag am 13. Oktober 1911 in Dresden]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Max Webers Diskussionsbeiträge zum Vortrag von George Stuart Fullerton (New York) über „Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen“ auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden am 13. Oktober 1911 fanden aufgrund seiner Angriffe auf die preußische Unterrichtsverwaltung eine beachtliche Presseresonanz.1 In mehreren überregionalen Tageszeitungen wurden seine beiden Diskus­ sions­beiträge bereits am Folgetag, dem 14. Oktober 1911, wörtlich und – wie man vermuten darf – nahezu vollständig veröffentlicht. Dagegen nahmen die Berichte über das Referat Fullertons nur wenige Zeilen ein. Bevor das offizielle Protokoll mit der von Weber autorisierten Wiedergabe seiner Diskus­ sions­ beiträge erschien, entspann sich eine öffentliche Kontroverse über seine Äußerungen mit mehr als 10 Zuschriften. Vor allem beklagte er sich über die „anscheinend äußerst entstellenden Berichte der Zeitungen in Berlin“, insbesondere der Täglichen Rundschau, „welche – nach Zuschriften – die gröblichsten Irrtümer begangen hat, gröbere noch als die Wiedergabe aus dem Zusammenhang gerissener Worte“.2

Zur Überlieferung und Edition Die Diskussionsbeiträge Max Webers auf dem IV. Deutschen Hochschul­leh­ rer­tag am 13. Oktober 1911 sind uns in folgenden Presseberichten des Berliner Tageblatts A(1) und der Täglichen Rundschau A(2) überliefert:

1  Vgl. dazu Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nord­ amerikanischen Hochschulen, oben, S.  394–410, dort auch zu den Hintergründen. 2 Brief Max Webers an Arthur Binz vom 18. Okt. 1911, MWG II/7, S.  297 f., Zitate: S.  298.

Editorischer Bericht

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1. „Das System Althoff auf dem Hochschullehrertag. (Telegraphischer Bericht) für das ‚Berliner Tageblatt’“, in: Berliner Tageblatt, Nr.  524 vom 14. Oktober 1911, 2. Beiblatt, S.  1 f.; 2. „4. Deutscher Hochschullehrertag. (Telegraphischer Bericht)“, in: Tägliche Rundschau, Nr.  483 vom 14. Oktober 1911, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S.  [1 f.]. Weiterhin sind Berichte in der Vossischen Zeitung, der Germania und der Heidelberger Zeitung überliefert.3 Diese werden hier nicht abgedruckt. Ein Vergleich der überlieferten Berichte zeigt, daß es sich offenbar um einen stenographischen Bericht handelt, der von den Tageszeitungen in unterschiedlicher Weise abgedruckt wurde. Auswahl, Akzentuierung durch Hervorhebungen sowie kleinere Abweichungen in der Orthographie und stilistische Nachkorrekturen lassen sich feststellen. Die Textwiedergabe bis hin zu den Protokollzusätzen und der Verschreibung von „Giercke“4 ist aber identisch, was für einen gemeinsamen Stammtext spricht. Der „Telegraphische Bericht“ des Berliner Tageblatts ist der umfangreichste Bericht, während die anderen Zeitungen stärker auswählten. Weglassungen werden in den Artikeln nicht markiert. Aus diesem Grund werden an den für die anschließende Pressekontroverse relevanten Stellen die Berichte des Berliner Tageblatts und der Täglichen Rundschau synoptisch abgedruckt. Die Anfangspassagen weichen allerdings voneinander ab. Zertrennte Absätze sind durch senkrechte Strichte markiert. Zum editorischen Verfahren vgl. den vorangehenden Editorischen Bericht.5

3  Vgl. „Schwere Angriffe gegen das preußische Kultusministerium“, in: Vossische Zeitung, Nr.  513 vom 14. Okt. 1911, S.  2 f.; „Nepotismus“, in: Germania, Nr.  239 vom 17. Okt. 1911, 1. Bl., S.  1, sowie der Bericht in: Heidelberger Zeitung, Nr.  244 vom 18. Okt. 1911, S.  1 4  Vgl. unten, S.  800 mit textkritischer Anm.  n und o. 5  Oben, S.  779.

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[Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen] [Bericht des Berliner Tageblatts]

[Bericht der Täglichen Rundschau]

1. Diskussionsbeitrag

1. Diskussionsbeitrag

Professor Dr. Max Weber-Heidelberg äußert bei Betrachtung der amerikanischen Verhältnisse unter anderem:

Im Anschluß hieran führt Prof. Dr. Max Weber-Heidelberg aus: Die

Wir Deutschen haben Handelshochschulen gegründet,1 die, wenn wir es ganz offen aussprechen wollen, weiter keinen Zweck haben, als daß unsere jungen Kommis satisfaktionsfähig werden, ein paar Schmisse ins Gesicht bekommen und ein bißchen studieren und sich sehr viel von der Arbeit drücken lernen.a Ich habe gewiß alle Hochachtung vor dem, was auf den Handelshochschulen gelehrt wird. Ich weiß auch, wieviel auf den Universitäten in dieser Beziehung versäumt worden ist. Es ist einfach ein Skandal, daß junge Leute, die Handelswissenschaft studieren wollen, heute auf die Handels-

erste Erscheinung, auf die man bei der Betrachtung der amerikanischen Verhältnisse stößt, ist die große Differenzierung hinsichtlich der Qualität und Quantität. Wir wissen, daß ein Teil des amerikanischen Kontinents noch heute Kolonialland2 ist, und die Universitäten in diesen Kolonialländern tragen naturgemäß einen embryonalen Charakter. Damit ist verknüpft eine außerordentliche Differenzierung des Lehrplans. Diese Differenzierung ist durch allmähliche Europäisierung der Universitäten bewirkt worden. Von einer vollkommenen Gleichheit mit europäischen Verhältnissen wird in Amerika niemals die Rede sein können,

a  In A(1) folgt: (Heiterkeit und Zustimmung.) 1  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, oben, S.  398, Anm.  3. 2  Die Staaten New Mexico und Arizona wurden erst 1912 in die Union aufgenommen, das Gebiet war schon 1853 von Mexiko gekauft worden.

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hochschulen müssen. Aber natürlich: ein Jurist würde es ja ablehnen, in derselben Fakultät mit jemand zu sitzen, der nur Handelswissenschaften lehrt und nicht einmal den Doktor hat! In Amerika legt der Geschäftsmann auf ganz andere Dinge Wert, und er glaubt, daß diese Dinge im College den jungen Leuten vermittelt werden sollen. Ein wichtiger Unterschied zwischen den amerikanischen und deutschen Universitäten ist auch der, daß die amerikanischen nicht von Amts wegen verpflichtet sind, dem Staat für seine Bureaukratie das Examenmaterial zu liefern. Die amerikanischen Universitäten befinden sich in dieser Beziehung in beneidenswerter Lage, in die die deutschen Universitäten wohl niemals versetzt sein werden. Ich bin allerdings überzeugt, daß früher oder später auch in Amerika eine mehr oder weniger ähnliche Situation eintreten wird. Die amerikanischen Universitäten werden aber dann ihre heiligsten Güter mit allem Eifer und Nachdruck verteidigen. Hervorgehoben muß werden, daß an den meisten amerikanischen Universitäten der Kollegienbesuch nicht schwankt im Gegensatz zu unserer Schwänzfreiheit. Das Studentenleben unterscheidet sich

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aber von einer sehr weitgehenden Annäherung. Allerdings müssen wir auf der Gegenseite von einer Amerikanisierung der deutschen Universität sprechen. Heute sind die amerikanischen Universitäten bis zu einem gewissen Grade auf dem Wege zu den Großstadtuniversitäten, wie z.  B. Baltimore, Neuyork, Boston, Chikago und St. Franzisko. Wenn man sehen will, was auf dem Gebiete der Universität in Nordamerika geleistet wird, so muß man den Blick auf diese Universitäten richten.

Hervorgehoben muß auch werden, daß an den meisten ame­ rikanischen Universitäten der Kollegienbesuch nicht schwankt im Gegensatz zu unserer Schwänzfreiheit. Das Studentenleben unterscheidet sich

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auch in dieser Beziehung von dem in Europa. Es hat allerdings in letzter Zeit auch europäische Formen angenommen – ich bezweifle sehr, ob es dadurch besser geworden ist. Ich war sehr erstaunt, in einem amerikanischen College in einer Studentenbude zwei Schläger vorzufinden. Es war ein Quäkercollege,3 und ich fragte mich, wie kommen Quäker zu Waffen? Wenn ich mit amerikanischen Studenten zusammenkam, so interessierte es sie am meisten: Was ist eine deutsche Mensur, wie wird das gemacht?b Zu anderer Zeit war ich auf der Columbiauniversität zu einem regelrechten deutschen Kommers mit Schlägern und allem, was dazu gehört, eingeladen. Er fand in der Aula der Universität statt, und war veranstaltet von der germanistischen Abteilung der Universität zur Einführung in die deutsche Kultur.c Es wurde mit Nachdruck hervorgehoben, daß hier zum erstenmal in der Aula ein fast echtes Pschorr getrunken wurde.d 4

auch in dieser Beziehung von dem in Europa. Es hat allerdings in letzter Zeit auch europäische Formen angenommen – ich bezweifle sehr, ob es dadurch besser geworden ist. Ich war sehr erstaunt, in einem amerikanischen College in einer Studentenbude zwei Schläger vorzufinden. Es war ein Quäker-College, und ich frage mich, wie kommen Quäker zu Waffen? Wenn ich mit amerikanischen Studenten zusammen kam, so interessierte es sie am meisten: Was ist eine deutsche Mensur, wie wird es gemacht?e Zu anderer Zeit war ich auf der Kolumbia-Universität zu einem regelrechten deutschen Kommers mit Schlägern und allem, was dazu gehört, eingeladen. Er fand in der Aula der Universität statt und war veranstaltet von der germanistischen Abteilung der Universität zur Einführung in die deutsche Kultur.f Es wurde mit Nachdruck hervorgehoben, daß hier zum ersten Male in der Aula ein fast echtes Pschorr getrunken wurde.g

b  In A(1) folgt: (Heiterkeit.)  c  In A(1) folgt: (Heiterkeit.)  d  In A(1) folgt: (Heiterkeit.)  e  In A(2) folgt: (Heiterkeit.)  f  In A(2) folgt: (Heiterkeit.) 3  Gemeint ist das Quäkercollege Haverford, das Max Weber am 26. und 27. Oktober 1904 besuchte. Vgl. seine Beschreibung der Studentenbude mit „gekreuzte[n] Schläger[n]“ in dem Brief von Max und Marianne Weber an Helene Weber und Familie vom 27. Okt., 1. oder 2. sowie 2. Nov. 1904, MWG II/4, S.  356–369, Zitat: S.  365. 4  Vgl. Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, oben, S.  400, Anm.  8.

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Auch die amerikanischen Verbindungen sind Verbindungen wie die deutschen, aber von ganz anderer Art. Wir wissen ja, daß die deutschen Verbindungen mehr und mehr Versicherungsanstalten für Protektion und Avancement geworden sind. Zu meiner Zeit war das noch nicht so, mindestens nicht bei allen diesen Verbindungen. Heute werden alle Verbindungen davon beherrscht. Daß diese Dinge bei den amerikanischen Verbindungen ganz ­fehlen, will ich nicht behaupten, immerhin ist die ganze Art des Betriebes innerhalb der Verbindungen denn doch ganz anders wie bei uns, weil bei uns der Hauptcharakter der Zug zur Bureaukratie mit dem ganzen Drum und Dran ist. Gemeinsam ist beiden Verbindungen der erziehliche Charakter, der immerhin darin liegt, daß sich das Individuum zu behaupten lernen muß in einer Umgebung, die scharf und rücksichtslos kritisiert. Nur ist das Ideal des amerikanischen Studenten ganz anders als das des deutschen. Es ist natürlich schwierig, das eine an dem Maßstab des anderen zu messen. Die Verfassung der amerikanischen Universitäten wird dadurch bedingt, daß dort g  In A(2) folgt: (Heiterkeit.)

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Auch die amerikanischen Verbindungen sind Verbindungen wie die deutschen, aber von ganz anderer Art. Wir wissen ja, daß die deutschen Verbindungen mehr und mehr Versicherungsanstalten für Protektion und Avancement geworden sind. Zu meiner Zeit war das noch nicht so, minde­ stens nicht bei all diesen Verbindungen. Heute werden alle Verbindungen davon beherrscht. Daß die Bedingungen bei den amerikanischen Verbindungen ganz fehlen, will ich nicht behaupten, immerhin ist die ganze Art des Betriebes innerhalb der Ver­ bindungen doch anders, wie bei uns, weil bei uns der Hauptcharakter der Zug zur Bürokratie mit dem ganzen Drum und Dran ist. Gemeinsam ist beiden Verbindungen der erziehliche Charakter, der immerhin darin liegt, daß sich das Individuum zu behaupten lernen muß in einer Umgebung, die scharf und rücksichtslos kritisiert. Nur ist das Ideal des amerikanischen Studenten ganz anders als das des deutschen. Es ist natürlich schwierig, das eine an dem Maßstab des anderen zu messen. Die Verfassung der amerikanischen Universitäten wird dadurch bedingt, daß dort

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die Konkurrenz unter den verschiedenen Hochschulen eine ganz andere ist als wie bei uns. In Chicago gibt es allein zwei Universitäten.5 Dieser Konkurrenzkampf ist im Prinzip ein ganz freier, und es findet sich kein allmächtiger ­Althoff, der über allen Universitäten steht. Die amerikanischen Universitäten konkurrieren ziemlich rücksichtslos gegen ihre Schwesterinstitute, und sie tragen auch darin den Charakter eines Konkurrenzinstituts, daß sie wie eine moderne Fabrik eine rücksichtslose Auslese in bezug auf die Tüchtigkeit der Lehrkräfte treffen. Die deutschen Univer­ sitäten führen seit langer Zeit einen teils latenten, teils offenen Kampf gegen die staatliche Bureaukratie, die in Deutschland kein einheitliches Gebilde, sondern so verschieden ist, als wir verschiedene Bundesstaaten haben. Die Universitätsbureaukratie von heute ist zum Beispiel in Baden und Sachsen vom Standpunkt der alten glänzenden Tradition der deutschen Universitäten aus gesehen an der Spitze. Sie sind wohlwollend und kommen allen Wünschen der ihnen angehörigen Universitäten entgegen. Die Bureau-

5  Vgl. dazu ebd., oben, S.  401, Anm.  11.

die Konkurrenz unter den verschiedenen Hochschulen eine ganz andere ist, als bei uns. In Chikago gibt es allein zwei Universitäten. Dieser Konkurrenzkampf ist im Prinzip ein ganz freier, und es finde sich kein allmächtiger Althoff, der über allen Universitäten steht. Die amerikanischen Universitäten konkurrieren ziemlich rücksichtslos gegen ihre Schwesterinstitute, und sie tragen auch darin den Charakter eines Konkurrenzinstituts, daß sie wie eine moderne Fabrik eine rücksichtslose Auslese in bezug auf die Tüchtigkeit der Lehrkräfte treffen. Die deutschen Universitäten führen seit langer Zeit einen teils latenten, teils offenen Kampf gegen die staatliche Bureaukratie, die in Deutschland kein einheitliches Gebilde, sondern so verschieden ist, als wir verschiedene Bundesstaaten haben. Die Universitätsbureaukratien von heute sind z. B. in Baden und Sachsen, vom Standpunkt der alten glänzenden Tradition der deutschen Universität aus gesehen, an der Spitze. Sie sind wohlwollend und kommen allen Wünschen der ihnen angehörigen Universitäten entgegen. Die Bureau-

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kratie ist ein Instrument, das den Selbstverwaltungskörpern, rein technisch betrachtet, immer überlegen sein wird. Die Frage ist aber, ob nur rein technische Gesichtspunkte für die Universitäten maßgebend sein dürfen, und da muß gesagt werden, daß Baden weit voran ist gegenüber der Verwaltung in Preußen, wie es scheint, gegenüber auch der bayerischen.h Ich bekenne ganz offen, daß als ich seinerzeit aus dem Gebiete der preußischen in das der badischen Universitätsverwaltung versetzt wurde, ich das Gefühl hatte, in sauberere Luft zu kommen.6 Die deutschen Unterrichtsverwaltungen stehen heute in einem Kartell miteinander.7 Man hat dadurch die Konkurrenz beseitigt, dieses Kartell ist aber eine Sache, die man mit der Eisenbahngemeinschaft8 vergleichen kann. Die übrigen Unterrichtsverwaltungen sind Vasallen der preußischen Unterrichtsverwaltung geworden, und sie werden von der preußischen Verwaltung auch demgemäß behandelt. Dafür ein Beispiel: Als ich von

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kratie ist ein Instrument, das den Selbstverwaltungskörpern, rein technisch betrachtet, immer überlegen sein wird. Die Frage ist aber, ob nur rein technische Gesichtspunkte für die Universitäten maßgebend sein dürfen, und es muß gesagt werden, daß Baden weit voran ist gegenüber der Verwaltung in Preußen, wie es scheint, gegenüber auch der baye­ri­schen.i Ich bekenne ganz offen, daß als ich seinerzeit aus dem Gebiete der preußischen in das der badischen Universitätsverwaltung versetzt wurde, ich das Gefühl hatte, in sauberere Luft zu kommen.

  Als ich von Preußen nach

h  In A(1) folgt: (Professor v. Brentano-München: Stimmt!)   i  In A(2) folgt: (Professor v. Brentano-München: Stimmt!) 6  Vgl. dazu ebd., oben, S.  402, Anm.  13. 7  Vgl. dazu ebd., oben, S.  402, Anm.  14. 8  Vgl. dazu ebd., oben, S.  403, Anm.  15.

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Preußen nach Baden berufen wurde, wurde mir in Baden die ganze Korrespondenz vorgelegt, die Preußen mit dem badischen Ministerium geführt hatte, und ich las dort darin, was von Preußen über mich geschrieben worden war. Der badische Dezernent fragte mich, wie ich denn von einem Kerl, der solche Briefe über mich geschrieben hat, früher einen Ruf hätte annehmen können.9 Wir machen auch die Erfahrung, daß, wenn kleinere Staaten Leute aus Preußen berufen, sicherlich stets in Preußen angefragt wird und das preußische Votum außerordentlich schwer ins Gewicht fällt. Wie würde wohl Althoff gelacht haben, wenn man ihm zugemutet hätte, das preußische Votum beim badischen Ministerium zum Beispiel in irgendeiner Weise in die Wagschale zu legen! Es ist nicht möglich, über alle diese Dinge zu sprechen, ohne an die Persönlichkeit anzuknüpfen, welche das heute bestehende Unterrichtssystem geschaffen hat, an den verstorbenen Ministe­ rialdirektor Geheimrat Althoff.

Baden berufen wurde, wurde mir in Baden die ganze Korrespondenz vorgelegt, die Preußen mit dem badischen Ministerium geführt hatte, und ich las dort darin, was von Preußen über mich geschrieben worden war. Der badische Dezernent fragte mich, wie ich denn von einem Kerl, der solche Briefe über mich geschrieben hat, früher einen Ruf hätte annehmen können. Wir machen auch die Erfahrung, daß, wenn kleinere Staaten Leute aus Preußen berufen, sicherlich stets in Preußen angefragt wird und ­ das preußische Votum außer­ ordent­lich schwer ins Gewicht fällt.

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  Es ist nicht möglich, über alle diese Dinge zu sprechen, ohne an die Persönlichkeit anzuknüpfen, welche das heute bestehende Unterrichtssystem geschaffen hat, an den verstorbenen Ministe­rialdirektor Geh. Rat Althoff. Es ist sehr schwie-

9  Der badische Dezernent, der 1893/94 mit Webers Berufung nach Freiburg befaßt war, war Ludwig Arnsperger. Im offiziellen Protokoll mit dem von Max Weber autorisierten Text wird allerdings vom „preußischen Ministerialdezernenten“ gesprochen. Vgl. dazu ebd., oben, S.  403 mit Anm.  16.

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Es ist sehr schwierig, über diesen Mann zu sprechen. Er hat viele Angriffe erleiden müssen. Er war aber wirklich nicht nur ein guter Mensch, sondern auch ein Mann von weiten Gesichtspunkten. Er konnte von sich in der Tat sagen, daß er weitersehe, als die Herren an den einzelnen Universitäten. Daß das auch heute noch der preußische Kultusminister10 von sich sagen kann, davon braucht man gar nicht zu reden.j Die Universitäten haben Althoff viel zu verdanken, er hat etwas für sie geschaffen, was in gewisser Beziehung ihn unsterblich macht. Aber er war von einem rücksichtslosen Ressortpartikularismus. Er hat einmal gesagt, wenn er zu Miquel gehe, nehme er immer die Pistole mit, denn ­ sonst bekomme er von dem Manne kein Geld.k 11 Er hat die preußischen Universitäten in technischer Beziehung auf ein außerordentlich hohes Niveau gehoben, und ich kann in persönlicher Hinsicht dem Manne gar nichts nachsagen, als daß es einen Nepotismus unter ihm nicht gab. Nur muß hinzugefügt werden, daß er bei allen Maß-

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rig, über diesen Mann zu ­sprechen. Er hat viele Angriffe erleiden müssen. Er war aber wirklich nicht nur ein guter Mensch, sondern auch ein Mann von weiten Gesichts­ punkten. Er konnte von sich in der Tat sagen, daß er weiter sehe als die Herren an den einzelnen Universitäten. Daß das auch heute noch der preußische Kultusminister von sich sagen kann, davon braucht man gar nicht zu reden.l Althoff hatten die Universitäten viel zu verdanken, er hat etwas für sie geschaffen, was in gewisser Beziehung ihn unsterblich macht. Aber er war von einem rücksichtslosen Ressortpartikularismus. Er hat einmal gesagt, wenn er zu Miquel gehe, nehme er immer die Pistole mit, denn sonst bekomme er von dem Manne kein Geld.m Er hat die preußischen Universitäten in technischer Beziehung auf ein außerordentlich hohes Niveau gehoben, und ich kann in persönlicher Hinsicht dem Manne gar nichts nachsagen, als daß es einen Nepotismus unter ihm nicht gab. Nur muß hinzugefügt werden, daß er bei allen Maß-

j  In A(1) folgt: (Heiterkeit.)  k  In A(1) folgt: (Heiterkeit.)  l  In A(2) folgt: (Heiterkeit.)  m  In A(2) folgt: (Heiterkeit.) 10  August v. Trott zu Solz, vgl. dazu ebd., oben, S.  403, Anm.  17. 11  Vgl. dazu ebd., oben, S.  404, Anm.  18.

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nahmen von der Hypothese ausging, daß jeder Mann, mit dem er zu tun hatte, ein Schuft oder ein ganz ordinärer Streber sei. Denken Sie sich nun die Situation eines mittellosen ­ Dozenten, der zum erstenmal ­ in die Lage kommt, mit Althoff zu verhandeln. Da liegt es in der Tat sehr nahe, daß der betreffende junge Mann, wenn er andauernd dieser Einwirkung ausgesetzt ist, wirklich auf die Bahn gedrängt wird, auf der Althoff ihn vermutete. Die rücksichtslose Art, mit der die preußische Unterrichtsverwaltung in dieser Weise vorging, hat bei uns den Zustand hervorgerufen, daß wir nicht mehr die alten Universitätstraditionen hochhalten, sondern, daß wir uns dem amerikanischen Typus genähert haben, aber nicht dem amerikanischen Typus der Universität, sondern dem der Börse. Der Einfluß des Althoffschen Systems hat direkt korrumpierend gewirkt. Man hat gesagt, daß das preußische Abgeordnetenhaus weiter nichts sei als die Patronage für die Söhne der führenden Politiker. Nun, die Regierung muß mit den politischen Parteien rechnen, und sie sucht sich das Entgegenkommen zu verschaffen nicht durch politische Zugeständnisse, sondern durch Vorteile auf persönlichem Gebiet.

nahmen von der Hypothese ausging, daß jeder Mann, mit dem er zu tun hatte, ein Schuft oder ein ganz ordinärer Streber sei. Denken Sie sich nun die Situation eines mittellosen Dozenten, der zum ersten Male in die Lage kommt, mit Althoff zu verhandeln. Da liegt es in der Tat sehr nahe, daß der betreffende junge Mann, wenn er andauernd dieser Einwirkung ausgesetzt ist, wirklich auf die Bahn gedrängt wird, auf der Althoff ihn vermutete. Die rücksichtslose Art, mit der die preußische Unterrichtsverwaltung in dieser Weise vorging, hat bei uns den Zustand hervorgerufen, daß wir nicht mehr die alten Universitätstraditionen hochhalten, sondern, daß wir uns dem amerikanischen Typus genähert haben, aber nicht dem amerikanischen Typus der Universität, sondern dem der Börse. Der Einfluß des Althoffschen Systems hat direkt korrumpierend gewirkt. Man hat gesagt, daß das preußische Abgeordnetenhaus weiter nichts sei als die Patronage für die Söhne der führenden Politiker. Nun, die Regierung muß mit den politischen Parteien rechnen, und sie sucht sich das Entgegenkommen zu verschaffen nicht durch politische Zugeständnisse, sondern durch Vorteile auf persönlichem Gebiet.

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Am meisten haben darunter die Universitäten gelitten. Ich bemerke, daß ich dem Geheimrat Althoff persönlich außerordentlich dankbar bin.12 Die Freude über das persönliche Schicksal wurde mir aber vergällt durch die sichere Beobachtung, daß meine auffällige Protektion im Zusammenhang stand mit dem nationalliberalen Abgeordnetenmandat meines Vaters. Es ist soweit gekommen, daß infolge der taktlosen und dreisten Art, mit der der Dezernent des Kultusministeriums13 auf diese persönlichen Verhältnisse Bezug nahm, mein Vater sein Mandat in der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses niedergelegt hat.14 Ich bin deshalb nicht der einzige, der froh war, nach einem anderen Bundesstaat zu kommen. Sie werden zugeben, daß eine solche Praxis einen korrumpierenden Einfluß ausüben muß. Ich erinnere auch an den Fall, der voriges Jahr an der Berliner Universität soviel Staub aufgewirbelt hat, wo einige Berliner Kollegen vom Ministerium direkt schikaniert und verfolgt worden sind. Ich bedauere, daß Kollegen einen Revers unterschrieben haben. 12  Vgl. dazu ebd., oben, S.  405, Anm.  19. 13  Gemeint ist Friedrich Althoff. 14  Vgl. dazu ebd., oben, S.  405, Anm.  20.

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Am meisten haben darunter die Universitäten gelitten. Ich bemerke, daß ich dem Geheimrat Althoff persönlich außerordentlich dankbar bin. Die Freude über das persönliche Schicksal wurde mir aber vergällt durch die sichere Beobachtung, daß meine auffällige Protektion im Zusammenhang stand mit dem nationalliberalen Abgeordnetenmandat meines Vaters. Es ist so weit gekommen, daß infolge der taktlosen und dreisten Art, mit der der Dezernent des Kultusministeriums auf diese persönlichen Verhältnisse Bezug nahm, mein Vater sein Mandat in der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses niedergelegt hat. Ich bin deshalb nicht der einzige, der ­ froh war, nach einem anderen Bundesstaat zu kommen. Sie werden zugeben, daß eine solche Praxis einen korrumpierenden Einfluß ausüben muß. Ich erinnere auch an den Fall, der voriges Jahr an der Berliner Universität soviel Staub aufgewirbelt hat, wo einige Berliner Kollegen vom Ministerium direkt schikaniert und verfolgt worden sind. Ich bedauere, daß Kollegen einen Revers unterschrieben haben.

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Dieses Reverssystem stammt vom preußischen Ministerium. Auch mir hat man seinerzeit zugemutet, einen Revers zu unterschreiben, in dem mir ein geheimer Lehrauftrag angesonnen wurde. Als ich fragte warum, da sagte man mir, der Lehrauftrag müsse geheim bleiben, weil sonst die Professoren Brunner und Gierken gegen meine Ernennung stimmen würden.15 Es wurde mir also direkt eine Unanständigkeit angesonnen. Nun denken Sie sich einmal, daß ein junger Dozent von einem hohen preußischen Ministerialbeamten besucht wird, und daß diesem jungen Dozenten die gleiche Unanständigkeit zugemutet wird – wird man auf den jungen Mann Steine werfen können, weil er objektiv etwas Unanständiges dann begeht? Ich meine, es könnte jeder froh sein, der mit weißer Weste aus diesem Fuchsbau herauskommt, wie ihn die Unterrichtsverwaltung unter Althoff darstellte. In Amerika hat jede Universität ihren Althoff für sich. Unsere Rektoren tun ja so wenig wie möglich und lassen alles vom Sekretär machen. Auf amerikanischem Boden tut der Präsident alles selbst, auch alle Forn A(1): Giercke  o A(2): Giercke    15  Vgl. dazu ebd., oben, S.  407, Anm.  26.

Dieses Reverssystem stammt vom preußischen Ministerium. Auch mir hat man seinerzeit zugemutet, einen Revers zu unter­ schreiben, in dem mir ein geheimer Lehrauftrag angesonnen wurde. Als ich fragte warum, da sagte man mir, der Lehrauftrag müsse geheim bleiben, weil sonst die Professoren Brunner und Gierkeo gegen meine Ernennung stimmen würden. Es wurde mir also direkt eine Unanständigkeit angesonnen. Nun denken Sie sich einmal, daß ein junger Dozent von einem hohen preußischen Ministerialbeamten besucht wird und daß diesem jungen Dozenten die gleiche Unanständigkeit zugemutet wird, wird man auf den jungen Mann Steine werfen können? Ich meine, es könnte jeder froh sein, der mit weißer Weste aus diesem Fuchsbau herauskommt, wie ihn die Unterrichtsverwaltung unter Althoff darstellte. In Amerika hat jede Universität ihren Althoff für sich. Unsere Rektoren tun ja so wenig wie möglich und lassen alles vom Sekretär machen. Auf amerikanischem Boden tut der Präsident alles selbst, auch alle For-

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malitäten erledigt er selbst. Ich will mich damit begnügen und will heute nicht unterscheiden, welche Methode vom Standpunkt der Wissenschaft vorzuziehen ist: die amerikanische oder die deutsche.p

malitäten erledigt er selbst. Ich will mich damit begnügen und will heute nicht unterscheiden, welche Methode vom Standpunkt der Wissenschaft vorzuziehen ist, die amerikanische oder die deutsche.r

Professor Dr. Krüger-Hannover (Technische Hochschule): Ich will mich nur gegen die Äußerungen des Professor Weber über das preußische Unterrichtsministerium wenden. Diese Behauptungen könnten uns ein wenig verletzen. Der Ausdruck „unsaubere Luft“ erscheint mir wirklich sehr hart. (Widerspruch bei den Münchener Professoren.) Wir tagen in einem anderen Staate und müssen auch Rücksicht gegen diesen üben. (Erneuter Widerspruch bei den Münchener Professoren.) Ich spreche nicht nur für mich, sondern auch für andere Kollegen. Ich weiß ja, daß die Münchener anderer Meinung sind, aber ich muß meine Meinung hier äußern. (Professor Brentano: Wir die unserige auch.) Jedenfalls haben wir unangenehm empfunden, was Pro­ fessor Weber gesagt hat, das spreche ich ruhig aus und das wird Professor Weber mir nicht übel nehmen. (Professor Weber: In keiner Weise;

Prof. Dr. Krüger-Hannover (Technische Hochschule): Ich will mich nur gegen die Äußerungen des Professors Weber über das preußische Unterrichtsministerium wenden. Diese Behauptungen könnten uns ein wenig verletzen. Der Ausdruck „unsaubere Luft“ erscheint mir wirklich sehr hart. (Widerspruch bei den Münchener Professoren.) Wir tagen in einem anderen Staate und müssen Rücksicht gegen diesen üben. (Erneuter Widerspruch bei den Münchener Professoren.) Ich spreche nicht nur für mich, sondern auch für andere Kollegen. Ich weiß ja, daß Sie, Münchener, anderer Meinung sind, aber ich muß meine Meinung hier äußern. (Prof. Brentano: Wir die unserige auch.) Jedenfalls haben wir es unangenehm empfunden, was Professor Weber gesagt hat; das spreche ich ruhig aus, und das wird Prof. Weber mir nicht übel nehmen. (Prof. Weber: In keiner Weise; aber ich

aber ich habe schon Rücksicht genommen.q)

habe schon Rücksicht ge­nom­ men.s)

p In A(1) folgt: (Lebhafter Beifall.)   q In A(1) folgt: (Lebhafter Beifall.)   r In A(2) folgt: – Stürmische Heiterkeit.   s  In A(2) folgt: Stürmische Heiterkeit.

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2. Diskussionsbeitrag

2. Diskussionsbeitrag

Professor Dr. Max Weber-Heidelberg:

Professor Dr. Max Weber-Heidelberg: Es versteht sich von selbst,

Es versteht sich von selbst, und ich kann Professor Krüger16 hoch und heilig versichern, daß ich über die preußische Unterrichtsverwaltung nichts gesagt habe, was ich nicht beweisen kann. Im übrigen ist von seiten der preußischen Unterrichtsverwaltung in letzter Zeit den Hochschullehrern der Fehdehandschuh hingeworfen worden. Da brauchen wir keinerlei Rücksicht zu üben. Was ich gesagt habe, mußte gesagt werden, und ist durchaus gehalten in dem Rahmen unseres Hochschultags. Ich weiß, daß ich damit den Herren aus Preußen unbequem werde, aber das kann mich nicht abhalten, das zu sagen, was ich zu sagen für nötig halte. Ich muß hervorheben, welche Schattenseiten mit dem preußischen System verbunden sind und habe nur gesprochen von Althoff, das gegenwärtige System aber nur gestreift. Ich kann alles mit Briefen belegen, was ich gesagt habe. Und die Affäre meines Vaters hat dieser mir selbst erzählt. Ich habe also nichts erfunden.a Wenn

und ich kann Prof. Krüger hoch und heilig versichern, daß ich über die preußische Unterrichtsverwaltung nichts gesagt habe, was ich nicht beweisen kann. Im übrigen ist von seiten der preußischen Unterrichtsverwaltung in letzter Zeit den Hochschullehrern der Fehdehandschuh hingeworfen worden. Da brauchen wir keinerlei Rücksicht zu üben. Was ich gesagt habe, mußte gesagt werden, und ist durchaus gehalten in dem Rahmen unseres Hochschultags. Ich weiß, daß ich damit den Herren aus Preußen unbequem werde, aber das kann mich nicht abhalten, das zu sagen, was ich zu sagen für nötig halte.

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Ich kann alles mit Briefen belegen. Und die Affäre meines Vaters hat dieser mir selbst erzählt.

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a  In A(1) folgt: (Professor Krüger: Das habe ich nicht sagen wollen.)  16  Max Weber bezieht sich auf den oben, S.  801, abgedruckten Redebeitrag von Herman Anders Krüger.

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Professor Pappenheim17 glaubt, daß ich auf preußischem Boden nicht solches auch gesagt hätte, dann kennt er mich schlecht.b Dann ist auch das erledigt. Ich wiederhole, daß in Sachsen und Baden die Verhältnisse besser liegen als in Preußen.c Ich habe auch nur sagen wollen, daß die Herren, die an der Spitze der preußischen Unterrichtsverwaltung heute stehen, noch nicht hervorragend in der Öffentlichkeit aufgetreten sind. Wie lange ist der Unterrichtsminister18 im Amte und wo kommt der Herr her? Ich sollte mich freuen, wenn der Herr sich emanzipieren sollte von der Tradition und dem wohlwollen-

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Ich wiederhole, daß in Sachsen und Baden die Verhältnisse besser liegen als in Preußen.d

b In A(1) folgt: (Professor Pappenheim: Nein, nein!)   c In A(1) folgt: (Lebhafter Beifall.)  d  In A(2) folgt: (Lebhafter Beifall.) 17  Max Pappenheim hatte in seinem Diskussionsbeitrag Weber mit folgenden Worten kritisiert: „Ich schließe mich dem Protest gegen Weber an. Ich will nichts sagen über die Vorzüge und Schattenseiten des Althoffschen Systems. Aber ich muß sagen, daß ich die heutige Sitzung für gar nicht geeignet halte, ja, daß ich es für mißbilligenswert halte, wenn in dieser einseitigen Art eine mit dem Gegenstand der Tagesordnung nur sehr lose zusammenhängende Sache in dieser Ausführlichkeit behandelt wird, wie Professor Weber es getan hat. Der Hochschullehrertag wird sich mit seinen Ausführungen keine Sympathie in den Kreisen erwerben, in denen er sie zu erwerben wünscht, nämlich bei den Professoren, die noch nicht zu uns gehören. Wenn in den Statuten steht, daß wir die Erziehung an uns selber nicht vergessen dürfen, so hat das der heutige Tag nicht gezeigt. […] Nun, das ist Geschmacksache. Professor Weber meinte in seinem Zwischenruf, er habe noch Milde walten lassen. Ich finde, daß diese an den Haaren herbeigezogene Erörterung auf sächsischem Boden seitens eines badischen Kollegen unter rühmender Hervorhebung der sächsischen und badischen Verhältnisse und unter Verhöhnung der preußischen Verhältnisse, nicht ohne Widerspruch bleiben darf.“ Hier nach dem Bericht, in: Berliner Tageblatt, Nr.  524 vom 14. Okt. 1911, 2. Beibl., S.  3. Vgl. dazu auch Weber, Die von den deutschen abweichenden Einrichtungen an den nordamerikanischen Hochschulen, oben, S.   409 mit Anm.  28. 18  August v. Trott zu Solz.

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den Sultanismus,19 der unter Althoff herrschte, und von seiner Menschenverachtung, die – das können wir ja auch zugeben – nicht allein seine Schuld war.e

e  In A(1) folgt: (Beifall.) 19  Bei Max Weber ist Sultanismus eine Form des arbiträren Patrimonialismus. Vgl. MWG I/22–4, S.  804.

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II e.  Deutsche Gesellschaft für Soziologie

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[Satzung, Geschäftsbericht, Rechner] [Diskussionsbeiträge auf der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 19. und 22. Oktober 1910 in Frankfurt am Main]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Am Rande des Ersten Deutschen Soziologentags, der vom 19. bis zum 22. Oktober 1910 in Frankfurt am Main veranstaltet wurde, fand im Gebäude der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften die zweite ordentliche Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie statt. Anwesend waren 20 Mitglieder. Am ersten Sitzungstag, dem 19. Oktober, kooptierte man weitere Mitglieder, darunter zwei Frauen. Es wurde beschlossen, in Zukunft auch im Ausland lebende Deutsche sowie in deutscher Sprache publizierende Ausländer als ordentliche Mitglieder aufzunehmen. Ein Antrag von Ferdinand Tönnies, für die Gesellschaft einen numerus clausus einzuführen, fand keine Zustimmung. Max Weber wurde beauftragt, am nächsten Tag als provisorischer Ausschußvorsitzender den Geschäftsbericht zu erstatten. Ferner beschloß man Satzungsänderungen sowie eine statistische Sektion einzurichten und damit Geheimrat Eugen Würzburger zu beauftragen. Am zweiten Sitzungstag, dem 22. Oktober, wurden drei weitere ordentliche Mitglieder, darunter Robert Michels, kooptiert. Man diskutierte auch über ein geeignetes Publikationsorgan für die Schriften der Gesellschaft sowie über den Termin des nächsten Soziologentages. Max Weber meldete sich an beiden Tagen zu Wort.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Die beiden Diskussionsbeiträge Max Webers werden wiedergegeben nach dem maschinenschriftlichen „Protokoll der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zu Frankfurt a. M. am 19. Oktober 1910 nachmittags 4 Uhr im Konferenzzimmer der Akademie f[ür] Sozial- u. Handels­wis­sen­

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sch[aften]“ und der „Fortsetzung der vertagten 2. ordentlichen Mitgliederversammlung am Sonnabend den 22. Oktober im Konferenzzimmer der Akademie für Sozial- u. Handelswissenschaften nachmittags 4 Uhr“, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10, Bl. I–III (A). Es handelt sich um ein Beschlußprotokoll, in dem die Beratungsergebnisse festgehalten sind. In dem 10 Punkte umfassenden Text werden die Diskussionsbeiträge Max Webers unter den Punkten 4 und 9 erwähnt. Auch die auf ihn bezogenen Mitteilungen unter den Punkten 5 und 7 werden hier, in kleinerer Schrifttype, wiedergegeben.

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[Satzung, Geschäftsbericht, Rechner] [Mitgliederversammlung am 19. Oktober 1910] 1. 4. Der Satzungsänderungs-Vorschlag1 des Herrn Prof. Max Weber wird mit

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folgenden Änderungen2 angenommen:

Sektionen sollen nur nach Bedürfnis errichtet werden. Die Satzungen derselben sind zwischen dem Vorstand der Gesellschaft und den interessierten Mitgliedern, die die Errichtung der Sektion beantragen[,] festzustellen. 10

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Beschlossen wird zunächst nur die Gründung der statistischen Sektion. Der Vorstand wird beauftragt, mit Herrn Geheimrat Würzburger die weiteren Schritte zur Realisierung in die Wege zu leiten. Von der Errichtung einer biologischen Sektion soll für jetzt abgesehen werden. Als wünschenswert wird erachtet, daß sich die Mitglieder über die Gründung der einzelnen Sektionen verständigen. 5. Der Geschäftsbericht wird von Herrn Prof. Max Weber erstattet.3 7. Zum Rechner der Gesellschaft wird Herr Prof. Max Weber gewählt, der sich bereit erklärt, die Wahl provisorisch anzunehmen. Herr Prof. Max Weber bleibt gleichzeitig Mitglied des Vorstandes.

1  Vgl. Weber, Antrag auf Statutenänderung, oben, S.  188–194. 2 Zu den − im Frankfurter Statut dann doch nicht umgesetzten − Änderungswünschen der Mitglieder vgl. den Editorischen Bericht, ebd., S.  188 f. 3  Vgl. Weber, Geschäftsbericht, oben, S.  256–286.

[A II]

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[Mitgliederversammlung am 22. Oktober 1910] 1. [A III]

9. Herr Prof. Max Weber berichtet über verschiedene Angebote von Verlegern.4 Die Versammlung beauftragt den Vorstand[,] zunächst noch weitere Verleger heranzuziehen, und dann ein geeignetes Abkommen zu treffen.

4  Bereits im Vorfeld des Ersten Deutschen Soziologentages verhandelte Max Weber mit Oskar Siebeck über die Veröffentlichung der Schriften der Gesellschaft. Vgl. dazu die Briefe und Karten Max Webers an Oskar Siebeck vom 11., 14., 16. und 18. Okt. 1910 (MWG II/6, S.  642, 647, 648, 650). Gespräche gab es auch mit den Verlagen Dr. Werner Klinkhardt und Quelle & Meyer in Leipzig. Vgl. dazu den Brief Max Webers an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. Febr. 1911 (MWG II/7, S.  80 f.). In der Vorstandssitzung vom 5. Januar 1911 wurde Max Weber in seiner Funktion als Rechner beauftragt, die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Im Februar 1911 wurde dann ein Vertrag mit dem Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) über die Publikation der Tagungsprotokolle des Ersten Deutschen Soziologentages geschlossen, vgl. den Brief an Oskar Siebeck vom 20. Febr. 1911, MWG II/7, S.  108 f. Der Band erschien im Juni 1911, vgl. Verhandlungen DGS 1910.

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[Einrichtung einer Sektion für Gesellschaftsbiologie] [Diskussionsbeitrag auf der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 21. Oktober 1910 in Frankfurt am Main]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Im September 1910 schlug Werner Sombart vor, in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie neben der Statistischen Sektion1 sechs weitere Sektionen, darunter eine anthropologisch-biologische, einzurichten.2 Alfred Ploetz, der im Herbst 1909 auf Drängen Max Webers3 in den Vorstand der Gesellschaft berufen worden war und auf dem Ersten Deutschen Soziologentag (Oktober 1910) über den „Begriff der ‚Rasse‘ oder ein ähnliches Thema“ sprechen sollte,4 stellte sich gegen eine solche Sektion, da er darin eine Konkurrenz für die von ihm 1904 gegründete Gesellschaft für Rassenhygiene sah. Ploetz wollte deshalb aus dem Vorstand austreten und von der Rednerliste des Soziologentages gestrichen werden.5 Auf Drängen Max Webers und Hermann Becks verblieb er aber im Vorstand6 und hielt auf dem Soziologentag am 21. Oktober 1910 vormittags einen Vortrag zum Thema „Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und einige damit zusammenhängende Probleme“.7 Am Abend sollte auf einer Vorstandssitzung „diese ‚Konkurrenz‘-Frage im 1 Zur Gründung der Statistischen Sektion vgl. Weber, Vorläufiger Entwurf, oben, S.  229–234. 2  Schreiben von Werner Sombart an Hermann Beck vom 16. Sept. 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.2.10. 3  Am 27. Oktober 1909 schrieb Ferdinand Tönnies an Hermann Beck: „Ich schlage ihn [Ploetz] vor gemäß einem wiederholten Wunsche M. Webers, dessen Gründe dafür ich anerkenne (Vertretung der ‚naturwissenschaftlichen‘ Soziologie)“, ebd., Cb 54.61:1.1.54. 4  Vgl. den Brief Max Webers an Hermann Beck vom 8. Febr. 1910, MWG II/6, S.  397– 399, hier S.  398. 5  Vgl. den Brief von Alfred Ploetz an Hermann Beck vom 26. Sept. 1910, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.44. 6  Vgl. den Brief von Alfred Ploetz an Hermann Beck vom 1. Okt. 1910, ebd. 7  Ploetz, Alfred, Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und einige damit zusammenhängende Probleme, in: Verhandlungen DGS 1910, S.  111–136, sowie Max Webers Diskussionsbeiträge dazu, ebd., S.  151–157, 159–165 und 215 (MWG I/12).

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Einrichtung einer Sektion für Gesellschaftsbiologie

Einvernehmen“ mit Ploetz endgültig gelöst werden.8 Anwesend waren alle Vorstandsmitglieder, d. h. Hermann Beck, Alfred Ploetz, Georg Simmel, Werner Sombart, Ferdinand Tönnies, Alfred Vierkandt und Max Weber. Im Protokoll sind lediglich die Beiträge von Max Weber und Alfred Ploetz vermerkt. Es wurde auch über Einzelheiten des abzuschließenden Verlagsvertrags für die Drucklegung der Verhandlungen gesprochen.

Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem maschinenschriftlichen „Protokoll der Vorstandssitzung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zu Frankfurt a. M., am Freitag den 21. Oktober abends 7 Uhr im Konferenzzimmer der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften.“, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10, Bl. [1] (A). Das zweiseitige Protokoll ist nicht paginiert, die Seitenzahl wird vom Editor als A (1) hinzugefügt.

8  Vgl. den Brief Max Webers an Hermann Beck vom 4. Okt. 1910, MWG II/6, S.  634 f., hier S.  635.

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[Einrichtung einer Sektion für Gesellschaftsbiologie]

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Herr Prof. Max Weber richtet an Herrn Dr. Ploetz nochmals die Frage, wie er sich zur Errichtung einer gesellschaftsbiologischena Sektion stelle. Der Konkurrenzgesichtspunkt komme doch eigentlich garnicht in Frage, da diese Sektion nur den soziologischen Teil der biologisch-anthropologischen Fragen behandeln solle, sodaß eher von einer Ergänzung der Gesellschaft für Rassen-Hygiene gesprochen werden könne.1

a A: gesellschaftbiologischen 1  Ploetz erwiderte, er habe gegen eine solche Sektion nichts einzuwenden, wenn sich die neue Sektion auf rein gesellschafts-biologische Probleme beschränke. Das sei in dem Antrag von Sombart nicht zu erkennen gewesen, sei dort doch von einer biologisch-anthropologischen Sektion die Rede.

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[Änderung des Statuts] [Diskussionsbeiträge der Mitgliederversammlung der ­Deutschen ­Gesellschaft für Soziologie am 6. März 1911 in Heidelberg]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die dritte Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie wurde für den 6. März 1911 nach Heidelberg einberufen. Wichtigster Tagesordnungspunkt war die Wahl eines Ausschusses für die Presseenquete. Man wählte Eberhard Gothein, Hermann Beck und Max Weber in den Ausschuß mit der Maßgabe, Fachleute hinzuzunehmen. Außerdem ging es um eine „Regelung der finanziellen Beziehungen“ mit der neu gegründeten Statistischen Sektion.1 Neben der Aufnahme von (14) neuen Mitgliedern in die Gesellschaft stand noch einmal das in Frankfurt beschlossene Statut der Gesellschaft zur Debatte, das, nach den Vorschlägen Max Webers, das Leipziger Statut abgelöst hatte. Vor der Drucklegung machte Weber erneut Vorschläge zur Änderung, diesmal vornehmlich redaktioneller Art.2 Außerdem regte er an, die Arbeit des Vorstandes dadurch zu erleichtern, daß man in bestimmten Fällen auch schriftliche Abstimmungen zuließ.

Zur Überlieferung und Edition Der Abdruck der Max Weber betreffenden Bestandteile folgt dem maschinenschriftlichen „Protokoll der Mitgliederversammlung in Heidelberg (Hotel Viktoria) am 6. März 1911, Nachmittag 4 Uhr.“, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10, Bl. 2. (A). Das Protokoll wurde von Max Weber in seiner Funktion als Rechner beglaubigt. Der Kontext von Max Webers Formulierungen wird in kleinerer Schrifttype wiedergegeben.

1  Vgl. Weber, Vorläufiger Entwurf, oben, S.  229–234. 2  Das Statut ist abgedruckt in: Verhandlungen DGS 1910, S. V-X; vgl. auch den Abdruck als Frankfurter Statut in Anhang II, unten, S.  864–868.

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[Änderungen des Statuts] 1.

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Auf Antrag von Prof. Max Weber wurde beschlossen (einstimmig), den Vor- [A 2] stand zu ermächtigen, beim Neudruck der Statuten redaktionell folgende Änderungen vorzunehmen, falls er sie zweckmäßig findet. Statt: „Mitgliederver-

sammlung“ überall „Hauptausschuß“ bezw. „Versammlung des Hauptausschusses“, statt „ordentliche Mitglieder“ überall „Mitglieder des Hauptausschusses“, statt „unterstützende Mitglieder“ überall „Mitglieder“ zu setzen.1 10

2. Auf Antrag von Prof. Max Weber wurde auf Grund der ausdrücklichen Ermächtigung durch die Statuten folgende Geschäftsordnungsmäßige Anordnung zur Regelung der Abstimmungsart beschlossen (einstimmig): „Schriftli-

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che Abstimmungen sind in allen Fällen, außer für die Wahl der Vorsitzenden, zulässig und auch für diese letztere dann, wenn etwa einmal alle Vorsitzenden in Fortfall gekommen sein sollten, zur Bestimmung eines provisorischen Vorsitzenden bis zur nächsten Mitgliederversammlung.“

1 Die Vorschläge wurden beim Abdruck des Statuts in: Verhandlungen DGS 1910 berücksichtigt, vgl. §§  7 ff. des Frankfurter Statuts, unten, S.  865–868.

Anhang I Mitunterzeichnete Aufrufe

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Einladung zur Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie [November 1908]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Georg Simmel, der neben Rudolf Goldscheid und Hermann Beck zu den Initiatoren der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) gehörte, schrieb am 5. November 1908 an Georg Jellinek: „Aus der Anlage ersehen Sie, daß die Gründung einer deutschen Gesellschaft für Soziologie in Vorbereitung begriffen ist.“ Angesichts „des momentanen Stadiums“ seien aber noch „keine Namen der Mitwirkenden“ genannt.1 Er wolle aber auch zugleich an Max Weber schreiben und ihn für den Plan gewinnen. Simmel war damit erfolgreich, denn nur einen Monat später, am 9. Dezember 1908, sandte er an Gustav Schmoller eine „Einladung zur Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie“, unter der sich auch der Name Max Webers befand.2

1  Vgl. den Brief von Georg Simmel an Georg Jellinek vom 5. Nov. 1908, in: Georg Simmel Gesamtausgabe, Band 22, hg. von Klaus Christian Köhnke. – Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005, S.  669 f. Der angekündigte Brief an Max Weber ist nicht überliefert. Es ist anzunehmen, daß es sich bei der „Anlage“ um das gedruckte und nachfolgend edierte Einladungsschreiben, unten, S.  821–823, handelt, bei dem die Namen der Mitwirkenden maschinenschriftlich hinzugefügt sind. 2  In dem der Einladung beiliegenden Brief schrieb Simmel an Schmoller: „Ich möchte die Bitte der im Werden begriffenen Gesellschaft für Soziologie: zu den bereits gewonnenen Unterzeichnern des beiliegenden Aufrufs Ihren Namen setzen zu dürfen – noch ganz persönlich unterstützen. Man ist mit dieser Bitte bisher nicht an Sie herangetreten, weil Ihnen erst durch diese andern Namen erwiesen werden sollte, daß es sich um eine ernst zu nehmende u. ernst genommene Angelegenheit handelt. Daß das Arbeitsgebiet, das die Gesellschaft sich vorsetzt, Ihr Interesse nicht habe, ist ausgeschlossen. Es handelt sich um jenen weitesten Zusammenhang der gesellschaftlichen Phänomene, den Sie selbst stets als den Mutterboden Ihrer eignen Arbeitsfrüchte empfunden haben. Ich meine, es ist Zeit, eben den speziellen gesellschaftswissenschaftlichen Arbeiten ein Zentrum für die Behandlung der allgemeinsten Probleme zu schaffen, in einem Sinne von Allgemeinheit, dem auch ich meine besondre Problemstellung der ‚Soziologie‘ gern unter- u. einordne. Ich denke, Sie werden dem Unternehmen Ihren Anteil um so weniger versagen, als Sie ja auch dem französischen Unternehmen des Institut International de Sociologie Ihren Beitritt gegönnt haben.“ Vgl. ebd., S.  671 f.

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Einladung zur Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie

Der im folgenden edierte Aufruf ist das früheste Zeugnis von Max Webers Engagement für die DGS. Außer Max Weber unterzeichneten ihn Paul Barth, Hermann Beck, Ladislaus v. Bortkiewicz, Kurt Breysig, Hermann Cohen, Karl Diehl, Franz Eulenburg, Heinrich Herkner, Ignaz Jastrow, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Theodor Lipps, Franz v. Liszt, Albert Moll, Paul Natorp, Franz Oppenheimer, Wilhelm Ostwald, Georg Simmel, Werner Sombart, Rudolf Stammler, Karl v. d. Steinen, Ferdinand Tönnies, Ernst Troeltsch, Alfred Vierkandt und Alfred Weber. Im Anhang zur Einladung befindet sich eine „Zusammenstellung soziologischer Probleme“, die in acht Bereiche untergliedert ist, vom „Begriff der Gesellschaft“ über „Formen der gesellschaftlichen Ethik“ bis hin zur „Soziologie des sexuellen Lebens“.3

Zur Überlieferung und Edition Der Abdruck folgt dem zweiseitigen, gedruckten Schreiben, wie es im GStA PK, VI. HA, Nl. Gustav Schmoller, Nr.  200b, Bl. 153 (A), überliefert ist. Das Blatt ist doppelseitig bedruckt. Die Archivpaginierung zählt nur die Vorderseite, sie wird vom Editor als A 153r, die Rückseite als A (153v) sigliert. Unter dem Einladungstext befinden sich in Maschinenschrift die Namen der Unterzeichner. Das Einladungsschreiben weist vier handschriftliche Korrekturen unbekannter Herkunft auf. Diese werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Die Fußnotenzählung ist auf arabische Ziffern umgestellt. Die dem Einladungsschreiben beigefügten Anhänge werden nicht abgedruckt, allerdings wird die Aufstellung der Arbeitsgebiete der Gesellschaft im Anhang zum Editorischen Bericht zur Beitrittseinladung 1909 berücksichtigt.4

3  Vgl. GStA PK, VI. HA, Nl. Gustav Schmoller, Nr.  200b, Bl. 154. Der Anhang wird hier nicht abgedruckt. 4  Vgl. unten, S.  826 f.

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Die Unterzeichneten gestatten sich hiermit die Anfrage, ob Sie geneigt wären, an der Begründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie mitzuwirken. Diese Gesellschaft will sich die Aufgabe setzen, in allen dafür geeigneten Kreisen das Interesse für Soziologie zu wecken, innerhalb der verschiedenen Wissenschaften die Bedeutung der soziologischen Fragestellungen zum Bewußtsein zu bringen, und eine Zentralstelle für soziologische Forschung zu schaffen. Fast alle großen Kulturstaaten haben neben soziologischen Spezialzeitschriften ihre Soziologischen Gesellschaften und Vereine.1 Was aber in Deutschland gerade vielen der gediegensten Gelehrten den Gedanken einer solchen Organisation fernrückt, ist die Vieldeutigkeit des Begriffes der Soziologie und der unleugbare Dilettantismus, der sich vielfach mit ihrer Flagge deckt. Aber all diese prinzipielle Skepsis hat nicht verhindert, daß die Problemgruppen, deren Gesamterforschung jene ausländischen soziologischen Vereinigungen gewidmet sind, im einzelnen auch bei uns Gegenstand ernster wissenschaftlicher Arbeit in den verschiedenst benannten Vereinen und Zeitschriften sinda. In Wirklichkeit wird der überwiegende Teil aller Untersuchungen, die den Namen der Soziologie verdienen, auch bei uns durchgeführtb, – wenngleich in so verschiedenen Wissenschaften wie Nationalökonomie und Ethik, Ethnologie und Jurisprudenz, Kulturgeschichte und Psychologie. Mögen sie sich auch weiterhin in diesen gesonderten Böden entwickeln, – sie fordern außerdem, unter dem Gesichtspunkt zusammengebracht zu werden, daß sie alle das gesellschaftliche Leben als solches zu erforschen bestimmt sind. Im a A: ist ; Korrektur zu sind von dritter Hand.   b A: geführt 1  Zur Etablierung der Soziologie im angelsächsischen und romanischen Raum vgl. Weber, Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, oben, S.  198, Anm.  1. In Ungarn wurde 1901 die Társadalomtudományi Társaság (Soziologische Sozietät) und 1907 der Magyar Társadalomtudományi Egyesület (Ungarischer Soziologischer Verein) gegründet. Eine Soziologische Gesellschaft gab es seit 1907 in Wien und seit 1908 in Graz. Vgl. Neef, Katharina, Die Entstehung der Soziologie aus der Sozialreform. – Frankfurt a. M.: Campus 2012, S.  159.

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Anhange sind eine Reihe von Problemen zusammengestellt, deren Bedeutsamkeit ebenso unbestritten ist, wie ihr Recht, eine Synthese zu bilden; denn, bei aller Heterogenität ihrer Sachgehalte und Lösungsmethoden gehen sie in dem einen Endziel zusammen: das eigenartige Gebilde, das wir Gesellschaft nennen, in seinem Wesen, seinen Formen, seinen Entwicklungen, zu erkennen.1) Und dies muß, über alle bloße Konglomerierung hinaus, neue Fruchtbarkeiten ergeben: einmal das Hervortreten des GesellschaftlichAllgemeinen, in dem alle Sondererscheinungen wurzeln, der Prinzipienfragen sachlicher und philosophischer, psychologischer und methodischer Art; ferner jene neuen Probleme, die sich immer nur da erheben, wo bisher gesondert bestehende Kategorien zur Be­rührungc, zur Ausgleichung ihrer Fremdheiten und scheinbaren Widersprüche gelangen, – wie denn die Grenzgebiete zwischen den bisherigen Wissenschaften überhaupt der Ort so vieler Erkenntnisgewinne gerade der modernen Zeit geworden sind; endlich werden   die soziologischen Problemstellungen, hinreichend akzentuiert, den Gelehrten des Sonderfaches nötigen, die Gesamtheit der Grundfaktoren zu berücksichtigen, die das gesellschaftliche Sein und Werden bestimmen; und damit der spezialistischen Vereinseitigung entgegenwirken. Die einzelnen Forscher, der Historiker wie der Nationalökonom, der Kunstforscher wie der Jurist, brauchen keine Soziologen zu sein, aber ihre Arbeit wird sich vertiefen, wenn sie sich an der Soziologie orientiert. Mag deshalb über die Frage, was eigentlich Soziologie sei, der Streit weiterbestehen, der als Titelfrage gleichgültig ist, als Frage der Grenzabsteckung die Unzweideutigkeitd nicht tangiert; daß jene, unter ihrer Formel zu vereinigenden Probleme eine Sammelstätte verdienen, scheint nicht länger bestreitbar. Es wäre eine Engherzigkeit, um der Oberflächlichkeiten und wissenschaftlichen Kinderkrankheiten willen, die sich an den Namen der Soziologie

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1)  Aus diesen programmatischen Vorschlägen geht hervor, daß die geplante Gesellschaft jedem Wettbewerb mit den bestehenden volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Vereinigungen2 absolut fernsteht. 

c A: Beruhigung ; Korrektur zu Berührung von dritter Hand.   d  In A folgt der handschriftliche Zusatz dritter Hand: des Kernes 2  Gemeint sind u. a. der Verein für Socialpolitik (gegründet 1873), das Institut für Gemeinwohl (1890) sowie die Gesellschaft für Soziale Reform (1901).

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knüpfen, die praktische Nützlichkeite zu verkennen, die jetzt schon eine derartige Organisation, unter der Voraussetzung vollkommener wissenschaftlicher Gediegenheit, der Vertiefung, Erweiterung und Befruchtung der Einzelarbeit leisten kann. Im einzelnen denken wir uns die Organisation in der Weise, daß in den einzelnen großen Städten selbständige Sektionen sich bilden, die Vorträge veranstalten und Untersuchungen anregen, und daß alle diese Sektionen in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine einheitliche Leitung erhalten.3 Die Beratung der Statuten, wie die nähere Ausgestaltung des ganzen Unternehmens, soll in einer demnächst einzuberufenden Vorbesprechung erfolgen. Wir bitten Sie nun, uns mitzuteilen, ob Sie geneigt wären, an unseren Abenden mitzuwirken oder überhaupt unsere Bestrebungen, evt. nur durch Ihren Beitritt zu der in der Form des eingetragenen Vereins zu gründenden Gesellschaft zu unterstützen.

e  In A folgt der handschriftliche Zusatz dritter Hand: der Dienste 3  Im Berliner Statut vom Januar 1909 ist von „Ortsgruppen“ (§  14) die Rede, aber erst im Frankfurter Statut vom Oktober 1910 wurde die Möglichkeit der Gründung von Sonder-Ausschüssen bzw. Abteilungen verankert (§§   24–29). Vgl. unten, Anhang II, S.  859, 867.

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Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Einladung zum Beitritt [April 1909]

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die Gründungsversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 3. Januar 1909, auf der man Vorstand und Ausschuß gebildet hatte, war nur spärlich besucht und wurde in der Öffentlichkeit kaum beachtet.1 Daraufhin beschloß der Vorstand, mit einer „Eröffnungsversammlung“ im Berliner Hotel Esplanade am 7. März 1909 an die Öffentlichkeit zu treten. In der Zwischenzeit sollten neue Mitglieder gewonnen werden. Dazu verschickte der Geschäftsführer Hermann Beck eine aktualisierte Fassung der Ende 1908 versandten „Einladung zur Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Soziologie“.2 Diese neue Einladung wurde an ca. 200 Fachzeitschriften und 100 Tageszeitungen versandt.3 Nach der „Eröffnungsversammlung“ vom 7. März 1909 führte Beck die Werbekampagne fort und ließ den Einladungstext im April 1909 in der von ihm mitherausgegebenen sozialwissenschaftlichen Zeitschrift „Dokumente des Fortschritts“ abdrucken. Dem Einladungstext fügte er aktuelle Informationen u. a. über den für das Frühjahr 1910 anberaumten Soziologentag und die Bildung eines Berliner Ortsausschusses sowie Programm und Satzung der DGS hinzu.4 Außer Max Weber und den Unterzeichnern des Gründungsaufrufes5 finden sich nun unter den insge1  Vgl. das Rundschreiben von Hermann Beck an die Herren Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 9. Februar 1909, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. 2  Vgl. Weber, Einladung zum Beitritt 1908, oben, S.  819–823. 3  Vgl. die Rundschreiben von Hermann Beck an die Herren Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 15. und 28. Febr. 1909, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. 4  Vgl. das Rundschreiben von Hermann Beck an die Herren Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. April 1909, ebd. In diesem Schreiben erwähnt er, daß „unsere bisherige Druckschrift in der in der Anlage angedeuteten Weise“ modifiziert werden müsse. „Organisations-Ausschuß“ solle in Vorstand und Ausschuß geändert werden. Ein Exemplar der veränderten Druckschrift ist im GStA PK, VI.HA, Nl. Werner Sombart, Nr.  18b, Bl. 1–4, überliefert. 5 Zu den Namen vgl. den Editorischen Bericht zur Einladung zur Gründung 1908, oben, S.  820.

Editorischer Bericht

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samt 79 Unterzeichnern folgende Namen: Walter Abelsdorff, Paul Arndt, Felix Auerbach, Ludwig Bernhard, Ernst Bernheim, Eduard Bernstein, Wilhelm Böhmert, Karl Bücher Richard Calwer, Eduard David, Richard Ehrenberg, Carl Flügge, Elisabeth Gnauck-Kühne, Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld, Alfred Grotjahn, Bernhard Harms, Wilhelm Hasbach, Willy Hellpach, Edgar Jaffé, Otto Kammerer, Hermann Kantorowicz, Christian Jasper Klumcker, Friedrich Kriegel, Paul Laband, Wilhelm Lexis, Konrad Matschoss, Georg v. Mayr, Friedrich Meinecke, Richard M. Meyer, Anastasius Nordenholz, Karl Oldenberg, Alfred Ploetz, Ludwig Pohle, Friedrich Prinzing, Robert Schachner, Wilhelm Schallmayer, Conrad Schmidt, Helene Simon, Ludwig Sinzheimer, Robert Sommer, Franz Staudinger, Philipp Stein, Louis Wilhelm Stern, Helene Stöcker, Andreas Voigt, Karl Vorländer, Heinrich Waentig, Marianne Weber, Robert Wilbrandt, Leopold v. Wiese, Julius Wolf, Robert Wuttke.

Zur Überlieferung und Edition Der Abdruck folgt der „Einladung zum Beitritt“, wie sie in der Zeitschrift „Dokumente des Fortschritts“, Internationale Revue, hg. von Rodolphe Broda in Verbindung mit Hermann Beck, 2. Jg., 4. Heft, April 1909, S.  344 f. (A) erschienen ist. Der von Beck zusammengestellte Anhang (S.   346–350) umfaßt eine erweiterte Liste „soziologischer Probleme“, die Satzung der Gesellschaft, eine Auflistung der am 7. März gewählten Vorstands- und Ausschußmitglieder sowie eine Mitteilung über die künftigen Soziologentage. Auf einen Abdruck der Anhänge wird verzichtet, allerdings wird die Aufstellung der Arbeitsgebiete der Gesellschaft im Anhang zu diesem Editorischen Bericht abgedruckt.

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Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Einladung zum Beitritt

Anhang zum Editorischen Bericht Zusammenstellung soziologischer Probleme Die Aufstellung findet sich im Anhang zum unten abgedruckten Einladungsschreiben (Dokumente des Fortschritts, Internationale Revue, 2. Jg., 4. Heft, April 1909, S.  346 f.). Kursiv hervorgehoben werden die neu eingefügten Themen und in 〈 〉 gestellt die gestrichenen Themen im Vergleich zu der Fassung von 1908 (vgl. dazu oben, S.  820). Begriff der Gesellschaft. – Verhältnis der Soziologie zu anderen Disziplinen. – Soziologie und Geschichtsphilosophie. – Statistik und Soziologie. – Naturwissenschaftliche Begründung der Soziologie. – Die nationale Differenzierung der soziologischen Forschungsmethoden. – Die Methoden der Sozialwissenschaften (Volkswirtschaft, Statistik, Geschichte der Gesellschaft, systematische Politik, Ethnologie) im einzelnen und in ihren Zusammenhängen. – Die Erkenntnistheorie der Sozialwissenschaften. – Die erkenntnistheoretischen und metaphysischen Voraussetzungen der einzelnen sozialen Begriffe. – Soziale Kausalität und soziale Teleologie. – Individualismus und Sozialismus. – Formen der Gesellschaft. – Gesellschaft und Gemeinschaft. – Die Sozialwissenschaften als Tatsachenwissenschaften und als Normwissenschaften. – Arbeitsteilungen und Kooperationen in der Wissenschaft. – Die gesellschaftlichen Vorbedingungen der wissenschaftlichen Produktion. – 〈Die lokale Verbreitung der gesellschaftlichen Kräfte und Gebilde.〉 Das Problem der historischen und soziologischen Gesetze. – Die materialistische Geschichtsauffassung. – Die heroistische und die kollektivistische Auffassung der Geschichte. – Ursprung der Gesellschaft. – Geschichte der Sitten. Das Wertproblem. – Formen der gesellschaftlichen Ethik. – Zwang und Freiheit. – Gleichheit und Autorität. Die epidemischen und endemischen Krankheiten geistiger und moralischer Art. – Das Wesen der öffentlichen Meinung. – Die Presse. – Die Sprache in ihrer gesellschaftsbildenden Kraft. – Die gesellschaftlichen Voraussetzungen der Kunst. – Die Bedeutung der Kunst für die Erziehung und für das Volksleben überhaupt (bes. etwa des Theaters). – So­zial­ pädagogik. – Gesellschaftliche Bedeutung der Erziehungsformen. – Die Religion in ihrer Bedeutung für Politik, Wirtschaft, Parteibildung. – Die gesellschaftlichen Formen in der Kirchenbildung. – Urgeschichte der Institutionen (Eigentum, Verwaltungsorgane, Erblichkeit des Besitzes). – Sitte und Mode. – Die Verkehrsformen. – Die soziale Bedeutung der Geselligkeit. – Berufspsychologie. – Soziologie und Psychologie. Soziologie und Anthropologie. – Soziale Differenzierung. – Der Begriff des Entwicklungsgesetzes. – Die Voraussetzungen der sozialen Höherentwicklung. – Höherentwicklung und Dekadenz. – Fortschritt und Rückschritt. – Darwinismus und Sozialwissenschaft. – Natur- und Kulturvölker. – Anpassung und Milieu. – Die soziologische Bedeutung der Entscheidung des Vererbungspro-

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blems. – 〈Evolutionistische Bedeutung des Kampfprinzips. –〉 Der Klassenkampf als Entwicklungsfaktor. – Sozialhygiene und Sozialauslese. – Kampf und Konkurrenz in ihrer Bedeutung für die Gattung, die Gruppe, das Individuum, die objektive Kultur. – Das aristokratische Prinzip. – Die Rolle der Technik in der Entwicklung und dem Leben der Klassen. – Bildung von Kasten, Ständen, Klassen. – Die freiwilligen und die Zwangsinnungen. – Die Nachahmung. – Das Tempo der sozialen Variation in verschiedenen Geschichtsepochen. – Soziale und individuelle Variabilität. – Die Volksernährung in ihrer Beziehung zur psychischen Leistungsfähigkeit, zur Moral, zur Intellektualität. – Die Frauenfrage als Entwicklungsproblem. – Tiergesellschaften. Naturgesetze und Wirtschaftsgesetze. – Das Problem der Organisation. – Die Arbeitsteilung. – Die Bedeutung der Verkehrsmittel für den Zusammenhalt und die Formung der Gesellschaft. – Die örtliche Verteilung der Bildungsstufen, der Industrien, der politischen Parteien. Gesellschaft und Staat. – Das Recht als Ursache, als Folge, als Ausdruck gesellschaftlicher Zustände und Entwicklungen. – Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht. – Das Naturrecht. – Das allgemeine Staatsrecht. – Die Konvention. – Soziologie der Verwaltung. – Soziologie des Verbrechens und der Abnormitäten überhaupt. – Die Konvention. – Der Militarismus. – Der Bureaukratismus. – Der Parlamentarismus. – Verhältnis der Nationalität zu sozialen Fragen. – Das Problem des Internationalismus. Die Rassenfrage. – Rassenkampf und Entwicklung. – Rassenkampf und Klassenkampf. Soziologie des sexuellen Lebens. – Qualitative und quantitative Bevölkerungspolitik. – Das Auswandererproblem. – Die Gesetze der Innenwanderung. – Die Prostitution in den verschiedenen Gesellschaftsformen. – Die Formen der Ehe. – Das Problem der Unehelichen. – Die Familie.

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Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie.a Einladung zum Beitrittb Die Unterzeichneten gestatten sich hiermit die Anfrage, ob Sie geneigt wären, der am 3. Januar in Berlin begründeten Deutschen Gesellschaft für Soziologie beizutreten. Die Gesellschaft will sich die Aufgabe setzen, in allen dafür geeigneten Kreisen das Interesse für Soziologie zu wecken, auf ihre stärkere Berücksichtigung im akademischen Lehrbetrieb der verschiedenen Wissenschaften hinzuwirken,1 die Bedeutung der soziologischen Fragestellungen zum Bewußtsein zu bringen, eine Zentralstelle für soziologische Forschung zu schaffen und als ferneres Ziel auch die Errichtung eines soziologischen Institutes anzustreben. Fast alle großen Kulturstaaten haben neben soziologischen Spezialzeitschriften ihre Soziologischen Gesellschaften und Vereine.2 Was aber in Deutschland gerade vielen der gediegensten Gelehrten den Gedanken einer solchen Organisation fernrückt, ist die Vieldeutigkeit des Begriffes der Soziologie und der unleugbare Dilettantismus, der sich vielfach mit ihrer Flagge deckt. Aber all diese prinzipielle Skepsis hat nicht verhindert, daß die Problemgruppen, deren Gesamterforschung jene ausländischen soziologischen Vereinigungen gewidmet sind, im einzelnen auch bei uns Gegenstand ernster wissenschaftlicher Arbeit in den verschiedenst benannten Vereinen und Zeitschriften sind. In Wirklichkeit wird der überwiegende Teil aller Untersuchungen, die den Namen der Soziologie verdienen, auch bei uns durchgeführtc, wenngleich in so verschiedenen Wissenschaften wie Nationalökoa  In A folgt die redaktionelle Vorbemerkung: Nachdem fast alle größeren Kulturstaaten teilweise seit vielen Jahren ihre soziologische Gesellschaft besitzen, ist nun auch in Deutschland eine solche entstanden. Ein Organisationsausschuß versendet folgende   b A: Beitritt:  c A: geführt 1 Gegen diese Formulierung erhob Georg Simmel Einspruch, aus Furcht vor dem Eindruck, die Unterzeichner wollten damit eigene Ansprüche auf Soziologielehrstühle erheben. Vgl. das Rundschreiben von Hermann Beck an die Herren Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 9. Febr. 1909, SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Toennies, Cb 54.61:1.1.05. 2  Vgl. Weber, Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, oben, S.  198, Anm.  1, sowie ders., Einladung zur Gründung 1908, oben, S.  821, Anm.  1.

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nomie und Ethik, Ethnologie und Jurisprudenz, Kulturgeschichte und Psychologie. Mögen sie sich auch weiterhin in diesen gesonderten Böden entwickeln, – sie fordern außerdem, unter dem Gesichtspunkt zusammengebracht zu werden, daß sie alle das gesellschaftliche Leben als solches zu erforschen bestimmt sind. Im Anhang sind eine Reihe von Problemen zusammengestellt, deren Bedeutsamkeit ebenso unbestritten ist, wie ihr Recht, eine Synthese zu bilden; denn bei aller Heterogenität ihrer Sachgehalte und Lösungsmethoden gehen sie in dem einen Endziel zusammen: das eigenartige Gebilde, das wir Gesellschaft nennen, in seinem Wesen, seinen Formen, seinen Entwicklungen zu erkennen.1) Und dies muß, über alle bloße Konglomerierung hinaus, neue Fruchtbarkeiten ergeben: einmal das Hervortreten des Gesellschaftlich-Allgemeinen, in dem alle Sondererscheinungen wurzeln, der sozialwissenschaftlichen Prinzipienfragen sachlicher und philosophischer, psychologischer und methodischer Art; ferner jene neuen Probleme, die sich immer da erheben, wo bisher gesondert bestehende Kategorien zur Berührung, zur Auffindung gemeinsamer Grundlagen oder Ziele gelangen, – wie denn die Grenzgebiete zwischen den bisherigen Wissenschaften überhaupt der Ort so vieler Erkenntnisgewinne gerade der modernen Zeit geworden sind. Endlich werden die soziologischen Problemstellungen, hinreichend betont, den Gelehrten des Sonderfaches nötigen, die Gesamtheit der Grundfaktoren  zu berücksichtigen, die das gesellschaftliche Sein und Werden bestimmen, und damit der spezialistischen Vereinseitigung entgegenwirken. Die einzelnen Forscher, der Historiker wie der Nationalökonom, der Kunstforscher wie der Jurist, brauchen keine Soziologen zu sein, aber wenn ihre Arbeit sich an der Soziologie orientiert, wird sie eine breitere Basis und neue Momente zur Deutung der Phänomene gewinnen. Mag deshalb über die Frage, was eigentlich Soziologie sei, der Streit weiterbestehen, der als Titelfrage gleichgültig ist, als Frage der Grenzabsteckung die Unzweideutigkeit des Kernes bestehen läßt; daß jene, unter ihrer Formel zu vereinigenden Probleme eine 3

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1)  Aus diesen programmatischen Vorschlägen geht hervor, daß die geplante Gesell- A 344 schaft keinen Wettbewerb mit den bestehenden volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Vereinigungen3 im Auge hat. 

3  Vgl. ebd., S.  822, Anm.  2.

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Sammelstätte verdienen, scheint nicht länger bestreitbar. Es wäre eine Engherzigkeit, um der Oberflächlichkeiten und wissenschaftlichen Kinderkrankheiten willen, die sich an den Namen der So­ziologie knüpfen, die praktische Nützlichkeit der Dienste zu verkennen, die jetzt schon eine derartige Organisation, unter der Voraussetzung vollkommener wissenschaftlicher Gediegenheit, der Vertiefung, Erweiterung und Befruchtung der Einzelarbeit leisten kann. Die Organisation ist in der Weise getroffen, daß in den einzelnen großen Städten sich selbständige Sektionen bilden, die Vorträge veranstalten und Untersuchungen anregen, und in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine einheitliche Leitung erhalten.4 Außerdem wird die Gesellschaft mit verwandten Verbänden des In- und Auslandes in wissenschaftliche Fühlung zu treten suchen.

4  Vgl. ebd., S.  823, Anm.  3.

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[Spendenaufruf für eine Büste Otto von Gierkes zu dessen 70. Geburtstag] (Mai 1910)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Otto von Gierkes 70. Geburtstag stand am 11. Januar 1911 bevor.1 Aus diesem Anlaß fanden sich Monate vorher Schüler, Kollegen und Freunde des Rechtshistorikers zusammen und luden zu einer Geldspende ein, die für eine Büste Otto v. Gierkes verwendet werden sollte. Der verantwortliche Organisator war der Mediävist Ulrich Stutz, der in Bonn lehrte. Unter den 123 Spendern, die den Aufruf unterstützten, findet sich auch Max Weber. Für die zu Gierkes Geburtstag geplante Festschrift2 lieferte er dagegen keinen Beitrag.

Zur Überlieferung und Edition Dem Abdruck liegt das gedruckte Rundschreiben zugrunde, das sich im GStA PK, Rep.  76 V a, Sekt. 2, Tit. IV, Nr.  52, Bd. 14, Bl. 373–376 (A), befindet. Auf den Abdruck der dem Rundschreiben beigefügten Spenderliste (Bl. 373v–376v) wird verzichtet. Die Archivpaginierung zählt nur die Blattvorderseiten, sie wird im folgenden als A 373r und in Ergänzung als A (373v) für die Blattrückseite wiedergegeben.

1  Max Weber hörte bei Gierke in Berlin Deutsche Rechtsgeschichte. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  102. 2 Festschrift Otto Gierke zum siebzigsten Geburtstag. Dargebracht von Schülern, Freunden und Verehrern. – Weimar: Hermann Böhlau Nachfolger 1911.

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Bonn, im Mai 1910. Sehr geehrter Herr! Am 11. Januar 1911 vollendet Otto Gierke sein siebenzigstes Lebensjahr. Wenigen deutschen Rechtslehrern ist es vergönnt gewesen, so, wie er es getan hat, zugleich in die Breite und in die Tiefe zu wirken. Wenige haben so mächtig und so nachhaltig wie er die Theorie und die Praxis ihrer Zeit beeinflußt. Von seinem Lebenswerk gilt, was er von der deutschen Körperschaft lehrt: es ist Einheit und Vielheit zugleich. Im deutschen Recht steht Gierke als Dogmenhistoriker und Dogmatiker unübertroffen da. Seine Werke über das deutsche Genossenschaftsrecht1 und seine Genossenschaftstheorie2 nötigen selbst dem rückhaltlose Bewunderung ab, der sich nicht oder nicht in jeder Beziehung zu ihnen zu bekennen vermag. Sein deutsches Privatrecht3 ist, was die Größe der Anlage, die Vollständigkeit des Systems und die Durchdringung des Einzelnen anlangt, als führende Gesamtdarstellung allgemein anerkannt. Und soeben noch schenkt er uns in seinem Werke über Schuld und Haftung4 einen tiefgründigen Beitrag zur Geschichte des älteren deutschen Privatrechts. An der Arbeit am Bürgerlichen Gesetzbuch5 hat Gierke sich mit Einsetzung seiner ganzen wissenschaftlichen Persönlichkeit und mit einer Hingabe und aufopfernden Tätigkeit sondergleichen 1  Gierke, Otto von, Das Deutsche Genossenschaftsrecht, 4 Bände. – Berlin: Weidmann 1868–1913. 2 Ders., Die Genossenschaftstheorie und die Deutsche Rechtsprechung. – Berlin: Weidmann 1887. 3  Ders., Deutsches Privatrecht, 3 Bände. – Leipzig: Duncker & Humblot 1895–1917. 4  Ders., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht insbesondere die Form der Schuld- und Haftungsgeschäfte. – Breslau: Marcus 1910. 5  Das Bürgerliche Gesetzbuch wurde nach langer Arbeit 1896 beschlossen, trat am 1.  1. 1900 in Kraft und gilt – mit Änderungen – bis heute. Gierke, Otto, Der Entwurf ­eines bürgerlichen Gesetzbuches und das Deutsche Recht. – Leipzig: Duncker & Humblot 1889.

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beteiligt. In flammender Begeisterung und mit Worten, die ihm unvergessen bleiben werden, hat er dem deutschen Volke gezeigt, was deutsches Recht sein kann und sein soll, ist er für eine wahrhaft soziale Gestaltung unseres Privatrechtes eingetreten und hat er in zahlreichen Einzelausführungen wertvolle gesetzgeberische Vorschläge gemacht, von denen manch einer unserem Bürgerlichen Gesetzbuche zugute gekommen ist. Und als dieses Gesetzeswerk doch noch in vieler Hinsicht anders zustande kam, als er es sich gedacht hatte, da hat er trotzdem als wahrer Vaterlandsfreund und echter Jurist keinen Augenblick gezögert, seine Erfahrung und sein Können in den Dienst des neuen Rechtes zu stellen. Aber auch an unserem neuen Handelsgesetzbuche6 hat Gierke werktätig und erfolgreich mitgearbeitet, und die Wissenschaft des Handelsrechtes hat er in Lehre und Schrift befruchtet.  Doch nicht genug damit. Über sein eigentliches germanistischzivilistisches Arbeitsgebiet hinaus hat er für die Geschichte der politischen Theorien das Größte geleistet und der Staatslehre, dem Staatsrecht, ja der Kanonistik und nicht minder der Soziologie und der Volkswirtschaftslehre die wertvollsten Anregungen gegeben. So muß und wird Otto Gierkes Ehrentag zugleich ein solcher der deutschen Rechts- und Staatswissenschaft sein. Bereits haben sich eine Reihe von Freunden und Schülern des Jubilars vereinigt, um die Ausarbeitung einer Festschrift7 ins Werk zu setzen, die dem Meister zu seinem Feste nach althergebrachter Gelehrtenart die Glückwünsche dieses engeren Kreises und seine Verehrung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen soll. Nachdem so die literarische Gabe gesichert ist, leiten wir nunmehr die schon früher angekündigte Geldsammlung ein. Es besteht die Absicht, dem Jubilar eine Ehrengabe zu stiften und insbesondere sein Bild in Gestalt einer von Künstlerhand zu schaffenden Büste8 für alle Zeiten festzuhalten. Wer immer als Schüler oder Kollege, wer als Mitarbeiter an den „Untersuchungen zur deut-

6  Ders., Der Entwurf des neuen Handelsgesetzbuches. Vortrag gehalten in der GeheStiftung zu Dresden. – Dresden: Zahn & Jaensch 1897. 7  Vgl. oben, S.  831, Anm.  2. 8  Der Auftrag wurde an den Bildhauer Fritz Klimsch vergeben, der 1910 eine Bronzebüste von Otto Gierke schuf. Klimsch hatte bereits 1905 ein Porträt Otto Gierkes gemalt.

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Spendenaufruf für eine Büste Otto von Gierkes

schen Staats- und Rechtsgeschichte“,9 wer auf dem Juristentage, dessen ständiger Deputation Gierke seit langen Jahren als viel verdientes Mitglied angehört,10 wer in der Berliner juristischen Gesellschaft, bei den Versammlungen des Vereins für Sozialpolitik, bei den internationalen Historikerkongressen in Rom und Berlin11 oder bei anderer Gelegenheit mit dem Meister zusammenwirken durfte, endlich wer ihm als Freund oder Studien- und alter Kriegskamerad nahesteht, wird sicherlich nicht verfehlen, mitzuhelfen, auf daß Otto Gierke ein würdiges Denkmal gesetzt werde. Die Beiträge wolle man bis spätestens 1. Juni an Professor Ulrich Stutz, Bonn a. Rh., Simrockstraße 25, einsenden. Für Beiträge aus Deutschland empfiehlt sich zur Vermeidung von Portospesen die Einzahlung auf die beiliegende Zahlkarte, die bei jedem Postamt erfolgen kann. Für Frankreich nimmt die Buchhandlung Larose et Tenin, Paris 22 rue Soufflot, für England Herr Prof. Dr. H[arold] D. Hazeltine, Emmanuel College Cambridge, für Italien Herr Prof. Dr. Ricca-Barberis (Urbino), Turino, Corso Vittorio Emanuele 36[,] Beiträge entgegen. Ein Verzeichnis der Spender soll mit der Ehrengabe dem Jubilar überreicht werden. Die Durchführung im Einzelnen besorgt ein engerer Ausschuß, bestehend aus den Herren Olshausen, Schreuer, Schumacher, Stutz. Etwaige Anfragen wolle man an die oben angegebene Adresse des Letztgenannten richten.

9  Die „Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte“, wurden 1878 von Otto Gierke begründet und nach seinem Tod von seinem Sohn Julius v. Gierke weitergeführt. Die in „zwanglosen Heften“ erscheinende Reihe publizierte wissenschaftliche Arbeiten zur Geschichte der deutschen Rechtsentwicklung. 1940 stellte sie ihr Erscheinen ein. 10  Otto v. Gierke war 1888, 1891 und von 1893–1912 Mitglied der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages. 11  Der Historikerkongreß fand 1903 in Rom und 1908 in Berlin statt.

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Deutsches Zeitungs-Archiv [Einladung zur Subscription I] (November 1910)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Die seit 1910 geplante Einrichtung eines „Deutschen Zeitungs-Archivs“ wurde maßgeblich durch Hermann Beck gefördert, der zusammen mit Max Weber und Eberhard Gothein den Vorstand des Ausschusses für Pressewesen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie bildete. Beck hatte bereits 1905 das Internationale Institut für Sozial-Bibliographie und 1908 das Institut für Techno-Bibliographie gegründet.1 Das geplante „Deutsche ZeitungsArchiv“ sollte in Monatsheften über den Inhalt von zunächst 65 deutschsprachigen Tageszeitungen berichten.2 Dies versprach auch wertvolles Material für die Zeitungsenquete der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.3 „Deutsches Zeitungs-Archiv“ war der Titel der Publikation und der Name des geplanten eingetragenen Vereins, der, unabhängig von der DGS, das Unternehmen tragen sollte. Der Organisationsausschuß des Zeitungs-Archivs setzte sich aus Journalisten, Verlegern, Archivaren, Bibliothekaren, Reichstagsabgeordneten sowie Hochschullehrern zusammen. Ihm gehörten im November 1910 33 Mitglieder an, darunter, neben Max Weber, Lujo Brentano, Matthias Erzberger, Karl Lamprecht und Werner Sombart. Ein weiterer Aufruf zur Subskription wurde im November 1912 unterzeichnet.4

1  Vor Beck hatte bereits Robert Brunhuber ein wissenschaftliches Fachblatt, das „Archiv für Zeitungskunde“, zusammen mit dem Verein für Zeitungsverleger geplant. Das Projekt scheiterte, nicht zuletzt wegen Brunhubers Ermordung im Januar 1909. Informationen zu den von Beck betriebenen Bibliographien finden sich im Anhang zu: Deutsches Zeitungs-Archiv. Systematische monatliche Auszüge aus dem Hauptinhalt Deutscher Tagesblätter, Prospekt, 1. Jg., 1911. – Berlin: Bibliographischer Zentralverlag 1911, S.  10–14. 2  Später erschien es auch täglich und informierte über den Inhalt von 93 Tageszeitungen. 3  Vgl. Kutsch, Arnulf, Max Webers Anregung zur empirischen Journalismusforschung, in: Publizistik, 33. Jg., 1988, S.  5–31. 4  Vgl. dazu Weber, Deutsches Zeitungsarchiv II, unten, S.  848–850.

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Deutsches Zeitungs-Archiv I

Dem „Deutschen Zeitungs-Archiv“ war eine kurze Lebensdauer beschieden: Es erschien nur von 1911 bis 1914.

Zur Überlieferung und Edition Dem Abdruck liegt die „Einladung zur Subscription“ vom November 1910 zugrunde, wie sie als Teil eines 16-seitigen Prospekts unter dem Titel: Einladung zur Subscription, in: Deutsches Zeitungs-Archiv. Systematische monatliche Auszüge aus dem Hauptinhalt Deutscher Tagesblätter, Prospekt, 1. Jg. – Berlin: Bibliographischer Zentral-Verlag 1911, S.  3–5 (A), erschien.5 Die Einladung ist von den Mitgliedern des Organisations-Ausschusses unterzeichnet, dem Max Weber angehörte. Die informativen Teile über die auszuwertenden Zeitungen und die Stoffgliederung des Zeitungs-Archivs (unten, S.  839 f.) werden in kleinerer Schrifttype wiedergegeben. Der Herausgeber übernimmt die Paginierung des Drucks als A 4, A 5 und ergänzt die fehlende Seitenzahl der ersten Textseite als A (3). Die Fußnotenzählung wurde auf arabische Ziffern umgestellt.

5  Ein Exemplar des Prospektes befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck).

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Deutsches Zeitungs-Archiv

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Systematische monatliche Auszüge aus dem Hauptinhalt Deutscher Tagesblätter.

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„Deutsches Zeitungs-Archiv“ ist der Titel einer monatlich erscheinenden Sammlung von Auszügen aus dem Hauptinhalt der großen deutschen Tagespresse, die von einem neugegründeten gleichnamigen gemeinnützig-wissenschaftlichen Ausschusse von Vertretern der Publizistik, der Wissenschaft und der Politik herausgegeben wird. Die Erwägungen, die zu der in der Form eines Vereins erfolgten Gründung des Ausschusses „Deutsches Zeitungs-Archiv“ führten, sind die folgenden: Die Schwierigkeiten der Orientierung über den Inhalt der Tagespresse sind genügend bekannt. Schon nach wenigen Wochen ist ein Auffinden der Aufsätze mit großen Mühen verbunden, und die Beschaffung einzelner Nummern ist schon nach kurzer Zeit fast völlig unmöglich. Die Unterzeichneten beabsichtigen daher, aus dieser Masse von Zeitungsaufsätzen das wesentliche, das Tages­ interesse überdauernde herauszuheben, planmäßig in Kanäle zu leiten und den interessierten Stellen zugänglich zu machen. Das soll in der Weise geschehen, daß allmonatlich der Hauptinhalt der streng neutral aufgenommenen Artikel in ganz knappen, sachlichen Auszügen1) ohne Werturteil wiedergegeben und gleichzeitig eine Einrichtung zur Beschaffung der Originalartikel auch noch nach längerer Zeit getroffen wird. Die letztere Einrichtung wird so lange kaum entbehrlich sein, als das von berufener Seite angestrebte deutsche Reichszeitungsmuseum1 noch nicht Wirklich1)  Bei solchen, speziell politischen und ganz allgemeinen Artikeln, deren Inhalt sich A 3 auszugsweise überhaupt nicht wiedergeben läßt, werden lediglich die bibliographischen Daten angegeben werden. 

1 Der Historiker Martin Spahn forderte 1908 auf dem achten „Internationalen Kongress für historische Wissenschaften“ ein Reichszeitungsmuseum, da er in der Presse die wertvollste Quelle für künftige Geschichtsschreibung sah. Geplant war eine flächendeckende Sammlung der deutschen Tagespresse nach dem Muster der Bibliothèque Nationale oder der British Newspaper Library. Trotz eines 1914 erfolgten Reichstagsbeschlusses kam das Projekt, wegen des Kriegsausbruchs, nicht zustande. Vgl. Spahn, Martin, Die Presse als Quelle der neuesten Geschichte und ihre ge-

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keit geworden ist. In knappen, handlichen Monatsheften soll also ein bequemes Register der großen deutschen Presse geschaffen werden, deren Bedeutung als Quelle politischer, sozialer, wirtschaftlicher und kulturgeschichtlicher Information sich von Tag zu Tag steigert. Dieser Plan wird hiermit von den Unterzeichneten verfolgt mit der Absicht, ihn in Anlehnung an die Publikationen des laufend aus Reichsmitteln subventionierten Internationalen Institutes für Sozial-Bibliographie E.V.2 in Berlin zu verwirklichen, und zwar in der Form, daß deren Stoffanordnung, Format, Druckanordnung, Abkürzungen, Mitarbeiterinstruktionen usw. übernommen werden. Beide Publikationen werden sich damit praktisch unmittelbar ergänzen. Eine solche Verbindung ist aber auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil das I[nternationale] I[nstitut für] S[ozial-] B[ibliographie] bereits in monatlichen Heften nicht nur über den Inhalt einer Anzahl der hervorragendsten deutschen und ausländischen Zeitungen, sondern weiter über den Inhalt von etwa 2000 Zeitschriften auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und gewerblichem Gebiete, sowie endlich über den Inhalt der Verhandlungen der bedeutendsten Parlamente unterrichtet. Das geschieht dadurch, daß zunächst die für die Auffindung eines Aufsatzes wissenswerten Daten, wie Name des Verfassers, Titel der Arbeit, Jahrgang und Nummer der Zeitung, Umfang des Aufsatzes gegeben, sodann in geeigneten Fällen aber auch kurze Inhaltscharakteristiken mitgeteilt werden. Auf Grund dieser Mitteilungen bestellt der Interessent von Fall zu Fall die ihn interessierenden einzelnen Stücke. Eine Auskunftsstelle erteilt überdies ausführliche Auskunft über die Literatur eines bestimmten Themas. Diese erheblichen  Leistungen bietet das sozialbibliographische Institut seinen Mitgliedern bei einem Jahresbeitrage von 25 Mark. Diesen Weg haben die analog organisierten Institute für Bibliographie der Rechtswissenschaft, der Medizin und vor allem auch der Technik mit Erfolg beschritten (vergl. Anhang).3 Auf dieser genwärtigen Benutzungsmöglichkeiten, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 2. Jg., 1908, S.  1163–1170. 2  Das 1905 gegründete Internationale Institut für Sozial-Bibliographie wurde seit 1907 jährlich mit Reichsgeldern in Höhe von 15.000 Mark gefördert. Vgl. die Mitteilung in: AfSSp, 29.  Band, Heft 1, 1909, S.  239. 3  Der Anhang wird nicht ediert.

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Basis soll daher in Verbindung mit dem Verlage des sozialbibliographischen Institutes, dem Bibliographischen Zentral-Verlag G.m.b.H. vom Jahre 1911 ab das Deutsche Zeitungs-Archiv Systematische monatliche Auszüge aus dem Hauptinhalt ­deutscher Tagesblätter erscheinen, und zwar in Monatsheften, denen umfassende Register am Jahresschlusse beigegeben werden sollen. Das Werk gliedert sich in 10 Abteilungen, die einzeln für je 6 Mark (Subskriptionspreis 5 Mark) jährlich bezogen werden können, wobei allerdings nicht weniger als zwei Abteilungen abgegeben werden, sodaß der Mindestpreis des Abonnements 12 Mark (Subskriptionspreis 10 Mark) beträgt. Zu diesen Preisen kann auch eine einseitig bedruckte Ausgabe (zum Zerschneiden und Aufkleben) bezogen werden. Zunächst soll regelmäßig der Inhalt der nachstehenden 65 Tageszeitungen exzerpiert werden: Allgemeine Zeitung (München). Augsburger Abendzeitung. Augsburger Postzeitung. Badische Landeszeitung. Badischer Beobachter. Bayerischer Kourier. Beobachter (Stuttgart). Berliner Börsen-Courier. Berliner Börsenzeitung. Berliner Lokalanzeiger. Berliner Morgenpost. Berliner Neueste Nachrichten. Berliner Tageblatt. Bohemia. Der Bund (Bern). Breslauer Zeitung. Danziger Zeitung. Deutsche Tageszeitung. Deutsches Volksblatt. Dresdner Anzeiger. Dresdener Nachrichten. Der Elsässer. Frankfurter Zeitung. Fränkischer Courier. Freisinnige Zeitung. Germania. Der Gesellige. Hamburger Correspondent. Hamburger Nachrichten. Hannov. Courier. Hamburger Fremdenblatt. Kieler Zeitung. Kölnische Volks-Zeitung. Kölnische Zeitung. Königsberger Hartung­ sche Ztg. Leipziger Neueste Nachrichten. Leipziger Tageblatt. Leipziger Volkszeitung. Münchener Neueste Nachrichten. Münchener Post. Münchener Tageblatt. Magdeburgische Zeitung. National Zeitung. Neue freie Presse. Neue Preußische (Kreuz)-Zeitung. Neue Züricher Zeitung. Neues Wiener Tagblatt. Norddeutsche Allgem. Zeitung. Ostsee-Zeitung. Pester Lloyd. Die Post. Reichspost, Wien. Rheinisch-westfälische Zeitung. Schlesische Volkszeitung. Schwäbischer Merkur. Schwäbische Tagwacht. Straßburger Post. Der Tag. Tägliche Rundschau. Vaterland (Luzern). Vorwärts. Vossische Zeitung. Die Welt am Montag. Weser-Zeitung. Die Zeit.

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Die Stoffanordnung ist wie folgt geplant: I. Biographien und Geschichte. II. Wirtschaft. 1. Allgemeines.  2. Landwirtschaft.  3. Forst- und Jagdwirtschaft, Fischerei.  A 5 4. Bergbau. 5. Verkehrs- und Ausstellungswesen. 6. Zollwesen. 7. Handel.  5 8. Gewerbe und Industrie. 9. Syndikate, Kartelle, Trusts. 10. Geld-, Kredit-, Bank- und Börsenwesen.  11. Privatversicherungswesen. III. Politik. 1. Äußere Politik. 2. Staats- und Kommunalverwaltung. 3. Parlaments- und Parteiwesen in Staat und Gemeinde. 4. Militär-, Kriegs- und Friedenswesen.  10 5. Rasse und Nationalität. IV. Sozialpolitik. 1. Allgemeines. 2. Soziale Zustandsschilderung. 3. Arbeiterschutz. 4. Sozialversicherung, insonderheit Arbeiterversicherung.  5. Organisation der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 6. Streik und Aussperrung, Einigungsämter und 15 Schiedsgerichte.  7. Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit und -Vermittlung.  8. Mittelstandspolitik.  9. Wohnungs- und Bauwesen, Bodenreform.  10. Soziale Hygiene.  11. Frauenfrage.  12. Erziehungs- und Bildungswesen.  13. Genossenschaftswesen. 14. Armenwesen. 15. Öffentliche und private Wohlfahrtspflege, Wohlfahrtseinrichtungen. 20 V. Finanzwissenschaft und Finanzpolitik. 1. Allgemeines.  2. Steuer- und Gebührenwesen.  3. Öffentliches Unternehmungswesen.  4. Öffentliches Schuldenwesen.  5. Finanzwesen einzelner Staaten und Gemeinden. VI. Bevölkerungs- und Kolonialwesen. 25 VII. Philosophie und Soziologie; Recht und Staat. VIII. Religion und Kirche; Moral und Sitte. IX. Literatur, Kunst, Sprache. X. Technik, Medizin und Naturwissenschaften. Für die schnelle Beschaffung der einzelnen Zeitungsnummern werden beson- 30 dere Einrichtungen getroffen werden. Ferner wird eine einseitig bedruckte Ausgabe veranstaltet werden, die das Zerschneiden und Aufkleben und somit die Anlegung von Zettelkästen gestattet. Die nachstehenden Probeseiten veranschaulichen, wie die Ausführung des Gedankens gedacht ist. 35

Berlin W. 50, Spichernstr. 17, im November 1910.

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[Spendenaufruf für ein Porträt Georg Friedrich Knapps zu dessen 70. Geburtstag] (Juli 1911)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Anläßlich des 70. Geburtstags des Nationalökonomen Georg Friedrich Knapp, der am 7. März 1912 bevorstand, versandten Carl Johannes Fuchs und Carl Grünberg ein vertrauliches Rundschreiben an dessen „Freunde, Verehrer und Schüler“. Es enthält den Vorschlag, dem Jubilar eine Radierung mit seinem Bildnis zu schenken. Der Wiener Kunstprofessor Ferdinand Schmutzer habe sich bereit erklärt, ein solches Porträt anzufertigen.1 Diesen Aufruf, der auf Juli 1911 datiert ist, unterzeichneten schließlich 49 Gelehrte und Amtsträger des In- und Auslandes, darunter Max Weber.

Zur Überlieferung und Edition Dem Abdruck liegt das Exemplar des von Carl Johannes Fuchs und Carl Grünberg verfaßten Rundbriefes vom Juli 1911 zugrunde, das sich im Bundesarchiv Koblenz, Nl. Hugenberg, Nr.  19, Bl. 287–288 (A), befindet. Die Namen der Unterzeichner auf der unteren Hälfte des Blattes 287 und dem Folgeblatt werden nicht wiedergegeben. Die Archivpaginierung wird als A 287 sigliert.

1 In einem Schreiben von Carl Johannes Fuchs und Carl Grünberg an Ferdinand Schmutzer vom Juni 1911 (BA Koblenz, Nl. Hugenberg, Nr.  19, Bl. 289 f.), das die vertrauliche Anfrage enthielt, wurden 36 Gelehrte und Personen des öffentlichen Lebens genannt, die sich an dem Spendenaufruf beteiligen sollten. Unter ihnen auch Max Weber.

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[Spendenaufruf für ein Porträt Georg Friedrich Knapps zu dessen 70. Geburtstag] A 287

Streng vertraulich!

Wien und Tübingen, im Juli 1911. Hochgeehrter Herr!

Am 7. März 1912 vollendet Georg Friedrich Knapp sein 70. Lebensjahr. Seine Freunde, Verehrer und Schüler haben gewiß insgesamt den Wunsch, diesen Tag nicht lautlos vorübergehen zu lassen[,] und wohl auch, ihn ina dauernder Erinnerung zu erhalten. Die Unterzeichneten sind der Ansicht, daß dies am besten durch die Schaffung einer Radierung mit Knapp’s Bildnis geschähe, zu der Professor Ferdinand Schmutzer, Wien, sich bereit erklärt hat. Sie wird am 7. März 1912 mit einer Adresse überreicht werden, welche die Namen aller an der Ehrung Beteiligten enthalten wird. Der Beitrag zu dieser Ehrung wurde mit 20 Mark (24 Kronen) festgesetzt. Jeder Teilnehmer an ihr wird ein Exemplar der Radierung zugesendet erhalten. Wir laden Sie zur Beteiligung ein und ersuchen um Zusendung des Betrages an Prof. C[arl] J[ohannes] Fuchs, Tübingen oder Prof. C[arl] Grünberg, Wien, XVIII. Gentzgasse 38. Gleichzeitig bitten wir, diese Mitteilung bis zum 7. März 1912 als streng vertraulich zu behandeln.

a  A: Fehlt in A; in sinngemäß ergänzt.

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[Glückwunschadresse zum 70. Geburtstag von Georg Friedrich Knapp] (7. März 1912)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Der Nationalökonom, Statistiker und Agrarhistoriker Georg Friedrich Knapp feierte am 7. März 1912 seinen 70. Geburtstag. Max Weber kannte ihn aus dem Verein für Socialpolitik, zu dessen Gründern Knapp gehörte. Auf der Tagung des Vereins am 20. und 21. März 1893 berichtete dieser über die Landarbeiterenquête und hob den von Max Weber bearbeiteten Teil „Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland“ lobend hervor.1 Max Weber seinerseits nannte Knapps „Staatliche Theorie des Geldes“ „das großartigste Werk des Fachs“.2 Am Tag seines Geburtstags wurde dem Jubilar eine Radierung mit seinem Porträt und eine Glückwunschadresse überreicht.3 Carl Grünberg war der Verfasser, und sie war von 150 Gratulanten unterzeichnet, darunter Max Weber.4 Knapp schickte am 18. März 1912 ein Dankesschreiben an seine Gratulanten.5

1  Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S.  136, sowie Knapp, Georg Friedrich, Die ländliche Arbeiterfrage, in: Verhandlungen des VfSp über die ländliche Arbeiterfrage und über die Bodenbesitzverteilung und die Sicherung des Kleingrundbesitzes (Schriften des Vereins für Socialpolitik 58: Verhandlungen der Generalversammlung in Berlin, 20. und 21. März 1893). – Leipzig: Duncker & Humblot 1893, S.  7. 2  Vgl. Weber, Soziologische Grundkategorien des Wirtschaftens, MWG I/23, S.  239 f. 3  Rundbrief von Carl Johannes Fuchs und Carl Grünberg vom April 1912, BA Koblenz, Nl. Hugenberg, Nr.  19, Bl. 282. Darin berichteten beide über die Verwendung der Spenden und die Übergabe von Geschenk und Grußadresse. 4  Im Vorfeld gehörte Weber bereits zu den 49 Unterzeichnern eines Spendenaufrufs für die Radierung. Vgl. Weber, Spendenaufruf für ein Porträt Georg Friedrich Knapps, oben, S.  831–834. 5  Gedruckte Danksagung von Georg Friedrich Knapp vom 18. März 1912, BA Koblenz, Nl. Hugenberg Nr.  19, Bl. 286.

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Glückwunschadresse zum 70. Geburtstag von Georg Friedrich Knapp

Zur Überlieferung und Edition Das im folgenden edierte dreiseitige, gedruckte Rundschreiben befindet sich im Bundesarchiv Koblenz, Nl. Hugenberg, Nr.  19, Bl. 283–285 (A). Es enthält eine Unterzeichnerliste mit 150 Namen von Kollegen, Freunden und Schülern von Knapp (Bl. 284–285), die hier nicht zum Abdruck kommt. Die Archivpaginierung wird als A 283r bzw. 284r für die Blattvorderseiten und als A (283v) für die nicht paginierte Blattrückseite wiedergegeben.

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Herrn Georg Friedrich Knapp Doctor der Philosophie und der Rechte Prof. der Nationalökonomie u. Statistik an der Universität Straßburg i. Elsaß Zum 7. März 1912 Seine Schüler, Verehrer und Freunde Hochverehrter Herr! Nahen Ihnen heute, an dem Tage, an dem das siebente Jahrzehnt Ihres Lebens sich vollendet, Schüler, Verehrer, Freunde aus allen deutschen Gauen und weit darüber hinaus mit freudigen Glückwünschen, so gilt ihre Huldigung gleichermaßen dem Forscher, dem Meister der Sprache, dem Lehrer, dem Menschen. Seit nahezu einem halben Jahrhundert im Dienste der Staatswissenschaften tätig, haben Sie verschiedenste ihrer Teilgebiete bebaut und in so hohem Maße befruchtet, wie es Wenigen nur gegönnt ist und beschieden sein kann. In jungen Jahren vornehmlich der Statistik zugewandt, haben Sie die Erörterungen über das Wesen der Moralstatistik1 ebenso entscheidend geklärt, wie die Theorie des Bevölkerungswechsels2 und der Sterblichkeitsmessung3 bleibend beeinflußt. Die Vollkraft des Mannesalters haben Sie sodann der Agrargeschichte4 gewidmet. Auch ihr haben Sie neue Bahnen gewiesen. Bei der  Erforschung von Gesellschafts- und Wirtschaftszuständen der Vergangenheit müsse man, forderten Sie, den Weg stromaufwärts dem Ursprunge zu einschlagen statt den umgekehrten. Denn nur vom festen Boden aus des zuverlässig Erkennbaren 1  Knapp, Georg Friedrich, Die Neueren Ansichten über Moralstatistik. Vortrag, gehalten in der Aula der Universität zu Leipzig am 29. April 1871. – Jena: Friedrich Mauke 1871. 2  Ders., Theorien des Bevölkerungswechsels. Abhandlungen zur angewandten Mathematik. – Braunschweig: Vieweg 1874. 3  Ders., Über die Ermittlung der Sterblichkeit. Aus den Aufzeichnungen der Bevölkerungs-Statistik. – Leipzig: Hinrichs 1868; ders., Die Sterblichkeit in Sachsen. Nach amtlichen Quellen dargelegt. – Leipzig: Duncker & Humblot 1869. 4  Ders., Grundherrschaft und Rittergut. Vorträge nebst biographischen Beilagen. – Leipzig: Duncker & Humblot 1897.

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und seiner Beschreibung könne sich dem rückwärts gewendeten Blick das Dunkel noch entfernterer Zeiten erschließen; nur von ihm aus gelange man zu gedeihlicher Feststellung ihrer Probleme, welche die Voraussetzung bilde für deren Lösung und oft schon diese in sich schließe. Hierbei befanden Sie sich methodisch in Übereinstimmung mit Georg Hanssen.5 Sie blieben aber nicht auch bei der Betrachtung des Kulturtechnischen stehen, sondern erweiterten das Untersuchungsgebiet nach der sozialpolitischen Seite hin. So ward durch Sie Einsicht möglich in die Struktur und Funktionierung der auf deutschem Boden erstmals entscheidend siegreichen Organisationsform kapitalistischen Großbetriebes, der Gutswirtschaft;6 so volles Verständnis ihrer geschichtlichen Bedeutung im Leben der Nation sowie ihrer wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Nachwirkungen in die Gegenwart. Das schon sichert Ihrer Schilderung der Bauernbefreiung und des Ursprunges der Landarbeiter in den älteren Teilen Preußens7 für immer einen Platz in der Entwicklungsgeschichte der deutschen Wirtschaftshistorie. Nicht das allein jedoch! Dieses Werk und Ihre sich ihm anschließenden Aufsätze werden stets ein unerreichtes Muster bleiben auch: souveräner Meisterung des Stoffes, ruhiger Klarheit der Darstellung, vorbildlicher Schönheit des Ausdruckes, geistiger Freiheit und unbeirrbaren Wahrheitsdranges, dem einzig Leitstern scheint das Ne quid falsi audeat ne quid veri non audeat historia.8 Welch’ außerordentliche Belebung schließlich  hat die Diskussion über die Natur des Geldes durch Ihre Analyse9 erfahren! Welch’ tiefgehende Wirkungen auf Theorie und Praxis hat sie 5  Ders., Zum Gedächtnis an Georg Hanssen, in: Verhandlungen VfSp 1909, S.  14–28. Vgl. auch ders., Georg Hanssen, in: ders., Grundherrschaft und Rittergut. Vorträge nebst biographischen Beilagen. – Leipzig: Duncker & Humblot 1897, S.  157. 6  Vgl. dazu oben, S.  845, Anm.  4, und die nachfolgende Anm.  7. 7  Ders., Die Bauern-Befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Thei­ len Preußens, 2 Bde. – Leipzig: Duncker & Humblot 1887, sowie ders., Die Landarbeiter in Knechtschaft und Freiheit. Vier Vorträge, ebd. 1891. 8  Das Zitat geht auf einen Satz aus Ciceros Schrift: De oratore 2, 62 zurück. Im Original heißt es: „Nam quis nescit primam esse historiae legem, ne quid falsi dicere audeat? Deinde ne quid veri non audeat?” (Denn wer weiß nicht, daß es das erste Gesetz der Historie ist, daß sie nichts Falsches zu sagen wagt? Danach, daß sie nichts Wahres nicht zu sagen wagt?). 9  Knapp, Georg Friedrich, Staatliche Theorie des Geldes. – Leipzig: Duncker & Humblot 1905 (2.  Aufl. 1918), sowie ders., Die Währungsfrage vom Staate aus betrachtet, in: Das Stiftungsfest der Kaiser Wilhelms Universität Straßburg. – Straßburg: J. Ed. Heitz 1907, S.  19–32.

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gezeitigt! Als wie große wissenschaftliche Tat wird sie auch von jenen anerkannt, die grundsätzlich auf anderem Boden verharren! Ein beneidenswert reiches Lebenswerk fürwahr! Geschaffen jenseits alles Tagesstreites und fern von jedem kleinlichen Streben nach Augenblickserfolg, wird es noch reicher gestaltet durch die Saat, die Sie als Lehrer ausgestreut haben, und durch den weiten Kreis von Schülern, die auf den von Ihnen gebahnten Wegen weiterschreiten und sich stolz zu Ihnen bekennen. Mit ihnen ehren und lieben wir Sie alle als Förderer wissenschaftlicher Erkenntnis und als Mehrer des Ruhmes deutscher Geistesarbeit. Nicht weniger dankbar aber gedenken wir der festen harmonisch in sich geschlossenen, künstlerisch fein empfindenden Persönlichkeit, des aufrechten Mannes, der wohlwollenden Gesinnung jeder ernsten Leistung gegenüber, der Freundschaft und Treue, die Sie allen bewahrt haben, die das Leben Ihnen nahegebracht hat. So wünschen wir denn von einem gütigen Geschick: Es möge Sie noch viele Jahre in ungeminderter Frische und Kraft erhalten, der Wissenschaft zum Heil und uns zur Freude. Straßburg, am 7. März 1912.

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Deutsches Zeitungs-Archiv [Einladung zur Subskription II] (November 1912)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Das „Deutsche Zeitungs-Archiv. Auszüge aus der Tagespresse“ warb im November 1912 mit einem vierseitigen Prospekt erneut um Subskribenten.1 Die Zahl der Unterzeichner war im Vergleich zum November 1910 von 33 auf 67 angewachsen, darunter, neben Max Weber, jetzt auch der Heidelberger Adolf Koch und der Chefredakteur der Dresdner Neuesten Nachrichten, Julius Ferdinand Wollf, gegen die Weber 1911/12 Prozesse geführt hatte.2

Zur Überlieferung und Edition Zum Abdruck kommt der Text, der als „Einladung zur Subskription!“, in: Deutsches Zeitungs-Archiv. Auszüge aus der Deutschen Tagespresse [Prospekt]. – [Berlin: Bibliographischer Zentral-Verlag 1912], S. [1] (A), erschien. Unterzeichnet ist die auf November 1912 datierte „Einladung“ von 67 Mitgliedern des Organisations-Ausschusses, darunter Max Weber. Diese Liste der Unterzeichner wird nicht abgedruckt. Der gesamte Prospekt enthält kein Impressum und keine Paginierung.

1  Zum ersten Werbeprospekt vgl. Weber, Deutsches Zeitungs-Archiv I, oben, S.  835– 840. 2  Vgl. dazu Lepsius, M. Rainer und Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: MWG II/7, S.  5–9, vgl. dazu auch den Editorischen Bericht zu Weber, Zur Affäre Dr. Ruge I, oben, S.  235–238.

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Nach mehrjähr[igen] Vorarbeiten tritt der unterzeichnete Ausschuß an die Öffentlichkeit, um dem nachstehend skizzierten Werke Freunde und Förderer zu gewinnen. Die Erfahrung lehrt, daß die Tagespresse eine Fülle von Material enthält, das, über das Tagesinteresse hinausgehend, von erheblicher Bedeutung für die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturgeschichtliche Information ist. Bei dem Mangel geeigneter Einrichtungen zur Aufbewahrung und Erschließung dieses Materials ergibt sich die Notwendigkeit, eine Zentralstelle zu schaffen, die 1. aus der Fülle des Materials den das Tagesinteresse überdauernden Teil aussondert, 2. über dieses Material durch täglich und monatlich erscheinende zusammengefaßte systematische Auszüge nebst Jahresregister laufend orientiert, 3. die Zeitungen aufbewahrt, damit man auch nach längerer Zeit noch auf das Original zurückgreifen kann; 4. von Artikeln aus vergriffenen Zeitungsnummern durch Abschriften oder auf photographischem Wege Kopien beschafft. Diese Forderungen soll das Deutsche Zeitungs-Archiv zunächst auf dem Gebiet der Wirtschaft, Sozialpolitik und Politik erfüllen, um dann allmählich auf Grund der gesammelten Erfahrungen noch andere Wissensgebiete einzubeziehen. Vor der endgültigen Konstituierung des in der Form des ein­ getragenen Vereins geplanten gemeinnützig-wissenschaftlichen Unternehmens eröffnet unterzeichneter Organisations-Ausschuß hiermit eine Subskription, um Unterlagen bezügl[ich] der Höhe der für die Durchführung des Planes erforderlichen Zuschüsse (wie sie aus den Kreisen der Zeitungs- und Bankwelt bereits in Aussicht gestellt sind) zu gewinnen. Das „Deutsche Zeitungs-Archiv“ erscheint in den nachstehend genannten 16 Teil-Ausgaben, und zwar in je einer täglichen und einer Monatsausgabe, letztere mit Jahresregistern. Die tägliche

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Ausgabe soll einseitig bedruckt werden und der Tages- und Fachpresse zum Nachdruck zur Verfügung stehen. Über Einzelheiten gibt die kostenlos zu beziehende Probenummer der täglichen Ausgabe Aufschluß. Regelmäßig durchgearbeitet werden die nachstehend genannten 93 Blätter. Im übrigen wird jeder den Aufnahmeanforderungen entsprechende Artikel aufgenommen, sofern ein Belegexemplar übersandt wird. Die Bezieher der täglichen Ausgabe erhalten die Monatshefte nebst Jahresregistern kostenlos. Der Bezug der täglich erscheinenden Ausgabe berechtigt zum Nachdruck ihres Inhaltes. Berlin, im November 1912

Der Organisations-Ausschuß. (Namen umstehend)

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Aufruf [zum Erhalt eines Lehrstuhls für Systematische Philosophie an der Universität Marburg] (15. November 1912)

Editorischer Bericht Zur Entstehung Hermann Cohen, Mitbegründer der sog. Marburger Schule des Neukantianismus und Inhaber eines der beiden philosophischen Lehrstühle an der Philipps-Universität Marburg, wurde zum Wintersemester 1912/13 emeritiert. Sowohl Cohen als auch der zweite Ordinarius, Paul Natorp, setzten sich für Ernst Cassirer als Nachfolger Cohens ein. Dieser Vorschlag scheiterte am Widerstand der Philosophischen Fakultät. Mit dem 1913 ernannten Nachfolger, Erich Jaensch, wurde der Lehrstuhl für Systematische Philosophie in einen für Experimentelle Psychologie umgewandelt. In einem am 12. Oktober 1912 in der Frankfurter Zeitung veröffentlichten Artikel verfocht Natorp die Interessen der Marburger Philosophie.1 Auch andere Professoren forderten in einem Aufruf die Wiederherstellung des Lehrstuhls für Systematische Philosophie. Dieser erschien im November in der Marburger Akademischen Rundschau, dem Organ der Marburger Freien Studentenschaft. Er wurde reichsweit von 29 Philosophieprofessoren oder -privatdozenten, fünf Theologen, vier Nationalökonomen, darunter Max Weber, zwei Mathematikern, sowie jeweils einem Professor der Literaturgeschichte, der Kunstgeschichte, der Pädagogik und der Romanistik unterstützt.2 Im Anschluß an diesen Aufruf der Professoren erschien in demselben Organ ein gleichgerichteter Aufruf der Studenten. Beide Appelle blieben erfolglos.

1  Natorp, Paul, Das akademische Erbe Hermann Cohens. Psychologie oder Philosophie, in: Frankfurter Zeitung, Nr.  283 vom 12. Okt. 1912, S.  1 f. 2  Zu den Unterzeichnern gehörten u. a. Lujo Brentano, Otto v. Gierke, Heinrich Rickert, Gerhart v. Schulze-Gaevernitz, Ferdinand Tönnies, Ernst Troeltsch, Wilhelm Windelband und Wilhelm Wundt.

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Aufruf zum Erhalt eines Lehrstuhls für Systematische Philosophie

Zur Überlieferung und Edition Abgedruckt wird der Aufruf der Professoren, wie er in der Marburger Akademischen Rundschau, hg. vom Präsidium der Marburger Freien Studentenschaft, 3. Jg., Nr.  2 vom 15. November 1912, S.  13 (A), unter der Überschrift „Aufruf!“ erschien. Die Namen der Befürworter (S.  13 f.) werden nicht wiedergegeben.

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„In Marburg ist der Lehrstuhl für systematische und historische Philosophie, den bisher Professor Hermann Cohen innehatte, durch einen Experimentalpsychologen besetzt worden. Die Notwendigkeit einer Professur für Experimentalpsychologie soll durchaus nicht in Zweifel gezogen werden. Hingegen erscheint es als völlig ungerechtfertigt, diesem Bedürfnis auf Kosten der systematischen Philosophie nachzukommen. Es handelt sich hier nicht um eine Angelegenheit nur der Universität Marburg, nicht um eine Angelegenheit nur der Philosophie, sondern um ein Lebensinteresse der Universität schlechthin. Für die Zukunft der deutschen Universitäten ist es von entscheidender Bedeutung, daß der systematischen Philosophie keiner ihrer Lehrstühle verloren geht. Darum fordern wir, daß in Marburg für den an die Experimentalpsychologie abgetretenen ein neuer Lehrstuhl für systematische Philosophie geschaffen wird.“ Ihre voll sachliche Zustimmung oder ausdrückliche Befürwortung dieses Aufrufs sprechen aus die Herren:

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Anhang II Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 1909–1910

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

1. Berliner Statut Das hier so genannte Berliner Statut war der Einladung des Vorstandes zum Beitritt zur Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 3. Januar 1909 beigefügt. Abgedruckt als Anhang zur Beitrittseinladung in: Dokumente des Fortschritts, Internationale Revue, 2. Jg., 4. Heft, April 1909, S.  347 f. Die Satzungen der Gesellschaft lauten wie folgt: I. Name, Sitz und Zweck des Vereines.

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§  1. Unter dem Namen „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ wird ein Verein gegründet, der seinen Sitz in Berlin hat. Der Zweck des Vereines ist die Förderung der soziologischen Forschung und die Verbreitung soziologischer Kenntnisse. Dieser Zweck soll erreicht werden durch planmäßige Veranstaltung von Einzelvorträgen und Vortragsreihen, durch Pflege der Beziehungen zu ähnlichen Zwecken dienenden Vereinigungen, durch Schaffung einer Spezialbibliothek und Einrichtung eines Lesezimmers, ferner durch Veranstaltung von Publikationen und Enquêten und endlich durch Förderung einschlägiger Studien und anderer dem Gesellschaftszwecke dienlicher Veranstaltungen. II. Mitglieder

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§  2. Die Mitgliedschaft wird durch Aufnahme seitens des Vorstandes erworben, gegen dessen Beschluß Rekurs an den Ausschuß zulässig ist. Die Mitglieder haben einen Mindestjahresbeitrag von 10 M. zu leisten, der auf Antrag eines Vorstandsmitglieds in besonderen Fällen vom Gesamtvorstand ermäßigt werden kann. Soweit physische Personen in Frage kommen, kann durch eine einmalige Zahlung von mindestens 250 M. die lebenslängliche Mitgliedschaft erworben werden. Mitglieder des Vereines können sein: Einzelpersonen, öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Korporationen. §  3. Die Mitgliederrechte werden ausgeübt in der Mitgliederversammlung. §  4. Der Austritt eines Mitgliedes kann nur auf den Schluß eines Kalenderjahres erfolgen und muß spätestens ein Vierteljahr vor Ablauf desselben dem Vereinsvorstande schriftlich erklärt werden. Das ausscheidende Mitglied verliert jeden Anspruch an das Vereinsvermögen. Die Mitgliedschaft erlischt ferner durch Tod und durch Nichtzahlung des Mitgliedsbeitrages in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. III. Organisation des Vereines. §  5. Organe des Vereines sind: A. der Vorstand, B. der Ausschuß, C. die Mitgliederversammlung. 

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie A. Der Vorstand

§  6. Die Leitung des Vereines liegt in den Händen von fünf von der Mitgliederversammlung auf je drei Jahre gewählten Vorstandsmitgliedern und schließt für denselben Rechtsgeschäfte jeder Art ab. Er entscheidet in allen Fragen, die nicht ausdrücklich dem Ausschuß oder der Mitgliederversammlung überlassen sind, vollzieht die Beschlüsse der genannten Organe, hat alljährlich Rechnung zu legen und einen Jahresbericht zu erstatten. Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn mindestens drei seiner Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse erfolgen in der Vorstandssitzung oder auf schriftlichem Wege. Über jede Sitzung ist ein Protokoll aufzunehmen, in dem alle gefaßten Beschlüsse niederzulegen sind. Das Protokoll ist von allen Anwesenden zu unterzeichnen. Jedes Mitglied des Vorstandes erhält eine Abschrift.

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B. Der Ausschuß §  7. Die Zahl der Mitglieder des Ausschusses beträgt mindestens zehn. Diese werden von der Mitgliederversammlung auf je drei Jahre gewählt. Der Ausschuß erwählt aus seiner Mitte seinen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden. Der Vorsitzende des Ausschusses beruft und leitet Sitzungen, die spätestens eine Woche vorher durch schriftliche Einladung von seiner Seite oder von seiten des Vorstandes unter Bekanntgabe der Tagesordnung einzuberufen sind und bestimmt den Protokollführer für jede Sitzung, Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn mindestens drei seiner Mitglieder in der Sitzung zugegen sind. Über jede Sitzung ist ein Protokoll aufzunehmen, in dem alle gefaßten Beschlüsse niederzulegen sind. Jedes Mitglied des Ausschusses und des Vorstandes erhält eine Abschrift. § 8. Die Beschlußfassung des Ausschusses erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Schriftliche Abstimmung ist zulässig, sofern nicht mindestens drei Mitglieder des Ausschusses dagegen Einspruch erheben. Bei schriftlicher Abstimmung muß der Gegenstand der Beschlußfassung den Mitgliedern des Ausschusses durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt werden. §  9. Der Ausschuß entscheidet über Beschwerden wegen Nichtaufnahme von Mitgliedern durch den Vorstand und prüft Rechenschaftsberichte des Vorstandes. §  10. Die Beschlußfassung über die wissenschaftlichen Angelegenheiten des Vereines erfolgt in gemeinsamen Sitzungen des Vorstandes und Ausschusses, wobei die Leitung dem Vorstande zusteht. Diese Sitzungen beruft der Vorstand nach Bedarf und Ermessen oder auf Antrag von mindestens fünf Ausschußmitgliedern ein, falls diese schriftlich und unter Angabe des Zweckes und der Gründe Antrag stellen. C. Die Mitgliederversammlung. §  11. Die Mitgliederversammlung ist durch Veröffentlichung im Reichsanzeiger oder durch schriftliche Einladung sämtlicher Mitglieder mindestens eine Woche vor der Versammlung einzuberufen. Sie tritt jährlich mindestens einmal zusammen und muß außerdem einberufen werden: 1. auf Antrag des Vorstandes; 2. auf Antrag von mindestens einem Zehntel der Mitglieder, fallls diese schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe Antrag stellen.

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§  12. Der Mitgliederversammlung obliegen folgende Aufgaben: 1. Wahl der Mitglieder des Vorstandes, wobei eines derselben zum Vorsitzenden, zwei weitere zu stellvertretenden Vorsitzenden, ein viertes zum Schriftführer und ein fünftes zum Kassierer zu wählen ist; 2. Wahl der Mitglieder des Ausschusses; 3. Genehmigung des Jahreshaushaltes; 4. Entgegennahme des Rechenschaftsberichtes des Vorstandes nach dessen Vorprüfung durch den Ausschuß und Erteilung der Entlastung an diesen und den Vorstand; 5. Abänderung der Satzungen; 6. Auflösung des Vereines. Sie entscheidet falls die Satzungen es nicht anders bestimmen, mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. Zur Abänderung der Satzungen ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder, zur Auflösung des Vereines eine solche von drei Vierteln der anwesenden Mitglieder erforderlich. Sind in der über die Auflösung beschließenden Versammlung nicht drei Viertel sämtlicher Mitglieder vertreten, so ist innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine neue Mitgliederversammlung einzuberufen, die dann mit drei Viertel Mehrheit der Anwesenden entscheidet. §  13. Den Vorsitz in der Mitgliederversammlung führt der Vorsitzende des Ausschusses. Die Beurkundung der Beschlüsse der Versammlung erfolgt durch ein Protokoll, das ein zu wählender Protokollführer führt und von diesem sowie einem Vorstandsmitglied zu unterzeichnen ist. Im Falle der Auflösung des Vereines fällt dessen Vermögen an ein in der die Auflösung beschließenden Mitgliederversammlung mit zwei Drittel Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder zu bestimmendes öffentliches Institut, das gemeinnützigen Zwecken dient. §  14. Sind an einem Orte mindestens 10 Mitglieder der Gesellschaft ansässig, so steht diesen das Recht zu, eine Ortsgruppe zu bilden und, sofern noch kein Mitglied der Ortsgruppe dem Ausschuß angehört, einen Vertreter in den Ausschuß zu delegieren. §  15. Die Gründung des Vereines ist erfolgt in der Mitgliederversammlung vom 3. Januar 1909.

2. Leipziger Statut Das hier so genannte Leipziger Statut wurde in der außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS am 14. Oktober 1909 verabschiedet. Der Abdruck folgt der Beilage zum Brief Max Webers an Wilhelm Windelband vom 29. Mai 1909, Archiv der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Nr. 954/1, hier nach dem Abdruck in MWG II/6, S.  548–553.

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

Statut der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. A. Allgemeine Bestimmungen §  1. Unter dem Namen „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ ist eine Vereinigung gegründet worden, die ihren Sitz in Berlin hat. Ihr Zweck ist die Förderung der soziologischen Erkenntnis durch Veranstaltung rein wissenschaftlicher Untersuchungen und Erhebungen, durch Veröffentlichung und Unterstützung rein wissenschaftlicher Arbeiten und durch Organisation von periodisch stattfindenden deutschen Soziologentagen. Sie gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, politischen, ästhetischen usw.) Ziele ab.

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§  2. Die Mitglieder sind entweder ordentliche oder unterstützende oder Stifter. §  3. Der Beitritt als unterstützendes Mitglied erfolgt durch Anmeldung beim Schriftführer und Einzahlung des Beitrages von jährlich mindestens M. 10.-.

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§  4. Ordentliche Mitglieder können nur Personen sein, welche auf dem Gebiete der Soziologie oder ihrer Hülfsdisziplinen wissenschaftlich qualifiziert sind. §  5. Die ordentliche Mitgliedschaft entsteht mit Annahme der von der Mitgliederversammlung vollzogenen Zuwahl. Die Höhe des Mitgliedsbeitrags wird durch Selbsteinschätzung des Mitglieds bestimmt. §  6. Zu Stiftern können durch die Mitgliederversammlung Personen ernannt werden, welche Arbeiten der Gesellschaft durch bedeutende Geldopfer ermöglicht haben. 

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§  7. Alle Mitglieder haben das Recht auf Bezug der Publikationen der Gesellschaft zu den festzustellenden Sonderbedingungen und auf Teilnahme an den Soziologentagen. §  8. Die Stifter haben außerdem das Recht auf Teilnahme an der Mitgliederversammlung mit beratender Stimme. §  9. Den ordentlichen Mitgliedern allein steht beschließende Stimme in der Mitgliederversammlung zu.

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§  10. Der Austritt eines Mitgliedes kann nur auf den Schluß eines Kalenderjahres erfolgen und muß spätestens ein Vierteljahr vor Ablauf desselben dem Vereinsvorstande schriftlich erklärt werden. Das ausscheidende Mitglied verliert jeden Anspruch an das Vereinsvermögen. §  11.

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Organe der Gesellschaft sind: 1. der Vorstand 2. die Mitgliederversammlung 3. die Ausschüsse 4. der Rechner B. Der Vorstand.

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§  12. Der Vorstand besteht aus 7 auf 3 Jahre, – bei Nach- oder Zuwahl auf den Rest der Periode, – bestellten Personen, und zwar aus 3 von der Mitgliederversammlung zu wählenden Vorsitzenden der Gesellschaft, einem ebenso zu wählenden Schriftführer und 3 von diesen 4 Personen hinzuzuwählenden anderen Vorstandsmitgliedern. §  13. Der Vorstand vertritt die Gesellschaft nach außen, gerichtlich und bei Rechtsgeschäften, mit unbeschränkter Vollmacht. Zur Legitimation genügt dabei die Unterschrift eines der Vorsitzenden und des Schriftführers.  §  14. 550 Dem Vorstand stehen innerhalb der Gesellschaft alle Befugnisse zu, welche nicht statutarisch oder durch den Beschluß der Mitgliederversammlung dieser oder einem Ausschuß oder einem anderen Organ übertragen sind.

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§  15. Eine etwa unvermeidlich werdende Verausgabung von Geldmitteln über das im Etat vorgesehene Maß hinaus soll nur nach einstimmigem Vorstandsbeschluß und mit einer Zustimmung des Rechners erfolgen. §  16. Zur Übernahme von Geldverbindlichkeiten ist stets die Zustimmung der Mitgliederversammlung einzuholen. §  17. Seinen Geschäftsgang, die Verteilung der Arbeiten und der Zuständigkeiten unter seine einzelnen Mitglieder regelt der Vorstand nach eigenem Ermessen. Über alle Beschlüsse, seien sie in einer Sitzung oder schriftlich gefaßt, erhält jedes Vorstandsmitglied eine schriftliche Bestätigung.

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

§  18. Der Vorstand ist befugt, jede ihm geeignet erscheinende Persönlichkeit mit beratender Stimme zuzuziehen. Der Rechner soll zu jeder Sitzung eingeladen werden. C. Die Mitgliederversammlung. §  19. Die Mitgliederversammlung ist die Versammlung der ordentlichen Mitglieder. §  20. Die Berufung der Mitgliederversammlung erfolgt durch briefliche Einladung jährlich mindestens einmal, im übrigen nach Ermessen des Vorstandes oder wenn ein Ausschuß oder ein Fünftel der ordentlichen Mitglieder sie unter Stellung bestimmter Anträge verlangt. 

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§  21. Die Mitgliederversammlung beschließt über den Etat der Gesellschaft, erteilt nach Anhörung des Rechners dem Vorstand und den Ausschüssen Decharge, wählt die 3 Vorsitzenden und den Schriftführer, die Ausschüsse und den Rechner, ergänzt sich durch Zuwahl weiterer ordentlicher Mitglieder, welche, wenn nicht ein Fünftel der ordentlichen Mitglieder widerspricht, mit einstimmiger Zustimmung des Vorstandes auch schriftlich zulässig ist, und beschließt über die wissenschaftlichen Arbeiten der Gesellschaft. §  22. Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung erfolgen mit einfacher Mehrheit, ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden. Beschlüsse auf Abänderung der Statuten bedürfen einer Mehrheit von zwei Drittel der Anwesenden. Beschlüsse auf Auflösung der Gesellschaft, welche zugleich, mit einfacher Mehrheit, über das Schicksal des Vermögens zu verfügen haben, bedürfen der zwei Drittel-Mehrheit bei Anwesenheit von drei Viertel aller ordentlichen Mitglieder. Sind weniger Mitglieder anwesend, so muß eine neue Sitzung einberufen werden, deren Beschluß ohne Rücksicht auf die Präsenz gilt.

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§  23. Die Sitzung leitet der jeweils älteste anwesende Vorsitzende der Gesellschaft oder ein anderes vom Vorstand dazu delegiertes Vorstandsmitglied. §  24. Das Protokoll führt ein Mitglied des Vorstandes oder ein von dem Vorsitzenden zu bezeichnendes ordentliches Mitglied.

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§  25. Die Mitgliederversammlung hat das Recht, jede ihr geeignet erscheinende Persönlichkeit mit beratender Stimme zuzuziehen. §  26. Über alle statutarisch nicht geordneten Geschäftsordnungsfragen einschließlich der Frage der Zulässigkeit schriftlicher Abstimmungen entscheidet die Mitgliederversammlung. 

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D. Ausschüsse.

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§  27. Mit der Vorbereitung jedes Antrags auf Veranstaltung wissenschaftlicher Arbeiten und, im Fall seiner Annahme, mit der Leitung derselben, kann die Mitgliederversammlung einen Ausschuß beauftragen, für den gleichzeitig ein Vorsitzender und regelmäßig 2 Mitglieder aus ihrer Mitte von ihr zu wählen sind. §  28. Jeder Ausschuß hat das unbeschränkte Recht der Zuwahl aus dem Kreise der ordentlichen Mitglieder und darf mit beratender Stimme jede ihm geeignet scheinende Persönlichkeit zuziehen. §  29. Jeder Ausschuß ist befugt, sich nach Ermessen Geldmittel selbst zu beschaffen. Geldverbindlichkeiten namens der Gesellschaft einzugehen, ist er nicht berechtigt. Unterstützungen von außerhalb des Kreises der ordentlichen Mitglieder oder der Stifter der Gesellschaft stehenden Personen darf er nach Anzeige an den Schriftführer annehmen, falls nicht innerhalb 10 Tagen der Vorstand Einspruch dagegen erhebt und, auf Rekurs, die Mitgliederversammlung diesen bestätigt. §  30. Jeder Ausschuß erstattet alljährlich Bericht und hat dem Verlangen des Vorstandes oder des Rechners nach Auskunft jederzeit sofort zu entsprechen. Von Sitzungen ist gleichzeitig mit Einladung der Ausschußmitglieder dem Schriftführer und dem Rechner, bei sehr kurzer Frist auch möglichst allen am Ort anwesenden Vorstandsmitgliedern direkt Mitteilung zu machen. Alle Vorstandsmitglieder und der Rechner haben die Befugnis der Teilnahme an den Sitzungen, jedoch hängt von ihrer Benachrichtigung und Anwesenheit die Gültigkeit der Beschlüsse nicht ab. §  31. Jeder Ausschuß behält sein Mandat, bis die Mitgliederversammlung es für erloschen erklärt und regelt seine Geschäftsführung nach Ermessen.  E. Rechner.

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§  32. Die Mitgliederversammlung wählt auf 3 Jahre einen Rechner aus den ordentlichen Mitgliedern der Gesellschaft. Die erstmalige Wahl und jede notwendig werdende Ersatzwahl kann auch schriftlich erfolgen. §  33. Von allen unvorhergesehenen Geldoperationen und allen die Beschaffung von Geldmitteln betreffenden Abkommen mit Dritten haben der Vorstand und die Ausschüsse dem Rechner Kenntnis zu geben. Er hat das Recht der Teilnahme an den Sitzungen des Vorstandes und der Ausschüsse, prüft deren Rechnungen und berichtet darüber an die Delegiertenversammlung.

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

3. Frankfurter Statut Das hier so genannte Frankfurter Statut wurde in der zweiten ordentlichen Mitgliederversammlung der DGS vom 19. Oktober 1910 verabschiedet. Abgedruckt in: Verhandlungen DGS 1910, S. V–IX.

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Vorbemerkung Die im Jahre 1909 begründete „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ ist ein eingetragener, also rechtsfähiger, Verein mit folgendem, im Jahre 1910 endgültig festgestelltem Statut: A. Allgemeine Bestimmungen §  1. Unter dem Namen „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ ist eine Vereinigung gegründet worden, die ihren Sitz in Berlin hat. Ihr Zweck ist die Förderung der soziologischen Erkenntnis durch Veranstaltung rein wissenschaftlicher Untersuchungen und Erhebungen, durch Veröffentlichung und Unterstützung rein wissenschaftlicher Arbeiten und durch Organisation von periodisch stattfindenden deutschen Soziologentagen. Sie gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, politischen, ästhetischen usw.) Ziele ab. §  2. Der Beitritt als Mitglied erfolgt durch Anmeldung beim Schriftführer und Einzahlung des Beitrages von jährlich mindestens M. 10.-.

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§  3. VI Zu Stiftern können durch den Hauptausschuß Personen ernannt  werden, welche Arbeiten der Gesellschaft durch bedeutende Geldopfer ermöglicht haben. §  4. Alle Mitglieder haben das Recht auf Bezug der Publikationen der Gesellschaft zu den festzustellenden Sonderbedingungen und auf Teilnahme an den Soziologentagen. §  5. Die Stifter haben außerdem das Recht auf Teilnahme an den Hauptausschuß-Sitzungen mit beratender Stimme. §  6. Der Austritt eines Mitgliedes kann nur auf den Schluß eines Kalenderjahres erfolgen und muß spätestens ein Vierteljahr vor Ablauf desselben dem Vereinsvorstande schriftlich erklärt werden. Das ausscheidende Mitglied verliert jeden Anspruch an das Vereinsvermögen.

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§  7. Organe der Gesellschaft sind: 1. der Vorstand 2. der Hauptausschuß 3. die Sonderausschüsse 4. die etwa gemäß §  321 gebildeten Abteilungen 5. der Rechner. B. Der Vorstand.

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§  8. Der Vorstand besteht aus folgenden auf 3 Jahre, – bei Nach- oder Zuwahl auf den Rest der Periode, – bestellten Personen: 3 vom Hauptausschuß zu wählende Vorsitzende der Gesellschaft, ein ebenso zu wählender Schriftführer, 3 von diesen 4 Personen hinzuzuwählende andere Vorstandsmitglieder und je ein von jeder gemäß §  29 geschaffenen Abteilung hineindelegiertes Mitglied. §  9. Der Vorstand vertritt die Gesellschaft nach außen, gerichtlich und bei Rechtsgeschäften, mit unbeschränkter Vollmacht. Zur Legitimation genügt dabei die Unterschrift eines der Vorsitzenden und des Schriftführers. §  10. Dem Vorstand stehen innerhalb der Gesellschaft alle Befugnisse zu, welche nicht statutarisch oder durch Beschluß des Hauptausschusses diesem oder einem Sonderausschuß oder einem anderen Organ übertragen sind. §  11. Eine etwa unvermeidlich werdende Verausgabung von Geldmitteln über das im Etat vorgesehene Maß hinaus soll nur nach einstimmigem Vorstandsbeschluß und mit Zustimmung des Rechners erfolgen.  §  12. VII Zur Übernahme von Geldverbindlichkeiten ist stets die Zustimmung des Hauptausschusses einzuholen.

30

§  13. Seinen Geschäftsgang, die Verteilung der Arbeiten und der Zuständigkeiten unter seine einzelnen Mitglieder regelt der Vorstand nach eigenem Ermessen. Über alle Beschlüsse, seien sie in einer Sitzung oder schriftlich gefaßt, erhält jedes Vorstandsmitglied eine schriftliche Bestätigung.

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§  14. Der Vorstand ist befugt, jede ihm geeignet erscheinende Persönlichkeit mit beratender Stimme zuzuziehen. Der Rechner soll zu jeder Sitzung eingeladen werden. 1  Offensichtlich ist §  29 gemeint, §  32 gibt es nicht.

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie C. Der Hauptausschuß

§  15. Dem Hauptausschuß angehören können nur Personen, welche auf dem Gebiete der Soziologie oder ihrer Hilfsdisziplinen wissenschaftlich qualifiziert sind. §  16. Die Hauptausschuß-Mitgliedsschaft entsteht mit Annahme der vom Hauptausschuß vollzogenen Zuwahl. Die Höhe des Mitgliedsbeitrages der Hauptausschußmitglieder wird durch Selbsteinschätzung des Mitglieds bestimmt. §  17. Die Berufung des Hauptausschusses erfolgt durch briefliche Einladung jährlich mindestens einmal, im übrigen nach Ermessen des Vorstandes oder wenn ein Sonder-Ausschuß oder ein Fünftel der Hauptausschuß-Mitglieder sie unter Stellung bestimmter Anträge verlangt. §  18. Der Hauptausschuß beschließt über den Etat der Gesellschaft, erteilt nach Anhörung des Rechners dem Vorstand und den Sonder-Ausschüssen Decharge, wählt die 3 Vorsitzenden und den Schriftführer, die Sonder-Ausschüsse und den Rechner, ergänzt sich durch Zuwahl, welche, wenn nicht ein Fünftel seiner Mitglieder widerspricht, mit einstimmiger Zustimmung des Vorstandes auch schriftlich zulässig ist, und beschließt über die wissenschaftlichen Arbeiten der Gesellschaft. §  19. Die Beschlüsse des Hauptausschusses erfolgen mit einfacher Mehrheit, ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden. Beschlüsse auf Abänderung der Statuten bedürfen einer Mehrheit von zwei Drittel der Anwesenden. Beschlüsse auf Auflösung der Gesellschaft, welche zugleich, mit einfacher Mehrheit, über das Schicksal des Vermögens zu verfügen haben, bedürfen der zwei Drittel-Mehrheit bei Anwesenheit von drei Viertel aller Hauptausschuß-Mitglieder. Sind weniger Mitglieder anwesend, so muß eine neue Sitzung einberufen werden, deren Beschluß ohne Rücksicht auf die Präsenz gilt. 

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§  20. Die Sitzung leitet der jeweils älteste anwesende Vorsitzende der Gesellschaft oder ein anderes vom Vorstand dazu delegiertes Vorstandsmitglied.

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§  21. Das Protokoll führt ein Mitglied des Vorstandes oder ein von dem Vorsitzenden zu bezeichnendes ordentliches Mitglied. §  22. Der Hauptausschuß hat das Recht, jede ihm geeignet erscheinende Persönlichkeit mit beratender Stimme zuzuziehen.

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

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§  23. Über alle statutarisch nicht geordneten Geschäftsordnungsfragen einschließlich der Frage der Zulässigkeit schriftlicher Abstimmungen entscheidet der Hauptausschuß. D. Sonder-Ausschüsse. 5

§  24. Mit der Vorbereitung jedes Antrags auf Veranstaltung wissenschaftlicher Arbeiten und, im Fall seiner Annahme, mit der Leitung derselben, kann der Hauptausschuß einen Sonder-Ausschuß beauftragen, für den gleichzeitig ein Vorsitzender und regelmäßig 2 Mitglieder aus seiner Mitte von ihm zu wählen sind.

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§  25. Jeder Sonder-Ausschuß hat das unbeschränkte Recht der Zuwahl, doch sollen mit beschließender Stimme höchstens soviele Nichtmitglieder zugezogen werden, wie dem Sonder-Ausschuß Mitglieder der Gesellschaft angehören. Die Zusammensetzung und jede Änderung derselben ist dem Vorstand der Gesellschaft anzuzeigen. Der Hauptausschuß behält das Recht der Zuwahl und des Ausschlusses von Mitgliedern der Sonder-Ausschüsse.

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§  26. Jeder Sonder-Ausschuß ist befugt, sich nach Ermessen Geldmittel selbst zu beschaffen. Geldverbindlichkeiten namens der Gesellschaft einzugehen, ist er nicht berechtigt. Unterstützungen von außerhalb des Kreises der Mitglieder oder der Stifter der Gesellschaft stehenden Personen darf er nach Anzeige an den Schriftführer annehmen, falls nicht innerhalb 10 Tagen der Vorstand Einspruch dagegen erhebt und, auf Rekurs, der Hauptausschuß diesen bestätigt. §  27. Jeder Sonder-Ausschuß erstattet alljährlich Bericht und hat dem Verlangen des Vorstandes oder des Rechners nach Auskunft jederzeit sofort zu entsprechen. Von Sitzungen ist gleichzeitig mit Einladung der Sonder-Ausschußmitglieder dem Schriftführer und dem Rechner, bei sehr kurzer Frist auch möglichst allen am Ort anwesenden Vorstandsmitgliedern, direkt Mitteilung zu machen. Alle Vorstandsmitglieder und der Rechner haben die Befugnis der Teilnahme an den Sitzungen, jedoch hängt von ihrer Benachrichtigung und Anwesenheit die Gültigkeit der Beschlüsse nicht ab.  §  28. IX Jeder Sonder-Ausschuß behält sein Mandat, bis der Hauptausschuß es für erloschen erklärt und regelt seine Geschäftsführung nach Ermessen. E. Abteilungen.

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§  29. Der Hauptausschuß kann für wissenschaftliche Sondergebiete Abteilungen einrichten und dabei ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft und ihre Geschäftsordnung generell oder für jeden Einzelfall regeln oder ihnen die Regelung ihrer Geschäftsordnung und ebenso die Ausübung bestimmter einzelner von denjenigen Rechten ganz oder teilweise überlassen, welche nach den §§  18, 22, 24 ihm selbst zustehen.

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Anhang II: Statuten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie F. Rechner.

§  30. Der Hauptausschuß wählt auf 3 Jahre einen Rechner aus seinen Mitgliedern. Die erstmalige Wahl und jede notwendig werdende Ersatzwahl kann auch schriftlich erfolgen. §  31. Von allen unvorhergesehenen Geldoperationen und allen die Beschaffung von Geldmitteln betreffenden Abkommen mit Dritten haben der Vorstand und die Sonder-Ausschüsse dem Rechner Kenntnis zu geben. Er hat das Recht der Teilnahme an den Sitzungen des Vorstandes und der Sonder-Ausschüsse, prüft deren Rechnungen und berichtet darüber an den Hauptausschuß.

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Verzeichnisse und Register

Personenverzeichnis

Aufgenommen sind die Personen, die Max Weber in seinen Texten erwähnt. Allgemein bekannte Persönlichkeiten und literarische Gestalten sind davon ausgenommen. Die Einträge erfolgen in der Schreibung Max Webers.

Abbe, Ernst (23.1.1840–14.1.1905). Physiker und Unternehmer. 1861 Promotion in Göttingen, dann Lehrer beim Physikalischen Verein in Frankfurt a. M., 1863 Habilitation in Jena, Privatdozent für Mathematik und Physik ebd., 1870 a. o., 1879 o. Professor ebd.; 1866 Beginn der Zusammenarbeit mit Carl Zeiss, den er bei der industriellen Fertigung von Mikroskopen beriet, 1875 Teilhaber der Carl Zeiss-Werke in Jena, 1891 Gründer der Carl-Zeiss-Stiftung. Agricola, Georgius (24.3.1494–21.11.1555). Arzt, Philologe und Mineraloge. 1514–17 Studium der Theologie, Philosophie und Philologie in Leipzig; 1518–22 Konrektor, dann Rektor der Stadtschule in Zwickau und der griechisch-lateinischen Schule ebd., 1522/23 Lektor an der Universität Leipzig sowie Beginn des Medizinstudiums ebd., 1523–26 Studium der Medizin, Philosophie und Naturwissenschaften in Bologna, Venedig und Padua, 1524 wissenschaftlicher Mitarbeiter in Venedig beim Verlag Aldus Manutius zur Bearbeitung der Galen-Ausgabe; 1527–29 Stadtarzt in St. Joachimsthal, dort Hinwendung zur Mineralogie und Geologie, 1531–35 Stadtarzt und Landeshistoriograph für das sächsische Fürstenhaus in Chemnitz. Gilt als Begründer der Geowissenschaften und legte eine erste systematische Untersuchung des Bergbaus und des Hüttenwesens vor. Allmers, Hermann Ludwig (11.2.1821–9.3.1902). Schriftsteller. Erste Veröffentlichungen von Reiseberichten über die Alpen und Oberitalien in Bremer Zeitungen. 1849 Übernahme des elterlichen Hofes in der Osterstader Marsch, Verfasser des „Marschenbuches“ (1858); 1858/59 Aufenthalt in Rom, die dort gesammelten Eindrücke dienten als Grundlage seines bekanntesten Werkes „Römische Schlendertage“ (1868). Dichter des Studentenlieds „Dort Saaleck, hier die Rudelsburg“ (1846); seine Gedichte „Feldeinsamkeit“ und „Spätherbst“ wurden von Johannes Brahms vertont. Althoff, Friedrich (19.2.1839–20.10.1908). Preußischer Ministerialbeamter und Jurist. 1861 juristisches Staatsexamen, 1871 Referent für Kirchen- und Schulangelegenheiten in Straßburg; 1872 a. o., 1880 o. Professor für französisches Zivilrecht in Straßburg; 1882–97 als Vortragender Rat und Geheimer Regierungsrat Referent für Hochschulangelegenheiten im preußischen Kultusministerium, 1897–1907 Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung für das Universitäts- und höhere Unterrichtswesen, für Kunst- und Denkmalpflege sowie die nichtuniversitären Forschungsstellen; bedeutender Organisator und Modernisierer des preußischen Hochschulwesens. Wegen seiner Praxis, Berufungen über die Köpfe der

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Personenverzeichnis

Fakultät hinweg vorzunehmen, war er höchst umstritten. Max Weber wandte sich mit Schärfe, u. a. auf dem IV. Deutschen Hochschullehrertag 1911 in Dresden, gegen die autoritäre Komponente des „Systems Althoff“. Amira, Karl von (8.3.1848–22.6.1930). Rechtshistoriker. 1873 Promotion zum Dr. jur. in München, 1874 Habilitation und Privatdozent ebd.; 1875 o. Professor für Deutsches Recht und Kirchenrecht in Freiburg i. Br., seit 1893 für Staatsrecht in München. Begründer der Rechtsarchäologie, sein Forschungsschwerpunkt lag auf dem Gebiet der nordischen Rechtsgeschichte. Auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag 1908 in Jena setzte er sich für die Autonomie der Universitäten ein. Amonn, Alfred (1.6.1883–2.11.1962). Österreichischer Nationalökonom. 1907 Promotion zum Dr. iur. et rer. pol., 1910 Habilitation und Ernennung zum a. o. Professor in Fribourg; 1912 Professor in Czernowitz, 1920–26 Professor an der Deutschen Universität in Prag. Arnsperger, Ludwig (3.9.1837–17.7.1907). Badischer Ministerialbeamter und Jurist. 1860 erste, 1864 zweite juristische Staatsprüfung; zunächst im Sekretariat des badischen Justizministeriums, 1865 Amtmann im Bezirksamt Heidelberg, 1871 Oberschulrat; 1877 Ministerialrat im Innenministerium, 1881 Leiter des Referats für Wissenschaft und Künste im Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts, 1895–1901 Direktor des badischen Oberschulrates. Förderung der Lehrerbildung und Mitwirkung an Gesetzen zum Ele­men­tar­unterricht. Arons, Martin Leo (15.2.1860–10.10.1919). Physiker und Politiker. 1884 Promotion in Straßburg, 1888 Habilitation ebd., 1890 Privatdozent in Berlin; betätigte sich als Sozialpolitiker auf dem Feld der Volksbildung und Bildungsreform; infolge seiner Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei wurde er aufgrund eines eigens zu diesem Zwecke 1898 geschaffenen preußischen Gesetzes („Lex Arons“) 1900 von der Privatdozentur suspendiert. Beck, Hermann (25.8.1879 – nach 1932). Nationalökonom. 1902 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg bei → Karl Rathgen, 1902 Assistent an der Handelskammer Dresden, 1903/04 Geschäftsführer der Gesellschaft für wirtschaftliche Ausbildung (Akademie für Handels- und Sozialwissenschaften) in Frankfurt a. M., 1905 Leiter des Internationalen Instituts für Sozialbibliographie und bis 1912 Herausgeber der „Blätter für die gesamten Sozialwissenschaften“, 1907–18 Herausgeber der „Dokumente des Fortschritts“, 1912 Gründer und Leiter des „Deutschen Archivs der Weltliteratur“. 1909–14 und 1920 Geschäftsführer der DGS. Beer, Ludwig (8.5.1868–1935). Rechtswissenschaftler. 1892 Promotion zum Dr. jur. in Leipzig, 1900 Habilitation; 1900–03 Privatdozent, 1903–15 a. o. Professor für Internationales Recht, 1916 o. Professor ebd. Mitglied der Burschenschaft Frankonia.

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Below, Georg von (19.1.1858–20.10.1927). Verfassungs- und Wirtschaftshistoriker. 1883 Promotion in mittelalterlicher Geschichte zum Dr. phil. in Bonn, 1886 Habilitation in Marburg, 1888 Umhabilitation nach Königsberg; 1889 a. o. Professor ebd., 1891 o. Professor für Mittlere und Neuere Geschichte in Münster, 1897 in Marburg, 1901 in Tübingen und 1905–24 in Freiburg i. Br. Arbeiten zur mittelalterlichen Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte und zu Methodenproblemen der Geschichtswissenschaft. Bergbohm, Karl Magnus (18.9.1849–12.11.1927). Jurist. 1884 Promotion zum Dr. jur. in Dorpat; 1882–84 Syndikus der Universität Dorpat; 1884 vom Senat zum Professor für Staats- und Völkerrecht gewählt, jedoch von der Regierung nicht bestätigt, seit 1889 Privatdozent; 1893 a. o. Professor für Staatsrecht, Kirchenrecht und Rechtsphilosophie in Marburg, 1895 o. Professor in Bonn; 1885–97 assoziiertes Mitglied des „Institut de droit international“. Bernhard, Georg (20.10.1875–10.02.1944). Publizist. Buchhalter in einer Berliner Bank; seit 1896 Wirtschafts- und Finanzredakteur der „Welt am Montag“, 1898– 1903 Handelsredakteur der „Berliner Zeitung“; 1899–1902 Studium der Staatswissenschaften und des Öffentlichen Rechts in Berlin; 1901–03 Mitarbeiter bei der von → Maximilian Harden herausgegebenen Zeitschrift „Die Zukunft“ unter dem Pseudonym „Plutus“; 1904 Gründung der Zeitschrift „Plutus“; 1908 Direktionsmitglied und redaktioneller Leiter der Abteilung Tageszeitungen beim Ullstein-Verlag, 1914–30 Chefredakteur der „Vossischen Zeitung“. 1928–30 MdR für die DDP. 1933 Emigration nach Paris. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Bernhard, Ludwig (4.7.1875–16.1.1935). Nationalökonom. 1898 Promotion zum Dr. oec. publ. in München, 1902 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1903 Habilitation ebd.; 1904 Professor an der Akademie in Posen, 1906 o. Professor in Greifswald, 1907 in Kiel, 1908 vom Kultusministerium ohne Befragen der Fakultät auf ein neugeschaffenes Ordinariat an die Universität Berlin berufen, was zu Protesten in der Fakultät und der Öffentlichkeit führte, an denen sich auch Max Weber beteiligte. Bernheim, Ernst (19.2.1850–3.3.1942). Historiker. 1873 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg, 1875 Habilitation in Göttingen; 1883 a. o., 1889–1921 o. Professor für Mittelalterliche Geschichte und geschichtliche Hilfswissenschaften in Greifswald. Arbeiten zu mittelalterlichen Zeitanschauungen und zur historischen Methode. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Binz, Arthur (12.11.1868–25.1.1943). Chemiker. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1899 Habilitation für Technische Chemie in Bonn; 1906–18 o. Professor an der Handelshochschule Berlin, 1911–13 deren Rektor; 1918–21 Leiter der chemischen Abteilung des Speyer-Hauses Frankfurt a. M.; Arbeiten zur Weiterentwicklung von Salvarsan („heilendes Arsen“) sowie zur Verwendung von Schwermetallverbindungen als Heilmittel.

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Blanck, Friedrich (26.4.1855–17.4.1939). Journalist. Studium der Architektur in Aachen sowie der Nationalökonomie und Geschichte in Berlin ohne Abschluß; danach Redakteur in Wolff‘s Telegraphischem Bureau, Ende der 1890er Jahre Redaktionstätigkeit im Reichsamt des Innern an den „Nachrichten für Handel und Industrie“ und den „Berichten über Handel und Industrie“. 1904 Übersiedlung nach Heidelberg; 1910 Promotion zum Dr. phil. bei → Eberhard Gothein ebd. Böhm, Franz (25.12.1861–30.6.1915). Badischer Ministerialbeamter und Politiker. 1890 Ministerialsekretär im Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts, 1891 Amtsrichter, 1892–97 Staatsanwalt, seit 1897 wieder im Kultusministerium, 1899 Ministerialrat, 1905 Geheimer Oberregierungsrat, 1910 Ministerialdirektor, 1911–15 badischer Minister des Kultus und Unterrichts. Böhm-Bawerk, Eugen Ritter von (12.2.1851–27.8.1914). Österreichischer Nationalökonom und Politiker. 1872–80 im österreichischen Finanzdienst; 1875 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1880 Habilitation ebd.; 1881–84 a. o., 1884–89 o. Professor in Innsbruck; 1889–95 Ministerialrat, 1891 Sektionschef im Finanzministerium, 1895, 1897/98 und 1900–04 österreichischer Finanzminister; ab 1904 o. Professor in Wien. Neben Carl Menger und → Friedrich von Wieser ein Begründer der österreichischen Schule der Nationalökonomie (Grenznutzenschule), engagiert im Methodenstreit mit der Historischen Schule; bekannt u. a. durch sein Werk „Kapital und Kapitalzins“ (2 Bände, 1884–89). Bonn, Moritz Julius (28.6.1873–25.1.1965). Nationalökonom. 1895 Promotion zum Dr. oec. publ. bei → Lujo Brentano in München, hörte im WS 1895/96 bei Max Weber in Freiburg die Vorlesung „Geschichte des deutschen Rechts“; 1896– 98 Studium an der London School of Economics and Political Science, 1905 Habilitation in München; 1910 a. o. Professor und Direktor der Handelshochschule München, 1920–33 Dozent an der Handelshochschule Berlin, 1914–16 und 1924–26 Gastprofessor in den USA. 1919 Sachverständiger für Reparationsfragen bei der deutschen Friedensdelegation in Versailles. 1933 Emigration nach Entlassung aus rassistischen Gründen; 1933–38 lehrte er Politische Ökonomie an der London School of Economics and Political Science, 1939–46 Professor an verschiedenen Universitäten in den USA. Bortkiewicz, Ladislaus von (7.8.1868–15.7.1931). Nationalökonom und Statistiker. 1893 Promotion zum Dr. phil. bei → Wilhelm Lexis in Göttingen, 1895 Habilitation in Straßburg; 1897–1900 Beamter im russischen Verkehrsministerium; 1901 a. o., 1920–31 o. Professor für Staatswissenschaften und Statistik in Berlin. Beschäftigte sich vornehmlich mit Problemen der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Statistik. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Braig, Carl (10.2.1853–24.3.1923). Philosoph und Theologe. 1877 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen und Eintritt ins Rottenburger Priesterseminar, 1878 Priesterweihe, 1879 Repetent am Tübinger Wilhelmsstift, 1883–93 Stadtpfarrer in Wildbad bei Karlsruhe; 1887–92 Studienreisen nach Frankreich, England und Italien;

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1889 Promotion zum Dr. theol. in Freiburg i. Br., 1893 etatmäßiger Honorarprofessor für die philosophisch-theologischen Disziplinen der propädeutischen Theologie ebd., 1897 o. Professor für Dogmatik, 1907 Rektor ebd. Braun, Heinrich (23.11.1854–8.2.1927). Sozialpolitiker und Publizist. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Halle; 1883 zusammen mit Karl Kautsky und Wilhelm Liebknecht Begründer der „Neuen Zeit“, 1888–1903 Herausgeber des „Archivs für soziale Gesetzgebung und Statistik“ („Brauns Archiv“), das er 1903 an → Edgar Jaffé verkaufte, der es mit Max Weber und → Werner Sombart unter dem Titel „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ weiterführte, 1892–95 Herausgeber des „Sozialpolitischen Zentralblattes“, 1905–07 der „Neuen Gesellschaft“ und 1911–13 der „Annalen für Sozialpolitik und Gesetzgebung“. 1903/04 MdR für die Sozialdemokratische Partei. Breinlinger, Karl (4.11.1858–16.8.1921). Nationalökonom. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Gewerbelehrer Studium der Nationalökonomie und 1903 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg. Hörer Max Webers (1897 bis 1898/99) und von ihm über „Die Landarbeiter in ostelbischen Deutschland 1. Pommern, 2. Mecklenburg” promoviert. Brentano, Lujo (Ludwig Josef) (18.12.1844–9.9.1931). Nationalökonom. 1866 Promotion zum Dr. jur. utr. in Heidelberg, 1867 zum Dr. phil. in Göttingen, 1871 Habilitation in Berlin; 1872 a. o., 1873 o. Professor für Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte in Breslau, 1882 in Straßburg, 1888 in Wien, 1889 in Leipzig und 1891–1916 in München. Linksliberaler Vertreter der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie; führender „Kathedersozialist“, unternahm den Versuch einer wissenschaftlichen Begründung von Sozialpolitik. 1872 Mitbegründer des Vereins für Socialpolitik. Vertreter gewerkschaftsfreundlicher und freihändlerischer Ansichten. Seit 1893 persönliche Beziehungen zu Max Weber, den er trotz eines Zerwürfnisses im Jahr 1912 als Nachfolger auf seinen Münchener Lehrstuhl vorschlug; 1919 trat Weber die Nachfolge in München an. Breysig, Kurt (5.7.1866–16.6.1940). Historiker. 1889 Promotion zum Dr. phil. bei → Gustav Schmoller in Berlin, 1892 Habilitation ebd.; 1896 a. o. Professor für Neuere Geschichte, 1923–33 o. Professor für Soziologie in Berlin. Seine empirischen Forschungen sollten universalhistorische Entwicklungsgesetze nachweisen, nach denen sich die Menschheit zu immer höheren Kulturstufen entwickelt; suchte in seiner „Universalgeschichte“ die Weltgeschichte als Ganzes zu erklären. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Brunhuber, Robert (31.8.1878–5. oder 6.1.1909). Journalist und Ethnologe. Redakteur bei der „Kölnischen Zeitung“, Dozent für Journalismus an der Handelshochschule Köln, veröffentlichte 1908 „Das deutsche Zeitungswesen“. Auf einer Forschungsreise im chinesisch-tibetischen Grenzgebiet ermordet. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen.

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Brunner, Heinrich (21.6.1840–11.8.1915). Österreichischer Jurist und Rechtshistoriker. 1861–63 Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 1864 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1865 Habilitation und Privatdozent für Deutsches Privatrecht und Deutsche Rechtsgeschichte ebd., 1866 a. o., 1868 o. Professor für Deutsches Recht in Lemberg, 1870 in Prag, 1872 in Straßburg, 1873– 1915 in Berlin. Seit 1887 Leiter der Leges-Abteilung der „Monumenta Germaniae Historica“ und Mitherausgeber der „Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte“. Führender Erforscher der germanisch-fränkischen und frühen deutschen Rechtsgeschichte. Lehrer Max Webers in Berlin. Bücher, Karl Wilhelm (16.2.1847–12.11.1930). Nationalökonom. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1870–78 Gymnasiallehrer, 1878–80 Redakteur für Wirtschafts- und Sozialpolitik bei der „Frankfurter Zeitung“; 1881 Habilitation für Nationalökonomie in München; 1882 o. Professor für Statistik in Dorpat, 1883 für Nationalökonomie und Statistik in Basel, 1890 an der TH in Karlsruhe und 1892– 1917 in Leipzig. Seit 1874 Mitglied des Vereins für Socialpolitik, gehörte zum linken Flügel; 1901–03 mit Albert Schäffle Herausgeber und 1904–23 alleiniger Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“. Besonders bekannt durch seine Theorie der Wirtschaftsstufen; für Max Weber wichtiger Vertreter der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie; Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Bueck, Henry Axel (12.10.1830–4.7.1916). Wirtschaftsfunktionär. Nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung Gutsverwalter, 1860–73 Gutsbesitzer; 1866 Generalsekretär des Landwirtschaftlichen Centralvereins für Litauen und Masuren, 1873 des Langnamvereins, 1887–1910 Geschäftsführer des Centralverbands deutscher Industrieller, 1904–10 zusätzlich der Hauptstelle Deutscher Arbeitsgeberverbände. 1894–98 MdprAH für die Nationalliberale Partei. Burckhardt, Jacob (25.5.1818–8.8.1897). Schweizer Kultur- und Kunsthistoriker. 1843 Promotion zum Dr. phil. in Basel, 1844 Habilitation; 1846–55 a. o. Professor ebd., 1855–58 o. Professor für Kunstgeschichte in Zürich, ab 1858 für Geschichte und Kunstgeschichte in Basel. Begründer der wissenschaftlichen Kunstgeschichte und Historiker der abendländischen Kulturentwicklung. Busch, Dora → Jellinek, Dora Busch, Friedrich (10.8.1889–31.7.1915). Assistenzarzt an der Heidelberger Psychiatrie. 1911 Heirat mit → Dora Jellinek; Max und → Marianne Weber hielten bei der Hochzeitsfeier die Tischreden. 1915 gefallen. Cahn, Julius (15.6.1872–24.12.1935). Numismatiker. Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie in Berlin und Straßburg; 1896 Eintritt in die Münzhandlung seines Vaters, Mitarbeiter der „Frankfurter Münzzeitung“ und der „Deutschen Münzblätter“. Spezialist für die deutschen Münzen des Mittelalters.

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Cervantes Saavedra, Miguel de (9.10.1547–23.4.1616). Spanischer Dichter. Sein berühmtestes Werk ist „El ingenioso Don Quixote de la Mancha“ (1605–1615), eine Parodie auf den älteren Ritterroman. Cohen, Hermann (4.7.1842–4.4.1918). Philosoph. 1865 Promotion zum Dr. phil. in Halle, 1873 Habilitation in Marburg; 1875 a. o., 1876–1912 o. Professor für Philosophie in Marburg. Begründer der sog. Marburger Schule des Neukantianismus. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Conrad, Johannes (28.2.1839–25.4.1915). Nationalökonom. 1864 Promotion zum Dr. phil. in Jena, 1868 Habilitation; 1870 a. o. Professor ebd., 1872–1915 als Nachfolger von → Gustav Schmoller o. Professor in Halle. 1872 Mitbegründer des Vereins für Socialpolitik; 1889–95 Kommissionsmitglied bei den Beratungen zum zweiten Entwurf des BGB; seit 1870 Mitherausgeber der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“; Mitherausgeber des HdStW. Arbeiten zur Agrarstatistik und -politik sowie zur allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Cromwell, Oliver (25.4.1599–3.9.1658). Britischer Heerführer und Staatsmann. Mitglied des Parlaments von 1628/29 und des „Langen Parlaments“ von 1640– 53; im englischen Bürgerkrieg einer der Führer des königsfeindlichen Lagers gegen die absolutistische Politik Karls I.; schlug den 1641 begonnenen irischen Aufstand 1649 blutig nieder; verfügte 1652, um seine Soldaten mit Land zu entlohnen (Cromwellian Settlement), weitreichende Enteignungen und Umsiedlungen in Irland, so daß anschließend in keinem Teil Irlands der katholische Grundbesitz 50 Prozent überstieg. Nach dem Sieg betrieb er 1649 die Hinrichtung Karls  I.; im selben Jahr proklamierte er die Republik des „Commonwealth of England“ und stellte sich an die Spitze von deren Staatsrat; Rang und Titel eines „Lord Protector“ von England, Irland und Schottland führte er von der Sprengung des Parlaments 1653 bis zu seinem Tod. Daudert, Victor (24.6./6.7.1866–?). Nationalökonom und Jurist. Studium in Dorpat, Königsberg, Freiburg i. Br., Straßburg und Stuttgart; 1893/94 Tätigkeit bei der „Freiburger Zeitung“; 1894/95 Hospitant im Kameralistischen Seminar in Freiburg. Wurde Anfang 1895 von Max Weber mit einer Arbeit über die württembergische Biersteuer promoviert. David, Eduard (11.6.1863–24.12.1930). Journalist und Politiker. 1896 Leiter der „Mainzer Volkszeitung“, 1896 Mitarbeiter bei den „Sozialistischen Monatsheften“. 1896 Abgeordneter des Hessischen Landtages, 1903–18 und 1920–30 MdR für die SPD, 1919/20 Präsident der Weimarer Nationalversammlung; 1918 Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, 1919/20 Reichsinnenminister. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Delbrück, Berthold Gustav Gottlieb (26.7.1842–3.1.1922). Sprachwissenschaftler. 1861 Promotion zum Dr. phil. in ebd., 1866 Habilitation ebd.; 1867–70 Dozent

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für vergleichende Sprachwissenschaft Halle, 1870 a. o., 1873–1912 o. Professor für vergleichende Sprachwissenschaft und Sanskrit in Jena, 1908 Prorektor ebd. Delbrück, Hans (11.11.1848–14.7.1929). Historiker, Politiker und Publizist. 1873 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1874–79 Lehrer von Kronprinz Friedrich Wilhelms Sohn Waldemar; 1881 Habilitation in Berlin; 1885 a. o., 1895–1921 als Nachfolger → Heinrich von Treitschkes o. Professor für Geschichte ebd.; 1882– 85 MdprAH und 1884–90 MdR für die Deutsche Reichspartei; 1883–1919 als Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“ einer der einflußreichsten Publizisten der Wilhelminischen Zeit. In den 1890er Jahren Mitglied des Aktionskomitees des Evangelisch-sozialen Kongresses; im Ersten Weltkrieg Befürworter einer maßvollen Kriegszielpolitik und innerer Reformen, trat gegen die Alldeutschen für einen Verständigungsfrieden ein und gehörte 1919 mit Max Weber der sog. Professorenkommission für Kriegsschuldfragen in Versailles an. Schwager → Adolf von Harnacks. Dernburg, Friedrich (3.10.1833–3.11.1911). Jurist, Journalist und Politiker. Hofgerichtsadvokat in Darmstadt, 1875–90 Chefredakteur der „National-Zeitung“, seit 1894 Leiter des Feuilletons beim „Berliner Tageblatt“. 1866–75 Abgeordneter der 2. Kammer des Hessischen Landtags, 1871–81 MdR für die Nationalliberale Partei. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Diehl, Karl (27.3.1864–12.5.1943). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. phil. in Halle bei → Johannes Conrad, 1890 Habilitation ebd.; 1893 a. o. Professor in Halle, 1898 o. Professor in Rostock, 1899 in Königsberg, 1908–33 für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft in Freiburg i. Br. Mitglied im Verein für Socialpolitik; gehörte wie Max Weber zur sog. mittleren Generation des Vereins und vertrat als Gegner einer reinen, „exakten“ Nationalökonomie eine empirisch-realistische Methode. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Dietzel, Heinrich (19.1.1857–22.5.1935). Nationalökonom. 1879 Promotion zum Dr. jur. in Göttingen, 1882 zum Dr. phil. bei → Adolph Wagner in Berlin; 1885 a. o., 1887 o. Professor für Nationalökonomie in Dorpat, 1890–1925 in Bonn. Grundlegende Beiträge zur ökonomischen Theorie. Gehörte zum linken Flügel des Vereins für Socialpolitik, wirtschaftspolitisch ein Verfechter des Freihandels. Dilke, Sir Charles, 2nd Baron Dilke (4.9.1843–26.1.1911). Britischer Politiker. Seit 1869 Mitglied des House of Commons, 1880–82 Unterstaatssekretär im Außenministerium, 1882 im Privy Council unter der Regierung Gladstone und Mitglied des Local Government Board, 1885 Rückzug aus der Politik wegen eines Scheidungsskandals. Veröffentlichte u. a. „Greater Britain“ (1869) und „The British Empire“ (1899). Dove, Alfred (4.4.1844–19.1.1916). Historiker. 1866 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1867 Lehrer am Friedrichsgymnasium ebd.; 1870 Redakteur der Zeit-

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schrift „Die Grenzboten“, 1871–74 Redakteur der Wochenschrift „Im neuen Reich“; 1873 Habilitation in Leipzig; 1874 a. o., 1879 o. Professor für Geschichte in Breslau, 1884 in Bonn, 1897–1905 o. Professor für Neuere Geschichte in Freiburg i. Br.; 1895–97 Mitglied der Zentraldirektion der „Monumenta Germaniae Historica“; 1901–06 und 1907–12 Vorsitzender der Badischen Historischen Kommission. Dreyfus, Alfred (9.10.1859–12.7.1935). Französischer Offizier. 1882–89 Studium an der École polytechnique und an der École supérieure de guerre; 1889 Ernennung zum Hauptmann; 1893 Versetzung zum Generalstab; 1894 wegen angeblichen Verrats militärischer Geheimnisse an das Deutsche Reich aus der Armee ausgestoßen und zu lebenslänglicher Verbannung auf die Insel Cayenne in Französisch-Guyana verurteilt; nach Bekanntwerden von Indizien für ein unrechtmäßiges Verfahren aufgrund antisemitischer Tendenzen wurde die „Dreyfus-Affäre“ zum Auslöser der größten innenpolitischen Krise der Dritten Französischen Republik; 1899 Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Kriegsgericht in Rennes nach großen in- und ausländischen Protesten, erneute Verurteilung zu zehn Jahren Gefängnis, im gleichen Jahr Begnadigung durch den französischen Präsidenten, 1906 Rehabilitation durch den französischen Kassationshof, Wiederaufnahme in die Armee, Auszeichnung mit dem Kreuz der Ehrenlegion; 1914 Oberleutnant im Ersten Weltkrieg. Ahmed Dschemal Pascha (auch: Cemal Pascha oder: Ahmed Djemal). (6.5.1872– 25.7.1922). Türkischer General und Politiker. 1895 Abschluß der Ausbildung an der Generalstabsakademie; Inspekteur des Eisenbahnwesens; Gründungsmitglied des revolutionären, jungtürkischen Komitees „Einheit und Fortschritt“, führende Rolle beim jungtürkischen Aufstand 1908; 1909 Gouverneur in Kilikien, 1911/12 Generalgouverneur von Bagdad, 1913 Minister für öffentliche Arbeiten, 1914–18 Marineminister, 1914–17 Oberbefehlshaber der 4. Armee in Syrien, wo er für den Völkermord an den Armeniern mitverantwortlich war; 1918 Flucht nach Berlin, 1919 in Istanbul wegen der Beteiligung am Völkermord an den Armeniern in Abwesenheit zum Tode verurteilt; 1920 Militärberater der afghanischen Armee in ihrem Unabhängigkeitskampf gegen Großbritannien. Wurde in Tiflis erschossen. Persönliche Kontakte zu → Arthur Salz. Eckert, Christian (16.3.1874–27.6.1952). Nationalökonom. 1897 Promotion zum Dr. jur. in Gießen, 1898 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1901 Habilitation für Staatswissenschaften ebd.; 1901 Dozent für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Handelshochschule Köln; 1904 Studiendirektor, 1910–19 Direktor ebd., 1919–33 Professor an der neugegründeten Universität Köln, 1919/20 Direktor ebd. Eheberg, Karl von (1.2.1855–20.8.1941). Nationalökonom. 1878 Promotion zum Dr. rer. pol., 1880 Habilitation in Würzburg, 1882 Ernennung zum a. o., 1884 zum o. Professor für Nationalökonomie an der Universität Erlangen; 1893–1918 Präsi-

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dent des Landrates von Mittelfranken. Vertreter der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie. Ehrenberg, Richard (5.2.1857–17.12.1921). Nationalökonom. 1875–84 Tätigkeit im Bankgewerbe und Buchhandel, 1886 Promotion zum Dr. sc. pol. in Tübingen; 1889–97 Sekretär des Königlichen Kommerz-Kollegiums in Altona; 1897 aufgrund seiner wirtschaftshistorischen Publikationen ohne Habilitation Ernennung zum etatmäßigen a. o. Professor für Versicherungs- und Handelswirtschaft in Göttingen, 1899–1921 o. Professor für Staatswissenschaften in Rostock; 1901 Gründung des „Thünen-Archivs“ ebd., 1907 des Instituts für exakte Wirtschaftsforschung. Gegner der „Kathedersozialistischen Richtung“ in der Nationalökonomie; betonte die Bedeutung des Unternehmertums für die wirtschaftliche Entwicklung. Eltzbacher, Paul (18.2.1868–25.10.1928). Jurist. 1900 Promotion zum Dr. jur. in Halle, Privatdozent ebd.; 1906 Professor der Rechte an der Handelshochschule Berlin, 1919 in Göttingen. Arbeiten zum Anarchismus und Bolschewismus. Endres, Friedrich (Fritz) (15.10.1877–2.5.1963). Gewerkschafter und Politiker. 1891–1911 Kupferschmied und Eisenbahnhandwerker in Würzburg; 1908–27 Sekretär des SPD-Bezirks Franken, 1911–18 Sekretär des Kartells der freien Gewerkschaften in Würzburg, seit 1918 Geschäftsführer des Deutschen Metallarbeiterverbandes ebd.; 1912–18 Abgeordneter der bayerischen Abgeordnetenkammer für die SPD; 1918/19 des provisorischen Nationalrates, 1919/20 Mitglied der Weimarer Nationalversammlung; 1920–33 Geschäftsführer des SPD-Landesausschusses und der SPD-Landtagsfraktion im Bayerischen Landtag; 18.3.– 31.5.1919 bayerischer Staatsminister der Justiz, 31.5.1919–14.3.1920 Staatsminister des Inneren. Endres, Max (3.4.1860–9.11.1940). Forstwissenschaftler. 1884 Promotion zum Dr. oec. publ. in München; 1888 a. o., 1891 o. Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe, 1895–1930 o. Professor für Forstpolitik, Forstverwaltungslehre und Geschichte des Forst- und Jagdwesens an der Universität München, 1919/20 Dekan der Staatswirtschaftlichen Fakultät. Enneccerus, Ludwig (1.4.1843–1.5.1928). Jurist und Politiker. 1868 Promotion zum Dr. jur.; 1872 a. o. Professor in Göttingen, 1873 o. Professor für Römische Rechtsgeschichte in Magdeburg. 1882–98 MdprAH; 1887–90 und 1893–98 MdR für die Nationalliberale Partei. Maßgebliche Mitarbeit am Erlaß des BGB. Eßlen (Esslen), Joseph Bergfried (13.8.1879–22.4.1935). Nationalökonom. 1902 Promotion zum Dr. oec. publ. bei → Lujo Brentano in München, 1905 Habilitation ebd.; 1906 a. o., 1913 o. Professor für Nationalökonomie in Zürich, 1914 an der Handelshochschule in Berlin, 1919–27 in Göttingen. Arbeiten zur Geldtheorie.

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Eulenburg, Franz (29.6.1867–28.12.1943). Nationalökonom. 1892 Promotion zum Dr. phil. bei → Gustav Schmoller in Berlin, 1899 Habilitation bei → Karl Bücher in Leipzig; 1899–1905 Privatdozent ebd., 1905–17 a. o. Professor ebd., 1917 o. Professor an der TH Aachen, 1919 in Kiel und 1921–35 an der Wirtschaftshochschule in Berlin. 1943 in Gestapohaft gestorben. Mitglied im Verein für Social­ politik; gehörte zum engeren Kollegenkreis Max Webers; Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Fischer, Kuno (23.7.1824–5.7.1907). Philosoph. 1847 Promotion zum Dr. phil. in Halle; 1850 Habilitation und Privatdozent für Philosophie in Heidelberg, 1853 Entzug der Venia legendi wegen seines angeblichen Pantheismus, 1856–71 o. Professor für Philosophie in Jena, 1872–1906 in Heidelberg; Arbeiten zur Philosophiegeschichte und über Kant. Lehrer Max Webers. Fischer, Theobald (31.1.1846–17.8.1910). Geograph und Historiker. 1868 Promotion in Geschichte in Bonn, 1876 Habilitation in Geographie ebd.; 1879 o. Professor für Geographie in Kiel, 1883–1910 in Marburg; 1894/95 Rektor der Universität Marburg. Gehört zu den Mitbegründern der modernen Geographie in Deutschland; aufgrund seiner ausgedehnten Forschungstätigkeit in Marokko („Marokko-Fischer“) nahm er Einfluß auf die deutsche Kolonialpolitik. Frentzel, Carl (6.12.1827–10.6.1914). Journalist. 1848 Mitherausgeber des Revolutionsblattes „Der Freischärler“; 1853–62 Redakteur der „Unterhaltungen am häuslichen Herd“, 1862–1908 Feuilletonredakteur der „Berliner Nationalzeitung“, 1874–1914 Literatur- und Theaterkritiker der „Deutschen Rundschau“. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Freud, Sigmund (6.5.1856–23.9.1939). Mediziner, Psychiater und Neurologe. Begründer der Psychoanalyse. Promotion zum Dr.  med., 1885 Habilitation in Wien; 1885 Privatdozent für Neuropathologie in Wien, arbeitete seit 1886 als niedergelassener Nervenarzt; 1902 a. o., 1920 o. Professor für Neuropathologie in Wien; Psychotherapeutische Praxis. 1938 Emigration nach London. Seine Studien zur Hysterie brachten ihn zur Annahme einer Psychogenese bei bestimmten Neurosen, bei denen eine Heilung durch Bewußtwerdung des verursachenden Traumas gelang. Weber kannte seine frühen Schriften zur Hysterie. Freyberg, Karl Leopold Maria Freiherr von (15.11.1866–10.1.1940). Gutsbesitzer und Agrarpolitiker. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Übernahme des väterlichen Guts; ab 1893 verschiedene Ämter in landwirtschaftlichen Interessensvertretungen. 1905–18 Mitglied der bayerischen Abgeordnetenkammer für das Zentrum, 1907–11 MdR, 1919–24 Mitglied des Bayerischen Landtags für die BVP; 31.5.1919–14.3.1920 bayerischer Landwirtschaftsminister. Friedrich I. (9.9.1826–28.9.1907). Großherzog von Baden. Verfolgte mit den Kirchengesetzen von 1860, der Verwaltungsreform von 1863 sowie der Wahlrechts-

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reform von 1904 eine liberale Politik. Entschiedener Befürworter der deutschen nationalen Einigung. Fuchs, Carl Johannes (7.8.1865–4.12.1934). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. rer. pol. bei → Georg Friedrich Knapp in Straßburg, 1889 Habilitation in Staatswissenschaften ebd.; 1891 a. o., 1893 o. Professor für Nationalökonomie in Greifswald, 1897 als Nachfolger Max Webers in Freiburg i. Br., 1908–33 o. Professor der Staatswissenschaften in Tübingen. Zu seinen Hauptarbeitsgebieten zählten Agrargeschichte und Agrarwesen, Handelspolitik sowie die Wohnungsfrage. Seit 1897 Mitherausgeber der „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“. Fürstenberg-Stammheim, Franz Egon Graf von (24.3.1797–20.12.1859). Großgrundbesitzer und Politiker. 1847/48 Mitglied des Vereinigten Landtages, 1849 in die 1. Kammer, 1852 in die 2. Kammer des preußischen Landtages gewählt, wo er der liberal-konservativen Wochenblattpartei angehörte, 1855–59 MdprHH; Financier des „Preußischen Wochenblattes zur Besprechung politischer Tagesfragen“. Fustel de Coulanges, Numa Denis (18.3.1830–12.9.1889). Historiker. 1858 Promotion zum Dr. phil. in Alter Geschichte in Paris; 1860 Professor für Geschichte in Straßburg, 1860–70 Direktor des Straßburger Lycée, 1878 Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Sorbonne, seit 1875 Mitglied der Académie des sciences morales et politiques und seit 1880 Direktor des École normale supérieure. George, Stefan (12.7.1868–4.12.1933). Dichter. Studien der Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Paris, Berlin, München und Wien. 1892 Gründung der „Blätter für die Kunst“. Gruppenbildung einer geistigen Elite von Gelehrten, Dichtern und Künstlern. Hauptvertreter der deutschen Neoromantik, Verkünder einer neuen, ästhetisch begründeten Lebensphilosophie. In Heidelberg besuchte er häufig Friedrich Gundolf und trat über diesen auch in Kontakt zu Max Weber. Gierke, Otto (seit 1911) von (11.1.1841–10.10.1921). Jurist und Rechtshistoriker. 1860 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1867 Habilitation und Privatdozent des Deutschen Rechts; 1871 a. o. Professor ebd., 1872 o. Professor der Rechte in Breslau, 1884 in Heidelberg und 1887 o. Professor des Deutschen Privat- und Staatsrechts in Berlin. Galt als der führende Theoretiker des deutschen Genossenschaftsrechts; einer der profiliertesten Kritiker des BGB-Entwurfs vom germanistischen Standpunkt aus. Akademischer Lehrer von Max Weber; beurteilte dessen germanistische Exegese im Rahmen des Promotionsverfahrens und erstellte ein Zweitgutachten zu Webers „Geschichte der Handelsgesellschaften“ im Rahmen von dessen Habilitationsverfahren. Goldschmidt, Salli (22.5.1869–1941). 1889–95 Tätigkeit als Lehrer; 1895–99 Studium der Nationalökonomie in Heidelberg; 1899 Promotion zum Dr. phil. bei Max

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Weber mit einer Arbeit über die Landarbeiter in der Provinz Sachsen. Er gehörte zu Max Webers engerem Schülerkreis; für seine Dissertation wertete er Material aus, das 1892/93 im Rahmen der Enquete des Evangelisch-sozialen Kongresses auf Initiative Max Webers und Paul Göhres erhoben worden war. Mit Goldschmidts Auswertung wurde zugleich die von Max Weber herausgegebene Reihe „Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands“ 1899 eröffnet. Gothein, Eberhard (29.10.1853–13.11.1923). Nationalökonom und Kulturhistoriker. 1877 Promotion zum Dr. phil. bei Wilhelm Dilthey in Breslau, 1879 Habilitation ebd., 1884 Umhabilitation nach Straßburg; 1884 o. Professor für Nationalökonomie an der TH Karlsruhe, 1890 in Bonn, 1904–23 als Nachfolger Max Webers in Heidelberg. Seit 1904 ordentliches Mitglied der Badischen Historischen Kommission; Mitbegründer der Handelshochschulen Köln (1901) und Mannheim (1909). Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte der Renaissance und Gegenreformation. Seine „Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwalds“ wurde von Weber hoch geschätzt. Gehörte mit seiner Frau Marie Luise Gothein zum engeren Bekanntenkreis Max Webers in Heidelberg. Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich Edler von (bis zur Nobilitierung des Vaters 1907: Friedrich Gottl) (13.11.1868–19.10.1958). Nationalökonom und Soziologe. 1897 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1900 Habilitation ebd.; 1902 a. o., 1904 o. Professor an der TH Brünn, 1908 an der TH München, 1919 Lehrstuhl für Theoretische Nationalökonomie an der Universität Hamburg. Suchte, wie Max Weber und → Werner Sombart, eine Verbindung von ökonomischer Theorie und Geschichte sowie ökonomischer Theorie und Soziologie herzustellen; Versuch einer Grundlegung der Sozialwissenschaften. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Grünberg, Carl (10.2.1861–2.2.1940). Rechts-, Wirtschafts- und Sozialhistoriker, Agrarökonom und Jurist. 1886 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1890–93 Studium bei → Georg Friedrich Knapp in Straßburg; 1893 Hof- und Gerichtsadvokat in Wien; 1894 Habilitation; 1900 a. o. Professor, 1909 o. Professor für Politische Ökonomie ebd., 1924–31 Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Frankfurt a. M., 1911–30 Gründer und Herausgeber der Zeitschrift „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung“. Untersuchungen zur Agrarverfassung, Agrarwirtschaft und Arbeiterbewegung. Von den Nationalsozialisten ermordet. Haenisch, Konrad (14.3.1876–28.4.1925). Politiker und Journalist. 1895 Volontär bei der „Leipziger Volkszeitung“, 1899–1911 Mitarbeiter verschiedener sozialistischer Zeitungen, 1911 Leiter der SPD-Flugblattzentrale in Berlin; 1913–18 MdprAH für die SPD; 1918–21 Kultusminister in Preußen. Hallwich, Hermann (9.5.1838–11.4.1913). Böhmischer Historiker, Volkswirtschaftler und Politiker. 1862 Promotion zum Dr. phil. in Prag; 1864 Lehrer an der höheren Handelslehranstalt in Reichenberg; 1870 Sekretär der Handels- und

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Gewerbekammer ebd. Seit 1871 Mitglied des Böhmischen Landtages und des Reichsrats für die liberale Partei; 1878 Referent für Handels- und Zollverträge; 1892 Gründung des „Zentralverbandes der Industriellen Österreichs“. Arbeiten über Wallenstein und zur Industriegeschichte Böhmens. Hanssen, Georg (31.5.1809–19.12.1894). Agrarhistoriker und Nationalökonom. 1831 Promotion zum Dr. phil. in Kiel; 1834–37 Mitglied der deutschen Abteilung des Generalzoll- und Handelsdepartements in Kopenhagen; 1837 o. Professor in Kiel, 1842 in Leipzig, 1848 in Göttingen, 1860 in Berlin, Mitglied des Preußischen Statistischen Bureaus ebd., 1869 wieder in Göttingen. Einer der Begründer der agrarhistorischen Forschung in Deutschland mit starkem Einfluß auf August Meitzen. Harden, Maximilian (eigentl. Felix Ernst Witkowski) (20.10.1861–30.10.1927). Publizist. Nach einer Ausbildung zum Schauspieler seit 1884 Theaterkritiker und Journalist, u. a. für die Zeitschrift „Die Gegenwart“ und das „Berliner Tageblatt“; 1889 Mitbegründer des Theatervereins „Freie Bühne“ in Berlin und Berater Max Reinhardts bei der Eröffnung des Deutschen Theaters; gründete 1892 die Wochenzeitschrift „Die Zukunft“, bis 1922 deren Herausgeber, Redakteur und Hauptautor. Als Gegner Kaiser Wilhelms II. begann er 1906 eine Pressekampagne gegen dessen privates Umfeld. Harms, Bernhard (30.3.1876–21.9.1939). Nationalökonom. 1901 Promotion zum Dr. sc. pol. in Tübingen bei Gustav von Schönberg, 1903 Habilitation ebd.; 1906 a. o. Professor in Jena, 1906 o. Professor für Nationalökonomie an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim, 1908–33 in Kiel; 1911 Gründer des „Instituts für Seeverkehr und Weltwirtschaft“ ebd. Arbeiten über internationale Wirtschaftsbeziehungen und über Wirtschaftsorganisation. 1912/13 Auseinandersetzungen mit Max Weber über die Neugestaltung des „Handbuchs der politischen Ökonomie“ und die Berücksichtigung der Interessen der Erben Gustav von Schönbergs. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Harnack, Adolf (seit 1914) von (7.5.1851–10.6.1930). Evangelischer Theologe. 1873 Promotion zum Lic. theol. in Leipzig, 1874 Habilitation für Kirchengeschichte ebd.; 1876 a. o. Professor ebd., 1879 o. Professor in Gießen, 1886 in Marburg, 1888–1921 in Berlin. 1890 Mitbegründer des Evangelisch-sozialen Kongresses, 1903–11 dessen Vorsitzender; 1905–21 Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek; Initiator und 1911 erster Präsident der „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften“. Galt als Haupt der von Albrecht Ritschl beeinflußten reformtheologischen Richtung und nach Schleiermacher als der bedeutendste Vertreter einer historischen Theologie. Hasbach, Wilhelm (25.8.1849–30.4.1920). Nationalökonom. 1875 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen, nach einem zweijährigen Studienaufenthalt in England 1884 Habilitation für Staatswissenschaften in Greifswald; 1887 a. o. Professor ebd.,

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1888 in Königsberg, 1893–1906 o. Professor für Staatswissenschaften in Kiel. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Hazeltine, Harold D. (18.11.1871–23.1.1960). Amerikanischer Jurist und Historiker. 1905 Promotion zum Dr. jur. utr. in Berlin; 1906 Dozent am Emmanuel College in Cambridge, 1907 Mitglied der dortigen Akademie, seit 1919 Professor für Englisches Recht ebd. Herausgeber der „Cambridge Studies in English Legal History“. Hecht, Gustav (2.11.1872–?). Nationalökonom. Ab 1892 Studium der Rechtswissenschaften, 1895 Promotion bei → Gerhart von Schulze-Gaevernitz zum Dr. phil. in Freiburg i. Br. mit einer Arbeit über die Bevölkerungs- und Gewerbepolitik des französischen Merkantilismus und über Colberts politische und volkswirtschaftliche Grundanschauungen; die Dissertation erschien 1898 in den von Max Weber und Gerhart von Schulze-Gaevernitz mitherausgegebenen „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“. Hemmeter (auch: Hemeter), Walther (29.5.1889–23.10.1958). Jurist. 1918–21 Student der Staatswissenschaften in München. Trat im Januar 1920 während der Unruhen zum Fall Arco an der Universität München als nationalistischer Studentenvertreter in Erscheinung. Mitglied des Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbundes. Herkner, Heinrich (27.6.1863–27.5.1932). Nationalökonom. 1886 Promotion bei → Lujo Brentano zum Dr. rer. pol. in Straßburg; 1888 Dozent mit Lehrauftrag an der Universität Freiburg i. Br., 1890 a. o., 1892 o. Professor für Staatswissenschaften ebd., 1892 an der TH Karlsruhe, 1898 an der Universität Zürich, 1907 an der TH Charlottenburg, 1912 als Nachfolger → Gustav Schmollers in Berlin. Mitglied des Vereins für Socialpolitik, von 1917–29 dessen 1. Vorsitzender. 1897/98 Mitherausgeber der „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“. Arbeiten über eine theoretisch fundierte Sozialpolitik. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Hilferding, Rudolf (10.8.1877–11.2.1941). Ökonom, Politiker und Arzt. 1901 Promotion zum Dr. med. an der Universität Wien, 1901–06 Tätigkeit als Kinderarzt; 1906 Dozent für Nationalökonomie an der SPD-Parteischule in Berlin; 1907–15 Redakteur und Schriftleiter des „Vorwärts“; 1915–18 Feldarzt der österreichischungarischen Armee; 1917 Eintritt in die USPD, Chefredakteur des Parteiorgans „Freiheit“; 13.8.–6.10.1923 und 1928/29 Reichsfinanzminister; 1924–33 MdR für die SPD; 1933 Emigration in die Schweiz, 1938 nach Frankreich, in Gestapohaft umgekommen. Neben Otto Bauer und Max Adler maßgeblicher Theoretiker des Austromarxismus. Hoffmann, Johannes (3.7.1867–15.12.1930). Lehrer und Politiker. 1887–1908 und 1920–23 Volksschullehrer; 1903/04 Studium an der Handelshochschule Frankfurt a. M.; 1907–18 Mitglied der bayerischen Abgeordnetenkammer, 1918/19 des

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Provisorischen Nationalrates (Bayern), 1919–24.8.1920 des bayerischen Landtages; 1912 MdR für die SPD; 1919 Mitglied der Nationalversammlung, 1920–30 erneut MdR; 8.11.1918–21.2.1919 bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus und Stellvertreter des Ministerpräsidenten Kurt Eisner, nach dessen Ermordung vom 17.3.1919–14.3.1920 bayerischer Ministerpräsident, Minister des Äußeren sowie für Unterricht und Kultus. Holle, Ludwig (27.6.1855–12.12.1909). Preußischer Staatsminister. 1890 Hilfsarbeiter, 1892 Geheimer Rat, 1895 Geheimer Oberregierungsrat im Landwirtschaftsministerium, 1900 Landeshauptmann von Westfalen, 1904 Unterstaats­ sekretär im Ministerium der Öffentlichen Arbeiten und Leiter der Bauabteilung dieses Ministeriums; 1907 Minister der geistlichen, Unterrichts- und MedizinalAngelegenheiten und Mitglied des Staatsrats. Hörnigk, Philipp von (23.1.1640–23.10.1714). Österreichischer Nationalökonom. Ab 1673 Arbeit an einer Gewerbestatistik für die deutschen und böhmischen Erblande; 1680 Sekretär des österreichischen Gesandten in Berlin; 1684 Ernennung zum kaiserlichen Secretarius; seine Arbeit „Österreich über alles, wann es nur will“ war eine der einflußreichsten Schriften des Merkantilismus. Husserl, Edmund (8.4.1859–27.4.1938). Philosoph. 1882 Promotion bei Leo Königsberger zum Dr. phil. in Wien, 1886 Habilitation in Halle; 1887 Privatdozent ebd., 1894 a. o. Professor, 1901 o. Professor für Philosophie in Göttingen, 1916–28 als Nachfolger → Heinrich Rickerts in Freiburg i. Br. Begründer der Phänomenologie. Jaffé, Edgar (14.5.1866–29.4.1921). Kaufmann, Nationalökonom und Politiker. 1883–87 Tätigkeit als Kaufmann in Spanien und Frankreich, 1888–98 Teilhaber und Geschäftsführer der von seinem Vater gegründeten Textilexportfirma in Manchester; Studium der Staatswissenschaften und Philosophie in Berlin und Heidelberg; 1902 Promotion zum Dr. phil. bei → Karl Rathgen in Heidelberg mit einer Studie zum englischen Bankenwesen, 1904 Habilitation und 1905–10 Privatdozent ebd., seit 1905 zusätzlich Lehrtätigkeit an der Handelshochschule Mannheim; 1909 a. o. Professor für Geld-, Bank- und Börsenwesen ebd., 1910 hauptamtlicher Dozent für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Handelshochschule München; seit 1910 a. o. Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Staatswirtschaftlichen Fakultät München. 1914/15 wissenschaftlicher Sachverständiger für Bankfragen beim Generalgouvernement in Brüssel. Vom 9.11.1918–21.2.1919 bayerischer Finanzminister. Eigentümer und seit 1904 mit → Werner Sombart und Max Weber Herausgeber des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“, 1916 Herausgeber der „Europäischen Staats- und Wirtschaftszeitung“. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Verheiratet mit Else Jaffé, geb. von Richthofen. Jastrow, Ignaz (13.9.1856–2.5.1937). Historiker und Nationalökonom. 1878 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1885 Habilitation in Geschichte in Berlin und

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1892 in Staatswissenschaften ebd.; 1895 Privatdozent in Berlin, 1905 a. o., 1920 o. Professor an der Handelshochschule Berlin, 1906–09 deren erster Rektor. Herausgeber und Begründer der Zeitschriften „Soziale Praxis“ und „Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie“. Arbeiten zur Sozialpolitik und zur nationalökonomischen Theorie. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Von Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Jellinek, Camilla, geb. Wertheim (24.9.1860–5.10.1940). Repräsentantin der deutschen Frauenbewegung. 1900–33 im Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) tätig, Vorsitzende und Leiterin der Rechtsschutzkommission für Frauen in Heidelberg, 1907 Vorsitzende der Rechtskommission des BDF, seit 1915 Mitglied des Gesamtvorstandes; kämpfte schon früh gegen den §  218 StGB. Gehörte mit ihrem Mann → Georg Jellinek zum Freundeskreis von Max und → Marianne Weber. Jellinek, Dora bzw. Clara Dorothee (5.1.1888–23.3.1992). Tochter von → Camilla und → Georg Jellinek. 1911 Heirat mit dem 1915 gefallenen Assistenzarzt → Friedrich Busch; 1922 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg; 1923–33 Lehrerin an einem Mädchenrealgymnasium, 1933 aus rassistischen Gründen Entlassung aus dem Schuldienst; 1944/45 im Konzentrationslager Theresienstadt. Max und → Marianne Weber hielten beide eine Rede auf ihrer Hochzeit 1911. Jellinek, Georg (16.6.1851–12.1.1911). Staats- und Völkerrechtler. 1872 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig, 1874 zum Dr. jur. in Wien; 1874–76 Tätigkeit im österreichischen Verwaltungsdienst; 1879 Habilitation für Rechtsphilosophie in Wien; 1883 a. o. Professor für Staatsrecht ebd., 1889 o. Professor in Basel, 1890– 1911 o. Professor für Staatsrecht, Völkerrecht und Politik in Heidelberg. Seinem Werk „Allgemeine Staatslehre“ (1900) verdankte Max Weber wesentliche Anregungen. Seit Mitte der 1890er Jahre freundschaftlich mit Max Weber verbunden. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Johann I. (12.12.1801–29.10.1873). König von Sachsen (seit 1854). Nach Verabschiedung der Verfassung von 1831 geborenes Mitglied der I. Kammer. Reformierte das Hochschulwesen und die Justiz. Durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes und die Einführung der Gewerbefreiheit trug er wesentlich zur Modernisierung Sachsens bei. 1862 Abschluß eines Handelsvertrags mit Frankreich, Befürworter einer großdeutschen Lösung. Übersetzte unter dem Pseudonym Philalethes die „Divina Comedia“ von Dante Alighieri ins Deutsche (3 Bände, 1839–49). Kantorowicz, Hermann (Ulrich) (Pseudonym: Gnaeus Flavius) (18.11.1877– 12.2.1940). Jurist. 1904 Promotion zum Dr. jur. in Heidelberg, 1907 Habilitation in Freiburg i. Br.; dort seit 1908 Privatdozent für Strafrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte; 1913 a. o. Professor ebd., 1923 a. o. Professor für juristische Hilfswissenschaften ebd., 1929–33 o. Professor für Strafrecht in Kiel, 1933 Entlassung durch die Nationalsozialisten; Emigration in die USA, Tätigkeit an der

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New School for Social Research, 1935–40 Vorlesungstätigkeit in Cambridge, Oxford und Glasgow, 1937 Assistent Director of Research in Law in Cambridge. Wichtige rechtshistorische Arbeiten auf dem Gebiet des Römischen und Kanonischen Rechts. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909 und Referent auf dem Ersten Deutschen Soziologentag 1910. Kollegiale Beziehungen zu Max Weber seit dem Sommer 1908. Kaufmann, Georg (9.9.1842–28.12.1929). Historiker. 1864 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1864–88 Gymnasiallehrer in Göttingen und Straßburg; 1888–91 o. Professor für Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit in Münster, 1891–1921 in Breslau. Teilnehmer beim IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden 1911. Keeß, Stephan Ritter von (31.10.1774–13.6.1840). Historiker. 1810 erster Kommissar der niederösterreichischen Fabrikinspektion; 1835 Leiter des 1819 von ihm mitgegründeten Technischen Kabinetts in Wien. Mehrere Schriften über die Entwicklung des Handels- und Fabrikwesens in Österreich. Kindermann, Carl (10.8.1860–21.4.1938). Jurist und Nationalökonom. 1885 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1885–88 Gerichtsreferendar, 1889 Promotion zum Dr. phil. in Nationalökonomie in Heidelberg, 1889–93 Privatgelehrter, 1894 Habilitation; 1899 a. o. Professor ebd., 1906–30 o. Professor der Volkswirtschaftslehre an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim und an der TH Stuttgart. Die Ernennung zum a. o. Professor in Heidelberg erfolgte auf Antrag Max Webers. Kirdorf, Emil von (8.4.1847–13.7.1938). Industrieller. 1873–93 Vorstandsvorsitzender der neugegründeten Gelsenkirchener Bergwerks-AG, 1893–1926 Generaldirektor, seit den 1890er Jahren Verfechter der Kartell-Politik; im Ersten Weltkrieg Eintreten für weitreichende Annexionen. Führender Repräsentant und Organisator des Rheinisch-Westfälischen Kohlesyndikats. Kleinwächter, Friedrich (seit 1909) von (25.2.1838–12.12.1927). Österreichischer Rechtswissenschaftler und Nationalökonom. 1862 Promotion zum Dr. jur. in Prag, 1865 Habilitation, 1865–71 Privatdozent für Politische Ökonomie ebd.; 1872 o. Professor für Nationalökonomie und Statistik am Polytechnikum in Riga, 1875 o. Professor für Staatswissenschaften an der Universität Czernowitz, 1882/83 und 1893/94 Rektor ebd. Arbeiten zum Kartellwesen. Knapp, Georg Friedrich (7.3.1842–20.2.1926). Nationalökonom, Statistiker und Agrarhistoriker. 1865 Promotion zum Dr. phil. bei Johann Helferich in Göttingen; 1867 Direktor des Statistischen Bureaus der Stadt Leipzig; daneben seit 1869 a. o. Professor für Statistik ebd., 1874–1918 o. Professor für Nationalökonomie und Statistik in Straßburg. Gründungsmitglied des Vereins für Socialpolitik; Vertreter der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie. Galt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der preußischen Agrarentwicklung. Seit Beginn der 1890er Jahre mit Max Weber bekannt.

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Knies, Karl (29.3.1821–3.8.1898). Nationalökonom. 1846 Promotion zum Dr. phil. in Marburg, im gleichen Jahr Habilitation und Tätigkeit als Privatdozent für Geschichte und Staatswissenschaften ebd., 1849 Dozent an der Höheren Ge­werbeschule Kassel, 1852 Lehrer an der Kantonsschule Schaffhausen; 1855 o. Professor für Kameralwissenschaften in Freiburg i. Br., 1865–96 in Heidelberg. 1861–66 Mitglied der 2. Badischen Kammer, 1877–87 der 1. Badischen Kammer, 1882 deren Vizepräsident. Zusammen mit Wilhelm Roscher und Bruno Hildebrand einer der Begründer der älteren Historischen Schule der Nationalökonomie. 1897 übernahm Max Weber seinen Lehrstuhl. Kopetz, Wenzel Gustav (seit 1833) von (15.1.1782–31.1.1857). Österreichischer Jurist. 1806 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1808–49 o. Professor der Politischen Wissenschaften in Prag; seit 1845 Mitglied der Studienhofkommission in Wien. Arbeiten zur politischen Gesetzeskunde. Kreutzberg (eigentl. Heinrich David Ascher), Karl Joseph (5.5.1802–23.10.1870). Österreichischer Nationalökonom und Statistiker. 1826 Eintritt in den Staatsdienst in Pilsen; Mitorganisator der Prager Gewerbeausstellung von 1831; 1834/35 Herausgeber der „Mitteilungen für Gewerbe und Handel“; seit 1835 freier Wirtschaftskorrespondent und Schriftsteller. Arbeiten über Gewerbe und Industrie in Böhmen. Krieger, Albert (17.4.1861–8.8.1927). Archivar. 1885 Hilfsarbeiter im Generallandesarchiv Karlsruhe, 1889 nebenamtlicher Stadtarchivar von Karlsruhe, 1890 Archivassessor, 1892 etatmäßiger Hilfsarbeiter im Generallandesarchiv Karlsruhe, 1893 Oberarchivrat ebd.; 1893–1927 ordentliches Mitglied der Badischen Historischen Kommission, 1906–27 deren Geschäftsführer. Kries, Johannes von (6.10.1853–30.12.1928). Physiologe. Nach dem Staatsexamen in Leipzig 1876/77 am Physikalischen Institut bei Hermann von Helmholtz in Berlin, 1878 Habilitation für Physiologie in Leipzig; 1880 a. o. Professor für Physiologie in Freiburg i. Br., 1883–1924 o. Professor ebd. Neben Arbeiten zur Physiologie auch Studien zur Logik, die von Weber sehr geschätzt wurden. Krüger, Herman Anders (Pseudonym: Caligula Quitte) (11.8.1871–10.12.1945). Literaturwissenschaftler und Schriftsteller. Seit 1893 Tätigkeit als Lehrer; 1898 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig, 1905 Habilitation an der TH Hannover; 1905–14 Privatdozent ebd., 1909–13 Professor für deutsche Literaturgeschichte ebd.; 1913 Ausscheiden aus dem Staatsdienst und Tätigkeit als Schriftsteller. Hauptwerk: „Gottfried Kämpfer“ (1904). Teilnehmer beim IV. Deutschen Hochschul­leh­rer­tag in Dresden 1911. Krüger, Paul (20.3.1840–11.3.1926). Jurist und Historiker. 1861 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1864 Habilitation ebd.; ab 1864 Mitarbeiter an → Theodor Mommsens Ausgabe der Digesten Kaiser Justinians; 1872 o. Professor für

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Rechtswissenschaften in Marburg und Innsbruck, 1873 in Königsberg, 1888 in Bonn. 1892 Rezensent von Max Webers Habilitationsschrift. Kuyper, Abraham (29.10.1837–8.11.1920). Reformierter Theologe, Publizist und Politiker. 1862 Promotion in Theologie; 1863 Pfarrer in Bees, 1867 in Utrecht, 1869 in Amsterdam; 1870 Eigentümer, 1871 Chefredakteur des Wochenblatts „Héraut“, seit 1878 dessen Schriftleiter, 1872 Gründer, Schriftleiter und späterer Eigentümer der Tageszeitung „De Standaard“; 1874 Abgeordneter in der 2. Kammer des Parlaments und Niederlegung des Pfarramtes; 1880 Gründung der „Vrije Universiteit Amsterdam“, 1880–1901 Professor für Systematik ebd.; 1881 Vorsitzender der „Antirevolutionaire Partij“; 1886 Gründer und Führer der „Doleantie“, einer Austrittsbewegung aus der „Nederlandse Hervormde Kerk“; 1901–05 Ministerpräsident, 1913–20 Senator. Vertrat als Theologe eine neucalvinistische Position gegen den Modernismus; forderte als Politiker eine gegen Liberalismus und Sozialismus gerichtete „christliche Politik“ sowie Konfessionsschulen. Laband, Paul (24.5.1838–23.3.1918). Jurist. 1858 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1861 Habilitation und Privatdozent in Heidelberg; 1864 a. o., 1866 o. Professor für Deutsches Recht in Königsberg, 1872–1918 o. Professor für Staatsrecht an der neugegründeten Universität Straßburg, 1880 Mitglied des Staatsrats und seit 1911 Mitglied der 1. Kammer des Landtages von Elsaß-Lothringen. Führender Vertreter der sog. realistischen Rechtsschule. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Lamprecht, Karl (25.2.1856–10.5.1915). Historiker und Geschichtsphilosoph. 1878 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig; 1879/80 Lehrer in Köln; 1880 Habilitation und Privatdozent in Bonn; 1885 a. o. Professor ebd., 1890 o. Professor für Mittelalterliche und Neuere Geschichte in Marburg, 1891–1915 in Leipzig; 1881 Mitbegründer der ersten deutschen landesgeschichtlichen historischen Kommission, der „Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde“; löste mit seiner zwölfbändigen „Deutschen Geschichte“ (1891–1909) in der Geschichtswissenschaft einen Methodenstreit (den sog. Lamprecht-Streit) aus. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909; Teilnehmer beim III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig 1909. Landmann, Julius (6.8.1877–8.11.1931). Österreichischer Nationalökonom. 1900 Promotion zum Dr. phil. in Bern; 1901–06 Sekretär beim Internationalen Arbeitsamt in Basel, 1907–10 Vorsteher des Statistischen Büros der Schweizerischen Nationalbank; seit 1910 Professor für Nationalökonomie in Basel. Arbeiten zur schweizerischen Sozialpolitik und zum Bankenwesen; stand dem Kreis um → Stefan George nahe. Lederer, Emil (22.7.1882–29.5.1939). Nationalökonom. 1905 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1911 Promotion bei → Lujo Brentano zum Dr. rer. publ. in München, 1912 Habilitation und Privatdozent für Nationalökonomie in Heidelberg; 1920 a. o., 1922–31 o. Professor ebd., 1923–25 Gastprofessur in Tokio, 1931 Nachfol-

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ger → Werner Sombarts in Berlin; 1933 Entlassung und Emigration in die USA, Professor und Gründungsdekan der University in Exile, der späteren Graduate Faculty of Political and Social Science, an der New School of Social Research in New York. 1918–21 Mitglied der österreichischen und der deutschen Sozialisierungskommission. Seit 1910 Redaktionssekretär, 1918 Mitwirkung an der Schriftleitung und 1922–33 Herausgeber des AfSSp. Arbeiten zur Wirtschaftstheorie, Krisen- und Lohnpolitik, zur Lage der Angestellten und zur politischen Soziologie. Leist, Gerhard Alexander (17.10.1862–3.12.1918). Jurist. 1885 Promotion zum Dr. jur. in Tübingen, 1889 Habilitation und Privatdozent in Halle, 1892 a. o. Professor in Göttingen, 1893 in Marburg, 1895 o. Professor für Römisches und Deutsches Recht in Gießen, 1917–18 o. Professor in Göttingen. Arbeiten u. a. zum Handelsrecht, insbesondere zum Differenzgeschäft. Leitenberger, Franz (29.6.1761–7.4.1825). Österreichischer Textilindustrieller. Erlernte die Kattundruckerei im väterlichen Betrieb und leitete seit 1786 die Kattundruckereien in Neu-Reichstadt und in Josefsthal; Erweiterung der Produktionsschwerpunkte um Lohnbleicherei, Weberei und Maschinenspinnerei; dazu die Untersuchung „Firma Franz Leitenberger“ von → Hermann Hallwich. Leser, Emanuel (26.9.1849–20.5.1914). Nationalökonom. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1873 Habilitation in Heidelberg; 1881–1914 a. o. Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaften in Heidelberg. Kollege Max Webers. Leviné, Eugen (10.5.1883–5.6.1919). Politiker. 1897 Übersiedlung von St. Petersburg nach Wiesbaden, 1903 Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, 1904 in Berlin; 1905 Teilnahme an der Revolution in Rußland, dort 1906 und 1908 inhaftiert; 1909 Studium der Nationalökonomie in Heidelberg und Promotion zum Dr. phil. ebd.; Mitglied der SPD; während des Ersten Weltkrieges Dolmetscher in einem Kriegsgefangenenlager; 1917 Wechsel zur USPD, Mitbegründer des Spartakusbundes, seit März 1919 Führer der KPD in Bayern, im April 1919 Anführer der zweiten Münchner Räterepublik, nach deren Niederschlagung im Mai 1919 Festnahme und wegen Hochverrats hingerichtet. Verheiratet mit → Rosa Meyer-Leviné. Leviné, Rosa → Meyer-Leviné, Rosa Lexis, Wilhelm (17.7.1837–24.8.1914). Mathematiker und Nationalökonom. 1859 Promotion in Bonn mit einer Arbeit zur methodischen Physik, 1861 volkswirtschaftliche Studien in Paris; 1872 a. o. Professor für Volkswirtschaftslehre in Straßburg, 1874 o. Professor für Geographie, Ethnographie und Statistik in Dorpat, 1876 o. Professor der Nationalökonomie in Freiburg i. Br., 1884 in Breslau und 1887–1914 in Göttingen. Mitherausgeber des „Handwörterbuchs der Staatswissenschaften“ und ab 1891 der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909.

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Liefmann, Robert (4.2.1874–20.3.1941). Nationalökonom. 1897 Promotion bei Max Weber zum Dr. phil. in Freiburg i. Br., 1900 Habilitation in Gießen, 1904 Privat­dozent in Freiburg i. Br., dann a. o. Professor für Nationalökonomie ebd., 1914–33 o. Professor ebd.; 1933 Entzug der Lehrerlaubnis, 1940 Deportation nach Frankreich, 1941 Tod im Sammellager Gurs (Pyrenäen). Führender deutscher Kartelltheoretiker seiner Zeit, 1895 von Max Weber zu diesem Thema angeregt. Lindner, Gregor (29.9.1831–9.4.1917). Österreichischer Geistlicher und Heimatforscher. 1854 Priesterweihe, Kaplan in St. Joachimsthal, 1882 Bezirkssekretär, 1885 Vikariatsverweser, 1886 Bezirksvikar ebd., 1899 Kanonikus des Kollegiatkapitels Altbunzlau. Verfasser zahlreicher Schriften über die Geschichte St. Joachimsthals. Liszt, Franz Ritter von (2.3.1851–21.6.1919). Straf- und Völkerrechtler. 1873 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1875 Habilitation in Graz; 1879 o. Professor der Rechte in Gießen, 1882 in Marburg, 1889 in Halle, 1899 in Berlin. 1889 Mitbegründer der „Internationalen Kriminalistischen Vereinigung“. Seit 1908 MdprAH für die Freisinnige Volkspartei (seit 1910 Fortschrittliche Volkspartei), 1912–18 MdR. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Löbl, Emil (5.2.1863–26.8.1942). Schriftsteller und Journalist. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1882 Redakteur der „Presse“, 1898 stellvertretender, 1909 Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, 1917–38 Chefredakteur des „Neuen Wiener Tagblatts“, 1938 aus rassistischen Gründen entlassen. Mitglied des Preßdepartements im Ministerratspräsidium, Vizepräsident der österreichischen Gesellschaft für Zeitungskunde. Mit „Kultur und Presse“ (1903) legte er eine erste systematische Analyse des modernen Zeitungswesens vor. Von Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Loria, Achille (2.3.1857–6.11.1943). Italienischer Nationalökonom und Soziologe. 1877 Promotion in Bologna; 1881 a. o. Professor für politische Ökonomie, 1884 o. Professor in Siena, 1891–1903 in Padua, 1903–32 in Turin. Lotz, Walther (21.3.1865–13.12.1941). Nationalökonom. 1887 Promotion zum Dr. rer. pol. bei → Lujo Brentano in Straßburg, 1888/89 im Bankfach tätig; 1890 Habilitation bei Brentano und Privatdozent in Leipzig; 1891 Honorar-, 1892 a. o., 1897– 1935 o. Professor für Finanzwissenschaft, Statistik und Nationalökonomie in München. Zusammen mit Brentano Herausgeber der „Münchener Volkswirtschaftlichen Studien“. Seit seiner Studienzeit mit Max Weber befreundet und sein Fachkollege in München. Ludendorff, Erich (9.4.1865–20.12.1937). General. 1908–12 Chef der Auf­marsch­ abteilung im Großen Generalstab, Ende August 1914 Stabschef Paul v. Hindenburgs bei der 8. Armee im Osten („Tannenberg“), seit August 1916 als 1. Generalquartiermeister neben Hindenburg mit der militärischen Gesamtleitung des

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Krieges beauftragt; setzte im Januar 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg durch; maßgeblich beteiligt an zahlreichen Eingriffen in die Innenpolitik; verfolgte mit den Verhandlungen von Brest-Litowsk eine weitreichende Annexionspolitik; verlangte Ende September 1918 den sofortigen Waffenstillstand; Entlassung am 26. Oktober 1918; verbreitete zusammen mit Hindenburg die Legende vom „Dolchstoß“; im März 1920 am Kapp-Lüttwitz-Putsch und im November 1923 am Hitler-Putsch beteiligt. Luger, Adolf (1867–1921). Lehrer. Vorsteher der Gewerbeschule in Emmen­ dingen (Baden). 1897/98 Gasthörer Max Webers in Heidelberg. Mattes, Wilhelm (8.7.1892–27.12.1952). Politiker. 1921 Promotion zum Dr. oec. publ. mit einer Untersuchung über die baye­rischen Bauernräte. 1921–31 Mitglied des badischen Landtags für die DVP, ab 1925 Fraktionsvorsitzender; 1931–33 badischer Finanzminister; von den Nationalsozialisten aller seiner politischen Ämter enthoben; 1945/46 Finanzminister Groß-Hessens. Doktorand Max Webers in München. Mat(t)hesius, Johann(es) (24.6.1504–7.10.1565). Theologe. 1529/30 Studium der Theologie in Wittenberg, 1532 Rektor der St. Joachimsthaler Lateinschule, 1540–42 erneutes Studium in Wittenberg, insbesondere bei Martin Luther und Philipp Melanchthon. Zum Umkreis Luthers gehörend, zeichnete er dessen Tischreden auf; 1542 Ordination durch Luther; seit 1545 Pfarrer in St. Joachims­ thal. Verfasser der „Joachimsthaler Chronik“. Mayr, Georg (seit 1879) von (12.2.1841–6.9.1925). Statistiker, Wirtschafts- und Finanzpolitiker. 1868 a. o. Professor in München, 1869–79 Leitung des Bayerischen Statistischen Bureaus, 1872 unter Beibehaltung beider Ämter Ministerialrat im Bayerischen Ministerium des Innern, 1879–87 Kaiserlicher Unterstaatssekretär der Finanzabteilung im Ministerium für Elsaß-Lothringen in Straßburg; 1891 Habilitation für Nationalökonomie ebd.; 1895 Honorarprofessor ebd., 1898–1920 o. Professor für Statistik, Finanzwissenschaft und Nationalökonomie in München. 1890 Gründung der Zeitschrift „Allgemeines statistisches Archiv“. Mitglied des Vereins für Socialpolitik; Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Meerovich, Gregor (22.6.1880–?). Nationalökonom. 1909 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg. Von Weber für die Mitarbeit an der Presseenquete der DGS vorgesehen. Menger (von Wolfensgrün), Anton (12.9.1841–6.2.1906). Österreichischer Jurist, Ökonom und Sozialpolitiker. 1865 Promotion zum Dr. jur. in Wien; Tätigkeit als Anwalt; 1872 Privatdozent, 1874 a. o., 1877–99 o. Professor für Österreichisches Zivilprozeßrecht an der Universität Wien; 1880/81 und 1887/88 Dekan der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät, 1895/96 Rektor der Universität Wien.

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Meyer, Friedrich (?–?). Student. 1913 immatrikuliert für Geschichte an der Universität München, 1914 zusätzlich für Rechtswissenschaften; 1914–18 Kriegsteilnahme; 1919 Wiederaufnahme des Studiums. Trat im Januar 1920 während der Unruhen zum Fall Arco an der Universität München als Vertreter des Sozialistischen Studentenbundes im Allgemeinen Studentenausschuß (AStA) in Erscheinung. 1919/20 Hörer von Max Webers Vorlesung „Abriß der universalen Sozial und Wirtschaftsgeschichte“. Meyer, Richard Moritz (5.7.1860–8.10.1914). Germanist. 1883 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1886 Habilitation ebd.; seit 1901 a. o. Professor für Deutsche Literaturgeschichte ebd. Arbeiten zur altgermanischen, neuhochdeutschen und neueren Literaturgeschichte und zur deutschen Grammatik. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Meyer-Leviné, Rosa, geb. Broido (18.5.1890–11.11.1979). Schriftstellerin. 1915 Heirat mit → Eugen Leviné in Heidelberg, 1918 Umzug nach München, Mai 1919 Verhaftung nach der Niederschlagung der zweiten Münchner Räterepublik, nach der Hinrichtung Eugen Levinés Ausweisung aus Bayern; 1922 Heirat mit dem KPD-Politiker Ernst Meyer. Tätigkeit als Dolmetscherin und Publizistin in Heidelberg und Berlin. Michaelis, Adolf (22.6.1835–12.8.1910). Archäologe. 1857 Promotion zum Dr. phil. in Kiel; 1861 Habilitation ebd.; 1862 a. o. Professor für Archäologie in Greifswald, 1865 o. Professor der Philologie und Archäologie in Tübingen, 1872 in Straßburg. Veröffentlichungen zur Klassischen Archäologie sowie zur Wissenschaftsgeschichte. Michels, Robert (9.1.1876–3.5.1936). Deutsch-italienischer Sozialwissenschaftler. 1900 Promotion zum Dr. phil. in Halle; 1900–07 Mitglied zunächst der italienischen sozialistischen Partei, dann der deutschen Sozialdemokratie; 1903–05 Dozent an der „Université nouvelle“ in Brüssel; Scheitern von Habilitationsversuchen in Marburg und Jena wegen seiner Mitgliedschaft in der sozialdemokratischen Partei, daraufhin 1907 Habilitation bei → Achille Loria in Turin; 1914–28 o. Professor in Basel, 1920–27 Lehraufträge an italienischen Universitäten und in Chicago, 1928–33 in Perugia. Durch seine 1911 erschienene (Max Weber gewidmete) „Soziologie des Parteiwesens“ Mitbegründer der modernen politischen Soziologie; 1913–15 Mitherausgeber des AfSSp. Seit 1906 mit Max Weber freundschaftlich verbunden, 1915 kriegsbedingte Distanzierung infolge von Michels Parteinahme für seine Wahlheimat Italien. Später Anhänger des italienischen Faschismus. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Referent auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag 1912. Miquel, Johannes (seit 1897) von (19.2.1828–8.9.1901). Jurist und Politiker. 1849 Anwalt in Göttingen; 1850–57 Anhänger von Karl Marx, mit dem er in brieflichem Kontakt stand; 1859 Mitbegründer und Ausschußmitglied des Deutschen Nationalvereins, seit 1867 Mitglied der Nationalliberalen Partei, 1867–82 MdprAH,

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1867–71 Mitglied des Norddeutschen Reichstages, 1871–77 und 1887–90 MdR, seit 1882 MdprHH; 1865–69 und 1876–80 Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister von Osnabrück, 1880–90 Oberbürgermeister von Frankfurt a. M.; 1890–1901 preußischer Finanzminister und seit 1897 stellvertretender preußischer Ministerpräsident. Führte zu Beginn der 1890er Jahre eine grundlegende Neuordnung des preußischen Steuerwesens durch; 1901 wegen Differenzen mit Reichskanzler Bernhard v. Bülow über den Bau des Mittellandkanals zu­rück­getreten. 1899 publizistische Kontroverse mit Max Weber über die Bedeutung der 1891/92 vom Verein für Socialpolitik durchgeführten Erhebung über die Lage der Landarbeiter. Mises, Ludwig (Edler) von (29.9.1881–10.10.1973). Nationalökonom. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1913 Habilitation für Nationalökonomie; 1918 a. o. Professor ebd.; zunächst im Justizdienst, 1909–34 in der Handelskammer Wien tätig; im Ersten Weltkrieg zunächst Artillerieoffizier, dann in der Wirtschaftsabteilung des Kriegsministeriums; 1934 Gastprofessor in Genf, 1940 Emigration in die USA, Tätigkeit im National Bureau of Economic Research, 1945–70 Forschungsund Lehrtätigkeit an der New York University. Zählte bereits mit seiner Habilitationsschrift „Theorie des Geldes und der Umlaufmittel“ zu den bedeutendsten Theoretikern der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Moll, Albert (4.5.1862–23.9.1939). Arzt, Psychiater und Sexualforscher. 1885 Promotion in Berlin bei Rudolf Virchow zum Dr. med.; auf Studienreisen lernte er die Methoden der Hypnose und der psychotherapeutischen Schule kennen, 1887 Niederlassung als Nervenarzt in Berlin; im Ersten Weltkrieg Sachverständiger beim Großen Generalstab für Fragen der psychologischen Kriegsführung. 1888 Gründer der „Berliner Gesellschaft für Experimentalpsychologie“, 1913 der „Internationalen Gesellschaft für Sexualforschung“. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Mommsen, Theodor (30.11.1817–1.11.1903). Historiker und Jurist. 1843 Promotion zum Dr. jur. in Kiel, 1844–47 Studien in Frankreich und Italien; 1848 a. o. Professor für Römisches Recht in Leipzig, 1852 o. Professor in Zürich, 1854 in Breslau, 1858 an die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin berufen, 1861 o. Professor für Römische Altertumskunde in Berlin. 1863–66 MdprAH für die Deutsche Fortschrittspartei, 1873–79 für die Nationalliberale Partei, 1881–84 MdR für die liberale Vereinigung. Herausgeber und Organisator großer wissenschaftlicher Editionen, besonders des „Corpus Inscriptionum Latina­ rum“. Rechtshistorisches Standardwerk ist bis heute sein „Römisches Staatsrecht“. Erhielt 1902 in Würdigung seiner „Römischen Geschichte“ den Literatur-Nobelpreis. Gehörte zum näheren Bekanntenkreis von → Max Weber sen., war Schwiegervater von Max Webers Schwester Clara und akademischer Lehrer Max Webers. Müller, Friedrich von (17.9.1858–18.11.1941). Mediziner. 1882 Promotion zum Dr. med. in München, 1887 Habilitation in Berlin für Innere Medizin; 1889 a. o. Professor in Bonn, 1890 in Breslau, 1892 o. Professor in Marburg, 1899 in Basel,

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1902 o. Professor für Innere Medizin und Medizinische Klinik in München und Direktor der II. Medizinischen Klinik ebd. Bedeutender Diagnostiker, Lehrer und Forscher, zahlreiche Veröffentlichungen u. a. zur Stoffwechselphysiologie und Neurologie. 1914/15, ab Frühjahr 1919 vertretungsweise und 1919/20 Rektor der Universität München. Münsterberg, Hugo (1.6.1863–16.12.1916). Psychologe und Philosoph. 1885 Promotion bei Wilhelm Wundt zum Dr. phil. in Leipzig und 1887 zum Dr. med. in Heidelberg, 1888 Habilitation für Philosophie in Freiburg i. Br.; ab 1888 Privatdozent für Philosophie und Psychologie ebd., 1892/93 a. o. Professor ebd., 1893–95 Leiter des von William James begründeten psychologischen Labors an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts); 1895/96 Rückkehr an die Universität Freiburg; 1897–1916 Professor für Experimentelle Psychologie in Harvard; 1904 Organisator des wissenschaftlichen Kongresses anläßlich der Weltausstellung in St. Louis, 1908 Gründer des Amerika-Institutes. Begründer der angewandten Psychologie. Kollegiale Beziehungen zu Max Weber aus der gemeinsamen Freiburger Zeit, bewirkte die Einladung Max Webers zum International Congress of Arts and Science. Münsterberg, Oscar (23.7.1865–12.4.1920). Fabrikant und Kunsthistoriker. Studium der Volkswirtschaft und Kunstgeschichte in München und Freiburg i. Br. 1886–93 Fabrikant in Detmold; 1895 Promotion zum Dr. phil. bei Max Weber in Freiburg; 1906 Direktor der „Deutschen National-Zeitung“; 1912 Direktor der W. Hagelberg AG. Unternahm mehrfach Reisen nach Ostasien. Verfaßte Werke zur Kunstgeschichte Japans (3 Bände, 1904–07) und Chinas (2 Bände, 1910–12). Bruder von Max Webers Freiburger Kollegen → Hugo Münsterberg. Natorp, Paul (24.1.1854–17.8.1924). Philosoph und Pädagoge. 1875 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg, 1881 Habilitation bei → Hermann Cohen in Marburg; 1885 a. o., 1893–1922 o. Professor für Philosophie und Pädagogik ebd. Einer der Hauptverteter des Marburger Neukantianismus; seit 1887 Herausgeber der „Philosophischen Monatshefte“. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Naumann, Friedrich (25.3.1860–24.8.1919). Theologe, Politiker und Publizist. 1883–85 Oberhelfer im „Rauhen Haus“ in Hamburg, 1886–90 Pfarrer in Langenberg (Sachsen), 1890–97 Vereinsgeistlicher der Inneren Mission in Frankfurt a. M.; nach Aufgabe seines Pfarramtes lebte er als Publizist in Berlin; 1894 Gründung der Wochenschrift „Die Hilfe“, 1896 Austritt aus der christlich-sozialen Bewegung Adolf Stoeckers und Gründung der Tageszeitung „Die Zeit“ und des Nationalsozialen Vereins; 1903 nach dessen Scheitern Mitglied der Freisinnigen Vereinigung; seit 1907 MdR, zunächst als Abgeordneter der Freisinnigen Vereinigung, seit 1910 der Fortschrittlichen Volkspartei. Im Ersten Weltkrieg Verfechter eines mitteleuropäischen Staatenblockes; 1918 Mitbegründer, 1919 Vorsitzender der DDP; Mitglied der Weimarer Nationalversammlung. Vertreter einer sozialliberalen Innen- und nationalen Außenpolitik. Freundschaftliche Beziehungen zu

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Max Weber seit den 1890er Jahren. Von diesem als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Northcliffe, Alfred (seit 1917 Viscount) (15.7.1865–14.8.1922). Britischer Verleger. Eigentümer eines der einflußreichsten Pressekonzerne Europas; gründete zunächst mit seinem Bruder 1888 das Wochenmagazin „Answers to correspondents“, 1896 die „Daily Mail“ und 1903 den „Daily Mirror“, erwarb 1894 „The Evening News“, 1905–11 Besitzer des „Observer“ und 1908–22 der „Times“. Förderer und Berater von Lloyd George, dessen Kriegspolitik er mit publizistischen Mitteln unterstützte. Pionier der modernen Massenpresse. Oldenberg, Karl (23.9.1864–20.6.1936). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei → Gustav Schmoller in Berlin, 1891 Habilitation für Staatswissenschaften ebd.; 1888–97 Assistent Schmollers in der Redaktion des „Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich“; 1897 a. o. Professor in Marburg, 1902 o. Professor für Nationalökonomie in Greifswald und 1914–29 für wirtschaftliche Staatswissenschaften in Göttingen. Vorkämpfer agrarischer Schutzzölle und Gegner einer übersteigerten Industrialisierung Deutschlands. Gehörte seit den frühen 1890er Jahren zu Max Webers Bekanntenkreis in Berlin. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Olshausen, (Philipp) Justus (seit 1913) von (10.4.1844–15.3.1924). Jurist. 1867 Promotion zum Dr. jur. in Berlin; 1873–75 Staatsanwaltsgehilfe in Königsberg, 1875–78 Obergerichtsassessor beim Kronanwalt in Celle, 1878/79 Kreis- und Landrichter in Cottbus, 1880 Schriftführer in der Immediatkommission für die Militärstrafprozeßordnung, 1885–87 Landgerichtsdirektor in Schneidemühl, 1887–90 Kammergerichtsrat, 1890–99 Mitglied des 2. Strafsenats beim Reichsgericht, 1899 Oberreichsanwalt, 1906 Präsident der ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, 1907–10 Präsident des 3. Strafsenats beim Reichsgericht. Oppenheimer, Heinrich (12.6.1870–?). Arzt. 1892 Promotion zum Dr. med. in Heidelberg; 1893 Praktischer Arzt in London, 1895 Member of the Royal College of Physicians; besuchte nebenberuflich an der London School of Economics and Political Sciences Vorlesungen in Nationalökonomie. Max Weber begutachtete 1898 seine zweite, bei der Philosophischen Fakultät Heidelberg eingereichte Dissertation „Das Trägheitsgesetz der Arbeit. Eine nationalökonomische Studie“. Ostwald, Wilhelm (21.8.1853–4.4.1932). Philosoph und Chemiker. 1878 Promotion in Dorpat; 1882–87 o. Professor am Polytechnikum Riga, 1887–1906 o. Professor für Physikalische Chemie in Leipzig. Begründer der Energetik; Studien zur Naturphilosophie; 1909 Nobelpreis für Chemie. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1908. Pappenheim, Max (2.2.1860–3.2.1934). Jurist. 1881 Promotion bei Levin Goldschmidt zum Dr. jur. in Berlin, 1884 Habilitation und Privatdozent in Breslau; 1888

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a. o. und im gleichen Jahr o. Professor für Deutsches Recht und Handelsrecht in Kiel. Seit 1892 Mitherausgeber der „Zeitschrift für das Gesammte Handelsrecht“; Arbeiten zum Seehandelsrecht. Rezensent von Max Webers Doktorarbeit. Teilnehmer beim IV. Deutschen Hochschullehrertag in Dresden 1911. Paulsen, Friedrich (16.7.1846–14.8.1908). Philosoph und Pädagoge, Publizist und Bildungspolitiker. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1874 Habilitation ebd.; 1878 a. o. Professor für Philosophie und Pädagogik in Berlin, 1894 o. Professor ebd. Lehrer von → Ferdinand Tönnies und → Edmund Husserl; beeinflußte mit seinem Werk „Geschichte des gelehrten Unterrichts“ (1885) die Schulreform der Jahrhundertwende. Philippovich, Eugen Freiherr (seit 1860) von Philippsberg (5.3.1858–4.6.1917). Österreichischer Nationalökonom und Sozialpolitiker. 1881 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1884 Habilitation für Politische Ökonomie ebd.; 1885 a. o., 1888–93 o. Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft in Freiburg i. Br., 1893– 1917 o. Professor für Politische Ökonomie in Wien. 1896 Mitbegründer der So­zial­ politischen Partei Österreichs; 1909 Berufung in das österreichische Herrenhaus. Mitglied des Vereins für Socialpolitik. Vermittler zwischen der österreichischen Grenznutzenschule und der deutschen jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie. Als sein Hauptwerk gilt der „Grundriß der politischen Ökonomie“ (1893). Max Webers Vorgänger auf dem Freiburger und dem Wiener Lehrstuhl. Plenge, Johann (7.6.1874–11.9.1963). Nationalökonom und Soziologe. 1898 Promotion zum Dr. phil. bei → Karl Bücher in Leipzig, 1903 Habilitation ebd., 1903–05 Forschungsaufenthalt in den USA; 1909 a. o. Professor in Leipzig, 1913 o. Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Münster, 1920–23 Begründer und Leiter des dortigen Staatswissenschaftlichen Instituts, 1923–35 Honorarprofessor und Leiter des (1934 aufgelösten) Forschungsinstituts für Organisationslehre und vergleichende Soziologie ebd.; 1935 frühzeitige Zwangsemeritierung. Ploetz, Alfred (22.8.1860–20.3.1940). Mediziner und Rassenhygieniker. 1890 Promotion zum Dr. med. in Zürich, danach Privatgelehrter; 1904 Begründer und Herausgeber des „Archivs für Rassen- und Gesellschaftsbiologie“, 1905 Gründer der „Gesellschaft für Rassenhygiene“. Führender Vertreter der damals herrschenden eugenischen und sozialdarwinistisch geprägten Rassenlehre. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909 und Referent auf dem Ersten Deutschen Soziologentag 1910. Pohle, Ludwig (8.4.1869–11.1.1920). Nationalökonom und Sozialpolitiker. 1892 Promotion zum Dr. phil. in Freiburg i. Br., 1898 Habilitation für Nationalökonomie in Leipzig; 1901 Dozent an der Akademie für Handels- und Sozialwissenschaften in Frankfurt a. M., 1918–25 o. Professor für Nationalökonomie in Leipzig als Nachfolger von → Karl Bücher. 1910–18 Herausgeber der von → Julius Wolf begründeten „Zeitschrift für Sozialwissenschaften“. Gegner der Kathedersozialisten.

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Potthoff, Heinz (9.5.1875–4.3.1945). Sozial- und Wirtschaftspolitiker. 1900 Promotion zum Dr. phil. bei → Karl Bücher in Leipzig; 1906 Redakteur der „Volkswirtschaftlichen Blätter“; 1918–20 Referent für Arbeitsrecht im Bayerischen Ministerium für Soziale Fürsorge. 1903–12 MdR zunächst für die Freisinnige Vereinigung, dann für die Fortschrittliche Volkspartei; 1918 Gründungsmitglied der DDP. 1914–33 Herausgeber (bis 1919 mit Hugo Sinzheimer) der Zeitschrift „Arbeitsrecht. Zeitschrift für das gesamte Dienstrecht der Arbeiter, Angestellten und Beamten“; Vorsitzender des „Verbandes der Privatangestellten“. Mitglied des Vereins für Socialpolitik. Seine Mutter, Emilie Potthoff, geb. Müller, war eine Schwester von Bruno Müller, dadurch verwandtschaftliche Beziehungen zur Familie Weber. Rathgen, Karl (19.12.1856–6.11.1921). Nationalökonom. 1881 Promotion zum Dr. rer. pol. bei → Georg Friedrich Knapp in Straßburg; 1882–90 o. Professor für Staatswissenschaften an der Reichsuniversität Tokio, 1892 Habilitation in Berlin; 1893 a. o., 1895 o. Professor in Marburg, 1900 in Heidelberg, 1907 Direktor des Deutschen Kolonial-Instituts in Hamburg, 1919 o. Professor für Volkswirtschaftslehre an der neugegründeten Universität Hamburg. 1903 als o. Mitglied in die Badische Historische Kommission gewählt; seit 1901 Mitherausgeber der „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“. Grundlegende Arbeiten über die japanischen Wirtschafts- und Finanzverhältnisse sowie über Kolonialwirtschaft. Kollege Max Webers in Heidelberg. Rau, Karl Heinrich (23.11.1792–18.3.1870). Staatswissenschaftler. 1812 Promotion zum Dr. phil. in Erlangen; 1816 a. o., 1818 o. Professor für Kameral­wissen­ schaften ebd., 1822–70 o. Professor für Staatswissenschaften in Heidelberg. 1833–40 Mitglied der 1. Badischen Kammer, 1848 des Frankfurter Vorparlaments. Anhänger Adam Smiths und der Freihandelsschule. Auf ihn geht die in Deutschland übliche Dreiteilung der Nationalökonomie in Volkswirtschaftspolitik, Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft zurück; 1826–37 erschien sein dreibändiges „Lehrbuch der politischen Ökonomie“. Rauchberg, Heinrich (12.4.1860–26.9.1938). Österreichischer Statistiker und Jurist. 1883 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1884 Hofsekretär der Statistischen Zentralkommission, 1891 Habilitation für Statistik ebd.; 1896–1930 o. Professor für Statistik, Verwaltungslehre und Österreichisches Verwaltungsrecht an der deutschen Universität Prag. Zahlreiche statistische Untersuchungen über Böhmen und Österreich. Rehmke, Johannes (1.2.1848–23.12.1930). Philosoph. 1873 Promotion zum Dr. phil. in Zürich, 1873–83 Lehrer in Elmshorn (Holstein) und St. Gallen; 1884 Habilitation in Berlin, 1885 a. o., 1887–1921 o. Professor für Philosophie in Greifswald. 1895/96 als Lehrstuhlnachfolger von → Alois Riehl in Freiburg i. Br. vorgeschlagen.

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Ricca-Barberis, Mario (1877–1959). Italienischer Jurist. Professor für Zivilrecht an den Universitäten von Urbino, Perugia, Sassari, Messina, Modena und Parma, Professor für Verfahrensrecht an den Universitäten von Genua und Turin. Rickert, Franz (30.12.1872–1939). Nationalökonom. Seit 1892 Studium der Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften und Nationalökonomie in Freiburg i. Br., Berlin und Straßburg, 1894/95 Hörer Max Webers in Freiburg, 1896 Promotion zum Dr. phil. ebd. mit einer Arbeit über „Das Schreinergewerbe in Freiburg im Breisgau“, die Max Weber begutachtete. Rickert, Heinrich (25.5.1863–25.7.1936). Philosoph. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei → Wilhelm Windelband in Straßburg, 1891 Habilitation in Freiburg i. Br.; 1894 a. o., 1896–1915 o. Professor für Philosophie ebd., 1916–32 in Heidelberg. Neben Windelband Begründer der Südwestdeutschen Schule des Neukantianismus. Seit der Gymnasialzeit mit Max Weber befreundet, der sich 1896 für seine Berufung als Nachfolger von → Alois Riehl auf den Freiburger Lehrstuhl für Philosophie einsetzte. Riegger, Joseph Anton von (13.2.1742–5.8.1795). Österreichischer Jurist und Bildungsreformer. 1761 Promotion zum Dr. phil. in Wien; 1753 Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien und für Staatsrecht an der Theresianischen Akademie; 1765 Professor für Strafrecht und Römisches Recht in Freiburg i. Br., 1767 für Natur- und Völkerrecht, 1769 für Kirchenrecht, seit 1769 vorderösterreichischer Regierungs- und Kammerrat, 1773–75 Rektor der Universität ebd., 1778 Professor für Deutsches und Allgemeines Staats- und Lehensrecht in Prag; trat 1782 als Hofrat in den Dienst des Grafen Schwarzenberg; 1785 Beamter beim böhmischen Gubernium in Prag, wo er 1793 den ersten Lehrstuhl für Slawistik errichtete. Arbeiten zum oberrheinischen Humanismus und Begründer der Statistik in Böhmen. Riehl, Alois (27.4.1844–21.11.1924). Philosoph. 1868 Promotion zum Dr. phil. in Innsbruck, Tätigkeit als Gymnasiallehrer in Klagenfurt; 1870 Habilitation in Graz; 1873 a. o., 1878 o. Professor für Philosophie ebd., 1882 als Nachfolger → Wilhelm Windelbands in Freiburg i. Br., 1896 in Kiel, 1898 in Halle und von 1905–22 als Nachfolger Wilhelm Diltheys in Berlin. Grundlegende Arbeiten über den philosophischen Kritizismus. Das Ehepaar Riehl gehörte in der Freiburger Zeit zum engeren Bekanntenkreis von Max und → Marianne Weber. Rohde, Erwin (9.10.1845–11.1.1898). Klassischer Philologe. 1869 Promotion zum Dr. phil. in Kiel, 1870 Habilitation; 1872 a. o. Professor für Klassische Philologie ebd., 1876 o. Professor in Jena, 1878–86 in Tübingen, 1886 in Leipzig und nach einem Semester in Heidelberg. Roosevelt, Theodore (27.10.1858–6.1.1919). Präsident der USA (1901–09). 1882 republikanischer Abgeordneter in der New York State Assembly; 1889–95 Mitglied der Bundeskommission für die Neuordnung des Staatsdienstes (Beamten-

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kontrollkommission), 1895–97 Polizeipräsident von New York, 1897 stellvertretender Marineminister; Teilnahme am spanisch-amerikanischen Krieg; 1899–1900 Gouverneur des Staates New York; 1900 Vizepräsident unter McKinley, nach dessen Ermordung im September 1901 Präsident, 1904 Wahl zum Präsidenten; 1906 Verleihung des Friedensnobelpreises für die Vermittlung im russisch-japanischen Krieg; Gründung der „Bull Moose“-Fortschrittspartei zur Durchsetzung der eigenen Kandidatur gegen den republikanischen Amtsinhaber William Howard Taft, damit Spaltung der Republikaner. Rudorff, Adolf (21.3.1803–14.2.1873). Jurist. 1825 Habilitation bei Carl von Savigny in Berlin, 1825 Privatdozent; 1829 a. o., 1833 o. Professor für Römisches Recht, 1857/58 Rektor ebd., 1848–1852 Mitherausgeber des Corpus der römischen Feldmesser; 1861 Gründer der „Zeitschrift für Rechtsgeschichte“. Max Weber zog dessen „Gromatische Institutionen“ in seiner Habilitationsschrift heran. Ruge, Arnold (1.1.1881–24.12.1945). Philosoph. 1908 Promotion bei → Wilhelm Windelband zum Dr. phil. in Heidelberg, 1910 Habilitation ebd.; Privatdozent in Heidelberg, als Assistent Windelbands maßgeblich am Aufbau des Philosophischen Seminars beteiligt; 1910–11 Mitherausgeber der Zeitschrift „Logos“. 1911 kam es wegen seines polemischen Artikels zur Frauenbewegung zur Auseinandersetzung mit Max und → Marianne Weber; 1912 gründete er die Heidelberger Ortsgruppe des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation; 1920 Entzug der venia legendi wegen Beleidigung des Lehrkörpers der Universität. Mitgliedschaft im Alldeutschen Verband und im Deutschvölkischen Schutzund Trutzbund; Geschäftsführer des Bundes für deutsche Familie und Volkskraft. Ruhland, Gustav (11.6.1860–5.1.1914). Nationalökonom und Agrarpolitiker. 1881–85 Tätigkeit als Gutsverwalter, daneben Privatgelehrter, 1887 Promotion in Staatswissenschaften in Tübingen; 1893 Habilitation für Nationalökonomie, 1893/94 Privatdozent ebd.; 1898–1901 o. Professor in Fribourg; 1894–98 Berater des Bundes der Landwirte in Berlin; 1904/05 Gründung des „Internationalen Agrarinstituts“ in Rom. Als Gegner des internationalen Banken- und Börsenkapitalismus forderte er eine Wirtschaftspolitik auf christlicher Grundlage, deren Hauptziel die Lebensfähigkeit der Landwirtschaft und des Mittelstandes sein sollte. 1903–08 erschien sein Hauptwerk „System der politischen Ökonomie“. Salvisberg, Paul (seit 1880) von (26.4.1855–18.5.1925). Kunsthistoriker und Publizist. 1880 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen. 1884 Gründer und bis 1894 Herausgeber der „Academischen Monatshefte“ als Organ der Kösener CorpsStudenten, 1890 Begründer und langjähriger Herausgeber der „HochschulNachrichten“; Inhaber des Akademischen Verlages. Salz, Arthur (31.12.1881–10.8.1963). Nationalökonom. 1903 Promotion zum Dr. oec. publ. bei → Lujo Brentano in München, 1904 Schüler → Alfred Webers in Prag, 1909 Habilitation und Privatdozent für Nationalökonomie in Heidelberg;

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1914–18 Kriegsdienst, 1915 ins Osmanische Reich abkommandiert, um dort als Reserveleutnant beim österreichisch-ungarischen Militärbevollmächtigten den türkischen Befehlshaber der IV. Armee, → Ahmed Dschemal Pascha, in ökonomischen Fragen zu beraten; 1918 a. o. Professor in Heidelberg, 1919 freiwilliger Verzicht auf die venia legendi, zugleich Scheitern einer Umhabilitierung nach München; 1919–27 Professor an der Akademie der Arbeit in Frankfurt a. M., 1927–33 a. o. Professor in Heidelberg, 1933 Entzug der venia legendi aus rassistischen Gründen und Emigration nach England; 1933 Gastprofessur in Cambridge, 1934–37 an der Ohio State University Columbus, 1937–52 o. Professor ebd. 1919 in München wegen Beihilfe zum Hochverrat verhaftet, da er dem KPDPolitiker → Eugen Leviné ein Versteck geboten hatte, dann freigesprochen. Dem Kreis um Stefan George nahestehend; mit Friedrich Gundolf und Alfred Weber befreundet. Gehörte in Heidelberg zum Freundeskreis von → Marianne und Max Weber, der ihn 1914/16 gegen Plagiatsvorwürfe → Paul Sanders verteidigte. Salz, Sophie (Soscha), geb. Kantorowicz (22.1.1887–15.8.1960). Seit 2.4.1912 mit → Arthur Salz verheiratet. Schwester des Historikers Ernst Kantorowicz. Sander, Paul (3.7.1866–2.5.1919). Wirtschaftshistoriker. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg, 1907 Habilitation bei → Gustav Schmoller in Berlin, 1907–11 Privatdozent für Verfassungs- Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte ebd.; 1911 a. o. Professor der Wirtschaftsgeschichte an der deutschen Universität in Prag, 1918 o. Professor ebd. 1914 öffentliche Auseinandersetzung mit Max Weber wegen seiner Rezension des Buches „Geschichte der böhmischen Industrie in der Neuzeit“ von → Arthur Salz. Schachner, Robert (19.4.1875–8.3.1912). Nationalökonom. 1899 Promotion zum Dr. jur. in Würzburg, 1903 Habilitation in Heidelberg; mehrjährige Reisen nach Amerika, Vorderasien und Ostasien, besonders Japan und Australien; seit 1908 a. o. Professor der Nationalökonomie in Jena. Arbeiten zur Sozial- und Wirtschaftspolitik in Ost- und Südostasien. Max Weber war 1903 Korreferent der Habilitationsschrift „Das Tarifwesen in der Personenbeförderung der transozeanischen Dampfschiffahrt“, die in den von ihm mitherausgegebenen „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“ erschien. Schacht, Hjalmar (22.1.1877–3.6.1970). Bankier und Politiker. 1899 Promotion zum Dr. phil. in Kiel, 1901–03 Geschäftsführer des „Handelsvertrags-Vereins“, 1903–08 Leiter des „Volkswirtschaftlichen Büros“, 1908–15 stellvertretender Direktor der Dresdner Bank, 1914/15 der Bankabteilung des Generalgouvernements in Brüssel zugeteilt, 1916 leitender Direktor der Nationalbank für Deutschland. 1918 Mitbegründer der DDP. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Schäfer, Dietrich (16.5.1845–12.1.1929). Historiker. 1871 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen; 1877 a. o. Professor, 1883 o. Professor für Geschichte in Jena, 1885 in Breslau, 1888 in Tübingen, 1896 in Heidelberg, 1903–21 in Berlin. Mitglied des

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Alldeutschen Verbandes; im Ersten Weltkrieg Vorsitzender des annexionistischen „Unabhängigen Ausschusses für einen deutschen Frieden“; im September 1917 Mitbegründer der Vaterlandspartei. Mit seinen Hauptwerken „Weltgeschichte der Neuzeit“ (1907) und „Deutsche Geschichte“ (1910) beeinflußte er weithin das nationalpolitische Denken im Kaiserreich. Schaller, Jaroslaus (6.3.1738–6.1.1809). Böhmischer Historiker und Priester. 1753 Eintritt in den Orden der Piaristen, 1766–71 und 1775–1809 Hauslehrer bei der Familie Nostitz-Rieneck. Verfasser eines 16-bändigen Werks über die „Topographie des Königreichs Böhmen“ (1785–1791). Schanz, Georg von (12.3.1853–19.12.1931). Nationalökonom und Finanzwissenschaftler. 1876 Promotion zum Dr. oec. publ. in München, 1879 Habilitation in Marburg; 1880 a. o. Professor in Erlangen, 1882 o. Professor für Wirt­schafts­ge­ schichte und Finanzwissenschaft in Würzburg. 1884 Begründer und langjähriger Herausgeber des „Finanzarchivs“. Schebek, Edmund (22.10.1819–11.2.1895). Böhmischer Jurist und Historiker. 1846 Promotion zum Dr. jur. in Olmütz; 1851 Tätigkeit an der Handels- und Gewerbekammer in Prag, 1856–84 Sekretär ebd.; stellte anläßlich der 1873 in Wien stattfindenden Weltausstellung eine Materialsammlung zusammen, den sog. Schebekschen Katalog. Arbeiten zur böhmischen Wirtschaftsgeschichte. Scherl, August (24.7.1849–18.4.1921). Zeitungsverleger. Gründete 1883 einen Presse- und Buchverlag, im selben Jahr den „Berliner Lokal-Anzeiger“, 1899 die „Die Woche“, 1900 den „Tag“, seit 1903 Verleger der „Gartenlaube“ und seit 1908 der „Münchener Allgemeinen Zeitung“, 1895 gründete er außerdem die „August Scherl Dt. Adressbuch-GmbH“ und erwarb 1905 die Anzeigenagentur „G.L. Daube & Comp.“. Generalsekretär des Redakteursverbandes. Schmid, Ferdinand (18.8.1862–20.2.1925). Österreichischer Jurist und Statistiker. 1885 Promotion zum Dr. jur. in Wien; danach Statistiker in verschiedenen Behörden; 1895 Habilitation für Statistik in Wien, 1895–98 Dozent für Nationalökonomie an der Handelshochschule ebd.; 1901 a. o. Professor für Statistik und Verwaltungsrecht in Innsbruck, 1904 o. Professor ebd., 1908 in Leipzig. Referent auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag 1912. Schmidt, Botho (12.2.1886–?). Kunstmaler. Studierte ab 1905 an der Akademie der Bildenden Künste in München; versteckte 1919 den Anführer der zweiten Münchner Räterepublik, → Eugen Leviné, kurzzeitig in seiner Wohnung. Schmoller, Gustav (seit 1908) von (24.6.1838–27.6.1917). Nationalökonom. 1861 Promotion zum Dr. oec. publ. in Tübingen; 1864 ohne Habilitation a. o., 1865 o. Professor für Staatswissenschaften in Halle, 1872 in Straßburg, 1882–1912 in Berlin. 1877–1912 Herausgeber des „Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich“ („Schmollers Jahrbuch“). Seit 1884 Mit-

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glied des preußischen Staatsrates, 1899 MdprHH. Beeinflußte sowohl als Führer der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie als auch als Mitbegründer und seit 1890 als Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik die staatliche Sozialpolitik wie die Entwicklung der Nationalökonomie in Deutschland. Schmutzer, Ferdinand (21.5.1870–26.10.1928). Österreichischer Radierer, Maler und Bildhauer. 1885–93 Studium der Bildhauerei und Malerei in Wien, 1901 Mitglied der Wiener Secession, 1908 Professor für Radierkunst an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Fertigte eine Radierung zu → Georg Friedrich Knapps 70. Geburtstag. Schreuer, Hans (3.3.1866–11.6.1931). Rechtshistoriker. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Prag; 1890–98 Beamter bei der Finanzprokuratur Böhmen; 1896–98 Privatdozent an der deutschen Universität in Prag, seit 1898 a. o. Professor für Deutsches Recht und Österreichische Reichsgeschichte ebd., 1902 o. Professor für Deutsche Rechtsgeschichte in Münster, seit 1908 in Bonn. Schreyer, Joseph (1728–1.10.1808). Böhmischer Wirtschaftswissenschaftler. Organisator der 1791 in Prag stattfindenden Industrieausstellung; veröffentlichte u. a. 1790 „Commerz, Fabriken und Manufakturen des Königreiches Böhmen“. Schröder, Richard (19.6.1838–4.1.1917). Rechtshistoriker. 1861 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1863 Habilitation in Bonn; 1866 a. o., 1870 o. Professor in Bonn, 1873 o. Professor für Deutsches Privatrecht in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen, 1888 übernahm er den Lehrstuhl → Otto von Gierkes für Deutsches Recht, Handelsrecht und Rechtsgeschichte in Heidelberg. 1887–1917 ordentliches Mitglied der Badischen Historischen Kommission. Schulte, Aloys (2.8.1857–14.2.1941). Historiker. 1879 Promotion in Münster; 1879–83 Bearbeiter des Urkundenbuchs der Stadt Straßburg, 1883–85 Archivsekretär in Donaueschingen, 1885–92 Archivrat in Karlsruhe; 1893 o. Professor in Freiburg i. Br., 1896 in Breslau und 1903–25 in Bonn. 1901–03 Leiter des Preußischen Historischen Instituts in Rom. Arbeiten zur Sozial-, Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Mittelalters. Schulze-Gaevernitz, Gerhart von (bis zur Nobilitierung des Vaters 1888: Gerhart Schulze) (25.7.1864–10.7.1943). Nationalökonom und Politiker. Zunächst Regierungsassessor in der Reichsverwaltung Elsaß-Lothringens; 1886 Promotion zum Dr. jur. in Göttingen, 1891 zum Dr. phil. in Leipzig, im selben Jahr Habilitation ebd.; 1893 a. o., 1896–1923 o. Professor für Nationalökonomie in Freiburg i. Br. 1912–18 MdR für die Fortschrittliche Volkspartei, 1919/20 als Mitglied der DDP in der Weimarer Nationalversammlung, 1922 MdR für die DDP. Seit 1897 Mitherausgeber der „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“. Arbeiten zur Sozialreform, Kreditwirtschaft und Weltwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung Englands, Rußlands und der USA, Studien zur Kulturgeschichte und zum Verhältnis von Kant und Marx. Im Verein für Socialpolitik

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gehörte er zum sozialreformerischen Flügel im Anschluß an → Lujo Brentano. Seit den gemeinsamen Jahren an der Universität Freiburg bestand eine freundschaftlich-kollegiale Beziehung zu Max Weber. Schumacher, Hermann (6.3.1868–3.10.1952). Nationalökonom. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Jena; 1896–1901 Hilfsarbeiter im preußischen Ministerium der Öffentlichen Arbeiten, 1893 Reise in die USA zwecks Erforschung der dortigen Getreidehandelsorganisation, Studienreisen nach Ostasien; 1899 a. o. Professor für Staatswissenschaften in Kiel, 1900 in Köln und Bonn, 1901 erster Studiendirektor der Handelshochschule in Köln und gleichzeitig a. o. Professor in Bonn, 1904–17 o. Professor ebd., 1906/07 Inhaber der Kaiser-Wilhelm-Professur an der Columbia University in New York, 1917–35 o. Professor in Berlin. Veröffentlichungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der USA und Ost­asiens. Gehörte seit den frühen 1890er Jahren zum Bekanntenkreis Max Webers in Berlin. Schumpeter, Joseph Alois (8.2.1883–8.1.1950). Österreichischer Nationalökonom und Soziologe. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1909 Habilitation und Privatdozentur ebd.; im selben Jahr a. o. Professor für Volkswirtschaftslehre in Czernowitz, 1911 o. Professor für Politische Ökonomie in Graz, 1913/14 Austauschprofessor an der Columbia University in New York; 15.3.–17.10.1919 österreichischer Finanzminister im Kabinett Karl Renner. Gehörte zu den bedeutendsten Vertretern der Österreichischen Grenznutzenschule in der Nationalökonomie. Arbeiten zur methodologischen Grundlegung der ökonomischen Theorie, zur theoretischen Grundlegung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur ökonomischen Dogmengeschichte. Seelig, Wilhelm (2.6.1821–31.7.1906). Staatswissenschaftler. Promotion zum Dr. phil. in Göttingen; a. o. Professor für Staatswissenschaften ebd., 1853 in Freiburg i. Br., seit 1854 o. Professor für Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und Statistik in Kiel. 1871–74 MdR für die Fortschrittspartei, 1890–93 für die DeutschFreisinnige Partei, 1873–93 MdprAH. Seltenreich, Johannes (?–?). Stadtschreiber von St. Joachimsthal, Verfasser der Joachimsthaler Chronik. Sering, Max (18.1.1857–12.11.1939). Nationalökonom und Agrarwissenschaftler. 1881 Promotion zum Dr. rer. pol. in Straßburg, 1883 Habilitation in Bonn und Reise im Auftrag der preußischen Regierung nach Nordamerika zum Zwecke einer Studie über die überseeische Konkurrenz in der Landwirtschaft; 1885 a. o. Professor für Staatswissenschaften in Bonn, 1889–1906 o. Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin als Nachfolger → Gustav Schmollers, seit 1893 zugleich a. o., 1897–1925 o. Professor an der Universität Berlin; 1914–18 Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission des preußischen Kriegsministeriums; 1919 Leiter des Ständigen Ausschusses für das Siedlungswesen in Berlin. Hatte maßgeblichen Einfluß auf die Reichssiedlungsgesetze in der Weimarer Republik. Mitglied im Verein für Socialpolitik, wo er 1891/92 die Landarbeiterenquete initiiert, deren

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ostelbischen Teil Max Weber bearbeitete. Zählte seit den 1890er Jahren zu Max Webers Berliner Freundeskreis. Siebeck, Hermann (28.9.1842–26.10.1920). Philosoph. 1862 Promotion zum Dr. phil., danach Gymnasiallehrer in Gera, Stargard und Halle; 1872 Habilitation in Halle; 1875 o. Professor für Philosophie und Pädagogik in Basel, 1883 in Gießen, 1891/92 Rektor ebd. Mitherausgeber der „Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik“. Sieveking, Heinrich (20.8.1871–25.12.1945). Nationalökonom. 1893 Promotion zum Dr. jur. bei Rudolf Sohm in Leipzig, 1895 bei → Karl Lamprecht zum Dr. phil. ebd. Hörte 1895/96 bei Max Weber in Freiburg i. Br. „Geschichte des Deutschen Rechts“ sowie „Geld-, Bank- und Börsenwesen“. 1897 Habilitation und Privatdozent ebd., 1900 a. o. Professor ebd., 1902 in Marburg, 1907–22 o. Professor für Sozialökonomie in Zürich. Arbeiten zur europäischen Wirtschaftsgeschichte. Max Weber begutachtete 1897 seine Habilitationsschrift über das „Genueser Finanzwesen“, die in den „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“ 1898 und 1899 veröffentlicht wurde. Zahlreiche Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte. Sigwart, Christoph von (28.3.1830–4.8.1904). Philosoph und Theologe. Promotion zum Dr. theol. et phil. in Tübingen, 1852–55 Lehrer in Halle a. S., 1855–59 Repetent am Theologischen Seminar in Tübingen, 1859–63 Lehrer am Theologischen Seminar in Blaubeuren, 1863 Inspektor des evangelisch-theologischen Seminars in Tübingen; 1865–1903 o. Professor für Philosophie ebd. Arbeiten zur Ethik und Logik. Simmel, Georg (1.3.1858–26.9.1918). Philosoph und Soziologe. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1885 Habilitation für Philosophie ebd.; 1901–14 a. o. Professor ebd., 1914 o. Professor für Philosophie in Straßburg. Gehörte zu den Begründern der Soziologie in Deutschland und 1908 der DGS. Stand in freundschaftlicher Beziehung zu Max Weber, der sich 1907/08 vergeblich für seine Berufung nach Heidelberg einsetzte. Simson, Bernhard von (19.2.1840–15.8.1915). Historiker. 1860 Promotion zum Dr. phil. in Königsberg; 1862 Habilitation in Jena, 1863–68 Privatdozent ebd.; 1869–72 Lehrer und Archivar in Düsseldorf und Berlin; 1872–74 Bearbeitung der „Jahrbücher der deutschen Geschichte“ für die Zeit Ludwigs des Frommen im Auftrag der Historischen Kommission bei der BAdW; 1874 a. o. Professor für Geschichte in Freiburg i. Br., 1877 o. Professor ebd., 1884/85 und 1894/95 Dekan der Philosophischen Fakultät. Beantragte 1896 die Aufnahme Max Webers in die Badische Historische Kommission. Skalweit, August (21.8.1879–12.3.1960). Nationalökonom. 1905 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1906–13 Mitarbeit an den „Acta Borussica” der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1910 Habilitation; 1910–13 Privatdozent für

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Staatswissenschaften in Berlin, 1913 in Gießen; 1916–19 Referent im Kriegsernährungsamt sowie im Reichswirtschaftsministerium. Solf, Wilhelm Heinrich (5.10.1862–6.2.1936). Politiker. 1885 Promotion zum Dr. phil. in Halle; 1888 Eintritt in den Dienst des Auswärtigen Amtes; 1891–93 Jurastudium in Jena; 1896 in die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes berufen, ab 1899 in Afrika, 1900–11 Gouverneur von West-Samoa, 1911 Staatssekretär des Reichskolonialamtes; 1915 Vorsitzender des „Deutschen Gesellschaft 1914“; 1918 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes; leitete die Waffenstillstandsverhandlungen ein, trat am 13.12.1918 nach Auseinandersetzungen mit den USPDVolksbeauftragten zurück; 1920–28 Botschafter in Tokio. Sombart, Werner (19.1.1863–18.5.1941). Nationalökonom und Soziologe. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei → Gustav Schmoller in Berlin, Syndikus bei der Handelskammer Bremen; 1890–1906 a. o. Professor in Breslau, 1906 Professor an der Handelshochschule Berlin; 1917–31 als Nachfolger von → Adolph Wagner o. Professor der wirtschaftlichen Staatswissenschaften an der Universität Berlin. Mitglied des Vereins für Socialpolitik; 1908 Mitbegründer der DGS; 1904–20 zusammen mit → Edgar Jaffé und Max Weber Mitherausgeber des AfSSp, das er nach Max Webers Tod verließ, da ihm die Zeitschrift zu linkslastig geworden war. Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte, insbesondere zur Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus auf systematisch-empirischer Grundlage sowie über die sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts. Seit den späten 1880er Jahren freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber, der ihn 1897 als seinen Nachfolger in Freiburg und 1900 als zweiten Heidelberger Lehrstuhlinhaber für Nationalökonomie vorschlug; in der Kriegs- und Nachkriegszeit zunehmende Distanzierung. Sommer (eigentl. Volte), Johann (1782–12.11.1848). Lehrer und Schriftsteller. Besuch des Lehrerseminars in Dresden, 1805–10 Schulbuchverfasser, Lehrer am Prager Konservatorium; 1831 Mitarbeiter des Böhmischen Museums. Verfasser einer 16-bändigen statistisch-topographische Beschreibung des Königreichs Böhmen. Spangenberger, Heinrich (20.3.1870–7.3.1942). Jurist und Ministerialbeamter. 1898–1900 Amtsrichter in München, 1900–02 zweiter Staatsanwalt am Landgericht München, 1902 Berufung in das Bayerische Staatsministerium der Justiz, 1903–10 Landgerichtsrat am Landgericht München, 1910–14 erster Staatsanwalt ebd., 1914–17 Oberregierungsrat, 1917–19 Ministerialrat, 1919 Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium der Justiz und stellvertretender Vorsitzender der Prüfungskommission an der Universität München. Spann, Othmar (1.10.1878–8.7.1950). Österreichischer Nationalökonom und Philosoph. 1903 Promotion bei Friedrich Julius Neumann zum Dr. rer. pol. in Tübingen; 1903–07 Tätigkeit bei der Zentrale für private Fürsorge in Frankfurt a. M., 1907 Habilitation bei → Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld an der TH Brünn, 1908

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Vizesekretär der Statistischen Zentralkommission in Wien; 1909 a. o. Professor in Brünn, 1911 o. Professor für Volkswirtschaftslehre ebd., 1919–38 o. Professor für Nationalökonomie und Gesellschaftslehre in Wien. Begründer eines gegen Liberalismus und Marxismus gerichteten sog. Universalismus, der eine Neuordnung von Staat und Gesellschaft auf berufsständischer Grundlage forderte. Spencer, Herbert (27.4.1820–8.12.1903). Britischer Philosoph und Sozialwissenschaftler. Nach Tätigkeit als Eisenbahningenieur und Selbststudium 1848–53 Redakteur des „Economist“, danach freier Schriftsteller. Seine meist in Artikelserien erschienenen Schriften zur Soziologie sowie zur Psychologie, Biologie und Ethik gelten als Versuch einer synthetischen Philosophie; er betrachtete soziale Phänomene streng positivistisch, verstand die Gesellschaft als einen Organismus und wandte Darwins Evolutionstheorie in einem mehrdeutigen Entwicklungsbegriff auf gesellschaftliche Verhältnisse an. Propagandist eines durch „adequate moral restraint“ gezügelten ökonomischen laissez-faire. Spiethoff, Arthur (13.5.1873–4.4.1957). Nationalökonom. 1905 Promotion zum Dr. phil. in Berlin bei → Gustav Schmoller, 1907 Habilitation ebd.; 1899–1908 Assistent Schmollers; 1908–18 als Nachfolger von → Alfred Weber o. Professor für Politische Ökonomie an der deutschen Universität Prag, 1918–39 o. Professor in Bonn. 1917–23 Mitherausgeber, seit 1924 alleiniger Herausgeber von „Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft“. Arbeiten zur Konjunkturtheorie. Spitzer, Hugo (7.4.1854–30.12.1936). Österreichischer Philosoph, Soziologe und Arzt. 1875 Promotion zum Dr. phil. bei → Alois Riehl in Graz, 1881 zum Dr. med. ebd., 1882 Habilitation für Philosophie; 1893–1905 a. o., 1905 o. Professor für Philosophie ebd.; Gründer des Seminars für Philosophische Soziologie, Mitherausgeber der Schriftenreihe „Zeitfragen aus dem Gebiet der Soziologie“. Stammler, Rudolf (19.2.1856–25.4.1938). Rechtsphilosoph. 1877 Promotion zum Dr. jur. in Gießen, 1879 Habilitation in Leipzig; 1882 a. o. Professor in Marburg, 1884 in Gießen, 1885–1916 o. Professor für Römisches Recht in Halle, 1916–21 für Bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie in Berlin. Gründer und Mitherausgeber der „Zeitschrift für Rechtsphilosophie“. Versuch einer Erneuerung der Rechtsphilosophie auf neukantianischer Grundlage. Die zweite Auflage seines Werks „Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung“ veranlaßte Weber 1907 zu einer Kritik im AfSSp. Stein, Philipp (7.1.1870–5.2.1932). Jurist und Sozialpolitiker. 1896 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig; 1903 Leiter des Frankfurter Instituts für Gemeinwohl, Dozent an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, 1919 Honorar-Professor an der Universität Frankfurt a. M. 1909 Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS, 1911 als Nachfolger Max Webers in den Vorstand der DGS kooptiert.

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Stern, Louis Wilhelm (später: William) (29.4.1871–27.3.1938). Psychologe und Philosoph. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1897 Habilitation, 1897 Privatdozent in Breslau; 1907–16 a. o. Professor für Philosophie ebd., 1916–33 o. Professor für Psychologie in Hamburg; 1906–16 Direktor des „Instituts für angewandte Psychologie und psychologische Sammelforschung“, 1933 zwangsweise in den Ruhestand versetzt. 1904 Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für Psychologie“. Arbeiten zur Differenziellen Psychologie und zur Kinderpsychologie; gilt mit → Hugo Münsterberg als einer der Begründer der angewandten Psychologie. Unterzeichner des Beitrittsaufrufes zur DGS 1909. Stumm-Halberg, Carl Ferdinand (seit 1891) Freiherr (seit 1888) von (30.3.1836– 8.3.1901). Politiker und Industrieller. Inhaber des saarländischen Stumm-Konzerns. 1867–71 Mitglied des Norddeutschen Reichstags für die Freikonservative Partei, 1867–70 MdprAH, 1871–81 und 1889–1901 MdR für die Deutsche Reichspartei, seit 1882 MdprHH, 1890 Mitglied des preußischen Staatsrats. Befürworter von Schutzzöllen und des Sozialistengesetzes. Während der 1890er Jahre einer der schärfsten Kritiker der evangelisch-sozialen Bewegung und des Vereins für Socialpolitik; in diesem Zusammenhang heftige Auseinandersetzung mit Max Weber. Mit seinem Namen ist die konservative Wende in der Sozialpolitik 1895 und die sich daran anschließende Phase (die sog. „Ära Stumm“) verknüpft. Stutz, Ulrich (5.5.1868–6.7.1938). Schweizer Jurist und Rechtshistoriker. 1892 Promotion zum Dr. jur. in Berlin; 1894 Habilitation für Deutsches Recht und Kirchenrecht in Basel; 1895 a. o. Professor ebd., 1896 o. Professor für Deutsches Recht und Kirchenrecht in Freiburg i. Br., 1904 o. Professor und Direktor des Kirchenrechtlichen Seminars in Bonn, 1917–36 in Berlin. 1898–1938 Mitherausgeber der „Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte“. Grundlegende Arbeiten zum mittelalterlichen Kirchenrecht und zur Wechselbeziehung zwischen deutschem und kirchlichem Recht im Mittelalter und in der Neuzeit. Thiel, Hugo (2.6.1839–13.1.1918). Ministerialbeamter. 1865 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1866 Privatdozent ebd.; 1869–72 o. Professor für Agrarwissenschaft in Darmstadt, 1872/73 in München; 1873–85 Generalsekretär des preußischen Landesökonomiekollegiums, 1879 Geheimer Regierungsrat im preußischen Landwirtschaftsministerium, 1885 Geheimer Oberregierungsrat, 1897– 1911 Ministerialdirektor der Domänenabteilung; 1873–78 MdprAH, 1874–77 MdR für die Nationalliberale Partei. Ausschußmitglied des Vereins für Socialpolitik; 1891/92 Organisator der Landarbeiterenquete. Thiess, Karl (19.9.1870–28.9.1941). Nationalökonom. 1894 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg; 1895 Generalsekretär des Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften in Offenbach; 1904 o. Professor an der TH Danzig; 1908 Tätigkeit in der Verwaltung der Südmandschurischen Eisenbahngesellschaft Tokio; 1911 Rückkehr an die TH Danzig, 1914 Professor für Staatswissenschaften an der Handelshochschule Köln. Von Max Weber für die Mitarbeit an der Presseenquete der DGS vorgesehen.

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Tienken, Adolf (15.6.1872–?). Nationalökonom. Studium der Nationalökonomie in Berlin und Heidelberg; hörte 1897/98 bei Max Weber Vorlesungen, nahm an dessen Volkswirtschaftlichem Seminar teil und promovierte bei ihm mit einer Arbeit über die wirtschaftlichen und gewerblichen Verhältnisse in Marsch und Geest an der Weser; anschließend bei der Landwirtschaftskammer der Provinz Hannover und der Landwirtschaftskammer für das Großherzogtum Oldenburg tätig. Toller, Ernst (1.12.1893–22.5.1939). Schriftsteller und Politiker. 1914 Kriegsfreiwilliger, 1916 nach Verwundung und Zusammenbruch vom Militärdienst zurückgestellt; 1917 Studium in München, 1917 Wechsel nach Heidelberg; dort im November 1917 Gründung des „Kulturpolitischen Bundes der Jugend in Deutschland“; mußte aufgrund eines gegen die Siegfrieden-Rhetorik der „Deutschen Vaterlandspartei“ gerichteten aufsehenerregenden Aufrufs Ende 1917 Heidelberg verlassen; im Januar 1918 Aufenthalt in Berlin, wo er den sozialistischen Politiker Kurt Eisner kennenlernte; ab Mitte Januar in München, dort wegen Rednertätigkeit während der Januarstreiks 1918 Anfang Februar verhaftet, Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats; seit Mitte November 1918 Mitglied des Münchener Arbeiter- und Soldatenrats; im Dezember 1918 Teilnahme am Rätekongreß in Berlin; am 8. April 1919 Vorsitzender des revolutionären Zentralrats in Bayern; führend an den beiden Regierungen der bayerischen Räterepublik beteiligt; nach seiner Verhaftung im Juli 1919 zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt; in der Haft Arbeit an expressionistischen Dramen; lebte nach seiner Entlassung als Schriftsteller in Berlin; seit 1933 in der Emigration; 1939 Selbstmord in New York. Seit 1917 persönliche Bekanntschaft mit Max Weber, der für ihn 1918 und 1919 in beiden Verfahren aussagte. Tönnies, Ferdinand (26.7.1855–9.4.1936). Philosoph, Soziologe und Nationalökonom. 1877 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen, Reisen nach England zum Studium des Philosophen Thomas Hobbes, 1881 Habilitation in Kiel; 1909–13 a. o., 1913–16 o. Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften ebd., 1921– 33 Lehrauftrag für Soziologie ebd. Mit seinem Hauptwerk „Gemeinschaft und Gesellschaft“ einer der Begründer der deutschen Soziologie; 1909–33 erster Vorsitzender der von ihm u. a. mit Max Weber, → Werner Sombart und → Georg Simmel gegründeten DGS. Treitschke, Heinrich von (15.9.1834–28.4.1896). Historiker und Publizist. 1854 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig, 1858 Habilitation für Staatswissenschaften ebd., 1863 a.o. Professor in Freiburg i.Br., 1866 o. Professor in Kiel, 1867 in Heidelberg, seit 1874 in Berlin als Nachfolger Leopold von Rankes. 1886 Historiograph des preußischen Staates. 1871–84 MdR, zunächst für die Nationalliberalen, später parteilos; 1866–89 Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“. Setzte sich für die deutsche Einheit unter preußischer Führung ein; führender Vertreter der Idee eines deutschen Machtstaates. Seine zahlreichen Veröffentlichungen, vor allem seine „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“ sowie seine „Vorlesungen über Politik“, übten großen Einfluß auf das deutsche Bürgertum aus. Gehörte zum Bekanntenkreis von → Maximilian (Max) Weber sen.

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Troeltsch, Ernst (17.2.1865–1.2.1923). Evangelischer Theologe, Politiker, Philosoph und Historiker. 1891 Promotion zum Lic. theol. und Habilitation in Göttingen; 1892 a.o. Professor für Systematische Theologie in Bonn, 1894 o. Professor in Heidelberg, 1915 o. Professor für „Kultur-, Geschichts- und Religionsphilosophie“ in Berlin; 1918 Mitbegründer der DDP, 1919–21 Mitglied der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung und Parlamentarischer Unterstaatssekretär im preußischen Kultusministerium. Seit 1897 mit Max Weber bekannt und bis zum Ersten Weltkrieg freundschaftlich verbunden; wohnte von 1910–15 im selben Haus wie dieser, enge Zusammenarbeit mit ihm in religionssoziologischen Fragen der Kulturbedeutung des Christentums und der protestantischen Sekten. Trott zu Solz, August von (29.12.1855–27.10.1938). Jurist und Politiker. 1893–98 MdprAH für die Konservative Partei; seit 1894 vortragender Rat im preußischen Innenministerium, 1898 Regierungspräsident in Koblenz, 1899 in Kassel, 1905 Oberpräsident von Brandenburg, 1909–17 preußischer Kultusminister, 1917–19 Oberpräsident von Hessen-Nassau. Tschuprow, A. A.; Tl.: Cˇuprov, Aleksandr Aleksandrovicˇ (6.2.1874–19.4.1926). Russischer Statistiker und Nationalökonom. Agrarexperte; Schüler → Georg Friedrich Knapps; 1902–17 Professor in St. Petersburg, 1917–20 in Stockholm und 1920–25 in Dresden. Unger, Joseph (2.7.1828–2.5.1913). Österreichischer Jurist und Politiker. 1850 Promotion zum Dr. phil. in Königsberg, 1852 zum Dr. jur. in Wien, 1853 Habilitation ebd. und a. o. Professor der Rechte in Prag, 1856 in Wien, seit 1857 o. Professor ebd.; 1867 Mitglied im Reichsrat, 1869 Mitglied des Herrenhauses; 1871–78 Minister ohne Portefeuille; 1881–1913 Präsident des Reichsgerichts. Einflußreichster österreichischer Zivilrechtler des 19. Jahrhunderts. Freund und Förderer → Georg Jellineks. Vierkandt, Alfred (4.6.1867–24.4.1953). Soziologe. 1892 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig, 1894 Habilitation für Erdkunde an der TH Braunschweig; 1890–1900 Hilfs- und Oberlehrer in Braunschweig, seit 1900 Privatdozent; 1921 a. o., 1925 o. Professor für Soziologie, Philosophie und Völkerkunde in Berlin. 1934 emeritiert und Vorlesungsverbot, 1946 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit in Berlin. Unterzeichner des Beitrittsaufrufs zur DGS 1908 und deren Mitbegründer. Voigt, Andreas (18.4.1860–10.1.1941). Mathematiker und Nationalökonom. 1890 Promotion zum Dr. phil. in Freiburg i. Br.; Dozent für Mathematik an der TH Karlsruhe, 1896–1903 Direktor des neugegründeten „Instituts für Gemeinwohl“ in Frankfurt a. M., 1903 Dozent an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften ebd.; 1914 o. Professor an der Universität Frankfurt a. M. Gegner der sog. Kathedersozialisten. Unterzeichner des Beitrittsaufrufs zur DGS 1909 und Referent auf dem Ersten Deutschen Soziologentag 1910.

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Wach, Adolf (11.9.1843–4.4.1926). Jurist. 1865 Promotion zum Dr. jur. in Königsberg, 1868 Habilitation ebd.; 1869 o. Professor der Rechte in Rostock, 1871 in Tübingen, 1872 in Bonn, 1875 in Leipzig, seit 1879 auch Richter in Zivilsachen ebd. Arbeiten zum Zivilprozeßrecht und zur Reform des Strafrechts. Redner beim III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig 1909. Waentig, Heinrich (21.3.1870–20.12.1943). Nationalökonom. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig, 1895 Habilitation in Marburg; 1897 a. o. Professor ebd., 1898 in Greifswald, 1899 o. Professor für Nationalökonomie ebd., 1902 in Münster, 1904 in Halle, 1909 in Tokio und 1913–27 wieder in Halle; 1921–27 MdprL für die SPD. Mitglied des Vereins für Socialpolitik; Arbeiten zur Entwicklung der Sozialwissenschaften. Unterzeichner des Beitrittsaufrufs zur DGS 1909. Wagner, Adolph (25.3.1835–8.11.1917). Nationalökonom. 1857 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen; 1858 Professor für Nationalökonomie und Finanz­ wissen­schaft an der Handelsakademie in Wien, 1864 o. Professor für Statistik in Dorpat, 1868 o. Professor für Staatswissenschaften in Freiburg i. Br., 1870 in ­Berlin. 1882–85 MdprAH für die Deutschkonservative Partei, seit 1910 MdprHH. Mitbegründer des Vereins für Socialpolitik; 1881 Mitglied und bis 1896 zweiter Präsident der von Adolf Stoecker 1878 begründeten Christlich-sozialen Arbeiterpartei; 1890 Mitbegründer des Evangelisch-sozialen Kongresses. Führender Finanzwissenschaftler. Weber, Adolf (29.12.1876–5.1.1963). Nationalökonom. 1900 Promotion zum Dr. jur. in Freiburg i. Br., 1902 zum Dr. phil. in Bonn, 1903 Habilitation und Privatdozent ebd. sowie an der Landwirtschaftlichen Hochschule Bonn-Poppelsdorf; 1908 o. Professor an der Handelshochschule Köln, 1914 in Breslau, 1919 in Frankfurt a. M. und 1921–48 in München (als Nachfolger Max Webers). Arbeiten zur Allgemeinen Volkswirtschaftslehre und zum Bank- und Börsenwesen. Weber, Alfred (30.7.1868–2.5.1958). Nationalökonom und Soziologe. 1897 Promotion zum Dr. phil. bei → Gustav Schmoller in Berlin und zweites Juristisches Staatsexamen ebd., 1899 Habilitation für Nationalökonomie ebd.; 1904 o. Professor in Prag, 1908–33 und 1945–55 o. Professor für Nationalökonomie, seit 1926 auch für Soziologie in Heidelberg. 1914–16 Kriegsdienst als Reserveoffizier; 1916–18 dienstverpflichteter Mitarbeiter im Reichsschatzamt in Berlin, 1918 Mitarbeiter im Bureau für Ostpolitik; Gründungsmitglied und von November bis Dezember 1918 Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der DDP. Seit 1899 Mitglied im Verein für Socialpolitik. Arbeiten zur Hausindustrie, Standorttheorie, Kultursoziologie und Geschichtsphilosophie, politische Aufsätze. Unterzeichner des Beitrittsaufrufs zur DGS 1908. Seit 1910 Lebensgefährte von → Else Jaffé; Bruder Max Webers. Weber, Marianne, geb. Schnitger (2.8.1870–12.3.1954). Repräsentantin der Frauenbewegung, Schriftstellerin. 1894–97 Studien bei → Heinrich Rickert in Freiburg i. Br., nach 1897 in Heidelberg Gasthörerin bei → Wilhelm Windelband,

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Emil Lask und Karl Jaspers. 1897 Gründung und Leitung der Heidelberger Abteilung des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium, Vorstandsmitglied, und 1919– 21 Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine. 1919 Mitglied der verfassunggebenden Badischen Nationalversammlung für die DDP. Nach dem Tode Max Webers 1921 Rückkehr nach Heidelberg und Herausgabe seiner nachgelassenen Manuskripte zu „Wirtschaft und Gesellschaft“ sowie seiner Aufsätze in mehreren Sammelbänden; 1926 Veröffentlichung von „Max Weber. Ein Lebensbild“. Für ihr Buch „Ehefrau und Mutter in der Rechts­ent­wicklung“ (1907) erhielt sie 1922 den Grad eines Ehrendoktors der Universität Heidelberg. Sie veröffentlichte zahlreiche Aufsätze und Bücher zur Frauenfrage und zur Neubestimmung weiblicher Leitbilder. Seit 1893 mit Max Weber verheiratet. Weber, Maximilian (Max) sen. (31.5.1836–10.8.1897). Jurist, nationalliberaler Politiker und Stadtrat. Studium in Göttingen und Berlin. 1858 Promotion zum Dr. jur. utr. in Göttingen, ohne schriftliche Dissertation; 1859 bei der Pressestelle des preußischen Staatsministeriums tätig, 1862–69 Stadtrat in Erfurt, 1869–93 in Berlin-Charlottenburg, 1872–77 und 1879–84 MdR, 1868–82 sowie 1884–97 MdprAH, Mitglied der preußischen Staatsschulden- sowie der ReichsschuldenKommission. Führendes Mitglied der Nationalliberalen Partei. Verheiratet mit Helene Weber, geb. Fallenstein; Vater von Max Weber. Weech, Friedrich von (16.10.1837–17.11.1905). Historiker und Archivar. 1860 Promotion zum Dr. phil. in München, Mitarbeit an den „Chroniken der deutschen Städte“ bei der Historischen Kommission der BAdW; 1862 Habilitation in Freiburg i. Br.; 1864–68 Bibliothekar an der Großherzoglichen Hofbibliothek in Karlsruhe, 1868 Archivrat im Badischen Generallandesarchiv, 1885 Direktor ebd.; 1883– 1905 Sekretär und ordentliches Mitglied der Badischen Historischen Kommission; seit 1868 Mitherausgeber der „Zeitschrift für die Geschichte des Ober­ rheins“; 1875 und 1881 Herausgeber der „Badischen Biographien“. Weismann, August (17.1.1834–5.11.1914). Mediziner und Biologe. 1858 Promotion zum Dr. med., 1863 Privatdozent für Zoologie in Freiburg i. Br., 1866 a. o., 1873–1912 o. Professor ebd.; Inhaber des ersten Lehrstuhls für Zoologie. Veröffentlichungen zu Vererbungserscheinungen und zur Darwinschen Selektionstheorie; gilt als einer der Begründer des Neodarwinismus. Wenckstern, Adolph von (4.10.1862–21.10.1914). Nationalökonom. 1893 Promotion zum Dr. phil. bei → Gustav Schmoller in Berlin; 1893–95 Professor an der Universität Tokio für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, 1896 Habilitation in Berlin; 1901 a. o. Professor ebd., 1905 in Greifswald, 1906 o. Professor in Breslau. Veröffentlichungen zu nationalökonomischen und sozialwissenschaftlichen Theorien, u. a. über Karl Marx und den Sozialismus sowie über Flotten- und Handelspolitik. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen.

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Wetering, Henricus van de (26.11.1850–18.11.1929). Niederländischer Kleriker und Erzbischof von Utrecht. 1874 Priesterweihe, 1881–92 Tätigkeit als Sekretär im Bistum Utrecht, 1892–95 Priester in Hilversum, 1895 Titularerzbischof von Gaza, 1895–1929 Erzbischof von Utrecht. Wettstein, Oskar (26.3.1866–16.2.1952). Schweizer Zeitungswissenschaftler und Politiker. 1889 Promotion zum Dr. phil. in Erlangen, 1903 Habilitation in Zürich, 1903–38 Privatdozent für Journalismus und Presserecht ebd.; 1890–95 Journalist in Berlin, 1895–1914 Chefredakteur der „Züricher Post“; 1897–1914 Mitglied des großen Stadtrats von Zürich, 1902–14 Mitglied des Kantonsrats, 1914–35 Regierungsrat; 1923 Mitglied und Präsident der ständerätischen Finanzkommission. Veröffentlichungen über die Schweizer Presse. Von Max Weber als Mitarbeiter für die Presseenquete der DGS vorgesehen. Wieser, Friedrich Freiherr von (10.7.1851–23.7.1926). Österreichischer Nationalökonom und Soziologe. 1875 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1883 Habilitation ebd.; 1884 a. o. Professor in Prag, 1889 o. Professor ebd., als Nachfolger von Carl Menger, 1903–17 und 1919–22 o. Professor in Wien; 1917/18 Handelsminister. Neben Carl Menger und → Eugen v. Böhm-Bawerk einer der Begründer der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“. Auf ihn geht der Begriff „Grenznutzen“ zurück. Wilbrandt, Robert (29.8.1875–4.2.1954). Österreichischer Nationalökonom. 1899 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1904 Habilitation ebd.; 1908–29 o. Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft in Tübingen, 1929–33 an der TH Dresden; 1933 aus politischen Gründen entlassen. Gehörte zum linken Flügel des Vereins für Socialpolitik; Unterzeichner des Beitrittsaufrufs zur DGS 1909. Setzte sich in mehreren Schriften mit Max Webers Forderung der Werturteilsfreiheit auseinander. Windelband, Wilhelm (11.5.1848–22.10.1915). Philosoph. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1873 Habilitation in Leipzig; 1876 o. Professor für Philosophie in Zürich, 1877 in Freiburg i. Br., 1882 in Straßburg und 1903–15 in Heidelberg. Begründer und mit → Heinrich Rickert Repräsentant der Südwestdeutschen Schule des Neukantianismus. Winterer, Otto (8.1.1846–26.2.1915). Badischer Kommunalbeamter. Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg i. Br. und Heidelberg; seit 1871 im badischen Staatsdienst; 1877 Oberbürgermeister von Konstanz und 1888–1913 von Freiburg i. Br.; 1883–89 als Abgeordneter in der 2. Badischen Kammer, dort Mitglied der Nationalliberalen Fraktion, 1905–15 als Vertreter der badischen Städte in der 1. Badischen Kammer. Gilt in Freiburg als „zweiter Gründer der Stadt“. Wolf, Julius (20.4.1862–1.5.1937). Nationalökonom. 1884 Promotion zum Dr. phil. in München, 1885 Habilitation in Zürich; 1888 a. o., 1889 o. Professor für Ökono-

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mie und Statistik ebd., 1897 in Breslau, 1913 an der TH Charlottenburg; gründete 1898 die „Zeitschrift für Socialwissenschaften“. Ziegler, Heinrich Ernst (15.7.1858–1.6.1925). Zoologe. 1882 Promotion zum Dr. phil. in Freiburg i. Br. und vorübergehende Tätigkeit als Lehrer ebd.; 1882–86 Assistent am Zoologischen Institut Straßburg, 1884 Habilitation ebd., 1887 Privatdozent in Freiburg i. Br.; 1890 a. o. Professor ebd., 1898–1909 a. o. Professor für Zoologie und Phylogenie in Jena, 1909 o. Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim sowie an der TH Stuttgart. Teilnehmer beim II. Deutschen Hochschullehrertag in Jena 1908. Zwiedineck-Südenhorst, Otto von (24.2.1871–6.8.1957). Nationalökonom. 1895 Promotion zum Dr. jur. in Graz; 1898 als Konzipist an den Handelskammern Graz und Wien, 1899 Ministerialkonzipist im österreichischen Ministerium des Innern; 1901 Habilitation bei → Eugen v. Philippovich in Staatswissenschaften an der Universität Wien; 1902 a. o. Professor, 1903–20 o. Professor an der TH Karlsruhe, 1920 in Breslau, 1921–38 als Nachfolger Max Webers in München. Arbeitete u. a. über die Lohn-Preis-Bindung, die Preistheorie und Sozialpolitik.

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

Aufgenommen sind die von Max Weber zitierten Titel in der von ihm angegebenen Ausgabe. Fehlen präzise Angaben zu Titel oder Ausgabe, so sind diese vom Editor erschlossen. Die von Max Weber begutachteten Zulassungsarbeiten werden nur dann aufgenommen, wenn sie in der von ihm mitherausgegebenen Reihe der „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“ erschienen sind. In Klammern stehen die vom Editor verwendeten Kurztitel.

Blanck, Friedrich, Der Deutsche Nachrichtenmarkt. – Heidelberg: J. Hörning 1910 [Teilabdruck der Diss.]. (Blanck, Nachrichtenmarkt) Böhm-Bawerk, Eugen von, Zum Abschluß des Marxschen Systems, in: Staatswissenschaftliche Arbeiten. Festgaben für Karl Knies zur 75. Wiederkehr seines Geburtstages, hg. von Otto Freiherrn von Boenigk. – Berlin: O. Haering 1896, S.  85–205. (Böhm-Bawerk, Abschluß) Burckhardt, Jakob, Griechische Kulturgeschichte, Band 1, 2.  Aufl., hg. von Jakob Oeri. – Berlin und Stuttgart: W. Spemann 1898. (Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte2) Cahn, Julius, Münz- und Geldgeschichte der Stadt Straßburg im Mittelalter. – Straßburg: Karl J. Trübner 1895. (Cahn, Münz- und Geldgeschichte) –, Der Rappenmünzbund. Eine Studie zur Münz- und Geld-Geschichte des oberen Rheinthales. – Heidelberg: Carl Winter 1901. (Cahn, Der Rappenmünzbund) Eulenburg, Franz, Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren. Statistische Untersuchungen. – Leipzig: S. Hirzel 1909. (Eulenburg, Entwicklung der Universität Leipzig) –, Die Frequenz der deutschen Universitäten. Von ihrer Gründung bis zur Gegenwart (Abhandlungen der Philologisch-Historischen Klasse der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Band XXIV, Nr.  2). – Leipzig, Berlin: B. G. Teubner 1904. (Eulenburg, Frequenz) Fuchs, Carl Johannes, Die Handelspolitik Englands und seiner Kolonien in den letzten Jahrzehnten (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 57). – Leipzig: Duncker & Humblot 1893. (Fuchs, Handelspolitik) –, Der Untergang des Bauernstandes und das Aufkommen der Gutsherrschaften. Nach archivalischen Quellen aus Neuvorpommern und Rügen (Abhandlungen

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aus dem staatswissenschaftlichen Seminar zu Straßburg i. E., 6. Heft). – Straßburg: Karl J. Trübner 1888. (Fuchs, Untergang) –, Der Waren‑Terminhandel, seine Technik und volkswirtschaftliche Bedeutung, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, Jg. 15, Heft 1, 1891, S.  49–102. (Fuchs, WarenTerminhandel) Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von, Wirtschaft und Technik, in: Grundriß der Sozialökonomik, II. Abt.: Die natürlichen und technischen Beziehungen der Wirtschaft. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S.  199–381. (Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Technik) Hallwich, Hermann, Firma Franz Leitenberger 1793–1893. Eine Denkschrift (Beiträge zur Geschichte der deutschen Industrie in Böhmen, hg. vom Vereine für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Heft II). – Prag: H. Dominicus 1893. (Hallwich, Firma Franz Leitenberger) Jellinek, Georg, Allgemeine Staatslehre. – Berlin: Haering 1900. (Jellinek, Allgemeine Staatslehre) –, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Ein Beitrag zur modernen Verfassungsgeschichte. – Leipzig: Duncker & Humblot 1895. (Jellinek, Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte) –, System der subjektiven öffentlichen Rechte. – Freiburg i. Br.: Mohr 1892. (Jellinek, System) Kindermann, Carl, Zur organischen Güterverteilung, Teil 1: Die allgemeine materielle Lage der Roheisenarbeiter der Vereinigten Staaten von Amerika, besonders Pennsylvaniens. – Leipzig: Duncker & Humblot 1894. (Kindermann, Güterverteilung) Kleinwächter, Friedrich, Die Kartelle. – Innsbruck: Wagner 1883. (Kleinwächter, Kartelle) Kopetz, Wenzel Gustav, Allgemeine österreichische Gewerbs-Gesetzkunde, oder systematische Darstellung der gesetzlichen Verfassung der Manufactursund Handelsgewerbe in den deutschen, böhmischen, galizischen, italienischen und ungarischen Provinzen des österreichischen Kaiserstaates, 2 Bände. – Wien: F. Volke 1829–1830. (Kopetz, Österreichische Gewerbs-Gesetzkunde I-II) Liefmann, Robert, Die Unternehmerverbände (Konventionen, Kartelle). Ihr Wesen und ihre Bedeutung (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, hg. von Carl Johannes Fuchs, Heinrich Herkner, Gerhar[t] von Schulze-

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

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G[ae]vernitz und Max Weber, 1.  Band, 1. Heft). – Freiburg i. Br., Leipzig und Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1897. (Liefmann, Unternehmerverbände) Löbl, Emil, Kultur und Presse. – Leipzig: Duncker & Humblot 1903. (Löbl, Kultur und Presse) Lotz, Walther, Die Ideen der deutschen Handelspolitik von 1860 bis 1891 (Die Handelspolitik der wichtigeren Kulturstaaten in den letzten Jahrzehnten, Band 2) (Schriften des Vereins für Socialpolitik 50). – Leipzig: Duncker & Humblot 1892. (Lotz, Handelspolitik) Menger, Anton, Neue Sittenlehre. – Jena: Gustav Fischer 1905. (Menger, Neue Sittenlehre) Plenge, Johann, Gründung und Geschichte des Crédit Mobilier. – Tübingen: Laupp 1903. (Plenge, Crédit Mobilier) –, Marx und Hegel. – Tübingen: Laupp 1911. (Plenge, Marx und Hegel) –, Wirtschaftsstufen und Wirtschaftsentwicklung, in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, Band 4, 1916, S.  495–529. (Plenge, Wirtschaftsstufen) –, Die Zukunft in Amerika, in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, Band 1, 1912, S.  431–500. (Plenge, Zukunft in Amerika) Rau, Karl Heinrich, Lehrbuch der politischen Ökonomie, 3 Bände. – Heidelberg: Akad. Verlagsbuchhandlung von C.F. Winter 1826–1837. (Rau, Lehrbuch) Rickert, Heinrich, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften. – Tübingen und Leipzig: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1902. (Rickert, Grenzen) Salz, Arthur, Entgegnung, in: Deutsche Literaturzeitung, Nr.  7 vom 14. Febr. 1914, Sp.  445 f. (Salz, Entgegnung) –, Geschichte der böhmischen Industrie in der Neuzeit. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913. (Salz, Böhmische Industrie) –, In eigener Sache, in: AfSSp, 38.  Band, Heft 2, 1914, S.  527–538. (Salz, In eigener Sache) –, Wallenstein als Merkantilist, in: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 57. Jg., 1909, S.  433–461. (Salz, Wallenstein) Sander, Paul, In eigener Angelegenheit, in: Deutsche Literaturzeitung, Nr.  23 vom 6. Juni 1914, Sp.  1460 f. (Sander, Angelegenheit)

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Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

–, Antwort, in: Deutsche Literaturzeitung, Nr.  7 vom 14. Febr. 1914, Sp.  446–448. (Sander, Antwort) –, Feudalstaat und bürgerliche Verfassung. Ein Versuch über das Grundproblem der deutschen Verfassungsgeschichte. – Berlin: A. Bath 1906. (Sander, Feudalstaat) –, [Rezension von:] Salz, Arthur, Geschichte der böhmischen Industrie in der Neuzeit. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913, in: Deutsche Literaturzeitung, Nr.  42 vom 18. Okt. 1913, Sp.  2675–2681. (Sander, Rezension) Schachner, Robert, Das Tarifwesen in der Personenbeförderung der transozeanischen Dampfschiffahrt (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, hg. von Carl Johannes Fuchs, Karl Rathgen, Gerhar[t] von SchulzeG[ae]vernitz und Max Weber, Band VII, Heft 2). – Karlsruhe: G. Braun’sche Hofdruckerei 1904. (Schachner, Tarifwesen) Schacht, Hjalmar, Statistische Untersuchungen über die Presse Deutschlands, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 15, 1898, S.  503–525. (Schacht, Statistische Untersuchungen) Schebek, Edmund, Collectiv-Ausstellung von Beiträgen zur Geschichte der Preise veranstaltet zur Welt-Ausstellung 1873 in Wien von der Handels- und Gewerbekammer in Prag. – Prag: Mercy 1873. (Schebek, Collectiv-Ausstellung) Sieveking, Heinrich, Genueser Finanzwesen mit besonderer Berücksichtigung der Casa Di S. Giorgio, 2 Teile (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der badischen Hochschulen, Band 1, Heft 3 und Band 3, Heft 3). – Freiburg i. Br., Leipzig, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1898/99. (Sieveking, Genueser Finanzwesen) –, Die Genueser Seidenindustrie im 15. und 16. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 21. Jg., Heft 1, 1897, S.  101–133. (Sieveking, Genueser Seidenindustrie) –, Hamburger Kolonisationspläne 1840–1842, in: Preußische Jahrbücher, Band 86, 1896, S.  149–170. (Sieveking, Hamburger Kolonisationspläne) –, Die rheinischen Gemeinden Erpel und Unkel und ihre Entwickelung im 14. und 15. Jahrhundert. – Leipzig: Duncker & Humblot 1895. (Sieveking, Rheinische Gemeinden) –, Das Seedarlehen des Altertums. – Leipzig: Veit 1893. (Sieveking, Seedarlehen)

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Sombart, Werner, Arbeitslöhne in der oberschlesischen Montanindustrie, 2 Teile in: Socialpolitisches Centralblatt, Band 18, 1892, S.  225 ff. und Band 44, 1892/93, S.  525 ff. (Sombart, Arbeitslöhne) –, Demagogenthum in wissenschaftlichem Gewande. Eine Entgegnung, in: Schlesische Zeitung, Nr.  706 vom 8. Okt. 1892. (Sombart, Dema­go­gen­thum) –, Zur Kritik des ökonomischen Systems von Karl Marx, in: Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, Band 7, 1894, S.  555–594. (Sombart, Kritik des ökonomischen Systems) –, Zur neueren Litteratur über Hausindustrie (1891–1893) I und II, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 61 (Dritte Folge Band 6), 1893, S.  736– 781 und S.  894–936. (Sombart, Litteratur über Hausindustrie I, II) –, Die römische Campagna. Eine sozialökonomische Studie. – Leipzig: Duncker & Humblot 1888. (Sombart, Römische Campagna) –, Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert. – Jena: G. Fischer 1896. (Sombart, Sozialismus und soziale Bewegung) Weber, Max, Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSSp, 19. Band, Heft 3, 1904, S.  503–574 (MWG I/8, S.  81–188). (Weber, Fideikommißfrage) –, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. – Stuttgart: F. Enke 1891 (MWG I/2). (Weber, Römische Agrargeschichte)

Personenregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Familien und Firmennamen sind im Sachregister aufgenommen. Max Weber wird nur im Zusammenhang mit seinen Schriften und besonderen Lebensstationen aufgeführt.

Abbe, Ernst 112, 294, 871 Abelsdorf, Walter 825 Adickes, Franz 287, 291, 293 Adler, Alfred 281 Adler, Max 27 Agricola, Georgius 479, 871 Albert, Peter P. 767 Albisetti, James C. 166 f. Albrecht, Heinrich 728 Aldenhoff-Hübinger, Rita 725 Allmers, Hermann Ludwig 539, 871 Althoff, Friedrich 12, 15 f., 75, 82, 83, 98, 178, 288, 295, 298, 300 f., 306–312, 314 f., 317, 319–323, 335, 336, 341–345, 347, 348, 350–352, 353 f., 356, 358, 359 f., 380, 384, 385, 386, 389 f., 394 f., 402, 403–407, 409, 794, 796–800, 802, 803, 804, 871 f. Amira, Karl von 13, 85, 109, 111, 116, 122, 131, 185, 296, 773, 872 Amonn, Alfred 611, 872 Angiolini, Alfredo 131 Arco-Valley, Anton Graf von 7, 46–48, 710 f., 716, 718, 720, 722 Arndt, Paul 825 Arnsperger, Ludwig 306–308, 317, 319, 334, 336, 380, 796, 872 Arons, Martin Leo 112 f., 122, 180, 294, 297, 774 f., 872 Auerbach, Felix 825 Aurnhammer, Achim 419, 626 Bachem, Josef 148 Baeumker, Clemens 617

Bandmann, Otto 34, 327, 335, 365, 415 Barth, Paul 29, 411 f., 820 Barthling, Eduard 213 Bauer, Otto 637 Baumgart, Peter 169 Baumgart, Winfried 629 Baumgarten, Eduard 364, 710 f. Beck, Heinrich 172 Beck, Hermann 28–31, 139 f., 152–154, 156, 168, 188 f., 193, 195 f., 201, 203, 205, 208, 212, 229–231, 246, 256, 263, 411 f., 417, 811 f., 814, 819 f., 824 f., 828, 835, 872 Beck, Otto 328 Becker, Carl Heinrich 8 Beer, Ludwig 327, 328, 395, 410, 872 Beling, Ernst von 682 Below, Georg von 440, 457 f., 873 Benecke, Friedrich Wilhelm 370 Bennett, James Gordon 146 Bergbohm, Karl Magnus 344 f., 873 Berlepsch, Hans Frhr. von 726, 728, 731 Bernays, Marie 235, 746 Bernhard, Georg 63, 69, 151, 743, 873 Bernhard, Ludwig 16 f., 75–77, 78–85, 86 f., 88 f., 90, 92 f., 94, 96–104, 206, 311, 313, 322, 381 f., 383, 405, 407, 825, 873 Bernheim, Ernst 200, 825, 873 Bernstein, Eduard 825

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Personenregister

Bernstorff, Johann Heinrich Graf von 676 Bethmann Hollweg, Moritz August von 142 Bethmann Hollweg, Theobald von 676 Bezold, Carl 655 Biermer, Magnus 175, 529 Biesenbach, Friedhelm 705 Binding, Karl 124, 183 Binz, Arthur 325, 327, 335, 354, 363, 365 f., 367, 788, 873 Bismarck, Otto Fürst von 59, 146, 179, 251, 404 Blanck, Anna 235, 241 Blanck, Friedrich 214 f., 237, 241 f., 874, 917 Blaustein, David 276 Boccanegra, Simone 525 Boehm, Laetitia 640, 710 Boese, Franz 26, 67, 71, 158, 728, 730, 734, 750, 752 f., 756 Böhm, Franz 17, 302 f., 306–308, 313, 317 f., 320, 322, 327, 334–336, 341, 343, 352, 356, 363 f., 366, 403, 405 f., 874 Böhm-Bawerk, Eugen von 581, 874, 917 Böhmert, Wilhelm 193, 825 Böhtlingk, Arthur 602, 604 Bonn, Moritz Julius 636, 648, 676 f., 699 f., 752, 874 Borght, Richard van der 750 Börne, Ludwig 143 Bornhak, Conrad 119, 121, 123, 125, 128 Bortkiewicz, Ladislaus von 39, 41, 98, 605 f., 608 f., 611 f., 616, 638, 820, 874 Bosse, Robert 113, 294 Bouglé, Célestine 27 Brabers, Jan 136 Braig, Carl 429, 573, 874 f. Brandl, Alois 76, 86, 88, 93

Braun, Heinrich 609, 875 Braungart, Wolfgang 419, 626 Breinlinger, Karl 544 f., 546 f., 875 Brentano, Lujo 11–13, 16 f., 26, 41, 70 f., 100 f., 109, 125 f., 139 f., 154, 168 f., 171, 175, 511, 580, 585 f., 587, 617, 619, 621, 622, 624 f., 644, 695 f., 726, 728, 730–733, 736, 801, 835, 851, 875 Breuer, Stefan 419, 626 Breysig, Kurt 30, 139, 153, 200, 820, 875 Brigl, Bernhard 148 Brockdorff-Rantzau, Ulrich Graf von 636 Brocke, Bernhard vom 99, 402 Broda, Rodolphe 196, 825 Bronger, Paul 710 Bruch, Rüdiger vom 80 f., 83, 113, 313, 382 f. Brunhuber, Robert 151, 835, 875 Brunner, Heinrich 12, 302, 305, 309 f., 323, 407, 764, 800, 876 Bücher, Karl 145, 174, 183, 269, 288, 290, 522, 580, 585, 609 f., 726, 728, 731, 735, 737, 750, 754, 825, 876 Budde, Ernst 172 Bueck, Henry Axel 183, 876 Bulgakov, Sergej 131 Bülow, Bernhard Fürst von 75, 264 Bunge, Carl Gustav 370 Bunk, Anton 548 Burckhardt, Jacob 263 f., 876, 913 Bürklin, Albert 213 Busch, Dora → Jellinek, Dora Busch, Friedrich 247, 255, 876 Bussiek, Dagmar 146 Cahn, Julius 764, 766, 876, 917 Calwer, Richard 825 Cardauns, Hermann 151 Cassirer, Ernst 851 Cemal Pascha → Dschemal Pascha

Personenregister

Cervantes Saavedra, Miguel de 253, 877 Chantraine, Heinrich 375 Ciccotti, Ettore 131 Cicero 846 Cohen, Hermann 200, 820, 851, 853, 877 Cohn, Gustav 743 Cohnheim, Eva 235 Conrad, Johannes 166, 389, 734, 750, 754, 877 Cooley, Charles H. 198 Cosack, Konrad 555, 563, 705 Cotta, Johann Friedrich 143 Cotta, Karl von 143 Cromwell, Oliver 168, 877 Cullen, Michael S. 264 Cˇ uprov, Aleksandr Aleksandrovicˇ → Tschuprow, A. A. Curti, Theodor 212 Dade, Heinrich 98 Dasbach, Georg Friedrich 148 Daude, Paul 131, 182 Daudert, Victor 509, 510, 514, 515, 521, 877 David, Eduard 200, 825, 877 Deininger, Jürgen 471 Delbrück, Berthold Gustav Gottlieb 111–113, 877 f. Delbrück, Hans 12 f., 76, 78, 80 f., 83, 89, 94, 96–104, 311, 878 Demeter, Karl 637 Demm, Eberhard 617 f., 625 Dennert, Eberhard 136 Dernburg, Friedrich 151, 877 Diehl, Karl 39, 605, 609 f., 616, 637, 820, 878 Diels, Hermann 105 Diesterweg, Friedrich 213 Dietzel, Heinrich 528, 637, 878 Dieudonné, Franz 151 Dilke, Charles 584

925

Djemal (Cemal) Pascha → Dschemal Pascha Domaszewski, Alfred von 655 f. Dove, Alfred 253, 763 f., 766, 767, 878 f. Dovifat, Emil 145 Dreijmanis, John 3 Dreyfus, Alfred 268, 879 Drüll, Dagmar 618, 646 Drygalski, Erich von 720 Dschemal Pascha 628, 879 Düding, Dieter 142 DuMont (Familie) 218 Du Moulin-Eckart, Richard Graf 163, 179, 529 Durkheim, Emile 198 Eckart, Dietrich 44 Eckert, Christian 355, 366, 368, 374, 879 Eheberg, Karl von 637, 879 Ehrenberg, Richard 17 f., 171 f., 174, 176, 177–179, 183, 726, 781, 786, 825, 880 Ehrle, Franz Josef 605 Eisner, Kurt 46, 679, 710 Elben, Otto 151 Elster, Ludwig 389 Eltzbacher, Paul 325, 327, 335, 363–365, 366 f., 880 Endres, Friedrich (Fritz) 556, 557, 880 Endres, Max 550, 554 f., 621, 630, 641 f., 643, 648 f., 650, 661, 663, 664, 665–667, 670, 672, 679, 681, 682, 685–687, 689 f., 692 f., 695, 722, 880 Engel, Ernst 429 Enneccerus, Ludwig 344, 880 Erzberger, Matthias 835 Escherich, Karl 617, 634, 662, 680, 683, 690 Eßlen, Joseph Bergfried 634 f., 638, 640, 647–649, 650, 880

926

Personenregister

Eulenburg, Franz 11, 13, 22, 31, 41, 78, 163, 165–170, 198, 204, 283, 285, 288, 292, 462, 608, 634 f., 638, 640, 647 f., 649 f., 697 f., 749 f., 752–754, 762, 820, 881, 917 Euripides 129 Fabricius, Ludwig 662, 666, 671, 680, 682 f., 690, 709 Fallenstein, Adalbert 370 Fallenstein, Emilie 370 Fallenstein, Friedrich 370 Fallenstein, Laura 370 Fallenstein, Otto 370 Fischer, Kuno 58, 570, 572 f., 575, 576, 881 Fischer, Theobald 114 f., 881 Flügge, Carl 825 Fohrmann, Ulrich 148 Fontane, Theodor 146 Francke, Ernst 105, 728, 731 Franz, Heike 398 Frentzel, Carl 151, 881 Freud, Sigmund 281, 881 Freyberg, Karl Leopold Maria Frhr. von 556, 881 Fried, Johannes 419, 626, 628 Friedberg, Emil 165 Friedrich I., Großherzog von Baden 761 f., 769, 881 f. Fuchs, Carl Johannes 71, 519 f., 522, 528, 540, 577, 579, 584, 585 f., 587, 601, 637, 730, 735, 767, 841, 842, 843, 882, 917 f. Führ, Christoph 169 Fullerton, George Stuart 394, 396 f., 399, 788 Fürstenberg-Stammheim, Franz Egon Graf von 142, 213, 882 Fustel de Coulanges, Numa Denis 471, 882 Galos, Adam 81

Gautsch von Frankenthurn, Paul Baron 251 Gay, Peter 281 Gentzen, Felix-Heinrich 81 Georg, Wilhelm 125 George, Stefan 9, 247, 282, 626, 882 Gerbert, Martin 765 Gerhardt, Felix 544 Gerlach, Hellmut von 142 Giddings, Franklin 198 Gierke, Julius von 834 Gierke, Otto von 105, 302 f., 305, 309 f., 313, 323, 335, 382, 395, 407, 726, 800, 831, 832–834, 851, 882 Giesecke-Teubner, Alfred 503 Giradin, Emile de 146 Glaesner, Erna 235 Gnauck-Kühne, Elisabeth 161, 825 Goc, Abram 252 Goethe, Johann Wolfgang von 249 Goetz, Georg 112 f., 775 Goetz, Walter 467, 496 Göhre, Paul 536, 544 Goldscheid, Rudolf 26 f., 31 f., 157, 160, 819 Goldschmidt, Levin 341, 405, 565 Goldschmidt, Salli 544, 546, 882 f. Gothein, Eberhard 12, 19, 24–26, 36 f., 44, 61, 65 f., 67–69, 70 f., 99, 200, 202, 208, 214, 215, 263, 328, 728, 762, 768, 769, 814, 835, 883 Göttler, Josef 722 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich Edler von 615 f., 638, 825, 883, 918 Gröber, Adolf 264 Gross, Otto 281 Groth, Otto 145, 149, 416 Grotjahn, Alfred 825 Grübnau, Max 563, 565 Grünberg, Carl 422, 461, 605 f., 841, 842, 843, 883 Grunenberg, Andreas 544 Grünewald, Eckhart 419 Gundolf, Friedrich 282

Personenregister

Guttmann, Julius 462 Gutzkow, Karl 143 Haeckel, Ernst 136 Haenisch, Konrad 697, 883 Hager, Bernhard 403 Halle, Ernst von 98 Hallwich, Hermann 425, 429–437, 463, 481–486, 883 f., 918 Hammer, Walter 145 Hampe, Karl 767 Hanssen, Georg 846, 884 Häpke, Rudolf 647, 650 Harden, Maximilian 102, 884 Hardin, Bert 198 Harms, Bernhard 637, 825, 884 Harmsworth, Alfred Charles William → Northcliffe, Alfred Lord Harnack, Adolf von 76, 78, 83, 90, 92 f., 96 f., 105, 311, 313, 382, 884 Hartmann, Ludo Moritz 12, 85, 175, 411, 499 f., 777 Hasbach, Wilhelm 343, 345, 358, 389, 825, 884 f. Hasenclever, Wilhelm 149 Hatschek, Julius 252 Hausmann, Josef 666, 680 Havas, Charles 144 Hayashima, Akira 364, 376 Hazeltine, Harold D. 834, 885 Hearst, William Randolph 150, 225 Hecht, Gustav 519 f., 521, 885 Hedwig, Andreas 403 Heenemann, Horst 147 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 40 Heimberger, Josef 16 Heine, Heinrich 143 Held, Fritz 765 Helfferich, Karl 676 Helfreich, Karl 221 Hellpach, Willy 825 Hemmeter, Walther 47 f., 710–712, 716 f., 719, 720 f., 885 Hense, Otto 567, 709

927

Hentschel, Volker 589, 599 Herkner, Heinrich 30–33, 139 f., 153, 156, 160 f., 200, 519 f., 602, 604, 643, 664, 695, 730, 733, 735, 737, 739, 741, 746 f., 749, 753, 755, 757, 820, 885 Hervey, William Addison 400 Heyck, Eduard 151 Heyse, Paul 535 Hilferding, Rudolf 41, 636, 885 Himstedt, Franz 567 Hindenburg, Paul von 676 Hinneberg, Paul 443 Hinschius, Paul 113 Hintze, Otto 743 Hirth, Georg 147 Hoffmann, Johannes 627, 629, 640, 885 f. Hohmann, Georg 631 Hollander, Jacob H. 399 Holle, Ludwig 75 f., 78, 80, 92, 886 Holtz, Bärbel 748 Honigsheim, Paul 11, 40, 49 Hoops, Johannes 8 Hörnigk, Philipp von 432, 433 f., 436, 463, 483–485, 886 Huber, Ernst Rudolf 77, 79, 109 Hübner, Rudolf 687 Huck, August 220 Huck, Wolfgang 416 Husserl, Edmund 35, 567, 569, 571, 886 Jackson, Andrew 329 Jacobi, Richard 212 Jaensch, Erich 851 Jaffé, Edgar 10, 164, 195 f., 418, 421, 450, 452, 492, 612, 615, 825, 886 Jaffé, Else 454, 458, 617, 619, 719 Jakob I., Markgraf von Baden 769 Jakóbczyk, Witold 81 James, Edmund J. 401 Jänecke, Max 212 Jaspers, Karl 44

928

Personenregister

Jastrow, Ignaz 19, 99, 151, 200, 328, 333, 664, 692, 728, 743, 757, 820, 886 f. Jellinek, Adolf 254 Jellinek, Camilla 43, 247, 250, 253, 254 f., 887 Jellinek, Dora 42 f., 247 f., 249 f., 255, 887 Jellinek, Georg 37, 42 f., 200, 247 f., 250–255, 819 f., 887, 918 Jellinek, Paul 253 Jerusalem, Wilhelm 27 Johann I., König von Sachsen 781, 786, 887 John, Herwig 761 Jügel, Carl Christian 292 Jügel, Friedrich Martin August 292 Jügel, Karl Franz 292 Kahane, Max 281 Kahl, Wilhelm 313, 382 Kahr, Gustav Ritter v. 634 Kalisch, David 213 Kammerer, Otto 825 Kantorowicz, Ernst 419, 626 Kantorowicz, Hermann 202, 825, 887 f. Karl I., österreich. Kaiser 499 Kauffmann, Kai 419, 626 Kaufmann, Georg 182, 313, 394, 774, 780, 785, 888 Keeß, Stephan Ritter von 433, 435, 888 Keller, Friedrich 22, 369, 401, 717 Kelsen, Hans 252 Kempter, Klaus 251 f., 254 Kersting, Gabriele 515 Kessler, Gerhard 731 Kindermann, Carl 602, 603 f., 888, 918 Kirdorf, Emil von 177, 888 Kirn, Otto 165 Kisch, Wilhelm 721 f. Kistiakovskij, Theodor (Bogdan) 252

Klee, Alfred 544 Kleinwächter, Friedrich 531, 888, 918 Klimsch, Fritz 833 Kluge, Ernfried 150 Kluge, Friedrich 514, 521, 567 Kluke, Paul 287, 291–293 Klumcker, Christian Jasper 825 Knapp, Georg Friedrich 71, 251, 440, 556, 580, 583 f., 585, 728, 841, 842, 843, 845–847, 888 Knies, Karl 37, 57, 58 f., 250, 581, 589, 599, 705, 889 Knorr, Julius 147 Koch, Adolf 1, 34, 43, 45, 215, 415, 848 Koch, Hermann 550 Köhler-Langsdorf, Philipp 175 Köhnke, Klaus Christian 27, 819 Kokoschkin, Theodor (Fedor) 252 Kollmann, Paul 193 König, René 2, 9, 11, 248 Königsberger, Leo 29 Kopetz, Wenzel Gustav von 432, 435–437, 482, 486 f., 889, 918 Kötzschke, Rudolf 647, 650 Kraepelin, Emil 719, 721 Kreutzberg, Karl Joseph 435, 889 Kriegel, Friedrich 825 Krieger, Albert 768, 889 Kries, Johannes von 573, 889 Kröner, Adolf 143 Kröner, Paul 143 Kröner, Robert 143 Krüger, Dieter 23, 61 Krüger, Herman Anders 394, 409, 801, 802, 889 Krüger, Paul 471, 889 f. Krüger, Peter 402 Kutsch, Arnulf 835 Kuyper, Abraham 15, 136, 183, 890 Laband, Paul 200, 825, 890 Labriola, Antonio 131 Lambert, Richard 291

Personenregister

Lamprecht, Karl 30, 185, 399, 522, 783, 820, 835, 890 Landmann, Julius 608, 890 Lanz, Karl Wilhelm 375 Lask, Emil 462 Lederer, Emil 41, 637, 638, 641, 890 f. Leichter, Käthe 2, 7, 49 Leist, Gerhard Alexander 279, 891 Leitenberger, Franz 429 f., 432 f., 481, 482, 891 Lenger, Friedrich 80, 100 Leonhard, Rudolf 641, 647–650 Lepsius, M. Rainer 27, 33, 35, 43, 261, 281, 848 Leser, Emanuel 589 f., 592 f., 596, 602, 891 Leveknecht, Helmut 752 Levenstein, Adolf 747 Leviné, Rosa → Meyer-Leviné, Rosa Leviné, Eugen 252, 618, 624, 625– 629, 891 Levy, Hermann 633 Lexis, Wilhelm 200, 389, 528 f., 563, 609, 766, 825, 891 Liebknecht, Wilhelm 149 Liefmann, Robert 38, 175, 519, 522, 528 f., 531, 532, 533, 608, 892, 918 f. Lilienthal, Erich 196 Lindenlaub, Dieter 23, 61 Lindner, Gregor 427 f., 480 f., 892 Lipps, Theodor 820 Liszt, Franz Ritter von 200, 820, 892 Löbl, Emil 145, 263, 265, 271 f., 892, 919 Loebell, Friedrich Wilhelm von 76 Loening, Edgar 389, 743 Loria, Achille 114, 892 Lotz, Walther 511, 548, 549, 552, 555, 577, 579, 585–587, 615, 621, 622, 624, 634, 637 f., 642, 644, 647, 649, 650, 658, 660 f., 663, 664, 665–668, 670–672, 685–687, 688, 690, 692–696, 699, 720, 722, 726, 733, 743, 892, 919

929

Ludendorff, Erich 629, 676, 892 f. Luger, Adolf 653, 654, 893 Lukas, Joseph 252 Lüroth, Jakob 567 Marlborough, Herzog von → Spencer-Churchill, Charles (9. Duke of Marlborough) Marlitt, Eugenie 535 Martin, Rudolf 658, 660 Marx, Karl 582 f. März, Eduard 637 Matschoss, Konrad 825 Matt, Franz 7 f., 679 Mattes, Wilhelm 554 f., 556 f., 893 Matthesius, Johannes 427, 480, 893 Max, Prinz von Baden 625 Maximilian I. Joseph, bayer. König 499 Mayer, Ernst 122, 124 Mayr, Georg von 193, 230 f., 234, 261, 413, 548–550, 552, 553, 555, 622, 624, 634, 640 f., 642 f., 644, 646–649, 662, 666, 668, 671, 677, 680, 685, 687–688, 690, 693, 695–697, 699, 825, 893 Meerovich, Gregor 151, 893 Meier, Hermann Heinrich 580 Meinecke, Friedrich 825 Meister, Lucius 292 Menger, Anton 24, 42, 265, 273, 893, 919 Merton, Wilhelm 203, 284, 291, 728 Meunier, Ernst Friedrich 416 Meyer, Friedrich 47, 710 f., 719 f., 894 Meyer, Richard Moritz 200, 825, 894 Meyer-Leviné, Rosa 618, 625, 627, 629, 894 Michaelis, Adolf 311, 312, 894 Michels, Robert 11–13, 36, 38, 46, 100, 112–116, 118 f., 120, 122, 152, 180, 287, 411, 421, 734, 774 f., 807, 894 Michels-Lindner, Gisela 734

930

Personenregister

Milhaud, Edgard 131 Miquel, Johannes von 404, 797, 894 f. Mises, Ludwig (Edler) von 611, 895 Mitsch, Ralf 375 Mohr, Martin 147 Molkenbuhr, Hermann 63, 69 Moll, Albert 200, 820, 895 Mollier, Siegfried 718, 722 Mommsen, Theodor 311, 471, 895 Mommsen, Wolfgang J. 23 f., 33, 43, 61, 261, 281, 848 Montgelas, Max Graf von 625 Muckle, Friedrich Wilhelm 633 Mügge, Theodor 213 Müller, Bruno 681 Müller, Friedrich von 7, 47 f., 644 f., 658 f., 710–713, 715, 716 f., 718, 719 f., 721 f., 895 f. Münsterberg, Hugo 573, 896 Münsterberg, Oscar 511, 512 f., 896 Munzinger, Ludwig 217 Natorp, Paul 200, 575, 820, 851, 896 Naumann, Friedrich 25, 46, 60 f., 62–64, 65, 67–69, 70 f., 73 f., 139, 142, 143, 151, 213, 732, 896 f. Nauwerck, Carl 213 Neef, Katharina 821 Nernst, Walther Hermann 313, 382 Neumann, Carl 44, 80, 178 f., 264, 453 Neurath, Otto 633 Nipperdey, Thomas 753 Nordenholz, Anastasius 825 Northcliffe, Alfred Viscount 268, 897 Oberwinder, Heinrich 142 Oelmann, Ute 419, 626 Offenbacher, Martin 519 Oldenberg, Karl 105, 588, 637, 737, 825, 897 Olshausen, (Philipp) Justus von 834, 897 Oncken, Hermann 458

Oppenheimer, Franz 30, 139, 411, 820 Oppenheimer, Heinrich 534, 535, 897 Osthoff, Hermann 589–591 Ostwald, Wilhelm 30, 200, 820, 897 Paletschek, Sylvia 186 Pappenheim, Max 394, 409, 803, 897 f. Paulsen, Friedrich 570, 572 f., 575, 898 Pechmann, Hubert von 640 f. Petersen, Carl 636 Pfaff, Karl 57 Philippovich, Eugen von 38, 67, 605, 614 f., 731, 739, 741, 747, 898 Pierstorff, Julius 113, 118, 120, 728, 775 Plenge, Johann 39, 609–611, 664, 695 f., 697 f., 898, 919 Plessner, Helmuth 9 Ploetz, Alfred 154, 201 f., 413, 811 f., 813, 825, 898 Pohle, Ludwig 291, 637, 825, 898 Potthoff, Heinz 679, 681, 899 Pourtalès, Albert von 142 Preuß, Hugo 636 Pringsheim, Alfred 658, 660 Prinzing, Friedrich 825 Pulitzer, Joseph 150, 225 Quarck, Max 287–290 Raabe, Wilhelm 535 Rabel, Ernst 685 Ramann, Emil 662, 666, 671, 680, 683, 690 Rathgen, Karl 37, 512, 529, 540 f., 542 f., 545, 547, 588, 590, 599, 612, 767, 899 Rau, Karl Heinrich 57, 58 f., 599, 899, 919 Rauchberg, Heinrich 752, 899 Rehm, Max 8 Rehmke, Johannes 575, 899

Personenregister

Rein, Wilhelm 109, 775 Reindl, Jacob 554 f. Reinsch, Paul Samuel 408 Reitler, Rudolf 281 Renner, Karl 41, 637 Reuter, Paul Julius 144 Ricca-Barberis, Mario 834, 900 Rickert, Franz 516, 517 f., 900 Rickert, Heinrich 35 f., 38, 44, 241 f., 567, 569–576, 851, 900, 919 Riegger, Joseph Anton von 433, 435, 900 Riehl, Alois 35, 511, 563 f., 565, 567, 569–573, 575, 709, 900 Ritter, Gerhard 741 Rohde, Erwin 251, 900 Roosevelt, Theodore 401, 900 f. Roselius, Ludwig 698 Rosenthal, H. B. 147 Rosin, Heinrich 563 Roth, Guenther 370 Rothermere, Harold Viscount 268 Rubner, Max 382 f. Rückert, Johannes 719 Rudorff, Adolf 471, 901 Ruge, Arnold 34, 43, 45, 235–240, 241 f., 414 f., 901 Ruhland, Gustav 175, 901 Runge, Heinrich 213 Sachse, Arnold 76, 92, 312 Sachse, Hermann 63 Saenger, Alwin 644 f. Salin, Edgar 738 Salvisberg, Paul von 119, 125 f., 185, 296, 384, 395, 901 Salz, Arthur 39, 44–46, 418–420, 422–442, 443, 445, 447, 448 f., 452–493, 497, 612, 617–619, 621, 622, 624–632, 644 f., 646, 901 f., 919 Salz, Heinrich Joseph 626 Salz, Sophie (Soscha) 419, 619, 626 f., 631, 902

931

Sander, Paul 39, 44–46, 418–420, 422–442, 443, 445, 447, 448 f., 450, 452–493, 494, 612, 621, 632, 646, 902, 919 f. Scaff, Lawrence A. 399 Schaab, Meinrad 761 Schachner, Robert 540, 542 f., 825, 902, 920 Schacht, Hjalmar 150 f., 152, 902, 920 Schäfer, Dietrich 99, 179, 534, 590, 592, 594 f., 596, 600, 602, 902 f. Schäfer, Friedrich 193 Schaller, Jaroslaus 435, 903 Schallmayer, Wilhelm 825 Schanz, Georg von 515, 903 Schebek, Edmund 426 f., 434, 438 f., 454–457, 473, 474, 475, 479, 487 f., 903, 920 Scherl, August 145, 146, 151, 218, 220, 535, 903 Schildt, Axel 610, 697 f. Schirmacher, Käthe 161 Schlegel, Friedrich 254 Schlieben, Barbara 626 Schluchter, Wolfgang 27 Schmezer, Alfred 709 Schmid, Ferdinand 411, 417, 903 Schmidt, Bernhard 567 Schmidt, Botho 625, 627, 629, 903 Schmidt, Conrad 825 Schmidt, Richard 462, 516, 577 f., 709 Schmitt, Hermann 673, 699 Schmoller, Gustav von 23–26, 39 f., 42, 60 f., 62–64, 65, 67–69, 70 f., 73 f., 75 f., 81, 82, 83, 89, 92, 98, 100, 101, 105 f., 107 f., 113, 129, 178, 283, 311, 312 f., 321, 322, 382, 419, 440, 579, 580, 583, 612–615, 725 f., 730 f., 732 f., 735, 740–743, 751 f., 755, 757, 819, 903 f. Schmutzer, Ferdinand 841, 842, 904 Schneider, Olaf 626 Schön, Manfred 24, 26, 61 Schönbeck, Franz von 517

932

Personenregister

Schönhärl, Korinna 419 Schott, Sigmund 193 Schreuer, Hans 834, 904 Schreyer, Joseph 424, 435, 437, 904 Schröder, Richard 767, 768, 904 Schulmeyer, Kerstin 626 Schulte, Aloys 41, 440, 567, 709, 904 Schultz, Fritz 416 Schulze, Hermann 705 Schulze-Gaevernitz, Gerhart von 519 f., 532, 533, 540, 563, 581, 584, 587, 594, 601, 612, 615, 636, 706, 707, 708 f., 747, 851, 904 f. Schumacher, Hermann 733, 737, 834, 905 Schumpeter, Joseph Alois 39, 41, 608 f., 611, 616, 637 f., 905 Schüpfer, Vinzenz 662, 666, 682–684, 690 Schwentker, Wolfgang 23 f., 61 Schwoerer, Victor Frhr. von 44 Seaver, Gladys Ricarde 608 Seelig, Marie Louise 679 Seelig, Wilhelm 388 f., 905 Seltenreich, Johannes 427 f., 480, 905 Sering, Max 77, 92, 313, 322, 382, 517, 728, 737, 750, 752, 905 f. Seume, Gottfried 280 Shils, Edward 3 Siebeck, Hermann 575, 906 Siebeck, Oskar 810 Siebeck, Paul 450, 533 Sieg, Ulrich 99 Sieveking, Heinrich 522, 524–527, 529, 906, 920 Sieveking, Karl 526 Sigwart, Christoph von 570, 576, 906 Simmel, Georg 11, 26 f., 30 f., 46, 98 f., 140, 153 f., 156, 192, 200, 202, 243, 245, 257, 411 f., 462, 575, 812, 819 f., 828, 906 Simon, Heinrich 500 Simon, Helene 161, 825

Simson, Bernhard von 509, 569, 709, 762, 906 Sinzheimer, Ludwig 666, 680, 699, 737, 825 Skalweit, August 638, 906 f. Small, Albion 198 Soeffner, Hans-Georg 27 Solf, Wilhelm Heinrich 628, 907 Solvay, Ernest 207 Sombart, Werner 10, 12, 19, 31, 36, 38, 76, 80, 89, 94, 100, 140, 154, 156, 164, 192, 196, 200, 202, 243, 245, 287, 328, 363 f., 421, 450, 462, 577, 579 f., 581 f., 583 f., 585, 586 f., 637 f., 731, 811–813, 820, 835, 907, 921 Sommer, Johann 435, 907 Sommer, Robert 825 Sonnemann, Leopold 147 Souchay, Carl Cornelius 370 Souchay, Charles 370 Souchay, John 370 Spahn, Martin 120, 311, 837 Spangenberger, Heinrich 673–676, 677, 678, 907 Spann, Othmar 39, 609–611, 635, 638, 907 f. Spencer, Herbert 604, 908 Spencer-Churchill, Charles (9. Duke of Marlborough) 265 Spenkuch, Hartwin 748 Speyer, Franziska 292 f. Speyer, Georg 292 Spiegel, Ludwig 494 Spielhagen, Friedrich 535 Spiethoff, Arthur 39, 100, 452, 473, 497, 605, 611–616, 637, 750, 908 Spitzer, Hugo 35, 567, 569, 571 f., 574 f., 908 Spörl, Johannes 640 Ssymank, Paul 167 Stammler, Rudolf 30, 39, 610, 820, 908 Staudinger, Franz 825

Personenregister

Stein, Philipp 246, 285, 737, 825, 908 Steinen, Karl von den 820 Steinmann, Gustav 567, 709 Stekel, Wilhelm 281 Stepun, Fedor 252 Stern, Louis Wilhelm 200, 825, 909 Stickelberger, Ludwig 563 Stöcker, Helene 825 Stone, Melville E. 143 Storm, Theodor 535 Stresemannn, Gustav 172 Strieder, Jakob 641, 647, 650 Strutz, Georg 694 Studt, Konrad von 82 Stumm-Halberg, Carl Ferdinand Frhr. von 81, 909 Stumpf, Carl 105 Stutz, Ulrich 831, 834, 909 Thiel, Hugo 728, 732, 740, 743, 746, 909 Thiess, Karl 151, 909 Thode, Henry 656 Thünen, Johann Heinrich von 172 Thurneysen, Rudolf 567 Tienken, Adolf 536, 538 f., 910 Tobler, Mina 667 f., 713 Toller, Ernst 627 f., 910 Tönnies, Ferdinand 28, 30 f., 140, 153 f., 156, 189, 192, 200, 202, 243, 245, 257, 258, 412, 807, 811 f., 820, 851, 910 Tornow, Eugen 292 Treitschke, Heinrich von 781, 786, 910 Troeltsch, Ernst 200, 202, 820, 851, 911 Troeltsch, Walter 603 Trott zu Solz, August von 312, 313, 314, 361, 382, 384, 403, 797, 803, 911 Tschuprow, A. A. 609, 911 Tubeuf, Karl Frhr. von 624, 640, 662, 666, 671, 680, 682 f., 690

933

Tugan-Baranovskij, Michail 131 Tumbült, Georg 762, 764 Unger, Joseph 253, 911 Vanderbilt, Consuelo 265 Vecchioni, August 147 Vierkandt, Alfred 30 f., 140, 153 f., 156, 200 f., 812, 820, 911 Vogué, E. M. 272 Voigt, Andreas 202, 291, 609, 611, 825, 911 Voigt, Paul 517 f. Vorländer, Karl 825 Wach, Adolf 175, 180, 182, 184, 777, 780 f., 785 f., 912 Wachsmuth, Richard 290–294 Waentig, Heinrich 174, 200, 637, 825, 912 Wagner, Adolph 24, 75, 81, 82, 89, 92, 100, 105, 313, 321, 322, 382, 579 f., 912 Wahrmund, Ludwig 85 Waldberg, Max Frhr. von 44 Wander, Karl Friedrich Wilhelm 133 Waszek, Norbert 589 Weber, Adolf 635, 637, 640 f., 697, 912 Weber, Alfred 12–14, 24–26, 37, 44, 61, 65 f., 67–71, 80, 89, 100, 114 f., 118 f., 122, 124, 180, 200, 419, 450, 453, 454, 456 f., 458, 473, 617 f., 625, 692, 719, 736–740, 743, 747, 750, 773, 774, 820, 912 Weber, Arthur 370 Weber, Helene 247, 276, 370, 410, 529, 792 Weber, Marianne 7, 71, 79, 86, 100, 235–239, 241, 247 f., 276, 288, 364, 371, 398, 400, 405, 414, 419, 500, 519, 529, 541, 568, 572, 600, 605 f., 613, 619, 631, 633, 641, 725, 777, 792, 825, 831, 843, 912 f.

934

Personenregister

Weber, Max sen. 15, 58, 299, 300, 308 f., 333, 338, 342, 343, 344, 346–348, 356, 358, 386, 389–391, 405, 799, 802, 913 Weber, Max – Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Vorlesung 1919/20) 9, 550, 554, 711, 715, 719 – Agrarpolitik (Vorlesungen 1895–1899) 340, 511, 516, 536, 545 – Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie (Vorlesungen 1894–1898) 166, 516, 536, 545 – Allgemeine Staatslehre und Politik (Staatssoziologie) (Vorlesung 1920) 554 – Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten (1916) 61, 726 – Die deutsche Arbeiterfrage in Stadt und Land (Vorlesung 1895) 511 – Arbeiterfrage und Arbeiterbewegung (Vorlesung 1898) 536 – Die ländliche Arbeitsverfassung (1893) 725 – Äußerungen zur Werturteildiskussion (1913) 10, 24, 26 – Das neue Deutschland (1918) 613 – Deutschlands Wiederaufrichtung (1919) 718 – Eingesandt (1895) 81 – Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie (1908) 729, 746, 749, 753 – Fideikommißfrage (1904) 19, 24, 331, 375, 429, 921 – als Forschungspolitiker 3, 22, 35, 37 – Freiburger Antrittsvorlesung (1895) 9

– Der Gang der wirtschaftlichen Entwicklung (Vortragsreihe 1897) 376, 597 – Georg Simmel als Soziologe und Theoretiker der Geldwirtschaft (1908) 27 – Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter (1889) 23, 344 – Gutachten zum Heimstättenrecht (1897) 429 – Habilitation (1892) 345 – Handels-, Gewerbe- und Verkehrspolitik (Vorlesung 1897/98) 536 – Die Kampfesweise des Freiherrn v. Stumm (1895) 81, 161 – Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie (1913) 9, 32 – „Kirchen“ und „Sekten“ in Nordamerika (1906) 275 – Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland (1892) 23, 344, 725, 843 – Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands (1899) 536 – Zur Methodik sozialpsychologischer Enquêten und ihrer Bearbeitung (1909) 747 – Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik (Akademische Antrittsrede 1895) 9 f., 42 – Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (1904) 10, 32, 42 – Politik als Beruf (1919) 49, 722 – Praktische Nationalökonomie (Vorlesungen 1895–1899) 511, 516, 545 – Probleme der Arbeiterpsychologie (1911) 725, 755

Personenregister

– Die Produktivität der Volkswirtschaft (1909) 61, 725 – Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus (1904/05) 24, 46, 252 – Zur Psychophysik der industriellen Arbeit (1908/09) 740 – Reise in die USA (1904) 399, 792 f. – The Relations of the Rural Community (1904/06) 82 – Römische Agrargeschichte (1891) 23, 344, 471, 921 – Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus (1906) 150, 273 – Sachliche (angeblich „politische“) Bemerkungen zum Fall Arco (1920) 46–48, 711 f., 716 f. – Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften (1917) 2, 4–7, 9 f. – Sozialismus (Vorlesung 1920) 554 – R. Stammlers „Überwindung“ der materialistischen Geschichtsauffassung (1907) 610 – Studentenzeit (1882–1886) 369, 371 – Universität Berlin (1892–1894) 300, 392, 406 f. – Universität Freiburg i. Br. (1894– 1897) 35, 301, 306 f., 321, 341, 352, 795 – Universität Heidelberg (1897– 1919) 1 f., 101, 341 – Universität München (1919–1920) 1 f., 9, 40 f., 642 – Universität Wien (1918) 7–9, 38 f., 41 – Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinden (1909) 24, 725, 743 – Verfassung und Verwaltungsorganisation der Städte (1907) 725

935

– Das Verhältnis der Kartelle zum Staat (1905) 25, 60 f. – Versicherungsrecht (Vorlesung 1892) 565 – Versicherungsrecht und Versicherungswesen (Vorlesung 1894) 565 – Vertrauliches Anschreiben und Programmentwurf für eine neue Tageszeitung (1896) 142 – Volkswirtschaftliches Seminar (1898) 536, 545 – Vorbemerkung des Herausgebers (1899) 504 – Wissenschaft als Beruf (1917/19) 2–6, 10, 18 f., 22, 38 – als Wissenschaftsorganisator 3, 22, 37 – als Wissenschaftspolitiker 48 Weber, Valborg 370 Weech, Friedrich von 763, 764, 765, 768, 913 Weigelt, Carl 151 Weinberg, Arthur von 293 Weismann, August 567, 573, 709, 913 Weiß, Eugen 552 Wenckstern, Adolph von 151, 913 Wetering, Henricus van de 183, 914 Wettstein, Oskar 151, 152, 914 Wiese, Leopold von 825 Wieser, Friedrich Frhr. von 38, 605, 637, 914 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 313, 382 Wilbrandt, Robert 638, 825, 914 Wilhelm II. 81, 113, 251, 404, 741 Williams, James M. 198 Winckelmann, Johannes 2, 9, 11, 247 f., 500 Windelband, Wilhelm 44, 154, 196, 203, 208, 237, 241 f., 284, 570, 572 f., 575, 576, 851, 859, 914 Winterer, Otto 566, 914 Wirminghaus, Alexander 737, 757

936

Personenregister

Wirth, Max 147 Witte, Heinrich 769 Wittmann, Reinhard 273 Wolf, Julius 637, 825, 914 f. Wolff, Bernhard 143, 213 Wollf, Julius Ferdinand 34, 327, 335, 365, 415, 848 Worms, René 198 Woth, Erich 129 Wrede, Richard 263, 266 Wundt, Wilhelm 851 Würzburger, Eugen 193, 229–231, 234, 261, 807, 809 Wuttke, Robert 825

Zahn, Friedrich 548 f., 556, 666, 680 Zahnbrecher, Franz Xaver 689 Zeiler, Frank 564 Zeiss, Carl 112, 294, 775 Ziegler, Heinrich Ernst 122, 124, 775, 915 Zimmermann, Waldemar 728, 731 Zola, Émile 268 Zwiedineck-Südenhorst, Hans von 741, 749 Zwiedineck-Südenhorst, Otto von 609, 611, 738, 915

Sachregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte auf die Herausgeberrede.

Abendblätter 144, 216 Abgeordnete, Abgeordnetenmandat 264, 300, 405, 799 → auch: Preußen, Landtag Abitur → Maturität Abonnements, Abonnenten 215, 266 f., 839 Abonnementspresse 222 → auch: Presseenquete Abstammung 167 f., 627 –, jüdische 627 –, soziale 167 f. Adel 282 → auch: Grundadel Admiralitätsrat, Geheimer 98 f. Affäre, Affären 3, 43, 48 f. – Dreyfuß 268 – Koch 1, 43 f. – Max Weber sen. 802 – Prager Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 44 – Ruge 43–45 – Salz-Sander 44 f. Agenturwesen 143, 214 Agrargeschichte 580, 845 Agrarier, agrarisch 98 f., 782, 786 Agrarpolitik 587 Agrarzölle 754 Akademie 201, 259 f. –, deutsch-amerikanische 42 –, preußisch-königliche (Berliner) 105 → auch: Heidelberger Akademie der Wissenschaften

Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften (Frankfurt a. M.) 291 f., 807 → auch: Frankfurter Akademie Akademiker, akademisch 79, 82, 84, 101, 103, 107, 167, 169 f., 178 f., 199, 296, 306, 323, 329, 373, 381, 383, 458, 464, 477, 488, 496, 573, 587, 596, 614, 624, 631 f., 677, 694, 716, 719, 774, 781, 783, 786, 828 → auch die Einträge zu: Anstand; Körperschaften; Lehrer; Nachwuchs; Persönlichkeit Albergen 524 „Allgemeine Zeitung“ 142, 147, 151, 213 Allgemeiner Studentenausschuß (AStA) 47 f., 665, 710, 712 f., 715–717, 718, 720 f. Alltagssprache 225 Alter, Altersverhältnisse 108, 165 f., 250, 255, 570 f., 573, 637 Altertum 504 → auch: Antike Altes Testament 249 Amerika, amerikanisch 3, 15, 20, 144–146, 149 f., 203, 206, 215–217, 220, 224 f., 227, 264 f., 270, 275–278, 282, 285 f., 295, 329–331, 369 f., 377, 397–399, 404, 407 f., 584, 609, 790 f., 798, 800 f. → auch die Einträge zu: Geschäftsleute; Hochschulen; Kultur; Parteien; Presse; Studenten; Universitäten; Verbindungen;

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Sachregister

Vereine; Zeitungen; Zivildienst­ reform Amerikanisierung 20, 397, 791 Amerikanismus 145, 216 Anarchismus, anarchistisch 782 Andersdenkende 48, 107, 374 Angelsachsen, angelsächsisch 132, 198, 329 → auch: England; Universitäten, angelsächsische Angestellte 367, 372–374 Annonce, annoncieren 145 f., 217–220 → auch: Heiratsannoncen Anstalt 32, 276, 502 Anstand, Anständigkeit, anständig 101, 438 f., 475 –, akademischer 16, 19, 44 f., 48, 78, 418 Antike, antik 23, 254, 263, 265, 504 → auch: Kultur, antike Anwälte 167 Apologetik 183, 785 Apparat 81, 97, 205, 211, 279, 323 Ära Stumm 81 Arbeiterfrage 535 Arbeiterschaft 728 Arbeiterversicherung 748 Arbeitgeber, Arbeitgeberverbände 159, 372 Arbeitsanforderungen 371 Arbeitsbetrieb 292 Arbeitsleistung 371 Arbeitsorganisation 203 Arbeitsuniversität 166 Arbeitsvölker 331, 398 „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ 10, 41, 44, 375, 422, 445, 453, 458, 460–462, 465, 473, 488, 492 Archive 426 f., 475, 478 f. Arier 115 Aristokratie, aristokratisch 525, 626 Arzt 160, 167, 267 Askese, innerweltliche 22

Assistenten, wissenschaftliche 18, 186, 783, 787 Athen, athenisch 254, 264 Ausland, ausländisch 21, 35, 131, 142–146, 148–150, 166, 198, 202, 207, 212–216, 218 f., 223 f., 226, 263, 267, 269, 271 f., 285, 369 f., 383, 417, 571, 821, 828, 830, 838 Auslese 18, 131, 168, 186, 204, 221, 277 f., 283 f., 294, 368, 402, 501, 629, 794 auslesefeindlich 783 Autonomie der Hochschulen → Hochschulen, Autonomie der Avancementschance 344, 381 Avantageur 186, 783, 787 Bäckereien, kommunale 734 Baden, badisch 59, 306–308, 316, 319, 321, 323, 336 f., 341, 352, 402 f., 409, 556, 574, 765, 767, 794–796, 803 – Dezernent 306–308, 319, 336, 341, 796 – Innenministerium 768 – Kultusministerium 306, 323, 403, 601, 603, 796 – Universitätsbürokratie 402 – Universitätsverwaltung 795 Badische Historische Kommission – Berufungen 767 – Finanzen 764–768 – Mitglieder 767 – Publikationen 764–769 – Vorsitzender 764–766 Baltimore 329, 791 Banken, Bankenwesen 148, 586, 609, 615, 849 Baptisten 276 Bauern, bäuerlich 167, 423, 489 f., 538 Bauernbefreiung 846 Baumwollindustrie 424, 429 f. Bayern, bayerisch 111, 551, 556 – Innenministerium 556 – Kultusministerium 643

Sachregister

– Landwirtschaftsministerium 556 – Regierung 628 – Regierung Hoffmann 627, 629 – Staatsbibliothek 664 – Unterrichtsministerium 643 Beamte 129, 283, 294, 296, 313 f., 321, 323, 382–384, 598, 608, 613, 748 → auch: Preußen, Ministerialbeamte; Privatbeamte; Staatsbeamte Beamtentum, subalternes 167 f. Begriffsbildung –, juristische 610 –, ökonomische 610 –, theoretische 42, 108 Behörden 131, 294 f., 382–384 Beilage → Zeitungsbeilage Beilagen-Fabriken 144, 215 Beköstigungsgesichtspunkt 783 Belgien 369 Belletristik 226 → auch: Feuilleton-Belletristik Bergbau 427 Berlin 28, 34, 79, 82–84, 98–101, 103, 156, 161, 166, 192, 199–201, 245, 275, 300, 306 f., 310, 313, 320, 322 f., 327 f., 335, 345, 366–368, 389, 517, 557, 565, 570, 575, 579, 588, 613, 628, 637 f., 649, 799, 828, 834, 838, 840, 850 → auch die Einträge zu: Blätter; Handelshochschule; Soziologentage; Universität Berliner Fakultät → Universität Berlin, Philosophische Fakultät Berliner Juristische Gesellschaft 834 Berliner Magistrat 347 Berliner Statut → Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Berliner Statut „Berliner Tageblatt“ 21, 327 f., 365 f. Beruf, beruflich 3–5, 18, 33, 48, 79, 150, 167 f., 204, 217, 222, 226, 272, 283 f., 329, 331, 376, 783, 787 Berufsauslese 22

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Berufsinteressen 128 Berufsjournalisten 102, 272 Berufsmenschentum 279 Berufsorganisation 222 Berufsschicksal 742 Berufssolidarität 82 Berufsunabhängigkeit 82 Berufswechsel 221 Berufung, Berufungskommission, Berufungsverfahren 3, 11 f., 16, 18 f., 35 f., 38 f., 41, 46, 50, 92, 120, 174, 179, 294, 320, 322, 345, 354, 381, 407, 573–575, 587, 611, 697 f., 767 → auch: Gutachten; Separat-; Sondervotum Betrieb 400, 441, 742, 793 –, kapitalistischer 169 –, künstlerischer 226 –, literarischer 226 –, politischer 226 → auch: Arbeits-; Groß-; Wissenschaftsbetrieb Betriebslehre –, landwirtschaftliche 691 → auch: Handelsbetriebslehre Betriebsmittelgemeinschaften 220 Bevölkerung, Bevölkerungsbewegung 538, 585 Bevölkerungsschichten 158 Bevölkerungswechsel 845 Bibel → Altes Testament Biersteuer 510 Bildung 223, 227, 272, 376 –, humanistische 504 f. –, politische 223 –, universitäre 132 Bildungsdiplome 329 f. Bildungspatente 331 f. Blätter 142, 148, 184, 221, 267, 327, 392 –, Berliner 335 –, französische 268 –, katholische 571

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Sachregister

–, norddeutsche 365 → auch: Abend-; Lokal-; Nachrichtenblätter; Zeitschriften; Zeitungen „Bohemia“ 453 Böhmen, böhmisch 429, 436, 626 – Industriegeschichte 426, 452, 454, 457, 461, 478, 632, 646 Bolschewisten 628 Bonn 16, 637, 834 Börse 264, 405, 584, 798 Boston 791 Breslau 151, 200, 312, 613 Briefkastenwesen 150, 226 Bücherproduktion 273 Buchhandel 202, 477, 492, 496 Budgetkommission, Budgetreferat 15, 300, 309, 346, 390, 405, 799 Bund der Landwirte 174 Bundesstaat 501, 794, 799 –, deutscher 794 –, süddeutscher 501 Bureaukratie, bureaukratisch → Bürokratie, bürokratisch Bürgerliches Gesetzbuch 832 f. Bürgertum, bürgerlich 19–22, 166, 168, 223 f., 264, 276, 329, 333, 423, 489 f. Bürokratie, bürokratisch 18, 24, 186 f., 293, 312 f., 372, 384, 399, 401 f., 408, 556, 745, 783, 787, 791, 793 f. → auch: Examens-; Universitäts-; Unterrichtsbürokratie Cambridge 834 Capital → Kapital Carl-Zeiss-Stiftung 111 f., 290, 294, 775 Chance 107, 131, 135, 147, 169, 178, 198, 212, 221 f., 259, 284, 381 f., 417, 512, 551, 598 → auch: Avancements-; Lebenschancen

Chicago 401, 791, 794 China 331 Cincinnati 275 Classen → Klassen Clichégewerbe → Klischeegewerbe College 20, 329, 376, 397–400, 791 f. Colloquium → Kolloquium Columbia University 400, 792 Comperisten 525 „Conrads Jahrbücher“ 584 Corporationen → Korporationen Couleurwesen 21 f., 277 f., 331, 333, 367–374, 717 → auch: Verbindungen; Verbindungsleben; Verbindungsstudenten; Verbindungswesen Czernowitz → Universität Czernowitz Damaskus 630 Danzig 151 Degeneration 160 Demagoge, Demagogie 25, 62 f. Demokrat, Demokratie, demokratisch 73, 270, 277, 505, 626, 636 → auch: Handwerker-; Universitätsdemokratie Denken –, dogmatisches 43, 252 –, historisches 42, 108 –, naturalistisches 43, 252 –, ökonomisches 42 – Originalität des 613 –, voraussetzungsloses 504 → auch: Andersdenkende „Deutsche Arbeit“ 455, 473 Deutsche Gesellschaft für Soziologie 10, 23, 30, 32–35, 51, 156–161, 194, 199, 201, 203 f., 206, 232–234, 245 f., 258–286, 274, 284 f., 414, 809 f., 821–823, 828–830 – Abteilungen 28, 192–194, 233, 261 – Abteilung für Statistik 232–234, 261

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– Ausschuß 31 f., 156–159, 161 f., 191, 193 f., 200 f., 259 f., 262, 815 – Berliner Statut (Januar 1909) 28–30, 153, 156–159, 161, 188, 258, 823, 857–859 – Finanzen 160, 194, 201, 246, 285, 414 – Forschungsvorhaben 31, 33, 142–152, 158–160, 203–205, 211–228 → auch: Presseenquete; Vereine – Frankfurter Statut (Oktober 1910) 10, 28, 188 f., 191–194, 199, 201, 232, 258, 259, 260, 809, 814 f., 823, 864–868 – Geschäftsbericht (1910) 258–286, 809 – Kommissionen 158 f. – Leipziger Statut (Oktober 1909) 28 f., 154, 157, 159, 188, 191–194, 201, 204, 206, 258, 814, 859–863 – Mitglieder 32, 157 f., 161, 191, 193, 199–201, 207, 232 f., 245, 260, 283, 285, 414, 416 f., 809, 815 – Mitgliederversammlung 31, 191 f., 200 f., 232, 815 – Ortsgruppe 28, 31, 160 f. – Publikationen 157 f., 160, 199, 202, 206, 262, 810 – Rechenschaftsbericht (1912) 413–417 – Rechner 31, 201, 246, 416 – Satzung → Statuten – Sektionen 28, 245, 809, 813, 823, 830 – Soziologisches Institut 207, 828 – Statuten 31 f., 157, 161, 191–194, 204, 206, 258, 809, 823 → auch: Berliner –; Frankfurter –; Leipziger Statut – Vorsitz 30 f., 156, 193, 245, 260, 815 – Vorstand 27, 156, 161 f., 192–194, 204, 232–234, 245 f., 261, 413 f., 417, 809

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→ auch: Soziologentage „Deutsche Literaturzeitung“ 425– 427, 458 f., 461, 465 „Deutsche Tageszeitung“ 149 Deutsches Reich, reichsdeutsch 487, 502 „Deutsches-Zeitungs-Archiv“ 837, 839, 849 Deutschland, deutsch 9, 13, 40, 58 f., 78, 114, 117, 131, 147, 149, 166, 183, 198 f., 201–203, 206, 224, 265, 269–271, 273, 275, 280, 285 f., 292, 329, 333, 370, 402, 410, 417, 505, 525, 571, 608–610, 613, 628, 752, 794, 821, 834, 846 → auch: Westdeutschland; sowie die Einträge zu: Bundesstaat; Gaue; Kultur; Presse; Universität; Verbindungen Dichter 168 „Die Zeit“ 142 Dilettant 102 Dilettantentreiben 199 Dilettantismus 821, 828 Diplom, diplomiert 367, 374 Diplom-Aristokratie 373 Diplom-Examen 664 Diplomingenieur 376 Diplom-Prüfung 672 Dissertation 41, 133, 512, 515, 518, 526, 538, 557 → auch: Doktordissertation; Doktor­ examen; Doktorpromotion; Promotion Disziplinen 137, 199 –, historische 99 –, juristische 348 –, nationalökonomische 348 –, philosophische 99 Dogma, dogmatisch 137, 182 f., 252, 781, 785, 832 Dogmatiker 832 Dogmenhistoriker 832 Doktordissertation 510, 531, 535

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Doktorexamen 510 Doktorpromotion 512 Doktorprüfungsstatistik 169 Dozent, Dozenten 41, 114, 184, 241, 294, 320–322, 404, 406–408, 448 f., 573, 597 f., 621, 630, 632, 637 f., 783, 798, 800 → auch: Privat-; Universitätsdozenten Dresden 310, 315, 321, 329, 341, 359, 377 → auch: Hochschullehrertag, Dresden (1911) „Dresdner Neueste Nachrichten“ 34 Druckerei 143, 214, 220 Duell 34 Edelmetallverkehr, japanischer 512 Ehe 249, 255 Ehre 18, 34, 46, 116, 177, 259, 441, 459 f., 463, 468, 472, 492, 526, 557 –, literarische 432, 454 –, persönliche 290, 452 –, wissenschaftliche 79 Ehrentitel 99 Ehrgeiz 638 –, feudaler 331 Ehrlose 630 Einzelpersönlichkeiten 104 Einzelverkaufspresse 222 Eisenbahngemeinschaft 403, 795 England, Engländer, englisch 144, 168, 203, 216, 220, 227, 264 f., 269–271, 278, 295, 369 f., 433, 505, 584, 608, 615, 834 → auch: Angelsachsen Enquête → Presseenquete Entente 629 Erhebung über das Zeitungswesen → Presseenquete Erkenntnis –, historische 108 –, theoretische 108 –, wissenschaftliche 847

Ethik 821, 829 Ethnologie 821, 829 Ethos 3, 45 Europa, Europäer, europäisch 397, 525, 752, 790, 792 Europäisierung, europäisiert 275, 329, 397, 790 Examenmaterial 791 Examensbürokratie 376 Examenserfolge 133 Examenskandidaten 330 Examenwesen 376 Existenz –, akademische 632 –, gesättigte 129 –, materielle 168 Experimentalpsychologie 853 Extraordinariat, Extraordinarius 38, 343–345, 392, 406 f., 570, 573–575, 592, 597, 601, 709 Fabrik, Fabrikanten 168, 332, 402, 582, 794 → auch: Beilagen-Fabriken; Fertig­ fabrikat­firma; Halbfabrikatlieferanten Fächer –, apologetische 137 –, historisch-philologische 168 –, naturwissenschaftliche 169 –, praktische 137 –, volkswirtschaftliche 58, 597 Fachgelehrte 58 Fachkompetenz 10, 45 Fachmann, Fachmänner 80, 84, 159, 261, 263, 268 Fachmenschen 5, 20, 22 Fakultät, Fakultäten 2, 9, 11, 16, 38, 82, 84 f., 98–100, 131, 178, 295, 382, 407, 614, 791 –, rechts- und staatswissenschaftliche 330 – Selbstergänzungsrecht der 17

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–, theologische 14, 137, 182, 780 f., 785 → auch die Einträge zu: Universität Berlin; Universität Freiburg; Universität Heidelberg; Universität München; Universität Prag; Universität Wien Fall – Arco 46 – Arons 775 → auch: Lex Arons – Bernhard 16 f., 76–78, 83–85, 96, 296, 311, 313, 322 – Ehrenberg 17 – Michels 11, 38, 120 – Ruhland 175 Familie 115, 135, 254, 275, 347, 368, 626 Familien-Zeitung 223 Fertigfabrikatfirma 331 Feuilleton, feuilletonistisch 41, 151, 226, 262, 274 Feuilleton-Belletristik 416 Feuilleton-Fabriken 144, 215 Fideicommiß 524 „Finanzarchiv“ 515 Finanzpolitik, finanzpolitisch 527, 613 Finanzverwaltung 525 Finanzwesen, mittelalterliches 524 Finanzwissenschaft, finanzwissenschaftlich 510, 512, 613 f., 694 Forscher 3, 5 f., 58, 186, 471, 478, 610, 822, 829, 845, 783, 787 Forschung 6, 9, 22, 29, 35, 292, 427, 612, 767, 821, 828, 845 –, archivalische 480, 487 –, empirisch-historische 41 –, soziologische 33, 821, 828 –, universitäre 35 Forschungsfreiheit 775 → auch: Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre Forschungspolitik, Forschungspolitiker 3, 22, 35, 37

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Forschungszwecke 292, 417 Frachtgeschäft 424 Fragestellungen 160, 199, 262, 275, 282 –, soziologische 821, 828 Franken 556 Frankfurt am Main 32, 202 f., 284, 291, 294 f., 297, 415, 611 → auch: Soziologentage, Frankfurt a. M. (1910) Frankfurter Akademie 290, 291 f., 312 → auch: Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften; Institut für Gemeinwohl Frankfurter Statut → Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Frankfurter Statut „Frankfurter Zeitung“ 13, 25, 44, 96, 147, 151, 177, 227, 365, 466 Frankreich 144, 149, 203, 216, 224, 227, 267–270, 295, 505, 834 Freiburg i. Br. 9, 35–38, 301, 306 f., 513, 515, 517 f., 527, 533, 557, 562, 566, 576, 592, 615, 637 → auch: Universität Freiburg i. Br. Freihandel, japanischer 512 Freiheit –, akademische 774, 781, 786 – der Wissenschaft 117, 129, 137 – der Wissenschaft und ihrer Lehre 11, 13, 17, 21, 117, 130 → auch: Forschungs-; Lehrfreiheit Freiheitskampf –, bürgerlicher 505 –, proletarischer 505 Freimaurertum 276 f. Freundestreue 250 Freundschaft 43, 250 f., 847 Führer, Führende, Führerschaft, Führung 7, 42, 79, 108, 114, 168, 283 „Gartenlaube“ 535 Gaue, deutsche 845

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Sachregister

Geest 538 Geist, geistig 12, 19 f., 22, 45, 49, 59, 102, 114, 168, 222, 251, 253 f., 296, 336, 374, 381, 400, 490, 504, 738, 846 Geistesarbeit 107, 847 Geistliche 167, 283 Geld, Gelder 17, 174, 183, 201, 283, 285, 314, 384, 404, 526, 753, 764, 797, 846 → auch: Papier-; Umgeld Geldgeschichte 765 → auch: Münz- und Geldgeschichte Geldmittel 159 f., 203, 206, 285 Geldtheorie 609 Geldverkehr → Edelmetallverkehr Geldwerte, mittelalterliche 766 Gelehrte, Gelehrter 83, 160, 168, 228, 252, 295 f., 305, 310, 321, 323, 345, 348, 382, 389, 416, 439 f., 449, 459 f., 497, 543, 573, 576, 587, 611, 613–615, 637, 821 f., 828 f. → auch: Fach-; Privatgelehrte Gelehrtennatur 251 Geltungssphäre 10 Gemeinde 32, 275 → auch: Landgemeinde Gemeinschaften 281 –, gesellschaftliche 205 –, ideale 205 –, kirchliche 14, 137 –, religiöse 116 → auch: Betriebsmittelgemeinschaften „Generalanzeiger“ 218 Genossenschaftsrecht 832 Genossenschaftstheorie 832 Gentleman 20, 185, 275 f., 329 Genua 524 Gesangvereine 205, 280 Geschäftsleute, Geschäftsmann 79 –, akademische 82, 323 –, amerikanische 276, 291 Geschäftsprofessoren 40, 42, 614

Geschichte, geschichtlich 37, 428, 480, 782, 785, 846 → auch: Agrar-; Geld-; Industrie-; Kultur-; Münz- und Geldgeschichte Geschlechter –, feudale 168 –, patrizische 168 Geselligkeit, Geselligkeitsformen 159, 371 Gesellschaft für Rassenhygiene 813 Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen 475 f. Gesellschaftsordnung, feudale 410 Gesinnung 11, 13, 124, 135, 148, 223, 253 f., 322, 398, 438 f., 442, 445, 449, 465, 468, 472, 486, 488, 492 f., 847 – Feudalisierung der 168 –, kirchliche 117, 124 –, politische 124, 135 –, sozialdemokratische 115, 124 –, subalterne 440 –, vornehme 471 → auch: Zeitungsgesinnung Gesinnungsgemeinschaft 626 Gesinnungsgenossen 103, 114 Gesinnungsqualifikation 137 Gesinnungsschnüffelei 120, 124, 294, 776 Gesinnungsunterricht 14, 133, 136 f. Gesinnungswandel 148, 223 Gewalt, Gewalten –, amtliche 84 –, politische 132, 275 → auch: Kirchen-; Universitätsgewalten Gewerbe 333, 486, 517, 526 → auch: Klein-; Klischee-; Tischler-; Tuchgewerbe gewerbepolitisch 580 Gewerkschaften 149, 159, 224 Gewerkschaftskartell 136 Gewissen 134, 629

Sachregister

Gewissenhaftigkeit, gewissenhaft 314, 425, 434, 438, 479, 497, 539, 551, 610, 625 Gewissenskonflikte 323, 382, 603 Gießen 575, 638 Glashandel 423 f. Glaskünstler 424 Glasmalerei 424 Glauben 62, 68, 134, 182 Glaubensbekenntnis 182, 785 Glaubensüberzeugungen 135, 182 Gläubigerrechte 525 Götter, göttlich 134, 255, 282 Göttingen 165, 200, 566, 637 → auch: Universität Göttingen Greek Letter Society 277 Greifswald 200, 575, 585 Großbetrieb, kapitalistischer 846 Großgrundbesitzer 167 Großindustrie, Großindustrielle 167, 610, 738 Grundadel 426 Grundsteuer 524 Gruppen 266, 279, 716 f. –, akademische 719, 782 –, linksstehende 782, 786 –, politische 133 –, revolutionäre 628 –, soziale 294 –, sozialistisch-akademische 719 Gruppenbildung, soziale 159 Gutachten 38–42, 50, 510, 512 f., 515, 517 f., 521, 524–527, 531, 533, 535, 538 f., 542 f., 546 f., 549, 551, 553, 556, 565 f., 603, 608–616, 624–633, 636–639 → auch: Separat-; Sondervotum Güte, Herzensgüte 254 Gutswirtschaft 846 Gymnasiallehrer 167 Gymnasium 329 –, humanistisches 505

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Habilitation 11, 17, 46, 80, 114–116, 130 f., 186, 294, 345, 502, 543, 625, 630 f., 646 → auch: Neuhabilitationen; Umhabilitation Habilitationsgesuch 100, 113, 120, 775 Habilitationsleistung 526 f. Habilitationsreflektanten 130 Habilitationsschrift 41, 114, 524 Halbfabrikatlieferanten 331 → auch: Fabrik Hamburg 638 „Hamburger Fremdenblatt“ 239 „Hamburger Nachrichten“ 227 Hamburgisches Kolonialinstitut 752 Handeln, Handelnde 3 f., 13, 48 f., 280, 369, 424 Handelsangestellte 372, 374 Handelsberichterstattung 151 Handelsbetriebslehre 330 Handelsgeschäfte 321 Handelsgesetzbuch 833 Handelshochschulen 15, 19–21, 168, 327–333, 354 f., 365–369, 371 f., 374–377 – Berlin 327 f., 333, 367 f. – Köln 328, 354, 366–368, 371, 374 – Mannheim 328, 375 f. Handelskammer 748 – Prag 439, 475 Handelskolonien 424, 490 Handelslehrerstand 375 Handelsnachrichten 144, 215 Handelspolitik 580, 584, 586, 613, 728 Handelsrecht 345, 389, 833 Handelsregister 142, 213, 227 Handelstechnik 512 Handelsteil → Zeitungen, Handelsteil Handelswissenschaft 790 f. → auch: Buch-; Glas-; Warenterminhandel Handlungsreisende 370

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Sachregister

Handwerk, Handwerker 22, 167 f., 252, 538 Handwerkerdemokratie 490 „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ 389 Hauptkulturländer, Hauptkulturstaaten 158, 203 Hauslehrer 168 Hausweber, schlesische 582 Hazard 19 Heidelberg 1, 25, 36 f., 41, 44, 58, 67, 69, 115, 156, 200–203, 250, 305, 319, 358, 365, 369, 388, 446, 449, 463, 496, 533, 539, 557, 570, 576, 596, 598, 603, 626 f., 630, 633, 638, 654, 664, 717, 775 → auch: Universität Heidelberg Heidelberger Akademie der Wissenschaften 29, 203, 284, 415 Heimat, heimatlos 99, 165, 249, 254, 483, 626, 630 Heiratsannoncen 146, 219 Hellenentum 504 Henckel-Donnersmarck, Grafen 429 Herrschaft 277–279 → auch: Majoritäts-; Minoritäts-; Räteherrschaft Herrschaftsverhältnis 278 Historiker 184, 765 f., 822, 829 → auch: Dogmen-; Sozial-; Wirtschaftshistoriker Historikerkongresse 834 Historikertage 741 Hochschulbildung 374, Hochschulen 3, 9, 11 f., 37, 80, 84, 169, 597, 601, 603 f., 612, 783 –, amerikanische 18, 20, 295, 331, 408, 790 → auch: College – Autonomie der 3, 9 f., 12, 16 f., 40 → auch: Handelshochschulen; Universität Hochschullehrer 5 f., 11 f., 44, 84, 103, 128–131, 137, 384, 773 f., 802

Hochschullehrertag – Dresden (1911) 15, 19, 305, 307, 310, 315, 321, 329, 335 f., 341, 359, 365, 377, 397–410, 790–804 – Jena (1908 ) 12 f., 15, 111, 124, 774–776 – Leipzig (1909) 14, 17 f., 38, 41, 174, 182–187, 283, 780–787 – Salzburg (1907) 11 f., 15, 114 „Hochschulnachrichten“ 185, 296, 384 Hoffähigkeit, kirchliche 117 Holland, holländisch 15, 136, 182 f., 369, 781, 785 → auch: Universität, holländische Hörer, Hörerzahl 7, 9, 80, 133 f., 168, 184, 669 Hörsaal 4, 6 f., 129, 137, 717, 782 Humanismus, humanistisch 166, 169 f., 329, 609 Humor 253–255 Ideal, Ideale 63, 103 f., 107 Idealismus, idealistisch 107, 129, 134, 136 f., 157, 177, 185, 205, 277 f., 280–282, 333, 408, 417, 626, 793 Ideen 258, 279 f., 282, 604, 611 Ideologen 782, 786 Illinois 401 Individualismus, Individuum, individuell 184, 204 f., 212, 222, 283, 373, 793, 401 Industrie, Industriegeschichte 330, 333, 430, 433, 632, 742 –, böhmische 44, 426, 428, 452–457, 461, 478, 632, 646 → auch: Baumwoll-; Großindustrie; Kartellindustrielle; Leinen-; Schwer-; Seiden-; Starostenindustrie; Zentralverband Deutscher Industrieller Inseratenwesen (Presse) 218 f., 267, 274, 296, 314, 322, 384

Sachregister

Institut, Institute 133, 170, 185 f., 198, 207, 292 f., 296, 324, 329 f., 401, 404, 525, 565 f., 637, 697 f., 752, 794, 828 → auch: Hamburgisches Kolonial­ institut; Internationales Institut für Sozial-Bibliographie Institut für Gemeinwohl (Frankfurt a. M.) 203, 284, 291, 415 → auch: Frankfurter Akademie Institutionen 83, 137, 269 f., 488 Intellektuelle, Intellektuellentum 149, 168, 204, 224 → auch: Rechtschaffenheit, intellektuelle Interessen, Interessenten 107, 148 f., 159, 218, 222–224, 228, 251, 261 f., 266, 269, 273, 294, 324, 371, 383, 390, 422, 501, 587, 601, 614, 748, 785, 838 Interessentenpresse 149, 224 international 159, 168, 201 f., 223, 226, 245, 252, 267, 270, 834 Internationales Institut für SozialBibliographie 838 f. Israelit 575 → auch: Jude, jüdisch Italien, italienisch 38, 114, 117, 295, 369, 525, 734, 834 Japan, japanisch 512 Jena 12 f., 15, 111–114, 128, 130, 294, 775 → auch: Hochschullehrertag, Jena (1908); Universität Jena Jesuitenschule 134 Journalismus 102 f., 203 f., 221–223, 227 f., 260, 262, 264, 269–272, 415 → auch: Berufsjournalisten Jude, jüdisch 11, 621, 627, 638 Jugend 7, 505, 573, 575 –, akademische 133, 135 Junker 175 Jurisprudenz 2, 37, 782, 786, 821, 829

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Jurist 131, 167, 184, 330, 344, 348, 371, 389, 465, 526, 572, 688, 707, 741, 791, 822, 829, 833 f. → auch: Universität Freiburg, Juristische Fakultät; Universität München, Juristische Fakultät Kapital, Kapitalien 142, 207, 213, 220, 223, 267 f., 430 Kapitalismus, kapitalistisch 22 f., 169, 266, 269, 609, 629, 846 Kaplanspresse 148 Karl-Zeiß-Stiftung → Carl-ZeissStiftung Kartell, Kartellierung 12, 22, 24, 67, 131, 215, 307 f., 353, 402 f., 531, 795 → auch: Gewerkschaftskartell Kartellindustrielle 67 Kategorien 146, 215, 219 f., 278, 282 f., 542, 822, 829 Katheder 4, 6, 128–131, 137, 184, 279, 781 f., 786 Kathedersozialismus, Kathedersozialist 18, 23, 174, 177–179 Kathederwertung 6, 14, 46 f. katholisch 224, 501 → auch: Ultramontanismus; Zentrum; sowie die Einträge zu: Blätter; Kirche; Presse; Studenten; Universitäten Kattundrucker 490 Kaufleute 27, 167, 333, 375 Kaufmannsstand 370 Kegelklub 32, 275, 279 f. Keplerbund 136 Kiel 200, 343, 345, 389, 392, 613, 650 Kirchen, kirchlich 10, 13 f., 17, 32, 117, 130, 133, 136 f., 149, 224, 275 f., 504, 785 –, katholische 136 f. → auch: Gemeinschaften, kirchliche; Gesinnung, kirchliche Kirchengemeinschaftem 137 Kirchengewalten 149, 224

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Sachregister

Kirchenpolitiker 336 Klassen 166, 524, 753 Klassenauflösung 168 Klassenbegriff 735 Klassenbildung 168 Klasseninteresse 735 Kleidungsbedarf 423 Kleingewerbe 517 Klerikalismus, klerikal 111, 137 Klischeegewerbe 144, 215, 271 Klubs 276–278 → auch: Kegelklub Kollektivarbeit 199 Kolloquium 182, 565, 780, 785 Köln 328, 354, 366, 371, 374, 366–368, 517 → auch: Handelshochschulen, Köln „Kölnische Volkszeitung“ 148, 151, 227 „Kölnische Zeitung“ 361 Kommis 333, 398, 790 Kommunalbeamte 167 Kommunist, Kommunisten 626, 630 Kompetenzpatriotismus 631 Konfession, konfessionell 79, 136, 169, 204, 501 f. Konkurrenten, Konkurrenz 38, 46, 146 f., 161, 165, 212, 219–221, 291, 293, 332, 398, 401–403, 408, 433, 542, 749, 794, 813 Konservatismus, konservativ 114, 321, 336, 490, 557, 712, 782 Konstantinopel 630 Kontor 331 f., 372–374 Körperschaften, akademische 465, 475, 491, 493, 496, 501 Korporationen 158, 205, 596, 601 Korporationsrechte 353 Korrespondenten 143, 214, 217 Kottondrucker 423 „Kreuzzeitung“ 146 Krieg 608, 624, 630 Kriegervereine 205 Kriegsdienst 646

Kriegskamerad 834 Kriegsteilnehmer 669 Kriegswirtschaft 615 Kultur, kulturlich 150, 159, 168, 199, 202, 204, 206, 211, 223, 226, 280, 400, 427, 504, 792 –, amerikanische 505 –, antike 504 –, deutsche 792 –, geistige 504 –, künstlerische 280, 427 –, religiöse 427 Kulturarbeit 211, 782 Kulturaufgaben 133 Kulturbedeutung 204, 223 Kulturbedingungen 159, 204, 279 Kulturbestandteile 211 Kulturboden 184 Kultureinheit 137 Kulturentwicklung 59, 132, 138 Kulturfaktoren 203 Kulturfragen 226 Kulturgebiet, romanisches 198 Kulturgeschichte 199, 204, 538, 821, 829, 838, 849 Kulturgüter 3, 205, 226, 274, 283 Kulturländer 204, 266 → auch: Hauptkulturländer Kulturleben 272 Kulturnation 116, 204 Kulturprobleme 132, 168, 211 Kulturreglementierung 15, 137 Kulturstaat, Kulturstaaten 295, 821, 828 Kulturtechnik 846 Kulturtradition 168 Kulturverhältnisse 204 Kulturvolk 206 Kulturvorstellungen 785 Kulturwandel 168 Kunstforscher 822, 829 Landarbeiter 23, 546, 846 Landesherr 168

Sachregister

Landgemeinde 765 Landwirt, Landwirtschaft 167, 556, 691 → auch: Bayern, Landwirtschaftsministerium; Bund der Landwirte Laudator 3, 42 „Le Figaro“ 268 „Le Temps“ 269 Leben 184, 249 f., 254, 282, 627, 782, 847 –, akademisches 18, 43, 46, 170, 178, 323, 329, 441, 631 –, antikes 263 –, erotisches 279 –, gesellschaftliches 159, 277, 821, 829 –, modernes 263 –, öffentliches 107 –, religiöses 14, 137 f. –, soziales 199, 277 → auch: Kultur-; Studenten-; Verbindungsleben Lebenschancen 221, 272, 752 Lebensführung 10, 281 f., 398 Lebenshaltung 753 Lebensläufe 753 Lebensschicksale 284 Lebensstellung 129, 221 Lehramt 130, 168, 780, 785 – Zulassung zum 124, 130, 295 Lehrauftrag 199, 309 f., 353, 407, 570, 596, 800 Lehrbegabung 253, 611 Lehrer, Lehrerschaft 3–7, 129, 133–135, 137, 186, 283, 291, 501, 572, 598, 609, 615, 637, 783, 787, 845, 847 –, akademische 3, 5, 80, 85, 103, 109, 124, 294, 448, 504, 775 f. → auch: Gymnasial-; Haus-; Hochschul-; Universitätslehrer; Volksschullehrerstand Lehrfreiheit 6, 9, 13 f., 111 f., 114–116, 128 f., 136 f., 775

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→ auch: Freiheit, der Wissenschaft und ihrer Lehre Lehrkörper 10, 17, 21, 23, 40, 45, 82, 169, 613, 630 Lehrpflicht 596 f. Lehrplan 199, 790 Lehrstuhlbesetzungen, Lehrstuhlberufungen 184 Lehrstühle 38, 79 f., 136 f., 183 f., 460, 571, 573–575, 586, 681, 709, 782 f., 853 Lehrverpflichtung 2, 596 Leidenschaft, leidenschaftlich 5, 49, 62, 97, 250, 280, 432, 610, 621, 626, 782, 787 Leinenindustrie 424 Leinwand 423, 436 f. Leipzig 17 f., 165–167, 169, 183, 200, 283, 417, 611, 637, 781, 785 f. → auch: Hochschullehrertag, Leipzig (1909); Universität Leipzig Leipziger Statut → Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Leipziger Statut Leitartikel 144, 216, 274 Lex Arons 112, 294, 297 → auch: Fall Arons Lokalanzeiger 145, 218 Lokalblätter 149, 224 Lokalpresse 416 London 216 Loyalität, loyal 279, 327, 349, 445, 466, 474 Luthertum 166 Mächte –, hierarchische 504 –, institutionelle 270 –, patriarchale 504 –, politische 504 –, traditionalistische 504 Magazine-Wesen 150, 225

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Sachregister

Majorität, Majoritätsabstimmungen, Majoritätsherrschaft 73, 201, 278, 569 Mannheim 19, 24, 26, 328, 375 f., 596 f., 601, 732 → auch: Handelshochschulen, Mannheim Männlichkeitsideal 277, 401 Marathon 504 Marburg 112, 115 f., 200, 343 f., 391 f., 575, 638, 853 → auch: Universität Marburg Marxist 68, 73, 780, 785 Massenbedürfnis 423, 489 Massenglauben 226, 274 Massenhoffnungen 274 Massenproduktion 271 Massenurteile 226 Maturität (Dispens von) 539, 546 f. Mäzenatentum 206 f., 285 f. Mecklenburg 546 Meinung, öffentliche 74, 82, 85, 103, 107, 149, 211, 223 f., 267–269, 273 → auch: Pressefreiheit Meinungsfreiheit 294, 732 Mensch, menschlich 97, 249, 251 f., 254 f., 263, 275 f., 278, 280, 294, 300, 307, 314, 322, 329 f., 337, 370, 398, 403, 504, 610, 621, 626, 630, 632, 782, 797, 845 –, moderner 211, 226, 272–274 → auch: Berufsmenschentum Menschenalter 168, 632, 782, 797, 845 Menschenbehandlung 295, 312, 319, 385 Menschenbeurteilung 336 Menschenfurcht 250 Menschenlos 249, 255 Menschenrechte 43, 252 Menschenverachtung 310, 315, 348, 410, 804 Menschenwürde 255 Mensur 400, 792 Metaphysik 270

Methodenstreit in der Nationalökonomie 36, 42, 572 Militär, militärisch 186, 332 f., 375, 728, 783, 787 Minderheit, Minderheitsstellung 331, 368, 569, 719 Minoritätsherrschaft 278 Minister, Ministerien → die Einträge zu: Baden; Bayern; Preußen Mittelalter, mittelalterlich 23, 524, 766 Mittelschulen 505 Monistenbund 136 Monopol, Monopolisierung, monopolistisch 146, 149, 215, 220 f., 224, 267, 286, 438 Moral, moralisch, moralisierend 78, 81 f., 84 f., 107, 204, 226, 228, 262, 436, 453 Moralstatistik, moralstatistisch 160, 467 f., 845 München 2, 9, 13, 16, 35, 37, 40 f., 46, 186, 201, 557, 624, 636, 697, 801 → auch: Universität München „Münchner Neueste Nachrichten“ 13, 111, 147 Münz- und Geldgeschichte 764 f. Nachrichten 215, 225, 270 f., 274, 448 Nachrichtenblätter 216 Nachrichtenbüro 270 Nachrichtendienste 143 f., 147, 214 f., 219 f., 270 Nachrichtengeschäft 204 Nachrichtenkosten 214 Nachrichtenzeitung 223 → auch: Handels-; Hochschulnachrichten Nachwuchs –, akademischer 3, 18, 79, 84, 167, 186, 295, 310, 315, 323, 381, 399, 404 f., 408 f., 574, 783, 787 –, kaufmännisch-industrieller 332, 398

Sachregister

Nation, national 108, 131 f., 184, 223, 270, 278, 439, 475, 846 Nationalgefühl 505 nationalistisch 438 Nationalliberale 348, 380, 392, 405, 799 „Nationalliberale Correspondenz“ 338, 390 Nationalökonom, Nationalökonomie, nationalökonomisch 8 f., 15, 23 f., 27 f., 30, 37, 42, 58, 108, 177, 199, 344, 348, 535, 551, 572, 592, 596, 609, 614, 691, 741, 821, 829 –, ethische 24, 42 – historische Schule der 42 – österreichische Schule der 39 –, theoretische 37, 261, 535 → auch: Methodenstreit in der Nationalökonomie Naturalwirtschaft 526 Naturwissenschaft, naturwissenschaftlich 166–169, 206, 427, 573 Nepotismus 404, 797 Neuhabilitationen 101, 630 New York 791 „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ 319, 352 f., 360, 380 f. Norwegen 370 Notabilitäten-Institute 292 Notabilitätsgesellschaft 259 Numismatik 766 Nutzen, Nutzwert 99, 374, 381 Öffentliche Meinung → Meinung, öffentliche Offiziere → Reserveoffiziere Offiziersqualifikation 276 Okzident 504 Ordinariat, Ordinarien, Ordinarius 19, 22, 601, 783 Ordnung, gesatzte 32 Organisation, organisatorisch 103, 148 f., 159, 221, 224, 232, 296, 360,

951

413, 416 f., 637, 733, 821, 823, 828, 830, 846, 849 f. → auch: Arbeits-; Berufs-; Partei-; Standesorganisation Orient 254, 504, 629 Orthodoxe 780, 785 Österreich, österreichisch 12, 27, 39, 85, 149, 224, 434, 452, 464, 501 f., 571, 608, 610 f., 613 f., 630 Palästina 630 Papiergeld 354, 406 Papst, Päpste 168, 782, 786 Paris 215, 834 Parlament, Parlamentarier, parlamentarisch 264, 296, 300, 309, 347, 380, 388 f., 391 f., 405, 613, 667, 838 Parlamentspolitiker 361 Partei, Parteien –, amerikanische 282 –, konfessionelle 136 –, ökonomische 136 –, politische 73 f., 124, 136, 149, 159, 205, 222, 224, 266, 271 f., 275, 278 f., 282, 294, 296, 336, 348, 361, 380 f., 392, 667, 798 –, soziale 136 –, weltanschauliche 282 Parteiapparat 205 Parteiorganisation 205, 222 Parvenüvolk 206 Patriarchalismus, patriarchal 38, 504 Patronage 40, 83 f., 97, 614, 798 Persönlichkeit, Persönlichkeiten 79, 82 f., 104, 133, 151, 160, 185, 227 f., 269, 276–278, 294 f., 323, 329, 336, 380 f., 398, 403, 409, 425, 441, 472 f., 490, 543, 572 f., 610, 613, 631, 748, 781, 786, 796, 832, 847 –, akademische 40, 92, 614 Personalsteuer 524 Pfründe 79 f., 168 Philologie 168

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Sachregister

Philosophie, Philosophen, philosophisch 108, 273, 329, 504, 569, 573, 609, 611, 615, 822, 829, 853 → auch: Disziplinen, philosophische; Universität Freiburg, Philosophische Fakultät; Universität Heidelberg, Philosophische Fakultät Plagiat 425, 436, 448, 463 f. Plagiatschnüffelei 45, 438, 468 Politik, politisch 67 f. 79 f., 85, 107, 113 f., 117, 120, 129–131, 133–135, 144, 147, 157, 204, 215, 218, 221–223, 228, 266 f., 270, 272, 280, 294, 297, 361, 380 f., 384, 392, 504, 557, 608, 613–615, 621, 625, 630, 632, 798, 837 f., 846, 849 → auch: Agrar-; Finanzpolitik; Gesinnung, politische; Gewalt, politische; Handelspolitik; Polizei, politische; Presse, politische; Steuer-; Wirtschaftspolitik Politiker 102, 135, 636, 798 → auch: Kirchen-; Parlaments-; Sozialpolitiker Polizei 630 –, politische 131 f. Postdebit 214 Postgeheimnis 145, 218 Prag 426, 439 f., 448, 452–455, 457, 461, 465, 467, 470, 473, 476, 478 f., 488, 491 f. → auch: Handelskammer, Prag; Universität Prag Praktiker 39, 159, 193, 200, 203, 260, 263, 268, 375, 414–416, 686 Presse 78, 96, 103, 129, 144, 146, 148–150, 158 f., 203–205, 207, 211, 215, 220, 222, 224–227, 263–271, 273 f., 282, 296, 313, 323 f., 335, 376, 383, 414–416, 492, 501, 716, 734 –, amerikanische 265 → a uch: Magazine-Wesen; Zeitungen, amerikanische –, ausländische 263

–, deutsche 4, 15, 416, 838 – Existenzbedingungen 149, 158, 211, 224 –, freie 149, 224 –, katholische 148, 223, 272 –, moderne 269 –, politische 448 –, sozialdemokratische 149, 152, 224 –, sozialistische 272 – württembergische 416 → auch: Abonnementspresse; Annonce; Einzelverkaufspresse; Feuilleton; Handelsberichterstattung; Inseratenwesen; Interessentenpresse; Journalismus; Kaplanspresse; Klischeegewerbe; Lokalpresse; Magazine-Wesen; Revolver-; Tagespresse; Zeitungen Presseenquete 28, 33, 150, 158, 193, 205, 207, 211–228, 259, 284, 414–417, 748 → auch: Soziologie des Zeitungs­ wesens Pressefreiheit 149, 225, 273 Pressegeschäft 416, 265 Pressegesetz 348 Presseprozeß 414 f. Pressepublizität 477 Presseunternehmungen 263 Pressevertreter 263 Pressewesen 263, 269, 415 Preußen, preußisch 12, 75, 81, 84, 88, 98, 112, 167, 174, 295 f., 306 f., 312, 324, 336, 354, 369, 376, 402 f., 405 f., 409, 551, 686, 697, 795 f., 802 f., 846 – Bürokratie 293, 372 – Dezernenten 307 f., 310, 341, 391, 403, 405 f., 409, 799 – Etatrecht 390 – Juristen 371 – Königtum, Königskrone 98, 321 – Kultusminister 92, 312, 314, 361, 384, 403, 797, 803

Sachregister

– Kultusministerium 15 f., 78, 82, 98, 174, 293–296, 307 f., 321, 390, 392, 405 f., 409, 799 f. – Landtag 15, 296, 300, 309, 345, 405, 798 f. – Ministerialbeamte 380–382, 406 f., 800 – Ministerialbürokratie 293, 295 f., 307, 312–314, 402 – Regierung 79, 82 f., 613, 637, 748 – Universitäten, Universitätsverwaltung 82, 313, 315, 795, 797 – Unterrichtsbürokratie 295 f. – Unterrichtsminister 296, 384, 803 – Unterrichtsministerium 293, 295, 313, 324, 392, 405, 407 – Unterrichtsverwaltung 307, 313 f., 319, 321–323, 353, 358–361, 380 f., 383 f., 392, 402–404, 574, 615, 795, 798, 800, 802 f. → auch: System Althoff – Verwaltung 321, 402, 748, 376, 795 „Preußische Jahrbücher“ 96 Priesterseminar 785 Privatbeamte 742, 748 f. Privatdozent , Privatdozentur 15, 18, 45, 80, 101, 130, 186, 202, 300 f., 309, 345, 348, 392, 453, 575, 603, 621, 783, 787 Privatgelehrter 1, 112 Privatklage 242 Privatrecht 832 f. Probevorlesung 630 Produktivität 741 Professor, Professorenschaft, Professur 6, 11, 18, 23, 78–80, 83 f., 114, 130 f., 198, 241, 251, 279, 300, 309, 330, 340, 343, 345, 348, 353, 382, 389, 392, 452, 501, 596, 601, 642, 709, 787, 853 → auch: Geschäftsprofessoren; Stiftungs-; Straf-; Tendenzprofessuren Professorengewerkschaft 12 f., 103 Professorenzünfte 84

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Promotion 165, 199, 502, 512, 539, 553 → auch: Dissertation Propaganda 157, 258, 279 f., 417, 613 Protest 88 f., 293, 297, 462 –, öffentlicher 129 Psychologie 62, 821, 829 → auch: Experimental-; Sozialpsychologie Publizist, Publizistik, Publizität 102, 263–265, 837 → auch: Pressepublizität Quäker, Quäkercollege 792 Qualifikation 101, 410, 632 –, finanzwissenschaftliche 510, 512, 614 –, wissenschaftliche 129, 295 → auch: Gesinnungs-, Offiziersqualifikation Qualifikationsattest –, ethisches 276 –, militärisches 332 Radio-Therapie 285 Rassentheoretiker 282 → auch: Gesellschaft für Rassenhygiene Räteherrschaft 626 Räterepublik 627 Rationalismus, ökonomischer 108 Rechtschaffenheit, intellektuelle 4–6, 14, 134, 149 Rechtswissenschaft 202, 838 → auch: Jurisprudenz Redakteure 143, 148 f., 214, 221 f., 224, 263 –, sozialdemokratische 149, 224 –, sozialistische 272 Redaktion, redaktionell 67, 174, 192, 204, 219, 241, 305, 319, 328, 335, 340, 352, 358, 361, 380, 388, 422 Redaktionsarbeit 217 Redaktionsgeheimnis 33, 415 Redaktionskonferenzen 145, 217

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Sachregister

Reichsfeind 131 Reichshauptstadt 166 Reichstagskandidat 98 Reichstagswahlrecht 167 Reichsverband der Presse 414 Reichszeitungsmuseum 837 Reklame 219, 221, 613 Religion, religiös 14, 43, 785 Religionswissenschaft 199 Remedur 48, 716, 719 Remotion 781, 786 Rententributrechte 524 Reserveoffizier, reserveoffiziersfähig 330, 332, 398 Reserveoffizierspatente 11 Reserveoffiziersprüfung 276 Ressortpartikularismus 797 Ressortpatriotismus, ressortpatriotisch 260, 300, 404 Revers, Reversen 309 f., 320, 322, 352–354, 382, 405 f., 799 f. Revolverpresse 150, 226 Revolution (1918/19) 556 revolutionär 490, 626, 628 Rom, Römer 179, 504, 834 Rußland, Russen, russisch 149, 225, 273, 615, 638 Sachsen, sächsisch 166, 174, 402, 409, 546, 781, 794, 803 – König 781, 786 – Kultusministerium 174 – Universitätsbürokratie 402 – Unterrichtsverwaltung 409 Säkularisation 132 Salamis 504 Salzburg 12, 15, 501 f. → auch: Hochschullehrertag, Salzburg (1907); Universität Salzburg Satisfaktionsfähigkeit 330, 375, 398, 790 Schauberg (Familie) 218

Schicht, Schichten, Schichtungsverhältnisse 204, 278, 332, 368 f., 372 f., 375, 504 –, adlige 423 –, bürgerliche 423, 489 –, soziale 150, 226, 517 –, uniforme 423, 489 Schicksal 82, 249, 252–254, 271 f., 427, 799 → auch: Berufsschicksal; Lebensschicksale Schlesien 429 → auch: Hausweber, schlesische „Schlesische Zeitung“ 151, 227, 429, 582 „Schmollers Jahrbuch“ 580, 584 Schüler 114, 184, 505, 572, 576, 609, 782, 833, 842, 845 Schulgesetzgebung 59 Schulverwaltung 59 „Schwäbischer Merkur“ 151, 227 Schwänzfreiheit 791 Schweiz 295, 452, 628 Schwerindustrie 698 Seidenindustrie 526 Sekte, Sekten, 10, 205, 275–277, 397 Sektenbildung 281 f. Sektenwirksamkeit 281 Selbstbescheidung 14, 134 f., 137 Seminare, seminaristisch 184, 400, 416, 547, 557, 592, 597, 609, 612, 664, 667, 669, 767 → auch: Priesterseminar Separatvotum 569–576, 592 „Sichinsichselbstversenken“ 249 Sinekuristen 168 Sitten, sittenlos 45 f. 104, 199, 384, 422 Sittenkunde 199 Sittenpolizei 46, 441 Skandinavien 295 „Socialpolitisches Centralblatt“ 582 Solidaritätsgefühl, akademisches 84 → auch: Berufssolidarität

Sachregister

Sommeruniversitäten 166 Sondervotum 35 → auch: Separatvotum Sozialdemokratie, Sozialdemokraten, sozialdemokratisch 11, 63, 113– 115, 120, 149, 175, 184, 224, 282, 780, 782, 785 f. → auch die Einträge zu: Gesinnung; Presse; Redakteure Sozialhistoriker 609 Sozialisten, sozialistisch 131, 137, 265, 505, 636, 638, 719, 782 → auch: Kathedersozialismus Sozialpolitik, sozialpolitisch 68, 107 f., 157, 178, 204, 258, 294, 417, 611, 728, 822, 846, 849 Sozialpsychologie 199 Sozialversicherung 748, 752 Sozialwissenschaft, sozialwissenschaftlich 3, 161, 206, 570, 619, 829 Soziologe 98 Soziologentage 29, 32–34, 157, 202, 205, 233, 261 – Berlin (1912) 34, 157, 413–417 – Frankfurt a. M. (1910) 32, 157, 202, 258–286 Soziologie, soziologisch 8 f., 27, 32–34, 37, 157, 161, 198 f., 204, 252, 258, 266, 269, 279, 281, 283, 417, 643, 821 f., 828–830, 833 – Gesellschaften und Vereine 821, 828 → auch: Deutsche Gesellschaft für Soziologie; Vereinigungen, soziologische – Institute 207, 828 – Spezialzeitschriften 821, 828 → auch: Forschung, soziologische; Fragestellungen, soziologische Soziologie des Vereinswesens 32, 159, 275 → auch: Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Forschungsvorhaben; Vereine

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Soziologie des Zeitungswesens 33, 203, 262 → auch: Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Forschungsvorhaben; Presseenquete Spitzmarkenwesen 217 St. Petersburg 609, 612 Staat, staatlich 68, 114, 132 f., 137, 184, 204, 275 f., 285, 292, 297, 314 f., 384, 399, 401 f., 525, 582, 597, 614, 628, 766, 791, 794, 796 → auch: Hauptkulturstaaten; Kulturstaat; Verstaatlichung; Zukunftsstaat Staatsanstalten 131 Staatsautorität 716 Staatsbeamte 167 Staatsbürger 129, 280 Staatslehre 199, 252, 833 Staatsuniversität 131, 401 → auch: Universität, staatliche Staatswissenschaft, staatswissenschaftlich 99, 330, 448, 452, 709, 782, 786, 845 Stadt, städtisch 275, 286, 293, 398, 401, 423, 426, 488 f., 524, 566, 734, 765, 791, 823, 830 Starostenindustrie 429 Statistik, Statistiker 98 f., 261, 565, 609, 638, 753, 845 → auch: Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Abteilung für Statistik; Doktorprüfungs-; Moralstatistik Steuer 175, 524 f., 694 → auch: Bier-; Grund-; Personalsteuer Steuereinnehmer 694 Stiftungen, Stifter 111 f., 114, 132, 136, 183, 201, 203, 206, 285, 293 f., 297, 775, 833 → auch: Carl-Zeiss-Stiftung; Mäzenatentum Stiftungsprofessuren 17, 501 Strafprofessuren 79

956

Sachregister

Straßburg 200, 570, 592, 847 → auch: Universität Straßburg Studenten, Studentenschaft 2, 6, 47, 85, 129, 166 f., 169, 205, 277, 292, 332 f., 369, 371 f., 374, 377, 398, 400 f., 489, 510, 572, 612, 615, 626, 717, 720, 791, 793 –, amerikanische 278, 329, 400, 791–793 –, katholische 169 Studentenausschuß → Allgemeiner Studentenausschuß Studentenleben 330, 372, 398, 400, 791 → auch: Couleur-; Verbindungswesen Studium 166–168, 329 f., 455, 660 Subventionsinstitute 292 Suggestionsmittel 211 Sultanismus 804 System Althoff 12, 15 f., 295, 300, 312, 314 f., 322, 354, 385, 403, 409, 796–800, 802 Tagespresse 496, 837, 849 „Tägliche Rundschau“ 73, 148, 175, 335, 340, 347, 359, 366, 390 Techniker 167, 741 Telegramm 225 Telegraphie 224 Telephon 92, 225 Tendenzprofessuren 17, 40, 174 „The Times“ 269 Theologen, Theologie, theologisch 83, 168, 573, 780 – Fakultäten 14, 137, 182, 780 f., 785 → auch: Universität Freiburg, Theologische Fakultät Theorie, Theoretiker, theoretisch 26, 28, 42, 73, 108, 200, 261, 263, 268, 273, 281, 414, 489, 527, 531, 542, 608 f., 614, 741, 832, 845 f. –, medizinische 281 –, politische 833 –, psychiatrische 281

–, soziale 73 → auch: Geldtheorie; Rassentheoretiker Tischlergewerbe 517 Tod, Todesfall 250, 255, 322, 354, 406 Trinkdressur 371 Trusts 220, 268 Tübingen 570, 592, 842 → auch: Universität Tübingen Tuchgewerbe 423, 488 f. Tuchmacher 423, 489 f. Turin 834 Ultramontanismus 782 Umgeld 515 Umhabilitation 624 f., 630, 632 f., 646 Universität, Universitäten 78–80, 85, 107, 114, 130–137, 165, 182, 184, 198, 291 f., 311, 315, 329–331, 336, 354, 368, 370, 372, 377, 381–384, 397 f., 402–404, 410, 417, 501, 613, 621, 776, 782 f., 785–787, 791, 794 f., 797, 799, 853 –, amerikanische 397–401, 407 f., 791–794, 798, 800 –, angelsächsische 132 –, badische 336, 795 –, deutsche 38, 85, 99, 401, 404, 791, 794, 853 –, englische 168 –, holländische 182 –, katholische 501 f. → auch: Universität Salzburg –, österreichische 85 –, staatliche 132, 292 → auch: Staatsuniversität –, süddeutsche 167 – Überfüllung der 292 Universität Berlin 78–80, 82 f., 101, 113, 305, 405 f., 557, 565, 570, 613, 637, 799 – Philosophische Fakultät 78, 88, 93, 96 f., 383 Universität Bonn 637

Sachregister

Universität Breslau 613 Universität Czernowitz 501, 571 Universität Freiburg i. Br. 35–37, 301, 557, 573, 592, 601, 637, 664 – Juristische Fakultät 35, 707, 709 – Kameralistik 35, 707, 709 – Medizinische Fakultät 573 – Philosophische Fakultät 35, 306, 521, 565, 569, 571–574, 707 – Rechts- und Staatswissenschaft­ liche Fakultät 585, 587 f., 709 – Theologische Fakultät 573 Universität Gießen 638 Universität Göttingen 165, 566, 637 Universität Halle 165, 637, 688 Universität Heidelberg 1 f., 35–37, 41–43, 45, 50, 253, 324, 335, 340, 453, 557, 570, 592, 596 f., 603, 626, 630, 633, 638, 646, 664 – Philosophische Fakultät 36, 45, 441, 453, 459, 463, 496, 535, 539, 543, 546, 592, 596, 603, 657 Universität Jena 111 f., 114, 775 Universität Kiel 389, 392, 613, 650 Universität Königsberg 613 Universität Leipzig 165–167, 169, 183, 637 Universität Marburg 112, 115, 638, 853 Universität München 16, 557, 632, 697, 718 – Forstwirtschaft 691 – Juristische Fakultät 681 – Staatswirtschaftliche Fakultät 556 f., 621, 624 f., 627, 631 f., 681 Universität Münster 697 f. Universität Prag 448, 452 – Rechts- und Staatswissenschaft­ liche Fakultät 44 f., 448, 452–454, 456 f., 459, 464–467, 469, 472–482, 484–490, 492, 496 f. Universität Salzburg 501 f. Universität Straßburg 592, 601 Universität Tübingen 592, 601, 638

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Universität Turin 114 Universität Wien 638 – Rechts- und Staatswissenschaft­ liche Fakultät 608 Universität Wittenberg 165 Universitätsbeamte 783, 787 Universitätsbürokratie 402, 794 Universitätsdemokratie 407 Universitätsdozenten 114, 295 Universitätsgewalten 402 Universitätsinteressen 336, 382, 597 Universitätslehrer 134, 598, 615 Universitätsreform, holländische 136 Universitätsstatuten 381 Universitätstradition 404, 798 Universitätsunterricht 133, 596 Universitätsverfassung 22, 294, 408, 784, 787 Universitätsverwaltung 13, 307, 337, 353, 381, 596, 795 Universitätswesen 99, 116, 132 Unterricht 4, 132, 135, 137, 169 f., 295, 321, 601 Unterrichtsbürokratie 295 f., 384 Unterrichtsverwaltung 307, 313, 323, 383, 402 f., 407, 409, 795 → auch: Gesinnungsunterricht; Preußen, Unterrichtsbürokratie, Unterrichtsministerium, Unterrichtsverwaltung Urbino 834 USA → Amerika Verbände 32, 159, 263, 277 f., 282, 742 Verbindungen 368 f., 400 –, amerikanische 400 f., 793 → auch: Greek Letter Society –, deutsche 400 f., 793 –, Kölner 368 –, schlagende 371 –, studentische 333 Verbindungsleben 371 Verbindungsstudenten 368 f., 371, 373

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Sachregister

Verbindungswesen 20 f., 332, 354, 367–369, 373 → auch: Couleurwesen Verein deutscher Statistiker 232 Verein deutscher Zeitungsverleger 220 f., 414 Verein für Socialpolitik 23–26, 63, 67 f., 73 f., 107, 158, 177 f., 416 f., 517, 580, 584, 728, 733, 741, 748 f., 834 – Abhandlungen 734, 741 – Ausschüsse 67, 73, 735, 738, 748, 753 f. – Generalversammlung 24–26, 32, 67 f., 74, 732 f., 752 – Vorsitzender 63, 732–734 Vereine, Vereinswesen 159, 205, 275 f., 278–283, 374, 828 –, amerikanische 276 f. → auch: Gesangsvereine; Klubs Vereinigte Staaten → Amerika Vereinigungen –, gesellige 159 –, sozialpolitische 822 –, sozialwissenschaftliche 161 –, soziologische 821, 828 –, volkswirtschaftliche 822 Vermögensabgabe 613 Vermögensschichtung 518 Versicherungsanstalten 400 Versicherungswissenschaft 565 f. Verstaatlichung 293 Verwaltungsorganisation 748 Volksschullehrerstand 168 Volkswirtschaft, Volkswirtschaftslehre 81, 427, 597, 741, 833 → auch: Nationalökonomie „Vorwärts“ 149 Votum → Separat-; Sondervotum Warenterminhandel 584 Weltanschauung, Weltanschauungen 10, 14, 133–136, 265, 279 f. Weltanschauungsideen 279

Weltanschauungsparteien 282 Wertbeziehung 10 Werte 505 – Polytheismus der 6 Wertfreiheit, wertfrei 9 f., 14, 29, 41, 282 Wertsphäre 2, 10 Wertung, Wertungen 184 –, ästhetische 258 –, ethische 103, 258 –, politische 258 –, praktische 4 –, sozialpolitische 258 Werturteile 4, 10, 68, 133, 135, 184 f., 781 f., 786, 837 –, persönliche 14, 133 –, politische 47 –, subjektive 68 Werturteilsdebatte 2, 24, 26 Werturteilsfreiheit 5, 10, 28, 33 Weser 538 Westdeutschland 149 Wien 1, 8 f., 27, 38, 281, 426, 478, 484, 538, 608, 615, 637 f., 842 → auch: Universität Wien Wirtschaft, wirtschaftlich 59, 159, 538, 542, 609, 728, 838, 846, 849 Wirtschaftshistorie, Wirtschaftstheorie 27, 426, 515, 526, 609, 768 f., 846 Wirtschaftspolitik 531, 562, 614 Wissenschaft, wissenschaftlich 2–5, 19, 49, 58, 67, 78–82, 108, 114, 129, 131, 133–135, 137, 150, 157 f., 160 f., 165, 177, 182, 184–186, 192, 194, 198, 200–206, 211, 226, 228, 233, 258–260, 263, 265, 281, 283–286, 292, 294 f., 336, 345, 374, 381, 398, 408, 417, 425, 428, 432 f., 439–441, 449, 452, 454, 460, 471 f., 475, 483, 492, 501, 504, 510, 512, 515, 518, 526 f., 531, 538, 542 f., 569, 571 f., 581, 587, 596, 604, 612, 614 f., 621, 632, 637 f., 646, 733, 780, 782, 785 f.,

Sachregister

801, 821–823, 828–830, 832 f., 837, 847, 849 – als Beruf/als Berufung 2 f., 48 – Betrieb der 201 –, deutsche 185, 440, 454, 782, 786 – Fortschritt/Fortschreiten der 285, 408 – Führer der 79 – Freiheit der → Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre – Interessen der 336, 596 –, ökonomische 58 –, soziologische 232 –, statistische 232 – Zwecke der 286 → auch: Finanz-; Handelswissenschaft; Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Natur-; Rechts-; Sozial-; Staats-; Versicherungswissenschaft; sowie die Einträge zu: Assistenten; Ehre; Erkenntnis; Qualifikation Wissenschaftsbetrieb 441 Wittenberg 165 → auch: Universität Wittenberg „Württembergische Jahrbücher für Statistik“ 515 „Zeitschrift für Staatswissenschaft“ 562 Zeitschriften 146, 149, 198, 219, 225, 273, 296, 441, 448, 492, 515, 562, 821, 828, 838 → auch: Magazine-Wesen Zeitungen, Zeitungswesen 88, 96, 142–148, 150, 203 f., 211–228, 259 f., 262, 264–274, 305, 335, 340 f., 341, 349, 352, 354, 360 f., 365, 391 f., 414, 582, 718, 837 f., 849 –, amerikanische 215, 217, 265 – Einzelverkauf 142, 147, 213, 218, 221, 267, 270

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– Existenzbedingungen 112, 204 – Feuilleton → Feuilleton – Handelsteil 148, 151, 223 – Käufer 148, 223, 266 – Kapitalbedarf 142, 213, 267 f. – Leitartikel → Leitartikel – Monopole 146, 149, 267 – Stoffverteilung 144 f., 216 f. → auch: Abonnements; Blätter; Familienzeitungen; Presse; Presseenquete Zeitungsabonnement 214, 267 f. Zeitungsbeilage 111, 144, 150, 215, 226, 305 Zeitungsgeschäft 142, 212, 221 f., 227 Zeitungsgesinnung 148, 222 f., 228 Zeitungstypen 143, 147, 212, 214, 221, 228, 259 f. Zeitungsverlage 203 f., 220, 262 Zeitungsverleger 221, 227, 260, 263, 414 Zeitungswesen 145, 203 f., 211, 216, 220, 228, 259 f., 262 Zensor, Zensur 265, 732 Zentralverband Deutscher Industrieller 136, 183, 781, 786 Zentrum 120, 137, 282 Zivildienstreform, amerikanische 329 Zukunftsstaat 265 Zulassung zum Lehramt → Lehramt, Zulassung zum Zunftgeist 423 Zwangsanleihen 524 Zwangsverbände, autoritäre 276 Zweck, Zwecke 184 –, ästhetische 206 –, künstlerische 285 –, psychiatrische 281 –, wissenschaftliche 281, 285 Zweckverein 32

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe Abteilung I: Schriften und Reden

1.  Aufbau der Gesamtausgabe In der Max Weber-Gesamtausgabe werden die veröffentlichten und die nach­ gelassenen Texte Max Webers mit Ausnahme seiner Exzerpte, Marginalien, ­Anstreichungen oder redaktionellen Eingriffe in die Texte anderer wiedergegeben. Berichte anderer über Webers Reden, Diskussionsbeiträge und Vorlesungen werden nur dann wiedergegeben, wenn ein autoreigener Zeuge nicht überliefert ist. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, so werden alle mitgeteilt. Editionen der Texte Webers, die er nicht selbst zum Druck gegeben hat, werden nur dann berücksichtigt, wenn dem betreffenden Herausgeber Manuskripte vorlagen, die uns nicht mehr überliefert sind. Jedem Band ist eine Konkordanz mit den bisher gebräuchlichen Ausgaben beigegeben. Die Max Weber-Gesamtausgabe gliedert sich in drei Abteilungen:       Abteilung I: Schriften und Reden       Abteilung II: Briefe       Abteilung III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften

2. Aufbau der Abteilung I: Schriften und Reden Die Abteilung I umfaßt Max Webers veröffentlichte und nachgelassene Schriften und Reden, unter Einschluß seiner Diskussionsbeiträge und Stellungnahmen. Ebenso werden Paralipomena, Entwürfe und andere Vorarbeiten mitgeteilt. Einzelne Äußerungen sind uns nur durch Zeitungsberichte, Sitzungsprotokolle, Kongreßprotokolle und ähnliches überliefert. Solche Ersatzzeugen werden dann in die Ausgabe aufgenommen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der betreffenden Rede oder Stellungnahme Webers entstanden. Außerdem sind Texte wiedergegeben, die er zusammen mit anderen Personen verfaßte oder unterzeichnete. Für die Verteilung der Texte auf die Bände werden zwei Kriterien verwendet: der Sachzusammenhang und die Chronologie. Dadurch werden thematisch und zeitlich nahestehende Texte zu Bänden vereinigt und die Schwerpunkte des Werkes in ihrer zeitlichen Folge und ihrem Nebeneinander sichtbar gemacht. Jeder Bandtitel enthält deshalb eine thematische und eine zeitliche Angabe. Für die thematische Angabe wird entweder ein Titel von Weber verwendet oder, wo dies wegen der Vielfalt der Texte nicht möglich ist, ein seinem Wortgebrauch nahestehender Titel neu gebildet. Jedem Bandtitel ist ferner eine Zeitangabe

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MWG Abteilung I: Aufbau und Editionsregeln

zugeordnet. Dabei bezieht sich die erste Jahreszahl auf das Datum der Veröffentlichung des ersten, die zweite auf das Datum der Veröffentlichung des letzten in den Band aufgenommenen Textes. Bei Texten aus dem Nachlaß ist das Ent­ stehungsjahr maßgebend. Dies gilt sowohl für Texte, die uns im Original vorliegen, als auch für solche, von denen wir nur noch eine Edition aus dem Nachlaß besitzen, weil das Original inzwischen verloren ist. Wo das Datum der Entstehung auch nicht annähernd ermittelt werden kann, wird der Text am Ende des Bandes eingeordnet, dem er thematisch nahesteht. Bände mit einem oder mehreren nachgelassenen Texten tragen als zweite Jahreszahl 1920, Webers Todesjahr, wenn wir Hinweise haben, daß er an diesen Texten bis zu seinem Tode ­arbeitete. Für die Bandfolge ist das Chronologieprinzip maßgebend. Über die Stellung eines Bandes in der Bandfolge entscheidet das Datum des ersten darin abgedruckten Textes. Abweichend davon sind die „Gesammelten Aufsätze zur Reli­ gionssoziologie“ und das Textkonvolut „Wirtschaft und Gesellschaft“ an das Ende der Abteilung gestellt. Dies ergibt sich aus der besonderen Überlieferungslage. Die Abteilung I hat folgenden Aufbau: Band 1:  Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter Schriften 1889 – 1894



Hg. von Gerhard Dilcher und Susanne Lepsius; 2008

Band 2: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. 1891



Hg. von Jürgen Deininger; 1986 (Studienausgabe 1988)

Band 3:  Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland. 1892



Hg. von Martin Riesebrodt; 2 Halbbände, 1984

Band 4:  Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1892 – 1899



Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff; 2 Halbbände, 1993

Band 5:  Börsenwesen Schriften und Reden 1893 – 1898



Hg. von Knut Borchardt in Zusammenarbeit mit Cornelia Meyer-Stoll; 2 Halbbände, 1999, 2000

Band 6:  Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums Schriften und Reden 1893 – 1908

Hg. von Jürgen Deininger; 2006

Band 7:  Zur Logik und Methodik der Sozialwissenschaften Schriften 1900 – 1907

MWG Abteilung I: Aufbau und Editionsregeln

Band 8:  Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900 – 1912



Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Peter Kurth und Birgitt Morgenbrod; 1998 (Studienausgabe 1999); Ergänzungsheft 2005

Band 9:  Asketischer Protestantismus und Kapitalismus Schriften und Reden 1904 – 1911



Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Ursula Bube; 2014

Band 10:  Zur Russischen Revolution von 1905 Schriften und Reden 1905 – 1912



Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Dittmar Dahl­mann; 1989 (Studienausgabe 1996)

Band 11:  Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften und Reden 1908 – 1912



Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Sabine Frommer; 1995 (Studienausgabe 1998)

Band 12:  Verstehende Soziologie und Werturteilsfreiheit Schriften und Reden 1908 – 1917 Band 13:  Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik Schriften und Reden 1895 – 1920





Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Heide-Marie Lauterer und Anne Munding; 2016

Band 14:  Zur Musiksoziologie Nachlaß 1921

Hg. von Christoph Braun und Ludwig Finscher; 2004

Band 15:  Zur Politik im Weltkrieg Schriften und Reden 1914 – 1918



Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger; 1984 (Studienausgabe 1988)

Band 16:  Zur Neuordnung Deutschlands Schriften und Reden 1918 – 1920



Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schwentker; 1988 (Studienausgabe 1991)

Band 17:  Wissenschaft als Beruf 1917/1919  –  Politik als Beruf 1919



Hg. von Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Birgitt Morgenbrod; 1992 (Studienausgabe 1994)

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MWG Abteilung I: Aufbau und Editionsregeln

Band 18: 



Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/ Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus Schriften 1904 – 1920 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Ursula Bube; 2016



Band 19: 

Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus Schriften 1915 – 1920



Hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Petra Kolonko; 1989 (Studienausgabe 1991)



Band 20:



Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus 1916 – 1920



Hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Golzio; 1996 (Studienausgabe 1998)

Band 21: 

Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum Schriften und Reden 1911 – 1920



Hg. von Eckart Otto unter Mitwirkung von Julia Offermann; 2 Halbbände, 2005 (Studienausgabe 2009)



Band 22: 

Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaft­ lichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß 22-1: Gemeinschaften



Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Michael Meyer; 2001 (Studienausgabe 2009)

22-2: Religiöse Gemeinschaften Hg. von Hans G. Kippenberg in Zusammenarbeit mit Petra Schilm unter Mitwirkung von Jutta Niemeier; 2001 (Studienausgabe 2005)

22-3: Recht

Hg. von Werner Gephart und Siegfried Hermes; 2010 (Studienausgabe 2014)

22-4: Herrschaft



Hg. von Edith Hanke in Zusammenarbeit mit Thomas Kroll; 2005 (Studienausgabe 2009)

22-5: Die Stadt Hg. von Wilfried Nippel; 1999

(Studienausgabe 2000)

MWG Abteilung I: Aufbau und Editionsregeln

Band 23: 

Band 24: 

Band 25: 



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Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie Unvollendet 1919 – 1920 Hg. von Knut Borchardt, Edith Hanke, Wolfgang Schluchter; 2013 (Studienausgabe 2014)

Wirtschaft und Gesellschaft. Entstehungsgeschichte und Dokumente Dargestellt und hg. von Wolfgang Schluchter; 2009

Wirtschaft und Gesellschaft. Gesamtregister Bearbeitet von Edith Hanke und Christoph Morlok; 2015

3.  Aufbau der Bände Jeder Band enthält eine Einleitung des Herausgebers, die historisch-kritisch bearbeiteten Texte Webers, denen jeweils ein Editorischer Bericht vorangestellt ist, Verzeichnisse und Register. Innerhalb der Bände sind die Edierten Texte chronologisch geordnet. Bei von Weber veröffentlichten Texten ist das Datum der Veröffentlichung, bei nachgelassenen Texten das Datum der Entstehung maßgebend. Äußerungen Webers, über die wir nur Ersatzzeugen besitzen, werden im zweiten Teil eines Bandes zusammengefaßt und nach dem Datum der Äußerung wiederum chronologisch angeordnet. Einzelnen Bänden sind Anhänge beigegeben. Darin finden sich zunächst Texte, die Weber mit anderen Personen zusammen verfaßte oder unterzeichnete, ge­gebenenfalls Hinweise auf verlorene Texte sowie auf Dokumente.

4. Bandeinleitung Die Einleitung des Herausgebers informiert über die Anordnung, die thematischen Schwerpunkte und über den wissenschaftsgeschichtlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund der Texte. Enthält ein Band mehrere Texte, geht die Einleitung außerdem auf deren Zusammenhang ein. Die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte sowie die Geschichte von Nacheditionen dagegen bleiben in der Regel außer Betracht. Die Einleitung berichtet ferner über bandspezifische Editionsfragen, z. B. über sprachliche Eigentümlichkeiten Webers und deren editorische Behandlung. Alle textspezifischen Informationen geben die Editorischen Berichte.

5.  Editorische Berichte Jedem Text ist ein Editorischer Bericht vorangestellt, der über dessen Entstehung, Entwicklung und Überlieferung sowie über editorische Entscheidungen

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MWG Abteilung I: Aufbau und Editionsregeln

informiert. Er ist in die Abschnitte „Zur Entstehung“ und „Zur Überlieferung und Edition“ gegliedert. 5.1  „Zur Entstehung“ Dieser Abschnitt skizziert die historisch-politischen, wissenschaftlichen und biographischen Zusammenhänge, in denen ein Text steht. Er stellt ferner seine Entstehung und Entwicklung dar. Sofern mehrere Fassungen eines Textes vorliegen, wird deren Verhältnis zueinander beschrieben. 5.2  „Zur Überlieferung und Edition“ Dieser Abschnitt informiert über Textbefund und Überlieferungslage. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, wird dargelegt, welche der Fassungen Edierter Text und welche Variante ist. Ferner werden alle weiteren editorischen Entscheidungen begründet. Dazu gehört unter anderem auch die Behandlung textspezifischer Eigentümlichkeiten.

6. Texte Bearbeitung und Präsentation der Texte folgen der historisch-kritischen Methode. Dies geschieht mit Hilfe von drei Apparaten: dem Korrekturen- und dem Variantenapparat, die zum textkritischen Apparat zusammengefaßt sind, und dem Erläuterungsapparat. 6.1  Textkritischer Apparat Der textkritische Apparat hat in erster Linie zwei Aufgaben: Aufweis der Textentwicklung und Nachweis der Texteingriffe. 6.1.1 Textentwicklung Liegt ein Text in mehreren autorisierten Fassungen vor, ist eine Fassung zum Edierten Text bestimmt. Dies ist in der Regel die Fassung letzter Hand. Jede zur Variante bestimmte Fassung wird im textkritischen Apparat mitgeteilt, in der Regel mit Hilfe eines negativen Apparats. Wo es die Sachlage erfordert, insbesondere bei umfangreichen Varianten, ist der positive Apparat oder die ­synoptische Darstellung gewählt. Die früheste oder einzige Fassung eines Textes trägt die Sigle A. Spätere Fassungen sind in chronologischer Folge mit B, C usw. bezeichnet. 6.1.2 Texteingriffe Texteingriffe sind auf ein Minimum beschränkt. Sie werden bei Textverderbnissen vorgenommen. Als verderbt gelten Textstellen, die den Sinnzusammenhang ­zerstören. Der Eingriff wird dadurch nachgewiesen, daß die verderbte Stelle im

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textkritischen Apparat mitgeteilt wird. Läßt sich eine unklare Stelle nicht eindeutig als verderbt erkennen, so wird sie unverändert gelassen. Je nach Sachlage bietet der Apparat dann Lesarten in Voreditionen oder andere Verständnishilfen an. Nicht als Textverderbnis gelten Spracheigentümlichkeiten, einschließlich regelwidriger, aber nicht sinnentstellender grammatischer Konstruktionen, nicht mehr gebräuchlicher Lautstand, veraltete Orthographie und Interpunktion. In ­folgenden Fällen werden Texteingriffe ohne Nachweis im textkritischen Apparat vorgenommen: a) Bei der Gestaltung von Überschriften, Zwischentiteln, anderen Gliederungsmerkmalen (z. B. Paragraphen) sowie Hervorhebungen: Sie werden typographisch vereinheitlicht. b) Bei Umlauten: Sie werden – soweit sie Folge der zu Webers Zeit üblichen Drucktechnik sind – der heutigen Schreibweise angeglichen (Ä statt Ae). Die Schreibweise ss für ß wird zu ß vereinheitlicht. c) Bei Abkürzungen: Sie werden, sofern sie schwer verständlich und heute nicht mehr üblich sind, in eckigen Klammern ausgeschrieben. d) Bei offensichtlichen Druckfehlern: Sie werden korrigiert (z. B. „Erleicherung“, „aucht“). e) Bei Interpunktionsfehlern: Sie werden bei der Reihung von Hauptsätzen, Aufzählungen, Relativsätzen und „daß“-Sätzen korrigiert. In allen anderen ­ Fällen werden eingefügte Satzzeichen durch eckige Klammern kenntlich ­ gemacht. f) Bei der Numerierung von Anmerkungen: Sie werden text- oder kapitelweise durchgezählt. Entsteht dadurch eine Abweichung gegenüber Webers Zählung, so wird dies im Editorischen Bericht vermerkt. g) Bei der Einfügung von Titeln und Zwischenüberschriften: Sie werden in eckige Klammern gesetzt und im Editorischen Bericht begründet 6.2 Erläuterungsapparat Der Erläuterungsapparat dient dem Nachweis, der Ergänzung oder der Korrektur der Zitate und der Literaturangaben sowie der Sacherläuterung. 6.2.1 Zitate Webers Zitate werden überprüft. Sind sie indirekt, unvollständig oder fehlerhaft, gibt der Apparat den richtigen Wortlaut wieder. Hat Weber ein Zitat nicht belegt, wird es im Apparat nachgewiesen. Ist uns der Nachweis nicht möglich, so lautet die Anmerkung: „Als Zitat nicht nachgewiesen“. 6.2.2 Literaturangaben Webers Literaturangaben werden überprüft. Sind sie nicht eindeutig oder fehlerhaft, werden sie ergänzt oder berichtigt, wenn möglich, unter Verwendung der von Weber benutzten Ausgabe. Es wird dafür ein Kurztitel verwendet. Die vollständigen bibliographischen Angaben finden sich im Verzeichnis der von Weber zitierten Literatur.

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Verweist Weber ohne nähere Angaben auf Literatur, so ist sie, wenn möglich, im Apparat nachgewiesen. Literaturangaben des Herausgebers werden beim ersten Auftreten vollständig aufgeführt, bei Wiederholungen wird ein Kurztitel verwendet. 6.2.3 Sacherläuterung Erläutert werden Ereignisse und Begriffe, deren Kenntnis für das Verständnis des Textes unerläßlich erscheint. Informationen über Personen finden sich im Personenverzeichnis am Ende des Bandes. Erfordert eine Textstelle darüber hinaus­ gehende Informationen über eine Person, so bietet sie der Apparat. Sachliche Fehler Webers werden im Apparat berichtigt. Für Wörter aus fremden Schriftsystemen verwendet der Editor in seinen Erläuterungen die Transliteration nach den heute gültigen Richtlinien. 6.3 Präsentation Um die Benutzung der Ausgabe zu erleichtern, erscheinen Webers Text und die dazugehörigen Apparate in der Regel auf derselben Seite. Edierter Text und Varianten sind gleichwertig. Die Varianten werden so präsentiert, daß der Leser die Textentwicklung erkennen kann. Kleine lateinische ­Buchstaben verbinden den Edierten Text mit dem textkritischen Apparat. Sie ­stehen hinter dem varianten oder emendierten Wort. Bezieht sich die textkritische A ­ nmerkung auf mehr als ein Wort, so markiert ein gerade gesetzter Index ­den Anfang und ein kursiv gesetzter Index das Ende der fraglichen Wortfolge (amit Amerikaa). Die Ersatzzeugen von Webers Äußerungen, auf die wir zurückgreifen müssen, stimmen nicht immer überein. In solchen Fällen sind sie alle ohne Wertung auf­ einanderfolgend oder synoptisch wiedergegeben. Zeitungsberichte enthalten in der Regel einen redaktionellen Vorspann, Zwischentexte oder Nachbemerkungen; Sitzungs- und Kongreßprotokolle geben auch Beiträge anderer Redner wieder. Wenn diese Texte in unmittelbarem sach­ lichen Zusammenhang mit Webers Äußerungen stehen, werden sie entweder in Form eines Regests, wörtlich in kleinerer Drucktype oder im textkritischen Apparat mitgeteilt. Die historisch-kritisch bearbeiteten Texte Webers und die Erläuterungen des Heraus­gebers sind durch arabische Ziffern ohne Klammern miteinander verbunden. Um die Herausgeberrede von Webers Text abzuheben, ist sie in anderer Schrifttype gesetzt.

7.  Verzeichnisse und Register Dem Band sind folgende Verzeichnisse und Register beigefügt: 1. Ein Inhaltsverzeichnis.

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2. Ein Verzeichnis der Siglen, Zeichen und Abkürzungen. 3. Ein Literaturverzeichnis: Es enthält die von Weber zitierte Literatur vollständig bibliographisch erfaßt. Auf den Titel folgt in Klammern der vom Editor in seinen Erläuterungen gebrauchte Kurztitel. 4. Ein Personenverzeichnis: Aufgenommen sind alle Personen, die Weber erwähnt, mit Ausnahme allgemein bekannter (z. B. Bismarck, Wilhelm II.) und in Literaturangaben genannter Personen. Es liefert die wichtigsten Lebensdaten, gibt die berufliche oder politische Stellung an und führt ggf. die verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen zu Weber auf. Das Personenverzeichnis hat den Zweck, den Erläuterungsapparat zu entlasten. 5. Ein Personenregister: Es verzeichnet sämtliche von Weber und vom Editor erwähnten Personen einschließlich der Autoren der von Weber und vom Editor zitierten Literatur. 6. Ein Sachregister: Es enthält alle wichtigen Begriffe und Sachbezeichnungen. Ist ein Begriff für einen Text thematisch, werden nur zentrale Stellen und besondere Bedeutungen verzeichnet. Es verzeichnet ferner alle geographischen Namen, mit Ausnahme der Verlagsorte in Literaturangaben und der Archivorte. Es werden die Namen benutzt, die im deutschen Sprachraum vor 1920 üblich waren oder amtlich gebraucht wurden. Kann ein Ort nicht als bekannt vorausgesetzt werden, wird zur Erläuterung die Verwaltungseinheit nach dem Gebietsstand von 1920 (z.B. Kreis, Regierungsbezirk) und ggf. auch der heute amtliche Name beigefügt. Personen- und Sachregister erfassen Webers Texte und die Herausgeberrede. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Einem Band können weitere Verzeichnisse, wie z. B. Glossare, Konkordanzen, Maß- und Gewichtstabellen sowie Karten beigefügt sein.

8.  Indices und Zeichen Folgende Indices werden verwendet: a) Arabische Ziffern mit runder Schlußklammer (1), 2), 3) ...) kennzeichnen Webers eigene Anmerkungen. b) Arabische Ziffern ohne Klammern (1, 2, 3 ...) und in von a) abweichender Schrift markieren die Erläuterungen des Editors. c) Kleine lateinische Buchstaben (a, b, c ...) kennzeichnen eine textkritische Anmerkung. Folgende Zeichen werden verwendet: d) Das Zeichen  gibt die Stelle des Seitenwechsels nach der ursprünglichen Paginierung einer Textfassung wieder. e) Das Zeichen [  ] markiert Hinzufügungen zum Text durch den Editor.

Bandfolge der Abteilung II: Briefe

Band 1: Jugendbriefe bis 1886 Band 2: Briefe 1887 –1894 Band 3: Briefe 1895 –1902

Hg. von Rita Aldenhoff-Hübinger

in Zusammenarbeit mit Uta Hinz; 2015

Band 4: Briefe 1903 –1905

Hg. von Gangolf Hübinger und M. Rainer Lepsius

in Zusammenarbeit mit Thomas Gerhards und Sybille Oßwald-Bargende; 2015

Band 5: Briefe 1906 –1908

Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen

in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1990

Band 6: Briefe 1909 –1910

Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen

in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1994

Band 7: Briefe 1911 –1912

Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen

in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1998

Band 8: Briefe 1913 –1914

Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen

in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2003

Band 9: Briefe 1915 –1917





Hg. von Gerd Krumeich und M. Rainer Lepsius in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2008

Band 1 0: Briefe 1918 –1920





Hg. von Gerd Krumeich und M. Rainer Lepsius in Zusammenarbeit mit Uta Hinz, Sybille Oßwald-Bargende und Manfred Schön; 2012

Band 1 1: Nachträge und Gesamtregister

Bandfolge der Abteilung III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften

Band  1: Allgemeine („theroretische“) Nationalökonomie. Vorlesungen 1894 –1898 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Cristof Judenau, Heino H. Nau, Klaus Scharfen und Marcus Tiefel; 2009

Band 2: Praktische Nationalökonomie. Vorlesungen 1895 –1899 Band 3: Finanzwissenschaft. Vorlesungen 1894 –1897 Band 4: Arbeiterfrage und Arbeiterbewegung. Vorlesungen 1895 –1898 Hg. von Rita Aldenhoff-Hübinger in Zusammenarbeit mit Silke Fehlemann; 2009

Band 5: Agrarrecht, Agrargeschichte, Agrarpolitik. Vorlesungen 1894 –1899 Hg. von Rita Aldenhoff-Hübinger; 2008

Band 6: Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Mit- und Nachschriften 1919/20 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Joachim Schröder; 2011

Band 7: Allgemeine Staatslehre und Politik (Staatssoziologie). Unvollendet. Mit- und Nachschriften 1920 Hg. von Gangolf Hübinger in Zusammenarbeit mit Andreas Terwey; 2009