Max Weber-Gesamtausgabe, Band I/11: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit: Schriften und Reden 1908-1912 3161463560, 9783161463563

Der Titel dieses Bandes stammt von der Aufsatzfolge Zur Psychophysik der industriellen Arbeit von 1908/1909. Um diesen z

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Max Weber-Gesamtausgabe, Band I/11: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit: Schriften und Reden 1908-1912
 3161463560, 9783161463563

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
Einleitung
Schriften und Reden
Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie
Zur Psychophysik der industriellen Arbeit
Zur Methodik sozialpsychologischer Enqueten und ihrer Bearbeitung
[Marie Bernays und die M. Gladbacher Arbeiterschaft]
[Probleme der Arbeiterpsychologie]
Personenverzeichnis
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
Verzeichnis der als Varianten zum Edierten Text berücksichtigten Textfassungen
Personenregister
Sachregister
Seitenkonkordanzen
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden

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Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von

Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann t

Abteilung I: Schriften und Reden Band 11

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Max Weber Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften und Reden 1908-1912

Herausgegeben von

Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit

Sabine Frommer

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Redaktion: Karl-Ludwig Ay - Edith Hanke Die Herausgeberarbeiten wurden von dem Land Baden-Württemberg und von der Werner-Reimers-Stiftung gefördert.

Die Deutsche BibliothekWeber,

CIP-Einheitsaufnahme

Max:

Gesamtausgabe / Max Weber. Im Auftr. der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hrsg. von Horst B a i e r . . . - Tübingen: Mohr. Abt. 1, Schriften und Reden. NE: Baier, Horst [Hrsg.]; Weber, Max: [Sammlung] Bd. 11. Zur Psychophysik der industriellen Arbeit: Schriften und Reden 1908—1912 / hrsg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Sabine Frommer. -1995 ISBN 3-16-146356-0 Gewebe ISBN 3-16-146358-7 Hldr. NE: Schluchter, Wolfgang [Hrsg.]

978-3-16-158125-0 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1995 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gesetzt und gedruckt von der Druckerei Guide in Tübingen auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier der Papierfabrik Gebr. Buhl in Ettlingen. Den Einband besorgte die Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen nach einem Entwurf von Alfred Krugmann in Stuttgart.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

vn

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

ix

Einleitung

l Schriften und Reden

Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie Editorischer Bericht Text

63 78

Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Editorischer Bericht Text

150 162

Zur Methodik sozialpsychologischer Enqueten und ihrer Bearbeitung Editorischer Bericht Text

381 388

Marie Bernays und die M. Gladbacher Arbeiterschaft Editorischer Bericht Text

399 405

Probleme der Arbeiterpsychologie. Diskussionsbeitrag zur abschließenden Debatte im Verein für Sozialpolitik am 10. Oktober 1911 Editorischer Bericht Text

409 416

Personenverzeichnis

427

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

433

Verzeichnis der als Varianten zum Edierten Text berücksichtigten Textfassungen

444

VI

Inhaltsverzeichnis

Personenregister

445

Sachregister

450

Seitenkonkordanzen

459

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden

463

Vorwort

Max Webers Schriften und Reden zur Psychophysik der industriellen Arbeit gehören zu den weniger bekannten. Auf den ersten Blick wirken sie okkasionell und rein technischer Natur. Insbesondere für seine sich entwickelnde verstehende Soziologie scheinen sie ohne Bedeutung. Ihre bisherige Rezeption tat ein übriges, um diese Wahrnehmung zu verfestigen. Sie wurden als Beiträge zur empirischen Sozialforschung oder zur Industrieund Betriebssoziologie oder zu beidem eingeordnet. Doch trifft dies Max Webers Selbsteinschätzung nur sehr bedingt. Er zählte sie vielmehr zu seinen methodologischen und methodischen Überlegungen, mit denen er eine verstehende Soziologie begründen wollte. Dieser bislang weitgehend übersehene Zusammenhang ist in der Einleitung ausführlich dargelegt. Ihr liegt eine längere Ausarbeitung von Sabine Frommer zugrunde, die ich dafür nutzte. Insbesondere das von ihr zusammengetragene Material ist in den vorliegenden Text integriert. Während der sich über Jahre erstreckenden, teilweise schwierigen Editionsarbeiten, deren Hauptlast Sabine Frommertrug, waren viele Institutionen und Personen hilfreich. Zu nennen sind zunächst das Land BadenWürttemberg, die Werner-Reimers-Stiftung und die Universität Heidelberg, die die materiellen Voraussetzungen für die Editionsarbeiten schufen. Zu nennen sind ferner Mitarbeiter der Universitätsbibliothek Heidelberg, des Archiv Budapest Föväros Leveltära und der Arbeitsstellen der Max WeberGesamtausgabe in Heidelberg, Düsseldorf und München, hier insbesondere Birgit Rudhard, Birgitt Morgenbrod, Manfred Schön, Edith Hanke und Karl-Ludwig Ay. Letzterer machte sich um diesen Band ganz besonders verdient, den er mit Sinn für das textkritisch Tunliche engagiert begleitete. Ähnliches gilt auch für Horst Baier, der zudem viele sachdienliche Hinweise gab. In diesem Zusammenhang sind schließlich auch folgende Personen zu nennen: Rita Aldenhoff-Hübinger, Jörg Frommer, Paul Hoff, Wolfgang Schwentker, Heinz-Elmar Tenorth und der leider schon verstorbene Franz von der Haak. Allen Genannten sei ausdrücklich gedankt. Ein besonderer Dank aber gebührt Brigitte Schluchter. Sie tat weit mehr an diesem Band, als von einem Unbeteiligten erwartet werden kann. Heidelberg, im Mai 1995

Wolfgang Schluchter

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

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Seitenwechsel Hinzufügung des Editors Auslassung des Editors Indices bei Anmerkungen Max Webers Indices bei Anmerkungen des Editors Siglen für Webers Textfassungen in chronologischer Folge Seitenzählung der Druckvorlagen Indices für Varianten oder textkritische Anmerkungen Beginn und Ende von Varianten oder Texteingriffen und Paragraph Prozent plus (mehr), minus (weniger) gleich, ist gleich siehe

a.a.O. AfSS, Archiv f. Sozialwiss. und Sozialpol., Archiv f. Sozialwiss. u. Sozialpolitik A.-G. Amer. Psychol. Assoc. Anm. a.o. Prof. Art. Aufl. Aug.

am angegebenen Ort Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik

BA Bd. bes. Bl. BSB bzw., bezw.

Bundesarchiv Band besonders Blatt Bayerische Staatsbibliothek beziehungsweise

ca. Cap. cf. Cie., Co., Comp, cit.

circa Capitel confer Compagnie citiert

Aktiengesellschaft American Psychological Association Anmerkung außerordentlicher Professor Artikel Auflage August

X

Siglen, Zeichen,

Abkürzungen

das. dems. dergl., dgl., drgl. dergl.m., dgl. m. ders. desgl. Dez. d.h. Dienst. Diss. Donnerst. Dr. DV

daselbst demselben dergleichen dergleichen mehr derselbe desgleichen Dezember das heißt Dienstag Dissertation Donnerstag Doktor Druckfehlerverzeichnis

ebd. ed. Erl. etc. ev., event. Expl.

ebenda edited Erläuterung et cetera eventuell Exemplar

f. f., ff. Fasz. Febr. Fn. Forts. Frl.

für folgend, folgende Faszikel Februar Fußnote Fortsetzung Fräulein

grGStA

Gramm Geheimes Staatsarchiv

Handw.-B. d. Staatswiss. Handwörterbuch der Staatswissenschaften HdStW 3 Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. von Johannes Conrad, 3. Aufl. - Jena: Gustav Fischer 1909-1911 Hg., hg. Herausgeber, herausgegeben J. Jahrg., Jg. Jan.

Jahr, Jahre Jahrgang Januar

Kap., Cap. kgl. Kgr.

Kapitel königlich Königreich

lit.

littera

m.a.W. M.Gladbach, M.-Gladbach Mittw. Mise., Misz.

mit anderen Worten Mönchengladbach Mittwoch Miscellanea, Miszelle

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

XI

M"eMscr. m.W. MWG MWS

Mademoiselle Manuskript meines Wissens Max Weber-Gesamtausgabe Max Weber-Studienausgabe

NB. NF Nl. Nov. Nr., No.

Notabene Neue Folge Nachlaß November Nummer, Numero

Okt. o.Prof.

Oktober ordentlicher Professor

p. Prof.

pagina Professor

red. Rep. resp.

redigiert Repertorium respektive

s. S. SchVfS Sept. s.o. sog., sogen. Sonnab. stellvertr. s.u. s.Z.

siehe Seite Schriften des Vereins für Socialpolitik September siehe oben sogenannt Sonnabend stellvertretend siehe unten seinerzeit

u. UB u. a., u. A. usw., u.s.w.

und Universitätsbibliothek unter anderem, und anderen, und Andere(n) und so weiter

v. VA Verein, Protokoll des A u s s c h u s s e s 1907a Verein, Protokoll des A u s s c h u s s e s 1907b Verein, Protokoll des Ausschusses 1908 Verf. Verh. vgl., vergl. Vol.

von Verlagsarchiv Verein für Socialpolitik, Protokoll über die Verhandlungen des A u s s c h u s s e s am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin Verein für Socialpolitik, [Protokoll der Sitzungen des Ausschusses] Magdeburg, den 29. September bis 1. Oktober 1907 Verein für Socialpolitik, [Protokoll der] Sitzung des Ausschusses am Montag, den 12. Oktober 1908 in Berlin Verfasser, Verfasserin Verhältnis vergleiche Volume

XII Weber, Marianne, Lebensbild

Siglen, Zeichen,

Abkürzungen

weibl.

Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild, 1. Aufl. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926 (Nachdruck = 3. Aufl. Tübingen 1984) weiblich

z.B. Zeitschr. z.Z.

zum Beispiel Zeitschrift zurZeit

Einleitung

1.

Vorbemerkungen

Die in diesem Band zusammengestellten Texte Max Webers gelten, bezogen auf sein Gesamtwerk, gemeinhin eher als beiläufig. Es handelt sich um die 1908 entstandene Arbeitsanweisung „Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie", die für die Mitarbeiter einer Enquete des Vereins für Sozialpolitik geschrieben wurde und von der zwei Fassungen existieren, um den 1908 und 1909 veröffentlichten Literaturbericht „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", in den eine empirische Fallstudie eingebaut ist, um die 1909 entstandene Rezension „Zur Methodik sozialpsychologischer Enqueten und ihrer Bearbeitung", in der eine von Adolf Levenstein durchgeführte Arbeiterbefragung kritisch gewürdigt wird, um einen Leserbrief zugunsten von Marie Bemays, von dem uns mehrere Versionen vorliegen, und schließlich um eine Diskussionsrede, die Max Weber während der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik im Herbst 1911 hielt. Wie Titel und Erscheinungsdaten anzeigen, gehören die Texte allerdings thematisch und auch zeitlich zusammen. Sie kreisen um Fragen der Arbeiterpsychologie im weiteren Sinne, und sie sind Ausfluß eines Erkenntnisinteresses, das sich in erster Linie in den Jahren 1908 und 1909, in der Arbeitsanweisung und in der Aufsatzfolge „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", materialisiert. Tatsächlich wurden Max Webers „psychophysische Arbeiten", wie er sie selbst einmal in einem Brief an Lujo Brentano nannte,1 bei Autoren, die das Werk insgesamt zu interpretieren suchen, bislang kaum beachtet. Entweder bezieht man sich überhaupt nicht darauf, oder man rechnet sie einem rein empirischen Interesse an der sozialen Lage der Arbeiter zu. Für letzteres spricht, daß Max Weber ja seine Karriere als Nationalökonom mit einer empirischen Arbeit über die soziale Lage der Landarbeiter begonnen hatte. Dies schloß sicherlich auch ein Interesse an der sozialen Lage der Industriearbeiter ein. Als der Verein für Sozialpolitik daranging, sich dieser Frage verstärkt zuzuwenden, lag es also nahe, daß sich Max Weber daran beteiligte. Aber sein Interesse an der eigenen empirischen Erforschung der sozia-

1 Max Weber schrieb im Frühjahr 1909 an Lujo Brentano: „ [...] meine psychophysischen Arbeiten bleiben - auch nach ihrer Vollendung in den nächsten Heften des .Archiv', Stückwerk, d. h. Vorarbeiten." Brief Max Webers an Lujo Brentano vom 13. April 1909, BA Koblenz, Nl. Brentano, Nr. 67, Bl. 8 5 - 8 6 (MWG II/6).

2

Einleitung

len Frage sei doch begrenzt gewesen. Nach der Teilnahme an den vom Verein 1908 beschlossenen „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie", 2 aus der die wichtigsten der hier edierten Texte hervorgegangen seien, sei denn auch, so glaubte man erkennen zu können, dieses Interesse erloschen. 3 Aus dieser Sicht markieren die in den Jahren 1908 und 1909 entstandenen Haupttexte dieses Bandes eher einen Abschluß als einen Anfang. Ihre Bedeutung für die weitere Entwicklung des Werkes wie für das Gesamtwerk bleibe gering. Bei dieser Einordnung der Texte, die ja naheliegt, ist es denn auch verständlich, daß sie bisher weniger in der Geschichte des Werkes, als vielmehr in der Geschichte der empirischen Sozialforschung 4 oder, wo die Inhalte im Vordergrund standen, in der Geschichte der Industriesoziologie eine Rolle spielten. 5 Unter beiden Gesichtspunkten steht zugleich Max Webers Mitwirkung im Verein für Sozialpolitik zur Diskussion. Als „the unofficial head" habe er Fragestellung und Methodik der Industriearbeiterenquete ausgearbeitet, um seine Vorstellungen von empirischer Sozialforschung zur Geltung zu bringen, so wie er dies wenig später auch in der von ihm mitgegründeten Deutschen Gesellschaft für Soziologie getan habe, wo er zwei Enqueten zu initiieren suchte. 6 Zudem stammten von ihm die ersten wissenschaftlich fundierten Entwürfe zu industriesoziologischen Fragen,

2 Dies ist der Titel, der für die Schriftenreihe benutzt wurde. Er stand lange nicht fest und wurde bei internen Diskussionen bis zum Abschluß der Enquete in verschiedenen Abwandlungen verwandt. 3 Vgl. etwa Käsler, Dirk, Einführung in das Studium Max Webers. - München: Beck 1979 (hinfort: Käsler, Einführung), S. 6 9 - 7 5 . 4 Vgl. Gorges, Irmela, Sozialforschung in Deutschland 1872-1914. Gesellschaftliche Einflüsse auf Themen- und Methodenwahl des Vereins für Sozialpolitik. - Königstein/Ts. : Anton Hain 1980 (hinfort: Gorges, Sozialforschung); Hinrichs, Peter, Um die Seele des Arbeiters. Arbeitspsychologie, Industrie- und Betriebssoziologie in Deutschland 1871-1945.-Köln: Pahl-Rugenstein 1981 (hinfort: Hinrichs, Seele des Arbeiters); Kern, Horst, Empirische Sozialforschung. Ursprünge, Ansätze, Entwicklungslinien. - München: Beck 1982 (hinfort: Kern, Sozialforschung); Oberschall, Anthony, Empirical Social Research in Germany 1848-1914. - Paris: Mouton 1965 (hinfort: Oberschall, Social Research); Heckmann, Friedrich, Max Weber als empirischer Sozialforscher, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 1, 1979, S. 5 0 - 6 2 (hinfort: Heckmann, Weber als Sozialforscher). 5 Vgl. allgemein über die Anfänge der Industriesoziologie Lepsius, M. Rainer, Strukturen und Wandlungen im Industriebetrieb. Industriesoziologische Forschung in Deutschland. München: Hanser 1960, S.9; Lutz, Burkart und Gert Schmidt, Industriesoziologie, in: Handbuch der empirischen Sozialforschung, hg. von René König, Band 8, 2. Aufl. Stuttgart: Enke 1977, S. 101-262 (hinfort: Lutz/Schmidt, Industriesoziologie), S. 111 f.; von Ferber, Christian, Arbeitsfreude. - Stuttgart: Enke 1959 (hinfort: v. Ferber, Arbeitsfreude), S. 14 f. 6 Oberschall, Social Research, S. 114.

3

Einleitung

d e n e n a u c h h e u t e n o c h B e d e u t u n g z u k o m m e . 7 Tatsächlich lassen sich die T e x t e mit G e w i n n a u c h als f r ü h e Beiträge z u e i n e r e m p i r i s c h e n I n d u s t r i e s o ziologie l e s e n . 8 A l l e r d i n g s gibt es h i e r ü b e r Streit. Schlägt sich in i h n e n nicht ein ü b e r h o l t e s positivistisches W i s s e n s c h a f t s v e r s t ä n d n i s

nieder?9

Man

d e n k e nur an d e n Begriff P s y c h o p h y s i k . W e r I n d u s t r i e s o z i o l o g i e in d i e s e r W e i s e naturalisiere, m ü s s e z w a n g s l ä u f i g zu „ e x a k t e n " n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n M e t h o d e n d e r A r b e i t s p s y c h o l o g i e Z u f l u c h t n e h m e n , z u m S c h a d e n für das P r o g r a m m einer v e r s t e h e n d e n S o z i o l o g i e . 1 0 V o n hier aus ist es nur n o c h ein k u r z e r Schritt zur i d e o l o g i e k r i t i s c h e n .Entlarvung'. Hatte Max W e ber nicht in u n t e r n e h m e r f r e u n d l i c h e r A b s i c h t die Frage nach d e r „Rentabilität d e r V e r w e n d u n g v o n A r b e i t e r n " gestellt u n d v e r s u c h t , sie mit „ e x a k t e n " M e t h o d e n z u b e a n t w o r t e n ? 1 1 M u ß man in i h m d e s h a l b nicht e i n e n Pionier d e r „ P s y c h o t e c h n i k " s e h e n ? 1 2 A u c h s t ü n d e n , so w u r d e b e h a u p t e t , die hier

7 Vgl. Lutz/Schmidt, Industriesoziologie, S. 109 ff., ähnlich auch Brock, Ditmar, Hans-Rolf Vetter, Alltägliche Arbeiterexistenz. - Frankfurt a.M./New York: Campus 1982, S.28f.; ferner Rummler, Hans-Michael, Die Entstehungsgeschichte der Betriebssoziologie in Deutschland. - Frankfurt a.M./Bern/New York: Lang 1984 (hinfort: Rummler, Betriebssoziologie), S. 239 f.; Wachtier, Günther, Humanisierung der Arbeit und Industriesoziologie. - Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz: Kohlhammer 1979 (hinfort: Wachtier, Humanisierung der Arbeit), S. 44f.; vgl. Raehlmann, Irene, Interdisziplinäre Arbeitswissenschaft in der Weimarer Republik. Eine wissenschaftssoziologische Analyse. - Opladen: Westdeutscher Verlag 1988. 8 Vgl. etwa Schmidt, Gert, Max Weber and modern industrial Sociology: A comment on some recent Anglo-Saxon interpretations, in: Sociological Analysis and Theory, Vol. 6, No. 1,1976, S. 4 7 - 7 3 , ders., Max Webers Beitrag zur empirischen Industrieforschung, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 32, Heft 1, 1980, S. 76-92, ders., Technik und Betrieb. Max Webers Konzept der industriellen Entwicklung und das Rationalisierungsproblem in der neueren Industriesoziologie, in: Sprondel, Walter M. und Constans Seyfarth (Hg.), Max Weber und die Rationalisierung sozialen Handelns. Stuttgart: Enke 1981, S. 168-188 (hinfort: Schmidt, Technik); Schuster, Helmuth, Industrie und Sozialwissenschaften. Eine Praxisgeschichte der Arbeits- und Industrieforschung in Deutschland. - Opladen: Westdeutscher Verlag 1987 (hinfort: Schuster, Industrie). 9 Vgl. Gorges, Sozialforschung; Hinrichs, Seele des Arbeiters. 10 Vgl. Heckmann, Weber als Sozialforscher; Lazarsfeld, Paul und Anthony Oberschall, Max Weber and empirical social research, in: American Sociological Review, Band 30, 1965, S. 185-199. 11 Vgl. Ebbinghaus, Angelika, Arbeiter und Arbeitswissenschaft. Zur Entstehung der „Wissenschaftlichen Betriebsführung". - Opladen: Westdeutscher Verlag 1984, S. 184; vgl. Wachtier, Humanisierung der Arbeit, S.49; Rummler, Betriebssoziologie, S. 186. 12 Der deutsche Psychologe Hugo Münsterberg, der in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts einem Ruf an die Harvard University folgte, gilt als einer der Begründer dieser Richtung, die sich aber erst nach dem Ersten Weltkrieg auf breiterer Front durchsetzte. Vgl. Münsterberg, Hugo, Psychologie und Wirtschaftsleben. - Leipzig: J. A. Barth 1912, ders., Psychology and Industrial Efficiency. - Boston and New York: Houghton Mifflin Company 1913, ders., Grundzüge einer Psychotechnik. - Leipzig: J. A. Barth 1914.

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Einleitung

edierten Arbeiten in direkter „Parallele" zu Frederick Winslow Taylors „Principies of Scientific Management", 13 die schnell Furore machten. Wie diesem gehe es auch Max Weber letztlich um einen möglichst effizienten Einsatz der Arbeitskraft unter Rentabilitätsgesichtspunkten und damit um gesteigerte Ausbeutung. Wären Max Webers Texte zur Psychophysik der industriellen Arbeit tatsächlich nur Beiträge zur Durchsetzung der empirischen Sozialforschung und der Industriesoziologie oder gar wissenschaftlich verbrämte Plädoyers für die Rationalisierung von Kapitalinteressen, so könnte man freilich die Frage schwerlich beantworten, warum er sich darin so ausführlich mit einem Teil der experimentalpsychologischen Literatur seiner Zeit kritisch auseinandersetzte. Vor allem aber: Es bliebe tatsächlich unverständlich, weshalb er zumindest die Arbeitsanweisung zu seinen logisch-methodischen Schriften rechnete, in denen es doch auch um die Begründung einer verstehenden Soziologie geht. Im November 1919 fragte er seinen Verleger Paul Siebeck, ob dieser nicht auch eine Sammlung seiner logisch-methodischen Aufsätze für angebracht halte. Dafürin Frage kämen „alle derartigen Sachen aus dem .Archiv' [...], die .Logos'-Aufsätze und ein Aufsatz für den V[erein] f[ür] Sozialpolitik über Psychotechnik der Arbeit." 1 4 Doch die Texte haben nicht allein logisch-methodische Bedeutung. Sie stehen auch in einem engen Zusammenhang mit der sich entwickelnden Handlungstheorie. Mehr noch: Sie gehören in den Umkreis der materialen Analysen des Wirtschaftshandelns unter den Bedingungen des modernen Kapitalismus. Sie nehmen insbesondere Gesichtspunkte aus der kulturhistorischen Studie „Die protestantische Ethik und der,Geist' des Kapitalis-

Weitere wichtige Vertreter der Psychotechnik waren William Stern und Walther Moede. Letzterer schrieb eine der ersten ausführlichen Rezensionen über Max Webers Arbeitsanweisung und die Aufsatzfolge „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit". Vgl. Moede, Walther, Psychophysik der Arbeit, in: Archiv für Pädagogik, II. Teil: Die Pädagogische Forschung, II. Jg., Nr. 1, Okt. 1913, S. 6 6 - 7 9 , und Nr. 2, Jan. 1914, S. 189-214 (hinfort: Moede, Psychophysik). 13 Vgl. Hinrichs, Seele des Arbeiters, S. 8 5 - 1 0 6 ; vgl. Industriesoziologie I, Vorläufer und Frühzeit 1835-1934, hg. von Friedrich Fürstenberg. - Neuwied und Berlin: Luchterhand, 2. Aufl. 1966, ders., Einführung [zu dem Abdruck eines Ausschnittes von Max Weber, Zur Psychophysik der industriellen Arbeit, welcher unter dem Kunsttitel „Soziale Bestimmungsgründe des Leistungsniveaus" wiedergegeben wird], S.36. Taylors Hauptschrift erschien 1913 in autorisierter Übersetzung auf deutsch unter dem Titel: Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung (die Originalausgabe war 1911 veröffentlicht worden). Die Diskussion seines Ansatzes setzte erst danach wirklich ein, obgleich bereits zuvor andere Schriften auf deutsch vorgelegen hatten und er in diesem Buch nur ältere Ideen zusammenfaßte. Dazu Kochmann, Wilhelm, Das Taylorsystem und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, in: AfSS, Band 38,1914, S. 391 - 4 2 4 , hier S. 392. 14 Max Weber an Paul Siebeck vom 8. November 1919, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG Ii/10).

Einleitung

5

mus" auf. 15 Dort hatte Max Weber bereits gefragt, welche Sinnzusammenhänge akzeptiert sein müßten, damit ökonomische Anreize in Gestalt unterschiedlicher Lohnformen und -höhen bei Arbeitern überhaupt Leistungssteigerung bewirkten. Gewiß schaffe sich der ,im Sattel sitzende' moderne Kapitalismus die ihm adäquaten Wirtschaftssubjekte durch „ökonomische Auslese". 1 6 Doch reichten bei den Arbeitern weder die nackte äußere Not noch der Anreiz, mehr zu verdienen, dabei allein schon aus. Damit nahm er kritisch zu der allgemein als gültig erachteten Ansicht Stellung, nur niedriger Lohn, Armut, treibe die Massen zur Arbeit, bei hohem Profit der Unternehmer. Unter Hinweis auf die von dem Nationalökonomen Lujo Brentano begonnene Diskussion über das Verhältnis von Arbeitszeit, Arbeitslohn und Arbeitsleistung konstatierte er, 17 daß eine proletarische Reservearmee zwar niedrige Löhne ermögliche, die qualitative Verbesserung der Arbeitsmittel jedoch hemme und somit die Intensivierung der Arbeit gerade nicht fördere. Eine der betrieblich-industriellen Produktion angepaßte Arbeitsgesinnung, die industrielle Arbeit als Selbstzweck oder „Beruf" verstehe, 18 sei nicht durch „mechanische Geldoperationen" 19 zu erreichen. Sie könne „weder durch hohe noch durch niedere Löhne unmittelbar hervorgebracht werden, sondern nur das Produkt eines lang andauernden .Erziehungsprozesses' sein." 2 0 Zu Beginn der Industrialisierung sei es für die Unternehmer deshalb außerordentlich schwierig gewesen, fähige Arbeitskräfte zu finden. Und selbst die heutige Industrie sei „von solchen durch lange Tradition und Erziehung zur intensiven Arbeit erworbenen Eigenschaften der Bevölkerung in der Wahl ihrer Standorte durchaus nicht schlechthin unabhängig." Es entspreche freilich „dem heutigen wissenschaftlichen Gesamtvorstellungskreis, daß, wo diese Abhängigkeit einmal beobachtet wird, man sie auf ererbte Rassenqualität, statt auf die Tradition und Erziehung schiebt, m.E. mit sehr zweifelhaftem Recht." 21 Die hier edierten Texte dienen unter anderem dazu, dieses „zweifelhafte Recht" tatsächlich als zweifelhaft zu erweisen. Deshalb steht die wechselseitige Beeinflussung von psychophysischen Bedingungen der Arbeitsleistung und Anforderungen des modernen industriellen Großbetriebes im Mittelpunkt. Während bei der Erklärung der Entstehung der modernen kapitalistischen Wirtschaftsgesinnung bei Unternehmern und Arbeitern in den

15 Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist" des Kapitalismus. I. Das Problem, in: AfSS, Band 20, Heft 1,1904, S. 1 - 5 4 (hinfort: PE I) (MWG I/9). 16 Ebd., S. 18. 17 Vgl. ebd., S. 22. 18 Ebd., S. 23. 19 Ebd., S . 2 2 , A n m . 20 Ebd., S. 23. 21 Ebd., S . 2 3 f „ Anm.

6

Einleitung

Protestantismusstudien vor allem historische ideelle Zusammenhänge interessierten, geht es jetzt um die „Nahtstelle", an der sich die Anforderungen des Kapitalismus an den Arbeiter, konkretisiert in der betrieblichen Organisation des Arbeitsplatzes, und dessen psychophysische Apparatur gleichsam begegnen. Nicht die Fähigkeit zur rationalen Arbeitsorientierung, sondern die .Operationen' des Organismus und seine affektuell-irrationalen Strebungen stehen im Mittelpunkt. Die Analyse dieser Nahtstelle hat aber auch handlungstheoretische Bedeutung. Bereits in der von 1903 bis 1906 erschienenen Aufsatzfolge über „Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie" ging es ja nicht nur um Methodologie, sondern auch um Handlungstheorie. Dabei hatte sich Max Weber außer mit den beiden Nationalökonomien, der historischen und der theoretischen, auch mit den beiden Psychologien, der erklärenden und der verstehenden, beschäftigt. Letztere tauchte ja mitunter bei ein und demselben Autor entweder als Alternative oder als Ergänzung der ersteren auf. Während es ihm in der älteren Aufsatzfolge noch in erster Linie darum ging, ein im Dienste des Erklärens stehendes Verstehen von Sprech- und Wirkhandlungen gegen eine extrem subjektivistische Interpretation abzugrenzen, geht es ihm jetzt in erster Linie darum, die Grenzen des Verstehbaren abzustecken. Dafür aber ist jene Nahtstelle relevant. Denn nur durch eine themenbezogene kritische Analyse der experimentalpsychologischen und insoweit erklärenden Psychologie ließ sich ja feststellen, wie weit sinnfreie psychophysische Lebensäußerungen reichen. Dafür schien die Übungs- und Ermüdungsforschung der Heidelberger und Münchener Schule um Emil Kraepelin ein besonders lohnendes Objekt. Die hier edierten Texte stehen also in mehreren Bezügen. Einer davon ist zweifellos der Verein für Sozialpolitik. Ein zweiter ist die Experimentalpsychologie der Zeit, soweit sie arbeitspsychologische Gesichtspunkte aufnahm und dabei auch Vererbungsfragen berührte. Ein dritter aber ist der logisch-methodische, handlungstheoretische und materiale Zusammenhang des Werkes. Alle drei Bezüge sind wichtig. Wenden wir uns ihnen nacheinander zu.

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Einleitung

2. Der Verein für Sozialpolitik und seine „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterin den verschiedenen Zweigen der Großindustrie" Der V e r e i n für Sozialpolitik w u r d e 1 8 7 2 in der A b s i c h t g e g r ü n d e t , 2 2 die Idee d e s s o z i a l e n A u s g l e i c h s z w i s c h e n U n t e r n e h m e r n und A r b e i t e r s c h a f t zu f ö r d e r n . Damit richtete er sich g e g e n die d a m a l s h e r r s c h e n d e ö k o n o m i s c h e Lehre d e s M a n c h e s t e r l i b e r a l i s m u s , der man vorwarf, die v e r e l e n d e n d e n A u s w i r k u n g e n der Industrialisierung auf die A r b e i t e r nicht zu b e r ü c k s i c h t i g e n . D e m auf Initiative d e s H a m b u r g e r J o u r n a l i s t e n J u l i u s v o n Eckardt g e g r ü n d e t e n V e r e i n traten sozial e n g a g i e r t e P e r s o n e n v e r s c h i e d e n e r g e sellschaftlicher u n d beruflicher S t e l l u n g bei, die sich für N a t i o n a l ö k o n o m i e , Wirtschaftspolitik u n d U n t e r n e h m e n s f ü h r u n g s o w i e für die d a m i t z u s a m m e n h ä n g e n d e n s o z i a l e n P r o b l e m e , i n s b e s o n d e r e für die A r b e i t e r f r a g e , interessierten. D u r c h d e n Verein sollte das p a r t e i e n ü b e r g r e i f e n d e s p r ä c h z w i s c h e n T h e o r e t i k e r n u n d Praktikern, G e l e h r t e n u n d

Ge-

Politikern

g e f ö r d e r t w e r d e n . 2 3 Mit der „ L o s u n g der sozialen R e f o r m " 2 4 wollte m a n die liberalistische Staatsauffassung maßvoll relativieren und sozialpolitisch auf die E i n k o m m e n s v e r t e i l u n g e i n w i r k e n . 2 5 W ä h r e n d der Verein sich z u n ä c h s t vor allem d a r u m b e m ü h t e , d i e j e n i g e n Parteien, z w i s c h e n d e n e n die Sozial-

22 Vgl. zum Verein für Sozialpolitik Boese, Franz, Geschichte des Vereins für Sozialpolitik 1872-1932 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 188). - Leipzig: Duncker & Humblot 1939 (hinfort: Boese, Geschichte), der auch die Gründungsphase ausführlich beschreibt; Lindenlaub, Dieter, Richtungskämpfe im Verein für Sozialpolitik, Teil I und II (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 52 und 53). - Wiesbaden: Steiner 1967 (hinfort: Lindenlaub, Verein); Kesten-Conrad, Else, Verein für Sozialpolitik, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Aufl., Band 8, 1911, S . 1 4 4 - 1 5 2 (hinfort: Kesten-Conrad, Verein); Gorges, Sozialforschung; vom Bruch, Rüdiger, Bürgerliche Sozialreform im deutschen Kaiserreich, in: Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform in Deutschland vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, hg. von dems. - München: Beck 1985, S. 6 1 - 1 7 9 (hinfort: Bruch, Sozialreform). 23 Die Industriellen zogen sich bald von der Vereinstätigkeit zurück, nachdem der anfängliche Konsens über die Lösung der Arbeiterfrage nicht mehr bestand. Zum Verhältnis der verschiedenen Gruppierungen innerhalb des Vereins vgl. Lindenlaub, Verein, Kap. 2. 24 Schmoller, Gustav, Eröffnungsrede zur Generalversammlung, gehalten am 30. September 1907, in: Verhandlungen der Generalversammlung in Magdeburg, 30. September, 1. und 2. Oktober 1907 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 125). - Leipzig: Duncker & Humblot 1908, S. 1 - 3 (hinfort: Schmoller, Eröffnungsrede 1907), S. 1. 25 Der Verein war jedoch selbst nicht parteipolitisch tätig, vgl. Lindenlaub, Verein, bes. Kap. 1. Gustav Schmoller beschreibt die sozialpolitische Orientierung des Vereins folgendermaßen: „Weder die extremen Sozialreaktionäre, noch die revolutionär sozialistischen Zukunftsidealisten konnten sich wohl in unserer Gesellschaft fühlen", Rundschrelben von Gustav Schmoller vom Anfang Juli 1906, zitiert nach Boese, Geschichte, Anhang, S. 2 6 6 - 2 6 9 (hinfort: Schmoller, Rundschreiben 1906), S. 267.

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und Wirtschaftsverfassung ausgehandelt wurde, von der ethischen und nationalstaatlichen Notwendigkeit dieser neuen sozialpolitischen Perspektive zu überzeugen, 26 - dies brachte den Mitgliedern den Argwohn ihrer wirtschaftsliberalistischen Gegner und die Bezeichnung „Kathedersozialisten" ein 27 ging er bald immer mehr dazu über, die in der politischen Öffentlichkeit vernachlässigten sozialpolitischen Fragen wissenschaftlich aufzuarbeiten, 28 und zwar mittels Erhebungen, Umfragen und Gutachten. Die Ergebnisse wurden auf den Generalversammlungen des Vereins diskutiert und in seiner Schriftenreihe veröffentlicht. Gustav Schmoller, der 1890 den Vorsitz übernommen hatte 29 und seitdem die Linie des Vereins maßgeblich bestimmte, sah in den Treffen der Mitglieder, den Sitzungen des leitenden Ausschusses und den Verhandlungen der Generalversammlung Foren, um in die Öffentlichkeit zu wirken. 30 Hinzu kam eine rege Publikationstätigkeit. Im Jahr 1907, auf das die Anfänge der „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie" zurückgehen, hatte der Verein bereits 120 Bände „Schriften des Vereins für Sozialpolitik" veröffentlicht. 31 Er war zu einer „akademischen Publikationsgesellschaft" 32 geworden, gekennzeichnet durch die „Doppelnatur" 3 3 von nationalökonomischer Theorie und Sozialpolitik.

26 Vgl. Lindenlaub, Verein, S. 10, Anm. 24, sowie S. 41. 27 Vgl. Lexis, Wilhelm, Kathedersozialismus, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Aufl., Band 5,1910, S. 804-806; vgl. auch die Charakterisierung der anfänglichen sozialpolitischen Position des Vereins bei Lindenlaub, der sie als Minimalkonsens beschreibt, Lindenlaub, Verein, S. 9f., 93ff. 28 Vgl. Schmoller, Gustav, Eröffnungsrede zur Generalversammlung, gehalten am 26. September 1890, in: Verhandlungen der Generalversammlung, 26. und 27. September 1890 in Frankfurt (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 47). - Leipzig: Duncker & Humblot 1890, S. 1 - 5 (hinfort: Schmoller, Eröffnungsrede 1890). 29 Vgl. Verhandlungen der Generalversammlung, 26. und 27. September 1890 in Frankfurt (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 47). - Leipzig: Duncker & Humblot 1890. 30 Vgl. Schmoller, Eröffnungsrede 1890, sowie Schmoller, Eröffnungsrede 1907 und Schmoller, Eröffnungsrede zur Generalversammlung, gehalten am 27. September 1909, in: Verhandlungen der Generalversammlung in Wien, 27., 28. und 29. September 1909 in Wien (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 132). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910, S. 1 - 9 (hinfort: Schmoller, Eröffnungsrede 1909). 31 Vgl. das Verzeichnis von Boese, in: Boese, Geschichte, S. 305ff. 32 Schmoller, Eröffnungsrede zur Generalversammlung, gehalten am 9. Oktober 1911, in: Verhandlungen der Generalversammlung, 9. und 10. Oktober 1911 in Nürnberg (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 138). - Leipzig: Duncker & Humblot 1912, S. 1 - 5 (hinfort: Schmoller, Eröffnungsrede 1911), S. 3. 33 Schmoller, Rundschreiben an die Ausschußmitglieder des Vereins für Sozialpolitik vom 29. Oktober 1905, zitiert nach dem Abdruck in Boese, Geschichte, S. 116-120 (hinfort: Schmoller, Rundschreiben 1905), S. 117.

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Diese Doppelnatur führte, je länger je mehr, zu internen Spannungen. Sie zeigten sich offen 1905 während der Generalversammlung in Mannheim, mit der der sogenannte Werturteilsstreit beginnt. Gustav Schmoller hatte ein Referat mit dem Titel „Das Verhältnis der Kartelle zum Staate" gehalten, 34 in dem er für eine maßvolle, regulierte Konkurrenz plädierte und eine Kontrolle von Riesenbetrieben vorschlug. Danach sollte jede Aktiengesellschaft ab einem bestimmten Kapitalvolumen in ihrem Aufsichtsrat ein Viertel der Stimmen geeigneten Personen übertragen, die neben den Unternehmensinteressen die politischen und wirtschaftlichen Interessen von Staat und Reich zu vertreten hätten. 35 An das Referat schloß sich eine ausführliche Debatte an - die Generalversammlung wurde um einen Tag verlängert 3 6 - , während deren auch Friedrich Naumann das Wort ergriff. 37 Er wandte sich gegen Schmollers Vorschlag mit dem Argument, daß sich der Staat, sollte er die geforderte Reform des Kartellwesens durchführen, einseitig auf eine mittelständische Handwerkerpolitik festlege. Eine solche Kartellgesetzgebung sei verfehlt, zumal sie der Großindustrie Eingriffe zumute, „die an sich, technisch und volkswirtschaftlich betrachtet, Unsinn sind." 3 8 Friedrich Naumanns Redebeitrag wurde mit stürmischem und langanhaltendem Beifall aufgenommen. Gustav Schmoller antwortete nicht sofort, sondern benutzte dafür das ihm als Vorsitzendem satzungsgemäß zustehende Schlußwort. Er sprach Naumann die Fähigkeit ab, an einer wissenschaftlichen Diskussion sachkundig teilzunehmen, und drohte, wegen der Zustimmung der Versammlung zu Naumanns Thesen, mit seinem Rücktritt vom Amt des Vereinsvorsitzenden. 3 9 Dies löste eine Auseinandersetzung aus, an der sich auch Max Weber beteiligte. Er wandte sich dagegen, daß Schmoller seine sachliche Differenz mit Naumann, der übrigens nicht mehr anwesend war, in einen Zusammenhang mit der Vereinsleitung bringe. Dadurch werde jede kontroverse Sachdiskussion unmöglich gemacht. Naumann habe ihn, Schmoller, als Referenten und „normalen" Debattenredner

34 Vgl. Schmoller, Gustav, Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, Referat gehalten am 27. September 1905, in: Verhandlungen der Generalversammlung in Mannheim, 25., 26., 27. und 28. September 1905 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 116). - Leipzig: Duncker & Humblot 1906, S. 237-271 (hinfort: Schmoller, Kartelle). 35 Vgl. ebd., S. 265, S. 271. 36 Vgl. Verhandlungen der Generalversammlung in Mannheim, 25., 26., 27. und 28. September 1905 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 116). - Leipzig: Duncker & Humblot 1906 (hinfort: SchVfS, Band 116). 37 Naumann, Friedrich, Diskussionsbeitrag zur Verhandlung: Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, in: SchVfS, Band 116, S. 360-369 (hinfort: Naumann, Diskussionsbeitrag). 38 Naumann, Diskussionsbeitrag, S. 367. 39 Vgl. Schmoller, Gustav, Schlußwort zur Verhandlung: Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, in: SchVfS, Band 116, S. 418-431, S. 433-434.

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behandelt, sein Diskussionsbeitrag sei nicht vereinspolitisch, sondern sachlich motiviert gewesen, und so sei ihm auch zu begegnen. 40 In Schmollers Vorgehen liege die Gefahr, daß mißliebige Redner reglementiert oder gar von den Verhandlungen ausgeschlossen würden. Der aufgebrochene Konflikt, nur vordergründig ein Verfahrenskonflikt, steigerte sich weiter. Er hätte fast zu einer Spaltung des Vereins geführt. Die Einzelheiten tun hier nichts zur Sache. Wichtig ist, daß man sich am Ende, gleichsam um übergeordneter sozialpolitischer Ziele willen, auf den Erhalt des Vereins bei kleinen institutionellen Korrekturen verständigte. Doch hatte sich gezeigt, daß im Verein verschiedene sozialpolitische Richtungen und, fast noch wichtiger, verschiedene Auffassungen von nationalökonomischer Theorie miteinander im Streit lagen. Schon Zeitgenossen charakterisierten die Vertreter der verschiedenen Richtungen mit den Gegensatzpaaren rechts-links und alt-jung. Rechts standen die Älteren, überwiegend Vereinsgründer, wie Karl Bücher, Gustav Cohn, Johannes Conrad, Hans Delbrück, Georg Friedrich Knapp, Wilhelm Lexis und Adolph Wagner, links die Jüngeren, wie Max und Alfred Weber, Werner Sombart, Ferdinand Tönnies, Robert Wilbrandt und Gerhart von Schulze-Gaevernitz. Eine interessante Position .dazwischen' nahm Lujo von Brentano ein. Er war Mitglied der älteren Generation, aber auch ein ziemlich radikaler Sozialreformer. Er bot sich deshalb auch als Vermittler an. Tatsächlich war es nicht zuletzt ihm zu danken, daß der Konflikt ohne äußeren Bruch beigelegt werden konnte. Die Kompromißbereitschaft der Parteien war freilich am Ende auch größer, als nach dem Konfliktverlauf zu vermuten war. Gerade Gustav Schmoller fürchtete eine Abspaltung, denn sie müsse den Verein über kurz oder lang zum Anhängsel einer politischen Partei machen. 41 Dies jedenfalls sei sehr wahrscheinlich, „wenn etwa die Rechte oder die Linke unseres Vereins austräte und der Rumpf des Vereins für Sozialpolitik fortbestände" 4 2 Mit Max Webers Kritik an Gustav Schmollers Verhalten gegenüber Friedrich Naumann war allerdings die Frage aufgeworfen, in welcher Form der sachliche Gegensatz zwischen den beiden Flügeln in Zukunft ausgetragen werden sollte. Denn daß er bestand und daß er grundsätzlicher Natur war, hatte die Mannheimer Generalversammlung ein für allemal ans Licht gebracht. Den „Linken" mißfiel die Idee einer ethischen Nationalökonomie, von der sich die „Rechten" schon immer hatten leiten lassen. Sie sahen

40 Vgl. Weber, Max, Diskussionsbeitrag zur Verhandlung: Das Verhältnis der Kartelle zum Staate, in: SchVfS, Band 116, S. 4 3 2 - 4 3 3 und 4 3 4 - 4 3 5 (hinfort: Weber, Diskussionsbeitrag 1905b). 41 Vgl. Schmoller, Rundschreiben 1906, S. 268. 42 Ebd.

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dadurch die Objektivität der Sachforschungen gefährdet und vertraten deshalb die konsequente Scheidung von Tatsachenurteil und Werturteil. Die Verquickung von Seiendem und Seinsollendem sei der älteren Generation schon zur „Denkgewohnheit" 4 3 geworden, weshalb sie sich auch über die in ihrer wissenschaftlichen Arbeit enthaltenen Werturteile nicht klar werde. 44 Die „Rechten" wiederum hielten es für methodologisch unmöglich und für ethisch-politisch bedenklich, in den Humanwissenschaften auf wertende Stellungnahmen zum Gegenstand zu verzichten. Auf der Generalversammlung im Jahre 1909 in Wien trug man diesen fundamentalen Gegensatz anhand des Problems der „Produktivität der Volkswirtschaft" denn auch durchaus sachbezogen aus 4 5 Die Auseinandersetzung um die Werturteilsfrage ging freilich weiter. Sie gipfelte in der berühmt gewordenen Werturteilsdebatte vom Januar 1914. Freilich blieb es auch in dem nunmehr modifizierten institutionellen Rahmen des Vereins schwierig, das Bedürfnis der „Linken" nach klarer Trennung von theoriegeleiteter ökonomischer und soziologischer Forschung und werturteilsgeleiteter sozialpolitischer Stellungnahme zu befriedigen. Deshalb begannen Vertreter der „Linken" über eine neue Organisation nachzudenken. Sie sollte den Verein nicht ersetzen, sondern ergänzen. Das Resultat: die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 1909 in Berlin. Die Initiatoren, zu denen natürlich nicht nur Vereinsmitglieder gehörten, verband das Interesse, vor allem der soziologischen Forschung einen institutionellen Rahmen zu geben 46 und die Theorie- und Methodendiskussion in der Nationalökonomie losgelöst von den sozialpolitischen

43 Weber, Max, Diskussionsbeitrag zu dem Wesen der volkswirtschaftlichen Produktivität, in: Verhandlungen der Generalversammlung in Wien, 27., 28. und 29. September 1909 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 132). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910, S. 580-585 (hinfort: Weber, Diskussionsbeitrag 1909b), S.584 (MWG 1/12). 44 Vgl. ebd. 45 Vgl. Verein, Protokoll des Ausschusses 1908, sowie Verhandlungen der Generalversammlung in Wien, 27., 28. und 29. September 1909 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 132).-Leipzig: Duncker & Humblot 1910 (hinfort: SchVfS, Band 132); vgl. auch Boese, Geschichte, S. 133. 46 Gründungstag war der 3. Januar 1909. Dem Vorstand gehörten zur Zeit des 1. Soziologentages an: F. Tönnies, G. Simmel, W. Sombart, H. Beck, A. Ploetz, Ph. Stein, A. Vierkandt, G. v. Mayr und M. Weber, vgl. Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages vom 19.-22. Oktober 1910 in Frankfurt a.M. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1911 (hinfort: Verhandlungen 1910), S. IX; allgemein Käsler, Dirk, Die frühe deutsche Soziologie 1909 bis 1934 und ihre Entstehungsmilieus. - Opladen: Westdeutscher Verlag 1984 (hinfort: Käsler, Soziologie), bes. S.294f.; Käsler, Einführung, S.213ff.; Karger, Ursula, Institutionengeschichtliche Zäsuren in der deutschen Soziologie. Dargestellt am Beispiel der Deutschen Soziologentage. - Diss. Bochum 1978 (hinfort: Karger, Soziologie), bes. S. 106ff.

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A n s p r ü c h e n d e r e t h i s c h e n N a t i o n a l ö k o n o m i e zu f ü h r e n . D e r n e u g e g r ü n d e t e n G e s e l l s c h a f t traten d a h e r viele j e n e r Mitglieder d e s V e r e i n s für S o z i a l p o litik bei, die in d e r d o r t i g e n W e r t u r t e i l s d e b a t t e auf d e r S c h e i d u n g v o n Tatsac h e n u r t e i l e n u n d W e r t u r t e i l e n b e s t a n d e n u n d die rein w i s s e n s c h a f t l i c h e Erörterung

volkswirtschaftlicher

und

sozialpolitischer

Probleme

ohne

„ethisch-politische Pointierung"47 forderten. Max W e b e r g e h ö r t e zu d e n G r ü n d e r n d e r n e u e n G e s e l l s c h a f t , 4 8 und er ü b e r n a h m z u n ä c h s t ein g u t Teil d e r o r g a n i s a t o r i s c h e n Arbeit, die a m B e g i n n bewältigt w e r d e n m u ß t e

49

Er führte e i n e n r e g e n S c h r i f t w e c h s e l , v e r s u c h t e ,

die h e r a u s r a g e n d e n n a t i o n a l ö k o n o m i s c h e n G e l e h r t e n z u m Beitritt u n d zur Mitarbeit zu b e w e g e n , 5 0 u n d verfaßte „ W e r b u n g s s c h r e i b e n " , 5 1 u m ü b e r die B e m ü h u n g e n , s o z i o l o g i s c h e F o r s c h u n g e i n z u r i c h t e n , zu i n f o r m i e r e n . 5 2 Er setzte d u r c h , daß die n e u e G e s e l l s c h a f t das Verbot, für praktische Ideale zu w e r b e n , in ihre Statuten a u f n a h m , 5 3 und e m p f a h l auf d e m e r s t e n S o z i o l o g e n t a g in Frankfurt im O k t o b e r 1910, z w e i U n t e r s u c h u n g e n einzuleiten, zur S o z i o l o g i e d e s Z e i t u n g s w e s e n s und zur S o z i o l o g i e d e s V e r e i n s w e s e n s . 5 4

47 Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild, 3. Aufl., unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. 1926. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984 (hinfort: Marianne Weber, Lebensbild), S.425. 48 Vgl. die von Weber mitunterzeichnete Einladung zum Beitritt zur Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Jan. 1909, GStA Berlin, Rep.92, Nl. Werner Sombart, Nr. 18b, Bl. 1 - 4 (MWG 1/13). 49 Vgl. dazu Marianne Weber, Lebensbild, S.425 ff. 50 Vgl. z. B. die Briefe von Max Weber an Heinrich Herknervom 8. Mai 1909, GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 18, Bl. 14-18, sowie vom 11. Mai 1909, GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 18, Bl. 1 9 - 2 0 ; ferner den Brief von Max Weber an Lujo Brentano vom [Juni 1909], BA Koblenz, Nl. Brentano, Nr. 67, Bl. 89 (alle drei Briefe: MWG II/6). 51 Marianne Weber, Lebensbild, S. 425. 52 Vgl. [Einladung zum Beitritt in die Deutsche Gesellschaft für Soziologie], Heidelberg, Juni 1909, BA Koblenz, Nl. Brentano, Nr. 67, Bl. 8 9 - 9 1 , sowie (Anonym) Deutsche Gesellschaft für Soziologie, in: AfSS, Band 31,1910, S. 710, und (Anonym) Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Beilage zum AfSS, Band 31, Heft 2 vom 30. Sept. 1910 (alles in MWG 1/13). 53 Vgl. (Geschäftsbericht der deutschen Gesellschaft für Soziologie), in: Verhandlungen 1910, S. 3 9 - 6 2 (hinfort: Weber, Geschäftsbericht) (MWG 1/13). 54 Vgl. Weber, Geschäftsbericht, S.42ff. Auch um die Beschaffung der notwendigen Geldmittel für die Durchführung der Erhebung über das Zeitungswesen kümmerte er sich, vgl. beispielsweise Brief Max Weber an die Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 9. Mai 1910 (Stiftung Lanz), Philosophisch-Historische Klasse, z. H. Wilhelm Windelband, Heidelberger Akademie der Wissenschaften (MWG II/6); vgl. auch Siewert, H.-Jörg, Zur Thematisierung des Vereinswesens in der deutschen Soziologie, in: Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, hg. von Otto Dann (Historische Zeitschrift, Beihefte, NF, 9, hg. von Theodor Schieder). - München: Oldenbourg 1984, S. 151-180.

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Aber nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Vereins für Sozialpolitik waren der ethischen Nationalökonomie teilweise erbitterte Gegner erwachsen. 55 Besonders sozialpolitisch konservativ ausgerichtete Nationalökonomen 56 verwarfen deren arbeiterfreundliche Position. Im Kampf dagegen bedienten sie sich auch der Argumente der Vereinslinken, 57 obgleich sie diese in ihre Kritik am Verein mit einschlössen. Ihr Angriff galt dem „kathedersozialistischen Hochschulmonopol", das nicht die Wissenschaftler vom Fach geschaffen hätten, sondern Wirtschaftshistoriker und Sozialethiker, Politiker und Ästhetiker. 58 Die „heute so weit verbreitete politisierende Methode" 5 9 der ethischen Nationalökonomie gelte es zu beseitigen, besonders weil diese einseitig die Mängel und die Reformbedürftigkeit der gegenwärtigen volkswirtschaftlichen Ordnung betone. 60 Ein Korrektiv werde gebraucht, zumal das „Heroenzeitalter der Sozialreform" vorüber sei. 61 Gewiß habe die Arbeiterklasse etwas geleistet, aber vor allem seien die

55 Vgl. beispielsweise Schmoller, Eröffnungsrede 1909; Herkner, Heinrich, Der Kampf um das sittliche Werturteil in der Nationalökonomie, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 36. Jg., Heft 2, 1912, S. 1 - 4 1 (hinfort: Herkner, Werturteil); Lindenlaub, Verein, S. 7 9 - 8 3 ; Brentano, Lujo, Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands. - Jena: Diederichs 1931, S. 2 8 8 - 3 0 1 (hinfort: Brentano, Mein Leben). 56 Nach Rüdiger vom Bruch war dieser Personenkreis durch folgende wissenschaftstheoretische und wissenschaftspolitische Anschauungen gekennzeichnet: „Protest gegen kathedersozialistisches Hochschulmonopol, Ablehnung ethischer oder teleologischer Zweck- bzw. Zielbestimmungen von Wissenschaft und Skepsis gegenüber staatlicher Sozialpolitik [...] bei gleichzeitig stärkerer Berücksichtigung nur wirtschaftspolitischer, tatsächlich unternehmerischer Aspekte", vom Bruch, Rüdiger, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung 1890-1914. - Husum: Matthiesen 1980 (hinfort: vom Bruch, Wissenschaft), S.297. Nach Lindenlaub sagte sich diese Gruppe unter Hinweis auf die bedrohte Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem Weltmarkt vom Kathedersozialismus los und bekämpfte weitere soziale Reformen, vgl. Lindenlaub, Dieter, Firmengeschichte und Sozialpolitik. Zur Wissenschaftsgeschichte der Nationalökonomie in Deutschland vordem Ersten Weltkrieg, in: Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Wilhelm Treue zum 60. Geburtstag, hg. von Karl-Heinz Manegold. - München: Bruckmann 1969, S. 2 7 2 - 2 8 5 (hinfort: Lindenlaub, Firmengeschichte), S. 273. 57 Julius Wolf erinnerte sich mit Genugtuung, „daß mir die Jüngeren unter den Kathedersozialisten, natürlich ohne dies zu wollen, zu Hilfe kamen: Mit ihrem Nachweise des unwissenschaftlichen Gebrauches der Werturteile in den Sozialwissenschaften". Wolf, Julius, in: Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. von Felix Meiner.-Leipzig: Meiner 1924, S . 2 0 9 - 2 4 7 (hinfort: Wolf, Selbstdarstellung), S.229. 58 Vgl. Pohle, Ludwig, Die gegenwärtige Krisis in der deutschen Volkswirtschaftslehre. Leipzig: Deichert'sche Verlagsbuchhandlung 1911 (hinfort: Pohle, Krisis), Vorwort, S. III- X I , S. VI; Pohle bezieht sich hier auf Voigt. 59 Vgl. ebd., S. VII. 60 Vgl. ebd., S. IV. 61 Vgl. Wolf, Julius, Kathedersozialismus und Wissenschaft, in: Die Zukunft, hg. von Maximilian Harden, 19. Jg., vom 10. Juni 1911, S. 3 5 8 - 3 6 5 , hier S. 363.

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Verdienste des Unternehmertums zu würdigen, 62 dessen Rolle von der herrschenden ökonomischen Schule geradezu negiert werde. 63 Es bilde aber die „Aristokratie" 64 des modernen Wirtschaftslebens, seinen führenden Stand. 65 Zu den antireformerisch eingestellten Nationalökonomen gehörten unter anderen Richard Ehrenberg, Julius Wolf, Andreas Voigt und Ludwig Pohle. 66 Lange vor den Ereignissen in Mannheim hatte der Rostocker Staatswissenschaftler Richard Ehrenberg seine Kritik an der im Verein für Sozialpolitik herrschenden deutschen Nationalökonomie formuliert. Sie war methodologischer Natur und richtete sich gegen die historische Schule als Ganzes. Diese betreibe zwar Tatsachenforschung, sei aber des exakten Denkens entwöhnt, weshalb sie zu keiner angemessenen wissenschaftlichen Verwertung der Tatsachen fähig sei. Mit ihrer wirtschaftshistorisch ausgerichteten, auf Staats- und Gemeindearchive gestützten Forschung könne sie nicht die volle wirtschaftliche Wirklichkeit erfassen. 67 Außerdem mache sie ethische Postulate unbegründet zu wissenschaftlichen Voraussetzungen, an die sie dann weitreichende sozialpolitische Forderungen knüpfe. So werde dem Selbstinteresse, von dem die englische Schule ausgehe, von der deutschen Schule einfach das „öffentliche Interesse" entgegengestellt. 68 Angesichts solcher dogmatischer Setzungen könne man von voraussetzungsloser Wissenschaft nicht sprechen. Eine grundsätzliche Änderung der wissenschaftlichen Perspektive sei erforderlich. Verlangt sei eine wirtschaftswissenschaftliche Forschung, die sich der exakt-vergleichenden Methode bediene. Sie verbinde quantitative Beobachtung der Wirtschaftsführung von Privatbetrieben mit dem „logischen Prinzip" 6 9 der Vergleichung, das, den Naturwissenschaften entlehnt, erst Ver-

62 Vgl. ebd., S. 360. 63 Vgl. Pohle, Ludwig, Der Unternehmerstand, in: Vorträge der Gehe-Stiftung zu Dresden, Band 3, S. 3 - 5 7 . - Leipzig: Teubner 1910 (hinfort: Pohle, Unternehmerstand), S.6. 64 Ebd. 65 Ebd. 66 Einige waren zunächst Mitglieder des Vereins, traten dann aber aus, vgl. Lindenlaub, Verein, S. 11 ff.; Pohle tat dies im Herbst 1905 mit dem Hinweis, ihm seien Zweifel an einer Nationalökonomie gekommen, „von der aus man zur Aufstellung aller möglichen sozialpolitischen Forderungen" gelange, vgl. Pohles Begründung seiner Austrittserklärung vom 25. Okt. 1905, zitiert nach Boese, Geschichte, S. 125. Boese vermutet, Voigt habe ähnliche Gründe gehabt, vgl. ebd.; von Ehrenberg sagt Schmoller, auch er sei einmal Vereinsmitglied gewesen, nach Lindenlaub trifft dies aber nicht zu. 67 Vgl. Ehrenberg, Richard, Die Ziele des Thünen-Archives, in: Thünen-Archiv, Organ für exakte Wirtschaftsforschung, hg. von Richard Ehrenberg, Band 1, Heft 1, 1905, S. 1 - 3 3 (hinfort: Ehrenberg, Ziele), S.3f. 68 Vgl. ebd., S. 4f. 69 Ebd., S.9.

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a l l g e m e i n e r u n g e n e r l a u b e . 7 0 U m s e i n e Sicht z u p r o p a g i e r e n , rief E h r e n b e r g 1 9 0 5 das „ T h ü n e n - A r c h i v " ins L e b e n . 7 1 A u c h in der Zeit d a z w i s c h e n war E h r e n b e r g nicht untätig. S o v e r s u c h t e er, Universitätsinstitute für e x a k t e W i r t s c h a f t s f o r s c h u n g e i n z u r i c h t e n , e t w a 1 9 0 8 an der Universität Leipzig, w a s j e d o c h a m E i n s p r u c h der U n i v e r s i t ä t s o r g a n e s c h e i t e r t e . 7 2 E h r e n b e r g m a c h t e freilich w e n i g e r a u f g r u n d s e i n e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n L e i s t u n g e n , als v i e l m e h r a u f g r u n d s e i n e r p u b l i z i s t i s c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n mit p r o m i n e n t e n Mitgliedern d e s V e r e i n s für Sozialpolitik v o n sich r e d e n . 7 3 Z w a r n a h m man s e i n e e x a k t e F o r s c h u n g s m e t h o d e zur K e n n t n i s , er w u r d e a b e r z u n e h m e n d a l s e i n „ T e n d e n z p r o f e s s o r " e i n g e s t u f t . A u c h J u l i u s Wolf, seit 1 8 9 7 Professor in Breslau, kritisierte, daß d i e öffentliche M e i n u n g v o n d e n „ F a h n e n t r ä g e r n " 7 4 d e s K a t h e d e r s o z i a l i s m u s b e h e r r s c h t w e r d e , mit der Folge, daß die L e i s t u n g e n der

Sozialreform

ü b e r s c h ä t z t und die in der b ü r g e r l i c h e n W i r t s c h a f t s o r d n u n g i m m a n e n t e n Kräfte d e s t e c h n i s c h e n Fortschritts u n t e r s c h ä t z t w ü r d e n . Er, der z u n ä c h s t d e m V e r e i n für Sozialpolitik a n g e h ö r t hatte, d a n n aber mit

Übernahme

70 Vgl. ebd. 71 Die Idee des Exakten übernahm Ehrenberg von J. H. von Thünen, vgl. dazu auch den Überblick von Lexis, Wilhelm, Systematisierung, Richtungen und Methoden der Volkswirtschaftslehre, in: Die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre im neunzehnten Jahrhundert. Gustav Schmoller zum 70. Geburtstag, I.Teil.-Leipzig: Duncker & Humblot 1908, S. 1 - 4 5 , bes. S. 33 f. 72 Vgl. Lindenlaub, Firmengeschichte, S. 280. Zu diesem Versuch äußerte sich auch Max Weber. Auf dem 3. Deutschen Hochschullehrertag im Oktober 1909 sprach er den Fall Ehrenberg indirekt an, vgl. Max Weber, [Diskussionsbeitrag in der Debatte über die Frage:] Darf man die Zulassung zur Habilitation abhängig machen von religiösen oder politischen Voraussetzungen? in: Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages zu Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909. Bericht erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß. - Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland 1910, S. 1 6 - 1 7 (MWG 1/13). Einige Tage darauf wandte er sich in einem Brief an die Frankfurter Zeitung in scharfer Form gegen die Anstellung eines „Tendenzprofessors" und urteilte, Ehrenberg sei ein „auf die Bahn plattester Schnellpublikationen geratener Gelehrter", Weber, Max, Zum Hochschullehrertage [Zuschrift], in: Frankfurter Zeitung, 54. Jg., Nr. 290 vom 19. Okt. 1909, 1. Morgenblatt, S. 1 (MWG 1/13); dazu ein weiterer Brief: Professor Ehrenberg [Zuschrift], in: Frankfurter Zeitung, 54. Jg., Nr.291 vom 20. Okt. 1909, Abendblatt, S. 1 - 2 (MWG 1/13). Schon zwei Jahre zuvor hatte Weber folgende Einschätzung gegeben: „Ehrenberg hat früher gute Sachen gemacht [...] Jetzt hält er sich seltsamerweise für einen Reformator der nationalökonomischen Wissenschaft, wozu er nicht das geringste Zeug hat. Seine neuesten Leistungen sind kläglich, die Reklame, die er macht^ widerlich." Brief von Max Weber an Carl Neumann vom 3. Nov. 1906, in: MWG II/5, S. 174f. 73 Vgl. Schmoller, Eröffnungsrede 1909, S.6; Brentano, Mein Leben, S. 288ff. 74 Wolf, Julius, Illusionisten und Realisten in der Nationalökonomie, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, hg. von Julius Wolf, Band 1,1898, Heft 1, S. 4 - 1 2 , Heft 2, S. 8 9 - 9 6 , Heft 4, S. 249-261, Heft 5, S. 352-358; Heft 6, S. 407-413, Heft 7, S. 4 8 7 - 4 9 9 (hinfort: Wolf, Nationalökonomie), Heft 2, S.92.

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seiner Professur ausgetreten war, forderte, Sozialpolitik habe in erster Linie Wirtschaftspolitik zu sein. Das Motiv zur Steigerung der Produktivität sei die schöpferische Kraft der Wirtschaft, „nicht der Appell an Sittlichkeit und Bravheit". 75 Wolf gründete 1898 die „Zeitschrift für Socialwissenschaft". Deren Aufgabe sah er darin, „das ganze Gebiet der Sozialwissenschaft zu beackern", 76 wobei der Nationalökonomie eine prominente Rolle zufalle, auch wenn gerade in letzter Zeit eine Anzahl anderer wissenschaftlicher Disziplinen geschaffen worden seien, die sich der sozialen Frage widmeten. 77 Die Zeitschrift solle zum „Vereinigungspunkt" von Naturwissenschaft, Nationalökonomie und politisch-sozialen Wissenschaften werden. 78 Für dieses Projekt gewann er namhafte Wissenschaftler und seinem Organ wissenschaftliche Reputation. 79 Ende des Jahres 1909 übernahm Ludwig Pohle die Schriftleitung der Zeitschrift, die seither in Neuer Folge herauskam. Von dieser Position aus führte Pohle sofort einen Angriff auf die ethischen Nationalökonomen. 80 Dabei nutzte er geschickt den Werturteilsstreit im Verein für Sozialpolitik für seinen Kampf gegen Sozialreformen. 81 In einer Streitschrift diagnostizierte er die „Krisis" der Nationalökonomie. 82 Es lassen sich also drei Lager unterscheiden, die zu der Zeit, als die Industriearbeiterenquete geplant wurde, die vereinsbezogene wissenschaftliche und sozialpolitische Diskussion bestimmten: die historisch und ethisch orientierten Nationalökonomen um Gustav Schmoller, die einer patriarchalischen Sozialpolitik verpflichtet waren; die zwar historisch arbeitenden, aber zugleich theorieinteressierten und dem Postulat der Werturteilsfreiheit verpflichteten Nationalökonomen und Soziologen um Max Weber, die sozialpolitisch auf die Selbstorganisation der gesellschaftlichen Interessen und auf streitigen Ausgleich zwischen ihnen setzten; und die auf ein naturwissenschaftliches Erkenntnisideal verpflichteten Nationalökonomen, die die Forderung nach exakter Forschung mit dem Wertfreiheitspostulat verbanden und Sozialpolitik weitgehend auf Wirtschaftspolitik redu-

75 Ebd., S. 95. 76 Wolf, Julius, Zur Einführung, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, hg. von Julius Wolf, Band 1, Heft 1,1898, S. 1 - 3 (hinfort: Wolf, Einführung), S. 2. 77 Vgl. ebd. 78 Vgl. ebd., S. 3. 79 Vgl. vom Bruch, Wissenschaft, S. 304-307, bes. Anm. 56. 80 Vgl. Pohle, Ludwig, Politik und Nationalökonomie, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, N. F., Jg. 1,1910, Heft 2, S. 6 9 - 8 1 , Heft 3, S. 170-182, Heft 4, S. 210-218, Heft 5, S. 280-290, Heft 6, S. 361 - 3 8 0 . 81 Vgl. vom Bruch, Wissenschaft, S. 307-316, bes. S. 312. 82 Vgl. Pohle, Krisis; diese Schrift ist eine Erweiterung der Artikelfolge „Politik und Nationalökonomie".

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zierten, auf die Herstellung von Bedingungen, die die Produktivität der Wirtschaft verbesserten. Diese drei Richtungen überschnitten sich in eigentümlicher Weise. Verband die ersten beiden die Verpflichtung auf sozialpolitische Reform, so die letzten beiden die Verpflichtung auf das Wertfreiheitspostulat. Verband die ersten beiden die Verpflichtung auf historische Forschung, so die letzten beiden die Verpflichtung auf Theorie. Doch wie im ersten .Bündnis' die Art der Sozialpolitik strittig blieb, so im zweiten .Bündnis' die Art der Theorie. War nationalökonomische Theorie tatsächlich auf ein naturwissenschaftliches Erkenntnisideal zu verpflichten und, wenn ja, wie? Vor dem Hintergrund der geschilderten Problemsituation setzte der Verein für Sozialpolitik die später so betitelten „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie" in Gang. Die Entstehungsgeschichte ist im Editorischen Bericht zu Max Webers Denkschrift „Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie" dargestellt. 83 Mit dieser Themenwahl folgte der Verein, wie Heinrich Herkner, der Leiter der Enquete, später rückblickend formulierte, eigentlich nur einem Zug der Zeit. Auch die Fragestellung, so seine Einschätzung, war nicht „funkelnagelneu". Es handelte sich vielmehr um die alte Frage nach dem Verhältnis von Sein und Bewußtsein, von Lebenslage und Lebensschicksal, von sozialen Verhältnissen und dem Seelenleben der Fabrikarbeiter, nun aber verfolgt mit strengeren und zum Teil neuen Methoden 84 und in „rein theoretischer Betrachtung" , 85 so wie vom linken Flügel des Vereins verlangt. Tatsächlich lag nicht so sehr die Erhebung der objektiven, als vielmehr die der subjektiven Seite der Arbeiterfrage theoretisch und vor allem methodisch im argen. Für Arbeiterpsychologie stand hauptsächlich die Sammlung von meist literarisch gefärbten Selbstzeugnissen der Betroffenen. Als die Untersuchungen des Vereins begannen, war Adolf Levenstein, ein Berliner

83 Bei Rekonstruktionen wird auf Vereinsprotokolle und andere Vereinsdokumente zurückgegriffen. Die Sekundärliteratur ist nahezu ausnahmslos entweder zu unspezifisch oder zu ungenau oder beides. 84 Vgl. Herkner, Heinrich, Probleme der Arbeiterpsychologie unter besonderer Rücksichtnahme auf Methode und Ergebnisse der Vereinserhebungen, in: Verhandlungen der Generalversammlung in Nürnberg, 9. und 10. Oktober 1911 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 138). - Leipzig: Duncker & Humblot 1912, S. 117-138 (hinfort: Herkner, Arbeiterpsychologie); auch in einer der parallel zu der Generalversammlung stattfindenden Ausschußsitzungen berichtete Herkner über den Stand der Arbeiten zu dieser Enquete, ohne auf Inhaltliches einzugehen. Vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 8. und 10. Oktober 1911, S. 4. 85 Vgl. Herkner, Arbeiterpsychologie, S. 137f.

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Privatgelehrter mit dichterischen Neigungen, gerade dabei, diese Tradition fortzuführen und sie zugleich um ein immenses Material zu bereichern. Das mußte jene interessieren, die die seelische Seite der Arbeiterfrage für wichtig hielten, besonders auch unter methodischem Aspekt. Dazu gehörten Heinrich Herkner und Max Weber. In seiner maßgebenden Studie über die Arbeiterfrage, die sich allerdings hauptsächlich mit den verschiedenen sozialistischen Theorien und Bewegungen in Europa und den USA beschäftigte, beklagte Herkner ja den Umstand, daß der „Einfluß der Fabrikarbeit auf das Seelenleben der Arbeiter" noch kaum erforscht sei, daß diese wichtige Seite der Arbeiterfrage von vielen auch noch heute „vollkommen vernachlässigt" werde. 86 Sowohl Heinrich Herkner wie Max Weber beschäftigten sich denn auch mit Adolf Levensteins Alleingang und beklagten seinen dilettantischen Umgang mit einem wertvollen Material. Die Erhebung des Vereins basierte auf einem Arbeitsplan, einem Fragebogen mit Zusatzbogen und der oben zitierten Denkschrift Max Webers. Zunächst wurden 12 000 Fragebogen ausgeteilt. 87 Doch dem Unternehmen war kein berauschender Erfolg beschieden. Erst einmal kam es nur mühsam in Gang. Es fehlte an geeigneten Mitarbeitern und an der Bereitschaft vieler Arbeiter, sich befragen zu lassen. 1909 berichtete Heinrich Herkner dem zuständigen Ausschuß: „Einen vollen Erfolg scheint die Fragebogenerhebung nur in einem Falle erzielt zu haben. Fräulein Bemays [...] hat 1300 Bogen in Arbeiterkreisen der München-Gladbacher Baumwollspinnerei gut beantwortet erhalten und so insbesondere wertvolle Einsichten in den Zusammenhang zwischen Herkunft und Lohnhöhe gewonnen." 8 8 Obgleich weitere akzeptable Ergebnisse folgten, blieb die Zahl der Befragten weit hinter den Erwartungen zurück. In den folgenden Jahren berichtete Heinrich Herkner regelmäßig über den Fortgang der Arbeiten. 89 Der allfällige Bericht vorderGeneralversamm86 Herkner, Heinrich, Die Arbeiterfrage. Eine Einführung. - Berlin: Gutentag, 5., erweiterte und umgearbeitete Aufl., 1908 (hinfort: Herkner, Arbeiterfrage), S. 27. 87 Vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzungen des Ausschusses am 26. und 28. September 1909 (hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1909), S.2. Eine große Sammlung dieser gedruckten Protokolle liegt im Nachlaß von Ignaz Jastrow, Mise. 114, British Library of Political and Economic Science, London School of Economics and Political Science, London. 88 Verein, Protokoll des Ausschusses 1909, S. 2. Alfred Weber ergänzte Heinrich Herkners Bericht mit dem Hinweis, daß sich nur schwer geeignete Mitarbeiter für die Enquete finden ließen; es sei wünschenswert, eine Musterarbeit zu haben. Er hoffe, daß die Arbeit von Marie Bernays dazu werde, vgl. ebd., S.2f. Ihre erste Studie, die ein Jahr später als erster Band der Enquete veröffentlicht wurde (SchVfS, Band 133), diente dann tatsächlich als solche. 89 So am 15. Mai 1910, vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 15. Mai 1910, S. 2 (hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1910); am 4. Januar 1911, vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 3. Januar

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lung und die öffentliche Diskussion der Ergebnisse wurden für die Nürnberger Tagung im Oktober 1911 festgelegt. Die Berichterstattung übernahm Heinrich Herkner. 90 Max Weber griff spontan in die darauf folgende Debatte ein, in erster Linie, wie auch in anderen Zusammenhängen, zum .Schutz' von Marie Bernays. Bericht und Debatte standen unter dem Titel „ Probleme der Arbeiterpsychologie unter besonderer Rücksichtnahme auf Methode und Ergebnisse der Vereinserhebungen". Heinrich Herkner betonte, bezogen auf die objektive Seite des Problems lasse sich immerhin sagen, „daß unsere Erhebungen jedenfalls keine Vereinfachung der Klassenschichtungen im Sinne des Marxismus, weit eher eine Zunahme der Differenzierung innerhalb der Arbeiterklasse selbst hervortreten lassen [...] und daß die Chancen für ein individuelles persönliches Leben in der Arbeiterschaft wachsen." 9 1 Max Weber betonte, „daß an dem Material, das hier in Angriff genommen worden ist, und mit Hilfe des weiter zu gewinnenden ähnlichen Materials sich im Laufe der Zeit und zwar einer sehr langen Zeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wertvolle und durchschlagende Ergebnisse werden gewinnen lassen." 9 2 Insgesamt entstanden aus den Untersuchungen 7 Bände. 93 Im Frühjahr 1915 wurden sie offiziell für abgeschlossen erklärt. 94 Die oben mitgeteilten Äußerungen von Heinrich Herkner und Max Weber sind nicht untypisch: Der erste interessierte sich vor allem für Inhalte, der zweite für Theorie und Methode, jedenfalls im Zusammenhang mit der Enquete. Arbeiterpsychologie - das war ja theoretisch-methodisch gese1911, und Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 4. Januar 1911 (letzteres hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1911). 90 Schmoller hatte vorgeschlagen, Heinrich Herkner oder Max Weber berichten zu lassen. Herkner erklärte sich noch während der Sitzung dazu bereit, vgl. Verein, Protokoll des Ausschusses 1911, S. 3. 91 Herkner, Arbeiterpsychologie, S. 138. 92 Weber, Max, Diskussionsbeitrag zur Verhandlung: Probleme der Arbeiterpsychologie unter besonderer Rücksichtnahme auf Methode und Ergebnisse der Vereinserhebungen, in: Verhandlungen der Generalversammlung in Nürnberg, 9. und 10. Oktober 1911 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 138). - Leipzig: Duncker & Humblot 1912, S. 1 8 9 - 1 9 7 , ediert in diesem Band unter dem Titel [Probleme der Arbeiterpsychologie] [Diskussionsbeitrag zur abschließenden Debatte im Verein für Sozialpolitik am 10. Oktober 1911] (hinfort: Weber, Arbeiterpsychologie), S. 417. 93 Die Bände sind im Verzeichnis der Schriftenreihe unter den Nummern 133, 134, 4 x 135 und 153 aufgeführt. Vgl. Boese, Geschichte, S. 3 1 3 - 3 1 7 . 94 Vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 24. März 1915 (hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1915). Zuvor hatte Herkner noch einmal vor dem Ausschuß über den Fortgang der Arbeiten berichtet. Vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 12. Oktober 1912 (hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1912). Es gab freilich inoffizielle Nachfolgestudien. Vgl. etwa Haible, Rudolf, Die Arbeiter eines oberschwäbischen Grossbetriebs (Maschinenfabrik Weingarten vorm. Höh. Schatz A.G.). - inaugural-Diss., Universität Freiburg, 1923.

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hen ein Thema, gleichsam zwischen Physiologie und Nationalökonomie oder Soziologie angesiedelt. Es schloß die große Frage nach dem Verhältnis von Anlage und Umwelt oder, wie Max Weber formulierte: Lebensschicksal, sowie die nach der Vererbung erworbener Eigenschaften, aber auch die nach dem Verhältnis von Laborexperiment und Massenbeobachtung mit ein. Weber war sich klar: Wer Arbeiterpsychologie nicht bloß essayistisch, wie bisher meist, betreiben wollte, der mußte sich den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Psychologie stellen. Deren Repräsentant aber war zunächst einmal die Experimentalpsychologie. Dies leitet zum zweiten Bezug über, zur zeitgenössischen Psychologie und ihrem Beitrag zur Erfassung der Arbeiterpsychologie.

3. Die Experimentalpsychologie

und das Seelenleben des Arbeiters

Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte sich die psychologische Forschung immer stärker am Vorbild der Naturwissenschaften ausgerichtet. Die Psychologie wechselte gewissermaßen die Fronten: Von der Metaphysik zur Physiologie. Zwar wurden experimentelle Orientierung und Verselbständigung zur SpezialWissenschaft selten so weit getrieben, daß die Verbindung zur Philosophie abriß. Aber am Ende des Jahrhunderts war doch die vorherrschende Richtung der Psychologie anders als an dessen Beginn, anders als sie etwa noch in Kants Anthropologie reflektiert ist. 95 Einer der dabei eingeschlagenen Entwicklungswege verbindet drei Personen, die zugleich in einer Art ideeller Abfolge stehen: Hermann von Helmholtz, Wilhelm Wundt und Emil Kraepelin. Besonders Wilhelm Wundt trieb die experimentelle Psychologie voran, indem er, nach seinem Wechsel von Heidelberg nach Leipzig, ein Laboratorium einrichtete, das Vorbild wurde, und indem er mit seiner schließlich auf drei Bände angewachsenen Physiologischen Psychologie diese Richtung auch wissenschaftlich unterbaute. 96 Es lohnt deshalb, sich seiner Beschreibung der Aufgabe der physiologischen Psychologie zu erinnern. Dies gestattet zugleich die Einordnung des Begriffs Psychophysik. Für Wilhelm Wundt umfaßt menschliches Leben zwei Bereiche: körperliche Lebensvorgänge und Bewußtseinsvorgänge. Beide stünden in einem unauflöslichen Zusammenhang. Zwar sei es wissenschaftlich sinnvoll, ja

95 Vgl. dazu auch Münsterberg, Hugo, Grundzüge der Psychologie, Band 1. - Leipzig: Johann Ambrosius Barth, 1900, Einleitung (hinfort: Münsterberg, Psychologie). 96 Wundt, Wilhelm, Grundzüge der Physiologischen Psychologie. - Leipzig: Wilhelm Engelmann 1874; die 4. Aufl. erschien 1893 in zwei Bänden, die 5. 1902/03 in drei Bänden. Nach der 5. Aufl. wird zitiert (hinfort: Wundt, Psychologie).

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geradezu geboten, beide Vorgänge gedanklich zu trennen und sie verschiedenen Disziplinen zuzuordnen: den einen der Physiologie, den anderen der Psychologie; aber weil das gedanklich Getrennte faktisch zusammengehöre, müsse sich jede der beiden Disziplinen zugleich als Hilfsdisziplin der anderen begreifen. Keine komme ohne die andere aus. Sie stünden also in einem Ergänzungsverhältnis. Doch macht Wundt auch klar: Ihm geht es nicht um Physiologie, sondern um Psychologie. Denn die physiologische Psychologie ist „in erster Linie Psychologie, und sie stellte sich, so gut wie jede andere Darstellungsweise dieser Wissenschaft, vor allem die Aufgabe, die Bewusstseinsvorgänge in ihrem eigenen Zusammenhang zu untersuchen."97 Sie mache bei der Analyse von Bewußtseinsvorgängen deshalb von der Physiologie auch nur Gebrauch. Dies tue sie in doppelter Weise. Zum einen lasse sie sich von ihr methodisch anleiten, indem sie deren Experimentalmethoden auf die Psychologie übertrage. Wundt geht sogar soweit zu behaupten: Keine exakte Beobachtung in der Psychologie ohne Experiment! Zum andern verwende sie sie, um die Zusammenhänge zwischen der physischen und der psychischen Seite des menschlichen Lebens nicht nur zu behaupten, sondern tatsächlich zu erforschen. Dies geschehe in der Psychophysik. Der Begriff Psychophysik stammt von Gustav Theodor Fechner und bezeichnet zunächst allgemein die Aufgabe, Zusammenhänge zwischen Leib und Seele empirisch zu untersuchen. 98 Fechner wandte sich zu diesem Zweck als einer der ersten der systematischen Beobachtung des Zusammenhangs von Reiz und Empfindung zu. Dabei ging er davon aus, daß alles introspektiv Wahrnehmbare ein zumindest potentiell objektivierbares organisches Korrelat habe. Reizabhängige physische Veränderungen führten zu Veränderungen der psychischen Wahrnehmungstätigkeit. Zugleich versuchte er, den beobachteten Zusammenhang zwischen den beiden Ereignisreihen mathematisch zu fassen. Seine „exakte Naturlehre", die er in seinem 1860 veröffentlichten zweibändigen Werk „Elemente der Psychophysik" niederlegte," markiert in gewissem Sinn überhaupt den Beginn einer experimentell verfahrenden Psychologie.

97 Wundt, Psychologie, 1. Band, S. 2. 98 Fechner selbst rechnete dieses Verdienst allerdings Ernst Heinrich Weber und dessen Untersuchungen über den Tastsinn zu, auf denen er aufbaute. Das psychophysische Grundgesetz, das er daraus entwickelte und das mathematisch einen Funktionszusammenhang zwischen physischen Reizen und psychischen Reaktionen formuliert, wurde denn auch das Weber-Fechnersche Gesetz genannt. Max Weber ging darauf in seiner Rezension des Buches von Lujo Brentano über die Wertlehre ein. Vgl. Weber, Max, Die Grenznutzlehre und das .psychophysische Grundgesetz', in: AfSS, Band 27, 2. Heft, 1908, S. 546-558 (hinfort: Weber, Grenznutzlehre) (MWG 1/12). 99 Vgl. Fechner, Gustav Theodor, Elemente der Psychophysik, 2 Theile. - Leipzig: Breitkopf und Härtel 1860 (hinfort: Fechner, Psychophysik).

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In Wundts glänzender und menschlich anrührender Rede zur Feier von Fechners hundertstem Geburtstag wies er einfühlsam nach, wie diesem seine nüchternen und exakten empirischen Untersuchungen zu einer .äußeren Psychophysik' letztlich nur dazu dienten, die Spekulationen zu einer .inneren Psychophysik', zu einer mystisch-theosophischen Weltanschauung, die auf der Annahme von der Allbeseelung der Natur und der Allgegenwart Gottes beruhte, einer wissenschaftlich gestimmten Epoche näherzubringen. 100 Obgleich Fechner Wissenschaft durch Glauben nicht ersetzen, sondern nur ergänzen wollte, sei auch seine experimentalpsychologische Forschung letztlich immer noch von metaphysischen Ideen motiviert. 101 Aus verwandten Motiven sei das Leib-Seele-Problem auch schon vor Fechner, freilich nicht mit dessen empirischer Wendung, diskutiert worden. Davon wisse sich die physiologische Psychologie frei. Ihr gehe es ausschließlich und ohne spekulativen Hintergedanken um eine „Untersuchung der empirisch nachweisbaren Beziehungen zwischen der psychischen und der physischen Seite der Lebensvorgänge", und deshalb sei die Psychophysik auch kein „Zwischengebietzwischen Physiologie und Psychologie, sondern ein Hüifsgebiet beider, insbesondere aber der Psychologie [...], weil die Beziehungen, die zwischen bestimmten Verhältnissen der physischen Organisation und den Bewusstseinsvorgängen bestehen, in erster Linie für die Psychologie von Interesse sind." Die Psychophysik diene also mit physiologischen Mitteln einem psychologischen Zwecke. Denn sie gehe darauf aus, „die von der Anatomie und Physiologie geführte Untersuchung der körperlichen Substrate der Bewusstseinsvorgänge mit Rücksicht auf ihre Beziehung zu dem psychischen Leben einer näheren Prüfung zu unterwerfen." 1 0 2 Wundts experimentelle Methode bestand unter anderem darin, die Intensität von Reizen systematisch zu variieren und die durch die Reize bedingten Wahrnehmungen zu registrieren. Die so manipulierten und gemessenen „objectiven Veränderungen" dienten ihm dazu, „mittelst der Einwirkungen, die sie auf unser Bewusstsein äußern, die subjectiven Eigenschaf-

100 Vgl. Wundt, Wilhelm, Gustav Theodor Fechner. Rede zur Feier seines hundertjährigen Geburtstages gehalten von Wilhelm Wundt. - Leipzig: Wilhelm Engelmann 1901 (hinfort: Wundt, Fechner), bes. S.49ff. 101 Ebd., S.50: „Die exacten Forschungen sind ihm nicht nur durch philosophische Fragen nahe gelegt, sondern die wichtigsten unter ihnen hat er nur zu dem Zweck unternommen, für seine Weltanschauung eine festere Basis und zugleich die Hülfsmittel zu gewinnen, um ihr in der Wissenschaft Eingang zu verschaffen." Und S. 55: Für Fechner sei die Experimentalpsychologie „ganz und gar aus metaphysischen Ideen heraus erwachsen". 102 Wundt, Psychologie, 1. Band, S. 4.

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ten und Gesetze des letzteren festzustellen." 103 Erst im experimentellen Zusammenhang verliere auch die Selbstbeobachtung, der Königsweg aller bisherigen Psychologie, ihre subjektive Willkür. Denn jede exakte Beobachtung fordere, „dass der Gegenstand der Beobachtung, hier also der psychische Vorgang, durch die Aufmerksamkeit fixiert und in seinen etwaigen Veränderungen verfolgt werden könne. Eine solche Fixierung verlangt aber ihrerseits wieder die Unabhängigkeit des beobachteten Gegenstands vom Beobachter." 104 Selbstbeobachtung werde also erst dort wissenschaftlich, wo diese Bedingung erfüllt sei, d. h. im Rahmen des Experiments. Dies aber sei bei den älteren Lehren von der inneren Wahrnehmung nicht der Fall gewesen. Insofern gehörten sie noch einer überholten philosophischen Seelenlehre zu. Man wird nicht behaupten, daß Wundt mit dieser Verortung der Psychophysik das Verhältnis von organischen und psychischen Lebensvorgängen eindeutig geklärt hätte. Zwar wandte er sich in aller Schärfe gegen den psychophysischen Materialismus, demzufolge es „keine psychische, sondern nur eine physische Causalität" gäbe, 105 und setzte auf ein Eigenrecht und auch eine Eigengesetzlichkeit des Psychischen. Aber er lief doch auch Gefahr, zur Abwehr des psychophysischen Materialismus Argumente des psychophysischen Parallelismus zu übernehmen. Dieser aber widerspricht nicht nur dem Programm einer physiologischen Psychologie, er ist auch erkenntnistheoretisch unhaltbar. 106 Wie immer man die logisch-methodischen Schwierigkeiten von Wundts Position beurteilt, die sich durch die Ergänzung der experimentellen Psy103 Wundt, Wilhelm, Über psychologische Methoden, in: Philosophische Studien, hg. von Wilhelm Wundt, Band 1, Heft 1,1881, S. 1 - 3 8 (hinfort: Wundt, Methoden), S. 4. 104 Wundt, Psychologie, 1. Band, S. 5. 105 Ebd., S. 9. 106 Dazu Rickert, Heinrich, Psychophysische Causalität und psychophysischer Parallelismus, in: Philosophische Abhandlungen. Christoph Sigward zu seinem siebzigsten Geburtstage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1900, S . 6 1 - 8 7 (hinfort: Rickert, Parallelismus). Wundt hatte sich selbst zu dieser Alternative geäußert. Rickert bezog sich kritisch darauf. Willy Hellpach bemerkte, daß die Älteren häufig in dieser Grundfrage ein bißchen Parallelismus, ein bißchen Materialismus und ein bißchen Wechselwirkung verwendeten, daß sich aber bei den Jüngeren allmählich die Neigung durchsetze, „dem Parallelismus als logischem Regulativ des psychologischen Denkens den Abschied zu erteilen und seinen Platz der psychophysischen Wechselwirkung anzubieten". Hellpach, Willy, Unbewusstes oder Wechselwirkung. Eine Untersuchung über die Denkmöglichkeit der psychologischen Deutungsprinzipien, in: Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, hg. von Hermann Ebbinghaus und W. A. Nagel, Abteilung I: Zeitschrift für Psychologie, Band 48, 1908, S. 2 3 8 - 2 5 8 und 3 2 1 - 3 8 4 (hinfort: Hellpach, Wechselwirkung), S.360. Hellpach meint, den Parallelismus hätten die „beiden grossen Führer moderner experimentalpsychologischer Forschung, Fechner und Wundt, [...] in den Sattel gehoben". Das Halt gegen diese Fehlkonstruktion sei nicht zufällig deshalb von außerhalb der Psychologie gekommen. Ebd., S. 343.

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chologie um eine Völkerpsychologie, die die zusammengesetzten seelischen Vorgänge erforschen soll, eher noch vergrößern: 107 ihre Wirkung war groß. Wundt wurde zum Haupt einer Schule, die, wie Emil Kraepelin dies formulierte, „das ausgesprochene Ziel hatte, von den verschiedensten Seiten her die Gesetzmäßigkeit in unserem Seelenleben mit Hülfe des planmäßig durchgeführten Versuches zu erforschen und damit die allmähliche Umwandlung der Psychologie in eine wirkliche Erfahrungswissenschaft vorzubereiten", 1 0 8 und sie war ungewöhnlich erfolgreich damit. Bereits um die Jahrhundertwende hatte sich die physiologische Psychologie national und international verbreitet. 109 Tatsächlich wirkte der Ansatz nicht nur auf Psychologen, sondern auch auf Philosophen und Pädagogen. 110 Über Emil Kraepelin wirkte er zudem auf die Psychiatrie. Emil Kraepelin war vertraut mit der neuen Schule in Leipzig. Am Beginn seiner Laufbahn hatte er am dortigen Institut hospitiert. 111 Er hatte auch mitgearbeitet 112 und sich dabei sehr schnell von der Frage leiten lassen, „auf welche Weise und in welchem Umfange die Ergebnisse der experimentellen Psychologie für die Bearbeitung psychiatrischer Probleme nutzbar gemacht werden können." 1 1 3 Mit Studien über die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch Arzneimittel legte er den Grundstein für

107 Wundt gab an anderer Stelle folgende Gliederung seiner Psychologie: „Unter dem Begriff der Individualpsychologie sollen hier die Untersuchungen zusammengefasst werden, deren Gegenstand die psychischen Vorgänge des individuellen menschlichen Bewusstseins sind, insofern diese eine typische, für das normale Bewusstsein allgemeingültige Bedeutung besitzen. Durch ihre Beschränkung auf das Individuum scheidet sich die Individual- von der Völkerpsychologie, durch ihre Beschränkung auf den Menschen von der Thierpsychologie, und endlich dadurch, dass sie sich bloss mit den als typisch zu betrachtenden Vorgängen beschäftigt, nicht aber mit solchen, die nur für einzelne Individuen charakteristisch sind, von der Charakterologie." Wundt, Wilhelm, Logik. Eine Untersuchung der Principien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaftlicher Forschung. 1. Band: Erkenntnislehre. 2. Band, 1. Abteilung: Allgemeine Methodenlehre. Logik der Mathematik und der Naturwissenschaften; 2. Abteilung: Logik der Geisteswissenschaften. - Stuttgart: Ferdinand Enke, 2. umgearbeitete Aufl., 1893-1895, hier Band 2/2, S. 168f. (hinfort: Wundt, Logik II,2). 108 Kraepelin, Emil, Der psychologische Versuch in der Psychiatrie, in: Psychologische Arbeiten, hg. vom Emil Kraepelin, Band 1, Heft 1, 1895, S. 1 - 9 1 (hinfort: Kraepelin, Versuch), S. 1 f. 109 Ebd., S. 3. 110 Zum Beispiel Felix Krüger, Oswald Külpe, Ernst Meumann und Willy Hellpach. 111 Vgl. Kraepelin, Emil, Lebenserinnerungen. - Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo: Springer 1983 (hinfort: Kraepelin, Lebenserinnerungen), S. 22 ff. 112 Vgl. etwa Kraepelin, Emil, Über die Einwirkung einiger medicamentöser Stoffe auf die Dauer einfacher psychischer Vorgänge, in: Philosophische Arbeiten, hg. von Wilhelm Wundt, Band 1, Heft 3, 1882, S. 417-462, und Heft 4, S. 573-605 (hinfort: Kraepelin, Einwirkung). 113 Kraepelin, Versuch, S. 6.

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eine experimentelle Psychopathologie. 114 Ähnlich wie Wundt, gründete auch er eine Schule, die zunächst in Heidelberg, dann in München wirkte. Ähnlich wie Wundt schrieb auch er ein einflußreiches Lehrbuch, ein Lehrbuch über Psychiatrie, das freilich nicht hauptsächlich auf experimenteller Forschung, sondern auf klinischer Erfahrung beruhte. 115 Im Jahre 1896 erschien der erste Band psychologischer Arbeiten aus der Kraepelin-Schule. 116 Kraepelin eröffnete ihn mit einem programmatischen Aufsatz. 117 Er unterschied zwei Wege, um die experimentelle Psychologie für die Psychopathologie fruchtbar zu machen: den Vergleich von an Gesunden und Kranken, Normalen und Gestörten experimentell gewonnenen Ergebnissen, und die Untersuchung von Übergangsstufen zwischen gesund und krank durch Intervention bei Gesunden, etwa durch kontrollierte Gabe von Giften wie Alkohol, Cocain, Morphium, Haschisch, Brom, Tee, Tabak etc. 118 Seine Grundüberlegung dabei war, daß gewisse Formen von Geistesstörung psychischen Störungen vergleichbar seien, die sich experimentell, aber auch durch gezielte Intervention in die Lebensführung, etwa durch Schlafentzug, herstellen lassen. 119 Während der erste Weg von Kraepelin hauptsächlich mittels Zeit-, Empfindlichkeits- und Schlafmessungen

114 Willy Hellpach bezeichnete Emil Kraepelins Schrift über die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch Arzneimittel, die 1892 als Zusammenfassung seiner entsprechenden Forschungen erschienen war, als die „Wiege der experimentellen Psychopathologie". Vgl. Hellpach, Willy, Sozialpathologie als Wissenschaft, in: AfSS, Band 21, 1905, S. 2 7 5 - 3 0 7 (hinfort: Hellpach, Sozialpathologie), S. 282. 115 1903/1904 erschien bereits die 7. Auflage dieses Lehrbuchs. Vgl. Kraepelin, Emil, Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte. - Leipzig: Johann Ambrosius Barth, I. Band: Allgemeine Psychiatrie 1903, II. Band: Klinische Psychiatrie 1904 (hinfort: Kraepelin, Psychiatrie). Nach Hans W. Gruhle lassen sich nach der Jahrhundertwende zwei Hauptrichtungen der Psychiatrie unterscheiden: die symptomatologische und die symboldeutende. Der wichtigste Repräsentant der ersten sei Emil Kraepelin, der der zweiten Sigmund Freud. Vgl. Gruhle, Hans W., Die Bedeutung des Symptoms in der Psychiatrie, in: ders., Verstehen und Einfühlen. Gesammelte Schriften. - Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer 1953, S. 1 5 0 - 1 7 0 (hinfort: Gruhle, Symptom). Bei dem Text handelt es sich um Gruhles Heidelberger Antrittsvorlesung am 3. März 1913. 116 Vgl. Kraepelin, Emil (Hg.), Psychologische Arbeiten, 1. Band. - Leipzig: Wilhelm Engelmann 1896. Auch hierfür war Wilhelm Wundt Vorbild. Dieser legte die Arbeiten seiner Schule in einer Reihe mit dem Titel Philosophische Studien vor. 117 Vgl. Kraepelin, Versuch. 118 Vgl. z.B. Kraepelin, Einwirkung; mit seinen experimentellen Arbeiten zur Alkoholwirkung wurde er - selbst entschiedener Alkoholgegner - auch auf diesem Gebiet zum anerkannten Fachmann, vgl. den Überblick über seine Arbeiten bei Wlassak, Rudolf, Die Beeinflussung der Hirnfunction durch den Alkohol, in: Bericht über den VIII. Internationalen Kongreß gegen den Alkoholismus in Wien vom 9 . - 1 4 . April 1901, red. von' Rudolf Wlassak. - Leipzig und Wien: F. Deuticke 1902, S. 4 4 - 5 2 . 119 Vgl. Kraepelin, Versuch, bes. S. 2 7 - 4 0 .

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sowie Zeitschätzungen und Messungen von Muskelbewegungen beschritten wurde und strenggenommen Vergleichsgruppen von Gesunden und Kranken voraussetzte, manipulierte er auf dem zweiten Weg äußere Bedingungen und prüfte die Wirkung auf Sinne, Gedächtnis, Vorstellungsverbindungen, Willensantriebe und Muskelbewegungen, was auch ausschließlich an Gesunden möglich war. Bei diesen Interventionsstudien rückte das Problem von Leistungsfähigkeit und Ermüdung zunehmend ins Zentrum. Denn immer wieder würden, so Kraepelin, körperliche und geistige Überanstrengung, ungenügender Schlaf und mangelnde Ernährung „als hauptsächliche oder doch mitwirkende Ursachen geistiger Erkrankungen namhaft gemacht". 1 2 0 Ihm ging es dabei nicht zuletzt auch um die Ursachen sogenannter Erschöpfungspsychosen und um die in dieser Zeit heftig diskutierte Neurasthenie. 121 Man kann deshalb vermuten: Max Webers Interesse an Kraepelins Ermüdungsforschung hatte nicht nur einen wissenschaftlichen, sondern auch einen lebensgeschichtlichen Aspekt! Die Kraepelinschule wollte also mittels geeigneter psychologischer Experimente die „Grundtatsachen des Seelenlebens" und seine „Grundstörungen" erforschen. 122 Dabei setzte sie zunächst auf die Aufklärung einfacher psychischer Vorgänge. Kraepelin hielt diesen Weg der Ursachenforschung für aussichtsreicher als beispielsweise den der hirnphysiologischen Forschung, deren unendliche Mühe bisher nur schlecht gelohnt worden sei. 123 Dabei folgte er einem Persönlichkeitsmodell, das von psychophysischen Eigenschaften als persönlichen Grundeigenschaften ausging. Jeder Mensch besitze eine individuelle Anlage, „in welcher er die Lebensreize in sich verarbeitet". 124 Sie sei basaler als der Inhalt seiner Erfahrungen. 125 Eine solche Anlage müsse auch bei Geistesstörungen in Rechnung gestellt werden. Viele seien vermutlich darin angelegt. Das führe zu der Frage nach psychischer Entartung oder psychopathischen Prädispositionen. Zwar seien diese Begriffe gefährlich, weil ihre Verwendung vorschnell von der Anstrengung entbinde, seelische Eigenschaften zu umgrenzen. Und obgleich dies zweifellos schwieriger sei als im Falle von Körpereigenschaften,

120 Ebd., S. 33. 121 Lamprecht hatte vom Zeitalter der Reizsamkeit gesprochen, Hellpach von der spezifischen Reizbarkeit des Bürgertums. Über die mentalitätsgeschichtliche Bedeutung dieses Themas Radkau, Joachim, Die wilhelminische Ära als nervöses Zeitalter, in: Geschichte und Gesellschaft, 20. Jg., Heft 2,1994, S. 211 - 2 4 1 . 122 Kraepelin, Versuch, S. 40. 123 Vgl. ebd. 124 Ebd., S. 46. 125 Vgl. ebd.

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bleibe dies die zentrale Aufgabe einer e x p e r i m e n t e l l e n Psychopathologie. D e n n o c h ist natürlich der p s y c h o p h y s i s c h e Ansatz gerade g e g e n ü b e r Degenerations- und Vererbungsfragen offen, sensibler jedenfalls für Biologie als für .Erziehung und Tradition', für Kultur. Kraepelin allerdings wollte keine „ m o n a d o l o g i s c h e B e t r a c h t u n g " . Bei der Z u o r d n u n g von physiologischen und p s y c h i s c h e n Abläufen m ü s s e man außerordentlich vorsichtig sein. Diese Vorsicht fehle meist dort, w o man p s y c h i s c h e Erkrankungen, mit e i n e m g e w i s s e n Recht, aus Erbanlagen erkläre. B e s o n d e r s unter d e m Einfluß der Aphasielehre seien z u d e m A n s c h a u u n g e n in die Psychiatrie e i n g e d r u n g e n , w e l c h e zu „ e i n e r Zersplitterung der Seele in eine Unzahl selbständiger Mächte geführt haben. Die p s y c h i s c h e n Leistungen stellen sich hier dar als das Ergebnis v o n Majoritätsbeschlüssen d e s Unterhauses der W a h r n e h m u n g e n und des O b e r h a u s e s der E r i n n e r u n g s b i l d e r . " 1 2 6 Kraepelin wollte dieser Zersplitterung der S e e l e w e h r e n , o h n e ihr d o c h Stetigkeit zu bescheinigen, s o w i e n e b e n den inneren auch äußere Entwickl u n g s b e d i n g u n g e n berücksichtigen. Ein Schritt dazu ist die Identifikation physiologischer G r u n d e i g e n s c h a f t e n und ihrer Wirkung bei äußeren Reizen. Solche Eigenschaften sind ihm z u m Beispiel Übungsfähigkeit, Übungsfestigkeit, Anregungsfähigkeit, Erholungsfähigkeit, Schlaffestigkeit, Widerstandsfähigkeit und G e w ö h n u n g s f ä h i g k e i t . Es handelt sich um .objektive' Eigenschaften, im Unterschied zu d e m subjektiven Befinden, das eine Person mit ihrem Zustand v e r b i n d e n mag. So k ö n n e man e r m ü d e t sein, o h n e das Gefühl der Müdigkeit zu haben und u m g e k e h r t . 1 2 7 Kraepelin geht also davon aus, daß das S e e l e n l e b e n des M e n s c h e n aus vielen sich d u r c h k r e u z e n d e n V o r g ä n g e n bestehe, keine wirkliche Stetigkeit besitze und d e n n o c h v o n einer überschaubaren Zahl von physiologischen G r u n d e i g e n s c h a f t e n bestimmt w e r d e . 1 2 8 A u f g a b e planvoll angelegter psychologischer V e r s u c h e sei es deshalb, Teilvorgänge zu isolieren, ihre Ursachen a u f z u d e c k e n und das Z u s a m m e n w i r k e n mehrerer Teilvorgänge einz u s c h ä t z e n . 1 2 9 Dafür wählte er einfache geistige Tätigkeiten, das A d d i e r e n

126 Ebd., S. 45. 127 Vgl. ebd., S.53. 128 Zum folgenden Kraepelin, Emil, Die Arbeitscurve. - Leipzig: Wilhelm Engelmann 1902 (hinfort: Kraepelin, Arbeitscurve), S. 3. 129 Eine ähnliche Strategie leitete ihn bei der Klassifikation der Hauptformen seelischer Krankheiten. Sie ist ätiologisch und basiert auf der These: „die Einheit des Krankenbildes wird bestimmt durch einheitliche Ursache, einheitliches Zustandsbild, einheitlichen Verlauf, einheitlichen Ausgang (und oft einheitlichen anatomischen Befund)." So Gruhle, Symptom, S. 152. Zwar würden ungewöhnliche Symptomverkuppelungen und ungewöhnliche Verläufe keineswegs abgestritten. Doch verwiesen solch atypische Fälle eher auf Einheiten zweiter Ordnung, als auf die Unrichtigkeit des grundsätzlichen Einteilungsprinzips.

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einstelliger Zahlen, das Auswendiglernen von Zahlenreihen oder von sinnlosen Silben und ähnliches, und untersuchte die damit verbundenen Leistungen. Kraepelin ließ sich dabei zunächst wohl von der trivialen Einsicht leiten, daß geistige wie körperliche Leistungen im Zeitverlauf schwanken. Diese Schwankungen kann man in einer Kurve darstellen, indem man Leistung und Zeit aufeinander bezieht. Damit hat man die Grundidee seiner bekannt gewordenen Arbeitskurve. Diese mußte nach einem Anstieg sinken, weil jede Leistung zur Ermüdung führt und dies Erholung nötig macht. Nichttrivial würde diese Einsicht freilich erst, wenn es gelänge, die Faktoren zu identifizieren und zu quantifizieren, die den konkreten Verlauf der Arbeitskurve bestimmen. Genau darauf war Kraepelin aus. Zunächst zeigten seine Leistungsmessungen, daß der Verlauf der Arbeitskurve zwischen seinen Versuchspersonen doch erheblich variierte und keineswegs ein einfaches Muster abgab. So hatte die Arbeitskurve meist mehrere Spitzen, bezogen auf die gewählte Zeitspanne. Obgleich unmittelbar einsichtig sei, so Kraepelin, daß Übung und Ermüdung die wichtigsten Faktoren für den Kurvenverlauf darstellten, die gleichsam gegeneinander wirkten, ergebe die genauere Analyse, daß noch andere zu berücksichtigen seien, vor allem Gewöhnung, Anregung und Willensanspannung. 130 Die Arbeitskurve lasse sich also in Teilkurven zerlegen. Oder anders herum: Sie ist eine Resultante der Teilkurven, aus diesen zusammengesetzt. Kraepelin räumte ein, daß er sich auch mit diesen Ergebnissen strenggenommen noch im Rahmen der Alltagserfahrung bewege. Manche seiner psychophysischen Sätze und Folgerungen fänden sich in Volksregeln, nach denen wir immer schon mehr oder weniger bewußt lebten. 131 Doch die Experimente machten solche Einflüsse zumindest explizit und nach Art und Größe bestimmbar, wenngleich sich das Problem der Isolierung kaum lösen lasse und auch die Nachhaltigkeit der Einflüsse verschieden sei. 132 Kraepelin dachte also über die Ergebnisse seiner Psychophysik der geistigen Arbeit durchaus bescheiden. Das Seelenleben exakt zu erfassen stoße eben auf große Schwierigkeiten, weil wir es hier „mit überaus flüchtigen, den mannigfaltigsten Zufällen und der Willkür unterworfenen Vorgängen zu thun (hätten), die niemals in genau derselben Form wiederkehren, da sie selbst die Bahnen verändern, in denen sie sich abspielen." 1 3 3 Dennoch

130 Dazu Kraepelin, Arbeitscurve, S.33ff. Willensanspannung heißt auch mitunter Antrieb, wo die plötzliche Steigerung eines Willensimpulses gemeint ist; weitere Faktoren wie Übungsverlust und Erholung, etwa durch Pausen, gehören dazu. 131 Ebd., S. 33. 132 Vgl. ebd., S. 34. 133 Ebd.

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unterstünden auch psychische Vorgänge Gesetzen, so daß generelle Aussagen möglich seien. Er hoffte denn auch, „durch zweckmäßige Vertheilung von Arbeit und Ruhe ein Maßverfahren zu ersinnen, welches uns rasch mit den wesentlichsten Eigenschaften der Versuchsperson, ihrer Übungsfähigkeit und ihrer Ermüdbarkeit, vertraut macht." 1 3 4 Obgleich Kraepelin seine Übungs- und Ermüdungsforschung in erster Linie als Grundlagenforschung ansah, faßte er auch Anwendungsfragen ins Auge. Wenn man wisse, wie sich geistige Leistungsfähigkeit, geistige Arbeit, entwickele, lasse sich auch sagen, wie sie erhalten oder gar gesteigert werden könne. 135 Seine Versuche ergäben nicht nur interessante Einblicke in die persönlichen Eigenschaften Erwachsener, 136 man könne damit auch das Werden der „Geistesanlage" von Kindern verfolgen und beeinflussen. 137 Da die Schule hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit von Kindern stelle, müßten „Schulmänner" sich fragen lassen, ob ihre Zöglinge im Unterricht nicht so ermüdet würden, daß sie schließlich dauerhaft Schaden nähmen. Um dieser Gefahr zu begegnen, die unter Pädagogen und Bildungsfachleuten als „Überbürdungsfrage" diskutiert wurde, schlug Kraepelin vor, die individuelle Ermüdbarkeit und Übungsfähigkeit von Schülern zu ermitteln, Schulklassen nach dem Maß der Arbeitsfähigkeit ihrer Schüler zusammenzustellen und den Unterricht daran anzupassen. 138 Kraepelins Untersuchungen über die Arbeitskurve fanden schon bald nach der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse Nachfolge 139 und wurden,

134 Ebd., S. 51. 135 Vgl. Kraepelin, Emil, Über geistige Arbeit. - Jena: Fischer 1894 (hinfort: Kraepelin, Arbeit), sowie ders., Über Ermüdungsmessungen, in: Archiv für die gesamte Psychologie, hg. von Ernst Meumann, Band 1, Heft 1, 1903, S . 9 - 3 0 (hinfort: Kraepelin, Ermüdungsmessungen). 136 Vgl. Kraepelin, Versuch. 137 Vgl. Kraepelin, Ermüdungsmessungen. 138 Vgl. Kraepelin, Arbeit, sowie Kraepelin, Ermüdungsmessungen; der Arbeitsversuch ermögliche es, nicht nur die individuellen Eigenschaften hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, sondern auch den Grad der Ermüdungswirkung bestimmter Tätigkeiten, hier bestimmter Lernstoffe, zu ermitteln, vgl. z.B. Kraepelin, Ermüdungsmessungen; allgemein zum Problem der Überbürdung von Schülern bzw. Gymnasiasten Benda, Theodor, Nervenhygiene und Schule. - Berlin: Coblentz 1900, der das Überbürdungsproblem mit der Schulreform am Beginn des 19. Jahrhunderts beginnen läßt. 139 Seine Anregung, den psychologischen Versuch auch in der Psychiatrie anzuwenden, wurde beispielsweise von dem Gießener Psychiater Robert Sommer aufgegriffen, vgl. Dorsch, Friedrich, Geschichte und Probleme der angewandten Psychologie. - Bern und Stuttgart: Huber 1968 (hinfort: Dorsch, Geschichte), S.48; vgl. ebenso Specht, Wilhelm, Über klinische Ermüdungsmessungen, in: Archiv für die gesamte Psychologie, hg. von Ernst Meumann, Band 3, Heft 3,1904, S. 245-339.

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seiner Anregung entsprechend, auch in der Pädagogik verwendet, 140 nachdem sich die psychologische Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsforschung bereits zuvor mit ähnlichen Fragen befaßt hatte. 141 Man untersuchte Ermüdung aber auch unter rein physiologischem Gesichtspunkt. Der Turiner Physiologe Angelo Mosso etwa faßte Ermüdung als Absinken der Muskelkraft. Um diese experimentell überprüfen zu können, konstruierte er Mitte der 80er Jahre den sogenannten Ergographen, ein in der Ermüdungsforschung von da an häufig verwandtes Gerät, das die kontrollierte Aufzeichnung einer von der Versuchsperson abverlangten Muskelleistung, beispielsweise das rhythmische Heben und Senken eines Gewichts mit dem Finger, erlaubte. 142 Mosso setzte das Gerät auch vor und nach geistiger Arbeit ein und stellte dabei fest, daß seine Versuchspersonen einen zwar individuellen, aber konstanten Ermüdungsverlauf aufwiesen. Er warnte vor Weiterarbeit bei Erschöpfung und bezog sich in diesem Zusammenhang auch auf die innerhalb der deutschsprachigen Fachwelt geführte Diskussion über die Überbürdung schulpflichtiger Kinder. 143 Zugleich wies er darauf hin, daß über Leistungsfähigkeit und Erschöpfung von Maschinenarbeitern wenig bekannt sei, die „Bücher über Volkswirtschaft" machten hierzu keine verläßlichen Angaben. 144 Er sah hier offensichtlich ein Desiderat. Auch in der Kraepelinschule wurde der dann technisch verbesserte Ergograph eingesetzt. Man kontrollierte damit die Muskelleistung unter ausgewählten Bedingungen, etwa nach geistiger Arbeit oder nach Einnahme von Medikamenten oder Genußgiften. 145 Kraepelins Doktorand Hans Walter Gruhle führte 1904/05 Versuche mit dem Ergographen durch. In seiner medizinischen Dissertation mit dem Titel „Ergographische Studien" stellte

140 Beispielsweise Burgerstein, Leo, Die Arbeitskurve einer Schulstunde, in: Zeitschrift für Schulgesundheitspflege, 4. Jg., 1891, S. 543-562. Ernst Meumann entwickelte in der Folge eine experimentelle Pädagogik auf psychologischer Grundlage. 141 Vgl. beispielsweise Ebbinghaus, Hermann, Über das Gedächtnis. - Leipzig: Duncker & Humblot 1885; Höpfner, L., Über geistige Ermüdung von Schulkindern, in: Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, hg. von Hermann Ebbinghaus und Arthur König, Band 6,1894, S. 191 - 2 2 9 ; Wagner, Ludwig, Unterricht und Ermüdung (Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der Pädagogischen Psychologie und Physiologie, hg. von H. Schiller und Theodor Ziehen, Band 1, Heft 4). - Berlin: Reuther & Reichard 1898. 142 Vgl. Mosso, Angelo, La fatica, 1891, deutsch: Die Ermüdung, übersetzt von J. Glinzer. - Leipzig: S. Hirzel 1892 (hinfort: Mosso, Ermüdung). 143 Vgl. Mosso, Ermüdung, Kap. XII. 144 Vgl. ebd., S. 172. 145 Vgl. Hoch, August und Emil Kraepelin, Über die Wirkung der Theebestandtheile auf körperliche und geistige Arbeit, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 1,1896, S. 378-488.

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er das Wissen aus Versuchen dieser Art zusammen, äußerte sich aber kritisch zur Methode, weil mit dem Ergographen nicht die Leistung einzelner Muskeln gemessen werde, sondern die ganzer Muskelgruppen, woraus zwangsläufig Ungenauigkeiten bei der Erfassung des Ermüdungszustandes entstünden. Kraepelin publizierte Gruhles Studie, vielleicht wegen dieser kritischen Äußerungen, erst nach mehrfacher Umarbeitung und mit erheblicher zeitlicher Verzögerung in seinen „Psychologischen Arbeiten". 1 4 6 Gruhle selbst wechselte im Frühjahr 1905 an die Psychiatrische Universitätsklinik nach Heidelberg. Er kam schnell in Kontakt mit Max und Marianne Weber, wurde in deren Freundeskreis aufgenommen und beriet Max Weber bei seinem intellektuellen Ausflug auf das Gebiet der Experimentalpsychologie. Bedenkt man das Vorgehen und auch die Selbsteinschätzung der hier zitierten Vertreter einer experimentell orientierten Psychophysik der Leistung bzw. der Arbeit, so liegt die Folgerung nahe, daß deren Ergebnisse allenfalls indirekt auf industrielle Arbeit übertragen werden konnten. Die Untersuchungen waren an das Laboratorium gebunden und die untersuchten Tätigkeiten einfach, für den realen Arbeitsprozeß weitgehend irrelevant. Mehr noch: Das Verhältnis von .objektiven' und .subjektiven' Eigenschaften, von ArbeWseignung und Arbeitsneigung, blieb problematisch. Die .Umwelt' war in erster Linie als Reizgeber konzipiert, auf den die .Anlage' reagiert. Dennoch lag der Versuch eines Brückenschlages zu den Problemen der Arbeiterpsychologie nahe. Bereits vor der Jahrhundertwende hatte man in der deutschen Nationalökonomie im Zusammenhang mit der Arbeiterschutzgesetzgebung eine Diskussion um den „Normalarbeitstag" geführt. 147 Die Verkürzung der Arbeitszeit hätte gezeigt, daß Länge der Arbeitszeit und Menge des Arbeitsprodukts sich keineswegs proportional entsprächen. Dieselbe Menge werde mitunter auch in kürzerer Arbeitszeit erreicht. 148 Die an sozialpolitischer Reform orientierten Nationalökonomen

146 Vgl. Gruhle, Hans W., Ergographische Studien, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 6, Heft 3,1912, S. 3 3 9 - 4 1 8 . Seine Dissertation trägt das Datum vom 29. Jan. 1907. 147 Vgl. Stieda, Wilhelm, Normalarbeitstag, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. von Johannes Conrad, Ludwig Elster, Wilhelm Lexis und Edgar Loening. - Jena: Fischer (hinfort: HdStW), 2. Aufl., Band 5,1900, S. 9 8 7 - 9 9 5 . 148 Vgl. Böhmert, Victor, Arbeitszeit in Deutschland, in: HdStW, 2. Aufl., Band 1, 1898, S. 1010-1017, bes. S. 1016; ferner der Erfahrungsbericht des Fabrikinspektors Schuler, Fridolin, Zwanzig Jahre Normalarbeitstag in der Schweiz. Erfolge und Bedingungen der Weiterbildung, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, hg. von Julius Wolf, Band 1, 1898, S. 581 - 6 0 7 . Auch der Physiker Ernst Abbe, Teilhaber der Firma Carl Zeiß in Jena, führte systematische Beobachtungsstudien zur Tagesleistung der Arbeiter bei Arbeitszeitver-

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hatten damit begonnen, die ökonomischen, technischen und sozialen Auswirkungen des Achtstundentages zu erforschen, 149 ebenso die Abhängigkeit der Arbeitsleistung von Arbeitszeit und Entlohnung. 150 Wie bereits erwähnt, gelangte etwa Lujo von Brentano in diesem Zusammenhang zu dem Schluß, daß Lohnerhöhung und Verkürzung der Arbeitszeit die individuelle Leistung erhöhen, weil dann die Arbeiter gesünder, besser ernährt und arbeitsfreudiger seien. 151 Man sah also auch die Bedeutung der subjektiven Seite. Besonders Heinrich Herkner hatte den Einfluß der „Arbeitsfreude" auf die Leistung unter den Bedingungen nichtselbständiger Erwerbsarbeit in den Mittelpunkt gestellt. 152 Die Nationalökonomie erkenne an, daß Arbeit aus Mühe und Beschwerden bestehe, für den Arbeiter also psychisch eine „Summe von Unlustempfindungen" bedeute. 153 Die Arbeitslast habe deshalb zwei Seiten: Zum einen schlage sie sich körperlich nieder, zum anderen in subjektiven Unlustempfindungen. In diesem Zusammenhang verwies er auf die Arbeiten von Angelo Mosso und Emil Kraepelin. Wie man daran sehen könne, verfüge die Experimentalpsychologie inzwischen über Methoden, die Ermüdung objektiv zu messen. Es handle sich um eine Literatur, „welche bereits eine bessere Hygiene der geistigen Arbeit in unseren Schulen vorbereitet, dagegen im Interesse der Hygiene der wirtschaftlichen Arbeit noch nicht gebührend verwertet wird." 1 5 4

kürzung durch. Dazu Abbe, Ernst, Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Verkürzung des industriellen Arbeitstages, in: ders., Sozialpolitische Schriften (Gesammelte Abhandlungen, Band 3: Vorträge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhaltes). Jena: Fischer 1906, S. 2 0 3 - 2 4 9 . 149 Vgl. Rost, Bernhard, Der achtstündige Normalarbeitstag. - Leipzig: Duncker & Humblot 1896. 150 So Brentano, Lujo, Über das Verhältnis von Arbeitslohn und Arbeitszeit zur Arbeitsleistung.-Leipzig: Duncker & Humblot, 2. Aufl., 1893 (hinfort: Brentano, Arbeitsleistung); ferner Herkner, Heinrich, Arbeitszeit, in: HdStW, 3. Aufl., Band 1, 1909, S. 1 1 9 1 - 1 2 2 0 (hinfort: Herkner, Arbeitszeit). 151 Vgl. Brentano, Arbeitsleistung, S. 34. 152 Herkner, Heinrich, Die Bedeutung der Arbeitsfreude in Theorie und Praxis der Volkswirtschaft, in: Jahrbuch der Gehe-Stiftung zu Dresden, Band 12 (Neue Zeit- und Streitfragen, Band 3). - Dresden: Zahn & Jaentsch 1905, S . 3 - 3 6 (hinfort: Herkner, Arbeitsfreude). In diesem Zusammenhang wäre auch Karl Büchers kulturvergleichende Studie über den Einfluß von Musik und Rhythmus auf die Arbeitsweise zu erwähnen. Vgl. Bücher, Karl, Arbeit und Rhythmus, 4. neu bearb. Aufl. - Leipzig und Berlin: B. G. Teubner 1909 (1. Aufl. 1897) (hinfort: Bücher, Arbeit). 153 Herkner, Arbeitsfreude, S. 10. 1 5 4 Ebd., S. 11. Bücher schreibt in seinen Memoiren, daß ihn zu Beginn der 90er Jahre die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Arbeiter während der verschiedenen Tageszeiten interessiert und er hierzu auch Material gesammelt habe, da die Frage im Zusammen-

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Es gab also unabhängig von Max Weber unter Nationalökonomen ein Bewußtsein davon, daß für die Klärung der objektiven und subjektiven Aspekte industrieller Arbeit die experlmentalpsychologlsche Literatur und die darin entwickelte arbeitsphysiologische Betrachtungswelse lehrreich sein könnte. Es ist deshalb nicht ausschließlich auf ihn zurückzuführen, wenn dieser Gesichtspunkt in die vom Verein für Sozialpolitik beschlossene Industriearbeiterenquete Eingang fand. Im Rahmen der hierbei verfolgten Fragestellung sollten auch die Zusammenhänge von Lohnhöhe und Arbeitsleistung sowie von Tagesarbeitszeit und Arbeitsleistung geprüft, ebenso Daten über die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Arbeiter der untersuchten Industriezweige erhoben werden. So wies man die Mitarbeiter an, besonders auf folgende Punkte zu achten: „Tägliche Arbeitsdauer und sonstige Vorschriften der Arbeitsordnung in Ihrer Rückwirkung auf das physische, psychische und ethische Leben der Arbeiter." 1 5 5 Auch gehe es um den Einfluß der Lohnformen und der Arbeitszeit auf die Qualität des Arbeltsproduktes. Hierfür wäre zu registrieren, ob sich „bei langdauernder Arbeit eine Zunahme der Arbeitsfehler und eine Abnahme der relativen Leistungsmenge" zeige. Und weiter: Gibt es „Unterschiede der Arbeitsleistung zwischen verschiedenen Arbeltern. Wie [sind sie] zu erklären?" 1 5 6 Ferner: „Nach welcher täglichen Arbeitsdauer tritt bei Ihnen erfahrungsgemäß Ermüdung ein?" 1 5 7 Dieser Problemkreis nahm denn auch in Max Webers Exposé über Ziele und Methodik der Industriearbeiterenquete einen großen Raum ein. Läßt sich die experimentalpsychologische Ermüdungsforschung mit Ihrem arbeitsphysiologischen Ansatz tatsächlich sinnvoll auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen beziehen? Die Psychophysik hatte aber auch auf anderem Wege bereits die sozialwissenschaftliche Diskussion beeinflußt. Albert Schäffle etwa stützte seine organische Gesellschaftslehre vom „Bau und Leben des socialen Körpers"

hang mit der Arbeitszeitverkürzung von großer Bedeutung sei; leider sei er zu keiner richtigen Auswertung seiner Unterlagen gekommen, die sich als widersprüchlich erwiesen hätten; vgl. Bücher, Karl, Lebenserinnerungen, 1. Band. - Tübingen: H. Laupp'sche Buchhandlung 1919 (hinfort: Bücher, Lebenserinnerungen), S.436f. 155 Vgl. Arbeitsplan der „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie", in: Bernays, Auslese, Vorwort, S. VI11—XI, S. IX. 156 Beide Fragen ebd. 157 Vgl. Fragebogen der „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie", in: Bernays, Auslese, Vorwort, S. XII—XIV, S. XIII, 19. Frage, Hervorhebungen im Fragebogen.

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unter anderem auf psychophysische Überlegungen. 158 Die Analyse der „Anstalten und Verrichtungen des socialen Körpers" verlange ein Verständnis des „psychophysischen Sinnes-, Erregungs- und Coordinationsapparates des Gesellschaftskörpers". Die Gesellschaftslehre müsse die Vorarbeit nutzen, die in der Biologie von Histologie, Anatomie und Physiologie geleistet worden sei. Denn zwischen biologischem und sozialem Körper herrsche eine „reale Analogie". Schäffle hatte seine Lehre nicht zufällig als „realistische Socialpsychophysik" bezeichnet. 159 Selbst wenn man, wie Max Weber, Organismusanalogien in Nationalökonomie und Soziologie grundsätzlich ablehnte, lag auch in dieser Hinsicht eine Auseinandersetzung mit den behaupteten Zusammenhängen zwischen Psychophysik und sozialen sowie kulturellen Prozessen nahe. Dies um so mehr, als das Vordringen des Naturalismus im 19. Jahrhundert die Aufmerksamkeit ganz allgemein auf die .reale Analogie' zwischen natürlichen und sozial-kulturellen Prozessen gelenkt hatte. Charles Darwins Variations- und Selektionstheorie revolutionierte zwar zunächst das schöpfungsgeschichtliche Weltbild und seine säkularisierten Nachfahren. 160 Aber der Zerstörung des teleologischen Prinzips mit Hilfe des Prinzips Zufall wurde schnell wieder die Spitze genommen, weil an die Stelle des historischen nun ein biologischer Evolutionismus trat. Es kann hier offen bleiben, inwieweit Darwin selbst diese Perspektive förderte oder nur falsch interpretiert wurde. Jedenfalls machten Autoren wie Ernst Haeckel eine solche Lesart Darwins in Deutschland populär. Aus seiner naturalistischen und monistischen Sicht war nur die Abstammungslehre in der Lage, die „Gesammtheit der Erscheinungen der organischen Natur" 1 6 1 zu erklären, und

158 Vgl. Schäffle, Albert, Bau und Leben des socialen Körpers. Encyclopädischer Entwurf einer realen Anatomie, Physiologie und Psychologie der menschlichen Gesellschaft mit besonderer Rücksicht auf die Volkswirthschaft als socialen Stoffwechsel.-Tübingen: H. Laupp'sche Buchhandlung (hinfort: Schäffle, Socialer Körper), 1. Band, 1875, 2 . - 4 . Band 1878. 159 Vgl. ebd., 1. Band, S. VI. Ein weiterer Vertreter der organischen Gesellschaftslehre ist Paul von Lilienfeld, von dem das fünfbändige Werk Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft.-Hamburg und Mitau: Behre's Verlag 1873-1881, stammt. 160 Charles Darwins On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life von 1859 war schnell vergriffen und bald in viele europäische Sprachen übersetzt. Dazu Darwin, Charles, Rückblick auf den Weg zur Evolutionstheorie, Auszug aus seiner von J. Victor Carus übersetzten, 1887 erschienenen Biographie, abgedruckt in: Der Darwinismus, hg. von Günter Altner. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1981 (hinfort: Altner, Darwinismus), S. 9—16; ferner die Bibliographie in: Altner, Darwinismus, S. 5 0 5 - 5 1 7 , bes. S. 506f. Bereits 1860 war die erste deutsche Übersetzung von Darwins Werk erschienen. 161 Haeckel, Ernst, Gemeinverständliche Vorträge und Abhandlungen aus dem Gebiete der Entwicklungslehre, 1. Band.-Bonn: Strauß, 2. Aufl., 1902 (hinfort: Haeckel, Vorträge), S. 60.

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er hatte keinen Zweifel, „daß die Wissenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts unsere Entwicklungslehre nicht allein allgemein annehmen, sondern als die bedeutungsvollste Geistesthat unserer Zeit feiern wird." 1 6 2 Tatsächlich entwickelte der Darwinismus schnell eine enorme Ausstrahlung auch auf die Sozialwissenschaften. Obgleich innerhalb seines eigentlichen Feldes nicht unumstritten - man denke nur an die Auseinandersetzungen zwischen Lamarckisten, Darwinisten und Neodarwinisten 163 - , wirkte er insbesondere wegen dieser monistisch-evolutionistischen Interpretation. Da Darwin nicht die Entwicklung der Individuen, sondern die der Arten erklärte, lag es nahe, die ,reale Analogie' zwischen der nichthumanen und der humanen Welt über den Begriff der Rasse herzustellen. Denn „viele individuelle Formen und Funktionen lassen sich [...] aus den individuellen Erfordernissen der Lebenshaltung gar nicht erklären, gewinnen aber sofort einen Sinn, sobald man sie in Beziehung zu den Erhaltungsbedingungen der Rasse bringt" , 1 6 4 Von hier aus war es dann nur noch ein kurzer Schritt zur Forderung nach Reinerhaltung und Weiterentwicklung sogenannter erhaltenswerter Bestandteile der Rassen, zur Rassenhygiene. Diese Tendenzen führten unter anderem 1904 zur Gründung des Archivs für Rassen- und Gesellschaftsbiologie. 165 Organische Gesellschaftslehre und Sozialdarwinismus hatten viele Berührungspunkte, obgleich sie nicht identisch waren. Diese ergaben sich insbesondere aus der Überlegung, daß Organismen sich zu immer komplexeren und damit höheren Gebilden entwickeln: „Der große Werdeprozeß des Organischen zeigt uns das Bild einer immer weiter und weiter getriebenen Synthese. Die vitalen Elemente, also die ihrerseits schon einen sehr komplizierten Aufbau zeigenden Zellen, verbinden sich zu höheren Gruppen, diese Gruppen werden die Elemente noch höherer Gruppen und so fort in immer erneuter Wiederkombination, bis zur Herstellung so außerordentlich zusammengesetzter Gebilde, wie es die höheren Lebewesen sind." 1 6 6 Der Mensch als ein höheres Lebewesen müsse wie alle Organis-

162 Haeckel, Vorträge, S. 389. 163 Zu letzteren ist etwa August Weismann zu rechnen. Vgl. zu Weismann Altner, Darwinismus, S. 4 7 2 - 4 8 6 . 164 Ploetz, Alfred, Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und die davon abgeleiteten Disziplinen, in: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie, Band 1, Heft 1, 1904 S. 2 - 2 6 (hinfort: Ploetz, Rasse), S. 11. 165 Es wurde herausgegeben von Alfred Ploetz in Verbindung mit H. Friedmann, A. Nordenholz und Ludwig Plate und trug den Untertitel „einschließlich Rassen- und Gesellschafts-Hygiene". 166 Nordenholz, A., Über den Mechanismus der Gesellschaft, in: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie, hg. von Alfred Ploetz, Band 1, Heft 1, 1904, S. 1 1 0 - 1 2 3 (hinfort: Nordenholz, Gesellschaft), S. 112.

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men versuchen, sich an seine Lebensbedingungen optimal anzupassen. 167 In seinem „Kampf ums Dasein" sei aber Assoziation erfolgreicher als Isolation. Ihm werde deshalb Sozialität von Natur aus „eingehämmert". 1 6 8 So schließe er sich in Gruppen zusammen, diese in größeren Gruppen, die sich ihrerseits wieder eine Organisation gäben, um ihre kollektiven Interessen zu verteidigen. Je komplexer eine Gesellschaft werde, desto besser könne ihr Organ der kollektiven Willensbildung, der Staat, das Gesamtinteresse nach außen verteidigen und nach innen befriedigen. So schien die menschliche Vergesellschaftung einfach ein Produkt der biologischen Evolution. Nicht zufällig schrieb Max Weber 1907 an Heinrich Rickert, er wolle demnächst den angeblich wertfreien Entwicklungsbegriff der Biologen kritisieren, demzufolge differenzierter oder komplizierter auch höher bedeute. 169 Doch noch mehr als davon war sein sozialwissenschaftlicher Ansatz vom biologischen Naturalismus bedroht. Wäre dieser begründet, so könnte es keine verstehende Soziologie und eine entsprechende Handlungstheorie geben. Wenn psychisches und damit bewußtheitsfähiges menschliches Leben nichts weiter wäre als eine Weiterentwicklung von Reizempfindungsfunktionen einfacher Organismen, wenn ferner eine Entwicklungslinie von einfachen Tätigkeiten beseelter Lebewesen bis hin zu „bewußten und überlegten Handlungen" „vernünftiger Thiere" existierte, 170 dann wäre Psychisches ein Epiphänomen physiologischer Hirnprozesse und man könnte, ja müßte von beobachtbaren organischen Abläufen auf ihnen entsprechende psychische Vorgänge schließen und nicht umgekehrt. 171 Man müßte also tatsächlich psychophysischer Materialist werden. Davon war Max Weber weit entfernt. So gab es also gute methodologische, handlungstheoretische und sachliche Gründe, die Psychophysik auf ihren erfahrungswissenschaftlichen Kern zurückzuführen und ihre Leistungsfähigkeit für die Lösung sozialwissenschaftlicher Probleme nüchtern zu prüfen. Dafür boten sich unter anderem auch die vom Verein für Sozialpolitik eingeleiteten „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie" an.

167 Vgl. z. B. Nordenholz, Gesellschaft. 168 „Und der Hammer, der die socialen Triebe geschmiedet und geformt hat, das war der Kampf der Horden [...] gegeneinander, der Kampf ums Dasein." Ammon, Otto, Der Ursprung der socialen Triebe, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, hg. von Julius Wolf, 4. Band, H e f t l , 1901, S. 1 - 1 2 , und Heft 2,1901, S. 101-113, hier S. 113. 169 Brief Max Webers an Heinrich Rickert vom 3. Nov. 1907, in: MWG II/5, S.415. 170 Haeckel, Vorträge, S. 173-216, hier S. 191. 171 Vgl. Ploetz, Rasse, S.3f.

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Handlungstheorie

Die bisherige Darstellung hat gezeigt, daß Max Webers Beschäftigung mit psychophysischen Fragen keineswegs ausschließlich im Zusammenhang mit dem Verein für Sozialpolitik gesehen werden darf. Gewiß trug er viel dazu bei, daß der damit verbundene Gesichtspunkt bei der Enquete berücksichtigt wurde. Aber auch Heinrich Herkner erkannte die Relevanz der psychophysischen Literatur für die geplanten Untersuchungen. Wie in den Editorischen Berichten ausgeführt, gab es für Max Weber denn auch noch andere Anlässe, sich gerade in den Jahren 1908 und 1909 verstärkt mit experimentalpsychologischer Literatur auseinanderzusetzen: neben der Vereinsenquete Entwicklungen im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik sowie die weltanschaulichen und wissenschaftlichen Differenzen mit seinem Bruder Alfred, die durch dessen Wechsel von Prag nach Heidelberg virulent geworden waren. 172 Doch sind Anlässe das eine, wissenschaftliche Motive das andere. Letztere stehen meist in einem langfristigen Zusammenhang. Es gab für Max Weber denn auch Gründe, tiefer in die Literatur über Psychophysik einzudringen, die mit seinem Forschungsprogramm zusammenhängen. Sie haben mit umfassenden Überlegungen zum Verhältnis von Nationalökonomie, Soziologie, Geschichtswissenschaft und Psychologie zu tun. Diese Überlegungen haben zwei Aspekte: einen methodologisch-methodischen 173 und einen theoretischen. Methodologisch-methodisch geht es zum einen um die Frage, ob uns die Art und Weise, wie wir zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis kommen, ihr psychologischer Hergang, etwas über ihre Geltung sage, zum andern darum, ob die Sätze der theoretischen Nationalökonomie, die ökonomischen, später: soziologischen .Gesetze', psychologisch fundiert werden müssen, ob die Psychologie nicht überhaupt eine Art Grundlagenwissenschaft der Sozial- und Kulturwissenschaften sei. Theoretisch geht es um die Frage, welche Prägekraft man

172 Vgl. dazu auch Schluchter, Wolfgang, Max Weber und Alfred Weber. Zwei Wege von der Nationalökonomie zur Kultursoziologie, in: Hans G. Nutzinger (Hg.), Zwischen Nationalökonomie und Universalgeschichte. Alfred Webers Entwurf einer umfassenden Sozialwissenschaft in heutiger Sicht. - Marburg: Metropolis Verlag 1995, S. 1 9 9 - 2 1 9 (hinfort: Schluchter, Alfred Weber). 173 Der Begriff methodologisch wird hier im Sinne Heinrich Rickerts verwendet, der zwischen konstitutiven und methodologischen Kategorien unterscheidet. Die Abgrenzung der Kulturwissenschaften von den Naturwissenschaften ist danach kein erkenntnistheoretisches, sondern ein methodologisches Problem. Der Begriff methodisch dagegen bezieht sich auf Datenerhebung und -analyse. Ob Beobachten oder Verstehen, ist in diesem Sinne ein methodisches Problem. Weber wählt öfter die Kombination logischmethodisch, läßt also offen, ob er erkenntnistheoretische oder methodologische Fragen behandelt.

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.Erziehung und Tradition', kurz: Kultur, g e g e n ü b e r V e r e r b u n g und psychophysischer Apparatur z u r e c h n e n dürfe, wie also Natur-, Sozial- und Kulturbezug des Handelns zueinander stehen. Nicht alle drei Fragen w e r d e n in den hier edierten Texten erörtert. A b e r alle drei spielen in die darin vorgetrag e n e A r g u m e n t a t i o n hinein. Bereits 1905, in s e i n e m zweiten Artikel über „ R o s c h e r und Knies und die logischen Probleme der historischen N a t i o n a l ö k o n o m i e " , 1 7 4 hatte sich Max Weber mit z w e i herausragenden Vertretern der e x p e r i m e n t a l p s y c h o l o g i s c h e n Richtung kritisch beschäftigt: mit d e m s c h o n erwähnten Wilhelm W u n d t und mit H u g o Münsterberg. Hier ging es allerdings noch nicht in erster Linie um m e t h o d i s c h e und t h e o r e t i s c h e Fragen. Im Mittelpunkt standen vielmehr m e t h o d o l o g i s c h e Fragen, genauer: solche einer M e t h o d o l o gie der Geistes- bzw. der Kulturwissenschaften. W u n d t und M ü n s t e r b e r g hatten, jeder auf seine Weise, die nicht zuletzt unter ihrem Einfluß aus der Philosophie herausgelöste Experimentalpsychologie wieder auf diese bezogen, o h n e ihre A u t o n o m i e a u f z u h e b e n . W u n d t entwickelte eine M e t h o d o logie der G e i s t e s w i s s e n s c h a f t e n , M ü n s t e r b e r g eine der Kulturwissenschaft e n , 1 7 5 w o b e i z w i s c h e n beiden k e i n e s w e g s Ü b e r e i n s t i m m u n g bestand. Beide freilich wollten einen idealistischen Wall g e g e n d e n p s y c h o p h y s i s c h e n Materialismus errichten. Z u m i n d e s t M ü n s t e r b e r g s G r u n d z ü g e der Psychologie, in deren e r s t e m Band, d e m allgemeinen Teil, er die physiologis c h e Psychologie mit Fichtes e t h i s c h e m Idealismus zur S y n t h e s e zu bringen s u c h t e , 1 7 6 hielt Max W e b e r für ein geistvolles B u c h 1 7 7 und für ein bleibend wichtiges W e r k . 1 7 8

174 Weber, Max, Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie. II. Knies und das Irrationalitätsproblem, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 29. Jg., 4. Heft, 1905, S. 8 9 - 1 5 0 (hinfort: Weber, Irrationalitätsproblem II), S. 96ff. Der erste Artikel über Roschers .historische Methode' war in demselben Jahrbuch, 27. Jg., 4. Heft, 1903, S. 1 - 4 1 erschienen (hinfort: Weber, Irrationalitätsproblem I), der dritte folgte im 30. Jg., 1. Heft, 1906, S. 8 1 - 1 2 0 (hinfort: Weber, Irrationalitätsproblem III) (MWG I/7). 175 Hierzu Wundt, Logik II,2, überschrieben: Logik der Geisteswissenschaften. Ein Exemplar mit Max Webers Marginalien ist erhalten. Wundt schrieb darüber hinaus auch eine zweibändige Ethik. Ferner Münsterberg, Psychologie, Band 1. Auch hier ist ein Exemplar mit Max Webers Marginalien erhalten. 176 Ebd., S. VIII. 177 Vgl. Weber, Irrationalitätsproblem II, S. 117. 178 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung von Wundt und Münsterberg, die Max Weber 10 Jahre nach seiner Auseinandersetzung mit deren methodologischen Auffassungen gab. Nach dem Tod von Münsterberg hatte Heinrich Rickert eine Würdigung seines Werks geschrieben. Max Weber reagierte darauf. In einem Brief an Rickert heißt es, Oberflächlichkeit sei eine „inhärente Eigenschaft aller nicht streng exakten .Psychologen' (außer Jaspers und ähnliche[n], aber einschließlich Wundt, Külpe, e tutti quanti)". Von diesem Vorwurf nahm er aber Münsterberg ausdrücklich aus. Denn es heißt weiter: „Die Würdigung der .Einleitung in die Psychologie' würde ich gern noch

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Max Webers Interesse in dieser Auseinandersetzung war auf zwei Verhältnisse gerichtet: auf das von Bewerten und Erkennen und auf das von Erleben und Erkennen, wobei Verstehen, Deuten, für ihn zum Erkennen gehört. Wundt bestimmte aus Webers Sicht das erste, Münsterberg das zweite Verhältnis falsch. Wundts Fehler war üblich, Münsterbergs Fehler mißlich, weil damit ein Vertreter der Experimentalpsychologie in eine merkwürdige Nähe zu Wilhelm Diltheys verstehender Psychologie geriet. Dilthey hatte ja zwischen einer experimentellen und einer beschreibenden oder zergliedernden, einer an äußeren und einer an inneren Wahrnehmungen anschließenden Psychologie unterschieden und letztere, die verstehende, nicht aber erstere, die erklärende, zur Grundlagenwissenschaft der Geistes- bzw. Kulturwissenschaften erhoben. 179 Damit überzeugte er manche Fachwissenschaftler, auch Nationalökonomen der historischen Richtung, nicht jedoch Max Weber, der, unter dem Einfluß von Heinrich Rickerts logischer Grundlegung der Kulturwissenschaften, gegenüber Diltheys psychologischer Grundlegung stets kritisch blieb. 180 Max Weber zerpflückte zunächst Wundts Theoreme von der schöpferischen Synthese und von dem Wachstum der psychischen Energie, mit deren Hilfe dieser Kulturentwicklung mit Kulturfortschritt identifiziert und zugleich das Hineinwirken zeitloser Werte in das historische Geschehen gedacht habe. 181 Ersah darin Rückstände eines metaphysischen Glaubens,

etwas wärmer (im Kolorit der Sprache, nicht: im Sinn) sehen. Es ist doch die wirklich konsequente und philosophische Vollendung der Avenarius'schen Arbeit und insoweit genetisch in gewissem Sinn mit Ihrer eigenen Entwicklung verbunden, die doch auch jenes Durchgangsstadium (als Durchgang) einmal passiert hat, wie Sie mir früher einmal hübsch auseinandersetzten. Es ist doch [ein] Buch, von welchem die .Psychologen' gar nicht ahnen, wie er[nst] gerade sie es nehmen müßten." Brief Max Webers an Heinrich Rickert, undatiert, GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 94 (MWG II/9). 179 Vgl. Dilthey, Wilhelm, Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie, in: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Jahrgang 1894, Zweiter Halbband. Juni bis Dezember. - Berlin: Verlag der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften 1894, S. 1309-1407; wiederabgedruckt in: ders., Gesammelte Schriften, Band 5. - Stuttgart, Göttingen: B. G. Teubner, Vandenhoeck & Ruprecht, 3., unveränd. Aufl. 1961, S. 139-240 (hinfort: Dilthey, Psychologie). 180 Man denke nur an das Diktum in Max Webers Brief an Heinrich Rickert vom 3. Nov. 1907, in dem er auf Rickerts 2. Auflage der Geschichtsphilosophie reagierte und schrieb: „Dilthey kommt S.393 oben doch wohl zu gut weg: sein Aufsatz /'sf doch konfus." Vgl. MWG II/5, S.416f. 181 Eine unter diesem Gesichtspunkt typische Formulierung Wundts findet sich im 3. Band seiner Physiologischen Psychologie, wo er die Prinzipien psychischer Kausalität erörtert. Dort spricht er allerdings von schöpferischen Resultanten, nicht von schöpferischer Synthese. Es heißt dort auf S. 778: „Wo wir uns auch umsehen mögen im Gebiet jener Vorgänge, die wir im weitesten Sinne als .psychische Verbindungen' bezeichnen, oder - da alle wirklichen seelischen Vorgänge zusammengesetzt, also Verbindungen sind

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der zwar an Kants Gedanken von der Kausalität durch Freiheit erinnere, aber ohne dessen „grandiosen und vor allem in seinem logischen Wesen rückhaltlos unverhüllten Charakter", 182 also Kant gegenüber eine Degeneration darstelle. 183 Solchem idealistisch verbrämten Psychologismus hielt Weber vier Argumente entgegen: Emergenzgebe es nicht nur bei Kultur-, sondern auch bei Naturvorgängen; schöpferische Synthese dürfe nicht als Realgrund, sondern müsse als Erkenntnisgrund und insofern als theoretische Wertbeziehung aufgefaßt werden; Bewertungen ließen sich zwar durch physiologische, psychologische, biogenetische, soziologische oder historische Analysen erklären, dies sage aber nichts über deren Geltung; und selbst der Wert erfahrungswissenschaftlicher Erkenntnis sei erfahrungswissenschaftlich nicht begründbar, sondern Resultateines Werturteils. Besonders der letzte Punkt war ihm wichtig, hing er doch eng mit der Forderung zusammen, alle Erfahrungswissenschaften seien auf Werturteilsfreiheit zu verpflichten. Sie könnten Werte im allgemeinen und so auch den Wert ihres Tuns im besonderen aus sich heraus weder legitimieren noch negieren: „Es gibt schlechterdings keine Brücke, welche von der wirklich nur .empirischen' Analyse der gegebenen Wirklichkeit mit den Mitteln kausaler Erklärung zur Feststellung oder Bestreitung der .Gültigkeit' irgendeines Werturteils führt". 1 8 4

- wo wir uns auch umsehen mögen im weiten Bereich psychischer Erscheinungen überhaupt: immer und überall tritt uns als der hervorstechende Charakterzug der entgegen, dass das aus irgend einer Anzahl von Elementen entstandene Product mehr ist als die bloße Summe der Elemente, und mehr ist als ein diesen Elementen gleichartiges, nur etwa nach seiner Beschaffenheit irgendwie qualitativ oder quantitativ abweichendes Product, sondern dass es ein neues, nach seinen wesentlichsten Eigenschaften mit den Factoren, die bei seiner Bildung zusammenwirkten, schlechthin unvergleichbares Gebilde ist. Diese fundamentale Eigenschaft des psychischen Geschehens wollen wir das Princip der schöpferischen Resultanten nennen. Das Wort Resultanten soll andeuten, dass es einzelne empirisch nachweisbare Elemente oder Verbindungen sind, aus denen jene in einer analogen festen Gesetzmäßigkeit hervorgehen, wie sich die Componenten einer mechanischen Bewegung zu ihren Resultanten zusammensetzen. Das Prädicat schöpferisch soll aber hervorheben, dass nicht, wie bei einer resultirenden Bewegung, der entstehende Effect von gleicher Art und Werthgattung ist, wie seine Componenten, sondern dass er ein specifisch neues, in den Elementen vorbereitetes, aber nicht vorgebildetes Erzeugnis, und dass sein Werthcharakter ein neuer, ein solcher höherer Stufe ist." Weber bezieht sich allerdings nicht darauf, sondern auf Wundt, Logik II,2, S. 241 - 2 9 7 , bes. S. 2 6 7 - 2 8 1 . Das Prinzip der schöpferischen Synthese dort S. 267ff., das Prinzip des Wachstums der psychischen Energie dort S. 276 ff. Webers Marginalien enthalten schon die wesentlichen Gegenargumente, die im Aufsatz entwickelt werden. 182 Weber, Irrationalitätsproblem II, S. 109. 183 Ähnliches hatte Weber zuvor schon zum Verhältnis von Wilhelm Roscher und Hegel festgestellt. Vgl. Weber, Irrationalitätsproblem I, S. 41. 184 Weber, Irrationalitätsproblem II, S. 107.

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Im Vergleich zu Wundt lag Münsterbergs Fehler an anderer Stelle. Er neigte aus Webers Sicht zu einer falschen Polarisierung von Erkennen und Erleben, indem er den Unterschied zwischen Natur- und Kulturwissenschaft darauf bezog. Dies führte ihn zu der Unterscheidung zwischen objektivierender und subjektivierender Betrachtungsweise. Dem objektivierenden und wertfreien Analysieren von Naturvorgängen bei Trennung von Subjekt und Objekt stehe das unmittelbare und wertende Verstehen von Willenshandlungen bei Einheit von Subjekt und Objekt gegenüber. Damit einher gehe die Vorstellung, die Kategorie der Kausalität sei zwar auf Naturvorgänge, nicht aber auf Willenshandlungen anwendbar. Auch dieser Auffassung hielt Weber zunächst entgegen, die Entstehung von Erkenntnis dürfe nicht mit ihrem logischen Sinn und ihrer empirischen Geltung verwechselt werden. Und er ergänzte: Intuition spiele bei der Entstehung von Erkenntnis über Kultur- wie über Naturvorgänge eine wichtige Rolle, und auch dort, wo Vorgänge verstehbar seien, gehöre die Evidenz des Verstandenen noch zur Erkenntnispsychologie. Alles Erkennen, einschließlich des Verstehens, verlange Objektivierung, und diese bewirke etwa im Falle der Einfühlung keinerlei Spaltung des Ichs, „sondern die Verdrängung des eigenen Erlebnisses durch die Besinnung auf ein fremdes als .Objekt'," sobald die Reflexion einsetze. 185 Daran ändere sich auch nichts, wenn es sich bei dem .Objekt' nicht etwa um Gedanken, sondern um Gefühle handle. Hier potenziere sich zwar das Problem relativer Unbestimmtheit, mit dem die Kulturwissenschaft ganz allgemein zu kämpfen habe. Eine logische Sonderstellung der nacherlebenden Deutung von Gefühlen aber begründe sich daraus nicht. Gewiß blieben Gefühle auch nach ihrer begrifflichen Bearbeitung relativ unbestimmt, aber nicht, weil sie Gefühle, sondern weil sie Qualitäten seien. Weber bemerkte ausdrücklich, all dies treffe gerade auch für psychopathologische Forschung zu. Auch sie verlange, um den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit überhaupt erheben zu dürfen, „die Verknüpfung des einfühlend nacherlebten seelischen Zusammenhanges mit den aus der allgemeinen psychiatrischen .Erfahrung' gewonnenen Begriffen" , 1 8 6 Wo sich ein Erfahrungswissenschaftler, etwa ein Historiker, an unser Gefühl wende, also ein begrifflich nicht artikuliertes Erlebnis provoziere, handle es sich entweder „um eine Stenographie für die Darstellung von Teilerscheinungen seines Objekts, deren begriffliche Bestimmtheit für den konkreten Erkenntniszweck ohne Schaden unterlassen werden" könne, oder aber um ein Erkenntnismittel, sei es als Veranschaulichung, durch die Wertgefühle provoziert würden, sei es als Aufforderung, eine Wertinter-

185 Weber, Irrationalitätsproblem III, S.83. 186 Ebd., S. 87, Fn. 1. Weber verbindet dies mit deutlichen Reserven gegen die Psychoanalyse.

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pretation zu vollziehen. 1 8 7 So wichtig es sei, eine Theorie der Deutung für die Analyse von sinnhaften Vorgängen zu entwickeln, so wenig seien deutende Wissenschaften subjektivierend. 1 8 8 Damit werde auch die Vorstellung hinfällig, Deuten könne nicht Erklären sein. 1 8 9 Die Psychologie, gleich welcher Art, ist also für Max Weber keine Grundlagenwissenschaft der Kultur- und Sozial Wissenschaften. Sie ist eine an Problemen ausgerichtete und darauf spezialisierte Erfahrungswissenschaft, eine Erfahrungswissenschaft mit eigenem Erkenntnisziel. Sofern sie in ihrem Problembereich mit sinnhaften Vorgängen konfrontiert ist, verwendet sie, wie alle Erfahrungswissenschaften, die Sinnhaftes objektivieren, neben der Beobachtung auch die Deutung. Um es mit der späteren Begrifflichkeit zu sagen: Sie deutet entweder aktuell oder motivationsmäßig oder rekonstruktiv. 1 9 0 In den ersten beiden Fällen kann die Deutung entweder rational oder einfühlend-nacherlebend, im dritten Fall nur rational erfolgen. Alle diese Deutungen verlangen zunächst einmal Evidenz. Diese aber gehört zum Entstehungs-, nicht zum Geltungszusammenhang der Erkenntnis. Keine noch so evidente Deutung ist auch schon eine aktuell, motivationsmäßig oder rekonstruktiv gültige. Um sie dazu zu machen, bedarf es zusätzlicher Operationen. Sie haben alle mit Erfahrungsprobe oder Erfolgskontrolle zu tun. Obgleich Max Weber damit die Psychologie als Grundlagenwissenschaft auch für die Handlungswissenschaften im engeren Sinne ablehnte, bestritt er nicht, daß es zusätzlich zur physiologischen Psychologie, zur Experimentalpsychologie, auch eine verstehende Psychologie geben könne. Im Gegenteil: Die Tatsache, daß Karl Jaspers eine solche, nicht zuletzt angeregt durch ihn, für die Psychopathologie ausarbeitete, ohne sie einfach an die

187 Vgl. ebd., S.96ff„ Zitats.96. 188 Schon 1903, mit Beginn seiner methodologischen Erörterungen, betonte Max Weber, „daß der Ablauf menschlichen Handelns und menschlicher Äußerungen jeder Art einer sinnvollen Deutung zugänglich" sei, und daß dieses Spezifikum es rechtfertige, sie in einer Sondergruppe zusammenzufassen. Zur Bezeichnung dieser Sondergruppe wählte er noch den Begriff Geisteswissenschaften. Er fuhr fort: „In den Irrtum, für sie eine der Rolle der Mathematik entsprechende Grundlage in einer erst noch zu schaffenden systematischen Wissenschaft der Sozialpsychologie für nötig zu halten, braucht man, wie später zu erörtern sein wird, deshalb noch nicht zu verfallen." Weber, Irrationalitätsproblem I, S. 13, Fn. Die letzte Bemerkung richtet sich natürlich gegen Lamprecht, aber zumindest indirekt auch gegen Dilthey und alle seine .Schüler1. 189 Dies heißt nicht, daß alles Deuten kausales Deuten sei. Es gilt nur für das Deuten aus Motiven, nicht aber für das Deuten von Sinnzusammenhängen. Dieses Deuten ist akausal. 190 Vgl. dazu Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Sozialökonomik, III. Abteilung. I. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Erster Teil. -Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1921, Kap. 1 (hinfort: Weber, Soziologische Grundbegriffe) § 1 , 5 (MWG I/22). Zuvor aber schon Weber, Irrationalitätsproblem II, S. 138ff. (im Anschluß an Georg Simmel).

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Stelle der Experimentalpsychologie zu setzen, 191 und daß er dann Jaspers' Versuch als auch für die Soziologie äußerst relevant einstufte, 192 zeigt, daß er gegen eine recht verstandene verstehende Psychologie keinerlei Vorbehalt hegte. Aber wem vor Jaspers war es gelungen, eine recht verstandene verstehende Psychologie vorzulegen? 193 Jaspers selbst stellte ja fest, die von vielen Seiten geforderte verstehende Psychologie sei nirgends „zusammenhängend und systematisch bearbeitet". Das Beste finde sich,

191 Vgl. Jaspers, Karl, Allgemeine Psychopathologie. Ein Leitfaden für Studierende, Ärzte und Psychologen. - Berlin: Springer 1913 (hinfort: Jaspers, Psychopathologie). 192 Dazu Weber, Max, lieber einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, hg. von R. Kroner und G. Mehlis, 4. Band, 3. Heft, 1913, S. 253-294 (hinfort: Weber, Kategorien), S.253, Fn.1 (MWG 1/12). 193 Ein Kandidat dafür war natürlich Freuds Traumdeutung. Doch sie stieß auf erhebliche Rezeptionshemmungen. Freud beklagte sich anläßlich der zweiten Auflage von 1908 bitter darüber. Vgl. Freud, Sigmund, Die Traumdeutung, in: ders., Gesammelte Werke, hg. von Anna Freud et al. - Frankfurt/Main, 3. Aufl. 1961, 2. und 3. Band, S. IX f. (Die erste Aufl. war 1900 in Wien bei F. Deuticke erschienen.) Freud spielte allerdings bei den Psychologen um Weber eine nicht unbeachtliche Rolle. So urteilte zum Beispiel Willy Hellpach: „So stark meine Bedenken gegen viele Einzelheiten der explorativen wie der interpretativen Methode Freuds bis heute auch geblieben sind, so wüßte ich doch im Bereiche der theoretischen Psychopathologie außer den experimentellen Forschungen der Heidelberger Schule keine Leistung der letzten Jahrzehnte, die an anregender Kraft sich den Arbeiten Freuds an die Seite zu stellen vermöchte." Hellpach, Willy, Grundlinien einer Psychologie der Hysterie. - Leipzig: Wilhelm Engelmann 1904 (hinfort: Hellpach, Hysterie), S.38. Ähnlich urteilte später Hans W. Gruhle, vgl. Gruhle, Symptom, bes. S. 159ff. Hellpachs Vorbehalte allerdings wuchsen. So heißt es an anderer Stelle: „[...] wie der Traum zur Entfaltung kommen läßt, was dem wachen Leben durchzudenken verwehrt bleibt", diesen Gedanken herausgearbeitet zu haben, sei das Verdienst der Freudschen Traumtheorie, „deren einzelne Bestandteile ich je länger je mehr für unhaltbare Übertreibungen halten muß." Hellpach, Willy, Religiöse Wahnbildung bei thyreogener Erregung. Eine psychopathologische Analyse, in: Zeitschrift für Religionspsychologie, Band 1, Heft 9, 1908, S. 360-382, hier S. 373. Weber selbst hatte Freuds wichtigste Veröffentlichungen zumindest bis 1907 gelesen. In einem Brief an Else Jaffe heißt es: „Die Theorien von S. Freud, die ich jetzt auch aus seinen größeren Schriften kenne, haben sich im Lauf der Jahre (zugestandenermaßen) stark gewandelt und sind, nach meinem (laienhaften) Eindruck, noch jetzt keineswegs in ihre endgültige Fassung gebracht." Es sei zwar nicht auszuschließen, daß Freuds Gedankenreihen „für ganze Serien von kultur-, speziell religions-historischen und sittengeschichtlichen Erscheinungen zu einer Interpretationsquelle von sehr großer Bedeutung werden können, - wenn auch freilich, von der Warte des Kulturhistorikers aus abgeschätzt, ganz entfernt nicht von so universeller, wie der sehr begreifliche Eifer und die Entdeckerfreude von Freud und seinen Jüngern dies annimmt. Vorbedingung wäre die Schaffung einer exakten Casuistik von einem Umfang und einer Sicherheit, wie sie heute - trotz aller Behauptungen - eben nicht, sondern vielleicht in 2 - 3 Jahrzehnten bestehen wird: man muß nur verfolgen, was Freud alles in e/'nem Jahrzehnt wieder geändert hat und wie erschreckend klein, trotz Allem, noch immer sein Material ist (was sehr begreiflich und gar kein Vorwurf ist)." MWG II/5, S. 394 ff. Auch Jaspers Urteil ging in eine ähnliche Richtung.

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„umrankt von Lebensweisheiten, philosophischen Betrachtungen und charakteroiogischen Wertungen, in den Schriften der bedeutenden philosophischen Essayisten", ferner bei Nietzsche und, mit gewissen Vorbehalten, bei Freud. 194 Weber sprach in solchen Fällen von den Psychologen mit Geist, denen man, wie Dilettanten auch sonst, durchaus wertvolle Gesichtspunkte verdanke. Wo es um die harten Fragen der Erfahrungswissenschaft ging, hielt er sich wohl doch lieber an die Experimentalpsychologie. Folgerichtig lehnte es Max Weber denn auch ab, die subjektive Wertlehre der Nationalökonomie mit mehr .Psychologie' zu unterfüttern. Zwar stand er der „Aufklärungs-Psychologie", überhaupt jeder konkretistischen Triebtheorie, also auch der des Eigennutzes, kritisch gegenüber, 195 aber die nationalökonomische Theoriebildung komme durch eine Überwindung dieser „einfachen Psychologie" nicht voran, so notwendig diese auch zur Vermeidung von methodologischen Selbstmißverständnissen sei. Die Nationalökonomie stelle sich vielmehr, durchaus an Tatsachen der Alltagserfahrung anknüpfend, theoretisch eine Mehrheit von Menschen vor, „deren jeder streng .rational' über die ihm, rein faktisch oder durch den Schutz einer .Rechtsordnung', verfügbaren .Gütervorräte' und .Arbeitskräfte' zu dem alleinigen und ausschliesslichen Zweck disponiert, auf friedlichem Wege ein ,Optimum' von Sättigung seiner verschiedenen mit einander konkurrierenden .Bedürfnisse' zu erreichen." 1 9 6 Sie verwende dabei zum Beispiel den Begriff des Bedürfnisses. Doch würde er im Sinne unserer Alltagserfahrungen, aus der Sicht des Fachpsychologen also vulgärpsychologisch, gebraucht. Der Nationalökonom müsse nicht wissen, welche Selektionen und Abstraktionen ein generalisierend verfahrender Psychologe für seine Fragestellungen durchzuführen habe, um die psychophysischen und physiologischen Eigenschaften zu analysieren, die dem Wirtschaftshandeln zweifellos auch zugrunde lägen. Die Nationalökonomie unterscheide sich von der Psychologie dadurch, daß sie nicht nach innen, sondern nach außen blicke, „nicht eine .psychologische' Analyse der .Persönlichkeit'" vornehme, „sondern vielmehr die Analyse der .objektiv' gegebenen Situation",197 Im Sommer 1908, als Max Weber begann, seine Auffassungen über die Übungs- und Ermüdungsforschung der Kraepelinschule unterdem Arbeitstitel „Die experimentalpsychologischen Untersuchungen über die Bedingungen der Arbeit" 1 9 8 niederzuschreiben, wandte ersieh mit diesem Argu-

194 Jaspers, Psychopathologie, S. 153. Zu Freud S. 150. 195 Vgl. etwa Weber, Irrationalitätsproblem I, S.30ff. 196 Weber, Grenznutzlehre, S. 551 f. 197 Weber, Irrationalitätsproblem III, S. 105. 198 So der Arbeitstitel der Aufsatzfolge Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. Vgl. die Ankündigung des Textes im AfSS, Band 27, Heft 2,1908.

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ment gegen den Versuch, die Nationalökonomie zu einem „Anwendungsfall" psychologischer Gesetze zu erklären. Nationalökonomische Aussagen hätten unabhängig von psychologischen und biologischen .Gesetzen' Gültigkeit. 199 Dies bedeute allerdings nicht, daß nicht auch von den Naturwissenschaften erforschte Zusammenhänge in der empirischen Analyse des Wirtschaftslebens berücksichtigt werden müßten. Auch seien nicht nur mathematische, sondern auch gewisse biologische Denkformen „bei uns heimatsberechtigt". 200 Für den Nationalökonomen sei es also trivial, „daß auf Schritt und Tritt, an unzähligen einzelnen Punkten unserer Disziplin, wir mit der Arbeit auf anderen Forschungsgebieten in fruchtbringendem Austausch der Ergebnisse und Gesichtspunkte stehen und stehen müssen." 2 0 1 Voraussetzung hierfür sei freilich, daß der Nationalökonom dabei die Fragen stellt. 202 Dies gelte auch und gerade für die experimentalpsychologische Forschung. Daran hoffe er demnächst zu zeigen, „welcher Gebrauch z.B. auf dem Gebiete der Erforschung gewisser Bedingungen der Fabrikarbeit" von ihr tatsächlich zu machen sei. 203 Auch Historiker bedienten sich bei kausalen Zurechnungen häufig psychologischen Wissens. 204 Doch wie im Falle der Nationalökonomie, hielten sie sich dabei in der Regel an die Alltagserfahrung und betrieben insofern Vulgärpsychologie. Wo der Historiker mehr wolle, stehe er in der Gefahr, am Ende weniger zu erreichen. Schon in den Studien über den asketischen Protestantismus hatte Weber sich dies an Fällen religiöser Verzückung klargemacht. Gerade im Pietismus sei er auf ein Sich-Verhalten gestoßen, das an Hysterie grenze. 205 Doch Versuche, die damit verbundenen Bewußtseinsinhalte fachpsychologisch zu erhellen, erschienen ihm damals als zumindest verfrüht. Vorerst - so Weber - reiche der einigermaßen gesicherte Begriffsvorrat der Psychologie „ entfernt nicht aus, um für die Zwecke der historischen Forschung auf dem Gebiet unserer Probleme nutzbar gemacht zu werden." 2 0 6 Die Verwendung fachpsychologischer Begriffe durch den Historiker - nicht zuletzt eine Polemik gegen Lamprecht - laufe allemal Gefahr, den „falschen Anschein erhöhter begrifflicher Exaktheit zu

199 Vgl. Weber, Grenznutzlehre, S. 552 f. 200 Ebd., S. 553. 201 Ebd. 202 Vgl. ebd. 203 Ebd. 204 Vgl. Weber, Irrationalitätsproblem III, S. 87f. 205 Vgl. Weber, Grenznutzlehre, S. 553. 206 Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist" des Kapitalismus. II. Die Berufsidee des asketischen Protestantismus, in: AfSS, Band 21, Heft 1, 1905, S. 1 - 1 1 0 (MWG) I/9), S. 45, Anm. Diese Formulierung schwächte er in der überarbeiteten Fassung ab und erweiterte sie um die Psychiatrie, vermutlich Resultat der intensiven Beschäftigung mit der entsprechenden Literatur in den Jahren 1908/1909.

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erzeugen" 2 0 7 Dies gefährde die Unbefangenheit gegenüber dem Material. Eine gewisse Ausnahme bildeten die Arbeiten von Willy Hellpach. Dessen Versuch, psychopathologische Begriffe bei der Deutung historischer Massenerscheinungen anzuwenden, sei trotz des schädlichen Einflusses, den Lamprecht darauf ausübe, durchaus aussichtsreich. 208 Hellpach war Schüler Wundts und „Volontärassistent" bei Kraepelin, und er wurde 1906 von der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg hilfsweise für die Technische Hochschule Karlsruhe für Psychologie habilitiert. 209 Wie im Editorischen Bericht zur Aufsatzfolge über die Psychophysik der industriellen Arbeit ausgeführt, gab es zwischen ihm und Max Weber wohl seit 1905 einen durchaus intensiven wissenschaftlichen Dialog. Hellpach hatte seine zeitdiagnostische Studie über Nervenleben und Weltanschauung im Frühsommer 1903 in Heidelberg entworfen und parallel zu Webers Protestantismusstudien, aber ohne Stellungnahme dazu, durchgeführt und 1906 veröffentlicht. Darin bekannte er sich zwar weiter zu Wundt, begab sich nun aber zu Lamprecht in kritische Distanz. 210 Dies könnte auf Max Weber zurückgehen. Jedenfalls gehörte Willy Hellpach noch vor Hans W. Gruhle und Karl Jaspers zu Webers wichtigsten Gesprächspartnern in Sachen Experimentalpsychologie und Psychopathologie. 211 Weber versprach sich also von den wissenschaftlichen Fortschritten der Psychologie keine unmittelbaren Wirkungen auf die nationalökonomische Theoriebildung: Wo der Psychologe „eine ganze Serie der schwierigsten Rätsel für seine Fragestellungen" sehe, frage der nationalökonomische Theoretiker „mit keinem Worte" , 2 1 2 Auch die Erweiterung der Psychologie um eine verstehende Richtung schien daran für ihn nichts zu ändern. Denn der nationalökonomische Theoretiker deute zwar, aber er deute pragmatisch, gemäß der Logik einer Handlungssituation. Die Nationalökonomie gehe ihren Weg, „ohne sich auch nur im geringsten darum zu kümmern, ob Materialismus, Vitalismus, psychologischer Parallelismus, irgend eine der

207 Ebd. 208 Vgl. dazu Hellpach, Willy, Nervosität und Kultur. - Berlin: Räde 1902, und ders., Hysterie. 209 Vgl. seine Autobiographie Wirken in Wirren, Band 1. - Hamburg: Wegner 1948. Weber war indirekt bei seinem Habilitationsverfahren behilflich, vgl. die Briefe von Max Weber an Willy Hellpach von Anfang 1906, in: MWG II/5, S. 26, 34, 35 und 39. 210 Vgl. Hellpach, Willy, Nervenleben und Weltanschauung. Ihre Wechselbeziehungen im deutschen Leben von heute. - Wiesbaden: J. F. Bergmann 1906, Vorwort. Webers Reaktion darauf in MWG II/5, S.25f. 211 Vgl. Frommer, Sabine, Bezüge zu experimenteller Psychologie, Psychiatrie und Psychopathologie in Max Webers methodologischen Schriften, in: Max Webers Wissenschaftslehre, hg. von Gerhard Wagner und Heinz Zipprian. - Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1994, S. 239-258. 212 Weber, Grenznutzlehre, S. 552.

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Wechselwirkungstheorien, das Lipps'sche oder das Freud'sche oder ein sonstiges .Unbewußtes' usw. brauchbare Grundlagen für psychologische Disziplinen bilden, ja, unter ausdrücklicher Versicherung: daß für ihre Zwekke ihr all dies schlechthin gleichgültig sei" . 2 1 3 Nationalökonomie, Soziologie und Geschichtswissenschaft sind nach Weber zunächst Handlungswissenschaften, die nicht eigens fachpsychologisch fundiert werden müssen. Sie unterscheiden sich zwar danach, ob sie generalisierend oder individualisierend verfahren, nicht aber danach, ob sie einer objektivierenden oder einer subjektivierenden und insofern psychologisierenden Betrachtungsweise huldigen. Alle verfahren objektivierend und, nicht zu vergessen, deutend. Letzteres freilich nur dann, wenn im Objektbereich Sinnhaftes vorhanden ist. Sinnhaftes und Psychisches - so Webers durch Rickert gestützte Meinung - kommen aber nicht zur Dekkung. 214 Es gibt sowohl sinnfreies Psychisches wie sinnhaftes Physisches. Ersteres ist zwar vielleicht nicht für die theoretische Nationalökonomie, wohl aber für andere Handlungswissenschaften von Interesse. Denn es existieren nicht nur Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, sondern auch solche des Motivationsverstehens. Lädt der Begriff Psychophysik nicht geradezu dazu ein, diese zweite Grenze genauer zu bestimmen? Wie weit können wir eigentlich den Menschen verstehen, der - wie Weber einmal formuliert - .hinter' einem Sich-Verhalten steht? Diese Frage wird besonders dringlich, wenn man sich klarmacht, daß die nationalökonomische Theorie deshalb pragmatisch, gemäß der Logik einer Situation, deutet, weil sie unterstellt, der Handelnde sei von Zweck-Maximen geleitet und passe sich deshalb im Rationalitätsfalle an die Situation, in diesem Fall an die Marktlage, vollständig an. Aber nicht alles Sich-Verhalten ist an Erfolg orientiert. Wie Weber in seiner Stammler-Rezension überzeugend darlegte, gibt es auch ein Sich-Verhalten, das sich von Norm-Maximen leiten läßt. 215 Mehr noch: Zwar ist regelgeleitetes Handeln regelmäßig, aber nicht alles regelmäßige Handeln auch regelgeleitet. Zudem ist das Maß von Bewußtheit verschieden, in dem eine Zweckmäßigkeits- oder Geltungsvorstellung das Sich-Verhalten mitbestimmt. Je weiter aber das Handeln von der bewußten Regelgeleitetheit durch Zweck-Maximen entfernt ist, desto weniger scheint man es rein pragmatisch deuten zu können. Auch wenn

213 Ebd. 214 Vgl. etwa Weber, Max, R. Stammlers .Überwindung' der materialistischen Geschichtsauffassung, in: AfSS, Band 24, Heft 1,1907, S. 9 4 - 1 5 1 (hinfort: Weber, Stammler), S. 128, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Übernahme von Rickerts Kulturbegriff S. 137, Fn. 12. Ferner Weber, Max, Rez. von Adolf Weber, Die Aufgaben der Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft, in AfSS, Band 29, Heft 2, 1909, S. 615-620 (hinfort: Weber, Ad. Weber-Rezension) (MWG 1/12). 215 Vgl. Weber, Stammler, S. 126ff.

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man die Psychologie als Grundiagenwissenschaft der Kultur- und Sozialwissenschaften ablehnt, stehen doch die psychologischen Prämissen, die gerade in eine erweiterte Theorie der Deutung eingehen und eingehen müssen, zur Diskusison. Es ist also nicht wahr, daß außer der Psychologie keine Handlungswissenschaft ,nach innen' blicke, um eine .psychologische' Analyse der Persönlichkeit zu versuchen. Sobald man das ökonomische Paradigma überschreitet, geht es letztlich um ein Motivationsverstehen, wofür pragmatische Deutung nicht genügt. Wo dies aber der Fall ist - und eine verstehende Soziologie ist eine Handlungswissenschaft, die nach Weber nicht nur pragmatisch deutet - , sind erneut Fragen an die Psychologie zu richten, etwa der Art, wie weit die Regelgeleitetheit des Menschen reicht und wo sie durch physiologische Abläufe begrenzt oder gar gänzlich ausgeschaltet ist. Überblickt man Max Webers Arbeiten bis 1908, so wird deutlich, daß die Grundlinien seiner später von ihm so genannten verstehenden Soziologie zu diesem Zeitpunkt weitgehend festliegen. Aber: Weder die Theorie der Deutung noch die Handlungstheorie sind schon voll ausformuliert. Die Beschäftigung mit der Psychophysik der industriellen Arbeit, insbesondere mit Teilen der experimentalpsychologischen Forschung, förderte diese Ausformulierung. Sie schlug sich in drei Bereichen nieder: in der Theorie der Deutung, in der Handlungstheorie und in der Persönlichkeitstheorie. Zwei der unten edierten Texte sind es vor allem, die in diesem Zusammenhang stärker beachtet werden sollten, als in der Sekundärliteratur üblich: die Denkschrift, mitunter auch als Arbeitsanweisung bezeichnet, die Max Weber für die Mitarbeiter an der Enquete des Vereins für Sozialpolitik verfaßte, und die Aufsatzfolge Zur Psychophysik der industriellen Arbeit, die nicht durch den Verein für Sozialpolitik veranlaßt war, sondern seinen eigenen langfristigen Erkenntnisinteressen entstammte. Sie ist freilich mit den Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik insofern verbunden, als Weber für Denkschrift und Aufsatzfolge teilweise auf dieselbe Literatur zurückgriff und in letztere eine kleine Fallstudie einschaltete, bei der er zumindest teilweise auch den Anweisungen seiner Denkschrift folgte. Doch wie bereits gesagt: Anlässe sind das eine, die schrittweise Ausformulierung eines Forschungsprogramms das andere. Während die Editorischen Berichte über die Anlässe ausführlich informieren, wenden wir uns hier ganz dem Forschungsprogramm zu. Was läßt sich aus den beiden Haupttexten dafür lernen? Machen wir uns zunächst die Ausgangsfragen klar. Die erste lautet: Warum kommt es bei der Analyse der wirtschaftlichen Arbeit, der Erwerbsarbeit, zu keiner Kooperation zwischen den Sozialwissenschaften, insbesondere der Nationalökonomie, und den Naturwissenschaften, die im Prinzip möglich wäre? Die zweite lautet: In welchem Sinn und in welchem Maße könnte diese Zusam-

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menarbeit in Zukunft möglich sein? 216 Anders formuliert: Wo berühren sich Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften beim Problem der industriellen Arbeit methodisch und begrifflich, wo sind die naturwissenschaftlichen Ergebnisse, die von den Sozialwissenschaften sachlich zu berücksichtigen wären? Klar ist von vornherein: Es geht Max Weber hier nicht um die ihn zuvor intensiv beschäftigende Frage, wie man gegen die generalisierenden Naturwissenschaften das logische und sachliche Eigenrecht der individualisierenden Kulturwissenschaften, also vor allem das der Geschichtswissenschaften, sichern könne. Es geht ihm vielmehr um die Frage, wie generalisierende Naturwissenschaften und generalisierende Sozialwissenschaften in eine problembezogene Kooperation zu bringen sind. Im Prinzip, so Weber, ist ja diese Kooperation zwischen generalisierenden Naturwissenschaften, die beobachtend erklären, und generalisierenden Sozialwissenschaften, die beobachtend und verstehend erklären, durchaus möglich. Faktisch freilich scheint die Kluft zwischen ihnen (noch) fast unüberbrückbar zu sein. Es ist letztlich der Zweck der Haupttexte, insbesondere natürlich der Aufsatzfolge über die Psychophysik der industriellen Arbeit, diese Kluft genauer auszuleuchten und damit ihr Ausmaß zu bestimmen. Dies gelingt dann am ehesten, wenn es um ein gemeinsames Problem, hier: um das als Leistungsproblem spezifizierte Arbeitsproblem, geht. Aber schon an diesem Punkt kommt es zu Schwierigkeiten: Stimmen denn die Problemfassungen, die Fragestellungen, in Natur- und Sozialwissenschaft tatsächlich überein? Webers Antwort: Mitnichten! Fragt der Experimentalpsychologe nach Kraftersparnis, so der Nationalökonom nach Kostenersparnis, geht es dem ersten um physiologische Rationalität, so dem zweiten um ökonomische Rationalität. Schon die Fragestellungen also divergieren. Dem entspricht eine Divergenz in der Begrifflichkeit. Bezieht sich die eine auf Aspekte der (psychophysischen) Arbeitseignung, so die andere auf Aspekte der (kulturellen) Arbeitsne/gung. Operiert der Experimentalpsychologe eher mit einem somatischen, so der Nationalökonom eher mit einem sozialkulturellen Erklärungsmodell. Tatsächlich hat Kraepelin in Webers Sicht Schwierigkeiten, trotz seines psychophysischen Ansatzes psychische Faktoren in seinem Erklärungsmodell unterzubringen. Und sind nicht schon Begriffe wie Reiz und Arbeitsinteresse heterogen? Doch nicht allein die Fragen und Begriffe divergieren, es divergieren auch die Methoden. Vom Laboratoriumsexperiment der psychophysischen Forschung führe kein direkter Weg zu den Massenbeobachtungen, auf die eine generalisierende Sozialwissenschaft letztlich angewiesen sei. Auch die

216 Vgl. unten, S.163f.

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Kontexte Laboratorium und Fabrik seien radikal v e r s c h i e d e n . Eine ungeheure Kluft gähne noch „ z w i s c h e n der .exaktesten 1 , in der Industrie heute v o r k o m m e n d e n M a ß m e t h o d e und d e m Experiment des P s y c h o l o g e n . " 2 1 7 D e n n o c h hielt es Max W e b e r für reizvoll, ja g e b o t e n , unter Beachtung des Kraepelinschen Begriffsvorrats im Kontext der Fabrik nach e i n e m Äquivalent f ü r d i e Daten der Experimentalpsychologen zu s u c h e n . E r f a n d es in den L o h n b ü c h e r n v o n Firmen, in d e n e n die Leistungswerte ihrer Arbeiter im Zeitverlauf festgehalten waren. A u s d i e s e m Material lasse sich eine der Kraepelinschen A r b e i t s k u r v e ähnliche Leistungskurve konstruieren. Wie dies im einzelnen zu m a c h e n war, illustrierte er anhand des selbst z u s a m m e n g e t r a g e n e n Zahlenmaterials einer Oerlinghauser Weberei, die sich im Besitz seiner V e r w a n d t e n befand. 2 1 8 Zwar seien B e r e c h n u n g e n aus Lohnbüchern kein vollwertiger Ersatz für Laboratoriumsexperimente, aber auf d i e s e m W e g e könne man w e n i g s t e n s an der V e r e n g u n g der m e t h o d i s c h e n Kluft z w i s c h e n Experimentalpsychologie und Nationalökonomie arbeiten. Dies sei außerdem der einzige Weg, „in ganz ungefähren U m r i s s e n ein Bild davon zu g e w i n n e n , ob und an w e l c h e n Stellen man überhaupt C h a n c e hätte, auf , p s y c h o p h y s i s c h ' bedingte M o m e n t e zu s t o ß e n . " 2 1 9 Gilt nun das, was W e b e r für die M e t h o d e sagte, auch für die Begriffe? Nicht o h n e weiteres, d e n n hier geht es nicht einfach um Äquivalenz. Gewiß gibt es Begriffe, die in m e h r e r e n Disziplinen v o r k o m m e n . A b e r ihre B e d e u tung ändert sich mit der Betrachtungsweise, in die sie eingestellt sind. So sei etwa der Begriff O p t i m u m der physiologischen, p s y c h o p h y s i s c h e n und ö k o n o m i s c h e n B e t r a c h t u n g s w e i s e g e m e i n s a m . A b e r er bedeutet etwas anderes, je nachdem, auf w e l c h e n „ t e l e o l o g i s c h e n . F u n k t i o n s w e r t ' " , auf w e l c h e gedachte Einheit des Mannigfaltigen er b e z o g e n sei. 2 2 0 Zwar liegt es nahe, eine V e r e n g u n g der begrifflichen Kluft z w i s c h e n Experimentalpsychologie und Sozialwissenschaft insofern zu erwarten, als die erste von der biologischen Anlage, v o n den physiologischen Faktoren aus, die zweite aber v o m individuellen Lebensschicksal, v o n den kulturellen, sozialen und beruflichen Faktoren aus, z u m p s y c h i s c h e n Habitus k o m m e n k ö n n t e . 2 2 1 A b e r W e b e r blieb in dieser Hinsicht skeptisch: B e t r a c h t u n g s w e i s e n sind ihm w e d e r nach d e m C o m t e s c h e n Hierarchiegesetz g e o r d n e t noch einfach

217 Unten, S. 242. 218 Daß es sich dabei um die Demonstration eines methodischen Vorgehens, nicht aber um die Darbietung von sachlichen Ergebnissen handelte, betonte Max Weber ausdrücklich. Vgl. unten, S.250. 219 Unten, S. 294. 220 Vgl. Weber, Grenznutzlehre, S. 556ff., hier S. 557. 221 Weber verwendet den Habitusbegriff besonders in der Denkschrift, vgl. etwa unten, S. 108.

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k o m p l e m e n t ä r . 2 2 2 Sie bleiben heterogen, weil in letztlich h e t e r o g e n e n einheitsstiftenden gedanklichen G e s i c h t s p u n k t e n verankert. Wie immer, argumentierte W e b e r auch hier nicht in erster Linie ontologisch, s o n d e r n m e t h o dologisch, nicht mit einer O r d n u n g der Dinge oder mit E m e r g e n z n i v e a u s der Wirklichkeit, s o n d e r n mit d e m Z w a n g zu Selektion und Abstraktion, zur gedanklichen Vereinfachung der Wirklichkeit durch den Erkennenden. Es k o m m t denn auch nicht völlig überraschend, daß W e b e r das Ergebnis seines Versuchs, eine Brücke v o n der Nationalökonomie zur Experimentalpsychologie, v o n einer n o m o t h e t i s c h e n Sozialwissenschaft zu einer nom o t h e t i s c h e n Naturwissenschaft zu schlagen, in erster Linie negativ einschätzt, und zwar nicht nur w e g e n der m e t h o d i s c h e n Probleme, s o n d e r n auch w e g e n der B e t r a c h t u n g s w e i s e n und der damit v e r b u n d e n e n Begrifflichkeit. Was durch d e n Versuch vor allem geklärt w e r d e n sollte, die Anteile von Anlage und (individuellem oder kollektivem) Lebensschicksal an der Leistung, ließ sich gerade nicht klären. Weber konstatierte, „daß uns v o n einer .exakten' B e h a n d l u n g der .letzten' Fragen: i n w i e w e i t , e r e r b t e ' Dispositionen einerseits, Einflüsse des Lebensschicksals andrerseits auf die Eignung zur Industriearbeit von Einfluß sein können, selbst dann noch eine weite Kluft t r e n n e n w ü r d e , w e n n die klaffenden Lücken, w e l c h e in der v o r s t e h e n d e n Skizze z w i s c h e n .exakter' p s y c h o p h y s i s c h e r B e o b a c h t u n g und u n s e r e n Beobachtungsmitteln sich zeigten, g e s c h l o s s e n wären, w e n n wir uns also ein laboratoriumsartiges Maß von Genauigkeit in der Erfassung dieser Daten erreicht d e n k e n . " Denn i n s b e s o n d e r e die biologisch orientierte Erörterung der V e r e r b u n g s f r a g e n sei „ h e u t e noch in keiner W e i s e s o w e i t g e d i e h e n [...], daß für unsre Z w e c k e damit etwas Erhebliches an neuen Einsichten zu g e w i n n e n w ä r e . " 2 2 3 Dieses negative Ergebnis ist nun freilich v o n nicht geringer Bedeutung, w e n n man sich Max W e b e r s Stellung zu den v e r s c h i e d e n e n Positionen der sozialwissenschaftlichen Diskussion d e r z e i t verständlich m a c h e n will. Z u nächst spricht bereits aus der letzten Formulierung eine Skepsis g e g e n ü b e r allen V e r s u c h e n zu einer Art Soziobiologie. Dies w u r d e s c h o n w e n i g später, auf d e m Ersten D e u t s c h e n Soziologentag in Frankfurt im Oktober 1910,

222 Dazu die prägnante Formulierung in der Ostwaldkritik: Er wolle klarstellen, „was aller modernen Methodenlehre zum Trotz immer wieder vergessen wird: daß die Comtesche Wissenschaftshierarchie das lebensfremde Schema eines grandiosen Pedanten ist, der nicht begriff, daß es Disziplinen mit gänzlich verschiedenen Erkenntniszielen gibt, von denen jede von gewissen unmittelbaren Alltagserfahrungen ausgehend den Inhalt dieser .unwissenschaftlichen' Erkenntnis unter ganz verschiedenen gänzlich selbständigen Gesichtspunkten sublimieren und bearbeiten muß." Weber, Max, .Energetische' Kulturtheorien, in: AfSS, Band 29, Heft 2 , 1 9 0 9 , S. 5 7 5 - 5 9 8 (hinfort: Weber, Kulturtheorien), S. 586 (MWG 1/12). 223 Unten, S. 365.

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sehr deutlich. Denn hier kritisierte Weber die biologistische Gesellschaftstheorie von Alfred Ploetz. 224 Vergesellschaftungen hingen immer auch mit der Entwicklung von Kulturelementen zusammen. 225 Zwar spielten Erbqualitäten eine Rolle, aber welche, sei weitgehend nicht biologisch, sondern sozial-kulturell bestimmt. Denn Institutionen seien „gewissermaßen die Spielregeln, bei deren faktischer Geltung für die Auslese bestimmte menschliche Erbqualitäten die Chancen haben, zu .gewinnen': aufzusteigen, oder, was damit ja nicht identisch ist, sondern teilweise nach ganz anderen Gesetzen verläuft: - sich fortzupflanzen." 226 In jeder Gesellschaft finde zwar Auslese statt, aberweiche, lasse sich nur empirisch beantworten, und dies auch nur dann, wenn man die Gesellschaftsordnung in die Betrachtung einbeziehe. 227 Doch Weber blieb nicht nur gegenüber biologisch orientierten Erörterungen in den Sozialwissenschaften skeptisch, er blieb es auch gegenüber der Forderung nach überzogener Exaktheit, zumal wenn sie sich noch, wie bei den Nationalökonomen um Richard Ehrenberg, mit einem positivistischen Wissenschaftsverständnis verband. 228 Schließlich hatte das negative Ergebnis auch gleichsam eine private Bedeutung. Es spielte zweifellos eine Rolle in dem weltanschaulichen und wissenschaftlichen Konflikt, der zwischen Max Weber und Alfred Weber ausgebrochen war. Wie bereits erwähnt und im Editorischen Bericht zur Denkschrift ausgeführt, hatte Alfred Webereine Berufung an die Universität Heidelberg akzeptiert und war im Winter 1907/08 von Prag nach Heidelberg gewechselt. Er arbeitete an der Veröffentlichung seiner Standortlehre, die der wichtigste Grund für seine Berufung war. 229 In seiner Prager Zeit, über die wenig bekannt ist, hatte er offenbar eine engere Beziehung zu Christian von Ehrenfels entwickelt und war wohl von dessen vermeintlich exakter

224 Vgl. den Vortrag von Ploetz, Alfred, Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und einige damit zusammenhängende Probleme, in: Verhandlungen 1910, S. 111-136 (hinfort: Ploetz, Rasse), und Weber, Max, Diskussionsbeiträge in der Debatte über Alfred Ploetz, ebd., S. 151 - 1 6 5 (hinfort: Weber, Diskussionsbeiträge 1910) (MWG 1/12). 225 Vgl. Weber, Diskussionsbeiträge 1910, S. 153. 226 Ebd. 227 Ebd. 228 So nahm selbst Schmoller - wie Rüdiger vom Bruch aufzeigt - für einen Teil seiner Forschungen „Exaktheit" in Anspruch, vgl. vom Bruch, Wissenschaft, S.300, Anm. 31. 229 Vgl. Weber, Alfred, Über den Standort der Industrien. 1. Teil, Reine Theorie des Standorts. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1909. Auf die reine Theorie sollte die realistische folgen. Dies unterblieb. Dazu auch Alfred Webers Vorwort im Heft 1 der Reihe Über den Standort der Industrien. 2. Teil: Die deutsche Industrie seit 1860, in: Otto Schlier, Der deutsche Industriekörper seit 1860. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922. Vgl. auch Schluchter, Alfred Weber.

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Evolutionsforschung und von d e s s e n biologisch fundierter gegenbürgerlicher Sexualethik beeindruckt. Im Familienkreis galt er nach seiner Rückkehr jedenfalls als „Naturalist" mit „antimoralistischen P r ä o k k u p a t i o n e n " . Ihn beherrsche der Glaube an die Gottähnlichkeit der N a t u r w i s s e n s c h a f t e n . 2 3 0 Darüber kam es z w i s c h e n den Brüdern zu mitunter heftigen A u s e i n a n d e r setzungen.231 Max W e b e r warnt in den f o l g e n d e n Texten i m m e r wieder davor, beobachtete individuelle oder kollektive Eigenschaften und Verhaltensweisen vorschnell als vererbt a n z u s e h e n und mit Hilfe v o n V e r e r b u n g s t h e o r i e n zu erklären. Diese W a r n u n g richtete sich nicht nur an die Mitarbeiter der Enquete, s o n d e r n auch an Vereinsmitglieder, darunter Alfred W e b e r . 2 3 2 Max W e b e r sprach sich zwar d a g e g e n aus, die Frage der V e r e r b u n g auszuklammern, wie dies Heinrich Herkner offensichtlich zunächst wollte. 2 3 3 Denn sonst ließen sich die t h e o r e t i s c h e n und m e t h o d i s c h e n Schwierigkeiten nicht explizieren, die sich mit d e m V e r e r b u n g s p r o b l e m stellten. Aber er war d o c h zugleich der Meinung, man m ü s s e „ d i e Warnungstafeln vor Voreiligkeit und Dilettantismus noch

dicker unterstreichen, u. sich absolut

skeptisch g e g e n ü b e r den C h a n c e n zeigen, daß jetzt etwas Wesentliches über d i e s e n Punkt h i n a u s z u b e k o m m e n s e i " . D e n n o c h dürfe man „nicht verschweigen,

daß überhaupt irgendwo

u. irgendwie

diese Probleme mit-

spielen".234

230 Vgl. die Briefe von Marianne Weber an Helene Weber vom 7. Jan. 1908 und vom 26. Juni 1908, beide Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz. Marianne Weber berichtet der offenbar um Alfred Webers Geisteshaltung besorgten Mutter über ihre und Max Webers gelegentliche Zusammentreffen mit ihm und die sich dabei ergebenden Diskussionen. Ferner der Brief von Max Weber an Helene Weber vom 14. Aug. 1908, in: MWG II/ 5, S.633. Ähnlich der Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 26. Juni 1908, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz. 231 Vgl. etwa den Brief von Max Weber an Alfred Weber vom 3. Sept. 1907, in: MWG II/5, S. 381. Auch von anderer Seite war Alfred Weber Kritik ausgesetzt: „ - aber in bezug auf die Verankerung seiner Nationalökonomie an der Naturwissenschaft u. dem Darwinismus da wird er offenbar schon umgestimmt, denn überall u. zwar gerade von Naturwissenschaftlern wird ihm hier die .philosophische' Meinung entgegengetragen, daß die N[atur] Wissenschaft] das nicht bieten kann, was er von ihr erwartet. Er hat in seinem Seminar den Dr. Gruhle u. Radbruch u. von denen hört er so ähnliche Thesen wie auch von uns [...]", Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 26.Juni 1908, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz. 232 So Weber in seinem Beitrag zur Diskussion über Arbeiterpsychologie: „Wir wollen uns doch erinnern, daß manche von uns hofften, auf dem Wege solcher Untersuchungen z.B. den Problemen der Vererbung der Berufsqualitäten näher zu kommen." Vgl. unten, S.417. Außerdem stand ja weiterhin die von Brentano schon einmal aufgegriffene und bearbeitete Problematik der Degeneration unter industriellen Verhältnissen als mögliches Vereinsthema an, das im September 1907 noch aufgeschoben worden war. 233 Vgl. Brief Max Weber an Alfred Weber vom 19. Sept. 1908, in: MWG II/5, S. 661 f. 234 Ebd.

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Daß sich Max Webers „Warnungstafeln" auch an den Bruder richteten, macht ein Brief an Hans Gruhle deutlich. Er habe die Literaturübersicht zur Psychophysik der Arbeit nicht zuletzt auch deshalb verfaßt, „um meinem Bruder, der die Enquete mit leiten wird [...] die großen (wohl unübersteiglichen) Schwierigkeiten, auf diesem Wege dem Vererbungsprob\em näher zu kommen, zu demonstrieren." 2 3 5 Auch gegenüber Eberhard Gothein muß sich Max Weber in diesem Sinn geäußert haben. Jener notierte nämlich über ein Gespräch mit ihm im Sommer 1908: „[...] - dann besprach ich mit Weber das Programm der Enquete über Arbeiter-Psychologie, das er jetzt ausgearbeitet hat. Seine Postulate sind gut, geistreich und vorsichtig formuliert, eigens bestimmt, um in den unvergorenen Most seines Bruders [...] Wasser zu giessen." 2 3 6 Alfred Weber gebe ohne alle Anschauung „psychiatrische[s] Gerede von Ermüdungsgrenzen, vererbter Fähigkeit, Belastung" von sich. 237 Dieser sah freilich im Rückblick die Differenzen anders. Er sei während der Vorbereitung der Enquete gegen Max Webers objektivistische Betrachtungsweise angegangen: „Mein Interesse, das durchaus das am persönlichen Schicksal der Arbeiter war, wurde bei den Untersuchungen dann durchkreuzt oder übertönt durch die von meinem Bruder vertretene Fragestellung, die er in dem Aufsatz ,Zur Psychophysik der industriellen Arbeit' [...] niedergelegt hat. Hier ist alles objektive Betriebsanalyse in ihrem Bezug auf die Physis und Psyche der Arbeiterschaft." 238 Doch gerade das vorwiegend negative Ergebnis von Max Webers Ausflug in die Psychophysik und Vererbungslehre hatte für seine sich entwickelnde verstehende Soziologie positive Effekte. An den Arbeiten Kraepelins machte er sich klar, „wie unendlich kompliziert, .energetisch' betrachtet, das Hineinspielen des .Psychischen' in die Psychophysik der Arbeitsich gestaltet", 2 3 9 wie verfehlt deshalb eine rein physiologische, aber auch eine rein kulturalistische Interpretation des Psychischen ist. Mehr noch: Gerade aus Kraepelins Arbeiten ließ sich etwas über die psychophysische Seite von Übung und Gewöhnung lernen. Unterstützt dies nicht die Einsicht, daß weite Bereiche des Sich-Verhaltens regelmäßig ablaufen, ohne deshalb schon bewußt regelgeleitet zu sein?

235 Brief Max Weber an Hans Gruhle vom 13. Okt. 1908, in: MWG II/5, S.675. Max Weber veranlaßte auch, daß Alfred Weber einen Korrekturabzug des „Psychophysik" Aufsatzes, Teil I erhielt, vgl. Brief Max Weber an Paul Siebeck vom 27. Sept. 1908, in: MWG II/5, S. 663. 236 Brief von Eberhard Gothein an Marie Luise Gothein vom 28. oder 29. Aug. 1908, Universitätsbibliothek Heidelberg, Handschriftenabteilung. 237 Vgl. ebd. 238 Vgl. Brief von Alfred Weber an Christian von Ferber vom 8. März 1952, Privatbesitz Christian von Ferber. 239 Weber, Kulturtheorien, S.414, Anm.

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Aber es gibt noch eine andere wichtige Erkenntnis. Das Sich-Verhalten der untersuchten Arbeiter war nicht nur durch den psychophysischen Apparat determiniert oder nur durch Zweck-Maximen reguliert. Es existierte noch etwas .dazwischen'. Dieses Etwas hatte mit Stimmungslagen zu tun. Diese Erkenntnis wurde für die verstehende Soziologie von grundlegender Bedeutung. In der Aufsatzfolge über die Psychophysik der industriellen Arbeit findet sich eine Passage, die, bezogen auf die weitere Werkentwicklung, außerordentlich aufschlußreich ist. Auf Höhe und Verlauf der Arbeitsleis t u n g - s o W e b e r - k ö n n t e n folgende Komponenten einwirken: „Zunächst, auf der einen Seite: rationale Erwägungen: wir werden wieder und wieder auf die Tatsache stoßen, daß die Arbeiter ihre Leistung nach Maß und Art p/anvoll zu .materiellen' (d.h.: .Erwerbs'-) Zwecken regulieren, steigern oder herabsetzen oder, beim Nebeneinander mehrerer Leistungen [...] in der Art der Kombination ändern. Die .Maximen', denen solche zweckvolle Regulierungen folgen, können wir durch .pragmatische' Deutung ,erschließen'. Auf der anderen Seite verändert sich, quantitativ oder qualitativ, ihre Leistung durch Veränderungen im Funktionieren ihres psychophysischen Apparates, welche ihnen unter Umständen dem psychischen Effekt nach: Erleichterung oder Erschwerung der Leistung, nicht aber dem .dahinter stehenden' psychophysischen Hergang nach ins Bewußtsein treten, sehr oft aber [...] ihnen als Tatsache überhaupt gänzlich verborgen bleiben und nur am Effekt: Leistungsänderung, sichtbar werden. Diese Komponenten können wir ihrer Ursächlichkeit nach mit Hilfe der sog. .äußeren' Erfahrung und als Spezialfälle der durch .Experiment' gewonnenen Regeln, zu erklären' suchen. Sodann finden sich Komponenten, welche eine spezifische Mittelstellung (nicht: eine Mittelstellung überhaupt: - denn deren gibt es zahlreiche) einnehmen: das sind Vorgänge, bei denen .Stimmungslagen', die als solche ins Bewußtsein treten, die Arbeitsleistung beeinflussen, ohne daß zugleich der Hergang dieser Beeinflussung, die Mehr- oder Minderoder Anders-Leistung, als damit zusammenhängend bewußt .erlebt' würde; solche Vorgänge können wir .psychologisch' verständlich machen." 2 4 0 Nimmt man diese Äußerung mit der aus der Stammler-Rezension über den Unterschied zwischen Zweck-Maximen und Norm-Maximen zusammen und fügt die Überlegung zu Übung und Gewöhnung hinzu, so hat man bereits nahezu alle Bausteine für eine Methodik der verstehenden Soziologie und eine Typologie der Handlungsorientierungen: die Unterscheidung zwischen pragmatischem Verstehen, psychologischem Verstehen und beobachtendem Erklären einerseits, die Unterscheidung zwischen reaktivem und sinnhaftem Sich-Verhalten und, beim letzten, zwischen einem gewohn-

240 Vgl. unten, S.246Í.

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heitsmäßigen odertraditionalen, einem affektuellen, einem zweckrationalen und einem wertrationalen Sich-Verhalten andererseits. Diese Unterscheidungen wurden erst im Kapitel I der zweiten Fassung von Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte so getroffen, 241 nachdem mit dem Kategorienaufsatz ein Zwischenschritt getan war. 242 Um so erstaunlicher ist die Nähe der zitierten Passage zu den abschließenden Formulierungen in den Soziologischen Grundbegriffen. Weber hatte damit endgültig die Weichen gestellt, um sowohl in der Verstehens- wie in der Handlungstheorie das ökonomische Paradigma zu überschreiten. Mehr noch: Er hatte sich nicht nur die Grenzen, sondern auch die mit einer Experimentalpsychologie und mit einer verstehenden Psychologie möglichen Gewinne einer Zusammenarbeit klargemacht. Denn bei aller Divergenz der Erkenntnisziele nicht nur zwischen Nationalökonomie und Psychologie, sondern auch zwischen Soziologie und Psychologie war ja eine recht verstandene Kooperation zwischen ihnen schon deshalb vielversprechend, weil sie an ähnlichen Problemen arbeiteten. Die reinliche Scheidung der Disziplinen nach Erkenntniszielen, Begriffsbildung und .Objekten' dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir gerade als Fachwissenschaftler gezwungen sind, „in einer wissenschaftlichen Leistung, ja selbst in einem Satzgefüge zusammengefaßt, Wahrheiten auszusprechen, die, logisch analysiert, z.B. teils nomothetischen (.naturwissenschaftlichen', im logischen Sinn des Worts), teils idiographischen (.historischen' im logischen Wortsinn) Charakters sind." 2 4 3 Auch die Leistungskurven der Arbeiter etwa verlangten eine Analyse, die physiologische Faktoren, die Arbeitsorganisation sowie individuelle Eigenschaften der Arbeiter berücksichtige. 244 Sie bauten sich aus Komponenten auf, die nicht alle gleichsam in einem Fach ressortierten. Es handle sich vielmehr um ein „Gemisch von teils technisch: von Maschine und Material aus, teils persönlich: vom Arbeiter aus, und im letzteren Fall teils rational, teils irrational bedingten Komponenten". 2 4 5 Aber nicht nur die Verstehens- und Handlungstheorie profitierte von den Studien über die Psychophysik der industriellen Arbeit. Auch die Persönlichkeitstheorie gewann schärfere Kontur. Zwar führte die Beschäftigung mit den psychophysischen Eigenschaften der Persönlichkeit Weber nicht dazu, seinen im Grundsatz dualistischen und hierarchischen Persönlichkeitsbegriff aufzugeben, demzufolge der Organismus, der vegetative Untergrund,

241 242 243 244 245

Vgl. Weber, Soziologische Grundbegriffe, § 1 und § 2. Vgl. Weber, Kategorien, S. 2 5 3 - 2 9 4 . Weber, Ad. Weber-Rezension, S. 619. Vgl. unten, S.243ff. Ebd., S. 363.

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kulturell domestiziert und kontrolliert werden muß. Aber die Auseinandersetzung mit der psychophysischen Literatur machte doch deutlich, daß dieser Untergrund kein formloses Material darstellt, das erst durch kulturelle Prägung Gestalt gewänne. Der psychische Habitus wird von beiden .Seiten' geprägt. Friedrich August Lange hatte einst dazu aufgerufen, Kant physiologisch zu lesen. Weber las Kant werttheoretisch, eher entlang der Linie Lotze, Windelband, Rickert als entlang der Linie Helmholtz, Wundt, Kraepelin. Aber die physiologische und die werttheoretische Lesart widersprechen sich nicht völlig. In den Texten über die Psychophysik der industriellen Arbeit kam Weber jedenfalls der Anregung Langes erstaunlich nahe. 246 Weber hat denn auch in seinen weiteren Arbeiten den Erkenntnisstand der Psychophysikstudien nicht mehr unterschritten. Dieser schlug sich nicht nur in den Soziologischen Grundbegriffen nieder, sondern auch in der Vorbemerkung zu den Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie. Das Problem der religionsvergleichenden Studien war, „die besondere Eigenart des okzidentalen und, innerhalb dieses, des modernen okzidentalen, Rationalismus zu erkennen und in ihrer Entstehung zu erklären." 247 Da lag die Annahme nahe, „daß hier Eröqualitäten die entscheidende Unterlage boten." Doch Weberwies diese Annahme von sich. Ganz im Duktus des Psychophysiktextes stellte er fest, daß er zwar die Bedeutung des biologischen Erbgutes für die Kulturgeschichte hoch einschätze. Er sehe aber zur Zeit keinerlei Weg, „seinen Anteil an der hier untersuchten Entwicklung nach Maß u n d - v o r a l l e m - n a c h Art und Einsatzpunkten irgendwie exakt zu erfassen oder auch nur vermutungsweise anzudeuten." Und weiter: Es werde „gerade eine der Aufgaben soziologischer und historischer Arbeit sein müssen, zunächst möglichst alle jene Einflüsse und Kausalketten aufzudecken, welche durch Reaktionen auf Schicksale und Umwelt befriedigend erklärbar sind. Dann erst, und wenn außerdem die vergleichende Rassen-Neurologie und -Psychologie über ihre heute vorliegenden, im einzelnen vielversprechenden, Anfänge weiter hinausgekommen sind, wird

246 Vgl. Lange, Friedrich Albert, Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, 2 Bände. - Leipzig: Friedrich Brandstetter, 10. Aufl., 1921 (1. Aufl. 1875), Zweites Buch, I, hier S. 389. Lange bezieht seine Forderung, Kant physiologisch zu lesen, auf dessen theoretische Philosophie. Zur Bedeutung des physiologischen Neukantianismus Treiber, Hubert, Zur .Logik des Traumes' bei Nietzsche. Anmerkungen zu den Traum-Aphorismen aus Menschliches, Allzumenschliches, in: Nietzsche-Studien. Internationales Jahrbuch für Nietzsche-Forschung, Band 23, 1994, S. 1 - 4 1 , bes. S. 11 ff. Die werttheoretische Lesart Kants dagegen knüpft eher an die praktische Philosophie an. Zur Linie Lotze-Windelband-Rickert vgl. Wagner, Gerhard, Geltung und normativer Zwang. Eine Untersuchung zu den neukantianischen Grundlagen der Wissenschaftslehre Max Webers. - Freiburg/München: Alber 1987. 247 Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Band 1. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1920 (hinfort: Weber, Religionssoziologie I), S. 12 (MWG 1/18).

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Einleitung

man vielleicht befriedigende Resultate auch für jenes Problem erhoffen dürfen." Das habe ihm vor Jahren auch „ein sehr hervorragender Psychiater" bestätigt. 248 Wer aber war dieser Psychiater? Wenn nicht alles täuscht, wares Emil Kraepelin.

Anmerkung

zur

Edition

Die Edition folgt den Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe. Aufgrund des Charakters der Texte mußten aber einige zusätzliche Entscheidungen getroffen werden, die sich auf die Behandlung sprachlicher Besonderheiten beziehen. Es handelt sich um folgende Punkte: 1. Max Weber verletzt die Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat häufig insofern, als er auf ein zwei- oder mehrgliedriges Subjekt ein Verb im Singular folgen läßt, wobei er in der Regel an das letzte Subjektglied anknüpft. Diese Eigentümlichkeit wird belassen, sofern dies nicht zu Sinnambivalenzen führt. 2. Max Weber verbindet häufig „zwischen" nicht mit „und", sondern mit „zu" oder „von". Auch diese Eigentümlichkeit wird nicht korrigiert. 3. Max Webers oft ungewöhnliche Verwendung von Satzzeichen wird respektiert. Bei Asymmetrien werden Satzzeichen allerdings ergänzt. 4. Bei Zahlwörtern, die ohne Artikel im Genitiv Plural stehen, beugt Max Weber das darauf folgende Adjektiv mitunter schwach, z.B. statt „zweier verschiedener Theorien" „zweier verschiedenen Theorien". Auch dies wird nicht korrigiert. 5. Die Schreibweisen „von einander", „auf einander", an einander", „irgend eine" etc. oder „Prämiierung" werden gleichfalls belassen.

248 Ebd., S. 15f.

Taf. II.

Jf undl, Philosophische Studien. XIX. Band.

Zusammensetzung

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der

Arbeitsam?.

Schriften und Reden

Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie

Editorischer Bericht

Zur Entstehung Vom 30. September bis 2. Oktober 1907 veranstaltete der Verein für Sozialpolitik in Magdeburg eine seiner Generalversammlungen. 1 Diese fanden in regelmäßigen Abständen statt und dienten hauptsächlich dazu, die Ergebnisse der vom Verein durchgeführten Untersuchungen im Kreis von Mitgliedern und Gästen zu diskutieren. Die Generalversammlungen wurden vom „Ausschuß" vorbereitet, bei dem auch alle sonstigen für den Verein zentralen Entscheidungen lagen. So befand er über die Aufnahme von Manuskripten in die Schriftenreihe sowie über neue Untersuchungen, wofür er häufig Unterausschüsse einsetzte. Mitglied im Ausschuß, auch Gesamtausschuß genannt, wurde man durch Wahl oder durch Kooptation.2 Max Weber war 1893 zum erstenmal in den Ausschuß kooptiert worden. Er galt als ein besonders aktives Mitglied, bis eine schwere Krankheit, die 1898 einsetzte, seine Tätigkeit vorübergehend unterband. Doch spätestens 1 Vgl. die Protokolle der Sitzungen des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik vom 29. Sept. bis 1. Okt. 1907 während der Generalversammlung in Magdeburg, British Library of Political & Economic Science. London School of Economics and Political Science, Nl. Ignaz Jastrow, Mise. 114 (hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1907b), und Boese, Franz, Geschichte des Vereins für Sozialpolitik 1 8 7 2 - 1 9 3 2 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 188). - Leipzig: Duncker & Humblot 1939 (hinfort: Boese, Geschichte), S. 1 2 9 - 1 4 3 ; hier werden hauptsächlich die Protokolle der Ausschuß- und Unterausschuß-Sitzungen und andere vereinsinterne Unterlagen herangezogen. 2 Der Verein hatte drei Kategorien von Mitgliedern: Die Vorstandsmitglieder, die Ausschußmitglieder und die übrigen Mitglieder, zu denen auch Institutionen gehörten. Die laufenden Geschäfte erledigte der Vorstand, der aus dem Vorsitzenden, stellvertretenden Vorsitzenden, Schriftführern und dem Schatzmeister bestand und vom Ausschuß gewählt wurde. Dem Ausschuß gehörten Ende 1911 etwa 90 Mitglieder an, teilweise von der Generalversammlung gewählt, teilweise kooptiert. Satzungsänderungen mußten von der Mitgliederversammlung vorgenommen werden. Die Organisationsgestalt des Vereins änderte sich über die Zeit. Zu den Fragen der Organisation des Vereins vgl. auch KestenConrad, Else, Verein für Sozialpolitik, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Band 8, 3. Aufl. - Jena: Gustav Fischer 1911, S. 1 4 4 - 1 5 2 (hinfort: Kesten-Conrad, Verein), bes. S. 146.

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Erhebungen über Auslese und Anpassung

seit seinem Auftritt auf der Generalversammlung in Mannheim, die vom 25. bis 28. September 1905 stattfand, hatte er wieder eine aktivere Rolle übernommen. Dort war es zwischen ihm und dem seit 1890 amtierenden Vorsitzenden Gustav Schmoller wegen dessen Behandlung eines Beitrags von Friedrich Naumann zu einer scharfen Auseinandersetzung gekommen, die den Verein in eine Führungs-, ja Spaltungskrise stürzte. Hauptsächlich dem mäßigenden Einfluß von Lujo Brentano war es zu danken, daß beide Kontrahenten am Ende einlenkten, so daß der Verein diese Krise überstand. 3 Max Webers Bruder Alfred war 1899 zum erstenmal in den Ausschuß kooptiert worden. Erwirkte seitdem kontinuierlich und konstruktiv im Verein mit. Nachdem Max Weber wieder einigermaßen arbeitsfähig war, suchten beide ihre vereinsbezogenen Handlungen mitunter abzustimmen. Dies hatte zur Folge, daß man im Verein die Brüder manchmal so wahrnahm, als seien sie eine Art Einheit. Von Gustav Schmoller etwa ist überliefert, er habe nach einer Arbeitssitzung, an der Max und Alfred Weber teilnahmen, vorgeschlagen, für die nächste Beratung eine Geschäftsordnung einzuführen, „in deren § 1 bestimmt werde, daß innerhalb einer Stunde die beiden Weber nicht mehr als 55 Minuten sprechen dürften". 4 Obgleich die Brüder in grundsätzlichen weltanschaulichen Fragen auf entgegengesetzten Positionen standen, 5 zogen sie im Verein für Sozialpolitik tatsächlich häufig an einem Strang. Nach der krisenhaften Zuspitzung in Mannheim und ihrem „Nachspiel" 6 war es erst wieder am 4. und 5. Januar 1907 in Berlin zu einer Sitzung des Ausschusses gekommen. Hier wurde, unter Beteiligung von Gustav Schmoller, Lujo Brentano und Max Weber, der Mannheimer Konflikt auch förmlich beigelegt. Nun konnten wieder die laufenden und vor allem auch die zukünftigen Projekte in den Mittelpunkt treten. Schon während der Mannheimer Tagung waren neue Themen vorgeschlagen worden, unter anderem, „die Herkunft der Arbeiter in Großbetrieben zu untersuchen." 7 3 Vgl. dazu Boese, Geschichte, S. 103ff., bes. S. 116ff., und Lindenlaub, Dieter, Richtungskämpfe im Verein für Sozialpolitik. Wissenschaft und Sozialpolitik im Kaiserreich vornehmlich vom Beginn des .neuen Kurses' bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1880-1914), (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 52 und 53). - Wiesbaden: Franz Steiner 1967, S. 409ff. (hinfort: Lindenlaub, Richtungskämpfe). Der Kompromiß bestand in erster Linie darin, das Resümee des Vorsitzenden am Ende einer Debatte der Generalversammlung abzuschaffen. Vgl. Protokolle der Sitzungen des Ausschusses vom 4. und 5. Jan. 1907 in Berlin, British Library of Political & Economic Science, London School of Economics and Political Science, Nl. Ignaz Jastrow, Mise. 114 (hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1907a), S. 1 - 5 . 4 Nach Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 411, Anm. 6. 5 Vgl. dazu etwa die Briefe Max Webers an Alfred Weber vom 3. Sept. 1907, MWG II/5, S. 382, und an Helene Weber vom 14. Aug. 1908, MWG II/S, S.633f. 6 So Boese, Geschichte, S. 116. 7 Vgl. ebd., S. 122.

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Editorischer Bericht

D o c h hatte man d i e s e n A n t r a g bis zur n ä c h s t e n A u s s c h u ß s i t z u n g z u r ü c k g e stellt. D i e s war die Berliner S i t z u n g . Dort w u r d e er aber nicht diskutiert. 8 Die n ä c h s t e G e l e g e n h e i t , ü b e r n e u e U n t e r s u c h u n g e n z u b e r a t e n u n d zu b e s c h l i e ß e n , bot also d i e in der J a n u a r s i t z u n g f e s t g e l e g t e

Magdeburger

G e n e r a l v e r s a m m l u n g , 9 bei der, w i e üblich, a u c h A u s s c h u ß s i t z u n g e n v o r g e s e h e n w a r e n . U m d i e s e v o r z u b e r e i t e n , h a b e n sich o f f e n s i c h t l i c h z w i s c h e n Januar u n d S e p t e m b e r w i c h t i g e Mitglieder d e s A u s s c h u s s e s a u s g e t a u s c h t . Max W e b e r jedenfalls w u ß t e b e r e i t s A n f a n g S e p t e m b e r v o n der A b s i c h t Lujo B r e n t a n o s , d e m V e r e i n U n t e r s u c h u n g e n z u m D e g e n e r a t i o n s -

und

Z i n s p r o b l e m v o r z u s c h l a g e n . Das g e h t aus e i n e m Brief v o n i h m an A l f r e d W e b e r v o m 3. S e p t e m b e r 1 9 0 7 hervor. Darin f o r m u l i e r t er z u g l e i c h s e i n e e i g e n e n A b s i c h t e n , d i e sich o f f e n b a r mit A l f r e d s trafen. M a n kann also a n n e h m e n , daß z w i s c h e n b e i d e n s c h o n seit g e r a u m e r Zeit d a s w e i t e r e V o r g e h e n im V e r e i n bei der K o n z e p t i o n n e u e r U n t e r s u c h u n g e n ein T h e m a war. Max W e b e r entwarf in s e i n e m Brief v o m 3. S e p t e m b e r ein D o p p e l p r o j e k t u n d e i n e Strategie, es im V e r e i n d u r c h z u s e t z e n . N a c h p e r s ö n l i c h e n B e m e r k u n g e n heißt e s : „Nun zur Sache. 1) Ich beabsichtigte, vorzuschlagen, der Verein f[ür] Sfozial-] P[olitik] möge eine Serie von Untersuchungen beginnen lassen, die man, um ein .populäres' Etikett zu haben, vielleicht als, Lage der geistigen Arbeit in der modernen Großindustrie' titulieren könnte. Um die .Privatangestellten' kommen wir ja, wenn Potthoff cooptiert wird, nicht herum, ich dachte aber allerdings nun weiter die innere Struktur der einzelnen Industrien in Bezug auf: Maß u. Art der Ge/emfheit der Arbeit, Stetigkeit der Arbeiterschaft, Berufschancen, Berufswechsel etc. etc. heranzuziehen, u. von dieser .morphologischen' Seite der Sache dann der Frage der psychophysischen Auslese, die die Industrie vollzieht, ihrer Richtung in den einzelnen Industrien und umgekehrt ihrer Bedingtheit durch die sei es hereditären sei es durch die historisch gegebenen sozialen u. institutionellen Bedingungen anerzogenen psychophys[ischen] Qualitäten der Bevölkerung näher zu kommen, ausgehend aber - aus leicht ersichtlichen methodischen Gründen - nichtwon diesen .charakterologischen' Qualitäten als gegebenen Daten, sondern eben von den sozialen Lebenschancen heute und in der nächstzurückliegenden Vergangenheit als ursächlichen Elementen für die Auslese und - eventuell - .Schöpfung' jener Qualitäten. Die innere Struktur und die Lebenschancen, welche der geschlossene Großbetrieb bildet bzw. schafft, würden m. E. also allerdings das zuerst zu untersuchende Moment sein, und innerhalb dieses Untersuchungsgebietes wieder die differenziertesten oberen Schichten des Gesammtpersonals der Großindustrie, - die Unternehmer selbst nach dem Maß und der Art der an sie herantretenden geistigen Anforderungen, ihrer

8 Vgl. Verein, Protokoll des Ausschusses 1907a, S. 1 - 1 0 . 9 Vgl. ebd., S. 8f„ und Verhandlungen der Generalversammlung vom 30. Sept. bis 2. Okt. 1907 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 125). - Leipzig: Duncker & Humblot 1908.

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Erhebungen über Auslese und

Anpassung

Vorbildungs-Notwendigkeit etc. eingeschlossen. Ich formuliere hier in größter Hast, aber da Du ja anscheinend etwas Ähnliches willst und für angezeigt hältst, so weißt Du ja, was gemeint ist. Man kann nun gewiß sehr zweifeln, ob wir den Kraftaufwand, uns mit den heutigen praktischen Petita und Beschwerden der .Privatangestellten' zu befassen, nicht besser als Ballast bei Seite ließen, - aber dann fehlt, glaube ich, das Schmieröl, um die Sache in Gang zu bringen innerhalb des Vereins, wie er nun einmal ist. Wir brauchen ja auch für die Ausfüllung von Fragebogen etc. die Chemiker, Ingenieure etc. und die Vorstände der .Angestellten'-Vereine u. müssen also, scheint mir, wohl an ihre Interessen anknüpfen. Meinst Du nicht auch? 2) Degenerationsfragen. Werde ich unbedingt lebhaft unterstützen und mich persönlich, wenn Du willst, mit lebhaftem Interesse mitbeteiligen. Ich beurteile-Du aber wohl auch - die Brauchbarkeit des Materials ziemlich ungünstig, soweit ich urteilen kann, halte es also für möglich, daß man für Vorarbeiten und zur Feststellung der Art der Fragestellung ziemlich viel Zeit in Subcommissionen wird draufgehen lassen müssen. Oldenberg - Herkner - Eulenburg würden doch wohl mit heranzuziehen sein, auch würde ich versuchen, geeignete Psychiater ausfindig zu machen für diese Seite der Sache. Damit näherte man sich dann von der grade entgegengesetzten Seite Problemen, zu denen die Fragestellungen sub N° 1 oben von der institutionellsozialen Seite her hinleiten. Man sollte, - das meine auch ich - Beides in Angriff nehmen nebeneinander." 1 0 Max W e b e r war die Sache so wichtig, daß er im Vorfeld auch Gustav S c h m o l l e r für s e i n e n Plan zu g e w i n n e n suchte. In e i n e m w e i t e r e n Brief an Alfred W e b e r , diesmal v o m 2 0 . S e p t e m b e r 1907, heißt es: „ I c h sprach Schmoller hier (ganz kurz), der mit .geistiger Arbeit' einverstanden ist (auch ev. mit . D e g e n e r a t i o n ' ) . " 1 1 Als am 29. S e p t e m b e r der A u s s c h u ß in M a g d e b u r g zur ersten Sitzung zusammentrat, u m T h e m e n für n e u e U n t e r s u c h u n g e n zu b e s p r e c h e n , konnte Max W e b e r noch nicht t e i l n e h m e n . A n d e r s als Lujo Brentano, der gleichfalls verhindert war, hatte er seine A b s i c h t auch nicht schriftlich für d e n A u s s c h u ß niedergelegt. Dieser besprach zunächst die v o r l i e g e n d e n schriftlichen Anträge, d e n e n mündliche hinzugefügt w u r d e n . Die schriftlichen Anträge lauteten: „ S y s t e m a t i s c h e Bearbeitung der Frage der Degeneration, o b eine s o l c h e stattgefunden hat, w o sie stattgefunden hat, s o w i e ihrer U r s a c h e n " ; ferner: „ U r s a c h e n der Steigerung des Z i n s f u ß e s " , beide v o n Lujo B r e n t a n o ; 1 2 „ W i e weit entspricht seit 1900 die Steigerung der Einnahm e n v e r s c h i e d e n e r A r b e i t e r s c h i c h t e n in v e r s c h i e d e n e n Teilen D e u t s c h lands der Steigerung der Lebensmittelpreise und M i e t e n ? " v o n Walther Lötz. Max Sering und Siegfried H e c k s c h e r stellten m ü n d l i c h e Anträge.

10 Brief Max Webers an Alfred Weber vom 3. Sept. 1907, MWG II/5, S. 382f. 11 Brief Max Webers an Alfred Weber vom 20. Sept. 1907, MWG II/5, S.404. 12 Verein, Protokoll des Ausschusses 1907 b, S. 3; Hervorhebungen im Protokoll werden in den Zitaten, die die Diskussion des Themas belegen, nicht übernommen.

Editorischer

Bericht

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Jener wollte „Die Dislokation der deutschen Industrie", dieser die „Lage der Handlungsgehilfen" erforscht wissen. 13 Von diesen fünf Anträgen fanden der zur Degeneration und zur Lage der verschiedenen Arbeiterschichten größere Resonanz. Während man die Degenerationsfrage zwar für interessant, aber für zu schwierig hielt, 14 wurde der Antrag Lötz zum Ausgangspunkt weiterführender Erwägungen. Sie gingen von Alfred Weber aus. Dieser schlug vor, daraus „Untersuchungen über das Berufsschicksal der Arbeiter in der Großindustrie" zu machen, 15 womit er zwar seinen eigenen Interessen, nicht aber unbedingt auch denen Max Webers folgte. Heinrich Herkner dagegen plädierte dafür, es bei der ursprünglichen, engeren Fassung des Themas zu belassen. Er regte die „Entwickelung der Einkommen der Arbeiter in der Industrie und die Preissteigerung der Lebensmittel in den letzten Jahren" als Titel an. Nach längerem Hin und Her gab schließlich Alfred Weber „Die Industrie und ihre Arbeiter", MaxSering „Das Berufsschicksal der Arbeiter" zu bedenken.Zu einer Einigung kam es nicht. Der Vorsitzende Gustav Schmoller schlug deshalb vor, am 1. Oktober die Beratung fortzusetzen. Er konstatierte, daß der Antrag Lötz in seiner Weiterführung durch Heinrich Herkner, Alfred Weber und andere präferiert werde. Als vorläufiges Thema hielt er fest: „Untersuchungen über die Lebensläufe aller in der Industrie Beschäftigten." 1 6 Diese Formulierung kam von allen vorgeschlagenen den im Brief vom 3. September formulierten Absichten Max Webers zweifellos am nächsten. Vielleicht wirkte sich hier die Vorabsprache zwischen ihm und Gustav Schmoller aus. Doch es fehlte der ihm offenbar wichtige Hinweis auf die „geistige Arbeit". Als der Ausschuß am I.Oktober - nun auch mit Max Webers Beteiligung - die Diskussion fortsetzte, schlug dieser denn auch vor, das Thema der Enquete anders zu fassen und ihr den Titel „Die geistige Arbeit in der Großindustrie" zu geben. Sie solle die Frage beantworten: „Nach welchen Qualitäten psychischerund physischer Art fragt die Großindustrie?" 1 7 Da Gustav Schmoller schon angeregt hatte, einen Unterausschuß einzusetzen, riet Max Weber dazu, diesem die Ausfüllung des Rahmenthemas zu überlassen. Dem stimmte Gustav Schmoller zu. Der Ausschuß tat also das in solchen Situationen Übliche: Auf Vorschlag Gustav Schmollers setzte er einen Unterausschuß ein. Dieser wurde beauftragt, die Enquete vorzubereiten. In den Unterausschuß wurden gewählt: 13 Ebd. 14 Auch Alfred Weber war der Meinung, man solle die Degenerationsfrage einstweilen zurückstellen, Verein, Protokoll des Ausschusses 1907b, S.4. 15 Ebd., S.3. 16 Ebd., S.4. 17 Ebd., S. 6.

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Erhebungen über Auslese und

Anpassung

Karl Bücher als Vorsitzender, Heinrich Herkner, Karl Oldenberg, H e r m a n n S c h u m a c h e r , Max Sering, Ludwig Sinzheimer, Philipp Stein, Alfred Weber, Max W e b e r und Alexander W l r m i n g h a u s . 1 8 Der Unterausschuß trat am 13. Juni 1908 in Elsenach z u m erstenmal z u s a m m e n . 1 9 Karl Bücher und Alfred W e b e r hatten Vorlagen erstellt. 2 0 Von Alfred W e b e r s t a m m t e ein A n s c h r e i b e n sowie ein fast ganz v o n ihm bearbeiteter „Entwurf von F r a g e b ö g e n " . 2 1 O b Max W e b e r daran auch mitgewirkt hatte, ist nicht bekannt. Freilich steht fest, daß der Entwurf in der Sitzung erheblich umgestaltet w u r d e . Wie der Fragebogen, 2 2 so w u r d e auch der Arbeltsplan g e m e i n s a m formuliert. Von Karl Bücher kam der Vorschlag, der Enquete den Titel „ E r h e b u n g e n über A u s l e s e und A n p a s s u n g der Arbeiterschaft in den v e r s c h i e d e n e n Z w e i g e n der G r o ß i n d u s t r i e " 2 3 zu g e b e n . A u c h dieser Titel erwies sich dann als vorläufig. Karl B ü c h e r ü b e r n a h m es, Arbeitsplan und Fragebogen bis zur nächsten Sitzung des Unterausschusses, die für den 11. O k t o b e r In Berlin vereinbart

18 Ebd. 19 Anwesend waren: Bücher als Vorsitzender des Unterausschusses, Herkner, Sinzheimer, Alfred Weber, Max Weber, v. Zwiedineck-Südenhorst sowie Schmoller als Vorsitzender des Ausschusses, vgl. Gustav Schmollers und Carl Geibels „Mitteilung an die Herren Mitglieder des Ausschusses", vom 18. Juli 1908. British Library of Political & Economic Science. London School of Economics and Political Science, Nl. Ignaz Jastrow, Mise. 114 (hinfort: Schmoller, Mitteilung); sowie allgemeiner, aber informativ zur Arbeit des Unterausschusses das Vorwort der Herausgeber in: Bernays, Marie, Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. Dargestellt an den Verhältnissen der „Gladbacher Spinnerei und Weberei" A.-G. zu München-Gladbach im Rheinland (Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie; Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 133). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910, Vorwort, S.VII-XV (hinfort: Bernays, Auslese, Vorwort), S. VII. v.Zwiedineck-Südenhorst beschrieb die Sitzung aus der Erinnerung und nannte als weiteren Teilnehmer Stein, vgl. Zwiedineck-Südenhorst, Otto von, Zum Wirken von Max und Alfred Weber im Verein für Sozialpolitik. Erinnerungen und Eindrücke, in: Synopsis. Festgabe für Alfred Weber, hg. von Edgar Salin. - Heidelberg: Lambert Schneider [1948], S. 763-788 (hinfort: v.Zwiedineck-Südenhorst, Erinnerungen), S. 784f., Anm. 1; anzunehmen ist, daß Schmoller in seiner kurz nach der Sitzung geschriebenen Mitteilung die richtige Aufstellung über die Teilnehmer gab. 20 Diese Texte konnten nicht nachgewiesen werden. 21 Vgl. Webers Vorbemerkung zur früheren Fassung der Denkschrift Erhebungen über Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. (Als Manuskript gedruckt.) - Altenburg: Pierersche Hofbuchdruckerei, Stephan Geibel & Co. 1908, Nachlaß Ignaz Jastrow in der British Library of Political & Economic Science der London School of Economics and Political Science in London, Mise. 114 (hinfort: Weber, Erhebungen (A)), unten, S. 78. 22 Am Ende des ganzen Prozesses stehen ein Fragebogen und ein Zusatzbogen. Dieser ist aber ein Teil von jenem, so daß der Singular gerechtfertigt ist. Fragebogen, Zusatzbogen sowie der Arbeitsplan der Enquete sind abgedruckt in: Bernays, Auslese, Vorwort. 23 Vgl. Bernays, Auslese, Vorwort, S. VII.

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wurde, zu überarbeiten. 24 Für den 12. Oktober war dann eine Sitzung des Ausschusses vorgesehen. Hier bot sich also die Gelegenheit, über die Enquete endgültig zu beschließen, sofern der Unterausschuß dafür am 11. Oktober die Voraussetzungen schaffen würde. Der Unterausschuß verabschiedete auf seiner Sitzung am 11. Oktober Arbeitsplan und Fragebogen. Ferner wurde offensichtlich noch einmal über den endgültigen Titel der Enquete diskutiert. Man hielt es für angezeigt, den Begriffen „Auslese und Anpassung" in Klammern die Begriffe „Berufswahl und Berufsschicksal" beizugeben. Der Begriff „Berufsschicksal" hatte ja schon in den vorausgegangenen Debatten eine Rolle gespielt. Es ist nicht klar, ob die von Karl Bücher in der ersten Sitzung vorgeschlagene Formulierung „verschiedene Zweige der Großindustrie" durch „geschlossene Großindustrie" förmlich ersetzt wurde. In den Schriften des Vereins für Sozialpolitik jedenfalls firmiert die Enquete später unter dem Titel „Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter In den verschiedenen Zweigen der Großindustrie." 25 Am 12. Oktober 1908 trat dann in Berlin der Ausschuß des Vereins zusammen. Karl Bücher als Vorsitzender des Unterausschusses erstattete Bericht. Er teilte mit, daß man Im Titel die Formulierung „Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal)" empfehle. Im übrigen bat er darum, drei tags zuvor im Unterausschuß formulierte Anträge zu beschließen: 1. Die Untersuchungen seien nicht auf Deutschland und Österreich zu beschränken; 2.sie seien von Heinrich Herkner zu leiten; 26 3.zu ihrer Durchführung sei ein Kredit von 10000 Mark zu gewähren, über dessen Verwendung ein Komitee, bestehend aus Heinrich Herkner, Gustav Schmoller und Alfred Weber, befinden sollte. Ferner existiere eine Denkschrift über die leitenden Gesichtspunkte der Erhebung von Max Weber. Es sei zu erwägen, sie den Mitgliedern des Ausschusses zur Verfügung zu stellen, der Unterausschuß habe jedoch diesbezüglich keinen Beschluß gefaßt. 27

24 Vgl. ebd. 25 Die Bände 133, 134 und 135, I.Teil und 2.Teil führen diesen Ser/entitel. Sie sind intern noch einmal durchnumeriert. Im Band 133, zugleich dem ersten Band der Serie, findet sich dann der ßandtitel „Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie". Er wird aber bei den restlichen Bänden abgewandelt und beim letzten Band überhaupt nicht mehr benutzt. 26 Karl Bücher gab den Vorsitz aus persönlichen Gründen ab - seine Frau lag im Sterben. An seine Stelle trat Heinrich Herkner, der aber zusammen mit Gustav Schmoller und Alfred Weberein „besonderes Komitee", wie es später heißt, bildete. 27 Protokoll der Sitzung des Ausschusses vom 12. Okt. 1908, British Library of Political & Economic Science. London School of Economics and Political Science, Nl. Ignaz Jastrow, Mise. 114 (hinfort: Verein, Protokoll des Ausschusses 1908), S. 6.

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Auf Vorschlag von Gustav Schmoller wurde die „Enquête im allgemeinen" beschlossen, gab man den drei Anträgen statt und genehmigte Arbeitsplan und Fragebogen. Erriet, die „sehrwertvolle Denkschrift" von Max Weber, die als Arbeitsanweisung dienen könne, in größerer Anzahl zu drucken und an die Mitarbeiter der Enquete, an alle Ausschußmitglieder und an die „Gelehrten" unter den Vereinsmitgliedern zu versenden. Heinrich Herkner als Leiter der Enquete erhielt dann den Auftrag dazu. 2 8 Dieser schickte noch im selben Monat ein Rundschreiben an den von Gustav Schmoller benannten Personenkreis. Er wandte sich an sie als „Kollegen" und bat sie als „Leiter seminaristischer Übungen", jene Teilnehmer zur Mitarbeit zu bewegen, die besonders begabt seien oder über nützliche Beziehungen verfügten. 2 9 Er legte seinem Schreiben den Fragebogen und den Arbeitsplan bei, „die im allgemeinen die Zielpunkte der Erhebung mit genügender Deutlichkeit erkennen lassen" dürften, 3 0 und kündigte an: „Im übrigen wird Ihnen auch noch eine von Herrn Prof. Dr. Max Weber verfaßte Denkschrift, die ausführliche Erläuterungen enthält, zugesendet werden." 3 1 Max Weber hatte die Denkschrift vermutlich erst nach der ersten Sitzung des Unterausschusses, also nach dem 13. Juni 1908, geschrieben. Ende Juli jedenfalls steckte er mitten in der Arbeit daran. Am 27. Juli schrieb er an Paul Siebeck, er sei mit Vorarbeiten für die Enquete des Vereins für Sozialpolitik beschäftigt und deshalb für anderes im Augenblick nicht zu haben. 3 2 Es spricht einiges dafür, daß er zunächst diese „Vorarbeiten" gemeinsam mit Alfred Weber durchführen wollte. Schon während der Sitzung in Eisenach hatten sie zusammen die Diskussion über Arbeitsplan und Fragebogen bestimmt. Ein Teilnehmer, Otto v.Zwiedineck-Südenhorst, sah dies im Rückblick folgendermaßen: „Die Erinnerung an jene Tage zähle ich zu den ergiebigsten, die ich je in wissenschaftlicher Kollektivarbeit erlebt habe. Ein Sprühregen von Ideen darüber, wie man soziologisch belangreichen Bestimmungsgründen der Berufswahl, des Berufserfolges und damit des Berufsschicksals auf die Spur kommen könnte, ging von den beiden Brüdern aus. [...] Die Fülle der von ihnen gebrachten Vorschläge war so stupend, daß andere Ausschußmitglieder nur wenig zu Wort kamen." 3 3 Auch der

28 Ebd. 29 Vgl. das Rundschreiben von Heinrich Herkner vom Oktober 1908, British Library of Political & Economic Science. London School of Economics and Political Science, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114. 30 Ebd. 31 Ebd. 32 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 27. Juli 1908, MWG 11/5, S. 609. 33 Vgl. v. Zwiedineck-Südenhorst, Erinnerungen, S. 785. Bücher allerdings fand, daß die Verhandlungen außerordentlich schwierig verliefen und daß sich die Ziele der einzelnen

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o b e n mitgeteilte scherzhafte G e s c h ä f t s o r d n u n g s v o r s c h l a g Gustav S c h m o l lers gehört in d i e s e n Z u s a m m e n h a n g . Seit Alfred W e b e r , einer B e r u f u n g folgend, v o n Prag nach Heidelberg u m g e z o g e n war, 3 4 trafen sich die Brüder häufiger, s o w o h l privat 3 5 als auch bei a k a d e m i s c h e n A n l ä s s e n 3 6 und bei politischen Veranstaltungen. 3 7 Im S o m m e r 1 9 0 8 galten ihre „ g e s c h ä f t l i c h " g e h a l t e n e n G e s p r ä c h e 3 8 auch den Vorarbeiten zu der Enquete. 3 9 Die Denkschrift war am 13. A u g u s t fertig. 4 0 Ein Exemplar ging an Alfred Weber, der sich zu dieser Zeit in Holland aufhielt, 4 1 eines an Heinrich Herkner, m ö g l i c h e r w e i s e ein weiteres an Karl B ü c h e r . 4 2 Max W e b e r muß

Teilnehmer nur sehr schwer vereinbaren ließen; vgl. Verein, Protokoll des Ausschusses 1908, S.6. v.Zwiedineck-Südenhorst nahm zusammen mit Gustav Schmoller für den Ausschuß an der Sitzung des Unterausschusses teil. 34 Vgl. Jaffé, Else, Biographische Daten Alfred Webers (1868-1919), in: Demm, Eberhard (Hg.), Alfred Weberais Politiker und Gelehrter. - Stuttgart: Steiner 1986, S. 178-198 (hinfort: Jaffé, Daten Alfred Webers), S. 192. 35 Vgl. die Briefe Marianne Webers an Helene Weber vom 7. Jan., 14. Febr. und 26. Juni 1908, alle Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446; so heißt es beispielsweise in dem Brief vom 14. Febr. 1908: „Alfred sahen wir zu Sonntag mittag öfter. Vielleicht entwickelt sich daraus eine ziemlich regelmäßige Institution, was sehr nett wäre." Von der schwierigen Beziehung der beiden Brüder berichtete Marianne Weber am 7. Jan. 1908; ähnlich auch Else Jaffé, die über Alfred Weber schrieb, er sei geistig andere Wege gegangen als sein Bruder, bald nach Alfreds Umzug nach Heidelberg sei es zu einer großen Auseinandersetzung gekommen, „bei der Alfred mit Heftigkeit seine geistige Selbständigkeit betonte." Jaffé, Daten Alfred Webers, S. 192. 36 Beispielsweise auf einer Sitzung des religions- und geisteswissenschaftlichen „Eranos"-Diskussionszirkels, die am 29. Febr. 1908 im Hause Max Webers stattfand, vgl. zum „Eranos-Kränzchen" Weber, Marianne, Lebensbild, S.358. 37 Vgl. z. B. Weber, Marianne, Lebensbild, S. 411. 38 Vgl. Brief Max Webers an Marianne Weber vom 5. Aug. 1908, MWG II/5, S.622. Max und Alfred Weber fuhren zwar auch zusammen von Heidelberg nach Eisenach, aber wir wissen nicht, ob sie während der Bahnfahrt über den Zweck der Reise, die Vereinsuntersuchung, gesprochen haben; - Marianne Weber berichtet: „[...] die Brüder waren aber zusammen in Eisenach zu einer sozialpolitischen Sitzung u. haben auf Hin- und Rückreise je 7 Stunden diskutiert, natürlich über — sexuelle Ethik etc. [...] u. sie haben dann sehr intensiv, aber sehr ,nett' diskutiert." Vgl. Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 26. Juni 1908, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 39 So schrieb Max Weber beispielsweise an seine Frau Anfang August: „[...] mit Alfred sprach ich fast nur Sachliches (Enquête, auch über sein Buch[...])", vgl. Karte Max Webers an Marianne Weber vom 3. Aug. 1908, MWG II/5, S.613; ebenso schrieb er einen Tag später, daß Alfred nochmals wegen der Enquête dagewesen sei, vgl. Brief Max Webers an Marianne Weber vom 4. Aug. 1908, MWG II/5, S. 621; einige Tage später trat Alfred Weber eine Erholungsreise an, vgl. stellvertretend Karte Max Webers an Marianne Weber vom 12. Aug. 1908, MWG 11/5, S. 631. 40 Vgl. Brief Max Webers an Marianne Weber vom 13. Aug. 1908, MWG II/5, S. 632. 41 Vgl. ebd. 42 Vgl. Brief Max Webers an Alfred Weber vom 19. Sept. 1908, MWG II/5, S. 661.

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dabei s e i n e n Bruder aufgefordert oder ihm a n g e b o t e n haben, die D e n k schrift mit zu unterschreiben. Denn einen Monat später heißt es in e i n e m Brief v o n Max an Alfred: „ [ . . . ] also gut: ich habe die .Denkschrift' allein unterschrieben und die nötigen Erklärungen in einer V o r b e m e r k u n g gem a c h t . " 4 3 Er knüpfe, so heißt es dort, in v e r s c h i e d e n e n Punkten an die Vorlage Alfred W e b e r s für die erste Sitzung des U n t e r a u s s c h u s s e s an und verwerte auch sonst Ergebnisse v o n Erörterungen mit ihm. 4 4 Man darf, ja muß also a n n e h m e n , daß sie die Denkschrift zunächst g e m e i n s a m d e m Unterausschuß v o r l e g e n wollten, 4 5 daß sich dann Alfred aber mit d e m v o n Max ausgearbeiteten Text d o c h nicht identifizieren mochte. Vielleicht war dies Folge der M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n , die die Brüder letztlich über die Leistungsfähigkeit der Naturwissenschaften für die Analyse v o n A u s l e s e p r o z e s s e n hatten. Alfred war für Max Naturalist, 4 6 voll des Glaubens an „ d i e Gottähnlichkeit der N a t u r w i s s e n s c h a f t e n " , 4 7 der freilich seit s e i n e m W e c h sel nach Heidelberg in Erosion zu geraten schien. Max W e b e r übermittelte dann die Schrift in e i g e n e m N a m e n mit e i n e m Begleitschreiben d e m V o r s i t z e n d e n des U n t e r a u s s c h u s s e s „als vorläufige Unterlage für die Diskussion über die Methodik der beabsichtigten Erheb u n g " . 4 8 In der s c h o n zitierten V o r b e m e r k u n g machte er weitere „ n ö t i g e 43 Ebd. 44 Weber, Erhebungen (A), unten, S.78. Weber bezieht sich auf ein „Anschreiben", später heißt es auch: „Denkschrift". Es kann sich nur um die schriftliche Ausarbeitung Alfred Webers für die erste Sitzung des Unterausschusses am 13. Juni 1908 handeln, die neben dem Anschreiben vor allem einen Entwurf für Fragebögen umfaßte. 45 Dafür spricht auch die Art und Weise, wie Max Weber in der frühen Fassung der Denkschrift auf seinen geplanten Literaturbericht „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit" verweist. Hier heißt es noch: „Eine Zusammenstellung der Probleme wird von einem Mitgliede des Ausschusses in einer Fachzeitschrift erfolgen." Vgl. unten, S. 104, Fn. In der späteren Fassung ist dann die Ich-Form gewählt und das Vorhaben gemäß seinem Entwicklungsstand präzisiert. 46 Vgl. etwa Brief Max Webers an Heinrich Rickert vom 18. und 19. April 1908, MWG II/5, S. 528. 47 Brief Max Webers an Helene Weber vom 14. Aug. 1908, MWG II/5, S.633. Daß Max Weber mit der Denkschrift auch die Absicht verfolgte, diesen Glauben zu erschüttern, ist mehr als wahrscheinlich. Explizit bezweckte er dies jedenfalls mit seiner Literaturübersicht über „.Arbeits-Psychophysik"', die später im „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" erschien. In einem instruktiven Brief an Hans Gruhle, dem er-vermutlich Anfang Oktober-die inzwischen von ihm allein gezeichnete Denkschrift zugesandt hatte und der sich dafür bei ihm bedankte, heißt es, er habe diese Literaturübersicht, diese „Compilation", „unter uns gesagt, auch deshalb gemacht, um meinem Bruder, der die Enquete mit leiten wird (ich habe andres zu thun, ziehe mich also zurück), die großen (wohl unübersteiglichen) Schwierigkeiten, auf diesem Wege dem Vererbungspmb\em näher zu kommen, zu demonstrieren." Brief Max Webers an Hans Gruhle vom 13. Okt. 1908, MWG II/5, S. 674f. Vgl. dazu auch den Editorischen Bericht zu „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", unten, S. 157. 48 Vgl. Weber, Erhebungen (A), unten, S. 78.

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Erklärungen". Er habe sein „Exposé" absichtlich so verfaßt, „als ob es eine .Anweisung' an die Bearbeiter der Erhebung" darstelle. 49 Darüber, ob eine solche „Anweisung" überhaupt erwünscht sei und, wenn ja, „ob alsdann eine Umarbeitung dieses Entwurfs oder ein ganz neu und anders zu fassendes Exposé geeignet" erscheine, sei freilich noch zu beraten. 50 Weber verfaßte diese Schrift also zwar für den Unterausschuß, aber offensichtlich nicht in dessen Auftrag. 51 Vielmehr ist zu vermuten, daß er damit vor allem eigene methodologische und methodische Interessen verfolgte, denen er mittels der Denkschrift im Verein Gehör verschaffen, die er vielleicht sogar durchsetzen wollte. Besonders sein Bestreben, die Enquete gleichsam doppelseitig anzulegen, das Problem sowohl von der institutionell-sozialen wie von der biologischen Seite her aufzugreifen, um das relative Eigenrecht des sozialwissenschaftlichen und des naturwissenschaftlichen Vorgehens bei der Analyse von Ausleseprozessen zu bestimmen, konnte unter Nationalökonomen nicht unumstritten bleiben. Die ersten Reaktionen auf die Denkschrift bestätigten dies. Herkner, so Max in einem Brief an Alfred, „möchte natürlich (wie auch Bücher zweifellos) die .Vererbung' ausschalten". Um dies zu verhindern, brachte er die brüderliche Solidarität ins Spiel. Denn es heißt weiter: „Ich habe ihm u. Bücher geschrieben: ,wir würden beide entschieden dagegen sein. Man möge die Warnungstafeln vor Voreiligkeit und Dilettantismus noch dicker unterstreichen, u. sich absolut skeptisch gegenüber den Chancen zeigen, daß jetzt etwas Wesentliches über diesen Punkt hinauszubekommen s e i , - a b e r man dürfe doch nicht verschweigen, daß überhaupt irgendwo u. irgendwie diese Probleme mitspielen'". 5 2 Dieses methodologische und methodische Interesse motivierte ihn ja auch zu der Schrift „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", auf deren baldiges Erscheinen im Archiv er ausdrücklich hinwies. 53 Es ist ein Interesse an den Möglichkeiten und vor allem an den Grenzen der naturwissenschaftlichen Erklärung in diesem Problembereich sowie an der Größe der Kluft, die selbst zwischen den nomothetischen Naturwissenschaften und den nomothetischen Sozialwissenschaften besteht. 54 49 Ebd. 50 Vgl. ebd. 51 So erwähnte beispielsweise Gustav Schmoller in seinem Rundschreiben vom Juli 1908 an die Mitglieder des Ausschusses (oben, S. 68, Anm. 19) nicht, daß von Max Weber ein schriftlicher Beitrag zu erwarten sei, vgl. Schmoller, Mitteilung. 52 Brief Max Webers an Alfred Weber vom 19. Sept. 1908, MWG II/5. S. 661. 53 Auf den Psychophysik-Text verweist Max Weber bereits im vorliegenden Text, vgl. unten, S. 104. 54 Insofern geht es nicht, wie bei Rickert, um die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, sondern um die Grenzen zweier nomothetischer Ansätze, des der Naturwissenschaften und des der Sozialwissenschaften. Vgl. dazu unter anderem den instruktiven Brief von Max Weber an Willy Hellpach vom 18. April 1906, MWG M/5, S.80f.

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Durch die Entscheidungen des A u s s c h u s s e s v o m 12. Oktober erhielt die Schrift dann immerhin einen halboffiziellen Status. Sie gehörte zwar nicht wie Arbeitsplan und Fragebogen zu den b e s c h l o s s e n e n Enqueteunterlagen, d o c h die Entscheidung, sie auf Kosten des Vereins zu drucken, den Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen und sie darüber hinaus an einen größeren Kreis zu v e r s e n d e n , nahm ihr d e n Charakter, bloße Privatmeinung eines A u s s c h u ß m i t g l i e d s zu sein. Sie w u r d e sogar noch einmal a u f g e w e r tet: Im Vorwort der H e r a u s g e b e r zu der ersten Monographie, mit d e m die U n t e r s u c h u n g s s e r i e 1910 eröffnet w u r d e , ist sie, e n t g e g e n Max W e b e r s ausdrücklicher Formulierung, als A n w e i s u n g an die Mitarbeiter bezeichnet und o h n e A b s t u f u n g g e g e n ü b e r Arbeitsplan, Fragebogen und Z u s a t z b o g e n zu den „ E r h e b u n g s p a p i e r e n " gezählt. 5 5 Auf d i e s e m Hintergrund ist es b e s o n d e r s aufschlußreich, daß Max W e b e r der Enquete jede unmittelbar praktische sozialpolitische T e n d e n z absprach, sie vielmehr als eine sozialwissenschaftliche U n t e r s u c h u n g einstufte, die in erster Linie theoretische Ziele verfolge. Die Forderung nach m e h r Theorie im Verein hatte ja gerade die jüngere Generation der sozialpolitischen ,Linken', d e r e n vielleicht einflußreichster Vertreter er war, seit der M a n n h e i m e r Sitzung immer hörbarer erhoben.56 Die v o n Max W e b e r nun allein g e z e i c h n e t e Denkschrift muß den Mitgliedern des U n t e r a u s s c h u s s e s sowie z u m i n d e s t Gustav S c h m o l l e r - v e r m u t lich unter d e m Titel „ E r h e b u n g e n über A u s l e s e und A n p a s s u n g der Arbei-

55 Vgl. dazu Bernays, Auslese, Vorwort, S. VIM. Das Vorwort ist von Heinrich Herkner, Gustav Schmoller und Alfred Weber gezeichnet. Ebd., S. VII, heißt es zur Entstehung der Enquete: „Die Anregung zu den vorliegenden Veröffentlichungen hat Herr Prof. Dr. Alfred Weber gegeben. Er schlug in der Ausschußsitzung zu Magdeburg am 29. September 1907 vor, die Ansprüche zu ermitteln, welche der großindustrielle Betrieb an die intellektuellen und psychischen Qualitäten der Arbeiterschaft stelle. Dabei solle aber auch in ausgiebiger Weise auf die Veränderungen Rücksicht genommen werden, welche die Persönlichkeit des Arbeiters selbst durch die Eigenart der modernen Fabrikorganisation erführe." Die Quellen stützen diese Darstellung nur bedingt. 56 Als Folge der Auseinandersetzungen im Anschluß an den Mannheimer Streit wurde im Ausschuß auch darüber diskutiert, ob in Zukunft auch rein theoretische Fragen, Fragen der „wissenschaftlichen Nationalökonomie", auf Generalversammlungen behandelt werden sollten. Heinrich Herkner beantragte dies auf der Berliner Ausschußsitzung vom 4. und 5. Januar 1907. Darin wurde er von Max Weber und Ferdinand Tönnies unterstützt, nicht aber von Alfred Weber. Seither gab es auch eine Auseinandersetzung darüber, ob theoretische Fragen im Rahmen des Vereins oder besser in einer eigens dafür zu gründenden neuen Organisation erörtert werden sollten. Die Antwort, die einzelne Vereinsmitglieder darauf gaben, stand mit an der Wiege der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Vgl. Verein, Protokoll des Ausschusses, 1907b, S . 2 - 5 und S. 9 - 1 0 . Max Weber hielt übrigens z.B. Klassenbegriff und Klasseninteresse für Gegenstände, die dringend theoretischer Erörterung bedürften.

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terschaft der geschlossenen Großindustrie" 57 und „als Manuskript gedruckt" - bereits vor dem 11. Oktober vorgelegen haben. Am 12. Oktober wurde sie dann wahrscheinlich an die anwesenden Mitglieder des Ausschusses verteilt. 58 Der Unterausschuß debattierte am 11. Oktober über sie, und auch auf der Ausschußsitzung am 12. Oktober muß sie mit zur Diskussion gestanden haben. Max Weber sah sich danach genötigt, sie zu überarbeiten. Dies erklärt, weshalb Heinrich Herkner sie nicht zusammen mit Arbeitsplan und Fragebogen verschicken konnte. Zwar spielte hierbei die Entscheidung, sie in größerer Zahl zu drucken, sicherlich eine Rolle. Aber auch Arbeitsplan und Fragebogen mußten noch gedruckt werden. Das sollte etwa eine Woche nach der Ausschußsitzung geschehen. 59 Diese Zeit reichte Max Weber offensichtlich nicht, um seine Denkschrift zu überarbeiten. Bereits vor den Ausschußsitzungen hatte er mit der Materialerhebung für eine kleinere empirische Untersuchung in der Firma seiner Verwandten in Oerlinghausen begonnen, die er danach zunächst fortsetzte. 60 Die längere und teilweise umgestaltete Version der Denkschrift 61 ist demnach mit ziemlicher Sicherheit erst einige Zeit nach den Oktobersitzungen entstanden. Weber verweist denn auch in der neuen und ausführlicheren Vorbemerkung darauf, daß verschiedene Anregungen aus Sitzungen der Ausschüsse berücksichtigt seien. Dennoch handle es sich „nicht um eine im Auftrage oder im Namen des Vereins verfaßte, irgendwie maßgebliche

57 In Bernays, Auslese, Vorwort, S.VII, heißt es seitens der Herausgeber, Webers Denkschrift habe zunächst den Titel „Erhebungen über Berufseignung und Berufsschicksale der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie" getragen. Dies könnte der Titel des Manuskripts gewesen sein, das Max Weber Mitte August an Alfred Weber und andere versandte. Dieser Titel taucht weder in den überlieferten Schriften Max Webers noch in seinen Briefen auf. Er wird deshalb hier nicht weiter berücksichtigt. 58 Im Nachlaß des Ausschußmitgliedes Ignaz Jastrow fand sich ein Exemplar der früheren Version. Jastrow war bei der Ausschußsitzung am 12. Oktober 1908 anwesend. Es fehlten weit über die Hälfte der Ausschußmitglieder. 59 Dies, um den Ausschußmitgliedern entgegenzukommen. Karl Bücher wurde gebeten, die während der Sitzung ausgesprochenen sowie die innerhalb einer Woche eingehenden Änderungswünsche von Ausschußmitgliedern soweit als möglich noch einzuarbeiten. Vgl. Verein, Protokoll des Ausschusses 1908, S. 6. 60 Max Weber kehrte von Berlin nach Oerlinghausen zurück, um „noch einige Auszüge aus den Lohnbüchern etc." zu machen. Vgl. Brief Max Webers an Marianne Weber am oder nach dem 18. Okt. 1908, MWG II/5, S. 680. Außerdem las er die erste Folge seiner Literaturübersicht Korrektur. Vgl. Brief Max Webers an Hans Gruhle vom 21. Okt. 1908, MWG II/5, S. 684. Dazu auch der Editorische Bericht zu „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", unten, S. 159ff. 61 Vgl. Weber, Max, Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. (Als Manuskript gedruckt). - A l t e n b u r g : Pierersche Hofbuchdruckerei, Stephan Geibel & Co. 1908 (hinfort: Weber, Erhebungen (B)), unten, S. 7 8 - 1 4 9 .

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.Anweisung', sondern um eine .Anregung' [...] welche der Ausschuß des Vereins vervielfältigen zu lassen für richtig fand." 6 2 Für die Entstehung der überarbeiteten Fassung nach den Oktobersitzungen spricht auch, daß Weber seinen Titel an den neuesten Stand der Diskussion anpaßte. Er lautet nun: „Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie". Die Ergänzung des Titels um den Klammerausdruck wurde, wie bereits ausgeführt, am 11. Oktober im Unterausschuß vereinbart und am 12. Oktober im Ausschuß beschlossen. 6 3 Erst seither taucht diese eigenwillige Kombination von deterministisch und voluntaristisch gefärbten Begriffen im Titel auf. Max Weber veränderte und verbesserte seine Schrift insofern, als er den Text übersichtlicher gestaltete, in Abschnitte gliederte und ihm eine ausführliche Vorbemerkung sowie eine Inhaltsübersicht voranstellte. Nachdem Max Weber die erste Fassung der Denkschrift fertig hatte, konzentrierte er sich auf sein anderes Projekt, das ihn in dieser Phase intensiv beschäftigte: die kritische Literaturübersicht „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit" , 6 4 Mit der dort verarbeiteten Literatur hatte er sich allem Anschein nach schon vor der ersten Niederschrift der Denkschrift vertraut gemacht, setzen doch die Formulierungen im II. Abschnitt, über die naturwissenschaftlichen Probleme der Erhebung, ihre Kenntnis voraus. Obgleich dieser Abschnitt in der neuen Fassung nur wenig verändert ist, hat sich der inzwischen geschriebene erste Teil des Literaturberichts, der am 27. September 1908 im Manuskript abgeschlossen war, auch darauf wieder ausgewirkt. Darüber hinaus hatte die spätestens Anfang Oktober begonnene empirische Studie in der Firma seiner Verwandten in Oerlinghausen

62 Unten, S.78f. 63 Vgl. Verein, Protokoll des Ausschusses 1908, S. 6. 64 Es könnte freilich sein, daß er unmittelbar nach Abschluß der Denkschrift zunächst für das Septemberheft des Archivs eine Rezension schrieb: Weber, Max, Die Grenznutzlehre und das .psychophysische Grundgesetz', in: AfSS, Band27, Heft2, 1908, S.546-558 (MWG 1/12), in der besprochen wird: Lujo Brentano, Die Entwickelung der Wertlehre (Sitzungsberichte der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse, BandXXIV, 3. Abhandlung). - München: Verlag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1908, S. 1 - 8 4 . Vgl. dazu die Briefe von Max Weber an Lujo Brentano vom 29. Mai, 3. Juni, 18. Aug. und 30. Okt. 1908, MWG II/5, S. 578f., S.580, S.644 und S.688. Er hätte dann den Text in der 2. Augusthälfte verfaßt-vgl. Brief von Max Weber an Marianne Weber vom 13. Aug. 1908, MWG II/5, S. 632 - und die Fahnen auf einer Reise - dafür käme die nach Oerlinghausen am 10. oder 11. September in Frage - korrigiert. Da das Septemberheft erst am 25. September ausgeliefert wurde, ist dieser Ablauf nicht gänzlich ausgeschlossen. Wahrscheinlicher allerdings ist, daß die Rezension früher, im Juni oder Anfang Juli, entstand. Vgl. dazu auch den Editorischen Bericht zu „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", unten, S. 152.

Editorischer

Bericht

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Einfluß auf die Revision des III. Abschnitts. Da Max Weber in der späteren Fassung aber noch auf das bevorstehende Erscheinen seiner Psychophysikstudie im November- und Januarheft des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" verweist 65 und da das Novemberheft am 30. November ausgeliefert wurde, muß er die Überarbeitung der Denkschrift vor diesem Datum abgeschlossen haben. Sie wurde also vermutlich Ende Oktober/Anfang November 1908 durchgeführt.

Zur Überlieferung und Edition Das am 13. August 1908 fertiggestellte Manuskript ist nicht überliefert. Möglicherweise trug es den Titel „Erhebungen über Berufseignung und Berufsschicksale der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie", der nicht weiter verwendet wurde. 1 Es existieren zwei gedruckte Fassungen: Die ältere Fassung hat den Titel „Erhebungen über Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie" (A). Ein Exemplar befindet sich im Nachlaß Ignaz Jastrow in der British Library of Political & Economic Science der London School of Economics and Political Science in London, Mise. 114. Die jüngere Fassung hat den Titel „Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie" (B). Beide Fassungen tragen auf dem Deckblatt den Zusatz: „(Als Manuskript gedruckt.)" und die Jahreszahl 1908. Es wird kein Verlag genannt. Am Textende von A und B steht die Druckereiangabe: „Altenburg. Pierersche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co." 2 Da einige Fehler in A und B vorkommen (A15/B21, A42/B53), ist zu vermuten, daß Weber seine Änderungen und Ergänzungen in ein gedrucktes Exemplar von A eingetragen hat. Die Edition folgt der Fassung B. Die Abweichungen von A gegenüber B verzeichnet der textkritische Apparat. Der Text A ist fortlaufend, ohne Kapiteleinteilung geschrieben, der Text B mit Kapiteleinteilung, aber ohne Überschriften. Diese werden durch den Herausgeber anhand des Inhaltsverzeichnisses von B eingefügt. A und B zählen Webers Fußnoten je Seite neu. Sie werden hier durchgezählt.

65 Vgl. Weber, Erhebungen (B), Vorbemerkung, unten, S. 79. 1 Vgl. oben, S.75, Anm.57. 2 Hier wurden auch die „Schriften des Vereins für Socialpolitik" gedruckt, die durch Duncker & Humblot, damals Leipzig, verlegt wurden.

a

Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal)3 der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie.

[A 2, B 3] Nachstehendes Exposé wurde bs.Z.b dem Vorsitzenden des Unterausschusses1 °des Vereins für Sozialpolitik, welcher die Erhebungen vorbereitete, 0 von dem Unterzeichneten als vorläufige Unterlage für die Diskussion über die Methodik derselben d eingereicht. Es knüpft in e wichtigen Punkten an ein kürzeres' Anschreiben an, mit welchem seinerzeit 9 Alfred Weber den fast ganz von ihm bearbeiteten h(inzwischen umgestalteten)" Entwurf von Fragebögen vorlegte, 2 und verwertet auch sonst mehrfach die Ergebnisse von Erörterungen, die mit Aflfred] Weber gepflogen wurden. 'Verschiedene in den Sitzungen der Ausschüsse gegebene Anregungen 3 sind ebenfalls berücksichtigt.' Die Form war k absichtlich so gewählt, als ob dies' eine Arbeitsanweisung m an die Bearbeiter der Erhebung sein "sollte, weil nur so die Probleme der praktischen Durchführbarkeit deutlich hervortreten konnten. Um so nachdrücklicher muß hier betont werden, daß es sich nicht um eine im Auftrage oder im Namen des Vereins b Fehlt in A. c Fehlt In A. d A: der beabsichtigten Erhebung a Fehlt in A. e In A folgt: verschiedenen f A: kurzes g A: seiner Zeit h A: ersten (inzwischen vom Unterausschuß beratenen und vom Vorsitzenden desselben umgestalteten) i Fehlt In A. k A: ist I A: es m A: „Anweisung" n - / l A: sollte. Ob eine solche überhaupt erwünscht erscheint, und wenn ja, ob alsdann eine Umarbeitung dieses Entwurfs oder ein ganz neu und anders zu fassendes Exposé geeignet erscheint, wird jedoch erst noch beraten werden müssen.

1 Weber meint den Unterausschuß, der die Enquete, in dieser Phase noch unter dem Titel „Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie", vorbereitete und das Projekt dem Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik auf seiner Sitzung am 12. Oktober 1908 in Berlin zur Beschlußfassung vorlegte. Karl Bücher war der Vorsitzende des Unterausschusses. Am 12. Oktober 1908 wurde Heinrich Herkner als Leiter der Untersuchungen eingesetzt. 2 Das Anschreiben und der Entwurf der Fragebögen ließen sich nicht nachweisen. Diese Unterlagen hatte Alfred Weber dem Unterausschuß zu seiner Sitzung am 13. Juni 1908 vorgelegt. 3 Weber verweist vermutlich auf die Sitzungen des Unterausschusses am 11. und des Ausschusses am 12. Oktober 1908. Vgl. Editorischer Bericht, oben, S. 68ff.

Erhebungen über Auslese und

Anpassung

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verfaßte, irgendwie maßgebliche „Anweisung", sondern um eine „Anregung" handelt, welche der Ausschuß des Vereins vervielfältigen zu lassen für richtig fand. Auf welchen Wegen etwa den in Abschnitt II berührten naturwissenschaftlichen Problemen der Arbeitseignung nachgegangen werden könnte und welche Aussichten Versuche dieser Art zur Zeit haben (oder nicht haben) könnten, darüber beabsichtige 0 ich im „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" (Novemberheft 1908, Januarheft 1909)4 einige Erläuterungen zu geben. Hier möchte ich nur bemerken: Der Verein für Sozialpolitik kann von denjenigen ökonomisch geschulten Mitarbeitern, welche sich in den Dienst dieser Erhebung stellen werden, unmöglich den Besitz psychopathologischer, physiologischer und ähnlicher Kenntnisse beanspruchen, folglich auch nicht die Erledigung dieser Seite des Problems zur Vorbedingung der Aufnahme von Arbeiten in seine Publikationen machen. Allerdings würden Arbeiten, die über diese, weitaus schwierigsten Punkte Aufschlüsse, seien es auch nur ernst | hafte Vorarbeiten für die Gewinnung von B 4 solchen, - bieten würden, zweifellos die wertvollsten sein. Der Verein wendet sich mit der Aufforderung zur Mitarbeit keineswegs nur an Nationalökonomen von Fach, so unentbehrlich der Besitz gewisser ökonomischer Kenntnisse ist. Und es ist für ihn auch nicht entscheidend wichtig, ob Arbeiten solcher Art unter seiner Flagge laufen, - sofern sie nur überhaupt geleistet werden. Heidelberg." Max Weber. I

O B: beabsichtigte

4 Max Webers zunächst auf zwei Folgen geplanter Literaturbericht erschien schließlich in vier Folgen unter dem Titel „Zur Psychophysik der industriellen Arbelt" 1908/09 im AfSS, unten, S. 162-380 (hinfort: Weber, Psychophysik). Bei der Überarbeitung der hier edierten Denkschrift war er Ober Umfang und Abfolge dieser Veröffentlichung nicht sicher. Vgl. unten, S. 104 und 132.

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Erhebungen über Auslese und Anpassung

[B 5] p Inhalt: I. Allgemeiner Charakter der Erhebung: Sozialpolitische Neutralität. Beschränkung auf die „geschlossene" Großindustrie. Ausscheiden der nur „morphologischen" Probleme. Bedeutung der Art der Zusammensetzung der Produktionskosten für die Fragestellung der Erhebung. Die Technik und die Fragestellung der Erhebung. Der Lernprozeß und die „Gelerntheit" der Arbeiter in ihrer Bedeutung für die Fragen der Erhebung. II. Die naturwissenschaftlichen Probleme der Erhebung: Physiologische und psychologische Grundlagen der Arbeitseignung. Probleme der „Vererbung". Grundsätzliche methodische Schwierigkeiten für die Erfassung der durch „Anlage" bedingten Differenzen der Arbeitseignung. Sinn der Fragestellung. - III. Die Methodik der Erhebung: Ihr Thema. Bedeutung der Arbeitszeit, der Pausen Verteilung, der Lohnsysteme für die Fragestellung. Die Lohnbuchführung und die Kalkulation der Lohnkosten und Nutzeffekte in ihrer Bedeutung für die Erhebung: die Auslese der Arbeiterschaft. Benutzung der Stammrollen 5 der Fabriken für die Erhebung. Befragung der Arbeiterschaft selbst. Die beiden Typen der Durchführung der Erhebung: Betriebserhebung und gewerkschaftsstatistische Erhebung. Einzelheiten über die Fragestellungen in beiden Fällen. Sinn der Erhebung.

l.p qAllgemeiner

Charakter der

Erhebungq

[A 3] Die gegenwärtige Erhebung 6 versucht festzustellen: einerseits, welche Einwirkung die geschlossene Großindustrie auf persönliche Eigenart, berufliches Schicksal und außerberuflichen „Lebensstil" ihrer Arbeiterschaft ausübt, welche physischen und psychischen Qualitäten sie in ihnen entwickelt, und wie sich diese in der gesamten Lebensführung der Arbeiterschaft äußern, - andererseits: inwieweit die Großindustrie ihrerseits in ihrer Entwicklungsfähigkeit und Entwicklungsrichtung an gegebene, durch ethnische, soziale, kulturelle Provenienz, Tradition und Lebensbedingungen der Arbeiterschaft erzeugte Qualitäten derselben gebunden ist. r Es sind damit also zwei verschiedene Fragen miteinander verkoppelt, welche der Theoretiker scheiden kann und muß, die aber in der Praxis der Untersuchung fast überall kombiniert miteinander auftreten, dergestalt, daß, wep Fehlt in A. q Fehlt in A und B. Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis eingeschoben. r Fehlt in A. 5 Vgl. Anm.9, unten, S. 135. 6 Gemeint ist die Enquete des Vereins für Sozialpolitik „Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie".

Erhebungen

über Auslese und Anpassung

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nigstens letzten Endes, die eine nicht ohne die andere beantwortbar ist. | Der Verein für Sozialpolitik tritt mit dieser Erhebung auf den B 6 Boden der ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienenden Arbeiten. Den beabsichtigten Publikationen und ebenso den möglicherweise sich daran anschließenden Erörterungen liegt jegliche unmittelbar praktische „sozialpolitische" Tendenz fern; s ihr Zweck ist ein rein „sozialwissenschaftlicher". Nicht darum handelt es sich, wie die sozialen Verhältnisse in der Großindustrie zu „beurteilen" seien, ob insbesondere die Lage, in welche der moderne geschlossene Großbetrieb die Arbeiter versetzt, erfreulich sei oder nicht, ob jemand und eventuell wer an etwaigen unerfreulichen Seiten derselben eine „Schuld" trage, was daran etwa gebessert werden solle oder könne und auf welchem Wege? Sondern es handelt sich ausschließlich um die sachliche und objektive Feststellung von Tatsachen und um die Ermittlung ihrer, in den Existenzbedingungen der Großindustrie und der Eigenart ihrer Arbeiter gelegenen, Gründe. Und diese Tatsachen, deren Feststellung erstrebt wird, liegen gleichfalls nicht auf Gebieten und führen auch nicht auf Probleme, welche mit den Mitteln der Gesetzgebung in Angriff genommen werden können. Damit soll nicht etwa gesagt sein, daß sie kein praktisches Interesse böten. Die Frage, ob und eventuell an welche durch „Volkscharakter" und Kulturstand bedingte Qualitäten unserer Arbeiterschaft die Leistungsfähigkeit unserer großen Industrien gebunden ist, ebenso die umgekehrte Frage, mit welchen, durch den stetigen | Fortschritt A 4 unserer großindustriellen Entwicklung in unseren Arbeitern herangezüchteten, weil für die Großindustrie notwendigen oder nützlichen physischen und psychischen Eigenschaften wir in Zukunft zu rechnen haben, in welche allgemeinen Lebensbedingungen endlich diese so geartete Arbeiterschaft hineingestellt ist und sein wird, diese Fragen sind sicherlich für äußerst wichtige allgemeine Probleme, nicht nur handelspolitischer, sondern allgemein „kulturpolitischer" (z.B. auch schulpolitischer) Art von ganz erheblicher Bedeutung. Und die Verbreitung von Klarheit über jene Fragen könnte auch für die Beteiligten, die großindustriellen Unternehmer wie die Arbeiter selbst, von beträchtlichem praktischen Interesse werden. Sie könnte schließlich auch über Fragen wie die: was angesichts der S A: fern,

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Erhebungen über Auslese und Anpassung

gegebenen Existenzbedingungen der Großindustrie auf dem Wege der Gesetzgebung überhaupt als „erreichbar" gelten darf, was nicht, mehr Licht verbreiten, als heute vorhanden ist. Allein diese möglichen praktischen Nebenerfolge der Erhebung sind nicht ihr Zweck. Es ist nicht die Absicht des Vereins, mittels der diesmaligen Erhebung irgendwelche praktischen Fragen in der Art zur Diskussion zu stellen, wie dies bei manchen seiner früheren Erhebungen 7 der Fall B 7 war und der Fall sein | mußte. Vollends denkt der Verein nicht daran, etwa durch seine Erhebung Material zu liefern, um über die Interessenten, seien dies nun Arbeiter oder Unternehmer, „moralisch" zu Gericht zu sitzen. Mit solchen Absichten wäre der wissenschaftlichen Unbefangenheit dieser Untersuchungen in keiner Weise gedient. Das ganze Problem, um welches es sich handelt, ist schon seiner Natur nach - es scheint nicht überflüssig, dies auch den Herren Mitarbeitern gegenüber zu betonen - ein sozialpolitisch durchaus neutrales. Es folgt daraus beispielsweise: Wo dem Bearbeiter eines Teilgebiets Klagen der Arbeiter über irgendwelche Zustände (Lohnsystem, Verhalten der Werkführer usw.) in industriellen Betrieben entgegentreten, da würde ihn dieser Umstand - im Sinne der gegenwärtigen Erhebung - nicht als Symptom einer praktischen „Frage" etwas angehen, zu der er urteilend Stellung zu nehmen hätte, sondern er käme für ihn lediglich als Begleiterscheinung bestimmter (technischer, ökonomischer, psychologischer) Umbildungsprozesse in Betracht, die es objektiv in ihrem Verlauf zu erklären gilt. In diesem Sinne betrachtet, können solche Stimmungen der Arbeiterschaft natürlich auch für die gegenwärtige Erhebung von bedeutendem Interesse sein. Allein der Bearbeiter würde sie alsdann nicht auf ihre „Berechtigung", sondern lediglich auf ihre Entstehung hin anzusehen haben. Und selbstverständlich würde für gereizte Äußerungen der Unternehmer über die Arbeiterschaft der gleiche | A 5 Grundsatz, sie als Symptome von Entwicklungsreibungen festzustellen und eventuell zu analysieren, zu gelten haben. Die gegenwärtige Erhebung verfolgt also - in dem ebenerwähnten Sinne - „theoretische" Ziele. Es erscheint nützlich, noch ausdrückli7 So beispielsweise bei der Enquete des Vereins für Sozialpolitik „Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland", an der Max Weber in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts mitgearbeitet hatte; vgl. bes. den Editorischen Bericht von Martin Riesebrodtzu Weber, Max, Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland. 1892, hg. von Martin Riesebrodt. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984 (MWG I/3), S. 1 8 - 3 3 .

Erhebungen über Auslese und

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eher, als dies aus dem mitgeteilten „Arbeitsplan"8 selbst hervorgehen kann, zu veranschaulichen, welcher Art diese Ziele sind. Die Erhebung beschränkt sich in ihrem Objekt zunächst insofern, als sie die geschlossene Großindustrie - Unternehmungen also, welche gänzlich oder mindestens dem Schwerpunkte nach geschlossene Großbetriebe schaffen - zum Gegenstand 'hat: die etwa angegliederte Heimarbeit wäre aber natürlich, nach Eigenart und Provenienz ihrer Arbeiterschaft, mit der im geschlossenen Betriebe verwendeten zu vergleichen. Überhaupt könnte ein Vergleich mit hausindustriellen Verhältnissen gegebenenfalls fruchtbar sein. - Die Erhebung' findet ferner ihr letztes Ziel nicht in der Analyse der „morphologischen" Fragen: Organisation der Produktion und des Absatzes und innere Betriebsgliederung," nach deren technischer und ökonomischer Bedingtheit. Allerdings ist es naturgemäß durchaus unumgänglich, daß der Bearbeiter von diesen 3 Dingen | sich für sein B 8 Arbeitsgebiet eine gründliche Kenntnis verschafft, wie dies ja auch in dem ersten Absatz des „Arbeitsplanes"139 vorausgesetzt wird. Die Punkte, auf welche es dabei ankommen würde, sind z.B. in der

t A: hat. Sie u Satzzeichen fehlt in A. fehlen die Anführungszeichen.

a In A folgt: grundlegenden

b In A

8 Der Unterausschuß hatte einen Fragebogen mit Zusatzbogen und einen „Arbeitsplan" ausgearbeitet, der in Fragestellung und Methodik der Enquete einführte. Diese Unterlagen wurden nach der Beschlußfassung im Ausschuß gedruckt und an Mitarbeiter und interessierte Vereinsmitglieder verschickt, vgl. auch den Editorischen Bericht. 9 Im „Arbeitsplan" heißt es: „Es soll den Mitarbeitern überlassen bleiben, ob sie einen einzelnen Betrieb, eine Reihe gleichartiger Betriebe oder eine örtlich abgegrenzte Gruppe von Betrieben der Untersuchung zugrunde legen oder eine vergleichende Darstellung von untereinander verschiedenen Industrien geben wollen. Auf alle Fälle ist festzustellen, wie in jedem Fabrikationszweig der Produktionsprozeß geteilt ist, und welche Arten von Arbeitskräften infolgedessen der Betrieb in sich vereinigt. Die Gliederung des oder der Einzelbetriebe ist nach ihrer technischen und wirtschaftlichen Bedingtheit zu untersuchen, und es sind die verschiedenen Betriebsabteilungen mit Rücksicht auf ihre Produktionsaufgaben und die in ihnen vorkommenden Arbeitsprozesse und Arbeiterkategorien kurz zu beschreiben. Dabei ist anzugeben, welche Arten von Maschinen verwendet werden, und wie sie auf die Gliederung des Betriebes im ganzen und des Arbeitspersonals im einzelnen einwirken, welche Änderungen und Verschiebungen sich in dieser Hinsicht vollziehen oder in absehbarer Vergangenheit vollzogen haben, ausweichen Gründen und mit welchen Folgen. Endlich sind zu beachten: die Art, wie sich jede Abteilung in das Ganze einfügt, ihre größere oder geringere Selbständigkeit und die Mittel der Kontrolle (Aufsichtspersonen, Revisionsorgane, Fabrikbuchführung)."

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Abhandlung von Dr. H[ugo]c Ephraim („Organisation und Betrieb einer Tuchfabrik", Tübingen 1905 d ) 10 für eine bestimmte Industrie® behandelt, und den Herrn Mitarbeitern kann das Studium dieser Darstellung nurf empfohlen werden.9 Allein hArbeiten dieser Art" würden nicht als Antwort auf die mit dieser Erhebung aufgeworfenen Fragen gelten können, so unentbehrlich sie oft' als Vorarbeiten für deren Inangriffnahme ¡sein werden'. kSo würde beispielsweise die Gliederung der Einzelunternehmung in Betriebseinheiten (z.B. eines, in der üblichen Redeweise, sogenannten „Betriebes" - gemeint ist in genauerer Ausdrucksweise: eines in einer Hand und in einem lokal irgendwie zusammenhängenden Gebäudekomplex zusammengefaßten Produktionsw/iferae/zmms - etwa der Eisenindustrie in technische Betriebseinheiten wie: Gießerei, Kesselschmiede, Maschinenwerkstatt usw., oder einer „Weberei" in technische Betriebseinheiten, wie: Schlichterei, Spulerei, Weberei, Säumerei usw.) und die Art der Abrechnung und des Verkehrs dieser Betriebseinheiten untereinander hier nie das eigentliche Objekt der Darstellung sein dürfen. Das Interesse dieser Erhebung beginnt vielmehr erst bei Fragen wie folgenden: inwieweit besteht - wie immer jene „Betriebseinheiten" innerhalb des Unternehmens produktionstechnisch oder baulich oder buchmäßig (für die Kalkulation) voneinander geschieden oder miteinander kombiniert sein mögen - zwischen ihnen ein Austausch von Arbeitskräiten, ein „Avancement" von einer in die andere? oder besteht umgekehrt eine mehr oder minder strenge Scheidung? und hat diese etwa auch in sozialer Hinsicht und im geselligen Verkehr Konsequenzen? Darin verhalten sich z.B. Formerei und Kesselschmiede, Spulerei und Weberei, Weberei und Säumerei gänzlich verschieden zueinander. - Ebenso steht es mit der an sich so wichtigen Organisation des Absatzes. Sie ist nicht um ihrer c A, B: G. d A, B: 1906 e In A folgt: in sehr klarer Weise f In A folgt: sehr entschieden g In A folgt: Es ist erwünscht und steht zu hoffen, daß, nachdem dieses Muster vorliegt, weitere Arbeiten der gleichen Art entstehen werden. h A: sie i Fehlt in A. j A: sind k—k A: Während z . B . die an sich so wichtige Organisation des Absatzes, wie sie in der genannten Schrift eingehend geschildert wird, und vieles Ähnliche für diese Erhebung kein Interesse bieten könnte, würden wiederum andere, in das dort behandelte Thema nicht hineingehörige, dennoch aber spezifisch ökonomische Probleme der geschlossenen Großindustrie hier in den Vordergrund rücken müssen.

10 Gemeint ist der Aufsatz von Hugo Ephraim, Organisation, 1905.

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selbst willen Objekt dieser Erhebung. Dagegen spielt sie nicht selten indirekt in sehr einschneidender Weise in die Fragen dieser Erhebung hinein. Z . B . insofern als die Absatzvermittlung durch Grossisten („Engrossortimenter"), wie sie die Textilindustrie Englands kennt, die weitestgehende Spezialisierung der Einzelunternehmungen, damit auch ihrer Arbeiterschaft und, als Folge davon, deren kontinuierliche Beschäftigung mit der gleichen Arbeit begünstigt, was sowohl für das uns interessierende „Berufsschicksal" der Arbeiterschaft wie für die Möglichkeit, einigermaßen „exaktes" Material über deren Leistungsfähigkeit zu gewinnen (s. unten) ,11 von Wichtigkeit ist. | Wo, wie vielfach in Deutschland, in starkem Maße direkter B 9 Verkehr mit den Detaillisten stattfindet, ist die Spezialisierung erschwert, daher der Wechsel der Beschäftigungsart des einzelnen Arbeiters, zum mindesten (so in manchen Zweigen der Weberei) der Wechsel der Sorten, die er herstellt, für seine Lage charakteristisch und für die Gewinnung deutlicher Zahlen, welche das Maß seiner Leistung, deren Schwankungen und ihre Vergleichbarkeit mit derjenigen anderer Arbeiter des gleichen Betriebes charakterisieren könnten, sehr erschwerend. - Wenn so die eigentlich betriebsorganisatorischen und Absatzprobleme für diese Erhebung nur eine indirekte Rolle, wenn auch unter Umständen eine sehr wichtige, zu spielen berufen sind, so muß auf der anderen Seite den Bearbeitern angeraten werden, außer solchen „organisatorischen" auch noch einige im engeren Sinne ökonomische „Vorfragen" zu beachten.k So scheint es namentlich wichtig,' daß der Bearbeiter sich für die von ihm behandelten Industrien ein möglichst deutliches Bild von dem Maß des Kapitalerfordernisses (für „ technische"m Betriebseinheiten bestimmter Größen) und "von der „organischen" Zusammensetzung des erforderlichen Kapitals,12 dem" Verhältnis also von Gebäude-

I A: unumgänglich, m Fehlt in A. des erforderlichen Kapitals, das

n A, B: für die „organische" Zusammensetzung

I I Unten, S . 1 2 8 f f . 12 Damit greift W e b e r auf einen Begriff aus Karl Marx' „Kapital" zurück. Dort wird der Begriff u.a. am Beginn des 23. Kapitels ( „ D a s allgemeine G e s e t z der kapitalistischen Akkumulation") von Band 1 verwendet. Karl Marx versteht unter der „organischen Z u s a m m e n s e t z u n g " d e s Kapitals seine wertmäßige Z u s a m m e n s e t z u n g aus Produktionsmitteln (konstantes Kapital) und Arbeitskraft (variables Kapital), insofern das Verhältnis dieser Bestandteile technisch bedingt ist. Marx, Karl, Das Kapital. Kritik der politischen Ö k o n o mie, hg. von Friedrich Engels, 1. Band, 4. Aufl. - Hamburg: Otto M e i s s n e r 1890, S. 576.

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Erhebungen

über Auslese

und

Anpassung

und Maschinenkapital einerseits, von Rohstoffkosten und Lohnkosten andererseits, zu beschaffen sucht. So zweifelhaft es ist, wie weit im Einzelfall ein Unternehmer 0 geneigt sein wird, eingehende AngaA 6 ben über seine individuellen Verhältnisse in dieser | Hinsicht zu machen, so wahrscheinlich ist es nach allen Erfahrungen, daß brauchbare Durchschnittswerte relativ leicht festzustellen sein werden. Nicht minder wichtig würde die Feststellung sein, wie sich die Umschlagszeiten der Kapitalien im Verlauf der technischen und ökonomischen Entwicklung der betreffenden Industrie in der letzten Zeit verschoben haben, und welches der jetzige Zustand in dieser Hinsicht ist. p Die Art der Zusammensetzung des Kapitals, und das heißt zugleich:q der Produktionskostenelemente einer Industrie, äußert sich vor allem in der Richtung, in welcher sich ihre Tendenz zur Arbeitsersparnis bewegt. Jede Einstellung einer neuen/ technisch vollkommeneren Maschine bedeutet einerseits Ausschaltung einer Reihe von Arbeitsprozessen, die zur Bedienung der bisher verwendeten Werkzeuge erforderlich waren, und das heißt: s Entbehrlichwerden bestimmter, bisher erforderlicher Qualitäten der Arbeiterschaft, andererseits: Verwendung® von Arbeitern, welche die neueingestellten Maschinen zu bedienen haben und, um dazu geeignet zu sein, ihrerseits gewisse andere Qualitäten entwickeln müssen. Es ist nun für diese Erhebung einer der entscheidenden' Punkte, daß festgestellt wird, 1." welche Art von Arbeitern mit welcher Art von B 10 Qualitäten durch solche | technischen Umwandlungen nach der einen Seite hin ausgeschaltet und auf der anderen gezüchtet werden, 2. inwieweit dies durch die von Maß und Art des Kapitalbedarfs abhängigen allgemeinen ökonomischen Grundlagen der betreffenden Industrie bedingt ist. Technische Umgestaltungen folgen / infolge der Knappheit des jeweils verfügbaren „Kapitals"," ziemlich ge-

p In A folgt: Denn der Bearbeiter wird Veranlassung haben, sich die o A: Betrieb Bedingtheit der technischen Entwicklung und damit auch der Qualitäten und des Berufsschicksals der Arbeiterschaft durch diese entscheidenden ökonomischen Grunddaten vor Augen zu halten. q Satzzeichen fehlt in A. r Satzzeichen fehlt in A. s A:von Arbeitern einer bestimmten Qualität, andererseits Heranziehung t A: entscheidensten u A, B: 1. festgestellt wird, v A: vollziehen sich nicht schon deshalb, weil sie technisch „zweckmäßig" sind, d.h. mit einem geringeren Verbrauch an Energie (im physikalischen Sinne) die gleiche oder ein Plus von Arbeit der erforderten Art zu erzielen gestatten. Sondern die Frage ist direkt stets nur, ob sie auch zur Zeit ökonomisch rentabel sind, und zwar folgen sie w Satzzeichen fehlt in A.

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nau dem Wege, der durch das jeweilige Maximum möglicher Kostenersparnis vorgezeichnet ist. Wo aber dies jeweils liegt, bestimmt sich in hohem Maße durch die Zusammensetzung des Kapitals der einzelnen, in einer Hand zusammengefaßten Wirtschaftseinheiten. Je nachdem z.B. die Kosten für unwirtschaftlichen Materialverbrauch oder für Maschinenverschleiß oder für Fehler und Ungleichmäßigkeit des Produkts oder die nackten Lohnkosten als solche innerhalb einer solchen Einheit relativ besonders stark ins Gewicht fallen, variieren deren jeweilige technische Entwicklungstendenzen. Die Industrie | trachtet, dementsprechend, bekanntlich nicht einfach A 7 danach, absolut hochbezahlte Arbeiter als solche durch technische Neuerungen auszuschalten, sondern sie sucht sie 3 , beispielsweise,® dann auszuschalten, wenn die Lohnkosten in dem betreffenden Teil des Produktionsprozesses einen relativ besonders hohen Bruchteil des Gesamtkapitals in Anspruch nehmen, weil die betreffende Arbeiterschaft zugleich hoch qualifiziert, also teuer, und relativ besonders zahlreich ist. Und die für diese Erhebung interessierende Frage ist alsdann: inwieweit sie, im Einzelfall, zugunsten einer dünneren Schicht von Arbeitern mit eventuell noch höherer Qualifikation ausgeschaltet oder durch geringer qualifizierte und jederzeit leicht ersetzbare Arbeiter verdrängt wird. Keineswegs immer aber handelt es sich bei solchen Verschiebungen um einfache Lohnkostenrechnungen; vielmehr wäre die Aufgabe gerade: zu untersuchen, inwieweit und in welcher Richtung durch diese, und inwieweit durch andere Erfordernisse, z.B. Gleichmäßigkeit des Produkts, Materialersparnis usw., Verschiebungen in der Technik und damit in der Zusammensetzung der Arbeiterschaft bedingt wurden. Solche Änderungen können insbesondere auch Funktion des Interesses der Industrie an der Beschleunigung des Umschlags ihres Kapitals sein. Nicht nur trotz, sondern vermittels stetiger Steigerung des stehenden, insbesondere des Maschinenkapitals zugleich die Umschlagsgeschwindigkeit des Gesamtkapitals steigern zu können, ist eine typische Bedingung weitgreifender technischer Neuerungen. Diejenigen Teile des Arbeitsprozesses - und damit auch die an sie geketteten Arbeiter - sind daher diesen Umschaltungsvorgängen am meisten ausgesetzt, an welchen durch maschinelle13 Mechanisierung am mei-

a Satzzeichen fehlen in A.

b Fehlt in A.

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B 11 sten Zeit gespart | wird. - Ferner unterstehen große Teile der Fertigund Halbfabrikatindustrie dem Gesetz der zunehmenden „Standardisierung" ihrer Produkte. Sie suchen zur Ausschaltung der kostspieligen Vielseitigkeit ihrer Produktionswerkzeuge und ihres Absatzapparates ihre Produkte auf eine Minimalzahl möglichst gleichmäßiger Typen zu reduzieren und die Produktion unter diesem Gesichtspunkt zu „mechanisieren". Technische Neuerungen, Ausschaltungsund Neueinschaltungsprozesse, welche unter dem Druck dieses Interesses erfolgen, finden demgemäß an derjenigen Stelle des Produktionsprozesses am intensivsten statt, wo an Typik der Produkte am meisten zu gewinnen ist. Solche und andere, je nach der Eigenart der einzelnen Industrien verschiedene, ökonomische Bedingungen von technischen Neuerungen sollen nun natürlich von der Erhebung nicht etwa um ihrer selbst willen festgestellt werden. c Vielmehr sind sie für die hier verfolgten Zwecke zunächst rein methodisch wichtig, für die Frage nämlich: welche einzelnen Industrien und - innerhalb einer jeden - welche Bestandteile ihrer Arbeiterschaft ein besonders geeignetes Objekt für die Feststellung von Unterschieden in der Arbeitseignung der Arbeiter untereinander, ihrer Gründe und Folgen, darstellen, wo also eine eingehende Untersuchung dieses Punktes mit Hilfe der später zu erörternden Mittel die größten Chancen haben würde. Dies wird da der Fall sein, wo 1. die ^Ldhnkosten einen besonders hohen Bruchteil des gesamten Kapitalaufwandes darstellen und also die rationelle Ausnützung der Arbeitskraft für die Rentabilität besonders dringlich ist, wo ferner - was damit häufig, aber keineswegs immer, zusammenfällt - 2. die Qualifikation der Arbeiter von maximaler Bedeutung für den technischen Produktionserfolg nach Quantität und Qualität ist, die Industrie also von der Arbeitseignung der Arbeiterschaft in besonders hohem Maße abhängig ist, und wo endlich 3. die „Standardisierung" der Produkte, damit auch die Kontinuität gleichartiger Beschäftigung der Arbeiter eine besonders große und also die möglichst exakte Messung der Leistungen der Arbeiter (s. unten) 13 ermöglichende ist, - was wiederum mit den beiden

c-c

Fehlt in A.

13 Unten, S. 128ff.

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erstgenannten Punkten oft, aber durchaus nicht immer zusammenfällt. Typische Produkte, hohe Qualitäten der Arbeiterschaft, starke relative Bedeutung der Lohn/cosien bedingen also bei ihrem Zusammentreffen ein besonders günstiges Terrain für den Erfolg aller auf die „Auslese" der Arbeiter bezüglichen Fragen. Dabei versteht es sich jedoch, daß die Erhebung - ganz abgesehen davon, daß sie ja nicht nur auf diese Frage abgestellt ist - durchaus nicht darauf verzichten darf, auch Industrien, bei denen die Bedingungen | der B 12 Untersuchung in jener Hinsicht nicht so günstig liegen, in Angriff zu nehmen. Die Chancen, zu Resultaten zu gelangen, sind dabei keineswegs immer absolut schlechtere; denn es darf nicht vergessen werden, daß neben der unmittelbar am Arbeitserfolg meßbaren reinen Arbeitseignung auch rein historische Bedingungen die Verwendung bestimmter Provenienzen in bestimmten Arbeitsstellungen bestimmen. - c d In sachlicher Hinsicht interessieren jene ökonomischen Grundlagen der Kapitalverwertung und ihre Wandlungen 1. für die | Frage: [A 8] Inwiefern haben jene Eigenarten der Zusammensetzung des Kapitals, der Entwicklung des Kapitalumschlags und der „Standardisierung" in den einzelnen Industrien 0 in absehbarer Vergangenheit zu Änderungen in der inneren Gliederung der Arbeiterschaft, in deren Berufsschicksal und ihren beruflichen und „menschlichen" Qualitäten geführt? Welche einzelnen Änderungen dieser Art sind also den einzelnen Entwicklungstendenzen der Kapitalverwertung zuzurechnen? Auf der anderen Seite aber wäre 2. auch zu fragen: ob und in welchem Sinne die betreffende Industrie ihrerseits in der Art ihrer Kapitalverwertung, also z. B. in der Tendenz zu zunehmender Kapitalintensität überhaupt, zur Standardisierung, zur steigenden Umschlagsgeschwindigkeit usw.[,j sich gehemmt findet (oder zu finden glaubt) durch gegebene Qualitäten ihrer Arbeiterschaft, weil diese Qualitäten technische Neuerungen bestimmter Art erschweren. Ist dies der Fall, so fragt sich dann weiter: ob diese Hemmung für sie ganz allgemein besteht e (bzw. bestand) e oder etwa nur lokal und im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsgebieten, inwieweit sie also von der Eigenart der örtlich zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte ab-

d—d A ohne Absatz: Vielmehr interessiert daran einzig und allein | 1. die Frage: Inwie- A 8 fern hat jede einzelne von ihnen e Klammern fehlen in A.

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hängt (bzw. abhing). Endlich:' in welcher Weise sich die betreffende Industrie alsdann diesem Bestandteil ihrer Produktionsbedingungen in Maß, Gliederung und Umschlag ihres Kapitalaufwandes anzupassen genötigt und bestrebt ist (bzw. gewesen ist). Die Vergleichung verschiedener auf den gleichen Arbeitsmarkt angewiesener Industrien, ebenso aber die Vergleichung geographisch getrennter Betriebe der gleichen Industrie, die auf verschiedene Arbeitsmärkte angewiesen sind, dürfte hierfür besonders lehrreich sein: 9 h für die ganze Lage der Textilindustrie und ihrer Arbeiterschaft ist es ja von grundlegender Bedeutung, daß mit den auf (relativ) hochgelohnten Arbeitskräften ruhenden Betrieben des Westens die schlesische Textilindustrie in ein und dasselbe Wirtschaftsgebiet eingespannt ist, welche aus dem unerschöpflichen osteuropäischen Bevölkerungsreservoir billige Arbeitskräfte anzieht. Alle Gegensätze der sozialen Struktur von West und Ost spielen hier hinein. h \ B 13 Die Frage, in welcher Art' sich kdie einzelnen Industrien'' ihre Arbeitskräfte beschaffen, gehört' ersichtlich ebenfalls in diesen Zusammenhang. Wenn dabei naturgemäß von der Fragestellung: wie Arbeitsangebot, Anwerbung und Arbeitsvermittlung in der einzelnen Industrie und für die einzelnen Arbeiterkategorien technisch gestaltet ist, auszugehen sein würde, so ist die eigentliche Aufgabe dabei doch die: festzustellen, inwieweit die einzelnen Industrien mehr oder minder an die örtlich oder in bestimmten Regionen vorhandenen Arbeitskräfte gebunden oder inwieweit sie in der Lage waren und sind, solche von auswärts heranzuziehen, eventuell aber: auf welche Art Schwierigkeiten sie dabei stoßen. Die möglichst exakte Feststellung, aus welchen anderweitigen ArbeitsStellungen heraus die einzelnen Arbeiterkategorien der betreffenden Betriebe rekrutiert worden sind, ist dabei von ganz besonderem Interesse, namentlich bei sich stark ausdehnenden oder in schneller technischer Umgestaltung begriffenen Industrien. Der berufliche Lebenslauf der Arbeiter würde unter unsren m Gesichtspunkten als eine Art von A 9 „Etappenstraße" erscheinen, auf der sie | sich, von bestimmten (näher festzustellenden) örtlichen, ethnischen, sozialen, kulturellen

f A: Endlich, vorgehoben. m A: diesen

g A: sein. h Fehlt in A einschließlich Absatz. k A: dann die betreffenden Industrien überhaupt

i In A nicht herI In A folgt: also

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Ausgangspunkten aus, ihrer Qualifikation für die schließlich erreichte Arbeitsstellung genähert haben. Charakteristische Resultate würden sich "auch dabei naturgemäß" am ehesten für solche Arbeiter erzielen lassen, deren spezifische Qualitäten, 0 nach der technischen Eigenart der betreffenden Industrie, p in besonders hohem Maße unentbehrlich sind. - q Aus dem Gesagten ergibt sich auch die Rolle, welche die Technik in dieser Erhebung zu spielen berufen ist. Eine möglichst eingehende Kenntnis der Technik der geschilderten Industrie ist selbstverständliche Voraussetzung der Möglichkeit ihrer Bearbeitung. Die allereinfachsten Anfangsgründe dazu kann dabei wohl das Studium eines der zahlreichen Fachlehrbücher erschließen. Allein selbstverständlich nie mehr als diese. Soweit also die Herren Mitarbeiter nicht selbst Techniker oder, was besonders zu begrüßen wäre, etwa Lehrer an technischen Schulen, welche für das Verständnis und die Bedienung der Maschinen vorbereiten, sein sollten, kann ihnen gar nicht dringend genug geraten werden, sich des ständigen Beirats erfahrener, mit der Bedienung und den Anforderungen der betreffenden Maschinen und deren geschichtlicher Entwicklung genau vertrauter Techniker zu bedienen. Eine Darstellung der Technik der einzelnen Industrien ist dabei natürlich nur so weit erwünscht, als sier für das Verständnis derjenigen Fragen unumgänglich ist, welche das Objekt dieser Erhebung sind. Denn es hätte angesichts der großen, | bequem B zugänglichen technologischen Literatur natürlich keinerlei Sinn, solche Darstellungen zum Selbstzweck zu machen. Selbstverständlich ist es die „technische" Eigenart des Produktionsprozesses, insbesondere der Maschinen, durch welche unmittelbar alle diejenigen Qualitäten der Arbeiter, deren die einzelne Industrie benötigt, und fernerhin auch deren mögliches Berufsschicksal bestimmt wird. Selbstzweck ist aber bei Feststellung der Art dieses Zusammenhangs in keiner Weise die Beschreibung der Maschinen, sondern lediglich die eingehende Analyse derjenigen Manipulationen, welche die Arbeiter an den Maschinen vorzunehmen haben, und zwar lediglich unter der Fragestellung: auf die Anspannung welcher ganz speziellen Fähigkeiten es bei den konkreten Hantierungen der einzelnen Arbeiter-

n A: dabei wohl o Satzzeichen fehlt in A. dankenstrich fehlt In A. r A: es

p Satzzeichen fehlt In A.

q Ge-

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kategorie ankommt. Diese Analyse allerdings kann sicherlich nie zu gründlich sein. Der Bearbeiter wird dabei auf die entscheidenden Punkte wohl s nicht selten s dann am leichtesten aufmerksam werden, wenn er den Hergang des Lernprozesses eingehend studiert und speziell zu ermit- 5 teln sucht, welcher von den einzelnen Bestandteilen, in welche sich A 10 die Arbeitsmanipulation des | einzelnen Arbeiters auflösen läßt, erfahrungsgemäß, nach den Angaben der Arbeiter selbst sowohl wie der Unternehmer, Techniker, Werkmeister, bei Beginn des Lernens am schwersten fällt, auch weiterhin dem Lernen die größten Schwie- 10 rigkeiten entgegensetzt und am seltensten wirklich ganz vollkommen geleistet wird. Im Zusammenhang damit wäre dann die Verschiedenheit der örtlichen, ethnischen, sozialen und kulturellen Provenienz der Arbeiter in ihrer etwaigen Einwirkung auf die Lernfähigkeit zu studieren. 15 Der Lernprozeß, dessen eingehende Prüfung unter diesen Gesichtspunkten mithin von erheblicher Wichtigkeit für die Zwecke dieser Erhebung werden kann, verläuft, wie bekannt, bei den einzelnen Kategorien der Arbeiter in sehr verschiedener Weise. Er reduziert sich bei gewissen einfachsten Verrichtungen auf sehr einfache 20 Übungsvorgänge. Ohne jeden Einfluß der „Einübung" auf die Leistung vollzieht sich selbst die allerelementarste ungelernte Arbeit nicht. Dabei können' diese einfachsten, am wenigsten „gelernten" Arbeiten nach dem üblichen Sprachgebrauch sowohl „körperlicher" als „geistiger" Art sein. Das Abzählen und Kontrollieren abgeliefer- 25 ter Produktenquanta z. B. kann so rein mechanischer Natur sein, daß es fast keinerlei Übung voraussetzt" und, im Gegensatz zu der Maschinenbedienung, von den beschränktesten und wenigst entwicklungsfähigen Individuen erledigt werden kann, vorausgesetzt nur, daß ein Mindestmaß persönlicher Zuverlässigkeit, also: eine „Cha- 30 B 15 rakter|qualität", vorhanden ist. Von den untersten Staffeln der „ungelernten" Arbeit v bis zu a der dem Besitz einer „Kunst" sich nähernden „Gelerntheit" besteht an sich die Möglichkeit einer fast ununterbrochenen Stufenleiter von Arbeitsleistungen und Arbeiterkategorien. Eine einfache Scheidung in „gelernte" und „ungelernte" Arbei- 35

s Fehlt in A. t In A folgt: nun aber folgt: den obersten

u A, B: voraussetzt,

v Fehlt in A.

a InA

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ter ist auch faktisch keineswegs immer möglich. Es wird vielmehr für jede einzelne Industrie besonders zu untersuchen sein, wie sich die Arbeiterschaft von Betrieben bestimmter Art und Größe ziffernmäßig auf die einzelnen Staffeln von Maß und Art der erforderlichen 5 Gelerntheit verteilt, wie sich ferner diese Zusammensetzung in absehbarer Vergangenheit geändert hat, und welche Änderungen für die absehbare Zukunft vorauszusehen sind, und warum. Die Industrien scheiden sich oft in höchst charakteristischer Weise in solche, bei denen einem Stamm hochgelernter Qualitätsarbeiter eine mehr 10 oder minder breite Schicht fast ganz „ungelernter" Arbeitskräfte gegenübersteht, und in andere, in denen sich innerhalb der einzelnen Kategorien der Arbeiterschaft derartige Unterschiede nur gradweise finden. Diese Zustände sind durch die technische Evolution, welche ihrerseits mit den oben | erwähnten 14 allgemeinen Tendenzen der A 11 15 Kapitalverwertung zusammenhängt, in beständiger Entwicklung begriffen, deren Richtung zu schildern wäre. Die „ Gelerntheit" ist dabei natürlich vor allem auch nach ihrer Art zu unterscheiden. Es wird sich empfehlen, entsprechend dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, unter einem „gelernten" Arbeiter ei20 nen solchen zu verstehen, der einen wirklichen, in irgendeinem Sinne „vielseitigen" Lehrgang, nach Art der alten zünftigen Handwerkslehre oder wenigstens dieser ähnlich, sei es im Handwerk, sei es in gesonderten Lehrwerkstätten oder in der Fabrik selbst, durchgemacht hat. Davon wären als „angelernte" Arbeiter diejenigen zu 25 unterscheiden, welche in der Fabrik unmittelbar an Maschinen der gleichen b oder ähnlicher" Art, wie sie sie dauernd zu bedienen haben, gestellt und an diesen bis zur Erreichung einer für die Rentabilität ihrer Verwendung erforderlichen Mindest- oder Normalleistung geschult werden, natürlich unter Berücksichtigung der Über30 gänge, die sich zwischen beiden Kategorien finden mögen. Dabei wäre nun vor allem anderen die Aufgabe: zu ermitteln, warum die einzelne Industrie oder der einzelne Betrieb die eine oder die andere Form des Lernens bedingt, ob also und weshalb für bestimmte Kategorien von Arbeitern, der Natur ihrer Aufgabe nach, heute noch ein

b Fehlt in A.

14 Oben, S.85ff.

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regulärer Lehrgang statt des direkten Anlernens erforderlich ist, für andere nicht, oder inwieweit etwa die Verwendung von solchen, im alten Sinn „gelernten" Arbeitskräften nicht durch die technische B 16 Eigenart der Anforderungen, welche | der Arbeitsprozeß seiner Natur nach an die betreffenden Arbeiter stellt, bedingt, sondern wesentlich historisches Überbleibsel ist usw. Auch wird es zur Klarstellung der Gründe solcher Unterschiede in jedem Fall erwünscht sein, zu ermitteln, welche ungefähren direkten und indirekten Kosten aus der „Anlernung" entstehen, z.B. durch Bereitstellung speziell dafür bestimmter Maschinen und Vorarbeiter, ferner durch Unterproduktion gegenüber einem garantierten Mindestverdienst während der Anlernzeit usw. Sodann wäre weiter als sehr wichtig festzustellen, welches Maß der Leistung im Einzelfalle für die Vollendung des Angelerntseins, also: für die Einstellung als Vollarbeiter, erfordert werden muß, und endlich und vor allem: in welchem Zeitraum dieses Maß von den Arbeitern der einzelnen Kategorien, je nach ihrem Alter, Geschlecht, ihrer örtlichen, ethnischen, sozialen, kulturellen Provenienz, ihrer früheren Beschäftigung in diesem oder in anderen Berufen, erreicht wird, und worauf die in dieser Hinsicht etwa sich zeigenden Unterschiede beruhen. Es könnten etwaige sichere, auf hinlänglich umfangreichem und vorsichtig gedeutetem [A 12] Material beruhende Ergebnisse gerade über diesen Punkt c für | die Erhebung besonders wichtig werden, da sie vielleicht auf Unterschiede in der Lernfähigkeit der Arbeiter je nach den Unterschieden ihrer Provenienz zurückführbar sein könnten,c d Dies freilich nur dann, wenn sich der Anlernprozeß unter annähernd ähnlichen Bedingungen vollzieht. Denn es macht z.B. einen ganz bedeutenden Unterschied, ob ein Arbeiter seine Manipulationen Stück für Stück nach den Anweisungen eines Meisters an einer neuen Maschine zu erlernen hat, oder ob er sich kontinuierlich in der Nachbarschaft von bereits voll „geübten" Arbeitern befindet, welche die gleichen Manipulationen ausüben, und sich, nachahmend, in deren Arbeit „einfühlen" kann. Für manche Arbeiten ist, nach Erfahrungen in Fabriken, durch diesen Einfluß des „Einfühlens" eine Verkürzung der Anlern-

A 1 2 C A: zu | dem wichtigsten gehören, was die Erhebung überhaupt zutage zu fördern vermag, da sie, wenigstens möglicherweise, entscheidende Unterschiede in der Qualifikation der Arbeiter für bestimmte Leistungen je nach den Unterschieden ihrer Provenienz aufzudecken helfen könnten. d Fehlt in A.

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zeit auf fast ein Sechstel herbeigeführt worden. Dagegen ist andererseits auch unter gleichen Bedingungen des Anlernens die erforderliche Zeit individuell sehr verschieden, und den Bedingungen dieser Unterschiede wäre, namentlich soweit sie Unterschieden der Provenienz entstammen, nachzugehen. 0 Daneben wäre der Einfluß der inneren Gliederung der Arbeiterschaft, wie sie durch die Eigenart ihrer Leistung, das Maß der dazu erforderlichen Gelerntheit und die Art des Lernens oder Anlernens bedingt wird, natürlich einer derjenigen Punkte, an welchen die Analyse 1. des Berufsschicksals, 2. der sozialen Beziehungen der Arbeiter untereinander, endlich 3. der allgemeinen „charakterologischen" Qualitäten der Arbeiter| schaft, wie sie die Großindustrie B17 entwickelt, einzusetzen hätte. Die hier wesentlich in Betracht kommenden Fragen sind offenbar: 1. inwieweit die Entwicklung der Arbeiterschaft sich in der Richtung qualitativer und von da aus beeinflußter ökonomischer und sozialer Differenzierung ihrer verschiedenen Schichten oder umgekehrt in der Richtung ihrer zunehmenden Uniformierung bewegt. Inwieweit 2. die Verwendbarkeit des einzelnen Arbeiters in der Industrie sich zunehmend spezialistisch, auf die ausschließliche Übung ganz spezieller Einzelqualitäten zugeschnitten, oder umgekehrt universalistisch gestaltet. Inwieweit, dementsprechend 3. die einzelnen Industrien von bestimmten, sei es anerzogenen, sei es eingeübten Qualitäten ihrer Arbeiter sich zunehmend emanzipieren, und inwieweit etwa der „Standardisierung" der Produkte eine „Standardisierung" auch der Arbeiter entspricht, oder umgekehrt der Spezialisierung der Arbeitsmiiie/ eine Vermannigfaltigung der Eigenart der Arbeiter. Wie sich ferner 4. für die Arbeiterschaft die Chance eines Avancements innerhalb der Beschäftigungsarten gestaltet, sowohl ökonomisch (nach der Art der möglichen Gestaltung ihrer Verdienstkurve), wie organisatorisch (nach dem Maß der relativen Selbständigkeit oder auch Überordnung, welche e im Verlauf ihres Berufsschicksals an die Stelle der zunächst unvermeidlichen Unterordnung zu treten vermag), wie „psychologisch" (nach der Art ihrer subjektiven Neigung zu den einzelnen Arbeitsstellungen, in die sie einzurücken die Chance haben). Der wichtige

e A: welches

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Gesichtspunkt der „Arbeitsfreude" (H[einrich] HerknerY5 und f z.B. f auch die Würdigung der gelegentlich erörterten Frage, unter welchen Bedingungen die „Bedienung" der Maschine seitens des Arbeiters als ein „Beherrschen" derselben empfunden zu werden vermöge, gehört hierher. Wie sich endlich 5. das Ergebnis all dieser 5 Einflüsse in der psychophysischen und charakterologischen Eigenart der Arbeiterschaft einer Industrie und in ihrem „Lebensstil" niederA 13 schlägt. - Diese entscheidend wichtigen Fragen | der Erhebung müssen natürlich sämtlich ausgehen von dem einfachen Vorgang des „Einübens" bestimmter Leistungsfähigkeiten, welche die Industrie 10 verlangt, damit aber: von den allgemeinen physischen und psychischen Voraussetzungen und Folgen, welche die „Einübung" und „Geübtheit" hat. Es kann nun von den Herren Mitarbeitern, soweit sie nicht etwa von Beruf oder Studium Physiologen oder Experimentalpsycholo- 15 gen sind, nicht vorausgesetzt werden, daß sie sich im Besitz der erforderlichen Fachkenntnisse befinden, um diejenigen Ergebnisse B 18 jener Wissenschaften, welche | für die Zwecke dieser Erhebung überhaupt in Betracht kommen könnten, zu beherrschen. Ein Versuch, solche Ergebnisse ohne strenge fachmännische Kontrolle zu 20 verwerten, würde nur allzu leicht dilettantisch ausfallen. 9 Wenn hier gleichwohl etwas näher auf diese Probleme eingegangen wird, so geschieht dies, um einen ungefähren Überblick darüber zu gewinnen, was, im Prinzip, bei einer Erhebung dieser Art als letztes Ziel erstrebt werden müßte, nicht aber zu dem Zweck, vorwiegend rein 25 nationalökonomische Mitarbeiter - die wohl die Mehrzahl bilden werden - zu veranlassen, sich ihrerseits auf ihnen nicht fachmäßig vertraute Gebiete zu wagen. Es scheint nützlich, daß der Einzelne sich auch darüber klar ist, welchen Problemen er mit seiner Fragestellung nicht auf den Grund gekommen ist. Im übrigen aber wäre 30 nichts lebhafter zu begrüßen, als die etwaige Mitarbeit von Fachmännern der betreffenden Disziplinen selbst. f Fehlt in A. g — g A: Und es darf auch hinzugefügt werden, daß die bedeutenden Fortschritte, welche jene Disziplinen in der Analyse der hier in Betracht kommenden Vorgänge zweifellos gemacht haben, schon infolge der ungemeinen Schwierigkeit experimenteller Kontrolle, vorerst nur teilweise schon zu Resultaten geführt haben, die unmittelbar verwertet werden könnten.

15 Herkner, Arbeitsfreude; vgl. auch unten, S. 141

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II. h Die naturwissenschaftlichen

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Probleme der Erhebung'

Es muß gleich eingangs konstatiert werden, daß die bedeutenden Fortschritte, welche in der Analyse der hier in Betracht kommenden Vorgänge zweifellos gemacht worden sind, schon infolge der ungemeinen Schwierigkeit experimenteller Kontrolle, vorerst nur teilweise bereits zu Resultaten geführt haben, die, auch bei vollständiger Beherrschung des Materials, unmittelbar für die Z w e c k e dieser Erhebung verwertet werden könnten. 9 Dies gilt in erheblichem Maße selbst für das Gebiet der reinen Muskelübung. Es würde, soweit Wandlungen in der Technik vorwiegend körperlicher Arbeiten in Betracht kommen, sich empfehlen, die Hilfe eines physiologischen Fachmannes in Anspruch zu nehmen. A n der Hand der Beobachtungen wäre dann zu prüfen, inwieweit die Entwicklung der Technik, wie sie sich unter dem Druck der privatwirtschaftlichen Kostenökonomie vollzieht, in ihrem Gange zugleich der Richtung der physiologischen Kräfteökonomie (Ersparnis an „Kraftverlust", d.h. an nicht in Form von Arbeit verwerteter physikalischer Gesamtleistung der Muskulatur) folgt. D a ß z . B . die „ Ü b u n g " von Arbeitsleistungen stets wesentlich auch eine „ A u tomatisierung" von ursprünglich im Bewußtsein artikulierten Willensimpulsen ist, steht fest. Ebenso, daß dies eine physiologische Kraftersparnis auf muskulärem resp. nervösem Gebiete bedeutet. Festzustellen aber wäre, wie weit im einzelnen dieses | Prinzip in der B 1 einzelnen Industrie reicht. D a ß ferner die „Rhythmisierung" der Arbeit, teils als Mittel der Mechanisierung, teils direkt, ähnliche Dienste leistet, steht gleichfalls fest. E s könnte im einzelnen Falle wohl der Mühe wert sein, festzustellen, wie es mit der Rhythmisierung der Arbeit unter dem Einfluß der Maschinen steht. Wobei zu beachten wäre, daß nach den vorliegenden experimentellen Untersuchungen 1 diese Wirkungen verschieden zu sein scheinen, je nach-

h Fehlt in A. i Fehlt in A und B. Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis eingeschoben.

1 Die Nachweise der arbeitsphysiologischen Hypothesen und Forschungsresultate gab Weber in der ersten Folge seiner Studie „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", in diesem Band, unten, S. 1 6 3 - 2 1 8 .

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dem sie sich demjenigen Rhythmus, der dem individuellen psychophysischen Apparat der adäquateste ist, anschmiegen, oder aber ihm 14 gegen sein Widerstreben von | außen aufgezwungen werden. Wesentlich komplexere, nur durch Mithilfe von Physiologen in Angriff zu nehmende Probleme würden dagegen beispielsweise mit den Fragen berührt, inwieweit tatsächlich (wie dies behauptet worden ist) 1. die Ausschaltung von Muskelleistungen, und 2. die Arbeitsübung an den Maschinen mit 1. der Ausschaltung der Inanspruchnahme der größeren zugunsten derjenigen der „kleinstmöglichen" Muskeln und 2. mit zunehmender Einschränkung der Mitbewegung nicht direkt beanspruchter Muskeln Hand in Hand gehen, endlich inwieweit 3. die Steigerung der Maschinengeschwindigkeit und damit der Arbeitsintensität mit der behaupteten, und, dem Prinzip nach wenigstens, wohl auch experimentell nachweisbaren Ausnutzung der „Summation von Reiznachwirkungen" derart parallel gegangen ist und noch geht, daß aus diesem Grunde im Effekt eine Kraftersparnis im physiologischen Sinne des Wortes resultierte. 2 'Manche der entscheidenden physiologischen Voraussetzungen sind hier unter den Fachmännern selbst ziemlich bestritten.' Die Analyse der technischen Entwicklung wichtiger Industrien unter derartigen und verwandten Gesichtspunkten könnte gleichwohlk wertvolle Ergebnisse zeitigen1, aber nur, wenn sie unter Kontrolle von Fachleuten vorgenommen würde'. Es wäre daher sehr zu begrüßen, wenn Physiologen oder physiologisch gründlich orientierte Ärzte sich an der Arbeit dieser Erhebung als Mitarbeiter beteiligen würden. Jedenfalls könnte es nur Sache des physiologischen Fachmannes sein, zu beurteilen, inwieweit man heute bei derartigen Untersuchungen nach dem Stande der physiologischen Kenntnisse bereits auf gesichertem Boden stehen würde, und auf welche konkreten Punkte dabei zu achten wäre. Stets müßte aber - gegenüber der für die naturwissenschaftlichen Einzeldisziplinen zuweilen fast unwiderstehlichen Versuchung, soziale Erscheinungen rein aus ihren Fachgesichtspunkten heraus ableiten zu wollen, also z.B. die Industrieentwicklung gänzlich als eine Funktion einzelner Gesetze der physiologischen Kräfteökono-

j Fehlt in A.

k A : sicherlich

I Fehlt in A.

2 Vgl. G e r s o n , Arbeltsteilung, bes. S . 614ff.

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mie zu | deuten1*, - daran festgehalten werden, daß die Industrie als B 20 solche nicht „Ära/iersparnis", sondern „Kostenersparnis" erstrebt, und daß die Wege, auf denen sie diese"1 erreichen kann, keineswegs immer mit der Entwicklung zum physiologisch Rationalen zusammenfallen, daß vielmehr aus den allerverschiedensten Gründen die Entwicklung zum ökonomischen Optimum der Kapitalverwertung von der Entwicklung zum physiologischen Optimum der Kraftverwertung divergieren kann. In solchen Fällen aber, wo tatsächlich die technische Entwicklung eine konsequent und eindeutig fortschrei- A 15 tende charakteristische Umgestaltung der physiologischen Inanspruchnahme der Arbeiterschaft zeigt: - wie häufig das der Fall sein mag, steht keineswegs von vornherein fest - , wäre es die Aufgabe, zuerst zu fragen: in welcher Weise in diesen konkreten Fällen die einzelnen, den Rentabilitätsinteressen des Kapitals entspringenden ökonomischen Tendenzen (Lohnersparnis, wirtschaftliche Ausnutzung des Rohmaterials und der Maschinen, Steigerung der Umschlagsgeschwindigkeit, Standardisierung usw.) an dieser physiologischen Entwicklung beteiligt sind, und dann erst: welche Teile der Muskulatur oder des Nervensystems dadurch in ihrer Inanspruchnahme bevorzugt, welche anderen zurückgesetzt werden, und welche Konsequenzen für den physiologischen Habitus dies hat, gehabt hat oder weiterhin haben kann. Der bloße Hinweis darauf, daß die Entwicklung der Technik bestimmten Postulaten der physiologischen Kräfteökonomie entsprochen habe, genügt in keinem Fall. Noch weit wichtiger für diese Erhebung wäre naturgemäß die Feststellung, ob und welche elementaren psychischen Bedingungen und Folgen die Entwicklung der modernen Industriearbeit gehabt hat und noch hat, wenn dafür hinlänglich geklärte, anerkannte und zugleich exakte Erfahrungen der experimentalpsychologischen Disziplin verwendet werden könnten. Leider ist dies vorläufig nur in beschränktem Maße der Fall. Die mit dem Problem der Arbeit " Dieser Gefahr ist z. B. auch das hübsch geschriebene Essay von Gerson3 im X. Bande A 14, B 2 0 der „Zeitschr. f. Sozialwissenschaft" nicht überall, am wenigsten in den beiden Schlußartikeln, entgangen.|

m A: dies

3 G e r s o n , Arbeitsteilung.

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befaßten sehr umfassenden Untersuchungen jener Disziplin sind ursprünglich", soweit sie überhaupt von aktuellen Problemen beeinflußt wurden, vorwiegend an sc/iii/hygienischen Gesichtspunkten 4 orientiert gewesen. Einerseits hat sich dabei ergeben, daß, im Gegensatz zu manchen anfänglich gehegten Hoffnungen, jedenfalls B 21 zurzeit (nach der Ansicht mancher Forscher sogar | vielleicht dauernd) es keinerlei Maßmethode gibt, welche zugleich exakt und dabei doch zu M&ssenuntersuchungen derart geeignet wäre, um einwandfreie Resultate über den Verlauf der Ermüdungs- und Übungskurven, die° individuellen Differenzen in dieser Hinsicht und deren Bedingtheit durch Temperaments- und Charakterqualitäten zu bieten. 5 Weder das in Frankreich und Amerika besonders gepflegte System der sog. mental tests, 6 noch die Versuche, mit Ästhesiometern 7 und ähnlichen einfachen Instrumenten die psychischen Nachwirkungen der Arbeit zu messen, gelten im Kreise der maßgebenden deutschen Fachmänner als hinlänglich sichere Mittel zur Feststellung individueller Differenzen. Es erfordern vielmehr derartige Untersuchungen stets andauernde, oft wochenlange Experimente mit dem A 16 Einzelindividuum unter sorgsam vorbereiteten und | innegehaltenen Bedingungen. - p Die psychischenq bzw. psychophysischen Bedingungen der Fabrikarbeit speziell haben jene Untersuchungen bisher

n A: im Laufe des letzten Jahrzehnts q A: psychologischen

o A, B: der

p Gedankenstrich fehlt in A.

4 Unter dem Schlagwort „Überbürdung" wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert von Pädagogen, Lehrern und Psychologen in der Öffentlichkeit das Problem diskutiert, ob nicht die Schüler durch das hohe Lernpensum ständig überbeansprucht würden und Kopfschmerzen, Konzentrationsmangel und diffuse Beschwerden darauf zurückzuführen seien. Von der Anwendung experimentalpsychologischer Methoden erhoffte man sich objektivierbare Aussagen über die Ermüdungsphänomene bei Schülern, welche eine Umsetzung in „schulhygienische" Maßnahmen erlaubten. Max Weber verweist auf die Überbürdungsfrage in seiner Studie „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit", unten, S. 220. 5 Zum Problem der „Massenuntersuchungen" in bezug auf Ermüdung vgl. Weber, Psychophysik, unten, S. 220ff. 6 Über die „mental tests" vgl. Weber, Psychophysik, unten, S. 219f. 7 Das Ästhesiometer ist ein zirkelähnliches Gerät, mit dem das Empfindungs- und Unterscheidungsvermögen des Tastsinns gemessen wird. Der (millimeterfeine) Abstand der beiden Spitzen des auf die Haut aufgesetzten Gerätes, bei welchem die beiden Berührungspunkte eben noch als getrennt empfunden werden, gilt als Maß für die Aufmerksamkeit bzw. die Ermüdung des Probanden.

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schon aus diesem Grunde naturgemäß nicht behandeln können. Sie befassen sich infolge ihrer vorwiegend schulhygienischen Orientierung, außerdem aber auch aus Motiven, die in den Prinzipien ihrer Methodik und in der Eigenart ihrer Instrumente liegen, in stark vorwiegendem Maße mit der Untersuchung von Gedächtnisleistungen und Assoziationsvorgängen. Daneben - und die Ergebnisse dieser Untersuchungen kämen naturgemäß am meisten in Betracht mit dem Einfluß von Ermüdung und Übung bei „geistiger" Arbeit. Der Begriff des „Geistigen" wird dabei ziemlich weit gefaßt, insofern er auch hochgradig typische, oft rein mechanische Leistungen des psychophysischen Apparates (Lernen sinnloser Silben u. dgl.) mitumfaßt. Bei r der Untersuchung der Leistungsfähigkeit der großindustriellen Arbeiterschaft würde der Gegensatz: „körperliche" - „geistige" Arbeit jedenfalls dann gar keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielen, wenn man unter geistiger Arbeit nur die „kombinatorische" Tätigkeit strengsten Wortsinns verstehen wollte. Zu einer solchen allerdings ist wenigstens der Maschinenarbeiterschaft nur ausnahmsweise und mehr zufällig, und dann meist nur im kleinen, Gelegenheit geboten. Dagegen fallen bei jeder weniger „anspruchsvollen" Fassung des Begriffs der „geistigen" Arbeit breite Regionen der industriellen Arbeitsleistungen mit unter diesen Begriff. Und vor allem: die Unterschiede in der Art der Leistungen, welche die Industrie von der Arbeiterschaft verlangt, sind, an dem Gegensatz: „geistig - körperlich" gemessen, sehr große, größere jedenfalls, als der Gegensatz der am meisten „geistig" arbeitenden Schicht der Arbeiterschaft zu den ihr übergelagerten sozialen Schichten. In Wahrheit ist eben der Begriff des Geistigen | hier gänzlich unangebracht und B nicht für eine Klassifikation verwendbar. Es handelt sich vielmehr um die Frage: in welchem Maße und in welcher Richtung eine Inanspruchnahme des nervösen Zenfra/apparates 3 durch bestimmte Arten von Leistungen stattfindet oder nicht stattfindet, und welche Art von Reaktionsweise desselben die Grundlage der betreffenden Leistung bildet. Man hat z.B. nicht ganz mit Unrecht gesagt, 8 daß die Tätigkeit eines am Zylinderbohrer beschäftigten Arbeiters bei

r A: A u c h bei

s In A nicht hervorgehoben.

8 Konnte nicht nachgewiesen werden.

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der Zurichtung des Materials für die Maschine derjenigen eines Chirurgen während der Operation „dem Wesen" nach: - das sollte heißen: den Funktionen des psychophysischen Apparats nach, die in Anspruch genommen werden, - gleichartig sei. Und beispielsweise die Qualifikation einer* mit der Bedienung mechanischer Webstühle A 17 betrauten Arbeiterin" | hängt in letzter Linie keineswegs von vorwiegend „physischen" Qualitäten, sondern wesentlich davon ab, ob sie3 die „Geistesgegenwart" und den „Überblick" besitzt, um eine so große Mehrzahl von Webstühlen gleichzeitig zu beherrschen, daß dadurch die Verwendung dieser Art von Maschinen, und zugleich hiermit auch die Verwendung b der betreffenden Arbeiterin 0 selbst, für den Arbeitgeber rentabel wird. 9 Eine wirklich nur „körperliche", d.h. nur bestimmte Muskeln und den zugeordneten Innervationsapparat 10 in Anspruch nehmende Arbeit gibt es streng genommen nicht. Aber allerdings: bei einem Arbeiter, der etwa mit dem Ausschachten von Erde beschäftigt ist, werden gewisse Muskeln und der ihnen zugeordnete Innervationsapparat weitaus vorzugsweise in Anspruch genommen, ermüdet und geübt, dagegen diejenigen Funktionen des psychophysischen Apparats, an welche wir bei „geistiger" Arbeit zuerst denken: Assoziationsgeschwindigkeit, Fähigkeit der Konzentration der Aufmerksamkeit usw., relativ wenig, - so wenig, daß die „Ermüdung" durch die Arbeit und ebenso die „Übung" infolge der Arbeit sich auf sie weniger erstreckt. Wenn man also, angesichts der Flüssigkeit des Übergangs zwischen den einzelnen Arten der Arbeit, generelle Unterschiede überhaupt machen will, so kann stets nur gefragt werden: Welche Leistungsfähigkeiten und Funktionen des psychophysischen Apparates des Arbeiters sind es, die bei einer bestimmten Arbeit Gegenstand vorzugsweiser Inanspruchnahme und damit einerseits der Ermüdung, andererseits der Übung sind? Dies also wäre auch für eine Klassifikation der Arbeiter für die t A: eines

u A: Arbeiters

a A: er

b A: des betreffenden Arbeiters

9 Näheres zu diesem Beispiel führte Weber in seiner Studie „Zur Psychophysik der industriellen Arbeit" aus, vgl. unten, S. 284, Anm. 39 sowie S. 301 f. 10 Dieser Begriff bedeutet in der Physiologie und Medizin die Versorgung eines Muskels oder Organs mit Nerven, die aufgrund ihrer Substanz-Eigenschaften sowohl äußere Reize zum nervösen Zentralorgan als auch zentral ausgelöste Reize an die Peripherie weiterleiten können, vgl. Wundt, Grundzüge, B a n d l , I.Abschnitt, 3.Cap. „Physiologische Mechanik der Nervensubstanz", S. 4 9 - 9 8 .

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Zwecke dieser Erhebung der maßgebende Gesichtspunkt. Es scheint sicher, daß in manchen Industrien die technische Evolution sich in der Richtung zunehmender Inanspruchnahme nervöser Funktionen, namentlich der Aufmerksamkeitsspannung und ähnlicher Gehirnleistungen, bewegt, von | Leistungen also, welche sich von denen der im B 23 üblichen Sinn „geistig" arbeitenden Schichten wesentlich durch die Monotonie ihres Inhaltes und die Abwesenheit jener „Wertbeziehungen", welche wir mit den Objekten „geistiger" Arbeit zu verknüpfen pflegen, unterscheiden. 0 Wieweit dies der Fall ist, ob und welche Folgen es hygienisch, psychophysischd und „menschlich" hat, kann - bestritten, wie diese Fragen sind - nur die Erhebung selbst vielleicht lehren. Es wäre für diesen Zweck den Herrn Mitarbeitern, soweit sie nicht etwa selbst neurologisch gebildet sind, entschieden anzuraten, sich mit erfahrenen, und zwar namentlich mit neuropathologisch umfassend orientierten Ärzten in Verbindung zu setzen, um die unmittelbare® nervöse Wirkung der Fabrikarbeit und - was als ätiologisches Moment, wenigstens nach manchen Ansichten, ebenfalls als wichtig gilt -1 der Begleitumstände der Arbeit (z.B. des A 18 Maschinenlärms): die Art des Kräfteverbrauchs also, welche dadurch bedingt wird, kennen zu lernen. Allerdings unter dem Vorbehalt, daß diese Erhebung, der es auf die Feststellung von Entwicklungstendenzen ankommt, dadurch nicht auf die Bahn rein praktisch sozial-hygienischer Erörterungen geschoben werden darf. (Über diese Seite der Frage vgl. z. B. den Aufsatz von Dr. G[erhard] Heilig: Fabrikarbeit und Nervenleiden, in der „Wochenschrift für soziale Medizin" 1908, Nr. 31 ff. und die dort zitierten Arbeiten von Dr. W[illy] Hellpach 11 und anderen.) Eine systematische Erhebung über die Tendenz zu Arbeiterneurosen innerhalb der einzelnen Industrieund Arbeiterkategorien bei den Kassenärzten wäre sehr erwägenswert. Ebenso wäre die Mitarbeit von erfahrenen Herrn aus diesen Kreisen bei der jetzt versuchten Erhebung besonders zu begrüßen. Von den Einzelergebnissen, welche die experimentalpsychologische Arbeit über den Verlauf der Ermüdungs- und Übungsvorgänge c A, B: unterscheidet.

d A: psychologisch

e A: unmittelbar

11 Gerhard Heilig nannte von Hellpach die folgenden Arbeiten: Nervosität und Kultur. Berlin: Johannes Räde 1902, sowie: Psychologie und Unfallsneurosen und Arbeitsfreude, in: Neurologisches Centraiblatt, hg. von E. Mendel, 25. Jg., 1906, S. 6 0 5 - 6 0 9 .

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bisher zutage gefördert hat, könnten, so wichtig sie an sich sind, für die speziellen Zwecke dieser Erhebung die Bearbeiter aus den früher angegebenen Gründen vielleicht nicht allzuviel direkte Förderung erfahren. Von Nutzen könnte ihnen immerhin möglicherweise die Bekanntschaft mit einigen der einfachsten Begriffe sein, welche in neueren Untersuchungen dieser Art verwendet zu werden pflegen, so bestritten leider auch der Inhalt vieler von ihnen zurzeit noch ist2). Begriffe aber wie der der „Ermüdbarkeit" (gemessen nach Tempo B 24 und Maß des Fortschreitens der Er|müdung), „Erholbarkeit" (nach dem Tempo der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit nach stattgehabter Ermüdung), „Übungsfähigkeit" (nach dem Tempo der Leistungszunahme im Verlauf der Arbeit), „Übungsfestigkeit" (nach dem Maß des „Übungsrückstandes" nach Pausen und Unterbrechungen einer Arbeit), „Anregbarkeit" (nach dem Maß, in welchem der „psychomotorische" Einfluß des Arbeitens selbst die Leistung steigert), „Konzentrationsfähigkeit" und „Ablenkbarkeit" (je nach dem Fehlen oder Vorhandensein und, in letzterem Fall, dem Maß einer Herabsetzung der Leistung durch ungewohntes „Milieu" oder „Störungen"), „Gewöhnungsfähigkeit" (an ungewohntes 'Milieu, Störungen' 9 und - im Prinzip das Wichtigste - an Leistungskombination), 9 - solche und ähnliche Begriffe 12 sind ihrem Inhalt nach hinreichend h eindeutig, stellen meßbare Größen dar, sind ihrer Brauchbarkeit nach erprobt und können dem Bearbeiter sehr wohl A 19 eine Übersicht über gewisse einfache' Kom|ponenten der persönlichen Arbeitsqualifikation und gegebenenfalls eine handliche Terminologie bieten. 'Denn es kann mit ihnen sehr wohl auch da operiert 18, B 2 3

2) Eine Zusammenstellung der Probleme k mit Literaturübersicht wird von mir im Archiv f. Sozialwiss. u. Sozialpol. (November- und Januarheft) 13 versucht werden* und steht', soweit der Vorrat der Separatabzüge reicht/zur Verfügung. |

f A: Milieu und Störungen) g Fehlt in A. h Fehlt in A. i A: einfachste j Fehlt in A. k A: wird von einem Mitgliede des Ausschusses in einer Fachzeitschrift erfolgen I Fehlt in A.

12 Weber folgt hier Emil Kraepelin, der als erster psychophysische Begriffe in dieser Form zusammengestellt und experimentell quantifiziert hat; vgl. Kraepelin, Versuch, bes. S. 6 3 - 6 5 . 13 Weber, Psychophysik, unten, S. 1 6 2 - 3 8 0 ; erschienen in vier Folgen von November 1908 bis September 1909.

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werden, wo der Grad, in welchem die durch sie bezeichneten Komponenten die Arbeitsleistung beeinflussen, nicht rechnerisch feststeht.' Und darüber hinaus wären die Erörterungen z.B. über die Beziehungen zwischen Ermüdung und Arbeitswechsel, über die subjektiven und objektiven Folgen der „Eingestelltheit" m auf eine bestimmte Arbeit, über die Art, wie bei der Einübung komplizierter Arbeitsaufgaben und Kombinationen von Arbeitsleistungen die Anpassung ihrer einzelnen psychophysischen Elemente vor sich geht, über die Unterschiede sensorischer und motorischer Grundlagen des Reagierens in ihren Folgen für Quantität und Qualität der Leistungen und andererseits in ihrer Bedingtheit durch Differenzen der psychophysischen Grundanlagen der „Persönlichkeit", - diese und ähnliche Erörterungen innerhalb der Fachpsychologie, so wenig endgültig Feststehendes sie in manchen Punkten bisher geliefert haben, wären an sich sehr wohl geeignet, den Blick für eine Reihe allgemeiner Probleme zu schärfen, welche auch in die überaus "komplexen Fragen" der Bedingungen industrieller Leistungsfähigkeit °und der Wirkungen der technischen Entwicklung, speziell der „Arbeitszerlegung" und ähnlicher Vorgänge, 0 hineinragen. Insbesondere würde es höchst wichtig sein, wenn für die Frage des Arbeitswechsels in seinen Wirkungen und Voraussetzungen irgendwelche exakten psychophysischen Unterlagen gefunden werden könnten. Dabei ist natürlich p im Auge zu behalten, daß in der vorliegenden Erhebung auch dieses Problem durchaus q vom Standpunkt der Rentabilität aus anzugreifen ist. Dieser Gesichtspunkt steht dem Arbeitswechsel meistr | entgegen s, denn im großen und ganzen ist er selbstver- B ständlich ein Vorgang, der die kontinuierliche Ausnutzung der Betriebsmittel ungünstig, oft in höchst einschneidendem Maße ungünstig, beeinflußt®. Aber er begünstigt1 ihn anderseits" z.B. da, wo es nötig wird, bei weitgehender Spezialisierung dem einzelnen Teilarbeiter 3 Gelegenheit zu geben, die Folgen seiner Fehler durch Beschäftigung in der folgenden Etappe des Arbeitsprozesses selbst kennen zu lernen. Jedenfalls ist bin allen Fällen, wo Arbeitswechsel sich findet," zunächst zu fragen: Welche Erfahrungen haben die Betriebsleiter in den einzelnen Industrien und bei den einzelnen

m Anführungszeichen fehlen in A. n A: k o m p l e x e p Fehlt in A. q Fehlt in A. r A:oft s Fehlt in A. in A. a A: M i t a r b e i t e r b Fehlt in A.

Frage o Fehlt in A. t A: erzwingt u Fehlt

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Arbeitsleistungen mit einem etwaigen Arbeitswechsel innerhalb des Betriebes in c seiner Rückwirkung d auf die Leistungd gemacht? e Welche Unterschiede zeigen sich ferner in der Arbeitseignung, je nach der Art der Arbeit, welche der Arbeiter unmittelbar vor seinem Eintritt in die derzeitige Arbeitsstellung, oder früher, oder endlich in der Jugend getan hat? Diese Unterschiede sind oft recht beträchtliche und auch rechnerisch (s. unten) 14 feststellbare.® Weiterhin aber kämen selbstverständlich ganz ebenso die Erfahrungen und die subjektive Attitüde der Arbeiter selbst in Betracht. 'Diese ist selbstverständlich in weitestem Umfang durch rationale Momente bestimmt: Verschiedenheit der Löhne, der Bequemlichkeit der Arbeit usw. Wo diese Momente ersichtlich den Ausschlag geben, handelt es sich natürlich nicht um Stellungnahme zu der Frage: ob, rein an sich, Gleichförmigkeit oder Wechsel der Arbeit vorgezogen wird, und ob und wie dies durch physiologische oder psychologische Einflüsse bedingt sein könnte. Auch die Attitüde der Arbeiter zum Arbeitswechsel, rein als solchem - das heißt: in Fällen, wo die verschiedenen Arten der Arbeit keine erheblichen Verschiedenheiten der Annehmlichkeit oder Einträglichkeit aufweisen - , ist aber natürlich weitgehend durch rationale ökonomische Erwägungen 9 determiniert. Überall da, wo er, innerhalb eines Betriebes, die Leistung nachhaltig drückt, infolge der „Übungsverluste" und der Notwendigkeit, sich neu einzuarbeiten, drückt er auch den Lohn verdienst (sofern der Lohn Akkordlohn ist). Bei Industrien mit vielseitiger Produktion (geringer Standardisierung) fällt in Zeiten der Depression, wo die einzelnen Aufträge an sich kleiner werden und die Vielseitigkeit der Produktion also (auf die Zeiteinheit berechnet) steigt, die Krise in Form häufigeren Wechsels der Beschäftigungsart auf die Verdienstchancen der Arbeiterschaft. Auch in solchen Fällen kann natürlich von einer physiologischen oder psychophysischen Bedingtheit ihrer Stellungnahme zu diesen Vorgängen nicht die Rede sein. Ebenso nicht, wenn beobachtet wird, daß ältere verheiratete Arbeiter die

c A: und d In A nicht hervorgehoben e A: Nur sie können j a - s o f e r n sie sich auf exaktes Material (Lohnbuchungen: s.u.) stützen - über die objektiven Einflüsse auf die Leistung sicheren Aufschluß geben. f— f (S. 107) Fehlt in A. g B: Ergänzungen

14 Unten, S. 113ff.

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G/dc/iförmigkeit des | Verdienstes bei kontinuierlicher, wenn auch B 26 monotoner, Arbeit, jüngere und ledige dagegen - im Interesse der Erweiterung ihrer Gelerntheit und damit der Verwertbarkeit ihrer Arbeitskraft, - den Wechsel bevorzugen. Allein neben diesen und vielen ähnlichen, in ihrer Tragweite eingehend zu studierenden, Fällen, wo ökonomische Zwecfc-Erwägungen das Verhalten der Arbeiter determinieren, gibt es zahlreiche andere, wo ihr Verhalten durch solche nicht eindeutig bestimmt zu sein, zuweilen diesen Motiven sogar zuwiderzulaufen scheint/Es scheint plausibel und ist auch gelegentlich beobachtet worden, daß der Arbeitswechsel hrein als solcher, also: in solchen Fällen, wo ökonomische Chancen und Annehmlichkeit bzw. Unannehmlichkeit der Arbeit nicht das entscheidende Wort sprechend ihnen als erwünscht gilt. Ebenso sicher aber sind andere Fälle beglaubigt, in welchen er von ihnen nicht, und zwar auch dann nicht gewünscht wurde, wenn ihnen die volle Garantie dafür gegeben war,' daß er ihnen keinerlei ökonomischen Nachteil bringen könne; daß hierbei nicht ausschließlich¡ zufällige Umstände oder allgemeine innere Gebundenheit an die Tradition im Spiele war, k scheint dadurch wahrscheinlich gemacht, | daß zuweilen jenes A 20 Widerstreben sich selbst bei solchen Arbeitern fand, die einen Wechsel des Betriebes und Ortes ihrer Beschäftigung mit Leichtigkeit, ja selbst mit Vorliebe vollzogen, sofern sie nur auswärts in eine gleichartige Arbeitsstellung einrücken konnten. Ob hier der Begriff der in ihrer Bedeutung für die Arbeitskurve anscheinend auch experimentalpsychologisch meßbaren „Gewöhnung" und „Eingestelltheit" auf die konkrete Arbeitsleistung für eine Erklärung brauchbar wäre, ist nicht a priori zu entscheiden. Möglich erscheint in solchen und vielen1 ähnlichen Fällen stets, daß überhaupt" 1 rein psychophysische Überlegungen eine eindeutige Antwort nicht gestatten würden, da die mitspielenden Motive vielfach" zu komplex sind. Diese Situation wird sich häufig wiederholen. Im ganzen wird sich der Bearbeiter °fast überall 0 da, wo er Veranlassung hat, Unterschiede in den allgemeinen „seelischen" Qualitäten der Arbeiter je nach ihrer Beschäftigungsart und Provenienz zu schildern, also Unterschiede ihres „Charakters", „Temperaments",

h Fehlt in A. m Fehlt in A.

i A: w u r d e , n A: vielleicht

j A: ausschließend rein o A:z.B.

k A: ist,

I Fehlt in A.

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ihres „intellektuellen" und „sittlichen" Habitus: - Dinge, welche auf die Qualifikation zu den einzelnen Arten der Industriearbeit ganz ohne Zweifel p oft von bedeutendem, zuweilen von p entscheidendem Einfluß sind bei dem heutigen Stand der psychologischen Arbeit noch ziemlich häufig auf sich selbst angewiesen sehen. Zwar werden 5 die alten „vier Temperamente" 1 5 heute meist durch die vier möglichen Kombinationen von 1. Intensität und 2. Dauer der jeweiligen B 27 „Gefühlslage" ersetzt. Der | qualitative Inhalt jedoch, der in den alten Begriffen steckte, geht dabei verloren. Diesen letzteren durch eine andere Klassifikation der „Temperamente" zu ersetzen, und 10 vollends jene zahlreichen, vom Standpunkt der Psychologie aus höchst komplexen qualitativen Differenzen des Habitus, die wir als „Charakter" bezeichnen, klassifikatorisch zu erfassen, ist den „differentialpsychologischen" , „charakterologischen", „ethologischen", „speziellpsychologischen" Arbeiten (oder wie sonst diese Untersu- 15 chungen sich zu nennen pflegen) bisher nicht geglückt, 16 - aus leicht verständlichen allgemeinen methodischen Schwierigkeiten heraus, die in der Aufgabe selbst liegen. Eine allgemein anerkannte Klassifikation für derartige Unterschiede gibt es heute nicht, insbesondere keine, die ohne weiteres geeignet wäre, für die Zwecke der gegen- 20 wärtigen Erhebung als Grundlage zu dienen. Die psychologischen Unterscheidungen vollends, mit welchen heute die Psychiatrie arbeitet, sind aus Gründen, welche der besonderen Natur dieser Wissenschaft entstammen, teils zu einfache, teils umgekehrt zu spezifische. Dem Bearbeiter kann daher nur angeraten werden, die Äußerungs- 25 A 21 formenq der „Charakterunterschiede", soweit solche wirklich | unzweideutig vorliegen: die im äußeren Verhalten zu beobachtenden Differenzen der Reaktionsweise der Individuen also, woran er jene Unterschiede zu erkennen glaubt, möglichst konkret und genau zu p A: von bedeutendem, oft

q A, B:

Äußerungsform

15 Die Unterscheidung in die vier Temperamente, sanguinisches, melancholisches, cholerisches und phlegmatisches Temperament, gehtauf die Lehre von den Körpersäften des Arztes Galenus zurück und wurde zunehmend zur Klassifikation individueller Unterschiede der Äußerung von Gefühlen angewendet. Der Choleriker und der Melancholiker neigen zu starken Affekten, zu schwachen der Sanguiniker und der Phlegmatiker. Rascher Gefühlswechsel charakterisiert den Sanguiniker und den Choleriker, langsames den Melancholiker und den Phlegmatiker; vgl. Wundt, Grundzüge, Band3, 5. Abschnitt, 19. Cap., 6. b.: „Gemüthsanlagen", S . 6 3 7 - 6 4 2 . 16 Vgl. Weber, Psychophysik, unten, S.219.

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beobachten und so einfach und gemeinverständlich wie möglich in der Alltagssprache zu beschreiben. Überhaupt aber dürfte im Interesse des Zwecks dieser Erhebung den Herren Mitarbeitern von vornherein eins dringend anzuraten sein, nämlich: Falls sie auf dem Wege der Lektüre oder der Anregung durch einen fachmännisch geschulten Physiologen, Psychologen, Biologen, Anthropologen sich mit den allgemeinen und prinzipiellen Erörterungen jener Disziplinen vertraut zu machen Gelegenheit hatten, sich gerade dann 1. nicht an diese Probleme, so interessant sie jedermann erscheinen müssen, zu „verlieren", und vollends 2. sich unter keinen Umständen irgendeiner der miteinander kämpfenden allgemeinen Theorien psychologischer, biologischer, anthropologischer Art zu „verschreiben". Nicht als ob nicht jene allgemeinsten naturwissenschaftlichen Probleme schließlich auch die Fragestellungen, mit welchen es diese Erhebung zu tun hat, berühren könnten. Oder als ob nicht die Tatsachen, welche diese unsere Fragestellungen (günstigenfalls) zutage fördern werden, möglicherweise auch für jene 'allgemeinen Theorien r Interesse gewinnen könnten. Beides ist möglich. Allein für die Unbefangenheit der Ermittlung der Tatsachen, welche die Grundvoraussetzung des Gelingens dieser Erhebung und vor allem auch | ihr wesentlicher Zweck B 28 ist, könnte offenbar gar nichts Schlimmeres eintreten, als wenn jene Tatsachenfeststellungen von Anfang an unter dem Gesichtspunkt der Erhärtung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer jener allgemeinen naturwissenschaftlichen Hypothesen vorgenommen würden. Führt es gelegentlich schon zu Irrgängen, wenn naturwissenschaftliche Fachmänner ohne genaue Kenntnis ökonomischer Probleme solche Versuche unternehmen, so würden, wenn das gleiche von McMachmännern geschähe, durch den alsdann unvermeidlichen Dilettantismus die Interessen der Naturwissenschaften schwerlich gefördert, die Zwecke dieser Erhebung aber, namentlich durch den stets so nahe liegenden Versuch der Konstruktion aus einem einzelnen hypothetischen Gesichtspunkt heraus, schwer geschädigt. Denn auch bei großer Gewissenhaftigkeit läge die Gefahr immer vor, daß Tatsachen, die sich jener hypothetischen Deutung nicht fügen wollen, ignoriert oder jedenfalls nicht mit dem erwünschten Interesse und in der erwünschten Vollständigkeit festgestellt und r A: allgemeine Theorie

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wiedergegeben werden. Es kann daher nicht entschieden genug geraten werden, 3 1., soweit eine' Unterstützung durch naturwissenA 22 schaftliche | Kenntnisse erwünscht ist, stets u/ac/zmännische Mitarbeiter heranzuziehen," 2.Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Facharbeit dann zu verwenden, wenn es sich um anerkannte, auf Grund von Beobachtungen feststehende 7ßteac/imzusammenhänge handelt, die für die Zwecke dieser Erhebung von Wichtigkeit sind, dagegen 3. allgemeine naturwissenschaftliche Theorien und Terminologien unbedingt nur so weit zu verwerten, als dies ausnahmsweise dem Zweck dieser Erhebung wirklich unmittelbar greifbaren Vorteil bringt v und als ihnen die allgemeine Anerkennung der Fachleute zur Seite steht. Diese Sätze gelten insbesondere auch da, wo die Fragestellung 3 , wenn sie - wie dies kaum vermeidbar sein wird - den Begriff der „natürlichen Anlagen" verwendet, in den Bereich der biologischen Vererbungsfragen gelangt. Sie kann b, wenn überhaupt auf Gründe von Differenzen der Arbeitseignung näher eingegangen wird, 0 diese Berührung schwerlich vermeiden. Und sie soll sie auch insofern nicht vermeiden, als c man sich offenbar 0 die Frage, inwieweit die Möglichkeit vorliegt, vorhandene Differenzen d dieser Art d auf erblich überkommene Stammesverschiedenheiten zurückzuführen, Notwendig in irgendeinem Stadium der Untersuchung stellen e muß. Die Frage ist nur, inwieweit mit den Mitteln dieser Erhebung die Untersuchung auf die Lösung dieser Probleme abgestellt werden kann. Die 'Möglichkeit und selbst Wahrscheinlichkeit einer' Bedeutung von „RasB 29 senunterschieden" für die | industrielle Arbeitseignung 9 , wie sie vorläufig am deutlichsten in den bekannten Erfahrungen mit der textilindustriellen Verwendung der Neger in Nordamerika zutage getreten ist, wie sie aber z.B. auch in Spanien, Belgien sich zu zeigen scheint, h dürfte an sich, in der Theorie, von niemandem bezweifelt werden können. Daß man mit den einzelnen deutschen „Stämmen" in bezug auf ihre Brauchbarkeit verschiedene Erfahrungen macht, werden sehr viele Betriebsleiter 'behaupten. Bayrische und nordS In A folgt: sich t A: die u A: /ac/miännischen Rats zu b e d i e n e n , v A: bringt, a A: Bearbeitung b Fehlt in A. c Fehlt in A. d A: in der Arbeitseignung e A: gegebenenfalls gestellt w e r d e n f Fehlt in A. g A: Eignung h In A folgt: und wie sie gelegentlich auch für die in der deutschen B e v ö l k e r u n g vertretenen anthropologischen T y p e n untereinander behauptet wird, i—/ A: b e h a u p t e n , sicherlich oft zu Unrecht infolge voreiliger Generalisation, aber wahrscheinlich oft mit Recht.

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westdeutsche Eisenarbeiter, schlesische und westfälische Weber, belgisch-rheinische und niederdeutsche Feinblechwalzer genießen eines sehr verschiedenen Rufes, und diese Liste wird unter den Händen der Bearbeiter, wenn sie überhaupt ihr Augenmerk darauf richten, gewaltig anschwellen.' Daß die für die Arbeitseignung wichtigen erblichen' Unterschiede vor allem auch auf dem Gebiet der nervösen und psychischen Konstitution, in der, nach Tempo, Stetigkeit und Sicherheit verschiedenen Art des Reagierens und in den hierdurch mit bedingten „Temperamentsdifferenzen" zu suchen seien, welche ihrerseits die, für den Großbetrieb erforderliche, k „Disziplinierbarkeit" beeinflussen, dürfte im Prinzip ebenfalls nicht bestritten werden. Die Aufgabe wäre nun, das Chaos unkontrollierbarer Behauptungen, welches dem Bearbeiter über diese Dinge zweifellos entgegentreten wird, zunächst, kritisch gesichtet, zu reproduzieren, dann a b e r s o w e i t irgend möglich,' daraufhin zu untersuchen, inwieweit mim einzelnen Falle"7 im | biologischen Sinn „ererb- A te" Differenzen "als bestehend" behauptet werden - und nicht etwa nur 0 : Differenzen der p Tradition, wie dies in sicherlich sehr vielen, wenn nicht den meisten, Fällen geschieht: der konventionelle, ganz unklare, p Begriff des „Volkscharakters" als der „Quelle" bestimmter Qualitäten der Arbeiterschaft qschiebt ja diese beiden himmelweit verschiedenen Dinge unentwirrbar ineinander. Nun q gibt es notorisch kaum eine Fragestellung, die in fast jedem Einzelfall ähnlich schwer eindeutig und erschöpfend zu beantworten wäre, - ja, es ist ein Standpunkt möglich, von dem aus sie in letzter Linie überhaupt nie einer eindeutigen r Beantwortung fähig erscheint, und jedenfalls tobt über die Interpretation auch relativ sicherer Tatsachen der Streit der entgegengesetzten biologischen „Theorien". Eben deshalb wird bei diesem Punkt, neben den oben bereits erwähnten, jedenfalls auch noch der Fehler vermieden werden müssen: zu glauben, daß aus dem hier erhobenen Material, welches günstigenfalls

j Fehlt in A. k Satzzeichen fehlt in A. I Fehlt in A. m A: darin n Fehlt in A. o Fehlt In A. p — p A: Tradition-, und inwieweit solche an sich, nach der Natur der Unterschiede, irgendwie wahrscheinlich sein können. Denn bei dem konventionellen ganz unklaren q — q A: dürfte sich die Bearbeitung allerdings nicht beruhigen. W o auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg ist, sollte die Analyse weiter fortschreiten und dem Einfluß der Lebensbedingungen auf der einen Seite, der - möglicherweise - erblich überkommenen „Disposition" auf der anderen Seite gesondert nachzugehen trachten. Zwar r In A nicht hervorgehoben.

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einige wenige Generationen umfassen kann, irgendwelche Schlüsse zur Begründung der einen oder der anderen jener Theorien, also etwa: des Darwinismus in seiner orthodoxen oder in der Weismannschen Fassung, des „Neo-Lamarckismus", der Hering-Semonschen B 30 Theorien usw., 1 7 | gewonnen werden könnten55, und daß es also die Aufgabe oder auch nur erwünscht sei, bei der Verarbeitung des Materials dasselbe in dieser Richtung zu verwerten. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Gesetzt beispielsweise, es bestätigte sich die gelegentlich gemachte Beobachtung: daß die Bevölkerung von Gebieten, welche lange Perioden hindurch Zentren industrieller (z.B. hausindustrieller) Arbeit gewesen sind, ganz allgemein nicht nur industrieller Arbeit besonders stark zuneigt, sondern auch - was davon sorgsam' zu unterscheiden ist - für u industrielle Arbeit, und zwar auch für solche von anderer als der traditionell 3 überkommenen Art, besser qualifiziert, d.h. also darin „übungsfähiger" ist als andere Bevölkerungen. Dann könnte diese Tatsache, falls alle Versuche, sie aus Einflüssen der Tradition, Erziehung, Nachahmung usw. herzuleiten, fehlschlügen und also „Vererbung" jener Qualifikation wahrscheinlich wäre, nunmehr in der verschiedensten Art, z . B . sowohl als Folge ursprünglicher, durch „Auslese" gezüchteter Keimanlagen, wie als Ergebnis kontinuierlicher „Übung", deren Folgen für S A, B: könne

t A: wohl

u In A hervorgehoben.

a A: erblich

17 Vererbungstheorien lassen sich unter anderem danach unterscheiden, wie sie auf der Ebene der Art Modifikation erklären, mit anderen Worten, wie sie die Frage entscheiden, ob „erworbene Eigenschaften" vererbbar sind und, wenn ja, welche. Der orthodoxe Darwinismus nimmt im Anschluß an Charles Darwins „Entstehung der Arten" von 1859 an, daß aus einer gegebenen und zufällig immer wieder entstehenden Variabilität zwischen den Individuen einer Art solche sich langfristig durchsetzen, die an ihre Umgebung am besten angepaßt sind. Der Neodarwinist und Zoologe August Weismann ergänzte diese Theorie der natürlichen Auslese insofern, als er behauptete, daß Veränderungen nur dann vererbt werden können, wenn sie in ein „Keimplasma" eingeprägt sind. Die Vererbung funktionell erworbener Eigenschaften schloß er ausdrücklich aus. Er widersprach damit der Lehre von Jean Baptiste Lamarck, der bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts Modifikation durch den Gebrauch oder Nichtgebrauch von Organen erklärt hatte, wobei er annahm, daß diese funktionell erworbenen Veränderungen vererbt würden. Der NeoLamarckismus dehnte diese Sicht auf psychische Eigenschaften aus. Richard Semon behauptete die Fähigkeit der organischen Materie, Reize in Form von Engrammen zu speichern, sprach ihr also eine „Mneme", eine Art von Gedächtnis zu. Diese „mnemischen Engramme" galten ihm als eine Substanzveränderung der Materie, die vererbt wird. Dabei stützte er sich auf eine physiologische Theorie des Gedächtnisses, die Ewald Hering entwickelt hatte.

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die Entwicklung des physischen Apparats vererbt worden seien, wie als Folge „mnemischer | Engramme", 1 8 und vielleicht noch auf man- A 24 cherlei andere Art gedeutet werden, - in welcher Art am leichtesten, könnten jedoch nur die biologischen Fachleute entscheiden, und diesen würde dasjenige Material, welches unsre b Erhebung eventuell zu bieten vermöchte, für eine solche Entscheidung ohne allen Zweifel gänzlich unzulänglich erscheinen. c Eine „voraussetzungslos" an den Sachverhalt herantretende Betrachtung würde sich wohl vor Augen halten, c daß man 1. jede menschliche Lebensäußerung als eine bestimmte, durch gegenwärtige Lebensumstände determinierte Art und Weise des „Funktionierens" ererbter „Dispositionen", welche ihrerseits durch vergangene Lebensumstände in bestimmter Art „entwickelt" worden sind, auffassen kann, 2. daß aber die Frage: ob generell die ererbten Anlagen oder die erworbenen Qualitäten das ursächlich „Entscheidende" oder vorwiegend „Wichtige" seien, schon im Prinzip falsch gestellt und also müßig ist. Falsch gestellt deshalb, weil die Frage, ob etwas, als ursächliches Moment, „wichtig" sei oder nicht, davon abhängt, wofür es denn „wichtig" oder „unwichtig" sein soll, das heißt[,j unter welchem ganz speziellen Gesichtspunkt es im Einzelfall auf seine Bedeutsamkeit hin angesehen wird. Für die Fragestellungen dieser Erhebung würde es sich d falls es überhaupt gelingen sollte, an irgendeinem Punkt bis zu solchen Problemen vorzudringen - niemals um die „Lösung" jener generellen Frage, sondern 0 immere lediglich und allein darum handeln, ob diejenigen speziellen Qualitäten, welche für | bestimmte B 31 konkrete Einzelleistungen von spezifischer Eigenart die Verwendung derjenigen Arbeiter, die sie besitzen, rentabel machen', in den betreffenden Einzelfällen vorwiegend auf dem Einfluß von Lebensschicksalen (im weitesten Sinne des Wortes) der betreffenden Arbeiter beruhen können oder nicht. Dabei wäre 9 aber von Anfang an mit der Möglichkeit zu rechnen, daß diese Frage vielleicht für jede einzelne Kategorie von Arbeitern jeder einzelnen Industrie verschieden b A: diese c - c A: Um so mehr wäre es auf das dringendste zu wünschen, daß die Herren Mitarbeiter, gerade dann, wenn ihnen jene allgemeinen Theorien gut bekannt sind, „voraussetzungslos" an das Material herangehen und sich vor Augen halten, d—d A: zunächst e In A nicht hervorgehoben. f A, B: macht g A: ist

18

Vgl. Anm. 17.

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h

zu beantworten wäre; h ferner natürlich auch mit der unbezweifelbaren Tatsache, daß durch 'Lebensschicksale („Milieu")' in erheblichem Maße sowohl die Wirkungen' von Anlageverschiedenheiten ausgeglichen als Anlageähnlichkeiten differentiell entwickelt werden können und umgekehrt. k Und dabei bedürfte nun offenbar der* gänzlich unpräzise und das allerheterogenste vereinigende Begriff 'des „Milieus"' in jedem einzelnen Fall einer Zerlegung in die verschiedenen Gattungen von Lebensbedingungen, die unter ihm zu25 sammengefaßt m | werden. Das Maß der Entwicklung oder Verkümmerung vorhandener ererbter „Anlagen", welche ihrer Art nach für die Eignung zur modernen Industriearbeit wichtig werden können, hängt insbesondere zweifellos stark von Jugendeinflüssen ab. Sowohl allgemeine Erwägungen als die, allerdings sehr wenigen "und unsicheren", experimentellen Beobachtungen, welche z.B. über den Zusammenhang der qualitativen Exaktheit motorischer Leistungen mit dem Standard der intellektuellen Entwicklung, oder über den Zusammenhang der Ermüdbarkeit und assoziativen Leistungsfähigkeit mit der sozialen Provenienz bisher vorliegen, machen dies wahrscheinlich. Solche Jugendeinflüsse werden unter anderem durch die Art der Ernährung und Erziehung, den Grad des Anreizes und der Gelegenheit zu intellektueller Betätigung, den Reichtum des Anschauungsstoffes, den das Milieu der Jugendjahre bietet, ausgeübt. Die, meist durch die Klassenlage der Eltern gegebene, Enge oder Weite der materiellen Verhältnisse und des °„geistigen Horizonts" 0 des Elternhauses, Schulbildung und Militärdienst, die Volkszahl und der ökonomische und kulturelle Charakter der Heimatsgemeinde bzw. der Gemeinde, in der die Jugend verlebt wurde, und sodann die jugendlichen Berufsschicksale üben aller Wahrscheinlichkeit nach einen so nachhaltigen Einfluß auf die Richtung aus p , welche die Entwicklung nimmt, auf die Entfaltung oder Hemmung einzelner Fähigkeiten, daß - wie dies z. B. für zeichnerische Begabung experi-

h A: wird beantwortet w e r d e n müssen; i A: „Lebensschicksale" j A: Wirkung k A: W e n n man nun, unter Beachtung dieses U m s t a n d e s , der B e d e u t u n g der ererbten „ A n l a g e n " die G e s a m t h e i t der für eine konkrete Lebensäußerung mit verantwortlichem Lebensschicksale als die B e d e u t u n g des „Milieus", der „ U m w e l t " , gegenüberstellen will, so bedarf o f f e n b a r dieser letztere, an sich I Fehlt in A. m A: verstanden n Fehlt in A. o Anführungszeichen fehlen in A. p Fehlt in A, B; aus sinngemäß ergänzt.

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mentell wahrscheinlich gemacht worden ist19 - nur sehr erheblich übernormale Begabung für bestimmte Leistungen die Fähigkeit zu besitzen scheint, sich gegenüber jenen, durch die soziale und kulturelle Schichtung gegebenen Bedingungen, unter welchen die Lebenszeit mit der stärksten Plastizität stand, überhaupt in | erkennba- B rem Grade durchzusetzen. Auch von denjenigen allgemeinen „Dispositionen" des „psychophysischen Apparats" also, welche für die Arbeitseignung wichtig werden können, ist ein Teil zweifellos, durch fördernde „Schulung" einerseits, durch hemmende oder direkt schädigende Lebensgewohnheiten einer Bevölkerung andererseits^] (sowohl intra- wie extrauterin) erwerbbar. q Die Unterschiede ländlicher und städtischer Herkunft - unter „Stadt" wären dabei Orte beliebiger Kleinheit, welche das den Städten eigentümliche geschäftliche Leben mit allen seinen Konsequenzen aufweisen, zu verstehen q—n v 6 T-H r H T-H

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A 726 Durch Versehen war auf S. 284 d[ieses] B[andes] 1 0 die Zahl von 4 Webstühlen als | A 7 2 7 „normal" angegeben: es muß auf Zeile 21 im Text und Zeile 8 in der Anmerkung beidemal heißen: „bis 4", wobei überdies „4" als eine wesentlich „ideale", selten erreichbare „Norm" zu gelten hat. Ein S. 281 (bezw. 286) begangenes Versehen ist: der dort erwähnte männliche Weber ist nicht jener (einzige) sächsische Arbeiter des Betriebes, mit dem ich ihn bei der Niederschrift verwechselt habe. Der letztere ist vielmehr der Arbeiter p der Tabelle I, der durch seine niedrige Leistung an gewöhnlichen Stühlen auffällt und unter dem Frauen-Niveau steht. 51) Dies tritt in dem sehr starken Abstand der Akkord-Verdienste hervor. Über die Gründe s. o. S. 284f. Anm. 39.

9 Beispielsweise oben, S. 278ff. 10 Gemeint ist Band 28 des AfSS, in dem sowohl die zweite als auch die dritte Folge des Psychophysik-Textes erschienen.

Zur Psychophysik

der industriellen

Arbeit

303

sich sehr wenig davon. Daß der Übergang zu einem' anderen1* Stuhlmodell, also zu mannigfach andersartigen Arbeitsbedingungen zunächst einen Kollaps der Akkordverdienstziffer hervorbringt, ist ohne Kommentar erklärlich: die Leistung steigt dann, der Regel nach, infolge der Übung bald wieder an. Aber auch jener in dieser Tabelle durchweg sich zeigende52) Kollaps ist keine ausnahmslose Erscheinung: ein anderer Arbeiter, der auf Stuhlmodell II in den gleichen Monaten (August 07 bis August 08) 63,0 - 65,0 - 68,4 - 70,1 - 6 8 , 0 - 7 5 , 5 - 7 1 , 0 - 7 7 , 0 - 7 7 , 3 - 7 2 , 6 - 6 8 , 6 - 6 4 , 0 - 6 5 , 0 % des1 SollNormale verdient hatte, brachte es beim Übergang zum Stuhlmodell I im September 08 alsbald auf die sehr hohe Zahl von 124,3%, war also wohl für diesen Wechsel nach seiner Eigenart spezifisch geeignet. Im übrigen zeigt die Tabelle auf den ersten Blick auch in den Verhältnissen von einem Monat zum nächstfolgenden Monat keine Gleichartigkeit der Bewegung der Zahlen und nur in einigen Fällen eine deutliche „Gesamttendenz" derart, daß die entgegengesetzten Bewegungen als zufällige, durch besondere Bedingungen hervorgerufene „Ausnahmen" angesehen werden könnten. Einigermaßen deutlich ist nur die Tendenz zum Sinken vom Oktober zum November und dann wieder zum Steigen im Frühjahr. Da über diese, offenbar durch eine Kom|bination verschiedener Motive: Einfluß A728 der künstlichen Beleuchtung in der dunklen Jahreszeit, starke Kälte im Januar und Februar, Verstimmungen anläßlich der Gewerkschaftsbewegung, zahlreiche neue Sorten, - schon früher und zwar auf Grund der Heranziehung nicht nur der in diese Tabelle aufgenommenen, sondern aller nach Lage des Materials vergleichbaren Arbeitskräfte 53 ' gesprochen wurde, sei hier darauf nur erneut verwiesen.

52)

Der Kollaps würde, wenn die Geschlechtszulage beim Stuhlmodell II (s. oben S. 284) nicht abgezogen wäre, noch um 20% stärker erscheinen. | 53) Die in diese Tabelle aufgenommenen Arbeiter, welche während dieser Periode die A 7 2 8 Stuhlart gewechselt haben (g, h, i), und alle nicht während der ganzen Periode beschäftigten mußten andrerseits damals ausgeschieden werden. |

i Fehlt in A; einem sinngemäß ergänzt.

k A: anderem

I A: das

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12. a Stuhluhrmessungen und Leistungsschwankungen. a Es liegt nun, da, wenigstens vorerst, diese Akkordverdienstzahlen eine gewisse Sterilität zeigen, insbesondere die Schwankungen weit überwiegend ganz irrational erscheinen, der Gedanke nahe, ob man nicht durch Beobachtung der Leistungsschwankungen in kürzeren Perioden, möglichst von Tag zu Tag, also mittelst der Stuhluhr, welche die Zahl der von Arbeitern gemachten Schüsse exakt für jede beliebige Zeiteinheit anzeigt, zu besseren Resultaten kommen könne. Dies um so mehr, als ja, wie die obigen Ausführungen zeigten, in den Zahlen, welche die Monatsakkordverdienste angeben, stets das Ergebnis von Kalkulation steckt: ihre Vergleichbarkeit unter einander beruht auf der Voraussetzung, daß die Akkordsätze für die Sorten, die ein Arbeiter nach einander verarbeitet, „richtig", d. h. so kalkuliert sind, daß sie das unter einander verschiedene Maß der Arbeitsanstrengung, welches diese verschiedenen Sorten erfordern, durchaus zutreffend berücksichtigen. Wir werden weiterhin noch sehen, welche Rolle die „Anpassung" des Arbeiters an die Akkordbemessung für die Leistungsschwankungen spielt, - hier erinnern wir uns vor allem, daß ja eine wirklich im exakten Sinne „richtige" Bemessung des Akkords im Prinzip nur dann möglich wäre, wenn die verschiedenen Leistungen nur in der Quantität oder Intensität ihrer Anforderung an die Arbeitskraft unter sich verschieden wären. Allein dies ist durchaus nicht der Fall. Die Unterschiede der Anforderungen an den Arbeiter sind mindestens insofern qualitativer Art, als die einzelnen in Anspruch genommenen „Fähigkeiten" - etwa: Konzentrationsfähigkeit, Schnelligkeit des Reagierens, Gleichmäßigkeit der Aufmerksamkeitsspannung, usw., deren jede ja in gewissem Grade bei jeder Sorte erfordert wird, bei den verschiedenen Sorten in sehr verschiedener Weise kombiniert in Betracht kommen. Die Akkordkalkulation geht denn auch natürlich ganz und gar nicht von Erwägungen über das Maß, in welchem jede von jenen verschiedenen „Komponenten" der Leistung beansprucht wird, sondern umgekehrt rein empirisch von Erfahrungen über den Leistungseffekt - das Maß der Maschinenausnützung - aus, den ein „brauchbarer Durch-

a Kapitelüberschrift aus dem Inhaltsverzeichnis (ohne Seitenzahl) übernommen und eingefügt.

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305

schnitts |arbeiter" bei der Arbeit in einer Sorte zu erzielen pflegt, sie A 729 verfährt also, wie dies ganz allgemein schon früher gesagt wurde, aus sehr naheliegenden Gründen, gerade entgegengesetzt, wie eine „psychophysische Analyse" der Arbeit es tun müßte. Sollten wir also nicht besser tun, Zahlen, welche auf einer derartigen Grundlage ruhen und, wie wir sahen, schon weil sie nicht einmal wirklich auf der Basis der „Leistung", sondern der Ablieferung der Ware ruhen, allen möglichen Zufällen unterliegen, ganz beiseite zu lassen, und uns ausschließlich an die Ergebnisse von SinWw/z/--(Schußzähler-)Aufnahmen zu halten, die ja doch, da sie wirklich die Arbeit selbst unmittelbar „kontrollieren", ein in ganz andrem Sinn „exaktes" Material darzubieten scheinen? Es ist nun zweifellos, daß die Messung der von den Arbeitern gemachten Schuß zahl durch jene Vorrichtungen in der Tat den Ausdruck „exakt" verdient, und daß also, soweit sich die Leistung des Arbeiters in dieser Schußzahl ausdrückt, sie auch dadurch „exakt" gemessen wird. Allein daß die für die Beurteilung des Leistungsmaßes denn doch äußerst wichtige Qualität des erzeugten Gewebes dabei gänzlich unter den Tisch fällt (diese kann durch Heranziehung der Kettenkontrollkarten mit den Notizen des die Stücke abnehmenden Beamten ermittelt werden - aber natürlich weder so noch irgendwie sonst „exakt"), - diesen Mangel teilt die „Stuhluhrmessung" mit den in der Tabelle I wiedergegebenen „nackten" Akkordverdiensten (bei diesen wäre darüber durch Angabe, ob Prämien gezahlt sind, - was nur bei normaler Güte der Ware geschieht wenigstens für die t/öernormalleistungen einige Klarheit zu gewinnen, worauf wir gelegentlich zurückkommen). Ferner aber ist es auch bei Stuhluhrmessungen wieder nur der Endeffekt: die „Leistung", welche feststeht, und beim Vergleichen mehrerer Leistungen untereinander bleiben wir auch hier im Unsichern, was solche Schußzahlen eigentlich über die Art der Leistung: über das Maß, heißt das, in welchem die verschiedenen für die Weberei überhaupt relevanten Qualitäten des Arbeiters dabei in Anspruch genommen werden, aussagen können (s. o. S. 242f.). Ein einfaches Vergleichen nach der Zahl der per Arbeitstag oder per Stunde vom Arbeiter gemachten Schüsse würde bei jedem Sortenwechsel gänzlich schiefe Resultate ergeben. Wieviel Schüsse der Arbeiter im idealen Grenzfall - der in der Wirklichkeit nie eintritt - in einer Zeiteinheit machen könnte wenn nämlich die Maschine keinerlei Störung erlitte, das Garn un-

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Zur Psychophysik der industriellen Arbeit

zerreißbar wäre, keine Entleerung und Neufüllung des Schützen mit Garn nötig würde, keinerlei Fehler in der Herstellung der Kette Abhilfe verlangten, keine Verwirrung der Fäden aus anderen Gründen einträte, kurz die Maschine und auf ihr das (¡am derart von selbst kontinuierlich weiter liefen und Gewebe erzeugten, daß - der Arbeiter überflüssig wäre, - dieses „ideale" Maximum der MaschiA 730 nenausnützung richtet sich natürlich vor allem nach | der Geschwindigkeit des Ganges der Maschine: ihrer Tourenzahl per Minute, und das Optimum dieser Tourenzahl ist bei jeder Garnsorte, nach dem Maß ihres Reißwiderstandes - der wieder von Feinheit, „Draht" (Maß der beim Spinnen dem Garn gegebenen Drehung), Güte des Rohmaterials u. s. w. abhängt - und ihrer Angreifbarkeit durch Reibung auf dem Stuhl sehr verschieden54'. Eine gesteigerte Tourenzahl nun nimmt unzweifelhaft ceteris paribus die Aufmerksamkeit des Arbeiters in erhöhtem Maße in Anspruch und greift wohl auch wiederum: ceteris paribus - nervös stärker an; aber die „cetera" sind eben regelmäßig dabei nicht „gleich": denn wenn es sich um zwei untereinander verschiedene Sorten handelt, so kann jenes Moment durch andere, die Arbeit erleichternde Umstände mehr als ausgeglichen werden. Die hohen Tourenzahlen bei Verwendung der gröberen und deshalb bei gleicher Güte des Materials ceteris paribus weniger reißfähigen Garne gehen, da gröberes Garn auch gröberes Gewebe bedeutet, doch im Großen und Ganzen mit einer Entlastung der Aufmerksamkeit und des Auges des Arbeiters zusammen, andrerseits wieder bedeutet aber das gröbere Garn, da von ihm nicht so viel in den Schützen hineingeht, wie von feinerem, eine Steigerung der Zahl der Arbeitsunterbrechungen durch neue Schützenfüllungen, unter Umständen um 100% und mehr pro Arbeitstag, also für den Arbeiter: mechanische Mehrarbeit. Es kann also keine Rede davon sein, einfach die absoluten Zahlen der Schußzähler pro Tag oder Stunde zum Vergleich zugrunde zu legen55). Vielmehr muß die A 730

54) Bei sehr hohen Tourenzahlen tritt auch der dann schnell steigende Maschinenverschleiß in Rechnung. In der Weberei kann Baumwolle die höchsten Tourenzahlen (bis über 200 pro Minute) ertragen; in der Tuchweberei sind dagegen 75 Touren schon eine ziemlich häufige Zahl, die Leineweberei steht zwar zwischen beiden, jedoch den mittleren Zahlen der Tuchweberei ganz erheblich näher als den mittleren Zahlen der Baumwollweberei, dabei aber mit 30 bis 40% Unterschieden je nach Sorte und Material. 55) Damit soll durchaus nicht gesagt sein, daß nicht auch ein solcher Vergleich lehrreich sein könne und bei einer wirklich „exakten" Untersuchung dieser Sachverhalte, die hier nicht beabsichtigt sein kann, gemacht werden sollte. |

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Relation zwischen gemachter und möglicher Schußzahl dafür geeigneter erscheinen. Dazu einige Vorbemerkungen. Das Maß, in welchem eine von einem Arbeiter bediente Maschine hinter jener idealen Maximalzahl von Schüssen, welche sie bei gegebener Tourenzahl in einer Zeiteinheit (Tag, Stunde) machen könnte, zurückbleibt, ist in erster Linie Funktion von zwei Bedingungen: 1.: der erforderlichen Häufigkeit der Schußfüllung (von der eben die Rede war) - ein Umstand, der vom Arbeiter ganz unabhängig ist - und der, von seiner Geschicklichkeit abhängigen Schnelligkeit der Neuauffüllung, - 2.: der Häufigkeit des Eintritts von Kettenfadenbrüchen (Schußfadenbrüche spielen | eine ganz untergeordnete Rolle), welche teils A von der Garnnummer, teils von dem Garnmaterial, daneben auch von der Güte der Schlichte (also von Dingen, die für den Weber „gegeben" sind), abhängt, teils aber auch von seiner Aufmerksamkeit auf die in das „Fach" einlaufende Kette, da ein bedeutender Teil der Fadenbrüche Folge von Verwirrungen von Kettenfäden ist, welche der Arbeiter rechtzeitig beseitigen kann und soll. Was zu diesen beiden Hauptquellen von Unterbrechungen des Maschinenganges noch an Bedingungen der Arbeitsleistung hinzutritt, betrifft vornehmlich die Qualität des Gewebes, in deren Interesse der Arbeiter das Laufen der Kette kontinuierlich beobachten und erforderlichenfalls regulieren muß: auch hier kann die Notwendigkeit einer Abstellung der Maschine eintreten, allein je größer die Übung und Sicherheit des Arbeiters, um so seltener. In jedem Falle steht, wenn man die erfahrungsgemäß von dem Durchschnitt einer gegebenen Arbeiterschaft in einer Zeiteinheit bei hinlänglichem Anreiz zur optimalen Anspannung ihrer Fähigkeiten erzielbare Anzahl von Schüssen mit jener theoretischen, idealen Maximalzahl der Schüsse, wie sie die Multiplikation der Tourenzahl mit der Zahl der Arbeitsminuten ergibt, vergleicht, diese normalerweise zu erwartende Schußzahl (und das heißt: das normalerweise zu erwartende Maß der Ausnützung der Maschine) zu der idealen Schußzahl in einem Prozentverhältnis, welches bei der gleichen Tourenzahl für jede verschiedene Sorte verschieden ist und für jede gegebene Sorte bei einer bestimmten Tourenzahl sein b Optimum erreicht. Wo aber dies Optimum des erzielbaren „Nutzeffekts" bei jeder Sorte liegt, hängt einerseits, wie schon diese flüchtigen Bemerkungen ergeben, von einer ganzen b A: ihr

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Anzahl rein technischer oder im Material liegender Momente ab, andrerseits aber auch von Qualitäten der Arbeiterschaft und zwar für jede Sorte verschiedenen Qualitäten derselben. Da überdies die einzelnen Arbeiter diese Qualitäten in sehr verschiedenen Assortimenten in sich vereinigen, wird die Betriebsleitung auch bei einer und derselben Sorte die Festsetzung der Tourenzahl unter Umständen auch individuell verschieden gestalten; im ganzen aber wird auch hier wieder mit Erfahrungen über das, was durchschnittlich die Arbeiterschaft, so wie sie jeweils einmal ist, an Leistungen „hergibt", operiert werden müssen: man kennt das erfahrungsgemäße ungefähre Durchschnitts-Optimum der Tourenzahl, bemißt den Akkordsatz nach dem durchschnittlich erziel baren „Nutzprozent" (vom idealen Maximum) und weist dann den einzelnen Arbeitern diejenigen Sorten zu, für die sie, nach den mit ihnen gemachten Erfahrungen, sich relativ am besten eignen, d.h. deren Verarbeitung durch sie einerseits für den Betrieb, andererseits für sie selbst, die relativ rentabelste ist. Handelt es sich um Einführung neuer Sorten, so ist unter Umständen ein gewisses Probieren dabei unausbleiblich, bis festA 732 steht, welche Arbeiter | für diese Sorten relativ am geeignetsten und fähig sind, das Soll-Normale des Akkordverdienstes an ihnen zu erzielen. Alles in allem steckt offensichtlich auch in den scheinbar ganz „exakt" gemessenen Stuhluhrzahlen überall die Kalkulation der Betriebsleitung, und dieser Umstand erfordert Berücksichtigung, sobald Vergleiche zwischen mehreren Arbeitern oder zwischen Leistungen desselben Arbeiters zu verschiedenen Zeiten beabsichtigt werden. Wir können hier jedenfalls nicht anders verfahren, als daß wir statt der für Vergleichszv/ecke zwischen Leistungen verschiedener Sorten56* ganz unbrauchbaren absoluten Schußzahlen die „Nutz-

A 732

56)

Für Leistungen verschiedener Arbeiter in derselben Sorte lagen mir nur 4 Beispiele vor, von denen s.Z. die Rede sein wird.1 Zwei derselben sind schon früher (S. 261 bzw. 289 und S. 296° dieses Bandes) 2 benutzt worden.

c A: 211; in der Paginierung von A gibt es keine Seitenzahl 211, vermutlich meint Weber S. 721.

1 Weber verweist vermutlich auf Fn. 81, unten, S. 333. 2 Diese Angabe bezieht sich auf die zweite Folge des Psychophysik-Textes, die in demselben Band des AfSS wie die - hier vorliegende - dritte Folge erschien.

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Prozente" (Prozente der idealen, „theoretischen" Maximalleistung der Maschinen) zugrunde legen56a), und zwar die aus der Lohnkalkulation ersichtliche Relation der erwarteten bezw. verlangten Nutzprozente für die Orientierung über die durchschnittlichen Verhältnisse der Schwierigkeit der Arbeit an verschiedenen Sorten, die vom Arbeiter jeweils wirklich geleisteten zur Feststellung des Schwankens seiner Leistung. Vorerst aber fragen wir: stellt denn nun schließlich wenigstens die tägliche Schußleistung eines und desselben Arbeiters und an einer und derselben Kette eine einigermaßen konstante Größe dar, konstanter als die Schwankungen der monatlichen Verdienstdurchschnitte? Wir werden dies schon nach dem, was früher (S.260f.) gesagt ist, kaum erwarten. Oder zeigen sich in den Bewegungen der Arbeitsleistung von Tag zu Tag bei mehreren gleichzeitig arbeitenden Webern irgendwelche Regelmäßigkeiten? Nach dem, was S. 262 gesagt ist, werden wir das für denkbar, nach den Beobachtungen aber, die S. 290f. wiedergegeben sind, nicht für sicher halten. Sehen wir also zu: die Tabelle II gibt für eine Anzahl herausgegriffener Monate und für die in denselben der Stuhluhrkontrolle unterworfen gewesenen Arbeiter - die Zahl der vorliegenden Kontrollnotizen ist an sich klein und schwankt leider auch für die einzelnen Monate sehr stark - für jeden Tag die Zahl wieder, welche das Verhältnis der betreffenden Leistung | zum Durchschnitt3 der von ihnen an der A betreffenden Kette erzielten Schußzahl ausdrückt, und (an den Sonntagsdaten in gesperrten Ziffern) die Durchschnittszahl der vergange-

56a) Und zwar wird dabei stets so verfahren, daß die Tagesziffern sämtlich in Prozente der durchschnittlich von diesem Arbeiter an dieser Kette erzielten Nutzeffektleistungen umgerechnet werden. Was die Höhe der erzielten Nutzprozente selbst anlangt, so ist sie in der Leinenweberei sehr viel niedriger als in der Woll- und Baumwollweberei, die mit Nutzprozenten zwischen 80 und 90% der theoretischen Maximalleistung (auch noch darüber) rechnen können, während in der Leinenweberei die Durchschnittsleistung je nach Sorte, Material und Arbeiterschaft gar nicht selten bis unter 50% sinkt, zumal bei Bedienung mehrerer Stühle. Uns interessieren hier indessen diese Abstufungen nicht. |

3 Wie Weber den Durchschnitt berechnete, den ein Arbeiter „an der betreffenden Kette" erzielte, ließ sich nicht genau ermitteln. Es muß offen bleiben, ob er dabei eine oder alle Ketten der gleichen Sorte und ob er nur die Berichtszeit oder die gesamte an der Kette verbrachte Zeit zugrunde legte. Die Arbeit an einer Kette konnte mehrere Monate dauern. Siehe auch Tabelle II, unten, S.312/313.

310

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nen Woche57). - Es fällt nun bei Betrachtung dieser Zahlenreihen um mit diesem Punkt zu beginnen - in die Augen, daß irgend eine gleichmäßige und eindeutige Tendenz dieser Schwankungen nicht vorhanden ist. Insbesondere zeigt sich, daß nicht etwa die jeweilig an einem Tag bestehenden meteorologischen oder irgendwelche sonstigen „allgemeinen" Bedingungen der Arbeit die Schwankungen zu erklären vermögen. Wenn die täglichen Schwankungen der Arbeitsleistungen von solchen „allgemeinen" Umständen irgend welcher Art in beträchtlichem Grade abhängen sollten, so müßte, wenigstens in irgendwie annäherndem Maße, doch offenbar die große Mehrzahl der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter sich von ihnen an einem und demselben Arbeitstage in der gleichen Richtung beeinflußt zeigen. Das ist aber nicht der Fall. Wir fanden zwar in einem früher besprochenen Fall, 4 daß der Wassersättigungsgrad der Luft eine ziemlich genaue Parallele mit der Leistung einiger an diesem Tage beschäftigter Arbeiter zeigte58). Und die Erschwerung der Arbeit durch gesteigerte Trokkenheit der Luft ist an sich unzweifelhaft. Sie wird auch den Arbeitern, die sich dann über die sich stark steigernden Fadenbrüche zu beschweren pflegten, subjektiv fühlbar. Gleichwohl findet sich nur noch an einem einzigen anderen Tage ein ähnlich klar liegendes Beispiel 59 '. Dagegen zeigen die wenigen sonstigen Tage, an denen A 733

571

Stets: die ganze Woche, so daß also die Zahlen von verschiedenen Sorten eventuell in denselben Durchschnitt zusammengezogen werden. - 2 Arbeiter, die im Monat Juli noch mit je 2 Ketten kontrolliert wurden, sind hier Raumes halber fortgelassen, sie werden später gesondert erörtert. 5 58) U m das Beispiel zu vervollständigen: 5 exakt beobachtete Arbeiter zeigten folgendes Verhalten: % der Durchschnittsleistung (dieser 5 Arbeiter!) am: 23. (Hygrometerstand 77): 109,3; 24. (70): 99,5; 25. (64): 92,1. Vom 23. zum 24. hatten 2 Arbeiter eine Abnahme, 2 eine Zunahme der Leistungen, 1 blieb sich gleich. Vom 24. zum 25. hatten 4 eine Abnahme, 1 eine kleine Zunahme. 6 59) 30. Mai 08: 1) Durchschnitt von 5 beobachteten Arbeitern: am 19. V. (H[ygrometer]-Stand: 70): 91,8; am 20. V. (65): 81,7; am 21. V. (70): 103,3. 2) Die Leistung steht am 20. V. bei jedem der 5 Arbeiter unter seinem Leistungsdurchschnitt, bei 4 zeigt sie gegen den 19. V. Abnahme, bei 1 Zunahme; vom 20. zum 21. zeigt sie bei allen 5 Zunahme; vom 4 Vgl. oben, S. 260ff. 5 Weber verweist vermutlich auf S. 328ff. 6 Diese Angaben über die mit dem Hygrometer überprüften Wochen lassen sich mit der Tabelle in Webers Brief an Georg Müller vom 10. Jan. 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446 (MWG II/6), vergleichen. Danach lautet die Zahl für den 23. 109,5 und für den 24. 99,9. Vom 23. zum 24. diesen Monats zeigt sich bei drei Arbeitern eine Abnahme und bei einem Arbeiter eine Zunahme der Leistung.

5

10

15

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der hygrometrisch gemessene Sättigungsgrad der Luft 70% unterschritt - oberhalb dieser Grenze ist eine Einwirkung an den Tagesziifern überhaupt nicht konstatierbar - nur sehr unbestimmte Einwirkungen, manche aber das gerade | Gegenteil der erwarteten Senkung A 734 5 der Leistung 60) . Und ganz allgemein zeigt die Tabelle, daß die Abweichungen vom Durchschnitt sich bei den verschiedenen Arbeitern am gleichen Tage in allen erdenklichen Varietäten vorfinden und daß hier von einer bei ihnen generell vorhandenen, daher möglicherweise durch äußere allgemeine Verhältnisse bedingten Tagesdis10 position, deren Variation von einem Tage zum andern die gewaltigen Schwankungen der Tagesleistungen erklären würde, nicht die Rede sein kann 61) . Die Kälte der Außen|temperatur im Winter, welche oft A 735 21. zum 22. V. (Hygr[ometer]: 76) gegen den 21. bei 4 von ihnen Zunahme, bei 1 Abnahme. Das ist immerhin leidlich dem Postulat entsprechend. | 601 Der 2. Juni 08 mit nur 68% ist zugleich einer der ganz seltenen Tage, an dem bei A 734 mehr als 4 beobachteten Arbeitern alle (um 3,6-15,3%) über ihrer Durchschnittsleistung standen. Der l.Juni mit dem gleichen Hygrometerstand ist ein Montag, daher nicht brauchbar. Der 16. Mai mit demselben niedrigen Sättigungsgrad zeigt ebenfalls Zunahme bei 4 von 5 beobachteten Arbeitern. Das bedeutet natürlich nicht etwa die Irrelevanz der hygrometrischen Verhältnisse, sondern nur: l)daß erst bei starkem Unterschreiten des Soll-Normale, - 2) in verschieden starkem Maß und Tempo bei den einzelnen Arbeitern der Einfluß sich meßbar zeigt, endlich 3) daß er, wenn sich die Schwankungen in Grenzen bis zu etwa Vt des Soll-Normale halten, so stark durch andersartige Umstände (s.u.) 7 gekreuzt wird, daß er nicht direkt meßbar hervortritt. 61) Noch überzeugender ergibt sich dies aus folgender Beobachtung: In einer Zeitperiode von 197 Arbeitstagen wurde eine Anzahl von d in Bezug auf ihre Leistungen mit der Stuhluhr exakt beobachteten Arbeitern an allen den Tagen, an welchen mehr | als Einer A 7 3 5 von ihnen arbeitete, auf ihre Abweichungen vom Durchschnitt (100%) der Leistung jedes von ihnen (an der jeweils von ihm bearbeiteten Kette) untersucht und dann die einzelnen Tage daraufhin verglichen, wie weit verschieden untereinander sich ihre Leistung verhielt. Die Zahl der Arbeiter schwankte an den betreffenden Tagen zwischen 2 und 6. Dabei zeigte sich an 141 Tagen = 70% der Tage eine Abweichung von mehr als 15% des Durchschnitts zwischen ihnen, und an 119 von diesen 141 Tagen (= 60,1% aller) weichen sie dabei zugleich nach verschiedenen Richtungen (+ bezw. - ) vom Durchschnitt ab. Abweichungen von mehr als je 10% vom Durchschnitt in verschiedener Richtung kamen dabei an 46 Tagen (= 23,3% aller) vor. Insgesamt weichen die Arbeiter nach verschiedenen Richtungen vom Durchschnitt ab in 134 Tagen (= 67,6% aller). Abweichung der Leistungen von einander von weniger als 5% des Durchschnitts zeigten nur 17 (8,6%), von weniger als 2% nur 5 (4,9%) e Tage. Dabei gestaltete sich aber das Verhältnis so, daß an den Tagen, an denen mehr als 2 Arbeiter zugleich in | bezug auf ihre Leistung beobachtet A 736 wurden, in 83,4% der Fälle die Leistungen nach verschiedenen Richtungen vom Durchschnitt abweichen, daß sich mit jeder weiteren Zunahme der Zahl der beobachteten d Fehlt in A; von sinngemäß ergänzt. heißen: 2 , 5 % 7 Unten, S. 3121.

e Falls die Ausgangszahl stimmt, müßte es

312 A 734

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Arbeit

Tagesleistungen von Arbeitern (in Prozenten der in der

Tabellen.

1 Arbeiterl (c) " "

2(m) 3

* "

4(g) 5(e)

-

2

4

3

5

6

110,3 -

4(g) 86,3 96,7 86,3 96,4 5(e) 77,7 92,0 77,7 72,2

Arbeiterl (c) " 2(m) " 4(g) * 5(e) " 6(n) Arbeiterin 7 Arbeiter8 (h)

96,0 88,5 117,3 115,8 93,9 88,4

7

8

9

91,6 79,5 92,1 87,6 79,1 92,4 101,9 115,1 104,7 119,2 106,0 82,9 105,1 124,5 94,9 115,2 124,4 90,8 102,9 76,1 77,9 §)84,7 105,0 106,3

Arbeiter 1 (c) 110,3 108,6 110,3 109,7 95,8 96,7 104,1 " 2(m) " "

der industriellen

106,0 86,2 105,5 115,3 103,6 108,0

88,1 81,7 101,8 103,0 98,9 107,1

_ 102,1 116,0 107,7 104,7 99,0

86,7 58,9 122,3 95,0 91,1

-

-

11

12

13

15

_ -

110,0 104,0 99,0 106,6 111,5 116,0 96,6 97,1 91,3 80,7 67,5 84,2 93,0 82,4 109,3 106,4 97,6 105,7

_

96,0 99,2 98,7 93,8 106,4

-

-

110,4 117,2 93,6 115,7 102,4

115,4 100,0 101,8 114,1 98,9

-

-

99,5 109,8 103,2 103,3 107,5 -

109,5 107,5 100,8 116,9 106,9 61,9 114,3 102,3 101,9 105,7 106,4 107,8 99,2 102,5 106,0 -

-

-

§)95,6 104,4 88,5 117,1 103,3 103,2

Arbeiterl (c) 105,4 96,9 103,2 99,8 98,8 84,8 84,8

93,7

106,4 87,3 91,8

" "

4(g) 103,8 96,7 104,0 104,2 97,5 93,1 100,7

100,7

105,1 100,9 100,2 96,1

"

5(e) 103,0 73,3 115,3 90,0 99,3 105,7 91,5

8 3,1

81,5 119,3 101,0 103,8

" " "

79,8 6(n) 104,8 99,8 107,5 95,8 105,1 90,1 110,6 B(h) 110,5 100,0 80,1 121,7 103,5 96,5 105,0 137,5 9

96,1 82,1 90,0 106,5 (113,0) -

§) Neue Sorte,

132,4

-

2(m) 41,4 115,9 66,2 96,0 84,8 99,0 95,2 111,7

*) Neue Kette der gleichen Sorte.

14

112,6 111,2 110,9 84,5 97,7 83,0 97,1 94,6 105,9 80,9 96,9 83,2 80,2 102,9 108,1 94,7

-

110,1 81,1 §)88,4 t)82,l 100,9 102,1 94,1

10

114,5 96,4 120,4 113,2 126,8 116,4 112,4 106,5 96,8 104,9 58,4 109,4 135,9 93,6 113,4 114,9 88,6 100,9 103,1 86,2 97,9 85,0 93,2 106,0

t) Desgl. auf andern Stuhl.

§)61,7

-

82,7 109,4 70,3

8 91,6

85,1 -

-

1) Änderungen am Stuhl.

die ersten 2 Stunden der Arbeitsleistung, bis zum „Auftauen" der Hände, sehr fühlbar drückt, ebenso das winterliche Arbeiten bei elektrischer Beleuchtung statt bei Tageslicht, welches die winterlichen Morgen- und Abendstunden belastet, andererseits starke trokkene Hitze im Sommer, welche das Arbeiten an Mittags- und Nach- 5 mittagsstunden erschwert, üben selbstverständlich den ihnen entsprechenden Einfluß aus: dieser steckt in den starken Senkungen, die in heißen Sommer- und kalten dunklen Wintermonaten im I Arbeiter dieser Prozentsatz steigert und schon bei 6 Arbeitern (innerhalb dieses Zahlenmaterials) = 100 wird, also einfach Funktion der Zahl der gleichzeitigen Beobachtungen ist, mithin durch generell für alle Arbeiter maßgebende' Tendenzen keinesfalls bestimmt sein kann. f A: maßgebenden

313

Zur Psychophysik der industriellen Arbeit betreffenden Kette von ihnen erzielten Durchschnittsleistung). 8 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 27 26 109,1 96,4 124,3 113,5 99,1 111,8 100,7 93,9 78,0 106,7 98,3 109,8 119,5 107,2 106,8 76,4 §)85,3 90,2 103,9 88,9 85,3 89,4 98,3 93,9 105,9 103,1 97,4 105,5 105,7 94,1 101,4 97,4 105,8 101,6 81,5 110,9 114,4 §)114,0 114,2 123,1 92,4 88,6 93,8

_ 92,1

§)108,2 88,5 88,7 -

104,4 97,1 79,7 103,4 (75,8) 71,3 136,4 144,4

82,1 -

_ -

90,0

89,4 113,1 §)54,7 115,3 118,0

89,4 109,8 79,4 122,8 99,8

91,6 110,9

78,0

99,6 108,3

85,2

98,8

78,9

68,8

73,1 102,0 102,0 113,5 103,8 109,1

82,8 119,8

97,7

90,9 133,3 98,9 119,8 123,9 115,9 111,6

96,0 107,9 118,7 100,3 101,3 101,3

-

-

-

-

96,0 104,3 91,9 73,1 72,9 105,8

113,1 88,0 105,7 116,0 95,3

-

76,7 109,1 99,3 96,1 91,1 97,4 102,1 §)85,9 99,7 115,3 74,1 90,7 103,2 97,5 88,4 83,9 92,7 103,0 99,0 109,5 110,8 100,8 114,1 101,1 112,3 103,6 105,8 108,1 114,5 77,8

93,3

95,3 90,8

97,8 110,9

99,7 104,7 105,7 110,5 119,5 102,7 §)62,7

-

31

-

94,6 107,1 101,9 106,5 119,7 76,6 93,1 67,5

§)86,5 91,6 91,6 90,1 94,5 92,6 76,0 114,4 150,9 123,5 106,2 133,1 132,6 104,9

108,3 114,6 106,6 97,6 103,2 105,1 81,4 108,0 112,9 90,3 114,3 111,2 109,8 121,9 114,1 113,9 95,8 100,0 92,5 74,1 86,8 92,1 86,4 85,9 113,3 109,4 100,1 92,1

30

91,6 106,1 96,4 89,8 104,7 99,4

-

89,6 84,0 (90,4) -

29

89,8 108,8 114,2 115,9 92,1 98,6 106,1 87,2

95,9 113,4 87,2 97,0 92,1 113,7

-

79,0

28

A 735

67,1 111,9

_ -

_ -

_ -

-

86,8

57,2 143,2 129,0

99,2 106,8 104,4 105,0 105,0 111,9 105,4 106,7 108,1 112,5 109,0 103,4

103,0 §)66,1 98,3 93,4 105,1

95,0 104,0

77,0 106,9 105,3 94,7 106,9 106,1 88,7 99,2 110,8 §)104,1 111,6 103,9 106,5 99,3 106,9 106,9 106,2 60,4 111,1 88,9 118,4 106,1 100,5 108,1 101,8 92,7 113,8

93,6 104,0 109,7 111,1 109,0

98,9 101,7 86,8 94,6 86,9 101,1

-

_

§)63,6 101,6 85,0 120,3 97,6 96,4 105,2 97,1 91,2 91,3 85,0 86,3 112,3 116,5

(Die Buchstaben in Klammem hinter den Ziffern der Arbeiter verweisen auf Tabelle I . ) 9

Leistungsdurchschnitt beobachtet werden, darin. A b e r nur ein A 736 Bruchteil der Arbeiterschaft reagiert auf diese Erschwerungen der Arbeit - das häufigere Reißen der Fäden bei Trockenheit der Luft, die erschlaffende Hitze Wirkung, die Tendenz zu unsicherem Funk5 tionieren und die Ermüdung des A u g e s bei künstlicher Beleuchtung - prompt auf den Tag oder die Woche mit A b n a h m e der Leistung. D i e anderen suchen offenbar ihren bisherigen Verdienststandard durch gesteigerte Anstrengung zu behaupten, und es gelingt ihnen dies häufig so gut, daß grade einige der hydrographisch ungünstigen 8 R e c h n e t man die W o c h e n d u r c h s c h n i t t e a u s d e n mitgeteilten T a g e s z a h l e n nach, s o stößt man in einigen Fällen auf Unstimmigkeiten. Die auffälligste findet sich in d e n Eintrag u n g e n zu Arbeiter 3 in d e r e r s t e n J a n u a r w o c h e . Die Fehlerquelle konnte nicht festgestellt werden. 9 Tabelle I ist o b e n , S. 296, abgedruckt.

314

Zur Psychophysik

der industriellen A rbeit

Tage besonders günstige Leistungen aufweisen 62 '. Erst wenn die Ungunst der allgemeinen Arbeitsbedingungen längere Zeit hindurch anhält und einen gewissen Grad übersteigt, versagt diese Gegenwirkung mit Erschlaffung der Arbeitskraft und -lust der Arbeiter. Wie die meteorologischen, so scheiden aber auch alle sonst etwa denkbaren „allgemeinen", d.h. die Arbeiterschaft jeweils gemeinsam betreffenden Bedingungen der Arbeit als mögliche Erklärungsgründe für die Tagesschwankungen der Leistungen aus, wenn diese, wie sich zeigt, überhaupt keinerlei Gleichmäßigkeit aufweisen. Also bleibt hier wie bei den Monatsschwankungen nichts übrig, als die einzelnen Arbeiter mit ihren Leistungen gesondert vorzunehmen, wenn man auf Ergebnisse hoffen will. Dabei scheidet für Tagesleistungen selbstredend von vornherein der Gedanke aus, auf irgend einem Wege festzustellen, warum die Leistung eines Arbeiters etwa am 1. November 1907 um 10% höher und nicht um ebensoviel niedriger gewesen ist als am Tage vorher oder nachher. Es wäre gewiß ein nützliches Unternehmen, einmal eine größere Anzahl von Arbeitern, die mit Stuhluhren arbeiten, zu veranlassen, jeden Tag am Abend den Stand des Zählers zu notieren und dabei alsbald auch möglichst sorgfältig anzugeben, welche Gründe - ihrer Ansicht nach - die Unterschiede der Leistung an den einzelnen Tagen bedingt haben. Aber es läßt sich dabei mit voller Sicherheit prophezeien: 1) daß dabei, soweit die Unterschiede nicht in objektiven ArbeitsbeA 737 dingungen, das heißt in Maschinen- | oder Materialverhältnissen (verschieden große Häufigkeit von Fadenbrüchen u. dgl.) begründet sind, auch (oder vielmehr: grade) bei großer Gewissenhaftigkeit des Antwortenden wirklich sichere Angaben nur in einer nicht sehr großen Minderheit von Fällen werden gemacht werden können; ferner 2) daß man, wenn man Versuches halber den Schußzähler irgendwie für den Arbeiter verdecken und dann ihn um Angaben ersuchen würde, auf welche Leistung er, und warum, an diesem Tage glaube gekommen zu sein? d.h. auf eine um wieviel etwa größere oder geringere als gestern? - daß man dann, sage ich, in einem noch geringeren Bruchteil von Fällen auch nur annähernd zutreffende 62 > S. die vorigen Anmerkungen. Fühlbar wird den Arbeitern, nach Auskunft der Betriebsleitung, jede erhebliche Unterschreitung der normalen Luftfeuchtigkeit, und sie verlangen alsdann Abhilfe. Da trotzdem, wie gesagt, ein Parallelismus von Hygrometerstand und Tagesleistung nicht (resp. nur in extremen Fällen) stattfindet, ist wohl nur die vorstehende Erklärung möglich. |

Zur Psychophysik

der industriellen

Arbeit

315

Antworten erhalten würde. Denn das Maß der eigenen psychophysischen „Disposition" zur Arbeit entgeht selbst Versuchspersonen im Laboratorium oft oder bleibt ihnen unerklärt, und die Arbeiter vollends zeigen sich, von Überstunden und exzeptionellen anderen Anstrengungen abgesehen, regelmäßig nicht einmal im Stande, den Grad der eigenen Ermüdung durch die Arbeit irgendwie abzuschätzen, ja oft sich auch nur der Tatsache der Ermüdung selbst ganz klar bewußt zu werden. Um so weniger werden wir hier versuchen wollen, in die Gründe der Schwankungen zwischen den einzelnen um 3A bis VA Jahr zurückliegenden Arbeitstagen einzudringen. Verfolgen wir immerhin, zunächst lediglich des Interesses an den Fakten selbst halber, die täglichen Leistungsschwankungen eines einzelnen (einstühligen) Webers, für den zufällig fortlaufende Kontrollnotizen für die 10 Monate November 07 bis August 08 vorliegen (es ist dies c der Tabelle I), so zeigt sich (Tabelle III, S. 316/317) folgendes Bild: Man sieht: die Leistungen des Arbeiters, der übrigens zu den am gleichmäßigsten arbeitenden Webern des Betriebes gehört, schwanken in der allermannigfachsten und zweifellos durch kein Mittel für uns erschöpfend zu erklärenden Art. Immerhin lassen sich nun doch für die Zahlen der Tabellen II und III einige Einzelbeobachtungen machen 63 '. Für uns kommt wesentlich die eine in Betracht, daß ein sehr erheblicher Teil der niedrigen Leistungen am Beginn neuer Sorten und Ketten liegen64'. Zwar setzt keineswegs jede neue Kette mit einer | Senkung des Tagesleistungs-Prozentes ein: auch das Ge- A 738 genteil, hohe und dann sinkende Anfangsleistungen kommen vor. Wie es scheint, namentlich (wenn schon keineswegs ausschließlich) dann, wenn der Wechsel zu einer neuen Sorte einen Übergang von schwererer zu leichterer Arbeit darstellt: der Arbeiter, dem die Arbeit ungewohnt leicht von der Hand geht, unterschätzt die Anstren63) Eine Einzelheit: die beiden letzten Augustsamstage, deren Ziffern eingeklammert A 7 3 7 sind, weil sie (infolge Betriebseinschränkung) nur eine 4stündige Arbeitsdauer repräsentieren, zeigen durch ihre jedesmal rund 10% gegen den Freitag betragende Leistung die Wirkung der kurzen Arbeitszeit auf die Höhe der Leistung. Das Gleiche tritt bei den meisten anderen Arbeitern in teilweise noch weit stärkerem Maße hervor (Zunahme bis zu 47% gegen den Vortag), jedoch nicht bei allen. Die Zunahmen betragen etwas über % aller Fälle; von dem Rest, der Abnahme zeigt, ist ein Teil durch Zufälligkeit bedingt, es bleiben aber einige Fälle, wo die Arbeitsneigung offenbar infolge der kurzen Arbeitszeit gesunken ist. M> Dabei ist, was die Tabelle III anlangt, zu berücksichtigen, daß die Anfang November laufende Kette schon einige Zeit im Oktober gelaufen war. |

316

A 738

Zur Psychophysik

Tabelle ©

§

Tag XI XII

s

I

der industriellen

Arbeit

Tagesleistungen (und Wochendurchschnitte derselben)

III. 1 102,9 105,6

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

96,7 100,7 95,5 102,4 102,2 100,3 107,6 101,2 107,4 82,4 102,9 85,0 92,8 91,6 97,3 99,2 110,3 99,2 96,1 99,1 98,2 99,1 100,0 88,1 96,0 96,3

Neu91,6 79,5 92,1 87,6 79,1 92,4 101,9 114,5 jahr 110,3 108,6 110,3 109,7 11 1 3 112,6 112,2 110,9 96,4 77,2 91,0 102,2 116,1 96,5 105,3 *)86,5 92,9 123,0 119,2 110,9 104,5 109,5 115,5 103,7 93,7 96,0 106,0 88,1 §)88,4 86,7 93,0 96,0

II oo III s IV 03 V C o VI S VII 105,4 96,9 103,2 99,8 98,3 84,8 84,8 VIII 103,7 104,6 107,1 106,1 111,3 111,1 110,8 *) Neue Kette (dergleichen Sorte).

§) Neue Sorte,

_

_

84,5 92,1 105,3 105,3 116,4

97,7 99,7 83,8 107,9 115,4

96,4

_

120,4

_

99,2 88,5 101,2 97,4 100,6 115,8 99,5 109,5 107,5 100,8 -

-

_

-

_

83,0 97,1 94,6

93,7 106,4 87,3 91,8 109,3 96,8 103,3 109,5 72,5

-

_ -

§)62,7 -

t ) Änderungen am Stuhl

gung und sucht viel zu verdienen, beispielsweise in Tabelle III am 18. VIII., wo der Arbeiter bei gleichbleibender Tourenzahl und Breite des Gewebes ein um 16 gröberes Garn zu einer um rund 28% weniger dichten Sorte zu verarbeiten hatte und ähnlich in einzelnen anderen Fällen. Doch findet sich auch in solchen Fällen überwiegend eine niedrigere Anfangsleistung. Andrerseits kommen, wie wir se- 5 hen werden, auch Fälle vor, wo ein sehr leistungsfähiger Arbeiter beim Übergang zu einer schwierigeren Sorte die bisherige Schußzahl pro Tag mit aller Anstrengung aufrecht zu erhalten sucht und erst nach einiger Zeit kollabiert. Wir halten uns hier zunächst an die Tatsache, daß die Arbeit an neuen Sorten, auch neuen Ketten dersel- 10 ben Sorte, jedenfalls sehr häufig unter der im Ganzen an dieser Kette erreichten Durchschnittsleistung bleibt, und fragen, ob und in welchem Maß dies dem Durchschnitt entspricht. Soweit dies der Fall wäre, würde wohl naheliegen, anzunehmen, daß wir es hier mit „ Übungs"-Erscheinungen zu tun haben. Diese wollen wir etwas ge- 15 nauer auf ihr Vorhandensein prüfen.

Zur Psychophysik

317

der industriellen Arbeit

eines Webers während 10 Monaten (Nov. 07 bis Aug. 08). 1 0 16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

A 739 30

96,4 94,6 101,9 99,0 BuBtag 93,8 96,9 112,3 100,9 109,2 107,1 105,2 101,1 84,4 114,7 110,4 92,8 117,6 104,2 Weihnachten §)71,6 59,1 (65,6) 87,1 -

109,1 96,4 124,3 113,5 88,6

-

-

99,1 111,8 100,7 93,9 78,0 106,7 98,3 109,8 89,8 108,3 114,2 115,9

5)108,2 88,5 82,1 90,0 79,0 89,6 84,0 95,9 113,4 87,2 91,6 106,1

-

_

_

-

-

_ 79,3 92,9 98,7 83,4 101,4 90,8 79,3 115,3 119,2 110,0 _ 82,1 68,6 106,6 117,9 110,2 9 2 , 8 105,1 105,5 118,8 116,2 110,0 111,1 108,3 114,6 106,6 97,6 103,2 105,1 113,1 89,4 89,4 76,7 109,1 99,3 96,1 91,1 97,4 108,0

_

31

101,7

(111,7) t)71,9

82,8 102,5 78,8 81,7 101,5 102,0 114,3 103,8 109,2 99,7 105,1 105,7 110,5 119,5 102,7 85,8 1)110,3 101,3 96,3 100,3 (111,5) 103,9 92,5 96,7 107,2 112,0 96,4 (105,1) 101,6 100,3 -

95,5

13. aÜbungszuwachs und Stetigkeitszunahme der Leistung. Anpassung der Leistung an die Lohnkalkulation.a Allerdings darf man, wie gleich vorauszuschicken ist, auf keinen Fall lediglich die zunehmende „Übung" des Arbeiters als Grund des 5 niedrigen Einsetzens der Leistung an neuen Sorten oder Ketten ansprechen65). Die Bearbeitung des Kettenanfangs ist ebenso wie die | des Kettenendes - derenb Tage im Gesamtdurchschnitt daher eben- A 739 falls Senkungen der Leistungen zeigen - an sich, aus technischen Gründen, die in den Bedingungen des Webstuhls liegen, schwieriger 10 als die der Kette im übrigen, und diesem Umstand muß wenigstens für die allererste Zeit wohl der überwiegende Teil der Verantwortung für die niedrigeren Leistungen zugeschoben werden. Allein, 6 5 ) Ebenso wie die niedrige Montagsleistung (s. früher)1 nicht nur Folge der unhygieni- A 7 3 8 sehen Sonntagsverwendung seitens der Arbeiter ist: die Maschine, welche von Sonnabend Abend bis Montag Morgen gerade dreimal so lang gestanden hat als sonst von einem 0 Tag zum andern, mit den von Klebstoff (Schlichte) überzogenen | Fäden auf sich, setzt der A 7 3 9 Inbetriebsetzung Montags auch größere Schwierigkeiten entgegen als sonst.

a Kapitelüberschrift aus dem Inhaltsverzeichnis (ohne Seitenzahl) übernommen und eingefügt. b A: dessen c A: einen 10 Errechnet man die Wochendurchschnitte aus den mitgeteilten Tageszahlen, so stößt man auf einige, meist die Stelle nach dem Komma betreffende Unstimmigkeiten. Tabelle III beschreibt die Leistungen des Arbeiters c. Ein Teil dieser Daten stehtauch in Tabelle II. Ein Vergleich zeigt einige Abweichungen in den Tageszahlen. 1 Oben, S.263f.

318

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der industriellen

Arbeit

daß „Übungs"-Einflüsse stark mitbeteiligt sind, ergibt sich trotzdem mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Beobachtung, daß, auch wenn ein Arbeiter an die Stelle eines andern an einer vom letzteren schon zur Hälfte aufgearbeiteten Kette tritt, er in allen denjenigen Fällen, wo dies im Material zu beobachten ist, unter seinem nachher 2 erreichten Durchschnitt beginnt und dann erst steigt66'. Es fragt sich nur, wie lange solche Übungswirkungen spürbar sind, wie viel Zeit also ein an sich schon im Weben gut geübter Arbeiter braucht, um sich in eine neue Sorte bezw. eine neue Kette derselben Sorte „einzuarbeiten". Man wird geneigt sein, anzunehmen, daß dies eine Sache 740 weniger Tage sei, und | einzelne Zahlenreihen in den Tabellen, welche ein sehr rasches Ansteigen der Leistung nach anfänglichem Tiefstand zeigen, scheinen dies zu bestätigen. Allein hier können nur Durchschnittszahlen Klarheit geben, denn es können für dieses Ansteigen im konkreten Fall die verschiedensten Umstände, sowohl Zufälligkeiten des Materials, wie außergewöhnliche Anstrengungen, die der Arbeiter im Einzelfall einmal, es sei aus welchen Gründen immer, macht, wie endlich die späterhin 3 besonders zu erörternden Bedingungen des zweistühligen Webens (bei schmaler Ware) bestimmend sein. Angesichts der durch die verschiedenen Tourenzahlen bedingten verschiedenen Geschwindigkeiten des Fortschreitens der Abarbeitung der Kette legen wir dabei zweckmäßigerweise die durchschnittliche Tagesleistung für eine Leistungseinheit, also: für je ein „Stück" (je nach den Sorten einige Meter über oder unter 40 lang) zu Grunde und nicht die Verhältnisse eines Zeitraums. Für 66) So z. B. beginnt die Tagesleistung eines mitten in der Bearbeitung einer Kette an die Stelle eines Mädchens tretenden Webers mit 80,0% seiner nachher 4 erreichten Durchschnittsleistung in den ersten drei Tagen. Von 101,6 auf 93,9% im Durchschnitt der ersten 3 Tage sinkt auch die Leistung an derjenigen Kette, welche der in Tabelle III behandelte Arbeiter zuletzt bearbeitete, als auf 1. September ein neuer (ebenfalls tüchtiger) Arbeiter an seine Stelle tritt, um in der zweiten Woche wieder auf 102,2% zu steigen, usw. Ebenso bedeuten technische Veränderungen am Stuhl, welche während des Laufens einer Kette angebracht werden, auch wo sie im Effekt die Arbeit erleichtern müssen, doch, lediglich ihrer Ungewohntheit halber, zunächst ein starkes Sinken und erst allmähliches Wiederansteigen der Leistung selbst bei einem so geübten Weber wie dem in Tabelle III behandelten: vgl. die Zahlen für den 18., 19., 20. Mai daselbst (ebenso bei anderen Arbeitern durchweg). \

2 Die Beiträge zu diesem Durchschnitt beginnen mit dem ersten Tag an der für den Arbeiterneuen Kette, nicht erst „nachher". 3 Vor allem unten, S.328ff. 4 Wie Anm. 2.

Zur Psychophysik

der industriellen Arbeit

319

einen Teil der mit Stuhluhren kontrollierten Arbeiter liegen Feststellungen vor, welche dies gestatten. Da die betreffenden Ketten ganz verschieden lang sind, manche schon mit dem 7. Stück ablaufen, andere z. B. 25 Stück ergeben, so ist die Zahl derjenigen Ketten, die für die Durchschnittsleistung bei Beschränkung auf die ersten Stücke herangezogen werden können, erheblich größer als die Zahl derjenigen, welche in Betracht kommen können d , wenn man möglichst auch die späteren Stücke heranziehen will (5). Nehmen wir also zunächst nur die ersten 8 Stücke sämtlicher überhaupt kontrollierter Ketten (24) und setzen wir die tägliche durchschnittliche Schußleistung am 1. Stück = 100, so ergibt sich folgende Reihe der Schußleistungen: Stück: Leistung 0 /»:

1. 100

2. 105,2

3. 105,2

4. 107,3

5. 110,9

6. 105,5

7. 108,4

8. 109,1

Oder: für Stück 1 und 2 zusammen: 102,6, für Stück 3 und 4:106,2, für Stück 5 und 6: 108,2, für Stück 7 uftd 8: 108,7% der beim ersten Stück gezählten Leistung. Eine immerhin - mit einem auf den starken Anstieg beim 5. Stück erfolgenden Rückschlag beim 6. - leidlich regelmäßige Zunahme, für deren Beurteilung freilich (s.o.) 5 in Betracht zu ziehen ist, daß mindestens beim ersten Stück, wohl auch noch beim zweiten, die erwähnten rein technischen Bedingungen des Webens, nicht die „Übungszunahme" allein, als Ursache der Steigerung anzusprechen sind und es in ungünstigen Fällen wohl möglich ist, daß sich jene Einflüsse noch weiter erstrecken. Für die Weiterentwicklung ergibt sich bei Beschränkung auf die langen Ketten 67 ' folgende Reihe: Stücke: Leistung % :

1-3. 100

4-6. 109,2

7-9. 107,9

10-12. 111,2

13e-15. 110,3

16-18. 114,0 |

oder, bei Zusammenfassung von je 6 Stück: 1—6:104,6,7—12:109,5, A 741 13—18: 112,2% der Leistung am ersten Stück. Also ein an sich ebenfalls ganz leidlich rhythmischer Anstieg der Leistung um 14% 67)

Von diesen sind bei der Berechnung l)eine spezifisch „schlechte Kette" (weil, je A 740 schlechter die Kette, desto ungleichmäßiger zugleich die Verteilung | der Garnfehler zu A 741 sein pflegt); 2) ein wegen besonders großer Unstetheit der Arbeit schlecht vergleichbarer Arbeiter ausgeschieden worden. Schließt man diesen letzteren ein, so würde sich übrigens das Bild von je 3 zu 3 Stück nur wie folgt verschieben: 1 - 3 : 100, 4 - 6 : 107,9, 7 - 9 : 108,0, 10-12: 106,7, 13-15: 105,5, 16-18: 109,0, also ebenfalls ein (nur nicht ganz so rhythmisches) Ansteigen zeigen. d A: kann

e A: 12

5 Gemeint ist der erste Absatz von Kap. 13.

320

Zur Psychophysik

der industriellen

Arbeit

bei den drei letzten 68 ' gegen die Leistung der drei ersten Stücke zusammengenommen und um etwa 7%, wenn man je 6 Stück zusammenfaßt. Hier wird man - immer im Auge behaltend, daß die Kleinheit der Zahlen zur Vorsicht mahnt - es für doch ziemlich wahrscheinlich ansehen dürfen, daß tatsächlich die „Einarbeitung" in die einzelne Sorte bezw. Kette vorwiegend bestimmend ist, da ein Mitspielen der Kettenanfangs-Schwierigkeiten von der 2. Gruppe von je 3 Stück an unwahrscheinlich und, auf die Zusammenfassung von je 6 Stück hingesehen, über das 6. Stück hinaus ausgeschlossen ist69). Man wird das wahrscheinliche Vorhandensein eines lediglich innerhalb der einzelnen Kette und für diese stattfindenden Übungsfortschrittes um (innerhalb ca. 3 Monaten) etwa 10% (wenn man den Einfluß der Kettenanfangs-Schwierigkeiten abzieht) - bei älteren und schon recht gut geübten Arbeitern und bei einer dem Anschein nach so gleichförmigen Arbeit, als welche das mechanische Weben sich darstellt, immerhin keineswegs selbstverständlich und, wenn es sich bei Nachprüfung an größeren Zahlen in anderen ähnlichen Industrien als Tatsache herausstellen sollte, als nicht unwichtig ansehen. Zusammen mit den durch den Webstuhl geschaffenen Schwierigkeiten der „Einarbeitung" ist es überdies von nicht geringer Bedeutung für die Beurteilung der Wirkung des größeren oder geringeren Sorten- und Kettenwechsels auf die Interessen der Arbeiter. Neben der Entwicklung der Höhe der Leistung muß nun für die Frage, ob und inwieweit „psychophysische" (Übungs-)Einflüssef feststellbar sind, die Stärke der Schwankungen im Verlauf des „SichEinarbeitens" in eine neue Sorte (oder neue Kette der gleichen Sorte) Interesse bieten. Sie könnten eine Art von Probe darauf A 742 darstellen, | ob das über die Übungseinflüsse vorstehend (wenn auch unter allem Vorbehalt) für einigermaßen wahrscheinlich Erklärte wirklich als plausibel hingenommen werden darf. Nach psychophysischen Erfahrungen müßte die Amplitüde dieser Schwankungen mit 68) D.h. der drei letzten hier mit in Betracht gezogenen. Am Ketten ende sinkt die Leistung wieder etwas. 69> Da die langen Ketten, an denen bis zu 4 Monaten gearbeitet wurde, mit Anfang und Ende in sehr verschiedene Jahreszeiten fallen, so ist allerdings auch das Mitspielen der allgemeinen meteorologischen Bedingungen der Arbeit wenigstens möglich, obwohl sich die in die Rechnung einbezogenen Ketten darin gegenseitig leidlich ausgleichen würden. Immer aber muß daran festgehalten werden, daß alle diese Zahlen keine „Resultate" sind, sondern „Möglichkeiten" darstellen, die mit größerem Material nachzuprüfen wären. |

f A: Übungs)-Einflüsse

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der industriellen

Arbeit

321

zunehmender Übung die Tendenz haben, abzunehmen, die Arbeit „stetiger" werden. Wenn man nun für die je ersten 6 Wochen70' der Arbeit an einer Sorte den Durchschnitt der täglichen Schwankungen (in Prozenten 5 der Durchschnittsleistung) berechnet, so ergibt sich für die nachfolgenden zwanzig auf gut Glück herausgegriffenen Fälle folgendes Bild von der Bewegung der (in % der Durchschnittsleistungen berechneten) 9 Schwankungen: 1 Woche: 2 3 4 5 6 a. 13,3 15,9 8,2 20,2 17,3 23,6 b. 9,1 28,2 8,0 4,8 8,3 8,1 c. 23,2 20,5 28,5 15,2 d. 12,1 6,9 9,5 12,6 6,7 8,3 e. 7,2 13,3 6,3 8,2 5,6 8,1 f. 13,6 12,3 17,3 16,1 9,3 1,3 10,9 15,9 3,5 11,3 10,7 g- 19,0 h. 15,6 10,9 10,2 10,7 19,2 11,1 i. 13,2 13,5 18,9 10,9 k. 15,5 8,5 6,3 6,3 9,5 8,1 1. 7,7 8,3 29,9 17,7 5,9 m. 8,1 7,5 14,7 6,8 11,5 n. 3,4 12,4 4,4 2,8 4,7 7,1 o. 13,9 12,1 14,4 16,7 0,8 9,1 13,6 7,5 16,3 14,6 9,5 P12,1 5,2 15,8 24,6 qr. 9,8 7,9 4,4 5,5 7,2 4,3 s. 16,1 6,4 13,7 3,4 7,1 5,1 t. 18,7 10,2 12,0 2,2 9,6 u. 6,2 8,9 5,0 5,7 3,3 3,6 30

Brechen wir hier ab: die Hinzufügung noch weiterer Fälle würde an dem Eindruck bunter Willkürlichkeit, den diese Zahlen zunächst machen müssen, nichts ändern, und das Material würde andrerseits zur Gewinnung hinlänglich großer Zahlendurchschnitte doch nicht ausreichen. Ermitteln wir nun aber immerhin zur Probe den Durch1 )

" Die folgenden Wochen wurden nicht mit herangezogen, da die Zahl der Fälle, in A 7 4 2 denen in der 7. Woche eine (kurze) Kette abgearbeitet ist, schon zu groß wird. (Schon in der 6. und sogar der 5. Woche gehen einzelne Ketten zu Ende, die betreffenden Zahlen sind dann schon für diese Woche in der Tabelle fortgelassen.) | g Klammer fehlt in A.

322

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der industriellen

Arbeit

schnitt dieser nur 20 Fälle (an denen nur 8 verschiedene Arbeiter | A 743 beteiligt sind), so zeigt sich folgendes Bild: Woche: Schwankungen %

1 12,57

2 11,19

3 12,17

4 11,17

5 8,36

6 8,00

Das würde, wenn man von der dritten Woche absieht, die einen Rückschlag zeigt, ein stetiges Sinken der Schwankungen von 12,57% auf 8,0%, das heißt, auf unter 2A der Anfangsschwankungen darstellen, also mit der Zunahme der Leistungsstetigkeit, welche psychophysisch als Folge des „Übungsfortschritts" zu postulieren wäre, in wenigstens leidlichem Einklang stehen. Fassen wir je 2 Wochen zusammen, so betragen die Schwankungen im 1. Drittel: 11,88, im 2.: 11,67, im 3.: 8,18%. Besinnen wir uns nun, daß die Schwankungen bei zweistühligem Weben notwendig irrationaler ablaufen 71 ', als bei einstühligem, erwägen wir dazu noch, daß im vorstehenden in der 5. und 6. Woche einige der mit in die Berechnung einbezogenen Ketten zu Ende gingen und daher aus der Tabelle ausschieden, so werden wir die Vermutung hegen, daß bei ausschließlicher Berücksichtigung einstühliger Weber und bei Beschränkung auf Fälle, wo alle 6 Wochen vollwertige Zahlen bieten, die Zahlenreihe noch stetiger verlaufen müsse. Machen wir den Versuch und berechnen den Durchschnitt für diese Fälle (es sind lit. d, e, n, o, r, s, u, also nur 7 Fälle) h , so zeigt sich folgendes Bild: Wochen: Schwankungen:

1 9,83

2 7,54

3 7,06

4 10,04

5 6,53

5

10

15

20

6 4,49

Also auch hier bei sonst ganz stetigem Abschwellen - und zwar 25 diesmal bis auf unter 46% der ersten Woche - ein einzelner Rückschlag, diesmal in der 4. Woche. Wiederum je 2 Wochen zusammengefaßt, ergibt im 1. Drittel: 8,68, im 2.: 8,55, im 3.: 5,71%, also in Maß und Rhythmus des Rückgangs ähnliche Verhältnisse, wie bei der Zusammenstellung aller Fälle überhaupt. Daß in beiden Fällen 30 erst das dritte Drittel (5. und 6. Woche) ein sehr dezidiertes Schwinden der Schwankungsgröße zeigt, scheint mit dem Umstand gut im Einklang zu stehen, daß das Einarbeiten in eine neue Sorte ganz A 743

71)

Weil die Arbeit an dem einen Webstuhl durch die Verhältnisse auf dem andern, insbesondere auch durch Einlage neuer Ketten etc. auf diesem, auf das stärkste mit beeinflußt wird. [

h Klammer fehlt in A.

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der industriellen

Arbeit

323

überwiegend stoßweise, mit starker Anspannung und entsprechenden Rückschlägen, zu erfolgen pflegt (davon später) 6 . Trotzdem ist nun auf das Ernstlichste davor zu warnen, diese Zahlenreihen als „Resultate" anzusehen, welche „beweisen" könnten, daß jene psychophysischen Erfahrungen auch hier gelten, oder deren Ablauf gar als deren unzweifelhafter „Ausdruck" angesehen werden könnte. Der bei jeder der beiden Durchschnittsreihen sich findende „Rückschlag" zwar könnte bei genauer Analyse wohl als wirkliche „Zufälligkeit" sich herausstellen 72 ' und dürfte wohl bei A 744 sonst hinlänglicher Deutlichkeit des „Typus" auch ohne solchen Spezialnachweis als solche behandelt werden, würde jedenfalls die Zahlenreihen nicht entwerten. Aber immerhin: das zugrunde gelegte Zahlenmaterial ist denn doch weitaus zu klein, und es würde der Prüfung an einem mindestens um das Zwanzigfache größeren bedürfen, um zu leidlich sicheren Resultaten zu kommen. Ferner und vor allem: stellt sich wirklich definitiv ein Abschwellen der Schwankungen, zunehmende Stetigkeit des Leistungseffekts also, als „typisch" heraus, so fragt es sich wiederum: in wieweit ist die zunehmende „Geübtheit" des Mannes und in wieweit sind außerhalb seiner Person liegende Bedingungen seiner Leistung dafür verantwortlich? Es kommt auch da vor allem der uns schon oben begegnete Umstand in Betracht, daß nach der Einlegung einer neuen Kette in einen Stuhl zunächst eine gewisse Zeit vergeht, bis überhaupt ähnlich normale Bedingungen des Arbeitens eintreten, wie sie während des weiteren Verlaufes der Arbeit bestehen, die dann so lange andauern, bis wieder durch das bevorstehende Ablaufen der Kette und die dadurch entstehende Unsicherheit der Bewegungen des Ketten72) Sowohl in der ersten wie in der zweiten der beiden Zahlenreihen wird das Herausfal- A 7 4 4 len aus dem Rhythmus derselben in je einer Woche durch gewisse abnorme Verhältnisse bestimmter Wochen bedingt (Einstühligkeitstage bei zweistühligem Weben, ferner Halbtagsarbeit - mit entsprechender Intensitätssteigerung - und Ausfall von Arbeitstagen). Die Verschiedenheit der Zahl der Arbeitstage in den einzelnen Wochen ist überhaupt recht störend. Aber würde man einfach von der Wocheneinteilung absehen und etwa die Leistungen und Schwankungen von je 5 oder 6 Tagen, an denen gearbeitet worden ist, zusammenfassen, so würden z. B. die Besonderheiten des Montags, der dann bald einmal, bald zweimal in diesen Gruppen sich finden würde, das Resultat stören. - Es sei immer wieder hervorgehoben, daß hier nicht „Ergebnisse", sondern Wege, auf denen man vielleicht, unter günstigeren Bedingungen als sie diese Industrie bietet, solche finden könnte, dargelegt werden sollen. |

6 Unten, S. 324ff.

324

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der industriellen

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baums ähnlich ungünstige Verhältnisse entstehen wie am Anfang. Sicherlich die erste Woche und wohl oft auch noch die zweite stehen unter dem Einfluß solcher, von der „Geübtheit" des Arbeiters ganz unabhängigen, ungünstigen Umstände und sind also nicht einfach mit den folgenden vergleichbar; es muß auch immerhin mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sich diese Einflüsse gelegentlich noch weiter erstrecken und daß es also jedenfalls unsicher bleibt, in welchem Grade die - an sich plausible und wahrscheinliche - Tendenz der zunehmenden „Einarbeitung" in eine Sorte (im Sinn zunehmender „ Übung" des Arbeiters) und in welchem Grade jene technischen Bedingungen seines Arbeitens an der Abnahme der LeistungsA 745 Schwankungen (wenn sie durch | umfassendere Proben nachweisbar sein sollte) beteiligt sind, wenn man keine längeren als sechswöchige' Zeiträume zu Grunde legt. Andrerseits würde, wenn ich ausschließlich die Fälle derjenigen Ketten, die mehrere Monate (und dabei e/nstühlig) laufen, zu Grunde legte, die Zahl der exakt beobachteten Fälle bei so stark von irrationalen Umständen abhängigen Erscheinungen, wie es die TagesSchwankungen sind, entschieden zu geringfügig sein73). Daß die verschiedenen Jahreszeiten mit ihren unter einander sehr verschiedenen Einflüssen auf die Arbeitsleistung (Beleuchtungs-, Temperatur-, Wassersättigungs-Verhältnisse) auch auf den Grad der Schwankungen Einfluß haben, erscheint a priori kaum zweifelhaft, da diese ja teils von der Zahl der Fadenbrüche (die bei Trockenheit steigt), teils von der Schnelligkeit und Sicherheit des Sehens und der Bewegungen des Arbeiters (die von künstlicher Beleuchtung, starker Hitze oder Kälte ungünstig beeinflußt werden) abhängig sind; das läßt sich aber hier nicht sicher verifizieren, da das vorhandene exakte Material für Sommer und Winter zu verschiedene Sorten aufweist. Denn wir werden von vornherein annehmen, daß die Schwankungsamplitüde nicht nur innerhalb einer und derselben Kette, sondern erst recht zwischen verschiedenen Ketten und, vor allem: Sorten, und überhaupt je nach den konkreten Bedingungen der Arbeit, A 745

73) Sie sind natürlich wesentlich irrationaler bedingt als die erörterten durchschnittlichen Gesamtleistungen einer Periode, bei denen die oben gewonnenen „Resultate" auch schon nur mit allem Vorbehalt als solche angesehen werden durften. (Ein Versuch der Analyse der Zahlen für die späteren Wochen hätte, da dieselben ganz unstet und schroff schwanken, kein Interesse.)

i A: sechswöchentliche

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der industriellen

325

Arbeit

und endlich auch nach der Eigenart der Arbeiter verschieden groß sein wird. Läßt sich nun darüber etwas einigermaßen Plausibles aus dem Material gewinnen? Wir nehmen zur Probe zunächst einmal den gleichen Arbeiter, 5 dessen Leistungsziffern für 10 Monate oben in Tabelle III wiedergegeben wurden, und verfolgen die Durchschnittsschwankungen durch die von ihm während dieser Zeit gearbeiteten Sorten hindurch, deren äußerlich meßbare Eigenschaften (Dichte, Breite, Garnfeinheit) ebenso wie die Tourenzahl der Maschinen, die normalen 10 (durchschnittlich erwarteten) Nutzeffekte und das Abweichen der faktisch erzielten, alles in % der zuerst gearbeiteten Sorte (dabei aber in abgerundeten Zahlen) angegeben wird. Das entstehende Bild ist folgendes: 1.

15 1. 2.

3. 4. 20

5. 6.

25 7.

8. 30

9. 35

10.

Breitenverhältnis % Verh. der Dichte % Verh. der Garnfeinheit % Verh. der Tourenzahlen % Verh. der Akkordsätze % Verh. der normalen Nutzeffekte % Der erzielte Nutzeffekt beträgt weniger als der normale % Die Tagesschwankungen betragen: a) % der erzielten Leistung b) % derjenigen bei Sorte 1 Verh. der erzielten Nutzprozente % Arbeitsdauer in der Sorte

100 100 100

2. 97 100 _74)

3. 100 128

4. 87 128

5. 115 128

6. 115 100

150

162

150

100

|

/

100

99

95

95

95

95

100

91,5

127,6

127,6

142,5

93,2

100

117

93,1

102,4

80,9

_7S)

13,5

16,3

8,7

16,1

0,3

6,89

11,9

12,6

9,7

10,3

7,9(8,2) 76a)

100

170

180

139

147

113(131) 76b)

100

114,5

102,2

111,1

102,7

115,9

l.XI. bis 20. XII.

27. XII. bis 14. II.

18.II. bis 3. VI.

5. VI. bis 12. VII.

-

15. VII. 18. VIII. bis bis 13. VIII. 30. VIII.

74 ' Die Garnfeinheit ist hierbei, da der Reißwiderstand und das sonstige Verhalten des Materials ganz verschieden ist, ohne Vergleichswert. | 75) Nicht berechnet. A 746 76a und b ) Die eingeklammerten Zahlen ergeben sich bei Einrechnung, die andern bei Nichteinrechnung der infolge Betriebseinschränkung Sonnabends geleisteten Halbtagsarbeit mit ihrer entsprechend höheren Leistung, deren Zusammenrechnen mit vollen Arbeitstagen die Durchschnittszahl der Schwankungen erhöht.

326

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Man sieht: die Schwankungsamplitüde geht mit keiner der Zahlen wirklich parallel. Beobachten läßt sich zwar, daß die drei dichtesten Sorten, welche zugleich diejenigen mit den höchsten Akkordsätzen sind (3,4,5), gegenüber den drei mit niedrigeren Akkorden bewerteten (1,2,6) im Durchschnitt die größeren Schwankungsamplitüden aufweisen (160% der Amplitüde bei der ersten Sorte gegen 127%). Aber wie die Zahlen ergeben, ist ein Parallelismus der im Akkordsatz sich ausdrückenden Leistungsschwierigkeit mit der Höhe der Leistungsschwankungen im einzelnen nicht nachweisbar77'. Während ferner bei einer und derselben Sorte bezw. Kette, nach dem oben wahrscheinlich Gemachten, die Entwicklung so verläuft, daß mit steigender Übung (welche das geleistete Nutzprozent steigen lassen muß) die Schwankungsamplitüde sinkt, ist hier, im Verhältnis zwischen mehreren Sorten, ein solcher umgekehrter Parallelismus nicht klar zu finden: die beiden Fälle, in welchen der geleistete hinter dem normalen Nutzeffekt am wenigsten zurückbleibt (Sorte 3 und 5), 747 haben je eine der drei | höchsten Schwankungsamplitüden, während umgekehrt bei der Sorte 2 mit niedrigem erzieltem Nutzeffekt auch die Schwankungen starke sind. Vollends von einem Parallelismus des Schwankungsgrades mit Breite, Garnfeinheit, Tourenzahl (die ja allerdings nur geringe Unterschiede zeigt, übrigens auch ihrer absoluten Zahl nach, welche - dem Prinzip gemäß - hier nicht wiedergegeben wird, niedrig steht), ist keinerlei Rede. Es dürften eben in den durch so einfache Ziffern nicht erfaßbaren Qualitäten der Garne so wesentliche Unterschiede der Leistungsbedingungen liegen, daß wenigstens in diesem Fall - die sonstigen Unterschiede demgegenüber nicht eindeutig zur Geltung kommen können. Überdies fällt ins Gewicht, daß nur die 1. und 3. Sorte lange Ketten waren, von denen die eine (Sorte 1) bei Beginn der Zählung schon einige Zeit lief, also die starken Anfangsschwankungen schon hinter sich hatte, die andere (Sorte 3) 4 Monate auf dem Stuhle lag, während dagegen Sorte 2 nur 7 Wochen, Sorte 4 nur 5 Wochen, Sorte 5 nur 4 Wochen und Sorte 6 nur 2 Wochen - nachher kam ein anderer Arbeiter an den Stuhl - gearbeitet wurde. Sorte 1 präsentiert sich also wahrscheinlich zu günstig, Sorte 6 sicher zu ungünstig. 77 ' Allerdings war der Akkordsatz der Sorte 4, die auf eine besondere Einzelbestellung hin erstmalig gemacht wurde, „probeweise" angesetzt. Es ist diejenige, deren Rentabilität für den Arbeiter durch mangelhafte Angepaßtheit der Sorte an den Stuhl gestört wurde (s. Text). |

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der industriellen

Arbeit

327

Die letztere Sorte steht in Dichte und Garnfeinheit der Sorte 1 gleich, in der Tourenzahl um nur (rund) 5% niedriger, in der Breite um 15% höher, ihr Garnmaterial ist etwas leichter zu verarbeiten: das alles findet seinen Ausdruck in einem um 6,8% niedrigeren Akkord. Ob nun der Umstand, daß das an ihr erzielte Nutzprozent um 15% höher steht als bei 1, unter diesen Verhältnissen einen „Übungsfortschritt" bedeutet, ist schlechterdings nicht zu entscheiden. Sorte 3 verdankt ihre hohe Schwankungsamplitüde bei günstigem Nutzeffekt (sub No. 7) teils einem Kettenwechsel, teils einer technischen Änderung am Stuhl, deren ungünstige Wirkung auf die Leistung dieses Arbeiters schon einmal erwähnt wurde, teils schlechter Gesundheit, die im Frühjahr zweimal zur Arbeitsunterbrechung führte. Das mit niedriger Leistung (sub No. 7) verbundene auffallend starke Schwanken bei der zweiten Sorte dagegen hat wohl wesentlich in der Weihnachtszeit mit ihrer unsteten Arbeit und der zufällig grade damals lebhaften Gewerkschaftsbewegung seinen Grund. Die - mit mittlerer Schwankungsamplitüde verbundene Minderleistung (gegenüber der Kalkulation) an Sorte 4 erklärt sich aus Unangepaßtheit der Sorte an den Stuhl. Sorte 5 mit einer (bei einstühligen Webern) mittleren, vielleicht etwas über mittleren Schwankungsziffer (sub No. 8) - die bei einer längeren Kette wohl wesentlich niedriger ausgefallen wäre - zeigt den Arbeiter in dem nahezu dem geforderten Normalsoll entsprechenden Nutzeffekt (sub No.7) auf der Höhe seiner Leistung: die Sorte ist, wie der Akkord (sub No. 5) zeigt, schwierig, infolgedessen der verlangte Nutzeffekt (sub No.6) niedriger: Der als (relativ) nicht sehr gewandt, aber sehr kräftig und ausdauernd bekannte Arbeiter konnte | bei mäßigen Ansprüchen an die Schnelligkeit (Tourenzahl und Nutz- A effekt) sein Bestes leisten. Versuchen wir nun, nachdem dies Einzelbeispiel zeigte, in welchen Komplex sehr individueller Bedingungen die Analyse der Schwankungsunterschiede bei einem Einzelarbeiter führt, ob nicht doch sich bei einem Überblick über eine größere Zahl von Beispielen irgendwelche deutlichen Tendenzen zu Parallelismen ergeben, so scheint es zunächst wahrscheinlich, daß erhebliche Steigerungen der Tourenzahl die Tendenz haben, die Schwankungen zu steigern. Ordnet man eine herausgegriffene Serie mit der Stuhluhr kontrollierter Ketten nach den Tourenzahlen, mit denen sie verarbeitet wurden, die höchste = 100 gesetzt, so zeigt sich in der Tat, daß alle Schwan-

328

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der industriellen

Arbeit

kungsdurchschnitte, welche 14,0% (der Durchschnittsleistung an der Kette) übersteigen, sich bei Tourenzahlen von über 75% finden, daß dagegen sich bei diesen hohen Tourenzahlen von den Schwankungsdurchschnitten unter 10% nur ein einziger Fall (9,5%) findet, bei einem ungewöhnlich tüchtigen Mädchen: als dasselbe an der gleichen Kette von einem allerdings nur sehr mittelmäßigen männlichen Arbeiter abgelöst wurde, schnellte die Amplitüde der Schwankungen für die zweite Hälfte der Kette auf 20,9% von dessen Durchschnittsleistung - auf die Höchstschwankung aller Ketten - in die Höhe. Dagegen überwiegen bei Tourenzahlen von 75 und weniger % die niedrigeren Schwankungsdurchschnitte von 12 bis zu 6,5% herab und finden sich nur vereinzelte über 12% (bis zum Maximum von 14%) hinausgehende. Im übrigen besteht aber ein irgendwie strenger Parallelismus von Tourenzahl und Schwankung nicht. Was die Dichte der Gewebe anlangt, so haben von den 6 unter den kontrollierten Ketten, welche 100—95% der Maximaldichte haben, die Hälfte mehr als 12% Durchschnittsschwankung, 5A mehr als 10%; bei den Ketten mit 90—60% der höchsten (kontrollierten) Dichte haben Vi mehr als 12, Vs mehr als 10% Amplitude, bei den noch niedrigeren Dichtegraden kommen - infolge der hohen Tourenzahl - wieder mehr höhere Durchschnitte vor; - bei der Kleinheit der Zahlen sind jedoch diese Unterschiede überhaupt nicht beweisend. Die Garnfeinheit fällt meist mit der Dichte der Sorte zusammen, und dann gilt das eben Gesagte; wo dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, das Gewebe also locker ist, ist ein Parallelismus nicht ersichtlich; auch sind, wie schon gesagt, beim Garn verschiedene andere Qualitäten, die sich nicht in ziffernmäßigen Vergleich bringen lassen, von Bedeutung. Eine Hauptunterscheidung ist nun noch übrig: einstühliges oder zweistühliges Weben. Sie ist für die Art der Ansprüche, die an den Weber gestellt werden, natürlich von größter Wichtigkeit. Das Arbeiten zwischen den beiden Stühlen, einen jeweils vor sich, einen A 749 hinter | sich, mit der Nötigung, bei der Inanspruchnahme durch den einen den andern zeitweise aus den Augen zu lassen, wirkt namentlich auf die Nerven ungeübter Arbeiter sehr beunruhigend. Wie demgemäß nicht anders zu erwarten, sind die Schwankungen jeder einzelnen Kette im zweistühligen Weben im großen und ganzen stärkere als beim einstühligen; der Durchschnitt der Schwankungen

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329

bewegt sich bei den letzteren um etwa 10, bei den ersteren um etwa 14% der Durchschnittsleistung. Allein es finden sich beim zweistühligen Weben Ausnahmen mit (relativ) sehr niedrigen Schwankungsziffern (bis wenig über 5% herab), und zwar sind es besonders geübte 5 Arbeiter (männliche und weibliche), welche sie aufweisen. Die Schwankungen und überhaupt die Bewegung der Leistungen beim zweistühligen Weben erregen aber überhaupt besonderes Interesse, und es sei daher auf diesen Punkt noch etwas näher eingegangen. 10 A priori könnte man glauben, die Schwankungen der Leistung an zwei von demselben Arbeiter bedienten Stühlen würden sich der Regel nach gegen einander kompensieren: wenn der Arbeiter seine Aufmerksamkeit dem einen Stuhle zuwende, leide die Leistung auf dem andern Not. Daß dies jedoch bei den Schwankungen zwischen 15 den einzelnen Tagesleistungen keineswegs generell der Fall ist, zeigen die - leider freilich nicht sehr zahlreichen - Fälle, wo StuhluhrMessungen an zwei von einem und demselben Arbeiter bedienten Stühlen vorliegen. Die Regel ist bei weitaus der Mehrzahl der beobachteten Tagesleistungen, daß sie sich, wenn auch meist in sehr 20 ungleichem Verhältnis, in der gleichen Richtung (aufwärts bezw. abwärts) von einem Tage zum andern bewegen. Man könnte daraus schließen wollen, daß darin die gleichmäßige Wirkung der jeweiligen „Tagesdisposition" des Arbeiters für die Arbeit zum Ausdruck gelange. Das dürfte in gewissem Maße wohl auch entschieden der Fall 25 sein. Allein es gibt durchaus kein Mittel zu entscheiden, in welchem Maße, und sicher scheint, daß andere, in der Technik des Arbeitsprozesses liegende Umstände die überwiegende Rolle spielen. Der Arbeiter, welcher zwei Webstühle bedient, kann, wenn an einem Tag die Bedienung des einen besondere Schwierigkeiten macht, 30 besonders zahlreiche Kettenbrüche eintreten, die Konsequenzen mangelhaften Schlichtens der Kette oder andere Gründe ihn stark in Anspruch nehmen, auch den andern Stuhl nicht so präzis bedienen, wie an Tagen, an welchen die Kette auf dem ersteren glatter läuft. Dieses gegenseitige Sichbeeinflussen der Arbeit auf beiden Stühlen 35 dürfte die weitaus vorwiegende Rolle bei jener Erscheinung spielen, die jetzt noch durch einige Zahlen illustriert werden mag. Wir werden dann später sehen, daß und warum auch die umgekehrte Erscheinung: entgegengesetztes Verhalten der Leistung auf beiden Stühlen, sich findet. Bei einem besonders gewandten und zugleich

330

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Arbeit

stetigen Arbeiter stellten sich zwischen 30 aufeinander folgenden | 750 Arbeitstagen die Schwankungen der Leistung von einem Tag zum folgenden auf den beiden Stühlen, die er bediente, (in % der Durchschnittsleistung) folgendermaßen: 3-4

4-5

Stuhl A: Stuhl B:

+ 5,0 - 0,9

-

1,4 8,0

+ 2,4 + 1,5

+ 5,4 + 14,0

-

Tage:

9-10

10-11

11-12

12-13

- 7,0 - 0,8

+ 11,4 + 6,8

-11,7 - 9,6

+ 5,0 + 6,9

18-19

19-20

+ 10,8 + 13,8

-

9,3 8,8

26-27

27-28

Tage:

Stuhl A (Forts.): Stuhl B (Forts.): Tage: StuhlA (Forts.): StuhlB (Forts.): Tage:

1-2

17-18 - 9,6 -14,9 25-26

2-3

5-6 3,4 9,2

6-7

8-9

7-8

1,3 0,9

+ 9,1 + 1,8

-

13-14

14-15

15-16

16-17

-

2,5 5,4

- 3,1 + 2,9

+ 7,7 + 4,5

- 3,6 -10,0

20-21

21-22

22-23

23-24

24-25

+ 8,1 + 7,3

-

+ 0,7 + 7,5

- 2,0 -19,2

-20,4 + 9,2

28-29

29-30

1,3 2,2

-

3,7 0,6

Stuhl A(Forts.)[: (+ 7,0) (+ 44,9) (-20,3) (-9,1) (-6,1) Stuhl B(Forts.)[:j (Kettenende) (außer (Ein- (Ketten- (Voller Betrieb) lage) anfang) Betrieb)

Während der 25 Tage, an denen beide Stühle liefen, bewegte sich also die Leistung nur in 3 Fällen von einem zum andern Tag in entgegengesetzter Richtung; und davon gehört einer (24/25 Tag) schon der Zeit des Zuendegehens der Kette auf Stuhl B an. Addiert man für jeden Tag die Zahl der Schüsse auf beiden Stühlen, so zeigt sich als durchschnittliche Schwankung der Gesamtleistung zwischen je zwei Tagen 6,11%, während die Leistung auf Stuhl A für sich vom 1. bis 25. Tage um durchschnittlich 5,96%, auf Stuhl B, der eine um etwas über 9% höhere Tourenzahl hat, um durchschnittlich 7,36% schwankt. Der Schwankungsdurchschnitt der Gesamtleistung steht zwar dem niedrigen der beiden Eigendurchschnitte näher als dem höheren, aber nicht unter beiden, wie es der Fall sein würde, wenn die Schwankungen der beiden Leistungen überwiegend die Tendenz gehabt hätten, sich gegenseitig auszugleichen. Der Schwankungsdurchschnitt zwischen den sämtlichen 30 Tagen auf Stuhl A, die einstühligen Tage also eingerechnet, beträgt 8%, gegen 5,96% während der zweistühligen Arbeit, also um über ein Drittel mehr. Die Leistung auf Stuhl A schnellt eben während der völligen Außerbetriebsetzung von Stuhl B um rund 45% des Durchschnittes in die Höhe (26./27. Tag), nachdem sie vorher während der mühsamen Arbeit am letzten Teil der Kette auf Stuhl B (24/25. Tag) schnell gesunken war, - und senkt sich dann während der Wiederinbetriebsetzung von B wieder zu ihrem vorherigen Durchschnitt herab. Auf

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331

diesem Wechsel zwischen Einstühligkeit und Zweistühligkeit beim Kettenwechsel beruht zu einem Teil der stärkere Schwankungsdurchschnitt, den die Stuhluhren an Stühlen für schmale (also zweistühlig gewebte) Ware aufweisen. Zu einem ferneren Teil beruht er, 5 wie schon kurz angedeutet wurde, darauf, daß der Wechsel der Sorten (oder, bei gleichbleibender Sorte, der Güte des Garnmaterials) auf dem einen Stuhl stets auch das Maß der Leistung auf dem andern Stuhl mit beeinflußt. Wird die Arbeit an dem einen Stuhl schwieriger, | so sinkt die Leistung an dem andern Stuhl und umge- A 751 10 kehrt, und dies äußert sich teils - bei Beginn des Wechsels - in schrofferen Unterschieden der Tagesleistung, teils in dauernd stärkeren Abweichungen nach unten bezw. oben vom Gesamtdurchschnitt der auf die Kette erzielten Leistung. Wenn beispielsweise der Durchschnitt der Gesamtleistung auf die Kette von Stuhl A = 100 15 gesetzt wird, so steht die ganze oben betrachtete 25 Tage umfassende Periode der Doppelstühligkeit, während welcher auf Stuhl B eine sogenannte „mitteldichte" Sorte lief, auf Stuhl A mit durchschnittlich 121,5%, infolge des Sortenwechsels aufB, um mehr als Ys über dem Gesamidurchschnitt, während, nach Einlegung einer feinen und 20 um 25% dichteren Sorte auf den andern Stuhl (B), die Leistung auf Stuhl A nur in der ersten Woche noch, offenbar kraft besonderer Anstrengung des Arbeiters 78 ', (der ja seine Leistung an der Stuhluhr kontrollieren kann) sich' über dem Durchschnitt bewegt (104,0), weil er zunächst versucht, möglichst die gewohnte Schußzahl heraus25 zubringen. Dann aber sinkt sie im Durchschnitt der folgenden 25 Tage unter den Gesamtdurchschnitt der Kette auf 95,4%, auf welcher Höhe sie sich nun auch weiterhin hält79). Und zugleich mit der sinkenden Leistung steigen die Schwankungen. Die Durchschnittsschwankung der Gesamtleistung (die gemachten Schüsse auf beiden 78)

Denn auch die Leistung auf Stuhl B ist, zumal für einen Kettenanfang, recht hoch. A 751 Die Erhöhung der Tourenzahl a u f B um noch nicht 0,9% spielt dabei schwerlich eine irgendwie fühlbare Rolle. - Die meteorologischen Arbeitsbedingungen waren in beiden Perioden (Juli bzw. August und erste Septemberwoche 1908) nicht irgend wesentlich verschieden und im ganzen für diese Jahreszeit relativ günstig. Eine begrenzte Betriebseinschränkung im August (Sonnabends mehrfach nur Halbtagsarbeit, einzelne Sonnabende volle Stillstellung) war, bei der Eigenart dieses äußerst leistungswilligen Arbeiters, eher geeignet, die Leistung der zweiten 25 Tage in die Höhe zu treiben. 79)

j In A folgt: noch

332

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Stühlen addiert) beträgt 6,93% der Durchschnittsleistung (gegen 6,11 in der ersten Periode von 25 Tagen). Das Charakteristische ist dabei, daß diese Vermehrung der Schwankungen keineswegs besonders stark auf Stuhl B hervortritt, obwohl dichte Ware, zumal bei feinen Garnen, eine wesentlich größere Zahl von Kettenbrüchen aufweist als leichtere: die Höhe der Durchschnittsschwankung ist auf Stuhl B trotzdem zufällig genau die gleiche in der zweiten wie in der ersten Periode 80) : 7,36%. Dagegen schwankt die Leistung auf dem Stuhl A, auf welchem dieselbe Kette weiter lief, merklich stärker als in der ersten Periode, nämlich um durchschnittlich 6,99% (gegen A 752 5,96% der ersten Periode). Der Durchschnitt der Schwankungen der Gesamtleistung steht hier also unter demjenigen jeder von beiden Einzelleistungen, was dadurch bewirkt wird, daß hier in 7 Fällen (gegen 3 in der ersten Periode) die Schwankungen der letzteren in entgegengesetzter Richtung verlaufen, also sich kompensieren: in diesem Falle hat der Arbeiter, nachdem er seinen anfänglichen Versuch, beide Stühle auf der bisherigen Schußzahl zu erhalten, hatte aufgeben müssen, offenbar seine Aufmerksamkeit so stark auf die neue Sorte konzentriert, daß er zwar diese letztere auf der Höhe hielt oder selbst steigerte k , gleichzeitig aber die Bedienung des andern Stuhles mit der ihm schon vertrauten älteren Kette litt, der Stuhl z. B. bei Kettenbrüchen durchschnittlich wesentlich länger stehen blieb usw. und so auf diesem Stuhl niedrigere und stärker schwankende Leistung eintrat. Stellen wir nun diesem hoch geübten, besonders leistungsfähigen und -willigen (29jährigen) Arbeiter noch einen andern, leidlich veranlagten, aber um 10 Jahre jüngeren gegenüber, der ebenfalls, und zwar zur gleichen Zeit, zweistühlig arbeitete. Die Tourenzahl seiner beiden Stühle war um rund 2 bis rund 6% niedriger als auf Stuhl B, um rund 3 bis rund 7% höher als auf Stuhl A des andern Arbeiters, Unterschiede, die für unsere Zwecke nicht ins Gewicht fallen. Die Sorten, welche er machte, waren überwiegend leichte Sorten - also (normalerweise) gut laufende relativ bequeme Arbeit, - daneben 80> Nur der Umstand, daß in der ersten Periode die starken Schwankungen der Leistungen zwischen den letzten 3 Tagen (Kettenende) mit einbezogen sind, bedeutet einen gewissen Unterschied. |

k A: steigert

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nur einmal eine schwerere Sorte, deren Dichte sich aber zu derjenigen der von dem andern Arbeiter gemachten wie 2:3 bezw. wie 3:5 verhielt. Seine Arbeit war also ganz wesentlich leichter als die des andern Arbeiters, dafür aber war er auch, mit 19 Jahren, noch nicht 3 Jahre in der Arbeit und 13A Jahre im Vollakord, also ganz wesentlich weniger geübt als der andere Arbeiter. Demgemäß steht auch das Maß der Leistung und Maschinenausnützung, welches er erzielte, trotz der leichteren Arbeit ganz wesentlich hinter der Leistung des andern zurück: je nachdem man die Zahl der gemachten Schüsse oder - was allein ein einigermaßen richtiges Bild gibt - die Höhe der „Nutzprozente" zugrunde legt, um rund 18 bezw. um rund 28% 81) , wobei allerdings der mehr als doppelt so häufige Kettenwec/ise/ bei dem Jüngern mit ins Gewicht fällt (7 verschiedene Ketten und 5 verschiedene Sorten in 151/2 Wochen auf den beiden Stühlen des | Jüngern gegen 3 verschiedene Ketten und ebensoviel Sorten in 13 Vi A 753 Wochen bei dem Älteren) 1 . Sieht man sich nun die Schwankungen bei dem jüngeren Arbeiter an, so betragen dieselben zwischen den ersten 14Tagen, an denen die gleichen Ketten neben einander liefen: auf dem einen Stuhl (C): 23,0%, auf dem andern (D) 16,1% des Gesamtdurchschnittes der betreffenden Kette, während die Gesamtleistung (beide Nutzprozente jedes Tages addiert) um 14,3% schwankt. Daß die Schwankungen der Gesamtleistung stark unter denen von jeder der beiden einzelnen stehen, hat seinen Grund darin, daß bei diesem Arbeiter zwischen den 14 Tagen der Periode 5mal die Leistungen in entgegengesetzter Richtung, 8mal in der gleichen sich bewegen. Es folgen dann 15 Tage mit dreimaligem Ketten- und Sortenwechsel (1 auf Stuhl C, 2 auf Stuhl D) und demgemäß sehr heftigen durchschnittlichen Schwankungen auf beiden Stühlen: 29,4% auf Stuhl C, 27,3% auf Stuhl D. Während der alsdann folgenden Periode von insgesamt 31 Tagen hatte der Arbei81) Direkt vergleichbar scheint die Leistung beider Arbeiter für eine Periode, während A 7 5 2 deren beide gleichzeitig an der gleichen Sorte arbeiteten und der ältere Arbeiter einen um 38% höheren Nutzeffekt erzielte als der jüngere, oder nach Schuß gezählt bei einer um 63/4% höheren Tourenzahl des Stuhles eine um 29,7% höhere Schußzahl. Indessen ist 1) die technische Einrichtung der Stühle nicht in allen Punkten die gleiche und 2) hatte der Jüngere auf dem andern daneben laufenden Stuhl eine andere (leichtere) Sorte als der Ältere. |

I Klammer fehlt in A.

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ter den Vorteil, die gleiche&2) leichte Sorte auf beiden Stühlen zu haben. Demgemäß sinken die Schwankungen. Sie betragen zwischen den zur Zählung geeigneten83) 25 Tagen im Durchschnitt: 11,9% auf Stuhl C, 16,4% auf Stuhl D, und für die Gesamtleistung: 11,2%, also immer noch annähernd das Doppelte wie bei dem älteren Arbeiter. Die Zahl der Fälle, in denen sich die Leistungen von einem Tag zum andern entgegengesetzt bewegen, beträgt 9 (von 25), also relativ weniger als in der ersten Periode dieses Arbeiters, aber auch jetzt wesentlich mehr als bei dem älteren Arbeiter. Man wird in dem Unterschied der Schwankungsamplitüden sowohl wie in dem Unterschied der Schwankungskompensationen Konsequenzen des Unterschieds der Geübtheit zwischen den beiden Arbeitern erblicken dürfen. Der jüngere Arbeiter schwankt - so darf man als Erklärung auch hier annehmen - mit seiner Aufmerksamkeit zwischen den beiden Webstühlen in höherem Maße hin und her als der ältere, der sein Augenmerk mehr darauf richtet und, zufolge seiner höheren Geübtheit auch mit mehr Erfolg darauf zu richten imstande ist, beide Stühle so voll auszunützen wie möglich und daher, im Effekt, beide etwa gleichmäßig im Gang hält. „Gleichmäßig im Gang halten" heißt dabei nicht etwa: auf jedem von beiden möglichst die gleiche Anzahl Schüsse erzielen, sondern: nach Möglichkeit dasjenige Optimum von Ausnutzung jeder von beiden Maschinen zu erzielen, welches der Lo/mkalkulation zugrunde gelegt ist und also - vorausgesetzt, daß A 754 diese | „richtig" ist - dem Betrieb das unter den gegebenen Bedingungen quantitativ und qualitativ mögliche Optimum von Waren, dem Arbeiter das (bei den der Kalkulation zugrunde gelegten SollLöhnen) mögliche Maximum von Lohn in der Zeiteinheit gewährt84). 82) Denn der Unterschied von nur 3% in der Breite kommt für die Arbeitsleistung natürlich nicht in Betracht. Es tritt dazu, daß auch die andern gleichartigen Sorten sehr ähnliche waren, so daß auch ein Übungseffekt mitspielen kann. 83) Es mußten einige Tage, an denen auf dem einen Stuhl - wohl wegen Defektes - nicht gearbeitet wurde, außer Betracht bleiben. | 84> A 754 Ein Webstuhl, dessen Tourenzahl bei gleichbleibender Sorte um - nehmen wir an 20% erhöht würde, könnte, selbst unter der Voraussetzung, daß diese Beschleunigung pro Meter Kette keinerlei Steigerung der Fadenbrüche oder sonstige Störungen herbeiführte, dennoch unmöglich um 20% mehr Ware liefern, wenn der Arbeiter für jede Schußspulauswechslung und für die Beseitigung jedes Fadenbruches usw. die gleiche Zeit bedarf, wie bei der um 20% geringeren Tourenzahl, einfach weil die durch solche Unterbrechungen des Arbeitsprozesses verloren gehende Zeit natürlich, auf die Meterzahl Waren gerechnet, einen größeren Ausfall bedeutet, als bei geringerer Tourenzahl. Nur wenn der Arbeiter ebenfalls alsbald um 20% schneller reagieren könnte, würde die Steigerung des Ertrages 20% betragen. Schon deshalb ist das Maß der von einem und demselben Arbeiter norma-

A 753

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Die Kalkulation kann, auch wenn sie „richtig" war, durch individuelle Bedingungen - insbesondere Materialbeschaffenheit - natürlich desavouiert werden: Dann hat der Betrieb (in der Warenqualität) und der Arbeiter (im Lohn) den Schaden 85 '. Andrerseits würde eine im konkreten Fall für zwei von einem Arbeiter bediente Webstühle „falsche", d.h.: den rein technischen Bedingungen der Leistungen auf jedem von ihnen nicht entsprechende Bemessung der Akkordsätze die Folge haben, daß der Arbeiter - wenn er seine Verdienstchancen richtig abwägt - seinen Arbeitsverdienst auf dem Weg des „kleinsten Kraftmaßes" zu gewinnen sucht, d.h. jeweils den Stuhl am intensivsten ausnützt, auf welchem mit geringerem Arbeitsaufwand mehr zu verdienen ist, weil für die auf ihm gemachten Sorten der Lohnsatz relativ - im Verhält |nis zu der gleichzeitig auf dem andern A Stuhl gemachten Sorte - „zu günstig" kalkuliert ist. Die uns interessierende Frage ist nun: wie weit bei „richtiger" Kalkulation jene Anpassungstendenz, die zur Geltung kommen muß, wenn der Arbeiter das Maß der Ausnutzung der Stühle der Lohnkalkulation und den aus dieser sich für ihn ergebenden Verdienstchancen anpaßt, auch tatsächlich sich realisiert? Darauf kann nur bei Betrachtung längerer Zeiträume, während deren die gleichen Sorten neben einander laufen, eine Antwort gegeben werden. Um diese Antwort - soweit sie bei dem bescheidenen Umfang des Materials überhaupt möglich ist - gleich in dem wesentlichen Punkt vorwegzunehmen: eine solche Anpassung findet, wie es scheint, bei den einzelnen Arbeitern in sehr verschiedenem Grade statt. Jeder Arbeiter, der mehrere Stühle bedient, wird in einem gewissen Maß zur „Anpassung" an die Bedingungen der optimalen Produktion genölerweise erzielten Maschinenausnützung je nach der Tourenzahl nicht gleich hoch. Nun ist aber ferner natürlich die Höhe der Tourenzahl von erheblichem Einfluß auch auf die Zahl der Fadenbrüche und das sonstige Verhalten des Garns beim Weben und zwar z. B. je nach Feinheit und Draht desselben in sehr verschiedenem Maße und daher in ihrem Optimum von diesen (und sehr vielen anderen) Umständen abhängig. 85) Die sehr großen Unterschiede des Materials würden eins der verschiedenen Probleme bei dem Versuch des Abschlusses von Tarifverträgen bilden. Heute wird im Fall „schlechter Ketten" durch individuelle Zuschläge nachgeholfen. Die Höhe solcher Zuschläge ließe sich nicht leicht tarifieren. Und es tritt ferner dazu: die Zahl der Fadenbrüche ist (auch in der Baumwollweberei) keineswegs nur Funktion der Garnsorte und der Güte ihrer Herstellung, sondern in nicht unerheblichem Maße auch vom Arbeiter abhängig, der einen erheblichen Bruchteil davon durch Kontrolle der Kette und rechtzeitigen Eingriff verhüten kann. Geübte Arbeiter pflegt der beaufsichtigende Meister u.a. auch daran zu erkennen, daß sie sich ebensoviel hinter wie vor den Webstühlen aufhalten (auch in der Baumwollweberei). |

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tigt, wenn anders er nicht ökonomische Nachteile (Lohnausfall oder, bei andauerndem starken Zurückbleiben hinter der kalkulatorisch erwarteten Leistung, Entlassung) gewärtigen will. Aber ziemlich verschieden scheint der Grad zu sein, in welchem ihm diese Anpassung gelingt. Aus der Beobachtung der Verdienstschwankungen einer größeren Anzahl von zweistühligen Arbeitern schien mir hervorzugehen - und dies wurde von der Betriebsleitung als auch ihren Erfahrungen entsprechend bestätigt - daß die überhaupt „begabtesten" Arbeiter auch diejenigen sind, welche sich der Kalkulation am besten anzupassen wissen. Und zwar scheint sich diese Anpassung so zu vollziehen, daß der Arbeiter, welcher gleichzeitig zwei verschiedene Sorten neben einander zu weben anfängt, wenn er leistungsfähig ist, meist damit beginnt, zwischen den beiden Sorten mit dem Maximum seiner Anspannung abzuwechseln, so daß ein stoßweises Emporsteigen der Leistung zuerst auf dem einen Stuhl, dann bei gleichzeitigem Stehenbleiben oder auch mäßigem Sinken der Leistung auf diesem, ein ebensolches Ansteigen auf dem andern Stuhl stattfindet, was sich dann eventuell noch ein bis zweimal wiederholen kann, bis der Arbeiter, nachdem er die Leistungen auf beiden Stühlen durch „Übung" genügend gesteigert und zugleich ihre mögliche relative Lohnrentabilität „ausprobiert" hat, allmählich seine Leistungen auf die beiden Stühle so zu verteilen gelernt hat, daß er das Optimum und das heißt, bei „richtiger" Akkordkalkulation: auf jedem von beiden etwa gleichviel verdient. Dies würde, anders ausgedrückt , bedeuten, daß die Leistungen der von einem Arbeiter bedienten Stühle, in Produktionsquanten ausgedrückt, bei geübten Arbeitern und „richtiger" Kalkulation eine Tendenz haben, sich umgekehrt proportional dem Akkordsatz der Sorten zu stellen. Eine „Tendenz": - das heißt, daß eine Unmasse individueller, im Material, im Stuhl, in den „Dispositionen" des Arbeiters, in der Jahreszeit u.s.w. | A 756 liegender"1 Bedingungen es hindern können, daß dies Resultat wirklich eintritt, zumal jene Unterschiede der durch die verschiedenen Sorten bedingten Anforderungen an den Arbeiter, welche durch die Differenzen der Akkordsätze berücksichtigt werden sollen, sich ja nicht auf eine einzige einheitliche und gleichmäßige, für alle Sorten bedeutsame Fähigkeit desselben beziehen, sondern auf einen ganzen Komplex von solchen, die für die verschiedenen Qualitäten in ganz m A: liegende

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verschiedenem Maße relevant werden, so daß die Individualität der Arbeiter starke Abweichungen bedingen muß. Trotz all dieser Störungsquellen findet sich nun aber die erwähnte Tendenz gerade bei den geübtesten Arbeitern mehrfach ziemlich deutlich realisiert. So 5 zeigt - um wenigstens zwei Beispiele herauszugreifen - der ältere und geübtere der beiden oben als Beispiel für die Tagesschwankungen verwerteten Arbeiter beim Weben zweier unter sich um 7,5% in der Akkordfestsetzung verschiedener Sorten, welche er AVi Monate nebeneinander webte, zuerst - von der ersten zur zweiten Halbmonats10 periode - ein starkes Ansteigen der Leistung auf beiden Stühlen, und zwar am stärksten in der dichteren Sorte mit dem höheren Akkord. Auf diese, offenbar durch kontinuierliche Überanspannung erzielte Steigerung folgt vom zweiten zum dritten Halbmonat ein erhebliches Sinken, stärker wiederum bei der dichteren (für das gleiche Quan15 tum höher gelohnten) Sorte. Vom dritten zum vierten Halbmonat steigt die Leistung in der schwierigeren Sorte, während sie in der leichteren um ein Weniges sinkt, vom vierten zum fünften ist genau das Umgekehrte der Fall, vom 5. zum 6. Halbmonat wird die Entwicklung durch einen Kettenwechsel in der leichteren Sorte gestört: 20 beide Leistungen sinken, um dann wieder vom 6. zum 7. beide langsam zu steigen, vom 7. zum 8. beginnt der Anlauf zum Anstieg in der schwierigen Sorte von neuem, während die leichtere mäßig sinkt, mit dem 9. geht die Kette der ersteren zu Ende (beide sinken). Dabei hat sich im Durchschnitt von je 1 Vi Monaten die Differenz des 25 Produktionsverhältnisses (in Metern Waren ausgedrückt) von 14,5% der mittleren Leistung im Tagesdurchschnitt im ersten Drittel auf 6,5% im Tagesdurchschnitt des letzten Drittels gesenkt. Dabei hat aber im ersten sowohl wie im zweiten Drittel die Produktionsleistung der schwereren Sorte in je einem Halbmonat über derjenigen der 30 leichteren gestanden, und erst im letzten Drittel hat sich der in der Akkorddifferenz (7,5%) zum Ausdruck gebrachte Unterschied der Schwierigkeit der Arbeit annähernd zutreffend in der Differenz der Leistung ausgeprägt. Der Unterschied zwischen dem täglichen Durchschnittsverd/ensi auf jedem der beiden Stühle ist im Drittels35 durchschnitt auf die Hälfte zurückgegangen, wobei in den beiden ersten Perioden das Maß, in welchem bald der eine, bald der andere Stuhl das Übergewicht hat, erheblich schroffer wechselt als in der dritten; der Stuhl mit der leichteren Sorte verdiente mehr ( + ) | oder A 757 weniger (—) als der andere (in Prozenten von dem jeweils niedrigen

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Verdienst): 1. Halbmonat: + 14,0; 2. Halbmonat: - 8 , 5 ; 3.: + 18,7; 4.: - 13,8; 5.: + 14,7; 6.: + 9,2; 7.: + 12,9; 8.: + 5,2; 9 M : + 3,9. Man sieht aus allem, daß der Arbeiter durch fortgesetztes - bewußtes oder unbewußtes - Probieren und Sichanpassen allmählich sich den der Kalkulation der Akkorde zugrunde gelegten relativen Bedingungen der Arbeit an den beiden Stühlen annähert. Noch deutlicher, als bei diesem Arbeiter - der, beiläufig bemerkt, Gewerkschaftler ist - tritt die Tendenz zur Ausgleichung des Stuhlverdienstes bei einem ebenfalls besonders tüchtigen Mädchen hervor, wenn man folgende Zahlen betrachtet, die sich auf die Halbmonate nach Beginn der zweistühligen Arbeit an zwei unter einander im Akkord um 17,6% verschieden angesetzten Sorten beziehen:" Der Verdienst am Stuhl A (mit der höher angesetzten Sorte) verhielt sich zu B (mit der niedriger angesetzten Sorte) in den Halbmonaten: 1 wie 100 zu 262 7

2 155

3 120

4 5 6 7 8 9 10 96,0 86,2 93,0 86,9 101,5 100,0 100,6

Also im Durchschnitt der drei ersten Halbmonate wie 100:146, im Durchschnitt der vier mittleren wie 100:90,5, in den drei letzten endlich standen die Verdienste mit winzigen Abweichungen einander gleich. Anders ausgedrückt: in den ersten vier Monaten hat sich die Arbeiterin, welche in der Sorte auf Stuhl B schon 2 Halbmonate gearbeitet hatte, in die neue schwerere Sorte (auf Stuhl A) eingearbeitet, dabei aber durch Konzentration ihrer Aufmerksamkeit auf die alte leichtere Sorte den Stuhl B in vollem Betrieb erhalten (denn die auf diesem Stuhl produzierten Quantitäten stehen pro Tag nur im zweiten Halbmonat etwas niedriger als der Durchschnitt); nachdem dann mit dem dritten Halbmonat die Einarbeitung in die schwere neue Sorte (auf A) vollzogen ist, wendet die Arbeiterin zeitweise ihre Aufmerksamkeit dieser mit entsprechend höherem Akkord ausgezeichneten Sorte so viel stärker zu als der billigeren, daß die Leistungen in dieser letzteren um etwa 15% sinken; während der

n A: b e z i e h t :

7 Vermutlich liegt ein A b s c h r e i b - oder R e c h e n f e h l e r vor. B e s s e r paßt die Zahl 162 in die Zahlenreihe. Mit ihr stimmte, unter der V o r a u s s e t z u n g , daß die A n g a b e n d e s z w e i t e n und dritten H a l b m o n a t s korrekt sind, auch die folgende D u r c h s c h n i t t s r e c h n u n g für die ersten drei Halbmonate.

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5

10

15

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letzten Zeit der Arbeitsperiode jedoch stehen die Verdienste an beiden Stühlen einander gleich und das bedeutet: die Produktionsleistungen standen umgekehrt proportional den Akkordsätzen, dergestalt, daß die Produktionsleistungen auf B niedriger stehen als in der ersten, diejenigen von A niedriger 0 als in der zweiten Periode, also ein Ausgleich auf einer Art „mittlerer" Linie und zwar umgekehrt proportional dem kalkulierten Akkordsatz stattfindet, nachdem die Arbeiterin erst in der einen, dann in der anderen Sorte durch starke Anstrengungen ihren Übungsstandard hinlänglich erhöht hatte. Es mag an der Analyse dieser beiden Fälle, denen einige andere ähnliche zur Seite gestellt werden könnten, genügen und nur noch bemerkt werden, daß diesen Fällen, in denen es | sich stets um sehr A 758 geübte Arbeitskräfte handelt, zahlreiche andere, und zwar speziell bei minder geübten oder minder begabten Arbeitern, gegenüberstehen, in denen ein sehr unstetes Schwanken zwischen den beiden Stühlen dauernd bestehen bleibt, die Ausgleichung und Anpassung an die Lohnkalkulation also nicht gefunden wird, - was stets den Verdienst schmälert. Wir sind mit diesen Darlegungen bereits ganz in die Analyse der Leistungsschwankungen einzelner Arbeiter hineingeraten, wie dies auch früher bereits gelegentlich der Fall war. Damals hatten wir allerdings wesentlich die Entwicklung der Leistungen an einer und derselben Sorte (bezw. zwei Sorten auf zwei Stühlen) beobachtet. Wir wollen nunmehr - was bisher nur vereinzelt und skizzenhaft zu illustrativen Zwecken erfolgte - für eine Reihe von Arbeitern längere Zeitperioden, die einen mehrfachen Wechsel der Sorten umschließen, betrachten.

14. a Analyse einzelner Arbeitsleistungen und ihrerb Entwicklung: a) reine Handarbeit. a 30 Wir beginnen mit einer Arbeiterin, deren Leistungen gänzlich den Charakter reiner Handarbeit an sich tragen: der „Andreherin", welche in diesem Betriebe auch die Arbeiten des „Einlegens", „Einzie-

o Fehlt in A; niedriger sinngemäß ergänzt. a Kapitelüberschrift aus dem Inhaltsverzeichnis (ohne Seitenzahl) übernommen und eingefügt. b A: ihre

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hens" und „Blattstechens", 1 also die ganze rein manuelle Vorbereitungsarbeit an der zur Verarbeitung bestimmten Kette zu vollziehen hat. Die für die Verdienstchance und Arbeitsökonomie in erster Linie wichtige Teilarbeit ( c dieser Arbeitend die unter andern Verhältnissen, d. h. sowohl in größeren Betrieben wie mangels einer so hoch wie hier qualifizierten Arbeitskraft, unter mehrere Arbeiterinnen spezialisiert zu sein pflegen) ist das Andrehen, und es scheint, daß die Leistung in dieser, hauptsächlich aus unaufhörlich aufeinanderfolgenden, möglichst schnellen, drehenden Handgriffen an vorher mit ebenfalls größter Schnelligkeit richtig ausgesuchten Fäden bestehenden Arbeit in sehr hohem Maße von natürlicher Anlage (bestimmten Fingergeschicklichkeiten) abhängig ist, außerdem absolute Unempfindlichkeit gegen die unerhörte Eintönigkeit der 10 und mehrere Male in der Minute sich wiederholenden, absolut gleichen und dabei genaues Hinsehen erfordernden, hastigen Handbewegungen voraussetzt. Die andern Arbeiten - deren relative Dauer und Schwierigkeit am einfachsten durch das Verhältnis der auf je 1000 Fäden berechneten Akkordsätze: Andrehen: Einlegen: Einziehen: Blattstechen = 100:40:140 (bezw. 174)86):30 charakterisiert wird - geben an Eintönigkeit dem „Andrehen" wenig nach, doch dürfte A 759 die Leistung in ihnen nicht in | gleichem Grade Funktion natürlicher Anlage sein wie dort. Die Stellung der Arbeiterin im Produktionsprozeß bringt es mit sich, daß das Maß ihrer Beschäftigung und auch die Art der Verteilung derselben unter jene vier Arbeiten, die ihr obliegen, permanent, je nachdem neue Ketten eingelegt werden, A 758

86) Vom Juli ab hatte sie beim Einziehen unter neuen, höhere Aufmerksamkeit fordernden Bedingungen zu arbeiten, zuerst teilweise, dann ganz. Die Erschwerung der Arbeit drückt sich in einem um etwas über 24% erhöhten Akkord aus. Dadurch wird eine gewisse Störung in die Zahlen gebracht, die jedoch, wie die Tabelle zeigt, nur kurze Zeit von Erheblichkeit war. |

c Fehlt in A; dieser Arbeiten, sinngemäß ergänzt.

1 Aufgabe der Andreherin ist das Zusammenzwirbeln der Enden zerrissener Fäden an der Bruchstelle. Sie spannt ebenfalls die Fäden der Kette in den Webstuhl ein. Diese Fäden müssen sowohl durch das Blatt, das den Schuß an das bereits gefertigte Gewebe andrückt, gezogen werden als auch durch die Vorrichtungen des oder der Schäfte, die sich über dem Webstuhl befinden. Diese Vorrichtungen, einzelne von den Schäften herunterhängende Schnüre mit jeweils einer Öse für einen Kettfaden, erlauben durch wechselweises Heben und Senken der Schäfte die Regulierung der Kette für den Webvorgang.

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wechselt. Man gewinnt ein Bild davon wohl am besten durch die in Tabelle IV wiedergegebenen Zahlenreihen. Zu bemerken ist dazu: die Akkordsätze der Arbeiterin, die in jüngeren Jahren Handweberin war, dann aber Garten- und andere Arbeit tat und von der 5 Beschäftigung im Garten des Chefs in die Fabrik eintrat, anfangs den halben Tag dort, die andere Hälfte im Garten arbeitete und seit Februar 07 voll im Akkord beschäftigt war, wurden - gemäß einer gleich anfangs ihr gemachten Ankündigung - von Juni 07 an um 10% ermäßigt87). Wie es nach der Tabelle - Zeile 4e - als wenigstens 10 möglich erscheinen muß, reagierte die Arbeiterin darauf vor dem kritischen Monat mit niedriger, dann aber, nachdem trotzdem die Herabsetzung eingetreten war, mit so stark steigender Leistung, daß diese im Verdienst die Herabsetzung mehr als ausglich. Eine zweite ihr für die Zeit nach dem September 07 angekündigte Herabsetzung 15 um nochmals 10% (gegen welche die Arbeiterin vielleicht im September mit der in diesem Monat sinkenden Leistung - s. Zeile 4e reagierte), unterblieb, da inzwischen die gewerkschaftliche Bewegung zunahm und die Arbeiterin auch so hinlänglich rentabel war. Die niedrigeren Leistungen in den vier dunklen Monaten im Winter 20 07—08 (November bis Februar) erklären sich wohl, wie bei vielen andern Arbeitern, zum Teil aus der größeren Arbeitsmühe bei künstlichem Licht. Der starke Absturz im September 08 erklärt sich daraus, daß die Depression und Betriebseinschränkung dieses Monats besonders intensiv grade auf die Andreherin wirkt, deren Be25 schäftigungsgrad ja besonders eindeutig von der jeweiligen Inangriffnahme neuer Ketten, also vom Maß der Bestellungen abhängt: wie Zeile 2 ergibt, ist sie nur 15 Tage (von den 26 Arbeitstagen des Monats) im Akkord beschäftigt gewesen, hat also um das Doppelte mehr unter der Einschränkung gelitten, als die andern Arbeiter, 30 indem sie nur bis zu 4 Tagen in der Woche Arbeit fand und namentlich die Beschäftigung beim „Einziehen" auf fast Vs sank. Überhaupt ist, auch in Zeiten der Vollbeschäftigung, für die Leistung der Arbeiterin, jedenfalls für ihre Leistung in einer ihrer vier Einzeltätigkeiten, durchaus der jeweilige Bedarf des Betriebes maßgebend. Wie 35 Zeile 1 und 2 ergeben, ist in 11 von 19 Monaten die Zeit der Akkord87) Der Vergleichbarkeit halber sind die Zahlen bis Juni derart umgerechnet, daß sie A 7 5 9 ergeben, wieviel die Arbeiterin verdient haben würde, wenn die Sätze von Anfang an so hoch gewesen wären. |

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Die Folgen 6 der durch die Einflüsse der Depression entstandenen niedrigen Zahlen A 761 im Juli und September 08 und der durch die Winterbedingungen herbeigeführten Niedrigkeit der Zahlen im Januar und Februar bringen es mit sich, daß diese beiden Quartale gegen die vorangehenden Rückschläge zeigen. Erst die Zusammenfassung von Halbjahren zeigt die Stetigkeit des Steigens. |

d In A folgt: (Schluß folgt.)

e A: Folge

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IV. a b 14. Einzelanalysen von Arbeitsleistungen (Forts.); b) Maschinenarbeit."

Die Entwicklung der Verdienstzahlen eines der in Tabelle I aufgeführten einstühligen Weber (b)1 haben wir im wesentlichen schon oben 2 bei Besprechung der Schwankungen analysiert. An der mäßig dichten, aber ziemlich breiten Sorte, die er bis zum 20. Dezember bearbeitete, hat er im ganzen gut verdient und im September (110%) und November (108,5%) Qualitätsprämien bezogen, während die Weihnachtszeit sinkende Leistung und, infolge Kettenwechsel und niedriger Anfangsleistung nach einwöchiger0 Unterbrechung, Zurückbleiben hinter dem Normalverdienst brachte. Anfang Januar, nach Übergang zu einer leichteren Sorte mit haltbarerem Material, schnellte sein Verdienst zu außerordentlicher Höhe empor (127%) infolge quantitativ sehr bedeutender Leistung. Doch bezog er trotzdem keine Prämien, scheint also infolge der schnellen Arbeit qualitativ nicht genügt zu haben: er ist ein Mann in mittleren Jahren, sehr kräftig, aber weder schnell noch besonders gewandt. Die Wochen/e/stungen89) an dieser neuen Sorte steigerten sich vom Dezember bis A 514 Mitte Januar von 65,6 | zu 87,6 - 96,4 -113,5%, dann erfolgte - wohl infolge der damaligen starken Kälte - ein Rückschlag auf 98,3, sodann ein Wiederansteigen auf 108,6 und Anfang Februar 110,9%, worauf Mitte Februar das Kettenende mit 88,6% folgt. Der Verdienst im Februar hält sich, weil die Leistungen am Kettenende der alten und am Anfang der damals beginnenden neuen Sorte niedrige waren, nur auf Normalhöhe (100,3%). Diese neue, schwerere Sorte, hat der Arbeiter dann in zwei Ketten bis in den Juni bearbeitet, mit folgenden aufeinander folgenden Wochenleistungen (stets: % des A 513

89) Am Durchschnitt der Leistungen an dieser Kette gemessen (s. früher), 3 welcher in diesem Fall, an den Leistungen des Arbeiters an anderen Ketten gemessen, eine hohe Leistung repräsentiert. |

a A: IV. (Schluß.)*) Daran bindet die folgende Anmerkung an: Vergl. Band XXVIII, S. 719. Bezug ist die erste Seite des dritten Teils des Psychophysik-Textes, oben, S. 294. b Kapitelüberschrift aus dem Inhaltsverzeichnis (ohne Seitenzahl) übernommen und eingefügt. c A: einwöchentlicher 1 Es handelt sich um den Arbeiter c. Die Tabelle I ist oben, S. 296, abgedruckt. 2 Oben, S.314-317. 3 Tabelle III, oben, S. 316/317.

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Durchschnittes seiner Leistung an dieser Kette): 89,6 - 96,4 - 96,5 99,2 (Mitte März), worauf eine längere Krankheit des Arbeiters folgte, und dann im April folgende Leistungen: 88,5 - 101,7 - 90,8 110,9 -105,3 -111,7; dann (im Mai) nach Vornahme einer Änderung s am Stuhl: 92,8 - 111,1 - 96,7 (Kettenende Anfang Juni). Monatlich erzielte der Arbeiter im März 101,7, im April 104,3, im Mai vor der Änderung am Stuhl 116,7 der Februarleistung, und sein Verdienst pro Tag hob sich infolgedessen von 100,3% im Februar auf 110% im April (der März ist im Verdienst nicht vergleichbar, da damals der 10 Arbeiter anfangs unstet arbeitete, dann längere Zeit gar keine Arbeit tat). Die Leistung sinkt dann im Mai infolge der Stuhländerung und der entsprechenden Änderung des Akkordes auf 90,6 der Februarleistung, und der Verdienst auf 89,5% des Normalverdienstes. Das Ansteigen vom Februar zum Mai wird vielleicht z.T. Folge der sich 15 mit der Jahreszeit bessernden allgemeinen Arbeitsbedingungen sein. Daß aber auch der Übungsfortschritt stark mitspielt, scheinen die Zahlen nach der Stuhländerung (Steigung der Wochenleistung von anfangs nur 92,8 auf 111,1%) zu zeigen. Der Juni ergibt mit 102,3% einen angesichts des Sortenwechsels leidlichen Verdienst: auf die 20 neue, besonders leichte und nur 12'/2% schmälere Sorte hat sich der Arbeiter offenbar mit großem Eifer gestürzt und anfangs auch günstige Fortschritte erzielt. Dann aber erlahmte er sichtlich: die Wochenleistungen bewegen sich von 87,5% in den ersten Tagen zu 107,5 - 105,1 - 96,1 - 98,8 - 91,8% (Mitte Juli), dergestalt, daß der 25 Arbeiter hier von einem jüngeren zweistühlig arbeitenden Vetter überholt wurde, wie dies früher 89a) erwähnt worden ist. Außer starker Trockenheit in der einen Juniwoche und der (übrigens relativ mäßigen) Julihitze spielte dabei neben der, wie erwähnt, nicht sehr großen Gewandtheit des Arbeiters auch - was zu den Bemerkungen 30 im vorigen Aufsatz 4 S. 261 hinzuzufügen ist - der Umstand eine Rolle, daß diese nur gelegentlich auf Bestellung hergestellte Sorte für den schweren großen Stuhl, den der Arbeiter bediente, schlecht paßte. Der Juliverdienst stellte sich demgemäß, da überdies der Übergang zu einer neuen Sorte von gleicher Dichte wie die vom 89a)d S

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d|

d A: Band 28, S. 273. 4 W e b e r verweist auf Teil II des Psychophysik-Textes, oben, S. 2 1 8 - 2 9 4 .

A 5 1 4

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Februar bis Juni gearbeitete, dabei aber von beträchtlich größerer A 515 Breite, er|folgte, etwas unter normal (99,1). In dieser neuen Sorte hat dann aber der Arbeiter im August gut (114,6% der Norm) verdient und dabei auch zum erstenmal die von der LohnkostenKalkulation als „Soll" zugrunde gelegte Norm erreicht (s. die Zahlen e S. 325e) und dabei auch qualitativ sich auf solcher Höhe gehalten, daß er zum erstenmal seit November wieder Prämien verdiente. Sieht man von den beiden leichten Sorten (Januar/Februar und Juni/ Juli) ab, so wird man sagen dürfen, daß der Arbeiter sich vor zunehmend schwierige Arbeit gestellt sah, daher - seiner langsamen Natur entsprechend - nur langsam sich in die jeweils neuen Aufgaben hineinfand, ihnen aber doch stetig zunehmend gerecht wurde. Es fällt ihm aber ganz offensichtlich leichter, die rein mechanische Mehrarbeit zu verrichten, welche grobe Sorten (mit häufigerer Neufüllung des Schützen und großen, die Körperkräfte und die Sicherheit des Auges in Anspruch nehmenden Breiteverhältnissen) verlangen, als Erfolge bei der Bedienung feiner und dabei brüchiger Sorten zu erzielen. Die Schwankungen in seinen Monatsverdiensten in Tabelle I erklären sich nach dem Vorstehenden teils aus unsteter Arbeit (Weihnachten), teils aus einer Unterbrechung durch Krankheit (März), teils aus besonderen Schwierigkeiten mit einer für den Stuhl nicht ganz geeigneten Sorte (Juni), im übrigen aber durchweg aus Ketten- und Sorten Wechsel oder Änderungen am Stuhl. Ein anderer der in Tabelle I 5 aufgeführten Arbeiter (g), etwas jüngerer (33 Jahre alter) Vetter des vorigen, vollzog nach dreimonatlichen überdurchschnittlich guten Leistungen auf zwei Stühlen des Modells II (ohne die Geschlechtszulage im August und Oktober fast die volle Norm) im November den Übergang zum Modell I, auf dem er einstühlig arbeitete. Sein Einarbeiten in die neue Aufgabe vollzog sich, wie die Tabelle zeigt, nur stoßweise. In den Monaten November und Dezember ist die Leistung für einen an sich tüchtigen Weber, wie er es ist, außerordentlich niedrig, 33 bezw. 23% unter der Norm. Erst im Januar an einer groben Sorte mit sehr haltbarem Material begann er stark zu steigen, leistete mehr als das kalkulationsmäßige Soll und verdiente im nackten Akkord beträchtlich (18%) über dem' e A: Bd. 28 S. 746

f A: den

5 Abgedrucktoben, S.296.

Zur Psychophysik

der industriellen

347

Arbeit

Durchschnitt. Indessen dieser starke Anlauf hielt in den nächsten Monaten zunächst nicht ganz vor: den höheren Leistungsansprüchen, die an die folgenden^] schmäleren, aber dichteren und um 25% in der Garnnummer und außerdem in der Garnqualität feineren Sorten (des gleichen Materials) gestellt wurden, vermochte er trotz herabgesetzter Tourenzahl nicht zu genügen, was sich in seinen unternormalen Akkordverdiensten bis Juni in der Tabelle ausdrückt. Erst mit dem Übergang zu breiteren, mäßig dichten Sorten aus sehr feinem Garn besserten sich seine Leistungen, die vom Juni bis August noch ungleich waren, im Herbst beträchtlich und überschritten im Oktober und November das Kalkulations-Soll dieser, aus | weit brüchigerem Material hergestellten, Waren. Die für die A516 quantitativ bestimmbaren Verhältnisse von Sorten und Leistung seit Januar 08 charakteristischen Zahlen sind die folgenden: Sorte::: Dichte: in% Breite: der ersten • Tourenzahl: Sorte. Soll-Nutzeffekt: Akkordsatz: Erreichter Nutzeffekt + gegenüber dem Soll —

1 100 100 100 100 100

oy . + 8 , 7 "

2 114 97,8 95,1 106 113

3 114 85,1 95,1 108 106

4 114 87,2 95,1 117 113

5 114 100 95,1 109 117

-19,7

-14,6

-2,8

+6,4

Die Akkordverdienste und Leistungen in den 5 Sorten pro Monat, die letzteren in % der Durchschnittsleistung (und eingeklammert in % der Soll-Leistung), verlaufen bis dahin wie folgt: Januar Februar März April Akkordverdienst %: 118 97,0 78,3 93,6 Leistung %: Sorte 1: 99,0 Sorte 1:100,2 Sorte 2:103,6 Sorte 3: 96,2 (107,6) (109,9) (86,5) (84,1) Sorte 2: 91,6 (76,2) Mai*) Juni Juli August Akkordverdienst %: 84,0 9 87,6 109,0 87,1 Leistung %: Sorte 3: 97,9 Sorte 3:108,0 Sorte 4:101,5 Sorte 4: 94,7 (85,3) (94,2) (98,3) (91,7) Sorte 4: 90,1 (88,9) Änderung des Akkordsatzes infolge von Änderungen am Stuhl. | g Die Angabe in Tabelle I, oben, S. 296, heißt: 83,0

348

Zur Psychophysik

der industriellen

Arbeit

Im Monat September steigt die Leistung an Sorte 4 beträchtlich: es liegt die Annahme nicht fern, daß dieser Arbeiter durch die größere Ruhezeit infolge der Betriebseinschränkung (freier Samstag) besonders stark in der Leistungsfähigkeit und -Willigkeit gesteigert wurde. Denn die Leistung in der 5. Sorte, mit der er im Oktober begann, 5 steigerte sich im November nach Fortfall der Betriebseinschränkung nur auf 101,0% der Oktoberleistung, wofür allerdings die stets ungünstig einwirkende künstliche Beleuchtung mit verantwortlich sein mag, außerdem aber auch der Umstand, daß Garnfeinheit und Garnbleiche bei der 4. und 5. Sorte dieselben Verhältnisse aufweisen, 10 mithin die 5. Sorte durch die 4. bereits vorgeübt war und wohl daher von Anfang an in der Leistung hoch einsetzte. Der im ganzen recht tüchtige Arbeiter zeigte bei den Sorten, die er bearbeitete, bezüglich seiner woc/zemveisen „Einarbeitungs"-Fortschritte folgendes Bild: Seine Leistungsziffern betragen in Wochendurchschnitten % der in 15 der betreffenden Sorte geleisteten Durchschnitte: | A 517

Woche: Sorte 1:

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12®

97,7 97,4 101,6 96,7 104,0 104,7

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

"

2:

91,6 91,9

88,3 99,5 104,9 107,8

"

3:

82,6 97,3

95,2 98,2

"

4:

85,4 98,4 100,3 98,3 102,8 107,9 94,7

"

5:

96,2

100,3 98,4 101,5 93,1 100,5

89,1 97,8 109,3 102,3 113,9 92,8 94,7

92,4

92,4 -

-

-

20

99,5 1 0 4 , 8 1 0 5 , 2 -

-

-

-

Man sieht, um wie viel undeutlicher die Erscheinungen des Übungsfortschrittes (speziell bei Sorte 4 und 5) hier werden, als wenn man ganze Monate zusammenfaßt; insbesondere sind sie auch 25 undeutlicher als bei dem vorigen Arbeiter (b) 7 . Die Schuld tragen bei den beiden letzten Sorten die schon erwähnten Verhältnisse, außerdem hat in der 7 . - 9 . Woche der 4. Sorte der Arbeiter aus irgend einem Grunde nur unstet gearbeitet; an dem Collaps (auf 89,1) in der 6. Woche der 3. Sorte könnten ungünstige hygrometrische Verhält- 30 nisse (Sinken des Sättigungsgrades an einem Tage bis auf 68%) Einfluß gehabt haben. Im übrigen zeigen die Durchschnitte der (allein vergleichbaren) ersten 6 Wochen trotz der scheinbar ganz willkürlichen Abweichungen im einzelnen doch einen immerhin leidlich rhythmisch aufgetreppten Fortschritt von 91,5% der Durchschnitts- 35

6 Einige dieser Angaben zum wöchentlichen Leistungsdurchschnitt des Arbeiters stehen mit einzelnen Abweichungen auch in Tabelle II, oben, S. 312/313. 7 Es handelt sich um den Arbeiter c.

Zur Psychophysik

der industriellen

Arbeit

349

leistung an der Kette in der ersten Woche zu 94,7h - 97,3 - 97,1 103,7' - 100,4% in den folgenden 5 Wochen oder von 93,1% in den ersten beiden zusammen zu 97,2% in der dritten und vierten und 102,0% in der fünften und sechsten. s Es mag hiemit an Beispielen aus dem Gebiet des für die Beobachtung der einfachsten Komponenten der Leistung besonders günstigen einstühligen Webens genug sein, da das, worauf es ankommt, durch das Gesagte hinlänglich illustriert ist: die ganz überragende Bedeutung, welche die jeweils bearbeitete Sorte und vor allem der 10 Sortenwechsel für die Bewegung der Leistungs- und Verdienstziffern hat. Es darf hinzugefügt werden, daß von den starken Schwankungen, welche die Akkordverdienstzahlen in Tabelle I zeigen, nach Abzug eines Bruchteiles von etwa Vö, welcher durch rein persönliche (speziell: Krankheit und ähnliche) Störungen oder durch Einflüsse 15 der Jahreszeit oder Witterung bedingt erscheinen, fast der ganze Rest auf Sorten Wechsel zurückzuführen ist. Darin drücken sich teils die mechanischen Bedingungen der Arbeit (Kettenanfang und Ende) aus, teils die Unterschiede der Eignung der Arbeiter für die einzelnen Sorten (namentlich: größere 20 oder geringere Schnelligkeit der Reaktion und damit verbundene Unterschiede der geistigen „Beweglichkeit", daneben aber selbstverständlich eine große Zahl anderer individueller Differenzen der qualitativen Arbeitseignung k ), teils: die Notwendigkeit der „Einarbeitung" in jede neue Arbeitsaufgabe - und eine solche stellt ersicht25 lieh jede neue Sorte oder Kette, nur in verschiedenem Maße - also: die | Übungs-Verhältnisse, teils endlich - und damit kommen wir auf A 518 ein in den früheren Ausführungen 8 schon einmal berührtes Moment - die durch die Eigenart der Arbeitsbedingungen erzeugte (bewußte oder unbewußte) „Stimmungslage" der Arbeiter bei der Arbeit. Der 30 Einfluß dieses Umstandes sei noch an einigen Beispielen illustriert. Daß die Qualität des Garn-Materials und die Sorgfalt der Vorbereitung der Kette, insbesondere der Schlichtereiarbeit, auf die Stimmungslage der Arbeiter von erheblichem Einfluß ist, bildet eine in

h Rechenfehler oder (vorangegangene) Druckfehler. gangene) Druckfehler. k A: Arbeitsereignung

8 Kap. 9, oben, S. 2 7 0 - 2 8 1

i Rechenfehler oder (vorange-

350

Zur Psychophysik der industriellen Arbeit

Gesamt- und Stuhlverdienste

A 5 1 8 Tabelle V.

1907

1906

(Halbe

XII I II X XI III 15-30 1-15 15-30 1-15 15-30 1-15 15-30 1-15 15-30 1-15 15-30 107

100 Stuhl a s s $ « « 6c oo Q

100

100

107*)

107

107

100

ö s

107

107

126

170

170

170

170

112

112

112

112

126

126

Stuhl a

13%

13

12

13

10

11

13W

W*

11

11

10

Stuhl b

13%

11%

12

10

10

12

6'/4

9V4

11

13

10

80,3

95,0

96,6

•A o g , ü ä) ^ a Ea Sö < W i- J¡ M C oí » 3 « E 0 » < ' °c . ü c gs n S-a

_s •a 00'

107

Stuhl b

170

I T s

M

100

.100

-ss fin «- — a: J3 -I¡ » I Q 'S IE 6'S a 2 s « i S ' S 3b: 3a is-S

95,6

,6

94,3

94,1 103,3 107,1 117,6 98,6 125,6

91,3

98,6

112,3

112,0

100

125

103

107

104

98

123

110

123

125

149

100

119

154

138

149

163

125

180

180

155

194

*) Die fetten Zahlen bedeuten: Kettenwechsel. Wo zugleich ein Sortenwechsel vorliegt, ergibt sich dies aus der Änderung in der Höhe der dem Akkord entsprechenden Prozentziffer.

der ganzen Weberei bekannte Erscheinung und zeigt sich sehr deutlich auch in den Antworten der Textilarbeiter auf die Frage des Levensteinsch&n Fragebogens nach der „Arbeitsfreude". 9 Zwar wird der Ausfall an Akkordverdienst bei schlechten oder schlecht geschlichteten Ketten wohl überall durch Spezialzulagen auszugleichen s A 519 gesucht. Immer aber | bleibt dabei - für die subjektive Empfindung des Arbeiters - die unvermeidlich arbiträre Bewilligung solcher Zu9 Der von Adolf Levenstein bei seinen 1907 bis 1911 durchgeführten arbeiterpsychologischen Erhebungen benutzte Fragebogen ist abgedruckt in: Levenstein, Arbeiterfrage, S. 3f. und Anhang.

Zur Psychophysik

der industriellen Arbeit

351

eines zweistühligen Webers.

A 1907

Monate.) IV V VI VII 1-15 15-30 1-15 15-30 1-15 15-30 1-15 15-30 VIII

1908

Ganze Monate IX X XI

107

XII

I Ì 2 8

100

100

110

110

110

128

128

128

128

100

128

97

[lOO

100 fl53§)

170

T 1

170

I Ì 3 5

135

135

135

135

135

135

135

135

135

135

|l35 .

10V4

123/4

12

12

3

IVi

12 /4

107,0 132,0 77,6 119,1

[l30

12»/2

131

153

85

117

164

204

124

159

13

2554

23%

27

2oy5

18V4 2Ws

12 Vi

12

IOV3

27

24

24%

24%

194/s

89,3

87,0

89,6

97,0

94,6

93,6

90,3 101,3 86,6

118

104

115 117 (138) (123)

142

148 (163)

mi

13

105,3 85,3

91,3

11%

13

87,3

110

115

2oy5

88 , 3

106

120

115 121 124 116 (135) (138) (143) (147)

138

114

126

115

148

118

§) Änderung am Stuhl, welche Herabsetzung des Akkordes nach sich zog.

lagen an sich, die Unsicherheit, ob sie ihm den bei tadellosem Material und gleich starker Anspannung möglichen Verdienst ersetzen werde (was, weil es sich nicht strikt beweisen läßt, begreiflicherweise subjektiv von ihm fast stets bezweifelt wird)[,] und die Tatsache der fortwährenden Störung und gesteigerten qualitativen Unannehmlichkeit der Arbeit bestehen und muß auf die innere Attitüde zur Arbeit zurückwirken. Wie nachhaltig eine solche Rückwirkung sein kann, auch nachdem ihre Ursache längst beseitigt ist, zeigt z.B. das Verhalten eines 30jährigen, seiner Begabung und Geübtheit nach sehr tüchtigen zweistühligen Webers, wie es die nachfolgenden Zahlen widerspiegeln (Tabelle V). |

352

520

Zur Psychophysik

der industriellen

Arbeit

Die Zahlen ergeben bis zur zweiten Hälfte Mai einen ganz augenscheinlich sehr bedeutenden Anstieg der Leistungsfähigkeit. Zwar zeigt die große Mehrzahl von Perioden, in welche ein Sortenwechsel fällt, ein Sinken derselben, meist auf demjenigen Stuhl, auf welchem der Wechsel stattfand, zuweilen - wenn der Arbeiter auf diesem Stuhl besondere Anstrengungen machte - auf dem andern. Und ebenso schwanken auch unabhängig vom Sortenwechsel die Leistungen erheblich: eine Folge der Berechnung der Akkordleistung nach dem abgelieferten Quantum, welche namentlich bei der Rechnung nach Halbmonatsperioden starke nur scheinbare Schwankungen der Leistung ergeben muß. Aber: das Steigen der Gesamtleistung ist ganz offensichtlich und um so zweifelloser ein Ausdruck für eine entsprechend gesteigerte generelle Qualifikation als Weber, als die Kombination der Akkordsätze deutlich die Steigerung der Ansprüche, die an den Arbeiter gestellt wurden, zeigt. Der tägliche Akkordverdienst ist im Durchschnitt des Monats April 1907 um nahezu 50% gegenüber dem Anfangsverdienst im Oktober 1906 gestiegen. Alsdann aber erfolgt ein jäher Absturz im Mai, nachdem 1) an dem einen der Stühle (b) eine ihrem Zweck nach die Arbeit erleichternde, daher mit Akkordherabsetzung verbundene Änderung vorgenommen worden und 2) auf dem gleichen Stuhl eine neue Sorte in Arbeit gekommen war, deren Kette unerwartet schlechtes Material aufwies. Wie die Tabelle zeigt, erfolgte der Absturz - um 30—44% - auf beiden Stühlen. Von diesem Absturz hat sich nun die Leistung des Arbeiters nicht wieder erholt, obwohl vom Juni an, wie die Tabelle zeigt, durch Zuschläge zu den Akkorden, außerdem durch eine sonst nicht übliche spezielle Erhöhung der Einstühligkeitszulage, seinen Verdienstchancen nachgeholfen wurde, und obwohl er in der zweiten Hälfte Juli und im August mit tadellosen Ketten arbeitete und im September und Oktober eine mangelhafte Kette, wie die Tabelle zeigt, durch eine außergewöhnlich hohe Spezialakkordzulage vergütet wurde. Als vielmehr die Gewerkschaftsbewegung seit Juli 1907 lebendig wurde, begann er zu bremsen. Der weitere Verlauf ist ('S. 275') schon erwähnt, - hier liegt für uns das Gewicht darauf, daß den ersten Anstoß zu jener oppositionellen Attitüde, welche sich späterhin in absichtlicher Obstruktion äußerte, ganz augenscheinlich die vielleicht zunächst nur halb bewußte Verstimmung durch das I A: im vorigen Band S. 261

Zur Psychophysik

der industriellen

Arbeit

353

Verhalten des Materials einer „schlechten" Kette bildete, welche ihrerseits sinkende Leistung, sinkenden Verdienst und damit weitere Anlässe zur Verstimmung schuf. Wenn bei diesem Arbeiter die zuerst durch schlechtes Garnmaterial hervorgerufene ungünstige Stimmungslage sehr schnell in bewußte Opposition umschlug, so ist das nicht die Regel. Aber allerdings: die Wirkung jenes psychischen Habitus, welcher durch ein Verhalten des Materials oder der Maschinen erzeugt wird, das der Arbeiter, nach | seiner Gewöhnung als ungewöhnlich und unerwar- A 521 tet hinderlich und lästig und daher gewissermaßen als eine spezifische „Tücke" desselben empfindet, erstreckt sich, zumal bei temperamentvollen Arbeitern, wohl immer erheblich über die objektive (das heißt hier: rein technische) Arbeitserschwerung hinaus. Man pflegt daher besonders „geduldige" Arbeiter mit der Bearbeitung solchen Materials zu betrauen. Wie stark aber der Abstand von der Normalleistung auch bei Arbeitern, welche gut veranlagt und gut geübt sind, bei fortgesetzter Zuteilung schwierigen Materials (trotz entsprechender Vergütung des Minderverdienstes) ist, und wie stark demgemäß ihre „Geduld" auf die Probe gestellt wird, zeigen u.a. folgende Zahlen, die einen, seiner großen Gewissenhaftigkeit und Geschicklichkeit wegen anhaltend in jener Art beschäftigten Arbeiter betreffen (Tabelle VI). Die obersten Reihen ergeben zunächst, daß dieser Arbeiter auf seinen beiden Stühlen 90 ' in 17 Monaten 15 Ketten Wechsel, darunter 9 Sorten Wechsel, erlebte, und dabei - insofern die Akkorddifferenz ein annäherungsweiser Ausdruck der Schwierigkeitsdifferenzen ist Schwankungen der Schwierigkeit der Arbeit um mehr als das 2!/2fache. Unter den 16 Ketten der Arbeitszeit waren zum mindesten 3 ganz schlechte (teils des Materials, teils mangelhaften Schlichtens wegen), und noch mehrere andere waren, wie die Zahl der notierten Fehler trotz der notorischen Sorgfalt des Arbeiters zeigt, übernormal schwierig. Überdies hatte der Arbeiter eine ungewöhnlich feine 90> Die Überweisung eines temporär verwaisten dritten Stuhles in der Periode der A 521 höchsten Konjunktur - Juli 1907 - darf hier als eine bloße Episode vernachlässigt werden: der Arbeiter verdiente zwar, wie man sieht, in diesem Monat nicht unbeträchtlich mehr als in den andern, und ebenso stieg die nackte Meterleistung pro Tag, aber der Grad der Maschinenausnutzung und die Qualität des Produktes gingen so stark herunter - bei überdies bestehender Gefahr der Überanstrengung des Arbeiters, wie sie wohl auch in dem Collaps des folgenden Monats hervortritt - daß dies der einzige Fall im Betriebe geblieben ist. |

Zur Psychophysik der industriellen Arbeit

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= sä g J £ 8> Emil Kraepelins experimentalpsychologischen Versuchen zur Arbeitskurve in Heidelberg. Imbert, Armand ( 1 8 5 0 - 1 9 2 2 ) . Professor an der Fakultät für Medizin der Universität Montpellier. Arbeiten zur Gewerbehygiene. Inaudi, Jacobo ( 1 3 . 1 0 . 1 8 6 7 - ? ) . Italienischer Rechenkünstler. Er wurde bereits als 11 jähriger auf einer Tournee in Paris vorgeführt, wo er mit Gedächtnis- und Zahlenspielen verblüffte. Seine Fertigkeit bei Zahlen- und Rechenoperationen wurde als Leistung seines außerordentlichen Zahlengedächtnisses bewertet, dagegen sprachen ihm die Psychologen seiner Zeit eine besondere mathematische Begabung und logisches Verständnis ab.

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Personenverzeichnis

Jaffe, Edgar (14.5. 1 8 6 6 - 2 9 . 4 . 1921). Kaufmann und Nationalökonom. 1 8 8 8 - 9 8 als Kaufmann tätig; 1902 Promotion, 1904 Habilitation und 1909 a.o. Professorin Heidelberg, 1910 o. Professor für Geld- und Kreditwesen an der Handelshochschule in München; November 1918-Februar 1919 Finanzminister von Bayern. 1904 Erwerb des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, das er zusammen mit Werner Sombart und Max Weber herausgab. Jeidels, Otto ( 1 3 . 3 . 1 8 8 2 - 1 6 . 6 . 1 9 4 7 ) . Nationalökonom. Er promovierte bei den Nationalökonomen Max Sering und - > Gustav Schmoller über das Verhältnis der deutschen Großbanken zur Industrie. Kemsies, Ferdinand ( 2 5 . 5 . 1 8 5 9 - 1 9 0 9 ) . Psychologe und Pädagoge; Oberlehrerin Berlin. Gründer und zeitweiliger Herausgeber der Zeitschrift für Psychologie. Er führte Ermüdungsmessungen bei Schulkindern durch. Kraepelin, Emil ( 1 5 . 2 . 1 8 5 6 - 7 . 1 0 . 1 9 2 6 ) . Psychiater. 1878 Promotion in Würzburg, 1883 Habilitation an der Universität Leipzig, 1886 o. Professor für Psychiatrie in Dorpat, 1891 o. Professor in Heidelberg, wo er an der Psychiatrischen Klinik der Universität ein experimentalpsychologisches Laboratorium einrichtete; von 1903 bis zu seiner Emeritierung 1922 war er o. Professor in München. 1917 begründete er die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie in München. Lamarck, Jean Baptiste ( 1 . 8 . 1 7 4 4 - 1 8 . 1 2 . 1 8 2 9 ) . Naturforscher und Philosoph. Arbeiten zur stammesgeschichtlichen Entwicklung der Lebewesen; er erklärte die Veränderung von Arten durch den Gebrauch bzw. Nichtgebrauch von Organen und nahm die Vererblichkeit von funktionell erworbenen Eigenschaften an. Levenstein, Adolf (14.4. 1 8 7 0 - 2 9 . 1 2 . 1942). Herkunft, Ausbildung im Beruf sind unbekannt. Er führte ab 1907 eine sozialpsychologische Enquete in der Arbeiterschaft verschiedener Industrieregionen durch; Max Weber stand in diesem Zusammenhang mit ihm in Kontakt. In seinen späteren Lebensjahren völlig verarmt, starb er als Deportierter in Theresienstadt. Mestre, ? ( ? - ? ) . Französischer Departement-Gewerbeaufsichtsbeamter im Herault. Er arbeitete mit —» Armand Imbert an gewerbehygienischen Untersuchungen über die Auswirkungen schwerer körperlicher Arbeit. Meumann, Ernst (29.8. 1 8 6 2 - 2 6 . 4 . 1915). Psychologe und Pädagoge. 1891 Promotion in Tübingen, 1892 Assistent bei —> Wilhelm Wundt, 1897 a.o. Professor, 1900 o. Professor in Zürich, 1905 in Königsberg, 1907 in Münster, 1909 in Halle, 1910 in Leipzig und ab 1911 in Hamburg. Er gilt als der Begründer der experimentellen Pädagogik. Mosso, Angelo (30.5. 1 8 4 6 - 2 4 . 1 1 . 1910). Physiologe. Ab 1876 Professor in Turin. Arbeiten zum Blutkreislauf und exakte Untersuchungen zur Muskelermüdung mit dem 1884 von ihm erstmals konstruierten Ergographen. Müller, Georg Elias ( 2 0 . 7 . 1 8 5 0 - 2 3 . 1 2 . 1 9 3 4 ) . Psychologe. Professor in Czernowitz und ab 1881 in Göttingen. Arbeiten über das Gedächtnis. Münsterberg, Hugo (1.7. 1 8 6 3 - 1 6 . 1 2 . 1916). Psychologe und Philosoph. 1885 Promotion zum Dipl.phil. und 1887 zum Dr. med. in Leipzig, 1887 Habilitation, 1891 a.o. Professor für Psychologie in Freiburg, 1 8 9 2 - 1 8 9 5 Gastprofessor an der Harvard-University, an

Personenverzeichnis

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der er ab 1897 bis zu seinem Tode o. Professor für Psychologie war; er wurde der Leiter des von William James begründeten psychologischen Labors der Harvard-University. Er war an der Organisation des Internationalen Gelehrtenkongresses anläßlich der Weltausstellung in St. Louis 1904 beteiligt. Münsterberg gilt als einer der Begründer der angewandten Psychologie, insbesondere der Arbeits- und Betriebspsychologie, der von ihm sog. „Psychotechnik". Pentschew, Christo ( 1 2 . 1 0 . 1 8 7 5 - ? ) . Bulgarischer Psychologe. Er promovierte mit einer experimentalpsychologischen Arbeit über Lerntechniken. Pieraccini, Gaetano ( 1 8 6 4 - ? ) . Italienischer Arzt und Gewerbehygieniker. Ranke, Johannes ( 2 3 . 8 . 1 8 3 6 - 2 6 . 7 . 1 9 1 6 ) . Physiologe und Anthropologe. 1886 Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls für Anthropologie. Arbeiten zur allgemeinen und Nervenphysiologie, zur physischen Anthropologie, besonders über Schädelformen. Roth, Emanuel (14.10. 1 8 5 0 - 1 9 1 7 ) . Arzt und Gewerbehygieniker; Medizinalbeamter in Potsdam. Schmoller, Gustav (seit 1908) von (24.6. 1 8 3 8 - 2 7 . 6 . 1917). Nationalökonom. 1861 Promotion in Tübingen, 1864 etatmäßiger a.o. Professor für Staatswissenschaft, 1865 o. Professor in Halle, 1872 in Straßburg, 1 8 8 2 - 1 9 1 2 o. Professor in Berlin. Vertreter der historischen Schule der Nationalökonomie, Gründungsmitglied und seit 1890 langjähriger Vorsitzender des Vereins für Sozialpolitik; er war in dieser Funktion auch an der Leitung der Erhebung Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie beteiligt. Seashore, Carl Emil (28.1. 1 8 6 6 - 1 6 . 1 0 . 1949). Amerikanischer Psychologe. Er richtete ein experimentalpsychologisches Labor am College in Iowa ein und arbeitete u.a. zur pädagogischen Psychologie. 1910 einer der Gründer des Journal of Educational Psychology. Er kritisierte den methodischen Ansatz der experimentalpsychologischen Versuche zur Arbeitskurve von - » Emil Kraepelin. Semon, Richard ( 2 2 . 8 . 1 8 5 9 - 2 7 . 1 2 . 1 9 1 8 ) . Zoologe und Vererbungstheoretiker. Sorer, Richard ( 8 . 3 . 1 8 8 3 - 9 . 9 . 1 9 1 4 ) . Österreichischer Nationalökonom und Statistiker. Tätig als Finanzbeamter und Wirtschaftsstatistiker, Mitarbeiter an der Enquete des Vereins für Sozialpolitik Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. Specht, Wilhelm ( 1 8 7 4 - ? ) . Arzt und Psychologe. Stern, William (29.4.1871 - 2 7 . 3 . 1 9 3 8 ) . Psychologe und Philosoph. Seit 1907 o. Professor für Psychologie in Breslau, von 1 9 1 6 - 1 9 3 3 in Hamburg. Er arbeitete auf den Gebieten der Differentiellen Psychologie sowie der pädagogischen und Kinderpsychologie und gilt mit -»• Hugo Münsterberg als einer der Begründer der angewandten Psychologie. Stirner, Max (eigentl.: Johann Kaspar Schmidt) ( 2 5 . 1 0 . 1 8 0 6 - 2 5 . 6 . 1 8 5 6 ) . Lehrer, Privatgelehrter und Journalist. 1 8 2 6 - 2 8 Studium der Theologie und Philosophie in Berlin, Erlangen und Königsberg. Begründer des philosophischen Systems eines extremen Individualismus. Er lebte völlig verarmt in Berlin.

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Vannod, T h é o d o r e ( 1 8 7 0 - J a n . 1938). Schulhygieniker und Bakteriologe. S t u d i u m und Promotion in Bern; Privatdozent an der Universität in Bern. Vogt, Ragnar ( 1 8 7 0 - 1 9 4 3 ) . N o r w e g i s c h e r Psychiater. Zeitweilig Mitarbeiter v o n —> Emil Kraepelin in Heidelberg. Volkmann, Alfred Wilhelm ( 1 . 7 . 1 8 0 0 - 2 1 . 4 . 1 8 7 7 ) . Naturforscher und Physiologe. 1828 Habilitation und 1 8 3 4 Professor für Z o o t o m i e in Leipzig, 1 8 3 7 Professor für Physiologie in Dorpat, 1843 in Halle. Voss, Georg v o n ( 1 8 7 2 - ? ) . Nervenarzt. 1 8 9 6 - 1 8 9 8 Mitarbeiter v o n —> Emil Kraepelin in Heidelberg, anschließend Tätigkeit als Nervenarzt. 1907 Habilitation, ab 1911 Dozent an der Medizinischen A k a d e m i e in Düsseldorf, 1923 a.o. P r o f e s s o r . Wagner, Ludwig (verm. 1 8 4 6 - ? ) . Arzt und Lehrer. Er unterrichtete einige Zeit an e i n e m G y m n a s i u m in Darmstadt und führte 1 8 9 5 / 9 6 E r m ü d u n g s m e s s u n g e n an Schülern durch. Waxweiler, Emile ( 2 2 . 5 . 1 8 6 7 - 2 7 . 6 . 1 9 1 6 ) . Soziologe und Statistiker. Er übernahm die Leitung d e s v o n d e m Industriellen Ernest Solvay 1902 g e g r ü n d e t e n Institut de Sociologie in Brüssel. Weber, Alfred ( 3 0 . 7 . 1 8 6 8 - 2 . 5 . 1 9 5 8 ) . Nationalökonom, Soziologe. 1897 Promotion bei - » Gustav Schmoller in Berlin, 1 8 9 9 Habilitation für Nationalökonomie in Berlin, 1904 o. P r o f e s s o r i n Prag, 1 9 0 8 - 1 9 3 3 und 1 9 4 5 - 1 9 5 5 0. P r o f e s s o r i n Heidelberg, ab 1 9 2 6 auch für Soziologie. Seit 1899 Mitglied im Verein für Sozialpolitik und z u s a m m e n mit Heinrich Herkner und Gustav Schmoller Leiter der V e r e i n s e r h e b u n g Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. Bruder v o n Max Weber. Weismann, A u g u s t ( 1 7 . 1 . 1 8 3 4 - 5 . 1 1 . 1914). Naturforscher und Z o o l o g e . Inhaber d e s ersten Lehrstuhls für Zoologie in Freiburg. Er lehnte die - » Lamarcksche Theorie v o n der Vererbung e r w o r b e n e r Eigenschaften ab und hob die B e d e u t u n g der Selektion als ents c h e i d e n d e n Evolutionsfaktor hervor. Weygandt, lin an der Würzburg, richsberg,

Wilhelm ( 1 8 7 0 - 1 9 3 9 ) . Psychiater. 1 8 9 7 - 1 8 9 9 Assistent v o n - » Emil KraepeHeidelberger Klinik, 1899 Habilitation für Psychiatrie, 1 9 0 4 a.o. Professor in 1 9 0 8 Berufung nach H a m b u r g als Direktor der Staatskrankenanstalt Fried1909 o. Professor an der Universität Hamburg.

Wundt, Wilhelm ( 1 6 . 8 . 1 8 3 2 - 3 1 . 8 . 1920). Psychologe und Philosoph. 1857 Habilitation für Physiologie und 1864 a.o. Professor an der Universität Heidelberg, 1874 o. Professor für induktive Philosophie in Zürich, 1 8 7 5 - 1 9 1 7 für Philosophie in Leipzig. Er gründete 1879 in Leipzig das erste Institut für experimentelle Psychologie. Ziehen, T h e o d o r ( 1 2 . 1 1 . 1 8 6 2 - 2 9 . 1 2 . 1950). Psychiater und Philosoph. 1 8 8 7 Privatdozent für Psychiatrie und Neuropathologie und 1 8 9 2 a.o. Professor für Psychiatrie in Jena, 1900 o. Professor in Utrecht, 1903 in Halle, 1904 in Berlin; 1917 o. Professor für Philosophie in Halle.

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur In Klammern stehen die vom Editor benutzten Kurztitel

Abbe, Ernst, Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Verkürzung des industriellen Arbeitstages, in: ders., Sozialpolitische Schriften (Gesammelte Abhandlungen, Band 3: Vorträge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhaltes). - Jena: Fischer 1906, S. 2 0 3 - 2 4 9 . (Abbe, Arbeitstag) Aschaffenburg, Gustav, Praktische Arbeit unter Alkoholwirkung, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, B a n d l , Heft4, 1896, S. 6 0 8 - 6 2 6 . (Aschaffenburg, Alkoholwirkung) Awramoff, Dobri, Arbeit und Rhythmus. Der Einfluß des Rhythmus auf die Quantität und Qualität geistiger und körperlicher Arbeit, mit besonderer Berücksichtigung des rhythmischen Schreibens, in: Philosophische Studien, hg. von Wilhelm Wundt, Band 18, Heft4,1903, S. 5 1 5 - 5 6 2 . (Awramoff, Arbeit) Baldwin, James Mark, Types of Reaction, in: Psychological Review, Vol. 2,1895, S. 2 5 9 - 2 7 3 . (Baldwin, Types) Bericht über den XIV. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie, Berlin 2 3 . - 2 9 . September 1907, 4 Bände. - Berlin: August Hirschwald 1908. (Hygiene-Kongreß) Bernays, Marie, Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. Dargestellt an den Verhältnissen der „Gladbacher Spinnerei und Weberei" A.-G. zu München-Gladbach im Rheinland (Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie. Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 133). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910. (Bernays, Auslese) - , Berufsschicksale moderner Industriearbeiter, in: Die Frau, hg. von Helene Lange, 18. Jg., 1910, S. 1 2 9 - 1 3 6 und S . 2 1 0 - 2 1 5 . (Bernays, Berufsschicksale) Bernhard, Ernst, Höhere Arbeitsintensität bei kürzerer Arbeitszeit, ihre personalen und technisch-sachlichen Voraussetzungen (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, hg. von Gustav Schmoller und Max Sering, Heft 138). - Leipzig: Duncker & Humblot 1909. (Bernhard, Arbeitsintensität) Bernhard, Ludwig, Handbuch der Löhnungsmethoden. Eine Bearbeitung von David F. Schloß, Methods of Industrial Remuneration. - Leipzig: Duncker & Humblot 1906. (Bernhard, Handbuch)

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Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

Bettmann, Siegfried, Über die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch körperliche und geistige Arbeit, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 1, Heft 1,1895, S. 1 5 2 - 2 0 8 . (Bettmann, Beeinflussung) Bienkowski, Stanislaw von, Untersuchungen über Arbeitseignung und Leistungsfähigkeit der Arbeiterschaft einer Kabelfabrik, in: Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 134). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910, S. 1 - 4 5 . (Bienkowski, Kabelfabrik) Bille-Top, Holger, Nogle Bidrag til den sociale Arbejderstatistik. - Kopenhagen: August Bangs Boghandels Forlag 1904. (Bille-Top, Bidrag) - , Die Verteilung der Unglücksfälle der Arbeiter auf die Wochentage und die Tagesstunden, in: Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege, 27. Jg., 1908, S. 1 9 7 - 1 9 9 . (Bille-Top, Unglücksfälle) Böhme, Margarethe (Hg.), Tagebuch einer Verlorenen. Von einer Toten. Berlin: Fontane & Co. 1905. (Böhme, Tagebuch) Bolton, Thaddeus L., Rhythm, in: The American Journal of Psychology, ed. by Stanley Hall, Vol. VI, No. 2,1894, S. 1 4 5 - 2 3 8 . (Bolton, Rhythm) - , Über die Beziehungen zwischen Ermüdung, Raumsinn der Haut und Muskelleistung, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band4, Heft2, 1902, S. 1 7 5 - 2 3 4 . (Bolton, Muskelleistung) Brentano, Lujo, Über das Verhältnis von Arbeitslohn und Arbeitszeit zur Arbeitsleistung, 2. Aufl. - Leipzig: Duncker & Humblot 1893. (Brentano, Arbeitslohn) Breuer, Joseph und Freud, Sigmund, Studien über Hysterie. - Wien: F. Deuticke 1895. (Breuer, Freud, Hysterie) Broca, André und Richet, Charles, De quelques conditions du travail musculaire chez l'homme. Etudes ergométriques, in: Archives de Physiologie Normale et Pathologique, 30. année, tome 10, 5. série, No. 2, 1898, S. 2 2 5 - 2 4 0 . (Broca und Richet, Conditions) Bücher, Karl, Arbeit und Rhythmus (Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch-historische Classe, Band 17, Nr. 5). - Leipzig: S. Hirzel 1896. (Bücher, Arbeit) Cookson, C. J. Wentworth, The Crisis in British Industry: A Suggestion and a warning, in: The Empire Review, Vol. II, 1902, S. 7 5 7 - 7 6 8 . (Cookson, Suggestion)

Verzeichnis der von Max Weber zitierten

Literatur

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Diem, Otto, Die psycho-neurotische erbliche Belastung der Geistesgesunden und der Geisteskranken, in: Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie, red. von Alfred Ploetz, Band 2, Heft 2 und 3,1905, S. 2 1 5 - 2 5 2 und 3 3 6 - 3 6 8 . (Diem, Belastung) Du Bois-Reymond, René, Specielle Muskelphysiologie oder Bewegungslehre. - Berlin: August Hirschwald 1903. (Du Bois-Reymond, Muskelphysiologie) Ebbinghaus, Hermann, Grundzüge der Psychologie. - Leipzig: Veit und Comp. 1902. (Ebbinghaus, Psychologie) - , Abriß der Psychologie. - Leipzig: Veit und Comp. 1908. (Ebbinghaus,

Abriß)

Ebert, Ernst und Meumann, Ernst, Über einige Grundfragen der Psychologie der Übungsphänomene im Bereich des Gedächtnisses, zugleich ein Beitrag zur Psychologie der formalen Geistesbildung: A. Untersuchung der Wirkung einseitig mechanischer Übung auf die Gesamtgedächtnisfunktion. B. Über ökonomische Lernmethoden, in: Archiv für die gesamte Psychologie, hg. von Ernst Meumann, Band 4, Heft 1 und 2 , 1 9 0 4 , S. 1 - 2 3 2 . (Ebert und Meumann, Grundfragen) Eisner, Wilhelm, Die Ermüdung durch Berufsarbeit, in: Bericht über den XIV. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie, Berlin 2 3 . - 2 9 . September 1907, Band 2. - Berlin: August Hirschwald 1908, S. 5 7 3 - 5 9 2 . (Eisner, Ermüdung) Elliott, E. B., On the Military Statistics of the United States of America, in: Rechenschaftsbericht über die fünfte Sitzungsperiode des internationalen statistischen Congresses in Berlin vom 4 . - 1 2 . September 1863, Band 2. - Berlin: Königlich Geheime Ober-Hofbuchdruckerei 1865, S. 7 1 5 - 7 4 0 . (Elliott, Statistics) Ephraim, Hugo, Organisation und Betrieb einer Tuchfabrik, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, hg. von Karl Bücher, 61. Jg., 1905, S. 5 9 3 - 6 3 4 . (Ephraim, Organisation) Fechner, Gustav Theodor, Über den Gang der Muskelübung, in: Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Mathematisch-Physische Classe, Band 9. - Leipzig: S. Hirzel 1857, S. 1 1 3 - 1 2 0 . (Fechner, Muskelübung) - , Beobachtungen, welche zu beweisen scheinen dass durch die Übung der Glieder der einen Seite die der anderen zugleich mit geübt werden, in: Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Mathematisch-Physische Classe, Band 10. - Leipzig: S. Hirzel 1858, S. 7 0 - 7 6 . (Fechner, Beobachtungen)

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Verzeichnis der von Max Weber zitierten

Literatur

Flournoy, Theodor, Observations sur quelques types de réaction simple. - Genf: Ch. Eggimann & Cie. 1896. (Flournoy, Observations) Fromont, Louis G., Une expérience industrielle de réduction de la journée de travail (Travaux de l'Institut de Sociologie: Actualités sociales, No. 10). - Brüssel, Leipzig: Misch et Thron 1906. (Fromont, Expérience) Geissler, Arthur und Uhlitzsch, Richard, Die Größenverhältnisse der Schulkinder im Schulinspektionsbezirk Freiberg, in: Zeitschrift des königlich sächsischen statistischen Bureaus, Jg. 34, 1888, S. 2 8 - 4 0 . (Geissler und Uhlitzsch, Schulkinder) Gerson, Adolf, Die physiologischen Grundlagen der Arbeitsteilung. Ein gewerbphysiologischer Versuch, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, hg. von Julius Wolf, 10. Jg., 1907, S. 5 2 5 - 5 4 2 , 6 1 4 - 6 2 9 , 6 7 6 - 6 8 1 und 7 3 6 - 7 6 3 . (Gerson, Arbeitsteilung) Gould, Benjamin Apthorp, Investigations in the military and anthropological statistics of American soldiers, published by the United States Sanitary Comission (Sanitary memoirs of the War of the Rebellion). - New York: Hurd and Houghton 1869. (Gould, Investigations) Griesbach, Hermann, Über Beziehungen zwischen geistiger Ermüdung und Empfindungsvermögen der Haut. Schulhygienische Untersuchungen, in: Archiv für Hygiene, hg. von H. Buchner u.a., Band24, Heft2, 1895, S. 1 2 4 - 2 1 2 . (Griesbach, Ermüdung) Hauck, Karl, Internationale Krankheitsstatistik, in: Zeitschrift für Gewerbehygiene, Unfallverhütung und Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen, 12. Jg., Nr. 2 0 - 2 2 , 1905, S. 5 7 6 - 5 7 9 , 6 1 0 - 6 1 2 und 6 3 8 - 6 4 0 . (Hauck, Krankheitsstatistik) Heilig, Gerhard, Fabrikarbeit und Nervenleiden, in: Medizinische Reform. Wochenschrift für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik, hg. von Rudolf Lennhoff, 16. Jg., 1908, Nr. 31 und 33, S. 3 6 9 - 3 7 1 und 3 9 4 - 3 9 7 . (Heilig, Fabrikarbeit) Hellpach, Willy, Die Grenzwissenschaften der Psychologie. - Leipzig: Verlag der Dürr'schen Buchhandlung 1902. (Hellpach, Psychologie) - , Grundlinien einer Psychologie der Hysterie. - Leipzig: Engelmann 1904. (Hellpach, Hysterie) - , Unbewusstes oder Wechselwirkung. Eine Untersuchung über die Denkmöglichkeit der psychologischen Deutungsprinzipien, in: Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, hg. von Hermann Ebbinghaus und W. A. Nagel, Abteilung I. Zeitschrift für Psychologie, Band 48, 1908, S. 2 3 8 - 2 5 8 und 321 - 3 8 4 . (Hellpach, Wechselwirkung)

Verzeichnis der von Max Weber zitierten

Literatur

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Henry, Charles, La mesure des capacités intellectuelle et énergétique. Notes d'analyse statistique (Travaux de l'Institut de Sociologie: Notes et Mémoires, No. 6 ) . - B r ü s s e l , Leipzig: Misch et Thron 1906. (Henry, Mesure) Herkner, Heinrich, Die Bedeutung der Arbeitsfreude in Theorie und Praxis der Volkswirtschaft, in: Jahrbuch der Gehe-Stiftung zu Dresden, Band 12 (Neue Zeit- und Streitfragen, 3. Jg., 1. Heft) 1905, S. 3 - 3 6 . (Herkner, Arbeitsfreude) - , Die Arbeiterfrage, 5. Aufl. - Berlin: J. Guttentag 1908. (Herkner, ge)

Arbeiterfra-

- , Arbeitszeit, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Band 1, 3. Aufl. Jena: Fischer 1909, S. 1191 - 1 2 2 0 . (Herkner, Arbeitszeit) - , Rezension von: Aus der Tiefe. Arbeiterbriefe, von Adolf Levenstein, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, Band33, Heft3, 1909, S. 1 3 3 2 - 1 3 3 5 . (Herkner, Rezension) Heüman, Gustaf, Über die Beziehungen zwischen Arbeitsdauer und Pausenwirkung, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 4, Heft 4,1904, S. 5 3 8 - 6 0 2 . (Heüman, Arbeitsdauer) Hylan, John P. und Kraepelin, Emil, Über die Wirkung kurzer Arbeitszeiten, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 4, Heft3, 1902, S. 4 5 4 - 4 9 4 . (Hylan und Kraepelin, Arbeitszeiten) Imbert, Armand, De la mesure du travail musculaire dans les professions manuelles, in: Rapport au Congrès international d'hygiène alimentaire, Paris 1906, S. 6 2 2 - 6 4 2 . (Imbert, Mesure) - , L'étude scientifique expérimentale du travail professionel, in: L'Année Psychologique, éd. par H. Beaunis et Alfred Binet, 1907, S. 2 4 5 - 2 5 9 . (Imbert, Etude) - , Le surmenage par suite du travail professionel, in: Bericht über den XIV. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie, Berlin 2 3 . - 2 9 . September 1907, Band 2. - Berlin: August Hirschwald 1908, S. 6 3 3 - 6 4 6 . (Imbert, Surmenage) Imbert, Armand und Mestre, Recherches sur la manoeuvre du Cabrouet et la fatigue qui en résulte, in: Le Bulletin de l'Inspection du travail, No. 5, 1905. (Imbert und Mestre, Fatigue) Jeidels, Otto, Die Methoden der Arbeiterentlöhnung in der rheinisch-westfälischen Eisenindustrie (Untersuchungen über die Entlöhnungsmethoden der deutschen Eisen- und Maschinenindustrie, hg. von Gustav Schmoller u.a., Heft 6). - Berlin: Simion 1907. (Jeidels, Methoden)

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Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

Joteyko, Josefa, Entraînement et fatigue au point de vue militaire, avec une préface de Charles Richet (Travaux de l'Institut de Sociologie: Actualités sociales, No. 5). - Brüssel, Leipzig: Misch et Thron 1905. (Joteyko, Entraînement) - , Revue générale sur la fatigue musculaire, in: L'Année Psychologique, éd. par Alfred Binet, 5. année, 1898, S. 1 - 5 4 . (Joteyko, Revue) Kemsies, Ferdinand, Arbeitshygiene der Schule auf Grund von Ermüdungsmessungen (Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der pädagogischen Psychologie und Physiologie, hg. von Hermann Schiller und Theodor Ziehen, Band 2, Heft 1). - Berlin: Reuther & Reichard 1898. (Kemsies, Arbeitshygiene) Koller, Jenny, Beitrag zur Erblichkeitsstatistik der Geisteskranken im Canton Zürich; Vergleichung derselben mit der erblichen Belastung gesunder Menschen durch Geistesstörungen u.dergl., in: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, red. von Friedrich Jolly, Band 27, Heft 1,1895, S. 2 6 8 - 2 9 4 . (Koller, Erblichkeitsstatistik) Kraepelin, Emil, Der psychologische Versuch in der Psychiatrie, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, B a n d l , Heft 1, 1895, S. 1 - 9 1 . (Kraepelin, Versuch) - , Die Arbeitscurve, in: Philosophische Studien, Band 19 (Festschrift für Wilhelm Wundt, Teil 1 ), 1902, S. 4 5 9 - 5 0 7 . [Auch als Sonderabdruck erschienen: Kraepelin, Emil, Die Arbeitscurve. - Leipzig: Wilhelm Engelmann 1902]. (Kraepelin, Arbeitscurve) - , Über Ermüdungsmessungen, in: Archiv für die gesamte Psychologie, hg. von Ernst Meumann, B a n d l , Heft 1, 1903, S . 9 - 3 0 . (Kraepelin, Ermüdungsmessungen) - , Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte, 2 Bände, 7. Aufl. Leipzig: Johann Ambrosius Barth 1903/04. (Kraepelin, Psychiatrie) - » a u c h : Hylan und Kraepelin, Oseretzkowsky und Kraepelin Leubuscher, Paul und Bibrowicz, Wenzeslaw, Die Neurasthenie in Arbeiterkreisen, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift, hg. von J. Schwalbe, Jg.31, Nr. 21,1905, S. 8 2 0 - 8 2 4 . (Leubuscher und Bibrowicz, Neurasthenie) Levenstein, Adolf (Hg.), Aus der Tiefe. Arbeiterbriefe. Beiträge zur SeelenAnalyse moderner Arbeiter.-Berlin: Morgen-Verlag 1909. (Levenstein, Aus der Tiefe) - (Hg.), Die Lebens-Tragödie eines Tagelöhners, von Georg Meyer, mit Vorwort von Adolf Levenstein. - Berlin: E. Frowein, Auslieferung: Morgen-Verlag 1909. (Levenstein, Lebens-Tragödie)

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- (Hg.), Arbeiter-Philosophen und -Dichter. Band 1, Blech-, Berg-, Metall- und Textilarbeiter, Sticker, Handschuhmacher, Bäcker, Buchdrucker, Weberinnen, Dienstmädchen. - Berlin: E. Frowein, Auslieferung: Morgen-Verlag 1909. (Levenstein, Arbeiter-Philosophen) Lexis, Wilhelm, Anthropologie und Anthropométrie, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Band 1, 3. Aufl. - Jena: Fischer 1909, S. 5 2 3 - 5 4 4 . (Lexis, Anthropologie) Maggiora, Arnoldo, L'influence de l'âge sur quelques phénomènes de la fatigue, in: Archives Italiennes de Biologie, éd. par Angelo Mosso, tome 29, No. 2,1898, S. 2 6 7 - 2 8 6 . (Maggiora, Fatigue) Martius, Götz, Über die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit, in: Philosophische Studien, hg. von Wilhelm Wundt, Band 6, Heft 2, 1890, S. 1 6 7 - 2 1 6 . (Martius, Aufmerksamkeit) Meisner, Hugo, Zur Statistik der Körpergrösse der Schleswiger Wehrpflichtigen, in: Archiv für Anthropologie, hg. von A. Ecker, Ludwig Lindenschmit und Johannes Ranke, Band 14,1883, S. 2 3 5 - 2 5 0 . (Meisner, Statistik) - , Die Körpergrösse der Wehrpflichtigen in Mecklenburg, in: Archiv für Anthropologie, hg. von Ludwig Lindenschmit und Johannes Ranke, Band 19, 1891, S. 3 1 7 - 3 2 9 . (Meisner, Körpergröße) Meyer, Georg, Die Lebens-Tragödie eines Tagelöhners - » Levenstein, Adolf (Hg.), Lebens-Tragödie Miesemer, Karl, Über psychische Wirkungen körperlicher und geistiger Arbeit, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band4, Heft3, 1902, S. 3 7 5 - 4 3 4 . (Miesemer, Wirkungen) Mosso, Angelo, Die Ermüdung. Aus dem Italienischen von J. Glinzer. - Leipzig: S. Hirzel 1892. (Mosso, Ermüdung) Müller, Georg Elias, [Besprechung von] Ebert, Ernst und Ernst Meumann, Über einige Grundfragen der Psychologie der Übungsphänomene im Bereiche des Gedächtnisses. Zugleich ein Beitrag zur Psychologie der formalen Geistesbildung: A. Untersuchung der Wirkung einseitig mechanischer Übung auf die Gesamtgedächtnisfunktion. B. Über ökonomische Lernmethoden. Archiv für die gesamte Psychologie 4 (1/2), 1 - 2 3 2 , 1904, in: Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, hg. von Hermann Ebbinghaus und W. A. Nagel, Band 39, Heft 1 und 2,1905, S. 111 - 1 2 5 . (Müller, Besprechung) Müller, Robert, Über Mosso's Ergographen mit Rücksicht auf seine physiologischen und psychologischen Anwendungen, in: Philosophische Studien, hg. von Wilhelm Wundt, Band 17, Heft 1,1901, S. 1 - 2 9 . (Müller, Ergograph)

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Verzeichnis der von Max Weber zitierten

Literatur

Münk, Immanuel, Physiologie des Menschen und der Säugethiere, 6. Aufl. Berlin: August Hirschwald 1902. (Münk, Physiologie) Oseretzkowsky, Alexis und Kraepelin, Emil, Über die Beeinflussung der Muskelleistung durch verschiedene Arbeitsbedingungen, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 3, Heft 4 , 1 9 0 1 , S. 5 8 7 - 6 9 0 . (Oseretzkowsky und Kraepelin, Arbeitsbedingungen) Pagliani, Luigi, Studi antropometrici sullo sviluppo dell' organismo umano, in: Annali di Statistica. 1878, hg. vom Ministero di Agricoltura, Industria e Commercio, Direzione di Statistica, Serie2a, Vol. II. - Rom: Tipografia Eredi Botta 1878, S. 2 2 8 - 2 3 4 . (Pagliani, Studi) Pentschew, Christo, Untersuchungen zur Ökonomie und Technik des Lernens, in: Archiv für die gesamte Psychologie, hg. von Ernst Meumann, Band 1, Heft4, 1903, S. 4 1 7 - 5 2 6 . (Pentschew, Untersuchungen) Pieraccini, Gaetano, Die Arbeitskurve bei körperlicher und geistiger Arbeit, in: Verhandlungen des 1. Internationalen Kongresses für Gewerbekrankheiten. Mailand 1906. (Pieraccini, Arbeitskurve) Querton, Louis, L'augmentation du rendement de la machine humaine (Travaux de l'lnstitut de Sociologie: Actualités sociales, No. 6). - Brüssel, Leipzig: Misch et Thron 1905. (Querton, Rendement) Ranke, Johannes, Zur Statistik und Physiologie der Körpergrösse der bayerischen Militärpflichtigen in den 7 rechtsrheinischen Regierungsbezirken nach den Vorstellungslisten der kgl. Ober-Ersatzkommissionen vom Jahre 1875, in: Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, Band 4, Heft 1, 1881, S. 1 - 3 5 . (Ranke, Statistik) - , Der Mensch, 2 Bände. - Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts 1887. (Ranke, Mensch) Roth, Emanuel, Ermüdung durch Berufsarbeit, in: Bericht über den XIV. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie, Berlin 2 3 . - 2 9 . September 1907, Band 2 . - B e r l i n : August Hirschwald 1908, S . 5 9 3 - 6 2 5 . (Roth, Berufsarbeit) Schönhals, Paul, Über die Ursachen der Neurasthenie und Hysterie bei Arbeitern. - Berlin: G. Schade 1906. (Schönhals, Neurasthenie) Schultze, Ernst, Stirner'sche Ideen in einem paranoischen Wahnsystem, in: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Band 36, Heft 3, 1903, S. 7 9 3 - 8 1 8 . (Schultze, Ideen)

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

441

Schweizerische Statistik, hg. vom Statistischen Bureau des eidgenössischen Departements des Inneren. - Bern: Füssli & Co. - L i e f e r u n g 62 von 1885: Resultate der Ärztlichen Rekrutenuntersuchung im Herbste 1884; - L i e f e r u n g 65 von 1886: Resultate der Ärztlichen Rekrutenuntersuchung im Herbste 1885; - L i e f e r u n g 68 von 1887: Resultate der Ärztlichen Rekrutenuntersuchung im Herbste 1886. (Schweizerische Statistik) Seashore, Carl Emil, The Experimental Study of Mental Fatigue, in: The Psychological Bulletin, Vol. I, No. 4,1904, S. 9 7 - 1 0 1 . (Seashore, Mental Fatigue) Sorer, Richard, Auslese und Anpassung in einer Wiener Maschinenfabrik, in: Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 135, Teil 1 ). - Leipzig: Duncker & Humblot 1911, S. 1 5 3 - 2 5 7 . (Sorer, Maschinenfabrik) Sormani, Giuseppe, Relazione medica sulle condizioni sanitarie dell' esercito italiano nell' anno 1876, compilata dal Comitato di sanità militare, in: Annali di Statistica. 1878, hg. vom Ministero di Agricoltura, Industria e Commercio, Direzione di Statistica, Serie2a, Vol. II. - Rom: Tipografia Eredi Botta 1878, S. 2 4 - 3 4 . (Sormani, Relazione) Specht, Wilhelm, Intervall und Arbeit. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß des durch akustische Reize begrenzten Intervalls auf den zeitlichen und formalen Verlauf körperlicher Arbeitsverrichtung, in: Archiv für die gesamte Psychologie, hg. von Ernst Meumann, Band 3, Heft 1, 1904, S. 1 - 3 2 . (Specht, Intervall) Stern, William, Über Psychologie der individuellen Differenzen (Ideen zu einer „differentiellen Psychologie") (Schriften der Gesellschaft für Psychologische Forschung, Heft 12).-Leipzig: J.A. Barth 1900. (Stern, Psychologie) Strohmayer, Wilhelm, Über die Bedeutung der Individualstatistik bei der Erblichkeitsfrage in der Neuro- und Psychopathologie, in: Münchener Medicinische Wochenschrift, red. von B. Spatz, Nr. 45 und 46, 48. Jg., 1901, S. 1 7 8 6 - 1 7 8 9 und 1 8 4 2 - 1 8 4 4 . (Strohmayer, Erblichkeitsfrage) - , Ziele und Wege der Erblichkeitsforschung in der Neuro- und Psychopathologie, in: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin, hg. von Hans Laehr, Band 61,1904, S. 3 5 5 - 3 6 9 . (Strohmayer, Erblichkeitsforschung) Swift, Edgar J., Memory of Skillful Movements, in: The Psychological Bulletin, ed. by J. Mark Baldwin and Howard C. Warren, Vol. III, No. 6,1906, S. 1 8 5 - 1 8 7 . (Swift, Memory)

442

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

Tarchanoff, Jean de, Influence de la musique sur l'homme et sur les animaux, in: Atti dell'XI Congresso Medico Internazionale, Roma, 29. Marzo - 5. Aprile 1894, Bandii. - Rom: Tipografia della Camera dei Deputati, Ripamonti e Colombo 1894, S. 1 5 3 - 1 5 7 . (Tarchanoff, Influence) Thierfelder, Hans, Felix Hoppe-Seyler's Handbuch der Physiologisch- und Pathologisch-chemischen Analyse für Ärzte und Studirende, 7. Aufl. - Berlin: August Hirschwald 1903. (Thierfelder, Handbuch) Tigges, Wilhelm, Die Abnormitäten der Aszendenz in Beziehung zur Deszendenz, in: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin, hg. von Hans Laehr, Band 64, Heft6, 1907, S. 8 9 1 - 9 3 4 . (Tigges, Abnormitäten) - , Untersuchungen über die erblich belasteten Geisteskranken, in: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin, hg. von Hans Laehr, Band 64, H e f t l , 1907, S. 1 - 4 7 . (Tigges, Untersuchungen) Trêves, Zaccaria, Sur les lois du travail musculaire, in: Archives Italiennes de Biologie, éd. par Angelo Mosso, tome29, No.2, 1898, S. 1 5 7 - 1 7 9 . (Trêves, Travail musculaire) - , Le travail, la fatigue et l'effort, in: L'Année Psychologique, éd. par Alfred Binet, 12. année, 1906, S. 3 4 - 6 9 . (Trêves, Travail) - , Le surmenage par suite du travail professionel, in: Bericht über den XIV. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie, Berlin 2 3 . - 2 9 . September 1907, Band 2. - Berlin: August Hirschwald 1908, S. 6 2 6 - 6 3 2 . (Trêves, Surmenage) Vannod, Théodore, La fatigue intellectuelle et son influence sur la sensibilité cutanée. - Genf: Imprimerie Rey & Malavallon 1896. (Vannod, Fatigue) Vogt, Ragnar, Über Ablenkbarkeit und Gewöhnungsfähigkeit, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 3, Heft 1,1899, S. 6 2 - 2 0 1 . (Vogt, Ablenkbarkeit) Volkmann, Alfred Wilhelm, Versuche über Muskelreizbarkeit, in: Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Mathematisch-Physische Classe, Band 8. - Leipzig: S. Hirzel 1856, S. 1 - 1 0 . (Volkmann, Versuche) Voss, Georg von, Über die Schwankungen der geistigen Arbeitsleistung, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 2, Heft3, 1898, S. 3 9 9 - 4 4 9 . (v. Voss, Schwankungen)

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

443

Washburn, Margaret Floy, Über den Einfluß der Geslchtsassociationen auf die Raumwahrnehmungen der Haut, In: Philosophische Studien, hg. von Wilhelm Wundt, Band 11, Heft2,1895, S. 1 9 0 - 2 2 5 . (Washburn, Raumwahrnehmungen) Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist" des Kapitalismus. I. Das Problem, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hg. von Werner Sombart, Max Weber und Edgar Jaffe, Band 20, Heft 1,1904, S. 1 - 5 4 (MWG I/ 9). (Weber, Protestantische Ethik I) - , Die protestantische Ethik und der „Geist" des Kapitalismus. II. Die Berufsidee des asketischen Protestantismus, ebd., Band 21, Heft 1, 1905, S. 1 - 1 1 0 (MWG I/9). (Weber, Protestantische Ethik II) - , „Energetische" Kulturtheorien. [Rezension zu:] Wilhelm Ostwald, Energetische Grundlagen der Kulturwissenschaft, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hg. von Edgar Jaffe, Band 29, Heft 2, 1909, S. 5 7 5 - 5 9 8 (MWG I/ 12). (Weber, Kulturtheorien) Weygandt, Wilhelm, Über den Einfluss des Arbeitswechsels auf fortlaufende geistige Arbeit, in: Psychologische Arbeiten, hg. von Emil Kraepelin, Band 2, Heft 1,1897, S. 1 1 8 - 2 0 2 . (Weygandt, Arbeitswechsel) Wundt, Wilhelm, Grundzüge der Physiologischen Psychologie, 3 Bände, 5. Aufl. - L e i p z i g : Wilhelm Engelmann 1902/03. (Wundt, Grundzüge) Yerkes, Robert Mearns, Variability of Reaction-time, in: The Psychological Bulletin, hg. von J. Mark Baldwin und Howard C. Warren, Vol. I, No. 5, 1904, S. 1 3 7 - 1 4 6 . (Yerkes, Reaction-time) Ziehen, Theodor, Demonstration (Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften, Gesellschaft der Charite-Ärzte, Sitzung vom 20. Juli 1905), in: Berliner Klinische Wochenschrift, Nr. 40,1905, S. 1 2 8 9 - 1 2 9 1 . (Ziehen, Demonstration)

Verzeichnis der als Varianten zum Edierten Text berücksichtigten Textfassungen Erhebungen über Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie, British Library of Political & Economic Science der London School of Economics and Political Science in London, Misc. 114: Nachlaß Ignaz Jastrow Siehe: Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und schicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie, S. 78-149

Berufsoben,

Brief mit der Anrede „Sehr geehrte Redaktion" vom 24. November 1910, GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Band 6, Bl. 3 - 5 Siehe: [Marie S. 405-408

Bernays

und

die

M. Gladbacher

Arbeiterschaft],

oben,

Unter dem Titel „Die Gladbacher Protestversammlung" abgedruckter Leserbrief im Berliner Tageblatt, Nr. 624 vom 9. Dezember 1910, 4. Beiblatt, FrauenRundschau Siehe: [Marie S. 405-408.

Bernays

und

die

M. Gladbacher

Arbeiterschaft],

oben,

Personenregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.

Abbe, Ernst31f . , 168,246,255,256-259, 292,424,427, 433 Altner, G ü n t e r 34 A m m o n , O t t o 36 Aschaffenburg, Gustav 133,168,230,433 Avenarius, Richard 39 A w r a m o f f , Dobri 178,427, 433 Baldwin, James Mark 184,188, 433,441, 443 B a u m , Marie 156, 402 Beaunis, H . 437 Beck, H e r m a n n 11 Beier, K l a u s 3 8 2 , 3 8 5 f . B e n d a , T h e o d o r 29,221 Berlepsch, H a n s von 412 Bernays, Marie 1,18f., 33, 68, 74f., 143, 250,399-403,405 -408,409-411, 413f., 420,424,427,433 B e r n h a r d , Ernst 380,433 B e r n h a r d , Ludwig 125,433 Bertillon, A l p h o n s e 2 1 9 , 2 2 0 , 4 2 7 B e t t m a n n , Siegfried 167,434 Bibrowicz, Wenzeslaw 236,438 Bierikowski, Stanislaw von 421,427, 434 Bille-Top, Holger 253,269,293,427, 434 Binet, A l f r e d 184,219, 220,427, 437f., 442 Bleuler, Eugen 373 Boese, Franz 7f., 14,63f., 411 B ö h m e , Margarethe 391, 434 B ö h m e r t , Victor 5.Z Bolton, T h a d d e u s Lincoln 167,193,221, 427, 434 Bortkiewicz, Ladislaus von 409,413f., 416, 419-423,428 B r e n t a n o , L u j o 1, 5,10,12f., 21, 32, 64-66, 76,134,152,254,428, 434 B r e u e r , Joseph 373, 434 Broca, A n d r é 167,214, 434 Brock, D i t m a r i Bruch, Rüdiger vom 7 , 1 3 , 1 6 , 5 2

Bücher, KarliO, 32f., 68-71, 178,428, 434f. Buchner, H . 436 Burgerstein, L e o 3 0 , 2 2 1 Buschhüter, August 400

73, 75, 78,

Carus, Victor J. 34 Cattell, James McKenn 219 C a u e r , Minna 400 C o h n , Gustav 10 C o n r a d , Johannes 10,31 Cookson, C. J. Wentworth 272,434 Cromwell, Oliver 379 Cron, Ludwig 218 D a n n , O t t o 12 Darwin, C h a r l e s 3 4 f . , 112, 376 Degkwitz, Rudolf 373 Delbrück, H a n s 10,144,382 D e m m , E b e r h a r d 71 Deutsch, Julius 410 Diamandi, Perikles (Rechenkünstler) 184, 428 D i e m , O t t o 371, 372,435 Dilthey, Wilhelm 39, 42 Dorsch, Friedrich 29 D u Bois-Reymond, R e n é 166,435 Ebbinghaus, Angelika 3 Ebbinghaus, H e r m a n n 23,30, 166 f., 205, 2 2 8 , 4 3 5 f . , 439 E b e r t , Ernst 167,186,190, 191,192, 428, 435, 439 Eckardt, Julius von 7 Ecker, A . 439 E h r e n b e r g , R i c h a r d i s / . , 52,379, 424 Ehrenfels, Christian von 52 Eisner, W i l h e l m 2 3 3 , 2 3 8 , 2 5 3 f . , 255,272, 428,435 Elliott, E . B. 232,435 Elster, Ludwig 31

446

Personenregister

Engels, Friedrich 85 E p h r a i m , H u g o 84,428, 435 Eulenburg, Franz 66 Fechner, Gustav T h e o d o r 2 / -23,167,168, 228,428,435 Ferber, Christian von 2 , 5 4 Fichte, J o h a n n Gottlieb 38 Fischer, K u n o 115 Flournoy, T h e o d o r 185,436 Fontaine, A r t h u r 239,428 F o n t a n e , T h e o d o r 232 Freud, A n n a 43 f . Freud, Sigmund25, 43, 47,156, 373,428, 434 Friedenthal, Margarete 401, 405 f., 428 Friedmann, H . 35 F r o m m e r , Sabine 46,383, 402 F r o m o n t , Louis G . 379,436 Fürstenberg, Friedrich 4 Galenus 108 Gautier, A . 235 Geibels, Carl 68 Geissler, A r t h u r 232,436 G e r s o n , Adolf 98, 99,166f., 182,428, 436 Glinzer, J. 30,167 G n a u c k - K ü h n e , Elisabeth 406 G ö h r e , Paul 144,386 Gorges, I r m e l a 2 / . , 7 Gothein, E b e r h a r d 54 G o t h e i n , Marie Luise 54 Gould, Benjamin A p t h o r p 232,436 Griesbach, H e r m a n n 2 2 0 f . , 428, 436 Gruhle, H a n s W. 25,27,31f., 43,46,53f., 72, 75,154,156f., 160f., 168,172, 429 Haeckel, Ernst 34-36 Haible, Rudolf 19 Hall, Stanley 434 H a r d e n , Maximilian 13 Hartmann, Gustav409,413 H a u c k , Karl 238,436 H e c k m a n n , Friedrich 2 / . Heckscher, Siegfried 66 Hegel, G e o r g Wilhelm Friedrich 40 Heilig, G e r h a r d 103,234,236,429, 436 H e i ß , Clemens 410 Hellpach, Willy 23-26,43, 46, 73,103, 154-156,168,227f.,238,374, 429, 436 Helmholtz, H e r m a n n von 20,57 Henri, Victor 184,219, 220,429

H e n r y , Charles 380,437 Hering, Ewald 112, 429 H e r k n e r , Heinrich 12f., 17-19,32,37,53, 6 6 , 6 7 - 71, 73 - 75, 78,96,134,141,144, 160, 2 5 5 , 3 8 0 , 3 8 2 f . , 386, 391 f.,393, 409-412, 415, 416,429,437 H e ü m a n , Gustaf 168,216,437 H e u ß , T h e o d o r 383,386 Hinrichs, Peter 2—4 H o c h , August 30 H o f f m a n n , J o h a n n 156 H ö p f n e r , L. 30 Hoppe-Seyler, Felix 442 Hylan, John P. 168,174,189,217, 429, 437 Ilberg, G e o r g 2 39 Imbert, A r m a n d 2 3 3 , 2 3 5 , 2 3 9 , 4 2 9 , 4 3 7 Inaudi, Jacobo (Rechenkünstler) 184,429 Jaffe, Edgar 150,153,160f., 382, 393,409, 414, 430, 443 Jaffe, Else45, 71,156 James, William 239 Janzarik, Werner 373 Jaspers, Karl42 —44, 46 Jastrow, Ignaz 75 Jeidels, O t t o 278,430, 437 Jolly, Friedrich 438 Joteyko, Josefa 167,378f., 438 Justinian 164 Kant, I m m a n u e l 2 0 , 40, 57 Karger, Ursula 11 Karski, Isetor 410 Käsler, D i r k 2 , 1 1 Keil, Gundolf 375 K e m p f , Rosa 410 Kemsies, F e r d i n a n d 2 2 0 , 4 3 0 , 438 Kern, Horst 2 Kerschensteiner, Georg 115 Kesten-Conrad, Else 7,63 K n a p p , G e o r g Friedrich 10 K o c h m a n n , Wilhelm 4 Koller, Jenny 372,438 König, A r t u r i O König, R e n e 2 Kraepelin, Emil 6,20,24-32, 46, 49f., 54, 57f., 104,119,121,133,156,157,158, 160,162,165-169,770,171,172, 173-176,183,187-189,191,197-199, 201,212-215,216,217f.,220-226, 2 2 8 - 2 3 0 , 2 3 9 , 2 5 5 f., 293,369f., 372,

Personenregister 373,410, 417,430, 433f.,

437-440,

442f.

Kraus, Siegfried 409, 414 Kroner, Richard 43 Krüger, Felix 24 Külpe, Oswald 24,38 Laehr, Hans 441 f . Lamarck, Jean Baptiste 112, 376,430 Lamprecht, Karl26, 42, 45f. Lange, Friedrich August 57 Lange, Helene 400, 433 Lange,Johannes239 Lazarsfeld, Pauli Lennhoff, Rudolf 456 Lepsius, M. Rainer 2 Leubuscher, Paul 236,438 Levenstein, Adolf 1,17f., 144, 252,280, 293,350,381 -383,385-387,388 -398, 430, 437-439 Lexis, Wilhelm«, 10,15,31, 232,439 Lilienfeld, Paul von 34 Lindenlaub, Dieter 7f., 13-15, 64,425 Lindenschmit, Ludwig 439 Lipps, Theodor 47 Loening, Edgar 31 Lötz, Walther 66/. Lotze, Rudolf Hermann 57 Lutz, Burkart 2/.

447

Müller, Richard 249 Müller, Robert 172,221,439 Müller, Wina 159,249 Münk, Immanuel 166,169,173,181,440 Münsterberg, H u g o 3 , 2 0 , 3 8 f . , 41,239, 430 Nagel, W.A .23,436,439 Naumann, Friedrich 9f., 64,160,383 Neumann, Carl 15 Nietzsche, Friedrich 44,57,383,388 Nissen, Gerhardt373 Nordenholz, Anastasius 35f . Nutzinger, Hans G. 37 Oberschall, Anthony 2/. Oehrn, Axel 121 Oldenberg, Karl 66,68 Oseretzkowsky, Alexis 167 f., 199,440 Ostwald, Wilhelm 155, 380,443 Pagliani, Luigi 232,440 Pentschew, Christo 168,208f., 431, 440 Pieraccini, Gaetano 252,431,440 Plate, Ludwig 35 Ploetz, Alfred 11,35f., 52, 435 Pohle, Ludwig 13f., 16,379 Potthoff, Heinz 65 Querton, Louis 378,440

Maggiora, Arnoldo 167,439 Magnan, Valentin 375 Manegold, Karl-Heinz 13, 425 Martius, Götz 185,439 Marx, Karl 85 Mayr, Georg von 11 Mehlis, Georg 43 Meiner, Felix 13 Meisner, Hugo 232,439 Mestre, ? 235,430,437 Meumann, Ernst24,29f., 115,167,186, 190,191,192, 430, 435, 438-441 Meyer, Georg 385, 388,438f. Miesemer, Karl 167,439 Moede, Walther 4 Morel, Benedict Augustin 375 Morgenstern, Max 410 Mosso, Angelo 30,32,166,167,172,196, 220f.,232, 430, 439, 442 Müller, Bruno 249 Müller, Georg 159f., 249,261f., 291,310 Müller, Georg Elias 167,191,430, 439

Radbruch, Gustav 53 Rade, Martin 386 Radkau, Joachim 26 Raehlmann, Irene 3 Ranke, Johannes 166,170,232,431,439f. R6v6sz, Geza 240 Richet, Charles 167,214,379, 434, 438 Richter, Gustav 212,221 Rickert, Heinrich23,36-39,47,57, 72f., 115,155 Riesebrodt, Martin 82 Roscher, Wilhelm 40 Rost, Bernhard 32 Roth, Emanuel 230, 233,236 f., 251 f., 254, 431, 440 Rummler, Hans-Michaeli Salin, Edgar 68 Schäffle, Albert 33 f . Schiller, Friedrich 388,392 Schiller, HermanniO,221, 438

448

Personenregister

Schloß, David F. 125,433 Schluchter, Wolfgang 37,52 Schmidt, Gert 2/. Schmidt-Degenhard, Michael 575 Schmoller, Gustav 7-10,12,14-16,19, 38,52, 64,66- 71, 73f., 380,391,409, 416,431, 433, 437 Schönhals, Paul 236,440 Schuler, Fridolin 31 Schultze, Ernst 367,440 Schulze-Gaevernitz, Gerhart von 10 Schumacher, Hermann 68 Schumann, Fritz 410 Schuster, Helmuth 3 Schwalbe, J. 438 Seashore, Carl Emil 167 f., 171,176,189, 431,441 Semon, Richard 112,366, 376,431 Sering, Max 66-68, 433 Seyfarth, Constans 3 Siebeck, Oskar 153 Siebeck, Paul 4,54, 70,153,160 Siewert, H.-Jörg 12 Simmel, Georg 11,42 Simon, Theophile 219 Sinzheimer, Ludwig 68, 409, 414 Skrzypczak, Henryk 382 Solvay, Ernest 378, 379 Sombart, Werner 10f., 150,153,161, 443 Sommer, Robert 29 Sorer, Richard410, 418,421,422, 423,431, 441 Sormani, Giuseppe 232,441 Spatz, B. 441 Specht, Wilhelm 29,167,178,457, 441 Sprondel, Walter M. 5 Stein, Philipp 11, 68 Stern, William 4,167,197,219,220, 431, 441 Stieda, Wilhelm 31 Stirner, Max (Johann Kaspar Schmidt) 367,431 Strohmayer, Wilhelm 371,441 Swift, Edgar J. 168,188, 441 Tarchanoff, Jean de 167,442 Taylor, Frederick Winslow 4 Thierfelder, Hans 166,442 Thünen, Johann Heinrich 15 Tigges, Wilhelm 372,442

Tönnies, Ferdinand 10f., 74 Treiber, Hubert 57 Trêves, Zaccaria 167,233,442 Uhlitzsch, Richard 232,436 Vannod, Théodore 220,432,442 Vetter, Hans-Rolf 5 Vierkandt, Alfred 11 Vogt, Ragnar 168,200f., 204-207,211, 432, 442 Voigt, Andreas 14 Volkmann, Alfred Wilhelm 168,173,432, 442 Voss, Georg von 167,180,432, 442 Wachtier, Günther 5 Wagner, Adolph 10 Wagner, G e r h a r d t , 57 Wagner, Ludwig 50, 221,432 Warnotte, Daniel 378 Warren, Howard C. 188, 441,443 Washburn, Margaret Floy 168,443 Waxweiler, Emile 378,432 Weber, Alfred 10,18,37,52 -54, 64- 75, 78,148,149,152f., 250,599/., 409, 412, 415, 432 Weber, Ernst Heinrich 21 Weber, Helene 55,64, 71f. Weber, Marianne 12,31,53, 71, 75f., 152, 159f., 386,399f. Weber, Max - , Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie (1903-1906) 6,38,42, 44f. - , Die protestantische Ethik und der „Geist" des Kapitalismus. I. Das Problem (1904) 5,280,362, 443 II. Die Berufsidee des asketischen Protestantismus (1905) 45,154f., 280, 443 - , Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik (1906) 225 - , R. Stammlers „Überwindung" der materialistischen Geschichtsauffassung (1907) 47,55,155f. - , Die Grenznutzlehre und das „psychophysische Grundgesetz" (1908) 21, 44-46,50, 76,152,227

Personenregister

-, -,

-, -, -, -, -,

-, -,

Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie(1908) 1,17, 63- 77, 78-149,152,250f., 376f., 385,399 Agrarverhältnisse im Altertum (1908/ 09)156 Zur Psychophysik der industriellen Arbeit (1908/09) 1, 4, 44, 48, 72f., 75f., 79, 97,100,102,104,108,121,128,132, 150-161,162-380,421, 424 „Energetische" Kulturtheorien (1909) 51,54,379, 380,443 Rezension von Adolf Weber, Die Aufgaben der Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft (1909) 47,56,379 Zur Methodik sozialpsychologischer Enqueten und ihrer Bearbeitung (1909) 1,144,381-387, 388- 398 Marie Bernays und die M. Gladbacher Arbeiterschaft (1910) 399-404, 405-408 Probleme der Arbeiterpsychologie (1911)2,19,160,379,409-415, 416-425 Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie (1913) 43,56 Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie (1920)57

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- , Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Sozialökonomik. III. Abteilung. I. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Erster Teil, Kap. 1 (Soziologische Grundbegriffe) (1921) 42,56f. Weismann, August 35,112,376,432 Wenckstern, Adolph von 409, 412 Weygandt, Wilhelm 168,212,214,222, 432, 443 Wilbrandt, Robert 10 Windelband, Wilhelm 12,57,155 Wirminghaus, Alexander 68 Wlassak, Rudolf25,293 Wolf, Julius 13-16,31, 436 Wundt, Wilhelm20-25,38-41, 46,57, 102,108,166,170,179f., 184,186,201, 219, 226,228,432f., 438f., 443 Yerkes, Robert Mearns 167,185,443 Zeiß,Carl 31 Ziehen, Theodor30,221, 368,432, 438, 443 Zimmermann, Waldemar 386 Zipprian, Heinz 46 Zuntz, Nathan 233 Zwiedineck-Südenhorst, Otto von öS, 70f .

Sachregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.

Ablenkbarkeit 104,168,200,204,206, 208, 211, 218,225 Ablenkung 168,202 Abstammungslehre 34 Achtstundentag32, 246,259,270,292,379 Addieren 27 A k k o r d 124,241,254,271,274,279,283, 287 f., 295,297,304,326f., 337 f., 340-342,345 f., 350-352,354,384 Akkordarbeit 254,259,264,395 Akkordlohn 106,133 f., 253,258,266,395 Akkordsatz 121,128-131,273 f., 301,304, 308,325 f., 335 f., 339-341,347,350, 352,354 Akkordverdienst 130,158,162,245 f., 248, 272 f., 284,286,293-297,299,302,305, 347,350,352,355,358 Alkohol 25, 268 f., 292 f., 384, 390 Alltagserfahrung28, 44f., 51,173,177, 188,196,225,229 Alltagspsychologie 154 Alter 94,143 f., 162,167,233,251,281, 286,288-290,300,356,358,362,384, 396 Amerika, USA 18,100,110,176,219,232, 239 Anatomie 22,34 Angestellte 66,135 f., 138 f. —»auch: Privatangestellte A n l a g e 2 0 , 2 6 f . , 31,50f., 80,110,113f., 119 f., 124,157,165,184,197,202,206, 250,281,302,340,364-366,369,575 —» auch: Veranlagung Anpassung 105,117,123,162,170,195, 203-208,225,250,258,304,317,335 f., 339,362,376 Anregung2S, 78f., 109,139,162,171,186, 195,198,216f.,226f. Anregungsfähigkeit 27 Anthropologe 109,219 Anthropologie 20,219,232

Antrieb 28,199,216,269 Anweisung48, 73f., 76,19,94,199 —» auch: Arbeitsanweisung Aphasielehre 27,165 Apparat 128,148 f., 172,227,275 Arbeit, geistige28-30,32, 65-67,101f., 103,176f.,213,22i/. Arbeiteri-5,17f.,20,31-33,36,50, 54-56, 64, 67, 74, 80-82,85 - 96,101 f., 106f., 113,118,120-122,124-130, 132-147,149,159f., 165,198,215,231, 233,236-249,251-256,258-263, 266-269,271-278,280 f., 283 f., 286-290,292-300,302-320,322, 324-339,344-346,348 f., 352 f., 355-358,361,363-365,377,380, 381 -385, 388 -392,407,410,412, 417 —> auch: Arbeiterin; Bergarbeiter; Industriearbeiter; Landarbeiter; Maschinenarbeiter; Metallarbeiter; Weber Arbeiterbefragung 1,398 Arbeiterbriefe280,381f., 388 Arbeiterfrage 7 , 1 7 f . , 252,280,293,350, 382f., 385-387,389f., 410 —* auch: Soziale Frage Arbeiterfrauen 120,293 Arbeiterin 102,159, 268,278,280, 282-284,287 f., 302,341-343, 399-401, 407 —> auch: Spulerin; Weberin Arbeiterklasse 13,19,144,382f., 386,393 Arbeiterorganisation 134,136,138-140, 145 f., 410 —»auch: Gewerkschaft; Gewerkverein Arbeiterpsychologie 1,17,19f., 31,53f. 2 8 0 , 3 8 2 , 3 8 5 , 3 8 7 , 3 9 3 , 4 0 9 f . , 415,416 Arbeiterschaft 7 , 1 9 , 5 4 , 6 5 , 6 8 f . , 74f., 77f., 8 0 - 8 3 , 8 5 - 9 0 , 9 3 , 9 5 f . , 99,101, 106,111,119 f., 122,125-127,137-141, 143 f., 149,151, 215,230,238,240 f., 248,250f., 254 f., 258,264,267,269,

Sachregister 271 -276,278,287,293,307-309,313 f., 356—358,376,378,386, 389,599/., 402f., 406, 401,411 f., 421-423 Arbeiterschicht 66 f . Arbeiterschutzgesetzgebung 31 Arbeiterversicherungsanstalten 139 f. Arbeitgeber 102,121,135-137,254,273, 384, 396 —» auch: Unternehmer Arbeitsanweisung 1, 4, 48, 70, IS, 139 —» auch: Anweisung Arbeitsdauer 33,124 f., 380 Arbeitseignung31, 49, 79f.,88f., 106, UOf., 115-119,121 f., 137,141,151 f., 156,158,165,171,233,237,240,280f., 290,349,366,374-377 Arbeitsfreude 2,32, 96,103,141,171,199, 350,393,395 Arbeitsgesinnung 5 Arbeitshygiene 220 Arbeitsintensität 98,256,380,422 Arbeitsinteresse 49,171,198,200,227,253 Arbeitskombination 162,168,174,201 Arbeitskraft 4f., 44,83, 84,85, 88 - 9 0 , 93 f., 107,124,139,147,266,270,279, 284,288,303 f., 314,339f., 357f., 393 Arbeitskurve27-30,50,59,107,119f., 121,158, 162,166,169,173,174,175f., 180,187f.,iS9,195-198,199, 200f., 206,208,212f., 216,217,221,224, 226, 252, 259,292,411 —»auch: Ermüdungskurve; Leistungskurve ; Tageskurve; Übungskurve; Wochenarbeitskurve ; Wochenkurve Arbeitsleistung5,32f., 55, 92,97,101, 105-107,120,122,124-126,130,132, 144,759,162f., 165,167f., 170-172, 180 f., 187,199,201,203,207 f., 214 f., 220,225,230,233-235,242,244, 246-248,250 f., 253 f., 256,258-265, 268,270-273,280f., 294,297,307, 309f., 312,324,334,339,344,362,364, 420 Arbeitslohn 5,32,163,254 Arbeitsmarkt 90,126 Arbeitsmittel 5, 95,123,240 Arbeitsneigung 31,49,171,315 Arbeitspause 125,142,163,198 —* auch: Pausenverteilung Arbeitsplan 18,33,68- 70, 74f., 83,123, 126,139,141,143,147,152 Arbeitspsychologie 2/., 168,264

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Arbeitstag 32,125,162,196,207f., 211, 214 f., 246,250 f., 253,255f., 259 f., 263 -265,290,295,298,305 f., 310f., 315,323,325,330,342,354,381, 411 - , Normalarbeitstag 31 f . Arbeitsteilung99,163,166f., 182,230 Arbeitsunterbrechung 162,168,215 Arbeitswechsel 105-108,162,168,174, 195,201,211-214,360 Arbeitswissenschaft 3 Arbeitszeit 5,31 -33, 80,124f., 163,168, 169,174,189,199,208,217,254-256, 258,270,272, 315,343,353,380,408 Arbeitszerlegung 105,156,163,180,206, 231 „Archiv für Sozial Wissenschaft und Sozialpolitik" 1, 4,37, 72f., 77, 79,132,150, 152-155,157f., 160 f., 166,357,387 Armut 5 Arzt25, 98,103,233,285,294 Askese 279,362 Ästhesiometer 100,220f. Aufmerksamkeit 23,29,34,100,102,155, 177,180,184-186,194,200f., 205,209, 236,274,284,306f., 329,332,334,338, 340 Auslese5,33,52, 65, 74f., 80,89,112, 133-135,138,143,148f.,200,208, 223 f., 233,239,241,250,286-288,366, 392,399f., 406,411 - , und Anpassung öS/., 78,151, 378,399f. Ausleseprozeß 72 f., 123 Australien 272 Bayern 110,232 Beamter 148,223 Befragung 160, 364,383, 400 —> auch : Arbeiterbefragung Begriffsbildung 73,376 Belgien 110 f. Bergarbeiter 288,381,385f., 388 f., 395 f. Berlin 11,17,65, 68f., 74f., 78,159, 221, 235 f., 367,383,385f. , 3 8 9 , 4 0 0 f . , 403 Berufschance 65,146 Berufseignung 75, 77 Berufskarriere 118,141,145 f. Berufsschicksal67,69f., 75, 77, 85f., 89, 91,95,114,123 f., 137 f., 141,143,148, 400f., 403, 406f., 412, 423 Berufswahl 70, 413 - , und Berufsschicksal 69,250 Berufswechsel 65

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Sachregister

Betrieb5, 74, 82-85,90,93,106f., 116, 126,128,131 f., 134-139,141,143, 145 f., 149,158-160,193,231,241,245, 249-250,253,256,260,264,266-272, 274 f., 278,281,283,285-287,292,294, 299-302,308,315,334f., 338,353, 3 5 6 - 3 5 8 , 4 0 0 f „ 418,421-423 Betriebsleiter 105,110,130-132,136, 138f., 248,252,267,418 Bevölkerung5, 65,110,112,115f., 118, 122f., 148,193,263,371,376 Bewußtsein i7,22,24,33,55,97,116,180, 199,236,246f.,368f.,4i0 Bewußtseinsvorgänge 20—22 Bielefeld 260 Biologe 36,109 Biologie 27,34,117 Bremsen 127,132,162,258,270,273-276 Breslau 14 Brüssel 378 Budapest 240 Charakter 107 f., 118,143,154,186 Charakterologie 24, 219 Chemiker 66,378 Comtesches Hierarchiegesetz 50f. Darmstadt 221 Darwinismus 34f., 53, 112 - ^ a u c h : Sozialdarwinismus Darwinisten 35 —»auch: Neodarwinist Degeneration 40,53, 66f. Degenerationsfrage 27,66f. „Deutsche Gesellschaft für Soziologie" 2, 11 f-, 74 Deutscher 423 Deutschland 2/., 7,13,31,34, 66, 69,82, 85, UOf., 116,134,145,219f.,233,239, 288,357,421,425 Deutung41 f., 46, 48,55,109,119,140, 180,201,246,291 Differenzialpsychologie 219,371 Dilettant 44,385 Dilettantismus 53, 73,109 Disposition 51,111,113,115,117,120, 154,176,188 f., 191,195,202,315,336, 365,368-370,373,375 Disqualifikation 195,238,287 f., 293 Düsseldorf 402 Einfühlen 94

Einkommen 67, 292 Einkommensverteilung 7 Eisenach 68, 70f. England85,125,134, 264,271,378f. E n q u e t e l f . , 17-19,37, 48,53f., 67, 69-74, 78,80,82f., 139,140,151-153, 156-158, 318,382,385,399, 409-413, 416 Entwicklungslehre 34 f . Entwicklungspsychologie 115,240 Entwurf 68, 72f., 78,250 Erblichkeit 118 f., 374 f. E r f a h r u n g 2 5 f . , 41,55,124,127,134,137, 187,209,213,225,233,240,246f., 254 f., 290,293,302,308,323,336,364, 366,368-370,375,379,395,397f., 400, 424 Erfahrungswissenschaft 24,40, 42,44 Ergographiö/., 172,180,196,220f. Erholung 28,162,166,169f., 175,191,199, 212,216,258f., 263,268,391 Erholungsfähigkeit 27 Erkennen 39, 41, 395 Erkenntnis41 f., 55,122,218, 360 Erklären 6, 42,55 Erleben 39, 41, 395 Erlebnis 41, m,401 Ermüdbarkeit 29,104,114,175,188f., 194f., 208,216,225,228f. E r m ü d u n g 2 6 , 2 8 , 3 0 , 3 2 f „ 100,101f., 104f., 142,147,162,166f., 169, 170-176,187-189,191,195-200,206, 208f., 212-217,220-222,226 f., 229, 232,233 f., 237,238, 243,252-256,272, 313,315,384 Ermüdungsforschung6,26,29f., 33,44 Ermüdungskurve 59,100,167,172, 200 Ermüdungsstoffe 169,217 Ernährung 26,114,165,176,222,232 Erschöpfung 30,124,169,172,189,217 Erziehung 5,27,38,112,114,116f., 124 f., 165,199,281,362 Ethik 38, 71 Europa 18 Evolution 36,104 Evolutionstheorie 34 Experiment 21,23,26,28,50,55,100,120, 121,133,158,165,172,180,187,192, 196,212,222,229,231,242,246 Experimentalpsychologe49/., 56, 96,154, 226,230,242,245,410

Sachregister Experimentalpsychologie 6,20,22,31f., 38f., 42f., 44, 46,50f., 119-121,157f., 226,240 Fabrik50,80,93f., 121,132f., 157,199, 252,270f., 277,288,341,380,422-424 Fabrikarbeit 18,45,100,103,120,152, 230f., 233 f., 236,283,410 Fachpsychologe 44,154, 219 Fachpsychologie 105,754,156,193 Fallstudie 1,48,159 Familienstand 136,143 f., 162,281,292, 356,362,395 Finnland 383 Forst (Neiße) 385, 389 Fragebogen 18,33, 66,68-70, 72, 74f., 78, 83,123,136-139,147,752, 250,252, 280,350,381,383 -386, 389f., 394, 410f. Frankfurt 11 f . Frankreich 100,219f.,239 Gedächtnis26,30,183,190f., 200,208 Geisteskrankheit 370,373 Gelehrter 7,12,15, 70 Gelerntheit65, 80,92f., 95,107,144,147 Generalstreik 381, 389 f. Gewerkschaft 134, 138,140,146,273,275, 358,384, 389,391,401,406 -^auch: Arbeiterorganisation; Gewerkverein Gewerkschaftler 268,278-281,283,338 Gewerkverein 138,140,146 Gewöhnung 2S, 54f., 107,162,168,179, 195,201 f., 204,206f., 214,225,227, 234,353,363,379 Gewöhnungsfähigkeit 27,104,202,208, 214,225 Gießen 29 Gladbach —> München-Gladbach Göttingen 240 Grenznutzlehre 21,50,152 Großbetrieb5, 64, 81,83,111,382,418 Großindustrie 9,65, 67-69, 80-82,95, 122f., 126,129,133,144,148,151,382 - , geschlossene öS/., 75, 77f., 80,83f., 140,144,250,378,399f. Grundlagenwissenschaft 37,39,42, 48 Habitus50,57, 99,108,195,197,353,361 Hamburg 7 Handarbeit 124,162,339,342

453

Handeln 3,38, 42,47 Handlung36, 368f. Handlungsgehilfe 67 Handlungstheorie4,6,36f., 48,56 Handwerk 93,233 Harvard University 3, 239 Hausindustrie 281 Heidelberg6,12,20,25,30,37, 46, 71f., 19,155f., 166,168,239,399f., 403, 405, 408,416 Heimarbeit 83 Hering-Semonsche Theorie 112 Herkunft 18,64,115,125,144,146,193, 248,279,356f. Hochschullehrertag 15,153,159 Holland 71 Humanwissenschaften 11 Hygiene 32, 233,235 —» auch: Arbeitshygiene Hygrometerstand 261,291,294,310,314 Hysterie 43, 45f., 236,238,370,372,374 Individualpsychologie 24,121 Industrie3,5,50, 65,67, 81,83, 84-91,93, 95-98,101,103,105 f., 113,118,123 f., 127,130,133 f., 136,140-142,145 f., 148,158, 236-238,241 f.,251,255 -257, 260,263,269,272f., 278,281,286,323, 363,377 f., 418,421,424 - , Standort der 5,52 Industriearbeit 51, 99,108,114,365 Industriearbeiter 1,252, 392,400, 403, 407, 412, 414 Industriesoziologie 2-4 Ingenieure 66 Innervationsapparat 102 Institut Solvay 378,380 Italien 232 Jahreszeit 270,290,303,324,336,345,349 Jena 159,246 Kalkulation 80,84,335 f., 338,419 Kampf ums Dasein 36 Kapitalismus 4—6,133,153, 280 Karlsruhe 46,168 Kartell 9/., 419 Kasuistik 43 Kathedersozialismus 8,13,15 -> auch: Nationalökonomie; Volkswirtschaftslehre Kathedersozialisten 8,13, 424

454

Sachregister

Katholizismus 362 Kausalität 23,39-41 Keimplasma 112 Klassenbegriff 74 Klasseninteresse 74 Kleinbürger 397 Konfession 136,362,423 Kopenhagen 253,293 Kostenersparnis 49, 87,99 Kostenökonomie 97 Kräfteökonomie 97,99,171 f., 177,181, 190,195,222,280 Kraftersparnis49, 98f., 178,182f. Kultur 27,38, 46,103,115 Kultursoziologie 37 Kulturwissenschaft37—39, 41f., 48f. Kurve 28,119,168,173,421 —> auch : Arbeitskurve ; Ermüdungskurve ; Leistungskurve ; Tageskurve ; Übungskurve; Wochenarbeitskurve; Wochenkurve Laboratorium 20,31,50,119,121,166, 168,219,226, 230-233,239,240, 242-244,315,361 Laborexperiment 20,49f. Lamarckisten 35 -^•auch: Neo-Lamarckismus Landarbeiter 1,82 Lebenschancen 65 Lebenserinnerungen 24,33,239, 389 Lebensführung25, 80,143,145,293,302, 362 Lebenslage 17,143 Lebenslauf 67, 90,144,382 Lebensmittelpreise 66 Lebensschicksal 17,20, 50f., 114,144,157, 165,364- 366,369,373 f., 377,391 Lebensstil 80,96,143,149 Leib-Seele-Problem 22 Leipzig 14,20,24,226, 406 Leistung27/., 31 f., 43,55f., 85,88,92, 94 f., 101,103-106,114 f., 118, 120-122,124,128f., 147,159, 162f., 165,169-172,174-183,186f., 190-193,195 f., 198,200-216, 225-227,229-231,235 f., 240-243, 246f„ 252,254-256,258-268, 270-274,276,278,282 f., 286,289f., 295,297-305,308- 311,313 -315, 317-320,323,325,327,329-341,

343-349,352f„ 355-357,360-364, 380,391,411,414,423 - , geistige28,119,173f., 178,189-191, 196,203,223,252,363 - , körperliche28,173-175,178,252 Leistungsfähigkeit 26,29f., 32f., 36, 72, 81,85,96,101 f., 104f., 114,120f., 126, 128-130,133,135,156,165,169-171, 174-176,185,187-189,192-196,199, 202,210,215 f., 220,226,231,240f., 248,258,263,278,286-288,293,295, 299 f., 348,352,357 f., 360,377,395,423 Leistungskurve 50,56,158,168,186,187, 196-198,207,248,250,252,264,275 f., 289 f., 294 Leistungsschwankung 162,251,289,304, 315,324,326,339,360f. Leistungssteigerung 5, 213 Lernfähigkeit 29, 92,94,290 Lernökonomie 168,208 Lerntechnik 168,192 Literaturbericht 1, 76, 79,150,152f., 158f. Literaturübersicht 75,104,150-154, 156-158,161 Lohn5,106,273,283,286,334f.,384, 390 —> auch: Akkordlohn; Arbeitslohn Lohnbücher 50, 75,130,132,139, 158-160, 249,294 Lohnbuchführung 80,128 f., 137,141 Lohnform 5,33,125 Lohnkosten 80,86-89,128,241 f., 356 Lohnsystem 80,82,121,126f., 130,133, 139,142,145,163,231,241,266,273, 298 f. Luftfeuchtigkeit 159, 261 f., 314 Magdeburg63, 65f., 74 Manchesterliberalismus 7 Mannheim 9f., 13f., 64, 74 Maschine56, 86,91,93f.,96-99,101,124, 128,132 f., 139,149,181 f., 231,234, 237,240-243,249,251,256,263,285, 287,305-307,317,325,334,353,356, 358,363,384,412 Maschinenarbeit 162,220,344 Maschinenarbeiter 30 Maschinenlärm 234,285 Massenbeobachtung 20, 49,222 Massenstatistik 371 Massenuntersuchung 100,219,223,232 Materialismus 23,46,57 - , psychophysischer23,38

Sachregister Materialist 36 Mecklenburg 232 Medikamente 30, 293 Meister 94,134,236,251,263,275,299 f., 335 Meisterin 278,288 „mental test" 100,219,220 Merkfähigkeit 200,210 Metallarbeiter381,385, 388f., 396 Methodologie 6,38 Mieten 66 Milieu 104,114,126,193 f., 201,206,250, 300,365,377,382 Militärdienst 193 Militärtauglichkeit 146 mnemische Engramme 112,113,366 Mönchengladbach —> München-Gladbach Morbidität 238 Motiv 42,101,107,125,141,247,395 f. Müdigkeit 27,170f., 199,226,252 München6,25,115,239 München-Gladbach 18,399-403,405, 406, 407,411 Muskelleistung 30, 98,147,166,167,172, 196,221 Muskelübung 97 Nahe 389 Nationalökonom5,13f., 16,31,33,39, 44f., 49,52, 73, 79,151,379,382f., 424 Nationalökonomie 6/., 10—16,20,31 f., 34,37, 44-48,50f., 53, 56, 74,157,379, 410,412,425 —* auch: Kathedersozialismus; Volkswirtschaftslehre Natur22,34,36,111,118,203,384,412, 419 Naturalismus 34,36 Naturalist 53, 72 Naturwissenschaft 14,16,20,24,37,41, 44, 48f., 51,53, 72f., 109,151 Neiße 389 Neo-Lamarckismus 112 Neodarwinist 35,112 Nervensystem 99,222,235,376 Neurasthenie 26,236 Neuropathie 372,374 Neuropathologie 238 Nürnberg 19, 409, 415

455

Oberstein 385, 389 Oerlinghausen50, 75f., 153,159f., 249, 260,294 Organismus6,35f., 56,173,175,189,229, 234,254,293,366 Österreich 69 Pädagoge 24,29,100,220 Pädagogik 30,115,190,222,240 Parallelismus 23, 46,170,228,291,297, 314,326-328,357 Paris 219 Pause 28,104,162,170,175,179,204,207, 214-217,230,251 f. —»auch: Arbeitspause Pausenverteilung80,125 Persönlichkeit 44, 48,56, 74,105,135,176, 185,197,202,218,222,228,374 Persönlichkeitstheorie 48, 56 Philosoph 24 Philosophie 20,38,57 Physiologe30, 96,98,109,172,233 Physiologie20-22,30,34,102,166,168f., 181, 227 physiologische Grundeigenschaften 27, 165 Pietismus 45,154, 279 Pole 146 Politiker 7,13 Prag 37,52, 71 Prämie 277,282,298-300,344 Privatangestellte 65f . Produktivität22,16f., 257 Proletariat238, 392,397,411 Proletarier 385, 397 Protestantismus 45,362 Protestantismusstudien 6, 46,153,155 Provenienz 80,83,89,92,94 f., 107,114, 116,119,121,127-130,134-137,141f„ 145,147 f., 176,194,197,238,251,254, 269,273,287,357 f., 364,374,377, 394-396,422f. Psychiater58, 66,119,165,220, 228,367, 369,417 Psychiatrie24f., 27,29,45f., 108,117,154, 165,226,367,369,370, 372,373,375 Psychoanalyse 41 Psychologe3,24,38f., 43f., 46, 50,100, 109,154,163,171,176,220,240 —» auch : Experimentalpsychologe ; Fachpsychologe

456

Sachregister

Psychologie 3 , 6 , 2 0 - 2 5 , 3 0 , 3 4 , 3 7 - 3 9 , 42-46,48,56,103,108,155,167,170, 194,197,205,219f., 227,228, 231,240, 242,392 - , angewandte 29, 239 —> auch: Alltagspsychologie; Arbeiterpsychologie; Arbeitspsychologie; Differenzialpsychologie; Entwicklungspsychologie ; Experimentalpsychologie; Fachpsychologie; Individualpsychologie; Sozialpsychologie ; Tierpsychologie; Völkerpsychologie Psychologismus 40 Psychopathologie25, 27, 42f., 46, 369, 374-376,382 Psychophysik3f., 20-23,28,31,33f., 36f., 47,54, 226,228,234 - , der industriellen Arbeite, 46, 48f., 54-57,152f., 167f., 382 psychophysische Qualitäten 65 psychophysischer Apparat 6,38,55, 98, 101 f., 115,117,121,151,163,165,173, 177 f., 181,185-187,190,194,196f., 201,203 f., 211,225,246,258 psychophysisches Grundgesetz 21,152 Psychose 371—374 Psychotechnik 3 f . Qualifikation 87 f., 91,102,108,112,116, 120,146,148,287f.,302,352 R a s s e 5 , 3 5 f . , 52, 370 Rationalisierung 3/., 273 Rationalismus 57 Rationalität 49 Reiz21 f., 27, 49,102,112,179-182,184f., 203,211,366 Reizbarkeit 26 Reizsamkeit 26,238 Reklamenationalökonomen 424 Religion 280,384 Rentabilität3, 88,93,105,122,129,149, 238,240,259,278,281,284,326,419 Rheinland 399f. Rhythmus32, 98,178-180,197,199,204, 322 f., 363 Riesenbetrieb 9 Rostock 14 Ruhrgebiet 385, 389,395 russische Revolution 1905153,155, 389, 391

Saargebiet 385, 389,395 Sachsen 285 f., 302 Schicksal 54,57, 80,123,412 —»auch: Lebensschicksal Schlaf26,171,187,222 Schlaffestigkeit 27,176 Schlesien 111,116,285,385, 389,395 Schleswig 232 schöpferische Synthese 39f. Schweiz 232 Seele 2 -4,21,27,228,384 - , Seelenleben i 7/., 20,24,26—28, 117, 144,219,382f. Seelenlehre 23 Selbstzeugnis 17,381,385 Solingen 385, 389 Sozialdarwinismus 35 Sozialdemokrat 382, 388 Soziale Frage 16 Sozialpolitik8,13,16f., 64, 425 Sozialpsychologie 42 Sozialreform 7,13,16 Sozialwissenschaft 3,13,16,35,37, 42, 48-52, 73 Soziologe 16, 365,377 Soziologentag 191011 f., 51 Soziologie 11 f., 20,34,37,43, 47, 56,378 - , verstehende3f., 36, 48,54f. Spanien 110,362 Spezialisierung 85,163,206,271,377 Spulerin 287,400 Staat 9f., 36, 389 Stammrolle 80,135-137,139,141,300 Statistik370,372,413f., 418,422f. Statistiker 415 Stimmungslage55, 246f., 349,353,362 Streik 381 Stuhluhr 304 f., 311,314,319,327,331, 363,423 Stuhluhrmessung 159,162,304f.,329 Tageskurve 195 f., 363 Tatsachenurteil 11 f . Taylorsystem 4 Temperament 107f., 118,185 Textilbetrieb —* Weberei Textilindustrie 85,90,236 f., 270 f., 281, 358 Theoretiker 7, 80 Theorie8,10,17-19,32,58, 74,109-113, 172,182,192,206,213,224-226,228f., 258,373

Sachregister Tierpsychologie 24 Tradition 5,18,27,38, 80,107, l l l f . , 116f., 119,121,126 f., 375,418 Tscheche 422f. Turin 30 Typus 140f., 145,184f., 189,219, 241,247, 278,323,369,392,421 Überbürdung29/., lOOf., 220,222 Übermüdung 234,269 Ü b u n g 2 8 , 5 4 f . , 92,95,97,101f., 112,147, 162,167 f., 176 f., 180 f., 183 f., 186 f., 189-192,194-197,202,207 f., 215 f., 226 f., 229,253,274,276,288,301-303, 307,317,321,324,326,336,361 f., 378 Übungsfähigkeit27,29,104,162,177, 188 f., 194 f., 197,214 -216,218,225, 291,364 Übungsfestigkeit 27,104,162,168,177, 188 f., 197,214,216,218,225,229 Übungsforschung 6,29, 44 Übungskurve 59,100,364 Übungsverlust 28,106,187f.,214,216f., 229 Umwelt20,31,57,114,116,121,143 Unbewußtes 23,47, 228 Unfall 253,573 Ungar 422 Ungarn 240 Unternehmer5, 7, 65, 81f.,86,92,136, 148f., 255,272-275,278f., 362,418 —» auch : Arbeitgeber Unterricht 29f. USA—* Amerika Veranlagung 375 —» auch : Anlage Verein für Sozialpolitik I f . , 4, 6-19,33, 36f., 48, 63-66, 69f., 73-77,19,1.,80, 81 f., 122,131,139,147 f., 149,151,153, 156,159,250f., 377f.,382,399f., 406, 409- 412, 413,415, 417,424 - , Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie 2, 7f., 17,33,36, 68f., 80,250,399, 409 Vererbung20,38,53, 73, 80,112,152, 366 f., 370,372-377,417 Vererbungsfrage 6,27,51,110,166,365 Vererbungslehre 54,366 Verstehen 6,37,39,41,55f.

457

Vitalismus 46 Völkerpsychologie 24 Volkscharakter 81,111,122 Volkswirtschaftslehre 13,15,379 ->auch: Kathedersozialismus; Nationalökonomie Wahrnehmung22f., 27,165 Weber 111,259f., 264,266,274,277 f., 280,282-286,288-290,295,297, 300-302,307,309,315,317 f., 322, 327 f., 344,346,351 f., 360,363 f., 386 Weber-Fechnersches Gesetz 21 Weberei, Webereibetrieb50, 84f., 128, 141,158f., 234,242f., 249,260, 271, 275,277,285 -288,294,305 f., 350, 356—358,380,399/., 411 Näherei274,286f. - , Säumerei 84,267 - , Schlichterei 84 - , Spinnerei234,242,271,356-358,399f., 407,411 - , Spulerei84,286f.,302 Weberin 142,277,279,282,284,286,288, 3 0 0 - 302,587, 388 Webstuhl 102,128, 231,243,245, 246,260, 263,266,273,280,283 -285,287,289, 302,'317,320,322,329,334f.,340, 356, 423 Weltanschauung 22, 46,162,270,280,362, 367 Werkmeister 92,160,383 Wertbeziehung 40,103 Wertfreiheitspostulat 17 Wertlehre 21, 44, 76,152 Werturteil 11,13,40,149,412,413,416 Werturteilsfrage 11, 412 Werturteilsfreiheit 16, 40 Werturteilsstreit, Werturteilsdebatte 9, 11 f., 16 Westfalen 111,158,249,260,281,284f. Wien 11, 421 f. Wille 131,177,198-200,207,263 Willensanspannung 28,120,198,213,216, 259 Willensantrieb 26,162,171,195,198f., 216 f., 228 Willenshandlung 41 Willensimpuls 97,177 f., 180,186,190,198 Wirtschaftsgesinnung 5 Wirtschaftshandeln 4, 44 Wirtschaftspolitik 7,16

458

Sachregister

Wissenschaft 13f., 16,21 f., 25,35, 41f., 64, 96,108,225, 239,247,373,387,412 Wochenarbeitskurve 159 Wochenkurve 268,362,364,420-422

Zentralnervensystem 175,236 „Zentralverein für Arbeiterinnen-Interessen" 400f., 407 Zusammensetzung des Kapitals 85—87,89 Zusatzbogen 18, 68, 74,83,250

Seitenkonkordanzen

Die Seitenkonkordanzen beziehen sich auf die bisher gebräuchliche Voredition. Es handelt sich für die Texte in diesem Band um: GASS

Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, hg. von Marianne Weber. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1924.

Die Paginierung der Textzeugen, die der Edition zugrunde liegen, wurde dem Edierten Text marginal beigefügt.

MWGI/11

GASS

MWGI/11

GASS

Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie (B) 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107

1 2 3 4 4/5 5 6 6/7 7/8 8/9 9/10 10/11 11/12 12/13 13/14 14/15 15 16 16/17 17/18 18/19 19/20 20 20/21 21/22 22/23 23/24 24/25

108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135

25 26 27 27/28 28/29 29/30 30 30/31 31/32 32 33 33/34 34/35 35/36 36 37 37/38 38/39 39/40 40/41 41/42 42/43 43/44 44/45 45 45/46 46/47 47/48

460

Seitenkonkordanzen

MWGI/11

GASS

MWGI/11

GASS

136 137 138 139 140 141 142

48/49 49/50 50/51 51 52 53 54

143 144 145 146 147 148 149

54/55 55/56 56/57 57/58 58 58/59 59/60

194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225

87/88 88/89 89/90 90 91 91/92 92/93 93/94 94/95 95/96 96/97 97/98 98/99 99/100 100/101 101 101/102 102/103 103/104 104/105 105/106 106/107 107 108 108/109 109 110 110/111 111/112 112/113 113/114 114

Zur Psychophysik der industriellen Arbeit 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193

61 61/62 62/63 63/64 64 65 65/66 66 66/67 67/68 68/69 69 69/70 70/71 71/72 72/73 73/74 74/75 75 75/76 76/77 77/78 78/79 79/80 80/81 81 81/82 82/83 83/84 84/85 85/86 86/87

461

Seitenkonkordanzen

MWGI/11

GASS

MWGI/11

GASS

226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269

114/115 115/116 116 116/117 117/118 118/119 119/120 120/121 121/122 122 122/123 123/124 124/125 125/126 126 126/127 128 128/129 129/130 131 131/132 132/133 133/134 134/135 135/136 136 137 137/138 138/139 139/140 140/141 141/142 142/143 143 144 144/145 145/146 146/147 147/148 148/149 149/150 150/151 151/152 152

270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313

153 153/154 154/155 155/156 156/157 157/158 158/159 159/160 160/161 161/162 162 162/163 163/164 164/165 165/166 166/167 167 168 169/170 170/171 171/172 172 172/173 174 174/175 175 177 176/178 178 179 180/181 181 181/182 182/183 183/184 184/185 185/186 186/187 187/188 188/189 189/192 192/193 190/191/193 190/191/193

Seitenkonkordanzen

462 MWGI/11

GASS

MWGI/11

314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347

193/194 194/195 195/196/197 196/197 196/198 198/199 199/200 200/201 201/202 202/203 203/204 204/205 205/206 206/207 207/208 208/209 209/210 210/211 211/212 212/213 213/214 214/215 215/216 216/217 217/218 218/219 219 219/220 221 220/222 222/223 223/224 224/225 225/226

348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380

GASS 226/227 227/228 228 229 229/230 230/231 233 231/232 232/234 234/235 235/236 236/237 237/238 238/239 239/240 240/241 241/242 242/243 243/244 244 244/245 245/246 246/247 247/248 248/249 249 249/250 250/251 251/252 252/253 253/254 254 254/255

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden

1. Aufbau

der

Gesamtausgabe

In der Max Weber-Gesamtausgabe werden die veröffentlichten und die nachgelassenen Texte Max Webers mit Ausnahme seiner Exzerpte, Marginalien, Anstreichungen oder redaktionellen Eingriffe in die Texte anderer wiedergegeben. Berichte anderer über Webers Reden, Diskussionsbeiträge und Vorlesungen werden nur d a n n wiedergegeben, wenn ein autoreigener Zeuge nicht überliefert ist. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, so werden alle mitgeteilt. Editionen der Texte Webers, die er nicht selbst zum Druck gegeben hat, werden nur d a n n berücksichtigt, wenn dem betreffenden Herausgeber Manuskripte vorlagen, die uns nicht mehr überliefert sind. Jedem Band ist eine Konkordanz mit den bisher gebräuchlichen Ausgaben beigegeben. Die Max Weber-Gesamtausgabe gliedert sich in drei Abteilungen: Abteilung I: Abteilung II: Abteilung III: 2. Aufbau

Schriften und Reden Briefe Vorlesungen

der Abteilung

I: Schriften

und

Reden

Die Abteilung I umfaßt Max Webers veröffentlichte und nachgelassene Schriften und Reden, unter Einschluß seiner Diskussionsbeiträge und Stellungnahmen. Ebenso werden Paralipomena, Entwürfe und andere Vorarbeiten mitgeteilt. Einzelne Äußerungen sind uns nur durch Zeitungsberichte, Sitzungsprotokolle, Kongreßprotokolle und ähnliches überliefert. Solche Ersatzzeugen werden d a n n in die Ausgabe aufgenommen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Z u s a m m e n h a n g mit der betreffenden Rede oder Stellungnahme Webers entstanden. Außerdem sind Texte wiedergegeben, die er zusammen mit anderen Personen verfaßte oder unterzeichnete. Für die Verteilung der Texte auf die Bände werden zwei Kriterien verwendet: der S a c h z u s a m m e n h a n g und die Chronologie. Dadurch werden thematisch und zeitlich nahestehende Texte zu Bänden vereinigt und die Schwerpunkte des Werkes in ihrer zeitlichen Folge und ihrem Nebeneinander sichtbar gemacht. Jeder Bandtitel enthält deshalb eine thematische und eine zeitliche Angabe. Für die thematische A n g a b e wird entweder ein Titel von Weber verwendet oder, w o dies wegen der Vielfalt der Texte nicht möglich ist, ein seinem Wort-

464

MWG Abteilung I • Außau

und

Editionsregeln

gebrauch nahestehender Titel neu gebildet. Jedem Bandtitel ist ferner eine Zeitangabe zugeordnet. Dabei bezieht sich die erste Jahreszahl auf das Datum der Veröffentlichung des ersten, die zweite auf das Datum der Veröffentlichung des letzten in den Band aufgenommenen Textes. Bei Texten aus dem Nachlaß ist das Entstehungsjahr maßgebend. Dies gilt sowohl für Texte, die uns im Original vorliegen, wie a u c h für solche, von denen wir nur noch eine Edition aus dem Nachlaß besitzen, weil das Original inzwischen verloren ist. Wo das Datum der Entstehung a u c h nicht a n n ä h e r n d ermittelt werden kann, wird der Text a m Ende des Bandes eingeordnet, dem er thematisch nahesteht. Bände mit einem oder mehreren nachgelassenen Texten tragen als zweite Jahreszahl 1920, Webers Todesjahr, wenn wir Hinweise haben, daß er an diesen Texten bis zu seinem Tode arbeitete. Für die Bandfolge ist das Chronologieprinzip maßgebend. Über die Stellung eines Bandes in der Bandfolge entscheidet das Datum des ersten darin abgedruckten Textes. Abweichend davon sind die „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie" und das Textkonvolut „Wirtschaft und Gesellschaft" an das Ende der Abteilung gestellt. Dies ergibt sich aus der besonderen Überlieferungslage. Die Abteilung I hat folgenden Aufbau: Band 1: Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter Schriften 1889-1894 Band 2: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staatsund Privatrecht 1891 Band 3: Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland 1892 B a n d 4: Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1892-1899 B a n d 5: Börsenwesen Schriften und Reden 1894-1897 B a n d 6: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums Schriften 1 8 9 3 - 1 9 0 9 B a n d 7: Zur Logik und Methodologie der Kultur- und Sozialwissenschaften Schriften 1900-1907 Band 8: Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900-1912 Band 9: Asketischer Protestantismus und Kapitalismus Schriften und Reden 1904-1911

MWG Abteilung I • Aufbau und

Editionsregeln

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Band 10: Zur Russischen Revolution von 1905 Schriften und Reden 1 9 0 5 - 1 9 1 2 Band 11: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften und Reden 1908-1912 B a n d 12: Verstehende Soziologie und Werturteilsfreiheit Schriften und Reden 1908-1920 Band 13: Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik Schriften und Reden 1908-1920 Band 14: Rationale und soziale Grundlagen der Musik 1910-1920 Band 15: Zur Politik im Weltkrieg Schriften und Reden 1914-1918 Band 16: Zur N e u o r d n u n g Deutschlands Schriften und Reden 1918-1920 Band 17: Wissenschaft als Beruf 1917/1919 - Politik als Beruf 1919 Band 18: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/ Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus Schriften 1904-1920 Band 19: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus Schriften 1 9 1 5 - 1 9 2 0 B a n d 20: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus 1916-1920 B a n d 21: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum Schriften und Reden 1917-1920 Band 22: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen O r d n u n g e n und Mächte (in Teilbänden) Schriften 1909-1920

3. Aufbau

der

Bände

Jeder Band enthält eine Einleitung des Herausgebers, die historisch-kritisch bearbeiteten Texte Webers, denen jeweils ein Editorischer Bericht vorangestellt ist, Verzeichnisse und Register.

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MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln

Innerhalb der Bände sind die Edierten Texte chronologisch geordnet. Bei von Weber veröffentlichten Texten ist das Datum der Veröffentlichung, bei nachgelassenen Texten das Datum der Entstehung maßgebend. Äußerungen Webers, über die wir nur Ersatzzeugen besitzen, werden im zweiten Teil eines Bandes zusammengefaßt und nach dem Datum der Äußerung wiederum chronologisch angeordnet. Einzelnen Bänden sind Anhänge beigegeben. Darin finden sich zunächst Texte, die Weber mit anderen Personen zusammen verfaßte oder unterzeichnete, gegebenenfalls Hinweise auf verlorene Texte sowie auf Dokumente.

4.

Bandeinleitung

Die Einleitung des Herausgebers informiert über die Anordnung, die thematischen Schwerpunkte und über den wissenschaftsgeschichtlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund der Texte. Enthält ein Band mehrere Texte, geht die Einleitung außerdem auf deren Zusammenhang ein. Die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte sowie die Geschichte von Nacheditionen dagegen bleiben in der Regel außer Betracht. Die Einleitung berichtet ferner über bandspezifische Editionsfragen, z.B. über sprachliche Eigentümlichkeiten Webers und deren editorische Behandlung. Alle textspezifischen Informationen geben die Editorischen Berichte.

5. Editorische

Berichte

Jedem Text ist ein Editorischer Bericht vorangestellt, der über dessen Entstehung, Entwicklung und Überlieferung sowie über editorische Entscheidungen informiert. Er ist in die Abschnitte „Zur Entstehung" und „Zur Überlieferung und Edition" gegliedert. 5.1 „Zur

Entstehung"

Dieser Abschnitt skizziert die historisch-politischen, wissenschaftlichen und biographischen Zusammenhänge, in denen ein Text steht. Er stellt ferner seine Entstehung und Entwicklung dar. Sofern mehrere Fassungen eines Textes vorliegen, wird deren Verhältnis zueinander beschrieben. 5.2 „Zur Überlieferung und Edition" Dieser Abschnitt informiert über Textbefund und Überlieferungslage. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, wird dargelegt, welche der Fassungen Edierter Text und welche Variante ist. Ferner werden alle weiteren editorischen Entscheidungen begründet. Dazu gehört unter anderem auch die Behandlung textspezifischer Eigentümlichkeiten.

MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln

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6. Texte Bearbeitung u n d Präsentation der Texte folgen der historisch-kritischen Methode. Dies geschieht mit Hilfe v o n drei A p p a r a t e n : d e m Korrekturen- u n d d e m Variantenapparat, die z u m textkritischen A p p a r a t z u s a m m e n g e f a ß t sind, u n d d e m Erläuterungsapparat. 6.1 Textkritischer

Apparat

Der textkritische A p p a r a t hat in erster Linie zwei A u f g a b e n : Aufweis der Textentwicklung u n d N a c h w e i s der Texteingriffe. 6.1.1

Textentwicklung

Liegt ein Text in mehreren autorisierten F a s s u n g e n vor, ist eine Fassung z u m Edierten Text bestimmt. Dies ist in der Regel die F a s s u n g letzter Hand. Jede zur Variante bestimmte F a s s u n g wird im textkritischen A p p a r a t mitgeteilt, in der Regel mit Hilfe eines negativen Apparats. W o es die S a c h l a g e erfordert, insbesondere bei u m f a n g r e i c h e n Varianten, ist der positive A p p a r a t oder die synoptische Darstellung gewählt. Die früheste oder einzige Fassung eines Textes trägt die Sigle A. Spätere F a s s u n g e n sind in c h r o n o l o g i s c h e r Folge mit B, C usw. bezeichnet. 6.1.2

Texteingriffe

Texteingriffe sind auf ein M i n i m u m beschränkt. Sie w e r d e n bei Textverderbnissen v o r g e n o m m e n . Als verderbt gelten Textstellen, die den S i n n z u s a m m e n h a n g zerstören. Der Eingriff wird d a d u r c h nachgewiesen, d a ß die verderbte Stelle im textkritischen A p p a r a t mitgeteilt wird. Läßt sich eine unklare Stelle nicht eindeutig als verderbt erkennen, so wird sie unverändert gelassen. Je n a c h S a c h l a g e bietet der A p p a r a t d a n n Lesarten in Voreditionen oder andere Verständnishilfen an. Nicht als Textverderbnis gelten Spracheigentümlichkeiten, einschließlich regelwidriger, aber nicht sinnentstellender g r a m m a t i s c h e r Konstruktionen, nicht mehr gebräuchlicher Lautstand, veraltete O r t h o g r a p h i e u n d Interpunktion. In f o l g e n d e n Fällen w e r d e n Texteingriffe o h n e N a c h w e i s im textkritischen A p p a rat v o r g e n o m m e n : a) Bei der Gestaltung v o n Überschriften, Zwischentiteln, a n d e r e n Gliederungsm e r k m a l e n (z.B. P a r a g r a p h e n ) sowie H e r v o r h e b u n g e n : Sie werden typog r a p h i s c h vereinheitlicht. b) Bei U m l a u t e n : Sie werden - soweit sie Folge der zu Webers Zeit üblichen Drucktechnik sind - der heutigen Schreibweise a n g e g l i c h e n (Ä statt Ae). Die Schreibweise ss für ß wird zu ß vereinheitlicht. c) Bei A b k ü r z u n g e n : Sie werden, sofern sie schwer verständlich u n d heute nicht m e h r üblich sind, in eckigen K l a m m e r n ausgeschrieben. d) Bei offensichtlichen Druckfehlern: Sie w e r d e n korrigiert (z.B. „Erleichterung", „aucht").

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MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln

e) Bei Interpunktionsfehlern: Sie werden bei der Reihung von Hauptsätzen, Aufzählungen, Relativsätzen und „daß"-Sätzen korrigiert. In allen anderen Fällen werden eingefügte Satzzeichen durch eckige Klammern kenntlich gemacht. f) Bei der Numerierung von Anmerkungen: Sie werden text- oder kapitelweise durchgezählt. Entsteht d a d u r c h eine Abweichung gegenüber Webers Zählung, so wird dies im Editorischen Bericht vermerkt. g) Bei der Einfügung von Titeln und Zwischenüberschriften: Sie werden in eckige Klammern gesetzt und im Editorischen Bericht begründet. 6.2

Erläuterungsapparat

Der Erläuterungsapparat dient dem Nachweis, der Ergänzung oder der Korrektur der Zitate und der Literaturangaben sowie der Sacherläuterung. 6.2.1

Zitate

Webers Zitate werden überprüft. Sind sie indirekt, unvollständig oder fehlerhaft, gibt der Apparat den richtigen Wortlaut wieder. Hat Weber ein Zitat nicht belegt, wird es im Apparat nachgewiesen. Ist uns der Nachweis nicht möglich, so lautet die Anmerkung: „Als Zitat nicht nachgewiesen". 6.2.2

Literaturangaben

Webers Literaturangaben werden überprüft. Sind sie nicht eindeutig oder fehlerhaft, werden sie ergänzt oder berichtigt, wenn möglich, unter Verwendung der von Weber benutzten Ausgabe. Es wird dafür ein Kurztitel verwendet. Die vollständigen bibliographischen A n g a b e n finden sich im Verzeichnis der von Weber zitierten Literatur. Verweist Weber ohne nähere A n g a b e n auf Literatur, so ist sie, wenn möglich, im Apparat nachgewiesen. Literaturangaben des Herausgebers werden beim ersten Auftreten vollständig aufgeführt, bei Wiederholungen wird ein Kurztitel verwendet. 6.2.3

Sacherläuterung

Erläutert werden Ereignisse und Begriffe, deren Kenntnis für das Verständnis des Textes unerläßlich erscheint. Informationen über Personen finden sich im Personenverzeichnis am Ende des Bandes. Erfordert eine Textstelle darüber hinausgehende Informationen über eine Person, so bietet sie der Apparat. Sachliche Fehler Webers werden im Apparat berichtigt. Für Wörter aus fremden Schriftsystemen verwendet der Editor in seinen Erläuterungen die Transliteration nach den heute gültigen Richtlinien. 6.3

Präsentation

Um die Benutzung der Ausgabe zu erleichtern, erscheinen Webers Text und die dazugehörigen Apparate in der Regel auf derselben Seite.

MWG Abteilung I • Außau

und

Editionsregeln

469

Edierter Text und Varianten sind gleichwertig. Die Varianten werden so präsentiert, daß der Leser die Textentwicklung erkennen kann. Kleine lateinische Buchstaben verbinden den Edierten Text mit dem textkritischen Apparat. Sie stehen hinter dem Varianten oder emendierten Wort. Bezieht sich die textkritische Anmerkung auf mehr als ein Wort, so markiert ein gerade gesetzter Index den Anfang und ein kursiv gesetzter Index das Ende der fraglichen Wortfolge ( a damit Amerika 3 ). Die Ersatzzeugen von Webers Äußerungen, auf die wir zurückgreifen müssen, stimmen nicht immer überein. In solchen Fällen sind sie alle ohne Wertung aufeinanderfolgend oder synoptisch wiedergegeben. Zeitungsberichte enthalten in der Regel einen redaktionellen Vorspann, Zwischentexte oder Nachbemerkungen; Sitzungs- und Kongreßprotokolle geben a u c h Beiträge anderer Redner wieder. Wenn diese Texte in unmittelbarem sachlichen Z u s a m m e n h a n g mit Webers Äußerungen stehen, werden sie entweder in Form eines Regests, wörtlich in kleinerer Drucktype oder im textkritischen Apparat mitgeteilt. Die historisch-kritisch bearbeiteten Texte Webers und die Erläuterungen des Herausgebers sind durch arabische Ziffern ohne Klammern miteinander verbunden. Um die Herausgeberrede von Webers Text abzuheben, ist sie in anderer Schrifttype gesetzt. 7. Verzeichnisse

und

Register

Dem B a n d sind folgende Verzeichnisse und Register beigefügt: 1. Ein Inhaltsverzeichnis. 2. Ein Verzeichnis der Siglen, Zeichen und Abkürzungen. 3. Ein Literaturverzeichnis: Es enthält die von Weber zitierte Literatur vollständig bibliographisch erfaßt. Auf den Titel folgt in Klammern der vom Editor in seinen Erläuterungen gebrauchte Kurztitel. 4. Ein Personenverzeichnis: Aufgenommen sind alle Personen, die Weber erwähnt, mit A u s n a h m e allgemein bekannter (z.B. Bismarck, Wilhelm II.) und in Literaturangaben genannter Personen. Es liefert die wichtigsten Lebensdaten, gibt die berufliche oder politische Stellung an und führt ggf. die verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen zu Weber auf. Das Personenverzeichnis hat den Zweck, den Erläuterungsapparat zu entlasten. 5. Ein Personenregister: Es verzeichnet sämtliche von Weber und vom Editor erwähnten Personen einschließlich der Autoren der von Weber und vom Editor zitierten Literatur. 6. Ein Sachregister: Es enthält alle wichtigen Begriffe und Sachbezeichnungen. Ist ein Begriff für einen Text thematisch, werden nur zentrale Stellen und besondere Bedeutungen verzeichnet. Es verzeichnet ferner alle geographischen Namen, mit Ausnahme der Verlagsorte in Literaturangaben und der Archivorte. Es werden die Namen benutzt, die im deutschen Sprachraum vor 1920 üblich waren oder amtlich

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MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln

gebraucht wurden. Kann ein Ort nicht als bekannt vorausgesetzt werden, wird zur Erläuterung die Verwaltungseinheit nach dem Gebietsstand von 1920 (z.B. Kreis, Regierungsbezirk) und ggf. auch der heute amtliche Name beigefügt. Personen- und Sachregister erfassen Webers Texte und die Herausgeberrede. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Einem Band können weitere Verzeichnisse, wie z.B. Glossare, Konkordanzen, Maß- und Gewichtstabellen sowie Karten beigefügt sein.

8. Indices und

Zeichen

Folgende Indices werden verwendet: 2) 3) a) Arabische Ziffern mit runder Schlußklammer , ...) kennzeichnen Webers eigene Anmerkungen. b) Arabische Ziffern ohne Klammern ( 1 , 2 , 3 ...) und in von a) abweichender Schrift markieren die Erläuterungen des Editors. c) Kleine lateinische Buchstaben ( a , b , c ...) kennzeichnen eine textkritische Anmerkung.

Folgende Zeichen werden verwendet: d) Das Zeichen | gibt die Stelle des Seitenwechsels nach der ursprünglichen Paginierung einer Textfassung wieder. e) Das Zeichen [ ] markiert Hinzufügungen zum Text durch den Editor.