Maria Aurora von Königsmarck: Ein adeliges Frauenleben im Europa der Barockzeit 9783412217754, 9783412223861

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Maria Aurora von Königsmarck: Ein adeliges Frauenleben im Europa der Barockzeit
 9783412217754, 9783412223861

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Rieke Buning ∙ Beate-Christine Fiedler ∙ Bettina Roggmann (Hg.)

MARIA AURORA VON KÖNIGSMARCK EIN ADELIGES FRAUENLEBEN IM EUROPA DER BAROCKZEIT

2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Das Buch veröffentlicht die überarbeiteten Vorträge der gleichnamigen Fachtagung, die am 2. und 3. November 2012 im Schloss Agathenburg von der Kulturstiftung Schloss Agathenburg durchgeführt wurde.

Die vorliegende Publikation wird gefördert durch den Landschaftsverband Stade, die Ritterschaft des Herzogtums Bremen, die Kreissparkasse Stade und den Lions Club Stade – Aurora von Königsmarck.

Ritterschaft des Herzogtums Bremen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Maria Aurora von Königsmarck, unbekannter Maler © Kulturstiftung Schloss Agathenburg / Manfred Wigger

© 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Englische: Suzan Meves, Stade; Übersetzungen aus dem Schwedischen ins Deutsche: Cornelia Wulff-Ahrens, Stade; Übersetzungen aus dem Schwedischen ins Englische: Ramon Whitehouse, Whitehouse World Trade, Linköping Korrektorat: Rebecca Wache, Castrop-Rauxel Satz: synpannier Gestaltung & Wissenschaftskommunikation, Bielefeld Reproduktionen: Name (ohne Rechtsform), Ort Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22386-1

Inhalt Zum Geleit  ............................................................................................................. Vorwort der Herausgeberinnen  . . .................................................................................

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EINFÜHRUNG  ...............................................................................................................13 BEATE-CHRISTINE FIEDLER  Die Königsmarcks – Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie  .........................................15 SYLVIA KRAUSS-MEYL  Maria Aurora von Königsmarck – Überblick über das Leben der „berühmtesten Frau zweier Jahrhunderte“  . . ..................31

DAS KUNSTSCHAFFEN ADELIGER FRAUEN  ..................................................................43 HEIKE DÜSELDER  Stifterin, Urheberin, Dilettantin – Adelige Frauen als Schlüssel- oder Randfiguren der frühneuzeitlichen Kulturproduktion  . . ..................45 STEPHAN KRAFT  „Denn selbst Apollens Kunst wird hier ein Schatten heissen“ – Zum sichtbar-unsichtbaren literarischen Werk der Gräfin Maria Aurora von Königsmarck  ................................................................59 VALBORG LINDGÄRDE  „Wer euch mein Fräulein kent“ – Maria Aurora Königsmarck auf dem schwedischen Parnass  ....................................75 BO ANDERSSON  „Nordischer weÿrauch“ – Die religiöse Lyrik der Maria Aurora von Königsmarck  .........................................................................91 STEFAN HAMMENBECK-EICHBERGER  Die Schwestern Aurora und Amalia von Königsmarck und die Wandteppiche im Östergötlands Museum  .. .............107 MARTIN LOESER  Maria Aurora von Königsmarck als galante Förderin Johann Matthesons  . . .......................................................................................121 DOROTHEA SCHRÖDER  „Eine ungemeine Beförderinn schöner Wissenschaften“ – Maria Aurora von Königsmarck und die Musik  .....................................................135

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Inhalt

DIE HÖFISCHE GESELLSCHAFT  ...................................................................................153 ULRICH ROSSEAUX  Der Fürstenhof im Barock – Zu Struktur und Funktionen eines soziokulturellen Gesamtkunstwerks .. ......................155 FABIAN PERSSON  Navigating in a Changing Political Landscape – The Königsmarcks at the Dawn of Swedish Absolutism  ..........................................165 RALF GIERMANN  Maria Aurora von Königsmarck am Dresdner Hof  ..................183 MADELEINE BROOK  Fiktionale Quellen und Geschichte erzählen – Ein (erneutes) Plädoyer für die Sonderstellung von Maria Aurora von Königsmarcks kurzen Geschichten über den Dresdner Hof in der Rezeption des Images von August dem Starken  ..................................................................................................197 CARSTEN NIEMANN  Aurora ohne Cephalus – Die Gräfin Königsmarck an den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel  ..................................249 TERESA SCHRÖDER-STAPPER  Maria Aurora von Königsmarck als Pröpstin des Stiftes Quedlinburg oder Darf eine Mätresse Äbtissin werden?  ...............263 GUDRUN FIEDLER  Maria Aurora von Königsmarck (1662 –1728) und Maria Antonia Pessina von Branconi (1746 –1793) – Zwei Mätressen, zwei Jahrhunderte, ein Vergleich  .................................................285

ANHANG  .......................................................................................................................299 Stammtafel  .. ...........................................................................................................300 Abstracts (deutsch)  . . ................................................................................................301 Abstracts (englisch)  . . ...............................................................................................317 STEPHAN KRAFT  Maria Aurora von Königsmarck (1662 – 1728) Verzeichnis der gedruckten Werke  ..............................................................................331 Quellen- und Literaturverzeichnis  ...............................................................................351 Abbildungsverzeichnis  .............................................................................................369 Die Autoren  . . ..........................................................................................................373 Personenregister  .....................................................................................................379

Zum Geleit Die von der Kulturstiftung Schloss Agathenburg veranstaltete internationale Fachtagung „Maria Aurora von Königsmarck. Ein adeliges Frauenleben im Europa der Barockzeit“ war eine von zahlreichen Aktivitäten anläss­lich des 350. Geburtstags der ‚schönen Gr*äfin‘ im Jahr 2012. Die ganze Region würdigte eine ihrer bekanntesten und interessantesten Persön­lichkeiten. Maria Aurora kam 1662 in Stade zur Welt und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Stade und auf Schloss Agathenburg. Das Schloss mit seinen einstigen Gartenanlagen wurde von Auroras Großvater Hans Christoph Graf von Königsmarck, Gouver­ neur in den damals schwedischen Herzogtümern Bremen und Verden, im Jahr 1655 als neuer Stammsitz der Grafenfamilie errichtet. Von hier aus starte­ten die von Königsmarck zu ihren politischen und militärischen Missionen, zur adeligen Ausbildung oder zu Lustreisen. Aber nur drei Generationen der von Königsmarck lebten hier. So währte die adelig-glanzvolle Zeit Agathenburgs keine 100 Jahre. Die Spuren des einstigen repräsentativen Glanzes der barocken Anlage Schloss Agathenburg sind bis heute präsent und werden im Museum des Hauses thematisiert. Heute ist Schloss Agathenburg ein kultureller Veranstaltungsort im Besitz des Landkreises Stade, die Unterhaltung des Gebäudes und die Gestaltung eines Kultur­pro­gramms liegt seit 2004 in den Händen der Kultur­stiftung Schloss A ­ gathenburg. Seit 2011 wird in einer Dauerausstellung die wechselvolle Geschichte des Schlosses und der schwedischen Grafenfamilie von Königsmarck dargestellt. Einer Familie, die sehr vermögend und europaweit angesehen war und die wie kaum eine andere das adelige Leben in der Barockzeit widerspiegelt. Als Ort der Geschichte, an dem sich einige der Ereignisse zugetragen haben oder ihren Anfang nahmen, lag es für die Kulturstiftung Schloss Agathenburg nahe, über Fragestellungen hinaus, die in der Ausstellung thematisiert werden konnten, den Anstoß zu einer wissenschaft­lichen Vertiefung weiterer Themen zu geben. Die nun vorliegende Publikation „Maria Aurora von Königsmarck. Ein adeliges Frauenleben im Europa der Barockzeit“ zur gleichnamigen Tagung präsentiert zahlreiche neue Erkenntnisse zu der wohl bekanntesten Vertreterin der Adelsfamilie von Königsmarck. Wie einst zu Zeiten des Barock erweist sich Schloss Agathenburg dabei als zwar kleiner Ort in der Provinz, doch – eingebunden in internationale Netzwerke – keineswegs als provinziell. Herz­lich danke ich dem Vorbereitungsteam der Tagung Rieke Buning, ­Beate-­Christine Fiedler und Bettina Roggmann, das ebenfalls den Tagungsband herausgibt. Ebenso geht mein Dank an die Autorinnen und Autoren des

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Zum Geleit

Bandes, die uns mit ihrer Arbeit eine der schillerndsten Persön­lichkeiten der Barockzeit näher bringen. Nicht zuletzt danke ich den Förderern, dem Landschaftsverband Stade, der Ritterschaft des Herzogtums Bremen, der Kreissparkasse Stade und dem Lions Club Stade – Aurora von Königsmarck, die die Publikation großzügig unterstützt haben. Michael Roesberg Stiftungsratsvorsitzender der Kulturstiftung Schloss Agathenburg und Landrat des Landkreises Stade

Vorwort der Herausgeberinnen Über Maria Aurora von Königsmarck, die wohl bekannteste Vertreterin der schwedischen Grafenfamilie, existieren neben beharr­lich bestehenden Legenden erheb­liche Forschungslücken. Ihr Leben war reich, aufregend und vielseitig. Sie war schön, gebildet, geistreich und künstlerisch tätig. Letzteres zeigt sich insbesondere in ihren Gedichten, Prosatexten und Liedern. Sie wurde umschwärmt und verehrt, sie war stets auf Reisen und an den europäischen Fürstenhöfen zu Hause. Sie blieb unverheiratet. Binnen fünf Jahren wurde sie nacheinander die Mätresse des sächsischen Kurfürsten und späteren polnischen Königs August des Starken, die Mutter des späteren französischen Marschalls Moritz von Sachsen und die Pröpstin des welt­lichen Damenstifts Quedlinburg, wo sie 1728 starb. Bis zu ihrem Lebensende war sie in europäische Netzwerke eingebunden. Im November 2012, anläss­lich des 350. Geburtstages der schwedischen Gräfin, veranstaltete die Kulturstiftung Schloss Agathenburg bei Stade eine internatio­ nale und interdisziplinäre Fachtagung zu Maria Aurora von Königsmarck. Ziel der Tagung war es, eine realistische und wissenschaft­lich fundierte Annäherung an die Persön­lichkeit der Gräfin zu erreichen. Darin eingebunden waren die Zeitumstände – denn ohne die Kenntnis der sie umgebenden, beeinflussenden und formenden gesellschaft­lichen Verhältnisse und damit der adeligen Lebenswelten der Frühen Neuzeit konnte eine adäquate Annäherung an Aurora von Königsmarck nicht gelingen. Mit den Ergebnissen dieser Tagung auf Schloss Agathenburg wurde zugleich die allgemeine Forschung zum adeligen Frauenleben im Europa der Frühen Neuzeit vorangebracht. Alle sechzehn Beiträge der Tagung liegen mit dieser Publikation nun in überarbeiteter schrift­licher Form vor. Zur Einführung werden die schwedische Linie der Grafenfamilie von Königsmarck und das Leben der Gräfin vorgestellt. Die weiteren Aufsätze untersuchen für Aurora von Königsmarck bedeutende Fragestellungen zu den Schwerpunktthemen adelige weib­liche Kulturproduktion und höfisches Leben im Barock. Dabei geht es ebenso um die detaillierte Darstellung und wissenschaft­liche Einordnung ihrer künstlerischen Tätigkeit, wie um ihr Leben und Wirken an den Höfen in Stockholm, Dresden, Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel. Spezielle Blicke werden auf bestimmte Aspekte der Rezeptionsgeschichte geworfen sowie auf die fast 30 Jahre umfassende Lebensphase Auroras als Pröpstin des welt­lichen Damenstifts Quedlinburg. Renommierte wie junge Wissenschaftler/innen aus Deutschland, Schweden und Großbritannien untersuchen in ihrer jeweiligen Disziplin – Geschichte und Kunstgeschichte sowie Musik- und Literaturwissenschaft – aus verschiedenen

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Vorwort der Herausgeberinnen

Perspektiven und mit unterschied­lichen Fragestellungen das Leben und den Einfluss Maria Aurora von Königsmarcks. Die interdisziplinäre Herangehensweise ermög­licht dabei eine vielfältige Kontextualisierung von vorhandenen Quellen und Zusammenhängen. Die bisher weitgehend parallel verlaufende Forschung zu Maria Aurora von Königsmarck in Schweden und Deutschland wird durch den Tagungsband über sprach­liche Barrieren hinaus geöffnet und zusammengeführt. Hierzu sollen auch die Abstracts auf Englisch und Deutsch beitragen. Neben den wissenschaft­lichen Aufsätzen beinhaltet der Band einen umfangreichen Abbildungsteil, der unter anderem erstmals alle sechs sogenannten Königsmarck’schen Tapeten farbig publiziert, ein Werkverzeichnis Aurora von Königsmarcks inklusive fälsch­lichen Zuschreibungen, ein Literaturverzeichnis und ein Personenregister. Der umfangreiche Tagungsband leistet sowohl eine vertiefte Kenntnis als auch Neubewertung der Person Maria Aurora von Königsmarcks. Dabei konnten selbstverständ­lich nicht alle Fragen und mög­lichen Legenden geklärt werden: Gerne wird die Bedeutung der schwedischen Gräfin mit dem Ausspruch des französischen Philosophen Voltaire als „der berühmtesten Frau zweier Jahrhunderte“ hervorgehoben. Nur kann die Primärquelle für diesen viel zitierten Satz bisher nicht angeführt werden. Zitiert wird Voltaire nach der ersten ­seriösen Biografie über Maria Aurora von Friedrich Cramer aus dem Jahr 1836.1 Ob Cramer mit seinem prominenten Zitat eine Interpretation aus Voltaires „Geschichte Karls XII.“ liefert oder ob ihm noch ein weiterer Text des franzö­ sischen Philosophen vorlag, bleibt eine der Fragen, die der weiteren Forschung vorbehalten sind.

1 Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königsmark und der Königsmark’schen Familie. Nach bisher unbekannten Quellen, Leipzig 1836. Cramer nennt die Beurteilung Auroras durch Voltaire in seinem Vorwort. Dort heißt es: … dass die bisherigen Erzählungen von der berühmtesten Frau zweier Jahrhunderte (wie sie Voltaire nennt) viel Unwahres verbreiteten. Ebd., S. V. Nach bisherigem Kenntnisstand kann Aurora allein in Voltaires ‚Geschichte Karls XII.‘ Erwähnung finden und aus dieser Schrift zitiert Cramer auch an späterer Stelle in seiner Biografie über Maria Aurora. Dort heißt es über sie: Diese Frau, weltbekannt durch Geist und Schönheit, … und Unter Eigenschaften, welche sie zur liebenswürdigsten Frau Europas machten, … Ebd. S. 251. Die Übersetzung Cramers stimmt mit dem Originaltext bei Voltaire auch weitestgehend überein: Cette femme célèbré dans le monde par son esprit & par sa beauté, … und anschließend: … qui la rendaient une des plus aimables personnes de l’Europe, … Voltaire, Histoire de Charles XII. Roi de Suede, in: Oeuvres de M. de Voltaire, seconde Edition, Tome X., Paris 1757, S. 21 – 460, hier S. 112/113.

Vorwort der Herausgeberinnen

Mit dem vorliegenden Tagungsband werden viele Forschungslücken geschlossen, Neuinterpretationen vorgenommen und gleichzeitig Forschungsdesiderate aufgezeigt. Dass ein bedeutender Schritt zur wissenschaft­lichen Erforschung des Lebens und Wirkens der schwedischen Gräfin Maria Aurora von Königs­ marck vollzogen werden konnte, ist das Verdienst der Autorinnen und Autoren. Ihnen gilt unser ganz besonders herz­licher Dank für das große Engagement und die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir eine erhellende, unterhaltsame, ertragreiche Lektüre und zahlreiche Anregungen für weitere eigene Forschungen und Gedanken. Rieke Buning Beate-Christine Fiedler Bettina Roggmann

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BEATE-CHRISTINE FIEDLER

Die Königsmarcks – Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie Die schwedische Grafenfamilie Königsmarck bestand nur über drei Genera­ tionen. In diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum hat sie jedoch europäische Geschichte geschrieben.1 Bevor sich in den nachfolgenden Beiträgen der Fokus auf Maria Aurora von Königsmarck richten wird, soll zunächst ihre Familie vorgestellt werden. Anhand der einzelnen Generationen wird exemplarisch der nahezu kometenhafte Aufstieg der schwedischen Königsmarcks, der untrennbar mit Stade, Agathenburg und der Elbe-Weser-Region verbunden ist, aufgezeigt, die große

1 Zur Familie Königsmarck vgl. Allgemeine Deutsche Biographie (ADB ) 16 (1882), S. 526 – 534; Barre, Werner: Der schwedische Ast der Grafen von Königsmarck, in: Männer vom Morgenstern 73, 1994, S. 97 – 115; Elgenstierna, Gustav: Den introducerade svenska adelns ättartavlor med tillägg och rättelser IV , Stockholm 1928, S. 391 – 393; Fiedler, Beate-Christine: Hans Christoph von Königsmarck. Ein brandenburgischer Junker in schwedischen Diensten, in: Frö­lich, Jürgen/Körber, Esther-Beate/ Rohrschneider, Michael (Hg.): Preußen und Preußentum vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Beiträge des Kolloquiums aus Anlaß des 65. Geburtstages von Ernst Opgenoorth am 12.2.2001, Berlin 2002, S. 33 – 54; Hesekiel, George: Nachrichten zur Geschichte des Geschlechts der Grafen Königsmarck, Berlin 1854; Jobelmann, Wilhelm Heinrich: Der bremische Zweig der Familie Königsmarck, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen (1876), S. 213 – 262; Kammann, Christian: Die Agathenburg. Geschichte eines bremischen Herrenhauses und seiner Gärten, Stade 1988; Krauss-Meyl, Sylvia: „Die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte“. Maria Aurora Gräfin von Königsmarck, Regensburg 2012; Neue Deutsche Biographie (NDB) 12 (1980), S. 359 – 362; Svenskt Biografiskt Lexikon (SBL ) 21 (1975 – 1977), S.  775 – 782; Ebd.  22, S. 1 – 5; Trippenbach, Max: Die Königsmarcks in Bremen und Verden, in: Stader Archiv Neue Folge Heft 10 (1920), S. 77 – 87; Warnstedt, Christopher von: Brandenburgisk Adel med svensk anknytning. Ätterna von Königsmarck, Mörner, von Warnstedt, Lund 1947; Ders.: Die von Königsmarck, in: Zeitschrift für Niederdeutsche Familienkunde 38 (1963), S. 35 – 45. – Im Reichsarchiv (RA ) Stockholm liegen im „Enskilda Arkiv“ zahlreiche Unterlagen zur Familie Königsmarck, vor allem in Rydboholmssamlingen (E 7747 – 7938). Im NLA – Standort Stade – (StA Stade) befinden sich im Bestand Rep. 5a Königsmarcksche Akten, vor allem die einzelnen Güter in Bremen-Verden betreffend (Rep. 5a Fach 492 – 508).

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Beate-Christine Fiedler

Bedeutung, die die Familie im Europa des 17. Jahrhunderts innehatte, sowie der fast ebenso steile Abstieg und ihr tragisches Ende. Die außergewöhn­liche Familiengeschichte beginnt um 1600 in der Altmark, der Wiege Brandenburgs, und endet etwa ein Jahrhundert später in ­Hannover. Sie umfasst ein ganzes Jahrhundert, das ebenso durch den Dreißigjährigen Krieg, den Aufstieg der schwedischen Monarchie zu einer europäischen Großmacht und die Türkenkriege gekennzeichnet ist wie durch die höfische Festkultur des Barock. Die Königsmarcks waren aktiv daran beteiligt, sie sind gleichsam ein Spiegelbild der Phänomene und Entwicklungen im Europa des 17. Jahrhunderts.

Die erste Generation – Hans Christoph von Königsmarck Hans Christoph von Königsmarck (1605 – 1663), der Begründer der schwe­ dischen Grafenfamilie, war im Rückblick einer der bedeutendsten Feldherren im Dreißigjährigen Krieg, Gouverneur in den Herzogtümern Bremen und Verden, schwedischer Reichsrat, Feldmarschall und einer der reichsten Männer Nordeuropas.2 Am 12. Dezember 1605 kam er im brandenburgischen Kötzlin als Sohn des kaiser­lichen Rittmeisters Conrad (Curt) von Königsmarck und der Beate (Beatrix) Elisabeth von Blumenthal auf dem Königsmarck’schen Familiensitz zur Welt.3 Die Familie entstammte dem altmärkischen Uradel. 1616 wurde der

2 Zu Hans Christoph von Königsmarck vgl. ADB 16 (1882), S. 528 – 530 (Krause, Karl Ernst Hermann); Aust, Gerrit: von Königsmarck, Hans Christoph, in: Bei der Wieden, Brage/Lokers, Jan: Lebensläufe zwischen Elbe und Weser. Ein biographisches Lexikon. Band 1, im Auftrag des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Stade 2002, S. 190 – 192; Beckman, Margareta: Aurora von Königsmarck. Svenska bland fältherrar i stormaktstidens Europa, Stockholm 1998, S. 7 f.; Böhme, Klaus-Richard: Bremisch-verdische Staatsfinanzen 1645 – 1676. Die schwedische Krone als deutsche Landesherrin, Uppsala 1967, S. 32 f.; Fiedler, Hans Christoph von Königsmarck, wie Anm. 1; Findeisen, Jörg-Peter: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Epoche in Lebensbildern, Darmstadt 1998, S. 462; NDB 12 (1980), S. 361 – 362 (Schulze, Heinz Joachim); SBL 21 (1975 – 1977), S. 778 – 781 (Böhme, Klaus-Richard); handschrift­liche Lebensbeschreibung von Heinrich Salmuth, Generalauditeur und Vertrauter von Königsmarck, verfasst um 1659 (StA Stade, Rep. 81 Hs acc. 2008/028 Nr. 1); vgl. auch Anm. 1. 3 In der älteren Literatur wird vielfach, ohne Angabe von Quellen, als Geburtsdatum der 25. Februar 1600 genannt. Gemäß den handschrift­lichen Personalien in der Leichenpredigt (RA Stockholm E 8098) und der zeitgenössischen Lebensbeschreibung von Heinrich Salmuth, wie Anm. 2, kam Hans Christoph von Königsmarck am 12. Dezember

Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie

elfjährige Junge als Page zur ritter­lichen Ausbildung an den Hof des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg (1591 – 1634) nach Wolfenbüttel geschickt, eine Universitätsausbildung erhielt er nicht. Vier Jahre später, 1620, trat er in kaiser­liche Kriegsdienste und nahm seitdem am Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) teil. Nach dem Eintritt des schwedischen Königs Gustav II. Adolf in den Krieg wechselte er die Seiten und kämpfte seit 1631 erfolgreich für die schwedische Krone. Königsmarck gelang eine steile Karriere. Zunehmend wurde es zu seiner Hauptaufgabe, die Versorgungsgebiete für die schwedische Armee zu erweitern und dort die Steuererhebung zu organisieren. Die einkommenden Mittel wurden u. a. für die Errichtung und Ausrüstung neuer Verbände verwendet. Damit wurde Hans Christoph von Königsmarck zum großen Organisator der schwedischen Armee, zum wichtigen Faktor der schwedischen Kriegswirtschaft. Es gelang ihm hervorragend, Soldaten zu werben, da er sie dank seiner Geschick­lichkeit als Kriegsfinanzier und Kriegsunternehmer bezahlen konnte. Dass es dabei wie in allen Kriegen bis zum heutigen Tag auch zu rücksichtslosen Erpressungen, Plünderungen, Brandschatzungen und Misshandlungen kam, muss nicht eigens erwähnt werden, Königsmarcks Streifzüge waren berüchtigt. Seine bekanntesten und bedeutendsten Kriegstaten, die wesent­lich zu den Erfolgen der schwedischen Krone bei den Friedensverhandlungen in Osnabrück beitrugen, waren die Eroberung des Elbe-Weser-Raumes im Frühjahr 1645 und die Einnahme der Prager Kleinseite im Juli 1648, wenige Wochen vor Kriegsende. Diese Aktion hatte eine der größten Kriegsbeuten aller Zeiten zur Folge: Die Kunstkammer des Kaisers Rudolf II. (1552 – 1612) wurde ausgeraubt, der Wert der Kriegsbeute auf etwa sieben Millionen Reichstaler geschätzt. Darunter waren berühmte Gemälde (470), Bronzefiguren (69), Elfenbeinarbeiten (179), Gefäße aus Achat und Kristall (600), Arbeiten aus Edelsteinen (185), tausende Münzen und Medaillen, mehrere Schubladen mit geschliffenen Diamanten, mehr als 300 mathematische Instrumente, zahlreiche wertvolle Waffen, pures Gold und fantastische Bücher, Handschriften und Archivalien. Ein Großteil der Beute wurde zu Königin Christina nach Stockholm verschifft, ein kleinerer Teil blieb im Besitz der Königsmarcks und wurde u. a. im Schloss Agathenburg aufbewahrt.4 1605 zur Welt. Zukünftig sollte grundsätz­lich das durch zeitgenössische Quellen belegte Geburtsdatum verwendet werden. Ein Kirchenbuch zum entsprechenden Zeitraum ist nicht überliefert. 4 Zur Kriegsbeute vgl. Livrustkammaren (Hg.): Krigsbyten i svenska samlingar. R ­ apport från Seminarium i Livrustkammaren 28/3 2006, Stockholm 2007; Dies.: Krigsbyte.

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Beate-Christine Fiedler

Der erfolgreiche Kriegsheld wurde von der schwedischen Krone reich belohnt. Bereits 1645 ernannte Königin Christina Königsmarck zum Gouverneur des von ihm eroberten Gebiets an Elbe und Weser. Das Amt übte er bis zu seinem Tod 1663 aus. Als Gouverneur und könig­licher Statthalter hatte er entscheidenden Einfluss auf die grundlegende Neuordnung der Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen in den Territorien Bremen und Verden, die im Westfälischen Frieden von 1648 als säkularisierte Herzogtümer der schwedischen Krone vertrag­lich zuerkannt und von der neuen Provinzhauptstadt und Landesfestung Stade aus gemeinsam verwaltet wurden.5 Ebenfalls gleich zu Beginn der Schwedenzeit in Bremen-Verden wurde Hans Christoph von Königsmarck reich mit Landbesitz beschenkt. 1645 donierte Königin Christina ihm die ertragreichen Ämter Rotenburg und Neuhaus, weitere Donationen folgten.6 Den umfangreichen Grundbesitz erweiterte er durch Kauf und Pfand, so dass er zu einem einflussreichen Grund-, Gerichtsund Kirchenherrn im Elbe-Weser-Raum avancierte und eine bemerkenswerte Machtposition in Bremen-Verden innehatte. Darüber hinaus ernannte Königin Christina den bedeutenden Feldherren 1651 zum schwedischen Grafen und Reichsrat. Sein Titel war seitdem „Graf zu Västervik und Stegeholm, Herr zu Rotenburg und Neuhaus“. Der Zenit seiner

War-Booty (Journal of the Royal Armoury 2007 – 2008), Värnamo 2007. 5 Vgl. hierzu vor allem Fiedler, Beate-Christine: Die Verwaltung der Herzogtümer Bremen und Verden in der Schwedenzeit 1652 – 1712. Organisation und Wesen der Verwaltung (Einzelschriften des Stader Geschichts- und Heimatvereins 29, und Veröffent­ lichungen aus dem Stadtarchiv Stade 7), Stade 1987; Dies.: Förvaltningen av Hertigdömena Bremen och Verden under Svensktiden 1652 – 1712. Organisation och praxis, in: Karolinska Förbundets Årsbok 1987, Lund 1988, S. 94 – 153; Dies.: Bremen und Verden als schwedische Provinz (1633/45 – 1712), in: Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser, im Auftrag des Landschaftsverbandes der ehem. Herzogtümer Bremen und Verden hg. v. Hans-Eckhard Dannenberg und Heinz-Joachim Schulze (†) unter Mitarbeit von Michael Ehrhardt und Norbert Fischer, Band III: Neuzeit (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden 9), Stade 2008, S.  173 – 253. 6 Zur Belohnung und Abfindung von Militärs, Beamten und Diplomaten verschenkte die schwedische Krone in großem Umfang staat­liche Güter und Ländereien. Zu den Donationen vgl. Böhme, Staatsfinanzen, wie Anm. 2, S. 76 und 531 f.; Ehrhardt, Michael: Die schwedischen Donationen und Reduktionen und ihre Wirkung im länd­lichen Raum, in: Stader Jahrbuch 2010, hg. im Auftrag des Stader Geschichts- und Heimatvereins von Jürgen Bohmbach und Gudrun Fiedler (zugleich Veröffent­lichungen aus dem Stadt­ archiv Stade 28), Stade 2010, S. 75 – 100; Fiedler, Verwaltung, wie Anm. 5, S. 46 f.

Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie

Karriere war erreicht, Königsmarck gehörte nunmehr zum schwedischen Hochadel. Der brandenburgische Junker hatte internationales Ansehen erlangt. Schließ­lich wurde er vom schwedischen König Carl X. Gustav 1655 zum Feldmarschall ernannt. Auf dem Weg in den Polnischen Krieg geriet er 1656 in Weichselmünde in Gefangenschaft und kehrte erst 1660 nach Stade zurück. Noch kurz vor seiner Abreise nach Polen, 1655, hatte er vor den Toren der Stadt Stade, in der die Familie ein statt­liches Wohnhaus besaß, das Schloss Agathenburg gebaut, das er nach seiner Rückkehr kostbar ausstattete. Die Agathenburg wurde nach 1660 ein bevorzugter Aufenthaltsort der gräf­lichen Familie. Sie war ein prachtvolles Anwesen mit wertvollem Inventar des Barock, mit großartiger Garten- und Parkanlage sowie mit umfangreichen Ländereien. Sie war auf der einen Seite repräsentativer Landsitz, auf der anderen Seite gutswirtschaft­licher Betrieb und Leibgedinge für seine Frau Agathe, geb. von Lehsten (1608 – 1671), eine braunschweig-wolfenbüttel’sche Hofdame, die er 1633 in der Altmark geheiratet hatte und die die Namensgeberin der Schlossanlage wurde.7 Agathenburg sollte der neue Stammsitz der Familie werden. Im Februar 1663, ein knappes Jahr nach der Geburt seiner Enkeltochter Aurora, starb Hans Christoph von Königsmarck in Stockholm auf einer Dienstreise an einem entzündeten Hühnerauge. Die Begräbnisfeier­lichkeiten in der Stockholmer Riddarholmskirche am 6. März 1663 verliefen in allen Ehren, der Sarg mit den leib­lichen Überresten wurde nach Stade in das Königsmarck’sche Erbbegräbnis in der ehemaligen Klosterkirche St. Marien überführt, die in der Schwedenzeit als Regierungskirche genutzt wurde. Königsmarcks Vermögen umfasste etwa zwei Millionen Reichstaler, sein Jahreseinkommen hatte geschätzte 130.000 Reichstaler betragen. Er gehörte somit zu den reichsten Männern seiner Zeit. Der überwiegende Teil seines Vermögens bestand aus Darlehensleistungen, die Darlehenspolitik war für ihn neben Güterbesitz, der sich über das gesamte Königreich Schweden und seine Provinzen erstreckte, eine wichtige Form der Kapitalanlage.8 Größter ­Darlehensnehmer war die schwedische Krone, die ohne die Königsmarck’schen 7 Das Leibgedinge dient der Versorgung der Ehefrau, die die Einkünfte aus dem Gut erhält. 8 Seine Besitzungen in Brandenburg dagegen hatte Königsmarck 1662 verkauft. In einem Erbbuch sind detailliert die Besitzungen des Grafen in Bremen-Verden verzeichnet (StA Stade, Rep. 5a Fach 492 Nr. 3 Bl. 1 – 150). Vgl. auch Bohmbach, Jürgen: Die Besitzungen Hans Christoph von Königsmarcks in den Herzogtümern Bremen und Verden, in: Brosius, Dieter/Last, Martin (Hg.): Beiträge zur niedersächsischen Landesgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Hans Patze, Hildesheim 1984, S. 209 – 219, hier S. 213 f.

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Beate-Christine Fiedler

Kredite ihre Kriege nicht hätte finanzieren können. Allein von 1655 bis 1661 lieh er der Krone 225.000 Reichstaler.9 Schweden geriet auf diese Weise zwangsläufig in seine Abhängigkeit. Ein Testament vom 27. Juni 1662, verfasst und beglaubigt im Schloss Agathenburg, regelte den immensen Nachlass von Hans Christoph von Königsmarck.10 Die Güter wurden zu gleichen Teilen auf die beiden Söhne Cordt Christoph (1634 – 1673) und Otto Wilhelm (1639 – 1688) verteilt und ein Fideikommiss begründet.11 Ehefrau Agathe und Tochter Beate Elisabeth (1637 – 1723), die seit 1655 mit dem schwedischen Grafen Pontus Fredrik De la Gardie (1630 – 1692) verheiratet war, wurden großzügig finanziell abgefunden. Im Auftrag der Söhne verfasste der renommierte Latinist Alexander Julius Torquatus a Frangipani anläss­lich seines Todes 1663 eine prachtvolle Lobrede, die beeindruckende Kupferstiche enthält. Bremen-Verden war die Heimat des Grafen Hans Christoph von Königs­ marck geworden. Seine Familie zog es jedoch hinaus in die Welt, sie blieb nicht in Stade und Agathenburg. Bereits seine Witwe lebte überwiegend in Hamburg.12

9 Weitere Beispiele: 1651 lieh Königsmarck dem schwedischen Kronprinzen Carl Gustav 60.000 Reichstaler, erhielt im Gegenzug als Pfand das schwedische Gut Eskilstuna; 1652 lieh er Königin Christina 50.000 Reichstaler, dafür wurde ihm der „Große Zoll“ zu ­Västervik verpfändet. 1662 lieh Königsmarck der schwedischen Krone 40.000 Reichstaler und erhielt im Gegenzug das Amt Bederkesa als Pfand. 10 Zum Testament vgl. Böhme, Klaus-Richard: Hans Christopher von Königsmarcks Testament, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 41 (1969), S. 134 – 155 (hier ist das Testament abgedruckt (S. 145 – 155), die handschrift­liche Vorlage liegt im RA Stockholm E 8098). 11 Fideikommiss bedeutet, dass zur Sicherung des Eigentums das einer bestimmten Erbfolge unterliegende Vermögen unveräußer­lich und unteilbar sein und auch nicht belastet werden sollte. Hans Christoph von Königsmarck war einer der ersten schwedischen Adeligen, der ein Fideikommiss begründete. 12 Agathe von Königsmarck wohnte nach dem Tod ihres Mannes zur Miete bei Joachim Anckelmann in Hamburg, der einer bedeutenden Hamburger Familie entstammte. Zweimal jähr­lich wurde seit 1664 die Hausmiete (je 166,32 Reichstaler) an Anckelmann gezahlt (RA Stockholm E 7747: Rechnungsbuch).

Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie

Die zweite Generation – Otto Wilhelm von Königsmarck Hans Christoph von Königsmarck hatte seinen Kindern Cordt Christoph,13 Beate Elisabeth und Otto Wilhelm eine standesgemäße Ausbildung und Erziehung zuteil werden lassen, und es gelang ihm, sie hervorragend zu verheiraten.14 Damit vollzog er entscheidende Schritte zur Festigung der gerade gewonnenen gesellschaft­lichen Bedeutung. Die Ausbildung der Kinder erfolgte gemäß dem hochadeligen schwedischen Bildungsprogramm, dem Ideal des schwedischen Adels, das Bildung mit Heldentum (Arte et Marte) verband.15 Otto Wilhelm von Königsmarck war der jüngste Sohn des großen Feldherren und nach dessen Tod Besitzer von Agathenburg.16 Er kam 1639, mitten im Dreißigjährigen Krieg, in Minden zur Welt und verkörpert wohl den Höhepunkt der schwedischen Grafenfamilie männ­licherseits.17 Er war hoch gebildet, fromm, in vielerlei Hinsicht talentiert, militärisch ebenso erfolgreich wie sein Vater, darüber hinaus jedoch ein angesehener Diplomat. Er war ein ‚vollendeter Kavalier‘ und ‚Europäer‘. Er entsprach wohl wie kaum ein anderer dem Idealbild des schwedischen Adels jener Zeit. Vom 12. Lebensjahr, 1651, bis zu seinem Tod, 1688, war Otto Wilhelm von Königsmarck fast nur auf Reisen. Die Ortsveränderung gehörte zur standesgemäßen Lebensführung, der adelige Mann der Frühen Neuzeit war stets unterwegs. Die Ausbildungszeit des jungen Otto Wilhelm von Königs­marck war ungewöhn­lich lang. Sie begann mit Universitätsstudien in Jena und Leipzig,

13 Zu Cordt Christoph von Königsmarck vgl. vor allem SBL 21 (1975 – 1977), S. 781 (Åberg, Alf). 14 Zwei weitere Kinder starben früh: Maria Agneta (1643 – 1650) und Johann Friedrich (1635 – 1653). 15 Das Ritterhaus (Riddarhuset) der schwedischen Ritterschaft, 1641 errichtet, trägt bis heute die Inschrift „Arte et Marte“. Vgl. hierzu u. a. Lohmeier, Dieter (Hg.): Arte et Marte. Studien zur Adelskultur des Barockzeitalters in Schweden, Dänemark und Schleswig-Holstein, Neumünster 1978. 16 Agathenburg sollte laut Testament eigent­lich Cordt Christoph zufallen, die Brüder schlossen jedoch am 11. September 1663 einen Tauschvertrag, der Otto Wilhelm zum Eigentümer der Schlossanlage machte (RA Stockholm E 7747). 17 Zu Otto Wilhelm von Königsmarck vgl. vor allem ADB 16 (1882), S. 532 – 534 (Krause, Karl Ernst Hermann); NDB 12 (1980), S. 361 – 362 (Schulze, Heinz Joachim); SBL 21 (1975 – 1977), S. 782 (Åberg, Alf).

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und es folgte die Grand Tour – die Kavalierstour.18 Neun Jahre war der Junge in Mittel-, Süd- und Westeuropa unterwegs. An den Universitäten studierte er vor allem Jura und mathematische Wissenschaften – letztere waren wichtig für die Festungskriege der Frühen Neuzeit und interessierten Otto Wilhelm ganz besonders. Sprachen erlernte er in den jeweiligen Ländern – Sprachkenntnisse galten als eine Säule frühneuzeitlicher Bildung. Die ritter­lichen Exerzitien (Reiten, Fechten, Tanzen) gehörten gleichfalls zur Ausbildung eines Kavaliers. Netzwerke wurden aufgebaut, die Königshäuser standen ihm offen. ­Finanziell war der Junge gut versorgt, regelmäßig kamen Wechsel an den jeweiligen Aufenthaltsorten an. Im Jahr 1660 kehrte der 21jährige Otto ­Wilhelm von Königsmarck nach Stade zurück, kurz darauf reiste er weiter nach Stockholm, zur Vorstellung am könig­lichen Hof. Der junge Mann wurde zum Oberkammerherrn ernannt. Seine beruf­liche Laufbahn begann auf diplomatischem Parkett – in England, Deutschland und vor allem in Frankreich, wo er 1665/66 als Gesandter tätig war. Von 1668 bis 1672 stand er in Diensten des mit Schweden verbündeten Königs von Frankreich Ludwig XIV. Unter den Prinzen von Turenne und von Condé erwarb er sich so große ,Lorbeeren‘, dass der französische König ihm einen kostbaren Degen schenkte, der in der Rüstkammer der Familie im Schloss Agathenburg seinen Platz fand. 1672 wurde Otto Wilhelm von Königsmarck vom schwedischen König Carl XI . zum Generalmajor über die Kavallerie und zum Vizegouverneur in Bremen-­Verden ernannt – in der Nachfolge seines älteren Bruders Cordt Christoph, Auroras Vater, der die schwedischen Dienste verlassen hatte und bereits ein Jahr später, 1673, als holländischer Generalleutnant im Kampf gegen die Franzosen vor Bonn fiel. Otto Wilhelm war seitdem Vormund für die noch kleinen Kinder seines verstorbenen Bruders, eine Aufgabe, die er ebenso verantwortungsvoll wahrnahm wie seine militärischen und diplomatischen Funktionen. Otto Wilhelm von Königsmarck hatte europaweit höchstes Ansehen gewonnen. Im Januar 1672 schrieb der dänische Minister Juel aus Stockholm an den dänischen König: 18 Zur Kavalierstour vgl. Leibetseder, Mathis: Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 56), Köln/ Weimar/Wien 2004; Giese, Simone: Studenten aus Mitternacht. Bildungsideal und peregrinatio academica des schwedischen Adels im Zeichen von Humanismus und Konfessionalisierung (Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 68), Stuttgart 2009.

Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie

Der Graf von Königsmarck ist ein sehr vollendeter Kavalier, der vom König sehr geschätzt wird […] Ich möchte wünschen, dass Eure Majestät sich ein hundert Untertanen verschaffen könnte wie er einer ist, denn man sagt, dass er außer viel guten Eigenschaften 19 ungefähr 90.000 Rtr jähr­liche Revenuen hat.

Doch die politische Lage in Europa veränderte sich, gleichzeitig kündigte sich ein Umbruch in der schwedischen Innenpolitik an, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Familie Königsmarck, die unausweich­lich eingebunden war in die politischen und gesellschaft­lichen Entwicklungen der Zeit. Ende 1674 fiel ein schwedisches Heer unter dem Feldmarschall Carl Gustav Wrangel (1613 – 1676), ein Onkel Auroras mütter­licherseits, in die Mark Brandenburg ein. Im Juni 1675 gelang es dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620 – 1688), das schwedische Heer zu schlagen. Die aus schwedischer Sicht verhängnisvolle Schlacht bei Fehrbellin ging in die Geschichtsbücher ein – als entscheidendes Ereignis für den Aufstieg Brandenburg-Preußens zu einer Großmacht und im Gegenzug für den allmäh­lichen Verfall der schwedischen Großmachtposition. Die Machtverhältnisse in Nordeuropa begannen sich zu ändern. Im Juli 1675 folgte die Verhängung der Reichsacht über den schwedischen König als deutschen Reichsfürsten in Pommern, Mecklenburg, Bremen und Verden. Münster, Dänemark und Braunschweig-Lüneburg vollstreckten die Reichsexekution gegen Schweden und besetzten für einige Jahre, bis 1679/80, die deutschen Provinzen der schwedischen Krone, auch Bremen-Verden. Nur durch französische Unterstützung gelang es, nach den Kriegsverlusten den alten territorialen Umfang im Großen und Ganzen wiederherzustellen. Otto Wilhelm von Königsmarck war an entscheidender Stelle an den Kriegszügen beteiligt. Er wurde nach dem Tod Wrangels 1676 zum Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen ernannt, konnte jedoch trotz einiger Heldentaten in Pommern an den schwedischen Niederlagen letzt­lich nichts ändern, zu groß war die gegnerische Macht. Doch als Dank für die ruhmreichen Kriegstaten wurde er nach der Wiedererlangung der deutschen Provinzen 1679 vom schwedischen König zum Generalgouverneur von Pommern, Rügen und Wismar ernannt. Damit hatte er die Funktionen seines Vaters inne – Feldmarschall und Gouverneur –, allerdings mit einer territorialen Verlagerung nach Osten. In Bremen und Verden hielt sich Otto Wilhelm von Königsmarck nur noch sporadisch auf.

19 Zit. nach Mörner, Graf Birger: Maria Aurora Königsmarck. Eine Chronik, München 1922, S. 148 f.

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Entscheidend für seinen weiteren Lebensweg war die Entwicklung im schwedischen Königreich. Dort vollzog sich ein politischer Wandel mit dramatischen Folgen für die Familie Königsmarck. Der kriegsgebeutelte Staat war nahezu bankrott, der Haushalt musste konsolidiert werden. Die Folge war die groß angelegte Reduktionspolitik, die entschädigungslose Rücknahme der einst in großem Maßstab donierten Güter. Die Reduktion traf vor allem die durch diese Schenkungen zu Ehren und Reichtum gelangten Adelsfamilien, darunter die Königsmarcks. Sie verloren zahlreiche Güter und damit die Basis ihres Vermögens.20 Während Hans Christoph von Königsmarck ein geschätztes Jahreseinkommen von 130.000 Reichstalern hatte, belief sich das entsprechende Einkommen seines Sohnes Otto Wilhelm um 1670 auf etwa 90.000 und das seines Enkelsohnes Philipp Christoph nur noch auf etwa 6.000 bis 7.000 Reichstaler um 1690. 1681 reiste Otto Wilhelm von Königsmarck nach Stockholm, um seine privaten Angelegenheiten zu regeln. Im Februar 1682 heiratete er dort die 16 Jahre jüngere Catharina Charlotte De la Gardie (1655 – 1697), Tochter des einst mächtigen schwedischen Reichskanzlers Magnus Gabriel De la Gardie (1622 – 1686) und der Maria Euphrosyne von Pfalz-Zweibrücken (1625 – 1687), Schwester des schwedischen Königs Carl X. Gustav. Beide Familien – Königsmarck und De la Gardie – waren in Europa höchst angesehen. Nun erlitten sie einen erheb­lichen Verlust an Geld, Besitz und Einfluss. Zwei hochadelige Familien vereinigten sich, beide hatten jedoch den Zenit überschritten und fielen der drastischen Haushaltskonsolidierung und dem politisch-gesellschaft­lichen Wandel im schwedischen Königreich zum Opfer. 1685 verließ Otto Wilhelm Schweden. Zunächst kämpfte er in kaiser­lichen Diensten in Ungarn gegen die Türken, die Erbfeinde der Christenheit. Er stand damit ganz in der Tradition der Familie, hatte sich doch schon Otto Wilhelms

20 Gleichzeitig wurde der adeligen Vormundschaftsregierung, die unter Leitung von Magnus Gabriel De la Gardie von 1660 bis 1672 tätig war, Misswirtschaft vorgeworfen, sie wurde zur Rechenschaft gezogen. Die Reduktion, durch die mehr als die Hälfte der Besitzungen des Hochadels an die Krone zurückfielen, war nur mög­lich durch die Unterstützung der steuerpf­lichtigen Stände und des niederen Adels. Es folgte eine gesellschaft­liche Umstrukturierung auf Kosten des Hochadels, der König wurde zum Alleinherrscher. Vgl. hierzu Buchholz, Werner: Vom Adelsregiment zum Absolutismus. Finanzwirtschaft und Herrschaft in Schweden im 17. Jahrhundert, in: Rauscher, Peter/Serles, Andrea/Winkelbauer, Thomas (Hg.): Das „Blut des Staatskörpers“ (Historische Zeitschrift, Beiheft 56), München 2012, S. 129 – 181.

Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie

Großvater in den Türkenkriegen ausgezeichnet. Diese beeinflussten seit dem 16. Jahrhundert große Teile Europas, nicht nur in territorialer Hinsicht. Nach dem Untergang von Byzanz 1453 breitete sich das Osmanische Reich nach Norden und Westen aus mit dem Ziel, weite Teile des christ­lich geprägten Europas zu erobern. 1683 wurde Wien belagert, die christ­lichen Truppen konnten jedoch die Türken zurückschlagen. Die am meisten betroffenen europäischen Staaten – die Republik Venedig, das habsburgische Österreich und Polen-­Litauen – schlossen sich 1684 zur Heiligen Liga zusammen. In den folgenden Jahren gelang es mit vereinten christ­lich-europäischen Kräften, Ungarn von den Türken zu befreien. Die Republik Venedig eroberte ab 1684 das gesamte vom Osmanischen Reich besetzte Königreich Morea (Halbinsel Peleponnes) zurück – unter entscheidender Beteiligung von Otto Wilhelm von Königsmarck. Gemeinsam mit seiner jungen Frau und einem etwa 70 Personen umfassenden Hofstaat verließ er 1686 Stockholm und kehrte niemals mehr nach Schweden zurück. In Diensten der Republik Venedig nahm er am Krieg gegen die Türken in Griechenland teil. Als der Republik Venedig verordneter General und Oberhaupt über dero gesambte Kriegsmacht zu Lande erwarb Otto W ­ ilhelm von Königsmarck herausragende Verdienste. Er befehligte die christ­lichen Sold­truppen, bestehend aus Hannoveranern, Braunschweigern, Sachsen, Hessen und Württembergern. Das Königreich Morea konnte von den Türken bis 1687 zurückerobert werden. Im September 1687 besetzten die christ­lichen Truppen Athen, durch Artilleriebeschuss wurde der P ­ arthenon zerstört, der zentrale Teil der Akropolis, in dem sich das türkische Pulvermagazin befand. Otto Wilhelm beklagte die Zerstörung des antiken Denkmals sehr. 1688 musste Athen allerdings aufgegeben werden. Das sogenannte hitzige Fieber (vermut­lich Typhus) dezimierte die christ­lichen Truppen entscheidend. Auch ein großer Teil des Königsmarck’schen Hofstaats starb in Griechenland, darunter, bereits 1686, Otto Wilhelms Neffe und Auroras Bruder Carl Johan von Königsmarck. Otto Wilhelm erlag der Seuche am 15. September 1688 im Beisein seiner Frau. Die einbalsamierten leib­lichen Überreste der beiden Verstorbenen wurden im Frühjahr 1689 über Venedig nach Stade transportiert. Otto Wilhelm von Königsmarck, der bereits zu Lebzeiten von der Republik Venedig ein goldenes Handfass mit 6.000 Dukaten geschenkt bekommen hatte, erhielt ein Denkmal, das bis heute im Arsenal in Venedig zu sehen ist: eine weiße Marmorbüste, dem semper Victori (stets Siegreichen) gewidmet. Die 33jährige Witwe Catharina Charlotte reiste gemeinsam mit dem verbliebenen Hofstaat, darunter ihre geschätzte schwedische Hofdame Anna ­Agriconia,

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1691 geadelt zu Åkerhielm,21 im März 1689 in Venedig ab und erreichte im Mai 1689 Stade. Auf Wunsch ihres verstorbenen Mannes kehrte sie nicht nach Schweden zurück, sondern nach Norddeutschland, um in der Stille in Stade zu leben.22 Nach dem Tod Otto Wilhelms 1688 war Auroras Bruder Philipp Christoph von Königsmarck (1665 – 1694) Familienoberhaupt und Alleinerbe – eine Rolle, der er nicht ansatzweise gewachsen war. Nach mühsamen Verhandlungen sprach er zwar seiner Tante Catharina Charlotte im Dezember 1689 vertrag­lich das Hauß Agatenburg, mit den dazu nötigen Stallungen, wie auch dem Garten, sampt dem dabey gelegenen Teiche zu, daneben einen jähr­lichen Unterhalt von 2.000 Reichstalern.23 Die Summe kam jedoch nie in voller Höhe an, sodass C ­ atharina Charlotte den Rechtsweg einschlagen musste. Das Haus in der Großen Schmiedestraße in Stade, das Philipp veräußert hatte, kaufte sie zurück – dort wohnte sie in den Wintermonaten, während sie im Sommer in der Regel in Agathenburg lebte. Ihre Heimat Schweden besuchte sie nicht mehr. Im Juni 1689 wurden ihr Mann und dessen Neffe in aller Stille im Königsmarck’schen Erbbegräbnis beigesetzt. Im Januar 1691 folgte eine aufwändige Totenfeier für beide, die als einer der kulturellen Höhepunkte in Stade während der Schwedenzeit gilt und das barocke Repräsentationsbedürfnis der schwedischen Grafenfamilie widerspiegelt. Die Särge waren in der prachtvoll gestalteten Kirche aufgebahrt, wie ein Kupferstich in der gedruckten Leichenpredigt zeigt. Die Feier dauerte 8 ½ Stunden – von 16 Uhr bis 0.30 Uhr; allein die Verlesung der Personalien währte 3 ½ Stunden, die Predigt des Generalsuperintendenten Johannes Dieckmann 2 ½ Stunden. Die beiden Särge und die Begräbnisausstattung wurden in Stockholm von hervorragenden Künstlern gefertigt, den besten ihrer Zeit in Schweden. Burchard Precht d. Ä., schwedischer Hofbildhauer, übernahm die Gesamtverantwortung für die künstlerischen Entwürfe.

21 Anna Agriconia (1642 – 1698), eine gebildete Pastorentochter aus Södermanland, verfasste während des Griechenland-Aufenthaltes zahlreiche Briefe und ein Tagebuch, die veröffent­licht wurden in: Åkerhielm, Samuel: Anna Åkerhielm (Anna Agriconia) (Åkerhielmska Släktföreningen Meddelanden 3), Lund 1970. 22 Brief Catharina Charlottes an den Königsmarck’schen Sekretär in Stockholm vom 14. Dezember 1688 (RA Stockholm E 7923). Hier heißt es, Otto Wilhelm habe ihr befohlen, in der Stille in Stade zu leben, um nicht unter den Augen seiner Feinde leben zu müssen, die ihn der Gnade seines Königs berauben wollten. 23 StA Stade, Rep. 5a Fach 492 Nr. 8a.

Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie

Die wertvollen Stücke wurden über Lübeck nach Stade transportiert, wo sie im Dezember 1689 eintrafen.24 Kostbar war auch nach wie vor die Ausstattung des Schlosses Agathenburg, wie ein 98 Seiten umfassendes Inventarverzeichnis von 1698 dokumentiert.25 Allerdings bewohnte die Witwe nur einen Teil der vorhandenen Räume, diese waren ganz in Schwarz gehalten. Das Leben der jungen Witwe war, wie zahlreiche Briefe dokumentieren,26 geprägt von Trauer, tiefer Religiosität, mildtätigem Handeln, von unangenehmen Familienstreitigkeiten – vor allem mit ihrem Neffen Philipp Christoph –, von finanziellen Sorgen und zunehmenden gesundheit­lichen Problemen. Bemerkenswert ist, dass sie in Agathenburg eine Dorfschule für arme Kinder einrichtete, die bis in die 1980er Jahre bestand. Wohltätigkeit gehörte zu den Pf­lichten einer adeligen Familie, dies galt auch für die Königsmarcks. Catharina Charlotte von Königsmarck, geborene De la Gardie, starb am 18. September 1697 in Hamburg, ihre Ehe war kinderlos geblieben. Sie fand ihre letzte Ruhe neben ihrem Mann im Königsmarck’schen Erbbegräbnis in der ehemaligen Klosterkirche St. Marien in Stade.

Die dritte Generation – Maria Aurora und Philipp Christoph von Königsmarck Zwei Enkel von Hans Christoph von Königsmarck – Maria Aurora (1662 – 1728) und Philipp Christoph, die Kinder von Cordt Christoph und Marie Christine, geb. von Wrangel (1637 – 1691) – bezeichnen gleichsam den barocken Höhepunkt und das Ende der schwedischen Grafenfamilie.27 Das Leben – ein Fest! So könnte das Motto der dritten Generation lauten. Die Enkelkinder von Hans Christoph von Königsmarck wuchsen im Reichtum auf, sie waren an den fürst­lichen Höfen zuhause und lebten im Zeichen des Barock. Maria Aurora war umschwärmt, schön, gebildet, künstlerisch begabt und unverheiratet. Philipp Christoph erweckte besonders als attraktiver ,Lebemann‘, leidenschaft­licher Spieler, Abenteurer und Liebhaber Aufmerksamkeit. 24 Vgl. hierzu RA Stockholm E 7754. Zur Trauerfeier siehe Kirchenbuch Steinkirchen (1671 – 1693). 25 RA Stockholm E 7756. 26 RA Stockholm E 7902. 27 Weitere Geschwister der beiden waren Carl Johan (1661 – 1686) und Amalie ­Wilhelmine (1663 – 1740), die 1689 den schwedischen Grafen Carl Gustaf von Lewenhaupt (1662 – 1703) heiratete.

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Der gemeinsame Lebensweg begann 1662 bzw. 1665 in Stade. Der Vater Cordt Christoph von Königsmarck starb bereits 1673, als die beiden noch Kinder waren, ihr Onkel Otto Wilhelm wurde als Vormund auch Ersatzvater. Noch verfügte die Familie über immensen Reichtum. Seit 1680 gingen die Geschwister getrennte Wege: Philipp Christoph absolvierte die Ausbildung zum Kavalier in Oxford, London und Paris, Aurora reiste mit der Mutter Marie Christine und der Schwester Amalie Wilhelmine nach Stockholm. Sie begegneten sich jedoch immer wieder, vor allem auf Festen. Sie standen sich nahe. Philipp Christoph schlug wie seine Vorfahren die Offizierslaufbahn ein. In kaiser­lichen Diensten nahm er seit 1684 an den Kriegszügen gegen die Türken in Ungarn teil. 1688 kehrte er nach Deutschland zurück, er war nunmehr, nach dem Tod seines Bruders und seines Onkels in Griechenland, Familienoberhaupt und Alleinerbe. 1689 trat er in hannoversche Militärdienste und nahm in den Wintermonaten rege am Hofleben teil. Aurora kehrte nach dem Tod der Mutter im Dezember 1691 gemeinsam mit ihrer Schwester Amalie Wilhelmine, die seit 1689 mit dem Grafen Carl Gustaf von Lewenhaupt (1662 – 1703) verheiratet war, nach Norddeutschland zurück. Im Juli 1694 traf die Familie eine Tragödie. Philipp Christoph von Königs­ marck hatte seit 1690 eine Affäre mit der Prinzessin Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg (1666 – 1726), die nach der Erlangung der Kurfürstenwürde durch Hannover 1692 Kurprinzessin von Hannover wurde.28 Sie war verheiratet mit ihrem Cousin, dem Erbprinzen Georg Ludwig, dem späteren Kurfürsten von Hannover und König von Großbritannien. Nachdem Philipp Christoph 1689 in hannoversche Dienste getreten war, begann die verhängnisvolle, verbotene Liebesgeschichte. Die gemeinsame Flucht war geplant, Königsmarck trat vermut­lich deswegen in sächsische Dienste. In der Nacht vom 1. auf den 2. Juli 1694 verschwand er spurlos im Leineschloss zu Hannover, ermordet, vermut­lich von vier Hofkavalieren, auf Anordnung des Kurfürsten Ernst August, nachdem die Briefe, die sie sich geschrieben hatten, und die geplante Flucht entdeckt worden waren. Offiziell galt er als verschollen bzw. in der Sprache der Zeit als dispariert. Sophie Dorothea wurde von ihrem Ehemann geschieden und auf Schloss Ahlden in der Lüneburger Heide verbannt, wo sie 1726 starb. Ihre Kinder Georg, später als Georg II. König von Großbritannien,

28 Vgl. hierzu Schnath, Georg: Sophie Dorothea und Königsmarck. Die Ehetragödie der Kurprinzessin von Hannover, Hildesheim 1979. In Romanform, jedoch auf reicher Quellenbasis: Westernhagen, Dörthe von: Und also lieb ich mein Verderben, Göttingen 1997.

Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie

und Sophie Dorothea, später die Mutter des preußischen Königs Friedrich II., durfte sie niemals wiedersehen.29 Die Liebesbriefe, von denen knapp 300 vom 1. Juli 1690 bis November 1693 erhalten sind,30 zeugen von Liebe, Leidenschaft, Trennungsschmerz, Eifersucht, Nöten und Sorgen. Sie berichten über Alltäg­liches, das gesellschaft­liche Leben, Ereignisse im Feldlager und über rauschende Feste. Sie dienten der Absprache über die nächsten geheimen und sehnsüchtig erwarteten Treffen und über die Mög­lichkeit eines dauerhaften Zusammenlebens. Es sind Briefe voller Brisanz, ihre Entdeckung musste Konsequenzen haben. Das Verschwinden des Grafen Königsmarck wurde zur Staatsaffäre, die nicht nur im europäischen Hochadel, sondern auch bei Diplomaten und in der Bevölkerung weite Kreise zog. Aurora versuchte, das Schicksal ihres Bruders zu ergründen. Sie reiste im Herbst 1694 nach Dresden, in der Hoffnung, vom Kurfürsten Friedrich August von Sachsen, dem letzten Dienstherren und Spieler­ freund ihres Bruders, Näheres zu erfahren. Dies gelang ihr nicht. Stattdessen wurde sie für kurze Zeit seine erste offizielle Mätresse. 1696 kam der gemeinsame Sohn Moritz zur Welt, der, von seinem Vater legitimiert, als Marschall von Frankreich Berühmtheit erlangen sollte. Nur wenige Jahre nach der Geburt des Sohnes wurde Aurora mithilfe des sächsischen Kurfürsten Pröpstin des welt­lichen Damenstifts Quedlinburg, was mit einem hohen Rang und einem Jahreseinkommen von 4.000 Reichstalern verbunden war. Ihre Versorgung war gesichert. Aurora von Königsmarck starb in Quedlinburg im Jahr 1728. Anders als ihr Großvater wuchsen Maria Aurora und ihre Geschwister in Glanz und Reichtum auf, verfügten bis zum Lebensende über eine große Anzahl von Personal und führten ein abenteuer­liches, odysseegleiches Leben im Luxus. Doch sie starben hoch verschuldet. Das Vermögen, das ihr Großvater angehäuft hatte, war zum Teil durch ihren großen Aufwand und hohe Spielschulden verschleudert worden, zum erheb­lichen Teil jedoch der groß angelegten Reduktionspolitik zum Opfer gefallen. Die Königsmarcks hatten gemäß einer Zusammenstellung von 1697 einen Gesamtverlust von mehr als 29 Vgl. auch Bomann-Museum Celle (Hg.): Mächtig verlockend. Frauen der Welfen. Eléonore d’Olbreuse 1639 – 1722 Herzogin von Braunschweig-Lüneburg. Sophie Dorothea 1666 – 1726 Kurprinzessin von Hannover. Begleitband zur Ausstellung des Residenzmuseums im Celler Schloss vom 16. Februar bis 15. August 2010, Celle 2010. 30 Der größte Teil der erhaltenen Liebesbriefe befindet sich in der Universitätsbibliothek Lund (De la Gardieska arkivet). Vgl. auch Schnath, wie Anm. 28; Ders.: Der Königsmarck-Briefwechsel. Korrespondenz der Prinzessin Sophie Dorothea von Hannover mit dem Grafen Philipp Christoph Königsmarck 1690 bis 1694, Hildesheim 1952.

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400.000 Reichstalern zu verzeichnen. Philipp Christoph, dessen Jahreseinkünfte nur noch einen Bruchteil von denen seines Großvaters ausmachten, vermochte seinen aufwändigen Lebensstil nicht zu finanzieren, geschweige denn eine eigene Familie standesgemäß zu unterhalten – eine vorteilhafte Verheiratung war wohl illusorisch – oder seine engsten Verwandten als Alleinerbe und Familienoberhaupt gemäß testamentarischen oder anderen vertrag­lichen Vereinbarungen zu versorgen. Als sich nach dem Tod seines Onkels die Repub­ lik Venedig beim Kaiser für eine Reichsgrafenwürde für ihn einsetzte, musste Philipp Christoph passen: Die damit verbundenen Gebühren und anderweitigen Kosten konnte er nicht bezahlen. Stattdessen häuften sich die Schulden. Anspruch und Realität klafften mittlerweile weit auseinander. Mit Philipp Christoph erlosch die schwedische Linie der Königsmarcks im Mannesstamm. Aller Glanz eines erlauchten Hauses erlischt mit ihm, so schrieb sein Sekretär Hildebrandt an Aurora von Königsmarck wenige Tage nach seinem spurlosen Verschwinden im Sommer 1694.31 Was folgte, waren jahrelange Erbschaftsstreitigkeiten zwischen den weib­lichen Nachkommen, ihren Ehemännern und Kindern. Agathenburg blieb noch bis 1740 im Besitz der Familie und wurde sporadisch aufgesucht, auch von Aurora, der bedeutendsten weib­lichen Prota­ gonistin der schwedischen Grafenfamilie Königsmarck. Der Hauptstamm der uradeligen Familie Königsmarck, der 1814 mit dem schwedischen Wappen in den preußischen Grafenstand erhoben wurde, besteht bis heute.

31 Zit. nach Mörner, wie Anm. 19, S. 238.

SYLVIA KRAUSS-MEYL

Maria Aurora von Königsmarck – Überblick über das Leben der „berühmtesten Frau zweier Jahrhunderte“ Der französische Philosoph Voltaire bezeichnete Maria Aurora von Königs­ marck als berühmteste Frau zweier Jahrhunderte.1 Als berühmt gelten Personen, die über einen herausragenden Bekanntheitsgrad verfügen und die, wie Nicolas Chamfort in seinen Maximes et Pensées definiert, von jenen gekannt werden, die einen nicht persön­lich kennen.2 Voltaire lernte Maria Aurora von Königsmarck nie persön­lich kennen, aber der Nimbus ihrer Persön­lichkeit hatte sich in den Ländern Europas verbreitet und war auch in die französischen Gesellschaftskreise vorgedrungen. In den Pariser Salons des 18. Jahrhunderts war Voltaire zwar von vielen attraktiven, geistreichen Damen umgeben, doch bedurfte es anderer Qualitäten, um von ihm als berühmte oder gar berühmteste Frau an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert apostrophiert zu werden. Die folgende Darstellung versucht, die Vorzüge der Gräfin Königsmarck aufzuzeigen, die Voltaire zu seinem enthusiastischen Urteil veranlassen konnten. Auf den ersten Blick rechtfertigte Maria Auroras äußeres Erscheinungsbild ihren Ruf als verehrungswürdige Dame, war sie doch nach den übereinstimmenden Aussagen ihrer Zeitgenossen eine strahlende Schönheit mit charismatischer Ausstrahlung, die zeitlebens jünger wirkte als sie tatsäch­lich war. Nicht zuletzt aufgrund ihres blendenden Aussehens blieb sie bis ins hohe Alter der umschwärmte und bewunderte Mittelpunkt ihres gesellschaft­lichen Umfeldes. Ihre Attraktivität war eine wesent­liche Säule ihres weib­lichen Erfolgs. Von tieferem und nachhaltigerem Einfluss als ihre äußeren Reize waren zwei weitere Faktoren ihrer Berühmtheit, ihre familiäre Herkunft und ihre exzellente Bildung. 1 Zit. nach Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königsmark und der Königsmark’schen Familie. Nach bisher unbekannten Quellen, Bd. 1, Leipzig 1836, Vorwort. 2 „Célébrité: l’avantage d’être connu de ceux qui ne nous connaissent pas”, in: Chamfort, Nicolas: Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes, présentés par Claude Roy, Paris 1963 (Erstauflage 1795), S. 57.

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Sylvia Krauss-Meyl

Die Grafen Königsmarck gehörten zu den bekanntesten und reichsten Geschlechtern im Europa des 17. Jahrhunderts. Maria Auroras Großvater Hans Christoph von Königsm­­arck (1605 – 1663) hatte während des Dreißigjährigen Krieges den Grundstock für den Aufstieg der Familie gelegt.3 Innerhalb weniger Jahre wurde aus dem märkischen Landadeligen einer der führenden Repräsentanten der neuen europäischen Großmacht Schweden. Auf der Grundlage dieser gesellschaft­lichen Stellung betrieb Hans Christoph zielstrebig den weiteren Aufstieg seiner Familie. Er verheiratete seine drei Kinder mit Söhnen und Töchtern der bedeutendsten schwedischen Häuser. Sein Sohn Otto Wilhelm (1639 – 1688), der ein ebenso namhafter Heerführer und Staatsmann wurde, und seine Tochter Beate Elisabeth (1637 – 1724) verbanden sich mit Abkömmlingen der Familie De la Gardie. Der älteste Sohn Kurt Christoph (1634 – 1673) heiratete Maria Christine von Wrangel (1637 – 1691), eine Tochter des Reichsrats und Feldmarschalls Hermann von Wrangel (1587 – 1643) und Schwester des Feldherrn und Waffengefährten Hans Christoph Königsm­­arcks im Dreißigjährigen Krieg Karl Gustav von Wrangel (1613 – 1676). In diese europäische Familie wurde Maria Aurora am 28. April 1662 hineingeboren. Sie hatte drei Geschwister, die ebenfalls von sich reden machten und den Namen Königsm­­arck in der Öffent­lichkeit lebendig hielten: Den ältesten Bruder Karl Johann (1659 – 1686), der schon in jungen Jahren im Kriegslager in Griechenland von einer Lagerseuche dahin gerafft wurde, den Hannoveraner Hasardeur Philipp Christoph (1665 – 1694) und die Schwester Amalie W ­ ilhelmine (1663 – 1740), die als einzige der Geschwister eine Ehe einging, näm­lich mit dem schwedischen Grafen und späteren kursächsischen General Carl Gustav von Lewenhaupt (1662 – 1703). Ihre familiäre Herkunft erwies sich für Maria Aurora als hervorragendes Sprungbrett, das sie besonders nutzen konnte, als ihre Mutter nach dem frühen Tod ihres Mannes nach Stockholm zurückkehrte und dort ihre beiden Töchter im Kreis der hochadeligen W ­ rangel-Verwandtschaft und in der Nähe des könig­lichen Hofes erziehen ließ, während ihre Söhne auf Kavalierstour waren. In Schweden kam Maria Aurora in den Genuss eines weiteren Umstandes, der zu ihrer Berühmtheit beitrug, der Bildung. Schweden nahm in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Bezug auf Ausbildung und Gelehrsamkeit von Frauen eine Sonderstellung in Europa ein. Das Land war durch seine erfolgreiche Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg zu einer politischen, militärischen

3 Vgl. zur Grafenfamilie von Königsm­­arck den Beitrag von Fiedler, Beate-Christine im vorliegenden Band ab Seite 15.

Überblick über das Leben

und wirtschaft­lichen Großmacht aufgestiegen. Im Zuge der Festigung seines Machtanspruchs öffnete es sich auch für geistig-kulturelle Einflüsse aus den mittel- und westeuropäischen Staaten, vor allem aus Frankreich. Königin ­Christina (1626 – 1689), die als „Pallas Athene des Nordens“4 bezeichnet wurde, holte ausländische Gelehrte, darunter den französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650), in ihre Nähe, unterstützte wissenschaft­liche Bildungseinrichtungen wie die Universität Uppsala und förderte ein freies intellektuelles Klima, das auch Frauen Entfaltungsspielräume bot. Die beiden Königsm­­arck-Schwestern profitierten von dieser liberalen Aufbruchsstimmung im schwedischen Bildungswesen. Maria Aurora erhielt Unterricht in Geschichte, Literatur, antiker Mythologie und Fremdsprachen, wofür sie besondere Begabung zeigte. Sie sprach fünf Sprachen nahezu akzentfrei: Deutsch, Schwedisch, Italienisch, Lateinisch und am besten Französisch. Voltaire lobte ihre frankophone Sprachfertigkeit, mit der sie Verse verfasste, von denen man glauben konnte, sie seien in Versailles entstanden.5 Ihre musikalische Ausbildung umfasste Gesang, Komposition und verschiedene Instrumente. Die Malkunst erlernte sie bei dem berühmten schwedischen Hofmaler David Klöcker Ehrenstrahl (1629 – 1698). Zum weib­lichen Bildungskanon gehörten auch Literatur und Dichtkunst. Maria Aurora werden mehr als fünfzig Gedichte zugeschrieben, darunter religiöse Verse, die in der Sammlung Nordischer Weyrauch zusammengefasst und überliefert wurden. Sie verfasste Singspiele und kleine Dramen und übernahm selbst Rollen in Aufführungen des Stockholmer Hoftheaters unter der Schirmherrschaft der schwedischen Königin Ulrika Eleonora (1656 – 1693).6 Für die Tragödie von Jean Racine (1639 – 1699) Iphigénie, die zum ersten Mal in Skandinavien und überdies von einem reinen Frauen-Ensemble aufgeführt wurde, komponierte sie einen französischen Prolog und deklamierte ihn persön­ lich vor dem Hofpublikum. Diese Theaterinszenierung machte sie über die schwedischen Grenzen hinaus bekannt. Nach Frankreich wurde berichtet, die ­Mademoiselle la Comtesse Königsm­­arck habe eklatante Beweise ihrer illustren Qualitäten und ihres Geistes gegeben.7 Die schwedischen Dichterzirkel 4 Friese, Wilhelm: „… Am Ende der Welt“. Zur skandinavischen Literatur der frühen Neuzeit, Leverkusen 1989, S. 57: „Die Pallas Athene des Nordens: Christina, Königin von Schweden“. 5 Voltaire: Histoire de Charles XII, roi de suède, Paris 1968 (Erstauflage 1731), S. 68. 6 Vgl. zum literarischen Schaffen Aurora von Königsm­­arcks die Beiträge von Kraft, Stefan; Andersson, Bo und Lindgärde, Valborg im vorliegenden Band. 7 Zit. nach Mörner, Birger: Maria Aurora von Königsm­­arck, dt. Übers., München 1922, S. 110.

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feierten sie in ­Anspielung auf ihren Vornamen als Morgenröte der neuen schwedischen Poesie. Auch außerhalb Schwedens fand sie Aufnahme in zeitgenössische Traktate über gelehrte Frauen, die um 1700 Konjunktur hatten. Der hessen-­darmstädtische Bibliothekar und Dichter Georg Christian von Lehms (1684 – 1717) widmete ihr ein Werk mit dem Titel Teutschlands galante Poetinnen und erhob sie darin zur großen Minerva, die alle zeitgenössischen Literatinnen überrage und würdig sei, eine Göttin vieler schöner Wissenschaften genannt zu werden. Lehms resümierte: Wer die Gnade hat, diese hohe Dame selbst zu sprechen, wird ein rechtes Muster einer geistreichen, gelehrten und leutseligen Gräfin an ihr finden.8 ­Christian Franz Paullini (1643 – 1712) charakterisierte sie in seinem Werk Hoch- und wohlgelahrtes Teutsches Frauenzimmer von 1712: Königsm­­arck (Maria Aurora de), eine gelehrte Gräfin aus Schweden … ist in der Poesie sehr wohl erfahren und in den Sprachen vortreff­lich; denn sie redet ihr Französisch, italienisch, verstehet einen lateinischen Autorem, so gar, dass sie auch die lateinischen Poeten lieset und componieret einen guten vers.9 1692, nach dem Tod ihrer Mutter, kehrte Maria Aurora nach Hamburg zurück, wo ihre Schwester Amalie Wilhelmine als inzwischen verheiratete G ­ räfin Lewenhaupt lebte. Der Name „Königsm­­arck“ hatte hier noch immer einen guten Klang. Als „schwedische Gräfin“ wurde Maria Aurora der umschwärmte Mittelpunkt in den Salons der Stadt und auf den gesellschaft­lichen Zusammenkünften der umliegenden Höfe. Aufsehenerregend waren nicht nur ihre Schönheit, Bildung und freizügige Lebensführung, sondern ihr Anspruch auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Anstatt sich zu verheiraten, wie von ihren Geschwistern erwartet wurde, entwarf sie einen individuellen Lebensplan und knüpfte wohl in dieser Zeit bereits Kontakte zum Quedlinburger Damenstift am nordöst­ lichen Rand des Harzes. Unterdessen war ihre Familie in finanzielle Bedrängnis geraten durch die Reduktionspolitik der schwedischen Krone. Zur Konsolidierung des Staatshaushaltes wurde unter König Karl XI. (1655 – 1697) der Großteil der Donationen wieder eingezogen, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts an den schwedischen Adel ausgegeben worden waren. Die Königsm­­arcks waren von der Güterreduktion empfind­lich betroffen, doch kam ihr pekuniäres Verhängnis erst vollends zum Ausbruch durch die Folgen der unglück­lichen Liebesbeziehung Philipp Christophs von Königsm­­arck mit Sophie Dorothea von Braunschweig und 8 Lehms, Georg Christian: Teutschlands galante Poetinnen mit ihren sinnreichen und netten Proben, Frankfurt/Main 1715, S. 120. 9 Paullini, Christian Franz: Hoch- und wohlgelahrtes Teutsches Frauen-Zimmer, Frankfurt/Leipzig 1712, S. 87 f.

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Lüneburg (1666 – 1726). Die Prinzessin war die Gemahlin des Hannoveraner Kurprinzen Georg Ludwig (1660 – 1727), des späteren Königs Georg I. von England. Die Affäre endete in einer Katastrophe. Philipp Christoph verschwand spurlos in einer Sommernacht des Jahres 1694, die Kurprinzessin wurde auf Lebenszeit in ein einsames Gut verbannt, wo sie als „Prinzessin von Ahlden“ ihre Tage beschloss. Maria Aurora, die in die amourösen Händel ihres Bruders eingeweiht war, befand sich nicht nur in verzweifelter Ungewissheit über sein Schicksal, sondern auch inmitten eines Finanzdesasters; denn Philipp Christoph besaß als Familienoberhaupt die alleinige Vollmacht über die Geldressourcen. Solange sein Verbleiben ungeklärt war, blieb seinen Schwestern jeg­licher Zugang zum Familienvermögen versperrt. Doch die Nachforschungen Maria Auroras nach ihm in Hannover und an den umliegenden Höfen liefen allesamt ins Leere. In ihrer Not wandte sie sich schließ­lich nach Dresden an den jungen Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August, einen Freund ihres Bruders, und bat ihn um Unterstützung bei der Suche. Friedrich August, besser bekannt als August der Starke, hatte bei Philipp Christoph beträcht­liche Spielschulden und hatte ihm noch kurz vor seinem Verschwinden eine hohe militärische Position zugesagt. Die Bemühungen des sächsischen Kurfürsten um Aufklärung des Falles Königsm­arck blieben zwar ebenso erfolglos wie alle vorherigen Ermittlungen, doch mündete seine Begegnung mit der hilfesuchenden G ­ räfin in eine Liebesbeziehung. August der Starke war bekannt für die Vielzahl seiner Liebschaften, von denen jedoch nur wenige zu Staatsmätressen aufstiegen. Maria Aurora wurde seine erste. Im Zeitalter des Absolutismus hatte diese offizielle Gefährtin des Herrschers einen herausgehobenen Rang und konnte beträcht­ lichen politischen Einfluss gewinnen. Sie vertrat eine Schlüsselposition am Hofe, nahm an Staatsakten, Empfängen und Fest­lichkeiten teil und diente dazu, dem Fürsten und seiner Residenz Glanz und Bedeutung zu verleihen. Maria Aurora besaß viele Eigenschaften, die sie für das Amt einer Staatsmätresse qualifizierten. Sie entstammte einer renommierten Familie, besaß bekannt­ lich große Schönheit und erstklassige Bildung und verfügte in ihrem aktuellen Alter von 32 Jahren über breite Lebenserfahrung. Außerdem war sie frei, ungebunden und weltgewandt. Andererseits bot die Position der kurfürst­lichen Mätresse auch für Maria Aurora lukrative Perspektiven. Da die finanzielle Notlage ihrer Familie seit dem Verschwinden des Bruders nicht behoben war, war sie noch immer nahezu mittellos. Nun konnte sie hoffen, durch eine temporäre Liaison mit dem sächsischen Herrscher ihre prekären Lebensverhältnisse zu verbessern und Zukunfts­ perspektiven zu entwickeln, ohne dadurch längerfristige Bindungen und Verpflichtungen eingehen zu müssen.

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Friedrich August war frei­lich jung verheiratet mit Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth (1671 – 1727), doch hatte er schon bald nach der Eheschließung 1693 begonnen, seine Ehefrau mit Mätressen zu hintergehen. Als er im Rahmen seiner Bewerbung um die polnische Königskrone 1697 zum Katholizismus konvertierte, wandte sich Christiane Eberhardine endgültig von ihm ab. Sie blieb protestantisch, folgte ihrem Mann nicht nach Warschau und wurde auch nicht Königin von Polen, sondern führte bis an ihr Lebensende ein zurückgezogenes, frommes und mildtätiges Leben auf Schloss Pretzsch an der Elbe. Soviel man weiß, war Christiane Eberhardine ihrer 1694 in Dresden auftretenden Nebenbuhlerin Maria Aurora gewogen. Sie begegnete ihr mit Freundschaft so wie auch die sittenstrenge Mutter des Kurfürsten. Sogar die Hofgesellschaft und der sächsische Adel brachten der Gräfin Königsm­arck Achtung und Zuwendung entgegen, zweifellos eine Reaktion auf das gewinnende Wesen der Gräfin. Die allgemeine Wertschätzung überdauerte Maria Auroras Beziehung zum Kurfürsten und sicherte ihr kontinuier­lich die freund­liche Aufnahme in den Kreisen der sächsischen Gesellschaft. Maria Aurora machte sich zu keiner Zeit Illusionen über die Stabilität und Dauer ihrer Beziehung zu Friedrich August, war an deren Kontinuität wohl auch wenig interessiert. Vielmehr ging es ihr darum, ihre Reputation und ihren Kontakt zum Kurfürsten zu nutzen, um eine Position zu erreichen, die ihr auch in Zukunft Freiheit und Unabhängigkeit garantierte und die geeignet war, ihren künftigen Lebensunterhalt sicherzustellen. Die Stellung, die Maria Aurora für sich ins Auge fasste, besaß dieses Potential. Sie wollte Äbtissin des freiwelt­lichen Damenstifts von Quedlinburg werden. Damit strebte sie die höchste Position an, die eine alleinstehende Frau in der damaligen Gesellschaft erreichen konnte, näm­lich den Rang einer Reichsfürstin. Diese Spitzenstellung hätte ihre Berühmtheit außerordent­lich gefördert. Maria Aurora ließ sich von August dem Starken, der die Schutzherrschaft über das berühmte Damenstift innehatte, die Anwartschaft auf den Äbtissinnenthron von Quedlinburg zusichern.10 Das Ende der nur knapp zwei Jahre dauernden Beziehung zum Kurfürsten wurde beschleunigt durch die Tatsache, dass Maria Aurora schwanger wurde und im Oktober 1696 mit einem Sohn niederkam, gleichzeitig mit der Kurfürstin, die im selben Monat den einzigen legitimen Erben Augusts des Starken zur 10 Vgl. grundsätz­lich zu Quedlinburg den Beitrag von Schröder-Stapper, Teresa im vorliegenden Band ab Seite 263. Zu den Versprechungen Augusts des Starken s. Krauss-Meyl, Sylvia: „Die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte“. Maria Aurora Gräfin von Königsm­arck, 3. Aufl., Regensburg 2012, S. 105 – 109.

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Welt brachte. Er sollte später als Friedrich August II. (1696 – 1763) Kurfürst von Sachsen und als August III. König von Polen werden, während Maria Auroras Sohn Moritz (1696 – 1750) eine militärische Laufbahn einschlug und einer der berühmtesten Feldherren des 18. Jahrhunderts wurde. Zum Zeitpunkt seiner doppelten Vaterschaft hatte sich August der Starke bereits von Maria Aurora abgewandt und aus Wien eine neue Mätresse nach Dresden mitgebracht.11 Als Maria Aurora erkannte, dass ihre Zeit an der Seite des Kurfürsten beendet war, nahm sie zielstrebig ihre nächste Karrierestufe in Angriff. Sie drang nun bei Friedrich August auf die Einlösung seines Versprechens, sie bei der Kandidatur auf das Äbtissinnenamt von Quedlinburg zu unterstützen. Das kaiser­lich-freiwelt­liche Damenstift blickte auf eine große, jahrhundertealte Vergangenheit zurück. 936 war es von Otto dem Großen als Familienkloster gegründet und mit Immunität und reichem Besitz ausgestattet worden. Es war von Anfang an ein hochadeliges Kanonissinnenstift gewesen und hatte im Mittelalter stets unter der Leitung weib­licher Mitglieder des Kaiserhauses gestanden. Aufgrund seines freiwelt­lichen Status’ waren die Stiftsdamen an keine Ordensregel gebunden und legten keine Gelübde ab. Sie genossen weitgehende Freiheiten, durften die Abtei zu Reisen verlassen, Besuche empfangen, besaßen Privateigentum und konnten austreten, um zu heiraten. Das Stift unterstand direkt dem Kaiser und dem Papst und hatte bei Reichstagen Sitz und Stimme auf der geist­lichen Fürstenbank. Die Äbtissinnen wurden von den adeligen Stiftsdamen im Kapitel gewählt, als Regentinnen herrschten sie souverän über ihr Territorium. Im 16. Jahrhundert schloss sich das Quedlinburger Damenstift der Reformation an und war bis zu seiner Auflösung in der Säkularisation 1802 ein protestantisches Reichsstift. Es diente vornehm­lich der Unterbringung und Versorgung unverheirateter Töchter des Hochadels. Die welt­liche Schutzherrschaft und die recht­liche Vertretung des Stifts nach außen, die Vogtei, lag seit 1477 beim sächsischen Kurfürsten aus dem Hause Wettin. In den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts, gerade zu der Zeit, als sich Maria Aurora von Königsm­arck in Quedlinburg um Aufnahme bemühte, geriet das Damenstift aufgrund der Kandidatur Augusts des Starken um die polnische Königskrone unerwartet in schwere Turbulenzen, deren Hauptgegenstand die Schutzherrschaft war. Da Polen ein Wahlkönigtum war, benötigte der sächsische Kurfürst umfangreiche Geldmittel, um die polnischen Adeligen

11 Gräfin Maximiliane Hiserle von Chodau, als Gräfin Esterle bekannt.

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zu bestechen und ihr Votum zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Er beschloss in dieser Situation, die Schutzherrschaft über Quedlinburg an den Kurfürsten Friedrich III . von Brandenburg (1657 – 1713) zu verkaufen, der schon länger Interesse an ihr bekundet hatte. Das Quedlinburger Damenstift wechselte somit Anfang 1698 überraschend seinen Schutzherrn und wurde preußisch. August der Starke war fortan nicht mehr zuständig für die Belange des Damenstifts. Dessen amtierende Äbtissin, Anna Dorothea von Sachsen-Weimar (1657 – 1704), die weder konsultiert noch informiert worden war, fürchtete um seine Existenz und protestierte bei Kaiser Leopold I. (1640 – 1705) in Wien gegen den Verkauf. Sie begann einen jahrelang andauernden Rechtsstreit um den reichsunmittelbaren Status der Abtei und seine verbrieften Rechte. Auch Maria Aurora machte sich Sorgen um ihre Zukunft, doch stellte sich rasch heraus, dass August der Starke die Ansprüche seiner ehemaligen Mätresse im Kaufvertrag berücksichtigt und den Brandenburger Kurfürsten, seit 1701 König Friedrich I. in Preußen, zu ihrer Unterstützung verpf­lichtet hatte. Tatsäch­ lich wurde Maria Aurora Anfang 1698 zur Koadjutorin – zur Anwärterin auf das Äbtissinnenamt – und zwei Jahre später zur Pröpstin von Quedlinburg gewählt. Mit dieser Stelle errang sie die gut dotierte Position der Stellvertreterin der Äbtissin. Voller Zuversicht hinsicht­lich ihres weiteren Aufstiegs äußerte sie: Jetzt scheint es fast, als wann das Glück noch eine Stufen höher setzen wolt, und ich fange nun an einzusehen, dass es meine Bestimmung ist, Äbtissin zu werden.12 Doch sollte sich diese Aussicht nicht erfüllen. Ihr hoch gestecktes Ziel auf die Führungsposition in Quedlinburg und damit auf den Rang einer Reichsfürstin verfehlte sie aufgrund äußerer politischer Verwicklungen und innerer Intrigen im Stift und nicht zuletzt auch infolge ihres persön­lichen Lebenswandels. Sie vernachlässigte näm­lich die Verpf­lichtungen, die sie mit ihren Ämtern übernommen hatte, und war, vorwiegend mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, häufig vom Stift abwesend. Darunter litt das Verhältnis zu Äbtissin Anna Dorothea, die ihr anfangs in der Hoffnung auf tatkräftige Unterstützung bei ihrem Streit um die Rechtsansprüche Quedlinburgs noch sehr freundschaft­lich gewogen gewesen war. Die Entfremdung zwischen beiden Frauen wurde zusätz­lich belastet durch das gute Einvernehmen Maria Auroras mit dem neuen Schutzherrn König Friedrich in Preußen. Anna Dorothea empfand dessen Einmischung in die stiftischen Belange als Bedrohung der althergebrachten Rechte der Abtei. Die Enttäuschung der Äbtissin

12 Zit. nach Mörner, wie Anm. 7, S. 330.

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führte schließ­lich dazu, dass sie ihre Stellvertreterin Maria Aurora auf dem Totenbett als Nachfolgerin fallen ließ und eine andere Kandidatin einsetzte. Diese konnte sich zwar nicht durchsetzen, aber Maria Aurora kam auch nicht mehr zum Zug. Spätere Wahlen scheiterten im Stiftskapitel wiederholt an der offenen Gegnerschaft zweier Stiftsdamen, den Schwestern Schwarzburg. In ihren Augen war die Gräfin Königsm­arck eine Lebedame mit freizügigen Sitten und leichtsinnigem Lebenswandel, die, auf ihren eigenen Vorteil bedacht, durch ihre Freundschaft zum preußischen Hof geneigt war, Rechte und Besitztümer des Damenstifts zu opfern. Maria Aurora, die selbst ihre Situation als eine sehr verworrene Affäre 13 bezeichnete, resignierte mit der Zeit hinsicht­lich ihrer Aussichten auf eine Rangerhöhung. Der Äbtissinnen-Thron von Quedlinburg wurde bis 1718 nicht wieder besetzt. Maria Aurora übte das Amt der Pröpstin bis zu ihrem Tod aus. Sie nahm auch während der langen Sedisvakanz Führungsaufgaben wahr, wie die Leitung von Baumaßnahmen oder die Repräsentation bei hohen Besuchen, doch erreichte sie ihr ehrgeiziges Ziel als Äbtissin nicht mehr. So schlug dieses Projekt fehl, das sie zur Inhaberin einer der wenigen politischen Führungspositionen gemacht hätte, die ihre Epoche für Frauen bereithielt. Auch andere spektakuläre Unternehmungen der Gräfin scheiterten, die ihre Berühmtheit hätten steigern können, wie ihr Versuch, im Großen Nordischen Krieg von 1700 bis 1721 um die Vorherrschaft im Ostseeraum Frieden zu stiften. Die Mächte Russland, Sachsen-Polen und Dänemark-Norwegen hatten eine Dreierallianz gebildet, um Schweden in einem militärischen Überraschungscoup die schwedischen Ostseeprovinzen abzunehmen und seine Hegemonie abzulösen. Nach den völlig unerwarteten Schlachtensiegen des achtzehnjährigen schwedischen Königs Karl XII. (1682 – 1718) zu Beginn des Krieges schied Dänemark-Norwegen 1700 aus der Koalition aus. Die weitere Bedrohung durch die schwedische Krone veranlasste August den Starken, seiner ehemaligen Mätresse Maria Aurora, die Anfang 1702 wegen Familienangelegenheiten ins Winterlager Karls XII. nach Kurland reisen wollte, Briefe mit geheimen Friedensangeboten mitzugeben. Diese Mission misslang, da sich der spröde und abweisende junge Schwedenkönig weigerte, seine Landsmännin, die er aus seinen Kindertagen in Schweden kannte, zu empfangen. Wäre der Vorstoß geglückt, so hätte Maria Aurora zur ruhmreichen Friedensstifterin im Großen Nordischen Krieg werden können. Voltaire schilderte in seiner Geschichte Karls XII . die Episode der fehlgeschlagenen Begegnung zwischen Karl XII .

13 Ebd., S. 370.

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und der Gräfin, die ihr nur die schmeichelhafte Illusion eingebracht habe, sie sei die einzige Person, vor der der Schwedenkönig sich fürchtete. Voltaire war ein Zeitgenosse und Freund von Moritz, des Sohnes Maria Auroras. Seine spätere Berühmtheit war zu ihren Lebzeiten nicht voraussehbar, vielmehr gab seine Entwicklung eher zu Sorgen Anlass. Der kurfürst­ liche Spross, den sie im Herbst 1696 inkognito in Goslar zur Welt gebracht hatte, galt in seiner Kindheit als schwer erziehbar. Sein Hofmeister Johann ­Matthias von der Schulenburg (1661 – 1747) nannte ihn den anstrengendsten Schüler Europas.14 Dass er mit 14 Jahren weder schreiben noch lesen konnte, hielt sein Lehrer für ein recht bedenk­liches Faktum.15 Moritz wuchs zum Kummer seiner Mutter zu einem verwöhnten, verschwenderischen und leichtsinnigen jungen Mann heran. Doch setzte sich Maria Aurora hartnäckig für ihn ein, beg­lich immer wieder seine Schulden und legte bei seinem Vater Kurfürst Friedrich August von Sachsen, inzwischen König August II . von Polen, stets aufs Neue ein gutes Wort für ihn ein. Als sie erkannte, dass ihn sein Geist mehr zum Kriege als zum Studium treibt,16 förderte sie – trotz eigenen Missbehagens – diese Neigung ihres Sohnes. 1709 ließ sie den erst 13jährigen während des Spanischen Erbfolgekrieges im Heer seines Vaters in seinen ersten Feldzug nach Flandern marschieren, wo er im Kampf gegen die Franzosen an der Belagerung von Tournai teilnehmen durfte. Dass Moritz zwei Jahre später von August dem S­ tarken offiziell als Sohn anerkannt wurde und mit dem Titel „Graf von S­ achsen“ sowie einem sächsischen Rittergut mit reichen Einkünften ausgestattet wurde, bedeutete für den könig­lichen Bastard eine sprunghafte Verbesserung seiner recht­lichen, gesellschaft­lichen und pekuniären Situation. Maria Aurora empfand die Legitimierung ihres Sohnes als späte Genugtuung und als Lohn für ihren unermüd­lichen mütter­lichen Einsatz. Einen Höhepunkt stellte für sie die Hochzeit von Moritz mit einer jungen sächsischen Adligen auf Schloss Moritzburg dar. Die Ehe des jungen Paares hatte zu ihrem Kummer jedoch keinen Bestand. Maria Aurora investierte in ihren späten Jahren noch einmal ihre gesamten Kräfte und finanziellen Ressourcen, um die Bewerbung ihres Sohnes auf den Herzogsthron von Kurland zu unterstützen. Der Glanz dieser Position hätte den Nimbus des Namens Königsm­arck neu belebt und auch auf ihre Situation in Quedlinburg ruhmvoll zurückgewirkt. Obwohl die Anfänge mit Moritz’

14 Sächs. HStA Dresden 10026 Geh. Kabinett Loc 259/02 p.1 franz. 15 Ebd. 16 Maria Aurora an Schulenburg 17.6.1709, zit. Mörner, wie Anm. 7, S. 395.

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Wahl zum Herzog hoffnungsvoll begannen, zerbrach der kurländische Traum binnen Kurzem an politischen Widerständen und – zur großen Verbitterung Maria Auroras – auch am ablehnenden Verhalten Augusts des Starken. Das Scheitern ihres Sohnes in Kurland zehrte an ihrer Lebenskraft. Während sich Moritz nach Frankreich aufmachte, um dort sein Glück zu suchen, starb Maria Aurora am 16. Februar 1728 einsam und hoch verschuldet in der Propstei des Quedlinburger Damenstifts. Ihre Hinterlassenschaft war so bescheiden, dass sie nicht ausreichte, um ihr Begräbnis zu bezahlen. Moritz nahm nur wenig Notiz vom Ableben seiner Mutter. Er kam zwei Monate später nach Quedlinburg, reiste aber rasch wieder ab und bevollmächtigte seinen Sekretär mit der Abwicklung der Nachlassangelegenheiten. Es hätte Maria Aurora zweifellos mit Stolz erfüllt, wenn sie seinen weiteren Lebensweg in Frankreich miterlebt hätte. Unter dem Namen „Maurice de Saxe“ befehligte Moritz die Truppen König Ludwigs XV . (1710 – 1774) so erfolgreich, dass sämt­liche Feldzüge unter seinem Kommando zu Siegen führten und er für sich in Anspruch nehmen konnte, als einziger General des Jahrhunderts niemals eine Schlacht verloren zu haben. Der protestantische Ausländer Moritz von Sachsen wurde in Frankreich als Nationalheld gefeiert und vom König mit dem Titel Marschall von Frankreich und mit dem Schloss Chambord an der Loire, dem nach Versailles zweitgrößten franzö­ sischen Königsschloss, belohnt. Vermut­lich diente das Prestige des berühmten Feldherrn Moritz von ­Sachsen seinem Freund und Zeitgenossen Voltaire als Anregung, um sich auch für dessen bekannte Mutter Maria Aurora von Königsm­arck zu interessieren. Deren Aura war auch mit zunehmendem Alter nicht verflogen. Sie war vielmehr zu einem ‚Medienstar‘ im modernen Sinn geworden, der Stoff für unterhaltsame Gespräche in den Salons und gesellschaft­lichen Zirkeln lieferte. Sie beeindruckte und faszinierte durch Facetten ihrer Persön­lichkeit, die der großen Masse ihrer Bewunderer unerreichbar erschienen, wie illustre Abstammung, legendäre Schönheit, charismatische Ausstrahlung, schillernden Lebenswandel und vertrauten Umgang mit zeitgenössischen Prominenten. Es imponierten auch ihre charakter­lichen Vorzüge wie Liebenswürdigkeit, Mut und innere Unabhängigkeit, mit denen sie ihr Leben souverän gestaltete. Ihre künstlerischen und literarischen Leistungen, die sie in den Parnass der barocken Dichtkunst hoben, sicherten ihr zudem den Respekt des intellektuellen Publikums. Auch um die Niederlagen und tragischen Brüche in ihrer Biographie, wie zum Beispiel die skandalösen und mysteriösen Vorgänge um das Verschwinden ihres Bruders Philipp Christoph, rankten sich Legenden, die letzt­lich ihre Attraktivität förderten.

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Dieses vielseitige Bild ihrer Persön­lichkeit schürte die allgemeine Neugier an ihrer Person. Sie war célèbre dans le monde,17 weltweit berühmt im Sinn einer europaweiten Publicity. Als man in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei Grabungen in der Quedlinburger Gruft den unversehrten Leichnam Maria Auroras entdeckte, wurde diese Sensation in der in- und ausländischen Presse publik gemacht. Sie zog viele Schaulustige von überall her an und begründete eine Jahrzehnte andauernde ‚Wallfahrt‘ zum Grab der schönen Gräfin Königs­ marck in Quedlinburg. Die Fama von ihren Erfolgen und Misserfolgen lebte jedoch nicht nur in der allgemeinen Erinnerung weiter, sondern auch leibhaftig in ihrer Ururenkelin, der französischen Schriftstellerin George Sand (1804 – 1876),18 die mit dem Taufnamen „Aurore“ nach ihr benannt wurde. George Sand realisierte die Vorstellungen von einer unabhängigen, selbstbestimmten weib­lichen Existenz, die bereits im Lebensplan Maria Auroras angelegt gewesen waren, hundert Jahre später in ihrem Werk und ihrer eigenen emanzipierten Lebensführung. Damit verwies sie auf ihre Vorfahrin Maria Aurora von Königsm­arck und bestätigte posthum das Diktum Voltaires von der berühmtesten Frau zweier Jahrhunderte.

17 Voltaire, wie Anm. 5. 18 Die Großmutter von George Sand war die Tochter aus einer Beziehung zwischen Moritz von Sachsen und der Pariser Schauspielerin Marie Rinteau. Sie trug auch den Namen Marie-Aurore und lebte von 1748 – 1821.

HEIKE DÜSELDER

Stifterin, Urheberin, Dilettantin – Adelige Frauen als Schlüssel- oder Randfiguren der frühneuzeit­lichen Kulturproduktion

Frauen und Gelehrsamkeit Das nutzbare, galante und curiöse Frauenzimmer-Lexicon, das Gottlieb S­ iegmund Corvinus unter dem Pseudonym Amaranthes im Jahr 1715 auf den Markt brachte, sollte belegen, dass das weib­liche Geschlecht zu Wissenschaft und allerley Künsten fähig sei. Es nennt die geist­lichen und welt­lichen Orden, Aemter, Würden, Professionen und Gewerbe, in denen Frauen tätig waren, die Namen und Taten von Göttinnen, Heroinnen und gelehrter Weibes-Bilder, von Künstlerinnen, Prophetinnen, Poetinnen, Märtyrerinnen und Ketzerinnen usw., ferner die Trachten und Moden der Frauen, ihre Haushalte und alles, was sonst zum Frauenleben gehörte. Dazu gehörten, in der Titelei nur noch sehr klein geschrieben, auch der Bücher-Vorrath und die Künste und Wissenschaften. Und schließ­lich enthielt das Werk auch das allerneueste Koch=Torten= und Gebackens=Buch, dem weib­lichen Geschlechte insgesamt zu sonderbaren Nutzen, Nachricht und Ergötz­lichkeit  1 (Abb. 20). Es überrascht nicht, dass der Buchbesitz der Frauen und ihre Betätigung in den Künsten und Wissenschaften nur sehr verhalten Erwähnung finden, dem Kochen und Backen hingegen schon über die Hervorhebung im Text der Titelei wesent­lich mehr Relevanz zugewiesen wird. Das Frauenzimmer-Lexicon gehörte zu jenen Lexika, die, ausgehend von der Vorstellung, dass Frauen und Männer die gleichen Verstandesfähigkeiten besitzen, unter einem Pseudonym erschienen. Sehr vorsichtig ging man also mit dem um, was man vermitteln wollte. Die Gelehrsamkeit der Frauen stand nicht unmittelbar im Vordergrund der Veröffent­lichung, sondern das ihr zugeschriebene Betätigungsfeld, das Haus.2 1 Corvinus, Gottlieb Siegmund: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-­Lexicon, Leipzig 1715 [http://diglib.hab.de/drucke/ae-12/start.htm\image=00009] 2 Vgl. zum Allgemeinen Wunder, Heide: „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond’“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992; Coester, Christiane: Gelehrte Frauen, in: jaeger, Friedrich: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 4: Friede – Gutsherrschaft, Stuttgart/Weimar

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Heike Düselder

Ein Blick auf das Titelkupfer bestätigt diesen Eindruck. Eine adelige Dame sitzt am Frisiertisch und lässt sich von ihrer Kammerfrau frisieren. Der große Spiegel verdeckt das Fenster, mithin den Blick nach außen, und gibt nur das eigene Antlitz wieder. Ein junges Mädchen ist in die Szenerie miteinbezogen und nimmt teil an der Erwachsenenwelt des Sich-Herausputzens zum Zweck des Repräsentierens. Die Umgebung entspricht einem ebensolchen ­Ambiente, die Großzügigkeit des Raumes weist auf ein adeliges Haus hin. Die Instrumente und die Bücher auf dem kleinen Regal an der Wand sind Objekte der kulturellen Orientierungen. Der Globus an der Fensterseite spiegelt den Horizont im Modell wieder, der sich dem im Nebenzimmer stehenden Mann durch den Blick durch das geöffnete Fenster in unmittelbarer Weise eröffnet. Die offene Tür zum Nebenraum deutet an, dass den Frauen selbst in der sehr privaten und in dieser Darstellung vordergründigen Szene des Frisierens der Zugang zur vermeintlichen Welt des Mannes und zu seinem Horizont nicht verschlossen bleibt. Auf eine geradezu beeindruckende Weise wird hier einerseits dem zeitgenössischen Geschlechterdiskurs Rechnung getragen, andererseits aber auch ein Handlungsraum aufgetan und vorgestellt, der diesem – je nach Haltung – entgegen oder zur Seite steht (Abb. 13). Die Tuschezeichnung Die gelehrte Frau aus dem Jahr 1802 zeigt, was passieren kann, wenn die Frauen zu Gelehrten bzw. zu gelehrt werden. Die gelehrte Frau, umgeben von und versunken in Büchern und mit dem Akademie-Diplom an der Wand, vergisst die Welt um sich herum. Sie vernachlässigt ihre ‚eigent­ lichen‘ Aufgaben, und ihre Umgebung versinkt im Chaos: Das Kind läuft bloß und mit offenem Haar umher, ein anderes liegt krank darnieder, das Personal vergreift sich an der Vitrine, der Gatte (?) krümmt sich mit Magenkoliken. Die Welt ist in Unordnung geraten, die ‚naturgegebenen‘ Zuständigkeiten sind in Auflösung begriffen, eine verkehrte Welt, die gefähr­lich ist. Die beiden gezeigten Darstellungen bilden einen Ausschnitt aus dem Spektrum der Handlungsmuster und -räume, in denen interessierte und gelehrte Frauen in der Frühen Neuzeit an Bildung und am kulturellen Leben teilnehmen konnten sowie deren unterschied­liche Wahrnehmung und Deutung. Für das Kunstschaffen und die Förderung von Kultur war ein gewisses Maß an Bildung – schulischer wie häus­licher – eine wesent­liche Voraussetzung, und 2006, Sp.  373 – 376; Hohkamp, Michaela/Jahnke, Gabriele (Hg.), Nonne, Königin und Kurtisane. Wissen, Bildung und Gelehrsamkeit von Frauen in der Frühen Neuzeit, Königstein/Ts. 2004. Zu den Frauenzimmerlexika: Schmidt-Kohberg, Karin: Repräsentationen gelehrter Frauen in „Frauenzimmer-Lexika“ des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Hohkamp/Jahnke, S.  140 – 152.

Stifterin, Urheberin, Dilettantin

diese kam vor allem den Mädchen und Frauen der höheren Stände, mithin dem Adel und dem gehobenen Bürgertum zugute. Doch die Frauen des Adels nahmen in diesem Kontext einen Sonderstatus ein. Sie benötigten ihr Wissen und ihren Verstand nicht nur, um einem Hausstand vorzustehen, wie ihn die Hausväterliteratur mit ihren normativen Vorgaben und praktischen Handlungsanweisungen für die Hausfrau beschrieb, sondern sie nutzten und erweiterten ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Wissenschaften und schönen Künste, um zum einen die Gelehrsamkeit (­sapientia) als Legitimation weib­licher Herrschaft zu instrumentalisieren und sich zu eigen zu machen, und zum anderen, um sich individuelle Gestaltungsräume zu schaffen, die Einfluss, Herrschaft und öffent­liches Wirken ermög­lichten. Sie besaßen Muße und Personal, um den eigenen Interessen und Bildungsansprüchen die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Sie liefen nicht Gefahr, sich als „gelehrte Frau“ in einer vom Chaos beherrschten häus­lichen Unordnung wiederzufinden. Eher fanden sie sich in einem Salon, umgeben von anderen klugen Menschen, Künstlern und Gelehrten, die nicht dem Adel angehören mussten, deren Geist sie inspirierten, während diese wiederum die Gesellschaft und das Ambiente einer ebenso vornehmen wie klugen Frau genossen, deren Bildungsgrad und Interessen die Standesunterschiede zumindest für den Moment des Gedankenaustauschs vergessen ließen. Die im Titel dieses Beitrags genannten Kategorien Stifterin, Urheberin, Dilettantin ließen sich variieren und ergänzen. Adelige Frauen waren direkt oder indirekt an der Kulturproduktion beteiligt, als Mäzeninnen, Impulsgeberinnen, Vermittlerinnen und Sammlerinnen. Ihr Wissen und Können wurde durch Herkunft und Erziehung maßgeb­lich geprägt und durch Ehen und andere Verbindungen im Erwachsenenalter, durch Reisen und erweiterte finanzielle oder soziale Handlungsrahmen kontinuier­lich ergänzt und variiert. Die Mitwirkung adeliger Frauen an der frühneuzeit­lichen Kulturproduktion ist ein Thema, das aufgrund der inzwischen vorliegenden Forschungen zu einzelnen mehr oder weniger herausragenden Frauen sehr ertragreich ist. Der Tagungsband zum Wirken von Maria Aurora von Königsm­arck spiegelt dies in beeindruckender Weise wieder. Im Folgenden werden schlag­lichtartig einige Aspekte und strukturelle Bedingungen des Kunst- und Kulturschaffens adeliger Frauen in der Frühen Neuzeit gestreift, wobei die allgemeine Darstellung durch wenige biographische Skizzen ergänzt wird, die sowohl hochadelige Frauen als auch die Frauen des niederen Adels berücksichtigen.

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Kulturelle Kompetenzen und Wirkungsorte Ihre kulturellen Kompetenzen erwarben adelige Frauen durch die selbstverständ­ liche, standesgemäße Erziehung und Ausbildung, die ebenso wie bei den männ­ lichen Adelskindern zunächst durch Privatlehrer und Gouvernanten geleistet wurde. Diese vermittelten ihnen nicht nur den Lehrstoff, sondern durch die Unterweisung und Begleitung auch ein Verständnis für die häus­liche Umgebung, für das Leben am Hof, in Schlössern und Herrenhäusern, deren repräsentative Ausstattung Anschauungs- und Lernobjekte in vielfacher Gestalt zur Verfügung hielt. Durch die zunächst passive und später auch aktive Teilnahme an Konzerten oder Theateraufführungen, an häus­lichen Bällen und anderen Fest­lichkeiten an verschiedenen Orten lernten sie stetig hinzu und konnten das Gelernte anwenden und erweitern. Diese Umgebung und die alltäg­liche Lebenswelt des Adels brachten kulturelle Praktiken hervor, die nicht zuletzt zur Distinktion und Repräsentation gegenüber anderen Ständen dienten. Praktiken, die schon früh verinner­licht wurden und zur Ausbildung eines Habitus beitrugen, zu dem eine bestimmte Umgebung gehörte, die es – später – selbst zu schaffen und zu gestalten galt. Die Erziehung und Ausbildung der adeligen Töchter war nicht primär auf Gelehrsamkeit ausgerichtet, sondern auf das adelige Leben mit allen seinen Anforderungen insgesamt, und während in der Erziehung der Adelssöhne seit dem 18. Jahrhundert bürger­liche Vorstellungen zu greifen begannen, blieb die Ausbildung der adeligen Töchter eine aristokratische. Das wichtigste Erziehungsziel war die Verinner­lichung adeliger (und christ­licher) Werte und die Vorbereitung auf eine Zukunft als Gattin, Hausfrau und Erzieherin ihrer Kinder, als Repräsentantin ihres Standes und ihres Hauses bzw. Geschlechts.3 Das Erwachsenenalter hielt dann verschiedene Wirkungsorte kulturellen Schaffens bereit: Hof, Haus (und wichtig dabei: auch der Garten), der Witwensitz, der Salon, Kloster oder Stift, die Kirche bzw. der Kirchenraum gehörten dazu. Der Hof bot das größtmög­liche Gestaltungspotential, war dies doch das kulturelle Zentrum einer Residenz. War eine Königin oder Fürstin als legitime Herrscherin eingesetzt, so gehörte die sapientia, die Gelehrsamkeit, zu den Herrschertugenden, die eine herausragende Bedeutung für die Bestimmung der Qualität von Herrschaft besaßen. Auf der Basis des zeitgenössischen

3 Merkel, Kerstin/Wunder, Heide (Hg.): Deutsche Frauen in der Frühen Neuzeit. Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen, Darmstadt 2000.

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Herrschaftsdiskurses und der Theorie der zwei Körper des Königs 4 gab es neben dem natür­lichen Körper den politischen Körper, der Spielraum für die Ausgestaltung weib­licher Herrschaft unabhängig von ihrem Geschlecht bot. Über ihre Weisheit oder Gelehrsamkeit konnte eine Königin, Fürstin oder Herzogin ihre Selbstinszenierung als Herrscherin betreiben. Zu dieser Gelehrsamkeit zählten kulturelle Kompetenzen nicht weniger als diplomatische oder wirtschaft­liche Kenntnisse. War sie nicht selbst als Regentin eingesetzt und mit der Aufgabe betraut, ihre Residenz nach den vorherrschenden Konventionen und Ansprüchen auszustatten, so war es in den Kreisen des Hochadels üb­lich, dass die adeligen Ehefrauen ein eigenes Lustschloss erhielten, das sie nach Geschmack und Vermögen gestalten konnten, ohne auf die mit der Residenz verbundenen Zwänge der Repräsentation Rücksicht nehmen zu müssen. Hier boten sich Entfaltungsmög­lichkeiten, die adelige Frauen zu Schlüsselfiguren kultureller Entwicklungen und auch Innovationen werden ließen. Ein Beispiel dafür bietet das als Musenhof gerühmte Schloss Sophie ­Charlottes von Hannover, Lietzenburg, das heutige Charlottenburg. Hier ließ sich die Kurfürstin seit 1695 eine Sommerresidenz errichten, mit einem Garten nach der neuesten französischen Mode, entworfen von dem französischen Gartenarchitekten Simon Godeau, den Sophie Charlotte – entgegen den klassischen Vorgaben der Schlossarchitektur, die die Bel Etage der Herrschaft vorbehielt – von ihren Wohnräumen im Erdgeschoss betreten konnte. Lietzenburg besaß prächtige Repräsentationsräume, ein separates Theatergebäude, eine umfangreiche Gemäldegalerie und bildete insbesondere in den Sommermonaten die Kulisse für zahlreiche Musik-, Theater- und Opernaufführungen, an denen Sophie Charlotte zuweilen sowohl musizierend als auch singend selbst teilnahm. Sie war in dieser Umgebung die zentrale Figur der Herrschergemahlin, die das Schloss Lietzenburg zu einem Anziehungspunkt für Künstler, Literaten, Philosophen und Wissenschaftler machte. Damit konnte sie sowohl ihren kulturellen Interessen und Bedürfnissen Rechnung tragen als auch zugleich den mit den herrschaft­lichen Repräsentationsansprüchen verbundenen Anforderungen nachkommen und dabei eigene Akzente setzen. Zeremoniell und Etikette konnten hier zugunsten von Kunst, Musik und Wissenschaft zurücktreten, und Sophie Charlotte entfaltete in Lietzenburg eine

4 Kantorowitz, Ernst: The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology. Princeton 1957; Schwarzkopf, Jutta: Die weise Herrscherin. Gelehrsamkeit als Legitimation weib­licher Herrschaft am Beispiel Elisabeth I. von England, in: Hohkamp/ Jahnke, wie Anm. 2, S. 153 – 177.

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vor allem intellektuell geprägte Hofkultur, die von Theologen, Philosophen und Literaten inspiriert wurde.5 Ihre Mutter, Sophie von der Pfalz, fand ihre kulturelle Entfaltungskraft in den Gartenanlagen in Herrenhausen.6 Die Inszenierung von Herrschaft geschah ja nicht nur auf der Bühne der Politik, sondern auch in der symbolischen Aufladung von Haus und Garten. Der Garten bildete die Kulisse des herrschaft­lichen Wohnsitzes und diente dazu, diesen in Szene zu setzen und mit jenen Attributen zu versehen, die für das Selbstverständnis des Herrschers von Bedeutung waren und dieses unterstrichen. Die Gartenkunst war dadurch ein selbstverständ­licher Bestandteil des kulturellen Kosmos’. Als Ernst August I., der Osnabrücker Fürstbischof, die Tochter des böhmischen „Winterkönigs“ Friedrich V. von der Pfalz und der englischen Königstochter Elisabeth Stuart heiratete, verband er sich mit einer der vornehmsten Dynastien des Alten Reiches. Sophie brachte nicht nur das Ansehen ihrer Familie in die Ehe, sondern auch das Selbstbewusstsein und die Repräsentationsansprüche, die der Herkunft und Sozialisation der nunmehr verheirateten Herzogin von Braunschweig-Lüneburg und seit 1661 „Madame d’Osnabruc“ entsprachen. Dynastisches Bewusstsein und Ehrgeiz waren für sie und für Ernst August stets ein starker Antrieb für die Gestaltung eines standesgemäßen Hauses. Sophie setzte alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ein, um das Ansehen des Welfenhauses, in das sie eingeheiratet hatte, zu erhöhen und seine Stellung zu festigen. Sie suchte ihrem Haus repräsentativen Glanz zu verleihen und konnte dabei auf ein umfassendes Grundgerüst von Kenntnissen und Erfahrungen zurückgreifen, das ihr durch die Erziehung und die Reisen und Aufenthalte unter anderem an den Höfen der Oranier verschafft worden war. Getrennt von ihren Eltern war sie am Prinzenhof in Leiden aufgewachsen und nach dem Tod des Vaters mit elf Jahren an den Hof ihrer Mutter in Den Haag, später nach Heidelberg an den Hof ihres Bruders, des Kurfürsten Karl Ludwig von Hessen-Kassel gekommen. Acht Jahre lang wohnte Sophie im Heidelberger Schloss inmitten des Hortus Palatinus, der ursprüng­lich von ihrem Vater, Friedrich V., in Auftrag gegeben worden war und bei den Zeitgenossen als einer der berühmtesten Gärten Europas galt. 5 van den Heuvel, Christine: Sophie von der Pfalz (1630 – 1714) und ihre Tochter Sophie Charlotte (1668 – 1705), in: Merkel/Wunder, wie Anm. 3, S. 77 – 92. 6 Hegeler, Britta: Sophie von Hannover – ein Fürstinnenleben im Barock, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 74 (2002), S. 147 – 188; Daniel, Ute: Zwischen Zentrum und Peripherie der Hofgesellschaft. Zur biographischen Struktur eines Fürstinnenlebens der Frühen Neuzeit am Beispiel der Kurfürstin Sophie von Hannover, in: L’Homme. Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 8,2 (1990), S. 208 – 218.

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Auf Reisen lernte Sophie von der Pfalz die Architektur und die Kunstwerke der italienischen Städte und Schlösser kennen. Ein längerer Aufenthalt am Hof Ludwigs XIV. im Sommer 1679 anläss­lich des Besuchs bei ihrer Nichte Sophie Charlotte machte sie mit den Schlössern und Gärten in und um Paris bekannt. Natür­lich besichtigten sie auch die neuen Gartenanlagen in Versailles (ab 1666), die ihren Eindruck nicht verfehlten. Nach Osnabrück wird sie mit vielen Anregungen und Ideen für den Garten gekommen sein. Umsetzen ließen sie sich dort nicht mehr, denn schon ein Jahr später zog man nach Hannover und Sophie Charlotte überließ die weitere Gestaltung des Osnabrücker Schlossgartens dem Hofgärtner Martin Charbonnier, jedoch nicht ohne weiterhin daran Anteil zu nehmen. Der Garten war für sie gleichermaßen Leidenschaft und Ausdrucksmittel fürst­lichen Repräsentationsstrebens. Ihr Engagement bei der Einrichtung des Osnabrücker Schlossgartens und dann der Herrenhäuser Gärten ist im Kontext des statusbedingten, gleichrangigen Mitwirkens der Fürstin am Aufbau und der Festigung der gesamten Residenz zu sehen. Und auch wenn Sophie selbst ihr Engagement in den Herrenhäuser Gärten mit den Worten: Der ­Garten ist mein Leben 7 charakterisierte, so ist doch das dahinterstehende Motiv, den Garten als sichtbares, nach außen wirkendes Ausdrucksmittel fürst­licher Herrschaft zu instrumentalisieren, ein ganz zentraler Aspekt ihres Wirkens. Ihre Autobiographie ergibt zusammen mit der überlieferten umfangreichen Korrespondenz das Bild einer Fürstin, die, so hat es Ute Daniel ausgedrückt, „als weib­liche Zentralperson im tektonischen Gefüge der frühneuzeit­lichen Hofgesellschaft“ situiert werden kann.8 Neben Sophie von der Pfalz und ihrer Tochter Sophie Charlotte von Preußen gab es eine Reihe von adeligen Herrscherinnen bzw. Herrschergemahlinnen, die ihre Gelehrsamkeit verbunden mit ihrem Stand und Statusansprüchen in kulturelles Schaffen umsetzten. Darüber hinaus zählten sie zum Kreis gelehrter Frauen, die im zeitgenössischen Sinne als Dilettantinnen galten, als Kunstliebhaberinnen, die aufgrund ihres Standes und ihrer Bildung in der Lage waren, sich als Kunstsammlerinnen zu betätigen und auch individuelle Gestaltungsräume zu schaffen. Genannt seien hier noch die Markgräfin Wilhelmine von 7 Zit. n. Fleischer, Barbara: Frauen an der Leine. Stadtspaziergang auf den Spuren berühmter Hannoveranerinnen, Berlin 2009, S. 24. 8 Daniel, Ute: Zwischen Zentrum und Peripherie der Hofgesellschaft. Zur biographischen Struktur eines Fürstinnenlebens der Frühen Neuzeit am Beispiel der Kurfürstin Sophie von Hannover, in: L’Homme. Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft, 8,2 (1990), S. 208 – 218, hier S. 217.

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Bayreuth (1709 – 1758) oder die Fürstin Christiane zu Waldeck und Pyrmont (1725 – 1816). Wilhelmine von Bayreuth ließ die Eremitage, ein Lustschloss in einem Waldbezirk nahe der Residenz, nach ihren eigenen Ideen ausgestalten. Dabei griff sie insbesondere bei den Deckengemälden im Inneren des Gebäudes auf ungewöhn­liche und selten dargestellte Themen aus der Antike zurück. Während sie in den öffent­lich zugäng­lichen Räumen, den Amtszimmern, auf das traditionelle Bildprogramm rekurrierte, wählte sie in den privateren, nur einem ausgewählten Kreis von Personen zugäng­lichen Räumen eine eher moderne Ikonographie in der Ausstattung. Zeigten sich in den Vor- und Audienz­zimmern einer Fürstin häufig Allegorien, die auf die weib­liche Herrschaft und Klugheit verwiesen, wählte Wilhelmine von Bayreuth Szenen aus, die den Gedanken der Opferbereitschaft und des Gehorsams der Frauen zum Wohl von Stadt und Staat ausdrückten. Sie stellten Pf­lichterfüllung, Verzicht auf persön­liches Glück zugunsten der Ehre des Hauses und weib­lichen Mut in den Vordergrund. Auch bei der Raumfolge und Möblierung der Eremitage folgte W ­ ilhelmine eigenen Vorstellungen, etwa indem sie einen Raum als japanisches Lackkabinett einrichtete, einen anderen als chinesisches Spiegelkabinett. Damit führte sie eine brandenburgische Tradition fort, die von Louise Henriette von Oranien (1627 – 1667), der ersten Gemahlin des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620 – 1688), eingeführt wurde. Denn diese hatte in ihrem Lustschloss Oranienbaum das erste chinesische Porzellankabinett eingerichtet und damit einen regelrechten Boom ausgelöst. Wilhelmine von Bayreuth ging sogar soweit, dass sie die Lacktafeln ihres japanischen Kabinetts zum Teil selbst anfertigte und dieses mit der Signa­tur und Datierung auf der Rückseite festhielt. Die Chinamode 9 blieb bis ins 18. Jahrhundert eine Domäne fürst­licher Damen.10 Das Konzept des Dilettantismus betont die „eigene, durch Urteilsfähigkeit und Bildung gewonnene künstlerische Kompetenz“,11 und in diesem Sinne hätten sich die adeligen Kunstförderinnen der Zeit auch selbst als Dilettantinnen verstanden. Mit diesen Kompetenzen ausgestattet konnten die adeligen Frauen 9 Nach Auffassung der Zeit wurde zwischen Japan- und Chinamode wenig unterschieden. 10 Weber-Kellermann, Ingeborg (Hg.): Eine preußische Königstochter: Glanz und Elend am Hofe des Soldatenkönigs in den Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, Frankfurt/M. 2004; Müller-Lindenberg, Ruth: Wilhelmine von Bayreuth, in: Kreutziger-Herr, Annette/Unseld, Melanie (Hg.): Lexikon Musik und Gender, Kassel 2010, S. 524 – 525. 11 Erben, Dietrich: Mäzen Musik, in: Jäger, Friedrich: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 8: Manufaktur-Naturgeschichte, Stuttgart/Weimar 2008, Sp.181 – 184.

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zu Impulsgeberinnen kultureller Neuorientierungen oder neuer Gattungsentwicklungen werden, deren Wirkungskraft teilweise in direkten, teilweise in indirekten oder informellen Transferleistungen bestand. Als finanzielle und ideelle Förderinnen der Künste und Wissenschaften lassen sie sich auch mit dem Begriff der Mäzenin bzw. der Patronage erfassen. Die individuelle Förderung durch adelige Privatpersonen kam vor allem Kunstschaffenden zugute, die nicht institutionell an eine Akademie oder Universität gebunden waren. Diese Bindung brachte Vorteile für beide Seiten – der Mäzenin oder Patronin diente sie zur Reputation und zur Verfestigung oder Hebung ihres sozialen Status’. Indizien für die Patronage von Schriftstellern finden sich häufig in den Widmungsvorreden der gedruckten Texte.12 Nicht selten waren damit auch ganz konkrete Motive verbunden, die auf den Einfluss und Herrschaftsbereich der Adressaten zielten. Die von Johann Gerhard Meuschen verfasste Courieuse Schau=Bühne, eines der eingangs schon erwähnten ‚Frauenzimmer-Lexika‘ des 17. und 18. Jahrhunderts, war Sophie von der Pfalz gewidmet, um damit unter anderem zu erwirken, dass die Kurfürstin von Braunschweig-Lüneburg sich für den Verfasser einsetzen solle, damit dieser eine Pfarrstelle bei der deutschen Gemeinde in Den Haag bekomme, was Sophie aufgrund ihrer Kontakte in die Niederlande durchaus mög­lich gewesen wäre.13 Besonders in der Musik wirkten adelige Frauen als Mäzeninnen. Da der Fokus in der Regel auf den von Männern geschaffenen Werken lag, blieben sie gerade in diesem Bereich weitgehend unsichtbar. Nur wenn sie selbst Urheberinnen waren, traten sie hervor. Als Musikmäzeninnen hatten Frauen, das hat das 2005 erschienene Handbuch Frauen-Musik-Kultur belegt und dokumentiert, jedoch eine große Bedeutung für die Entfaltung der europäischen Musikkultur.14 Als ‚Heiratsobjekte‘ mindestens an einen, wenn nicht im Laufe ihres Lebens an mehrere Höfe vermittelt, entfalteten sie ein weites Netz an verwandtschaft­lichen Beziehungen und wirkten als Trägerinnen des Kulturtransfers. Musikalisch interessierte und begabte Fürstinnen förderten und pflegten den Austausch zwischen den Höfen und nahmen auf diese Weise auch Einfluss auf die Pflege bestimmter Repertoires und die Einführung musikalischer Innovationen, und 12 Vgl. zu Widmungsvorreden im Bereich Musik die Beiträge von Loeser, Martin, ab Seite 121 und Schröder Dorothea, ab Seite 135 im vorliegenden Band. 13 Meuschen, Johann Gerhard: Courieuse Schau=Bühne durchläuchtigst-gelahrter Dames als Käyser- König- Cuhr- und Fürstinnen auch anderer hohen durchläuchtigen Seelen aus Asia, Africa und Europa, voriger und itziger Zeit, Frankfurt /Leipzig 1706. 14 Koldau, Linda Maria: Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar 2005.

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so wie dies in der Musik passierte, lassen sich auch entsprechende Leistungen im Bereich der Literatur nachweisen. Vor allem eigenständige Regentinnen oder aber Witwen auf ihren Witwensitzen unterhielten häufig eigene Hofkapellen oder kleine Ensembles. Der Blick auf die Frauen der Welfen und ihr musikalisches Wirken lässt die Braunschweig-Lüneburgische Herzogin Sophie Elisabeth (1613 – 1676) hervortreten, die als bislang einzige deutsche Fürstin vor dem 18. Jahrhundert nicht nur als Mäzenin, sondern auch als angesehene Komponistin wahrgenommen und entsprechend in die Musiklexika aufgenommen wurde. Ihre Stiefmutter, Elisabeth von Hessen-Kassel, war selbst eine hervorragende Lautenistin und ließ Künstler aus England nach Kassel kommen, um ihre Töchter zu unterrichten. So lernte Sophie Elisabeth den englischen Komponisten John Dowland kennen und entwickelte ihre Affinität zur englischen Musik, die sich später in ihrem Einfluss auf die Musikpflege am Wolfenbütteler Hof bemerkbar machte. Über Wolfenbüttel hinaus galt sie als Förderin der Künste und vor allem der Musik, so dass Heinrich Schütz sie 1661 als eine in der löb­lichen Profession der Musik unvergleich­lich perfectionirte Prinzessin bezeichnete.15 Hinsicht­lich des musikalischen Engagements adeliger Frauen ist schließ­ lich darauf hinzuweisen, dass aufgrund der hohen Bedeutung, die dem Singen geist­licher Lieder im Zuge der Reformation zugesprochen wurde, zahlreiche evangelische Adelsdamen vor allem seit dem 17. Jahrhundert als Lieddichterinnen hervortraten. Hervorzuheben, aber aus Platzgründen im Rahmen dieses Beitrags nicht mehr zu thematisieren, wäre noch die Rolle der Klöster, die den Frauen große Freiräume in der Entfaltung ihres musikalischen Wirkens und dessen Ausbildung boten. Die Ordensfrauen wurden hier zu geschulten Sängerinnen und erwarben die Grundlagen der Musiktheorie. Die Abschottung des Klosters nach außen führte dazu, dass die Frauen als Sängerinnen, Instrumentalistinnen, aber auch als Kapellmeisterinnen und Komponistinnen zur Gottesdienstgestaltung beitrugen.16

15 Ebd., S.  189 – 198; Geck, Karl-Wilhelm: Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg (1613 – 1676) als Musikerin, Saarbrücken 1992. 16 Siehe dazu Talkner, Heike: Das aktive Liedrepertoire in den Lüneburger Frauenklöstern, in: Otte, Hans (Hg.): Evangelisches Klosterleben. Studien zur Geschichte der evangelischen Klöster und Stifte in Niedersachsen, Göttingen 2013, S. 257 – 272.

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Beispiele aus dem niederen Adel: Agnes Sophie von Bar und Anna von Ewsum Während sich die bisherigen Ausführungen auf Frauen aus dem Hochadel konzentrierten, sollen abschließend zwei Frauen vorgestellt werden, an deren Biografien und Wirken deut­lich wird, dass Herkunft, Stand, familiäre Beziehungen und Vernetzungen auch beim niederen Adel außerhalb der Residenzen zu Kulturschaffen und -förderung beitrugen und die Frauen insbesondere im Witwenstand in der Lage und Position waren, sich kulturelle Handlungsräume zu erschließen und zu schaffen.17 Die Osnabrücker Adelige Agnes Sophie von Bar (1638 – 1716) stammte aus einer angesehenen Osnabrücker Adelsfamilie und war mit Otto Caspar von Kobrinck verheiratet, dessen Familie bis zum Aussterben in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Adelsfamilien im Niederstift Münster gehörte. Agnes Sophie von Bar überlebte ihren Gemahl um mehr als zwanzig Jahre und bewohnte bis zu ihrem Tod den Witwensitz, das Haus Arkenstede in der Nähe von Quakenbrück. Eine ihrer Töchter wohnte seit ihrem achten Lebensjahr im Stift Börstel, einem ehemaligen Zisterzienserinnenkloster, das nach der Reformation zum evangelischen Damenstift wurde. Und auch ihre Schwester lebte im Stift Börstel und war lange Jahre Äbtissin dort. Im gleichen Jahr, 1707, starben sowohl die Tochter Elisabeth Agnes als auch die Schwester von Agnes Sophie von Bar, Lucretia Margaretha. 1710 stiftete sie zum Gedenken an die beiden ihr so nahe stehenden verstorbenen Frauen einen neuen Altar für die Stiftskirche in Börstel, der von dem bekannten Bildhauer Jöllemann geschaffen worden war. Zudem ließ sie ein ebenfalls von Jöllemann hergestelltes Epitaph in der Stiftskirche anbringen und verfügte, dort neben ihrer Schwester und ihrer Tochter bestattet zu werden (und nicht neben ihrem verstorbenen Mann), ein Zeichen der besonderen Verbundenheit Agnes Sophie von Bars mit dem Stift Börstel und den beiden frommen Frauen aus ihrer Familie. Mit der Stiftung eines prachtvollen Altars in der Stiftskirche und den aufwändig gestalteten Epitaphien und Grabsteinen nutzte sie den Kirchenraum zum Gedächtnis ihrer Angehörigen und ihres Geschlechts, zeigte sich aber auch als Förderin und Mäzenin für eine repräsentative Kirchenausstattung (Abb. 31). Die zweite Adelige ist Anna von Ewsum. Ihr Grabmal in der kleinen, bescheidenen Kirche im niederländischen Midwolde in der Nähe von Groningen ist

17 Siehe dazu: Düselder, Heike: Kultur und Herrschaft des Adels in der Frühen Neuzeit, in: Dies. (Hg.): Adel auf dem Lande. Kultur und Herrschaft des Adels zwischen Weser und Ems – 16.–18. Jahrhundert, Cloppenburg 2004, S. 15 – 178, hier S. 76 f. u. S. 167 ff.

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besonders eindrucksvoll. Anna von Ewsum stammte aus einer der reichsten Adelsfamilien im Groningerland. Ihre Mutter war Margaretha Beate von Fridag auf Gödens in Ostfriesland, die in erster Ehe mit Wilhelm von Ewsum, dem Vater Annas, und in zweiter Ehe mit Rudolf Wilhelm zu Inn- und Knyphausen verheiratet war. Anna von Ewsum wiederum heiratete den Bruder ihres Stief­ vaters, Carl Hieronymus zu Inn- und Knyphausen, und lebte mit diesem auf ihrem väter­lichen Stammsitz, dem Haus Nienoord. Ihr Mann starb früh in jungen Jahren, daraufhin ließ Anna ihm ein Denkmal in der Kirche in ­Midwolde errichten. Sie beauftragte damit den Bildhauer Rombout Verhulst, der auch schon in Amsterdam, Utrecht, Leiden und Delft berühmte Grabmäler geschaffen hatte, und sie gab genaue Vorgaben hinsicht­lich des Themas und der Anordnung und Größe. Das Grabmal aus weißem und schwarzem Marmor stand an zentraler Stelle in der Kirche, an der Altarwand. Es zeigt Carl Hieronymus auf seinem Totenbett, über ihm die trauernde Gestalt Annas, tief dekolletiert, neben ihr zwei geflügelte Putten, die eine, neben Annas Kopf, das Leben darstellend, die andere den Tod. Im Hintergrund sind die zahlreichen Wappen der mit beiden Personen verbundenen Familien abge­bildet. Noch bevor das Denkmal aufgestellt wurde, heiratete Anna von Ewsum erneut, diesmal den Bruder ihres verstorbenen Mannes, Georg Wilhelm zu Inn- und Knyphausen. Nachdem sie auch diesen überlebt hatte, gab sie ihm daraufhin einen Platz auf dem Denkmal in der Midwolder Kirche. Ein Putto musste weichen, und da der Bildhauer Rombout Verhulst bereits verstorben war, vergab sie den Auftrag an einen anderen, ebenfalls bekannten Bildhauer. Man stelle sich diese eigentüm­liche Situation vor: Saß Anna von Ewsum in der herrschaft­lichen Loge in der Kirche beim Gottesdienst, konnte sie direkt auf ihre beiden verstorbenen Ehemänner sehen und gleichzeitig auf ihr eigenes Ebenbild, dargestellt in unvergäng­licher Jugend. Gleichzeitig konnte sie sich als Stifterin und Mäzenin unbestritten eines der Hauptwerke der nordniederländischen Barockplastik rühmen.

Fazit Wissen, Bildung, Gelehrsamkeit und das Kunstschaffen adeliger Frauen in der Frühen Neuzeit waren in erster Linie standesgebunden und haben einen starken Bezug zum Haus als Handlungs- und Gestaltungsraum. Ihr Schaffen verlief im wesent­lichen in einem nicht institutionengebundenen Rahmen, ihr Schaffensort war die eigene Umgebung, der Hof, das Haus, der Garten, der Salon, das Kloster und Stift. Von hier aus wirkten sie nach außen, hier nahmen

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sie Impulse von außen auf und gestalteten damit den Raum ihrer persön­lichen Sphäre und ihrer Herrschaftsansprüche. Freiheit und eine gewisse Unabhängigkeit von den Repräsentationspf­lichten und offiziellen Normen der Residenzen und Stammhäuser brachten häufig größere Vielfalt und mehr Kreativität hervor. Durch die Lebensweise und den Habitus ihres Standes verfügten adelige Frauen über die Bildung und die intellektuellen Fähigkeiten, um einflussreich und individuell gestaltend auf die Kulturproduktion einzuwirken und zuweilen tonangebend voranzugehen. Über die Kultur gelang ihnen der Schritt aus der häus­lichen Sphäre hinaus in den öffent­lichen Raum bzw. in ein kulturelles Netzwerk, das sie fördern und kultivieren und in das sie sich mit ihren jeweiligen Interessen und Fähigkeiten einbringen konnten.

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„Denn selbst Apollens Kunst wird hier ein Schatten heissen“ – Zum sichtbar-unsichtbaren literarischen Werk der Gräfin Maria Aurora von Königsm­arck Aurora von Königsm­arck war zu ihrer Zeit eine Berühmtheit und ist es auch heute noch. Die Reihe der Bücher über sie – mit den unterschied­lichsten ­Graden an Seriosität – reißt seit dem frühen 19. Jahrhundert nicht mehr ab. Zudem wusste man eigent­lich immer, dass sie nicht nur eine blendende Schönheit, eine hochadelige Mätresse und beinahe auch eine Reichsfürstin war, sondern dass sie eben auch literarisch tätig war. Schaut man nun aber in die beiden aus den 1980er Jahren stammenden und immer noch umfangreichsten Überblicksdarstellungen zur weib­lichen Autorschaft in der Frühen Neuzeit, so muss man feststellen, dass Aurora dort überhaupt nicht auftaucht. Weder in der einschlägigen Monographie von Barbara Becker-Cantarino 1 noch in der zweibändigen Aufsatzsammlung von Gisela Brinker-Gabler wird sie überhaupt nur erwähnt.2 Die galante Zwischenepoche um 1700 fand noch vor etwa dreißig Jahren weder in den allgemeinen Literaturgeschichten noch in den Frauenliteraturgeschichten einen Niederschlag. In einer Publikation ist sie allerdings schon präsent – einem ebenfalls in den 1980er Jahren erstellten, bio-bibliographischen Lexikon zu „Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und gelehrten Frauen des deutschen Barock“ von Jean M. Woods und Maria Fürstenwald.3 Konkret als Werke verzeichnet werden dort eine schwedische Übersetzung der Gedichtsammlung Nordischer ­Weyrauch  4 und dreiundzwanzig weitere, zu Lebzeiten und postum weit verstreut publizierte Gedichte. Bezeichnend für die damalige Lage ist, dass den Verfasserinnen 1 Vgl. Becker-Cantarino, Barbara: Der lange Weg zur Mündigkeit. Frauen und Literatur (1500 – 1800), Stuttgart 1988. 2 Vgl. Brinker-Gabler, Gisela (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, München 1988. 3 Woods, Jean M./Fürstenwald, Maria: Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und gelehrte Frauen des deutschen Barock. Ein Lexikon, Stuttgart 1984, S. 58 f. 4 Königsm­arck, Maria Aurora u. a.: Nordisk offerrökelse, übers. und hg. v. Birger Mörner, Uppsala 1912.

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offenbar nicht bekannt war, dass bereits im 19. Jahrhundert gleich zwei schwedische Editionen zum einen mit zahlreichen weiteren Gedichten und Prosastücken 5 sowie zum anderen mit einem von Aurora verfassten Prolog zu einer französischen Tragödie 6 veranstaltet worden waren. Was allerdings bei Woods und Fürstenwald verzeichnet ist, sind drei Texte, die zwar unter dem Namen Aurora von Königsm­arck verbreitet sind, in Wirk­ lichkeit aber gar nicht von der Gräfin stammen – ein ihr häufig zugeschriebenes Singspiellibretto unter dem Titel Die drey Töchter Cecrops,7 eine englische Übersetzung eines Berichts über den skandalumwitterten Tod ihres Bruders Philipp Christoph von Königsm­arck,8 der in Wirk­lichkeit von dem spätba­ rocken Skandalautor Karl Ludwig von Pöllnitz stammt, sowie ein Buch aus dem 19. Jahrhundert mit Schönheitstipps in Cosmetischen Briefen,9 die mit der Gräfin offenbar nichts weiter zu tun haben, als dass sie bekannt­lich einmal eine sehr schöne Frau gewesen sein soll. Auch dies gehört zum hier zu entfaltenden Paradox des Unsichtbar-Sichtbaren: Werke, die von ihr stammen, werden nur zu leicht übersehen, während ihre Bekanntheit zugleich Texte von fremder Hand zu ihr hinzieht und an sie bindet. Gegen Ende der 1980er Jahre folgte dann aber etwas, was man mit Recht als eine Wiederentdeckung der Gräfin als Autorin bezeichnen kann. Die Initialzündung dafür stellt eine Reihe von Artikeln in „Daphnis. Zeitschrift für mittlere deutsche Literatur“ aus dem Jahr 1988 dar. Aurora von Königsm­arck wurde

5 Vgl. Königsm­ar[c]k, M. Aurora von, in: Hanselli, Per (Hg.): Samlade Vitterhetsarbeten af Svenska författere från Stjernhelm till Dalin. Efter Originalupplagor och Handskrifter utgifna, Bd. VIII, Uppsala 1867, S. 69 – 131. 6 Vgl. En hittill okänd dikt af Aurora Königsm­arck. Meddelad af C. S., in: Samlaren 1887, S.  52 – 57. 7 Vgl. Die drey Töchter Cecrops in einem Sing-Spiel vorgestellet, [Hamburg 1680]. Vgl. kritisch zur Zuschreibung an Aurora von Königsm­arck Seelbach, Ulrich: Oper und Roman in Ansbach. Zur Literatur einer fränkischen Residenzstadt gegen Ende des 17. Jahrhunderts, in: Garber, Klaus (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit, Bd. 1, Tübingen 1998, S. 509 – 537, hier S. 519 – 522. 8 Vgl. A home truth: being memoirs of the love and state-intrigues of the Court of H---; from the marriage of the Princess of Z------, to the tragical death of Count K-----k: Written originally in High-German, By the Celebrated Countess of K---------k, Sister of that Unfortunate Nobleman, 2. Aufl., London 1743. Nachdruck beigefügt zu: Fielding, Henry: The Life of Mr. Jonathan Wild, New York 1974. 9 Cosmetische Briefe aus den hinterlassenen Papieren der Gräfin Aurora von Königs­ mar[c]k, Leipzig 1851.

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hier als Inbegriff der galanten Poetin gefeiert 10 und eine kritische Edition der beiden überlieferten Handschriften des Nordischen Weyrauch präsentiert.11 Zwei weitere Beiträge konzentrieren sich auf Die drey Töchter Cecrops, die man ihr damals noch sicher zuschrieb.12 Drei Jahre später folgt in derselben Zeitschrift eine kommentierte Neuedition der Stanzen von Aurora auf das Verschwinden ihres Bruders Philipp Christoph von Königsm­arck.13 Im Jahr 1999 erfolgte ebenfalls dort die erste Zuschreibung von zwei längeren Prosatexten.14 Sowohl die autobiographisch gefärbte Geschichte der Solane, als auch die Schlüsselerzählung über die Gräfin Cosel in der Geschichte der Givritta 15 finden sich integriert in den mehrbändigen höfischen Barockroman Die römische Octavia des braunschweigischen Herzogs Anton Ulrich, der bekannt­lich auch ein persön­licher Bewunderer der Gräfin war. Beide Texte

10 Vgl. Woods, Jean M.: Aurora von Königsm­arck: Epitome of a „Galante Poetin“, in: Daphnis 17 (1988), S. 457 – 465. 11 Vgl. Woods, Jean M.: Nordischer Weyrauch: The Religious Lyrics of Aurora von Königsm­arck and her Circle, in: Daphnis 17, 1988, S. 267 – 326. 12 Vgl. Olsen, Solveig: Aurora von Königsm­arck’s Singspiel „Die drey Töchter Cecrops“, in: Daphnis 17 (1988), S. 467 – 480, und Kastinger Riley, Helene M.: Liebe in der Sicht der Frau des 17. Jahrhunderts, in: Daphnis 17 (1988), S. 441 – 456. Vgl. aber Seelbach, wie Anm. 7. 13 Vgl. Seelbach, Ulrich: Maria Aurora von Königsm­arck’s Stanzen über ihren Bruder Philipp Christoph, in: Daphnis 20 (1991), S. 403 – 422. 14 Vgl. Kraft, Stephan: Galante Passagen im höfischen Barockroman – Aurora von Königsm­arck als Beiträgerin zur „Römischen Octavia“ Herzog Anton Ulrichs, in: Daphnis 28 (1999), S. 323 – 345. Vgl. Königsm­arck, Aurora von: Die Geschichte der Solane, hg. v. Stephan Kraft, in: Elit, Stefan/Kraft, Stephan/Rutz, Andreas (Hg.): Das ‚Ich‘ in der Frühen Neuzeit. Autobiographien – Selbstzeugnisse – Ego-Dokumente in historiographischer und literaturwissenschaft­licher Perspektive, zeitenblicke 1,2 (2002), (eingesehen am 31.3.2013). Vgl. auch Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg: Die Römische Octavia, Bd. 4,2, bearb. v. Maria Munding, Stuttgart 2010, S. 544 – 592. Die Autorschaft Aurora von Königsm­arcks ist hier nicht erwähnt, allerdings steht auch der Apparatband zu diesem vierten Teil des Romans noch aus. 15 Vgl. Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg: Die Römische Octavia, Bd. 7,2, hg. v. Margarete und Rolf Tarot, Stuttgart 2004, S. 359 – 398. Vgl. zu den mangelhaften Nachweisen zur Entstehung und zur verteilten Autorschaft des siebten Bandes des Romans auch meine Rez.: … denn sie sagen nicht, was sie tun. Zur Edition des siebten Bandes der Römischen Octavia Herzog Anton Ulrichs, in: IASL online, 25. Januar 2010, (eingesehen am 31.3.2013).

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sind in Nachdrucken im Rahmen der modernen Neueditionen des Romans greifbar – wenn sie auch dort leider immer noch nicht als Hervorbringungen Aurora von Königsm­arcks kennt­lich gemacht worden sind. Der neueste größere Fund ist noch ganz frisch. Durch einen Vermerk auf einer in London aufgefundenen Partitur des Opera-Ballets Fastnachts-Lust von Johann Christoph Schmidt, die 1697 im Karneval in Dresden aufgeführt worden ist, kann das Libretto eindeutig Aurora von Königsm­arck zugeschrieben werden.16 Mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit ist sie in Analogie auch als Verfasserin des 1696 an selber Stelle präsentierten Musen-Fests, dessen Musik ebenfalls von Schmidt stammt, anzunehmen.17 Und dann gibt es eben noch allerlei Forschungsbeiträge, in denen neuentdeckte Texte der Gräfin ein Thema unter mehreren darstellen oder in denen sie gar nur ganz nebenbei, gelegent­lich auch nur in Fußnoten, Erwähnung gefunden haben.18 Vor allem die Musikwissenschaft avancierte dabei zuletzt zu einer wichtigen Partnerin der Literaturwissenschaft. Dieses Suchen und Finden bildet hier in seiner Diskontinuität in gewisser Weise die häufig eher zufällig wirkende Art und Weise der Publikation ihrer Texte in Vergangenheit und Gegenwart ab und ist mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen. 16 Vgl. Fastnachts-Lust/ Beym Schluss Des von Ihrer Churfl. Durchl. zu Sachsen/ und Burggrafen zu Magdeburg/ u. Herrn/ Herrn Friedrich Augusto angestellten prächtigen Carnevals, von Dames und Cavaliers vorgestellt In Dresden 1697, Dresden 1697. (Musik von Johann Christoph Schmidt, Libretto von Aurora von Königsm­arck). Neuedition: „Fastnachts-Lust“ (Dresden 1697). Opera-Ballet in drei Aufzügen und vier „Entrées“, hg. v. Sebastian Biesold und Philipp Kreißig, mit einem Vorwort v. Uta Dorothea Sauer und Stephan Kraft, Berlin (= Denkmäler der Tonkunst in Dresden 8) (im Ersch.). [Onlineausgabe folgt bei Qucosa, Informationsserver der SLUB Dresden.] 17 Musen-Fest/ Welches Über die hocherwünschte Rückkunfft Des Durchlauchtigsten Chur-Fürstens zu Sachsen […] Herrn Friedrich Augusti/ Nach hinterlegter ­Campagne in Ungarn […] uff dem Theatro in Dresden frohlockend gefeyret worden, Dresden 1696. (Musik von Johann Christoph Schmidt, Libretto wahrschein­lich von Aurora von Königsm­arck). Eine Edition in derselben Reihe wie die Fastnachts-Lust aus dem Folgejahr befindet sich in der Vorbereitung. 18 Vgl. Schroeder, Johann Karl von/Seelbach, Ulrich: Drei Gedichte auf Georg Ehrenfried von Lüttichau, Vorbild für Graf Ehrenfried in Christian Reuters Lustspiel, in: Daphnis 18 (1989), S. 281 – 295, hier v. a. S. 291 f.; Metzger, Erika A./Metzger, Michael M.: Mündigkeit, Innovation, subversiver Realismus: Frauen veröffent­lichen in der Neukirch-Anthologie, in: Hardin, James/Jungmayr, Jörg (Hg.): „Der Buchstab tödt – der Geist macht lebendig. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans-Gert Roloff, Bd. II, Bern u. a., S. 937 – 950, hier v. a. S. 940 f.; Koldau, Linda Maria: Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der frühen Neuzeit, Köln 2005, S. 925 – 930.

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Rund dreißig Jahre nach der letzten Zusammenstellung im Lexikon zu den „Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und gelehrten Frauen des deutschen Barock“ ist es gleichwohl höchste Zeit, wieder einmal ein Resümee zu ziehen. Begonnen werden soll mit der Lyrik, zu der hier auch die Liedtexte gezählt werden, welche direkt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Komponisten erstellt worden sind. Insgesamt sind momentan 78 publizierte Gedichte bekannt. Davon ist allerdings bei dreizehn die Zuschreibung unsicher.19 Bei fünf weiteren ist es nicht eindeutig, ob sie überhaupt zu den Gedichten zu zählen sind oder nicht: Es handelt sich um deutsche Fassungen von kurzen, versartigen Gebilden ohne Reim und Metrum, die erstmals in einer Biographie der Gräfin aus dem frühen 20. Jahrhundert abgedruckt worden sind.20 Allerdings ist anzunehmen, dass es sich in einer französischen Urfassung durchaus um regelrechte Gedichte gehandelt haben wird. Es bleiben damit aber immerhin noch 60 eindeutige Gedichte, die Aurora von Königsm­arck mit großer Sicherheit zugeschrieben werden können – gegenüber den 33, die bereits 1867 in der bislang umfangreichsten, in Schweden veranstalteten Lyrikedition aufgeführt sind, und den 34 nur teilweise damit deckungsgleichen in der bibliographischen Zusammenstellung von Woods und Fürstenwald aus dem Jahre 1984.21 Bei der Einteilung ist mit den Sprachgruppen zu beginnen: Ein Gedicht ist auf Schwedisch verfasst, drei sind auf Lateinisch geschrieben, 17 auf Französisch und 39 auf Deutsch. Trotz dieser beeindruckenden Sprachenvielfalt konzentriert sich das meiste eben doch auf das Französische und vor allem das D ­ eutsche, zumal das schwedische Gedicht und die lateinischen Gedichte zugleich zu den kürzesten in der Überlieferungsreihe gehören. Beim sich anschließenden Blick auf das Drama und die Prosa wird das Übergewicht des Deutschen dann noch weiter zunehmen. Immerhin 26 Gedichte von Aurora von Königsm­arck wurden bereits zu Lebzeiten gedruckt – teils unter Mitwirkung der Gräfin und teils wohl auch ohne, teils mit ausdrück­licher Namensnennung und manchmal auch ganz ohne expliziten Hinweis auf die Verfasserschaft. Die größte postume Publikation fand dann, wie schon angedeutet, 1867 in Schweden statt. Für immerhin 21 Gedichte ist dies der erste momentan nachgewiesene Druck. Die rest­lichen

19 Vgl. dazu die diesem Band beigefügte Personalbibliographie ab S. 331. 20 In: Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königsm­arck, Braunschweig 1918, S. 57 f. 21 Die folgenden numerischen Ausdifferenzierungen beziehen sich dann auch nur auf diese 60 lyrischen Texte, die eindeutig von Aurora von Königsm­arck stammen.

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dreizehn Erstdrucke verteilen sich dann noch auf verschiedene Publikationen des 18. bis 21. Jahrhunderts. Inhalt­lich gibt es zum einen 20 im engeren Sinne religiöse Gedichte: Elf davon gehören zum Zyklus Nordischer Weyrauch, und neun weitere stellen von Johann Mattheson vertonte Arien aus dessen Magnificat a due cori dar. Mit diesen letzteren überlappen sich die vier bekannten welt­lichen Opernarien, die in von Reinhard Keiser und Johann Mattheson vertonte fremde Libretti eingefügt worden sind. Die andere Großgruppe stellen die anlassbezogenen Gedichte dar.22 Von den verbliebenen 36 Texten ist bei überhaupt nur zweien vorerst keine konkrete Gelegenheit auszumachen, der sie zuzuordnen wären. Aurora von Königs­ marck dichtete also vor allem – wenn nicht ausschließ­lich – entweder religiös oder anlassbezogen. Unter diesen Anlässen lassen sich wiederum zwei Richtungen unterscheiden. Zum einen finden sich hier traditionelle Anlässe für offizielle, repräsentative Kasualgedichte, wie Tod, Geburtstag oder Herrscherlob. Empfänger sind hier u. a. Mitglieder ihrer Familie, Zar Peter, Karl XII. von Schweden, Herzog Anton Ulrich und natür­lich immer wieder August der Starke von Sachsen. Zum anderen gibt es eine lange Reihe von scherzhaften oder allegorischen Gedichten sowie notierten Impromptus, die zumeist für höfische Feste oder im Zusammenhang mit solchen entstanden sind. Zum Drama sollen hier nur einige kurze Hinweise angeschlossen werden. Bekannt war hier lange Zeit nur das 1680 gedruckte und postum zugeschriebene Libretto des Singspiels Die drey Töchter Cecrops.23 Bereits 1998 wurde es allerdings von Ulrich Seelbach mit überzeugenden Argumenten aus dem Werk der Gräfin ausgeschlossen.24 Als ihr dramatischer Erstling ist damit ein kurzer szenischer Prolog zur ersten Aufführung von Racines Iphigénie in Schweden im Jahre 1684 anzusehen.25 Einen ganz neuen Blick auf das Dramenschaffen der Gräfin werden sicher­ lich die bereits erwähnten jüngsten Dresdener Zuschreibungen der Fastnachtslibretti aus den Jahren 1696 und 1697 ermög­lichen. Hier ist es aber sicher

22 Kasualgedichte, die auch religiöse Themen anschlagen, dort aber nicht ihr eigent­liches Zentrum haben, wie es etwa regelmäßig bei Trauergedichten der Fall ist, habe ich unter die anlassbezogenen Gedichte eingeordnet. 23 Vgl. bereits Anm. 7. Der Komponist war Johann Wolfgang Franck. 24 Vgl. Seelbach, wie Anm. 7, S. 519 – 522. 25 Vgl. bereits Anm. 6.

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sinnvoll, sie als ein größeres neues Thema demnächst gesondert und grundlegend zu behandeln. Schließ­lich ist in Gottscheds „Handlexikon“ aus dem Jahre 1760 noch von einer französischen Komödie die Rede, die Aurora von Königsm­arck verfasst haben soll, auf die es aber keine weiteren Hinweise gibt.26 Denkbar ist allerdings, dass mit dieser Formulierung eigent­lich der bereits erwähnte Prolog zu Racines Iphigénie gemeint sein soll.27 Im Anschluss an den nun noch anstehenden Blick auf die Prosa soll die Aufmerksamkeit auf die allgemeinere Frage gelenkt werden, wie das literarische Schaffen Aurora von Königsm­arcks insgesamt einzuordnen ist. Die hier zu entfaltende These lautet, dass die Antwort darauf in der konkreten Beschaffenheit der erzählerischen Texte liegt oder zumindest dort besonders gut sichtbar wird. Beim Drama war die Basis bislang sehr schmal, bei der Lyrik hat man es zum einen mit solide gemachter, offiziöser Kasualpoesie zu tun (all die Nachrufe, Geburtstagsgedichte und Widmungen) und zum anderen mit vielen ‚leichten‘ Gedichten, die zudem zumeist erst aufwendig kontextualisiert werden müssten, damit ihre damalige Wirkung überhaupt nachvollziehbar wird: Und gerade dies ist mangels weiterer Quellen oft nur schwer mög­lich. Die religiösen Gedichte, die sicher insgesamt etwas anders zu werten sind, sollen hier beiseite gelassen werden – und auf die berühmten Stanzen über das plötz­liche Verschwinden des Bruders, die man hier wohl ebenfalls herausheben kann, wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein.28 Aurora von Königsm­arck als Prosa-Autorin wurde, wie bereits angedeutet, überhaupt erst vor einigen Jahren entdeckt. Am Beginn stand als ein echter Zufallsfund ein Brief an den Herzog Anton Ulrich von Braunschweig vom 17. Dezember 1713, der folgendermaßen einsetzte: Ob die geschichte der Attalia nach Eüer Durchl[aucht] Gnädigsten gefallen seÿ befunden worden, habe weniger zu hoffen alß viel mehr das gegenteihl zu befürchten. Inzwischen wirdt diese seltzame Heroine vermuhtlig angekommen sein; mit gestriger Post 29 von Dresden ist die Nachricht Ihres nuhn Endligen abschieds auß Saxen Erfolget […].

26 Vgl. den Artikel zu Aurora von Königsm­arck in: Gottsched, Johann Christoph (Hg.): Handlexikon oder kurzgefaßtes Wörterbuch der schönen Wissenschaften und freyen Künste, Leipzig 1760, Sp. 968 f. 27 Vgl. nochmals Anm. 6. 28 Zu den religiösen Gedichten vgl. Andersson, Bo im vorliegenden Band. 29 Zit. nach Kraft, wie Anm. 14, S. 324 f.

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Durch die Datierung und die Nennung des Ortes Dresden wird der Bezug schnell klar. Bei der Attalia kann es sich eigent­lich nur um Constantia von Cosel, die jüngst gestürzte Mätresse Augusts des Starken, handeln und die Namensänderung kann wiederum nur bedeuten, dass die Gräfin zuvor Anton Ulrich eine von ihr selbst verfasste Schlüsselerzählung über eben diese Person zugeschickt haben muss. Nun erscheint im erst 1762 postum publizierten siebten Band der vielbändigen Römischen Octavia des Herzogs genau eine solche Schlüsselerzählung im Druck, die eine intime Kenntnis der Verhältnisse in Dresden verrät.30 Von hier lag die Vermutung nicht mehr weit, dass auch andere verschlüsselte Passagen im Roman Anton Ulrichs auf Aurora von Königsm­arck zurückgehen könnten. Auffällig ist hier die Einleitung zu einer integrierten Erzählung aus dem vierten Band der zweiten Fassung dieses Romans. Dort soll einem kranken Prinzen zur Unterhaltung eine Geschichte vorgelesen werden: Ehe und bevor hube Antiochus Epiphanes/ dieses hörend/ an/ solches geschiehet/ muß ich zur Nachricht melden/ daß ich ehmahlen diese Schrifft in der Diana Tempel in Dacien gefunden/ und selbige einer von den heiligen Jungfrauen aus ihrem Cabinet wieder ihren Willen entwendet/ die diese ihre Liebes=Geschicht unter verdeckten Nahmen dergestalt der Nach=Welt hat wollen kund machen/ wobey ich mir aber ausbedinge/ daß man von mir nicht begehren wolle den Schlüssel davon zu eröffnen/ massen/ ob selbiger mir gleich ziem­licher massen bekannt ist/ ich dennoch darinnen nicht werde 31 willfahren können.

Die Liebesgeschichte der Jungfrau aus dem Dianatempel ist natür­lich nichts anderes als Aurora von Königsm­arcks eigene Liebesgeschichte mit August dem Starken, um die es in der nun folgenden Geschichte der Solane 32 verdeckt gehen wird – und dass sie ihr wider ihren Willen weggenommen worden ist, stellt auch nichts weiter als eine Deckbehauptung dar, die sie vor dem mög­ lichen Vorwurf einer ungehörigen Selbstentblößung schützen sollte. Wäre sie nicht im Prinzip einverstanden gewesen, hätte sie den befreundeten Herzog in der Folge wohl kaum weiter mit Material versorgt.

30 Vgl. zu den Schlüsselepisoden im Roman Kraft, Stephan: Geschlossenheit und Offenheit der „Römischen Octavia“ von Herzog Anton Ulrich. „der roman macht ahn die ewigkeit gedencken, den er nimbt kein endt.“, Würzburg 2004, S. 87 – 115. 31 Anton Ulrich, wie Anm.14, S. 543. 32 Vgl. ebd., S. 544 – 592.

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Es handelt sich hier also um einen autobiographisch grundierten Text, der im frühen 18. Jahrhundert entstanden sein muss, der aber wohl nicht identisch ist mit der diktierten Autobiographie der Gräfin, die angeb­lich noch im frühen 20. Jahrhundert gesichtet wurde, seitdem aber als verschollen gilt.33 Die beiden in Die Römische Octavia eingelegten Geschichten sind gemeinsam etwas über 100 Druckseiten lang und kommen als galante Erzählungen daher, wobei die Liebesthematik gegenüber der dominant politischen Gesamtausrichtung des sie umgebenden Romans einen deut­lich größeren Stellenwert einnimmt. Besonders gut sichtbar wird diese Differenz in den Festbeschreibungen in der Geschichte der Solane: Aurora von Königsm­arck und August der Starke haben im Dresdener Karne­ val des Jahres 1695 zusammengefunden und dieser bildet nun in Form der ­Bacchanalien in der Residenzstadt, Lido genannt, die Kulisse für ein immer heftiger werdendes Werben des Fürsten Orondates um die Titelfigur Solane. Im Kern dieses weitangelegten Verführungsfeldzuges steht ein raffiniertes Spiel mit stets wechselnden Kostümen, mit denen Angebote, scheinbare Abwehr und schließ­lich auch das finale Einverständnis signalisiert werden. So erscheint ­Orondates zum Beispiel als Grieche und überreicht Solane in Anspielung auf das Parisurteil einen Apfel. Er zwingt sie, ganz in Weiß zu einem Ball zu kommen und tritt selbst als ein Bräutigam auf. Sie verkleidet sich bis zur Unkennt­ lichkeit, macht ihm dann aber doch durch kleine Gaben Hinweise darauf, wer sie ist usw. usf.34 Der Kostümcode, der hier entwickelt wird, ist offenbar Mittel einer sich im Vollzug entwickelnden galanten Kommunikation, die beweg­ lich, spontan und geistreich wirken soll.35 Wie man in einem solchen Verkleidungsspiel reagiert, folgt nicht bestimmten, vorab festgelegten Regeln. Denn was zu tun sein wird, kann erst entschieden werden, wenn man den letzten Zug des Gegenübers registriert hat. Was hingegen auf jeden Fall vermieden werden muss, ist jeg­licher Anschein einer angestrengten, pedantisch wirkenden Gelehrsamkeit. Wichtig ist auch die Fähigkeit, seine Ziele dadurch zu befördern, dass man Informationen zurückhält und das Gegenüber zu seinem eigenen Vorteil täuscht. Eine gewisse Nähe zur politischen Theorie der Frühen Neuzeit ist 33 Vgl. dazu zuerst Mörner, Birger: Aurora von Königsm­arck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München 1921, S. 7 – 9. 34 Vgl. hierzu bereits Kraft, wie Anm. 14, S. 341 – 344. 35 Vgl. zur galanten Kommunikation zuletzt Rose, Dirk: Conduite und Text. Paradigmen eines galanten Literaturmodells im Werk von Christian Friedrich Hunold (Menantes), Berlin 2012, darin v. a. die Einleitung: Galante Conduite und galante Texte, S. 1 – 32.

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hier unübersehbar. Im konkreten Beispiel des Verkleidungsspiels etwa sorgt Solane dafür, dass Orondates sie kurzfristig mit ihrer Schwester verwechselt und verkleidet sich als Mann, um ihm wiederum unbemerkt folgen zu können.36 Schließ­lich arbeitet diese Form der Kommunikation sehr stark mit Ein- und Ausschlüssen. Ihre Wirkung basiert auf Reihen von Andeutungen, die immer nur einer begrenzten Zahl von eingeweihten Rezipienten verständ­lich sein sollen, wobei diese je nach Situation unterschied­lich groß sein kann: Im Extrem­ fall ist es wie hier das einzelne Gegenüber. Immer aber wird derjenige, der die Botschaft versteht, in der Überzeugung gehalten, dass dies vielen anderen eben nicht mög­lich ist und er somit einer exklusiven Gruppe angehört. Dieses hier in nuce am Beispiel des Festgeschehens angedeutete Modell spiegelt sich auch auf der Ebene der Publikation wider. Die römische Octavia selbst, in die diese Geschichte eingebettet ist, erscheint ohne Autornennung. Gleichwohl ist es in gewissen Kreisen keinesfalls unbekannt, wer den Roman geschrieben hat. Christian Thomasius umspielt etwa in seiner Rezension diese Kenntnis mit allerlei Andeutungen, ohne frei­lich selbst den Namen Anton Ulrichs auszusprechen.37 In diesen Roman wiederum wird nun ein Text inseriert, dessen Autorin umschrieben, aber eben ganz ausdrück­lich nicht mit Namen genannt wird: Die Bezeichnung Solane dient hier zur Camouflage einer dacischen Tempeljungfrau, die innerhalb der Romanfiktion also selbst einen anderen, seinerseits ungenannten Namen tragen soll. Auf die Mög­lichkeit der Entschlüsselung wird aber natür­lich gleichwohl gesetzt. Immerhin werden sowohl Die Geschichte der Solane als auch Die Geschichte der Givritta romanintern explizit als Schlüsseltexte angekündigt. Es werden einem also Schachtelpuppen an Anonymität präsentiert und die Aufforderung mitgeliefert, diese auch wieder auszupacken. Auch auf der Ebene der Lyrik Aurora von Königsm­arcks findet sich – hat man erst einmal angefangen, die Texte auf diese Art und Weise zu lesen – ein vergleichbares Vorgehen. Beispielhaft sind hier die Stanzen auf ihren Bruder Philipp Christoph, der nach einer Affäre mit der Kurprinzessin Sophie Dorothea 36 Vgl. nochmals Kraft, wie Anm. 14, S. 341 – 344. 37 Vgl. [Thomasius, Christian:] Schertz- und Ernsthaffter Vernünfftiger und Einfältiger Gedancken/ über allerhand Lustige und nütz­liche Bücher und Fragen Erster Monath oder Januarius, Frankfurt am Main und Leipzig 1688, S. 45 f.: Ich will itzo den teutschen Hercules und Herculiscus nicht anführen […]/ viel weniger die Argenis, Ariana, Cassandra, Cleopatra und andere unzeh­liche hier zum Exempel brauchen/ sondern nur von zweyen Romanen etwas sagen/ die ein Durchlauchtigstes Haupt in Teutschland verfertiget […]. Ich meine die Aramena und Octavia. (Hervorhebung im Original)

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im Jahr 1694 ganz plötz­lich vom Hannoveraner Welfenhof verschwunden war. Zu Beginn erscheint das Gedicht der Gräfin noch recht sch­licht als ein Schäferlied in französischer Tradition, worauf besonders die Wahl des keltischen Decknamens Vildomar hinweist. Eine Schäferin ruft nach ihrem verschwundenen Schäfer und sucht ihn an allen Orten: Vildomar en vain ie t’apelle En vain je te cherche en tous lieux helas; quelle raison cruelle te fait disparaistre a nos yeux 38 […].

Mehr Topik ist kaum mög­lich. Im Laufe des Textes werden dann aber die Anspielungen auf einen sehr konkreten Hintergrund und ganz spezifische Hofkabalen immer dichter, ohne frei­lich auch hier das Ziel der Kritik konkret zu benennen: quoy dans l’enclos de ces murailles ou l’on flattoit d’un doux sort Moins seur qu’au milieu des batailles ou cent fois tu bravois la Mort 39 […].

Das Ganze wird damit doppelt lesbar. Für den Uneingeweihten bleibt es grosso modo eine topische Situation, für den Eingeweihten ist es hingegen gespickt mit Aussagen über konkrete Orte und Personen – eben über den Skandal, der sich im Jahr 1694 in Hannover ereignet hat. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Aurora von Königs­ marck ihr Gedicht vermut­lich bewusst nicht drucken lässt. Es wird hingegen in wahrschein­lich nicht sehr kleiner Zahl abgeschrieben und herumgereicht – eine Art der ‚Publikation‘, die ganz genau auf ein solches Stück Literatur passt. Überliefert sind in verschiedenen Archiven heute immerhin noch vier

38 Zitiert nach Seelbach, wie Anm. 13, S. 410. Übers. v. dems., ebd., S. 411: „Vildomar, vergeb­lich rufe ich dich, vergeb­lich suche ich dich an allen Orten. Ach, welcher grausame Anlaß hat dich unseren Augen entzogen?“ 39 Zitiert nach ebd. Übers. v. dems., ebd., S. 411: „Was? In der Einfriedung dieser Mauern, wo man dir mit angenehmem Glück schmeichelte, wo die Gefahr größer ist als inmitten von Schlachten, in denen du dem Tod hundertmal die Stirn geboten hast“.

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Versionen.40 Von vielen gedruckten Büchern der Zeit sind auch nicht mehr Exemplare erhalten. Dass vergleichbare Spiele um Wissen und Nichtwissen letzt­lich auch all den zahlreichen scherzhaften Gelegenheitsversen zugrunde liegen, liegt auf der Hand, wobei die Mauern je nach Situation unterschied­lich hoch gezogen sind. Das immer wieder zitierte Gedicht auf Karl XII. von Schweden, das nach einer langen Lobeskette auch eine kleine Spitze gegen den berüchtigten ‚Weiberfeind‘ loslässt, der es im Winter 1701/02 ängst­lich vermieden hat, der Sirene Aurora von Königs­marck überhaupt nur zu begegnen, ist natür­lich längst nicht so exklusiv.41 Das, was Aurora von Königs­marck macht, ist geradezu prototypisch für eine vollendete Kommunikation in der galanten Zeit. Dabei geht es nicht nur um die behandelten Themen und die verwendeten Formen. Auch schon die wie zufällig und höchst diskontinuier­lich wirkende Art der Publikation selbst ist Teil dieser galanten Strategie. Die Gräfin schafft kein in sich geschlossenes Werk, sondern interveniert vielmehr an dieser oder jener Stelle. Hier ist nun der Punkt erreicht, an dem die eigent­liche Besonderheit dieser Autorin sichtbar wird. Sie besteht vor allem darin, dass man – besonders im Fall einer deutschen Frau – so etwas an kaum einer anderen Stelle in derselben Dichte und Vielfalt beobachten kann. Und das ist durchaus entscheidend. Nach dem Kunstkonzept etwa eines Gottfried Benn wäre es letzt­lich völlig ausreichend, die vier oder fünf wirk­lich gelungenen Gedichte eines Künstlers zu kennen, wobei dieses Gelungensein immer auch impliziert, dass die Texte Autonomie gewinnen und ganz für sich stehen können. Der galante Text hingegen steht ganz ausdrück­lich nicht für sich, zugleich aber auch nicht mehr zwangsläufig unter einer dominanten, eindeutig formulierbaren Moral, die vermittelt werden soll. In den Mittelpunkt rücken stattdessen höchst vielfältige dialogische Bezüge. Und je weiter sich ein solches dialogisches Netz rekonstruieren lässt, desto interessanter und signifikanter wird es auch. Im Falle Frankreichs, wo sich derartige Bezüge in einer auf Paris zentrierten Hofkultur und einem Salonwesen etwa um die Mademoiselle de Scudéry herum manifestieren, hat man es erst einmal viel leichter, so etwas dingfest zu 40 Vgl. Seelbach, wie Anm. 13, S. 406 – 408. 41 Einige Verse daraus zitiert auch schon Voltaire in seiner „Histoire de Charles XII“, hg. v. Gunnar von Proschwitz, Oxford 1996 (= Les œuvres complètes de Voltaire 4), S. 240 f. Vollständig in einer deutschen Übersetzung dann in: Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königs­marck und der Königs­marck’schen Familie, Bd. II, Leipzig 1836, S. 95 f.

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machen und ist in der Erforschung dieses Phänomens folg­lich auch viel weiter vorangeschritten.42 Im Fall Deutschlands, wo sich die galante Kultur notwendig viel zerstreuter präsentiert, ist eine Figur, die in so vielen Kontexten präsent ist und mit so vielen Berühmtheiten ihrer Zeit in Kontakt steht, hingegen ein echter Glücksfall. Um dies mit Zahlen zu untermauern, soll hier nur auf die in der Personalbibliographie zusammengetragenen 17 zeitgenössischen Gedichte auf Aurora von Königs­marck und vier weiteren Prosawidmungen verwiesen werden, die unter anderem auf so bekannte Personen wie Sophie Elisabeth ­Brenner, Barthold Hinrich Brockes, Reinard Keiser, Johann Mattheson und nicht zuletzt auf niemand geringeren als Gottfried Wilhelm Leibniz zurückgehen. Darüber hinaus kann man am Fall der Gräfin aber auch ganz wunderbar sehen, was nun speziell Literatur in diesem galanten Kontext ausmacht. Dazu soll hier nochmals von der bereits skizzierten Festbeschreibung ausgegangen werden. Man kann von hier aus zwei Richtungen einschlagen. Die erste führt in die Textwelt von Aurora von Königs­marck hinein. Hier fällt näm­lich bald auf, dass man Elemente dieses Spiels auch schon zuvor findet – näm­lich in ihren Briefen. Dass diese gelegent­lich durchaus einen literarischen Anstrich haben, ist bereits früh aufgefallen: Friedrich Cramer zitiert in seinen „Denkwürdigkeiten“, der ersten wirk­lich quellenbasierten Studie zur Gräfin aus dem Jahr 1836, nur recht wenige ihrer Briefe selbst. Im Volltext präsentiert wird aber ausgerechnet eine kleine Serie von Schreiben, die sie an gleich mehrere Damen (also wiederum: eine exklusive und gleichwohl multiple Empfängerschaft) im Jahr 1698 aus dem böhmischen Kurbad Töplitz (heute Teplice) geschickt hat.43 Die schwedische Edition von 1867 bringt neben den Gedichten vor allem die Briefe, die die Unterhaltungen und Vergnügungen im schwedischen Kurort 42 Vgl. grundlegend zu der von Frauen dominierten französischen Salonkultur, die hier zum Vorbild diente, ohne dass frei­lich in Deutschland die Grundlagen für eine vergleichbare Struktur gegeben wären, Baader, Renate: Dames de Lettres. Autorinnen des preziösen, hocharistokratischen und „modernen“ Salons (1649 – 1698): Mlle de Scudéry – Mlle de Montpensier – Mme d’Aulnoy, Stuttgart 1987. Einen Vergleich der französischen Galanteriebewegung und ihrer deutschen Adaption bietet Steigerwald, Jörn: Galanterie. Die Fabrikation einer natür­lichen Ethik der höfischen Gesellschaft, Heidelberg 2011. Aurora von Königs­marck nimmt als adelige Frau innerhalb der von Steigerwald nachgezeichneten Verschiebung vom Adel zum Bürgertum und von einer weib­lichen hin zu einer männ­lichen Akzentuierung, die sich bei der Übertragung des Konzepts von Frankreich nach Deutschland vollzog, sicher­lich eine Sonderstellung ein. Letzt­lich befindet sie sich noch deut­lich näher am französischen Grundmodell als etwa Christian Thomasius und Christian Friedrich Hunold. 43 In: Cramer, wie Anm. 41, Bd. I, Leipzig 1836, S. 172 – 177.

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Medevi am Vättersee des Jahres 1682 beschreiben.44 Und Paul Burg schließ­ lich publiziert in seiner Biographie von 1918 Briefe, die die Gräfin der schwedischen Königin Ulrike Eleonore über den Karneval in Hannover im Jahr 1693 zuschickte.45 In den beiden letzten Fällen sind auch jeweils wiederum Gedichte inseriert, die im Rahmen dieser adeligen Vergnügungen und Feste vorgetragen worden sind und die wiederum einen ähn­lichen Anspielungsraum eröffnen wie zuvor bereits die Verkleidungsspiele von Solane und Orondates. Deut­lich wird hier eine Übergäng­lichkeit von literarischer und nichtliterarischer Form.46 Der Schritt ist offenbar sehr klein: Reale Geschehnisse werden literarisiert, und literarische Formen können immer dazu genutzt werden, eine ‚Flaschenpost‘ auf den Weg zu schicken, die in der wirk­lichen Welt ihren Dienst tun soll. Der zweite Weg, der von der Festbeschreibung der Gräfin aus eingeschlagen werden soll, führt eher ins Allgemeine. Festbeschreibungen als solche stellen durchaus ein geläufiges Genre des 17. Jahrhunderts dar.47 Was die hier vorliegenden interessant macht, ist allerdings die individuelle Aufladung und Perspektivierung. In klassischen, offiziellen Festbeschreibungen dominiert die Zentralperspektive. Ein Fest wird auf einen bestimmten Blickpunkt hin ausgerichtet und soll dort seine maximale Wirkung entfalten. Und aus dieser Perspektive heraus wird es dann gewöhn­lich auch wieder verschrift­licht. Hier hingegen geht es vor allem um ein einzelnes erlebendes Ich innerhalb des Festgeschehens. Eine solche Perspektivierung ist nicht nur kasual auf den Anlass bezogen, sondern zieht auch situativ den individuellen, dezentralen Standpunkt des jeweiligen Betrachters, der eben nicht zwangsläufig der vorgesehene und vermeint­lich ideale sein muss, in Betracht.48 Es geht nicht um den Karneval in

44 Vgl. Königs­marck, wie Anm. 5, S. 116 – 129. Dt. Übersetzung in: Mörner, wie Anm. 33, S.  87 – 107. 45 In: Burg, wie Anm. 20, S. 48 – 58. 46 Vgl. dazu auch bereits Kraft, Stephan: Literarisiertes Leben und gelebte Literatur – Interferenzen von Autobiographie, Briefkultur und galantem Roman um 1700, in: Elit/ Kraft/Rutz, wie Anm. 14. 47 Vgl. als Klassiker immer noch Alewyn, Richard: Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste, Nachdr. der 2., erw. Aufl., München 1989. Die neuere Forschung zu diesem Thema ist äußerst vielgestaltig und umfangreich. 48 Vgl. zu dieser Tendenz, nach der die forcierte Systematisierung um 1700 an Anziehungskraft verliert und stattdessen situative Reaktionen an Bedeutung gewinnen, ganz allgemein Niefanger, Dirk: Konzepte, Verfahren und Medien kultureller Orientierung um 1700, in: Heudecker, Sylvia/Niefanger, Dirk/ Wesche, Jörg (Hg.): Kulturelle Orientierung um 1700. Traditionen, Programme, konzeptionelle Vielfalt, Tübingen

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Dresden und um seine Pracht im Allgemeinen. Vielmehr werden die konkreten Bewegungen einer Einzelperson innerhalb des Gesamtgeschehens fokussiert. Hier ist vielleicht eine kleine Warnung fällig: Es findet sich immer noch gelegent­lich der Hinweis, in der galanten Literatur und so auch bei Aurora von Königs­marck würde der Ton gegenüber einer auf offizielle Repräsentation hin ausgerichteten höfischen Barockkultur und -literatur insgesamt persön­ licher. Tatsäch­lich schliff sich der Hang zum Gelehrt-Oratorischen um 1700 herum ab. Ein permanentes Ausstellen von Wissensbeständen, verbunden mit einem Streben nach Allgemeingültigkeit, wurde zunehmend als pedantisch und ungalant empfunden. Darüber hinaus hängt der in gewissem Maße individualisierte Ton, wie er in den Selbstthematisierungen Aurora von Königs­marcks unzweifelhaft zu beobachten ist, aber vor allem mit bestimmten Kommunikations- und Sozialisationsformen zusammen, die typisch sind für eine Adelsgesellschaft des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts: Es handelt sich um eine halb offene, halb geschlossene Gruppe, in der zumindest potentiell jeder jeden kennt und Botschaften zukommen lassen kann – und das auf allen denkbaren Kanälen: mit der Form der Feste, die man gibt, mit der Kleidung, die man trägt, mit den Fächern, die man bewegt – und schließ­lich eben auch mit Texten, die man einander mög­lichst zielgenau zusteckt und die im Glücksfall, wie es bei Aurora von Königs­marck der Fall ist, all diese Dinge wiederum in sich reproduzieren und reflektieren … Und das Ergebnis kann dann selbst nochmals in diesen Kreislauf eintreten. Mit der das Individuelle ganz anders betonenden ‚Erlebnisdichtung‘ des späten 18. Jahrhunderts hat das eigent­lich gar nichts zu tun. Und man tut dem, was hier geschieht, auch durchaus Unrecht, wenn man es als ein noch defizitäres Vorspiel dieses ganz anderen Modus betrachtet. Das, was man hier beobachten kann, ist also nicht ein unvollkommener Vorbote einer anderen, sondern viel eher ein sehr prononcierter Ausdruck einer sehr besonderen eigenen Zeit. Und Aurora von Königs­marck ist bereits in dieser Zeit selbst als deren einmalige Verkörperung gefeiert worden. Die Präsenz gerade von Frauen, die in diesem Kontext oft viel freier und eigenständiger als in traditionell-bürger­lichen Umfeldern handeln konnten, zeigt mehr als eindrucksvoll Christian Lehms’ rund 600 Seiten umfassendes Kompendium „Deutschlands galante Poetinnen“ aus dem Jahr 1715.49 2004, S. 9 – 30. Vgl. zur Frage nach dem Situativen, das das Kasuale und das Decorum überlagert, auch nochmals Rose, wie Anm. 35, S. 26 – 28. 49 Vgl. Lehms, Georg Christian: Deutschlands galante Poetinnen, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt am Main 1715, hg. v. Winfried von Borell, Darmstadt 1966.

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Und auch hier ist sie bereits unbestritten die Nummer eins. Lehms’ Band ist Aurora von Königs­marck gewidmet und wird mit einem Porträt von ihr eingeleitet. Doch Vorsicht: Wenn es bei ihm heißt: Denn selbst Apollens Kunst wird hier ein Schatten heissen – dann meint er nicht etwa die Gedichte der Gräfin, die alles bislang dagewesene in der Literatur überstrahlten. Nein, was hier tatsäch­lich unsagbar und unerreichbar sein soll, ist Aurora von Königs­ marck selbst als eine Art Gesamtkunstwerk, vor dem sämt­liche, summierende Darstellungskunst versage: Aurorens Ebenbild mit Farben abzureissen/ Und ihres hohen Geists vollkommnen Sonnenschein Recht abgemahlt zu sehn/ kann nicht wohl mög­lich seyn/ 50 Denn selbst Apollens Kunst wird hier ein Schatten heissen.

Auch dies ist natür­lich erst einmal ein weiterer Schachzug in einem galanten Spiel der Huldigung. Allerdings kann man der Aussage Lehms’ angesichts der Wirkung, die diese Frau über mehrere Jahrhunderte hinweg entfaltet hat, gleichwohl kaum eine gewisse Berechtigung in der Sache selbst absprechen.

50 Ebd., unpag.

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„Wer euch mein Fräulein kent“ 1 – Maria Aurora Königs­marck auf dem schwedischen Parnass „Maria Aurora Königs­marck auf dem schwedischen Parnass“: So wurde mit gewissem Zögern der Untertitel dieses Beitrags formuliert. Die Bedenken hingen mit der Frage zusammen, ob es in der schwedischen Literatur während der 1680er Jahre, als Maria Aurora von Königs­marck in Stockholm lebte, weitere bedeutende Autoren gab. „Hon ägde ingen jämlike på den dåtida torftiga svenska parnassen“, wurde auch festgestellt.2 Es ist mög­lich, dass sie ziem­lich allein war auf dem literarischen und kulturellen ‚Parnass‘ unseres Landes. Mög­lich ist auch, dass in der Forschung sowohl auf der einen Seite die Gelegenheitspoeten, die im Verständnis ihrer Zeit durchaus ‚gute Literatur‘ verfassten, als auch auf der anderen Seite die schreibenden Frauen der Zeit zu wenig berücksichtigt wurden. Darüber hinaus könnten in der Forschung weitere Aspekte des Kulturlebens, denen Maria Aurora von Königs­marck in ihren Stockholmer Jahren begegnete, ignoriert worden sein. Dies gilt es zu prüfen. Abschließend soll festgestellt werden, welche Bedeutung ihre spirituelle und besungene Schönheit im Stockholm der 1680er Jahre hatte.

Maria Aurora Königs­marck in Stockholm Maria Christina Wrangel, die Witwe Conrad Christoff Königs­marcks, zog mit ihrer 18jährigen Tochter Maria Aurora und deren ein Jahr jüngeren Schwester Amalia Wilhelmina im Jahr 1680 nach Stockholm, vermut­lich, um die finanzielle Lage der Familie zu sichern. Im Jahr 1692, wenige Monate nach dem Tod ihrer Mutter, kehrten Maria Aurora und ihre Schwester, die seit 1689 mit dem schwedischen Grafen Carl Gustaf Lewenhaupt verheiratet war, zurück nach

1 Aus einer Aufwartung in Versform zum Namenstag am 22. Juli 1687, geschrieben von Sophia Elisabet Brenner (Näheres vgl. unten S. 82 und Anm. 17). 2 Grauers, Sven: Maria Aurora von Königs­marck 1662 – 1728, in: Karolinska Förbundets årsbok 1977, S. 10 – 33, hier S. 33 („Sie besaß keinen Ebenbürtigen auf dem damaligen dürftigen schwedischen Parnass“).

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Stade und Hamburg. Maria Aurora Königs­marck hielt sich also zwölf Jahre in der schwedischen Hauptstadt auf. Die Familie wohnte zunächst im Wrangelschen Palais, zu jener Zeit Stockholms größter Privatpalast, gebaut für Maria Christina Wrangels Bruder, den mächtigen Feldherrn Carl Gustaf Wrangel. Nach dem Brand des Schlosses Tre Kronor 1697 sollte er für ein halbes Jahrhundert könig­licher Palast werden (Abb. 33). Nach einem zähen Prozess um Schulden und Forderungen erwarb Maria Christina 1686 das statt­liche Haus mit Doppelportal an der Munkbro am Rande der Altstadt (Gamla stan). Nach dem Tod der Mutter verkaufte Maria Aurora es an einen der reichsten Kaufleute Stockholms, Olof Hansson Törne, der es sogleich seinem Schwiegersohn Carl Piper überließ. Während einiger Jahre des späten 20. Jahrhunderts beherbergte das Haus ein renommiertes Restaurant namens „Källaren Aurora“. Eine strahlende Sonne als Fahnenschild an der Ecke zur Lilla Nygatan erinnerte an die gefeierte Schönheit, die einst Glanz über das aristokratische Gesellschaftsleben der Stadt verbreitet hatte (Abb. 32). Die Zeitspanne, die Maria Aurora Königs­marck in Stockholm verbrachte, überschneidet sich weitgehend mit jenen Jahren, die Ulrika Eleonora als Königin des Landes erlebte. Die dänische Prinzessin wurde am 5. Mai 1680 mit König Karl XI. verheiratet – um den Frieden zwischen Dänemark und Schweden zu festigen – und am 25. November desselben Jahres in der Storkyrkan in Stockholm gekrönt. Nach vielen Wochenbetten und zunehmender Kränk­lichkeit starb sie im Juli 1693 im Schloss Karlberg, der Sommerresidenz der könig­lichen Familie. Im Kreis um die literarisch und künstlerisch interessierte Königin befanden sich die Schwestern Königs­marck sowie ihre Cousinen Ebba Maria und Johanna Eleonora De la Gardie, alle im Großen und Ganzen gleichaltrig. Zu diesem Kreis gehörte auch die zwanzig Jahre ältere Hofmeisterin Märta Berendes, auf die ich später zurückkomme. In diese beiden letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts fiel die erste längere Friedensperiode dieses ansonsten unruhigen Jahrhunderts. Stockholm war Hauptstadt einer Großmacht, ein politisches Zentrum mit einer Bevölkerung, die sich während des Jahrhunderts vervielfachte; eine moderne Stadt mit einem gradlinigen Straßennetz, mit neuen Palästen für Adlige und besitzende Bürger. Diese Stadt hatte geschickte Handwerker aus unterschied­lichen Bereichen angezogen, Architekten, Künstler und Karrieremänner. Das Gewerbe florierte, und eine Vielzahl Druckereien hatte sich etabliert, auch, um den Bedarf an Information und Propaganda der könig­lichen Kanzlei zu bedienen. Wie stand es mit dem Kulturleben der Stadt zu dieser Zeit, von dem die neu Hinzugezogenen aus Stade ein Teil wurden? War der schwedische Parnass

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„dürftig“ oder waren die 1680er Jahre ein kulturell reiches Jahrzehnt? Einen Einblick in das kulturelle Leben erhält man, wenn man die tätigen Autoren, das Theaterleben und die Buchproduktion der Druckereien betrachtet.

Die schwedischen Dichter der 1680er Jahre Im Hinblick auf die tätigen belletristischen Autoren könnte man das kulturelle Leben der 1680er Jahre als Zwischenperiode auffassen. Eine literarische Blütezeit mit den in Schweden bedeutenden Schriftstellern wie Georg Stiernhielm, Lars Wivallius, Lasse Lucidor und den Brüdern Columbus war vorbei, neue Dichter waren im Anzug. Einer von ihnen, der junge Israel Holmström, kam nach einem längeren Auslandsaufenthalt in der Mitte des Jahrzehnts nach Schweden zurück, um 1686 mit einem statt­lichen Grabgedicht über Magnus Gabriel De la Gardie zu debütieren. Der Nachwelt ist er insbesondere wegen seines witzigen Grabgedichts über den Hund Karls XII., Pompe, erhalten geblieben. Von zentraler Bedeutung waren zwei literarische Ereignisse: Im Jahr 1684 kam Olof Wexionius’ Sammlung Sinne-Afwel heraus, die Huldigungsgedichte, Epigramme und das lange Reflexionsgedicht Melancholie beinhaltete, und im Jahr darauf ließ Haquin Spegel sein großes und gelehrtes Epos über die sechs Schöpfungstage Gudz Werk och Hwila („Gottes Werk und Ruhen“) drucken, Schwedens Beitrag zur großen Hexaëmerontradition. Weiterhin ist die große Gruppe der Gelegenheitspoeten zu berücksichtigen. Wir begegnen einigen von ihnen im Zusammenhang mit der berühmten Aufführung von Racines Drama Iphigénie im Wrangelschen Palast im Januar 1684. Aurora Königs­marck und der Kreis um sie herum, allesamt Frauen, spielten die Rollen des Dramas. Sie spielten ebenfalls die verschiedenen Rollen in einem eigens für diese Gelegenheit neu geschriebenen Prolog. Drama wie Prolog waren in französischer Sprache verfasst.3 Nach französischem Muster hatte man Racines klassisches Drama in ein Comédie-ballet mit sehr viel Raum für Gesang, Musik und Tanzszenen umgewandelt. Aurora Königs­marck spielte in dem Drama die Clytemnestra und die Ehre, die im Prolog dem König, Karl XI., für seine Heldentaten sowie seinen Einsatz für den Frieden huldigt. Sie führte ebenfalls die elf Amazonen an, die ‚le grand ballet‘ zu Ehren der Königin Ulrika

3 Der Prolog wurde unter dem Titel Prologue. Le theatre représente le palais de l’histoire gedruckt (Kungliga biblioteket, Stockholm).

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Eleonora tanzten.4 Es ist offensicht­lich, dass Aurora Königs­marck die treibende Kraft hinter der Vorstellung war und wahrschein­lich, dass sie sowohl als Regisseurin wie auch als Textschreiberin von Prolog und Ballett agiert hat. Die Vorstellung Anfang Januar sowie die Wiederholung später im Frühjahr, dieses Mal im könig­lichen Schloss, wurden mit Huldigungen in gebundener Form beachtet. Diese waren meist direkt an Maria Aurora Königs­marck gerichtet. „Knappast någon tilldragelse i 1600-talets Sverige vid sidan av kungliga bröllop, kröningar och dödsfall har lockat så många poeter att stränga sin lyra“, schreibt Bernt Olsson in seiner Analyse der Vorstellung.5 Wir kennen vier dieser Poeten: Erik Lindschöld, Karl Gripenhielm, Christoffer Leijoncrona und Sophia Elisabet Brenner. Überliefert sind zehn lange Gedichte, die bemerkenswerterweise alle auf Schwedisch verfasst sind.6 Auf Sophia Elisabet Brenner komme ich später zurück. Die drei Männer sind jeweils für drei Gedichte verantwort­lich, die als Druck oder Handschrift überliefert sind. Erik Lindschöld war zu jener Zeit der wichtigste innenpolitische Ratgeber des Königs mit einem immer größer werdenden Einfluss.7 Er hatte, beeinflusst durch seinen Besuch im Frankreich Ludwigs XIV., eine große Vorliebe für französische Kultur und schätzte sicher­lich die Aufführung des Dramas Iphigénie. Sein poetisches Talent war besonders ausgeprägt. Im „Svenskt Biografiskt Lexikon“ wird seine große Bedeutung für die schwedische Literatur betont, hervorgehoben wird sowohl seine Rolle als Mäzen als

4 Die Vorstellung ist eingehend behandelt worden, insbesondere von Johannesson, Kurt, in: I Polstjärnans tecken (Diss.), Uppsala 1968, S. 145 – 146; Olsson, Bernt: Aurora Königs­marck och 1600-talets feminism, in: Karolinska Förbundets årsbok 1978, S. 7 – 23; Woods, Jean M.: Useful verse by Aurora von Königs­marck, in: Andersson, Bo/Schade, Richard E. (Hg.): Cultura Baltica. Literary Culture around the Baltic 1600 – 1700, Uppsala 1996, S. 71 – 77. Olsson interpretiert die Vorstellung als eine feministische Demonstration, und Woods legt das Gewicht auf das Umwerben der könig­lichen Hoheiten als eine flehent­liche Bitte um Erbarmen in dieser Zeit der Reduktion. 5 Olsson, wie Anm. 4, S. 15. („Kaum ein Ereignis im Schweden des 17. Jahrhunderts, abgesehen von könig­lichen Hochzeiten, Krönungen und Todesfällen, hat so viele Poeten gelockt, ihre ‚lyra‘ anzustrengen“). 6 Zur Wahl der Sprachen vgl. den Beitrag von Andersson, Bo, in diesem Band ab Seite 91. 7 Lindschölds poetische Produktion ist herausgegeben von Hanselli, Per: Samlade vitterhetsarbeten av svenska författare från Stiernhjelm till Dalin 4, Up[p]sala 1866. Hierzu gehören die drei Gedichte Auroræ beröm och Iphigenies offer, Dhe swänska amazoners wälförtiänta loff und Til den omilda vthtydaren.

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auch sein schriftstellerisches Werk auf Latein und auf Schwedisch.8 In diesem Zusammenhang sind seine Besuche bei den Geburtstagen Karls XI. zu nennen. Im Jahr 1669 wurde dieses Ereignis im Schloss Tre Kronor mit dem Ballett Den stora Genius gefeiert. Lindschöld hatte den Text geschrieben, und eine Reihe adliger Mädchen wirkte im Schlussballett mit, was sozusagen auf die Vorstellung 1684 vorausweist.9 Karl Gripenhielm war neu ernannter und tatkräftiger Direktor des Landesvermessungsamtes, und Christoffer Leijoncrona, der sich in diesen Jahren als guter Poet einen Namen machte, sollte einige Jahre später wichtige Taten als Diplomat in den Beziehungen Schwedens zu England vollbringen.10 Alle drei repräsentieren einen bestimmten Typus der Gelegenheitspoetik: Sie waren Männer im Staat oder wollten es werden, die Pflege der eigenen Karriere hatte einen besonderen Stellenwert, und sie nutzten ihre gute – und wohl erlernte – Fähigkeit, um ihre Positionen in der Nähe der Macht zu festigen.

Theater und Schauspieler Die vielen durch Kriege bestimmten Jahrzehnte haben vermut­lich hemmend auf das Theaterleben in der Hauptstadt gewirkt. Mit dem Frieden von 1679 kamen jedoch aufs Neue ausländische Theatertruppen nach Stockholm, und man weiß, dass holländische und deutsche Schauspieler in den 1680er Jahren öffent­liche Vorstellungen gaben.11 Ein Kommentar Erik Lindschölds über diese umherziehenden Truppen enthüllt eine gewisse herablassende Attitüde. In einem seiner Gedichte 1684 stellt er die Schauspieler, die gegen Bezahlung spielen, denen gegenüber, die die Versammelten im Wrangelschen Palast erfreuten: Diese seien kein legbart Folck, solche, die man mietet, sondern Gudars Ätt, Gottes

8 Jägerskiöld, Stig: Erik Lindschöld, in: Svenskt Biografiskt Lexikon 23, S. 588 – 595. 9 Kjellberg, Erik: Baletten, in: Christensson, Jakob (Hg.): Signums svenska kulturhistoria. Stormaktstiden, Lund 2005, S. 531 – 561, hier S. 558. 10 Über diese beiden siehe Gustafsson, Bengt Y.: Karl Gripenhielm, und Olsson, Bernt: Christoffer Leijoncrona, in: Svenskt Biografiskt Lexikon 17, S. 317 – 318 bzw. 22, S. 461 – 462. Gripenhielms und Leijoncronas Gedichte befinden sich in einer Handschrift in der Uppsala universitetsbibliotek (Palmsk. 389 bzw. 393). 11 Über die Theatertätigkeit in Stockholm während der Regierungszeit Karls XI . siehe Dahlberg, Gunilla: Komediantteatern in 1600-talets Stockholm, Västervik 1992, S.  187 – 251.

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Geschlecht, vom Himmel gesandt.12 Aber auch diese gastierenden Theatergesellschaften trugen zum Kulturleben der Stadt bei. Im Jahr 1686 ließ sich eine solche schwedische Theatertruppe aus Uppsala, „Dän Swänska Theatren“, im Theater „Lejonkulan“ nieder, wo sie sowohl für die Aristokratie als auch für die Bürgerschaft der Stadt spielte. Diese Theatertruppe setzte ihre Tätigkeit in Stockholm bis 1691 fort.13 Man kann also eine gewisse Expansion des Theaterlebens bemerken, und man pflegte die Theaterformen weiter, die sich in der Zeit Königin Kristinas bis 1654 entwickelt hatten.

Das Jahrzehnt der Belletristik Folgt man der Ansicht, dass die 1680er Jahre eine kulturelle Zwischenperiode waren, so gilt dies also nicht für das Theaterleben und auch nicht für Buch­ erscheinungen. Eine Sichtung des Libris-Katalogs für die drei letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts beweist näm­lich, dass die 1680er Jahre ein Jahrzehnt wichtiger belletristischer Ausgaben waren.14 Werke, die einen zentralen Platz in der schwedischen Literaturgeschichte einnehmen, kamen heraus, einige zum ersten Mal, andere als Wiederauflagen. Zwei sind bereits genannt worden, näm­lich Wexionius’ Sinne-Afwel und Spegels Gudz Werk och Hwila. In den 1650er Jahren hatte der auch für die Nachwelt unbekannte Skogekär ­Bergbo schöne Liebessonette und Lieder geschrieben, die erst jetzt gewürdigt und

12 Erik Lindschöld, aus Dhe swänska amazoners wälförtiänta loff: Jntet som legbart [das Verb lega=hyra, leja (dt. mieten)] Folck eller Comœdianter, Uthan som Gudars Ätt och Himmelska Gesanter; Som komma til at hugna den kalla Norlands Redd J hwilken aldrig förr/ slijk FrögdeFest är sedd. 13 Dahlberg, Gunilla: Dän Swänska Theatren. Studier kring vår första fasta teatertrupp, dess scen och repertoar (Diss.), Göteborg 1976, S. 59, S. 69. 14 Ich gehe hier nicht näher auf die Literatur ein, die im Hinblick auf den Bedarf für Andachten und Gottesdienste, für den Unterricht und für die patriotische Propaganda auf den Spuren des Göthizismus entstand und gedruckt wurde, beispielsweise die isländischen Sagas in Bearbeitung auf Schwedisch. Die Andachtsliteratur war das große Verlagsprodukt der Zeit, und viele der beliebtesten Werke des 17. Jahrhunderts fanden jetzt, auch in Neuauflagen, einen großen Leserkreis. Es wurde viel übersetzt, besonders aus dem Deutschen, aber auch deutschsprachige Literatur wurde in Stockholm auf Rechnung der deutschen Versammlung gedruckt. Für den Unterricht an der Universität und in den Gymnasien wurde das Werk klassischer Autoren auf Latein oder in Übersetzung zugäng­lich. Dies geht selbstverständ­lich auch in das Bild des Kulturlebens jener Zeit ein.

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gedruckt wurden: die Sonettsammlung Wenerid 1680 und Fyratio små wijsor till swänska språketz öfningh 1682. Die Bibelepik wurde mit Johan Lillienstedts Den korszfeste Christus 1686 weitergeführt; sie sollte später mit Betrachtungen in Versform über den neugeborenen Jesus und den auferstandenen Erlöser vervollständigt werden. Samuel Columbus’ Bibliske Werld, sampt andre hans poetiske skrifter wurde 1687 neu herausgegeben.15 Im folgenden Jahr, also 1688, wurde Lars Johansson Lucidors Sammlung Helicons Blomster gedruckt, vierzehn Jahre nach dem Tod des Dichters; ein langes Gratulationsgedicht von Olof Wexionius leitet die Sammlung ein, die Erik Lindschöld gewidmet ist. Im selben Jahr konnte man wieder Georg Stiernhielms wichtige Gedichtsammlung mit dem programmatischen Titel Musæ suethizantes. Thet är sånggudinnor, nu först lärande dichta och spela pa swenska erwerben, das zwanzig Jahre zuvor erstmals gedruckt worden war. Während des Jahrzehnts kam sogar Stiernhielms großes Hexametergedicht Hercules erneut heraus. Unter den zahlreichen welt­lichen und geist­lichen Liedern erschienen 1685 Lucidors Lucida intervalla mit drei Liedern wie auch mehrere Drucke mit Liedern des gut ein Jahrzehnt vorher verstorbenen Poeten und Abenteurers Lars Wivallius. Letzterer war am produktivsten, während er eine Gefängnisstrafe verbüßte. Die 1680er Jahre waren also ein literarisch wichtigeres Jahrzehnt als es die Anzahl der damals tätigen Dichter vermuten ließe. Dabei ist zu beachten, dass die Literatur, die in Gebrauch war, nicht nur die neu herausgegebene war. Bücher hatten damals eine erheb­lich längere Wirkung. Beachtet werden sollte auch, dass Schwedens Literatur jener Zeit nicht ausschließ­lich schwedischsprachig war; man schrieb nicht zuletzt auf Latein, der Sprache der gelehrten Welt und der Diplomatie, und auf Deutsch. Aber hier geht es vorzugsweise um Literatur in schwedischer Sprache, welche in vielen Fällen ein deut­liches sprachpatrio­ tisches Ziel hatte: Die Gesangsgöttinnen sollten auf Schwedisch dichta och spela. Zur Kulturpolitik der schwedischen Großmacht gehörte die Errichtung einer nationalen Identität, und das betraf auch die Sprache. Es wurde bereits erwähnt, dass es bemerkenswert ist, dass alle zehn Gratulationsgedichte zur Aufführung des Dramas Iphigénie 1684 auf Schwedisch geschrieben wurden. Davon ausgehend, dass die Wahl der Sprache der Gelegenheitsgedichte zu der Zeit nicht zufällig war, sondern mit der sprach­lichen 15 Die Neuausgabe von Columbus’ Werk 1687 umfasst das, was vermeint­lich die einzigen größeren literarischen Ausgaben in den 1670er Jahren waren, näm­lich Den Bibliske Werlden (1674), Odæ Sveticæ (1674) und Rådrijk oder Anweiser zur Tugend (1676) sowie eine Anzahl von Gelegenheitsgedichten.

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Heimat des Adressaten oder dessen sozialem Status zusammenhing, wäre in diesem Fall Deutsch die natür­liche Wahl gewesen, alternativ Französisch, aber nicht Schwedisch. Die Geschwisterpaare Königs­marck und De la Gardie waren deutschsprachig, die Hofsprache war Deutsch, besonders für Königin Ulrika Eleonora, die mit dieser Sprache aufgewachsen war; es wird gesagt, dass ihre Mutter, Sofia Amalia von Lüneburg, niemals Dänisch lernte. Warum entschieden sich dann alle, bei dieser Gelegenheit auf Schwedisch zu schreiben? Die Wahl der schwedischen Sprache war sicher eine bewusste, sie richtete sich jedoch nicht gegen die deutsche Sprache. Das wäre zu jener Zeit undenkbar gewesen, denn damals empfand man die beiden Sprachen als verwandt: Tyskan ok Swenskan äre i grund alt-ett Språk […] Systrar, huars Faar ok Moor äre längst döde.16 Angesichts der staat­lich geförderten Herausgabe schwedischsprachiger Bücher, die hinter diesem großen Jahrzehnt der schwedischen Literatur zu erahnen ist, kann von einer kulturpolitisch motivierten, bewussten Wahl der schwedischen Sprache ausgegangen werden.

Sophia Elisabet Brenner und Maria Aurora Königs­marck Wer euch mein Fräulein kent. Der Haupttitel meines Beitrags ist einer Aufwartung zum Namenstag in Versform vom 22. Juli 1687 entnommen, geschrieben von Sophia Elisabet Brenner, der Frau unter den Dichtern, die drei Jahre zuvor auf die Inszenierung von Iphigénie aufmerksam gemacht hatte.17 Der Namenstag „Maria Magdalena“ wurde vermut­lich auf Schloss Karlberg gefeiert, wohin sich die Königin gerne mit Freunden und den Aufwartenden zurückzog. Hier konnte man in ruhigem Milieu verkehren, hier entspannte man mit Lustbarkeiten, Bällen und Divertissement.18 Anläss­lich des Namenstages scheint ein Ballett mit mythologisch-pastoralem Charakter und umfangreichen Gesangseinlagen

16 Columbus, Samuel: En swensk ordeskötsel, hg. mit Einleitung und Kommentar von Sylvia Boström, Stockholm 1963, S. 92. Columbus soll große Teile dieser Arbeit 1678 in Paris geschrieben haben („Das Deutsche und Schwedische sind im Grunde eine ­Sprache […] Schwestern, deren Vater und Mutter längst tot sind.“). 17 Lindgärde, Valborg (Hg.): Sophia Elisabet Brenner. Samlade skrifter. Poetiske Dikter 1713, 1. Text, Stockholm 2009, S. 200 – 201. Die Aufwartung von 1684 befindet sich in einem zeitgenössischen Einzeldruck, ging jedoch, verwunder­lich genug, nicht in die Gedichtsammlung 1713 ein, sondern erst in die posthum erschienenen Poetiske Dikter 1732, S.  23 – 25. 18 Siehe Johannesson, wie Anm. 4, S. 148 – 149.

Maria Aurora Königs­marck auf dem schwedischen Parnass

aufgeführt worden zu sein, und Aurora wurde als unsere Pallas an ihrem Marien­ tag gefeiert. In der Dübensammlung in Uppsala befindet sich auch eine Arie, die in einer feier­lichen Sarabandenmelodie beschreibt, wie Aurora, die Morgenröte, durch das Dunkel der Nacht bricht.19 Als Sophia Elisabet Brenner in einem 48 Alexandrinerzeilen umfassenden deutschen Vers Gräfin Königs­marck huldigt, vermut­lich ebenfalls zu ihrem Namenstag, gilt dies einer Person – um das Gedicht in Kürze zusammenzufassen –, bei der die Natur ihre Gaben verschwenderisch verschenkt hat, die das Dasein mit ihrem Gesang versüßt und die für ihre Pinselstriche, Kunst­ striche, von Apelles, dem bekannten Hofmaler Alexanders des Großen, hätte gehuldigt werden können. Natür­lich sucht diese Person ihresgleichen, wenn sie die Saiten auf ihrer Laute anschlägt.

Wer war Sophia Elisabet Brenner? Im selben Jahr, als Aurora Königs­marck und Ulrika Eleonora nach Stockholm kamen, 1680, heiratete Sophie Elisabet Weber Elias Brenner, Witwer mit zwei kleinen Töchtern, Altertumsforscher und Künstler. Sie war damals 21 Jahre alt, aufgewachsen in der Österlånggatan in der Stockholmer Altstadt als Tochter der Kaufmannsfamilie Weber, die der ökonomisch bedeutenden und kulturell tragenden deutschen Minderheit der Stadt angehörte. Die deutsche Sprache lernte sie zuhause und in der deutschen Schule, wo sie eine begabte und wissbegierige Schülerin war. Als sie 1684 Det höga och förnäma fruentimbret, d. h. Maria Aurora Königs­marck, huldigte, war das nicht ihr erstes literarisches Werk, aber man kann es als ihren Debütauftritt als Dichterin in der Öffent­ lichkeit ansehen. Es ist auch, soviel man weiß, das erste Mal, dass sie unter dem 19 Die Dübensammlung ist elektronisch zugäng­lich über die Uppsala universitetsbibliotek: Düben Collection Database Catalogue, http://www2.musik.uu.se/duben/­basicSearch. php. Suche auf 38:11 und 18:10 [2013 – 03 – 27]. Zur Dübensammlung vgl. auch den Beitrag von Andersson, Bo, in diesem Band ab Seite 91. – Aurora selbst verwendete die Metaphorik, die ihr zuteil wurde, in ihren Huldigungsgedichten, so z. B. in ihrer Namenstagsaufwartung an Katharina, Ehefrau des russischen Zars Peter und später Kaiserin Russlands. Das Gedicht ist gedruckt in Weichmann, C. F.: Poesie der Nieder-Sachsen, 1, Hamburg 1721, S. 221. Die ersten Verszeilen des 14-zeiligen Madrigals lauten: Wann einen hellen Stral die dunkle Nacht gebleret: Verdoppelt sich der Glanz, der durch die Wolken bricht. Also Cathrinen-Tag mit neuem Schein sich zieret, Weil er vereinigt ist mit Alexewens Licht.

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Namen ihres Mannes „Brenner“ in Erscheinung tritt (Abb. 19). Als Sophia Elisabet Brenner sollte sie während ihres fast 50jährigen aktiven Lebens als Dichterin bekannt werden, in erster Linie mit Gedichten zu unterschied­lichen Ereignissen wie Hochzeiten und Beerdigungen. Sie sollte effizient vermarktet und verstanden werden als Schwedens Antwort auf Anna Maria van Schurman und andere gelehrte Frauen auf dem Kontinent.20 Wie mehrere ihrer zeitgenössischen Verfasserkollegen schrieb sie in mehreren Sprachen, teilweise um ihr Sprachvermögen zu demonstrieren, aber auch mit Rücksicht auf den Adressaten und die Regeln für das „Decorum“. Die deutsche Sprache beherrschte sie mühelos, ungefähr 30 ihrer deutschsprachigen Gedichte, vorwiegend aus den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts, sind bis heute erhalten geblieben.21 Die Aufwartung zu Maria Auroras Namenstag 1687 ist eines von ihnen. Wir wissen nicht, wie gut sich Maria Aurora Königs­marck und Sophia ­Elisabet Brenner kannten, aber wir können über die Huldigungsgedichte 1684 und 1687 hinaus ihren Kontakt über die Jahre hinweg nachvollziehen. Als der kleine Mårten Brenner am 2. Juni 1688 getauft wurde, war die Gräfin Königs­marck Patin, und als sich ihre Zeit in Stockholm dem Ende zuneigte, wurde die kleine Maria Aurora Brenner, die 1691 zur Welt kam, nach ihr benannt. Ein interessantes Beispiel dafür, dass diese beiden begabten Frauen miteinander Umgang pflegten, ist ein Brief von Sophia Elisabet Brenner an Aurora Königs­marck, der sich in einer Abschrift erhalten hat. Die Briefschreiberin benötigt Hilfe mit dem Italienischen in dem Hochzeitsgedicht, das sie zum Anlass der Hochzeit von Amalia Wilhelmina im Wrangelschen Palast im Februar 1689 verfasst hat. Es ist, so schreibt sie, hier übersetzt aus dem Italienischen des Briefes, det första alster den (pennan) någonsin komponerat pa det italienska språket.22 Gemäß den Regeln für das „Decorum“ war Italienisch die angemessene S­ prache für eine hochadelige Hochzeit, und Sophia Elisabet Brenner musste wohl auch 20 Eine ganze Menge ist über Brenner geschrieben worden, siehe die Einleitung zu Svenska Vitterhetssamfundets Ausgabe ihrer Gedichte, wie Anm. 17, sowie Lindgärde, Valborg: Sophia Elisabet Weber, g. Brenner (1659 – 1730), in Lindgärde, Valborg/Jönsson, Arne/ Göransson, Elisabet (Hg.): Wår lärda Skalde-Fru. Sophia Elisabet Brenner och hennes tid, Lund 2011, S. 24 – 55. 21 Über Brenners deutsche Sprache, siehe Haas, Walter: Du bist nicht fremde hier. The Language of Sophia Elisabet Brenner’s German Poems, in: Wår lärda Skalde-Fru, wie Anm. 20, S. 328 – 345. Eine kommentierte Ausgabe von Brenners deutschsprachiger Dichtung ist geplant. 22 Der Brief befindet sich im Anhang von Lindgärde, Valborg (Hg.): Samlade skrifter. Poetiske Dikter 1713, 1. Kommentar, Stockholm 2013, S. 271. (Dt.: „Das erste Werk, das jemals in italienischer Sprache komponiert wurde“).

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ihre Fähigkeiten in dieser Sprache dokumentieren. Im Gegenzug, das ist meine Interpretation, bekam Maria Aurora Königs­marck Hilfe bei dem einzigen schwedischsprachigen Gedicht, das wir von ihrer Hand kennen, ein vierzeiliges Gedicht zum Gedenken an ihren Onkel Otto Wilhelm, der 1691 in Stade begraben wurde. Es wurde ohne Verfassernamen zusammen mit dem „Madrigal“, das Brenner für den jungen Carl Johan Königs­marck verfasste, gedruckt, der gleichzeitig mit seinem Onkel beerdigt wurde. Es scheint so, dass Maria Aurora trotz ihrer Sprachbegabung Schwedisch nicht als Schriftsprache beherrschte und sicher­lich diese Hilfe benötigte: Ihr müsst Euch aber eines klugen Menschen bedienen, der die Supplik in schwedischer Sprache wohl aufsetzen kann, schrieb die Schwester Amalia einige Jahre später, als die Rede von einer Eingabe bei einer schwedischen Behörde war.23 Die räum­liche Entfernung zwischen dem Köpmantorget, wo die Familie Brenner wohnte, und dem Wrangelschen Palast oder der Munkbro war recht kurz, der soziale Abstand war hingegen so groß, dass diese Zusammenarbeit der beiden Frauen durchaus bemerkenswert ist. Die beiden Frauen entstammten verschiedenen Gesellschaftsklassen und unterschied­lichen Lebensbedingungen: Sophia Elisabet Brenner war eine Kaufmannstochter, verheiratet und Kleinkindmutter – sieben Kinder wurden in den zwölf Jahren, die wir hier betrachten, geboren. Die Gräfin Königs­marck gehörte zum Hochadel, sie war eine gefeierte Schönheit am Hof, unverheiratet und umschwärmt. Im Rahmen der Konvention war es mög­lich, Geschenke auszutauschen. Sophia Elisabet Brenner erhielt bei einer Gelegenheit ein Paar Handschuhe, die von Catharina Charlotte Königs­marck, geb. De la Gardie aus Venedig kamen,24 sie selbst konnte ihre Gedichte übergeben, adressiert, wohl bemerkt, an das Fräulein, nicht an die Freundin. Ein Huldigungs­gedicht von oben herab in der Gesellschaftshierarchie war so gut wie undenkbar. Dass die aufwartende Dichterin sich bei den Namenstagsfeier­lichkeiten an einem Julitag 1687 im Schloss Karlberg unter den hochadeligen Damen befand, ist unwahrschein­lich. Hörte der Kontakt auf, als Aurora Königs­marck Stockholm verließ? Es ist wahrschein­lich, aber es gibt Hinweise, dass sie sich das eine oder andere Mal einen Gedanken haben zukommen lassen: Otto Sperling d. J. in Kopenhagen erarbeitete damals einen Katalog über gelehrte Frauen in Geschichte und Gegenwart, und er hatte von Sophia Elisabet Brenner gehört. In einem Brief 23 Brief, datiert vom 3. Oktober 1706, zitiert in: Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königs­marck, 2, Leipzig 1836, S. 101. 24 Die Angabe zu den Handschuhen, die Frau Brenner von der Gräfin Königs­marck bekam, ist in Elias Brenners Konzeptbuch überliefert, das sich im Reichsarchiv in Stockholm befindet (Genealogica 64).

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von 1696 erbittet er – natür­lich auf Latein – Beispiele gelehrter Frauen in Schweden. Mit Brenners Antwort vom 29. März 1697 beginnt ein langjähriger Briefwechsel.25 Sie berichtet, in Schweden gebe es Ebba Maria De la Gardie, bekannt für ihre geist­lichen Betrachtungen auf Deutsch und für ihr Grabgedicht auf die verstorbene Königin Ulrika Eleonora 1693.26 Natür­lich wird Maria Aurora Königs­marck genannt, berühmt für ihre außerordent­lichen Talente und ihre bezeugten Kenntnisse in vielen Sprachen. Sperling antwortet, dass er Maria Aurora sehr gut aus seiner Zeit in Hamburg kenne, wo er oft die Gelegenheit zum Besuch hatte. In sein Handbuch für gelehrte Frauen, das Gynaeceum, trug er sie als Nr. 834 ein.27 Wir wissen auch, dass man im Jahr 1728, als die Bibliothek Maria Aurora Königs­marcks verkauft wurde, für die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel einen schönen Band mit Sophia Elisabet Brenners Poetiske Dikter von 1713 erwarb.28

Märta Berendes und die fromme Literatur Märta Berendes, einst Hofjungfrau bei Königin Kristina, war jetzt eine ‚grand old lady‘ im Kreis um die junge Königin Ulrika Eleonora, die „Ecclesiola“ in der Königsburg, wie sie genannt wurde. Mit ihr nähern wir uns einer anderen Art Literatur als der, der sich Sophia Elisabet Brenner widmete. Brenner schrieb fast ausschließ­lich Gelegenheitsgedichte. Märta Berendes schrieb hingegen Gebete und Betrachtungen. Sie sammelte ihre eigenen Texte und die von ihr abgeschriebenen Texte anderer in einem prächtigen, handgeschriebenen Gebetsbuch.29 Ihren Namen nenne ich aus einem speziellen Anlass. 25 Dieser Briefwechsel befindet sich in einer textkritischen Ausgabe mit Übersetzung und Kommentar von Göransson, Elisabet: Letters of a learned lady. Sophia Elisabeth Brenner’s Correspondence, with an Edition of her Letters to and from Otto Sperling the Younger (Diss.), Lund 2006. 26 De la Gardies Gedicht ist dem Brief beigefügt. Brenner schrieb ein Sonett in Anlehnung an ihre „Geistreiche Betrachtungen“ und ein Grabgedicht zu ihrem Andenken (Lindgärde, wie Anm. 17, S. 207 bzw. 138, mit Kommentaren in Lindgärde, wie Anm. 22, S. 210 bzw. 147). 27 Göransson, wie Anm. 25, S. 146 – 157. 28 Merzbacher, Dieter: Rezension, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 38 (2011,2), S.  191 – 198. 29 Lindgärde, Valborg: „Som en ensam fogel på taket“. Om en bönbok från 1600-talet, in: Elleström, Lars/Luthersson, Peter/Mortensen, Anders (Hg.): I diktens spegel.

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Sie r­ epräsentiert die andachtsliterarische Tradition, die wir vor allem unter den Frauen des Adels im 17. Jahrhundert finden.30 Sie waren die Besitzer der Gebetsbücher, sie bezahlten die Ausgaben und gaben den Übersetzern finanzielle Unterstützung. Als aktive andachtsliterarische Konsumenten ließen die adeligen Frauen übersetzen, oft mit dem Gedanken an ihre Mitschwestern, die nur schwedische Texte lesen konnten; und nicht zuletzt formulierten sie selbst ihre Gebete und Betrachtungen. Eine Anzahl handgeschriebener Gebets­ bücher liegt in schwedischen Archiven, mit wenigen Ausnahmen im Eigentum und geschrieben von Frauen. Sie stellen eine interessante Lektüre dar, weil sie von Entstehung und Gebrauch dieser Bücher erzählen. Die adeligen Damen schrieben die Gebete und Betrachtungen, die von der jeweiligen persön­lichen Lebenssituation geprägt waren, voneinander ab. Durch Angaben in den Überschriften zu den einzelnen andachtsliterarischen Texten erhält man Einblick, wer zu wessen Gebet bzw. Gebetsbuch Zugang hatte. So ist es auch in Märta Berendes’ Gebetsbuch. Ebenso wie die Andachtsausübung war das Verfassen andachtsliterarischer Texte eine Art der Umgangsform, wie wir sie auch im Kreis um die milde Königin finden.31 Hierzu gehörte die Hofmeisterin Märta Berendes, sie befand sich unter jenen, die ihre Gedanken in Gedichte und Lieder geist­lichen Inhalts fassten, gesammelt in der Handschrift Nordischer Weyrauch.32

Zum Schluss Literaturhistoriker betonen oft die kulturelle Neuorientierung, die die bereits erwähnte Aufführung der Iphigénie im Jahr 1684 veranschau­licht. Mit der Königin­witwe Hedvig Eleonora aus dem Hause Holstein-Gottorp, E ­ hefrau Karls X., war der unter Königin Kristina wichtige französische Einfluss Nitton essäer tillägnade Bernt Olsson, Lund 1994, S. 185 – 203. Das Gebetsbuch befindet sich heute in Kopie in Lunds Universitetsbibliotek. 30 Lindgärde, Valborg: Fromhetslitteraturen under 1600-talet, in: Montgomery, Ingun: Sveriges kyrkohistoria 4. Enhetskyrkans tid, Stockholm 2002, S. 270 – 279. 31 Das andachtsliterarische Schreiben als eine soziale Aktivität im Kreis um die Königin entsprechend den Umgangsformen der galanten Welt, mit literarischem spontanen Schaffen, wird betont von Woods, Jean M.: Aurora von Königs­marck; Epitome of a „Galante Poetin“, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 17 (1988), S.  457 – 465. 32 Woods, Jean M.: Nordischer Weyrauch. The religious lyrics of Aurora von Königs­ marck and her circle, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 17,1 (1988), S. 267 – 326. – Vgl. auch den Beitrag von Andersson, Bo, in diesem Band ab Seite 91.

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abgeschwächt worden und der deutsche dominierte. Nun kamen die jungen Adelsdamen Königs­marck und De la Gardie und führten wieder einen Hauch französischen Kulturlebens ein, etwa in Form der französischen Hofdramatik, die zu jener Zeit in ganz Europa bewundert wurde und vorbildhaft war. Aurora Königs­marck konnte so ihre Kenntnisse aus dem Gesellschaftsleben der Hamburger Salons anwenden. Ein kleines Schauspiel zur allgemeinen Bewunderung wurde 1682 in dem neuen Kurort Medevi arrangiert, und zwei Jahre später wurde der Hof, wie bereits erwähnt, mit einem Comedie-ballett um Racines Drama Iphigénie umworben. Außerdem dienten könig­liche Geburtstage und Namenstage als Anlass, um Feste ähn­licher Art zu veranstalten.33 Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts kann man sehen, wie sich dieser französische Einfluss im Leben der neugeadelten Familie Brenner bemerkbar machte. Maria Aurora schreibt sich Marie Aurore und ein kleines „de“ schleicht sich vor den Familiennamen Brenner – Marie Aurore de Brenner! Im Jahr 1686 ging das Gerücht um, dass Mutter und Töchter Königs­marck die Hauptstadt verlassen würden. Catharina Wallenstedt, bekannt für ihren langjährigen Briefwechsel, allen voran mit ihrer Tochter in Haag, schrieb in jenem Jahr: När Königs­marckarna reser så lär här bli stilla.34 Sie hatte viele Male mit einer Mischung aus Schrecken und Entzücken deren freies Leben geschildert. Einmal, am 13. Februar 1686, handelt der Brief von einem Saunagang bei Gräfin Maja Wrangel mit entkleideten Damen, einer Nachmittagsmahlzeit und von fröken Marioror (Fräulein Maria Aurora). Zu Maria Christina Wrangels Begräbnis am 5. Juni 1692 wurden mindestens fünf Gedichte verfasst und als Drucke in der König­lichen Bibliothek aufbewahrt. Es sind unter anderem Maria Auroras Gedicht über die Mutter, wie in Adelskreisen üb­lich, ohne Verfassername, und Traur-Gedancken von einem Johan Widman, auch er ein Teil des schwedischen Kulturlebens der Zeit. Er schrieb Gelegenheitsgedichte während einer fünfjährigen Periode um 1690 und übersetzte Paul Flemings Klagegedichte über das unschuldigste Leiden und Tod unsers Erlösers Jesu Christi (1632) ungefähr zur selben Zeit.35 Nicht weniger 33 Johannesson, wie Anm. 4, S. 145. 34 Dt.: „Wenn die Königs­marcks abreisen, wird es still hier“. Siehe Catharina Wallenstedts brev 1672 – 1718, kommentiert und in Auswahl hg. von Christina Wijkmark, Stockholm 1995, S. 412. 35 Dieses Passionsgedicht wird behandelt in Lindgärde, Valborg: „Jesu Christi Pijnos Historia Rijmwijs betrachtad.“ Svenska passionsdikter under 1600- och 1700-talet (Diss.), Lund 1996, S. 21 – 23. Das Passionsgedicht wurde mit Johan Widman als Verfasser gedruckt, ohne Auskunft darüber, dass es eine Übersetzung war. Wir werden also

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interessant ist in diesem Zusammenhang, dass er unter denjenigen war, die am Ende der 1680er Jahre in der bereits erwähnten Theatertruppe „Dän Swänska Theatren“ mitspielten. Vielleicht war das Grabgedicht für Maria Aurora von Königs­marcks Mutter eigent­lich die Huldigung eines „Komödianten“ an die Primadonna der Hofdramatik. Und als solche war sie allein auf dem schwedischen Parnass.

wieder daran erinnert, dass der deutsche Kultureinfluss stark war – insbesondere auf dem Gebiet der Andachtsliteratur – und dass ein nament­lich genannter Verfasser in Wirk­lichkeit ledig­lich ein guter Übersetzer sein konnte.

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„Nordischer weÿrauch“ – Die religiöse Lyrik der Maria Aurora von Königs­marck

Einleitung Das Schwedische Reich des 17. Jahrhunderts war ein zeittypischer Konglomeratstaat. Es bestand aus einem Kern, den beiden Reichshälften Schweden und Finnland, sowie einer Reihe von Provinzen – teilweise mit großer sprach­licher und kultureller Diversität –, die im Prozess der großen territorialen Expansion seit den 1560er Jahren Teile des Reiches geworden waren. Es traten auch viele Menschen ausländischer Herkunft in den Dienst des dynamisch expandierenden Reiches in Nordeuropa. Aufgrund der territorialen Erweiterung und der umfassenden Immigration wurden mehr als 20 verschiedene Sprachen im Schwedischen Reich des 17. Jahrhunderts gesprochen; diese sprach­liche Situation scheint allerdings keine größeren Konflikte verursacht zu haben.1 Dies hängt mit der grundlegenden Vorstellung dieser Zeit zusammen, dass es andere Faktoren als eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Kultur gibt, die für den Zusammenhalt einer politischen Gemeinschaft grundlegend sind. Das Fundament des Staates war Einheit in der Religion – nur eine Konfession konnte erlaubt sein – und politische Loyalität dem Fürsten und seiner Dynastie gegenüber. Nordischer weÿrauch, Aurora von Königs­marcks Sammlung religiöser Lyrik, ist vor dem Hintergrund der politischen, sprach­lichen und theologischen Voraussetzungen ihrer Entstehungszeit zu betrachten. Zu berücksichtigen sind auch wichtige genderhistorische, poetische, musikalische und pragmatische Aspekte.

1 Die Sprachen im Schwedischen Reich des 17. Jahrhunderts werden behandelt in den verschiedenen Beiträgen in andersson, Bo u. raag, Raimo (Hg.): Från Nyens skans till Nya Sverige. Språken i 1600-talets Svenska Rike (Kungliga Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien. Konferenser, Bd. 78). Stockholm 2012.

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Nordischer weÿrauch Die Sammlung religiöser Lyrik, die den Titel Nordischer weÿrauch trägt, ist in den 1680er und frühen 1690er Jahren entstanden, als Aurora von Königs­marck eine sehr prominente Stellung am Stockholmer Hof einnahm. Sie gehörte – zusammen mit ihrer Schwester Amalie Wilhelmine und ihren beiden Cousinen Ebba Maria und Johanna Eleonora De la Gardie – zu einem intimen Kreis um Königin Ulrika Eleonora. Zusammen schrieben die hochadeligen Frauen religiöse Gedichte, die sicher­lich dem münd­lichen Vortrag und dem Singen in ihren gemeinsamen Andachtsübungen dienten. Die Texte der Sammlung sind von Aurora von Königs­marcks Hand geschrieben und in einer sehr exklusiv gebundenen Handschrift in der Universitätsbibliothek Uppsala überliefert. Wie Jean M. Woods gezeigt hat, ist die Zeit der Niederschrift zwischen dem 5. Februar 1689 und dem 28. Februar 1691 anzusetzen.2 Der vollständige Titel der Sammlung lautet: Nordischer weÿrauch oder Zusammen Gesuchte andachten Vom Schwedischen Frauen Zimmer. Der exklusive blaue Samteinband mit Silberbeschlägen und mit Aurora von Königs­marcks verziertem Monogramm – MAK – in der Mitte ist in Abbildung 14 zu sehen. Abbildung 15 zeigt die Titelseite der Sammlung. Der Titel der Sammlung enthält eine Reihe von sehr interessanten Implikationen. Die Metapher Weihrauch findet man häufig auch in anderen zeitgenössischen Buchtiteln. Die im Jahre 1656 erschienene Teutsche Vers= oder ReimKunst des berühmten Grammatikers und Sprachtheoretikers Justus Georg Schottel enthält vor dem eigent­lichen Text u. a. ein Emblem, das ein die Vers­ kunst darstellendes Rauchfass als Pictura mit der folgenden Subscriptio zeigt: Ich bin ein Rauchgefaeß voll guter Specereyen / Gewidmet vor der Zeit zu Gottes Lob und Ehr.3 Die Texte der Aurora von Königs­marck und der Mitglieder ihres Kreises steigen wie wohlduftender Weihrauch zu Gott im Himmel empor. Zum Selbstverständnis der Dichterinnen gehört auch, dass sie sich als Frauen Zimmer bezeichnen. Normalerweise bezieht sich dieser Begriff auf die Hofdamen, die der Königin aufwarten. Doch waren Aurora von Königs­marck, ihre Schwester und ihre Cousinen nie Teil des schwedischen Hofstaates. Der Begriff Frauen Zimmer muss hier stattdessen als die Bezeichnung einer Gruppe von 2 woods, Jean M.: Nordischer Weyrauch. The religious Lyrics of Aurora von Königs­marck and her circle, in: Daphnis 17 (1988), S. 267 – 326, hier: 276 f. Die verbreitete Auffassung, dass die Sammlung erst in Quedlinburg zusammengestellt worden sei, ist also nicht haltbar. 3 schottel, Justus Georg: Teutsche Vers= oder Reimkunst […], Lüneburg 1656 (Nachdruck: Hildesheim 1976), Bl. a iiijv.

Die religiöse Lyrik

Frauen in der unmittelbaren Nähe der Königin aufgefasst werden. Nicht nur der prachtvolle Einband, sondern auch der Untertitel hebt die soziale Exklusivität der Sammlung hervor, ihre Zugehörigkeit zur Intimsphäre der Königin.

Politische Kontextualisierung Auffallend ist im Titel die etwas überraschende Angabe, dass das Schwedische Frauen Zimmer Nordischen weÿrauch produziert. Warum nicht schwedischen Weihrauch? Hier lässt sich eine Erklärung im zeitgenössischen politischen Kontext finden. Der schwedische König Karl XI. und die dänische Prinzessin Ulrika Eleonora hatten 1680 – nach einem verheerenden Krieg zwischen den beiden Ländern – ihre Hochzeit gefeiert. Nach dem Friedensschluss wurden in der schwedischen politischen Kultur und Propaganda die gemeinsamen Inte­ ressen der beiden nordischen Kronen stark betont, und das wichtigste Symbol für diese neue politische Harmonie der vorher feind­lichen Mächte war die könig­liche Ehe. Doch waren bald die dänisch-schwedischen Beziehungen von Misstrauen und den alten außenpolitischen und diplomatischen Spannungen geprägt. Die Königin hat trotzdem ihren Traum von einer Allianz zwischen Karl XI. und ihrem Bruder, dem dänischen König Kristian V., nicht aufgegeben. Der Titel Nordischer weÿrauch ist in diesem politischen Kontext als eine Formulierung zu betrachten, mit der Aurora von Königs­marck und die anderen hochadligen Damen – das Schwedische Frauen Zimmer – ihre Loyalität mit den außenpolitischen Zielen der dänisch geborenen Königin bezeugen. Das Epitheton nordisch ist im vorliegenden Kontext ein Wort mit politischer Brisanz. Nach dieser Diskussion der politischen Implikationen des Titels wende ich mich anderen wichtigen Perspektiven zu. Im Folgenden werde ich den Versuch unternehmen, die Sammlung auch sprach­lich, theologisch, genderhistorisch, literarisch, musikalisch und pragmatisch zu kontextualisieren.

Sprach­liche Kontextualisierung Zur Erziehung der Aurora von Königs­marck gehörte als zentraler Bestandteil der Sprachunterricht. Die schwedische Gräfin aus Stade beherrschte Deutsch, Schwedisch, Französisch, Latein, Italienisch und Spanisch. In den drei ersterwähnten Sprachen hat sie auch gedichtet; ihre hauptsäch­lichen Sprachen des literarischen Ausdrucks waren allerdings Deutsch und Französisch. Auf Französisch schrieb sie u. a. den Prolog zur berühmten Inszenierung von Racines

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Iphigénie am Stockholmer Hof im Jahre 1684; es liegen in dieser Sprache auch Lobgedichte auf August den Starken und den schwedischen König Karl XII. vor. Auf Deutsch schrieb sie ebenfalls Lobgedichte, u. a. auf die verstorbene Mutter, die verstorbene schwedische Königin Ulrika Eleonora und auf Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Auf Deutsch liegen auch Abschnitte in Herzog Anton Ulrichs Roman Die Römische Octavia sowie religiöse Werke, u. a. der Text zu Johann Matthesons Magnificat, und – als wichtiges Opus religiösen Inhalts – ihre lyrischen Beiträge zur Sammlung Nordischer weÿrauch vor. Deutsch war also die Sprache für die Andachtsübungen der hochadeligen Frauen um Königin Ulrika Eleonora. Dies ist nicht überraschend, denn Deutsch hatte im Schweden des 17. Jahrhunderts eine starke Stellung als religiöse Sprache. In den Berichten über die Erziehung der künftigen Königin Kristina, die ihr Lehrer, Johannes Matthiæ, beim Reichsrat einreichte, findet man beispielsweise interessante Angaben über den behandelten Unterrichtsstoff. Hauptsäch­lich wurden Texte auf Latein gelesen, ein Text wie Luthers Kleiner Katechismus allerdings sowohl auf Latein als auch auf Schwedisch. Auf Deutsch las Kristina gewisse Texte aus der Bibel, z. B. Abschnitte aus dem Psalter; Deutsch war auch die Sprache für Gebete und Kirchenlieder.4 Diese sprach­liche Variation – Latein, Schwedisch, Deutsch – ist besonders interessant, weil das Deutsche offensicht­lich die Sprache war, die mit der existen­ tiellen Dimension der Religion am stärksten verbunden war. Im Schweden des 17. Jahrhunderts wurde deutschsprachige Andachtsliteratur intensiv gelesen, und sie wurde auch – für ein einheimisches Lesepublikum – in schwedischen Druckereien produziert.5 In Stockholm ließ beispielsweise Otto Wilhelm von Königs­marck, Aurora von Königs­marcks Onkel, sein Werk Geist­liche Andacht allerhand Lieder im Jahre 1682 anonym erscheinen. Leider sind davon keine Exemplare mehr erhalten. Königin Ulrika Eleonora ist ein interessantes Beispiel für die Mehr­sprachig­keit im Schwedischen Reich des 17. Jahrhunderts. Sie sprach nach zeitgenössischen Quellen perfekt Französisch.6 Ein Gemälde von David Klöcker Ehrenstrahl zeigt auf interessante Weise die Stellung des Deutschen als religiöse Sprache für die Königin. Ehrenstrahl stellt Ulrika Eleonora dar, wie sie, ausgehend von einem 4 åslund, Leif: Att fostra en kung. Om drottning Kristinas utbildning, Stockholm 2005, S.  229 f. 5 lindquist, David: Studier i den svenska andaktslitteraturen under stormaktstidevarvet med särskild hänsyn till bön-, tröste- och nattvardsböcker, Stockholm 1939, S. 415. 6 malmström, Oscar: Anteckningar rörande Drottning Ulrika Eleonora d. ä. och Karl XI:s hof, Stockholm 1898, S. 149.

Die religiöse Lyrik

Bibelspruch, über ihre vier verstorbenen Kinder meditiert. Rechts im Bild sind die folgenden Worte zu lesen: Dein Wille geschehe.7 Wie wir daraus schließen können, findet ihre Meditation auf Deutsch statt. Aurora von Königs­marck und andere hochadlige Damen lassen am Stockholmer Hof Racines Iphigénie auf Französisch aufführen, während sie religiöse Lyrik auf Deutsch schreiben. Diese funktionale Verteilung auf Sprachen weist auf die hohe Bedeutung des Deutschen als religiöse Sprache für viele Menschen im Schwedischen Reich des 17. Jahrhunderts hin.

Theologische Kontextualisierung Nicht nur das Gemälde der meditierenden Ulrika Eleonora zeigt das religiöse Interesse der Königin, ihre starke Religiosität wird auch andernorts bezeugt. Schon vor ihrem Umzug nach Schweden im Jahre 1680 hatte sie versucht, den deutschen Theologen Christian Scriver als ihren Hofprediger zu gewinnen. Er war Anhänger der lutherischen Reformorthodoxie und Verfasser einer Reihe von einflussreichen Erbauungsbüchern. Den Ruf nach Stockholm hat Scriver jedoch abgelehnt. In den späten 1680er Jahren korrespondierte die Königin mit Philipp Jacob Spener, dem Gründer des Pietismus, und versuchte ihn für die Stelle als Hauptpastor der Deutschen Gemeinde in Stockholm zu interessieren. Spener und andere Pietisten betonten das persön­liche, stark emotionale Gottesverhältnis des Menschen. Noch provozierender war, dass sie religiöse Privatzusammenkünfte, sog. Konventikel, veranstalten ließen. Die Kontakte der schwedischen Königin zu führenden Theologen, die sich für eine Reform der lutherischen Kirche einsetzten, wurden von den Vertretern der lutherischen Orthodoxie in Stockholm mit großem Misstrauen betrachtet. Am 3. Mai 1693 schreibt Johannes Vultejus, der Hauptpastor der Stockholmer Riddarholmskyrka, an den deutschen Theologen Johann Friedrich Mayer, der unter dem Rufnamen „der Pietistentöter“ bekannt war: Wir sind hier im Lande so weit glück­lich, dass, obzwar obgedachter Schwarm [Synkretisten, Pietisten, Quäker] sich auch hier und dort eingeschmieget, muss er sich doch ganz heim­lich halten und die Klauen gleich denen Katzen einziehen. Vultejus konstatiert weiter: Ich kann nicht anders sagen, als dass sie auch hier ihre Defensores finden. Und wollte Gott, dass sie auch nicht vornehme alierte hätten. Doch aber gehen sie durch

7 Für eine Reproduktion und Diskussion dieses Gemäldes siehe ellenius, Allan: Karolinska bildidéer (Ars suetica 1), Uppsala 1966, S. 130 – 133.

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die Gesetze eines unermüdeten Königes in Religions-Sachen annoch in Ketten.8 Mit dem Ausdruck vornehme alierte bezieht sich Vultejus mit Sicherheit auf Ulrika Eleonora und die Frauen des Kreises um sie; die Kontakte der Königin zu führenden Pietisten waren natür­lich bekannt. Auffallend ist, dass Vultejus, nachdem er die Königin und ihren Kreis der Heterodoxie bezichtigt hat, König Karl XI. als den unermüd­lichen Verteidiger der Rechtgläubigkeit darstellt. Dem Brief ist zu entnehmen, dass für die Königin offensicht­lich ein – nach Vultejus’ Meinung: störender – Freiraum für heterodoxe religiöse Interessen bestand. Königin Ulrika Eleonora starb Ende Juli 1693. Am 6. Oktober 1694 verabschiedete König Karl XI. ein Edikt gegen den Pietismus. Es wurde auf Deutsch abgefasst und war ursprüng­lich nur für die deutschsprachigen Provinzen des Reiches vorgesehen. Bald wurde es aber für das ganze Schwedische Reich als gültig angesehen. Dort heißt es u. a., dass die pietistischen Konventikel eine große Gefahr darstellten, woraus dann nichts anders alß zerrüttung der gemüther / große vnruhe / lästerung vnd Frolocken der Wiedersacher der Wahrheit / äuserste Seelengefahr / ja gar der vntergang deß reinen Evangelii an solchen ohrten entstehen kann.9 Pietistische Konventikel seien also eine große Gefahr für die religiöse und soziale Ordnung. Vor diesem Hintergrund wird die provokante Natur der privaten religiösen Zusammenkünfte des Kreises um die Königin evident. Wir haben hier – worauf ich später zurückkommen werde – sicher­ lich eine wichtige Erklärung für die Tatsache, dass die Gedichte der Sammlung Nordischer weÿrauch zu ihrer Entstehungszeit nicht gedruckt wurden.

Genderhistorische Kontextualisierung Im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert wurde die Frage der Gelehrsamkeit von Frauen intensiv diskutiert. Eine große Zahl von sog. Gynäceen, d. h. Handbücher über gelehrte Frauen, wurde publiziert. In einem dieser Werke, Johann Caspar Eberts Eröffnetes Cabinet Deß Gelehrten Frauen=Zimmers (1706), kann man beispielsweise über Aurora von Königs­marck lesen, dass sie eine gelehrte Gräffin aus Schweden sei, in der Poesie sehr wohl erfahren / und

8 Zit. nach pleijel, Hilding: Der schwedische Pietismus in seinen Beziehungen zu Deutschland. Eine kirchengeschicht­liche Untersuchung (Lunds universitets årsskrift. N. F. Avd. 1. Bd. 31:4), Lund 1935, S. 32. 9 stiernman, Anders Anton: Samling Vtaf åtskilliga, tid efter annan, vtkomna Kungliga Stadgar, Bref och Förordningar, Angående RELIGION […], Stockholm 1744, S. 161 f.

Die religiöse Lyrik

in den Sprachen vortreff­lich. Sie komponiere einen nicht unebenen Verß.10 Über Ebba Maria De la Gardie, eine der anderen Dichterinnen, die im Nordischen weÿrauch vertreten sind, erfährt man in Eröffnetes Cabinet, dass sie ein sehr gelehrtes Fräulein gewesen sei, wie sie denn einen geschickten Schwedischen / Frantzösischen / Teutschen und Niederländischen Verß geschrieben.11 Ein anderes bekanntes Gynäceum, Georg Christian Lehms Teutschlands Galante Poetinnen (1715), ist Aurora von Königs­marck gewidmet.12 In der Widmungsvorrede wird behauptet, dass sie alle Vollkommenheiten besitze.13 Aurora von Königs­marck wird von ihren Zeitgenossen als gelehrte Frau verehrt. Die Diskussion der Gelehrsamkeit von Frauen und die große Begeisterung darüber, die man in den Gynäceen findet, sind historisch interessant. Die Vorstellung der gelehrten Frau ist, wie die deutsche feministische Historikerin Silvia Bovenschen plausibel gemacht hat, als Gegenbild zur Hexe, als ihre Negation zu betrachten. Gelehrsamkeit, Vernunft und Tugend wurden der traumdeutenden, irrationalen und triebbesessenen Frau entgegengesetzt.14 Die gelehrte Frau war eine gleichberechtigte Frau, sie war im selben Ausmaß wie der Mann ein Vernunftwesen, das zur Gelehrsamkeit dieselbe Fähigkeit besaß. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde als Reaktion auf diese Vorstellung stattdessen die fundamentale Verschiedenheit von Männern und Frauen betont, u. a. in der einflussreichen Naturlehre von Rousseau. Die einmal so populäre Gattung der Gynäceen geht damit zu Ende. Die Frauen des Kreises um Königin Ulrika Eleonora waren durch ihre literarischen und kulturellen Interessen gelehrte Frauen im Sinne der Zeit. Großes Aufsehen haben ihre schon erwähnten Aufführungen von Racines Iphigénie am Stockholmer Hof im Jahr 1684 erregt. Bernt Olsson hat diese Vorstellungen als einen wichtigen Ausdruck für den Feminismus des 17. Jahrhunderts angesehen.15 Für die Zeitgenossen war stark provozierend, dass alle Rollen des Dra-

10 ebert, Johann Caspar: Eröffnetes Cabinet deß Gelehrten Frauen=Zimmers, Frankfurt/M u. Leipzig 1706 (Nachdruck: München 1986), S. 209. 11 Ebd., S. 159. 12 lehms, Georg Christian: Teutschlands Galante Poetinnen Mit Jhren sinnreichen und netten Proben; Nebst einem Anhang Ausländischer Dames […], Frankfurt/M 1715. 13 Ebd., Bl. a 4r. 14 bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weib­lichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschicht­lichen und literarischen Präsentationsformen des Weib­lichen, Frankfurt/M 1979, S. 97, 105. 15 olsson, Bernt: Aurora Königs­marck och 1600-talets feminism, in: Karolinska förbundets årsbok 1979, S. 7 – 23.

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mas – auch diejenigen von griechischen Helden – von Frauen gespielt wurden. So trat u. a. Amalie Wilhelmine von Königs­marck als König Agamemnon auf, und Augusta Aurora Wrangel, eine Cousine der Königs­marck’schen Schwestern, spielte den Achilles. Was den Nordischen weÿrauch als Sammlung religiöser Poesie von Frauen betrifft, kommt noch eine weitere Dimension hinzu. In der Zeit um 1690 traten in Mitteldeutschland im Milieu des radikalen Pietismus begeisterte Frauen als Prophetinnen auf; sie behaupteten, besondere Offenbarungen Gottes zu verkünden. Es gelang ihnen sogar, einen prominenten Vertreter des Pietismus wie August Hermann Francke zu überzeugen, dass sie solche Offenbarungen empfangen hätten.16 Es entfachte sich eine intensive Polemik gegen diese Frauen, in der das Bild der irrationellen Frau, die durch Träume und Visionen für die Kräfte des Bösen anfällig sei, eine wichtige Rolle spielte. Für ein orthodoxes Milieu wie das Schweden des späten 17. Jahrhunderts ist anzunehmen, dass solche Vorstellungen leicht aktualisiert und projiziert werden konnten, wenn es um eine Gruppe von selbstständigen Frauen ging, die sich für Andachtsübungen nach pietistischem Muster zusammenfanden. Das Bild der selbstständigen, rationalen, gelehrten Frau konnte sicher­lich leicht in sein Gegenteil umschlagen.

Poetische Kontextualisierung Nordischer weÿrauch enthält 22 Gedichte, die alle traditionellen Strophenformen für geist­liche Lieder folgen. Die ästhetischen Ansprüche der Dichterinnen erkennt man u. a. daran, dass nicht weniger als 17 verschiedene Strophenformen in der Sammlung vertreten sind. Für diese Art der lyrisch-formalen Variation finden sich auch andere prominente, zeitgenössische Beispiele. Aurora von Königs­marcks guter Freund Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-­ Wolfenbüttel hat eine Sammlung von geist­lichen Gedichten vorgelegt, die so gestaltet ist, dass jede Strophenform darin nur ein einziges Mal vorkommt.17 16 Siehe wustmann, Claudia: Die „begeisterten Mägde“. Mitteldeutsche Prophetinnen im Radikalpietismus am Ende des 17. Jahrhunderts, Leipzig u. Berlin 2008. 17 miram, Rose Elisabeth: „Christ-fürst­liches Davids-Harpfen-Spiel“ von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig. Analyse der Lieder auf Grund des Textes und mit Hilfe der Biographie des Herzogs (Teildruck), Erlangen-Nürnberg 1963, S. 37 ff. Die Sammlung liegt handschrift­lich und in verschiedenen, inhalt­lich erweiterten Drucken vor. Das Prinzip der durchgehenden Strophenvariation betrifft alle Versionen.

Die religiöse Lyrik

Interessanterweise ist die ursprüng­liche, handschrift­liche Version seiner Sammlung – genau wie die Handschrift des Nordischen weÿrauch – in blauem Samt, allerdings ohne silberne Beschläge, gebunden. Zur Poetologie geist­licher Lieder liegen im späten 17. Jahrhundert wichtige Aussagen beim Rostocker Theologen Heinrich Müller vor, einem Vertreter der lutherischen Reformorthodoxie. In seinem Werk Geist­liche Seelen=Musik, das 1668 erschien, betont er die große emotionale Wirkung des Singens von geist­lichen Liedern: Nichts führet das Gemüt so schnell und empfind­lich in den Himmel / als der Gesang.18 Dieses Singen ist der Endpunkt dessen, was man als den geist­lichen Liebesprozess bezeichnen kann. Müller schreibt: Denn wenn sich Gott der Seelen offenbaret / als die höchste Süssigkeit so durch gehet er wie ein Feuer / Leib und Seele / alle Sinne und Kräfte / berührt ein jedes Bluts­ tröpfflein / und zündets an in heysser Gegenliebe. Wie nun unsere Liebe ist / so sind all unsere Bewegungen […] Und wie die Bewegungen sind / so fliessen die Psalmen.19 Der geist­liche Liebesprozess besteht also aus den folgenden Stufen: •• Gött­liche Liebe •• Mensch­liche Gegenliebe •• Bewegung des Gemüts •• Singen

In einem anderen Werk von Heinrich Müller wird das Aufeinanderbezogensein der gött­lichen Liebe und der mensch­lichen Gegenliebe auf folgende Weise ausgedrückt: Hertz aufwertz! Himmelan zeücht dich die Liebes=Kette; Dein Schöpffer liebet dich / Mit jhm lieb in die Wette.20 Vorstellungen dieser Art von gött­licher Liebe und mensch­licher Gegenliebe prägen auf besonders deut­liche Weise ein zentrales Gedicht des Nordischen weÿrauch mit dem bezeichnenden Titel: Lob= und Liebes= Gedicht. Die Dichterin ist Aurora von Königs­marck und die Anklänge im Text an Vorstellungen, die wir auch bei Müller finden, sind unüberhörbar. Es folgen hier die beiden letzten Strophen des Gedichts (die Originalseite ist in Abbildung 16 zu sehen):

18 müller, Heinrich: Geist­liche Seelen=Musik […]. Frankfurt/M 1668, Bl. A5v. 19 Ebd., S. 66. 20 müller, Heinrich: Gött­liche Liebes=Flamme Oder Auffmunterung zur Liebe Gottes […], Frankfurt/M 1676, Subscriptio zu einem Emblem auf einer unpaginierten Seite nach der einleitenden „Zuschrifft“ des Bandes.

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100 Bo Andersson 11. Ich will die liebe lassen flammen Das Hertze Seel’ und Geist Zu sammen Dein süßes opffer seÿ genand Ein Ewigs Feür dir entbrant. 12. O laß Mein Lieben und Mein lallen Von lob und liebe dir gefallen Laß nicht Mein Opffer sein veracht Die Liebe hatt es dir gebracht. MAurora Königs­marck

Die Strophen greifen die zentrale Metapher des Titels auf, den Weihrauch, das süße Opfer an Gott, das als die mensch­liche Liebesantwort auf die gött­liche Liebe zu sehen ist. Zum Bildfeld von Rauch und (ewigem) Feuer gehört auch die Metapher der intensiv brennenden Liebesflamme. Ferner wird die Unzuläng­ lichkeit des poetischen Ausdrucksvermögens des lyrischen Ichs betont; das lyrische Sprechen kann nur höchstens ein Lallen sein, das eigent­lich die Verachtung Gottes verdiente. Das von der mensch­lichen Zunge ausgesprochene Lob Gottes kann seiner gewaltigen Majestät und seiner Liebe zu den Menschen nie angemessen sein; das Ich kann ledig­lich darauf hoffen, dass sein lyrisches Opfer gnädig aufgenommen wird. Die Gedichte des Nordischen weÿrauch sind thematisch arrangiert. Es kommen einige Loblieder vor, aber auffallend häufig sind Texte, die Themen wie Verachtung der Welt, Buße und Verlangen nach dem Himmel behandeln. Der Inhalt der Sammlung geht aus der folgenden Übersicht hervor:

Die religiöse Lyrik 101

1 Morgen Lied

MAK

12 Verlangen nach der Bekehrung

MAK

2 Lob Gedichte

MAK

13 Unvergnügen in der Eitelkeit

AMG

14 Ermahnung zur Buße

AWL

AWL/K

15 Verlangen der Bekehrung

JEDLG

5 Danck=Gedichte

MAK

16 Buß Lied

MAK

6 Verachtung der Welt

JEDLG

17 Buß Lied

AWL

3 Lob= und Liebes= Gedichte MAK 4 Lob und Danck Gedichte

7 Verachtung der Welt

JEDLG

18 Verlangen nach dem Himmel

JEDLG

8 Weÿnachts Gedichte

JEDLG

19 Verlangen nach dem Himmel

EMDLG

9 Passions=Gedichte

MAK

20 Verlangen nach dem Himmel

MAK

10 In Verfolgung

MAK

21 Verlangen nach dem Himmel

11 Gelaßenheit in Verfolgung

EMDLG 22 Erwählter Leichen Text

MAK MAK

MAK: 11, JEDLG: 5, AWL/K: 3, EMDLG: 2, AMG: 1 MAK = Maria Aurora von Königs­marck JEDLG = Johanna Eleonora De la Gardie AWL = Amalie Wilhelmine Lewenhaupt, geb. Königs­marck EMDLG = Ebba Maria De la Gardie AMG = bisher unbekannt

Die Hälfte der Gedichte stammt also aus der Feder der Aurora von Königs­marck. Ihre Beiträge unterscheiden sich von den anderen in ihrer poetischen Qualität. Die thematische Breite der Gedichte des Nordischen weÿrauch lässt sich fast als die direkte Illustration einer Aussage bei Heinrich Müller ansehen, die sich auf die mensch­liche Erfahrung der gött­lichen Güte bezieht: So spielt und wechselt die Güte Gottes mit dir: Bald decket sie ihr Antlitz ab; bald zu; bald verstecket; bald offenbart sie sich […] Bald gibt sie dir die Macht der Sünden zu schmecken / daß sie dein Buß=Lied auß der Tieffen hervorziehe […] bald füllet sie dir den Schoos mit Gütern / daß sie den Danck Lied höre.21 Die vielen Gedichte, die die Verachtung der Welt und das Verlangen nach dem Himmel ausdrücken, sind nach dem Verständnis der Zeit als besondere Zeugnisse des Erfahrens gött­licher Liebe aufzufassen: und je höher diese Sonne [die gött­lichen Himmelsflammen] in unserem Hertzen auffgehet / je tunckler wird der Weltstern mit seiner falschen schein­lichen Klarheit: Je süsser Gott der Seelen wird / je bitterer wird ihr die Welt.22 Als Beispiel für das Thema der Verachtung der Welt sei hier eine Strophe aus einem Gedicht der Johanna Eleonora De la Gardie zitiert:

21 Müller, Geist­liche Seelen=Musik, wie Anm. 18, S. 47. 22 Ebd., S. 65

102 Bo Andersson 3. Friede / Freude / heil und leben alles waß mein hertz erfreut kan und will mihr Jesus geben Zeitlig und in Ewigkeit Weich den welt mit deinen gaben Mein hertz will nichts von dir haben. Johanna Eleonora De la Gardie

Die Gedichte des Nordischen weÿrauch verdienen, eingehend untersucht zu werden. Wichtig wäre z. B., die theologischen und literarischen Bezüge zu den Strömungen der lutherischen Reformorthodoxie und des frühen Pietismus zu analysieren.23

Musikalische Kontextualisierung Zur Erziehung eines hochadeligen Mädchens gehörte im 17. Jahrhundert nicht nur Sprachunterricht, sondern auch Unterricht in Musik. Aurora von Königs­ marck war nach zeitgenössischen Quellen eine ausgezeichnete Instrumentalistin, die die beiden standesgemäßen Instrumente Laute und Viola da gamba spielte. Sie war auch eine hervorragende Sängerin; Königin Ulrika Eleonora nannte sie die schwedische Nachtigall 24. Nach ihrer Ankunft in Schweden im Jahre 1680 haben Aurora und Amalie Wilhelmine von Königs­marck ihre künstlerischen und musikalischen Talente weiterentwickelt. Sie haben sich vom führenden schwedischen Barockkünstler David Klöcker Ehrenstrahl in der Malerei unterrichten lassen; interessante Gemälde liegen von Amalie Wilhelmine von Königs­marck vor.25 Unterricht in Musik und Komposition nahmen die Schwestern bei Gustav Düben d. Ä., dem schwedischen Hofkapellmeister. In der bekannten Sammlung Düben der Universitätsbibliothek Uppsala findet man eine Komposition der Aurora von 23 In einer ausführ­lich kontextualisierten Ausgabe des Nordischen weÿrauch habe ich vor, u. a. dieser Fragestellung detailliert nachzugehen. 24 lindgärde, Valborg: Om kungadottern som offras i männens krig. Hovkretsen kring drottning Ulrika Eleonora, in: møller jensen, Elisabeth u. a. (Hg.). Nordisk kvinnolitteraturhistoria, 1: I Guds namn. 1000 – 1800, Höganäs 1993, S. 311 – 316, hier: S. 311. 25 Siehe u. a. sidén, Karin/skogh, Lisa: A painting by Amalia von Königs­marck with a royal provenance, in: Art Bulletin of Nationalmuseum Stockholm 17, 2010, S. 19 – 20.

Die religiöse Lyrik 103

Königs­marck, die Vertonung von O Großer Gott du aller welt gebiether, einem ihrer Texte im Nordischen weÿrauch (Gedicht Nr. 2: Lobgedichte). Die Komposition – für drei Solostimmen mit Instrumentalbegleitung – liegt in Gustav Dübens Handschrift vor; auf dem Umschlag findet man den Text: Freulein Marie Aurore Coningsmarcks Ariette über dero selben verse. Die erste Solostimme – Cantus I – kann auf Abb. 18 eingesehen werden. Die kompositorischen Talente der Aurora von Königs­marck scheinen weitgehend unbekannt zu sein. Es gehörte zu den Höhepunkten der Tagung im Schloss Agathenburg, die Aufführung dieser Aria zu erleben.

Pragmatische Kontextualisierung Die Gedichte der Sammlung Nordischer weÿrauch sind erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gedruckt worden.26 Interessant ist darüber zu spekulieren, warum es keinen zeitgenössischen Druck gibt. Andere Dichterinnen und Dichter aus den höchsten Kreisen der damaligen Gesellschaft haben geist­liche Lyrik publiziert. Im Jahre 1658 hat beispielsweise Herzogin Anna Sophie von Hessen-Darmstadt eine Sammlung geist­licher Gedichte unter dem Titel Der treue Seelenfreund Christus Jesus veröffent­licht. Der schon erwähnte Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel hat seine geist­lichen Gedichte mehrmals auflegen lassen, auch wenn dies anonym geschah. Warum waren die Gedichte des Nordischen weÿrauch nur als Handschrift zugäng­lich? Hierfür bieten sich zwei Erklärungsgründe an: die Exklusivität bzw. die Subversivität der Sammlung: 1. Wie schon die äußere Ausstattung der Handschrift andeutet, handelt es sich um ein sehr kostbares Werk. Der Text ist mit Aurora von Königs­marcks eigener Hand geschrieben; die Gedichte waren für die Andachtsübungen eines auserlesenen Kreises von Frauen um Königin Ulrika Eleonora vorgesehen und gehörten dadurch zur könig­lichen Intimsphäre. Die Texte nicht drucken zu lassen kann als ein Zeichen für ihre Exklusivität angesehen werden.

26 hanselli, Peter: Samlade vitterhetsarbeten af Märta Berendes, Ebba Maria och Joh. ­Eleonora de la Gardie, Amalia Wilh. och Maria Aurora von Konigsmarck, Thorsten Rudeen samt Carl och Ulrik Rudenschold, Uppsala 1867. Die einzige bekannte Ausnahme ist ein Lied von Johanna Eleonora De la Gardie: Weg falsche Welt, das 1695 im Gesangbuch der Deutschen Gemeinde in Stockholm erschien (Neu vermehrtes Stockholmjsches Teutsches Gesang=Buch […], Stockholm 1695, S. 935 f.).

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2. Im Edikt gegen den Pietismus des Jahres 1694 wurden Konventikel, d. h. private Andachtsübungen, gesetz­lich verboten. Schon vorher lagen Angriffe auf diese pietistische Erscheinung in Schweden vor. Eine Sammlung von Texten drucken zu lassen, die von privaten Andachten zeugten, an denen sich sogar die schwedische Königin beteiligte, war religionspolitisch gesehen sicher­lich kaum opportun, ja geradezu unmög­lich. Die starke emotionale Religiosität, die in vielen der Gedichte des Nordischen weÿrauch zum Vorschein kommt, findet man auch in Liedern von Vertretern der damaligen Reformorthodoxie und nicht nur innerhalb des Pietismus. Es waren mit aller Wahrschein­lichkeit also nicht die Texte an sich, die für den Druck problematisch waren. Kontrovers war vielmehr, dass ihre Veröffent­lichung von der Existenz eines Konventikels im Sinne des Pietismus gezeugt hätte, was zu einer Zeit, als alle Drucke zensiert wurden, als tolerante Einstellung dem religiösen Separatismus gegenüber hätte aufgefasst werden können. Wie das Edikt gegen den Pietismus deut­lich macht, sahen die schwedischen Behörden einen solchen Separatismus als eine ernsthafte Bedrohung der religiösen und sozialen Ordnung. Dass es sich hier um eine Gruppe von Frauen handelte, spielte im zeitgenössischen Kontext sicher­lich auch eine wichtige Rolle. Die bisherige Diskussion meines Beitrages zum Nordischen weÿrauch betraf die Originalhandschrift, die zu den Sammlungen der Universitätsbibliothek Uppsala gehört. Es liegt aber eine weitere Handschrift vor – eine Abschrift der bisher diskutierten; sie findet man heute in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.27 Diese spätere Handschrift stammt aus Quedlinburg; sie wurde von einem professionellen Schreiber niedergeschrieben und vermittelt einen völlig anderen Eindruck als das Original (vgl. dazu Abb. 17). Die spätere Handschrift enthält außer den Gedichten des Exemplars in ­Uppsala auch Gedichte von Aurora und Amalia Wilhelmine von Königs­marck an Anna Dorothea von Sachsen-Weimar, die Äbtissin des Quedlinburger Frauen­ stifts. Mitte der 1690er Jahre, nach ihrer Zeit als Mätresse Augusts des Starken und nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Hermann Moritz, kandidierte Aurora von Königs­marck für die Stellung als Koadjutrix in Quedlinburg; diese Position zu erreichen gelang ihr im Jahre 1698. Ihre Kandidatur – die Koadjutrix war normalerweise auch die Nachfolgerin der Äbtissin – war nach ihrer Beziehung zu August dem Starken und der Geburt des Sohnes Hermann Moritz sehr

27 Woods, Nordischer Weyrauch, wie Anm. 2, nimmt die Quedlinburger Handschrift als Leittext der Edition. Aus dem textkritischen Apparat ließe sich die Uppsalaer Handschrift allerdings rekonstruieren.

Die religiöse Lyrik 105

umstritten.28 Die Quedlinburger Handschrift ist sicher­lich als der Versuch anzusehen, auf sozial angemessene und repräsentative Weise ein starkes reli­giöses Interesse zu demonstrieren. Der Text der Lieder des Nordischen weÿrauch ist in der Uppsalaer und der Quedlinburger Handschrift fast identisch. Die äußere Erscheinung, z. B. die Titelseite, unterscheidet sich allerdings auf hervorstechende Weise. Die beiden Handschriften gehören in verschiedene pragma­ tische Kontexte. Die Handschrift in Uppsala deutet in ihrer Materialität darauf hin, dass es sich hier um Gedichte handelt, die zur exklusiven Intimsphäre der schwedischen Königin gehören. Die spätere Handschrift erfüllt dagegen die Funktion, auf die sozial angemessenen religiösen Interessen der Kandidatin zum Amt der Koadjutrix des Quedlinburger Stiftes aufmerksam zu machen.

Kurze Zusammenfassung in Stichpunkten Meine Ausführungen zum Nordischen weÿrauch, der religiösen Poesie der Maria Aurora von Königs­marck, lassen sich in den folgenden Stichpunkten zusammenfassen: ••Deutsch nimmt im Schweden des 17. Jahrhunderts eine wichtige Stellung als religiöse Sprache ein. ••Die Sammlung Nordischer weÿrauch entsteht innerhalb einer exklusiven Gruppe von Frauen aus den allerhöchsten Kreisen der damaligen schwedischen Gesellschaft. ••Das Lesen/Singen der Lieder ist im Kontext der Andachtsübungen dieser Gruppe von Frauen um Königin Ulrika Eleonora zu sehen. ••Die Texte folgen einem poetologischen Programm für geist­liche Lieder. ••Die privaten Andachtsübungen, für die die Lieder vorgesehen sind, sind im zeitgenössischen religionspolitischen Kontext kontrovers. Es besteht hier die ausdrück­liche Verdächtigung des religiösen Separatismus. Frauen und pietistische Religiosität sind um 1690 grundsätz­lich ein umstrittenes Thema. ••Die Quedlinburger Handschrift unterscheidet sich in der äußeren Aufmachung stark von der in Uppsala, was auf den jeweiligen pragmatischen Kontext zurückzuführen ist.

28 Vergl. dazu den Beitrag von Schröder-Stapper, Teresa im vorliegenden Band ab Seite 263.

STEFAN HAMMENBECK-EICHBERGER

Die Schwestern Aurora und Amalia von Königs­marck und die Wandteppiche im Östergötlands Museum Auf dem Weg zu einer wissenschaft­lichen Konferenz in Hamburg 1830 reiste der schwedische Wissenschaftler Magnus af Pontin über Berlin und Quedlinburg, wo er die mumifizierten Überreste Aurora von Königs­marcks besichtigte. Pontin schreibt im ein Jahr später gedruckten Reisebericht: Obgleich sie schon über 100 Jahre im Grabe ruht, sind ihre Körperformen wenig verwandelt. In dem hohen und sehr hoch belegenen Grab-Gewölbe ist eine von der trockenen Luft bewirkte Mumifizierung entstanden. Das Profil ihrer schönen Gesichtsbildung ist noch beibehalten, nur die Farbe verändert. Das schwarze lange Haar fällt in reichen Locken über das weisse seidene Todtenkleid. Auch in Schweden, wo sie geboren war, haben wir noch Andenken von ihr; unter anderem bei dem Gute Winäs, in der Provinz Calmar, welches ihre Schwester, die Gräfin ­Lewenhaupt bewohnte, wo kostbar gestickte Tapeten mit ihren Namen, nebst anderen Inschriften und Sinnbildern, noch aufbewahrt werden.1 Die Kunstwerke, die Pontin erwähnt, sind die sechs mit Wolle und Seide auf Leinengewebe gestickten sogenannten Königs­marck’schen Tapeten,2 die seit 1946 dem Östergötlands Museum in Linköping gehören. Die Hauptpersonen auf den Tapetenmotiven sind die Schwestern Aurora und Amalia von Königs­ marck, sowie Amalias Mann Carl Gustaf Lewenhaupt. Familienereignisse um 1690 liegen den Motiven zu Grunde. Vor der Beschreibung der Tapeten möchte ich kurz, soweit bekannt, über ihre Geschichte und Provenienz bis 1946 berichten. Pontins Erwähnung ist der erste Beleg für die Tapeten in der Literatur. Das Schloss Vinäs, das in Edsbruk bei Västervik in der Provinz Småland liegt, mit einer Baugeschichte, die sich bis ins 14. Jahrhundert zu Bo Jonsson Grip zurückerstreckt, war bis 1844 im Besitz der Familie Lewenhaupt. Aurora von Königs­marcks Schwester Amalia Wilhelmina (1663 – 1740) heiratete 1689 Carl Gustaf Lewenhaupt. Dadurch kam 1 Pontin, Magnus: Bemerkungen über Natur, Kunst und Wissenschaft auf einer Reise…, Hamburg 1832, S. 170. Die schwedische Ausgabe wurde in Stockholm 1831 herausgegeben. 2 Bei den sogenannten Königs­marck’schen Tapeten handelt es sich um Wandteppiche. Im Folgenden wird an den in der schwedischen Literatur geprägten Begriff „Tapeten“ festgehalten.

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die Familie Königs­marck nach Vinäs. Als Vinäs 1844 verkauft wurde, wurden die Tapeten mitgenommen. Ada Rydström, die als erste von ihnen berichtete und sie abbilden ließ, schildert im „Boken om Tjust“ ihr weiteres Schicksal.3 Rydström berichtet, dass sie nach dem Verkauf von Vinäs zusammengerollt auf dem Dachboden des Lewenhaupt’schen Gutes in Västervik aufbewahrt wurden. Am Ende des 19. Jahrhunderts gingen sie in den Besitz von Gustaf Lewenhaupt über. Während seiner Dienstzeit als schwedisch-norwegischer Gesandter in Paris und Wien wurden sie von ihm und seiner Frau Anna, geb. Stackelberg (1862 – 1946), zu den verschiedenen Dienstorten mitgenommen. Nach seinem Tod im Jahr 1904 erbte sie seine Frau, die 1910 den Gutsbesitzer Gustaf ­Bogeman heiratete. Als sie 1946 starb, gingen die Tapeten in Übereinstimmung mit ihrem Testament und einem mit dem Vorstand des Östergötlands Museum bereits vereinbarten Plan in den Besitz des Museums über. Ada Rydström kam in mehreren Heimatschriften auf die Tapeten zurück. Informationen, Deutungen und Theorien, die sie gedruckt verbreiten ließ, basierten vermut­lich auf münd­lich überlieferten Erzählungen, eigenen Beobachtungen und einem gewissen Maß an Romantisierung in der Schilderung ihrer Entstehung durch die Schwestern Königs­marck, die die Tapeten mit Hilfe von Freundinnen und Hausangestellten stickten. Rydström gab keine Quellennachweise an.4 Birger Mörner überging die Tapeten in seiner zentralen Biographie von Aurora von Königs­marck (1915) ganz. Der erste Kunsthistoriker, der über sie schrieb, war Holger Nyblom im Jahr 1929 in einem Artikel in „Svenska Hem i ord och bild“.5 Erst als die Tapeten in den Besitz des Östergötlands Museum übergegangen und in einer permanenten Ausstellung öffent­lich zugäng­lich waren, wurden sie zum Forschungsgegenstand. Im Jahrbuch des Museums von 1948 – 1950 befassen sich mehrere Aufsätze mit den Tapeten und den übrigen Kunstwerken und kunsthandwerk­lichen Gegenständen, die in der Schenkung von Anna Bogeman eine Verbindung zu den Familien Königs­marck und Lewenhaupt haben.6 In der Festschrift für Professor Ragnar Josephson 3 Rydström, Ada: Vinäs, in: Boken om Tjust, II, Västervik 1908, S. 3 – 47, hier S. 30. 4 Ebd., S. 30 und 34; vgl. auch Rydström, Ada: I Tjust förr och nu, in: Svenska Turist­ föreningens årsskrift 1916, Stockholm 1916, S. 42. 5 Nyblom, Holger: Ett samlarhem i Saltsjöbaden, in: Svenska Hem i ord och bild, Bd. III, Stockholm 1929, S. 1 – 22. 6 Cnattingius, Bengt: De Königs­marckska tapeterna, in: Meddelanden från Östergötlands och Linköpings stads museum 1948 – 1950, Linköping 1950, S. 149 – 168; Ders.: Königs­marckska salongen, in: Ebd., S. 49 – 72.

Die Wandteppiche im Östergötlands Museum 109

widmete Professor Agne Beijer der Maskeradtapeten (Maskeradentapete) eine eigene Studie.7 Die Königs­marck’schen Tapeten gehören zum schwedischen und europäischen Kulturerbe. Sie werden in allen neueren schwedischen kunst- und kulturhistorischen Werken erwähnt, die die Barockepoche und das späte 17. Jahrhundert behandeln. In den literaturwissenschaft­lichen Arbeiten, die dieselbe Zeit schildern, ist insbesondere die sogenannte Maskeradtapeten (Maskeraden­ tapete) beachtet worden.8 Es gibt, wie erwähnt, sechs Tapeten. Sie sind mit Seide und Wolle auf Leinengewebe gestickt. Sie haben alle die gleiche Höhe, ca. 240 cm, und können dem Breitenformat nach in drei Gruppen eingeteilt werden. Die zwei kleineren, ca. 130 cm breiten, werden Barndomen (Die Kindheit) und Ålderdomen (Das Alter) genannt. Die mittelgroßen Wandteppiche, die mit einer Breite von ca. 245 cm fast quadratisch sind, sind die Triumftapeten (Triumphtapete) und Rikssalstapeten (Reichssaaltapete). Die beiden größten, ca. 405 cm breiten Tapeten sind die Maskeradtapeten (Maskeradentapete) und Allegoritapeten (Sinnbild- oder Allegorietapete). Zur Entstehung der Tapeten fehlen historische Quellen oder archivalische Nachweise. Sie fehlen auch in den älteren Inventarverzeichnissen von Vinäs. So ist es immer noch eine offene Frage, ob sie ursprüng­lich für Vinäs hergestellt wurden oder nicht. Für Amalia Lewenhaupt und ihre Familie war Vinäs einer von mehreren Aufenthaltsorten in Schweden, bis die Familie 1692 das Land verließ. Amalia Lewenhaupt, geb. Königs­marck, sollte erst viel später als Witwe nach Schweden zurückkehren. Sie starb 1740 auf dem Familiengut Övedskloster in Skåne. Das Erste, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass sich die Tapeten 1830 in Vinäs befanden. In späteren Jahren hat die bauantiquarische Forschung versucht zu ermitteln, in welchen Räumen sie gehangen haben könnten. Eine eindeutige Antwort konnte nicht gegeben werden. Um eine Diskussion über die Tapeten zu eröffnen, sind mehrere Fragen zu stellen: Für welchen Ort sind sie hergestellt worden? Welche Funktion haben sie gehabt? Weil die Motive wechseln und sowohl als Familienszenen gedeutet werden können wie auch als Motive mit öffent­licherem Charakter, ist zu fragen, ob ihre Funktion nur rein dekorativer Natur war. Zweck und Funktion müssen 7 Beijer, Agne: Den Königs­marckska maskeradtapeten, in: Vision och gestalt. Studier tillägnade Ragnar Josephson, Stockholm 1958, S. 128 – 149. 8 Z. B. Johannesson, Lena (Hg.): Konst och visuell kultur i Sverige före 1809, Kristianstad 2007; Lindgärde, Valborg, u. a.: Wår lärda Skalde-Frau. Sophia Elisabet Brenner och hennes tid, Lund 2011.

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genauso überprüft werden wie die Deutung der Motive. Eine hochaktuelle Frage ist auch, welche Rolle die Schwestern Aurora und Amalia von Königs­ marck bei der Ausgestaltung der Motive gehabt haben können. Dies sind die Forschungsaufgaben, vor denen wir stehen. Es hat ebenfalls Versuche gegeben, die Tapeten zu datieren. Auch in dieser Frage fehlt konkretes Quellenmaterial. Durch Motivanalyse konnte eine grobe Datierung erfolgen, wenn dies auch keine Auskunft darüber gibt, wann die Tapeten gestickt wurden. Es gibt außerdem keine historischen Angaben über die Rangordnung der Tapeten untereinander. Die Forschung hat bisher zwei Hauptspuren verfolgt, zum einen die Beschreibung der Motive und zum anderen den Versuch, konkrete Vorbilder zu finden. Um die oben genannten Fragen weiterführen zu können, müssen die Motivgruppen zusammengefasst werden. Zu jeder einzelnen Tapete werde ich einige persön­liche Reflexionen aufzeigen, die als Interpretationsvorschlag gesehen werden können. Ich werde die Aufmerksamkeit auch den Borten, deren Gestaltung und ihren ikonographischen Details widmen. Die Borten sind Teil der Motive und wirken durch ihre Ausgestaltung und ikonographischen Details zusammen mit den einzelnen Bildmotiven der Tapeten. Die bisherige Forschung hat die Borten ledig­lich als dekorative Einrahmungen mit einigen wenigen Bildelementen gesehen, doch haben sie, wie sich zeigen wird, eine entscheidende Bedeutung für die Deutung des Hauptmotivs.

Die Tapeten Barndomen (Die Kindheit) und Ålderdomen (Das Alter) Die kleinsten Tapeten werden Barndomen (Abb. 22) und Ålderdomen (Abb. 23) genannt, seit Rydström dies als motivische Interpretation vorgelegt hat.9 Auf der Tapete Barndomen stillt eine Mutter ihr Wickelkind. Die Mutter sitzt auf einem Stuhl vor einem Schirm, den rechten Fuß auf einer Fußbank. Sie ist nach links gewandt. Der Raum schließt hinten rechts mit einer quastenverzierten Draperie ab. Links wird ein Himmelsausschnitt mit Wolken wiedergegeben. Auf der Tapete Ålderdomen ist ein alter bartgeschmückter Mann auf einer Bank in einem loggiaähn­lichen Raum abgebildet. Er ist mit einem bis zu den Füßen hinunter reichenden Gewand bekleidet und hat die Hände gefaltet. Die Gestalt des Mannes ist nach rechts gewandt. Hinter ihm verhüllt ein Vorhang einen Teil der Wand. Der Hintergrund öffnet sich nach rechts zu einer Landschaft mit einem Mausoleum, das von einem Sensenmann bekrönt ist. Ein

9 Rydström, wie Anm. 3, S. 36.

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Abendhimmel mit Sonnenuntergang und dunklen Wolken bildet den Hintergrund für das ganze Motiv. Die Vanitassymbolik ist offensicht­lich. Cnattingius meinte, dass beide Motive wahrschein­lich die Menschenalter symbolisieren.10 Es ist hervorzuheben, dass das Gesicht der stillenden Mutter Porträtähn­lichkeit mit Amalia Wilhelmina Lewenhaupt hat. Es kann daher ein Porträt von ihr und dem 1690 erstgeborenen Kind, einer Tochter, sein. Dieses gibt uns eine mög­liche Datierung des Motivs. Für den Mann auf der Tapete Ålderdomen kann ich keine Porträtähn­lichkeit nachweisen. Sollten weitere Referenzen zur Familiengeschichte eine Rolle spielen, ist auf den Tod des Vaters der Geschwister Königs­marck 1673 und der Mutter 1691 hinzuweisen. Das Motiv kann eine abstrakte Gestaltung vom Gegensatz des Lebens und des Todes sein und ist an sich populär als Vanitas- und Memento-Mori-Thema der Barockkunst. Obwohl ein inhalt­licher Zusammenhang zwischen den Motiven herrscht, ist die Ordnung nicht selbstverständ­lich.

Die Borten Die Gestaltung der Borten und ihre Integration ins Motiv als Gesamtheit zeigt, dass jede Tapete konkret von den Familien Königs­marck und Lewenhaupt handelt. Die Forschung über die Tapeten war, wie schon erwähnt, auf die Bildmotive selbst fokussiert. Die einrahmenden Borten wurden als von zweitrangiger Bedeutung behandelt. Einige Details sind benannt worden. Die Gestaltung der Borten als ein Proszenium, ein Bühnenportal, ist der Theaterwelt entnommen. Diese Funktion im Verhältnis zu jedem einzelnen Motiv ist meines Erachtens von zentraler Bedeutung für die Interpretation der Motive und den Zweck der Tapeten. Sie sind nicht gestickt worden, um als Wandschmuck in einem Saal in einem von der Hauptstadt abgelegenen Schloss – oder richtiger Herrenhaus – zu hängen. Sie hatten meines Erachtens vielmehr die primäre Funktion der Repräsentation, indem sie die soziale Positionierung der Familie Königs­marck in Vereinigung mit der Familie Lewenhaupt im innersten Kreis des schwedischen Adels und somit der schwedischen Gesellschaft bezeugen. Pontins Auffassung, dass die Tapeten die Namen der Schwestern Königs­marck tragen, interpretiere ich so, dass er die von den Familien Königs­marck und Lewenhaupt vereinigten Wappenschilde meint, die den krönenden Mittelpunkt einer jeden Borte ausmachen. Die Wappenschilde werden als ikonographisches

10 Cnattingius, De Königs­marckska tapeterna, wie Anm. 6, S. 160.

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Symbol verwendet, um klarzustellen, dass die Tapeten von genau diesen zwei Familien handeln. Die Borten sind bei allen Tapeten gleichwertig gestaltet. Wie eine Theaterbühne sind sie unten mit ein paar Treppenstufen zum Bildmotiv hin geöffnet. Wir Betrachter befinden uns somit im Parkett, um Teil zu nehmen an den verschiedenen Akten einer Vorstellung. Die Bühnenöffnung ist an jeder Außenkante unten mit Fayence-Urnen mit blauem Motivdekor dekoriert. In den übrigen Ecken befinden sich Kartuschen, sowie zwischen ihnen und den Wappenschilden in der Mitte Texttafeln. Die visuellen Symbole und Textzitate der Borten korrespondieren mit dem jeweiligen Tapetenmotiv, das wir auf der Bühne aufgeführt sehen. Die Funktion der Borten als Proszenium weicht ab vom zeitgenössischen Brauch, sie als geschlossenen Rahmen zu gestalten. Es ist eine sowohl ungewöhn­liche als auch raffinierte Bild- und Gedankenkomposition, verschiedene Teile und Bedeutungen zu einer motivischen Gesamtheit zusammenzufügen. Dieser Umstand muss in die Motivfunktion einbezogen werden. Die Gestaltung der Borten als ein Proszenium verstärkt die zentralperspektivische Komposition der Tapeten. Dies wird weiter durch das von links kommende Licht verstärkt, das Schatten auf die Unterkanten der Außenseiten des Proszeniums wirft. Der Eindruck eines Theaterraums wird so intensiviert. Bedenkt man, dass Mitglieder der Familien Königs­marck und Lewenhaupt tatsäch­lich auf der Bühne standen, wird die Gestaltung der Borten als Proszenium umso naheliegender.

Triumftapeten – Die Triumphtapete Die Triumftapeten und die Rikssalstapeten, die Reichssaaltapete, beide ca. 240 cm im Quadrat, sind die mittelgroßen Tapeten. Cnattingius hat der Triumftapeten 1948 ihren Namen gegeben (Abb. 26). Die Tapisserie zeigt eine Frau in einem Streitwagen, der von vier Löwen gezogen wird. Neben ihr geht ein Mann in Rüstung. Gemeinsam halten sie die Zügel des Wagens. Auffällig ist die Porträtähn­ lichkeit der Frau mit Aurora von Königs­marck. Der Mann neben ihr wurde als einer der Brüder Königs­marck gedeutet. Es kann meines Erachtens aber kein anderer sein als der Mann der Schwester Amalia, Carl Gustaf Lewenhaupt. Dafür spricht neben der Porträtähn­lichkeit ein ikonographisches Symbol, das einen Anhaltspunkt bietet: Die Stichwaffe, der Dolch, den er an seiner linken Seite trägt, ist mit einem Löwenkopf, dem Familiensymbol, gekrönt. Derselbe Dolch mit Löwenkopf kehrt auch bei der männ­lichen Hauptperson auf der Maskeradtapeten wieder. Dadurch kann er als Carl Gustaf Lewenhaupt identifiziert werden. Dasselbe muss für die Triumftapeten gelten. Aurora hält kein

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Zepter in der Hand, wie gesagt wird,11 sondern ein Zepter mit einem Auge in einem Stern, ein Symbol für Gottes Allsehendes Auge. Dieses eröffnet eine andere Deutung des Motivs. Auf ein motivisches Vorbild für Aurora im Streitwagen wies schon Ada ­Rydström hin: Es handelt sich um einen der Kupferstiche in der Lobrede für den Großvater der Geschwister Königs­marck, Hans Christoph von Königs­ marck, die 1663 in Amsterdam gedruckt wurde (Abb. 21). Was nicht angemerkt wurde, ist, dass es ein Vorbild für das Motiv in diesem Kupferstich gibt. Die Frau im Streitwagen in der Lobrede ist ein direktes Zitat aus der Helmzier im Adelswappen der Familie. Es ist Königin Maria von Ungarn, die im 14. Jahrhundert von Rüdiger von Königs­marck aus der Gefangenschaft gerettet wurde. Von ihrer Schönheit geblendet soll Rüdiger als Dank für seine Heldentat die drei Rosen, die sie am Herzen trug, begehrt haben. Sie gab ihm die Rosen und küsste ihn. „Då kände rosenriddaren en våg av eld brusa genom sina ådror, och sedan den dagen har Rudiger von Königs­marcks ättlingar i sitt vapen burit en krönt dame med trenne rosor i handen. De drogo ut i världen, men i deras blod brann alltid den mäktiga elden. Det var längtan efter faror och äventyr, och kanske mest av allt – längtan efter kärlek“, so wird noch heute über die Folgen des Kusses und der Rosen berichtet.12 Aurora von Königs­marck im Streitwagen muss bei der Interpretation als ein komplexes Motiv beachtet werden. Sie ist nicht nur als sie selbst dargestellt. Als Heerführerin im Streitwagen ist sie auch die Königin, die mit der Frau der Helmzier – Königin Maria aus der Familienlegende – verg­lichen werden kann. Berücksichtigt man bei der Interpretation zugleich die Bedeutung der mythologischen Göttin Aurora, die morgens die Pforten des Ostens öffnet, um die Sonne hereinzulassen, tritt eine noch komplexere Symbolik auf; insbesondere, wenn beachtet wird, dass Aurora von Königs­marck ein Zepter mit dem Gottesauge trägt.

11 Laut Cnattingius, De Königs­marckska tapeterna, wie Anm. 6, S. 158, und Tham, Ulla: Königs­marckska salongen, in: Inblick i konsten. Konstsamlingen i Östergötlands museum, Linköping 2000, S. 60. Der achteckige Stern, der das Gottesauge umrahmt, könnte in sich als zusätz­liches Sinnbild für Wiedergeburt interpretiert werden. 12 Funch, Elsbeth: Gestalter och öden, Malmö 1953, S. 71. („Da fühlte der Rosenritter eine Woge von Feuer durch seine Adern brausen, und seit dem Tag haben die Nachfahren des Rüdiger von Königs­marck eine gekrönte Dame mit drei Rosen in der Hand in ihrem Wappen getragen. Sie zogen hinaus in die Welt, aber in ihrem Blut brannte immer das mächtige Feuer. Es war die Sehnsucht nach Gefahren und Abenteuern, und vielleicht am meisten von allem – die Sehnsucht nach Liebe“).

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Die Eckkartuschen stellen auf der einen Seite ein Sternenteleskop, auf der anderen Seite einen Springbrunnen dar. In der Ikonographie des Barock sind dies neuplatonische Sinnbilder für die irdisch und himmlisch aufgeteilte Liebe, Sinnbilder für die tugendhafte christ­liche Liebe. Die Texttafeln geben lateinische Sprichwörter wieder.13 Die Heraklesmotive der Fayence-Urnen sind schon in der früheren Forschung beschrieben worden. Die linke Urne zeigt Herakles mit Fell und Keule. Das rechte Bildmotiv ist jedoch fehl interpretiert worden. Es ist nicht der dreiköpfige Hund, den Herakles trifft, sondern der Cerberushund. Die Motivwahl ist von zentraler Bedeutung, weil dies die letzte der zwölf Großtaten des Herakles ist. Indem er auch diese gewann, bewies er seine Unbesiegbarkeit. Diese persön­ liche Eigenschaft wird symbolisch auf Carl Gustaf Lewenhaupt übertragen, die männ­liche Hauptperson des Motivs. Der schwedische Hofmaler David Klöcker von Ehrenstrahl (1628 – 1698) beschrieb 1694 einen gut ausgeführten Bildaufbau wie ein Rebus, ein Bilderrätsel.14 Einige direkt wieder erkennbare Bildelemente bieten einen ersten Zugang. Für das Verständnis der tieferen Bedeutung und des Sinns des Kunstwerkes erfordert es eine eingehendere Auseinandersetzung – des Künstlers in Bezug auf die Komposition und Ikonographie des Bildes und des Betrachters bei seiner Begegnung mit dem Bild. So sind auch die Tapetenmotive aufgebaut. Das Zusammenspiel verschiedener Bedeutungsebenen – Symbole und Familienereignisse – ermög­lichen unter Einbeziehung der Borten ein tieferes Verständnis des Hauptmotivs.

Rikssalstapeten – Die Reichssaaltapete Die Rikssalstapeten stellt die vier Repräsentanten der Stände dar, versammelt im Reichssaal im alten Stockholmer Schloss (Abb. 27). Durch frühere Forschung ist festgestellt worden, dass es sich um den Reichstag von 1686 handelt. Dieses ist das einzige bekannte Bild des 1697 abgebrannten Reichssaals.15 Die 13 Terrestis non sufficit (aus Juvenalis’ Satire) und Æmulare altiora. 14 Ehrenstrahl, David Klöcker von: Die vornehmste schildereyen, welche in denen Palästen des Königreiches Schweden zu sehen sind, Stockholm 1694. 15 Schrift­liche Quellen geben in begrenztem Maße Auskunft über die Einrichtung des Reichssaals. So ist beispielsweise bekannt, dass die Decke mit Landschaftswappen verziert war. Der Thron aus Silber von 1650 wurde bei dem Brand gerettet. Vgl. auch Katalog över riksdagshistoriska utställningen 1935, Stockholm 1935.

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Repräsentanten sind im Vordergrund so nahe an der Vorderkante der Bühne platziert, dass sich einige Zehenspitzen außerhalb des Bühnenbodens befinden. Gezeigt werden von links die Vertreter des Adels, der Bürgerschaft, des Bauern­standes und des Priesterstandes. Durch die Porträtähn­lichkeit mit Peder Olofsson, dem Sprecher des Bauernstandes, ist bestimmt worden, um welchen Reichstag es sich handelt: Olofsson war nur 1686 der Sprecher der Bauern. Das Motiv ist stark zentralperspektivisch konstruiert. Der Fluchtpunkt liegt im Hintergrund des Reichssaals direkt über dem leeren Thronstuhl des Königs. An der Decke werden die schwedischen und finnischen Landschaftswappen dargestellt und direkt über den Ständerepräsentanten vier Embleme mit ­Sprüchen und Symbolen, die jedes auf seine Weise Sinnbilder für die vier Stände sind. Die Ständerepräsentanten sind um einen Podiumstisch versammelt, auf dem die Bibel und das Gesetzbuch liegen. Das neue Kirchengesetz wurde 1686 angenommen. Die Gesten der Repräsentanten zeigen, dass sie Treue schwören – dem Land und Gesetz, der Kirche und dem König. Der Repräsentant des Adels war beim Reichstag von 1686 der Landmarschall Erik Lindschiöld, übrigens ein intimer Freund der Familien Königs­marck und Lewenhaupt. Vergleiche mit zeitgenössischen Porträts zeigen, dass Lindschiöld sich auf der Rikssals­ tapeten nicht ähn­lich sieht.16 Dagegen stimmen die Gesichtszüge mit denen von Carl Gustaf Lewenhaupt überein:17 ein Indiz für das Standesbewusstsein der Familien Königs­marck und Lewenhaupt. Historisch nicht belegt werden können die palmblattgekrönten Säulen. Das Motiv der Palmen ist auch in einer anderen Quelle zu finden: in der bereits erwähnten Lobrede auf den Groß­ vater Königs­marck. Die Borten rund um das Motiv waren schwer beschädigt und wurden deswegen 1904 restauriert. Die Fayence-Urnen mit den Motiven stammen von den Originalborten. Ein Stück oberhalb von ihnen beginnen die restaurierten und zum Großteil ganz neuen Borten. Die Eckkartuschen sind mit den Wappenschilden der damaligen Besitzer verändert worden. Es fehlt eine Dokumentation über den Ursprungszustand. Dies hat zur Folge, dass ikonographische Details für eine tiefer gehende Deutung mit aller Wahrschein­ lichkeit verlorengegangen sind.

16 Wie z. B. das Porträt von Erik Lindschiöld (1634 – 90) von einem unbekannten Künstler, Ölgemälde, 17. Jh., in der Sammlung der Stifts- och Landsbiblioteket, Linköping. 17 Vgl. z. B. das Bild von David Richter d. Ä. (1662 – 1735): „Porträtt av Carl Gustaf Lewenhaupt“, Öl auf Leinwand, undatiert, Östergötlands museum, Linköping, Inv. Nr. LM 1973:6.

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Maskeradtapeten – Die Maskeradentapete und Allegoritapeten – Die Allegorietapete Die zwei größten Tapeten sind die Maskerad- und Allegoritapeten mit einer Breite von ca. 405 cm. Rydström gibt an, dass die erstgenannte „alltid har k­ allats Maskeraden.“18 Die Allegoritapeten hat ihren Namen durch Cnattingius erhalten.19 Beide Tapetenmotive sind ausgeprägt zentralperspektivisch aufgebaut. Die Gestaltung der Borten als ein Proszenium verstärkt auch hier den Charakter des Bildraums als Theaterbühne. Das Motiv der Maskeradtapeten ist als eine Szene aus einem Schauspiel beschrieben worden, in dem Aurora von Königs­marck in der Rolle der Pallas Athene auftritt (Abb. 24). Der Mann rechts von ihr, den sie auf die andere Seite des Raumes führt, wurde als ihr Bruder Philipp Christoph gedeutet. Weil er den gleichen Dolch mit dem löwengekrönten Griff trägt wie der Mann auf der Triumftapeten und außerdem eine auffallende Ähn­lichkeit mit Carl Gustaf Lewenhaupt aufweist, muss er es sein und nicht Auroras Bruder. Die als Aurora von Königs­marck gedeutete Frau ist auch nicht Aurora. Nachdem das Nationalmuseum 2009 ein Bild von Amalia von Königs­marck aus dem Jahr 1689 erwarb, auf welchem sie sich selbst zusammen mit einer anderen Frau, vermut­lich der Schwester Aurora, porträtiert hat, die ein Bildnis der schwedischen Königin Ulrika Eleonora hält, kann festgestellt werden, dass die Pallas Athene in Wirk­lichkeit Königin Ulrika Eleonora ähnelt.20 Die enge Beziehung der Schwestern Königs­marck zur Königin ist bekannt. So ehrten das Königspaar und die Königinwitwe Amalia und Carl Gustaf Lewenhaupt durch die Anwesenheit bei ihrer Hochzeit in Stockholm im Februar 1689. Die Figuren in der Gruppe links sind teilweise aus der Commedia dell’arte übernommen. Die tanzende Frau zeigt Porträtähn­lichkeit mit Amalia von Königs­marck. Der Mann hinter ihr kann als der Bruder Philipp Christoph identifiziert werden. Der Bruder Carl Johan war bereits 1686 gestorben. Die Gruppe von Frauen, von der Carl Gustaf Lewenhaupt weggeführt wird, wurde als Frau Wollust und ihre drei Töchter gedeutet.21 Die Interpretation ist glaubwürdig. Die Eckkartuschen der Borten zeigen auf der einen Seite eine Figur (mög­licherweise ein Teufel) mit Sanduhr, auf der anderen Seite Blumen. 18 Rydström, wie Anm. 3, S. 34. („immer Maskerade genannt worden ist“). 19 Cnattingius, De Königs­marckska tapeterna, wie Anm. 6, S. 150 – 151. 20 Amalia Wilhelmina von Königs­marck (1663 – 1740): „Allegoriskt porträtt“, 101 x 120 cm, Öl auf Leinwand, 1689, Nationalmuseum, Stockholm, Inv. Nr. NM 7060. 21 Beijer, wie Anm. 7, S. 144.

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Die Kartuschen in der oberen Borte geben ein Zitat aus dem Buch Sirach wieder.22 Der bühnenmäßige Aufbau des Tapetenmotivs kann in Beziehung zur Theater­tätigkeit der Schwestern Königs­marck gesetzt werden. Bereits 1684 hatte Aurora von Königs­marck Racines Tragödie Iphigénie mit nur Frauen in den Hauptrollen aufgeführt. Dazu schrieb Aurora einen Prolog, in dem sie selbst die Rolle „der Geschichte“ spielte. So stellte sie „die Geschichte“ dar, um im gleichen Augenblick selbst Geschichte zu schreiben. Die Tapete zeigt Aurora in dieser Rolle und dokumentiert damit gleichsam das Geschehene. In der Figurengruppe links befindet sich Il Dottore, der ein Papier hochhält, auf dem steht: durch Schauspiel zeige ich die Sitten der Menschen (aus dem Lateinischen übersetzt).23 Eines der in Schweden meist geschätzten szenischen Werke der Zeit war Georg Stiernhielms Hercules; dieses sollte bei der Interpretation des Tapetenmotivs bedacht werden. Die Hauptpersonen der Tapisserie können durch Porträtvergleiche anderen Persön­lichkeiten zugeschrieben werden. Das Motiv sollte deshalb umgedeutet werden. Handelt es sich um eine Maske­rade oder um ein moralisierendes Sinnbild? Meiner Meinung nach ist es eine moralisierende Allegorie mit Fokus auf die Ehe. Carl Gustaf Lewenhaupt steht, wie Herkules, am Scheideweg. Das Zitat aus dem Buch Sirach kann wie die Antwort von Frau Tugend auf die Rede von Frau Wollust sein.24 Carl Gustaf Lewenhaupt wählt Amalia von Königs­marck und die Ehe. Von dieser Wahl handelt die Ikonographie der Tapete. Das Motiv stellt meines Erachtens keine Maskerade dar. Aufgrund der Neuinterpretation schlage ich vor, die Tapete „Heiratstapete“ zu nennen. Die Allegoritapeten ist, wie auch die Maskeradtapeten, wie eine Theaterbühne aufgebaut, mit einem Hintergrund in Form eines Säulensaals, der sich zu einer Landschaft mit einer Gutsanlage zur Rechten öffnet (Abb. 25). Das Motiv wurde

22 Die Schlagzeile des Kapitels, aus dem das Zitat entnommen ist, lautet: Vorsicht im Umgang mit Frauen (aus dem Lateinischen übersetzt). Die Verse insgesamt lauten gemäß angegebenen Textstellen (Buch Sirach 9:4, 8 – 9, 11 – 13): Lass dich nicht hinreissen von der Sängerin, damit sie dich nicht mit ihren Künsten fängt. Wende deinen Blick weg von schönen Frauen, und schau nicht nach Reizen, die dich nichts angehen, denn schöne Frauen haben schon viele betört und Leidenschaft hat sie wie Feuer verzehrt. Sitze nicht bei der Frau eines andern und schmause nicht mit ihr und scherze nicht mit ihr beim Wein, damit nicht dein Herz sich ihr zuneigt und dein Blut vergossen wird und du zur Grube fährst (aus dem Lateinischen übersetzt). 23 Cnattingius, De Königs­marckska tapeterna, wie Anm. 6, S. 149. 24 Beijer, wie Anm. 7, S. 145.

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beschrieben als eine Zusammenführung von „religiösa och ­allegoriska figurer, de sköna konsterna, goda egenskaper m. m.“25 Das Motiv ist, so scheint es, in drei Teile aufgeteilt, stellt jedoch eine ikonographische Gesamtheit dar. In der Mitte befindet sich eine Frau, umgeben von vier weib­lichen Gestalten, die die Klugheit, den Gehorsam, die Wachsamkeit und die Hoffnung symbolisieren. Die Porträtähn­lichkeit weist die Hauptfigur der Gruppe als Amalia von Königs­ marck, jetzt verheiratete Lewenhaupt, aus. Vor ihr knien zwei Kinder, die ihre 1691 geborenen Zwillinge Charles Emil und Ulrika Augusta sein müssen. Sie sind, wie die Mutter, zur Figurengruppe links gewandt. Die Figuren in dieser Gruppe sind um eine auf einem Thron sitzende Frau versammelt. Sie streckt das Kreuz, Symbol der christ­lichen Kirche, hervor und auf der Brust trägt sie die Inschrift „JESVS CHRISTVS“. Ihre ganze Haltung zeigt, dass sie sich Amalias Sohn Charles Emil zuwendet. Ein Engel zu ihren Füßen reicht Amalias Sohn ein Buch mit dem Text „CATECH“ und dem Monogramm „CEL “. Um die Frau herum befinden sich stehend Moses mit den Gesetzestafeln, Salomon mit Zeichnungen des Tempels in Jerusalem, sowie weitere sechs Personen, darunter ein Mann, der an seinen Handschellen zerrt. Auf der gegenüberliegenden Seite gibt es eine Gruppe von weib­lichen Gestalten, die um eine sitzende Frau versammelt sind, die Philosophie, die aus „SAPIENTA HUMANA“ vorliest, das aufgeschlagen auf einem Lesepult liegt. Die sieben weib­lichen Gestalten um die Philosophie herum repräsentieren durch ihre Symbole die Poesie, die Mathematik, die Malkunst, die Astronomie, die Musik, die Bildhauerkunst und die Baukunst. Die Ikonographie der Borten führt uns zur Deutung des Motivs. Die Schrifttafeln geben ein Zitat aus Matthäus 6,33 wieder: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen (aus dem Lateinischen übersetzt). In den Eckkartuschen sind Gottes Auge und ein Füllhorn und Buch als Sinnbilder himmlischen und irdischen Glücks dargestellt. Die Hauptpersonen der Allegoritapeten sind Amalia und ihr erstgeborener Sohn. Ein Interpretationsvorschlag ist, dass mit Hilfe von Tugenden, schönen Künsten, Wissenschaften und christ­lichem Glauben der Mensch auch Einsicht in die „Sapienta Humana“, die mensch­liche Weisheit erhält. Der Inhalt ist eine didaktische Lektion, gerichtet an das zukünftige Familienoberhaupt. Auf der Allegoritapeten gibt es eine weitere Figur, die nicht zur Ikono­graphie des Hauptmotivs gehört, aber deren Anwesenheit Bedeutung beigemessen

25 Cnattingius, De Königs­marckska tapeterna, wie Anm. 6, S. 161. („religiösen und allegorischen Figuren, den schönen Künsten, guten Eigenschaften usw.“).

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werden muss, die einer Interpretation bedarf. Es ist der Mann links, der zwischen uns Betrachtern und den Geschehnissen als Rückenfigur in die Szene einführt. Seine ganze Aufmerksamkeit ist auf das gerichtet, was sich auf der Bühne abspielt. In der rechten Hand hält er einen Federkiel; seine Rolle ist interaktiv. Cnattingius meint, es lasse sich durch Porträtähn­lichkeit feststellen, dass es sich um den schwedischen Hofmaler David Klöcker von Ehrenstrahl handelt.26 Dies ist eine relevante Beobachtung. Was kann die Anwesenheit Ehrenstrahls auf einer Tapete mit Motiven von Ereignissen im Leben der Familien Königs­marck und Lewenhaupt erfordern? Ehrenstrahl war der Lehrer der Schwestern Aurora und Amalia. Dieses eröffnet die Frage, wer der Künstler oder die Künstler der Tapetenmotive sind. Amalias Künstlertum wurde durch den Erwerb des bereits genannten Selbstporträts von ihr durch das Nationalmuseum in Stockholm in ein neues Licht gerückt. In der Kunstgeschichtsschreibung ist bislang kein größerer Fokus auf ihre Werke gerichtet worden. Sie wurden eher als amateurhaft oder dilettantisch angesehen, obwohl sie von ihren Zeitgenossen in ihrem Geschick als Künstlerin als „Apelles överkvinna“ („Apelles weib­licher Übermensch“) gefeiert wurde. Beide Schwestern besaßen gediegene künstlerische Fähigkeiten. Sie gehörten auch zu den intellektuellen Humanisten ihrer Zeit. Ihre Rollen im zeitgenössischen Kulturleben in Stockholm und im engeren Kreis um die Königsfamilie sind in der Folge von Literaturhistorikern und Historikern hervorgehoben worden. Ihre Kenntnisse in Kunstfragen, Mythologie, Geschichte, Ikonographie und Literatur bedeuteten, dass sie selbst die Voraussetzungen hatten, die Urheberinnen sowohl der formalen Bildkonstruktionen als auch der inhalt­lichen und ikonographischen Gestaltung der sechs Tapetenmotive zu sein. Da nun Ehrenstrahl mit dem Federkiel in der Hand in einer der Tapeten interagiert, muss man sich fragen: Warum? Ist es, um ein Gemeinschaftswerk anzudeuten? Oder ist es eine Hommage, eine Verehrung, an den Lehrer Ehrenstrahl? Ausschließ­lich die Schwestern Aurora und Amalia selbst können die eingehenden Detailkenntnisse von der Familie und den Familiengeschehnissen gehabt haben, die der Hintergrund für die verschiedenen Motive sind. Ehrenstrahl kann ihnen bei ikonographischen Fragen oder mit der Bildkomposition geholfen haben. Lassen Sie uns deshalb die Annahme einer Gemeinschaftsarbeit zwischen den Schwestern Aurora und Amalia und ihrem Lehrer Ehrenstrahl Ausgangspunkt sein für die weitere Diskussion über die Tapetenmotive.

26 Ebd., S. 154.

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Die Konstruktionen und sozialen Dimensionen der Motive müssen außerhalb der Bildkonventionen und der Ikonographie der Barockmalerei beleuchtet werden. Die weitere Forschung muss auch auf die Frage gerichtet werden, welche Funktion die Tapeten in einem soziokulturellen Zusammenhang haben. Es geht darum, für welchen Ort sie gedacht waren und welches ihre motivische Funktion war. Wurden sie für den privaten, familiären Gebrauch an einem abgelegenen Ort in Småland geschaffen? Oder wurden sie geschaffen, um in Stockholm gezeigt zu werden, dort, wo die symbolischen Bedeutungen der Motive deut­licher wurden im Hinblick auf beispielsweise das Streben der Familie Königs­marck nach sozialer Positionierung in einem inneren, engeren Kreis uralter schwedischer Adelsfamilien mit schon vergebenen Rollen?

MARTIN LOESER

Maria Aurora von Königs­marck als galante Förderin Johann Matthesons Der Hamburger Publizist, Opernsänger, Musiktheoretiker, Komponist, Gesandtschaftssekretär und spätere Legationsrat Johann Mattheson (1681 – 1764) gilt als eine zentrale Figur der Kulturgeschichte des frühen 18. Jahrhunderts. Mit der 19 Jahre älteren Maria Aurora von Königs­marck verbindet ihn in prominenter Weise die Zueignung seiner ersten, im Jahr 1713 erschienenen Musikmonographie Das Neu=Eröffnete Orchestre.1 Eine Besonderheit dieser Schrift sind ihre Zielgruppe und inhalt­liche Ausrichtung. Es handelt sich im Prinzip um eine musikalische Elementarlehre in aufklärerischer Manier, in der von den Notenschlüsseln, Noten und Intervallen über musikalische Formen, Gattungen und Stile bis hin zu Geschmacksurteilen alles gestreift und die Tradition immer wieder hinterfragt wird.2 Matthesons Ausführungen wenden sich allerdings nicht, wie sonst bei musikalischen Lehrbüchern dieser Zeit üb­lich, an den Fachmann oder künftigen Experten, sondern explizit an den Galant Homme, der einen vollkommenen Begriff von der Hoheit und Würde der edlen Music erlangen / seinen Gout darnach formiren / die Terminos technicos verstehen und geschick­lich von dieser vortreff­lichen Wissenschafft raisonniren möge.3 Mit dem galant homme ist der Typus des Hofmannes angesprochen, wie er ursprüng­lich im 16. und 17. Jahrhundert in Baldassare Castigliones Cortegiano und Nicolas Farets L’honneste Homme ou l’art de plaire à la court vorbildhaft beschrieben worden war. Im frühen 18. Jahrhundert geht die Adressierung von Matthesons Schrift aber weit über den höfischen Kontext hinaus. Bernhard Jahn zufolge weitete sich „der Begriff des Galanten um 1700 auf alle Lebensbereiche

1 Mattheson, Johann: Das Neu=Eröffnete Orchestre, Oder Universelle und gründ­liche Anleitung/Wie ein Galant Homme einen vollkommenen Begriff von der Hoheit und Würde der edlen Music erlangen/seinen Gout darnach formiren/die Terminos technicos verstehen und geschick­lich von dieser vortreff­lichen Wissenschafft raisonniren möge. Mit beygefügten Anmerckungen Herrn Capell=Meister Keisers, Hamburg: Auct. 1713, Reprint mit einer Einführung von Dietrich Bartel (Laaber-Reprint 3,1), Laaber 32007. 2 Vgl. hierzu beispielsweise Lütteken, Laurenz: Matthesons Orchesterschriften und der englische Sensualismus, in: Die Musikforschung 60 (2007), S. 203 – 213. 3 Mattheson, Das Neu=Eröffnete Orchestre, wie Anm. 1, Titelseite.

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aus“ und setzte „Normen […] für ein ,decorumgemäßes‘ Verhalten in privaten wie öffent­lichen Situationen.“4 Zu den Kompetenzen eines galant homme zählte – und dies unterstreicht Matthesons Schrift nachdrück­lich – auch die Musik. Dies gilt nament­lich für Hamburg: Ca. fünf Prozent der Einwohner zählten zur sozialen Oberschicht, die sich im Wesent­lichen aus Kaufmanns-, Patrizier- und Akademikerfamilien zusammensetzte; ebenso existierte eine umfangreiche, aufstiegsbereite Mittelschicht. Von den verbleibenden 95 Prozent der Einwohner gehörten etwa zwei Drittel zur Mittelschicht und nur ein Drittel zur Unterschicht.5 Insbesondere im Bereich dieser städtischen Oberund Mittelschicht dürfte Matthesons primäre Zielgruppe gelegen haben. Umso erstaun­licher erscheint auf den ersten Blick die Zueignung des Orchestre durch den bürger­lichen Städter Mattheson an die Gräfin von Königs­marck. Wie ist dies zu erklären? Wie bereits Dorothea Schröder hervorgehoben hat, geht Matthesons Widmung an Aurora deut­lich über zeitüb­liche Höf­lichkeitsfloskeln hinaus.6 Dieser weist zwar pf­lichtgemäß hin auf die grossen gerecht= und edelmüthigen Qualitäten Ihrer Hochgeb. Excell. nebst dem decisiven Gout, so Dieselben in allen schönen Künsten besitzen 7 und hebt auch ihre musikalische Kompetenz sowie ihre Rolle als ruhmreiche Beschützerin der Musik hervor. Die – zumindest aus Sicht Matthesons – besondere Qualität der Beziehung deutet sich an in seiner Frage, ob man Ihro Hochgräfl. Excell. mehr mit Demuth=voller Liebe oder verliebter Demuth verehren solle.8 Und zu der von Aurora empfangenen Gunst heißt es gar: Es sind ja Faveurs, womit Ihro Hochgräf­liche Excellence mich überschüttet haben / die / ob sie gleich groß und important an sich selber / dennoch einen mächtigen Zusatz gewinnen / durch das überaus gnädige Empressement, die grundgütige Vorsorge /

4 Jahn, Bernhard: Hunold, Christian Friedrich, Pseudonym Menantes, in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 2., neubearbeitete Ausgabe, Personenteil, Bd. 9, Kassel u. a. 2003, Sp. 531 – 533, hier Sp. 532. 5 Zur Bevölkerungsstruktur Hamburgs vgl. Jaacks, Gisela: Hamburg zu Lust und Nutz. Bürger­liches Musikverständnis zwischen Barock und Aufklärung (1660 – 1760) (Veröffent­lichungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 44), Hamburg 1997, S. 15. 6 Vgl. Schröder, Dorothea: Die schöne Gräfin Königs­marck, Wienhausen 2003, S. 47 und den Beitrag von Schröder, Dorothea im vorliegenden Band ab Seite 135. 7 Mattheson, Das Neu=Eröffnete Orchestre, wie Anm. 1, Dedicatio, S. [3v]. 8 Ebd., S. [4v].

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Hertzgewinnende Leutseeligkeit und andere höchst obligeante Umstände / womit Sie Dero unschätzbare Gnade so meister­lich zu accompagniren wissen. Allen diesen tritt noch hinzu / daß Ihro Hochgräfl. Excell. beständig fortfahren / sich ihres Dieners gnädigst zu erinnern / und seinem kleinen Talent dann und wann ein geneigtes Ohr zu 9 leihen / welches ein Kühnerer als ich fast eine Freundschafft nennen würde.

Insbesondere die hier öffent­lich ins Spiel gebrachte – nicht standesgemäße – Freundschaft und die Aurora zugeschriebenen angenehmen Eigenschaften zeigen Mattheson als ihren galanten Verehrer und lassen Aurora aber auch selbst als perfekte Verkörperung und Projektionsfläche des Galanterieideals erscheinen. Wie eindrucksvoll und nachhaltig wirksam die Beziehung zu Aurora gewesen sein muss, verdeut­licht der Sachverhalt, dass Mattheson sich noch in seiner im Jahre 1740 veröffent­lichten Grundlage einer Ehren-Pforte – einer Sammlung von musikalischen Biographien berühmter Musiker – genau an das erste Zusammentreffen mit der Gräfin erinnern kann. Dazu heißt es: Nicht nur die vornehme und liebreiche Gesellschaft einer gewissen ade­lichen Dame, sondern die Ehre, mit der Gräfinn Aurora von Königs­marck, zum erstenmahl bekannt zu werden, genoß Mattheson den 5ten October, und ersten December 1703. Die letztere war eine ungemeine und weitberühmte Beförderinn schöner Wissenschaften, von welcher er hernach sehr viel polirtes erlernet, und hohe Gnade empfangen hat. Die Gelegenheit dazu gab ein ausserordent­liches Concert, welches bey dem Grafen von Eckgh, damahligem Kaiser­lichen Gesandten im Niedersächsischen Kreise, gehalten wurde, und dessen jüngste Fräulein Tochter Mattheson unterwies. Was der Umgang mit solchen Personen des schönen Geschlechts (es mögen auch übeldenckende argwöhnen, was sie wollen und lieben) einem jungen Menschen für äußer­lichen und inner­lichen Nutzen 10 bringet, ist nicht zu beschreiben, auch hier der Ort nicht dazu.

Insbesondere Matthesons Hinweise auf das ‚Polirte‘, das er von Aurora gelernt habe sowie auf den äußer­lichen und inner­lichen Nutzen, den der regelmäßige gesellschaft­liche Verkehr von Frauen und Männern mit sich bringe, verweisen 9 Ebd., S. [5r–5v]. 10 Mattheson, Johann: Mattheson, in: Ders.: Grundlagen einer Ehren-Pforte, woran die Tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler etc. Leben, Wercke, Verdienste etc. erscheinen sollen. Zum fernern Ausbau angegeben, Hamburg 1740. Vollständiger, originalgetreuer Neudruck mit gelegent­lichen bibliographischen Hinweisen und Matthesons Nachträgen, hg. von Max Schneider, Berlin 1910, S. 187 – 217, hier S. 191.

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hier deut­lich auf das Galanterieideal. In dessen besonderer Wertschätzung scheint auch der Schlüssel für die Widmung des Orchestre an Aurora zu liegen, zumal Mattheson angesichts der eher klammen finanziellen Verhältnisse der Gräfin wohl nicht mit einem großzügigen Geldgeschenk rechnen konnte. Um die Bedeutung des Galanterieideals für Maria Aurora und für Mattheson im Folgenden zu verdeut­lichen, wird zunächst skizziert, wie dieses beschaffen ist und inwiefern Aurora dieses verkörperte. In welcher Weise Mattheson davon profitiert haben dürfte, soll dann in einem weiteren Schritt dargelegt werden.

Maria Aurora von Königs­marck als femme galante In Deutschland – und so auch in Hamburg – war die Einschätzung des Galanten aus Sicht des Bürgertums stets zwiespältig. Einerseits faszinierten die an das Galante geknüpften neuen Mög­lichkeiten einer freieren, ungezwungeneren Lebensart sowie die gleichermaßen moderne wie ästhetische Verfeinerung der Sitten im Bereich des eigenen Verhaltens und der Mode, andererseits begegnete man dem Galanterieideal mit Vorbehalten und verband damit Negativmerkmale wie Unaufrichtigkeit und strategisches Handeln. Im Zedlerschen Universal-Lexicon von 1735 spiegelt sich diese Disparatheit in einer Einteilung von Personen in Schein-galante und wahrhafftige galante wider: Hingegen ein Schein-galanter Mensch ist, der zwar ein angenehmes Exterieur an Sitten, Reden und Gebährden hat, allein nichts reelles dahinter ist. Denn die würck­liche 11 Auszierung dieses reellen Wesens machet erst einen wahrhafftig galanten Menschen.

Klingt hier, zu diesem späten Zeitpunkt, vor allem die Gefahr der Oberfläch­ lichkeit und Täuschung durch scheingalantes Verhalten an, ist bereits 1687 in Christian Thomasius’ Discours, welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle eine deut­lich positivere Charakterisierung des Galanten zu finden: Ja ich meine / dass ich nicht irren werde / wenn ich sage / dass bey denen Frantzosen die Galanterie und la Politesse eines sey / […] wie die wahre Politesse darauff beruhe / dass man wohl und anständig zu leben / auch geschickt und zu rechter Zeit zu reden

11 Galant, in: Zedlersches Universal-Lexicon, Bd. 10 (1735), 2. vollständiger photomechanischer Nachdruck, Graz 1994; Sp. 78 f.

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wisse / dass man seine Lebens-Art nach dem guten Gebrauch der vernünfftigen Welt richte / dass man niemands einige Grob- und Unhöff­lichkeit erweise / dass man denen Leuten niemals dasjenige unter Augen sage / was man sich selbst nicht wollte gesagt haben / dass man in Gesellschafft das grosse Maul nicht allein habe / und andere kein Wort auffbringen lasse / dass man bey dem Frauenzimmer nicht gar ohne Rede sitze / als wenn man die Sprache verlohren hätte / oder das Frauenzimmer nicht eines Worts würdig achte; hingegen auch nicht allzu kühne sey / und sich mit selbigen / wie gar 12 vielfältig geschiehet / zu gemein mache […].

Thomasius gibt hier einen vielfältigen Katalog für angemessenes Handeln in ganz unterschied­lichen Situationen an die Hand. Trotz dieser Anweisungen, die wohl als typisch für die bürger­liche Adaptation dieses genuin höfischen Ideals gelten dürfen, ist das Galante bereits von der Sache her kaum angemessen in Regeln zu fassen, da es sich um ein situationsabhängiges, sich in konkreten Handlungen realisierendes Ideal handelt, bei dem nicht nur stets wieder neu abzuwägen ist, welches Verhalten einer Situation am Angemessensten sei,13 sondern auch wie, d. h. in welchem Tonfall und mit welcher Gestik diese Handlung auszuführen sei. Ein Hauptziel besteht dabei für die beteiligten Akteure darin, für den oder die jeweils Anderen mög­lichst angenehm zu sein und eine wohlausgewogene Balance des Handelns herzustellen. Diese im Verbund mit dem gewissen Etwas – als Mischung aus Esprit und dem Je-ne-sais-quoi – praktizierte Höf­lichkeit ermög­licht dann im Idealfall, nicht zuletzt dank der so erzielten Sympathiewerte, die eigenen Interessen erfolgreich zu vertreten. Zu erlernen war ein solches sozial relativ komplexes Handeln nur durch ausgiebige Übung, entsprechende Hilfestellung und Vorbilder. Vor allem Frauen kam dabei in der höfischen Gesellschaft der Status von Lehrmeisterinnen zu. Im Umgang mit ihnen konnte man den eigenen Habitus und das notwendige

12 Thomasius, Christian: Christian Thomas eröffnet Der Studirenden Jugend zu Leipzig in einem Discours, Welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle? Ein Collegium über des Gratians Grund-Reguln / Vernünfftig / klug und artig zu leben (1687/88), in: Christian Thomasens Allerhand bißher publicirte Kleine Teutsche Schrifften / Mit Fleiß colligiret und zusammen getragen; Nebst et­lichen Beylagen und einer Vorrede, Halle 1701, S. 1 – 70, hier S. 13 ff. (Christian Thomasius: Ausgewählte Werke, hg. von Werner Schneiders, Hildesheim, New York 1993 ff., Bd. 22). 13 Vgl. hierzu Bayreuther, Rainer: Perspektiven des Normbegriffs für die Erforschung der Musik um 1700, in: Ders. (Hg.): Musikalische Norm um 1700 (Frühe Neuzeit 149), Berlin/New York 2010, S. 5 – 61.

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Rollenbewusstsein entwickeln und erproben, um für deren jeweils notwendige Performance im Theaterstaat der höfischen Gesellschaft gewappnet zu sein.14 Oder wie der Soziologe Norbert Elias am Beispiel des Theaters formuliert: „Nicht der Inhalt des Stückes ist es, auf den es in erster Linie ankommt, es handelt sich ja fast immer um längst bekannte Stoffe, sondern auf die Feinheit der Manier, in der die agierenden Menschen ihr Schicksal bewältigen, ihre Konflikte lösen, wie auch im Leben der für alle gehobenen Schichten maßgebenden höfischen Gesellschaft die Art und Weise, die Manier, in der der Mensch jeweils eine Situation bewältigt, 15 immer von entscheidender Bedeutung war.“

Auch Maria Aurora von Königs­marck wurde seit frühester Jugend auf diese Aufgabe vorbereitet. Sie erhielt Musik- und Tanzstunden sowie Zeichenunterricht, betrieb Lektüre und Konversation mit den zahlreichen Besuchern ihres Elternhauses und besuchte die verschiedenen Fürstenhöfe in Norddeutschland.16 Als Autorin von galanter und religiöser Lyrik sowie von Singspielen, u. a. in Zusammenarbeit mit Mattheson beim Singspiel Henrico IV, avancierte sie zu einer der bekanntesten deutschen Dichterinnen ihrer Zeit 17 – ein Sachverhalt, der ihren Nimbus als femme galante maßgeb­lich mitgeprägt haben dürfte. Aber auch Aurora selbst sah sich durchaus als solche, wie entsprechende Selbstzeugnisse aus dem Jahr 1682 nahelegen. So bestand ein Großteil ihrer Beschäftigung während eines Sommeraufenthaltes im schwedischen Heilbad Medevi Brunn darin, gemeinsam mit den anderen Aristokraten täg­lich neue Surprisen und Galanterien zu veranstalten 18 und sich bei Maskeraden und Tanzveranstaltungen 14 Vgl. Steigerwald, Jörn: Galanterie. Die Fabrikation einer natür­lichen Ethik der höfischen Gesellschaft (1650 – 1710) (Neues Forum für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft 41), Heidelberg 2011, S. 83 ff. 15 Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft: Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie; mit einer Einleitung: Soziologie und Geschichtswissenschaft (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 423), Frankfurt am Main 71994, S. 170. 16 Vgl. Schröder, Die schöne Gräfin, wie Anm. 6, S. 11. 17 Vgl. Kraft, Stephan: Galante Passagen im höfischen Barockroman. Aurora von Königs­ marck als Beiträgerin zur Römischen Octavia Herzog Anton Ulrichs, in: Daphnis – Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 28 (1999), S. 323 – 345, hier S. 329. Vergl. auch die Beiträge von Kraft, Stephan (ab Seite 59), Andersson, Bo (ab Seite 91) und Lindgärde, Valborg (ab Seite 75) im vorliegenden Band. 18 Zitiert nach Mörner, Graf Birger: Maria Aurora Königs­marck. Eine Chronik, München 1922, S. 94.

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zu vergnügen. Dabei wetteiferten die Anwesenden geradezu, sich einander an Esprit und Einfallsreichtum zu überbieten. Im Rahmen ihrer – mög­licherweise fingierten – Briefe stellt Aurora nicht nur einen Bezug zum galanten Periodikum Le Mercure Galant her,19 sondern offenbar auch zu einer der stilbildenden galanten Autorinnen überhaupt – der Mademoiselle de Scudéry. Schon angesichts des Sachverhalts, dass Madeleine de Scudéry mindestens seit 1670 als eine wichtige Repräsentantin des Galanterie­ ideals galt, „und dies sowohl diesseits als auch jenseits des Rheines“,20 wäre eine Bezugnahme Auroras naheliegend. Konkret äußert sich diese in der Herstellung einer nahezu übereinstimmenden Situation im Rahmen einer von Aurora arrangierten Galanterie. Dabei wird ein Hügel in einer Verbindung aus Maskerade und Konzert in einen musikalischen Parnass verwandelt. Die ­Surprise der Darbietung besteht darin, dass die Maskierten die Musiker nur mimen, alle zusammen Instrumente spielend, oder sich so benehmend, als ob sie spielten. Die Zuhörer waren von ihrer Geschick­lichkeit völlig überzeugt, sie vernahmen jeden Ton, und erfassten nicht, dass die Musique von Spielleuten kam, die sich hinter den Bäu21 men verborgen hielten.

Eine ganz ähn­liche Szene findet sich beispielsweise in de Scudérys Erzählung De l‘air galant (1653/1684). Dort heißt es: Cet agréable lieu étant donc tel que je viens de vous le représenter, Cynégire et Sapho nous y conduisirent: mais à peine y fûmes-nous, que nous ouïmes tout d’un coup une harmonie admirable, qui venait de la second grotte où nous n’étions pas, dans celle où nous étions: et qui la remplissait si agréablement, qu’il n’y eut jamais une plus charmante surprise. D’abord nous crûmes tous que c’était Sapho, qui nous donnait ce divertissement: mais elle en fut elle-même si étonnée, que nous connûmes bientôt que ce n’était pas elle: cependant tout le monde se regardait, et Sapho regardait tout le monde: mais à dire la vérité elle n’eut pas plus tôt regardé Phaon, qu’elle connut que c’était une galanterie qu’il lui faisait. Il ne voulut pourtant pas avouer tout haut: et la chose passa pour un enchantement durant tout le reste du jour, et fournit une agréable 22 matière à la conversation. 19 Vgl. ebd., S. 101. 20 Vgl. Steigerwald, wie Anm. 14, S. 99. 21 Zitiert nach Mörner, wie Anm. 18, S. 104. 22 Scudéry, Madeleine de: De l’air galant, in: Dies.: „De l’air galant“ et autres Conversations (1653 – 1684). Pour une étude de l’archive galante, hg. von Delphine Denis, Paris

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Lassen sich derartige Parallelen zu Mademoiselle de Scudéry durchaus auch mit Blick auf die bereits erwähnte literarische Tätigkeit Auroras ziehen, gilt dies ebenso für ihre ledige und damit weitgehend unabhängige Lebensführung. Insbesondere der Stand als ledige Dame von Rang prädestinierte sowohl Madeleine de Scudéry als auch Aurora von Königs­marck, die Position einer galanten Lehrmeisterin einzunehmen. Erst dadurch war es mög­lich und legitim, ihnen den Hof zu machen und sich dabei in galanten Liebesbekundungen zu üben. Als eine solche darf sicher­lich auch Matthesons wohl im Jahr 1708 entstandene Solokantate Aurora aufgefasst werden.23

Cui bono: Zur Notwendigkeit des Galanterieideals für Mattheson Mattheson fand in Maria Aurora von Königs­marck eine Person vor, die in ­idealer Weise das von ihm favorisierte Ideal der Galanterie – verstanden als ein situationsbezogenes, tugend- und geschmackbasiertes Kommunikations- und Verhaltensideal – glaubwürdig und in überragender Weise verkörperte. Dank dieser Fähigkeit avancierte Aurora in der Lebenswelt der höfischen Gesellschaft des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts geradezu zu einem Sinnbild für das Galante schlechthin und konnte die Funktion einer galanten Lehrerin einnehmen. Denn wie ein zeitgenössischer Brief über sie belegt, der auf ihr Wirken als Mätresse Augusts des Starken in Dresden Bezug nimmt, wurde sie nicht nur von Mattheson als solche gesehen: Die Königs­marck besitzt unend­lichen Esprit und ist immer charmant, immer findet sie ein neues Amusement, das gefällt. Sie weiß genau, wie man einen jungen Fürsten 1998, S. 49 – 57, hier S. 49: „Dieser angenehme Ort war so, wie ich ihn Euch präsentieren werde ; Cynégire und Sapho führten uns dorthin : aber kaum waren wir dort, hörten wir plötz­lich einen wunderbaren Klang, der aus der zweiten Grotte, in der wir [noch] nicht waren ; in diejenige kam, in der wir waren : und dieser [Klang] füllte sie so angenehm, dass es niemals eine charmantere Überraschung gab. Zuerst glaubten alle, dass es Sapho war, die uns diese Zerstreuung schenkte: aber sie war davon gleichermaßen so erstaunt, dass wir bald erkannten, dass diese nicht von ihr kam: wobei alle Anwesenden sich musterten, und Sapho die Anwesenden musterte: aber um die Wahrheit zu sagen, erst als sie Phaon ansah, erkannte sie, dass es eine Galanterie war, die er gemacht hatte. Er wollte dies jedoch nicht zugeben, und die Sache wurde [so] zu einer Bezauberung für den ganzen Rest des Tages und bildete einen angenehmen Gesprächsstoff.“ Übersetzung vom Verfasser. 23 Vgl. hierzu Schröder, Die schöne Gräfin, wie Anm. 6, S. 46 f.

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bezaubert, der für die Ausschweifung geschaffen ist, aber noch ein Neuling in der Kunst, mit Zartheit und gegenseitigem Vergnügen zu lieben. Die Königs­marck besitzt alle 24 Anmut der Welt und versteht sie mit Gewinn einzusetzen.

Auroras Handeln ließe sich somit in eine höfische Tradition einfügen, wie sie in prägnanter Form von dem Romanisten Jörn Steigerwald beschrieben worden ist: „Die besondere Kultivierung der Sitten (des Mannes) durch die Frau ist ein Topos in der Hofmanns-Literatur: Die ,femme galante‘ verfügt wie der Mann über eine galante Natur, die bei ihr sich jedoch eher darin zeigt, daß sie in einer Passivität verharrt und dadurch zugleich eine gedämpfte Variante des männ­lichen ,air galant‘ bietet, die dem Mann, der darüber noch nicht vollständig verfügt, eine Mög­lichkeit zur (Selbst)Regulierung bietet. Die Kultivierungsleistung der Frau für den Mann setzt diese daher nicht über ihn, sondern nur als eine Art Lehrerin kurzzeitig neben 25 ihn, bis er seine eigent­liche Position gefunden hat.“

Auch wenn Maria Aurora aufgrund ihres Standes gesellschaft­lich sicher­lich dauerhaft über Mattheson rangierte, bot sich in der Praktizierung galanter Maximen die Mög­lichkeit zu einem im Idealfall gleichberechtigten Austausch zwischen Aristokraten und bürger­lichen Eliten. Und da galantes Verhalten primär durch den eigenen Vollzug im höfischen Umfeld einzuüben war und weniger aus Büchern erlernt werden konnte, bot sich hier für Mattheson eine unschätzbare Gelegenheit, sich gesellschaft­lich zu vervollkommnen und sich für seine Karriere nicht nur im diplomatischen Umfeld zu wappnen. Ein solcher Nutzen dieser weib­lichen – und nicht nur von Aurora empfangenen – ,Kultivierungsleistung‘ wird gleich an mehreren Stellen von Matthesons Ehren-Pforte deut­lich. Schon mit Blick auf seine Schulzeit heißt es, dass er bereits damals „einiges vornehmes und schönes Frauenzimmer unterrichtete“.26 Zudem vermerkt Mattheson hinsicht­lich seiner Anstellung als Edelknabe des Grafen von Güldenlöw im Jahr 1693, dass die Gelegenheit, „mit hohen Personen beiderley Geschlechts täg­lich umzugehen, […] eine der höhesten Schulen ist.“27 Mit dem hier bekundeten Bestreben, galante Conduite zu erwerben, bildete Mattheson keinen Einzelfall. Wie sehr eine an aristokratischen Lehrgegenständen orientierte Ausbildung – u. a. in Fremdsprachen, Geschichte, Genealogie, 24 Zitiert nach ebd., S. 35. 25 Steigerwald, wie Anm. 14, S. 75 f. 26 Mattheson, Ehren-Pforte, wie Anm. 10, S. 188. 27 Ebd., S. 189.

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Recht, Staatenkunde sowie im Reiten, Fechten, Tanzen und Musizieren –28 in Hamburg im frühen 18. Jahrhundert über den Adel hinaus auch bei den bürger­lichen Eliten gefragt war, ist nicht zuletzt an entsprechenden Quellen aus dem Bildungssektor zu sehen. Bereits 1681 gründete der französische Tanz- und Sprachmeister Charles Des Hayes in Hamburg eine Academie oder Ritter=Schule für die Ade­liche und Kunstbegierige Jugend.29 Und mindestens genauso aufschlussreich sind entsprechende pädagogische Forderungen. So berichtete Johann Hübner, der Rektor des Hamburger Johanneums, 1711 in seiner Antrittsrede über Eltern, die ihre Kinder galant erzogen haben [wollten]; man sollte galante Studien mit ihnen treiben, damit sie sich bei der galanten Welt recommandieren könnten.30 Denn typische bürger­liche Karrierewege führten nach einem Universitätsstudium vielfach in höfische Anstellungen, etwa als Hofmeister, Verwaltungsbeamte oder – wie bei Mattheson – im Nachrichtendienst und Gesandtschaftswesen. Dass insbesondere für einen Gesandten die Qualitäten eines galant homme als zwingend notwendig erachtet wurden, ist nicht zuletzt dem wohl führenden zeitgenössischen Handbuch zum Diplomatenwesen von Abraham de ­Wicquefort zu entnehmen. De Wicquefort, der u. a. als Gesandter und Hofrat in Diensten des Hauses Braunschweig-Lüneburg-Celle stand, wendet sich dabei gegen eine zwar korrekte, aber steif und pedantisch bleibende Amtsausübung und betont stattdessen die Notwendigkeit, in Abhängigkeit von der Situation seine Rolle als Botschafter zu spielen: L’Ambassadeur ne negotie pas toujours; c’est à dire, il ne doit pas faire l’Ambassadeur par tout & en toutes les rencontres. J’ay dit ailleurs qu’il doit être un peu Comedien, et j’y ájouste icy, que peutestre dans tout le commerce du Monde, il n’y a pas un personnage plus Comique que l’Ambassadeur. Il n’y a point de theatre plus illustre que la 28 Vgl. Herrmann, Ulrich: Familie, Kindheit, Jugend, in: Hammerstein, Notker u. a. (Hg.): 18. Jahrhundert. Vom späten 17. Jahrhundert bis zur Neuordnung Deutschlands um 1800 (Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte 2), München 2005, S. 69 – 96, hier S. 78. 29 Zitiert nach Kremer, Joachim: ,Regel‘ versus ,Geschmack‘. Die Kritik an musikalischen Regeln zwischen 1700 und 1752 als Paradigmenwechsel, in: Bayreuther, Rainer (Hg.): Musikalische Norm um 1700 (Frühe Neuzeit 149), Berlin/New York 2010, S. 117 – 143, hier S. 127. 30 Hübner, Johann: Programma de Paedantismo et Galantismo duobus vitiis scholarum contrariis, Oratorione Recturae hamburgensis auspicali de Scholis bene constitutis, d. 18. Jun. a. 1711 habitae, praemissum, Hamburg 1711, zitiert nach Jaacks, wie Anm. 4, S. 76.

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Cour : il n’y a point de comedie, où les acteurs paroissent moins ce qu’ils sont en effet que les Ambassadeurs font dans la negotiation, & il n’y en a point qui y representent de plus importants personnages. Mais comme le plus habile acteur n’est pas toujours sur le theatre, & change de maniere d’agir après que le rideau est tiré, ainsy l’Ambassadeur, qui a bien joüé son rolle dans les fonctions de son caractere, doit faire l’honneste homme lors qu’il ne joüe plus la comedie. Dans les assemblées de ceremonies il ne peut pas quitter son rang sans crime, & mesmes en tenant table, où il estale un eschantillon de la grandeur & de la magnificence de son Prince, il le peut representer en quelque façon. Mais comme les Rois mesmes se déchargent quelquefois de cette gravité pesante & incommode, […], ainsy l’Ambassadeur ne peut, sans effacer le caractere d’ honneste homme, doit faire paroistre continuellement celuy de Ministre Publique. Ce composé de formalistés, de bienseance & de circonspections peut bien former un pedant politique, mais non un parfait l’Ambassadeur, qui doit estre parfaitement galant homme, c’est à 31 dire un homme fait à la mode de la Cour.

Genau vor diesem Hintergrund ist Matthesons Bericht über die Anfänge seiner Sekretärstätigkeit für den englischen Gesandten in Hamburg, Sir John Wich, zu verstehen. So habe ihm die Stelle neben anderen Dingen Gelegenheit geboten,

31 Wicquefort, Abraham de: L’Ambassadeur et ses fonctions, Bd. 2, Köln 1689, S. 3: „Der Botschafter verhandelt nicht immer, das heißt, er darf nicht immer und bei allen Zusammenkünften den Botschafter geben. Ich habe anderweitig gesagt, dass er ein bisschen [wie ein] Schauspieler sein muss, und ich füge hier hinzu, dass es vielleicht im gesamten gesellschaft­lichen Verkehr keine komischere Person als den Botschafter gibt. Es gibt gar kein illustreres Theater als den Hof: es gibt keine Komödie, wo die Akteure weniger [als das] erscheinen, was sie tatsäch­lich sind, [so] wie die Botschafter ihre Verhandlungen machen, und fraglos dort die wichtigsten Personen darstellen. Aber wie selbst der berühmteste Schauspieler nicht immer auf dem Theater ist, und seine Handlungsweisen ändert, nachdem der Vorhang gefallen ist, so muss der Botschafter, der seine Rolle den Ämtern seines Charakters gemäß gut gespielt hat, [nun] den honnête homme geben, wenn er nicht mehr Komödie spielt. Bei offiziellen Versammlungen kann er seinen Rang nicht ohne Schaden aufgeben, und [dies gilt] sogar beim [Fest-]Mahl halten, wo er ein Muster der Größe und Herr­lichkeit seines Prinzen ausstellt, den er gewissermaßen repräsentiert. Aber wie sich sogar manchmal Könige der drückenden und unbequemen Last entledigen, […], so kann auch der Botschafter, ohne [dadurch] den Charakter des honnête homme zu beeinträchtigen, nicht kontinuier­lich als Minister des Staates erscheinen. Eine Mischung aus Formalismus, Anstand und Besonnenheit kann gut einen politischen Pedanten bilden, aber nicht einen perfekten Botschafter, der ein perfekter galant homme sein muss, das heißt, ein Mann nach der Mode [bzw. den Idealvorstellungen] des Hofes.“ Übersetzung vom Verfasser.

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sich insonderheit im Hofe=Styl zu üben.32 Höfische Conduite zu erwerben, besser noch, sie bereits bis zu einem gewissen Grad zu besitzen, war für Mattheson in seiner Funktion als Hofmeister und Sekretär schon deshalb unabdingbar, weil im Hause Wich regelmäßig der für eine Gesandtschaft typische Betrieb aus Geschäftsleuten, Gesandten und Aristokraten herrschte, ganz zu schweigen von Matthesons erzieherischen Aufgaben für Wichs Sohn Cyril, seinen späteren Dienstherrn. Vor allem im Rahmen ihrer Kavalierstouren besuchten junge Adlige häufig Hamburg, das als diplomatisches und wirtschaft­liches Zentrum im Norden und mit seiner Oper ein attraktives Reiseziel war.33 Neben offiziellen repräsentativen Festessen und Bällen 34 veranstalteten die Gesandten und andere vornehme Familien offenbar auch regelmäßig Hauskonzerte. Dokumentiert ist dies beispielsweise für Wich,35 den Grafen Sigismund Engelbert Christian von Eck 36 sowie für den Dichter und späteren Ratsherrn Barthold Hinrich Brockes.37 Und auch das Hamburger Wohnhaus der Aurora von Königs­marck diente als „Treffpunkt der schwedischen Diplomaten und Kaufleute an der Elbe.“38 Es ist genau dieser gesellschaft­liche Hintergrund, vor dem der von M ­ attheson in seiner Ehren-Pforte ins Feld geführte äußer­liche und inner­liche Nutzen des galanten Umgangs von Männern und Frauen zu lesen ist. Und Aurora von Königs­marck dürfte hier als Lehrmeisterin nicht nur aus Perspektive Matthesons

32 Mattheson, Ehren-Pforte, wie Anm. 10, S. 195. 33 Vgl. Gauthier, Laure: L’Opera à Hambourg (1648 – 1728). Naissance d’un genre, essor d’une ville, Paris 2010, S. 36, 138 f. 34 Vgl. Schröder, Dorothea: Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690 – 1745) (Abhandlungen zur Musikgeschichte 2), Göttingen 1998, S. 41. 35 Vgl. Marx, Hans Joachim, John Wich, Sir (1671 – 1713), in: Ders.: Händel und seine Zeitgenossen. Eine Biographische Enzyklopädie, Teilband 2 (Das Händel-Handbuch 1,2), Laaber 2008, S. 1010. 36 Vgl. das oben erwähnte außerordent­liche Konzert beim Grafen von Eck, siehe Anm. 10. 37 1712 veranstaltete Brockes ein Hauskonzert, in dessen Rahmen seine Passion Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus in der Vertonung von Reinhard Keiser zur Aufführung kam. Anwesend waren Brockes zufolge „nicht allein die ganze fremde Noblesse, alle Ministros und Residenten nebst ihren Dame, sondern auch de[r] größte […] Theil der vornehmsten Hamburger […], dergestalt daß über 500 Menschen zugegen gewesen“. Zitiert nach „Selbstbiographie des Senator B. H. Brockes mitgetheilt von J. M. Lappenberg“, in: Zeitschrift des Vereines für hamburgische Geschichte 2 (1847), S. 167 – 229, hier S. 205. 38 Schröder, Die schöne Gräfin, wie Anm. 6, S. 11.

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eine der inspirierendsten Persön­lichkeiten gewesen sein. Gern wüsste man, inwieweit Mattheson – der als Autor zu scharfer Polemik neigte und von dessen ,stache­lichter Feder‘ sogar Freunde wie Telemann unangenehm berührt waren – sich auch als wohlanständiger und gleichermaßen geistvoll wie angemessen auftretender Gesprächspartner geben konnte. Maria Aurora von Königs­marck hat sicher­lich auch diese Seite Matthesons kennengelernt.

DOROTHEA SCHRÖDER

„Eine ungemeine Beförderinn schöner Wissenschaften“ – Maria Aurora von Königs­marck und die Musik Musik und Tanz spielten im Leben der Maria Aurora von Königs­marck eine überragende Rolle – nicht nur als Medien der Selbstrepräsentation im aristokratischen Umfeld, sondern als Künste, für die die vielseitig talentierte Gräfin hohe Begabung und persön­liche Vorliebe besaß. Davon zeugt noch das Nachlassinventar, dem wir eine Momentaufnahme ihrer Wohnungseinrichtung in der Propstei von Quedlinburg verdanken: Bis zu ihrem Tod im Februar 1728 hatte Maria Aurora Festkostüme, Masken und Theaterschmuck aufbewahrt. In einem der Paradezimmer stand „ein schwarz und gold lackiertes Klavier mit dazugehörigem Tisch“, außerdem waren „ein Spinett mit Fußgestell und Pult“1 sowie „eine ansehn­liche Sammlung von Musikalien“2 vorhanden. Als „­Klavier“ bezeichnete man im 18. Jahrhundert das zart klingende, modula­ tionsfähige Clavichord. Wie das Spinett (eine kleine Form des Cembalos) war es ein typisches Dameninstrument für das ganz private, solistische Musizieren oder die Liedbegleitung. Maria Aurora wird nicht die einzige der Quedlinburger Stiftsdamen gewesen sein, die solche Instrumente besaß. Was jedoch die aktive Teilnahme am Musikleben und den Kontakt mit führenden Komponisten der Zeit betraf, konnte sich keine mit ihr messen. Vermut­lich war das Clavichord das erste Instrument, mit dem Maria Aurora in Berührung kam. Rechnungsbücher belegen, dass ihr Onkel Carl Gustav Wrangel seiner ältesten Tochter Clavichord-Unterricht erteilen ließ, als sie acht Jahre alt war (mög­licherweise auch schon früher).3 Wir dürfen annehmen, dass

1 Mörner, Birger: Maria Aurora Königs­marck. Eine Chronik, München 1922, S. 451 und 505, Anm. 409 und 410, nach dem Erbschaftsinventar von 1728/29 (damals Staatsarchiv Magdeburg, Rep. A. 20 T. V.). 2 Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck. Ein bewegtes Frauenleben um die Wende des 17. [!] Jahrhunderts, Braunschweig 1919, S. 381, unter Berufung auf Fritsch, Johann Heinrich: Geschichte des vormaligen Reichsstifts und der Stadt Quedlinburg, Quedlinburg 1828. Notenbibliothek wie auch Instrumente sind verschollen. 3 Kjellberg, Erik: Pieces of Music in Times of War and Peace. Swedes in 17th Century Germany, in: Jullander, Sverker (Hg.): Proceedings of the Weckmann Symposium Göteborg 30 August–3 September 1991, Göteborg 1993, S. 211 – 260, hier S. 237, 242 f.

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Konrad Christoph von Königs­marck und seine Gemahlin Maria Christina, geb. Wrangel af Lindeberg, bei der Erziehung ihrer Töchter dasselbe, von der internationalen Hofkultur geprägte Niveau anlegten und ebenfalls einen Musiklehrer für Maria Aurora und Amalia Wilhelmina engagierten; mög­licherweise einen der Stader Organisten. Die erwachsene Maria Aurora spielte jedoch nicht nur Clavichord und Cembalo bzw. Spinett, sondern, wie aus Sophie Elisabeth Brenners Gedicht zu ihrem Namenstag am 22. Juli 1687 hervorgeht, auch die Laute.4 Überdies war sie eine gute Sängerin: Sie spielet und singet so angenehm / daß auch die Musen selbst beschämt zurückweichen / und ihr Angesicht verdecken – so Georg Christian Lehms in der an Maria Aurora gerichteten Widmung seines Dichterinnen-Lexikons.5 Was er mit barockem Überschwang und einer auf das Wohlwollen der Widmungsträgerin zielenden Übertreibung lobte, war offenbar doch eine mehr als durchschnitt­liche Fähigkeit. In den zeitgenössischen Quellen wird die Gräfin Königs­marck so häufig im Zusammenhang mit Musik, Tanz und Theater genannt, dass hier nur Ausschnitte aus diesem noch weiter zu erforschenden Bereich vorgestellt werden können.

Kindheit und Jugend in Stade und Hamburg Einen frühen Eindruck von höfischer Kultur erhielt Maria Aurora 1667 im Alter von fünf Jahren, als ihre Familie im Gefolge Carl Gustav Wrangels von Stade nach Oldenburg reiste, um den betagten Herzog Anton Günther von Oldenburg (der wenig später verstarb) noch einmal zu besuchen. In der Residenz des vom Dreißigjährigen Krieg verschonten Herzogtums wurden die Gäste sehr prächtig eingeholet, herr­lich tractiret, [und] acht Tage lang mit allerhand angenehmen 4 […] Schlägt sie die Lauten an [,] will sie die Saiten rühren | Welch Künstler ist der ihr / in solchen Dingen gleicht? Aus Brenners Gedicht An die Hoch und Wohlgebohrne Fräulein Maria Aurora Königs­marck; vgl. hierzu den Beitrag von Lindgärde, Valborg, im vorliegenden Band ab Seite 75. – Cramer und einige Nachfolger geben an, Maria Aurora habe auch Viola da Gamba gespielt; dafür gibt es m. W. keinen Beleg. Vgl. Cramer, Friedrich: Biographische Nachrichten von der Gräfin Maria Aurora Königs­marck, Quedlinburg und Leipzig 1833, S. 40. 5 Lehms, Georg Christian: Teutschlands Galante Poetinnen, Frankfurt 1715, Vorrede o. S. Auch in der maßgeb­lichen deutschen Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts wird hervorgehoben, die Gräfin sei wegen ihrer Gelehrsamkeit, sonder­lich in der Poesie, Instrumental- und Vocal-Music, auch Sprachen […] sehr bekannt. Zedler, Johann Heinrich: Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 15, Halle und Leipzig 1737, Sp. 1340 f.

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Ergötz­lichkeiten unterhalten.6 Es kann als sicher gelten, dass Musikdarbietungen der Hofkapelle ein Teil des Festprogramms waren. Über die Kaufmannsstadt Hamburg – von 1673 an Wohnort der inzwischen verwitweten Gräfinmutter und ihrer beiden Töchter – hatte sich wenige Jahre zuvor eine prominente Kunst- und Musikliebhaberin, Königin Christina von Schweden, sehr unzufrieden geäußert: Dieses Land ist ein entsetz­liches Land. Alles, was man hier sieht, mißfällt und langweilt. Anderswo braucht man nichts als vierundzwanzig Stunden, um einen Tag und eine Nacht daraus zu machen; hier dauert eine Stunde vierundzwanzig Stunden […].7 Christina, die nach ihrer Abdankung 1654 mehrmals nach Hamburg kam, um von dort aus Geldgeschäfte zu regeln, wurde 1666 von ihrem Heimweh nach Rom geplagt. Sie mag ein wenig übertrieben haben, doch gemessen an der römischen Kunstproduktion war Hamburg tatsäch­lich ein Ort von geringer Bedeutung. Das änderte sich, als zu Neujahr 1677/78 das öffent­liche Opernhaus am Gänsemarkt den Betrieb aufnahm und sich rasch zum Mittelpunkt des gesellschaft­lichen Lebens der Stadt entwickelte. Obwohl die Gräfinmutter mit schwerwiegenden finanziellen Problemen zu kämpfen hatte, mietete sie offenbar schon in der ersten Saison eine Loge und besuchte täg­lich die Aufführungen,8 höchstwahrschein­lich in Begleitung ihrer heranwachsenden Töchter, die in Ermangelung eines Residenzschlosses nun im prachtvoll ausgestatteten Opernhaus als Heiratskandidatinnen vorgeführt wurden. Die Hamburger Oper zog näm­lich vor allem in der Wintersaison nicht nur die einheimische bürger­liche Oberklasse, sondern auch Aristokraten aus ganz Norddeutschland, Diplomaten und durchreisende Fürsten an.9 Zwischen 1678 und 1680, als die Königs­marck-Damen nach 6 Ebd., Bd. 59, Leipzig und Halle 1751, Sp. 612. 7 Car ce pays est un pays effroyable […]: Christina von Schweden an Kardinal Azzolino, Brief aus Hamburg vom 15. Sept. 1666, im Original französisch (Übersetzung D. Schröder); vgl. Bildt, Carl (Hg.): Christine de Suède et le Cardinal Azzolino. Lettres inédites, 1666 – 1668, Paris 1899, S. 230. 8 Die Opera hatte sich kurtz zuvor mit dem Stück Adam und Eva zu Ende des vorhergehenden Jahres allhier angefangen […] allein es schien/ daß Hamburg zur Opera, weil allzuviel Kauffleute und Mittel-Personen daselbst/ insuffisant: Doch wohnte die Gräffin von Königs­marck täg­lich bey. – Reisebericht des Rechtsgelehrten Adam Ebert, zit. nach Braun, Werner: Vom Remter zum Gänsemarkt. Aus der Frühgeschichte der alten Hamburger Oper (1677 – 1697) (Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft, N. F. Bd. 1), Saar­brücken 1987, S. 17. 9 Vgl. Schröder, Dorothea: Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690 – 1745) (Abhandlungen zur Musikgeschichte 2), Göttingen 1998.

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Stockholm übersiedelten, wurden Opern der deutschen Komponisten Johann Theile, Nikolaus Adam Strungk und Johann Wolfgang Franck präsentiert. Drei erhaltene Kupferstiche aus der Frühzeit der Gänsemarkt-Oper dokumentieren aufwändige Bühnendekorationen und Kostüme,10 zeitgenössische Beschreibungen belegen die Leistungsfähigkeit der Maschinerie. Als Ballettmeister war der Franzose Monsieur de la Feuillade 11 engagiert worden, der mög­licherweise Maria Aurora und Amalia Wilhelmina privaten Tanzunterricht erteilte. Nachdem das Opernhaus mit einem Werk biblischen Inhalts eröffnet worden war, um die gegen das Theater protestierenden Geist­lichen zu beschwichtigen, kam als zweite Oper Orontes, Der verlohrne und wieder gefundene König­liche Printz aus Candia zur Aufführung.12 Der Handlung vorgeschaltet ist ein Prolog, der in einem Garten bei Nacht beginnt: Angerufen von Cupido, erscheint Aurora, die Göttin der Morgenröte; im Dialog beziehen beide sich bereits auf das glück­liche Ende der Oper. Während Aurora singt, geht im Hintergrund die Sonne auf und erhellt langsam die ganze Bühne. Das strahlende Licht wird in einem kurzen Duett von Cupido und Aurora am Ende des Prologs zur Metapher für die Herrschaft jener beiden Herzöge, die maßgeb­lich an der Einrichtung der Hamburger Oper beteiligt gewesen waren – Christian Albrecht von Holstein-Gottorf und Christian Ludwig I. von Mecklenburg-Schwerin. Die eigent­liche Sensation des Prologs war natür­lich der großartige Bühneneffekt des Sonnenaufgangs. Ob der unbekannte Textdichter mit der Aurora-Figur dabei auch der inzwischen fast sechzehnjährigen Maria Aurora ein Kompliment erweisen wollte oder damit beauftragt worden war, lässt sich nicht mehr feststellen. Einige Zeilen Cupidos wie Sih da! o schönstes Sonnen=Kind/ Cupido wartet mit Verlangen/ Biß das dein Glantz komt auffgegangen 13 könnten jedoch durchaus persön­lich gemeint sein. Im Jahr 1680 brachte der seit 1679 in Hamburg ansässige Komponist Johann Wolfgang Franck am Gänsemarkt seine Oper Die drey Töchter Cecrops (Hamburg 1680) heraus.14 Nicht nur über die Chronologie der Entstehungs- und

10 Vgl. Marx, Hans Joachim / Schröder, Dorothea: Die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Katalog der Textbücher (1678 – 1748), Laaber 1995, S. 511 – 513. 11 Ebd., S. 463. 12 Ebd., S. 306 f. Der Textdichter ist unbekannt; die Musik wird Johann Theile zugeschrieben. Faksimile des Librettos in: Meyer, Reinhart (Hg.): Die Hamburger Oper. Eine Sammlung von Texten der Hamburger Oper aus der Zeit 1678 – 1730, München 1980, Bd. 1, S. 59 – 124. 13 Ebd., S. 68. 14 Datierung der Hamburger Aufführung nach Mattheson; vgl. Marx/Schröder, Gänse­ markt-Oper, wie Anm. 10, S. 132 f. Faksimile des Librettos in: Meyer, wie Anm. 12,

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Aufführungsgeschichte dieses Werkes ist viel diskutiert worden, sondern auch über die Identität des anonymen Librettisten bzw. der Librettistin: Auf die relativ zeitnahe Zuschreibung durch Johannes Moller 15 zurückgehend, galt Maria Aurora von Königs­marck lange als Autorin des Textes, in dem eine Episode aus Ovids Metamorphosen (Buch II, 6. Gesang) eher moralisch-allegorisch als dramatisch vorgestellt wird. Wenn diese Zuschreibung auch in jüngster Zeit abgelehnt wurde,16 so repräsentiert das lehrhafte Libretto doch in jedem Fall das Repertoire der ersten Hamburger Opernjahre, wie Maria Aurora und Amalia Wilhelmina es kennenlernten, bevor sie nach Schweden zogen.

Schweden 1680 – 1692 Schon bald nach ihrer Ankunft in Stockholm gehörten Maria Aurora und ­ malia Wilhelmina als Verwandte des mächtigen Feldherrn Carl Gustav WranA gel zu der jungen Generation des Hochadels, die sich im Umkreis des Königshofes aufhielt. Unter der Leitung des aus einer deutschen Musiker­familie stammenden Komponisten Gustav Düben d. Ä. (um 1628 – 1690) stand die Hofkapelle im Zentrum des schwedischen Musiklebens, doch auch einige große Familien unterhielten eigene Musikensembles und legten Notensammlungen an. Insbesondere die mehrfach mit den Königs­marcks verwandten De la Gardies taten sich als Mäzene hervor. Magnus Gabriel De la Gardie, ein Verwandter der Königs­marcks, hatte im Rahmen eines Gesandtschaftsbesuches 1646 in Paris Musiker für den Hof Königin Christinas engagiert und damit eine intensive Rezeption französischer Musik in Schweden begründet.17 Um 1680 waren es die Königs­marck-Schwestern, ihre Cousinen und andere junge Aristokratinnen aus dem Kreis um Königin Ulrika Eleonora, die diese Tradition neu belebten: „Selber verfaßten sie Gedichte und arrangierten und agierten in höfischen Divertissements, in denen Dichtung, Gesang, Tanz und Instrumentalmusik eine bunte Vielfalt schufen. In diesem Zusammenhang begegnen wir zum ersten Mal S. 125 – 170. Die Musik ist erhalten. 15 Moller, Johannes: Cimbria Literata, Havniae [Kopenhagen] 1747, Bd. 2, S. 202. Siehe auch Olsen, Solveig: Aurora von Königs­marck’s Singspiel Die drey Töchter Cecrops, in: Daphnis 17,3 (1988), S. 467 – 480; Olsen betont, dass Mollers Angaben sich im Allgemeinen als sehr zuverlässig erwiesen hätten (S. 469). 16 Vgl. den Aufsatz von Kraft, Stephan, im vorliegenden Band ab Seite 59. 17 Wittrock, George: De la Gardie, Magnus Gabriel, in: Svenskt Biografiskt Lexikon 10, Stockholm 1931, S. 657.

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Lullys Musik in Schweden. Nicht die höfische Propaganda an sich war hier das Ziel, sondern eine intime Darstellungskunst in allegorischer Form. Die Aufführungen der Damen fanden ihren Platz insbesondere an Geburtstagen von Mitgliedern der könig­lichen Familie oder zur Unterhaltung, wo immer diese vornehme Damengesellschaft sich aufhielt: auf dem Stockholmer Schloß, auf dem Schloß Karlberg, im Kurort Medevi in Östergötland, in Stockholm etc.“18 Als Mit-Initiatorin der Aufführung von Racines Iphigénie durch die ‚Damengesellschaft‘ im Januar 1684 im Wrangel-Palais, d. h. mit der ersten Aufführung einer klassischen französischen tragédie in Schweden, fand Maria Aurora ihren Platz auf dem literarischen Parnass Skandinaviens.19 Die Vorstellung näherte sich allerdings dem Musiktheater an: Maria Aurora hatte einen französischen Prolog geschrieben, in dem gesungen und getanzt wurde; auch in die Haupthandlung wurden Tanzeinlagen (u. a. mit Harlekin und Scaramouche!) integriert, deren Musik vermut­lich von Johan Celsius oder Gustav Düben d. Ä. stammte.20 Lockerer als bei Hofe gab man sich in dem kleinen Kurort Medevi Brunn am Vätternsee, wo Maria Aurora, ihre Schwester und die jugend­liche Adelsclique im Sommer 1682 unbeschwerte Wochen mit vielen Musikdarbietungen erlebten. Aus Maria Auroras Bericht Les divertissements de Medevy geht hervor, dass diese fröh­lichen, oft improvisierten Feste kein exklusives Vergnügen der Brunnengäste waren, sondern auch von den Bewohnern der Umgebung besucht wurden.21 Vermut­lich erteilte Gustav Düben d. Ä., Organist der Deutschen Kirche in Stockholm und seit 1663 Hofkapellmeister, Maria Aurora Musikunterricht und half ihr bei der Ausarbeitung einfacher musikalischer Sätze. Ein Beispiel dafür ist die geist­liche Arie O großer Gott du aller welt gebiether,22 eine S­ trophenarie mit 18 Kjellberg, Erik: Frankreich in Schweden. Ein Beitrag zur Geschichte der musikalischen Migration im 17. Jahrhundert, in: Bohn, Robert (Hg.): Europa in Scandinavia. Kulturelle und soziale Dialoge in der frühen Neuzeit (studia septentrionalia 2), Frankfurt/M. u. a. 1994, S. 173 – 189, hier S. 184. – Auch die Gedichte der Sammlung Nordischer Weyrauch, zu der Maria Aurora beitrug, waren zum Singen bestimmt; s. dazu den Beitrag von Andersson, Bo (ab Seite 91), und Lindgärde, Valborg (ab Seite 75), im vorliegenden Band. 19 Vgl. den Beitrag von Persson, Fabian, im vorliegenden Band ab Seite 165. 20 Mörner, wie Anm. 1, S. 110 – 116. 21 Ebd., S. 87 – 107. – Maria Auroras Bericht legt die Vermutung nahe, dass zumindest einige der Veranstaltungen vor einem inoffiziellen Publikum stattfanden (vgl. Freudenrufe des Volkes, S. 97; Die ganze Gegend wimmelte von Volk, S. 103). 22 Uppsala, Universitätsbibliothek, Düben-Sammlung, Sign. vmhs 019:010 (Cantus I, Cantus II, Bass, Blockflöte, 2 Viole d’amour bzw. Violinen, Basso continuo).

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Instrumentalritornell: Tobias Norlind, der die Komposition bereits 1899/1900 beschrieb, betrachtete sie als Komposition Gustav Dübens auf Maria Auroras Text.23 Auf den überwiegend in Dübens Handschrift erhaltenen Stimmen wird jedoch derart betont auf Maria Aurora als Komponistin verwiesen (z. B. ­Freulin Marie Aurore Coningsmarcks Ariette über dero selben Verse auf der Bass-­ Stimme),24 dass man sie als Verfasserin zumindest der melodietragenden Oberstimme ansehen muss; Düben dürfte die übrigen drei Stimmen korrigiert bzw. selbst gesetzt und wohl auch das dreistimmige Ritornell geschrieben haben. Die Arie entstand demnach vor dem Tod des Hofkapellmeisters im Dezember 1690. Sie zeugt ebenso von der Vorliebe der Stockholmer Adelsgesellschaft für den französischen Stil wie die in zahlreichen schwedischen Musikhandschriften überlieferte Gavotte Mademoiselle Königs­marck.25 Bei diesem kurzen Stück (mög­licherweise Maria Auroras Lieblingstanz) scheint es sich um eine für Cembalo eingerichtete Balletteinlage aus einer französischen Oper zu handeln.

Norddeutschland und Dresden 1692 – 1698 Kaum war Maria Aurora nach dem Tod ihrer Mutter (17. Dezember 1691) wieder nach Hamburg übersiedelt, begann sie ein unstetes Reiseleben zu führen, besuchte verschiedene Fürstenhöfe und nahm an vielen Fest­lichkeiten teil. Ihre Spuren aus diesen Jahren in Bezug auf Musik detailliert zu verfolgen ist hier aus Platzgründen nicht mög­lich. Hingewiesen sei jedoch auf ihre enge Freundschaft mit Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633 – 1714), dem wohl engagiertesten Opern- und Musikfreund unter den norddeutschen Fürsten der Barockzeit. Hätten wir eine Edition von Anton Ulrichs Korrespondenz, wüssten wir mehr über Maria Auroras Interesse am Musikbetrieb in Wolfenbüttel und Braunschweig. Vorerst kennen wir nur einzelne Dokumente

23 Norlind, Tobias: Die Musikgeschichte Schwedens in den Jahren 1630 – 1730, in: Sammelbände der Internationalen Musik-Gesellschaft I, 1899/1900, S. 165 – 212, hier S. 180 – 182. 24 Ähn­lich auf der Cantus I-Stimme: Aria è Parole son Fait par Mademoislle [sic] Contesse Marie Aurorae Coningsmarck. – Katalogangaben und Scans von allen Werken der Düben-Sammlung können über den Düben Collection Database Catalogue (www2. musik.uu.se/duben/Duben.php) im Internet abgerufen werden. 25 Zu den Quellen vgl. Rudén, Jan Olof: Music in Tablature. A thematic index with source descriptions of music in tablature notation in Sweden, Stockholm 1981, Nr. 632 und 3475. Als Gavotte in einer Klavierbearbeitung von Anders von Düben in Brodin, Knut (Hg.): Svensk Klassisk Musik, Pianomusik 1700-tal, Heft 6, Stockholm 1932, S. 1.

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wie den ausführ­lichen Bericht über die Einweihung von Anton Ulrichs Lustschloss Salzdahlum im Mai 1694, bei der Frl. Gräfin von Königs­marck als Dichterin, Tänzerin und Sängerin allgemeine Bewunderung erregte.26 Es würde eine separate Untersuchung erfordern, Maria Auroras Mitwirkung bei den Hoffesten in Dresden in allen Facetten zu erfassen. Bekannt ist vor allem ihr Auftritt im Götter-Aufzug während der Karnevalssaison 1695 – der ersten, die der junge Kurfürst Friedrich August veranstaltete und die Maria Aurora als seine Favoritin in Dresden erlebte.27 Im Februar des folgenden Jahres wurde ein ausgedehntes Opéra-Ballett mit dem Titel Musen-Fest aufgeführt; komponiert hatte es Johann Christoph Schmidt (1664 – 1728), der 1694 von einem noch durch Kurfürst Johann Georg IV. geförderten Studienaufenthalt in Italien zurückgekehrt war und 1696 zum Vize-Hofkapellmeister ernannt wurde. Von 1698 an leitete dieser erst in jüngster Zeit ‚wiederentdeckte‘ Komponist die Hofmusik und machte die Dresdner Hofkapelle zu einem der besten Orchester Europas.28 Maria Aurora trat in seinem Musen-Fest in mehreren Rollen singend und tanzend auf; auch die übrigen Partien wurden von Damen und Herren des Hofes verkörpert. Zum Beschluss des Karnevals 1697 kam ein etwas bescheideneres Opéra-Ballett zur Aufführung: Das Libretto zur Fastnachts-Lust, einer kleinen allegorischen Diskussion über die Liebe, stammte von Maria Aurora, die Musik wiederum von Schmidt.29

26 Bressand, Friedrich Christian: Salzthalischer Mayen-Schluß, Wolfenbüttel 1694, als Faksimile hg. von Thomas Scheliga, Berlin 1994. 27 Die schon mehrfach veröffent­lichte Illustration (Maria Aurora als „Aurora“ lenkt den Prunkwagen Apolls) aus Martin Klötzels Bilddokumentation des Aufzugs (Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. Ca. 190, Blatt 35) ist mit ausführ­lichem Kommentar wiedergegeben in: Schnitzer, Claudia/Hölscher, Petra (Hg.): Eine gute Figur machen. Kostüm und Fest am Dresdner Hof, Ausstellungskat. Dresden 2000, S. 150 f. 28 Vgl. Sauer, Uta Dorothea: Johann Christoph Schmidt, Kapellmeister und Komponist am Hofe Augusts des Starken. Biographische, stilistische und überlieferungsgeschicht­ liche Studien. Magisterarbeit, TU Dresden 2006, sowie „Schmidt, Johann Christian“ in: Sächsische Biografie, hg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde [http://saebi.isgv.de/biografie/Johann_Christoph_Schmidt(1664 – 1728)]. Ich danke Frau Sauer herz­lich dafür, dass sie mich schon vor et­lichen Jahren auf Schmidts Ballette und Maria Auroras Beteiligung aufmerksam machte. 29 Ihre Autorschaft geht aus der Beschriftung der erhaltenen Partitur hervor: Ein Liebhaber / Welcher seiner Geliebten bey Nachtzeit eine beweg­liche Music bringet, vergesellschaftet mit der Hoffnung und Eyversucht / Poesia. Gräfinn von Königs­marck (Textbeginn: Hört auff, hört auff! mit Seyten-Klang und Spiel), British Library London, Sign. R. M.24.g.19. Als Titel wurde hier statt Fastnachts-Lust die Szenenangabe zum 1. Auftritt verwendet;

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Quedlinburg – Hamburg 1698 – 1728 Wie zahlreiche Dokumente bezeugen, fuhr Maria Aurora auch nach ihrem Einzug in das Stift Quedlinburg nach Hannover, Braunschweig und Hamburg, um dort an Karnevalsfesten teilzunehmen und Opernaufführungen oder Konzerte zu besuchen. Unter diesen Städten scheint Hamburg, auch wegen der Nähe zu den Königs­marck’schen Gütern im Elbe-Weser-Dreieck und in Holstein, ihr bevorzugtes Reiseziel gewesen zu sein. Ohne durch zeremonielle Zwänge gebunden zu sein oder Hofklatsch fürchten zu müssen, konnte sie dort ihren Angelegenheiten nachgehen. Dazu gehörte auch der Kontakt mit Hamburger Musikern. Zwei von ihnen, Reinhard Keiser (1674 – 1739) und Johann ­Mattheson (1681 – 1764), wetteiferten um ihre mäzenatische Gunst, indem sie ihr über etwa 15 Jahre hinweg immer wieder Werke dedizierten. Dabei ging es nicht so sehr um geldwerte Zuwendungen, sondern um die Einbeziehung in das höfische Netzwerk der Gräfin. Mattheson, auch journalistisch und schriftstellerisch tätig, war der Wortgewandtere von beiden: Er pries Maria Aurora beispielsweise als eine von allen Schönheiten und Künsten in harmonischer Weise zusammengefügte Minerva und glorieuse Beschützerin der edlen Musicalischen Wissenschaft.30 Allerdings stand er noch am Beginn seiner Karriere, als er ihr zum ersten Mal begegnete, während der weltgewandte Keiser als Komponist schon weithin berühmt war.31 Außerdem hatte Keiser seit 1697 die musikalische Leitung des Opernunternehmens inne und besaß dadurch eine einflussreichere Stellung als Mattheson, der in Keisers Auftrag einige Opern komponierte und bis 1705 als Sänger auftrat. Dass er auf seinen Vorgesetzten eifersüchtig war, wird in dem nach Keisers Tod erschienenen Artikel in Matthesons Lexikon Grundlage einer Ehrenpforte nur allzu deut­lich: Mattheson rühmte ihn zwar als Komponisten, stellte ihn zugleich aber als Lebemann mit loser Moral und Hang zum Alkohol dar und fügte einige Anzüg­lichkeiten ein, gegen die Keiser sich nicht mehr zur Wehr setzen konnte.32

vermut­lich fehlt das originale Titelblatt. – Editionen von Musen-Fest und Fastnachts-Lust im Rahmen der Serie Denkmäler der Tonkunst in Dresden sind zur Zeit in Vorbereitung. 30 Mattheson, Johann: Das Neu-Eröffnete Orchestre, Hamburg 1713, Vorrede o. S. Vgl. auch den Beitrag von Loeser, Martin, im vorliegenden Band ab S. 121. 31 Vgl. Koch, Klaus-Peter: Aurora von Königs­marck und Reinhard Keiser. Zur Musikausübung in adligen Kreisen, in: Seidel, Wilhelm (Hg.): Jahrbuch 2000 der Ständigen Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik, Eisenach 2002, S. 74 – 82. 32 Mattheson, Johann: Grundlage einer Ehrenpforte, Hamburg 1740, hg. von Max Schneider, Berlin 1910, S. 125 – 132.

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Bei den folgenden, chronologisch angeordneten Stichpunkten zum ‚Duell‘ zwischen Keiser und Mattheson ist zu beachten, dass der Vorbericht (Einleitung) zu einem gedruckten Opernlibretto üb­licherweise vom Textdichter als einem professionellen Literaten geschrieben wurde und dieser auch Widmungen mit seinem Namen zeichnete. Man kann jedoch davon ausgehen, dass der Komponist sich mit dem Inhalt einverstanden erklärte bzw. dem Textdichter vorher Anweisungen (z. B. die Dedikation betreffend) gab. 1703 Mattheson lernt Maria Aurora in Hamburg bei Konzerten im Haus des kaiser­ lichen Gesandten Graf Egck am 5. Oktober und 1. Dezember kennen. Er bewundert sie vom ersten Moment an und nennt sie eine ungemeine und weitberühmte Beförderinn schöner Wissenschafften, von welcher er hernach sehr viel polirtes erlernet, und hohe Gnade empfangen hat.33 Auch Keiser ist bei Egcks Konzerten anwesend; er führt sich nach Matthesons Worten dabey mehr als ein Cavallier, denn als ein Musikus, auf.34 Um diese Zeit, d. h. seit Frühjahr/Sommer 1703, lebt auch der junge Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) in Hamburg und schließt Freundschaft mit Mattheson. Zu einer Begegnung zwischen Händel und Maria Aurora scheint es jedoch nicht zu kommen – hält Mattheson ihn bewusst auf Distanz von seiner Gönnerin?35 1704 Mattheson besucht im August Maria Aurora in Quedlinburg, um sich […] mit der Musik, in Kirchen und Klangsälen hervorzuthun, als auch mit der Jagd, und dem edlen Landleben, zu belustigen.36 1705 Maria Aurora und Amalia Wilhelmina erhalten die in den 1660er Jahren von ihrem Vater erworbenen Güter Nehmten und Perdöl (bei Plön/Holstein) als Erbe zugesprochen. Zur Feier der Inbesitznahme beauftragen sie Mattheson 33 Ebd., S. 191. 34 Ebd., S. 132. 35 Maria Aurora wird Händel als aufstrebenden jungen Komponisten wahrgenommen haben, dessen erste Opern in Hamburg uraufgeführt wurden (1705: Almira HWV 1; Nero HWV 2; 1708: Der beglückte Florindo HWV 3 und Die verwandelte Daphne HWV 4); persön­lich dürfte sie ihn spätestens 1719 bei den Fest­lichkeiten zur Kurprinzenhochzeit in Dresden kennengelernt haben. 36 Mattheson, Ehrenpforte, wie Anm. 32, S. 192.

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mit der Komposition des frantzösischen Operetgen[s] Le retour du Siecle d’Or, dessen Text von Amalia Wilhelmina stammt.37 1706 Mattheson hält sich im Sommer zweimal in Quedlinburg auf.38 ab 1707 In seiner Eigenschaft als Legationssekretär des englischen Gesandten in Hamburg wirkt Mattheson bei der Sch­lichtung zwischen Holstein-Gottorf und Brandenburg wegen der Neuwahl einer Quedlinburger Äbtissin mit.39 1708 Mattheson stellt eine Sammlung von sechs kleinen Kantaten als Opus 2 zusammen.40 Schon der Beginn des ersten Stückes lässt keinen Zweifel am Namen der Adressatin: Aurora, dove sei? Idolo del mio cuore, vago tesoro, luce degl’occhi miei, Aurora, dove sei? (Aurora, wo bist du? Angebetete meines Herzens, schöner Schatz, ­Licht meiner Augen, 41 Aurora, wo bist Du?)

37 Ebd., S. 194. Das Werk, das wahrschein­lich von Kräften der Hamburger Oper auf Gut Perdöl aufgeführt wurde, ist verschollen. 38 Ebd., S. 195. 39 Ebd., S. 196 f. 40 Sei Cantate / 3 con et 3 senza Stromenti / Opera Seconda. / 1708; Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, M B/15302. Neuedition von Aurora, dove sei in: Jacobi, Jörg (Hg.): Johann Mattheson, Tre cantate. Opera seconda, für Sopran und Basso continuo, Bremen 2005. 41 Übersetzung durch Verf.

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Die Widmung an Maria Aurora wird durch Matthesons spätere Angabe bestätigt, das Manuskript habe ehemals einer Hochgräfl[ichen] Person zum besondern Vergnügen gedienet.42 um 1710 Reinhard Keiser komponiert ein deutsches Magnificat nach einer Paraphrase des lateinischen Lobgesangs Mariae von Maria Aurora (Meine Seele erhebet den Herrn).43 Offenbar plant er, auch einige ihrer religiösen Gedichte zu vertonen.44 In seinem Dienst stehen zwei Lakaien, die in Aurora-Liberey gekleidet sind.45 1710 Keiser bzw. sein Librettist Breymann verwendet in der Oper Arsinoe drei Arien­ texte (Ein edler Geist, Süsses Leiden, Ihr schönen Augen) aus der Feder einer hohen Standes-Persohn, deren Klugheit und Schönheit im Libretto-Vorwort gerühmt werden. Dabei kann es sich nur um Maria Aurora handeln.46 1711 Anläss­lich des Hamburger Petri- und Matthäi-Mahls am 21./24. Februar wird Keisers Serenata Die gecrönte Würdigkeit (Ergötzet die Hertzen mit Singen und Scherzen) aufgeführt. Der Text von Johann Ulrich König ist Maria Aurora gewidmet.47 Ebenfalls im Februar findet die Uraufführung von Matthesons Oper ­Henrico IV. statt. In der Druckausgabe der populärsten Arien aus diesem Werk wird erwähnt, dass der Text einer Arietta von Maria Aurora verfasst wurde.48 42 Mattheson, Johann: Der vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739, Repr. Kassel und Basel 1954, Vorrede, S. 24. 43 Maul, Michael: Überlegungen zu einer Magnificat-Paraphrase und dem Leiter der Leipziger Kantatenaufführungen im Sommer 1725, in: Bach-Jahrbuch 2006, S. 110 – 125, bes.  115 f. 44 Olsen, wie Anm. 15, S. 468, Anm. 5. 45 Mattheson, Ehrenpforte, wie Anm. 32, S. 128. – Liberey: Livree, hier in den Farben des Sonnenaufgangs, einem hellen Gelb-Orange mit Roséton. Jeder zeitgenössische Leser brachte Matthesons Seitenhieb gegen Keisers (angeb­liche) Verschwendungssucht an dieser Stelle mit der Maria Aurora-Verehrung in Verbindung. 46 Vgl. Marx/Schröder, Gänsemarkt-Oper, wie Anm. 10, S. 205. 47 Koch, Klaus-Peter: Reinhard Keiser (1674 – 1739). Leben und Werk, 2. Aufl., Teuchern [1999], S. 119. 48 Drauschke, Hansjörg (Hg.): Johann Mattheson, Henrico IV. Die geheimen Begebenheiten Henrico IV., Königs von Castilien oder Die getheilte Liebe (Partitur-Edition),

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1712 Uraufführung von Keisers Oper Die geheime Liebe der Diana: Wieder ist Maria Aurora die Widmungsträgerin des Librettos von Johann Ulrich von König.49 1713 Mattheson veröffent­licht seine Schrift Das Neu-Eröffnete Orchestre,50 mit der er eine moderne, von theoretischem Ballast befreite Musiklehre propagiert. In der Dedikation an Maria Aurora geht er weit über die üb­lichen Floskeln hinaus: Mehr als finanzielle Belohnungen habe Maria Auroras grundgütige Vorsorge, Hertz-gewinnende Leutseeligkeit und andere höchst obligeante Umstände ihn in ihren Bann gezogen: er wisse nicht, ob man Ihro Hochgräfl. Excell. mehr mit Demuth-voller Liebe oder verliebter Demuth verehren solle! Dazu komme noch, daß Ihro Hochgräfl. Excell. beständig fortfahren / sich ihres Dieners gnädigst zu erinnern / und seinem kleinen Talent dann und wann ein geneigtes Ohr zu leihen / welches ein Kühnerer als ich fast eine Freundschafft nennen würde. Weiter kann der bürger­liche Mattheson gegenüber einer Dame im Rang einer Reichsfürstin nicht gehen, ohne die Anstandsregeln zu verletzen – und mindestens einer von Matthesons Kollegen meint, dass der Hamburger Zurückhaltung üben solle; mehr dazu unten (1727). Im März erscheint Keisers Kantaten- und Ariensammlung Divertimenti serenissimi […] Oder: Durchlauchtige Ergötzung mit einer Widmung an Maria Aurora.51 Der Komponist verweist auf ihre Welt-bekandte Hochachtung für alle Sinn-reiche Wissenschaften / und besonders für die Musique und erwähnt von ihr empfangene unzäh­liche hohe Wohlthaten; überdies zitiert er zwei Strophen aus dem Text einer Kantate aus der berühmten Feder eines vortreff­lichen Dichters zu ihren Ehren (AURORA ja / die von dem Helden-Stamm Der Königs-Marcken

Beeskow 2008, S. VI. 49 König, Johann Ulrich: Theatralische, geist­liche, vermischte und galante Gedichte, Hamburg 1713, S. 75 – 144; vgl. Marx/Schröder, Gänsemarkt-Oper, wie Anm. 10, S. 150 f. 50 Mattheson, Johann: Das Neu-Eröffnete Orchestre. Oder Universelle und gründ­liche Anleitung / wie ein Galant Homme einen vollkommnen Begriff von der […] Music erlangen […] möge, Hamburg 1713. Die Schrift erschien offenbar in zwei textgleichen, gleichzeitigen Ausgaben mit den Verlegerangaben auff Unkosten des Autoris und bey B. Schillers Wittwe. Mindestens einem Teil der Auflagen war ein (heute meistens fehlendes) Kupferstich-Porträt Maria Auroras beigegeben; vgl. Burg, wie Anm. 2, Abb. nach S. 176. 51 Koch, wie Anm. 31, S. 791.

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ist entsprossen […]). Die Ausgabe enthält auch die Arie Ihr schönen Augen aus Arsinoe (vgl. 1710).52 1716 Mattheson vertont Maria Auroras Magnificat-Paraphrase, kann das aufwändige doppelchörige Werk jedoch erst 1718 aufführen.53 1717 Uraufführung von Keisers Oper Die großmüthige Tomyris: Im Mittelpunkt steht die antike Königin Tomyris, eine beeindruckende Frauengestalt. Das Libretto von Johann Joachim Hoë ist Maria Aurora gewidmet.54 Mattheson dediziert Maria Aurora seine Edition von Christoph Raupachs Schrift Veritophili Deut­liche Beweis-Gründe. In der Zuschrift nennt er sie eine besondere Beförderin GO tt-geheiligter Music-Andachten, die sowohl dem ehmahls auff Dero hohen Nahmens-Tag von mir in Dero eigenen Stiffts-Kirchen aufgeführtem Magnificat, als auch der unlängst in hiesigem Dom angestellten Nainischen Wittwen-Musique mit GO tt- und Menschen-gefälliger Vergnügung jederzeit zugehöret habe, so daß es die höchste Lust ist / vor Eur. Excell. zu musiciren / und wenn Sie auch allein in der Kirchen wären. Er dankt mehrmals für ihre unzehlige[n] Wolthaten, die er in Ewigkeit mit 1000. Dedicationen nicht erwidern könne.55 1718 Mittlerweile zum Domkantor berufen, führt Mattheson am dritten Weihnachtstag das deutsche Magnificat nach Maria Auroras Dichtung auf.56

52 Koch, wie Anm. 47, S. 100. 53 Maul, wie Anm. 43, S. 111. 54 Marx/Schröder, Gänsemarkt-Oper, wie Anm. 10, S. 213 f. 55 Mattheson, Johann (Hg.): Friedrich Erhardt Niedt, Musikalische Handleitung, Teil III, beigebunden: [Christoph Raupach], Veritophili Deut­liche Beweis-Gründe / Worauf der rechte Gebrauch der MUSIC […] beruhet, Hamburg 1717; Faks.-Neudruck Hildesheim/ Zürich/New York 2003; Widmungsvorrede, o. S. – Auf welches Magnificat ­Mattheson sich hier bezieht, ist unklar. Mit dem hiesigen Dom ist der 1804 – 1807 abgerissene Hamburger Dom gemeint, in dem Mattheson im September 1716 sein Oratorium Die ­Nainische Witwen-Hochzeit zur Aufführung gebracht hatte. 56 Maul, wie Anm. 43, S. 111.

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1719 Matthesons Exemplarische Organisten-Probe erscheint. Die erste von mehreren im Vorspann abgedruckten Zuschriften, ein französisches Madrigal, stammt von Maria Aurora.57 1727 Verärgert über Matthesons Selbstgefälligkeit sowie dessen vermeint­lich inkompetente Beurteilung der Laute und ihrer Musik, geht der weithin bekannte Lautenvirtuose Ernst Gottlieb Baron (1696 – 1760) in seiner Schrift Untersuchung der Lauten mit satirischer Schärfe auf das Vorwort zum Neu-Eröffneten ­Orchestre von 1713 ein: Mattheson, so Baron, könne sich wohl nicht eingehend mit der Laute beschäftigen, da er seine Zeit eher der Damenwelt als der seriösen Forschung widme; er stehe bekanntermaßen öffters in angenehmen Zweifeln, ob er die Dames in Demuths-voller Liebe oder in verliebter Demuth verehren solle […] Übrigens wird sich allemahl ein vernünfftiger Mensch in Presence galanter Damen, ob zwar nicht abgöttisch wie unsere Vorfahren, doch ehrerbietig anführen.58 Als Baron so energisch anständiges Benehmen gegenüber der Gräfin Königs­ marck einforderte, hatten die Hamburger Kontrahenten ihre Verbindungen zu ihr bereits gelöst – zugespitzt gesagt lohnten die Widmungen sich nicht mehr, da Maria Aurora nicht mehr reiste und ihren Einfluss auf das kulturelle Geschehen an den nord- und mitteldeutschen Höfen verloren hatte. Reinhard Keiser war nach einem Zwischenspiel in Kopenhagen (1721 – 1723) wieder in Hamburg tätig; sein Wunsch, den Titel eines Hofkapellmeisters zu erhalten, hatte sich nicht erfüllt. Johann Mattheson, von zunehmender Schwerhörigkeit behindert, zog sich langsam aus dem aktiven Musikleben zurück. Er konzen­ trierte sich auf diplomatische und journalistische Aufgaben, wollte jedoch das 57 Das Madrigal (O vous, scavantes soeurs) ist keine Komposition, sondern ein Gedicht. – Mattheson, Johann: Exemplarische Organisten-Probe im Artickel vom General-Baß, Hamburg 1719, o. S. 58 Baron, Ernst Gottlieb: Untersuchung des Instruments der Lauten, Nürnberg 1727, Repr. Amsterdam 1965, S. 117. Im Zuge seiner Widerlegung von Matthesons Argumenten schreibt Baron an anderer Stelle, er wüsste gerne, wie Herr Matheson [!] so einen großen Schmaltz-Flecken ins Magnificat hat machen […] können (a. a. O., S. 109). Mög­ licherweise bezieht er sich damit auf die oben erwähnte Magnificat-Paraphrase; der Zusammenhang ist allerdings unverständ­lich. Mattheson antwortete auf Baron mit der Schrift Der neue Göttingische […] Ephorus, wegen der Kirchen-Music eines anderen belehret Von Io. Mattheson, nebst dessen angehängtem, merckwürdigen Lauten-Memorial, Hamburg 1727, S. 109 – 124, ohne dabei jedoch auf Barons implizite Kritik an seinem Verhalten gegenüber Maria Aurora einzugehen.

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1718 übernommene Amt des Domkantors noch nicht aufgeben. Als er 1728 den Opernsängern, die auch bei der Dommusik mitwirkten, öffent­lich einen unmoralischen Lebenswandel vorwarf, kündigten die empörten Sänger ihren Dienst unter seiner Leitung auf. Mattheson musste zurücktreten; sein Nachfolger wurde Reinhard Keiser.59 Beide spielten jedoch im Hamburger Musikleben keine überragende Rolle mehr, seit Georg Philipp Telemann 1721 zum städtischen Musikdirektor ernannt worden war. Maria Aurora dürfte ihn 1719 bei der Dresdner Kurprinzenhochzeit kennengelernt haben. Soweit wir wissen, unterhielt sie jedoch keinen weiteren Kontakt mit ihm. Nur einer der Beteiligten scheint von der Protektion durch Maria Aurora in größerem Maße profitiert zu haben, näm­lich der Dichter und Opernlibrettist Johann Ulrich König: 1719 ging er nach Dresden, um Hofpoet Augusts des ­Starken zu werden. Ob Maria Aurora ihn ausdrück­lich empfohlen hatte, ist nicht bekannt; es steht jedoch zu vermuten. Als 1719 die Hochzeit des sächsischen Kurprinzen Friedrich August (II.) mit der österreichischen Erzherzogin Maria Josepha mit einem vier Wochen dauernden Fest begangen wurde, führte Maria Aurora bei der Wirtschaft der 12 Nationen die Gruppe der Ungarischen Damen an.60 In dieser Rolle brauchte sie nur zu repräsentieren; das Singen und Tanzen hatte die auf die Sechzig zugehende Gräfin längst aufgegeben. Zu dieser Zeit lernte Maria Aurora den jungen Komponisten Johann Adolf Hasse (1699 – 1783) kennen, der seine Karriere um 1720 als Tenor an den Opernhäusern von Hamburg und Braunschweig begann und ab etwa 1730 zum berühmtesten Opernkomponisten seiner Generation wurde: Dass sich Hasse 1719 im Stift Quedlinburg aufhielt (wahrschein­lich, um dort zu musizieren) und dabei eine Liebesaffäre mit Maria Auroras Schwiegertochter Victoria von Loeben anfing, ist in der einschlägigen musikwissenschaft­lichen Literatur offensicht­lich unbekannt. Dieser Zwischenfall wurde im Rahmen des Scheidungsprozesses zwischen Moritz von Sachsen und der Gräfin Loeben 1721 zu Protokoll genommen. Ein Fräulein von Rosenackern, anscheinend Maria ­Auroras Kammerfrau, sagte vor Gericht aus, sie hätte Hasse und die Gräfin Loeben beim Küssen beobachtet und einige Nächte später die Pröpstin geweckt 59 Neubacher, Jürgen: Die Sänger in Matthesons Kirchenmusik und sein Scheitern als Domkantor. Ursache und Wirkung eines selbstverschuldeten Boykotts, in: Hirschmann, Wolfgang/Jahn, Bernhard (Hg.): Johann Mattheson als Vermittler und Initiator. Wissenstransfer und die Etablierung neuer Diskurse in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Hildesheim u. a. 2010, S. 336 – 343. 60 König, Johann Ulrich: Eilfertige Gedanken auf die […] Wirtschaft der 12 Nationen, in: Des Herrn von Königs Gedichte, Dresden 1745, S. 452.

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und aufgefordert, die beiden „zu beschleichen, indem sie sich selbst erboten, dieses zu verrichten. Die Gräfin Königs­marck aber habe es nicht erlauben wollen, sondern befohlen, in des Hasse Zimmer zu gehen, um zu sehen, ob er dort anzutreffen sei. Da er nicht vorgefunden wurde, habe sie [d. h. die Zofe] auf Befehl ihrer gräf­lichen Herrschaft ein gewisses gesticktes florenes Halstuch und einen Handschuh auf den Tisch in des Hasse Zimmer legen müssen zum Wahrzeichen, daß sein bisheriger heim­licher und verdächtiger Zuspruch bei der Gräfin von Sachsen nunmehr sattsam bekannt und entdeckt wäre, wonächst sie [d. h. Maria Aurora] sich wieder schlafen gelegt.“61 Man kann nur hoffen, dass Hasse der Gräfin Königs­marck für diese unaufgeregte Abwicklung seiner Eskapade dankbar war; ein öffent­lich gewordener Skandal hätte seine aussichtsreiche Laufbahn vermut­lich für einige Zeit beeinträchtigt. In der Geisteswelt ihrer Zeit war Maria Aurora, wie auch die maßgeb­liche deutsche Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts hervorhebt, wegen ihrer Gelehrsamkeit, sonder­lich in der Poesie, Instrumental- und Vocalmusik […] sehr bekannt.62 Hätte sie sich mit einem standesgemäßen, ihre Neigungen fördernden Ehepartner verbunden, wäre ihr Wohnsitz vermut­lich zu einem Musenhof geworden. Doch gerade ihre Unabhängigkeit und ihr über lange Perioden geführtes unstetes Reiseleben machten den Kontakt mit ihr für Musiker besonders erstrebenswert: Dank ihrer Beziehungen zu den bedeutenden Höfen zwischen Stockholm und Dresden unterhielt die Gräfin ein Netzwerk, das nicht wie üb­lich auf Verwandtschaft, sondern auf Wertschätzung ihrer Persön­lichkeit beruhte. Da Maria Aurora sich bis etwa 1710 häufig – danach seltener – in Dresden, Wolfenbüttel, Hamburg und anderen kulturellen Zentren aufhielt und mit Kunstliebhabern wie Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-­Wolfenbüttel korrespondierte, dürfte sie zu den bestinformierten Zeitgenossen auf dem Gebiet der höfischen Musik in Nord- und Mitteldeutschland gehört haben. Wie Johann Matthesons enthusiastische Erinnerungen an seine Gespräche mit ihr belegen, nutzte Maria Aurora ihren Wissens- und Erfahrungsschatz, um junge Musiker zu fördern. Dabei verband sie musikalische Kennerschaft in Theorie und Praxis mit persön­licher Sympathie für Musiker und Verständnis für ihre Lebensweise. Dass die Gräfin Königs­marck ihnen ohne Arroganz gegenübertrat, mögen Düben, Keiser, Mattheson und andere höher geschätzt haben als ein Mäzenatentum, das sich auf finanzielle Gnadenerweise beschränkte. 61 Burg, wie Anm. 2, S. 339 f. „nach einem vorliegenden Protokoll“, ohne Quellenangabe (Hasse wird dort irrtüm­lich mit den Vornamen Johann Rudolph genannt). 62 Zedler, Johann Heinrich: Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 15, Halle/Leipzig 1737, Sp. 1340 f.

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Epilog Vor kurzem wurde bei der wissenschaft­lichen Aufarbeitung von Matthesons Nachlass in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg ein Manuskript entdeckt, das vermut­lich um 1740 entstand: In der auf Französisch geschriebenen Correspondence caracterisée und einem dazugehörigen Entwurf geht es um die galanten Abenteuer zweier fiktiver Briefpartner, von denen einer unschwer als Mattheson in jungen Jahren zu identifizieren ist.63 Stolz berichtet er über zahlreiche Affären, unter anderem mit einer hoch gebildeten, aristokratischen Dame „K.“ – mög­licherweise Maria Aurora von Königs­marck. Sogar ein Kind will der Briefschreiber mit ihr gezeugt haben; es sei jedoch vor der Geburt gestorben. Was hier als literarische Phantasie oder Wunschdenken zu gelten hat, und was als Tatsache einzuschätzen wäre, kann erst erörtert werden, wenn die kommentierte Textedition vorliegt.64

63 Böning, Holger: Zur Musik geboren. Johann Mattheson – Eine Biographie (Presse und Geschichte – Neue Beiträge 80), Bremen 2014, S. 68 f. – Dem Autor lag der noch nicht veröffent­lichte Text bereits vor. 64 Hirschmann, Wolfgang/Jahn, Bernhard (Hg.): Johann Mattheson. Texte aus dem Nachlass, Hildesheim/Zürich/New York (im Ersch.).

ULRICH ROSSEAUX

Der Fürstenhof im Barock – Zu Struktur und Funktionen eines soziokulturellen Gesamtkunstwerks 1

Wenn man die Strukturen und Funktionen des Fürstenhofs im Barock näher in den Blick nehmen will, sind – gerade aus interdisziplinärer Perspektive – einige kurze Eingangsüberlegungen zur Terminologie unumgäng­lich. Barock beispielsweise ist ein Begriff, mit dem Historiker gemeinhin nicht sonder­lich viel, Kunsthistoriker und Germanisten hingegen deut­lich mehr anfangen können – wobei die beiden letzteren allerdings nicht das gleiche meinen, wenn sie von Barock sprechen. Was dem einen, dem Kunsthistoriker näm­lich, als Maloder Baustil sowie in einem erweiterten Sinne als Bezeichnung einer Mode gilt, bezeichnet für den anderen, den Germanisten, eine Literaturepoche. Immerhin: Die Zeiträume, auf die beide Barock-Begriffe Anwendung finden, überlappen sich zu einem Gutteil und so kristallisiert sich – jedenfalls für den deutschen Bereich – eine Barockepoche heraus, deren Kern zwischen ungefähr der Mitte des 17. und dem Ende des ersten Drittels des 18. Jahrhunderts zu verorten ist. Oder anders gewendet: Die Lebensdaten Aurora von Königs­marcks fassen den Zeitraum, um den es geht, recht gut ein. Historiker haben für diese Phase lange Zeit mit den Begriffen Absolutismus oder Zeitalter des Absolutismus operiert – manche machen dies, ob aus Mangel an Alternativen oder aus Überzeugung sei dahingestellt, nach wie vor –, sich aber in den letzten Jahren zunehmend von den damit verbundenen Konzepten verabschiedet. Zum einen, weil mit ihnen die politische Herrschaftsstruktur zu stark in den Mittelpunkt der Hofforschung gerückt wurde. Der frühneuzeit­liche Fürstenhof erschien aus dieser Perspektive vornehm­lich als Ort und Instrument herrscher­lichen Handelns, andere Aspekte der Sozialund Kulturformation Hof wurden hingegen nachrangig behandelt. Zum anderen wurde unter dem Oberbegriff des Absolutismus ein Herrschaftsmodell 1 Für die Druckfassung wurde die Vortragsform weitgehend beibehalten und nur an einigen Stellen leicht überarbeitet. Auf einen ausgearbeiteten wissenschaft­lichen Apparat wurde deshalb verzichtet, und die Literaturangaben beschränken sich auf einige wenige grundlegende Werke sowie die Nachweise von Zitaten.

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entworfen, das im Lichte der immer weiter fortschreitenden Forschung nicht einmal mehr für Frankreich, dem scheinbaren Paradefall absolutistischer Herrschaft, volle Gültigkeit beanspruchen konnte. Umso mehr galt dies für andere europäische Länder und nament­lich für das Heilige Römische Reich deutscher Nation. Dort konnte sich auf Reichsebene keine Regierungsform etablieren, die man als absolutistisch bezeichnen könnte – und auch in den einzelnen Territorien waren bestenfalls einzelne Elemente absolutistischer Herrschaftspraxis feststellbar, nicht aber der mehr oder minder voll ausgebildete Gesamttypus. Selbst in Brandenburg-Preußen oder den habsburgischen Erblanden, d. h. in solchen Gebieten, in denen es den Herrschergeschlechtern gelungen war, eine verhältnismäßig starke Stellung zu erlangen, blieben untergeordnete regionale und lokale Gewalten von Bedeutung. Ganz zu schweigen von anderen Reichsterritorien wie beispielsweise den geist­lichen Staaten, in denen die Stände ihre traditionellen Mitspracherechte bewahren oder sogar noch ausbauen konnten. In den folgenden Ausführungen wird daher vornehm­lich mit dem vergleichsweise neutralen Begriff des frühneuzeit­lichen Fürstenhofes operiert und immer dann, wenn es um die uns hier besonders interessierende Kernzeit zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs und der Mitte des 18. Jahrhunderts geht, hilfsweise auch auf den Terminus Barock zurückgegriffen. In der Forschung wird der frühneuzeit­liche Fürstenhof seit geraumer Zeit mit gesteigertem Interesse behandelt. Dies gilt nicht allein für die Historiographie, sondern auch für andere historisch-kulturwissenschaft­lich arbeitende Disziplinen wie die Kunstgeschichte, die Musikwissenschaft oder die Germanistik, um nur einige der wichtigsten Beispiele zu nennen. Schon aufgrund dieser Fächervielfalt wäre der Versuch, auch nur die wichtigsten aktuellen Forschungstrends im Rahmen dieses Beitrags skizzieren zu wollen, von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weshalb darauf an dieser Stelle auch verzichtet wird.2 Einen Punkt gilt es allerdings hervorzuheben: Über alle an der Hofforschung beteiligten Disziplinen hinweg fällt auf, dass sich die Untersuchungen ganz grob zwei idealtypischen Zugangsweisen zuordnen lassen. Bei dem einen Forschungsansatz geht es darum, den frühneuzeit­lichen Fürstenhof systematisch in seinen Strukturen und Funktionen zu erfassen. Einzelne Höfe dienen hierbei als Beispiele, mit deren Hilfe sich allgemeine Entwicklungen und einzelfallübergreifende Aspekte untersuchen und erläutern lassen. Das wahrschein­lich prominenteste Beispiel für diesen Ansatz ist Norbert Elias mit

2 Zum Einstieg in die Thematik kann Müller, Rainer A.: Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit, 2. Aufl., München 2010 empfohlen werden.

Der Fürstenhof im Barock 157

seinen Studien zur höfischen Gesellschaft. Zu dieser Richtung sind ebenfalls die systemtheoretisch beeinflussten Forschungen zum Hof als soziales System und die typologisierenden Konzepte zu zählen.3 Die andere Zugangsweise stellt hingegen einen einzelnen Hof in den Mittelpunkt und versucht entweder, diesen als Ganzes oder – was in der Forschungspraxis häufiger vorkommt – einen einzelnen Aspekt des höfischen Lebens zu analysieren. Zwar wird in diesen Studien immer auch der Vergleich gesucht, das primäre Ziel aber besteht darin, das Spezifische des jeweiligen Untersuchungsgegenstands hervorzuheben. Oder um es mit einem Beispiel zu illustrieren: Im Vordergrund solcher Studien steht dann das Besondere an der Hofmusik von Sachsen-Weißenfels und nicht so sehr ihre Einbettung in den deutschen und europäischen Gesamtkontext höfischer Musik des 17. und 18. Jahrhunderts.4 Dieser Beitrag folgt dem ersten, allgemein orientierten Ansatz, was bedeutet, dass es um eine systematische und idealtypologische Untersuchung der Strukturen und Funktionen des frühneuzeit­lichen Fürstenhofs geht. Der räum­liche Fokus liegt dabei auf den Verhältnissen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Die Entstehung der Höfe Fürstenhöfe waren keine Erfindungen der Frühen Neuzeit, sondern besaßen vielmehr Wurzeln, die weit ins Mittelalter zurückreichten. Dennoch unterschieden sich die frühneuzeit­lichen Höfe in mehr als einer Hinsicht deut­lich von ihren mittelalter­lichen Vorläufern. Zu diesen Unterschieden gehörte zuvörderst, dass die Fürsten in der Frühen Neuzeit allmäh­lich sesshaft wurden und sich feste Residenzen entwickelten. Zwar gab es auch hierfür schon mittelalter­liche Vorbilder: München war schon seit 1255 Residenz des bayerischen Teilherzogtums Oberbayern, die mecklenburgischen Herzöge residierten seit 1358 in Schwerin, und Stuttgart war seit 1482 der dauerhafte Aufenthalts- und Regierungsort der

3 Vgl. Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft, Frankfurt/M. 1994; Hirschbiegel, Jan: Hof als soziales System. Der Beitrag der Systemtheorie nach Niklas Luhmann für eine Theorie des Hofes, in: Butz, Reinhardt/Hirschbiegel, Jan/Willoweit, Dieter (Hg.): Hof und Theorie. Annäherungen an ein historisches Phänomen, Köln/Weimar/Wien 2004, S.  43 – 54; Bauer, Volker: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie, Tübingen 1993. 4 Vgl. exemplarisch Riepe, Juliane: Musik der Macht – Macht der Musik: Die Musik an den sächsisch-albertinischen Herzogshöfen Weißenfels, Zeitz und Merseburg, Schneverdingen 2003.

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Herzöge von Württemberg. Zu einem wirk­lich flächendeckenden Phänomen wurde die Sesshaftwerdung der Fürsten aber erst seit dem 16. Jahrhundert. Aufgrund seiner eigentüm­lichen politischen Struktur bildete sich im Alten Reich keine zentrale Haupt- und Residenzstadt und damit auch kein alles dominierender Hof heraus. Die habsburgische Residenz Wien war zwar – mit Ausnahme der Jahre zwischen 1740 und 1745 – Sitz der Kaiser. Und der kaiser­ liche Hof war während der gesamten Frühen Neuzeit zweifellos der wichtigste im Reich und einer der bedeutendsten in Europa. Dennoch waren Vielzahl und Vielfalt die grundlegenden Kennzeichen der deutschen Hof- und Residenzenlandschaft. Vor allem dort, wo die politische Gliederung besonders kleinteilig war, entwickelten sich viele fürst­liche Hofhaltungen auf engem Raum. Typisch hierfür waren die Verhältnisse in Thüringen, wo die ernestinischen Wettiner (u. a. Weimar, Eisenach, Altenburg, Gotha, Hildburghausen), die Grafen von Schwarzburg (Arnstadt, Rudolstadt, Sondershausen), die Grafen von Reuss (Greiz, Gera) und die Henneberger Grafen (Schleusingen) mitsamt ihren Nebenlinien und Verzweigungen eine überaus dichte Hof- und Residenzlandschaft hervorbrachten. Auch wenn sich die Höfe nicht überall so auf engem Raum ballten wie in Thüringen – für die Struktur der höfischen Gesellschaft als Ganzes war die auch ansonsten vielfältige und kleinteilige Hof- und Residenzenlandschaft des Alten Reiches von großer Bedeutung. Die zahlreichen Höfe bildeten die Knotenpunkte eines Netzwerks, innerhalb dessen sich die Mitglieder der höfischen Gesellschaft bewegten. Oder anders formuliert: Man kann die höfische Gesellschaft des Alten Reiches als ein vielfach miteinander verflochtenes soziales Netz beschreiben, dessen Knotenpunkte die Höfe darstellten. Innerhalb dieses Netzwerks war die räum­liche Mobilität oft mit sozialer Mobilität verknüpft. Denn bei allen Unterschieden in den biographischen Details – eines zeigen die Lebensläufe von Hofangehörigen des 17. und 18. Jahrhunderts in schöner Deut­lichkeit: Das Bemühen, durch einen Wechsel von einem Hof zum nächsten nach Mög­lichkeit die eigene soziale Position zu verbessern. Diesen Befund kann man an der Biographie Aurora von Königs­marcks ebenso verifizieren wie am Beispiel vieler anderer höfischer Karrieren. Und zwar beileibe nicht nur bei den adeligen Eliten, sondern auch bei den Funktionsbediensteten der Höfe. Die Hofkünstler wie Musiker, Maler oder Schauspieler stellen hierbei die bekanntesten Beispiele. Innerhalb des Gesamtnetzwerks der höfischen Gesellschaft im Alten Reich lassen sich zudem Subnetze identifizieren. Rund um Höfe mit überregionaler Ausstrahlung gruppierten sich klientelartige Strukturen, die durch Faktoren wie Verwandtschaft, Konfession und vor allem langjährige und nicht selten

Der Fürstenhof im Barock 159

übergenerationelle Beziehungen zwischen der Herrscherdynastie und adeligen Familienverbänden konstituiert wurden. So findet man am kursächsischen Hof, um nur ein Beispiel zu nennen, über Generationen hinweg immer wieder die Namen der gleichen Geschlechter: die Miltitz, die Schleinitz, die Einsiedeln und so fort. Über die regionalen Subnetzwerke konnten auch landsässige Adels­ familien in das Gesamtnetzwerk der höfischen Gesellschaft eingebunden werden.

Die Strukturen der Höfe Beim Blick auf die inneren Strukturen der Höfe in der Frühen Neuzeit sticht ein Befund sofort ins Auge: Durch den eng mit der Entstehung des frühmodernen Territorialstaats verbundenen Prozess der frühneuzeit­lichen Hof- und Residenzenbildung kam es zu einer spürbaren strukturellen Veränderung der Fürstenhöfe. Zum einen wurden die Höfe zahlenmäßig deut­lich größer als sie es im Mittelalter gewesen waren und zum anderen differenzierte sich ihre Zusammensetzung immer weiter aus. Auch wenn die personelle Verflechtung zwischen beiden Bereichen immer ausgeprägt blieb, entwickelten sich der Hofstaat im engeren Sinne – verstanden als die Umgebung des Fürsten und seiner Familie – und die an den Hof angelagerten zentralen landesherr­lichen Bürokratien zu zwei eigenständigen Sphären. Beide wuchsen im Laufe der Frühen Neuzeit, wobei das Wachstum im Bereich der Bürokratie stärker war. Der Ausbau der Hofhaltung und der landesherr­lichen Verwaltungen führte dazu, dass die frühneuzeit­lichen Residenzen durch eine eigentüm­liche Rechtsund Sozialstruktur gekennzeichnet waren. Die zum Hof zählenden Personen – und dies waren neben den Adeligen auch die zahlreichen Funktionsbediensteten – bildeten in der Regel einen autonomen Rechtskreis, der neben der Stadtgemeinde bestand. Dieses räum­liche Nebeneinander von recht­lich gefassten Personenverbänden war typisch für die Frühe Neuzeit – und eine Quelle latenter Spannungen. So machten 1734 beispielsweise in der fränkischen Residenzstadt Ansbach die Angehörigen des Hofstaats und der Beamtenschaft mehr als 30 Prozent aller Haushaltungen in der Stadt aus. Obwohl sie in Ansbach ansässig waren, gehörten sie nicht zur Stadtgemeinde, sondern standen außerhalb der kommunalen Rechtsordnung. Insbesondere mussten die Hofangehörigen nur ein Drittel der ansonsten fälligen Steuern an die Stadt entrichten. Im Folgenden liegt der Fokus allerdings nicht auf den frühmodernen landesherr­lichen Bürokratien, sondern auf dem Hofstaat im engeren Sinne. Hierzu gehörten zuvörderst die vier klassischen mittelalter­lichen Hofämter Marschall, Mundschenk, Kämmerer und Truchsess, die im Laufe der Frühen

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Neuzeit eine unterschied­liche Entwicklung nahmen: Das Amt des Mundschenken verwandelte sich ebenso wie dasjenige des Truchsessen zunehmend in ein höfisches Ehrenamt. Dessen Verleihung bedeutete für den Betreffenden eine große Ehre, praktische Folgen hatte sie indes kaum noch. Für die Getränkeversorgung und die Einrichtung der fürst­lichen Tafel besaßen die frühneuzeit­lichen Höfe spezielles Funktionspersonal. Dieses unterstand, wie die gesamte Organisation des Hofstaats, dem Marschall, der an den Höfen der Frühen Neuzeit vom Anführer der mitreisenden Knechte zum Manager des gesamten Hofes aufstieg. Dem Marschall, häufig auch als Oberhofmarschall betitelt, unterstanden die höfische Ökonomie, das Zeremoniell und die Rechtsprechung am Hofe. Das bedeutete, dass er unter anderem über die Hofküche, den Hofkeller, die Hofkünstler, die Kammerherrn und deren nachgeordnete Chargen sowie das Hofgesinde gebot. Außerdem war der Hofmarschall für die Unterhaltung der Gebäude und die Organisation höfischer Feste und sonstiger Veranstaltungen zuständig. Neben dem Marschallamt erfuhr auch das Amt des Kämmerers an den frühneuzeit­lichen Höfen einen Bedeutungszuwachs. Denn mit dem Ausbau der Hofhaltungen wuchsen auch die Aufgaben der Finanzkammer. Hinzu kam die Verwaltung der fürst­lichen Güter und Domänen. Neben den vier traditionell höchsten Hofämtern umfasste der frühneuzeit­ liche Hofstaat allerdings noch deut­lich mehr Personen. Hierzu zählten in erster Linie diejenigen Adeligen, die zur unmittelbaren Umgebung des jeweiligen Herrschers und seiner Familie gehörten. Dabei entwickelte sich das im Mittelalter noch lose formierte Gefolge eines Fürsten in der Frühen Neuzeit zunehmend zu einer klar hierarchisierten Ämterlaufbahn. Am Beginn eines solchen höfischen „cursus honorum“ stand der Dienst junger Adeliger als Page oder Kammerjunge, anschließend konnten sie zum Kammerjunker und Kammerherrn aufsteigen. Ebenfalls mit in den Bereich des Hofstaats sind die Hofgeist­lichen zu rechnen. Hier ergaben sich aufgrund der konfessionellen Spaltung unterschied­ liche Entwicklungen, je nachdem, ob es sich um einen katholischen oder einen protestantischen Hof handelt. Wobei bei den protestantischen Höfen streng genommen noch einmal zwischen lutherischen und reformierten zu unterscheiden wäre. Allen Konfessionen gemeinsam war, dass die Höfe gemäß ihrem Charakter als autonomer, recht­lich gefasster Personenverband gemeinhin auch eine eigene Hofkirchengemeinde bildeten. An deren Spitze stand ein Hof- bzw. Oberhofprediger, der für die Organisation der Seelsorge verantwort­lich war. In protestantischen Territorien waren die Oberhofprediger zudem häufig in die Leitung der evangelischen Landeskirche mit eingebunden. Besondere Bedeutung konnten jene Geist­lichen erlangen, die mit der persön­lichen Betreuung

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des Herrschers und seiner näheren Angehörigen betraut waren. Nicht selten konnten sie es zu beacht­lichem politischen Einfluss bringen. Katholischerseits manifestierte sich dieses Phänomen in Gestalt des fürst­lichen Beichtvaters – eine Funktion, die im 17. und 18. Jahrhundert besonders häufig von Jesuiten bekleidet wurde. Das zahlenmäßige Wachstum der Höfe im Laufe der Frühen Neuzeit spielte sich aber nicht allein im Bereich des adeligen Hofstaats ab, sondern ging zu einem Gutteil auf das Konto der Funktionsbediensteten. Die immer vielfältigeren und spezialisierteren Aufgaben bei Hofe erforderten mehr und entsprechend qualifiziertes Personal. Benötigt wurden unter anderem Stallmeister, Küchen- und Kellermeister, Hofjäger, Hofzuckerbäcker, Hofpastetenmacher, um nur einige Beispiele zu nennen. Hinzu kam Fachpersonal für die Aufbewahrung und Pflege des Hofsilbers, die Bereitung der fürst­lichen Tafel und vieles andere mehr. In diesen Bereichen konnten auch Nicht-Adelige Hof-Chargen bekleiden, wenngleich die Führungspositionen auch hier meist dem Adel vorbehalten blieben. Der quantitative Ausbau und die funktionale Differenzierung der frühneuzeit­ lichen Höfe waren zudem eng mit einer zunehmenden Formalisierung und Hierarchisierung verbunden. Mit Hofordnungen wurden die Ämterrangfolge sowie das Leben und der Tagesablauf an den Höfen zum Teil bis in kleinste Details hinein geregelt und vorgeschrieben. Hierbei orientierten sich die deutschen Fürstenhöfe an den jeweils führenden europäischen Höfen. Dies war bis etwa zur Mitte des 17. Jahrhunderts der spanische Hof, der dann vom französischen Vorbild abgelöst wurde. Allerdings blieben an vielen deutschen Höfen daneben auch eigenständige Traditionen des höfischen Lebens weiterhin wirksam. So griff man – um ein vergleichsweise bekanntes Beispiel zu bemühen – im Dresden Augusts des Starken bei der Gestaltung von Hoffesten in durchaus nennenswertem Maße auf das überlieferte Repertoire der Festkultur des kursächsischen Hofes zurück. Hinzu kamen hier – wie an vielen anderen Höfen im Alten Reich auch – Anleihen aus dem Zeremoniell und den Hofordnungen weiterer europäischer Höfe außerhalb Frankreichs. Häufig spielten dabei die Hochzeitsverbindungen der Herrscherdynastie eine wichtige Rolle. Die einheiratenden Partner brachten nicht selten kulturelle Praktiken ihres Herkunftshofes mit und verbreiteten diese in ihrem neuen Umfeld. Insofern waren gerade die deutschen Fürstenhöfe mit ihrer geographischen Mittellage und ihren europaweiten dynastischen Verbindungen durch ein Amalgam aus mancherlei Hofkulturen geprägt. Insgesamt zielten die Versuche, das Hofleben durch Ordnungen und Zeremoniell zu hierarchisieren und zu strukturieren, auf ein klar erkennbares Ziel:

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Zumindest im Rahmen des Fürstenhofs sollte die barocke Utopie vom wohlgeordneten Gemeinwesen Realität annehmen, in dem jeder und alles seinen vorgesehenen und gottgewollten Platz einnimmt und alle Bestandteile wie ein perfekt konstruiertes und geschmeidig funktionierendes Uhrwerk ineinander greifen. Diese offizielle Ordnung, die dann in Hofbeschreibungen oder Hofkalendern gleichsam kodifiziert und für jedermann zum Nachlesen aufgezeichnet war, stand jedoch nicht allein. Vielmehr wurde sie durch parallel existierende informelle Rangordnungen sowohl ergänzt als auch mitunter in Teilen umgangen. Diese informelle Rangordnung der Favoriten, Mätressen und Günstlinge spiegelte insofern die offizielle Rangordnung, als auch bei diesem Ordnungssystem die Nähe zum Herrscher das entscheidende Kriterium war. Zugleich war sie dialektisch mit der offiziellen Hofordnung verbunden, indem sie diese flexibilisierte. Die informelle Rangordnung ermög­lichte zeit­lich befristete vertikale soziale Mobilität innerhalb der höfischen Gesellschaft. Diese Beweg­ lichkeit hatte für diejenigen, die temporär von ihr profitierten, frei­lich den Preis einer erhöhten Abhängigkeit vom Fürsten. Die Position eines Favoriten oder einer Mätresse beruhte allein auf der Gunst des Herrschers, die jederzeit wieder entzogen werden konnte. Immerhin wurden die damit verbundenen Gefahren durch – allerdings ebenfalls informelle – Versorgungsarrangements abgemildert. Die abgelegte Mätresse beispielsweise durfte im Regelfall erwarten, eine geeignete Versorgung für ihr weiteres Leben zu erhalten. Etwa in Gestalt einer Verehe­lichung oder durch Übertragung von Gütern. Ähn­liches galt für die Versorgung von Kindern, die einer solchen Beziehung entsprossen. Während die offizielle Rangordnung im Zeremoniell symbolisch dar- und performativ hergestellt wurde, geschah dies bei der informellen Ordnung vornehm­lich im Medium des höfischen Festes. Hier konnten die gerade aktuellen informellen Arrangements durch geeignete Rollenzuweisung vor der Hoföffent­lichkeit präsentiert werden. Da zugleich auch die offizielle Rangordnung zumindest nicht offen verletzt werden durfte, wird der Charakter des barocken Hofes als soziokulturelles Gesamtkunstwerk an kaum einer anderen Stelle deut­licher als bei der im Medium des höfischen Festes vollzogenen Inszenierung der informellen Ordnungsarrangements. Mit dieser Feststellung ist man dann plötz­lich wieder ziem­lich nah bei Richard Alewyn und seiner klassisch gewordenen Einschätzung, dass das höfische Leben nichts als Fest sei.5 Wenngleich betont werden muss, dass Alewyn dem höfischen Fest eine

5 Vgl. Alewyn, Richard: Das große Welttheater, Hamburg 1959.

Der Fürstenhof im Barock 163

andere Funktion zuschrieb und seine unterhaltenden Aspekte in den Vordergrund stellte.

Die Funktionen der frühneuzeit­lichen Fürstenhöfe Wenn man nun abschließend die Frage nach der Funktion – oder besser: den Funktionen – der frühneuzeit­lichen Fürstenhöfe stellt, dann drängen sich einige naheliegende Antworten rasch in den Vordergrund: Erstens: Die alte und immer wieder variierte These von der Zentralisierung der Herrschaft und der Bindung des Adels an den Hof und an die Person des jeweiligen Herrschers erweist sich – trotz aller eingangs geäußerten Kritik an der Taug­lichkeit des Absolutismuskonzepts – als durchaus brauchbare Arbeitsgrundlage. Mehr und mehr avancierten die frühneuzeit­lichen Höfe zu den zentralen Umschlagplätzen für politische und ökonomische Partizipationsmög­lichkeiten innerhalb des feudalen Systems des Ancien Régime. Der Zugang zu Ämtern, Pfründen, Vermögen, Heiratschancen, Titeln, Besitz, Macht, Ansehen – kurz: zu allem, was für die adelige Führungselite von Bedeutung war, wurde mehr und mehr an den Höfen konzentriert. Zweitens: Es würde aber zu kurz greifen, diese Entwicklung vor allem als Machtzuwachs der jeweiligen Fürsten zu beschreiben. Das war es zwar auch, aber das war es nicht allein. Der offenkundige Erfolg, den die höfische Gesellschaft als spezifische Vergesellschaftungsform der adeligen Führungsschicht im Ancien Régime im 17. und 18. Jahrhundert hatte, ist nicht zu erklären, wenn man davon ausgeht, dass in dieser Entwicklung nur einer der Mitspieler gewann. Vielmehr gilt es, die Chancen aller an der frühneuzeit­lichen Entwicklung beteiligten Akteure in den Blick zu nehmen. Und hier zeigt sich, dass auch der Adel von der Entstehung der frühneuzeit­lichen Höfe profitierte. Schließ­lich wurde mit ihnen der Zugang zu gesellschaft­lichen Führungspositionen weitgehend in einem exklusiven sozialen Raum konzentriert. Zugang erhielten nur diejenigen, die über die entsprechenden geburtsständischen Voraussetzungen verfügten und die mittels einer geeigneten Erziehung in das spezifische soziale Netzwerk der höfischen Gesellschaft hinein akkulturiert worden waren. Alles in allem kein schlechtes Geschäft für den höfischen Adel.

FABIAN PERSSON

Navigating in a Changing Political Landscape – The Königs­marcks at the Dawn of Swedish Absolutism

Many early modern aristocratic families were vast networks covering family and distant relations as well as political allies, friends, servants and officials. While medieval magnates had been more independent forces, early modern aristocrats had to wield influence through the machinery of monarchy. This has been presented by Norbert Elias as the absolute monarchy turning overmighty subjects into loyal courtiers.1 Such an interpretation has been used for a number of early modern monarchies.2 While the overarching narrative of the increasing power of the early modern ruler and his or her accompanying central government has not been questioned, yet significant adjustments have been made to this picture.3 Thus, the influence wielded by early modern monarchs could be an opportunity for the aristocracy. If aristocrats managed to harness this vastly increased power they stood greatly to benefit. Neil Cuddy has demonstrated how noblemen close to Charles I could reap huge rewards through the favour. Linda Levy Peck has further shown how this was the subject of a lively discourse.4 Dries Raeymaekers has illustrated how access to a ruler worked in the intricate context of the court of the Archdukes at Brussels.5 However, stability can be overemphasized. If stability was at the heart of early modern political discourse, reality still forced its way in. This was a time when aristocrats had to adapt to several revolutions in England.6 In other countries,

1 Elias, Norbert: The Court Society, London 1983. 2 See for example Ehalt, Hubert: Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert, München 1980. 3 Duindam, Jeroen: Myths of Power. Norbert Elias and the Early Modern European Court, Amsterdam 1994. 4 Peck, Linda Levy: Court Patronage and Corruption in Early Stuart England, London 1990. 5 Raeymaekers, Dries: One Foot in the Palace. The Habsburg Court of Brussels and the Politics of Access in the Reign of Albert and Isabella, 1598 – 1621, Leuven 2013. 6 Bucholtz, R. O.: The Augustan Court: Queen Anne and the Decline of Court Culture, Stanford 1993; Asch, Ronald: Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz und

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the political élite was partly dispossessed by absolutist power and emerging bourgeois bureaucrats.7 Thus, countries such as Brandenburg had to adapt to a new political landscape.8 The polity of many early modern monarchies had to be adaptable. Flexibility was a survival skill. We can see how aristocrats were forced to political realignment.9 Among the key factors to achieve such political dexterity was access to the ruler.10 Access did not guarantee political influence, but power was hard to achieve without it. The ever increasing might of the early modern state and the ruler meant that more and more people would struggle and fight to gain this access. The rewards were higher and the competition much steeper. Brian Weiser has underlined how to early modern people “the commodity of access became both more rare and more prized”.11 It is thus of greatest importance to analyse how access was regulated. Among the many assets of great aristocrat families, the asset of access would become even more valuable as power shifted towards the absolute monarch. In the 1660s and 1670s few Swedish families were as aristocratic and grand as the Königs­ marcks. When Aurora von Königs­marck was born in 1662, her family network was matched by few. Her grand-father had risen to the rank of Field Marshal and count. The Queen Dowager, though sickly, attended his funeral in person. Her father Conrad Christopher von Königs­marck had become Master of the Ordnance when he fell in battle in 1673. Her mother Maria Christina ­Wrangel was the daughter of the Field Marshal Herman Wrangel and his third wife Amalia Magdalena of Nassau. Thus, Aurora von Königs­marck was the niece of Carl Gustaf Wrangel, the Commander in Chief, and related to a number of princely ruling houses in Germany and the Netherlands. The family connections encompassed the dominating families in Swedish politics in the 1660s and 1670s. Aurora von Königs­marck’s aunt Beata Elisabeth

Patronage 1625 – 1640, Köln 1993; Marshall, Alan: The age of faction. Court politics, 1660 – 1702, Manchester 1999. 7 Norrhem, Svante: Uppkomlingarna: kanslitjänstemännen i 1600-talets Sverige och Europa, Umeå 1993. 8 Bahl, Peter: Der Hof des Großen Kurfürsten. Studien zur höheren Amtsträgerschaft Brandenburg-Preußens, Köln 2001. 9 Campbell, Peter R.: Power and politics in old régime France 1720 – 1745, London 1996. 10 See for example the forthcoming volume from the conference arranged in 2012 on ”The Key to Power? The Culture of Access in Early Modern Courts” by Dries Raeymaekers and Sebastiaan Derks in Antwerp. 11 Weiser, Brian: Charles II and the Politics of Access, London 2003, p. 5.

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von Königs­marck was married to the Councillor Pontus Fredrik De la Gardie, a brother of the Chancellor Magnus Gabriel De la Gardie. Her cousin Juliana Margareta Wrangel, the heiress of the Commander in Chief, was married to Nils Brahe, heir to Chancellor of the Judiciary Per Brahe. Magnus Gabriel De la Gardie and Per Brahe were the two men dominating politics at the time. Thus, the Königs­marcks were perfectly situated to use an extensive network that few could rival. This happy state of affairs was about to crumble in a spectacular fashion. Part of the power of the great aristocratic families rested on the fact that the King, Charles XI, was a minor between 1660 and 1672. For twelve years, close relatives of the Königs­marcks ruled Sweden wielding royal power. Even after the 17-year-old Charles XI came to age in 1672, his old guardians and councillors continued to exercise great influence. Noble networks were, as stated, an edifice integral to early modern power. Sometimes these depended mainly on one single individual such as the Duke of Buckingham, Cardinal Mazarin or Griffenfeld in Denmark.12 When that person fell into disgrace, his whole network would have to reorganise and find new ways to secure influence. At the top of this structure was the throne. However, the Königs­marcks ought to have felt confident. Their network was not built upon one single person. Instead several of the main power brokers were all linked to them such as Carl Gustaf Wrangel, Magnus Gabriel De la Gardie and Per Brahe. In the 1670s one of the Königs­marcks was not yet a main power broker but a rising star. Already as a 21-year-old, Aurora von Königs­marck’s uncle Otto Wilhelm von Königs­marck entered court service. Afterwards he served for a number of years as Chief Chamber Gentleman to the young king. This provided proximity to the formative teenager Charles XI. Such a position was eagerly sought after as the key to a personal relationship with the monarch – who was the pinnacle of this power structure. His usefulness to the family network is shown by the fact that he had been deployed by Carl Gustaf Wrangel in efforts to lobby the governing council. In 1674 Sweden was dragged into war on the behalf of France. The result was a disaster. The ruling aristocrats were exposed as inefficient. The army and navy were poorly trained and badly equipped. The old war hero from the Thirty Years War, Carl Gustaf Wrangel, was frail. But he rode into battle once again, together with his brother, Wolmar Wrangel, another uncle of Aurora von Königs­marck.

12 Lockyer, Roger: Buckingham: The Life and Political Career of George Villiers, First Duke of Buckingham, 1592 – 1628, London 1981; Olden-Jørgensen, Sebastian: Kun navnet er tilbage: en biografi om Peter Griffenfeld, Copenhagen 1999.

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The Swedish arms were, however, thrashed by Brandenburg forces in 1675 at Fehrbellin. The following year Carl Gustaf Wrangel died. Magnus Gabriel De la Gardie and Per Brahe were also discredited by the abysmal war effort. The latter was very elderly and died in 1680. The former was pushed sideways by the king, who removed him from Chancery. Thus, the sprawling and impressive family network of the Königs­marcks was wrecked as the war ended in 1679. At the same time it became increasingly obvious that momentous political changes were brewing in Stockholm. Clamours grew for a reassumption of royal land handed out to aristocrats during the last decades. The obvious strategy would be to rebuild a network and try to shield the family interests. This was best done in proximity to the political power in Sweden. To be present in person was always preferable to pressing your suit from afar. What I will analyse now is how the Königs­marcks strove to create a new network on the ruins of the old one. They would aim for access to the royal family and use their contacts and their cultural capital. Using her existing networks and eventually gaining access to various members of the royal family, Aurora’s mother, the Dowager Countess Königs­marck, Maria Christina Wrangel, acted vigorously. In 1679 she wrote to Johan Gyllenstierna.13 He was one of the most forceful advisors to the King and a leading light in the emerging new political landscape. Thus, he was a much more important contact to cultivate than old connections such as Magnus Gabriel De la Gardie and the Brahes. So, Maria Christina Wrangel in February 1679 wrote a letter to Gyllenstierna from Hamburg. She wanted to procure a suitable office for her son Carl Johan Königs­marck. She asked for the assistance of Gyllenstierna in making her son Chief Gentleman of the Bedchamber of the King. Both she and the boy’s uncle, Otto Wilhelm von Königs­marck, wished for this. The latter had held the office himself and in the 1670s Nils Brahe, a cousin by marriage, had been holder of that office. It was a very telling effort. If it succeeded Carl Johan von Königs­marck would be placed in close physical proximity to the King. He would be able to act as intermediary for the interests of his family and the extended Königs­marck network – for all our fortunes.14 His uncle Otto Wilhelm von Königs­marck had

13 Linköpings stiftsbibliotek Maria Christina Wrangel to Johan Gyllenstierna, Hamburg 22 February 1679. 14 Linköpings stiftsbibliotek Maria Christina Wrangel to Johan Gyllenstierna, Hamburg 22 February 1679.

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managed to survive the political storms, possibly because he was personally appreciated by the king. Now the youth could get a similar opportunity. Maria Christina Wrangel, however, knew that King Charles highly treasured military exploits. Consequently she stressed that but as I know you cannot press suit with the King, if you lack the penchant for war, rest assured, Monsieur that in all his letters young Königs­marck displayed a passion for war.15 Thus, she suggested that the King could combine the gift of the office of Chief Gentleman of the Bedchamber to young Carl Johan Königs­marck with a military office. To make her point, she included a letter, brimming with martial delight, from her young son presently campaigning with the Maltese Order in the Mediterranean. The end of the war coincided with the King’s marriage to the Danish Princess Ulrika Eleonora. The arrival of a new Queen in Sweden would mean the creation of a new royal household. Offices both for aristocratic men and women would need to be filled. If royal children followed, even more offices at court would be created. As the war ended in 1679, the political landscape was changing fast and new opportunities might turn up. The old mainstays of the Königs­marck network were discredited and Field Marshal Otto Wilhelm von Königs­marck was made Governor of Swedish Pomerania in 1679. Thus, he was distant from the throne and the power struggles in Stockholm. Maria Christina Wrangel very rationally decided that the best interests of her own and her children demanded her presence in Stockholm. Without her former contacts, she needed to pursue her own suits. The reorientation of her network can be discerned from her efforts to get into the good graces of Johan Gyllenstierna in 1679. She would write at least one further letter to him in 1680, now pressing in her legal procedure about the Königs­marck inheritance.16 For good measure, she also fired off a letter in the same vein to her relative Nils Brahe at the same time.17 That year she also decided to leave Stade for Stockholm. Maria Christina Wrangel had several interests to guard. A judicial process about claims on the estate of the late Claes Tott was one important reason to be in Stockholm. Yet another process concerned her allowance. A further reason was the reassumption of crown land. Furthermore, it made sense to be at the heart of decision-making if you hoped for court offices for your 15 Linköpings stiftsbibliotek Maria Christina Wrangel to Johan Gyllenstierna, Hamburg 22 February 1679. 16 Linköpings stiftsbibliotek Maria Christina Wrangel to Johan Gyllenstierna, Hamburg 23 March 1680. 17 Linköpings stiftsbibliotek Maria Christina Wrangel to Nils Brahe, Hamburg 9 March 1680.

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children. Advantageous matches could also be made within the court context. The ­Countess Dowager wanted to leave Hamburg in the spring of 1680 but a disagreement with her brother-in-law, the Field Marshal Königs­marck, resulted in the latter trying to force her to stay. She had written another letter to Johan Gyllenstierna begging for his assistance to increase her income as dowager. The King had already ordered the judge in Bremen-Verden to come to a verdict in the matter. The Hamburg council declared she was not allowed to leave. The Countess Dowager was, as stated, of princely family on her mother’s side and well connected. She managed to get the support of the Elector of Brandenburg telling Hamburg to release her. Leaving her children behind, the Dowager Countess however managed to sneak out of Hamburg and to board a ship to Sweden. Her angry brother-in-law had her luggage left behind opened and inspected. Initially the young Königs­marck children had to amuse themselves in Hamburg. A masked ball was organised where Aurora masqueraded herself as a gypsy, her sister Amalia as a French huntress and her brother Carl Johan as a galley slave. A letter in July 1680 reveals that the Königs­marck siblings had first been refused to come to the court of the Duchess of Celle. After some consideration, the Duchess had relented and the siblings now got a taste of court life. This was an essential art in early modern aristocratic life as will be detailed later in the discussion of cultural capital. A Swedish manual stated that however well-­ educated you were, when you came to court, you began as if at school again. Court life had its own rules and codes of conduct. Of course you had to act according to politesse and courtoise at court. You also had to be well versed in modern languages, music, poetry and literature. You needed the means to dress well enough. Dancing skills were essential. On top of that came the darker arts of how to press suits, how to persuade a prince, how to ingratiate yourself and how to elbow competitors out of the way. That meant different things in different reigns, so you had to be able to adapt. In the Swedish translation of Antonio de Guevara’s handbook for courtiers, the following advice is given: To gain your Prince’s favour, it is useful to observe his inclinations carefully, whether he most likes music, hunting, fishing, or birdsong, and having considered this carefully, pursue the same interests as the Prince.18 This may seem petty, but in absolutist Europe the princely court was the apex of power. As has been made clear, the rewards of access to the royal

18 De Guevara, Antonio: Hof-folcks Wäckiare, Stockholm 1616, p. 61 (Here as in the following: Translation by the author).

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decision-makers in early modern Europe were sharply increasing. Here, decisions were made on all sorts of things that might make or break your fortune. Offices were handed out or clawed back, likewise lands and titles. The little court at Celle may have been small change compared to Sweden, England or France but the principles in play were much the same. In the summer of 1680 the Königs­marck siblings at last followed their mother to Sweden. The same autumn, the diet was convened in Stockholm. The ­political upheaval that had been in the making for some time was then formally carried through. The diet decided to launch an investigation into corruption and misrule by the guardians in the council. Even more importantly, major donations of crown land were to be revoked. This undermined the great wealth of families such as the De la Gardies and Brahes. In 1682 the Councillors of the Realm were replaced by Royal Councillors and a number of aristocrats were thrown out altogether such as Aurora von Königs­marck’s uncle Pontus Fredrik De la Gardie. All this meant that power was concentrated in the hands of the King. He was surrounded by a group of close advisors. To press your suit, it was crucial to have access to the throne. Charles XI was, however, not a very accessible monarch. Intensely shy, he tried to avoid social life. At one point he hid in the forest in order not to have to meet the French diplomat Isaac de Feuquières. How to press your suit with an invisible king? Charles disliked supplicants and petitioners. Pressing your suit at court could be a depressing, even humiliating, experience for people who were used to being important on their estates in the countryside. To present a petition far from home could mean that you had to stay in Stockholm for a long time, consuming the money you had, or didn’t have, and sometimes ending in debt even if your suit was successful.19 In 1681 the King tried to stem the flow of petitioners by referring them to the local governors. This did not work and the people still come to Us daily from all and the most far away places, sometimes with suits that lack such weight as We should or could act upon them, or of such a nature that We find it difficult to decide on one-sided stories in other ways than referring them back, and sometimes the complaints are so dark and unreasonable that We should not listen to them.20 An earlier decree in the same vein was to be proclaimed several times in judicial courts and from pulpits in church.21 19 RA Riksregistraturet, Charles XI to likvidationskommissionen, Stockholm 17 May 1682. 20 RA Riksregistraturet, ‘Placat angående sollicitanterne att dhe först skole sökia landzhöfdingarne innan dhe bewära kongl. maij:tt’, Kungsör 26 April 1682. 21 Ibid.

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The King did not relish matters and suits that droves of petitioners burden Us with.22 One important sub-group of petitioners was made up of creditors to the Crown. In 1682 money was so scarce and other business so pressing that the King tried to get rid of them by declaring that creditors who petitioned would receive no money that year.23 The efforts to direct petitioners away from the King to local governors were met with protests from representatives of the peasants. Some claimed that the mighty ones will always press their suits better and can easily find many patrons and friends near His Majesty, whereby the Poor will be pushed aside and oppressed by them.24 The King refused to change his decree, answering that he had made it to save ordinary people from expensive and fruitless journeys to the royal court.25 Whatever was done, in the end there was always a mélange of petitioners at court. The ones the King sought to hold back seem mostly to have been those who sought either legal redress or payment, and although both groups were numerous, their temporary absence did not mean that the court would be empty of people pressing suits. In the 1690s a system of weekly Court Days would develop offering opportunities for the aristocracy to attend on the royal family. In the 1680s this seems to have not yet emerged. The Queen Ulrika Eleonora was furthermore sickly and kept back from many public duties. A limited number of aristocratic men and women served at court. Aurora’s mother Maria Christina Wrangel had tried to achieve such an office for her son Carl Johan, but failed. Often Aurora von Königs­marck along with a number of her coterie are labelled “hofdamen”. This is a mistake. They did not serve at court. In fact, their lack of court office is central to my argument. They lacked any formal position at court so they had to arrange ways in which to be seen by the royal family, as presence was a crucial requisite. You had to be well in royal view. As a courtier wrote, he who falls out of sight, falls out of mind.26 How to gain this all important access? We can see how the Königs­marcks focussed their attention on the Queens. Probably they were viewed as more approachable than the King. When the new Queen arrived in Stockholm in 22 RA Riksregistraturet, Charles XI to all Swedish bishops, Kungsör 26 April 1682. 23 RA Riksregistraturet, Charles XI to likvidationskommissionen, Stockholm 17 May 1682. 24 RA Riksregistraturet, ‘Kunglig Majestäts nådige resolution över allmogens allmänna besvär’, 3 January 1683. 25 Ibid. 26 Johan Ekeblad to Christopher Ekeblad, Stockholm 25 October 1654, printed in Sjöberg 1911, vol. 1, p. 376.

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November 1680 Maria Christina Wrangel was among those to greet her.27 Her splendid dress was especially noted among all the other great aristocrats. In ­January 1681 Maria Christina Wrangel and her daughters took part in a wirtschaft at the Queen Dowager’s palace of Jakobsdal.28 The company was quite select and both the Queen Dowager and the new Queen were present. Their efforts to insinuate themselves at court continued in Sweden and abroad. In 1681 Aurora’s older brother Carl Johan met the younger brother Philip at the English court. He emphasized the importance of using life at court to further his prospects. In a letter to his uncle, Carl Johan puts forward the plan that young Philip should leave London and travel north to Scotland to attend the heir to the throne, the Duke of York: “He would form connaissances which might one day be to his advantage, especially at the court of the Duke”.29 The Königs­marcks very clearly wanted to build networks and gain access to influential princes. These are the words of an early modern aristocrat knowing full well the importance of allies at court. It should be remembered that life at court was dangerous and could bring huge debts, illnesses, bad repute and nasty habits. Later the same year the uncle of Philip decided to move him from London to Paris but to keep him from that court for at least a year. The older brother Carl Johan at the same time left England for France and proceeded to make himself known to Louis XIV. He took part in the royal supper and attended the couché while I had the privilege to entertain His Majesty with stories of the customs of the Moors.30 He further entertained the King: I was so fortunate to profit from this beautiful occasion to speak in front of His Majesty, that He Himself in a loud voice declared Himself fully satisfied therewith and told me to sometimes again attend at His coucher and lever to further satisfy His curiosity.31 Louis XIV also offered Carl Johan the office of colonel. While Carl Johan von Königs­marck made his mark at the English and French courts, his sisters did the same at the Swedish court. In the summer of 1682 the Königs­marcks went to the new Swedish spa at Medevi. Their uncle had taken the waters there for his gout the year before and it was patronised by the royal family. To people wanting to remain in royal view, Medevi was an excellent opportunity. From Medevi, Aurora composed letters to her cousin 27 Wijkmark, Christina (ed.): Allrakäraste. Catharina Wallenstedts brev 1672 – 1718, Stockholm 1995, p. 207. 28 Ibid., p. 216. 29 Mörner, Birger: Maria Aurora Königs­marck. En krönika, Stockholm 1913, p. 13. 30 Ibid., p. 21. 31 Ibid., p. 22.

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De la Gardie. There she met with relatives such as her Wrangel cousins and the De la Gardies. Other important Swedes were also present and mingled. For their entertainment, games and dances were organised. Aurora wrote descriptions which she herself admitted were modelled on the Mercure Galante. This publication was the most influential journal of the time for court society. It illustrates how Aurora von Königs­marck not only practised but mastered the manners of court life. At the same time Maria Christina Wrangel pressed her legal suits hard. She attended on the King through “frequent visits” in 1682 and 1683.32 Late in 1683 her legal troubles also seemed to be partly solved by personal intervention from the King. Even so, the case still rumbled on because of inconsistencies in the sentences – causing her to become, in her own words, “completely ruined”. While these cases were continuing, Aurora von Königs­marck’s mother began to be invited to supper with the Queen Dowager. In February 1683 she was first invited – or at least then she can first be found in the cellar accounts.33 She might have been invited to boost the court in an effort to entertain the visiting German princeling von Thorla. In August 1683 a Prince of Wolfenbüttel ­visited Sweden. Countess Königs­marck was again invited to the Queen Dowager at Drottningholm.34 The following year we find not only Countess Königs­marck but Aurora and her sister at court. On the 20th May 1684 Countess Königs­marck and her daughters took part in meals with the Queen Dowager and were given Rhine wine.35 Aurora von Königs­marck, her sister and her mother then stayed on at Svartsjö with the Queen Dowager until the 26th May. Tellingly, the King joined his mother and her court at Svartsjö at the same time as the Königs­marcks.36 This was access of the highest degree – a possibility to cultivate proximity to the main political decision-makers over several days. Already in June, Aurora, together with her mother and sister, were invited again to the Queen Dowager.37

32 Bergman, C. G.: Testamentet i 1600-talets rättsbildning, Lund 1918, p. 20. 33 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1683 vol. 33, 28 February 1683. 34 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1683 vol. 33, 24 August 1683. 35 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 93, 20 May 1684. 36 Hildebrand, Sune (ed.): Carl XI:s almanacksanteckningar, Stockholm 1918, p. 99. 37 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol.109, 11 June 1684.

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This visit lasted for five days. A week later they returned yet again to the Queen Dowager for another sejour of five days.38 The Queen Dowager invited Countess Königs­marck again in late July.39 This was possibly to congratulate the Queen Ulrika Eleonora who had given birth at Jakobsdal two days earlier.40 Aurora and her sister joined her mother at court at Jakobsdal for 30th July.41 Countess Königs­marck stayed on at Jakobsdal and the following day she could meet the King again as he joined his mother.42 Countess Königs­marck and her daughters remained at Jakobsdal until 10th August. Supplicants would crowd around the royal family. This can be seen by how foreign people who have come to wait upon their Majesties were also given drinks by the Queen Dowager during this stay.43 The summer of 1684 was unusually dry and hot.44 From the accounts we can see that the Queen Dowager and her court at Svartsjö and Drottningholm would consume a surprising number of melons. It seems to have been the craze and was probably soothing in the summer heat. Already on 16th August, Countess Königs­marck returned to the Queen Dowager’s court.45 Though she only remained until 18th. Three weeks later, Countess Königs­marck returned for a day.46 In October she came back to the Queen Dowager again at Drottningholm.47 At the same time the King and Queen were present.48 They returned to Stockholm the next day and the Königs­marcks didn’t stay after 5th October. Countess Königs­marck also

38 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 117, 21 June 1684. 39 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 148, 24 July 1684. 40 Hildebrand 1918, p. 101. 41 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 154, 30 July 1684. 42 Hildebrand 1918, p. 101. 43 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 158, 2 August 1684. 44 Fryxell, Anders: Handlingar rörande Sverges historia ur utrikes arkiver samlade och utgifna, Vol. 2, Stockholm 1836, p. 269. 45 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 170, 16 August 1684. 46 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 193, 7 September 1684. 47 Slottsarkivet Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1684 vol. 34 fol. 211, 4 October 1684. 48 Hildebrand 1918, p. 103.

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assisted the Queen Dowager to uphold stately ceremonies. As the Dutch ambassador was given a ceremonious send-off in October 1684, the Queen Dowager was accompanied by Countess Oxenstierna and Countess Königs­ marck in her carriage.49 Why did the Queen Dowager Hedvig Eleonora keep inviting the Königs­ marcks? It was a rare privilege at the court in the 1680s. Only a few other guests were regulars, such as the King’s favourite Wachtmeister. The Königs­marcks belonged to the highest echelons of aristocracy but they also possessed buckets of what Pierre Bourdieu has called cultural capital. Pierre Bourdieu has emphasized how cultural capital can be crucial to keep one’s place in societal hierarchy.50 He also experiments with the concepts of field and habitus and how access to that can be gained. Clearly, Aurora von Königs­marck and her siblings had acquired a startling amount of cultural capital, which was invaluable in their social manoeuvrings. This cultural capital was then deployed in order to gain access to members of the royal family. Writers of handbooks for court life stress this use of Bourdieu’s cultural capital. In his classic The Book of the Courtier from 1528, Baldassare Castiglione lays down how aristocratic behaviour at court should be defined.51 Elegance and grace in social interaction was paramount.52 This elegance was the result of years of hard training but should come across as natural and unforced. ­Castiglione uses the term sprezzatura to describe this graceful manner: The highest degree of grace is conferred by simplicity and sprezzatura.53 Such grace must never appear contrived or affected, even though it was the result of years of hard training. Castiglione does not underestimate the skill that goes with all this kind of amusing talk.54 Courtiers should be well-read and furthermore know many languages as well as music.55 Jorge Aditi has emphasized how, to Castiglione, “grace cannot be simply possessed; it must be transformed into

49 Fryxell 1836, p. 275. 50 Bourdieu, Pierre: Distinction: A Social Critique of the Judgement of Taste, London 1984. 51 Castiglione, Baldassare: The Book of the Courtier. London 1976 (1st edition 1528). See also Burke, Peter: The Fortunes of the Courtier, Cambridge 1995. 52 Ghose, Indira: Middleton and the Culture of Courtesy, in: Taylor, Gary/Henley, Trish Thomas (eds.), The Oxford Handbook of Thomas Middleton, Oxford 2012, p. 377. 53 Castiglione 1976, p. 86. In this translation, however, George Bull uses the word nonchalance for sprezzatura, but I have turned it back to the original more widely used former term. 54 Ibid., p. 151. 55 Ibid., p. 147 and 94.

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an integral element of oneself ”.56 Aditi also sees the parallel to Bourdieus concept of habitus. Castiglione was followed by a whole host of writers of conduct books such as Stefano Guazzo, Baltasar Gracián and Nicolas Faret. Queen Dowager Hedvig Eleonora did indeed appreciate graceful and elegant manners. Thus, she could quickly take to people who mastered these social codes.57 The polished manners, worldly experience, dignified comportment and the amusing ways of the Königs­marcks was a great asset as cultural capital. As recorded earlier, Aurora had written an elegant pastiche of the M ­ ercure Galante from Medevi. Aurora’s sister Amalia Vilhelmina also deployed her artistic skills. She took part in the Medevi entertainments and later wrote poetry and painted, completing at least one portrait of Queen Ulrika Eleonora, which was given to the Queen as a present. Both sisters used their considerable literary and artistic talents to charm. The most well-known example of the Königs­marcks’ use of their cultural capital was the performance of Racine’s Iphigénie in 1684. This has been interpreted in different ways. One interpretation has seen it as an effort to push a pro French political agenda.58 Another has been more literary – Aurora and her co-actors wanted to introduce Racine and French drama.59 My interpretation is that while Aurora von Königs­marck certainly was enthusiastic about French poetry and French plays, her main point was to remain part of court society. Without any formal position at court, the Königs­marcks needed to make a continuous effort to stay within the court circle. That might be achieved by arranging something where their talents were given free rein while also celebrating royal power. In January 1684 the younger female members of the Königs­marck and De la Gardie families organised a performance of Iphigénie by Racine. The residence of the Königs­marck’s, the Wrangel Palace, was chosen as venue. The families had to cover the cost themselves. The royal family was invited and attended the performance. Aurora von Königs­marck wrote a prologue to the play in French. In the temple of history we find History writing the history of Sweden supported by Time. Poetry, Music and Drama are also present. These august 56 Arditi, Jorge: A Genealogy of Manners. Transformations of Social Relations in France and England from the Fourteenth to the Eighteenth Century, Chicago 1998. 57 See for example the case of Miss St. Julien as described by Johan Ekeblad in letters: Sjöberg, Nils (ed.), Johan Ekeblads bref, Vol. 2, Stockholm 1915. 58 Blanck, Anton: Aurora Königs­marck spelar teater, in: Blanck, Anton: Ur samma synvinkel, Stockholm 1936. 59 Johannesson, Kurt: I polstjärnans tecken. Studier i svensk barock, Uppsala 1968.

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personages all brought the royal family their tribute, ending with a chorus to the glory of the royal house. A grand ballet followed, danced to a slow march, adapted from Lully and danced by eleven amazons. These all had symbols on their shields glorifying the different virtues of Queen Ulrika Eleonora. After this followed the actual piece – Iphigénie. Afterwards Maria Christina Wrangel had arranged for supper. It is noticeable that one of the King’s closest advisors, Erik Lindschöld, wrote three long poems full of loyal fervour towards the monarch to be recited. To work together with Lindschöld was an excellent opportunity to cement the Königs­marcks’ and De la Gardies’ connections with the new régime. At the same time I have found instances of how maids of honour approach Lindschöld in order to ask for his assistance in suits. The performance of Iphigénie in 1684 was the zenith of the Königs­marcks at the Swedish court. It must, however, be understood that they kept up their efforts to belong. On at least two other occasions, some of the same young noblewomen, including Aurora von Königs­marck, performed ballets to celebrate a royal birthday or name day.60 In 1688 Johanna De le Gardie and Aurora von Königs­marck both took part in a celebration of the birthday of Princess Hedvig Sophia at Karlberg palace. Women dressed in Indian, Turkish, Tartarian, Moorish and Egyptian costumes all danced and sang tributes to the royal family in their respective languages. Aurora von Königs­marck’s prominent function is evident from verses dedicated to her at this occasion. In 1686 another occasion to mingle with the royal family had turned up. Aurora was given a Turkish girl captured in war as a servant. Fatima was then educated in Christianity and to her christening the royal family was invited.61 After 1684 the Königs­marcks, however, largely fade away from court life with some exceptions noted above. Why did the Königs­marcks disappear? It is tempting to take a look at a scandal that took place in the summer of 1684.62 After a game of tennis, Aurora von Königs­marck and her sister Amalia were socialising with some De la Gardie relatives and some young aristocrats. After having called him a “sot”, one Axel Sparre then took the verbal assault further by hitting another gentleman, Claes Gustaf Horn, in the face with a fan. This escalated and threatened to turn into a duel. Countess Königs­marck was deeply upset and told her servants to drive Sparre out of her house. He later 60 Ibid., p. 148. 61 RA Rydboholmssamlingen Königs­marck-Rabelska brevsamlingen vol. 453, E 7918, Maria Aurora von Königs­marck to Rabel, 1686. 62 Mörner 1913, pp. 68 – 78.

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sought refuge with the Dutch envoy for having breached the King’s laws against d ­ uelling. Countess Königs­marck then took the case to court and it turned into a cause célèbre. The court process ended with Sparre swearing an oath on his innocence. In late September, however, Sparre and Horn had a new fight, giving new life to the scandal. This time Horn beat Sparre with a stick at the ball house and then sought asylum at the house of the imperial envoy. This was reported all the way back to the emperor in Vienna.63 After the scandal in 1684, the Königs­marcks seem to have lost their previous privileged access to the royal family. Such a valuable asset was always only provisionary. The Königs­marcks’ easy manners were certainly courtly but might have been somewhat too free for Stockholm. The following years would also deal the Königs­marcks’ a number of blows despite their cultural capital and their newly assembled network. Despite her failing health, Maria Christina Wrangel still did try to breathe new life into and extend the family network. On Christmas 1685 she threw a big celebration and invited the royal family. Both the King and the Queen Dowager attended, which impressed a participant deeply as the royal family very sparingly did such things.64 She wrote: No one of the others would do what the Königs­marcks do. The letter writer was also excited that her children got to know the Queen’s favourite, Miss Marschalck, at the ball.65 She was said to be even harder to meet than the Queen herself. A couple of months later, in February 1686, Maria Christina Wrangel invited the wife of the imperial envoy and the wife of the Swedish foreign minister Oxenstierna.66 They went to a sauna and were surprised as Aurora and her sister entered, dressed up and bringing a wreath of fresh flowers. Aurora recited some verses and handed over the flowers. A little later a masked ball was held at the imperial envoy with the Königs­marcks invited. There, Aurora von Königs­marck acted that she was being persuaded to become a witch.67 All this demonstrates how the Königs­marck behaved at ease and almost with impunity. When Aurora’s portrait went missing, it could give cause to a lot of gossip.68 At the same time Aurora’s sister told an aristocrat that if she had been a man she

63 Fryxell, p. 186. 64 Wijkmark, Christina (ed.): Allrakäraste. Catharina Wallenstedts brev 1672 – 1718, Stockholm 1995, p. 390. 65 Wijkmark 1995, p. 394. 66 Ibid., p. 412. 67 Ibid., p. 415. 68 Ibid., p. 424.

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would have challenged him to a duel – the letter writer noted they live almost very unshackled here in Sweden.69 A mainstay of the Königs­marck network was their illustrious uncle, field marshal Otto Wilhelm von Königs­marck. He managed to stay in the King’s good graces and in 1682, he even married the King’s cousin. It was a hard but inevitable blow when the county of Västervik was revoked by the crown. The family Königs­marck was left only with the title but with no land in their former county. They still had land in Germany, though. The important estates of Börrevadskloster and Lindholmen in Skåne, belonging to her uncle Otto Wilhelm, were taken back by the crown in 1686. Another blow to the network of Aurora von Königs­marck was the death of both her brother Carl Johan and her uncle, the Field Marshal Otto Wilhelm von Königs­marck, in Greece. They were buried in Stade in 1691. Aurora wrote that her uncle was a great protector of his family, especially of me and my sister, who were his wards and feel this loss hard. If the Marshal had preserved his life, he would have preserved our good.70 The Königs­marcks were now constantly pressed by debts. One way to gain new contacts was Aurora’s new guardian after the death of her uncle. Instead of any of her aristocratic but discredited relatives, a new man, Nils ­Gyldenstolpe, was appointed. He was one of the King’s advisors and a rising man. As Aurora herself wrote, they needed a man who will look for the salvation of the family and who will act for us.71 The death of her mother Maria Christina Wrangel, long ill from kidney disease, in 1691 cut a further bond to the Swedish court society. Now Aurora von Königs­marck had no one close left in Sweden. Her sister and brother had returned to Germany. It was also more problematic to act alone without her widowed mother as chaperone. Thus, Aurora von Königs­marck finally left Sweden in the summer of 1692. There was, however, a very telling coda to Aurora von Königs­marck’s time hovering around the Swedish court. The following year, in 1693, Queen Ulrika Eleonora died after many years of failing health. Aurora composed a poem commemorating the dead Queen, whom she had celebrated so many times in the 1680s. However, in a different vein, she immediately set about using her connections. She contacted her guardian, Nils Gyldenstolpe, who was now Tutor to the Crown Prince and an important political figure. She lamented the death

69 Ibid., p. 420. 70 RA Rydboholmssamlingen Aurora von Königs­marck to Rabel, 3 November 1688. 71 Mörner 1913, p. 93.

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of Ulrika Eleonora in a letter to Gyldenstolpe, but then began plotting.72 She put forward a suitable replacement for the late Ulrika Eleonora. After pious phrases she said that I believe that the Princess of Wolfenbüttel in justice should prevail, I find in her the virtue of Our late Queen, She is furthermore good, mild and complacent, benevolent and very devout and if you want to look at the exterior, she is a good-looking and charming Princess at the age of 23. She then goes on praising the Princess.73 The aim here is quite apparent. Princess Henriette Christine of ­Wolfenbüttel was a daughter of Duke Anton Ulrich – a friend and admirer of Aurora. If Aurora von Königs­marck managed to pull off the coup of placing Henriette Christine on the Swedish throne she would be in an excellent position to act as the confidante of the new Queen. Then she would have reached the very heart of the Swedish court. Women wielding power through queens or princesses were not rare around 1700. In England Sarah Jennings would be a political power through her friendship with Queen Anne. In Spain Princesse Ursins was a great favourite with Queen Marie Louise. At the Swedish court several princesses and the Queen Dowager had female favourites. Thus, we can see how Aurora von Königs­ marck, skilled and experienced in clawing her way towards the throne through a decade at the outskirts of the Swedish court now made a grab for the most central place – a confidante to a monarch. Instead of relying on relatives or on upstarts such as Lindschöld or Gyldenstolpe, Aurora could thus have become a political power of her own. Aurora did not give up this great matter easily. She continued to pursue her cause in several more letters to Gyldenstolpe. This Princess is perfectly made for our court and our country. She has the best soul in the world. Pious, doing good and patient. --- I have seen most of the princesses in Germany, some of them are younger, others more beautiful, but there is no one else with the qualities needed that can calm the court and make the country fortunate.74 If Gyldenstolpe assisted in this endeavour, Duke Anton Ulrich would show his gratitude. When another Princess of Württemberg was discussed, Aurora von Königs­marck wrote a letter

72 RA Sjöholmsarkivet Gyldenstolpeska samlingen vol. 5 Maria Aurora von Königs­marck to Nils Gyldenstolpe, Braunschweig 28 August 1693. 73 RA Sjöholmsarkivet Gyldenstolpeska samlingen vol. 5 Maria Aurora von Königs­marck to Nils Gyldenstolpe, Braunschweig 28 August 1693. 74 RA Sjöholmsarkivet Gyldenstolpeska samlingen vol. 5 Maria Aurora von Königs­marck to Nils Gyldenstolpe, Quedlinburg 26 November 1693.

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trying to stop this candidate. She pointed out her shortcomings and yet again pressed the suit of Henriette Christine. Aurora von Königs­marck had by this time fully mastered the courtly manners. She could act gracefully and amusingly. This cultural capital she ruthlessly deployed in a quest for influence and networking. By building a network and gaining access to decision makers, she could shape her own future. After years of taking part in court life, Aurora von Königs­marck made a determined effort to take over the Swedish court through a woman. When this failed, she would instead turn her gaze towards other courts and men.

RALF GIERMANN

Maria Aurora von Königs­marck am Dresdner Hof Unser Wissen über die ersten Aufenthalte Maria Aurora Gräfin von Königs­ marcks (1662 – 1728) am Dresdner Hof basiert heute immer noch, wenn auch längst nicht mehr ausschließ­lich, in nicht unerheb­lichem Maße auf einer romanhaften Schilderung der Liebesabenteuer Augusts des Starken (1670 – 1733). Dieses seinerzeit berühmte, in zahlreichen Auflagen gedruckte Werk hatte der Freiherr Karl Ludwig Wilhelm von Pöllnitz (1692 – 1775) ein Jahr nach dem Tod des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs zunächst in Französisch und 1735 in Deutsch herausgebracht. Karl Ludwig von Pöllnitz, Schriftsteller und Abenteurer, war als Spielgefährte und Mitschüler des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen aufgewachsen, bereiste später zahlreiche europäische Höfe und diente als Kammerherr und Oberzeremonienmeister Friedrichs II. von Preußen. La Saxe galante, so der Titel des Romans, fand ein breites Publikum und trug wesent­ lich zur Legendenbildung um den bekanntesten sächsischen Herrscher bei. Bis heute ist die Beliebtheit des Buches ungebrochen, nutzen wir es trotz Zweifel am Wahrheitsgehalt mangels anderer Quellen für die Argumentation und die Illustrierung eigener Werke. Doch was bleibt, wenn wir die Erzählungen um die erste verbürgte Mätresse von August dem Starken in diesem Roman einer kritischen Betrachtung unterziehen? Finden wir glaubhafte oder sogar gesicherte Zeugnisse und können sie gegebenenfalls als historische Tatsachen bestätigen, oder haben wir sie als literarische Schwärmereien und somit Legenden eines geistvollen Unterhaltungskünstlers hinzunehmen? Vergessen wir schließ­lich nicht, dass Pöllnitz sein Buch rund 40 Jahre später niederschrieb, nachdem sich die Geschehnisse ereignet hatten, von denen hier die Rede sein wird, und der Autor noch ein kleiner Knabe von drei, vier Jahren war.

Ankunft Maria Aurora von Königs­marcks in Dresden im Sommer 1694 Der Kurfürst war gerade auf der Leipziger Messe, als die drei Schwestern in Dresden ankamen. Auf seiner Rückreise blieb er einige Tage in der Umgebung von Meißen zur Jagd, so dass fast ein Monat verging, ehe die Gräfinnen ihm ihre Beschwerden vorbringen konnten. Als er nach Dresden zurückgekommen war, stellt die Kurfürstin-Mutter

184 Ralf Giermann sie ihm mit den Worten vor: Hier stelle ich Ihnen drei Schwestern aus dem Hause 1 Königs­marck vor, die um Ihren Schutz bitten…

Zwischen 1459 und 1895 fanden jähr­lich drei Warenmessen in Leipzig statt: Die Neujahrsmesse Anfang Januar, diejenige zu Ostern sowie die Michaelismesse im Herbst, deren Beginn stets auf den Festtag des Erzengels Michael am 29. September fiel. Das Dresdner Hofjournal bestätigt einen Messebesuch Augusts des Starken vom 29. September bis 11. Oktober 1694.2 Maria Aurora traf am 10. August zum ersten Mal in der sächsischen Residenzstadt ein.3 Der Kurfürst hielt sich vom 5. bis 26. August in Dresden auf, demzufolge nachweis­lich auch während der Ankunft Aurora von Königs­marcks. Laut Hofjournal verbrachte er diese Tage u. a. mit Kutschfahrten in Begleitung von Hofdamen, Mittagstafeln in größerer Gesellschaft im Palais des Großen Gartens sowie Jagden in der Umgebung von Dresden.4 Die im Roman genannte Kurfürstin-Mutter Anna Sophia (1647 – 1717), Tochter des dänischen Königs Frederik III. und nunmehrige Witwe des Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen, konnte Aurora von Königs­marck – wie von Pöllnitz behauptet – allerdings nicht empfangen. Sie befand sich zur frag­lichen Zeit auf ihrem Witwensitz im Schloss Lichtenburg. Dort besuchte August der Starke sie am 23. Oktober. Erst Ende November kam Anna Sophia nach Dresden. Der Grund für die Reise Maria Aurora von Königs­marcks in die sächsische Metropole lag in ihrer Hoffnung, beim jungen Kurfürsten Unterstützung bei der Suche nach ihrem spurlos verschwundenen Bruder Philipp Christoph (1665 – 1694) zu finden. Friedrich August hatte den wenige Jahre älteren Grafen auf seiner Kavalierstour durch Europa während des venezianischen Karnevals im Januar 1689 kennen gelernt und sich mit ihm angefreundet. Als Königs­marck fünf Jahre später von Friedrich August hörte, dass dieser durch den plötz­lichen Tod seines älteren Bruders Johann Georg IV. Kurfürst von Sachsen geworden sei, brach er nach Dresden auf, um die 30.000 Taler Spielschulden, die ­Friedrich August seit zwei Jahren bei ihm hatte, einzufordern. Statt des Geldes bot August 1 Pöllnitz, Karl Ludwig von: La Saxe galante, Amsterdam 1734. Hier verwendet in der Übersetzung von Otto Brandt, Hellerau 1927, S. 123. 2 Chur Fürstl: Sächß: Hof- und andere Nachrichten… 1693 bis 1697, zusammengetragen von F. L. Z[acharias]: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Msc. Dresden Q. 226, S. 52 – 55. 3 Mörner, Birger Graf: Aurora von Königs­marck, München 1921, S. 270. 4 Chur Fürstl: Sächß: Hof- und andere Nachrichten, wie Anm. 2, S. 45 – 50.

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der Starke ihm eine Anstellung als Generalmajor der Kavallerie und Befehlshaber der kursächsischen Reiterei beim Reichsheer an. Die Eignung musste Philipp Christoph von Königs­marck u. a. bei einem Kriegsspiel beweisen, bei dem die Teilnehmer sich mit rohen Eiern bewarfen.5 Zurückgekehrt nach Hannover, wo er seit Mai 1689 in militärischem Dienst des dortigen Herzogs Ernst August stand, verschwand der Graf in der Nacht vom 1. zum 2. Juli 1694 spurlos. Sein Liebesverhältnis mit Sophie Dorothea (1666 – 1726), Gemahlin des Hannoveraner Erbprinzen Georg Ludwig und nachmaliger englischer König Georg I. (1660 – 1727), wurde ihm zum Verhängnis. Vermut­lich stellten und töteten ihn vier Hofkavaliere im Schloss zu Hannover und versenkten seinen Leichnam in der Leine. Offiziell leugnete der Hof konsequent jeg­liches Wissen um das Verschwinden des Grafen.6 August der Starke schien Aurora von Königs­marck nach bisher vergeb­lichen Nachforschungen nun der Einzige, der ihr vielleicht noch helfen konnte. Der junge Kurfürst hatte gleich nach seinem Regierungsantritt damit begonnen, Dresden zu einer der pracht- und glanzvollsten Residenzen in Europa auszugestalten. In Dresden ist alles lustig und fröh­lich, und ich habe daselbst fast keine verdrieß­liche Gesichter gesehen, schrieb der könig­lich-preußische Geheime Rat Johann Michael Freiherr von Loen (1694 – 1776), welcher Dresden im Jahre 1718 besuchte:7 Die Stadt scheinet gleichsam nur ein bloßes Lustgebäude zu seyn… Hier giebt es immer Maskeraden, Helden und Liebesgeschichte, verirrte Ritter, Abentheur, Wirthschaften, Jagden, Schützen und Schäferspiele, Kriegs- und Friedensaufzüge, Ceremonien, Grimassen, schöne Raritäten…8 Eine der ersten Begegnungen zwischen dem 24-jährigen Kurfürsten und der gebildeten 32-jährigen Aurora von Königs­marck könnte am 15. August im Hause des Geheimen Rats und Oberkämmerers Christian August von ­Haxthausen (1653 – 1696) stattgefunden haben. Der Günstling und einstige Hofmeister des Kurfürsten hatte beide zum Souper in sein Haus eingeladen.9 Durch die Herzogin von Orléans, Elisabeth Charlotte (1652 – 1722), die Haxthausen als einen ihrer besten Freunde bezeichnete, wissen wir, dass der Geheimrat selbst Aurora von Königs­marck sehr zugetan gewesen war. In einem Brief an ihn vom 24. Oktober 5 Schnath, Georg: Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674 – 1714, Bd. 2, Hildesheim 1976, S. 167. 6 Ebd., S. 171 f. 7 Loen, Michael von: Des Herrn von Loen gesammelte kleine Schriften, Bd. 4, Frankfurt und Leipzig, 1752, S. 464. 8 Ebd., Bd. 1, 1750, S. 45, 67. 9 Chur Fürstl: Sächß: Hof- und andere Nachrichten, wie Anm. 2, S. 48.

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1694 schrieb die Herzogin: Man hatt zu Hannover gesagt, Ihr werdt sehr verliebt von dem freullen von Königs­marck, des graffen schwester.10 Haxthausen musste jedoch hinter den (späteren) Absichten seines Fürsten zurücktreten. Nach Haxthausens frühem Tod Anfang Juni 1696 erwarben Aurora von Königs­marck und ihr Schwager Carl Gustav Graf von Löwenhaupt dessen Haus süd­lich des Residenzschlosses am Taschenberg. Der Kauf war vom Kurfürsten genehmigt worden, und der Vertrag mit der Witwe bereits am 29. Juli unterzeichnet.11 Unsere Familie fängt an, besser zu wohnen, da wir das Haus des verstorbenen Herrn Haxthausen gekauft haben, in das wir unsern Haushalt verlegen werden, hierin besteht unsere augenblick­liche Beschäftigung,12 schrieb Aurora von Königs­marck an ihren Hamburger Korrespondenten.

Wer begleitete Maria Aurora von Königs­marck an den Dresdner Hof? Die junge Gräfin von Königs­marck hatte Schweden mit ihren beiden Schwestern, den Gräfinnen von Löwenhaupt und von Steinbock verlassen. Sie kamen nach Deutschland, um das Erbe ihres einzigen Bruders, der vor einigen Monaten in Hannover verstorben war, 13 anzutreten… Sie kamen nach Dresden, damit der junge Kurfürst sich für sie verwende.

Der preußische Archivar Friedrich Cramer wies 1836 in seinem in Leipzig erschienenen zweibändigen Werk Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora von Königs­ mark und der Königmark’schen Familie nach, dass Maria Aurora nur eine einzige Schwester hatte. Es ist die ein Jahr jüngere Amalie Wilhelmine (1663 – 1740), sie heiratete 1689 den Grafen Carl Gustav von Löwenhaupt (1662 – 1703). Erst im Frühjahr 1696, wohl noch vor der Geburt ihres Sohnes Frederik, kam sie nach Dresden. Unend­lich erfreuet es mich, dass Deine Kinder in Dresden so großen Beifall finden…, schrieb Graf Löwenhaupt am 6. Juni 1696 aus Hamburg an seine Gattin.14

10 Zimmermann, Paul (Hg.): Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans an Christian August und Anna Juliane von Haxthausen, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 64 (Neue Folge 25) (1910), S. 419. 11 Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden (HS tADD ), 10684 Stadtgericht Dresden 2025, fol. 1 f. 12 Zitiert nach Mörner, wie Anm. 3, S. 307 f. Mörner datiert den Brief in das Jahr 1698, er dürfte jedoch aus dem Jahre 1696 stammen. 13 Pöllnitz, wie Anm. 1, S. 121 – 123. 14 Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora von Königs­mark und der Königmark’schen Familie, Bd.1, Leipzig 1836, S. 138 f.

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Bei der von Pöllnitz erwähnten zweiten Schwester Gräfin Steinbock könnte es sich um eine etwa gleichaltrige Cousine von Maria Aurora handeln. Auroras Tante väter­licherseits, Beata Elisabeth, hatte eine Tochter mit Namen Johanna Eleonora (1661 – 1708).15 Diese ehe­lichte im Jahre 1691 Erich Gustav Graf von Stenbock. Allerdings ist bisher nicht bekannt, ob Johanna Eleonora Stenbock jemals in Dresden gewesen ist. Der Historiker und Schriftsteller Birger Graf Mörner bezog sich u. a. auf eine erhaltene Rechnung zu Kost und Logis in Dresden, als er in seiner Biographie über Aurora von Königs­marck zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezüg­ lich ihrer Ankunft in der sächsischen Residenz im Sommer 1694 schrieb: „Ihre einzige Gesellschaft war die kleine türkische Pflegetochter… und die Witwe eines Obersten Wrangel, welche scheinbar als die Institutrice der kleinen Maria Aurora angestellt war“.16 Mit der kleinen türkischen Pflegetochter Maria Aurora ist die im Krieg des alliierten Reichsheeres gegen die Türken 1686 erbeutete Fatima (um 1680 – 1725 letztmalig genannt) gemeint. Ihr Ehemann soll ein mohammedanischer Geist­ licher gewesen sein, der im selben Jahr während der Belagerung von Ofen (alter deutscher Name von Buda, dem Westteil von Budapest) starb. Nach der vielleicht glaubhaftesten Version über die Herkunft Fatimas gewann der schwedische Freiherr Alexander Erskine sie im Los zusammen mit drei anderen jungen Türkinnen und schenkte sie nach seiner Heimkehr Maria Aurora von Königs­marck. Diese ließ Fatima bald darauf in der deutschen Gemeinde von Stockholm auf ihre eigenen Vornamen taufen.17 Die junge Türkin wurde 15 Den Hinweis auf diese Dame finden wir auch bei Ranft, Michael M.: Leben und Thaten des jüngst verstorbenen weltberühmten Graf Moritzens von Sachsen, Leipzig 1751, S. 4: „Sie (gemeint sind Maria Aurora und ihre Schwester, d. A.) hatten noch eine Dame in ihrer Gesellschaft, eine Gräfin von Steenbock, so ihres Vaters Schwestertochter und eine geborene de la Gardie war“. Der Vater von Johanna Eleonora war Pontus Frederik De la Gardie, schwedischer Generalmajor. 16 Mörner, wie Anm. 3, S. 269 u. 285, Anm. 264. 17 Vgl. Mörner, wie Anm. 3, S. 138 f. Nach diesem war Erskine der gleichnamige Sohn des „Freiherrn Alexander Erskine, Erbkämmerer in Bremen (gestorben 1656)“, S. 471, Anm. 135. Es handelt sich hierbei um den deutschen Juristen, schwedischen Diplomaten und Präsidenten der schwedischen Herzogtümer Bremen und Verden Alexander von Erskein [auch Esken, Erskeine u. a.] (1598 – 1656). 1655 wurde er zum Freiherrn erhoben, http://www.30jaehrigerkrieg.de/erskein-esken-eske-erskeine-eskhen-eschen-alexandervon-2/. 1648 heiratete er in zweiter Ehe Lucia Christina von Wartensleben, die Tochter des fürst­lichen Rats und Hofmeisters Hermann Simon von Wartensleben und Witwe des mecklenburgischen Landrats Adolf Friedrich von Maltzahn. Mit ihr hatte er zwei

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später ebenfalls Mätresse Augusts des Starken und gebar ihm zwei Kinder. Der Kurfürst verheiratete sie mit seinem Kammerdiener und späteren Steuer­ beamten Johann George Spiegel. In der Witwe eines Obersten Wrangel dürfen wir vermut­lich Christina Freifrau von Wrangel auf Lindeberg (1641 – 1709) erkennen, eine Tante Maria Auroras. Als Tochter eines unehe­lichen Sohnes Gustavs II. Adolf von Schweden, der von seinem Vater in den Rang eines Grafen von Wasaborg erhoben wurde, heiratete sie mit 24 Jahren Wolmar von Wrangel (1641 – 1675). Der Freiherr übte einen bedeutenden Einfluss am Hofe Karls XI . von Schweden aus und diente als Oberst und später Generalleutnant der Kavallerie beim schwedischen Militär. Christina von Wrangel begleitete im Jahre 1675 ihren Gemahl auf den Brandenburgischen Feldzug, wurde am 19. Juni mit gefangen genommen, jedoch vom gegnerischen Feldmarschall wieder freigelassen. Wolmar von Wrangel starb im Dezember desselben Jahres.18

Ein Gemälde mit Darstellung Maria Aurora von Königs­marcks für August den Starken Im Schloss Moritzburg bei Dresden ist seit dem letzen Viertel des 19. Jahrhunderts ein Ölgemälde ausgestellt, welches drei Frauen in Lebensgröße zeigt 19 (Abb. 29). Lange Zeit wurden die Porträtierten im Sinne des Pöllnitz’schen Romans als die drei Schwestern Königs­marck gedeutet. In der Mitte des 20. Jahrhunderts gab man diese Lesart auf und sprach von der Gräfin Königs­marck in Begleitung zweier Damen. Autorinnen neuerer Biographien über Aurora von Königs­ marck schlagen vor, sie auf diesem Bild „in dreifacher Gestalt“ bzw. vielleicht mit ihrer Mutter Maria Christina zu sehen.20

Söhne und vier Töchter, http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Erskein. Über die Söhne ließ sich bisher nichts Weiteres ermitteln. 18 Maltitz, Emil von: Geschichte der Familie von Wrangel vom Jahre Zwölfhundertfünfzig bis auf die Gegenwart, Berlin/Dresden 1887, S. 288 f. 19 Heinrich Christoph Fehling, Maria Aurora von Königs­marck in Begleitung zweier Damen, um 1695 (?), Staat­liche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 99/50, 330 x 170 cm, Dauerleihgabe im Schloss Moritzburg. Das Gemälde war bereits Bestandteil der könig­lichen Gemäldegalerie Augusts des Starken. 20 Krauss-Meyl, Sylvia: Die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte. Maria Aurora Gräfin von Königs­marck, Regensburg 2002, S. 127. bzw. Beckman, Margareta: Aurora von

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Darüber hinaus werden die Gräfinnen Königs­marck in Moritzburger Schloss­ inventaren als „Venus, Minerva und Juno“ interpretiert, auch dies in Übereinstimmung mit dem Roman.21 Aber wir sind nicht hierher gekommen, einen Schönheitspreis zu suchen, und Paris, der darüber entscheidet, sollte wenigstens warten, bis wir ihn um sein Urteil bitten,22 scherzen im Roman die drei Schwestern, als sie bemerken, dass August der Starke Maria Aurora mit besonderer Aufmerksamkeit auszeichnet. Die drei Frauen stehen im Vordergrund des Bildes in einer Landschaft vor einer Felswand, die am linken Bildrand den Blick in die Tiefe des Raumes freigibt. Eng aneinander wie in familiärer Verbindung sich haltend, blicken sie aus dem Bild heraus den Betrachter an. Bereits durch ihre Disposition im Raum lassen sich Rang und Beziehung zueinander ablesen. Maria Aurora von Königs­ marck wird durch ihre Stellung in der Mitte als Hauptfigur bestimmt. Mit dem leicht zurückgelehnten Oberkörper und dem vorgesetzten linken Fuß deutet der Maler eine Vorwärtsbewegung an. Die Gräfin trägt antikisierende Kleidung, dünn, durchscheinend, mit hoher Gürtung, die rechte Schulter und Brust entblößend. Zudem barfüßig, entspricht sie in dieser Äußer­lichkeit dem Porträt antiker Kurtisanen.23 Nur die Frisur mit dem schwarz gelockten Haar und der Schmuck lassen sie uns als Frau des ausgehenden 17. Jahrhunderts erkennen. In der würdevoll auftretenden Gestalt an ihrer linken Seite vermuten wir Christina Freifrau von Wrangel auf Lindeberg. Im Gegensatz zu Maria Aurora ist sie zeitgemäß gekleidet. Ihr goldfarbenes Kleid mit zur Schleppe hin verlängertem Rock (gehalten von einem kleinwüchsigen Mohren als Pagen am äußersten rechten Bildrand), das tief geschnürte Mieder, gebauschte kurze Ärmel sowie das große Dekolleté sind typisch für die Mode der zweiten Hälfte des

Königs­marck. Svenska bland härförare i stormaktstidens Europa, Stockholm 1998, S. 66: „Till höger möjligen hennes mamma Maria Christina“. 21 HStADD, wie Anm. 11, Verzeichnis der im König­lichen Jagdschloss und dem Fasanerie Palais zu Moritzburg befind­lichen Gemälde 1885, Verein Haus Wettin, Nr. 321, Lfd.-Nr. 94 und Bilderverzeichnis 1928, Verein Haus Wettin, Nr. 303, S. 156 f, Nr. I C 19. 22 Pöllnitz, wie Anm. 1, S. 127. Nach der griechischen Sage entschied der mythische Königssohn Paris den Streit zwischen den Göttinnen Aphrodite (römisch Venus), Athena (Minerva) und Hera (Juno) um den goldenen Apfel zugunsten Aphrodites. Der Zankapfel trug die Aufschrift „Der Schönsten“ und war von der Göttin der Zwietracht unter die Gäste geworfen worden, weil sie keine Einladung zur Hochzeit des Peleus und der Thetis erhalten hatte. 23 Die antikisierende Kleidung Maria Auroras verweist darauf, dass es sich bei diesem Gemälde um ein Rollenporträt handelt. Hierzu ist ein Aufsatz des Autors in Vorbereitung.

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17. Jahrhunderts. Als unschick­lich, weil eher standeswidrig, dürfen wir dagegen das Vorzeigen des in einer Sandale steckenden linken Fußes betrachten.24 Bei der orientalisch gekleideten jungen Frau rechts neben Aurora von Königs­ marck dürfte es sich zweifelsfrei um ihre Adoptivtochter Fatima handeln. Über dem dunklen Beinkleid, aus dem ein kleiner, kurzschaftiger Schuh hervortritt, trägt die Türkin einen weiten Mantel und einen lose herabfallenden, das Gesicht nicht einhüllenden Kopfschleier (Hidschab). Der linke Arm ruht auf der Schulter ihrer Pflegemutter und Herrin, mit der anderen Hand umfasst sie deren rechten Oberarm und schmiegt sich schutzsuchend an sie. Direkt über dem Kopf Maria Auroras, in Verlängerung ihrer Körperachse, wächst nahe der oberen Felskante ein Feigenbaum. Er bezeichnet und betont Maria Aurora als Hauptfigur des Gemäldes. Der untere Teil seines Stammes neigt sich dem Abhang zu, während das jüngere Ende wieder himmelwärts steigt. Seit der Antike zählt der Feigenbaum in Kunst und Literatur zu den sinnbild­lich bedeutungsvollsten Baumarten. In unserem Zusammenhang ist von Interesse, dass der Feigenbaum etwas Unheilvolles und Beunruhigendes an sich hat: So erzählt der griechische Philosoph Plutarch eine Episode aus dem Leben des berühmten, in Komödien von Aristophanes und Platon lächer­ lich gemachten Athener Einsiedlers und Misanthropen Timon. Einstmals soll der Menschenfeind während einer Volksversammlung auf die Rednertribüne gestiegen sein und nach erfolgter Stille und allgemeiner Erwartung zu den überraschten Anwesenden, die ihn noch nie als Redner erlebt hatten, Folgendes gesagt haben: Athener Bürger, in meinem Haus gibt es einen kleinen Hof mit einem Feigenbaum, an dem sich schon mehrere Leute erhängt und erwürgt haben. Weil ich jetzt dort zu bauen beabsichtige, möchte ich euch davon in Kenntnis setzen, ehe ich den Feigenbaum fälle, für den Fall, dass einige von euch sich noch erhängen wollen, damit sie sich beeilen.25 Auf dem Gemälde könnte der Feigenbaum an das große Unheil gemahnen, welches über das Haus Königs­marck hereinzubrechen droht. Philipp Christoph von Königs­marck, der Bruder Maria Auroras und Amalie Wilhelmines, war der letzte männ­liche Erbe der Familie. Mit seinem Tod erlosch die schwedische Linie der Grafen von Königs­marck, die sich Anfang des 17. Jahrhunderts von dem in Deutschland verbliebenen Hauptstamm abgezweigt hatte. Sein Hinscheiden musste als besonders großer Verlust angesehen werden. Die 24 Wohl allein heilige Frauen wagten es in dieser Zeit, ihre Füße zu zeigen, was im Allgemeinen nur auf Gemälden allegorischen Inhalts zu sehen ist. Vgl. Glantz, Margo u. a.: Musée du Louvre, Chaussures peintes, Ausstellungskatalog Baden 2011, S. 72. 25 Plutarch: Große Griechen und Römer, XCI Antonius.

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Existenz des Feigenbaums könnte das Empfinden Maria Auroras zum Ausdruck bringen und gleichzeitig zu ihrem sinnbild­lichen Gegenspieler werden, symbolisiert der Name Aurora doch Hoffnung. Maria Aurora glaubte näm­lich lange Zeit und behauptete es immer wieder, ihr Bruder wäre noch am Leben und werde gefangen gehalten. Diese Zuversicht kommt in ihrer Pose zum Ausdruck. Mit ihrer rechten, geöffneten Hand lenkt sie die Aufmerksamkeit des Betrachters nachdrück­lich auf ein turmartiges Bauwerk in der Tiefe der Landschaft (Abb. 30). Das schlanke Gebäude erhebt sich auf einer Anhöhe, eine Freitreppe führt zu ihm hinauf. Erst bei näherer Betrachtung werden wir unten in der Ebene eines mit Gewehr bewaffneten Mannes und eines Hundes gewahr. Man redet häufiger als je davon, dass mein Bruder am Leben und in dem Gewahrsam des Kurfürsten von Brandenburg, auf der Festung Spandau sei…,26 schreibt Amalie von Löwenhaupt, die Schwester Maria Auroras, noch im Januar 1698 in einem Brief aus Dresden an ihren Gemahl. Um den Zeigefinger der unseren Blick führenden rechten Hand hält Maria Aurora die Schnur eines Senkbleis g­ ewickelt. In der bildenden Kunst steht das Lot vielfach für den aufrechten Geist, es lehrt die Wahrheit suchen und ihr zum Recht verhelfen. Moralischen Halt in der Hoffnung Maria Auroras, ihr Bruder sei noch am Leben, spendet die mutmaß­liche Christina Freifrau von Wrangel. Die Parallelität der Füße beider Damen wie auch das Ineinanderverschränken ihrer Hände verweisen auf geistige und seelische Verbundenheit. Eine betont aufrechte Körperhaltung, der erhobene Kopf sowie ein Mitgefühl und Lebenserfahrung zum Ausdruck bringender Blick lassen die Offizierswitwe entschlossen wirken. Der von ihr niedergelegte Schild, hier ohne jeg­liche Dekoration, symbolisiert Schutz und Wehrhaftigkeit. Darüber hinaus unterstützt der Felsen, vor welchem alle Figuren stehen, den festen Glauben an das Überleben Philipp Christoph von Königs­marcks und damit des Familiengeschlechts. In der Emblematik ist er ein Sinnbild für Beständigkeit, Festigkeit und Unveränder­lichkeit. Das Moritzburger Gemälde könnte somit die Lebenssituation Maria Aurora von Königs­marcks widerspiegeln, in welcher diese sich bei ihrem Eintreffen in der sächsischen Residenz im Sommer 1694 befand. Gewiss darf es als Beleg dafür gelten, wer die Gräfin auf ihrem nicht leichten Weg als Bittstellerin an den Dresdner Hof begleitete.

26 Cramer, wie Anm. 14, S. 202.

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Maria Aurora von Königs­marck in Moritzburg Nach Pöllnitz’ Erzählung folgten Aurora von Königs­marck und die sie begleitenden Damen als Amazonen kostümiert einer Einladung des Kurfürsten nach Moritzburg. Als sie in den Moritzburger Wald gekommen waren, sahen sie ein herr­liches Schloss. Der Wagen hielt, um ihnen Zeit zu lassen, dieses prachtvolle Bauwerk zu bewundern. Auf einmal öffnete sich die Pforte, und heraus trat Diana, von Nymphen umgeben. Sie begrüßte Fräulein von Königs­marck mit einer Anspielung auf ihren Namen, und als ob sie diese Göttin wäre, lud sie sie in ihren Palast ein, dort die Huldigungen der 27 Waldgottheiten entgegenzunehmen.

Es schließt sich die ausführ­liche Schilderung eines ausgedehnten Festes an: Auftritte Augusts des Starken verkleidet als Gott Pan und Sultan, improvisierte Hirschjagd, Einladung der Damen auf eine Insel in ein türkisches Zelt, Theaterund Tanzvorstellung, Ball, Emporsteigen von mit erlesenen Speisen gefüllten Tafeln aus sich öffnendem Fußboden, Edelsteine und Perlen als Geschenke für Aurora von Königs­marck. Mit den Worten vierzehn Tage lang reihte sich Fest an Fest beendet Pöllnitz seinen phantastischen Bericht. Die Ereignisse eines zweiten Festes für Aurora von Königs­marck führt uns die Beschreibung eines unbekannten Autors aus dem Jahre 1837 vor Augen.28 Danach sei der Kurfürst in polnischer Nationalkleidung der Gräfin gegenübergetreten. An der Tafel sei das Köst­lichste, was die Erde, soweit man sie kannte, gab, geben konnte von schönen, als junge Türken und Sarmaten gekleideten polnischen und sächsischen Edelknaben auf goldenen Tellern kredenzt worden. Man habe aus Goldpokalen in Gestalt von Eber, Schwan, Elefant, Hirsch wie auch anderen künst­lichen Figuren die schönsten Weine getrunken. Zum Dessert sei eine riesige Pastete gereicht worden, die von vier Bediensteten getragen werden musste. Ihr sei der Hofzwerg entstiegen und habe einen Toast auf den Kurfürsten und seine Geliebte ausgebracht. Bei anschließender Gondelfahrt und Fischzug sei ein außergewöhn­lich großer Fisch gefangen worden, der im Maul einen mit Edelsteinen besetzten Ring mit den Initialen Auroras getragen habe.

27 Pöllnitz, wie Anm. 1, S. 145 f. 28 D. E.D: Die Brillanten Fischerei auf dem Schlossteiche zu Moritzburg, in: Sammler im Elbthal 1837, S. 387 – 392.

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Soweit die Legenden. Eine monumentale, auf Leder gemalte Szene im Billard­saal von Schloss Moritzburg könnte den Moment vor dem Überreichen des Ringes an die Geliebte festgehalten haben, und somit der eben erzählten Geschichte ein wenig Glaubhaftigkeit verleihen (Abb. 28). Das Ölgemälde wurde zusammen mit fünf Jagdszenen um 1730 von dem Venezianer Lorenzo Rossi unter Beteiligung seines Landsmannes Giovanni Battista Grone auf die lederne Wandbespannung gemalt. August der Starke ist hier durch die Porträts seines Hofnarren Josef Fröh­lich und des Hofzwerges Baron von Böhn zweifelsfrei identifiziert. Die Dame an seiner Seite wird traditionell als Aurora von Königs­marck angesehen. Gleichwohl handelt es sich bei dieser bild­lichen Darstellung einer Moritzburger Fest­lichkeit vermut­lich nicht um eine realhistorische Begebenheit, sondern vielmehr um ein fiktives, inszeniertes Wunschbild.29 Bisher lässt sich näm­lich keines dieser Feste in Moritzburg zweifelsfrei belegen, nicht einmal ein Aufenthalt von Aurora von Königs­marck zwischen 1694 und Sommer 1696 in Moritzburg an sich. Für August den Starken selbst registriert das Hofjournal in dieser Zeit zwei Besuche seines Jagdschlosses mit kleinstem Hofstaat, und zwar zu Weihnachten 1694 und Ostern 1696.30 Die bislang einzigen nachweisbaren Aufenthalte Maria Aurora von Königs­marcks in Moritzburg sind diejenigen während der Hochzeit ihres Sohnes Moritz im März 1714 sowie bei einem Sommerfest, welches der Kurfürst für seine augenblick­ liche Mätresse Maria Magdalena Gräfin von Dönhoff im August 1718 gab. In diesem Jahr sah sie der bereits zitierte Geheime Rat Johann Michael von Loen. Er notierte: Sie und die Fürstin von Teschen [Ursula Katharina Fürstin von Teschen (1680 – 1743), ebenfalls eine der Mätressen von August dem Starken, d. A.] hatten beyde von der galanten Welt, in welcher sie eine kurze Zeit ihre Annehm­lichkeiten hatten verehren sehen, ihren Abschied genommen… Sie erschienen jetzo nur noch als zwei philosophische Zuschauerinnen, denen die Höf­lichkeit, wegen des traurigen Verlusts ihrer vormaligen Annehm­lichkeiten, noch mit ihrem Witz und ihrer starken Vernunft zu schmeicheln suchte.31

29 Ausführ­lich hierzu Giermann, Ralf: Sehnsucht nach Arkadien. Die Monumentalmalereien August des Starken im Schloss Moritzburg, Dresden 2000, S. 33 – 38. 30 Weihnachten 1694 vom 22.–25. Dezember, Ostern 1696 vom 6.–11. April. Chur Fürstl: Sächß: Hof- und andere Nachrichten, wie Anm. 2, 1694, S. 65 f., 1696, S. 23 f. 31 Loen, wie Anm. 7, S. 191.

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Moritz Graf von Sachsen, Sohn Maria Aurora von Königs­marcks und Augusts des Starken Folgen wir dem Freiherrn von Pöllnitz ein weiteres Mal in seinem Roman: Sie [gemeint sind Maria Aurora von Königs­marck und August der Starke, d. A.] nutzten ihre Zeit so gut, dass Frau von Königs­marck neun Monate später einen Knaben bekam. Er war das wahre Ebenbild seines Vaters, dessen Gestalt, Kraft, Manieren und Denkungsart er geerbt hatte. Die Geburt dieses Kindes erfüllte den Kurfürsten mit großer Freude. Er nannte ihn Moritz, in Erinnerung an den Triumph, den er in Moritzburg über seine Mutter gefeiert hatte.32 August der Starke war seit Januar 1693 mit Christiane Eberhardine (1671 – 1727), Tochter des Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth (1644 – 1712), jung vermählt. Der ‚Bastard‘ Moritz-Hermann wurde mutmaß­lich am 28. Oktober 1696, drei Wochen nach dem ersehnten ehe­lichen Thronfolger Friedrich August, fernab der sächsischen Residenz im niedersächsischen Goslar geboren. August der Starke bestimmte den Knaben für die militärische Laufbahn und schickte ihn bereits als Zwölfjährigen 1709 auf einen ersten Feldzug nach Flandern, wo er im verbündeten Heer gegen Frankreich kämpfte. Mit Erlaubnis seines Vaters trat Moritz 1720 in französische Militärdienste und erreichte das, was jenem stets versagt geblieben war: Militärische Erfolge und Ehren. Nach zahlreichen Siegen für Frankreich begründete Moritz seinen Ruhm als Feldherr endgültig mit der Eroberung Prags im Jahre 1741, wurde zum Marschall von Frankreich ernannt und bald darauf zum Generalfeldmarschall. Ludwig XV. von Frankreich schenkte ihm das Schloss Chambord an der Loire, wo Moritz von Sachsen 1750, hoch geehrt, starb. Nach der Rückkehr des Jünglings aus seinem ersten Kriegszug Anfang 1711 erkannte August der Starke ihn als seinen leib­lichen Sohn an und erhob ihn in den Grafenstand. Ohne diese Legitimation hätte Moritz sich wohl nicht in das Willkommenregister 33 von Schloss Moritzburg einschreiben können, was vermut­lich am 4. März 1711 geschah. Dieses Register, ein Gästebuch für ranghohe Besucher des Schlosses, wurde gewöhn­lich kurz vor dem Aufheben der Tafel zum Einschreiben herumgereicht, verbunden damit war das Trinken aus einem der zahlreich vorhandenen Willkommenpokale. Den Hauptpokal bildete die natür­lich gewachsene, becherartig gehöhlte Krone einer Rothirschgeweihstange. Beliebt an allen deutschen Höfen waren edelmetallene Trinkgeschirre in 32 Pöllnitz, wie Anm. 1, S. 156. 33 Kyaw, Rudolf von: Das Jagdschloss Moritzburg und seine Willkommenregister, in: Mitteilungen des König­lich Sächsischen Alterthumsvereins 24 (1874). Der Verbleib des Gästebuches ist seit 1945 unbekannt.

Maria Aurora von Königs­marck am Dresdner Hof 195

Tiergestalt, deren abnehmbare Köpfe den Pokaldeckel bildeten, und Scherzgefäße, die erst nach vollständigem Leeren abgestellt werden konnten. In Moritzburg befanden sich ehedem ein Bär, ein Eber, ein Hirsch und eine Ente sowie zwei Sektgläser mit silbervergoldeten Windmühlen anstelle des Fußes. Der Eintrag des 14-jährigen Moritz in das Gästebuch endet mit der Aussage, er sei nach dem Leeren großer Gläser zu Boden gesunken. Für uns von Bedeutung sind seine ersten Worte: Je m’ appelle maurice mais non de cette terre 34 (Ich nenne mich Moritz, aber nicht nach dieser Erde). Der junge Graf sagt uns hiermit – entgegen dem Freiherrn von Pöllnitz –, dass sein Rufname nicht als Anspielung auf den Ort der Verführung der Mutter zu verstehen sei. Schloss Moritzburg wurde nach dem Erbauer des alten, aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammenden Jagdhauses Moritzburg benannt, nach dem Herzog und späteren Kurfürsten Moritz von Sachsen (1521 – 1553). Dieser war einer der bedeutendsten Vorfahren Augusts des Starken und ein großer Feldherr. Vertritt der Name Moritz demnach die väter­liche Verwandtschaftslinie? Seinen zweiten Vornamen, Hermann, hatte Moritz nach seinem Urgroßvater mütter­licherseits bekommen, dem schwedischen Generalfeldmarschall ­Hermann von Wrangel (1587 – 1643). So stehen beide Vornamen für zwei berühmte wie militärisch erfolgreiche Ahnen des eigenen Geschlechtes.

Maria Auroras Teilnahme am Dresdner Hofleben während ihrer Zeit als Mätresse Für die etwa zwei Jahre, in denen Aurora von Königs­marck mit mehreren Unterbrechungen am kurfürst­lichen Hof in Dresden weilte, ist für sie eine Beteiligung am höfischen Leben nachweisbar. Der erste Karneval, den August der Starke nach seinem Amtsantritt veranstaltete, fand vom 13. Januar bis 9. Februar 1695 statt. Der junge Kurfürst war wenige Tage zuvor von der Leipziger Neujahrsmesse zurückgekehrt. Aurora von Königs­marck wird in den Akten zu diesem Fest mit einer Teilnahme an der Bauernmaskerade am 17. Januar, den Wirtschaften der Nationen und Handwerker am 29. Januar bzw. 1. Februar sowie am Götteraufzug zum Nacht­ ringrennen des 7. Februars genannt, wo sie mit einem Morgenstern auf dem Kopf als Göttin der Morgenröte die Pferde des Sonnenwagens Apolls lenkte 35 (Abb. 35). 34 Ebd., S. 58. 35 Klötzel, Martin: Specification Derer Festivitaeten So by ietzgem Carnevall An dem Chur- Sächsischen Hofe sind gehalten worden, Dresden 1695, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), H. Sax. C 198.

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Anfang Mai desselben Jahres begleitete sie den Kurfürsten zur Badekur nach Karlsbad. Die vom Oberhofmarschallamt erstellte Quartierliste weist für sie im Haus der Genoveva Bachmann 3 Stuben 3 Cammern 3 Betten 2 Bade 36 aus. August der Starke, der sein Domizil bei der Bürgermeisterin hatte, reiste Anfang Juni von hier über Prag weiter nach Wien, um im Auftrag des Kaisers dessen Armee in Ungarn gegen die Türken anzuführen. Seine Rückkehr Mitte Dezember 1695 wurde am 16. Februar des darauf folgenden Jahres im Dresdner Theater ihm zu Ehren mit einem Musen-Fest feier­lich begangen. Aurora von Königs­marck trat in dieser Oper als römische Göttin der Künste Minerva wie auch als Musen der Lyrik (Erato) und des Flötenspiels (Euterpe) auf.37 Im April 1696 zog August der Starke dann erneut gegen die Türken ins Feld. Als er im Spätherbst heimkehrte, hatte Aurora von Königs­marck Dresden bereits wieder verlassen, um in aller Stille ihrer beider Sohn zur Welt zu bringen und ihr seit längerem verfolgtes Anliegen, eine Anstellung im Quedlinburger Reichsstift zu erhalten, weiter zu betreiben. Ziehen wir ein Fazit und kommen am Ende auf unsere eingangs gestellte Frage nach der Glaubwürdigkeit des Pöllnitz’schen Romans zurück. Bezüg­lich des Aufenthaltes von Maria Aurora von Königs­marck am Dresdner Hof wurde die Wahrhaftigkeit der Schilderungen des Freiherrn an dieser Stelle größtenteils widerlegt. Die Erzählungen sind historisch zumeist nicht zutreffend und müssen als literarische Erfindungen angesehen werden. Manche Frage bleibt allerdings noch offen, wurde bisher nicht untersucht, wie beispielsweise das von Pöllnitz erwähnte gute Verhältnis zwischen der Mutter Augusts des Starken und Aurora von Königs­marck oder das Verständnis der Gemahlin Christiane Eberhardine für die außerehe­liche Beziehung ihres Gatten. Lässt sich vielleicht doch irgendwann einmal ein Fest in Moritzburg für Maria Aurora von Königs­marck nachweisen? Zu einer Ehrenrettung des Freiherrn sei abschließend noch einmal Johann Michael von Loen zitiert, dessen Worte uns davor bewahren sollen, die offen gebliebenen Fragen von vornherein als ebensolche bloßen Erdichtungen abzutun: Das von dem Herrn von Pöllnitz herausgegebene galante Sachsen ist mit nichten als ein bloßer Roman zu betrachten; es finden sich in Ansehung dieses Hofs darinnen sehr viele Wahrheiten. Der Verfasser hatte davon eine genaue Kenntnis.38

36 HStADD, wie Anm. 11, 10006 OHMA, Lit. I 18, fol. 217. 37 HStADD, wie Anm. 11, 10006 OHMA, Lit. G 13, fol. 75 – 95. 38 Loen, wie Anm. 8, S.44, Anmerkung.

MADELEINE BROOK

Fiktionale Quellen und Geschichte erzählen – Ein (erneutes) Plädoyer für die Sonderstellung von Maria Aurora von Königs­marcks kurzen Geschichten über den Dresdner Hof in der Rezeption des Images von August dem Starken

Der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke (1670 – 1733) ist in der allgemeinen populären Imagination und Darstellung wohl seit Jahrhunderten als besonders abenteuerlustiger Frauenheld bekannt. Auch wenn seine kulturellen und politischen bzw. militärischen Leistungen erwähnt werden – z. B. in Geschichtsdokumentationen im Fernsehen –, dann oft vor dem alles überschattenden Hintergrund seiner angeb­lichen sexuellen Triebhaftigkeit.1 Der britische Historiker Norman Davies zum Beispiel schildert August so: „As an Elector of the Holy Roman Empire, he wielded influence in the world, but not unlimited power. As commander of imperial armies in the campaigns of the Holy League he had a distinguished military reputation. As the father of some three hundred children […] his personal prowess was beyond reproach.” 2 In solchen Fällen wird prinzipiell eine einzige Quelle für diese Darstellungsweise genannt: Der schlüpfrige Text La Saxe galante (1734) von Karl Ludwig von Pöllnitz.3 Dieser Text gibt sich gleichsam als inoffizielle Biografie Augusts aus, beginnend mit der Zeit kurz vor seiner Kavalierstour bis zu seinem Tod. Doch

1 Der Legende nach hatte August sogar mit Anna Karolina Orzelska (1707 – 69), seiner eigenen, illegitimen Tochter mit Henriette Rénard (ca.1685–ca.1720), eine Affäre. Doch dieses Gerücht, das nie bewiesen worden ist, hat sich erst im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert in der Dichtung durchgesetzt (z. B. in Alfred Halms Stummfilm Der galante König (1920) und Franz Büchlers jetzt in Vergessenheit geratenem Drama August der Starke (1936)). In der gelehrten Literatur dagegen kommt die Geschichte kaum vor, selbst die höchst preußisch gestimmten Historiker des neunzehnten Jahrhunderts zollen ihr wenig Beachtung und erwähnen sie in ihren Schriften nicht. 2 Davies, Norman: God’s Playground: A History of Poland (Bd. 2), Oxford 2005, S. 372. 3 Der Originaltext ist auf Französisch geschrieben; 1735 erschien eine deutsche Übersetzung.

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befasst er sich fast ausschließ­lich mit Augusts – tatsäch­lichem wie ledig­lich gemunkeltem bis hin zum schier erfundenen – Liebesleben. Trotz der zweifelhaften Historizität, die bei anderen Schriften Pöllnitz’ durch seine Zeitgenossen von Beginn an gesehen wurden,4 wird er im Hinblick auf La Saxe galante von Historikern bis in die Gegenwart als grundsätz­lich zuverlässig bezeichnet.5 Dabei wird das maßgeb­liche Ziel von Pöllnitz, seine Leserschaft zu unterhalten (Il [August] eut […] plusieurs Avantures, dont je rapporterai celles qui me paroissent pouvoir interesser le Public.),6 fast durchweg übersehen. Doch ist dieser Text eigent­lich in ein Geflecht anderer zeitgenössischer (fiktionaler und somit auf ihre eigene Art und Weise durchaus problematischer) Texte eingebunden, die Augusts Umgang mit Frauen als einen der Galanterie entstammenden Aspekt seiner Selbstdarstellung als homme galant par excellence suggerieren. Die Galanterie, im Prinzip eine Form der Redekunst, die am französischen Hof Ludwigs XIV. entstand, und die sich in den Jahren 1680 bis 1730 an den Höfen und in den Städten in ganz Europa einer besonderen Beliebtheit erfreute, war näm­lich nicht nur auf die Redekunst (d. h. Redeweise bzw. Schreibweise) beschränkt. Wie der Jurist und Philosoph Christian ­Thomasius (1655 – 1728) beteuerte, wurde die Bezeichnung ‚galant‘ von seinen Zeitgenossen fast willkür­lich auch den unterschied­lichsten Objekten zugeordnet; jedoch, so meinte Thomasius, sei die eigent­liche Galanterie „etwas gemischtes […], so aus dem je ne scay quoy, aus der guten Art etwas zu thun, aus der manier zu leben, so am Hofe gebräuch­lich ist, aus Verstand, Gelehrsamkeit, einem guten judicio, Höff­lichkeit, und Freudigkeit zusammen gesetzet werde, und dem aller Zwang, affectation, und unanständige Plumpheit zu wider sey“.7 Die Galanterie war also nicht nur auf die sprach­liche Rhetorik begrenzt, 4 Z. B. der anonyme Kritiker, der die historische Glaubwürdigkeit eines posthum veröffent­ lichten Werks von Pöllnitz: Mèmoires pour server à l’histoire des quatre derniers Souverains de la maison de Brandebourg Royale de Prusse, in: Allgemeine Deutsche Bibliothek, Bd. CVIII, 1792, S. 211 – 218, von Grund auf zerstört. 5 Vgl. Haake, Paul: August der Starke im Urteil seiner Zeit und der Nachwelt, Dresden 1922, bes. S. 14; Davies, wie Anm. 2, S. 372. Hierzu s. a. Brook, Madeleine: ‚An intelligent foreigner‘? The English Reception of Karl Ludwig von Pöllnitz in the nineteenth and early twentieth centuries, in: Angermion 2 (2009), S. 77 – 89 und Brook, Madeleine: Popular History and Fiction. The Myth of August the Strong in German Literature, Art and Media, Oxford 2013. 6 [von Pöllnitz, Karl Ludwig]: La Saxe galante, [Amsterdam] 1734, S. 10. 7 Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle? [Thomasius, Christian, Von Nachahmung der Franzosen. Nach den Ausgaben von 1687 und 1701, Stuttgart 1894, S. 11].

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sondern konnte ganz systematisch Ausdruck des ganzen (höfischen) Lebens sein.8 Folg­lich nahm das Kompliment in der galanten Redekunst eine herausragende Stellung ein, vor allem das symbolhafte ‚Liebeskompliment‘ an die höfische Dame.9 Die galante Rhetorik konnte sowohl ein politisches Spiel unter Männern als auch Andeutungen fragwürdiger sexueller Verhältnisse verbergen. Jener August, wie er durch Pöllnitz dargestellt wird, ist zwar auch ein homme galant par excellence, aber er befindet sich an dem als negativ empfundenen Ende des Galanterie-Spektrums, ganz im Sinne Gotthard Heideggers: In seinem Schriftstück Mythoscopia Romantica (1698) schreibt er über die histoire galante: Es were ja sonst anderwerts Gottlosigkeit genug in solchen Bücheren, die von nichts anders, als von hassen, mördern, simulieren, läugnen, lugen-dichten, hinders Liecht führen, sehnen, brennen, und geilem wiheln &c. handeln, und dises alles an ihrem Heros als Witz, Wolständigkeit, und Tugend noch dazu loben!10 Im Unterschied dazu haben andere Schriftsteller des 18. Jahrhunderts August und seine Galanterie, wie auch immer letztere sich tatsäch­lich geäußert hat, weit positiver geschildert und für ihre eigenen Textziele verwendet. Der Held Der Europäischen Höfe Liebes- und Helden-Geschichte (1705) – der Schlüssel­ roman von ­Christian Friedrich Hunold alias Menantes –, Gustavus (gemeint ist August), nutzt seine im Endeffekt immer platonisch gehaltenen Beziehungen zu Frauen, die nicht seine Verlobten sind, um seine eigenen Angelegenheiten zu befördern.11 Im Gegensatz zu den Schriften von Pöllnitz und von Hunold erwähnt David Faßmann in seiner Biografie keine von Augusts Mätressen, mit einer einzigen Ausnahme (und trotz der Tatsache, dass der Name der Frau nicht genannt und sie schon gar nicht als Mätresse bezeichnet wird, führte diese beiläufige Erwähnung rätselhafterweise dazu, dass die erste Ausgabe der Zensur zum Opfer fiel, wie das Auslassen dieser Stelle als einzige Änderung in 8 Hess, Peter: Galante Rhetorik, in: Ueding, Gert (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Tübingen 1996, Bd. 3, S. 508 – 509. 9 Die Komplimentierkunst war ein gefragtes Sujet, wie die zahlreichen Werke der Etikette und des gesellschaft­lichen Verhaltens nachweisen. Siehe dazu Beetz, Manfred: Frühmoderne Höf­lichkeit: Komplimentierkunst und Gesellschaftsrituale im altdeutschen Sprachraum, Stuttgart 1990, bes. S. 106 – 107. 10 Heidegger, Gotthard: Mythoscopia Romantica: oder Discours von den so benanten Romans, Zürich 1698, o. S. 11 So, z. B., als Gustavus Gallia fliehen will. Als Scherz versucht Thersarie (Marie Thérèse de Bourbon) ihn dazu zu bringen, sie zu lieben, doch verliebt sie sich tatsäch­lich in ihn. Er weist sie ab, aber ihr Respekt vor ihm als tugendhafter homme galant bringt sie dazu, ihm zu helfen. S. Menantes [=Hunold, Christian Friedrich]: Der Europæischen Höfe Liebes- und Helden-Geschichte, Hamburg 1705, S. 564 ff.

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der zweiten Ausgabe eindeutig bezeugt). Er betont vielmehr die Tugenden, die August zum guten Prinzen machen, seine Prächtigkeit, seine hohe[n] Minen, seine Leutseligkeit und seinen Großmut, die andere Menschen dazu bringen, ihn zu respektieren und liebzuhaben.12 Somit wird August zum perfekten politischen und gesellschaft­lichen homme galant, wie er durch Christian Thomasius und Johann Christian Barth zeitgenössisch definiert wird: sich, so wohl in Wercken, als Worten bey Erwegung der Zeit und des Orts, nach dem Genie der Leute, mit welchen man umgehet, zu richten: Damit man sich recommandire, und also sein Glück befördern helffe.13 Die womög­lich komplexesten Textbeispiele sind aber die zwei kurzen Geschichten in dem mehrbändigen Werk Die Römische Octavia (1677 – 1713) von Anton Ulrich Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel: Die Geschichte der Solane und Die Geschichte der Givritta wurden im Jahr 1999 von Stefan Kraft überzeugend Maria Aurora von Königs­marck zugeschrieben.14 Beide Geschichten gehen auf (im Kern) wahre Begebenheiten am Dresdner Hof zurück: Solane erzählt eine Version des Werbens August des Starken um Aurora während des Karnevals um 1695 vor dem Hintergrund von Augusts Mitwirken am kaiser­ lichen Krieg gegen die Türken und seiner Wahl zum polnischen König. Solane (Maria Aurora) versucht ihre Beziehung zu Orondates (August) auf Vernunft und Seelenfreundschaft zu basieren, statt auf die sexuelle Begierde. Eine Haltung, die es für Orondates äußerst schwierig macht, sie durch einfallsreiche Tricks zu seiner Geliebten zu machen. Dazu muss sie sich auch gegen die Intrigen der Höflinge behaupten und schließt mit der Mutter und der Frau des Orondates Freundschaft. Letztend­lich aber scheitert sie daran, als Orondates eine neue Geliebte an seine Seite nimmt, und Solane zieht sich in den Diana-­ Tempel in ­Nujudonum (das Frauenstift in Quedlinburg) zurück. Givritta dagegen erzählt eine Version des Aufstiegs und Falls Constantia von Cosels an

12 Siehe z. B. [Fassmann, David]: Das Glorwürdigste Leben und Thaten Friedrich Augusti, des Großen, Königs in Pohlen und Chur-Fürsttens zu Sachsen, Hamburg und Frankfurt 1733, S.  1013 – 1014. 13 Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle?, [Leipzig] [ca.1690]; Barth, Johann Christian: Galante Ethica, Dresden und Leipzig 1728, in: Wiedemann, Conrad (Hg.): Der galante Stil 1680 – 1730, Tübingen 1969, S. 11. 14 Siehe Kraft, Stephan: Galante Passagen im höfischen Barockroman. Aurora von Königs­ marck als Beiträgerin zur Römischen Octavia Herzog Anton Ulrichs, in: Daphnis 28 (1999), S. 323 – 345. Vgl. auch den Aufsatz von Kraft, Stephan, im vorliegenden Band ab Seite 59.

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Augusts Hof zwischen ca. 1705 und 1712. Givritta (Constantia), durch Schwanger­ schaft am Hof Olaus’ (Anton Ulrich, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel) in Ungnade geraten, sucht der Ödnis des Guts ihres Vaters zu entkommen, indem sie ­Fredeboldus (Adolph Magnus von Hoym), einen Minister am Hof ­Wilkinus’(August), heiratet. Am Hof Wilkinus’ angekommen, erhält Givritta zunächst die Gunst der anderen Höflinge, doch als sie sich unstandesgemäß Wilkinus aufnötigt und er sich letztend­lich dazu gezwungen sieht, ihr die Ehescheidung zu genehmigen und sie als seine Mätresse zu nehmen, verliert Givritta jeg­liches Wohlwollen am Hof. Schließ­lich gelingt eine höfische Intrige und sie wird durch eine neue Mätresse vertrieben. Die zwei Geschichten weisen eine ähn­liche narrative Struktur auf: In beiden wird erzählt, wie eine Dame (in der einen Solane, in der zweiten Givritta) an einen Hof kommt und die Gunst des Regenten gewinnt, in dem einen Fall (eher) ungewollt, in dem anderen (durchaus) absicht­lich. Eine Zeit lang ist sie die Favoritin am Hof, et­liche galante Abenteuer spielen sich ab, welche die Beziehung zwischen der jeweiligen Frau und dem Prinzen unter Spannung setzen. Diese Spannung wird durch eine Versöhnung zunächst aufgehoben, doch soll das Liebesglück nicht lange währen, denn der Prinz trennt sich von ihr. Beide Geschichten enden damit, wie die jeweilige Dame sich mit ihrem Los abfindet. Für die zeitgenössischen (halb-)fiktionalen Quellen, die August den Starken und seinen Hof darstellen, sind diese zwei Geschichten insofern ungewöhn­ lich, da hier weib­liche Figuren im Mittelpunkt der Erzählung stehen, anstelle der Person Gustavus bzw. Orondates (August): In der ersten Geschichte ist es Solane, die einigermaßen frei in Anlehnung an ihre schriftstellerische Schöpferin gezeichnet ist, in der zweiten Givritta, welche die im Jahr 1713 gerade in Ungnade gefallene Constantia von Cosel darstellt.15 Auf den ersten Blick sind sie zwei sehr unterschied­liche Figuren: Solane/Aurora ist sittsam, ohne großen Ehrgeiz, vernünftig und bedacht; Givritta/Constantia dagegen ist ehrgeizig, rücksichtslos, skrupellos und stellt sich dem Prinzen ganz offensicht­lich

15 Anna Constantia von Cosel, geb. von Brockdorff (1680 – 1765), ist eine der bekanntesten Mätressen Augusts des Starken. Sie wurde von ihrem Mann, Adolph Magnus Freiherr von Hoym (1668 – 1723), kurfürst­licher Geheimer Rat und General-Akzise-Inspektor, 1705 geschieden und wurde um diese Zeit Augusts Mätresse, bis Maria Magdalena Gräfin Dönhoff (1685 – 1730) sie 1713 ablöste. 1715 versuchte Anna Constantia nach Berlin zu fliehen, wurde aber aus staatspolitischen Gründen wieder nach Sachsen ausgeliefert. Sie starb in Burg Stolpen nach langjährigem Hausarrest. Siehe hierzu Hoffmann, Gabriele: Constantia von Cosel und August der Starke. Die Geschichte einer Mätresse, Erlangen 1984.

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sexuell zur Verfügung. Doch es gibt Ähn­lichkeiten zwischen den Frauenfiguren. Zum einen ähneln sie sich in der narrativen Struktur, zum anderen sind beide sehr schön und intelligent, begabt und bekannt. Im Folgenden sollen weitere Beispiele aufgeführt werden: Erstens erleben sowohl Solane als auch Givritta widerwärtige Verhältnisse, die sie zwingen, andere Höfe zu verlassen und sich neue Lebenswege zu suchen: Solane wird von ihrer Familie an Orondates’ (Augusts) Hof geschickt, um bei ihm Hilfe zu erwirken, weil ihre Verwandten aus ungenannten Gründen (durch einen sonderbahren Zufall des unvermeid­lichen Geschicks) von Fürst Bartoces (Ernst August von Hannover) verfolgt werden.16 Givritta dagegen kommt an den daturischen Hof von Wilkinus (August), um ihre Heirat mit Fredeboldus zu retten, die durch einige begangene Fehler der Jugend (konkret ihre unehe­liche Schwangerschaft) gefährdet ist.17 Zweitens wissen beide Frauen um den sexuellen Ruf des Regenten, seine angeb­liche Unwidersteh­lichkeit, wie auch seine Unbeständigkeit.18 Drittens gewinnen sie beide zuerst die Gunst der Gemahlin des Regenten und befinden sich später – zwangsläufig – in konkurrierender Stellung mit ihr. Givritta verstößt gegen höfische Etikette, zuerst, indem sie ein Gespräch zwischen der Königin Julanda und Wilkinus unterbricht 19 und später, als sie Privilegien für sich in Anspruch nimmt, die eigent­lich nur der Königin gebühren.20 Solane hingegen ist sich der höfischen Regeln und ihrer Position und derjenigen der Fürstin Olimpia (Christiane Eberhardine) am Hof sehr wohl bewusst und will sich auf nichts einlassen, das Olimpia verdrießen möge: […] doch sahe man nicht/ daß diese Gnade sich bey ihr in Reichthum/ Ansehen/ oder unbilliger Gewalt im geringsten geäusert hätte/ vielmehr entzog sie sich alles dieses äuser­lichen Ansehens/ weil ihre Hochachtung für Olimpia unverbrüch­lich

16 [Königs­marck, Aurora von]: Die Geschichte der Solane, in: [Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg]: Der Römischen Octavia Vierdter Theil, Braunschweig [1713 oder 1714], S. 603 – 658 (hier S. 604). Die Geschichte ist auch online einzusehen: Kraft, Stephan: Aurora von Königs­marck. Die Geschichte der Solane, in: zeitenblicke 1 (2002), URL: http://www.zeitenblicke.historicum.net/2002/02/­koenigsmarck/ index.html [27. Mai 2013]. 17 [Königs­marck, Aurora von]: Die Geschichte der Givritta, in: [Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg]; Tarot, Rolf/Münding, Maria (Bearb.): Die römische Octavia, 1. Bd, S. 359 – 360. 18 Königs­marck, Solane, wie Anm. 16, S. 605; Königs­marck, Givritta, wie Anm. 17, S. 362. 19 Königs­marck, Givritta, wie Anm. 17, S. 363 – 364. 20 Ebd., S. 365.

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bliebe.21 Viertens werden Solane und Givritta jeweils unter Verdacht gestellt, mit einem weiteren Mann neben ihrem offiziellen Liebhaber ein Verhältnis zu führen – Givritta wird sogar verdächtigt, mit zwei Brüdern eine Liaison zu haben. Während Givritta alle Warnungen in den Wind schlägt, weichen Solane und ihr mutmaß­licher Liebhaber Theodorus, ein Freund aus der Kindheit, den Wünschen des Orondates.22 Fünftens beteiligen sich die Titelheldinnen der zwei Geschichten an der Politik des Regenten, die eine mehr, die andere weniger: Givritta nimmt für sich die Freiheit in Anspruch, in der Abwesenheit Wilkinus’ bei Geheimratssitzungen anwesend zu sein; Solane dagegen mischt sich erst in die Außenpolitik Orondates’ ein, als sie merkt, dass dessen Entscheidungen das Wohl ihrer Verwandten beeinträchtigen könnten. Jedoch begnügt sie sich damit, Orondates einen Brief zu schicken.23 Dass Solane einen Brief schreibt, der Erfolg zeigt, zeugt nicht nur davon, dass sie ihre Worte kunstfertig einsetzen kann, sondern auch, dass sie eine galante Dame ist, welche die Verhaltensregeln und Kommunikationsmittel der Galanterie versteht.24 Sechstens schließ­lich sind die zwei Frauen den Intrigen ihrer Gegner am jeweiligen Hof ausgesetzt, die darauf abzielen, den Regenten gegen sie aufzubringen. Im Fall der Solane liegt die Motivation hierfür teils in politischen Ereignissen – einige von Orondates’ Höflingen (präziser: Mecenas und Herennus) wollen Krieg führen und sehen in Solane eine mög­liche Ablenkung für den Herrscher –,25 teils in persön­lich empfundenen Kränkungen, da Solane die Annäherungsversuche des Herennus zurückgewiesen hat.26 Im Fall der Givritta wird die Treue des Wilkinus zu ihr als politisch bedenk­lich und seine Unbeständigkeit in der Liebe sogar generell als ein wichtiger Teil seiner öffent­lichen Selbstdarstellung empfunden, wobey man alle hofnung muste schwinden lassen, ihn jemahls mehr unbeständig zu sehen.27 Worin sich diese Frauenfiguren deut­lich unterscheiden, ist die Art und Weise, wie sie sich in den unterschied­lichen Situationen verhalten, insbesondere als 21 Königs­marck, Solane, wie Anm. 16, S. 633. 22 Vgl. Königs­marck, Givritta, wie Anm. 17, S. 395 – 397 und Königs­marck, Solane, wie Anm. 16, S. 634 – 636. 23 Vgl. Königs­marck, Givritta, wie Anm. 17, S. 393 und Königs­marck, Solane, wie Anm. 16, S. 608 – 609. 24 Die gewichtige Rolle, die Wörtern zugewiesen wird – wie und in welcher Form (geschrieben bzw. gesprochen) sie idealerweise und gezielt an bestimmte Adressaten gerichtet werden sollen –, ist in der umfangreichen und populären (galanten) Verhaltens- und Konversationsliteratur der Zeit bewiesen. S. z. B. Beetz, wie Anm. 9, S. 106 – 107. 25 Königs­marck, Solane, wie Anm. 16, S. 643. 26 Ebd., S.  610 – 611. 27 Königs­marck: Givritta, wie Anm. 17, S. 390.

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ihre Entfernung vom Hof bevorsteht. Solane tut sich niemals hervor, verhält sich ruhig und beachtet die Verhältnisse des Hofes, wenn auch mit einigen Bedenken. Später fügt sie sich auch in ihr Los, bevor die Entscheidungen gefallen sind, indem sie sich von der Gesellschaft entfernt, um ihr rest­liches Dasein als heilige Jungfrau im Dianatempel zu verbringen.28 Sie tut dies freiwillig, dem Wohlergehen von Orondates als Prinz und Regent verpf­lichtet, so zumindest wird ihre Geschichte von den Zuhörern in der Römischen Octavia beurteilt: Einem Freunde zu gefallen/ sagte hierzu Antiochus Callinicus/ sein Glück zu verschertzen/ ist mehr als großmüthig zu nennen.29 Im Gegensatz dazu macht Givritta immer eine Szene, stellt sich dem Hof aktiv entgegen, und versucht, schließ­lich auch das Unumgäng­liche zu ändern, indem sie sich Gewalt und Drohungen bedient. Ihre wiederholten Drohungen, sich ihr eigenes Leben zu nehmen, setzt Givritta aber nie in die Tat um und wird so zu einer Spottfigur. Die spitze Bemerkung, welche die Geschichte beendet (Ingleichen wartet Dolch, Gifft und Sarg, ob Givritta sich ihrer zu bedienen noch entschloßen verbleibet),30 weist nicht nur auf Givrittas Wankelmut, sondern auch auf die Unangemessenheit ihres dramatischen, ja überspannten Benehmens aus Sicht des Hofes hin. Givritta begeht im Sinn der Galanterie zwei Kardinalfehler: Unabhängig von den Regeln dieser Gesellschaft (insbesondere für Frauen) tut sie sich am Hof hervor und versucht sich zu behaupten. Weiterhin weigert sie sich, die mehrfache Untreue des Prinzen als politisch notwendig zu betrachten. Ganz zu schweigen davon, diese zu begünstigen, indem sie sich ruhig zurückzieht, sobald die neuen Verhältnisse am Hofe nicht mehr für bzw. durch sie vermeidbar sind. Zusammenfassend können diese zwei Figuren – Solane und Givritta – somit als zwei Seiten derselben Medaille interpretiert werden. Das heißt erstens, dass sich hiermit ein weiterer Grund dafür ergibt, Solane und ihre Geschichte nicht als eine sch­licht autobiografische Instanz aus der Feder Maria Aurora von Königs­marcks zu verstehen. Stattdessen wird uns vielmehr ein Musterbeispiel vorgeführt: Solane, die ‚ideale‘ dame galante auf der glänzenden Hauptseite und Givritta, auf der Kehrseite der Medaille, als die Anti-Vorbildhafte. Dass die zwei Geschichten in der Struktur der Römischen Octavia weit auseinander liegen, muss keine Bedenken erregen. In der Tat wurden sie mit fast fünfzig Jahren Abstand veröffent­licht, Solane um 1713 und Givritta erst um 1762; sie müssen daher aus ihrem Rahmen genommen und isoliert betrachtet

28 Königs­marck: Solane, wie Anm. 16, S. 602 und S. 658. 29 Ebd., S. 658. 30 Königs­marck, Givritta, wie Anm. 17, S. 398.

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werden, um zu einer klaren Gegenüberstellung zu gelangen. Doch dass sie sich außerdem noch durch ihren Erzählstil von den anderen Geschichten in dem Roman auffallend unterscheiden – natür­lich durch die Tatsache bedingt, dass sie von einem anderen verfasst wurden, als die Mehrheit des Romans, welche der Feder Herzog Anton Ulrichs entstammten –,31 macht dieses Verfahren weniger künst­lich, und die strukturellen Gemeinsamkeiten erfordern geradezu einen Vergleich. Zudem dürften diese Texte Aurora von Königs­marck auf komplexe Weise als Propaganda in eigener Sache zur Festigung der eigenen Rolle am Hofe Augusts des Starken gedient haben. Denn dadurch, dass sie Gelegenheit hatte, eine Geschichte von Givritta/Constantia von Cosel zu dichten, entstand erneut die Mög­lichkeit, sich selbst implizit und zeichenhaft als (reale) Gegenfigur zu behaupten, auch in einer weiteren Figur, der weisen Augea, die Wilkinus berät. Das heißt, sie hatte hiermit die Gelegenheit, August daran zu erinnern, dass andere höfische Frauen, die ihn in der nahen Vergangenheit umgeben hatten, näm­lich sie selbst, seine Selbstdarstellung als galanten Prinzen durchaus verstanden haben und sie darüber hinaus immer noch verstehen und für relevant halten. Königs­marck tut das, wenn auch verschleiert, darüber hinaus in einer letztend­lich der lesenden Öffent­lichkeit zugäng­lichen Publikation. Dass die Geschichte der Givritta erst um 1762 im 7. Band der 2. Fassung, Jahrzehnte nach dem Ableben sowohl Maria Aurora von Königs­marcks als auch Augusts des Starken, erscheinen würde, konnte sie nicht vorhersehen. Herzog Anton Ulrich starb bald nachdem Königs­marck ihm ihr Manuskript zugeschickt hatte, und die Verwaltung seines Nachlasses wurde durch Streitigkeiten erschwert.32 Königs­marck litt unter andauernden Geldsorgen und versuchte regelmäßig August zu erweichen, ihr in diesem Bereich zu helfen. In den Jahren, als sie diese Geschichten schrieb, und besonders in den Jahren um 1713, rang sie um das Amt der Äbtissin in Quedlinburg und suchte Rückhalt für sich und ihre Position.33 Gleichzeitig hatte sie es 1712 end­lich geschafft, August dazu

31 Wobei auch hinzugefügt werden muss, dass Herzog Anton Ulrich in seinen schriftstellerischen Arbeiten an der Römischen Octavia von Sigmund von Birken, Christian Flemmer und Gottfried Alberti unterstützt wurde, besonders in der Redaktion und in der historischen Recherche. 32 Siehe dazu ausführ­lich Otte, Wolf-Dieter: Eine Nachricht von Gottfried Alberti über das Schicksal der von Herzog Anton Ulrich hinterlassenen Manuskripte zur ‚Octavia‘, in: Wolfenbütteler Beiträge 6 (1983), S. 336 – 351. 33 Näheres zu dem langwierigen Vorgang ihrer Werbung um das Amt der Koadjutorin in Quedlinburg in Krauss-Meyl, Sylvia: ‚Die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte‘

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zu bringen, ihren gemeinsamen Sohn Moritz anzuerkennen.34 Sie hatte also mehrere existenzielle Gründe, sich August dem Starken gegenüber als unterstützungswürdige, weil positiv herausgehobene Person, auch im Sinne einer dame galante, zu präsentieren. Solane, das positive Gegenteil von Givritta, ist die ‚galanteste aller Frauen‘, die geradezu wie ein Plädoyer für die Stellung Maria Auroras in der Gesellschaft, vielleicht auch am Hof, wirkt, sie wird aber gerade durch Givritta erneut pointiert in Erinnerung gebracht. Durch den stark implizierten persön­lichen Zusammenhang zwischen der fiktiven Figur und Königs­marck wird suggeriert, dass einzig und allein Maria Aurora von Königs­marck, die galanteste aller galanten Damen, fähig sei, dem Image des galantesten aller Prinzen gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund und ganz im Unterschied zu den Frauen in der Darstellung von Pöllnitz heben also diese Frauenfiguren die komplexe gesellschaftspolitische Funktion der Frau innerhalb des Rahmens des galanten Rhetoriksystems als unentbehr­lich und gleichzeitig auch als chiffrenhaft besonders hervor. Erstens liefert Givritta das negative Beispiel von alledem, was eine erfolgreiche dame galante und höfische Mätresse nicht sein sollte, auch in Bezug auf Augusts Image und seine Macht; Solane dagegen bietet das Paradebeispiel, das Ideal. Zweitens: Obwohl der rhetorische Fokus der Galanterie durch das Liebeskompliment auf der Frau bzw. der Weib­lichkeit liegt,35 erkennt die verständige dame galante den wahren Mittelpunkt der Galanterie: den Mann. Ohne diesen weib­lichen Fokus kann der Mann sein Image als homme galant nicht vollständig realisieren. Doch – und zwar drittens – erkennt sie zudem und eben aufgrund des letzten Punktes den wahren Stellenwert der wahrhaft galanten Dame als ein leeres Gefäß für die selbstinszenierenden Zielsetzungen des homme galant. Der Nutzen dieser zwei Geschichten – Die Geschichte der Solane und Die Geschichte der Givritta – in Hinsicht auf ihre Stellung als Quellen in der Rezeptionsgeschichte des Images von August dem Starken liegt in ihrem komplexen Status als Selbstzeugnis, in der Art und Weise, wie sie bestimmte Begebenheiten am Dresdener Hof, in den Königs­marck einige Einsicht hatte, literarisch verdichten, um sie als musterhaft gültig wiederzugeben, und somit auch in Maria Aurora Gräfin von Königs­marck, Regensburg 2006, S. 105 – 142. Vgl. auch den Beitrag von Schröder-Stapper, Teresa, im vorliegenden Band ab Seite 263. 34 Krauss-Meyl, wie Anm. 33, S. 200 – 203. 35 Daher die enge Verknüpfung der Galanterie mit dem Liebeshandel und dem Erotischen, die besonders im galanten Roman zum Ausdruck kommen und die auch Kritik wie die Heideggers auf sich ziehen.

In der Rezeption des Images von August dem Starken 207

dem, was sie über die Rolle der Selbstinszenierung am (und auch jenseits des) galanten Hof(es) und am Dresdener Hof im Besonderen verraten können. Während das Gros der fiktionalisierenden biografischen Quellen August einfach als den homme galant par excellence darstellen, bieten diese zwei Texte in Kombination einen alternativen Gesichtspunkt bezüg­lich der Frage, wie der homme galant überhaupt ein solcher werden kann, indem sie die dame galante ins Scheinwerfer­licht rücken.

1  Wappen der Grafenfamilie von Königsmarck

2  Hans Christoph von Königsmarck, Ölgemälde von David Beck (zugeschrieben)

3  Cordt/Conrad Christoph von Königsmarck, zeitgenössischer Kupferstich

4  Otto Wilhelm von Königsmarck, Ölgemälde von David Klöcker Ehrenstrahl (zugeschrieben)

5  Philipp Christoph von Königsmarck, Ölgemälde von Martin Mijtens d.Ä. (zugeschrieben)

6  Maria Aurora von Königsmarck, unbekannter Maler (bisher Johan David Swartz zugeschrieben)

7  Maria Aurora von Königsmarck, unbekannter Maler

8  Maria Aurora von Königsmarck im Jagdkostüm, unbekannter Maler, um 1700

9  König August II. von Polen, Ölgemälde von Louis de Silvestre, 1718

10  Moritz Graf von Sachsen, Pastell von Maurice Quentin de la Tour, um 1750/60

11  Maria Elisabeth von Holstein-Gottorf, Äbtissin des weltlichen Damenstifts Quedlinburg, unbekannter Maler, um 1740

12  Maria Antonia von Branconi, Ölgemälde von Anna Rosina de Gasc, um 1700

13  Die gelehrte Frau, Tuschezeichnung von Johann Heinrich Ramberg, 1802

14  Aurora von Königsmarck, Nordischer weÿrauch, Samtener Einband mit Silberbeschlägen, Exemplar der Universitätsbibliothek Uppsala

15  Aurora von Königsmarck, Nordischer weÿrauch, Titelseite der Handschrift der Universitätsbibliothek Uppsala

16  Aurora von Königsmarck, Nordischer weÿrauch, die letzten Strophen des Lob= und Liebes= Gedicht von Maria Aurora von Königsmarck

17  Aurora von Königsmarck, Nordischer Weyrauch,

Titelseite der Quedlinburger Handschrift

18  Komposition von Maria Aurora von Königsmarck, Vertonung ihres eigenen Gedichts O großer Gott du aller welt gebiether

19  Huldigungsgedicht von Sophia Elisabeth Brenner

für Maria Aurora von Königsmarck, Januar 1684

20  Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon (Titelseite),

Gottlieb Siegmund Corvinus, Leipzig 1715

21  Königin Maria von Ungarn im Streitwagen, Kupferstich von 1663

22  Königsmarck’sche Tapeten: Barndomen (Die Kindheit), Wandteppich

23  Königsmarck’sche Tapeten: Ålderdomen (Das Alter), Wandteppich

24  Königsmarck’sche Tapeten: Maskeradtapeten (Maskeradentapete), Wandteppich

25  Königsmarck’sche Tapeten: Allegoritapeten (Allegorietapete), Wandteppich

26  Königsmarck’sche Tapeten: Triumftapeten (Triumphtapete), Wandteppich

27  Königsmarck’sche Tapeten: Rikssalstapeten (Reichssaaltapete), Wandteppich

28  August der Starke und Maria Aurora von Königsmarck (?),

Ledertapete von Lorenzo Rossi, Schloss Moritzburg

29  Maria Aurora von Königsmarck in Begleitung ihrer Pflegetochter Maria Aurora (Fatima) und Christina Freifrau von Wrangel auf Lindeberg (?), Ölgemälde von Heinrich Christoph Fehling, um 1695

30  Detail von Abb. 29

31  Grabmal der Anna von Ewsum, Rombout Verhulst, Kirche Midwolde/Niederlande

32  Petersenska huset in Stockholm, im Besitz der Königsmarcks

von 1686 – 1692, Kupferstich

33  Wrangelscher Palast in Stockholm, Wohnort der Königsmarcks

von 1680 – 1686, Kupferstich von Jean Marot

34  Schloss Salzdahlum, Gartenansicht, Radierung von Anton August Beck, um 1760

35  Apoll beim Götteraufzug am 7. Februar 1695 in Dresden,

Aurora von Königsmarck im Streitwagen

36  Schloss Agathenburg, Stammschloss der Grafenfamilie von Königsmarck in Agathenburg bei Stade (Ansicht 2011)

37  Kaiserlich frei weltliches Damenstift Quedlinburg (Ansicht 2008)

CARSTEN NIEMANN

Aurora ohne Cephalus – Die Gräfin Königs­marck an den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel

Auch wenn es zu allererst ihre Rolle als Mätresse Augusts des Starken am Hof zu Dresden war, der Maria Aurora ihre posthume Prominenz verdankt – das Faszinosum ihrer Persön­lichkeit und die Vielfalt ihrer gesellschaft­lichen Talente erschließen sich nicht, wenn man sich nur dieser Episode ihres Lebens zuwendet. Ein lebenslanger wichtiger Bezugspunkt waren für Maria Aurora die Höfe der Welfen zu Celle, Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel. Den Besuchen an diesen Höfen und den frühen Begegnungen mit Mitgliedern der Fürstenfamilie in Hamburg oder Pyrmont dürften Aurora und ihre Geschwister ihre ersten prägenden Eindrücke vom Hofleben verdankt haben.1 Es lohnt sich daher, auch einmal jenseits der dramatischen, aber auch vergleichsweise gut untersuchten Königs­marck-Affäre 2 einen Blick auf die Rolle zu werfen, die Maria Aurora im höfischen Alltag an den welfischen Höfen gespielt hat – wobei ich diese Fragestellung wört­lich verstehen und sie auf die Festkultur beziehen möchte, die ja immer auch eine politische Dimension besaß. Die Situation, in der sich die Teilfürstentümer des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg befanden, war geprägt vom Wettbewerb um größtmög­lichen Einfluss – wobei die Familie Königs­marck oft zwischen die Fronten geriet. Während die Königs­marck-Affäre die Beziehungen zwischen den Höfen in Hannover und Celle belastete, welche durch die Heirat Sophie Dorotheas mit dem hannoverschen Kurprinzen doch auf so elegante Weise hätten vereint werden sollen, konkurrierten die welfischen Vettern in Hannover und Wolfenbüttel um die neunte Kurwürde, wobei dieser Wettbewerb nicht zuletzt mit Mitteln der Kultur ausgefochten wurde. Damit bereiteten sie Maria Aurora zugleich 1 Diese waren nicht nur positiv: So verbot die Herzogin von Celle ihrer 14-Jährigen Tochter Sophie Dorothea zeitweilig den Umgang mit den Geschwistern Königs­marck. 2 Schnath, Georg: Der Königs­marck-Briefwechsel. Korrespondenz der Prinzessin Sophie Dorothea von Hannover mit dem Grafen Philipp Christoph Königs­marck, 1690 bis 1694, Hildesheim 1952. Vgl. auch den Beitrag von Krauss-Meyl, Sylvia im vorliegenden Band ab Seite 31.

250 Carsten Niemann

genau jene Bühne, auf der sie ihr gesellschaft­liches Talent erproben konnte und musste. Ihre Rolle in der Festkultur zu untersuchen heißt zugleich, eine bessere Vorstellung davon zu gewinnen, worin diese zwar oft gelobten, aber selten präzise definierten Talente konkret bestanden. Auroras herausgehobene Stellung in der Festkultur wird unmittelbar deut­lich, wenn man zunächst zwei der markantesten Feste im Rahmen dieses machtpolitischen Wettbewerbs vergleicht, bei denen sie auf beiden Seiten gleichermaßen unverzichtbar gewesen zu sein scheint: Es handelt sich um das Maskenfest zum Karneval 1693, mit dem Ernst August zu Hannover seine Erhebung in den Kurfürstenstand feierte und den „Saltzthalischen Mäyen-Schluß“, mit dem Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel ein Jahr darauf sein ehrgeizigstes Repräsentationsobjekt, das Lustschloss Salzdahlum einweihte. Zum Hannoveraner Karneval hat uns Aurora selbst die Beschreibung geliefert – und zwar als Bericht, den sie in Briefform an Königin Ulrike Eleonora von Schweden sandte.3 Es ist keine Selbstverständ­lichkeit, dass wir Maria Aurora überhaupt auf diesem Fest begegnen: Vorausgegangen war ein ernstes Zerwürfnis mit der Gräfin von Platen, die offenbar befürchtete, Maria Aurora könne ihre Stellung als Mätresse des Kurfürsten Ernst August gefährden. Erst durch ein versöhn­ liches Schreiben der Kurfürstin Sophie war es gelungen, diesen Riss vorläufig zu kitten.4 Ihre unmittelbare Einladung zum Fest verdankte Maria Aurora aber vermut­lich der Kurprinzessin Sophie Dorothea, mit der sie seit Kindheitstagen freundschaft­lich verbunden war und in deren maskierten Aufzug, Quadrille genannt, sie nun aktiv mitwirkte. Stilistisch knüpft die ausführ­liche Darstellung an Königs­marcks frühe Berichte aus Medevi Brunn an, die ebenfalls in Briefform verfasst sind. Noch weniger als diese Briefe sollte man auch diesen Text als private Mitteilung lesen – ganz deut­lich ist er dafür gedacht, in größerem Kreis zu zirkulieren. Der Bericht gliedert sich in drei Abschnitte: Der Beschreibung der wichtigsten Festteilnehmer und insbesondere der führenden Fürstinnen folgt ein Abriss des Festprogramms des Karnevals mit besonderem Augenmerk auf die Oper. Es schließt sich eine detaillierte Beschreibung der Quadrillen an, die am Tag des Maskenballs durch den Palast zogen. 3 Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck. Ein bewegtes Frauenleben um die Wende des 17. Jahrhunderts, Braunschweig 1919, S. 48 – 58. (Burg teilt den auf französisch verfassten Bericht in der deutschen Übersetzung von Anna Wendland mit.) 4 Vgl. Krauss-Meyl, Sylvia: „Die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte“. Maria Aurora Gräfin von Königs­marck, Regensburg 2012, S. 68.

An den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel 251

Die panegyrisch ausgerichteten Beschreibungen der Fürsten und Prinzessinnen bedienen sich weitgehend beliebter Topoi und könnten sich zu einem großen Teil auch in dem Bericht eines offiziellen Hofdichters finden. Ähn­lich verhält es sich mit dem Überblick über den gesamten Karneval mit seinem Wechsel aus Verkleidungsspielen (den sogenannten Wirtschaften), eleganten Maskenbällen und Opern. Auroras persön­liches Interesse an Musik und Theater, welches ihre Leidenschaft für Wirtschaften und Bälle überstieg, kann man aus der Beschreibung des Opernhauses nur sehr zart heraushören, zumal es sich bei dem Bau ja um ein zentrales Repräsentationsobjekt handelte, das somit in einer Beschreibung ohnehin nicht fehlen durfte. Die Musik wird in lobenden, aber unspezifischen Worten hervorgehoben, fast als sei sie ein Teil der Dekoration. Das Sängerensemble immerhin wird nament­lich erwähnt, jedoch nicht die gespielte Oper. Eingehend und mit individuelleren Zügen beschreibt Aurora hingegen die Quadrillen. Immer im Rahmen der Loberhebung bleibend, reflektiert sie die Grundidee der Quadrillen und die Ausgestaltung der Kostüme: Gelungen wirkt die türkische Quadrille (an der Aurora selbst in der Rolle der Frau des Propheten teilnimmt), originell jene der Fürstin von Ostfriesland, leise Kritik wird an der Quadrille der Kurfürstin von Hannover angemeldet, da die Narren­kleider den Frauen nicht vorteilhaft seien. Auffällig ist Maria Auroras detaillierte Beschreibung eines Gesangs­vortrags des Prinzen von Nassau, wenn man sie im Vergleich zur Beschreibung der professionellen Opernsänger liest. Werden diese Sänger mit allgemeinen Ausdrücken wie entzückend, harmonisch, engelhaft beschrieben, wird Aurora bei dem Vortrag des Dilettanten Prinz von Nassau sehr viel präziser: Er habe, so schreibt sie, eine sehr angenehme Stimme und singt mit viel Schule. Der Graf Palmieri, der die Musik vorstellte, begleitete ihn auf dem Klavier. Beide sind musikalisch und passen sich einander gut an. Der Prinz von Nassau sang sogar besser denn je, weil die Geschichte der Eurydice etwas Ähn­lichkeit mit seiner eigenen hat. Vor zwei Jahren verlor er seine Gemahlin, die er sehr liebte, und obgleich er alles, was ihm mög­lich war, tat, um hier nicht an sie zu denken, erinnerte er sich doch gerade in diesem Augenblicke daran, was 5 seinen Vortrag desto rührender machte.

Auf der einen Seite hält sich Aurora an den Topos, einen ausgezeichneten Musiker als „Orpheus“ zu bezeichnen. Auf der anderen Seite jedoch verleiht

5 Burg, wie Anm. 3, S. 56.

252 Carsten Niemann

sie ihrer Beschreibung einen ungewöhn­lich persön­lichen Ton, der das erwachende Interesse des galanten Zeitalters an der Darstellung von individuellen Empfindungen verrät. Dokumentiert hat Aurora auch die „Prophezeiungen“, die sie in der Rolle der „Gemahlin des Propheten“ an die Teilnehmer der übrigen Quadrillen aussprach. Über die Panegyrik hinaus scheint es Aurora auch hier darum zu gehen, eine persön­liche Haltung anzudeuten. Mit eher kaltem sprach­lichen Prunk wird der Kurfürst bedacht: Du bringst Deine ruhmvollen Pläne zum Gelingen, Du wirst von deinen glück­lichen Untertanen angebetet. Man sieht kein edleres Herz als das deine. Durch große Gesinnung überragst du alle andern. Du erhebst dich über das Schicksal. 6 Was willst du noch mehr, als was du besitzest?

Größere Wärme bringt Aurora für die geistreiche Kurfürstin auf: Du besitzest eine unbeschränkte Herrschaft über dich selbst Und einen so starken Geist, dass er aus einem Übel ein Gut zu machen weiß. Was bleibt von dem Geheimnis der Zukunft, wenn er zu sprechen hat? 7 Du kannst alles, und nichts ist dir unbekannt.

Ein gutes Jahr später finden wir Aurora bei dem unterlegenen Gegenspieler im Kampf um die Kurfürstenwürde, Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-­ Wolfenbüttel. Das Verhältnis Maria Auroras zu diesem Herzogshaus und insbesondere seinem geistvollen Haupt scheint von Anfang an ungetrübt gewesen zu sein. Dem deut­lich älteren Herzog g­lich Maria Aurora sowohl an Intelligenz wie schriftstellerischer Begabung: Als Beiträgerin zu seinem Roman Römische Octavia bezog Anton Ulrich sie unmittelbar in die Arbeit an seinem litera­ rischen Hauptwerk mit ein.8 Beide vereinte der Ehrgeiz, eine ihren Begabungen entsprechende höhere gesellschaft­liche Position zu erlangen. Zugleich hatte 6 Ebd., S. 57. 7 Ebd., S. 57. 8 Zu dieser Zusammenarbeit vgl. Kraft, Stephan: Galante Passage im höfischen Barockroman – Aurora von Königs­marck als Beiträgerin zur Römischen Octavia Anton Ulrichs, in: Daphnis 28 (1999), Nr. 2, S. 323 – 345. Vgl. auch den Beitrag von Kraft, Stephan im vorliegenden Band ab Seite 59.

An den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel 253

Maria Aurora in ihm auch einen Vertrauten, mit dem sich mit viel Witz über die eigenen Gegner herziehen ließ – von der in Ungnade gefallenen Mätresse Augusts des Starken, der Gräfin Cosel, bis hin zu den Gräfinnen Eleonora Sophia und Marie Magdalene von Schwarzburg, die Maria Auroras Wahl zur Äbtissin des Stifts Quedlinburg hatten verhindern wollen.9 Im Dunkeln liegen hingegen die Verhandlungen, die Maria Aurora nach Briefen ihres Schwagers Karl Gustav Lewenhaupt 1694 am Hof von Wolfenbüttel tätigte und die auf eine dauerhafte Versorgung am Hofe hinauszulaufen schienen, dann aber nicht weiter erwähnt werden. Rivalitäten um die Präsenz Auroras zwischen den Höfen Hannover und Wolfenbüttel lässt in galantem Ton ein Brief Anton Ulrichs anklingen, den er am 3. November 1692 an die Gräfin schrieb. Anton Ulrich lädt Maria Aurora zur Messe nach Braunschweig ein und beklagt sich in folgenden Worten über ihr Ausbleiben im vorigen Jahr, wo sie stattdessen in Hannover weilte: Von den zu Hannover passierten Affairen weiss ich eben keine Particularitäten. Ich wünsche aber, dass sie mögen so beschaffen sein, dass wir dadurch künftige Messe das erlangen mögen, was wir voriges Jahr mussten entbehren, und werden gegen solche Zeit fünf opern, als drei deutsche und zwei italienische präparirt, die ja mehr wohl 10 meritieren, dass man sie lieber besuche, als sich mit der Gräfin Platen herumzanket.

Eine der geplanten Opernaufführungen hebt Anton Ulrich besonders hervor: Mein Sohn präpariret jetzo mit allen Damen und Cavalieren eine Opera und Ballet gegen meinen Geburtstag. Das Sujet wird sein vom Narzissus. Ich gedenke aber nicht, 11 dass die Deutung auf meine Person gerichtet sei.

Mit dieser Bemerkung verrät Anton Ulrich ex negativo, wie gebräuch­lich es war, ein Opernsujet auf eine anwesende Person zu beziehen. Bei dem Stück handelt es sich um die Oper Echo und Narcissus: Das Libretto stammt vom Hofdichter Friedrich Christian Bressand und die mittlerweile verschollene Musik wird Johann Sigismund Kusser oder auch Georg Bronner zugeschrieben. 9 Vgl. auch den Betrag von Schröder-Stapper, Teresa im vorliegenden Band ab Seite 263. 10 Zit. nach Cramer, Friedrich: Biographische Nachrichten von der Gräfin Maria Aurora Königs­marck, Quedlinburg/Leipzig 1833, S. 21. 11 Ebd.

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Das Stück wurde 1693 auf dem Theater in Braunschweig gegeben, wobei die Widmungsträgerin niemand anderes ist als Maria Aurora von Königs­marck. Bressands Zueignungs-Sonett enthält dabei eine der gelungensten Anspielungen auf ihren Namen. Dort heißt es: Vor Tags begunte schon die Echo ihre Klagen und Föbus fande sie niemals mehr in der Ruh; Aurora bleibet noch / wie vormals / ihre Wonne: 12 Bey solcher Morgenröht verlangt man keine Sonne.

Bressand begnügt sich nicht mit dieser Andeutung. Tatsäch­lich dürfte es nicht schwer sein, in der Titelfigur, dem jagenden und zunächst nicht selbstverliebten, sondern nur nach Freiheit von den Liebesfesseln dürstenden Narcissus Anspielungen auf die unverehe­lichte Gräfin zu sehen. Auffällig ist in jedem Fall, dass die ersten Auftritte der Oper von Erwähnungen der Morgenröte durchzogen sind und gleichzeitig oft mit dem Bild des Jagens verbunden werden. So sehen wir zu Beginn der Oper den erwachenden Narcissus, der von drei verliebten Nymphen umringt ist, welche das Bild der – gleich einer Geliebten – auf die Sonne wartenden Morgenröte bemühen: Föbus bricht nicht eh herein / Biß Narcissus öffnen wird seiner schönen Augen schein. An den blauen himmels bogen ist die Nacht bereits verflogen / die erwachte Morgenröth wartet / biß die Sonn’ aufsteht / doch die Sonn’ und mein vergnügen 13 wollen noch im Schlafe ligen […]

Und als Narcissus erwacht, tut er dies mit den doppeldeutigen Worten: Aurora ist schon aufgegangen / 14 und mich hält hier ein fauler Schlaf gefangen?

12 Bressand, Friedrich Christian: Echo und Narcissus in einem Sing-Spiele auf dem Braunschweigischen Schau-Platz vorgestellet …, Braunschweig 1693, Xv. 13 Ebd., Ar. 14 Ebd., Aijv.

An den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel 255

Auch der komischen Person, Rullo mit Namen, werden Anspielungen auf die Morgenröte in den Mund gelegt, wobei diese auch etwas derber ausfallen dürfen. So singt er: ein Jäger muß sehr früh aufstehn / und auf sein Wildprett lauren gehn; ein buhler thut es auch / der lange vor der Morgenröth 15 vor seiner liebsten thüre steht.

Es ist also verlockend, die Situation der freiheitsliebenden Gräfin mit der des ungebundenen Narcissus zu vergleichen. Da Narcissus sich erst am Ende des Stücks in sich selbst verliebt, geht die Gleichung erstaun­lich lange auf. Die absurde Situation des sich hartnäckig der Ehe entziehenden, dabei aber allgemein umschwärmten Narcissus lässt reich­lich Raum für Witzentfaltung, wobei zugleich die unterschied­lichen Reaktionen bei unerwiderter Liebe durchdekliniert werden: Während die erste Nymphe sich für eine platonische Freundschaft entscheidet, wird die zweite wahnsinnig und die dritte, Echo, greift zu Intrigen und Lügen, um ihr Idol doch zu gewinnen. Auch ein sorgenvolles Familienoberhaupt darf in der Gestalt von Narcissus’ Vater, Flussgott Cephisus, seine ungeduldige Sorge zum Ausdruck bringen. Ein extremes Gegenbild zu Narcissus wird mit Jupiter gezeigt: Dieser stellt, als Schäfer Pirantes verkleidet, einer der in Narcissus verliebten Nymphen nach, wobei er allerdings selbst von seiner als Nymphe verkleideten Gattin Juno verfolgt wird. Unverkennbar ist, dass am Verhältnis des fremdgehenden Gottes Jupiter mit den Nymphen Beziehungen zu Mätressen verhandelt und letzt­lich moralisch verworfen werden. Bezeichnenderweise geschieht dies wiederum unter Anwendung der Sonnen­ metaphorik. Als Jupiter die von ihm angebetete Nymphe Cilene erwartet, geschieht dies mit dem Bild eines glänzenden Gestirns, das den Sternenbogen der Nacht verscheucht. Doch Cilene weist Jupiter mit folgenden Worten ab: An meinem himmel will ich gantz allein 16 und keine Neben-Sonne seyn.

15 Ebd., Bijvf. 16 Ebd., [Giv]v.

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Bei Echo und Narcissus handelt es sich zwar um keine Oper mit einem eindeutigen Schlüssel, aber mit einem Angebot an die Hörer, persön­liche Bezüge herzustellen. In ihrer moralischen Botschaft ist diese Oper allerdings auch eine klare Absage an alle Spekulationen, die man sich hinsicht­lich der Absichten Anton Ulrichs bei seiner Verehrung für die schöne Gräfin machen konnte. Coram publico wird damit auf der Bühne unterstrichen, was man auch im realen Leben an Botschaften aussandte. So schreibt Anton Ulrich an Maria Aurora zur Vorbereitung ihres Messebesuchs im Juni 1693: Damit es aber alles par les formes zugehen möge, so thuen sie wohl und bemühen sich soviel, ein Handbriefchen an meine Gemahlin zu schreiben, damit Sie Ihre Überkunft vermelden, so wird dieselbe desto geschäftiger sein, eine gute Wirtin zu agieren. Diese deutsche Precaution ist gar nötig und wollen wir uns desto besser lustig machen, wenn 17 Aurora allen Anwesenden gleich angenehm wird können erscheinen.

Ende Mai 1694 folgt Maria Aurora schließ­lich der Einladung zur Einweihung des Schlosses Salzdahlum – dem „Versailles teutscher Erden“ beziehungsweise der „Holzungeheuer­lichkeit“, wie man den aus Fachwerk errichteten Bau auch nannte. Offiziell gefeiert wurde allerdings nicht eigent­lich die Schlosseinweihung, sondern ledig­lich die Einweihung der Schlosskirche, verbunden mit der Feier zum 60. Geburtstag der Herzogin Elisabeth Juliane, der Anton Ulrich das Schloss überschrieb. Die Beschreibung der Fest­lichkeiten wurde dabei wiederum dem Hofdichter Bressand anvertraut. Auroras erster Auftritt bei dem drei Tage währenden Fest findet nach dem Festmahl statt, wobei die Tafel mit 60 aus Zuckerwerk gefertigten Bäumen geziert war, an die 60 Sonette angeheftet waren. In diesem überzuckerten Musenhain nahm die nicht weniger von verstand als Stand vollkommene Frl. AURORA Gräfin von Königs­marck […] gelegenheit / in geschwinder Eile und ohne einigen vorbedacht dieses artige Impromptu aufzusetzen. Uber die / einen schönen garten vorstellende / und auf dero hochgeliebtester Frau Gemahlin Geburts-Tag von Herrn Hertzog Anthon Ulrichs Durchl. in Salzthal angeordnete Tafel. Die bäume wachsen auf dem Tische / und tragen früchte von verstand; wie sich Genuß und Lust hier mische

17 Mazingue, Etienne: Anton Ulric Duc de Braunschweig-Wolfenbuettel (1633 – 1714). Un Prince Romancier au XVIIème Siècle, 2 Bde, Lille 1974, S. 451.

An den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel 257

ist mund und auge gnug bekandt / der garten wird selbst aufgegessen: wer kann die Seltenheit ermessen? Beständ’ger Liebe band von acht und dreißig Jahren 18 läst so viel wunder hier uns schauen und erfahren.

Aurora lobt in ihren Versen die Beständigkeit der auch tatsäch­lich auf Zuneigung beruhenden Beziehung Anton Ulrichs zu seiner Frau – es geht also in der Tat „selon les formes“ zu. Es bleibt nicht bei diesem Impromptu: Oberhofmarschall von Steinberg, der neben Aurora saß, fügte zwei weniger gelungene, aber darum wohl umso offensicht­licher spontan formulierte Zeilen auf die Herzogin hinzu: Sie lebe ganz vergnügt biß in das späte Sarck / 19 das wünscht die schöneste Comtessin Königs­marck.

Die Verse wurden Anton Ulrich gezeigt und dessen Antwort fasste Marschall Steinberg ebenfalls in Verse: Was man hier sieht von Seltenheiten / reicht nicht an die vollkommenheiten / die man bey der Comtessin findt / 20 weil selbe unvergleich­lich sind.

Nach Bressand ließ sich nun sogar der ebenfalls anwesende Gottfried ­Wilhelm Leibniz zu spontanen Reimen hinreißen: Es schiene / als ob die herum stehenden lorbeerbäume lauter Poetische Einflüße ertheilen wolten; maßen ein anderer mit an der Tafel sich befindender / nicht weniger wegen seiner höheren und ernsthafteren Wissenschaften / als auch wegen dieser artig=und zier­lichen Sinnbelustigungen / berühmter vortreff­licher geist / augenblick­lich darauf diese galante und wolgegebene Französische verse verfertigte.

18 Bressand, Friedrich Christian: Salzthalischer Mäyen=Schluß (1694), Faksimile, hg. von Thomas Scheliga, Berlin 1994, Lr. 19 Ebd., Lr. 20 Ebd., Lv.

258 Carsten Niemann A Madame la Comtesse de Königs­marck. Madame, il nous falloit votre justesse, pour marquer comme il faut les charmes de ce lieu. Pour inventer il faut un Dieu, 21 et pour louer une Deesse. (Madame, wir bedürften Ihrer Treffsicherheit um dem Charme dieses Ortes gerecht zu werden. Um ihn zu erschaffen, bedarf es eines Gottes und um ihn zu preisen, einer Göttin.)

Das Lob der Herzogin mündet also letzt­lich in ein Lob Auroras! Wie schon zuvor in Hannover war es ihr gelungen, einen galanten Ton in die panegyrischen Feier­lichkeiten einzubringen und sich zumindest in der Festbeschreibung auch selbst zu verewigen. Doch damit nicht genug: Am zweiten Tag wurde Pierre Corneilles Schauspiel Sertorius in deutscher Übersetzung von adligen Darstellern aufgeführt. Bressand wiederum verfertigte französische Gedichte auf die Darsteller in ihren Rollen. Mit dabei war Aurora in der Rolle des Viriate – und kam so wiederum zu einem Gedicht im „Mäyen-Schluß“. Es heißt dort über sie in dieser Rolle: Mon cœur enflé d’un noble orgueil Dédaigne l’amoureux empire; Qu’une autre y fléchisse et soupire, Je fuis ce dangereux écueil, Et c’est à la grandeur que ma tendresse aspire. Si vous blamez mon trop d’indifférence, Je blameray votre foible à mon tour. Les affaires d’amour sont trop de consequence Il y faut penser plus d’un jour, Et j’aurois plus d’amour Si j’avois moins de prevoyance.22

21 Ebd., Lv. 22 Ebd., M 2v.

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(Mein Herz, von noblem Stolz gebläht verachtet das Reich der Liebe. Ein anderer beuge sich und seufze, ich fliehe jenes gefähr­liche Riff und meine Zärt­lichkeit trachtet nach Großartigkeit. Wenn ihr meine Gleichgültigkeit tadelt tadle ich wiederum eure Schwäche. Die Geschäfte der Liebe haben zu wichtige Folgen, man muss mehr als einen Tag darüber sinnen, Und ich hätte mehr Liebe wenn ich weniger Vorsicht besäße.)

Das Bild, das hier von Aurora in der Verkleidung des Viriates gezeichnet wird, gleicht in vielem auffallend ihrem Alter Ego in der Oper Echo und Narcissus. Und im Lichte der verschiedenen mög­lichen Verbindungen, die sich Aurora kurz vor dem Beginn der Liaison mit August dem Starken anboten, liest sie sich gar wie eine programmatische Erklärung. Für den dritten Tag der Feier­lichkeiten sind Ballette mit Gesangseinlagen geplant, die wegen des schlechten Wetters zwar verkürzt, später jedoch vollständig nachgeholt werden und so auch gedruckt in der idealisierten Darstellung des Fests erscheinen. Wir begegnen Aurora hier in ganzen fünf der zwölf Entrée genannten Auftritte und zwar in der Rolle einer als Schäferin verkleideten Tänzerin, als Sängerin und – bei einem gemeinsamen Auftritt mit der Äbtissin von Gandersheim und Prinz August Wilhelm – als Gitarre spielende Tänzerin. Und weil Bressand auf die Teilnehmer der Ballette Gedichte verfasste, erfährt Aurora abermals eine poetische Würdigung im „Saltzthalischen Mäyen-Schluß“: Uber die Frl. Gräfin Aurora von Königs­marck. Daß die Göttinnen offt seind Schäferinnen worden / ist in den Fabeln wol bekandt; doch gleichwol traten sie niemals in solchen Orden/ als wenn sie fühlten Liebes-brand. Ein wunder­licher Schluß / der hier nicht an wil gehen:

260 Carsten Niemann Aurora läst sich hier zwar bey den Nymfen sehen / 23 wo aber bleibt ihr Cephalus? 

Mit dieser Anspielung auf den griechischen Mythos, demzufolge sich die Göttin der Morgenröte in Cephalus verliebte und ihn zu sich entführte, schließt die Reihe der Erwähnungen Maria Auroras in dem Festbericht. Was Maria Aurora in ihrem Bericht vom Hannoveraner Karneval selbst tut, das übernimmt im „Salzthalischen Mayen-Schluß“ Bressand für sie: In beiden Texten ist ihr, die sie keinesfalls zu den ranghöchsten Adligen gehört, doch ein zentraler Platz in der Festbeschreibung eingeräumt. In ihrem eigenen Bericht ist es ihr Ton als Beobachterin, in Bressands Bericht ihre inspirierende Spontaneität, die ein modernes galantes Moment in die Festdarstellung bringt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Leistung als Grund für ihre prominente Hervorhebung innerhalb des Berichts ausreicht. War sie mit ihrem Geist und ihrer Schönheit prominent genug, um einem derartigen Ereignis zusätz­lichen Glanz zu verleihen? Oder ist Ihre Hervorhebung eine Spitze Anton Ulrichs gegenüber den Hannoveraner Vettern? Wahrschein­lich dürfte es sich um eine Mischung aus beiden Motivationen handeln. Doch auch dann bleibt eine Frage noch zu klären. Sie lautet: Wo aber ist Dein Cephalus? Ein Teil einer mög­lichen Antwort erscheint noch 1694 auf der Braunschweiger Opernbühne: Es ist die Oper Procris und Cephalus, deren Musik Reinhard Keiser zugeschrieben wird und deren Textbuch von Bressand stammt. Hier tritt die Göttin der Morgenröte nicht nur als Metapher auf, sondern erscheint leibhaftig am Theaterhimmel, um Cephalus aus den Armen seiner getreuen Gattin Procris zu entführen. Die Entführung und Auroras anschließende Verführungskünste bleiben ohne Erfolg: Cephalus und Procris sind sich treu. Sie bleiben es auch nach dem Tode von Procris, die von ihrem Cephalus versehent­ lich mit einem Pfeil getötet wird. Aurora verzichtet auf Rache und errichtet Procris ein prächtiges Grabmal. Als der verwitwete Anton Ulrich 1711 anläss­lich seines Besuchs mit dem Zarensohn Alexei in Quedlinburg mit Maria Aurora korrespondiert, schreibt er folgende Zeilen:

23 Ebd., O ij v.

An den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel 261

In Ihrem angenehmen Schreiben maßen Sie mir so viel zu, das mich ganz hoffärtig sollte machen, wenn ich nicht Cephalus wäre; doch will ich mich bemühen, in der neuen Octavia zu zeigen, daß es an dem Willen nicht fehlet, solch ein Lob zu verdienen, als 24 mir Auroren aus angeborener Leutseligkeit beilegen wollen.

Auch sieben Jahre nach dem Tod seiner Gattin, die 1704 starb, bedient sich der Herzog des Mythos’ von Aurora, um seine platonische Beziehung zu der Gräfin zu zelebrieren. Wie ernst es mit dieser mythologischen Maskerade war, muss offen bleiben, denn nur wenige Monate später, im September 1711, wollte der sächsische Marschall Henning erfahren haben, dass sich der Herzog nun mit Maria Aurora vermählen werde.25 Ob Anton Ulrich Maria Aurora tatsäch­ lich ein Heiratsangebot gemacht hat, das ihr immerhin für die Zukunft eine finanzielle Absicherung geboten hätte, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Wie wir wissen, zog Maria Aurora es vor, weiterhin um den Titel einer Äbtissin von Quedlinburg zu streiten. Das freundschaft­liche Verhältnis zu Anton Ulrich blieb ungetrübt: Ihre von gleichberechtigtem, geistvollen Austausch und persön­licher Zuneigung geprägte Beziehung dürfte zu den erfüllenderen in Maria Auroras Leben gehört haben.

24 Zit. nach Cramer, wie Anm. 10, Bd. 2, S. 79. 25 Burg, wie Anm. 3, S. 260.

TERESA SCHRÖDER-STAPPER

Maria Aurora von Königs­marck als Pröpstin des Stiftes Quedlinburg oder Darf eine Mätresse Äbtissin werden? Die Sonderausstellung „Die Ideale Frau“ im Quedlinburger Schlossmuseum stellt den Besuchern die „dramatische“ Geschichte des Stiftes im 18. Jahrhundert anhand der Biographie dreier Frauen vor.1 Hierbei handelt es sich um die beiden letzten Äbtissinnen, Anna Amalie von Preußen und Sophia Albertina von Schweden, sowie um Maria Aurora von Königs­marck, deren Antlitz darüber hinaus den kurzen Museumsführer schmückt. Sowohl die Darstellung als auch die Informationstafeln greifen – wenn auch mit einigen Korrekturen – das in der älteren Forschung weit verbreitete Bild der Gräfin Königs­marck als erwählter Coadjutorin sowie stellvertretender Leiterin des Stiftes während der langjährigen Vakanz auf und räumen ihr somit eine wichtige Rolle in der Geschichte des Stiftes ein.2 Im Folgenden wird die Rolle Maria Auroras in der Quedlinburger Stiftsgeschichte kritisch hinterfragt. Hierzu werden zwei Aspekte herausgegriffen: Die Aufnahme Maria Auroras in das Stift und ihre Zeit als Pröpstin. Verschiedene neuere Beiträge haben sich bereits ausführ­lich dem Weg Maria Auroras nach Sachsen gewidmet.3 Daher sei hier nur kurz rekapituliert, dass 1 Zitat: Frontcover des Ausstellungsflyers: Die ideale Frau. Ausstellung im Schlossmuseum zu Quedlinburg im Rahmen der Landesinitiative „Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert“, hg. v. Städtische Museen Quedlinburg, Quedlinburg [2008]. 2 Vgl. ebd., S. 8 – 11. 3 Vgl. in diesem Band die Beiträge von Krauss-Meyl, Sylvia (ab Seite 31), und Giermann, Ralf (ab Seite 183); darüber hinaus: Krauss-Meyl, Sylvia: „Die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte“. Maria Aurora von Königs­marck, Regensburg 2002; Mai, Monika: „…ich fange nachgerade an einzusehen, daß es meine Bestimmung ist, Aebtissin zu werden.“ Maria Aurora von Königs­marck, des Kayser­lich Freiwelt­lichen Stiftes zu Quedlinburg Pröpstin, in: Weiss, Thomas (Hg.): Frauen im 18. Jahrhundert. Entdeckungen zu Lebensbildern in Museen und Archiven in Sachsen-Anhalt, Halle 2009, S.  231 – 240; Fiedler, Beate-Christine: Maria Aurora von Königs­marck, die schwedische Gräfin aus Stade, in: Stader Jahrbuch 81/82 (1991/92), S. 138 – 153. Das Leben Maria Auroras, die von Voltaire neben ­Katharina II. zur „berühmtesten Frau zweier Jahrhunderte“ gekürt worden war, ebenso wie das ihres Bruders, des vermeint­lichen Liebhabers der Prinzessin von Ahlden, erfreuten sich immer wieder der Beliebtheit der

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die Gräfin Königs­marck nach dem plötz­lichen Verschwinden ihres Bruders Philipp Christoph im Juli 1694 Unterstützung bei dessen letztem Dienstherrn, dem sächsischen Kurfürsten, gesucht hatte. In Dresden gewann sie bald seine Gunst und im Herbst 1694 ernannte August der Starke sie dann zu seiner ersten Maitresse en titre. Sein Interesse hielt jedoch nicht lange an. Insgesamt währte die Beziehung nur wenige Monate. Zum Zeitpunkt der Geburt des gemeinsamen Sohnes, Graf Moritz von Sachsen,4 im Oktober 1696 war das Verhältnis bereits endgültig beendet.5 Schon vor ihrer Zeit als Mätresse des sächsischen Kurfürsten hielt sich Maria Aurora von Königs­marck spätestens seit 1693 wiederholt im Stift Quedlinburg auf, besuchte dort die regierende Äbtissin, Anna Dorothea von Sachsen-­Weimar,6 und ersuchte vergeb­lich um Aufnahme als Kanonissin. Sie scheiterte am Widerstand der Kapitularinnen.7 Im Frühjahr 1696 verabredeten die Äbtissin und August der Starke in seiner Funktion als Schutzherr des Stiftes bei einem Treffen auf der Leipziger Messe die Wahl einer Coadjutorin. Laut Aussage Augusts war es Anna Dorothea, die Maria Aurora umb ihrer guten Verstanden und mehr Biographen. Problematisch ist der Aussagewert der Lebensbeschreibungen aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, deren Quellengrundlage auch aufgrund der geografischen Streuung der Überlieferung von Stockholm über Kopenhagen, Hamburg, Wolfenbüttel, Magdeburg bis nach Dresden nur schwer zu rekonstruieren ist. Vgl. Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora von Königs­mark, 2 Bde., Leipzig 1836; Mörner, Graf Birger: Maria Aurora von Königs­marck. Eine Chronik, München 1922; Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck. Ein bewegtes Frauenleben um die Wende des 17. Jahrhunderts, Berlin 1930. Sie enthalten Abschriften von Briefen und Schriftstücken, bleiben genaue Quellenangaben jedoch schuldig. Trotzdem dienten sie als Referenz aller nachfolgenden Arbeiten. 4 Reichel, Edward: Moritz von Sachsen: Ein aristokratischer Abenteurer als Marschall von Frankreich, in: Dresdner Hefte 28 (2010), S. 41 – 50; Treffer, Gerd: Moritz von Sachsen: Marschall von Frankreich, Regensburg 2005; Stephan, Bärbel: „Nach Geburt ein Teutscher, im Handeln und Denken aber Franzos“: Graf Moritz von Sachsen, Maréchal de France, geboren am 28. Oktober 1696 in Goslar, verstorben am 30. November 1750 auf Schloß Chambord. Eine Betrachtung, in: Dresdner Hefte 14 (1996), S. 19 – 28. 5 Mai, wie Anm. 3, S. 235; Mörner, wie Anm. 3, S. 269 – 305; Burg, wie Anm. 3, S. 123 – 158. 6 Mörner, wie Anm. 3, S. 213. Mörner hat in seiner Chronik zwei Briefe der Gräfin aus Quedlinburg abgedruckt, die auf den 26. November und 20. Dezember 1693 datiert sind; vgl. ebd. S. 219 – 221, 222 – 224. 7 Vgl. ein Schreiben des dänischen Gesandten von Meuchen am Hof zu Dresden an den dänischen Großkanzler von Reventlow, in dem er Nachrichten der Gräfin von Königs­marck über den Stand ihrer Aufnahmebemühungen in Quedlinburg weiterleitete (29. November 1695), abgedruckt in: Mörner, wie Anm. 3, S. 322 f.

Darf eine Mätresse Äbtissin werden? 265

an sich habenden Tugenden für ihre Nachfolge vorschlug.8 Da ihm eine solch kostengünstige Versorgung seiner soeben verlassenen Mätresse vermut­lich nur recht sein konnte, unterstützte der sächsische Kurfürst sowohl auf diploma­ tischem Weg als auch in persön­lichen Schreiben an die Äbtissin, das Kapitel und den Kaiser die Wahl Maria Auroras zur Coadjutorin des Quedlinburger Stifts.9 Bei den kaiser­lich frei-welt­lichen Damenstiften, zu denen Quedlinburg zählte, handelt es sich um geist­liche Fürstentümer. Die Äbtissin an ihrer Spitze war gleichermaßen geist­liche und welt­liche Obrigkeit über das oftmals nur wenige Quadratkilometer große Stiftsterritorium.10 Wie in den verschiedenen katholischen und wenigen evangelischen geist­lichen Fürstentümern musste die Wiederbesetzung des Äbtissinnenamtes in Quedlinburg durch Wahl erfolgen. Sowohl passives wie aktives Wahlrecht hatten theoretisch allein die Mitglieder

8 Friedrich August I. von Sachsen an Anna Dorothea von Sachsen-Weimar (4. Juni 1696): Dresden Sächsisches Hauptstaatsarchiv (SHS tA) Geheimes Kabinett Loc. 2093/160, fol. 3r–v. Friedrich August entsandte 1697 eigens Kommissare nach Quedlinburg, die neben den verschiedenen anderen Streitpunkten im innerstiftischen Konflikt auch die Wahl der Gräfin von Königs­marck bewerkstelligen sollten. Vgl. Dresden SHStA Geheimes Kabinett Loc. 2982/1. 9 Siehe das Schreiben des Kurfürsten an die Äbtissin und das Kapitel (3. Juni 1696): Dresden SHStA Geheimer Rat Loc. 8970/10. Beim Kaiser intervenierte Friedrich August I. wegen der vom Kapitel eingebrachten Einwände gegen die Gräfin von Königs­marck und suchte diese zu zerstreuen: Projekt Friedrich August I. an Kaiser Leopold I. (o. D.): Dresden SHStA Geheimer Rat Loc. 8970/10. 10 Zu den kaiser­lich frei-welt­lichen Damenstiften in der Frühen Neuzeit vgl. (demnächst) die Dissertation von Schröder-Stapper, Teresa: Fürstäbtissinnen. Frühneuzeit­liche Stiftsherrschaften zwischen Verwandtschaft, Lokalgewalten und Reichsverband (erscheint im Frühjahr 2015), die sich ausdrück­lich mit der Rolle der Äbtissinnen als Herrschaftsträgerinnen beschäftigt; darüber hinaus: Küppers-Braun, Ute: Frauen des hohen Adels im kaiser­lich-freiwelt­lichen Damenstift Essen (1605 – 1803). Eine verfassungs- und sozialgeschicht­liche Studie. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Stifte Thorn, Elten, Vreden und St. Ursula in Köln (Quellen und Studien. Veröffent­lichungen des Instituts für kirchengeschicht­liche Forschung des Bistums Essen 8), Münster 1997; Dies.: Macht in Frauenhand. 1.000 Jahre Herrschaft Adeliger Frauen in Essen, Essen 2002; Schröder, Teresa: Zwischen Chorgesang und Kartenspiel – Lebensführung und Herrschaftspraxis in Kloster und Stift, in: Čapská, Veronika u. a. (Hg.): Zwischen Aufbruch und Ungewissheit. Klöster­liche und welt­liche Frauengemeinschaften in Zentraleuropa im „langen“ 18. Jahrhundert, Opava 2012, S. 267 – 295; speziell zu Quedlinburg vgl.: Bley, Clemens (Hg.): Kayser­lich – frey – welt­lich. Das Reichsstift Quedlinburg im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (Studien zur Landesgeschichte 21), Halle 2009.

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des Kapitels, es wurden aber immer wieder auch Frauen extra gremio gewählt.11 Recht­liche Grundlage für die Ausübung des freien Wahlrechtes war neben Gründungsurkunde, Statuten, Verträgen und Wahlkapitulationen auch nach der Reformation das kanonische Recht. Unter der Coadjutorie verstand man in der vormodernen Reichskirche die vorzeitige Wahl eines Nachfolgers bzw. einer Nachfolgerin noch zu Lebzeiten des geist­lichen Kurfürsten, Bischofs, Abtes oder der Äbtissin, der oder die dann unter Wahrung der Rechte des Kapitels 12 schon bald nach dem Tod des Vorgängers bzw. der Vorgängerin das Amt und die Regierung antreten konnte. Der Tod eines geist­lichen Fürsten oder einer geist­lichen Fürstin gefährdete den Bestand des Fürstentums nicht weniger als der Tod eines welt­lichen Fürsten, der keinen oder nur einen minderjährigen Erben hinterließ. Zwar sprang in den geist­lichen Staaten zunächst einmal das Kapitel in seiner Funktion als Mitregent stellvertretend ein, interne Streitigkeiten, mangelnde Regierungspraxis und fehlende Rechtskenntnisse der Kapitularinnen erschwerten jedoch nicht selten die reibungslose Fortführung von Regierung und Administration. Versuche, von außen Einfluss auf das Kapitel zu nehmen, konnten dieses Problem noch verschärfen. Während in Erbfürstentümern der Unsicherheit eines minderjährigen oder schlimmstenfalls keines Erben durch Erbschaftsverträge und die Mög­lichkeit der mütter­lichen

11 Dies galt beispielsweise für die Herforder Äbtissin Johanna Charlotte von Brandenburg-Schwedt (1682 – 1750), deren Wahl langjährige Verhandlungen mit den Kapitularen und Kapitularinnen sowie materielle Zusicherungen vorausgegangen waren. 12 Neben dem Anrecht auf stellvertretende Regierung, während der Vorsitz vakant war, gehörte auch der Einzug der abtei­lichen Einkünfte sowie die Versorgung und Unterbringung auf der Abtei während der Vakanz zu den Rechten des Kapitels, welche man sich auch für den Fall sicherte, dass eine Nachfolgerin bereits feststand und ohne viel Zeitverlust das Amt antreten konnte. Die Kapitulare und Kanonissin des Herforder Stifts ließen sich daher bei Wahl einer Coadjutorin ihre Rechte sedis vacante noch vor der Wahl schrift­lich zusichern. Vgl. z. B. den Revers der späteren Herforder Äbtissin Elisabeth Albertine von Anhalt, mit welchem das Herforder Kapitel nicht nur einen Präzedenzfall zu verhindern suchte, um so die freie Wahl zu sichern, sondern auch eine Entschädigungssumme für das ausbleibende Interregnum aushandelte (o. D. [1679/80]): Münster Landesarchiv NRW Abt. Westfalen (LAV NRW Abt. W) Fürstabtei Herford Akten Nr. 1121. Nach der Wahl Elisabeth Albertines von Anhalt zur Coadjutorin ließen sich die Herforder Kapitulare und Kapitularinnen bei jeder weiteren Coadjutorin-Wahl die freie Wahl sowie eine Entschädigung für ihre Jurae interregnae bzw. deren Wahrung verbriefen. Vgl. die Wahl von Elisabeth von Hessen (1686), Sophie Dorothee in Preußen (1729) und Hedwig Sophie Auguste von Schleswig-Holstein (1745).

Darf eine Mätresse Äbtissin werden? 267

Regentschaft entgegengewirkt wurde,13 griff man in geist­lichen Fürstentümern auf das Instrument der Coadjutorie zurück, um so die fehlende Kontinuität an der Spitze auszugleichen. Die Coadjutorie diente den mächtigen Dynastien in der Frühen Neuzeit nicht selten dazu, in den verfassungsrecht­lich fixierten Wahlfürstentümern sogenannte Sekundogenituren einzurichten, um diese Fürstentümer auf längere Sicht für ihre Dynastie als Versorgungs-, aber auch Herrschaftsbastionen zu sichern.14 Im Stift Quedlinburg kam das Instrument der Coadjutorie im 17. und 18. Jahrhundert regelmäßig zum Einsatz. Oft schlugen die Familien ihre Töchter durch Recommendations-Schreiben bei der regierenden Äbtissin vor, um ihnen das lukrativste und prestigeträchtigste Amt im Stift noch vor deren Tod zu sichern. Nicht selten erfolgten solche Empfehlungsschreiben auch durch den Schutzherrn des Stifts, der ein starkes, oft ebenfalls dynastisches Interesse an den Coadjutorin-­Wahlen hatte. Darüber hinaus waren es immer wieder

13 Vgl. zu Erbschaftsverträgen: Kunisch, Johannes: Hausgesetzgebung und Mächtesystem. Zur Einbeziehung hausvertrag­licher Erbfolgeregelungen in die Staatenpolitik des Ancien Régime, in: Kunisch, Johannes (Hg.): Der dynastische Fürstenstaat. Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen für die Entstehung des frühmodernen Staates, Berlin 1982, S. 49 – 80; vgl. zur Regentschaft: Kägler, Britta: Weib­liche Regentschaft in Krisenzeiten: Zur Interimsregierung der bayrischen Kurfürstin Therese Kunigunde (1704/05), in: zeitenblicke 8, 2, [30.06.2009], URL: http://www.zeitenblicke.de/2009/2/ kaegler/index_html, URN : urn:nbn:de:0009 – 9 – 19660 (3.1.2011); Puppel, Pauline: Die Regentin. Vormundschaft­liche Herrschaft in Hessen 1500 – 1700 (Geschichte und Geschlechter 43), Frankfurt a. M. u. a. 2004; Jurewitz-Freischmidt, Sylvia: Herrinnen des Louvre. Frankreichs Regentinnen Maria de’ Medici und Anne d’ Autriche, Gernsbach 2005; Hartmann, Anja V.: Zwischen Geschlechterordnung und politischer Ordnung: Herrscherinnen und Regentinnen in der Frühen Neuzeit, in: Asch, Ronald G. u. a. (Hg.): Die frühneuzeit­liche Monarchie und ihr Erbe. Festschrift für Heinz Duchhardt zum 60. Geburtstag, Münster 2003, S. 135 – 152. 14 Vgl. zur Coadjutorie allgemein: Reinhardt, Rudolf: Kontinuität und Diskontinuität. Zum Problem der Koadjutorie mit dem Recht der Nachfolge in der neuzeit­lichen Germania Sacra, in: Kunisch, Johannes (Hg.): Der dynastische Fürstenstaat. Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen für die Entstehung des frühmodernen Staates, Berlin 1982, S. 115 – 155; zur bayrischen Reichskirchenpolitik: Schmidt, Andreas: Vom Bayrischen Hof zum Heiligen Geist. Die Propstwahlen der Frühneuzeit im gefürsteten Stift Berchtesgaden, in: Brandt, Hartwin u. a. (Hg.): Genealogisches Bewusstsein als Legitimation. Inter- und intragenerationelle Auseinandersetzungen sowie die Bedeutung von Verwandtschaft bei Amtswechseln (Bamberger historische Studien 4), Bamberg 2009, S.  251 – 284; Weitlauff, Manfred: Die bayerischen Wittelsbacher in der Reichskirche, in: Römische Quartalschrift 87 (1992), S. 306 – 326.

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die Äbtissinnen selbst, die beispielsweise weib­liche Familienmitglieder als ­Coadjutorin protegierten. Während die Initiative zur Wahl einer Coadjutorin von der Äbtissin in Verbindung mit den Herkunftsfamilien oder dem Schutzherrn ausging, war diese jedoch von der Zustimmung des Kapitels abhängig. Denn nicht nur in ihrem Ablauf, sondern auch recht­lich entsprach die Wahl einer Coadjutorin der vorweggenommenen Neuwahl einer Äbtissin und stand somit nach kanonischem Recht allein dem Kapitel zu. Die Äbtissin konnte ledig­lich den Wunsch zur Annahme einer Coadjutorin äußern, eine geeignete Person vorschlagen und nach Zustimmung des Kapitels einen Wahltermin ansetzen. Sie selbst war nicht stimmberechtigt. Die amtierende Äbtissin Anna Dorothea hatte jedoch 1696 das Quedlinburger Kapitel in den Entscheidungsprozess um die Wahl einer Coadjutorin nicht mit einbezogen. Unter den Kapitularinnen fand das oktroyierte Vorhaben ebenso wie die auserkorene Kandidatin Maria Aurora von Königs­marck wenig Zustimmung. Sie hatten sich längst darauf verständigt, dass die vorzeitige Wahl einer Nachfolgerin weder vorteilhaft noch erforder­lich war.15 Vielmehr beklagten sie den autocrativé und eigenmächtig[en] Regierungsstil der Äbtissin, die das Kapitel wie schon so oft, von denen wichtigsten Stiftischen Angelegenheiten, wozu sonst dasselbe von Rechts und Herkommens, auch obliegender Pf­licht wegen, mit Raht und einwilligung gehöret, außgeschloßen, die Capitularinnen vor bloße auffwärterinnen der Frau Abtißin, ja fast vor dero Sclavinen geachtet habe.16 Hier spiegelt sich der bereits seit längerem schwelende innerstiftische Gegensatz zwischen Äbtissin und Kapitel wieder. Es ging dabei um die Verteilung von Macht und Herrschaftsrechten innerhalb des Stiftes. Angesichts dieser Ausgangslage war mit einem Konsens zwischen Äbtissin und Kapitularinnen in der Frage der Coadjutorie kaum zu rechnen. Daher wandten sich sowohl August der Starke als auch Maria Aurora von Königs­ marck an Kaiser Leopold I. mit der Bitte um Unterstützung für das Wahlgeschäft. Der Kaiser setzte sich daraufhin beim Kapitel für Maria Aurora ein und forderte die Kapitularinnen auf, nicht nur ihrer eigenen qualitäten halber, sondern von Unsertwegen solche reflexion [zu] machen, damit Sie [die Gräfin Königs­marck, Anm. d. Verf.] einhellig­lich von Euch zur Coadjutoricin bey

15 Vgl. das Kapitel an Kaiser Leopold I. (28. Mai 1697): Wien Österreichisches Staats­archiv Haus-, Hof- und Staatsarchiv (ÖS tA HHS tA) Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4, fol.  182r–184v. 16 Ebd.; Kapitel an Kaiserin Eleonore von Pfalz-Neuburg (1. Juni 1697): Wien ÖStA HHStA Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4, fol. 186r–188v.

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Eurem Stifft erwehlet werden.17 Die Kapitularinnen protestierten gegen diesen Vorschlag. Gegen Maria Aurora spräche nicht nur ihr Status als außländische Person,18 sondern auch ihre zweifelhafte Integrität und Befähigung für das Amt der Äbtissin. Wurden diese Einwände gegenüber dem Kaiser noch vorsichtig formuliert, nahmen die Kapitularinnen gegenüber der Kaiserin kein Blatt mehr vor den Mund und beklagten unverhohlen den schlechten Lebenswandel, die mangelnde Gottesfurcht, die fehlende Tugendhaftigkeit und den niedrigen ständischen Rang Maria Auroras. Sie erklärten der Kaiserin, dass eine solche Wahl nicht nur unserm glorwürdigsten Fundatori, deßen Kayser­lichen Princeßin die erste Abbatissin dieses Stiffts gewesen, zu wenigen respect, sondern auch zu Ewrer Kayser­lichen Majestät selbst, alß dero durchlauchtigsten Frauen Mutter leib­liche Frau Schwester erst so neu­lich diese Abtey­liche Würde bekleidet hat, zu schlechten Wohlgefallen gereichen würde, wenn Ihr itzo eine solche Person succediren, und gleicher Dignität fähig geachtet werden solte.19 Die Quedlinburger Kapitularinnen empfanden nicht nur die Herkunft Maria Auroras als Makel, ihnen war auch die Verbindung zu August von Sachsen sowie deren Folgen nicht verborgen geblieben. Wie war die Vergangenheit der Gräfin Königs­marck mit den Erwartungen zu vereinbaren, die an eine künftige Äbtissin gestellt wurden?

17 Kaiser Leopold an das Quedlinburger Kapitel (3. November 1696): Wien ÖStA HHStA Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4, fol. 180r–v (Abschrift). 18 Kapitel an Kaiserin Eleonore von Pfalz-Neuburg (1. Juni 1697): Wien ÖS tA HHS tA Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4, fol. 186r–188v. 19 Ebd. Angespielt wird hier auf Äbtissin Anna Sophia von Hessen-Darmstadt, deren Schwester nach ihrer heim­lichen Konversion zum Katholizismus Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg geheiratet hatte, die Eltern der späteren Kaiserin Eleonore. Anna Sophia hatte bereits in jugend­lichem Alter ein Andachtsbuch unter dem Titel Der treue Seelenfreund Christus Jesus verfasst, das zum einen Zeugnis ihrer tiefen Religiosität und Bildung ist, zum anderen aber auch bereits die Affinität der Verfasserin zum Gedankengut verschiedener geist­lich-religiöser Strömungen offenbart. Es finden sich sowohl klassische Anleihen aus der lutherischen Theologie, mystische Elemente, früh-pietistisches Gedankengut als auch Ideen, die eher der katholischen Lehre entsprechen. Die Nähe zum Katholizismus, nicht zuletzt vermittelt durch ihre Schwester, führte 1661 zur Beinahe-Konversion der Landgräfin, mittlerweile Pröpstin des Quedlinburger Stifts, die in letzter Minute vor allem von ihren kursächsischen Verwandten verhindert wurde. Vgl. Schröder, Teresa: Integration stiftischer Lebensweise in lutherische Glaubens­ praxis. Das Beispiel der Andachtsschrift Anna Sophias von Hessen-Darmstadt, in: Küppers-Braun, Ute u. a. (Hg.): Katholisch, lutherisch, calvinistisch. Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung (Essener Forschungen zum Frauenstift 8), Essen 2010, S.  87 – 110.

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Jede Kandidatin, die um Aufnahme in eines der kaiser­lich frei-welt­lichen Damenstifte bat, musste bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dies galt insbesondere für die Amtsträgerinnen und vor allem für die Äbtissin an der Spitze des Stifts. Neben den formellen Voraussetzungen, wie hochadlige, reichsständische Abstammung, konfessionelle Zugehörigkeit und ein bestimmtes Alter,20 legte man viel Wert auf einen tugendsamen Lebenswandel. Beredtes Zeugnis hierüber legen die Recommendations-Schreiben ab, die in den drei norddeutschen Stiften Quedlinburg, Herford und Thorn im Vorfeld von Wahlen eingingen. Der Kurfürst von Brandenburg bescheinigte seiner Nichte, der nachmaligen Herforder Äbtissin Charlotte Sophie von Kurland, beispielsweise, dass bei ihr alle vorangeregte und andere zu dieser Abtey­lichen Würde erforderte hohe qualiteten vollkömb­lich sich befinden.21 Anna Dorothea von Sachsen-Weimar lobte bei einem späteren Versuch, eine Coadjutorin zu wählen, gegenüber dem Kapitel die bekandte[...] Pietät und andere [...] Hochfürst­liche Tugenden der Kandidatin.22 Die spätere Quedlinburger Äbtissin, Maria Elisabeth von Holstein-­ Gottorf, wurde dem Kapitel aufgrund ihres sehr gütigen und frommen naturel sowie ihrer fürst­lichen Tugenden und qualitäten empfohlen.23 Pfalzgraf Karl Philipp von Neuburg empfahl dem Kapitel des Stiftes Thorn seine Verwandte Franziska Christina von Pfalz-Sulzbach als Äbtissin, weil dieselbe mit denen hierzu Erforder­lichen Vortreff­lichen aigenschafften undt statt­lichen gemüthsgaben sattsams versehen sei.24

20 Das kanonische Recht schrieb ein Alter von 30 Jahren vor. Sowohl Hans Goetting als auch Bernhard Theil haben dieses Alter für die Äbtissinnen der Stifte Gandersheim und Buchau festgestellt. Vgl. Goetting, Hans: Das Reichsunmittelbare Kanonissenstift Gandersheim (Germania Sacra, Neue Folge, 7: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz: Das Bistum Hildesheim, Bd. 1), Berlin/New York 1973, S. 156; Theil, Bernhard: Das (freiwelt­liche) Damenstift Buchau am Federsee (Germania Sacra, Neue Folge, 32: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz: Bistum Konstanz, Bd. 4), Berlin/New York 1994, S. 96. 21 Friedrich Wilhelm an die Fräulein von Nassau und Holstein (18. April 1688): Münster LAV NRW Abt. W Fürstabtei Herford Nr. 1211. 22 Protokoll über das Treffen der Äbtissin mit dem Kapitel (20. Mai 1704): Magdeburg Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHASA) Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 3br–3er. 23 Recommendations-Schreiben Christian Augusts von Holstein-Gottorf für seine Schwester an das Quedlinburger Kapitel (1. Juli 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 366r–367r. 24 Karl Philipp von Pfalz-Neuburg an das Kapitel zu Thorn (2. Februar 1717): Düsseldorf LAV NRW Abt. Rheinland (R) Stift Essen Akten Nr. 40.

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Auf einem zeitgenössischen Portrait Maria Auroras strahlt diese jedoch weniger Tugendhaftigkeit und einen sittsamen Lebenswandel als vielmehr Koketterie und Lebensfreude aus (Abb. 8). Sie ist in einer tief dekolletierten, aufwändigen Robe mit Halskrause und Puffärmeln dargestellt,25 auf der einen Hand vermut­lich eine Blaudrossel sitzend, die ikonographisch sowohl für die Liebe als auch die Einsamkeit des Dichters stand, in der anderen zwei Kirschen haltend, die sowohl als Zeichen für Schönheit als auch für Sinn­lichkeit und Leidenschaft galten.26 Weder ihre Stellung als Maitresse en titre, noch die ‚heim­ liche‘ Geburt ihres Sohnes waren der reichsständischen Öffent­lichkeit verborgen geblieben. Selbst im fernen Versailles soll sich Liselotte von der Pfalz über solche unverschämten Sachen empört haben.27 Konnte aber eine Mätresse, die noch dazu Mutter eines unehe­lichen Kindes war, Stiftsdame oder gar Äbtissin eines kaiser­lich frei-welt­lichen Damenstiftes werden? Anders als in Frauenklöstern legten weder die Stiftsdamen bei ihrer Aufnahme, noch die Äbtissin bei ihrer Wahl ein Keuschheitsgelübde ab. Vielmehr war der Aufenthalt in einem kaiser­lich frei-welt­lichen Damenstift für viele Stiftsdamen nicht mehr als eine Durchgangsstation, bevor sie heirateten. Selbst die erwählten, vom Kaiser und – im Falle des katholischen Stiftes Thorn – vom Papst bestätigten Äbtissinnen konnten das Stift wieder verlassen, um sich zu verehe­lichen, so beispielsweise Elisabeth Albertine von Anhalt-Dessau, die nach sechs Jahren an der Spitze des Herforder Stifts die Frau des Herzogs von Sachsen-­ Weißenfels-Barby wurde.28 Mit Johanna Charlotte von B ­ randenburg-Schwedt

25 Unbekannter Maler, Maria Aurora von Königs­marck im Jagdkostüm, Öl auf Leinwand um 1700, Städtisches Museum Quedlinburg / Schlossmuseum. 26 Vgl. Ikonographie der Blaudrossel: Henkel, Arthur u. a. (Hg.): Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des 16. und 17. Jahrhunderts, Stuttgart 1967, Sp. 876; Dittrich, Sigrid u. a. (Hg.): Lexikon der Tiersymbole: Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.–17. Jahrhunderts (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 22), Petersberg 2004, S. 631 sowie zu den Kirschen: Zerling, Clemens: Lexikon der Pflanzensymbolik, Baden/München 2007, S. 138 f. 27 Zitiert nach Mörner, wie Anm. 3, S. 298. 28 Vgl. Elisabeth Albertine von Anhalt-Dessau an das Herforder Kapitel (29. März 1686), Bekanntgabe ihrer Resignation: Münster LAV NRW Abt. W Fürstabtei Herford Akten Nr. 241. Die Aussage Michael von Fürstenbergs, dass selbst die evangelischen Äbtissinnen von Herford ein Versprechen zur Ehelosigkeit abgelegt hätten, muss daher korrigiert werden. Vgl. Fürstenberg, Michael Freiherr von: „Ordinaria loci“ oder „Monstrum Westphaliae“? Zur kirch­lichen Rechtsstellung der Äbtissin von Herford im europäischen Vergleich (Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte 29), Paderborn 1995, S. 128. Siehe auch die Beispiele aus dem Essener Stift bei Küppers-Braun, Frauen des hohen

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wurde in Herford sogar eine Witwe zur Äbtissin gewählt.29 Für die Dauer der Amtszeit galt jedoch in allen norddeutschen kaiser­lich frei-welt­lichen Damenstiften die Verpf­lichtung zur Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit, auch wenn diese nicht eigens beeidet wurde. Welche Konsequenzen die offenkundige Zuwendung zu einem womög­lich noch niedriger gestellten Mann haben konnte, zeigt das Beispiel der letzten Äbtissin des Stiftes Herford, Friederike Charlotte Leopoldine Louise von Brandenburg (1764 – 1802). Sie hatte unter dem Einfluss verschiedener Stiftsdiener ihr Testament zu deren Gunsten geändert. Daraufhin waren sie und ihr Vermögen durch ihren Verwandten, den preußischen König, unter Vormundschaft gestellt worden. Stiftsregierung und Haushaltung wurden durch eine eigens eingerichtete Kommission in Absprache mit der Coadjutorin verwaltet. In der Ermittlung gegen die verantwort­lichen Stiftsdiener kam ein kurzer Brief der Äbtissin zum Vorschein, in dem sie einem Lakaien ihre Liebe gestand.30 Die Aufdeckung dieser Beziehung beförderte nicht die vorzeitige Aufhebung der Kuratel, sondern lieferte vielmehr einen weiteren Vorwand, um diese aufrecht zu erhalten.31 Erst nachdem die Finanzen des Stifts durch könig­lich-preußische Kommissare geordnet,32 die Kanzlei sowie der Hofstaat neu besetzt und der Adels, wie Anm. 10, S. 103. In Quedlinburg sind zwei Fälle von Coadjutorinnen belegt, die nach ihrer Wahl das Stift verließen, um zu heiraten: Einerseits Prinzessin Dorothea von Sachsen-Altenburg, die zunächst 1628 zur Coadjutorin postuliert wurde und schließ­lich 1633 Herzog Albrecht von Sachsen-Eisenach heiratete; andererseits Prinzessin Luise Ulrike in Preußen, die 1743 zur Coadjutorin gewählt wurde, aber bereits 1744 diese Stelle wieder resignierte, um den späteren König Adolf Friedrich von Schweden zu heiraten. Vgl. Küppers-Braun, Ute: Kanonissin, Dechantin, Pröpstin und Äbtissin – Quedlinburger Stiftsdamen nach der Reformation, in: Bley, Clemens (Hg.), wie Anm. 10, S. 30 – 104, hier: S. 59, 84. 29 Vgl. Heese, Thorsten: Prunk und späte Macht. Von der Markgräfin Philipp zur Äbtissin von Herford. Ein Porträt der Johanna Charlotte von Brandenburg-Schwedt (1682 – 1750), in: Schwedter Jahreshefte 4 (2003), S. 17 – 26; Schulz, Heinrich: Johanna Charlotte Markgräfin von Brandenburg-Schwedt. Äbtissin des Reichsstifts Herford (1729 – 1750), in: Herforder Jahrbuch 1 (1960), S. 35 – 58. 30 Friederike von Brandenburg-Schwedt an ihren Mundschenk Kraft (o. D.): Berlin Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) I. HA Rep. 34 Kleve, Mark, Ravensberg, Niederlande Nr. 3115: Ich Liebe recht sehr Meinen Bedienten Kraft. Wan Er es thut so werde ich es Erwiedern. Würck­lich und jederzeit. Friederica. 31 Vgl. Heese, Thorsten: „Wenn er es thut, so werde ich es erwidern.“ Der Liebesbrief der Äbtissin Friederica, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 8 (2000), S. 201 – 207. 32 Abnahme der Stiftsrechnung durch den preußischen König (20. Mai 1799): Berlin GStA PK I. HA Rep. 34 Kleve, Mark, Ravensberg, Niederlande Nr. 3114.

Darf eine Mätresse Äbtissin werden? 273

Äbtissin ein Hofmarschall an die Seite gestellt worden waren,33 der neben der Haushaltung auch das Benehmen der Äbtissin kontrollieren sollte,34 wurde die Kuratel im Herbst 1799 wieder aufgehoben.35 Ein anderes Schicksal widerfuhr Henriette Amalie von Anhalt-Dessau.36 Nachdem ihr Verhältnis zu einem Sohn des fürst­lichen Hofjägers und Jagdzeugmeisters bekannt geworden war und die Prinzessin eben diesem einen Sohn gebar, wurde sie von ihrer Familie, deren männ­liche Mitglieder für ihre Verbindungen mit unstandesgemäßen Frauen bekannt waren,37 nach Herford

33 Vgl. Instructionen für den Regierungspräsidenten von Arnim bei Übernahme der Kuratel (9. April 1798) sowie dessen Bericht an das Kabinettsministerium (30. März 1799): Berlin GStA PK I.HA Rep. 34 Kleve, Mark, Ravensberg, Niederlande Nr. 3115 und 3114. Bestellungspatent des Baron von Bangard zum Hofmarschall der Herforder Äbtissin (3. April 1799): Berlin GStA PK I. HA Rep. 34 Kleve, Mark, Ravensberg, Niederlande Nr. 3114. 34 Vorstellung des Kabinetts an König Friedrich Wilhelm III. wegen Aufhebung der Kuratel (9. September 1799): Berlin GStA PK I. HA Rep. 34 Kleve, Mark, Ravensberg, Niederlande Nr. 3114. Darin stellen die Kabinettsminister die gute Arbeit der Kommission sowie des neuen Hofmarschalls vor, unter dessen Aufsicht Auftritte der Äbtissin, die ihre Würde verletzten, ausblieben. 35 Aufhebung der Kuratel durch Friedrich Wilhelm III. (28. September 1799): Berlin GStA PK I. HA Rep. 34 Kleve, Mark, Ravensberg, Niederlande Nr. 3114. 36 Die einzige und grundlegende Biographie von Walther Schmidt ist kürz­lich neu aufgelegt worden: Schmidt, Walther: Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau: Die Begründerin der Fürst­lichen Amalienstiftung in Dessau, Nachdruck d. Originalausg. Dessau 1937, Dessau-Roßlau 2009. Schmidt konnte auf Material im Dessauer Archiv zurückgreifen, das heute verschollen ist. Eine quellenkritische Ergänzung stellt der Beitrag von Edeltraut Dettmar und Norbert Michels im Katalog „Sammlerin und Stifterin: Henriette Amalie von Anhalt-Dessau und ihr Frankfurter Exil“ dar: Dettmar, Edeltraut/Michels, Norbert: Aus dem Leben der Henriette Amalie Prinzessin von Anhalt-Dessau. Eine zusammenfassende Biographie, in: Grosskinsky, Manfred u. a. (Hg.): Sammlerin und Stifterin: Henriette Amalie von Anhalt-Dessau und ihr Frank­ furter Exil; Haus Giersch, Museum Regionaler Kunst 22. Oktober 2002 bis 23. Februar 2003 Frankfurt am Main, Anhaltinische Gemäldegalerie Dessau 8. März bis 4. Mai 2003 Dessau, Frankfurt a. M. 2002, S. 11 – 19. 37 Ihr Vater heiratete 1698 ihre bürger­liche Mutter, eine Apothekerstochter, die 1701 vom Kaiser in den Reichsfürstenstand erhoben wurde. Ihr ältester Bruder verband sich ebenfalls in morganatischer Ehe mit einer Bürger­lichen, die gemeinsam mit ihren Kindern erst nach dem Tod ihres Mannes in den Grafenstand erhoben wurde. Vgl. Sikora, Michael: Über den Umgang mit Ungleichheit. Bewältigungsstrategien für Mesalliancen im deutschen Hochadel der Frühen Neuzeit – das Haus Anhalt als Beispiel, in: Wrede, Martin u. a. (Hg.): Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität

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verbannt. Dort wurde sie von ihrer Tante 1742 als Stiftsdame aufgenommen.38 Obwohl Henriette Amalie ihr neues Leben im Stift als Strafe empfand,39 richtete sie sich dennoch in Herford ein und strebte bald mit Hilfe des preußischen Königs eine einflussreichere Position im Stift an.40 1763 wurde sie zur Dekanissin bestellt,41 1779 gelang ihr der Aufstieg zur Coadjutorie.42 Sie erwarb später einen umfangreichen Güterbesitz in der Nähe von Frankfurt, wo ihr Sohn bei Pflegeeltern aufwuchs, und hielt sich nur noch selten im Stift auf. Durch Besitzungen und Investitionen häufte die Prinzessin mit der Zeit ein ansehn­liches Vermögen an,43 das nach ihrem Tod in die nach ihr benannte Amalienstiftung in Dessau sowie in eine eigene kleine Stiftung in Herford zum Unterhalt von Kranken und Armen überging.44 Trotz ihrer Vergangenheit wurden an Henriette des Hauses. Legitimationsmuster und Traditionsverständnis des frühneuzeit­lichen Adels in Umbruch und Krise (Veröffent­lichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Beiheft 73), Mainz 2007, S. 97 – 124; Ders.: Eine Missheirat im Hause Anhalt. Zur sozialen Praxis der ständischen Gesellschaft in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert, in: Freitag, Werner u. a. (Hg.): Die Fürsten von Anhalt. Herrschaftssymbolik, dynastische Vernunft und politische Konzepte in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Studien zur Landesgeschichte 9), Halle 2003, S. 248 – 265. 38 Instrumentum Investiturae ac respective traditiae & apprehensae possessionis (30. April 1742): Dessau Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt A 9c Nr. 13, Bl. 5 ff.; zitiert nach Heese, Thorsten: Aspekte einer Karriere. Henriette Amalie von Anhalt-Dessau und das freiwelt­ liche Damenstift zu Herford, in: Grosskinsky (Hg.), wie Anm. 36, S. 45 – 55 (S. 53, Anm. 29). 39 Vgl. den neu entdeckten Brief Henriette Amalies an ihre Schwester Leopoldine Marie, in welchem sie von Selbstmord angesichts des derartigen Gericht[s] spricht (8. Juli 1763), abgedruckt in: Grosskinsky (Hg.), wie Anm. 36, S. 285 – 286. 40 Schon kurz nach dem Tod ihrer Tante suchte sie die Unterstützung des preußischen Königs, um noch zu Lebzeiten der Dekanissin die Äbtissin und Kapitulare auf ihre künftige Wahl zu verpf­lichten: vgl. hierzu Münster LAV NRW Abt. W Fürstabtei Herford Akten Nr. 827. 41 Protokoll der Inbesitznahme (4. Februar 1764): Münster LAV NRW Abt. W Fürstabtei Herford Akten Nr. 267. 42 Eigent­lich hatte das Stift Herford zu diesem Zeitpunkt bereits eine Coadjutorin – Landgräfin Charlotte von Hessen-Kassel. Diese litt jedoch unter starken gesundheit­lichen Problemen. Henriette Amalie erreichte erneut mit der Unterstützung des preußischen Königs die Ansetzung einer Neuwahl und wurde schließ­lich unter dem Vorbehalt, dass die Landgräfin nicht wieder gesund würde, 1779 zur Coadjutorin ihrer Nichte Friederike gewählt. Vgl. zur Coadjutorin-Wahl 1779 die preußische Kommissionsakte: Münster LAV NRW Abt. W Fürstabtei Herford Akten Nr. 260. 43 Vgl. Dettmar / Michels, wie Anm. 36, S. 13 – 15. 44 Ebd., S. 19.

Darf eine Mätresse Äbtissin werden? 275

Amalie auch nach ihrem Eintritt ins Herforder Stift verschiedene Heiratsprojekte herangetragen, von denen jedoch keines zum Abschluss kam.45 Sie selbst scheint einer Zweckehe ablehnend gegenüber gestanden zu haben. Sie war vielmehr der Meinung: die Liebe sey an keinen Stand gebunden.46 Insofern bot ihr ihr Status als Stiftsdame, Dekanissin und später Coadjutorin des kaiser­lich frei-welt­lichen Stifts Herford die Gelegenheit, ein selbstbestimmtes Leben als unverheiratete Frau zu führen. Im Rahmen dieser Existenz war es ihr selbst mög­lich, mit einem unstandesgemäßen Mann zusammenzuleben, für dessen Adelserhebung und seinen Aufstieg in den Reichsgrafenstand sie sich massiv einsetzte,47 sodass Henriette Amalie, die sich als Opfer der Standesschranken empfand,48 dennoch ständischem Denken verbunden blieb. Ähn­lich wie Henriette Amalie von Anhalt-Dessau versprach sich wohl auch Maria Aurora mit ihrer Aufnahme ins Stift Quedlinburg die Chance auf ein gesellschaft­lich anerkanntes Leben als alleinstehende Frau. Die Äbtissin Anna Dorothea nutzte zu Beginn des Jahres 1698 die Abwesenheit der Pröpstin und Dechantin, um eine Kapitelsitzung anzusetzen, deren Resultat die Wahl der Gräfin Königs­marck zur Coadjutorin sein sollte.49 Nachdem die im Stift zurückgebliebene Kanonissin zunächst gebeten hatte, die Sitzung bis zur Wiederankunft der anderen beiden Kapitularinnen auszusetzen und ihr dann schließ­lich fern geblieben war,50 postulierte die Äbtissin Maria Aurora am 24. Januar 1698 eigenmächtig zur Coadjutorin.51 Weder wurde jedoch diese vorläufige Postulation später durch eine formelle, urkund­lich

45 Ebd., S. 13. 46 Dessau LHASA A 9e Nr. 18 Bl. 70; hier zitiert nach Heese, Aspekte einer Karriere, wie Anm. 38, S. 48. 47 Dettmar / Michels, wie Anm. 36, S. 14 f. 48 Vgl. Langkafel, Sonja: Henriette Amalie – Ein Leben zwischen Regelverletzung und Konvention, in: Grosskinsky, Manfred u. a. (Hg.): Sammlerin und Stifterin: Henriette Amalie von Anhalt-Dessau und ihr Frankfurter Exil; Haus Giersch, Museum Regionaler Kunst 22. Oktober 2002 bis 23. Februar 2003 Frankfurt am Main, Anhaltinische Gemäldegalerie Dessau 8. März bis 4. Mai 2003 Dessau, Frankfurt a. M. 2002, S. 37 – 44, hier: S. 42. 49 Anna Dorothea von Sachsen-Weimar an das Kapitel (1. Dezember 1697): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. V Nr. 12, fol. 372r–v. 50 Ebd. 51 Vgl. Abschrift des Decretum Postulationis (24. Januar 1698): Wien ÖStA HHStA Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4, fol.  196r–v. Unter dem Begriff der Postulation versteht man kirchenrecht­lich die Bestellung einer Äbtissin nicht durch Wahl, sondern Bestimmung. Dieser Fall trat ein, wenn eine Äbtissin durch den Papst in ihr Amt

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belegte ersetzt und bestätigt, noch wurde Maria Aurora als künftige Äbtissin vom Kaiser confirmiert und anerkannt. Vielmehr erreichten Pröpstin und Dechantin, die sich während dieser Ereignisse am Kaiserhof in Wien aufhielten, dass die eigenmächtige Postulation vom Kaiser für null und nichtig erklärt wurde.52 Zwar gelang es den Kapitularinnen so, die gültige Wahl der Gräfin Königs­marck zur Coadjutorin und damit künftigen Quedlinburger Äbtissin zu vereiteln, ihre Bestellung zur Pröpstin konnten sie aber nicht verhindern. Denn die Besetzung der weiteren Positionen in der Ämterhierarchie des Stiftes gehörte zu den exklusiven Rechten der Äbtissin. Nachdem die vormalige Pröpstin ihr Amt in die Hände des Kaisers resigniert hatte und von der Äbtissin aufgrund ihrer beabsichtigten Konversion zum katholischen Glauben ihrer Praelatur für incapable und verlustig erklärt worden war,53 ernannte die Äbtissin Maria Aurora 1700 zur neuen Pröpstin des Stifts.54 Damit gelangte Maria Aurora doch noch an die zweite Stelle der Stiftshierarchie und an die Spitze des Quedlinburger Kapitels. An der Person Maria Aurora von Königs­marcks und ihrer Aufnahme ins Quedlinburger Stift formierten sich schon Ende der 1690er Jahre die Konfrontationslinien, welche das Kapitel nach dem Tod Anna Dorotheas von Sachsen-Weimar und der nachfolgenden langjährigen Vakanz spalten sollte. Die Pröpstin stand als prima inter pares dem Kapitel vor. Sie verfügte über eigene Einkünfte aus dem Propsteigut, deren Verwaltung ein eigens angestellter Sekretär übernahm. Nach ihrer Postulation durch die Äbtissin musste jede neue

eingesetzt wurde oder eine Kandidatin, die nicht Mitglied des Kapitels war, durch Kapitelentschluss ins Amt gelangte. 52 Reichshofratsprotokolle bzw. ausgefertigte Resolutionen vom 20. Jan., 15. Februar und 21. April: Wien ÖStA HHStA Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4, fol. 200r–v; Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. V Nr. 12, fol. 373r–374r, 385r–v und 421r–422r. 53 Resignation der Pröpstin (6. Dezember 1699): Wien ÖStA HHStA Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4, fol.  211r–212r. Anna Dorothea von Sachsen-Weimar an den Propsteischösser (27. November 1699): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. V Nr. 28, fol. 573r–v. 54 Vgl. Küppers-Braun, Quedlinburger Stiftsdamen nach der Reformation, wie Anm. 28, S. 73. Dass Maria Aurora von der Äbtissin zur Pröpstin erkoren wurde, belegt ein Schreiben der Äbtissin Anna Dorothea von Sachsen-Weimar an vom Kaiser ernannte Kommissare, die einen Ausgleich zwischen Äbtissin und Kapitel stiften sollten. Darin bat die Äbtissin, die Frage der Propstei nicht in den Verhandlungen zu berücksichtigen, weil sie bereits auf die Empfehlung des Kaisers hin die Gräfin mit der Propsteiwürde belehnt habe. Anna Dorothea an die kaiser­lichen Kommissare (2. Juni 1700): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. V Nr. 12.

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Pröpstin eine Kapitulation unterschreiben, in welcher ihre Rechte und Pf­lichten verbrieft waren. Darin verpf­lichtete sie sich unter anderem zum Gehorsam gegenüber der Äbtissin sowie dazu, ihre Einkünfte und Güter durch einen fleißigen Oeconomum verwalten zu lassen. Sie versprach darüber hinaus, des Stifts Quedlinburg Bestes, Hoheit, Ehre, Dignität, Nutzen und Frommen insgemein zu jederzeit und Auff Begehren capitulariter zu bedencken, zu berathschlagen, zu beschaffen und befördern zu helffen […] und im Todesfall der Äbtissin sede vacante immittelst uns des Stifts und dessen Abtey-Gerechtigkeiten mit gebührendem Ernst und Fleiß an[zu]nehmen und zu besorgen, dass eine neue Äbtissin gewählt werde, um das Stift bey seiner Fundation, Privilegien, Herr­lichkeiten und Freyheiten, Recht und Gerechtigkeiten zu erhalten.55 Es ist jedoch falsch, aufgrund dieses Wortlautes darauf zu schließen, dass die Pröpstin die Regierung des Stiftes während der Vakanz allein leitete. Ähn­liche Passagen finden sich ebenso in den Kapitulationen, die von der jeweiligen Dekanissin und Kanonissin ausgestellt werden mussten.56 Ute Küppers-Braun hat daher bereits vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Regierungsgeschäfte während einer Vakanz von den Kapitularinnen gemeinschaft­lich geführt wurden.57 Mehr noch zeigt sich mit Blick auf die Vorgänge im Quedlinburger Stift zu Beginn des 18. Jahrhunderts, dass Maria Aurora von Königs­marck als Pröpstin allenfalls ihre eigenen Interessen im Auge hatte und dadurch die Administration des Stiftes sowie die Wahrung seiner Privilegien, Herr­lichkeiten und Freyheiten, Recht und Gerechtigkeiten behinderte. Mitten in die innerstiftische Auseinandersetzung um die Wahl einer Coadjutorin fiel der eigenmächtige Verkauf der Quedlinburger Schutzherrschaft durch den sächsischen Kurfürsten an den Kurfürsten von Brandenburg. Die Äbtissin hatte man bei diesem Geschäft sch­lichtweg übergangen und mit der militä­rischen Besetzung der Stadt durch brandenburgische Soldaten vor vollendete Tatsachen gestellt.58 In der Folge entspann sich ein jahrzehntelanger

55 Vgl. die Kapitulation ihrer Nachfolgerin Hedwig Sophie Auguste von Holstein-Gottorf: Magdeburg LHASA Rep. A22 tit. I Nr. 19, fol. 45r–48r [Zitate]; ein weiteres Exemplar der Elisabeth von Biberstein, in: Kettner, Friedrich Ernst (Bearb.): Antiquitates Qvedlinburgensis […], Leipzig 1712, S. 687 – 690. 56 Vgl. Kapitulationen der Dechantin und Kanonissin aus der Regierungszeit Anna ­Amalies von Preußen (reg. 1756 – 1787), in: Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. V Nr. 5. 57 Küppers-Braun, Quedlinburger Stiftsdamen nach der Reformation, wie Anm. 28, S. 34. 58 Vgl. Göse, Frank: Beschränkte Souveränität: Das Verhältnis zwischen Stift und Schutzherrschaft im 17. und 18. Jahrhundert, in: Bley (Hg.), wie Anm. 10, S. 130 – 150; Vötsch,

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Konflikt zwischen dem Stift und seinem neuen brandenburgisch-preußischen Schutzherrn, der sowohl den Kaiser, den Reichshofrat und den Reichstag beschäftigte, als auch seinen publizistischen Niederschlag in mehr als 20 Druckschriften fand. Der Kurfürst von Brandenburg, später König in Preußen, setzte mit Hilfe des Stiftshauptmannes die bereits unter kursächsischer Schutzherrschaft begonnene Politik fort, deren Ziel die Ausweitung der Schutzherrschaft bis hin zur Landeshoheit über das Stift war.59 Um dieses Ziel zu erreichen, strebte der preußische König nach dem Tod der amtierenden Äbtissin Anna Dorothea von Sachsen-Weimar 1704 die Wahl einer ihm loyal ergebenen Nachfolgerin an. Bereits in den Verhandlungen um den Verkauf der Schutzvogtei erklärte sich Friedrich III (I.). von Brandenburg bereit, die Wahl Maria Auroras zur Coadjutorin zu unterstützen.60 Nach vollzogener Übertragung der Schutzvogtei knüpfte der Kurfürst-König jedoch bald Forderungen an seine Hilfe. Nach einem noch sehr allgemein gehaltenen Revers (Verpf­lichtungserklärung) verlangte er seit Anfang 1704 die Anerkennung der Akzise (Konsumsteuer), die Öffnung des Archivs, die Einholung des schutzherr­lichen Konsenses bei Aufnahme von Stiftsdamen, die militärische Vertretung des Stifts durch den Schutzherrn, die Entlassung streitsüchtiger Räte sowie die Anerkennung der schutzherr­lichen Rechte und Abstellung des Reichshofratsprozesses gegen den Schutzherrn als Gegenleistung für seine Zustimmung und sein Engagement.61 Hierbei handelte es sich um die maßgeb­lichen Streitpunkte der zurückliegenden Jahre nach dem Wechsel der Schutzherrschaft. Gleichzeitig bedeutete die Anerkennung dieser Forderungen eine enorme Schwächung der eigenständigen Stiftsherrschaft sowie einen entscheidenden Schritt zur Etablierung eines landesherr­lichen Rechtsanspruches des Schutzherrn. Während die verstorbene Äbtissin sowie die Dekanissin und Kanonissin, zwei Gräfinnen von Schwarzburg-Sonders­hausen, sich dieser Entwicklung massiv entgegenstellten, vollzog Maria Aurora den Revers

Jochen: Zwischen Kursachsen, Preußen und dem Kaiser: Das Reichsstift Quedlinburg zu Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Sachsen und Anhalt 24, 2002/2003, S. 295 – 316. 59 Vgl. hierzu demnächst die Dissertation von Schröder-Stapper, wie Anm. 10. 60 Nebenpunkt des Transaktionrezesses (o. D.): Dresden SHS tA Geheimes Kabinett Loc. 2982/2, fol. 39r–v. 61 Friedrich I. (III.) an den Stiftshauptmann von Lüdecke wegen Ausfertigung und Vollzug besagter Punkte (21. Januar 1704); Versicherung Maria Aurora von Königsmarcks gegenüber dem Stiftshauptmann, die Rechte des Schutzherrn nicht anzufechten und das Gerichtsverfahren nicht fortzusetzen (28. Juni 1704).

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nach kurzer Bedenkzeit.62 Als klar war, dass die Wahl Maria Auroras in Wien jedoch nicht durchsetzbar war,63 unterstützte Friedrich III. (I.) schließ­lich eine andere Kandidatin, die ihm ähn­lich gewogen war.64 Maria Aurora blieb aber auch darüber hinaus eine sichere Parteigängerin des preußischen Königs. In den nachfolgenden Jahren sabotierte sie nicht selten die Administration des Stifts und torpedierte das Engagement der beiden Gräfinnen für den Erhalt der freien Äbtissinnenwahl und der Rechte des Stifts.65 Zunächst verhinderte Maria Aurora die Bestellung einer anderen Coadjutorin noch zu Lebzeiten der bereits erkrankten Äbtissin. Um die drohende Vakanz und die damit einhergehende Schwächung des Stifts zu vermeiden, schlug die Äbtissin wenige Wochen vor ihrem Tod die Wahl einer Prinzessin von Sachsen-Weißenfels vor. Während die beiden Gräfinnen von Schwarzburg mit der Äbtissin übereinkamen, protestierte Maria Aurora von Königs­ marck gegen eine solche Wahl und verließ die Kapitelsitzung, um den nachfolgenden Wahlakt zusätz­lich zu delegitimieren.66 Später weigerte sie sich, die Anzeige der erfolgten Wahl an den preußischen König mitzuvollziehen.67 Zu diesem Zeitpunkt hegte sie selbst noch Ambitionen, an die Spitze des Stifts zu gelangen. Nicht zuletzt aufgrund des Wahlboykottes der Gräfin Königs­ marck konnte sich die Prinzessin von Sachsen-Weißenfels nach dem Tod der

62 Vollzug des Revers’ durch Maria Aurora von Königs­marck gegenüber dem Stifts­ hauptmann (10. Juli 1704): Berlin GS tA PK I. HA Rep. 33 Nr. 158 Quedlinburg h5, Bd.  1700 – 1707. 63 Bericht des Wiener Agenten Bartholdy (20. August 1704): Berlin GStA PK I. HA Nr. 158 Quedlinburg h5, Bd. 1700 – 1707. 64 Hierbei handelte es sich um Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen, die spätere Äbtissin des Stiftes Gandersheim. Vgl. Walther, Stefanie: Zwischen Emotionen und Interessen. Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen als Schwester, Schwägerin und Tante, in: WerkstattGeschichte 46 (2007), S. 25 – 40. 65 Vgl. Küppers-Braun, Quedlinburger Stiftsdamen nach der Reformation, wie Anm. 28, S. 73. 66 Stiftsprotokoll über die Kapitelsitzung (20. Mai 1704): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 3br–3er. Dieser Umstand fehlt in einer Version des Stiftsprotokolls über das Zusammentreffen und wurde erst in eine zweite Version auf Drängen der Gräfin aufgenommen. Vgl. die beiden unterschied­lichen Versionen in: Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 8 (nicht foliert). 67 Kapitel an Friedrich III. (I.) (22. Mai 1704): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 14r–15r [fol. 14 zweimal vergeben]. Das Schreiben des Kapitels war eigens mit dem Zusatz versehen: Gegenwärtiges Schreiben haben der Fr. Pröbstin Hochgn. Gnaden mit zu unterschreiben bedencken getragen.

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amtierenden Äbtissin nicht als deren Nachfolgerin durchsetzen. Ihr fehlten sowohl die Anerkennung des preußischen Schutzherrn als auch des Kaisers.68 Somit blieb die Abtei de facto vakant. Vier Jahre später – die Prinzessin von Sachsen-Weißenfels hatte inzwischen geheiratet – setzten die Kapitularinnen erneut an, um eine Nachfolgerin zu finden. Gemeinsam mit der Pröpstin verabredeten Dekanissin und Kanonissin einen Wahltermin.69 Nur kurze Zeit später kam es jedoch über die Frage, wie mit den Wahlempfehlungen des Kaisers und preußischen Königs sowie mit der Einrichtung der Notifications-Schreiben umzugehen sei, zum erneuten Zerwürfnis innerhalb des Kapitels. Während die Gräfinnen von Schwarzburg Kaiser und König ledig­lich den Wahltermin anzeigen wollten, bestand Maria Aurora darauf, sich in den Notifications-Schreiben bereits deren Empfehlungen anzuschließen.70 Schließ­lich ergingen nur einfache Notifications-Schreiben, die von der Pröpstin nicht mit unterschrieben wurden.71 Gleiches galt für Suppliken an den Kaiser, den Reichstag und das Corpus Evangelicorum, in denen die Gräfinnen von Schwarzburg um die Verteidigung ihres freien Wahlrechtes baten.72 Am angesetzten Wahltag schob Maria Aurora eine dringende Reise

68 Da den Gräfinnen von Schwarzburg jedoch kein kaiser­liches mandatum cassatorium der Wahl zugestellt wurde, setzten sie ihre Bemühungen fort, die kaiser­liche Anerkennung der Wahl zu erlangen. Sie schickten ihrem Anwalt Koch Auszüge aus der Fundation, die das freie Wahlrecht belegten, und trugen ihm auf, diese dem Reichsvizekanzler vorzustellen. Darüber hinaus wehrten sich die Stiftsdamen gegen die kaiser­liche Entscheidung in Zuschriften an den Reichsvizekanzler von Schönborn, Oberkanzler von Sailer und den Kaiser selbst. Noch ein Jahr nach dem Urteil empfahlen die Kapitularinnen die Wahlsache dem Reichshofratspräsidenten von Öttingen. Vgl. die Schreiben des Kapitels an ihren Anwalt Koch (27. Mai 1707), an den Reichsvizekanzler von Schönborn und Oberkanzler Sailer (20. Nov. 1706), an den Kaiser (20. November 1706) und den Reichshofratspräsidenten von Öttingen (19. Dezember 1707): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 294r–296r, 249r–v, 246r–247r u. 301r–v. 69 Kanzleiprotokoll (3. September 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 433r. 70 Kanzleiprotokolle (23. u. 24. September 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 446r–449r. 71 Notifications-Schreiben an Kaiser Joseph I. und König Friedrich III. (I.) in Preußen (21. September 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 440r–441r, 442r–443r. 72 Kapitel an Kaiser Joseph I. (23. Oktober 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 515r–516v; Kapitel an Corpus Evangelicorum sowie dessen kursächsischen Direktor (17. u. 25. Oktober, 14. November 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 504r–505v, 527r–529v, 593r–v.

Darf eine Mätresse Äbtissin werden? 281

nach Halberstadt vor, um sich dem Wahlakt durch Abwesenheit zu entziehen.73 Nach mehrmaliger Aufforderung, die Reise zu verschieben und der Drohung der beiden Gräfinnen, ansonsten eigenständig am darauffolgenden Tag nach der Predigt und der Anrufung Gottes zur Neuwahl zu schreiten, kamen alle Kapitelmitglieder am 6. November 1708 in der Kirchstube der Pröpstin zusammen. Unter dem Protest der Gräfin Königs­marck wurde dort im Beisein von Zeugen Maria Elisabeth von Holstein-Gottorf durch die Stimmen der beiden Gräfinnen von Schwarzburg zur neuen Äbtissin gewählt.74 Im Anschluss erkannte Maria Aurora die Zusammenkunft nicht als feier­lichen Wahlakt, sondern nur als kapitularische Beratschlagung an und lehnte das vermeint­liche Wahlergebnis ab.75 Darüber hinaus schickte sie die angefertigten Wahlprotokolle nach Berlin und bot dem preußischen König damit eine Steilvorlage, um die Wahl seinerseits anzufechten.76 Auch diese Wahl wurde von König und Kaiser nicht anerkannt. Erst 1710 wurde die erneute Wahl der Holsteinerin von Maria Aurora akzeptiert und vom Kaiser bestätigt.77 Der anhaltende Widerstand des preußischen Königs verhinderte jedoch deren Amtsantritt für weitere acht Jahre. In der Zwischenzeit wurde die Stiftsregierung nicht von Maria Aurora, sondern vielmehr von den Gräfinnen von Schwarzburg sowie dem Kanzleipersonal geführt. Sie stritten vor dem Kaiser, dem Reichshofrat und dem Reichstag für die Wahrung des freien Wahlrechtes und protestierten gegen die Übergriffe preußischer Vertreter auf die Herrschaftsrechte des Stiftes. Die Pröpstin trat nur selten in Erscheinung. Nach 1710 hielt sie sich zudem öfter andernorts auf, zum Beispiel in Hamburg und Stade. Dort nahm sie zwischen 1716 und 1718 im Auftrag des preußischen Königs wiederholt Kontakt zur erwählten Äbtissin Maria Elisabeth auf, die ebenfalls in Hamburg auf ihren Amtsantritt wartete. 73 Kanzleiprotokoll (5. November 1708): Dresden SHStA Geheimes Kabinett Loc. 39122/5 [nicht foliert]. 74 Kapitelprotokoll (6. November 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 555r–556r; Wahlinstrument (6. November 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 556v–558r. 75 Protestation der Pröpstin wider die Wahl (11. November 1708): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 1, fol. 588r–v. 76 Maria Aurora von Königs­marck an Friedrich III. (I.) (9. November 1708): Berlin GStA PK I. HA Geheimer Rat Rep. 33 Nr. 158 (Stift Quedlinburg) h5 1708. 77 Maria Aurora von Königs­marck an die Gräfinnen von Schwarzburg (27. September 1710): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 2, fol. 218r–219r; Kaiser­liche Konfirmation (15. Dezember 1710): Magdeburg LHASA Rep. A20 tit. IV Nr. 2, fol. 424r–426v [Abschrift], Rep. U9 AI Nr. 75 [Original]; Bericht des kursächsischen Agenten Wolfgang Jeremias Pauernfeind (31. Dezember 1710): Dresden SHStA Geheimes Kabinett Loc. 2982/4.

282 Teresa Schröder-Stapper

Die Gräfin Königs­marck sollte die Äbtissin davon überzeugen, sich in den schwebenden Streitigkeiten fried­lich mit dem König zu einigen und dessen Stellung als Schutzherr mit landesherr­lichen Kompetenzen zu akzeptieren.78 Angesichts der hier zuletzt geschilderten Vorgänge im Stift Quedlinburg muss die bisherige Forschungsmeinung, die Maria Aurora von Königs­marck – mit wenigen Ausnahmen 79 – als tragende Säule des Stifts während der langjährigen und konfliktreichen Vakanz dargestellt hat,80 revidiert werden. Maria Aurora setzte sich Mitte der 1690er Jahre gemeinsam mit der amtierenden Äbtissin und dem sächsischen Kurfürsten nachdrück­lich dafür ein, ins Stift aufgenommen zu werden und, wenn mög­lich, bis an dessen Spitze zu gelangen. Durch die Aufnahme ins Stift sicherte sich Maria Aurora nicht nur ein – wenn auch bescheidenes – finanzielles Auskommen, sondern darüber hinaus die Mög­lichkeit, als Stiftsdame ein selbstbestimmtes Leben als alleinstehende hochadlige Frau zu führen. Alternativen boten nur die Ehe oder das zurückgezogene Leben im Kreise ihrer Familie. Der Status als Stiftsdame eröffnete ihr ein Leben sowohl im Rampen­licht der höfischen Öffent­lichkeit als auch jenseits familiärer Pf­lichten. Ihre Vergangenheit erwies sich zwar als Hindernis, jedoch nicht als kategorisches Ausschlusskriterium. Vielmehr übernahmen die hochadligen Damenstifte in solchen Situationen eine wichtige soziale Funktion für die Adelsgesellschaft, indem der Eintritt oder zeitweilige Aufenthalt im Stift die Folgen einer unstandesgemäßen Verbindung verschleiern konnte.

78 Auftrag (17. Juli 1716) an den preußischen Residenten in Hamburg Burchhard, sich mit der Gräfin zu treffen, sowie dessen Bericht (28. Juli 1716): Berlin GStA PK I. HA Geheimer Rat Rep. 33 Nr. 158 h5 1715 – 1716. Weitere Treffen zwischen dem Residenten und der Gräfin fanden im Sommer 1717 sowie zu Beginn des Jahres 1718 statt. Siehe Berichte des Residenten (18. Juni u. 23. Juli) sowie Informationsschreiben an den Residenten (29. Januar 1718): Berlin GStA PK I. HA Geheimer Rat Rep. 33 Nr. 158 h5 1717 – 1718. 79 Ute Küppers-Braun hat die Beurteilung des Einflusses und Wirkens der Gräfin von Königs­marck als „erheb­lich überbewertet“ charakterisiert. Vgl. Küppers-Braun, Quedlinburger Stiftsdamen nach der Reformation, wie Anm. 28, S. 73. 80 Zuletzt Katalog zur Ausstellung „Die ideale Frau“ im Schlossmuseum Quedlinburg: „In der Zeit der Sedisvakanz der Äbtissinnenstelle 1704 – 1718 vertrat Aurora als Pröpstin deren Position und war für ihre Aufgaben verantwort­lich.“ Siehe Ausstellungskatalog, wie Anm. 1, S. 12. Im Zentrum der Ausstellung, die im Rahmen der Landesinitiative „Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert“ konzipiert wurde, stehen neben Maria Aurora von Königs­marck auch noch die beiden letzten Äbtissinnen des Stifts, Anna Amalie von Preußen und Sophie Albertine von Schweden. Mit dieser Auswahl werden ausgerechnet die Äbtissinnen und Kanonissinnen des 18. Jahrhunderts ausgespart, deren Wirken und Engagement tatsäch­lich in erster Linie dem Erhalt des Stifts galt.

Darf eine Mätresse Äbtissin werden? 283

Der politische Handlungsspielraum, der sich Maria Aurora aus ihrer Stellung als Pröpstin vor allem während der Vakanz auftat, wurde von ihr nicht zum Vorteil des Stiftes genutzt. Statt die Rechte und Privilegien des Stiftes und damit die Grundlage ihres eigenen Handlungsspielraumes zu verteidigen, stellte sie ihre persön­lichen Interessen über die Interessen des Stiftes. Das kam vor allem dem preußischen Schutzherrn zu Gute, der seine Rechte während der Vakanz immer weiter ausdehnte und die Wiederbesetzung des Äbtissinnenamtes 14 Jahre lang verhindern konnte. Für die Identifizierung der heutigen Bürger Quedlinburgs mit der Geschichte ihrer Stadt und des noch immer über Quedlinburg thronenden Stiftes ist jedoch die musische, lebensfrohe und berühmte Mätresse des sächsischen Kurfürsten besser geeignet als die – zumindest der Darstellung nach (Abb. 11) – gestrenge und streitbare Äbtissin Maria Elisabeth von Holstein-Gottorf, die sich für den Erhalt der stiftischen Rechte einsetzte.

GUDRUN FIEDLER

Maria Aurora von Königs­marck (1662 –1728) und Maria Antonia Pessina von Branconi (1746 –1793) – Zwei Mätressen, zwei Jahrhunderte, ein Vergleich

Maria Aurora von Königs­marck, eine gefeierte Barockdichterin Maria Aurora von Königs­marck galt an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert als begabte Dichterin galanter Lyrik und wurde Zeit ihres 66 Jahre währenden Lebens auch als Komponistin und Mäzenin der Künste anerkannt und gefeiert. Geboren am 28. April 1662 in Stade, stammte sie aus einer einflussreichen Familie mit engen verwandtschaft­lichen Beziehungen zu hochstehenden schwedischen Adelsgeschlechtern. Seit 1673 in Hamburg, verbrachte sie die Jahre von 1680 bis 1691 mit Mutter und Schwester in Stockholm in einem für die Bildung von Frauen offenen Klima. Auf dem Höhepunkt des schwedischen Absolutismus und seiner barocken Repräsentation spielte die gelehrte Gräffin 1 eine aktive Rolle bei der Ausgestaltung des höfischen Lebens. Nach dem Tod der Mutter 1691 verließ sie Schweden. Als 1694 ihr Bruder Philipp Christoph als letzter männ­licher Erbe der schwedischen Königs­marcks verschwand, war sie es, die ihre finanziellen Interessen und die ihrer Schwester vertrat und in Dresden den damaligen sächsischen Kurfürsten Friedrich 1 Eberti, Johann Caspar: Eröffnetes Cabinet deß gelehrten Frauen-Zimmers, Frankfurt 1706, S. 409 f. nach Fiedler, Beate-Christine: Maria Aurora von Königs­marck als gefeierte Barockdichterin, in: Quedlinburger Annalen. Heimatkund­liches Jahrbuch für Stadt und Region Quedlinburg. Quedlinburg (8. Jg.) (2005), S. 54 – 70. Grundlegend hier u. im Folgenden neben Fiedler, Barockdichterin, wie Anm. 1 auch Fiedler, Beate-­ Christine: von Königs­marck, Maria Aurora, in: Bei der Wieden, Brage/Lokers, Jan (Hg.): Lebensläufe zwischen Elbe und Weser. Ein biographisches Lexikon (Bd. 1), Stade 2002, S.  186 – 189; Krauss-Meyl, Sylvia: „Die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte“. Maria Aurora Gräfin von Königs­marck, Regensburg 2002. Zum Thema weib­licher Gelehrsamkeit vgl. neben Krauss-Meyl, ebd. S. 48 f., auch Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weib­lichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschicht­lichen und literarischen Präsentationsformen des Weib­lichen, Frankfurt a. M. 1979/Sonderausgabe 2005, S.  80 ff.; Jäger, Friedrich (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit (ENZ), Stuttgart 2005 ff. v. a. die Stichworte ‚Briefe, Hof, Männ­lichkeit, Mätresse, Tugend, Weib­lichkeit‘.

286 Gudrun Fiedler

August I. als Dienstherrn des Bruders um Unterstützung bei ihrer Suche nach ihm bat. Von 1694 bis 1696 gilt sie als offizielle Mätresse Augusts des Starken, im Oktober 1696 kam der gemeinsame Sohn Moritz in Goslar heim­lich zur Welt. Um ihre Zukunft abzusichern, trug sie sich mög­licherweise bereits zu Beginn dieser Affäre mit der Absicht, durch Augusts Unterstützung Äbtissin in Quedlinburg zu werden, denn der sächsische Kurfürst war Schutzherr des welt­lichen Damenstifts in Quedlinburg. 1698 wurde Aurora von Königs­marck Koadjutorin, 1700 Pröpstin des Reichsstifts. Die Machtposition einer Äbtissin erreichte sie jedoch nicht. Maria Aurora starb 1728 in Quedlinburg.2 Selbst aus heutiger Sicht, und mehr noch aus der Sicht der damaligen Zeit, hat Maria Aurora ein bemerkenswert selbstständiges Leben geführt, nur geschützt durch den großen Namen Königs­marck und gefährdet durch das stetig schwindende Vermögen der Familie. Sie bekam ihr erstes Kind im Alter von 34 Jahren als unverheiratete Mätresse und ohne Beistand des sächsischen Kurfürsten, der sich längst einer anderen zugewandt hatte. Den Tod ihres Bruders verarbeitete sie in den Stanzen an Vildomar, in denen sie ihre Trauer erstaun­lich offen äußert.3 Zedler würdigt in seinem wichtigen Lexikon des frühen 18. Jahrhunderts die Verdienste der Gräfin: Mariam Auroram, die im Jahr 1700, den 24. May Pröbstin des Stiffts zu Quedlinburg worden, und wegen ihrer Gelehrsamkeit, sonder­lich in der Poesie, Instrumental- und Vocal-Music, auch Sprachen, deren verschiedene Proben vorhanden, da sie unter andern ihr Latein, Französisch und Italiänisch beydes schöner redet als schreibet, sehr bekannt ist.4 Ein Blick in populäre deutschsprachige Nachschlagewerke des 19. und frühen 21. Jahrhunderts hingegen zeigt, dass sie nur noch als Tochter, Mätresse Augusts des Starken und Mutter des gemeinsamen Sohnes erinnert wird. Dies ist verwunder­lich, da die Verbindung mit August dem Starken nur knapp zwei Jahre andauerte. So steht 2 Vgl. grundsätz­lich zu Quedlinburg den Beitrag von Schröder-Stapper, Teresa im vorliegenden Band ab Seite 263. 3 Vgl. grundsätz­lich zum literarischen Werk der Aurora von Königs­marck den Beitrag von Kraft, Stephan (ab Seite 59) und Brook, Madeleine (ab Seite 197) im vorliegenden Band. 4 Zedler, Johann Heinrich: Erstes vollständiges Universal Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Welche Bißhero durch mensch­lichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden. Bd. 15, photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Halle/Leipzig 1737 (Graz 1961), Sp. 1340/41. Vgl. auch Blaschke, Karlheinz: Königs­marck, Aurora von, in: Neue Deutsche Bibliographie (NDB) 12 (1979) S. 359 f.; er folgt dort den o. g. Mustern des 19. u. 20. Jhs. Im Folgenden: Königsmark, in: Meyers Konversations-Lexikon (Bd. 10), Leipzig 1888; Königsmarck, in: Brockhaus Enzyklopädie digital, Ravensburg/ Leipzig/Mannheim 2006.

Maria Aurora von Königs­marck und Maria Antonia Pessina von Branconi 287

in Meyers Konversations-Lexikon (1885 – 1892) zu Aurora von Königs­marck: Königsmarck, Marie Aurora, Gräfin von, bekannt als Geliebte Augusts II. von ­Sachsen, Schwester des vorigen […], Tochter des 1673 bei der Belagerung von Bonn gefallenen Grafen Kurt (Konrad) Christoph […], ging 1694 nach Dresden, […] Ihre Schönheit gewann den Kurfürsten, und sie ward bald seine erklärte Geliebte und von ihm 28. Okt. 1696 zu Goslar Mutter des nachmals berühmten Marschalls Moritz, Grafen zu Sachsen. Schon nach Jahresfrist erkaltete aber Augusts II. Zuneigung zu ihr, und Aurora zog sich in die Abtei zu Quedlinburg zurück; […] 1702 übernahm sie eine diplomatische Mission in das schwedische Lager von Narwa, um Karl XII. günstiger für August II. zu stimmen. Die Mission missglückte. […] Sie besaß eine vielseitige Bildung, nament­lich seltene Sprachkenntnisse, war Virtuosin auf der Laute und Viola da Gamba und hinterließ mehrere kleine Opernmotive, ein paar Liebeslieder und einige Kantaten. Der ‚Brockhaus Enzyklopädie digital, 2006 sind als wichtigste Fakten zu entnehmen: Königsmarck, Maria Aurora Gräfin von, *Schloss Agathenburg (bei Stade) 08.05.1662, † Quedlinburg 16.02.1728, Schwester von […], Geliebte König Augusts II ., des Starken, von Polen-Sachsen, dem sie 1696 Moritz Graf von Sachsen gebar; 1698 ging sie als Koadjutorin in das reichsunmittelbare Stift Quedlinburg, wo sie 1700 Pröpstin wurde. Das Bild Auroras als Mätresse eines glanzvollen Fürsten regt offensicht­lich die Phantasie mehr an als ihr interessanter Lebenslauf.5 Mög­licherweise liegt ein Grund für die noch heute verbreitete verengte Sicht auf die Gräfin in einer Zäsur: Mit dem Umbruch vom galanten höfischen Zeitalter zum Bürger­tum als gesellschaft­lich tragender Schicht im 18. Jahrhundert stießen sich die neuen, bürger­lichen Meinungsträger ab von der Welt, in der sich Aurora von Königs­ marck bewegt hatte. An die Stelle von regelgebundener Galanterie, Diplo­ matie und höfischer Konvention traten Natür­lichkeit und Tugendhaftigkeit. Bürger­liches Gewinnstreben löste die der höfischen Herrschaftsrepräsentation dienende „Überbietungsökonomie“6 als Leitökonomie ab. Die exklusiven

5 Dies gilt beispielsweise auch für die Berichterstattung über die sach­liche Darstellung von Krauss-Meyl, wie Anm. 1, von Pleschinski, Hans: Ein Liebessommer mit August dem Starken. Das aufreibende Leben der Maria Aurora von Königs­marck, in: DIE ZEIT 51 (2002); zum mangelnden quellenkritischen Umgang mit „Anekdoten, Tratsch und Gerüchten“ und Geschichten von „Fürstenliebchen“ oder „Abenteurerinnen“ vgl. Osswald-Bargende, Sibylle: Die Mätresse, der Fürst und die Macht, Frankfurt/New York 2005, S. 10 u. 11 ff. u. die dort angeführte Literatur. 6 Bauer, Volker: Strukturwandel der höfischen Öffent­lichkeit. Zur Medialisierung des Hoflebens vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für historische Forschung 38

288 Gudrun Fiedler

Hofgesellschaften als zentrale Orte des gesellschaft­lichen, politischen und ökonomischen Geschehens verloren zusehends ihre Macht und gaben ihre Interpretationsgewalt an eine bürger­liche Öffent­lichkeit ab, die jedoch trotz „Gleichheitsforderung […] nicht für die unteren Volksschichten und nicht für die Frauen“ galt.7 In der gemischt-geschlecht­lichen Hofgesellschaft hatten weib­liche wie männ­liche Höflinge jeweils die vom Herrscher zugestandenen Funktionen eingenommen. Mit dem Entstehen der bürger­lichen Gesellschaft wurden erstmals private und öffent­liche Sphäre unterschieden. Der Mann wurde als aktiver und gestaltender Bürger gesehen, die Frau hingegen in die Sphäre privater Häus­lichkeit versetzt. Ihnen wurden „Passivität, Schwäche, Schutzbedürftigkeit, Fürsorg­lichkeit, Emotionalität und Häus­lichkeit“ als nicht veränderbare, naturbedingte Eigenschaften zugeschrieben.8 Diese Codierung, die zwischen 1760 und 1780 „eine wesent­liche Strukturierung“ erfuhr und durch eine männ­lich dominierte Kultur vorangetrieben wurde, „war eines der wichtigsten Erkennungs- und Distinktionszeichen, mit denen sich das Bürgertum … von anderen sozialen Klassen und Schichten zu unterscheiden suchte“.9 Es ist davon auszugehen, dass die im 18. Jahrhundert einsetzende bürger­ liche Auffassung von der Polarität der Geschlechter die kollektive Erinnerung an das Leben und Wirken Aurora von Königs­marcks beeinflusst hat. Dies soll im Folgenden am Beispiel der Maria Antonia Pessina von Branconi erläutert werden. Frau von Branconi lebte als Mätresse des Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand (1735 – 1806)10 etwa zehn Jahre in der braunschweigischen Residenz

(2011,4), 585 – 620, Zitat S. 598 (dort auch weitere Literatur u. a. zur höfischen Gesellschaft). 7 Beispielhaft für die Gegenüberstellung von tugendhafter Vernunft (der Bürgertochter) u. intriganter Willkür (der adeligen Mätresse) vgl. Lessing, Gotthold Ephraim: Miss Sarah Simpson als erstes Bürger­liches Trauerspiel (1755); Zitat vgl. Stephan, Inge: Inszenierte Weib­lichkeit. Codierung der Geschlechter in der Literatur des 18. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 21, hier u. im Folgenden S. 7 ff., S. 13 ff. 8 Weib­lichkeit, in: ENZ 14, wie Anm. 1, Sp. 760. 9 Prokop, Ulrike: Die Funktion von Literatur für Selbstthematisierung von Weib­lichkeit im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Assmann, Aleida/Friese, Heidrun (Hg.): Identitäten, Frankfurt a. M. 1999, S. 166 ff., Zitat S. 170; Frevert, Ute: Geschlechter-Identitäten im deutschen Bürgertum des 19. Jahrhunderts, in: Ebd., S. 181 ff., Zitat S. 186. 10 Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand (KWF), Herzog von Braunschweig-Lüneburg, war seit Anfang der 1770er Jahre Mitregent, seit 1780 Regent des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel. 1764 heiratete er Auguste, eine Schwester Georgs III. von Großbritannien. Er galt als hervorragender Feldherr und mustergültiger Landesherr im Sinn eines aufgeklärten Fürsten, ordnete die Finanzen des seit 1768 dem Staatsbankrott nahen Fürstentums

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und, nach dem Ende ihrer Beziehung, innerhalb eines bildungsbürger­lich geprägten Freundeskreises. Ebenso wie Maria Aurora von Königs­marck eilte ihr der Ruf einer einzigartig schönen Frau voraus. Und ebenso wie sie wird auch Maria Antonia kaum als geistreiche und kluge Frau erinnert, sondern bis heute, und dies sogar in anerkannten Sachbüchern, als „schöne Fürstenmätresse“ geschildert, die „als ehemalige Mätresse des Erbprinzen von Braunschweig ein einsames und trauriges Leben führte, berühmt weithin als eine der Schönheiten der Zeit.“11

Die Funktion einer Mätresse am Hof als Form weib­licher Macht: Die Höfe Dresden und Braunschweig Zunächst gilt es zu klären, wie die Funktion und Position einer Mätresse an den Höfen Dresden und Braunschweig als Form weib­licher Macht aussah. Ergebnisse der neueren Forschung zeigen, dass Positionen zu kurz greifen, die den „Aufstieg in den Kreis der zeittypischen Favoriten allein mit erotischer Anziehungskraft als geschlechtsspezifischem Einsatzkapital […] erklären“.12 Die Anforderungen an eine Mätresse entsprachen den „für Frauen und und regte Reformen an (u. a. das Steuerwesen, eine Armenordnung und eine Reform des Bildungswesens). 1792 stand er an der Spitze der Streitkräfte der antifranzösischen Koalition, 1806 an der Spitze der preußischen Truppen im Kampf gegen Napoleon (nach schwerer Verwundung auf der Flucht gestorben im November 1806 im dänischen Ottensen/Altona). KWF war der Onkel des seit 1775 regierenden Herzogs Carl-August von Sachsen-Weimar-Eisenach und Dienstherrn Johann Wolfgang von Goethes seit 1776 (vgl. Schildt, Gerhard: Braunschweig-Lüneburg, Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von, in: Jarck, Horst-Rüdiger (Hg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Hannover 1996, S. 93). 11 Friedenthal, Richard: Goethe, sein Leben und seine Zeit, München 1963, S. 190 u. 279; auch in wissenschaft­lichen Aufsätzen wie bei Pestalozzi, Karl: „Von der Harmonie der moralischen und körper­lichen Schönheit“. Lavater und die schöne Gräfin Branconi, in: Ethik und Ästhetik. Werke und Werte in der Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1995, S. 31 – 42, „führte sie seither […] ein unstetes Leben mit wechselnden Aufenthaltsorten“ (Ebd., S. 38). Vgl. grundlegend Rimpau, Wilhelm (Langenstein): Frau von Branconi (Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde, Jg. 33), Wernigerode 1900, v. a. S. 2, 4, 8 ff., 11 ff., 28 ff. u. 92 ff. (hier auch Verweis auf Literatur des 19. Jhs.). Vgl. auch Fiedler, Gudrun: Branconi, in: Jarck, Horst-Rüdiger (Hg.), Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 8. bis 18. Jahrhundert, Braunschweig 2006. 12 Osswald-Bargende, wie Anm. 5, S. 239 f., weitere Zitate S. 96, S. 13, S. 240 f. sowie hier u. im Folgenden ebd. S. 11 ff., S. 95 f. u. 97 ff., 102 ff. u. 238 ff. u. Krauss-Meyl, wie

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Männer gleichermaßen“ geltenden Standards für eine Führungsposition bei Hofe: Eine Favoritin benötigte neben einer angenehmen Erscheinung gewisses ‚Einsatzkapital‘ um aufzufallen: Teure, modische Kleidung, einen Sinn für den richtigen Zeitpunkt und gutes Auftreten. Herausragende Kenntnisse der höfischen Zusammenhänge, vollendete Umgangsformen, Sicherheit in der galanten ­Sprache und die „Fähigkeit zur Menschenführung“ waren weitere Voraussetzungen. Sie musste Menschen einschätzen, eigene Absichten verbergen und Meinungen geschickt platzieren können, also am Hofe zielorientiert handeln und so im heutigen Sinne politisch, sozial oder kulturell Einfluss nehmen. „Wenn aber Politik ihren Ort nicht nur in Kabinett und Amtsstuben hatte, sondern am Hof generell, dann liegt es nahe zu vermuten, dass zum Kreis der Politiker neben Amtsträgern und männ­lichen Höflingen auch ‚Hofdamen‘ zählten.“ Allerdings: „Mit zunehmender Institutionalisierung und Professionalisierung der Politik schwanden die Einflussmög­lichkeiten einer Mätresse, denn anders als ihrem männ­lichen Gegenstück standen ihr keine hohen Regierungs- und Hofämter offen.“ Maria Aurora von Königs­marck bewegte sich in Dresden als Staatsmätresse (Maitresse en titre) an einem glanzvollen Hof, dessen Herrscher sich an Versailles ausrichtete und weitreichende politische Pläne hatte. „Diplomatisch und klug“ füllte sie ihre Rolle mit eleganter Zurückhaltung aus, mischte sich nicht in die Staatsgeschäfte ein, nahm aber an „Staatsakten, Empfängen und Fest­lichkeiten teil“13 und trug so aktiv zur Politik eines glanzvollen und bedeutenden Hofes bei. Das abgebildete Portrait lässt die Ausstrahlung der Gräfin auch heute noch erahnen. Es ist wahrschein­lich in ihrer Dresdner Zeit entstanden 14 (Abb. 8). Zwei Generationen später lernte Maria Antonia Pessina di Branconi, 1746 in Genua geboren, das höfische Leben kennen. In Neapel aufgewachsen, mit 12 Jahren verheiratet, mit 20 Jahren Witwe und Mutter zweier Kinder,15 ­begegnete sie im

Anm. 1, S. 88 ff. 13 Krauss-Meyl, wie Anm. 1, S. 93 u. 89. 14 Weitere Abbildungen vgl. Heyde, Astrid: Königs­marck. Bilder aus drei Generationen. 31.8.1991 bis 8.11.1991 Schloss Agathenburg (Hg. Landkreis Stade, der Oberkreisdirektor), Stade 1991. Für viele Bilder der Gräfin liegen weder Angaben zum Maler noch zur Entstehungszeit vor. Das abgebildete Porträt zeigt Aurora v. Königs­marck mit den modischen Attributen, die am damaligen sächsischen Hof galten, das sehr helle Inkarnat [Hautfarbe – d. Verf.], „die stark gepuderte Perücke und die extreme Schnürung der Taille“ (Ebd., S. 29). 15 Über diese gesicherten Fakten hinaus vgl. zu weiteren Vermutungen, insbesondere zu ihrer mög­licherweise adligen Herkunft, Rimpau, wie Anm. 11, S. 2 ff.

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November 1766 in Neapel dem mit der Schwester des Königs von Großbritannien verheirateten Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg auf seiner Grand Tour und begleitete ihn in die braunschweigische Residenz. Im Vergleich zur luxuriösen Hofhaltung Augusts II. als sächsischer Kurfürst und polnischer König wirkte das unter dem Einfluss von Aufklärung und Merkantilismus stehende barocke Hofleben unter Herzog Karl I. von Braunschweig-Lüneburg sicher weniger aufwändig. Aber auch nach der Staatsschuldenkrise um 1770 gab es „prächtige Feste“, und an der herzog­lichen Tafel wurde „glanzvolles Essen mit viel Burgunder und anderen Weinen“ gereicht.16 Ebenso ist die Rede von Bällen, Maskeraden, tollen Schlittenfahrten und anspruchsvollen Opernaufführungen. Der braunschweigische Hof, allen voran Herzogin Philippine Charlotte,17 zeichnete sich jedoch eher durch enge Kontakte zu „namhafte[n] Gelehrte[n] und Philosophen“ aus und durch seine Offenheit für Reformen.18 Die Herrscherfamilie glänzte damit, „das Herzogtum Braunschweig zu einem der fortschritt­ lichsten Territorien Deutschlands zu machen“. Unter Karl Wilhelm Ferdinands Regierung seit 1780 wurde der ‚Große Club‘ das eigent­liche Machtzentrum. Hier versammelte sich, wie vorher schon im ‚Großen Kaffeehaus‘, die aufgeklärte Elite des Landes, darunter paritätisch besetzt Adelige, Kaufleute, Geistesgrößen und Militärs. In diesem den Männern vorbehaltenen Kreis wurden Zeitungen gelesen und die Erkenntnisse aus Politik und Wissenschaft ausgetauscht, dies ein

16 Moderhack, Richard: Besucher im alten Land Braunschweig, Braunschweig 1992, S. 51, vgl. auch S. 63, S. 67 f., S. 84, S. 92, S. 93 , S. 101 f., S. 103 f. Zum braunschweigischen Hof vgl. grundlegend Albrecht, Peter: Das Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (1735 – 1806), in: Jarck, Horst-Rüdiger/Schildt, Gerhard (Hg.): Die braunschweigische Landesgeschichte, Braunschweig 2000, S. 575 – 610. 17 Philippine Charlotte, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg und Fürstin von Braunschweig-Wolfenbüttel (1716 – 1801), war die Schwester Friedrichs des Großen und die Gemahlin des bis 1780 in Braunschweig-Wolfenbüttel regierenden Herzogs Karl I. (Heirat 1733 in Berlin). Sie war temperamentvoll, sehr gebildet, bibliophil, musisch veranlagt und verfolgte interessiert das deutsche Geistesleben ihrer Zeit (Wertschätzung von Lessing). Daneben spendete sie erheb­liche Summen für karitative Aufgaben und trug mit ihrem Privatvermögen Anfang der 1770er Jahre erheb­lich zur Sanierung der Staatsfinanzen bei (vgl. Münch, Ingrid: Braunschweig-Lüneburg, Philippine Charlotte, Herzogin von, in: Jarck, wie Anm. 10, S. 93 f.); zum Briefwechsel mit dem Bruder vgl. http://friedrich.uni-trier.de. 18 Zur Kulturfunktion des braunschweigischen Hofes vgl. Graf, Martina: Buch- und Lesekultur in der Residenzstadt Braunschweig zur Zeit der Spätaufklärung unter Herzog Karl Wilhelm Ferdinand (1770 – 1806) (Archiv für Geschichte des Buchwesens 42), Frankfurt 1994, v. a. S. 11 – 24 u. 225 – 246, Zitate hier und im Folgenden S. 246.

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Beispiel dafür, dass sich der Rahmen für eine potenzielle politische Teilhabe dem Bereich weib­licher Einflussnahme, wie er zuvor an den Höfen als Zentren der Macht u. a. für Mätressen noch gegeben war, zunehmend entzog. In ihren zehn braunschweigischen Jahren nahm Maria Antonia die Stellung einer offiziellen Mätresse des seit 1770 mitregierenden Erbprinzen ein. Sie bewohnte seit 1772 ein barockes Palais in der Nähe des Braunschweiger Schlosses. 1767 kam der gemeinsame Sohn Karl Anton Ferdinand in Braunschweig zur Welt. Karl I. stellte sich als Taufpate zur Verfügung und erreichte 1770 beim Kaiser in Wien die Erhebung zum Grafen von Forstenburg. Für die standesgemäße Lebenshaltung des jungen Grafen hinterlegte der regierende Fürst 100.000 Gulden zur Anlage in Grundbesitz. Die Erziehung des Grafen Forstenburg übernahm von 1773 bis Frühjahr 1777 Johann Joachim ­Eschenburg. Der Freund Lessings und spätere Professor am Collegium Carolinum war ein wichtiger Vertreter der norddeutschen Aufklärungsbewegung. Maria Antonia von Branconi selbst hat sich in der Residenz Achtung u. Freundschaft von den angesehensten u. ersten Männern u. Damen erworben.19 Sie tauschte sich aus mit den ansässigen Professoren und las die Satiren von Horaz und B ­ oileau.20 Auswärtige Besucher bat sie zu sich, wie beispielsweise im September 1772 den könig­lich hannoverschen Leibarzt und Schriftsteller Johann Georg Zimmermann – nach seiner Audienz bei Herzogin und Erbprinzessin. Ende 1774 wurde sie von Kaiser Joseph geadelt, ebenso ihre zwei in Neapel ehe­lich geborenen Kinder. Maria Antonia, nunmehr von Branconi, erwarb 1776 das Rittergut Langenstein unweit von Halberstadt (preußische Provinz Sachsen), wo der Erbprinz sein Regiment hatte. Damit besaß sie eine kleine Herrschaft, deren Gutsbetrieb ihr Einnahmen verschaffte. Das 1770 entstandene Portrait (Abb. 12) gibt den Blick des weib­lichen Künstlers auf eine selbstbewusste Frau wieder. Anna Rosina de Gasc, Porträ­tistin der braunschweigischen Herrscherfamilie, malte die junge Frau im D ­ eshabilier 21 [Hauskleid – d. Verf.] mit Schminkmäntelchen. Es ähnelt einem 1758

19 Brief Karl Johann Konrad Michael Matthaeis, Erzieher des Grafen Forstenburg und Sekretär Frau von Branconis, an Johann Caspar Lavater vom 19. Oktober 1782, nach Rimpau, wie Anm. 11, S. 78; Zimmermanns Besuch vgl. ebd., S. 16; zu Zimmermann, Matthaei u. Lavater vgl. jeweils die Allgemeine Deutsche Biographie (45 bzw. 52) 1900 bzw. 1906 und die NDB 13 (1982); zu Eschenburg vgl. Graf, wie Anm. 18, S. 18 u. Register S. 310. 20 Rimpau, wie Anm. 11, S. 20. Die Satiren von Horaz u. Boileau gehören zur römischen bzw. französischen Klassik. 21 Anna Rosina de Gasc (1716 – 1783), Tochter des Hofmalers Georg Lisievsky zu Berlin, 1756 Malerin am Hofe Anhalt-Zerbst, seit 1770 in Braunschweig, dort seit 1777 Hofmalerin,

Maria Aurora von Königs­marck und Maria Antonia Pessina von Branconi 293

entstandenen, ebenfalls in rosa grau-weiß gehaltenen Porträt der Pompadour bei der Toilette, die „tief dekolletiert, mit gepudertem Haar, in einem hellen, über und über mit Rüschen, Spitzen und rosa Schleifen geschmücktem Kleid und dazupassendem Frisiermantel“ zu sehen ist.22 Nicht fern liegt der Gedanke, es handele sich bei dem Porträt Frau von Branconis um ein augenzwinkerndes weib­liches Spiel von Künstlerin und Modell, das auf die Pompadour, Staatsmätresse des französischen Königs Ludwig XV., als berühmtes Vorbild einer Maitresse en Titre anspielt. Die Demonstration luxuriösen Konsums durch Frau von Branconi lässt sich als Signal für eine erfolgreiche Positionierung bei Hofe werten.23 1770, im Jahr der Entstehung des Porträts, war Graf Forstenburg zum Reichsgrafen erhoben worden. In demselben Jahr wurde Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand Mitregent im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Entsprechend hatte Maria Antonia Anlass, sich der braunschweigischen Hofgesellschaft oder mit ihr eng verbundener Kreise zu präsentieren und damit selbstbewusst ihren Status in dieser sozialen Gruppe zu behaupten.

bevorzugte Porträtistin der Herzogin Philippine Charlotte.; vgl. Berckenhagen, Ekhart: Anna Rosina Lisiewska-Matthieu-de Gasc, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte (Bd. 31), München 1992, S. 77 – 108, zum oben abgebildeten Porträt der Branconi ebd. S. 91, Rosina de Gasc malt sie „erfolgsheiter, hintergründig lächelnd, in virtuos rosa grau-weiß abgestuftem Kolorit“; Frau de Gasc hatte sich 1747 selbst als „emanzipiert-heitere, ja lebensfrohe junge Frau, […], augenblicks- und ihres Könnens bewußt“ dargestellt. Selbstbildnis 1747 (Potsdam, Neues Palais), Zitat und Abbildung in: Ebd., S. 77. u. 85. 22 Das Bild der Madame de Pompadour (1721 – 1764) von Francois Boucher, abgedruckt bei Lehnert, Gertrud: Frauen mit Stil. Modeträume aus drei Jahrhunderten, München 2012, S. 19, Zitat S. 18. Maria Antonia hatte 1767 Karl Wilhelm Ferdinand auf der Rückreise seiner Grand Tour mindestens bis Paris begleitet u. dabei das Bild mög­licherweise sogar im Original gesehen. Anna Rosina de Gasc verfügte über Kontakte zu europäischen Höfen. In jedem Falle ist davon auszugehen, dass zahlreiche Kopien als Stiche im Umlauf waren. Bei der Interpretation des Bildes greife ich, wenn nicht anders erwähnt, auf die Informationen von Herrn Dr. Martin Eberle, Direktor der Stiftung Friedenstein, zurück, der mir die Verwendung dankenswerterweise gestattet hat. Ergänzend zum Auftreten im Boudoir und im Deshabillier: Die Pompadour empfing in diesem informellen Rahmen Staatsgäste. Dies war als Teil des inoffiziellen Protokolls durchaus mög­lich. „Somit wäre es fast eine Art ‚Staatsporträt‘, aber eben ganz den Normen entsprechend, denn es ist ja nicht wirk­lich.“ (Zitat Eberle, Martin). Ebenfalls bedanken möchte ich mich für die Unterstützung meiner Recherchen bei Herrn Dr. Brage Bei der Wieden und Frau Ewa Schmid (beide NLA – Standort Wolfenbüttel –). 23 Osswald-Bargende, wie Anm. 5, S. 97.

294 Gudrun Fiedler

Es wird deut­lich, dass Maria Aurora von Königs­marck und Maria Antonia von Branconi selbstbewusst, geistreich und klug waren und sicher­lich darin gewandt, ihre Position bei Hofe nicht nur zu behaupten, sondern diese im Bewusstsein um das meist kurzfristige Mätressendasein für die Absicherung der eigenen Zukunft und der ihrer Nachkommen zu nutzen. Die dafür notwendigen Eigenschaften finden bei einigen gelehrten Zeitgenossen Anklang und Würdigung, etwa bei Georg Christian Lehms. Dieser widmete 1715 Maria Aurora sein Werk über Teutschlands galante Poetinnen u. a. mit den Worten: Klugheit, Verstand und das Geheimnüß, auch von den allerschwersten Sachen wohl zu urtheilen, ist eine von ihren hohen Vorfahren ererbte Sache. Maria A ­ ntonia wiederum wurde von Johann Georg Zimmermann, einem Freund Lavaters, anläss­lich seines Besuches 1772 in Braunschweig als das größte Wunder von Schönheit …, das in der Natur existirt, und hierbey noch die besten Manieren hat, die edelste Sittsamkeit und den aufgeklärtesten Verstand bezeichnet.24

Das Konzept der ‚schönen Seele‘ als Form der Ausgrenzung weib­licher Kreativität Um die Zäsur in der Betrachtung der Frauenrolle genauer zu beleuchten, soll im Folgenden das Konzept der ‚schönen Seele‘ aus der Zeit der Empfindsamkeit betrachtet werden. Dieses führt zu einer Ausgrenzung weib­licher Kreativität, wie hier anhand von Auszügen der ‚empfindsamen Briefkultur‘ am Beispiel der Maria Antonia von Branconi aufgezeigt werden soll. Sie hielt nach 1777 auch ohne ihre Verbindung zum Hof Kontakt zu Intellektuellen und Schriftstellern, deren Texte zur Verbreitung der bürger­lichen Ideale beitrugen, u. a. zu Johann Caspar Lavater, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Sophie von La Roche. Goethe bezog Maria Antonia von Branconi ebenso wie andere Briefpartner in den Austausch über seine Manuskripte zu Iphigenie auf Tauris oder Wilhelm Meisters theatralische Sendung ein. Sie gab ihm den Impuls zu dem Gedicht Über allen Wipfeln ist Ruh’.25 Maria Antonia von Branconi erregte in diesen bildungsbürger­lich geprägten Kreisen Aufsehen. Eine selbstständig agierende und mit Anfang 30 immer noch 24 Lehms, Georg Christian: Teutschlands galante Poetinnen mit ihren sinnreichen und netten Proben, Frankfurt/Main 1715, zitiert aus seiner Widmung für Aurora, nach Fiedler, Barockdichterin, wie Anm. 1, S. 5; Rimpau, wie Anm. 11, S. 16. 25 Eissler, Kurt R.: Die Branconi-Episode, in: Sinn und Form. Beiträge zur Literatur (Bd. 42), Berlin 1990, S. 147 – 168; zu den Manuskripten Rimpau, wie Anm. 11, S. 60.

Maria Aurora von Königs­marck und Maria Antonia Pessina von Branconi 295

ausgesprochen gut aussehende Frau, „ohne klare gesellschaft­liche Stellung“, 26 in Neapel aufgewachsen, höfisch geprägt, ehemalige Mätresse eines Fürsten, alleinstehende Witwe und Mutter dreier Kinder, stilsicher im Auftreten, dazu intelligent und interessiert, das irritierte – und faszinierte. Vorzustellen sind ähn­liche Reaktionen wie beim Schweizer Magistraten und Ökonomen Nikolaus Anton Kirchberger, der von Lavater wissen wollte: haubt Züge [die hauptsäch­ lichen Grundzüge ihres Lebens – d. Verf]. aus ihrem leben einige Detail über ihre Geburt und Charakter, ich wünschte alle die widrige eindrücke, die der Neid gegen diese äußerst interessante person, die ich von ganzem Herzen hochschätze, ausbreiten will, vollkommen zu widerlegen.27 Der Schweizer Theologe, Philosoph und Schriftsteller Johann Caspar L ­ avater korrespondierte mit Goethe und Frau von Branconis Sekretär Karl Johann ­Konrad Michael Matthaei seit 1779 intensiv über seine Eindrücke und vergewisserte sich seiner eigenen Empfindungen dieser attraktiven Frau gegenüber. Goethe war beim ersten Aufeinandertreffen im Oktober 1779 hingerissen – wehrte aber ihre erotische Wirkung in Briefen an Frau von Stein und Lavater sofort ab. An Lavater schrieb er, er sei froh, nicht ihr Sekretär Matthaei zu sein, an diesem Platz würde man wie Butter an der Sonne stehen und verg­lich Antonia Maria mit einer Sirene.28 Alle, auch Goethe Dritten gegenüber, betonen ihre Schönheit (die Schöne, die schöne Frau, die überschöne Branconi), ihre Reinheit, Unschuld, Güte,29 sahen sie als guten Menschen und hoben sie als Fürstinn (sic!) oder eine Heilige sowie als mißbannten (sic!) Engel auf ein Podest.30 Matthaei,

26 Pestalozzi, wie Anm. 11, S. 38. 27 Kirchberger an Lavater am 16.10.1780, nach Rimpau, wie Anm. 11, S. 59 (1775 Mitglied des Großen Rates der Stadt Bern, 1785 Landvogt zu Gottstadt, Ökonom, vgl. Wikipedia ‚Kirchberger‘). 28 Goethe am 22. Oktober 1779 an Frau v. Stein, dieses und die weiteren Zitate aus Goethe-Briefen an Frau v. Stein bzw. an Lavater 1779 – 81/83, vgl. Goethes Werke, hg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen, Weimar 1887 – 1919 (Weimarer Ausgabe), hier: IV. Abteilung: Briefe, Bd. 4: Weimar, Schweiz, Weimar, 1779 – 1780, S. 92 f., 114, 274, 282, 320 f.; Bd. 5: Weimar, 1780 – 1782, S. 88; Bd. 6: Weimar, 1782 – 1784, S. 195, 199 (im Folgenden Goethe Briefe); vgl. auch Rimpau, wie Anm. 11, S. 52, 55 – 57, 63 f., 89 ff. und die Thesen Pestalozzis, wie Anm. 11. 29 Matthaei am 16. Juni 1779 an Lavater, nach Rimpau, wie Anm. 11, S. 51 (Rimpau lagen die Originalbriefe aus Lavaters Nachlass vor, die bis heute nicht ediert wurden, vgl. ebd., S. 46, Anm. 1). 30 Goethe an Lavater am 20. September 1780, in: Goethe Briefe, wie Anm. 28, S. 57 (erstes Zitat); Lavater an Kirchberger am 18. Dezember 1780, ebd., S. 60 (zweites Zitat).

296 Gudrun Fiedler

Branconi ebenso wie Lavater mit einer Bruderliebe zugethan,31 nannte sie die gute Seele und sah den Himmel […] auf I h r e n (sic!) Gesichte ruhen,32 Lavater in ihrer äußeren Schönheit die innere Heiligkeit eines Charakters, dem das Publicum notorische Anomalien [als ehemalige Mätresse eines Fürsten – d. Verf.] vorwerfen kann. Er sah ihre äußere Makellosigkeit sogar als ein Signal für eine angeborene Gottebenbild­lichkeit,33 die sie inner­lich vollständig ausbilden könne, wenn sie sich moralisch einwandfrei verhielte. Matthaei beklagte, dass der Engel, der wann er sich gleich bleiben kann, so heilig-werth ist, sich mit nicht gemäßen alltäg­lichen Kleinigkeiten wie Rechnungen oder Anweisungen an das Gesinde beschäftigen müsse. Einzig Goethe betonte unmittelbar nach dem ersten Treffen neben ihrer Schönheit auch ihren Geist: Sie kommt mir so schön und angenehm vor, daß ich mich in ihrer Gegenwart stille fragte obs auch wahr sayn mögte dass sie so schön sey. Einen Geist! ein Leben! einen Offenmuth! daß man eben nicht weiß, woran man ist.34 Wilhelm Rimpau bestätigte um 1900 nach Einblick in das Gutsarchiv von Langenstein, dass sie sich mit regem Interesse und männ­lichem Verständnis den geschäft­lichen Angelegenheiten ihres Gutes gewidmet habe.35 Lavater, Matthaei und Goethe, letzterer vermut­lich seine eigenen Gefühle überspielend, deuteten die große Schönheit Frau von Branconis, ihr Auftreten, ihre Ausstrahlung und (erotische) Wirkung als Ausdruck einer tugendhaften und (religiös-)entrückten Inner­lichkeit, im 18. Jahrhundert zusammengefasst im Konzept der ‚schönen Seele‘. Es irritierte, dass diese Frau auch (männ­lich) tatkräftig war: Konnten in der Frühaufklärung im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts „im Konzept der weib­lichen Gelehrsamkeit die realen gelehrten Frauen dem programmierten Idealtypus noch weitgehend entsprechen – da Gelehrsamkeit den Erwerb von ästhetischen und szientifischen Qualifikationen zur Voraussetzung hatte und die Frauen, die sich diese Regelkompetenzen erwarben,

31 Matthaei, in: Goethe Briefe, wie Anm. 28, S. 49 u. Lavater an Branconi am 8. Juni 1779, ebd., S. 51. 32 Matthaei an Lavater am 16. Juni 1779 u. am 19. Oktober 1782, in: Goethe Briefe, wie Anm. 28, S. 49 u. 78. 33 Pestalozzi, wie Anm. 11, S. 36; Lavater, in: Goethe Briefe, wie Anm. 28, S.60. 34 Matthaei an Lavater am 1. Juli 1782; Goethe an Frau v. Stein am 23. Oktober 1779, in: Goethe Briefe, wie Anm. 28, Bd. IV, S.88 u. 92 – 93, beide nach Rimpau, wie Anm. 11, S. 77 u. 52; vgl. auch ebd., S. 92. 35 Matthaei an Lavater am 1. Juli 1782; Goethe an Frau v. Stein am 23. Oktober 1779, in: Goethe Briefe, wie Anm. 28, Bd. IV, S.88 u. 92 – 93, beide nach Rimpau, wie Anm. 11, S. 77 u. 52.

Maria Aurora von Königs­marck und Maria Antonia Pessina von Branconi 297

dann eben gelehrt waren, – so kommt die empfindsame Weib­lichkeit nur in der Imagination – also in einer Sphäre, wo die Phantasie das Realitätsprinzip hinter sich lassen kann – zur vollen Entfaltung. Das Bild der Empfindsamen ist inkompatibel mit aktiven oder gar aggressiv-produktiven Repräsentationsformen. Die >schöne Seele< ist nicht so sehr kreativ als passiv gut.“36

Zwei schlecht erinnerte Frauen Der Briefwechsel über Frau von Branconi ist ein einleuchtendes Beispiel für die Neucodierung der Geschlechter im 18. Jahrhundert. Der Schluss liegt nahe, dass nicht nur die Wahrnehmung der Branconi, sondern auch die Erinnerung an Aurora von Königs­marck beeinflusst worden ist durch die im 18. Jahrhundert sich durchsetzende bürger­liche Vorstellung von Weib­lichkeit und Tugend. Dies bietet eine Erklärung dafür, dass Leben und Wirken beider Frauen bis in die Gegenwart hinein einseitig rezipiert werden. Erst die neuere Forschung hat Maria Aurora von Königs­marck wieder einen würdigen Platz in der Geschichte zugewiesen: „Es ist nicht allein die künstlerische, speziell die literarische Produktion, die der schwedischen Gräfin und Quedlinburger Pröpstin Maria Aurora von Königs­marck den großen Ruhm bescherte. Es ist wohl eher die ungewöhn­liche Kombination von reicher Begabung, kultureller Wirksamkeit, hohem Adel, modern anmutender, unverheirateter, selbständiger Lebensart, Charme und Schönheit, die sie zu einer der interessantesten und umschwärmtesten Frauen bis heute macht.“37

36 Bovenschen, wie Anm. 1, S. 194. 37 Fiedler, Barockdichterin, wie Anm. 1, S. 69.

Maria Aurora (1662 – 1728)  Friedrich August (August der Starke) Kurfürst von Sachsen, König von Polen (1670 – 1733)

Aurore Dupin de Francueil (George Sand) (1804 – 1876)

Hermann Moritz von Sachsen (1696 – 1750)  Marie Rinteau de Verrières (1730 – 1775)

Carl Johan (1659 – 1686)

Cordt/Conrad Christoph (1634 – 1673)  Marie Christine Gräfin von Wrangel (1638 – 1691)

Charles Emil Graf von Löwenhaupt (1691 – 1743)

Amalie Wilhelmine (1663 – 1740)  Carl Gustav Graf von Löwenhaupt (1662 – 1703)

Johann Friedrich (1635 – 1653)

Die schwedische Grafenfamilie von Königsmarck

Ulrika Augusta Gräfin von Löwenhaupt (1691 – 1718)

Philipp Christoph (1665 – 1694)  Sophie Dorothea von Celle Kurprinzessin von Hannover (1666 – 1726)

Beate Elisabeth (1637 – 1723)  Pontus Fredrik Graf De la Gardie (1630 – 1692)

Otto Wilhelm (1639 – 1688)  Catharina Charlotte Gräfin De la Gardie (1655 – 1697)

Fredrik Königsmarck Graf von Löwenhaupt (1696 – 1770)

Gustav Herminius (1666 – 1667)

Hans Christoph (1605 – 1663)  Maria Agathe von Lehsten (1608 – 1671)

4 Kinder   früh verstorben

Ebba Maria Gräfin De la Gardie (1658 – 1697)

Maria Agneta/Agnisa (1643 – 1650)

Johanna Eleonora Gräfin De la Gardie (1661 – 1708)  Erik Gustav Graf von Stenbock (1662 – 1722)

Stammtafel

Abstracts (deutsch)

BEATE-CHRISTINE FIEDLER

Die Königs­marcks – Glanz und Untergang einer schwedischen Grafenfamilie Vorgestellt wird eine außergewöhn­liche Familie, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts im Elbe-Weser-Raum beheimatet war. Hans Christoph von Königs­marck (1605 – 1663), gebürtiger Brandenburger und Begründer dieser schwedischen Grafenfamilie, machte im Dreißigjährigen Krieg in schwedischen Diensten eine steile Karriere und erwarb ein ebenso großes Ansehen wie Vermögen. 1645 eroberte er für die schwedische Krone die nordwestdeutschen Territorien Bremen und Verden, die bis 1712 als Herzogtümer unter schwedischer Landesherrschaft blieben. Nach der erfolgreichen Einnahme der Prager Kleinseite 1648 ließ er die kaiser­liche Kunstkammer im Schloss plündern und die nahezu unermess­liche Kriegsbeute größtenteils nach Stockholm verschiffen. Als einfluss­reicher Gouverneur und reich privilegierter Grundbesitzer avancierte er nach dem Krieg faktisch zu einem Provinzfürsten in Bremen-Verden und errichtete für seine Familie vor den Toren der Provinzhauptstadt Stade das Schloss Agathenburg. Er starb 1663 in Stockholm und hinterließ ein immenses Vermögen. Die Kinder erhielten eine hervorragende Ausbildung und heirateten in die vornehmsten schwedischen Adelsfamilien, De la Gardie und Wrangel, ein. Besonders der jüngste Sohn, Otto Wilhelm von Königs­marck (1639 – 1688), entsprach wie kaum ein anderer dem Idealbild des schwedischen Hochadels jener Zeit. Er war international als Feldherr und Diplomat angesehen. Wie sein Vater wurde er Feldmarschall und Gouverneur, allerdings in Pommern, Rügen und Wismar. Darüber hinaus war er ein hoch gebildeter, verantwortungsbewusster und frommer Mann und insgesamt der bedeutendste männ­ liche Protagonist der Familie. Auf dem Höhepunkt ihres gesellschaft­lichen, militärischen und politischen Ansehens wurden die Königs­marcks jedoch von der groß angelegten Reduktionspolitik der schwedischen Krone getroffen. Sie verloren einen Großteil ihres Besitzes und damit ihres Vermögens und Einflusses. Der enttäuschte Otto Wilhelm von Königs­marck verließ 1685 Schweden, nahm zunächst in kaiser­lichen, seit 1686 in venezianischen Diensten an den Türkenkriegen teil und starb 1688 hoch verehrt in Griechenland im Beisein seiner Frau Catharina Charlotte, geb. De la Gardie (1655 – 1697), an einer Seuche. Die Witwe verbrachte ihre letzten Lebensjahre von 1689 bis 1697 in Stade und Agathenburg.

302 Abstracts (deutsch)

Die dritte Generation, in Glanz und Reichtum aufgewachsen und im Luxus lebend, war fester Bestandteil der höfischen Festkultur des Barock. Zu erwähnen sind vor allem die Geschwister Maria Aurora (1662 – 1728) und Philipp Christoph von Königs­marck (1665 – 1694). Das Ende der schwedischen Königs­ marcks ist bezeichnend für diese Generation. Philipp Christoph, Offizier wie seine Vorfahren, vor allem jedoch attraktiver ‚Lebemann‘ und Abenteurer, verschwand 1694 spurlos im Leineschloss in Hannover. Er wurde vermut­lich von Hofkavalieren ermordet, nachdem seine Liebesbeziehung zur Kurprinzessin Sophie Dorothea von Hannover und die geplante Flucht bekannt geworden waren. Mit ihm starb der letzte männ­liche Graf Königs­marck. Bereits mit der dritten Generation endete somit der schwedische Zweig der Familie. In dem vergleichsweise kurzen Zeitraum war die Grafenfamilie in die schwedische Großmachtpolitik eingebunden und in ganz Europa bekannt. Darüber hinaus verkörperte sie in vielfältiger Weise das idealtypische Leben des Adels im Zeitalter des Barock.

SYLVIA KRAUSS-MEYL

Maria Aurora von Königs­marck – Überblick über das Leben der „berühmtesten Frau zweier Jahrhunderte“ Voltaire nannte Maria Aurora Gräfin von Königs­marck „die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte“. Sie stammte aus einer deutsch–schwedischen Adels­ familie des 17. Jahrhunderts, die durch die Waffenerfolge ihres Großvaters Hans C ­ hristoph von Königs­marck für die schwedische Krone im Dreißigjährigen Krieg zu europaweitem Ansehen und immensem Vermögen gelangt war. Maria Aurora selbst war hochgebildet, selbstbewusst und eine strahlende Schönheit. Aufgewachsen in Schloss Agathenburg und Stade, verbrachte sie ihre Jugendjahre in Hamburg und Stockholm, wo sie eine exzellente Ausbildung genoss. Ihre frühen literarischen Werke begründeten ihren Ruf als bedeutende Barockdichterin. Nach ihrer Rückkehr nach Hamburg entwickelte Maria Aurora einen eigenständigen Lebensplan, indem sie alle Heiratsanträge ablehnte und stattdessen Kontakte zum Quedlinburger Damenstift suchte. Großes Unglück brachte ihr Bruder Philipp Christoph über die Familie, der in Hannover in eine skandal­trächtige Liebesaffäre mit der Kurprinzessin Sophie Dorothea verwickelt war und 1694 plötz­lich verschwand. Auf der Suche nach ihm kam Maria Aurora an den Dresdner Hof, wo sie die erste Staatsmätresse des sächsischen Kurfürsten Friedrich August – August des Starken – wurde. 1696 brachte sie in Goslar ihren gemeinsamen Sohn Moritz zur Welt, welcher

Abstracts (deutsch) 303

später der bedeutendste Feldherr im Frankreich des 18. Jahrhunderts werden sollte. Sie selbst wollte nach dem Ende der knapp zweijährigen Beziehung zu August das einträg­liche Äbtissinnenamt des freiwelt­lichen Damenstifts von Quedlinburg einnehmen und somit den hohen Rang einer Reichsfürstin erlangen. Die Schutzvogtei über das Stift lag bei August dem Starken, der diese jedoch 1697 im Zuge seiner Kandidatur um die polnische Königskrone an den Kurfürsten ­Friedrich III. von Brandenburg veräußerte. Maria Aurora gelang es in den Wirren dieser Jahre, im Stift als Nachfolgerin der amtierenden Äbtissin aufzusteigen und zur Pröpstin gewählt zu werden. Ihr Ziel, auch Äbtissin zu werden, scheiterte jedoch in den nachfolgenden Jahren am Widerstand zweier feindseliger Stiftsdamen. Maria Aurora fand sich mit ihrer Situation ab. Sie reiste viel und führte ein gesellschaft­liches Leben in Dresden, Leipzig und Warschau. Während des Großen Nordischen Kriegs von 1700 bis 1721 übernahm sie für August den Starken, der seit 1697 König von Polen war, sogar eine heikle und letzt­lich missglückte diploma­tische Mission. Trotz mancher Rückschläge und Verluste bewahrte die galante Gräfin Königs­marck bis ins Alter nicht nur ihre Schönheit, ihre Ausstrahlung und ihre geistreiche Schaffenskraft, sondern auch eine große innere Unabhängigkeit, durch die sie ihr Dasein als Stiftsdame souverän und frei gestaltete. Diese Haltung, die Voltaire wohl zu seiner Einschätzung bewog, kam im literarischen Werk und in der emanzipierten Lebensführung ihrer Ururenkelin, der berühmten französischen Schriftstellerin George Sand, hundert Jahre später erneut und noch wirkungsvoller zur Geltung.

HEIKE DÜSELDER

Stifterin, Urheberin, Dilettantin – Adelige Frauen als Schlüsseloder Randfiguren der frühneuzeit­lichen Kulturproduktion Gelehrte und an Kunst und Kultur interessierte Frauen hatten in der Frühen Neuzeit nur wenige Mög­lichkeiten zur Entfaltung ihres Wissens und ihrer Krea­ tivität in der Öffent­lichkeit. Die Frauen des Adels nahmen in diesem Handlungsraum jedoch eine besondere Stellung ein. Durch die Erziehung in einem von Repräsentationsdenken und Statusbewusstsein geprägten Haus waren den meisten von ihnen die schönen Künste vertraut und sie nutzten den adeligen Status, um ihre intellektuellen Fähigkeiten auszubauen. Ihr Schaffensort war häufig die eigene Umwelt. Haus und Garten boten ihnen einen Gestaltungsraum, der zu dieser Zeit den Einfluss der Herrschaft repräsentierte und damit den Frauen eine Mög­lichkeit bot, in der Öffent­lichkeit zu wirken. Sie liefen aufgrund ihres Wohlstandes mit entsprechenden Bediensteten nicht Gefahr,

304 Abstracts (deutsch)

sich als ‚gelehrte Frauen‘ dem Stigma vermeint­licher häus­licher Vernachlässigung und gesellschaft­lichen Außenseitertums auszusetzen, sondern nahmen im Gegenteil als unmittelbar Beteiligte an der Kunst- und Kulturproduktion ihrer Zeit teil. Als Mäzeninnen, Impulsgeberinnen, Vermittlerinnen und Sammlerinnen waren sie durch ihr Wissen und Können in die kulturellen Netzwerke eingebunden und konnten diese selbst mitgestalten. Sowohl im Hochadel, an den Höfen und Residenzen als auch im niederen Adel, in den Schlössern und Herrenhäusern, fanden Frauen ein vielfältiges Gestaltungspotential vor. Herrscherinnen wie die Kurfürstin Sophie von der Pfalz oder Wilhelmine von Bayreuth schufen Orte künstlerischer Innovationen, deren kulturelle Ausstrahlung weithin wirkte. Insbesondere der Witwenstand brachte Frauen aus dem niederen Adel in die Position, sich kulturelle Handlungsräume erschließen zu können. Als Stifterinnen von Altären und Epitaphien hinterließen sie kulturelle Spuren und nahmen einen Platz im öffent­lichen Raum ein, der auf ihren kulturellen Kompetenzen und Ansprüchen basierte.

STEPHAN KRAFT

„Denn selbst Apollens Kunst wird hier ein Schatten heissen“ – Zum sichtbar-unsichtbaren literarischen Werk der Gräfin Maria Aurora von Königs­marck Der Beitrag, der von einer parallel erstellten Personalbibliographie (ab S. 331) flankiert wird, gibt einen Überblick über das lyrische, das dramatische und das epische Werk der Gräfin Maria Aurora von Königs­marck, soweit es im Augenblick bekannt ist. Dabei wird insbesondere die diskontinuier­liche und häufig auch versteckte Art der Publikation herausgearbeitet, die hier vorliegt. Aus einer näheren Charakterisierung ihrer Prosaschriften wird anschließend die These entwickelt, dass das Werk Aurora von Königs­marcks beispielhaft für die Literatur der galanten Zeit in Deutschland stehen kann. Es folgt einem spezifischen zeitgenössischen Kommunikationsmodell, das auf situativer Wendigkeit sowie gezielten Ein- und Ausschlüssen durch versteckte Anspielungen basiert und das sich im deutschsprachigen Raum in derselben Vielfalt und Dichte ansonsten kaum ein zweites Mal beobachten lässt.

Abstracts (deutsch) 305

VALBORG LINDGÄRDE

„Wer euch mein Fräulein kent“ – Maria Aurora Königs­marck auf dem schwedischen Parnass Maria Aurora Königs­marck kam mit ihrer Mutter und Schwester im Jahr 1680 nach Stockholm, im selben Jahr, in dem die junge Ulrika Eleonora zu Schwedens Königin gekrönt wurde. Nach dem Tod der Mutter kehrte Aurora von Königs­marck 1692 zurück nach Stade und Hamburg. Während ihrer Jahre in der Hauptstadt der schwedischen Großmacht befand sie sich im Kreis um die Königin. Für den Hof arrangierte sie im Jahr 1684 eine Aufführung von Racines Drama Iphigénie, ergänzt durch einen Prolog und ein Ballett-Element. Es wurde behauptet, dass Aurora Königs­marck allein war auf dem litera­ rischen schwedischen Parnass, und dies hat zu einem gewissen Teil seine Richtigkeit. Einerseits waren mehrere der großen Autoren des 17. Jahrhunderts bereits verstorben, und die nächste Generation war mit einigen Ausnahmen noch nicht hervorgetreten. Andererseits war die kulturelle Aktivität während der beiden letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts, die ja die erste längere Friedensperiode während dieses kriegerischen Jahrhunderts bildeten, offensicht­ lich. Ausländische Theatergesellschaften waren zu Gast in Stockholm, und auf der ersten öffent­lichen Theaterbühne der Stadt spielte eine Theatertruppe aus Uppsala. Die Herausgabe von Belletristik nahm nun Fahrt auf und kennzeichnete insbesondere die 1680er Jahre. Ältere Literatur wie Stiernhielms Hercules wurde aufs Neue gedruckt. Handschriften, die seit einigen Jahrzehnten auf ihre Veröffent­lichung warteten, wurden zum Druck befördert (beispielsweise Wenerid von dem unbekannten Skogekär Bergbo). Auch große Werke wie das mächtige Schöpfungsepos Guds Werk och Hwila erschienen 1685 zum ersten Mal in gedruckter Form. Es ist wahrschein­lich, dass diese Herausgabeaktivität von schwedischsprachiger Literatur das Resultat eines bewussten Sprachprogramms der schwedischen Großmacht war. Zum kulturellen Leben der Zeit gehörten auch die Literatur für das persön­ liche Andachtsleben sowie die weiterhin geschätzte Gelegenheitsdichtung. Erstere wurde hier von Märta Berendes repräsentiert, Hofmeisterin und ‚grand old lady‘ im Kreis um die Königin. Wie die Texte in der geist­lichen Handschriftensammlung Nordischer Weyrauch, enthüllen ihre hinterlassenen handschrift­lichen Gebetbücher das andachtsliterarische Schreiben als eine Art Umgangsform. Die Gelegenheitsdichter um Aurora Königs­marck waren während ihrer Zeit in Stockholm nicht zuletzt die, die die Vorstellung der Iphigénie im ­Wrangelschen Palast im Januar 1684 beachteten, die als eine feministische Manifestation gedeutet wurde. Unter den Gelegenheitsdichtern

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befand sich Sophia Elisabet Brenner, gleichaltrig mit Aurora Königs­marck und, trotz des fast unüberwind­lichen sozialen Abstands, Mitstreiterin im poetischen Schaffen. Fast 50 Jahre lang sollte sie als gelehrte Frau und Dichterin gefeiert werden. Aurora Königs­marck hatte somit Gesellschaft auf dem schwedischen Parnass, nahm jedoch eine ganz eigene Position ein: Sie war eine treibende geistreiche Kraft im Vergnügungsleben des Hofes und Vermittlerin des französischen Kulturlebens.

BO ANDERSSON

„Nordischer weÿrauch“ – Die religiöse Lyrik der Maria Aurora von Königs­marck Die Sammlung Nordischer weÿrauch entstand in den 1680er und frühen 1690er Jahren, als Aurora von Königs­marck eine führende Position am Stockholmer Hof einnahm. Zusammen mit ihrer Schwester Amalie Wilhelmine und ihren Cousinen Ebba Maria und Johanna Eleonora De la Gardie gehörte sie zum engen Kreis um Königin Ulrika Eleonora. Die lyrischen Beiträge des Nordischen weÿrauch sind Texte, die für ihre gemeinsamen Andachtsübungen zum Lesen und/oder Singen vorgesehen waren. Die Gedichte des Nordischen weÿrauch – von der Hand Aurora von Königs­ marcks geschrieben – sind in einer Handschrift der Universitätsbibliothek Uppsala enthalten. ‚Weihrauch‘ als Bezeichnung für Texte, die Gott loben, findet man auch in anderen zeitgenössischen Buchtiteln. Dagegen bekundet das Epitheton ‚nordisch‘ mit aller Wahrschein­lichkeit die Loyalität der hochadligen Dichterinnen gegenüber den Hoffnungen der dänisch geborenen Königin Ulrika Eleonora auf eine politische und militärische Allianz der beiden nordischen Kronen. Doch ist die Sammlung nicht nur politisch interessant; sie lässt sich auch sprach­lich, theologisch, genderhistorisch, poetisch, musikalisch und pragmatisch kontextualisieren. Das Schwedische Reich des 17. Jahrhunderts war ein mehrsprachiger Konglo­ meratstaat. Aurora von Königs­marck beherrschte mehrere Sprachen. Auf Französisch haben sie und andere Damen des Hofes im Jahre 1684 Racines Iphigénie aufführen lassen. Deutsch war dagegen für viele Menschen im damaligen Schweden die religiöse Sprache. Es ist daher nicht überraschend, dass die Gedichte des Nordischen weÿrauch auf Deutsch abgefasst sind. Im Schwedischen Reich des späten 17. Jahrhunderts war der Pietismus eine äußerst umstrittene religiöse Erscheinung. Die Andachtsübungen des Kreises von hochadligen Frauen um die Königin waren in ihrem zeitgenössischen theologischen Kontext als Beispiel des religiösen Separatismus stark provokativ.

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Die Texte des Nordischen weÿrauch folgen u. a. in ihrer emotionalen Qualität der damaligen Poetologie für geist­liche Lieder. Zur ästhetischen Repräsentativität der Sammlung gehört, dass unter den 22 Liedern 17 verschiedene Strophenformen vertreten sind. Musikalisch interessant ist, dass O großer Gott du aller welt gebiether, eines der Lieder von Aurora von Königs­marck, in der Düben-Sammlung der Universitätsbibliothek Uppsala in ihrer eigenen Vertonung vorliegt. Die Uppsalaer Handschrift des Nordischen weÿrauch besitzt einen besonders wertvollen Einband und ist von Aurora von Königs­marcks eigener Hand geschrieben. Die Gedichte waren für einen kleinen auserlesenen Kreis um die Königin vorgesehen; die Sammlung gehörte in die könig­liche Intimsphäre. Eine spätere Handschrift – von einem professionellen Schreiber – ist im Kontext der Kandidatur der Aurora von Königs­marck für das Amt als Koadjutrix des Quedlinburger Frauenstifts zu sehen. Diese Kandidatur war nach ihrer Beziehung zu August dem Starken und der Geburt des Sohnes Hermann Moritz umstritten. Die reich verzierte Titelseite sollte hier offensicht­lich ein repräsentatives religiöses Interesse demonstrieren.

STEFAN HAMMENBECK-EICHBERGER

Die Schwestern Aurora und Amalia von Königs­marck und die Wandteppiche im Östergötland Museum Die Königs­marck’schen Tapeten befinden sich seit 1946 im Besitz des Östergötland Museums und sind in der schwedischen Kunst aus vielerlei Gründen einzigartig. Die mit Seide und Wolle auf Leinen gestickten Tapisserien zeigen drei Hauptpersonen: Die Schwestern Maria Aurora und Amalia Wilhelmina Königs­marck sowie Amalias Ehemann Carl Gustaf Lewenhaupt; diese können durch Vergleiche mit Portraits identifiziert werden. Die Motive gehen vermut­ lich auf Ereignisse aus der Zeit um 1690 zurück, als die Familie Königs­marck in Schweden lebte. Alle sechs Tapisserien weisen die gleiche Höhe auf, können aber aufgrund ihrer unterschied­lichen Breite in drei Gruppen unterteilt werden. Da keine ursprüng­lichen Titel überliefert sind, werden stattdessen seit langem Beschreibungen benutzt. Die kleinsten Tapisserien, Barndomen (Kindheit) und Ålderdomen (Alter), zeigen eine stillende Mutter mit Kind bzw. einen alten Mann, der von ikonographischen Symbolen umgeben ist, die sich wohl auf das nahe Lebensende beziehen. Die mittelgroße Tapisserie Triumftapeten (Triumphtapete) basiert auf einem Kupferstich, der der ehrenvollen Erinnerung des Großvaters

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Hans Christoph von Königs­marck gewidmet ist. Auf der ebenfalls mittelgroßen Rikssaltapeten (Reichssaaltapete) wird die schwedische Klassengesellschaft dargestellt. Maskeradtapeten (Maskeradentapete) und Allegoritapeten (Allegorietapete) sind die größten unter den Königs­marck’schen Tapeten. Die Tapisserien sollen in und für Schloss Vinäs bei Västervik gestickt worden sein, was jedoch frag­lich ist. Frühere Interpretationen führen zu neuen Fragen und Definitionen, die geklärt werden müssen. Eine Borte in Form eines Proszeniums umfängt das Motiv jeweils oben und an den Seiten und kennzeichnet es so als eine Art Theaterbühne. Diese szenische Konstruktion ist einmalig. Neben den Wappenschilden der Familien Königs­ marck und Lewenhaupt im Zentrum zeigen die Borten Eckkartuschen mit ­Emblemen, lateinische Sätze und weitere Motive, wie etwa Großtaten des Herkules. Die jeweilige Gestaltung steht in ikonographischem Bezug zum Hauptmotiv. In der Vergangenheit wurden falsche ikonographische Zuordnungen vorgenommen. Die wichtigste Erläuterung in diesem Zusammenhang betrifft die Triumphtapete. Deren mehrdeutige Ikonografie entfaltet sich durch Symbole für die Familie Königs­marck, wie etwa das allsehende Auge Gottes oder die letzte Großtat des Herkules. Die Hauptfiguren sind hier Maria Aurora von Königs­marck und ihr Schwager Carl Gustav Lewenhaupt. Die Maskeradentapete hingegen zeigt Pallas Athene als zentrale Figur. Lange wurde davon ausgegangen, dass Aurora die Göttin der Kunst verkörpert, neueste Erkenntnisse jedoch weisen auf Königin Ulrika Eleonora hin. Das könig­liche Paar war bei der Hochzeit von Amalia Wilhelmina von Königs­marck mit Carl Gustav Lewenhaupt zugegen. Das Motiv ist zwar sehr familiär, spiegelt jedoch durch die Anwesenheit der Königin die soziale Stellung der Familie Königs­marck in Schweden und in schwedischen Adels- und Hofkreisen wider. Dieser Verweis auf die gesellschaft­lichen Beziehungen der Grafenfamilie ist von Bedeutung. Die Darstellung von Ereignissen aus dem Familienleben der Königs­marcks auf den vier größeren Tapisserien ermög­licht einen einmaligen Einblick in das kulturelle und gesellschaft­liche Leben des damaligen Schwedens. Die Königs­ marck-Schwestern zählten zu den geistig und künstlerisch bedeutenden und angesehenen weib­lichen Persön­lichkeiten ihrer Zeit. Dies muss bei der Interpretation der Motive berücksichtigt werden – ebenso wie die Anwesenheit der Königin in der Maskeradentapete (welche in Hochzeitstapete umbenannt werden sollte), die Wahl des Reichssaalmotivs und der Verweis auf die Familie Königs­marck in der Triumphtapete. Vermut­lich haben die Schwestern Maria Aurora und Amalia Wilhelmina gemeinsam mit ihrem Lehrer, dem schwedischen Hofmaler Ehrenstrahl, die Komposition und Ikonographie der Tapisserien geschaffen.

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Diese Überlegungen sollen Impuls und Basis sein für weitere Fragen zur Funktion der Tapisserien. Wurden sie gestickt, um in einem Schloss weitab vom Zentrum des Geschehens aufgehängt zu werden? Oder dienten sie einem standesbewussten Repräsentationsbedürfnis und wurden geschaffen, um die Position der Familie innerhalb der schwedischen Adelsgesellschaft zu festigen? Letzteres setzt allerdings voraus, dass der Zugang zu den Tapisserien nicht nur den Familienmitgliedern vorbehalten war.

MARTIN LOESER

Maria Aurora von Königs­marck als galante Förderin Johann Matthesons Der Hamburger Publizist, Musiktheoretiker, Komponist und spätere Lega­ tionsrat Johann Mattheson gilt als eine zentrale Figur der Kultur- und Geistes­ geschichte des frühen 18. Jahrhunderts. Mit Maria Aurora von Königs­marck ist er in prominenter Weise durch die Zueignung seiner ersten, im Jahr 1713 erschienenen Musikmonographie Das Neu=eröffnete Orchestre verbunden. Darin rühmt Mattheson Aurora von Königs­marck als seine galante Förderin und Freundin. Von diesem Sachverhalt ausgehend beleuchtet der Beitrag die zwischen beiden bestehenden Beziehungen und schlägt vor dem Hintergrund des höfisch-aristokratischen Galanterieideals des ausgehenden 17. Jahrhunderts den Bogen zum galanten Handeln Auroras. Gezeigt werden dabei u. a. Parallelen zum Wirken der Madeleine de Scudéry. Nicht zuletzt wird die Bedeutung skizziert, die das Galanterieideal für Mattheson im Kontext des Hamburger Gesandtschafts- und Residentenwesens hatte und vor deren Hintergrund seine Widmung an Aurora nachvollziehbar ist.

DOROTHEA SCHRÖDER

„Eine ungemeine Beförderinn schöner Wissenschaften“ – Maria Aurora von Königs­marck und die Musik Maria Aurora von Königs­marck genoss zeitlebens ein hohes Ansehen als Expertin für Musik. Wenn wir Georg Christian Lehms und anderen zeitgenössischen Autoren glauben, waren ihre Begabungen als Sängerin, Cembalistin, Lautenspielerin und Tänzerin überdurchschnitt­lich. Ihre musikalische Erziehung hat mög­licherweise in sehr jungen Jahren mit Clavichordstunden begonnen. In Hamburg, wo Gräfin Maria Christina von Königs­marck und ihre Töchter von 1673 bis 1680 lebten, wurde zu Neujahr 1677/1678 ein öffent­liches Opernhaus

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in Betrieb genommen. Die Gräfin mietete eine Loge und besuchte fast täg­lich die Vorstellungen, vermut­lich begleitet von Maria Aurora und ihrer Schwester Amalia Wilhelmina, die auf diese Weise ihre ersten unmittelbaren Einblicke in die Kunst des musikalischen Dramas, Schauspiels und Tanzes gewannen. Nach ihrem Umzug nach Stockholm im Jahr 1680 wurden Maria Aurora und Amalia Wilhelmina Mitglieder eines Kreises von jungen Adeligen um Königin Ulrika Eleonora, die aktiv dazu beitrugen, Divertissements im französischen Stil am schwedischen Hof einzuführen. Sie zeigten auch großes Interesse an religiösen Liedern und Gedichten in deutscher Sprache. Ein Beispiel hierfür ist Maria Auroras Strophenarie O großer Gott du aller welt gebiether, erhalten in einer Handschrift (Uppsala, Universitätsbibliothek/Düben-Sammlung) und zuerst 1899/1900 von Tobias Norlind erforscht. Die Originalanmerkungen auf einigen der Notenblätter weisen auf Maria Aurora nicht nur als Dichterin, sondern auch als Komponistin der Arie hin. Da der größte Teil aus Gustav Dübens d. Ä., damals Hofkapellmeister und Organist an der Deutschen Kirche St. Gertrud in Stockholm, Feder stammte, scheint es naheliegend, dass er Maria Aurora bei der Entstehung der Arie geholfen hat. Sie komponierte wahrschein­ lich die Melodie (Sopran I), Düben die anderen Teile. Wir dürfen annehmen, dass Maria Aurora regelmäßig Musikunterricht bei ihm nahm. Maria Aurora kehrte 1692 nach Hamburg zurück. Sie war oft Gast an den Höfen in Hannover und Wolfenbüttel, nahm an Karnevalsveranstaltungen teil und besuchte Opernaufführungen und Konzerte. Die Quellen, die sie im Zusammenhang mit Musik, Tanz und Theater erwähnen, sind so zahlreich, dass sie nicht alle in diesem Aufsatz behandelt werden können. Als Maria Aurora offizielle Mätresse des sächsischen Kurfürsten Friedrich August geworden war, erschien sie als Sängerin und Tänzerin während der Karnevalsfeiern in ­Dresden 1695 und 1696. Fastnachts-Lust, ein kurzes Opéra-Ballett, wurde 1697 von Johann Christoph Schmidt komponiert, das Libretto stammte von Maria Aurora. Auch nachdem sie sich als Pröpstin des Quedlinburger Damenstiftes niedergelassen hatte, reiste Maria Aurora weiterhin häufig nach Hamburg und stand dort in Kontakt mit zwei Komponisten: Reinhard Keiser und Johann Mattheson. Beide bemühten sich um ihre Anerkennung und Unterstützung, welche hauptsäch­lich darin bestand, dass sie ihre adeligen Netzwerke nutzten. Zwischen 1703 und 1718 (mindestens) veröffent­lichten Mattheson und Keiser Werke mit wohlklingenden Widmungen an die Gräfin Königs­marck und führten Musikwerke nach ihren Texten auf. Keiser scheint sich kultivierter verhalten zu haben als Mattheson, der bei jeder Gelegenheit mit seinen guten Beziehungen zu Maria Aurora prahlte und sich wegen seines Benehmens im Jahr 1727 mit sarkastischer Kritik von Ernst Gottlieb Baron auseinandersetzen musste.

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Ein weiterer Komponist, der von seiner Bekanntschaft mit Maria Aurora profitierte, war Johann Adolf Hasse. Im Jahr 1719, als er noch ein junger Tenorsänger an der Braunschweiger Oper war, reiste er nach Quedlinburg (wahrschein­ lich, um dort zu musizieren) und begann eine heim­liche Liebesaffäre mit Maria Auroras Schwiegertochter Victoria von Loeben, die sich ebenfalls im Damenstift aufhielt. Durch ihre ausgedehnten Reisen und ihre intimen Kenntnisse des Musiklebens an den bedeutenden Höfen zwischen Stockholm und Dresden konnte Maria Aurora ihr Netzwerk zur Unterstützung aufstrebender Komponisten gut einsetzen. Selbst eine aktive Musikerin, zeigte sie Sympathien für ihre professionellen Kollegen. Dass die Gräfin Königs­marck ihnen ohne aristokratische Arroganz gegenübertrat, mögen die Musiker, die ihre Bekanntschaft machten, mehr geschätzt haben als ein Mäzenatentum, das sich allein auf finanzielle Förderung beschränkt hätte.

ULRICH ROSSEAUX

Der Fürstenhof im Barock – Zu Struktur und Funktionen eines soziokulturellen Gesamtkunstwerks Der fürst­liche Hof des Barockzeitalters war eine Sozialformation, in der sich die politischen, ökonomischen und kulturellen Partizipationsmög­lichkeiten der adeligen Eliten bündelten. Die Höfe bildeten ein europäisches Netzwerk, in dem – geschlechtsspezifisch differierende – Karrieren mög­lich waren. Diese Bündelungsfunktion der Höfe diente einerseits der Machtausübung und der Machtvergrößerung der Fürsten. Indem die Karrierechancen der adeligen Elite zunehmend von ihrer Präsenz und Rolle bei Hofe abhingen, wurde sie abhängiger vom Monarchen und somit leichter kontrollierbar. Andererseits profitierte jedoch auch der Adel von der Entwicklung: Denn mit den Höfen wurde der Zugang zu gesellschaft­lichen Führungspositionen in einem exklusiven sozialen Raum konzentriert, zu dem nur derjenige Zutritt erhielt, der über die erforder­lichen geburtsständischen Voraussetzungen verfügte.

312 Abstracts (deutsch) FABIAN PERSSON

Navigierend durch eine wechselnde politische Landschaft – Die Königs­marcks zu Beginn des schwedischen Absolutismus Während mittelalter­liche Magnaten unabhängigere Kräfte waren, mussten die Adeligen der Frühen Neuzeit ihren Einfluss über das monarchische Machtgefüge ausüben. Die Akteure innerhalb dieser Herrschaftsstrukturen mussten anpassungsfähig sein; Flexibilität bedeutete Überleben. Ein Schlüsselfaktor zur Erlangung einer solchen politischen Gewandtheit war der Zugang zum Herrschenden. Analysiert wird, wie die Königs­marcks versuchten, ein neues Netzwerk aufzubauen, nachdem das alte dramatisch an Einfluss eingebüßt hatte. Als eine der ranghöchsten Adelsfamilien erstrebten sie Zugang zur könig­lichen Familie und setzten hierfür ihre Kontakte und ihr „kulturelles Kapital“ – so nennt es Pierre Bourdieu – ein. Warum lud die Königinwitwe Hedvig Eleonora die Königs­marcks immer wieder ein? Dies war ein seltenes Privileg am Hof der 1680er Jahre. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür war die Aufführung von ­Racines Iphigénie 1684. Ohne eine formale Position bei Hofe mussten die Königs­ marcks sich ständig bemühen, ihren Platz innerhalb des Hofstaates zu erhalten. Aurora von Königs­marck beherrschte die höfischen Manieren vollkommen. Sie setzte dieses kulturelle Kapital zielstrebig ein, um Einfluss und Beziehungen zu erlangen. Mit Hilfe dieses Netzwerks und mit dem Zugang zu den Entscheidungsträgern konnte sie ihre eigene Zukunft aufbauen.

RALF GIERMANN

Maria Aurora von Königs­marck am Dresdner Hof Unser heutiges Wissen über die ersten Aufenthalte Gräfin Maria Aurora von Königs­marcks (1662 – 1728) am Dresdner Hof basiert zumeist noch auf einer romanhaften Schilderung der Liebesabenteuer des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken (1670 – 1733). In diesem Beitrag werden einige der im Roman La Saxe galante des Freiherrn Karl Ludwig Wilhelm von Pöllnitz (1692 – 1775) aufgestellten Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht. Lassen sich für diese Behauptungen glaubhafte oder sogar gesicherte Zeugnisse finden und gegebenenfalls als historische Tatsachen bestätigen, oder sind die Erzählungen als literarische Schwärmereien und somit Legenden eines geistvollen Unterhaltungskünstlers hinzunehmen? Zudem wird erstmals ein im Schloss Moritzburg bei Dresden ausgestelltes, lebensgroßes Gruppenporträt

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mit Darstellung u. a. von Maria Aurora von Königs­marck gedeutet. Lange Zeit wurden die drei darauf porträtierten Frauen im Sinne des Pöllnitz’schen ­Romans als die drei Schwestern Königs­marck interpretiert. Im Ergebnis der Untersuchungen mussten die Schilderungen des Freiherrn von Pöllnitz bezüg­lich des Aufenthaltes von Maria Aurora von Königs­marck am Dresdner Hof größtenteils widerlegt werden. Die Erzählungen sind historisch zumeist nicht zutreffend und als literarische Erfindungen anzusehen, so beispielsweise die Umstände von Maria Auroras Ankunft und Abreise in Dresden im Sommer 1694 bzw. 1696, die sie begleitenden Personen während ihres dortigen Aufenthaltes oder angeb­liche Fest­lichkeiten in Moritzburg.

MADELEINE BROOK

Fiktionale Quellen und Geschichte erzählen – Ein (erneutes) Plädoyer für die Sonderstellung von Maria Aurora von Königs­marcks kurzen Geschichten über den Dresdner Hof in der Rezeption des Images von August dem Starken Seit Jahrhunderten ist die populäre Darstellung von August dem Starken durch die Rezeption von Karl Ludwig von Pöllnitz und seinen schlüpfrigen Text La Saxe galante (1735) bestimmt worden. Doch dieser Text ist innerhalb eines Geflechts anderer (fiktionaler und somit auf ihre eigene Art und Weise durchaus problematischer) Texte situiert, die Augusts Umgang mit Frauen an seinem Hof als einen Aspekt seiner Selbstdarstellung als homme galant par excellence suggerieren, eine Erweiterung des Systems der Rhetorik, das als Galanterie bezeichnet wurde und sich im frühen 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Einschlägige Beispiele hierfür sind die zwei kurzen Geschichten in Römische Octavia von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel: Die Geschichte der Solane und Die Geschichte der Givritta, welche Stephan Kraft 1999 überzeugend Maria Aurora von Königs­marck zugeschrieben hat. Für die zeitgenössischen (halb-)fiktionalen Quellen über August den Starken und seinen Hof sind sie insofern ungewöhn­lich, weil hier weib­liche und nicht männ­liche Figuren im Mittelpunkt stehen. Als zwei Seiten derselben Medaille interpretiert, und mit komplexen Folgen für Königs­marcks Selbstdarstellung und für ihre Stellung am Dresdner Hof, heben diese weib­lichen Figuren – im Unterschied zu den Frauen in der Darstellung von Pöllnitz – die komplexe gesellschaftspolitische Funktion der Frau innerhalb des Rahmens des galanten Rhetoriksystems als sowohl unentbehr­lich als auch chiffrenhaft besonders hervor.

314 Abstracts (deutsch) CARSTEN NIEMANN

Aurora ohne Cephalus – Die Gräfin Königs­marck an den Höfen von Hannover und Braunschweig-Wolfenbüttel Für Maria Aurora von Königs­marck waren die Höfe der Welfen zu Celle, Hannover und insbesondere zu Braunschweig-Wolfenbüttel ein lebenslanger Bezugspunkt und eine wichtige Bühne, um ihre musischen wie gesellschaft­ lichen Talente zu entfalten. Anhand von ausgewählten höfischen Festen geht der Beitrag der Frage nach, welche Rolle Maria Aurora in der welfischen Festkultur gespielt hat. Wie gezeigt wird, sind ihre Aktivitäten dabei einerseits im Zusammenhang mit dem auch mit kulturpolitischen Mitteln ausgefochtenen Kampf der Welfenhäuser um die neunte Kurfürstenwürde und andererseits mit Maria Auroras eigenen gesellschaft­lichen Aufstiegsplänen zu sehen. Am Beispiel des Hannoveraner Karnevals von 1693 und der Fest­lichkeiten zur Einweihung des Lustschlosses zu Salzdahlum im folgenden Jahr wird weiterhin analysiert, wie es Maria Aurora unter unterschied­lichen Vorzeichen gelang, einen modernen galanten Ton innerhalb der Festkultur anzuschlagen. Wie sich das enge persön­liche Verhältnis Maria Auroras zu Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel wiederum in der Festkultur spiegelte, wird anschließend ausführ­lich am Beispiel des Librettos zur Oper Echo und N ­ arcissus von Friedrich Christian Bressand aufgezeigt.

TERESA SCHRÖDER-STAPPER

Maria Aurora von Königs­marck als Pröpstin des Stiftes Quedlinburg oder Darf eine Mätresse Äbtissin werden? Maria Aurora von Königs­marck ist bekannt als Mätresse Augusts des Starken. Nach dem Ende ihrer Beziehung zum sächsischen Kurfürsten verbrachte sie einen wesent­lichen Teil ihres Lebens – jedoch immer wieder unterbrochen durch Aufenthalte vor allem in Hamburg und Stade – als Pröpstin des Stiftes Quedlinburg im Harz. Kaiser­lich frei-welt­liche Damenstifte wie das in Quedlinburg boten hochadligen Frauen eine Alternative zu einer standesgemäßen Ehe und zugleich die Mög­lichkeit, eigenständig Herrschaft auszuüben. In den verschiedenen Forschungen zum Stift sowie zu Maria Aurora wurde der Gräfin häufig eine einfluss­reiche Rolle in der Stiftsadministration, mitunter sogar fälsch­licherweise das Amt der Äbtissin zugeschrieben. Doch das Gegenteil ist der Fall: So wurde ihre Wahl zur künftigen Äbtissin durch die Quedlinburger Stiftsdamen vereitelt. Auch konnte sie sich mit ihrer pro-preußischen Politik nicht gegen diese durchsetzen.

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GUDRUN FIEDLER

Maria Aurora von Königs­marck (1662 – 1728) und Maria Antonia Pessina von Branconi (1746 – 1793) – Zwei Mätressen, zwei Jahrhunderte, ein Vergleich Maria Aurora von Königs­marck war zu ihren Lebzeiten eine gefeierte Dichterin galanter Lyrik und wurde Zeit ihres 66 Jahre währenden Lebens auch als Komponistin und Mäzenin der Künste anerkannt und gefeiert. In den populären deutschen Nachschlagewerken des 19. und 20. Jahrhunderts allerdings wird sie nur noch über ihre Beziehungen zu Männern erinnert, vor allem als schöne Mätresse Augusts des Starken, Kurfürst von Sachsen und als August II . König von Polen, und als Mutter Moritz’ von Sachsen, des späteren Generalfeldmarschalls von Frankreich. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass das vielfältige und selbstbestimmte Leben Auroras in der Erinnerung gefiltert und verengt wurde durch die im 18. Jahrhundert entstehende Vorstellung von Weib­lichkeit als Teil der sich damals formierenden bürger­lichen Wertvorstellungen. Das Leben der Maria Antonia Pessina di Branconi verdeut­licht dies beispielhaft: 1746 geboren, nahm sie selbstbewusst und im öffent­lichen Auftreten stilsicher und geistvoll seit 1766 die offizielle Funktion einer Mätresse des braunschweigischen Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand wahr. Nach Verlassen der höfischen Sphäre im Jahr 1777 bewegte sie sich in einem Freundeskreis von Intellektuellen und Schriftstellern um Johann Caspar Lavater und Johann Wolfgang von Goethe, die zur bürger­lichen Avantgarde des 18. Jahrhunderts gehörten. Lavater verständigte sich zwischen 1779 bis 1783 in einem Briefwechsel mit Goethe und Maria Antonia von Branconis Sekretär Karl Johann Konrad Michael Matthaei über ihre Schönheit und über ihr inneres Wesen. Die Briefschreiber legten dabei den dem weib­lichen Geschlecht zugeschriebenen Maßstab einer Weib­lichkeit an, die im 18. Jahrhundert erstmals als naturbedingte Polarität zum Männ­lichen formuliert wurde. Entsprechend beschrieben sie das Verhalten einer schönen Frau in den Kategorien der Passivität und Schutzbedürftigkeit, als einer den Händeln der Welt entrückten engelhaften, heiligen, reinen und mütter­lichen ‚schönen Seele‘, die sich ohne Beziehung zu einem Mann den Alltagsgeschäften notgedrungen ausliefern musste, aber dann nicht authentisch war, also ihrem Wesen nach nicht gerecht lebte. Der Bruch zwischen den Weib­lichkeitsvorstellungen der höfischen Sphäre, in deren Öffent­lichkeit Frauen Funktionen übernehmen konnten, und denen der bürger­lichen Welt mit ihrem Bild der empfindsamen und passiven häus­ lichen Frau wird deut­lich. Die im 18. Jahrhundert entstandenen bürger­lichen

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Geschlechtervorstellungen sind bis heute gültig, obwohl sie in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nachhaltig hinterfragt wurden. Die neuere Forschung jedoch hat Maria Aurora von Königs­marck wieder einen würdigen Platz in der Geschichte zugewiesen.

Abstracts (englisch)

BEATE-CHRISTINE FIEDLER

The Königs­marcks – Glory and Downfall of a Noble Swedish Family This paper is an introduction to an exceptional family, which made its home in the Elbe-Weser district from the mid-17th century on. Hans Christoph von Königs­marck (1605 – 1663), born in Brandenburg and founder of this Swedish noble family of counts, rose to fame in Swedish service during the Thirty Years’ War and thus gained both an impressive reputation and a considerable fortune. He captured the northwest German territories of Bremen and Verden for the Swedish crown in 1645, which remained under Swedish sovereignty as duchies until 1712. Following the successful capture of the Lesser Town of Prague in 1648, he had the imperial art chamber in the castle plundered and had nearly all of these immense spoils of war shipped to Stockholm. As an influential governor and highly privileged landowner, he advanced to factually being a provincial ruler in Bremen-Verden after the war and built Agathenburg Castle for his family, just outside the provincial capital of Stade. He died in Stockholm in 1663, leaving behind an immense fortune. His children received an excellent education and married into the most prominent Swedish noble families, De La Gardie and Wrangel. Especially the youngest son, Otto Wilhelm von Königs­marck (1639 – 1688), represented the ideal of Sweden’s aristocracy of that time. He was internationally recognized as a distinguished commander and diplomat. He became field marshal and governor, as his father had been, however not in Bremen-Verden but in Pomerania, Rügen and Wismar. In addition, he was a highly educated, responsible and pious man, altogether the leading male protagonist of his family. At the height of their social, military and political prestige, the Königs­marcks were seriously hit by the large-scale reduction policy of the Swedish crown. A large portion of their property was lost and with it their wealth and influence. Disappointed, Otto Wilhelm von Königs­marck left Sweden in 1685; he participated in the Turkish Wars, first in imperial and later in Venetian service. He died highly revered, during an epidemic in 1688 in Greece in the presence of his wife Catharina Charlotte, née De la Gardie (1655 – 1697). His widow spent her remaining years (1689 – 1697) in Stade and Agathenburg. The third generation, raised in splendour and wealth and living in luxury, was an integral part of courtly baroque festive culture. Maria Aurora (1662 – 1728)

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and her brother Philipp Christoph von Königs­marck (1665 – 1694) should be mentioned in this respect particularly. The end of the era of the Swedish Königs­marcks characterises this generation. Philipp Christoph, an officer like his ancestors but above all a handsome “bon vivant”, disappeared in the Leine Palace in Hanover without trace. He was probably murdered by court cavaliers after his romantic attachment to Electoral Princess Sophie Dorothea of Hanover and their planned flight had been disclosed. His death means the end of the line of male Königs­marcks. The Swedish branch of the family ended with the third generation. The comital family was known throughout Europe and deeply involved in Sweden’s Great Power policy, which is striking, considering the brevity of the period in which they were active. In addition, their way of life is exemplary and an excellent reflection of noble life during the baroque era.

SYLVIA KRAUSS-MEYL

Maria Aurora von Königs­marck – The Life of the “berühmteste Frau zweier Jahrhunderte” Voltaire called Maria Aurora Countess of Königs­marck “the most famous woman of two centuries”. She came from a 17th-century German-Swedish aristocratic family, which gained Europe-wide prestige and extensive wealth through her grandfather Hans Christoph von Königs­marck’s military successes in favour of the Swedish Crown. She was sophisticated, self-confident and of great beauty. After her childhood in Agathenburg Castle near Stade, she spent the years of her youth in Hamburg and Stockholm where she received an excellent education. Her early literary works established her reputation as distinguished baroque poetess. After returning to Hamburg, Maria Aurora cultivated an independent lifestyle. She declined every marriage proposal and instead sought contact to the Quedlinburg convent for noblewomen, a house of secular canonesses. Her brother Philipp Christoph brought much misfortune to the family following his entanglement in a love affair with the electoral princess Sophie Dorothea and suddenly vanished in 1694. While searching for him, Maria Aurora came to Dresden court where she became the state mistress of the Saxon prince-­ elector Friedrich August – August the Strong. In 1696 she gave birth to their son Moritz in Goslar who, in the 18th century, was to become the most outstanding French general. After the almost biennial relationship to August, she intended to reach for the rewarding position of abbess at Quedlinburg convent

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for noblewomen, thus gaining the high rank of an imperial princess. August the Strong was originally the protector of the Abbey but sold this right, in view of his candidacy for the Polish crown in 1697, to prince-elector Friedrich III of Brandenburg. In the turmoil of these years, Maria Aurora rose to become successor to the acting abbess and was elected provost of the Abbey. However, her goal of becoming abbess later failed due to resistance of two hostile canonesses. Maria Aurora accepted her fate. She spent a considerable amount of time travelling and led a cosmopolitan life in Dresden, Leipzig and Warsaw. During the Great Northern War from 1700 to 1721, she even carried out a delicate and ultimately unsuccessful diplomatic mission on behalf of August the Strong, who had become King of Poland in 1697. In spite of setbacks and losses, the gallant countess of Königs­marck retained not only her beauty, charisma and ingenious creativity up until old age but also a great inner independency, which enabled her to lead a self-confident life as canoness. This attitude, which supposedly prompted Voltaire’s judgement, re-emerges a hundred years later in the literary works and in the emancipated lifestyle of her great-granddaughter, the famous French writer George Sand.

HEIKE DÜSELDER

Benefactress, Initiator, Dilettante – Noblewomen as Key or Marginal Figures of Early Modern Cultural Production Learned women and those interested in arts and culture had few possibilities to refine and display their knowledge and creativity in public in the early modern age. Noblewomen, however, assumed a special role within this scope. Due to their education, which was affected by outward representation and class consciousness, most of them were well-trained in the fine arts and used their aristocratic status in order to develop their intellectual abilities. Their creative activities frequently took place in familiar environment. House and garden provided them with a wide range of creative possibilities, especially with regard to the representative nature inherent to the nobles’ gardens, which enabled them to exert public influence. Living in prosperity and having attendants at their service, they avoided the learned women’s stigma of supposedly neglecting their household duties and becoming social outsiders. To the contrary, they directly partook in the arts and cultural production of their times as patronesses, initiators and collectors. Due to their knowledge as well as to their artistic education they not only participated in the cultural networks but also created them. Both in the high nobility and in the lower aristocracy, women

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found a multifaceted creative potential. Rulers such as Electress Sophie von der Pfalz or Wilhelmine von Bayreuth created places of artistic innovation with far-reaching cultural influence. Especially widowhood enabled women of the lower nobility to develop cultural activities. They left their cultural marks as benefactresses of altars and epitaphs and took their place in public life based on their cultural competences and requirements.

STEPHAN KRAFT

„Denn selbst Apollens Kunst wird hier ein Schatten heissen“ – Concerning the Visible-Invisible Works of Countess Maria Aurora von Königs­marck The paper, flanked by an accompanying personal bibliography (pp. 331 – 349), provides a summary of the lyrical, dramatic and epic work of Countess Maria Aurora von Königs­marck, insofar as it is presently known. The discontinuous and often concealed way of publication of these works is presented here in detail. Based on a close characterization of her prose works, it will be argued in this thesis that the work of Aurora von Königs­marck can be seen as exemplary for the literature of the gallantry period in Germany. Her work follows a specific contemporary communication model based on situational literary ‘agility’ as well as specific in- and exclusions contained in hidden allusions. The exceptional writing style of Aurora von Königs­marck remains next to unique and unrivaled in German-speaking regions concerning its diversity and density.

VALBORG LINDGÄRDE

„Wer euch mein Fräulein kent“ – Maria Aurora von Königs­marck on the Swedish Parnassus Maria Aurora von Königs­marck arrived in Stockholm with her mother and sister in 1680, the same year in which young Ulrika Eleonora was crowned as Sweden’s queen. In the wake of her mother’s death, Aurora von Königs­marck returned to Stade and Hamburg in 1692. During the years spent in the capital of Great Power Sweden, she belonged to the queen’s inner circle. She staged a performance of Racine’s drama Iphigénie for the Swedish court in 1684, adding a prologue and a ballet element. It has been claimed that Aurora von Königs­marck was the sole figure on Sweden’s literary Parnassus; this is, to some extend, correct. Several of the great 17th century writers had died and the next generation, but for a few exceptions, had

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not yet become apparent. On the other hand, cultural activity was evident within the last two decades of the 17th century, which provided the first longer period of peace in this belligerent century. Foreign theatre groups performed in Stockholm and a theatre troupe from Uppsala played on the city’s first public theatre stage. The increasing number of fictional publications is characteristic of the 1680s. Older literature was reprinted, such as Stiernhielm’s Hercules. Manuscripts which had been waiting for publication for several decades were printed, for instance ­Wenerid by the unknown author Skogekär Bergbo and also great works such as the powerful epic of the Creation, Guds Werk och Hwila, which was first published in 1685. In all probability, this publishing activity of literature in Swedish was the result of a deliberate language program of the Swedish Great Power. Literature for private devotional practices as well as occasional poetry still held in high esteem, belonged to the cultural life of the times. The first group was represented by Märta Berendes, lady-in-waiting and “grand old lady” of the queen’s inner circle. Similar to the texts of the religious manuscript collection Nordischer Weyrauch, her bequeathed handwritten prayer books reveal devotional literary writing as a type of literary convention. During Aurora von Königs­marck’s stay in Stockholm, the occasional poets around her were not least those who had observed the performance of Iphigénie at the Wrangel Palace in January 1684, which was interpreted as a feminist manifestation. One of the occasional poets was Sophia Elisabet Brenner, the same age as Aurora von Königs­marck and despite the nearly insurmountable social distance between them, a fellow poetess. She had been celebrated as a learned woman and poetess for nearly 50 years. Thus, Aurora von Königs­marck had company up on the Swedish Parnassus, yet held her very own position as a driving intellectual force in the court’s entertainment sphere and was also an intermediary of French cultural life.

BO ANDERSSON

„Nordischer weÿrauch“ – The Religious Poetry of Maria Aurora von Königs­marck The collection Nordischer weÿrauch (Nordic Incense) originated in the 1680s and early 1690s when Aurora von Königs­marck held a leading position at the Stockholm royal court. Along with her sister Amalie Wilhelmine and her cousins Ebba Maria and Johanna Eleonora De la Gardie, she belonged to the inner circle of Queen Ulrika Eleonora. The poetical texts in Nordischer weÿrauch were meant to be read and/or sung during joint devotional exercises.

322 Abstracts (englisch)

The poems in Nordischer weÿrauch – written by Aurora von Königs­marck’s own hand – are contained in a manuscript now kept in the library of the University of Uppsala. ‘Incense’ used as a term to designate texts praising God can be found in a number of other contemporary book titles. But the epithet ‘Nordic’ in all probability expresses the loyalty of the aristocratic poetesses to the Danish-born Queen Ulrika Eleonora regarding a political and military alliance between the two Nordic crowns. Still, this collection is not only of political interest; it can also be contextualized linguistically, theologically, gender-­historically, poetically, musically and pragmatically. The 17th century Swedish Empire was a multi-lingual conglomerate state. Aurora von Königs­marck spoke several languages. She and other ladies of the court enacted Racine’s Iphigénie in French in 1684. German, however, was, for many people in then Sweden, the language reserved for religious service. It is therefore not surprising that the poems in Nordischer weÿrauch were written in German. In the Swedish Empire of the late 17th century, pietism was a highly controversial religious phenomenon. The religious exercises held by the circle of ladies of the upper nobility close to the queen were strongly provocative in their contemporary theological context as they were seen as a display of religious separatism. The texts of Nordischer weÿrauch follow, among other things, the poetics of religious songs of that time in their emotional quality. The collection’s aesthetic representativeness is expressed by the fact that 17 different strophic forms are found in the 22 songs. It is of musical interest that O großer Gott du aller welt gebiether (Oh great God, you ruler of all the universe), one of Aurora von Königs­marck’s songs in the Düben Collection of the Uppsala University Library, is in her own musical setting. The Uppsala manuscript of Nordischer weÿrauch is bound extravagantly and written by Aurora von Königs­marck’s own hand. The poems were intended for a small exclusive circle close to the queen; the collection belonged to her royal private sphere. A later manuscript – by a professional scribe – can be seen in context of Aurora von Königs­marck’s candidacy for the office of co-adiutrix of the Quedlinburg convent for noblewomen. This candidature was controversial with respect to the end of her relationship with August the Strong and the birth of their son Hermann Moritz. The richly decorated title page is hence obviously meant to demonstrate her representative religious interest.

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STEFAN HAMMENBECK-EICHBERGER

The Sisters Aurora and Amalia von Königs­marck and the Tapestries at Östergötland Museum The Königs­marck Tapestries are in possession of the Östergötland Museum since 1946. In Swedish art, they are unique in many aspects. Embroidered in silk and wool on linen, they feature three main persons in the motifs: The sisters Maria Aurora and Amalia Wilhelmina von Königs­marck and Amalia’s husband Carl Gustaf Lewenhaupt. All tapestries are of the same height but can be divided into three groups by their varying widths. Due to missing titles, descriptives have been used as a substitute. Events the motifs depict can be dated to the Königs­marck family’s time in Sweden around 1690. The family left Sweden in the early 1690s. Only Amalia Wilhelmina returned, but much later. The smallest tapestries are Barndomen (Childhood) and Ålderdomen (Old Age), which depict a mother breast-feeding a child and an aged man surrounded by iconographic symbols, indicating the nearing end phase of life. The middle sized tapestries are Triumftapeten (The Triumph Tapestry), which is based on a copperplate engraving of the honourable memory of the grandfather Hans Christoffer Königs­marck, and Rikssalstapeten (The Hall of State Tapestry), which depicts Swedish class society. The Maskeradtapeten (Masquerade Tapestry) and Allegoritapeten (The Allegory Tapestry) are the largest. For a long time many attempts have been made to find out what the motifs are based on, and, in part, to define them. The three main characters can be confirmed by portrait comparisons. The tapestries are considered to have been embroidered at and for Vinäs Castle outside Västervik, which is questionable. Earlier interpretations demand new questions and definitions. A border, crowned with the Königs­marck and Lewenhaupt families’ coats of arms, frames every motif; there is no border at the bottom sections, however. The framing of the motif is reminiscent of a theatre scene. The border’s form, resembling a proscenium, is unique. The scenic construction is of importance for its reception. In addition, the border’s corner features cartouches with emblems, Latin sentences and further motifs, e. g. the great deeds of Hercules, which are iconographically related to the particular chief motif. Iconographically incorrect definitions have been made. Now, the most important elucidation is that the Triumph Tapestry shows an ambiguous iconography with regard to the symbols for the Königs­marck family, God’s all-seeing eye and Hercules’ last great deed. The main characters are Maria Aurora von Königs­ marck and her brother-in-law Carl Gustaf Lewenhaupt. In the Masquerade

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Tapestry the central figure is Minerva, embodied by Queen Ulrika Eleonora, who earlier was assumed to show Maria Aurora. The royal couple was present at Maria Wilhelmina von Königs­marck’s and Carl Gustaf Lewenhaupt’s wedding. The motif shows great intimacy but reflects through the Queen’s presence a social positioning of the Königmarck family in Sweden and Swedish noble and court life. The reference to a relation to the royal family is of utmost importance. By depicting events in the Königs­marck family life, the four largest tapestries allow for a unique insight into the cultural and social life in Sweden. The Königs­marck sisters belonged to their times’ female intellectual and artistic elite. One must bear this in mind when defining the motifs, as must the presence of the queen in the Masquerade Tapestry (which should really be entitled The Marriage Tapestry), the choice of the Hall of State motif and the references to the Königs­marck family in the Triumph Tapestry. Presumably, the sisters and their teacher, Court Painter Ehrenstrahl, created the motifs’ composition and iconography together. These incentives should lay ground for questions concerning the tapestries’ function. Were they embroidered to hang in a castle far from the center of events or created to position the family in Swedish class society? The latter implies that the tapestries could be seen by others than the family themselves.

MARTIN LOESER

Maria Aurora von Königs­marck as the Gallant Patroness of Johann Mattheson The Hamburg publicist, music theorist, composer and subsequently Legation Councillor Johann Mattheson is considered a central figure in the field of culture and intellectual history of the early 18th century. He is prominently connected to Maria Aurora von Königs­marck, to whom he dedicated his first music monograph Das Neu=eröffnete Orchestre (The Newly=Opened Orchestra), published in 1713. In it, Mattheson praises von Königs­marck as his gallant patroness and friend. Assuming that as basis, the paper focuses on their relationship and spans the range from late 17th century courtly-aristocratic gallantry ideals to Aurora’s gallant actions. Parallels to the activities of Madeleine de Scudéry are revealed here. Finally, the paper outlines the importance of the gallantry ideal for Mattheson within the context of the nature of Hamburg’s legation and residence domains, thus providing the background for making his dedication to Aurora comprehensible.

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DOROTHEA SCHRÖDER

„Eine ungemeine Beförderinn schöner Wissenschaften“ – Maria Aurora von Königs­marck and Music During her lifetime, Maria Aurora von Königs­marck enjoyed great renown as an expert on musical matters. If we are to believe Georg Christian Lehms and other contemporary writers, her talents as singer, harpsichordist, lutenist and dancer must have been well above average. Her musical education may have started with clavichord lessons at a very early age. In Hamburg, where countess Maria Christina Königs­marck and her daughters lived from 1673 to 1680, a public opera house was opened on New Year 1677/1678. The countess rented a box and visited the performances almost daily, presumably accompanied by Maria Aurora and her sister Amalia Wilhelmina, who thus gained first-hand insight into the art of musical drama, acting and dancing. After moving to Stockholm in 1680, Maria Aurora and Amalia Wilhelmina joined a circle of young aristocratic ladies around queen Ulrika Eleonora, who were active in establishing divertissements in the French style at the Swedish court. They also maintained a deep interest in German religious poetry and songs. One specimen from Maria Aurora’s pen is the strophic song O großer Gott du aller welt gebiether, preserved in manuscript (Uppsala, University Library/Düben Collection) and first brought to academic knowledge by Tobias Norlind in 1899/1900. Original annotations on some of the music sheets point to Maria Aurora not only as poetess but also as composer of the song. As the greatest part of the writing was done by Gustav Düben sen., then director of the court music and organist at the German Church St. Gertrud, he seems to have assisted Maria Aurora in composing the song. Probably she invented the melody (soprano I), while Düben provided the other parts. We may assume that Maria Aurora took regular music lessons from him. In 1691 Maria Aurora returned to Hamburg. She was a frequent visitor at the courts of Hanover and Wolfenbüttel, taking part in carnival entertainments, attending opera performances and concerts. In fact, there are so many sources mentioning her in connection with music, dance and theatre that they cannot be dealt with collectively in this essay. When Maria Aurora had become official mistress of Friedrich August, elector of Saxony, she appeared as singer and dancer during the carnival festivities in 1695 and 1696. Fastnachts-Lust, a short opéra-ballet, was composed on her libretto by Johann Christoph Schmidt in 1697. Even after settling down as prioress of the Quedlinburg convent for noblewomen, Maria Aurora used to travel to Hamburg and was in touch with two local composers, Reinhard Keiser and Johann Mattheson. These two were vying

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for her attention and promotion, which consisted primarily of her making use of aristocratic networks. From 1703 to 1718 (at least) Mattheson and Keiser published works with full-sounding dedications to the countess Königs­marck and performed music written on her words. While Keiser seemingly proved well-mannered, Mattheson boasted of his good relations to Maria Aurora at any opportunity and had to deal with sarcastic criticism of his behavior by Ernst Gottlieb Baron in 1727. Another composer who benefitted from his acquaintance with Maria Aurora was Johann Adolph Hasse. In 1719, when he was still a young tenor singer at the Brunswick opera, he came to Quedlinburg (certainly to perform music) and began a secret love affair with Maria Aurora’s daughter-in-law Victoria von Loeben who also stayed at the convent for noblewomen. Through her extended travels and her intimate knowledge of the musical life at important courts between Stockholm and Dresden, Maria Aurora was a person who could make good use of her network to support aspiring composers. An active musician herself, she sympathized with her professional colleagues instead of treating them with aristocratic arrogance. To the musicians who made her acquaintance, this may have meant more than any mere financial sponsoring.

ULRICH ROSSEAUX

The Royal Court in the Baroque Era – Structures and Functions of a Complete Socio-Cultural Work of Art The royal court in the Baroque Era was a social formation, bundling the noble elites’ political, economic and cultural participation possibilities. The courts formed a European network in which – gender-specifically different – careers were possible. This bundling function of the courts on the one hand served the monarchs’ exercise and increase of power. As the career chances of the noble elite depended increasingly on its presence and role at court, it became more dependent on the monarchs and was thus easier for them to control. On the other hand, the nobility profited from this development: For, along with the courts, the access to leading social positions in an exclusive social area became more concentrated, as only the persons fulfilling the acquirement of proper birthright had access to such positions.

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FABIAN PERSSON

Navigating in a Changing Political Landscape – The Königs­marcks at the Dawn of Swedish Absolutism While medieval magnates had been mostly independent forces, early modern aristocrats had to wield influence through the machinery of monarchy. The polity of many early modern monarchies had to remain adaptable. Flexibility was a survival skill. Among the key factors to achieve such political dexterity was the access to the ruler. What I am going to analyse is how the Königs­marcks strove to create a new network on the ruins of the old one. Belonging to the highest echelons of aristocracy, the Königs­marcks would aim for access to the royal family and use their contacts and their cultural capital – as Pierre Bourdieu calls it. Why did the Queen Dowager Hedvig Eleonora keep inviting the Königs­marcks? It was a rare privilege at the court in the 1680s. The most well-known example of the Königs­marck’s use of their cultural capital was the performance of Racine’s Iphigénie in 1684. Without any formal position at court the Königs­marcks needed to make a continuous effort to stay within the court circle. Aurora von Königs­marck had, by this time, fully mastered the courtly manners. This cultural capital she ruthlessly deployed in a quest for influence and networking. By building a network and gaining access to decision-makers she could create her own future.

RALF GIERMANN

Maria Aurora von Königs­marck at the Dresden Court Our knowledge of the first stays of Countess Maria Aurora von Königs­marck (1662 – 1728) at the Dresden Court are mainly based on a romantic description of the amorous escapades of the Saxon elector and Polish king August the Strong (1670 – 1733). This paper will examine several of the allegations contained in the novel La Saxe galante by Baron Karl Ludwig Wilhelm von ­Pöllnitz (1692 – 1775) to their validity. Can such allegations be found credible or established evidence and possibly even count as historical facts or are these tales to be seen as literary raptures of a witty entertainer? Additionally, a lifesize group portrait, including Maria Aurora von Königs­marck, on display in Moritzburg Castle near Dresden, will be interpreted for the first time. The women portrayed were long thought to be the three sisters Königs­marck in the sense of the Pöllnitz novel. The historical research, however, resulted in

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refuting Baron Pöllnitz’s description of Maria Aurora von Königs­marck’s stay at the Dresden court for the most part. Most of the stories are not accurate and should be viewed as literary invention, such as, for example, the circumstances of her arrival and departure in Dresden during the summers of 1694 and 1696, as well as the persons who accompanied her during her stay there or to the alleged festivities at Moritzburg Castle.

MADELEINE BROOK

Fictional Sources and Telling History – An(other) Argument for the Importance of Maria Aurora von Königs­marck’s Short Stories about the Dresden Court in the Reception of August the Strong’s Image For centuries the popular imagination and depiction of August the Strong have been heavily influenced by the reception of Karl Ludwig von Pöllnitz and his salacious text La Saxe galante (1735). Yet this text is in fact part of a nexus of other (fictional and thus, in their own way, also problematic) texts, which as a body suggest August’s interaction with women at his court was an aspect of his self-portrayal as an homme galant par excellence, that this was an extension of the system of rhetoric called galanterie, which was popular in the early eighteenth century. Pertinent examples are presented in the two short stories contained in Duke Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel’s Römische Octavia: Die Geschichte der Solane and Die Geschichte der Givritta, now convincingly attributed to Maria Aurora von Königs­marck by Stephan Kraft in 1999. Within the nexus of contemporary (semi-)fictional sources on August the Strong and his court, these stories are unusual because their focus lies on female rather than male characters. Understood as two sides of the same coin, and with significance for Königs­marck’s self-portrayal and position at the princely court in Dresden, these female characters – in contrast to the women portrayed by Pöllnitz – highlight the complex socio-political function of women as essential and yet also as ciphers within the framework of the galante system of rhetoric.

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CARSTEN NIEMANN

Aurora without Cephalus – Countess Königs­marck at the Courts of Hanover and Braunschweig-Wolfenbüttel For Maria Aurora von Königs­marck, the courts of the Guelphs in Celle, Hanover and especially Braunschweig-Wolfenbüttel were significant lifelong fix points. They also provided important stages for her to unfold her artistic and social talents. Based on selected court festivities, this article is dealing with the question of Maria Aurora’s role in the Guelph festival culture. It shows how her activities are viewed in connection with the struggle of the different Guelph houses for gaining the ninth electorship, also fought with cultural-political means, and in light of Maria Aurora’s own social ambitions. How Maria Aurora succeeded under various conditions to strike a modern gallant tone within the festival culture is analysed using the examples of the Hanover carnival festivities in 1693 as well as the festivities to celebrate the inauguration of the Salzdahlum summer residence the following year. How Maria Aurora’s close personal relationship to Duke Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel is reflected in the festivities is furthermore shown in detail based on the libretto of the opera Echo und Narcissus by Friedrich Christian Bressand.

TERESA SCHRÖDER-STAPPER

Maria Aurora von Königs­marck as Provost of the Quedlinburg Convent for Noblewomen or May a Mistress Become an Abbess? Maria Aurora von Königs­marck is primarily known as the mistress of August the Strong. When her relationship to the Saxon Elector came to an end, she spent a significant amount of time – albeit frequently interrupted by stays mainly in Hamburg and Stade – as provost of the Quedlinburg convent for noblewomen, located in the Harz region. Imperial free-secular convents for noblewomen, such as in Quedlinburg, provided an alternative to marriage, befitting their social standing and at the same time allowing them to be independent. In various research studies on the noblewomen’s convent as well as on Maria Aurora, the countess was frequently attributed to have had an influential role in the administration of the convent and she has also been erroneously named as the abbess of the convent. Quite on the contrary, her election as future abbess of the Quedlinburg convent for noblewomen was thwarted. With her pro-Prussian policy, she was unable to prevail against the other noblewomen of the Quedlinburg convent.

330 Abstracts (englisch) GUDRUN FIEDLER

Maria Aurora von Königs­marck (1662 – 1728) and Maria Antonia Pessina von Branconi (1746 – 1793) – Two Mistresses, Two Centuries, One Comparison During her lifetime, Maria Aurora von Königs­marck was a celebrated poetess of lyric verse. During her 66 years lasting life, she was also known and ­acclaimed as a composer and patroness of the arts. In popular German 19th and 20th century reference books, however, she is merely remembered for her relationships with men, above all as the beautiful mistress of August the Strong, Elector of Saxony and later known as August II, King of Poland, as well as being the mother of Moritz von Sachsen, the later General Field Marshall of France. It is also hypothesized that during the 18th century Aurora’s rich and self-­determined life was filtered and constricted by the idea of femineity as part of then emerging civic moral values. The example of Maria Antonia Pessina von Branconi clearly illustrates this. Born in 1746, she was self-assured and confident of manner by the time she became the official mistress of the Braunschweig heir to the throne, Prince Karl Wilhelm Ferdinand in 1766. After leaving the court in 1777, she joined a circle of intellectuals and writers around Johann Caspar Lavater and Johann Wolfgang von Goethe, who belonged to the 18th century bourgeois avant-garde. In an exchange of letters with Goethe and Maria Antonia von Branconi’s secretary Karl Johann Konrad Michael Matthaei, Lavater wrote of her beauty and character. The correspondents emphasized the measure of femineity ascribed to the female sex, first formulated during the 18th century as the natural polarity to masculinity. Accordingly, they described the conduct of a beautiful woman in categories of passivity and need for protection as befitting an angelic, holy, pure and motherly “beautiful soul”, removed from the quarrels of this world. Without a relationship with a man, she was unavoidably forced to manage her daily affairs herself, which was not in accordance with her nature and thus not authentic. Thus, the breach between the courtly conception of femineity, in which women could carry out functions in public, and those of the civic world with its ideal of sensitive and passive domestic women becomes apparent. The civic gender concepts formed in the 18th century are still valid to this day, even those that were critically questioned during the last decades of the 20th century. Recent research has given Maria Aurora von Königs­marck a place in history again worthy of her.

STEPHAN KRAFT

Maria Aurora von Königs­marck (1662 – 1728)  Verzeichnis der gedruckten Werke1 Bibliographie der bislang bekannten publizierten Werke der Gräfin Maria Aurora von Königs­marck, der wichtigen fälsch­lichen Zuschreibungen, der gedruckten zeitgenössischen Gedichte und Widmungen auf sie sowie der Lexikoneinträge zu ihrer Person, die zu Lebzeiten erschienen sind. Fundorte sind nur bei Drucken angegeben, die nicht einfach und eindeutig mit den üb­lichen allgemeinen Suchmitteln (wie etwa dem Karlsruher Virtuellen Katalog – KVK) zu lokalisieren sind. Gliederung: a) Lyrik b) Dramatik c) Prosa und literarische Briefe d) sonstige Briefe e) fälsch­liche Zuschreibungen f) Gedichte auf Maria Aurora von Königs­marck und prosimetrische Widmungen g) Reine Prosawidmungen an Maria Aurora von Königs­marck h) Einträge in Personenlexika zu Lebzeiten i) Präsenz in zeitgenössischen Schlüsselerzählungen (Auswahl)

1 Ein Dank für viele wertvolle Hinweise geht u. a. an Hansjörg Drauschke, Dirk Rose, Dorothea Schröder, Uta Dorothea Sauer und Dominik Stoltz. Herausgehoben sei V ­ alborg Lindgärde aus Lund, die mir den Weg zu einer ganzen Reihe von bislang unbekannten frühen Drucken aus Schweden wies, die ich ohne sie niemals gefunden hätte. Die folgende Aufstellung gibt meinen Kenntnisstand im Frühjahr 2013 wieder. Hinweise auf weitere neu aufgefundene Drucke (und auch Handschriften) nehme ich jederzeit gern entgegen.

332 Stephan Kraft

a) Lyrik (Nachdrucke werden nur in Auswahl aufgeführt) in der Sammlung: In Memoriam Celsissimi Domini Dn. Otthonis Wilhelmi Konigsmarck, Stade: Holwein 1691: Dum Veneta Adriacis sua jura rogabit in undis (lat.) ›› Trauergedicht zur Grablege von Otto Wilhelm von Königs­marck, im Druck nicht nament­lich gezeichnet, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblio­ teket, 1 lc Fol. Königs­marck, in der Edition von Per Hanselli – s. u. –, S. 100 In illustrissimum Comitem Carolum Johannem Konigsmarckium (lat.) ›› Trauergedicht zur Grablege von Karl Johann von Königs­marck, im Druck nicht nament­lich gezeichnet, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblioteket, 1 lc Fol. Königs­marck, in der Edition von Per Hanselli – s. u. –, S. 101 [Königs­marck, Aurora von:] Bey der Beerdigung des hochgebornen Grafen und Herrn Carl Johann von Königs­mark war dieses gesetzet, o. O. und o. J. (dt.) ›› Einblattdruck um 1691, im Druck nicht nament­lich gezeichnet, Trauergedicht zur Grablege von Karl Johann von Königs­marck, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblioteket, 1 lc Fol. Königs­marck, in der Edition von Per Hanselli – s. u. –, S. 96 auf einem Einblattdruck: In Morte dell’illustrissimo & Eccell.mo Carlo ­Giovanni Conte di Konigsmarck, o. O. und o. J.: Graaf-Skrift öfwer Felt-Marsckallcken Grefe Königs­marck (schwed.) ›› Einblattdruck um 1691, Trauergedicht zur Grablege von Otto Wilhelm von Königs­marck, im Druck nicht nament­lich gezeichnet, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblioteket, 1 lc Fol. Königs­marck, abgedruckt zusammen mit einem italienischen Madrigal von Sophia E. Brenner, in der Edition von Per Hanselli – s. u. –, S. 99 ›› Dt. Übersetzung bei Mörner, Birger: Aurora von Königs­marck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München: Georg ­Müller 1921, S. 147. [Königs­marck, Aurora von:] Einblattdruck ohne Titel, Stade: Holwein 1691: Epitaphe de Monsieur le Mareschal de Konigsmarck, Stade (frz.) ›› Trauergedicht zur Grablege von Karl Johann von Königs­marck, im Druck nicht nament­lich gezeichnet, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblioteket, 1 lc Fol. Königs­marck, in der Edition von Per Hanselli – s. u. –, S. 113 Sonnet Sur la mort de feu Monsieur le Comte Charles de Konigsmarck, Stade (frz.)

Verzeichnis der gedruckten Werke der Maria Aurora von Königs­marck 333

›› Trauergedicht zur Grablege von Karl Johann von Königs­marck, im Druck nicht nament­lich gezeichnet, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblioteket, 1 lc Fol. Königs­marck, in der Edition von Per Hanselli – s. u. –, S. 114 [Königs­marck, Aurora von:] Uber das Grab Der Sehl. Hochwohlgebornen Gräfin und Frauen/ Fr. Maria Christina Wrangel/ verwittibte Gräfin von Königz­ mark, Stockholm: Wankijf o. J. (dt.) ›› um 1692, nament­lich nicht gezeichneter Einblattdruck, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblioteket, 1 lc Fol. Königs­marck, in der Edition von Per ­Hanselli – s. u. –, S. 97 in: Bressand, Friedrich Christian: Saltzthalischer Mäyen-Schluß, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Salzdahlum 1694, hg. v. Thomas Scheliga, Berlin: Berliner Bibliophilen Abend 1994, unpag.: ›› vgl. auch die dort abgedruckten Lobgedichte auf Aurora von Königs­ marck unter e) Die bäume wachsen auf dem Tische (dt.) ›› notiertes Impromptu auf die Tischdekoration zum Festanlass in: Ebert(i), Johann Caspar: Eröffnetes Cabinet Deß Gelehrten Frauen-­ Zimmers, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt am Main und Leipzig 1706, hg. v. Elisabeth Gössmann, München: Iudicium 1986, S. 209 f.: Die Lieb entzündt die Hertzen (dt.) ›› gewidmet einem Grafen von Dünewald auf Jabor ›› zu Lebzeiten nochmals abgedruckt in: Christian Paullini, Franz: Hochund Wohl-gelahrtes FrauenZimmer/ Abermahl durch Hinzusetzung unterschied­licher Gelehrter/ Wie auch Et­licher Ausländischer Damen hin und wieder um ein merck­liches vermehret, Frankfurt am Main und Leipzig: Stößel 1712, S. 88. (In der ersten Ausgabe dieser Sammlung von 1705 ist das Gedicht noch nicht enthalten.) in: [Feind, Barthold:] Relationes Curiosae Oder Denckwürdigkeiten der Welt, Continuation, Band II, Hamburg und Leipzig: Neumann 1708, S. 217 – 220: Schreiben der Auroren an Ihro Königl. Maj. von Schweden/ Carl den XIIten/ abgelassen/ und Ao. MDCCVII. im Monat September von der Gräfin von – - – - praesentieret (dt.) ›› Aurora, die Göttin der Morgenröte, fordert Karl XII. von Schweden auf, in sein Heimatland zurückzukehren; Verfasserschaft unsicher

334 Stephan Kraft

in: [Grimarest, Jean-Léonor Le Gallois de:] Les Campagnes de Charles XII. Roi de Suede, 3. Bd., Paris: Le Febvre 1708, S. 381: Epigramme sur le Roi de Suede (frz.) ›› Gedicht auf König Karl XII. von Schweden, entstanden um 1702 ›› Grimarests Bericht ist im selben Jahr auch in einer parallelen Ausgabe in Den Haag erschienen. Das Gedicht wurde in der Folge in anderen Zusammenhängen mehrfach nachgedruckt. Besonders bekannt ist der Teilabdruck in: Voltaire: Histoire de Charles XII (1731), hg. v. ­Gunnar von Proschwitz, Oxford 1996 (= Les œuvres complètes de Voltaire 4), S. 240 f. Deutsch zuerst in Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königs­mar[c]k und der Königs­mar[c]k’schen Familie, Bd. II, Leipzig: Brockhaus 1836, S. 95 f. in: La Grandezza D’Animo, Oder: Arsinoe, In einem Singe-Spiel Auf dem grossen Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet. Hamburg: Greflinger 1710: ›› Musik von Reinhard Keiser, Arien im Druck nament­lich nicht gezeichnet, Libretto ansonsten von Breymann; vgl. zur Widmung an Aurora von Königs­marck auch den Hinweis unter f) Ein edler Geist wird leicht gebunden (dt., Arie in I,9) Süßes Leiden in dem Herzen (dt., Arie in III,1) Ihr schönen Augen seid selbst Richter (dt., Arie in IV,2) ›› Die dritte Arie mit leichter Variation nochmals abgedruckt in Keiser, Reinhard: Divertimenti Serenissimi, delle Cantate, Duetti ed Arie diverse, senza stromenti oder: durchlauchtige Ergötzung, über verschiedene ­Cantaten, Duetten und Arien ohne Instrumenten, Hamburg: Greflinger 1713; vgl. zum Widmungsgedicht an Aurora von Königs­marck in diesem Band auch den Hinweis unter f). in: Die geheimen Begebenheiten Henrico IV. Königs von Castilien und Leon/ Oder: Die getheilte Liebe/ In einer Opera […] Vorgestellet, Hamburg: G ­ reflinger [1711]: ›› Arie im Druck nament­lich nicht gezeichnet, Libretto ansonsten von Johann Joachim Hoë, Musik von Johann Mattheson Zu weit führt uns der blinde Gott (dt., Arie in II,3) ›› Neuedition von Libretto und Partitur, hg. v. Hansjörg Drauschke, Beeskow: Ortus-Musikverlag 2008.

Verzeichnis der gedruckten Werke der Maria Aurora von Königs­marck 335

in: [Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg:] Der Römischen Octavia Vierdter Theil, Braunschweig: Zilliger [1713/14], S. 603 – 658: Die Geschichte der Solane: ›› zu neueren Editionen vgl. den Hinweis unter c) Glücke stehe mir jetzt bey (dt., S. 604) In diesem Grabe bleibt der Argwohn gantz verschlossen (dt., S. 636) drei zweizeilige Sinnsprüche (dt., S. 640) ›› Verfasserschaft unsicher Lange Stunden/ finstre Tage (dt., S. 642) in: Lehms, Georg Christian: Deutschlands galante Poetinnen, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt am Main 1715, hg. v. Winfried von Borell, Darmstadt: Bläschke 1966: ›› vgl. auch den Hinweis auf die Lobgedichte auf Aurora von Königs­marck unter e) Ruhm-Gedichte Als Ihro Durchlaucht Hertzog Anton Ulrich in das LXXXI Jahr Ihres glorwürdigen Alters getreten (dt., Anhang, S. 117 f.) ›› entstanden 1703 Uber die Worte: Bey denen/ die ihn fürchten (dt., Anhang, S. 119) ›› Arie aus Johann Matthesons „Magnificat a due cori“; zum Gesamtdruck aus dem Jahre 2001 s. u. Uber die Worte: Und erhebet die Elenden (dt., Anhang, S. 119) ›› Arie aus Johann Matthesons „Magnificat a due cori“; zum Gesamtdruck aus dem Jahre 2001 s. u. Uber die Worte: Und lässet die Reichen leer (dt., Anhang, S. 120) ›› Arie aus Johann Matthesons „Magnificat a due cori“; nachgedruckt in: [Mattheson, Johann:] Inimici Mortis verdächtiger Todes-Freund, Hamburg: o. V. 1747, S. 31; zum Gesamtdruck aus dem Jahre 2001 s. u. in: Mattheson, Johann: Exemplarische Organisten-Probe Im Artikel Vom General-Bass […], Hamburg: Schiller und Kißner 1719, unpag.: O vous, sçavantes Soeurs! (frz.) ›› Das Widmungsgedicht ist in der zweiten Auflage von 1731 nicht mehr enthalten. in: Weichmann, Christian Friedrich: Poesie der Nieder-Sachsen oder allerhand, mehrentheils noch nie gedruckte Gedichte von den berühmtesten Nieder-Sachsen, Teil 1, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Hamburg 1721, Wiesbaden: Harrassowitz 1983, S. 221:

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Das neue Licht des erleuchteten Catharinen-Tages. an Ihro Majestät/ die Groß Czaarin Katharine Alexewa (dt.) ›› zur Antwort von Barthold Hinrich Brockes auf dieses Gedicht s. u. den Hinweis unter f) in: Neukirch, Benjamin: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Siebender Theil, nach dem Druck aus dem Jahre 1727 hg. v. Erika A. Metzger und Michael M. Metzger, Tübingen, Niemeyer 1991, S. 101: Über das von neuen erbaute Königs­marckische Grab (dt.) ›› entstanden um 1691, zur Grablege von Otto Wilhelm von Königs­marck und Karl Johann von Königs­marck in Stade in: Martens, Heinrich Richard: Auserlesene Früchte Der Deutschen Poesie/ Auf den Musen-Bergen/ und an anderen Orten/ in Ober- und Nieder-Sachsen/ mit Fleiß zusammen getragen. Erste Sammlung/ oder Frühlings-Früchte, Leipzig und Wolfenbüttel: Meißner 1731, S. 182 f.: Grabschrift auf Ihro Majestät/ Petrum den Grossen (dt.) ›› entstanden um 1725 in: [Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg:] Der Römischen Octavia Siebenter Theil, Wien: Trattner 1762, S. 361 – 400: Die Geschichte der Givritta: ›› zu einer neueren Edition vgl. unter c) vier zweizeilige Sinnsprüche (dt., S. 375 f.) ›› Verfasserschaft unsicher Warum ihr Schönen (dt., S. 379) Daß ich dich liebe, ist keinem verborgen (dt., S. 394) ›› Verfasserschaft unsicher in: Richey, Michael: Deutsche und Lateinische Gedichte Dritter und letzter Theil, Hamburg: Fritsch 1766, S. 257 f.: Lobsprüche auf einige der ersteren Richeyischen Gedichte (dt.) ›› Widmungsgedicht in: Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königs­ mar[c]k und der Königs­mar[c]k’schen Familie, 2 Bde., Leipzig: Brockhaus 1836: ›› vgl. zu diesem Band auch die Hinweise unter c) und d)

Verzeichnis der gedruckten Werke der Maria Aurora von Königs­marck 337

Dies ist der Frauen Grab, der alles Lob gebühret (dt., I, S. 20) ›› 1691, Grabschrift auf die Mutter Maria Christina von Wrangel Alexandre n’eut point de maitre (frz., I, S. 186) ›› 1697, Gedicht auf eine Karnevalsverkleidung Augusts des Starken als Alexander der Große Als Cinthia ihr schönstes Licht (dt., II, S.  97 – 99) Un roi d’une auguste origine (frz., II, S. 99 f.) ›› entstanden nach 1693, Gedicht auf August den Starken in: Königs­mar[c]k, M. Aurora von, in: Hanselli, Per (Hg.): Samlade ­ itterhetsarbeten af Svenska författare från Stjernhjelm till Dalin. Efter Original­ V upplagor och Handskrifter utgifna, Bd. VIII, Uppsala: P. Hanselli 1867, S. 69 – 131: ›› In der Sammlung wurden zahlreiche bereits weiter oben angeführte Gedichte erneut publiziert und zudem die folgenden, für die sich bislang kein früherer Druck gefunden hat; dabei sind die Gedichte aus der um 1690 entstandenen Sammlung „Nordischer Weyrauch“, für die die Hanselli-Edition mit Sicherheit den Erstdruck darstellt, mit der Sigle NW markiert: Morgenlied (dt., NW, S. 71) Lobgedicht (dt., NW, S. 72 f.) Lob- und Liebesgedicht (dt., NW, S. 74 f.) Dankgedicht (dt., NW, S. 76 f.) Passionsgedicht (dt., NW, S. 78 f.) In Verfolgung (dt., NW, S. 80 f.) Verlangen nach der Bekehrung (dt., NW, S. 82 f.) Busslied (dt., NW, S. 84 f.) Verlangen nach dem Himmel (dt., NW, S. 86) Verlangen nach dem Himmel (dt., NW, S. 87) Erwählter Leiter und geschöpfter Trost (dt., NW, S. 88 f.) ›› Eine schwedische Übersetzung des Zyklus bietet Mörner, Birger: Maria Aurora Königs­marck u. a.: Nordisk offerröökelse, übers. und hg. v. Birger Mörner: Uppsala: Birger Mörner 1912. Eine kritische Edition der Gedichte der Sammlung „Nordischer Weyrauch“, die ein zusätz­liches Widmungsgedicht enthält (s. u.), erschien in: Woods, Jean M.: Nordischer Weyrauch: The Religious Lyrics of Aurora von Königs­ marck and her Circle, in: Daphnis 17, 1988, S. 267 – 326. Andersson, Bo, Eine ausführ­lich kommentierte und kontextualisierte Ausgabe des Nordischen weÿrauchs ist in Vorbereitung. Sie wird voraussicht­ lich 2015 erscheinen.

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Die klagende Welt über das Absterben der Königin Ulrika Eleonora, deren Ruhm ewig lebt (dt., S. 92 – 95) ›› entstanden um 1693 Principi Lodovici Badensi, Turcomannis victis 1691 (lat., S. 102) ›› Gedicht auf Ludwig von Baden zu dessen Sieg über die Türken im Jahr 1691 Stances: Vildomar, envain je t’appelle (frz., S. 103 f.) ›› um 1694 entstandene Stanzen auf das Verschwinden des Bruders Philipp Christoph von Königs­marck ›› Eine kritische Edition erschien in: Seelbach, Ulrich: Maria Aurora von Königs­marck’s Stanzen über ihren Bruder Philipp Christoph, in: ­Daphnis 20, 1991, S. 403 – 422. Chanson à la louange de notre Auguste roi (frz., S. 107) ›› Lobgedicht, wahrschein­lich auf König Karl XI. von Schweden Sonnet pour le Roi de Pologne (frz., S. 108) ›› auf August den Starken Au roi Auguste de Pologne (frz., S. 110) ›› auf August den Starken Les Dames de Suède au Prince Louis sur sa victoire (frz., 111 f.) ›› Gedicht auf Ludwig von Baden zu dessen Sieg über die Türken im Jahr 1691 Épitaphe de la raison (frz., S. 115) Heros victorieux, conquerans redoutables (frz., S. 121) ›› im Rahmen der sog. Medevi-Briefe aus dem Jahr 1682 – s. u. Grand Genie, qui préside (frz., S. 127 f.) ›› einige schäfer­liche Verse, verteilt auf mehrere Sprecher im Rahmen der sog. Medevi-Briefe aus dem Jahr 1682 – s. u. in: Leipziger Tageblatt vom 27. April 1888: Die Lippe brummet, alß ein Bär ›› entstanden um 1694/95, Spottgedicht auf Georg Ehrenfried von Lüttichau ›› Neuedition in: Schroeder, Johann Karl von / Seelbach, Ulrich: Drei Gedichte auf Georg Ehrenfried von Lüttichau, Vorbild für Graf Ehrenfried in Christian Reuters Lustspiel, in: Daphnis 18, 1989, S. 281 – 295. in: Mörner, Birger: Aurora von Königs­marck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München: Georg Müller 1921: ›› schwedisches Original: Maria Aurora Königsmarck. En krönika, Stockholm: Norstedt 1913; vgl. auch den Hinweis unter c)

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Disons que d’une Souveraine (frz., S. 40) ›› Gedicht auf die schwedische Königin Ulrika Eleonora, Verfasserschaft unsicher Paresseuse Aurore (frz., S. 85) ›› Verfasserschaft unsicher Tränkst Du Vergessen selbst aus Lethes Fluten (dt., S. 388) ›› Verfasserschaft unsicher in: Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck, Braunschweig: Westermann 1918 (2. Aufl. 1919): ›› vgl. auch unter c) Seltene Schönheit, Mänade ohnegleichen (dt., i. O. wohl frz., S. 57) ›› entstanden 1693, Verse ohne Reim und ohne Metrum übersetzt; scherzhafte Prophezeiung für die Kurfürstin von Brandenburg aus den Karnevalsbriefen aus Hannover (s. u. unter e) Du bringst deine ruhmvollen Pläne zum Gelingen (dt., i. O. wohl frz., S. 57) ›› entstanden 1693, Verse ohne Reim und ohne Metrum übersetzt; scherzhafte Prophezeiung für den Kurfürsten von Braunschweig aus den Karne­ valsbriefen aus Hannover (s. u.) Du besitzest eine unbeschränkte Herrschaft über dich selbst (dt., i. O. wohl frz., S. 57) ›› entstanden 1693, Verse ohne Reim und ohne Metrum übersetzt; scherzhafte Prophezeiung für die Kurfürstin von Braunschweig aus den Karne­ valsbriefen aus Hannover (s. u.) Der schöne Stern, der für dich glänzt (dt., i. O. wohl frz., S. 58) ›› entstanden 1693, Verse ohne Reim und ohne Metrum übersetzt; scherzhafte Prophezeiung für die Herzogin von Celle aus den Karnevalsbriefen aus Hannover (s. u.) Königin über Herzen und Sultane (dt., i. O. wohl frz., S. 58) ›› entstanden 1693, Verse ohne Reim und ohne Metrum übersetzt; scherzhafte Prophezeiung für die Kurprinzessin von Hannover aus den Karnevalsbriefen aus Hannover (s. u.) Was soll man dir für einen Namen geben (dt., S. 322) ›› zur Begrüßung des Zarensohns Alexei am 11. Juli 1711 in Quedlinburg; Verfasserschaft unsicher

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in: Woods, Jean M.: Nordischer Weyrauch: The Religious Lyrics of Aurora von Königs­marck and her Circle, in: Daphnis 17, 1988, S. 267 – 326, hier S. 325: ›› vgl. auch bereits die entsprechenden Gedichte in Hansellis „Samlade Vitterhetsarbeten“ (1867) Zum unverwelck­lichen Ruhm der Durchlauchtigsten Frau Abbetissin/ Anna Dorothea/Herzogin zu Sachsen Weimar: Stiffterin des Ordens der Unsterb­ lichkeit (dt.) ›› Widmungsgedicht im hs. Wolfenbütteler Exemplar der Sammlung – wohl entstanden im Zuge der Installierung von Maria Aurora von Königs­ marck in Quedlinburg in: Mattheson, Johann (1681 – 1764) Magnificat a due cori. Partitur, hg. v. Norbert Klose, Haale: Renaissance Musikverlag 2001: ›› zusätz­lich zu den bereits 1715 in Georg Christian Lehms’ Zusammenstellung „Deutschlands galante Poetinnen“ (s. o.) abgedruckten Texten; in dieser Edition fehlt der Hinweis auf die Verfasserschaft Aurora von Königs­marcks Meine Seele erhebet den Herrn (dt., S. 1 – 15) Elende Magd (dt., S. 16 f.) Mit seinem Arm übt er (dt., S. 25 f.) Wer hungrig ist komm’ er (dt., S. 32) Es fällt ihm ein … (dt., S. 37) Wie er geredet hat (dt., S. 38 – 55)

b) Dramatik [Königs­marck, Aurora von:] Prologue: Le theatre represente le Palais de l’histoire, o. O. und o. J. ›› gedruckter, aber nicht nament­lich gezeichneter französischsprachiger Prolog zur Aufführung von Racines „Iphigénie“ in Stockholm im Januar 1684; Aurora von Königs­marck ist in der Aufführung auch selbst aufgetreten, Ex. in Stockholm, Kungliga Biblioteket, Hc.02 kssb/6 ›› Edition in: En hittills okänd dikt af Aurora Königs­marck. Meddelad af C. Silverstolpe, in: Samlaren 1887, S. 52 – 57. Musen-Fest/ Welches Über die hocherwünschte Rückkunfft Des Durchlauchtigsten Chur-Fürstens zu Sachsen […] Herrn Friedrich Augusti/ Nach hinterlegter

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Campagne in Ungarn […] uff dem Theatro in Dresden frohlockend gefeyret worden, Dresden: Riedel 1696. ›› Musik von Johann Christoph Schmidt, Libretto wahrschein­lich von Aurora von Königs­marck, die im Druck nicht nament­lich erwähnt wird – sie ist in der Aufführung – u. a. als Muse der Dichtkunst – auch selbst aufgetreten. ›› Verfasserschaft unsicher – einige Wahrschein­lichkeit gewinnt sie durch die nachgewiesene Zusammenarbeit von Aurora von Königs­marck und Johann Christoph Schmidt im darauffolgenden Jahr beim Stück „Fastnachts-Lust“ (s. u.). ›› Eine Edition in derselben Reihe wie die „Fastnachts-Lust“ (s. u.) aus dem Folgejahr befindet sich in der Vorbereitung. Fastnachts-Lust/ Beym Schluss Des von Ihrer Churfl. Durchl. zu Sachsen/ und Burggrafen zu Magdeburg/ u. Herrn/ Herrn Friedrich Augusto angestellten prächtigen Carnevals, von Dames und Cavaliers vorgestellt In Dresden 1697, Dresden: Riedel 1697. ›› Musik von Johann Christoph Schmidt, Libretto von Aurora von Königs­ marck, die im Druck nicht nament­lich erwähnt wird – sie ist in der Aufführung auch selbst aufgetreten. ›› In der British Library in London findet sich eine zeitgenössische Kurzabschrift der Partitur mit dem hs. Hinweis: „Poesia. Gräfinn von Königs­ marck“. ›› Edition: „Fastnachts-Lust“ (Dresden 1697). Opera-Ballet in drei Aufzügen und vier „Entrées“, hg. v. Sebastian Biesold und Philipp Kreißig, mit einem Vorwort v. Uta Dorothea Sauer und Stephan Kraft, Berlin: Ries & Erler (= Denkmäler der Tonkunst in Dresden 8) (im Ersch.). [Onlineausgabe folgt bei Qucosa, Informationsserver der SLUB Dresden.] Hinweis: Der Artikel zu Aurora von Königs­marck in: Gottsched, Johann Christoph (Hg.): Handlexikon oder kurzgefaßtes Wörterbuch der schönen Wissenschaften und freyen Künste, Leipzig: Caspar Fritsch 1760, Sp. 968 f., weist auf ein angeb­liches frz. Lustspiel hin, das ansonsten nicht nachweisbar ist. Denkbar ist allerdings, dass hiermit der o. g. Prolog zu Racines „Iphigénie“ gemeint ist.

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c) Prosa und literarische Briefe in: [Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg:] Der Römischen Octavia Vierdter Theil, Braunschweig: Zilliger [1713/14], S. 603 – 658: Die Geschichte der Solane (dt.) ›› Die Verfasserin dieser literarisierten autobiographischen Skizze wird im Druck nicht nament­lich genannt; darin enthalten auch einige Gedichte – s. o. unter a). ›› Einzeledition: Königs­marck, Aurora von: Die Geschichte der Solane, hg. v. Stephan Kraft, in: Das ‚Ich‘ in der Frühen Neuzeit. Autobiographien – Selbstzeugnisse – Ego-Dokumente in historiographischer und literaturwissenschaft­licher Perspektive, hg. v. Elit, Stefan/Kraft, Stephan/Rutz, Andreas, zeitenblicke 1,2, 2002, . ›› In: Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg: Die Römische Octavia, Bd. 4,2, bearb. v. Maria Munding, Stuttgart: Hiersemann 2010, S. 544 – 592. Die Autorschaft Aurora von Königs­marcks wird hier nicht erwähnt, allerdings steht der Apparatband zu diesem Teil der historisch-kritischen Ausgabe des Romans noch aus (Stand: Frühjahr 2013). in: [Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg:] Der Römischen Octavia Siebenter Theil, Wien: Trattner 1762, S. 361 – 400: Die Geschichte der Givritta (dt.) ›› Die Verfasserin dieser um 1713 entstandenen Schlüsselgeschichte um die Gräfin Constantia von Cosel wird im Druck nicht nament­lich genannt; darin enthalten auch einige Gedichte – s. o. unter a). ›› In: Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg: Die Römische Octavia, Bd. 7,2, hg. v. Margarete und Rolf Tarot, Stuttgart: Hiersemann 2004, S. 359 – 398. Die Autorschaft Aurora von Königs­marcks wird hier nicht erwähnt. in: Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königs­ mar[c]k und der Königs­mar[c]k’schen Familie, 2 Bde., Leipzig: Brockhaus 1836: Denkschrift über das Schicksal des verschwundenen Grafen Königs­marck (dt., I, S. 112 – 127) ›› über das Verschwinden ihres Bruders, entstanden um 1694 Bade-Kurzweil. In Zwei Briefen der Gräfin Aurora Königs­marck (dt., i. O. wohl frz., I, S. 172 – 177) ›› Briefe aus Töplitz / Teplice aus dem Mai 1698, aus dem Frz. übers.

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Au commencement del monde (frz., II, S. 100 f.) ›› kurze Parodie der biblischen Schöpfungsgeschichte und einiger weiterer Bibelstellen in: Königs­mar[c]k, M. Aurora von, in: Hanselli, Per (Hg.): Samlade Vitterhetsarbeten af Svenska författare från Stjernhjelm till Dalin. Efter Originalupp­ lagor och Handskrifter utgifna, Bd. VIII, Uppsala: P. Hanselli 1867, S. 116 – 129: Les Divertissements de Medevi 1682 (frz.) ›› drei Briefe aus dem Jahr 1682 ohne Nennung des Empfängers – darin auch einige Gedichte enthalten, s. o. unter a) ›› dt. zuerst in der Übers. des Bandes von Mörner, Birger: Aurora von Königs­marck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München: Georg Müller 1921, S. 87 – 107. in: Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck, Braunschweig: Westermann 1918 (2. Aufl. 1919), S. 48 – 58: Der hannoversche Karneval (dt., i. O. frz.) ›› entstanden im Jahr 1693; dt. Übersetzung von ursprgl. französischsprachigen Briefen an die schwedische Königin Ulrika Eleonora; darin auch einige Gedichte enthalten – s. o. unter a) Hinweis: Mörner, Birger: Aurora von Königs­marck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München: Georg Müller 1921, S. 7 – 9, berichtet von einer diktierten Autobiographie in deutscher Sprache, die aber sicher nicht identisch mit der o. g. „Geschichte der Solane“ ist und somit als verschollen gelten muss.

d) sonstige Briefe in: Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora Königs­ mar[c]k und der Königs­mar[c]k’schen Familie, 2 Bde., Leipzig: Brockhaus 1836: Enthält deutsche Fassungen diverser Briefe von und an Aurora von Königs­ marck. Aufgeschlüsselt in: Verzeichnis der gedruckten Briefe deutscher Autoren des 17. Jahrhunderts, Teil 2: Drucke zwischen 1751 und 1980, bearb. v. Thomas Bürger, Band: K–Q, Wiesbaden: Harrassowitz 2002, S. 855 – 860.

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in: Königs­mar[c]k, M. Aurora von, in: Hanselli Per (Hg.): Samlade Vitterhetsarbeten af Svenska författare från Stjernhjelm till Dalin. Efter Originalupp­ lagor och Handskrifter utgifna, Bd. VIII, Uppsala: P. Hanselli 1867, S. 130 f.: undatierter Brief an den schwed. Staatsmann Graf Carl von Piper (frz.) in: Mörner, Birger: Aurora von Königs­marck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München: Georg Müller 1921 (schwedisches Original: Maria Aurora Königsmarck. En krönika, Stockholm: Norstedt 1913): Enthält deutsche Fassungen diverser Briefe von und an Aurora von Königs­ marck. in: Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck, Braunschweig: Westermann 1918 (2. Aufl. 1919): Enthält deutsche Fassungen diverser Briefe von und an Aurora von Königs­ marck. in: Kraft, Stephan: Galante Passagen im höfischen Barockroman – Aurora von Königs­marck als Beiträgerin zur „Römischen Octavia“ Herzog Anton Ulrichs, in: Daphnis 28, 1999, S. 323 – 345: Brief an Anton Ulrich vom 17.12.1713 über die Mitarbeit an seinem Roman „Die römische Octavia“ – s. o. (dt.)

e) fälsch­liche Zuschreibungen Die drey Töchter Cecrops in einem Sing-Spiel vorgestellet [Hamburg: o. V. 1680]. ›› Postum in der Mitte des 18. Jahrhunderts Aurora von Königs­marck zugeschrieben – die Verfasserschaft wurde aber zuletzt vehement bestritten. Vgl. dazu Seelbach, Ulrich: Oper und Roman in Ansbach. Zur Literatur einer fränkischen Residenzstadt gegen Ende des 17. Jahrhunderts, in: Garber, Klaus (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit, Bd. 1, Tübingen: Niemeyer 1998, S. 509 – 537, hier S.  519 – 522. ›› Diverse Neueditionen erschienen u. a. 1938, 1980 und 2006. A home truth: being memoirs of the love and state-intrigues of the Court of H---; from the marriage of the Princess of Z------, to the tragical death of Count K----k: Written originally in High-German, By the Celebrated Countess of K --------k, Sister of that Unfortunate Nobleman, 2. Aufl., London: J. Robinson 1743.

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›› Fehlerhafte Zuschreibung; es handelt sich hier vielmehr um eine englische Übersetzung der bekannten Darstellung der Königs­marck-Affäre durch Karl Ludwig von Pöllnitz. ›› Neudruck beigefügt zu: Fielding, Henry: The Life of Mr. Jonathan Wild, New York: Garland 1974. Cosmetische Briefe aus den hinterlassenen Papieren der Gräfin Aurora von Königs­mar[c]k, Leipzig: Goedsche 1851. ›› In Briefen gefasster Schönheitsratgeber – die Schreiben stammen allerdings mit Sicherheit nicht von Aurora von Königs­marck selbst, sondern wohl erst aus dem 19. Jahrhundert. Man versuchte hier offenbar von ihrem Ruf als einer besonders schönen Frau zu profitieren.

f) Gedichte auf Maria Aurora von Königs­marck und prosimetrische Widmungen in: Bressand, Friedrich Christian: Echo und Narcissus. in einem Sing-Spiele auf dem Braunschweigischen Schau-Platze vorgestellet/ im Jahre 1693, Braunschweig: Zilliger 1693: An die Hoch-Wolgebohrne Gräfin Aurora, Gräfin von Königs­marck/ etc. etc. Zueignungs-Sonnet (dt.) in: Bressand, Friedrich Christian: Saltzthalischer Mäyen-Schluß, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Salzdahlum 1694, hg. v. Thomas Scheliga, Berlin: Berliner Bibliophilen Abend 1994, unpag.: Sie lebe ganz vergnügt biß an das späte Sarck (dt.) ›› notiertes Impromptu des Wolfenbütteler Oberhofmarschalls Friedrich II. von Steinberg Was man hier sieht von Seltenheiten (dt.) ›› Versfassung einer Reverenz Herzog Anton Ulrichs gegenüber der Gräfin Maria Aurora von Königs­marck, erstellt durch den Wolfenbütteler Oberhofmarschall Friedrich II. von Steinberg A Madame la Comtesse de Königs­marck (frz.) ›› notiertes Impromptu, wohl vom anwesenden Gottfried Wilhelm Leibniz Mon cœur enflé dùn noble orgueil (frz.) ›› Lobgedicht von Friedrich Christian Bressand auf Maria Aurora von Königs­marck dafür, dass sie während des Festes in einer Aufführung von Racines „Sertorius“ die Rolle des Virate gespielt hat

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Reichenbach, Benjamin Friedrich de: Poëme Heroïque Sur Le Jour De Naissance De Sa Haute Excellence Madame Marie Aurore Konigsmark, Quedlinburg: Sievert [um 1700]. ›› Separatdruck eines französischen Geburtstagsgedichts im Umfang von drei Druckseiten in: La Grandezza D’Animo, Oder: Arsinoe, In einem Singe-Spiel Auf dem grossen Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet, Hamburg: Greflinger 1710. ›› Musik von Reinhard Keiser, Libretto von Breymann – zu den drei Arien von Aurora von Königs­marck vgl. den Hinweis unter a) Soll man den hohen Stamm/ soll man die Großmuth rühmen? (dt.) ›› Widmung im Rahmen der unpag. Vorrede, ohne Hinweis auf den Verfasser in: Brenner, Sophia Elisabeth: Poetiske Dikter, Stockholm: Matthiae 1713, S.  196 f.: An die Hoch und Wohlgebohrne Fräulein Maria Aurora Königs­marck. Stockholm den 22. Julij 1687 (dt.) in: Keiser, Reinhard: Divertimenti Serenissimi, delle Cantate, Duetti ed Arie diverse, senza stromenti oder: durchlauchtige Ergötzung, über verschiedene Cantaten, Duetten und Arien ohne Instrumenten, Hamburg: Greflinger 1713: Aurora ja/ die von dem Helden-Stamm (dt.) ›› Das Gedicht stammt wahrschein­lich von Reinhard Keiser selbst und ist in eine drei Druckseiten umfassende Widmungsvorrede an die Gräfin eingebettet; vgl. zu einem in diesem Band enthaltenen Gedicht von Aurora von Königs­marck auch den Hinweis unter a). in: Lehms, Georg Christian: Deutschlands galante Poetinnen, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt am Main 1715, hg. v. Winfried von Borell, Darmstadt: Bläschke 1966: Aurorens Ebenbild mit Farben abzureissen (dt., unpag.) ›› wahrschein­lich von Georg Christian Lehms selbst verfasst – eingebettet in eine insgesamt sechs Druckseiten umfassende Widmungsvorrede an die Gräfin Sonett! Auf Die gelehrte und geistreiche Schwedische Gräfin/ Maria Aurora Königs­marck (dt., Anhang, S. 121) ›› wahrschein­lich von Georg Christian Lehms selbst verfasst

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in: Weichmann, Christian Friedrich: Poesie der Nieder-Sachsen oder allerhand, mehrentheils noch nie gedruckte Gedichte von den berühmtesten Nieder-Sachsen, Teil 1, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Hamburg 1721, Wiesbaden: Harrassowitz 1983, S. 221 f.: Barthold Hinrich Brockes: Wenn sonst das Morgen-Roht den weissen Tag gebieret (dt.) ›› Parodie eines Madrigals von Aurora von Königs­marck im selben Band; vgl. dazu den Hinweis unter a) in: Hanselli, Per (Hg.): Samlade Vitterhetsarbeten af Svenska författare från Stjernhjelm till Dalin. Efter Originalupplagor och Handskrifter utgifna, Bd. IV, Uppsala: P. Hanselli 1869, S. 153 f.: Erik Lindschöld: Komm edle Göttin komm, du schönste Morgenröte (dt.) ›› aus Anlass der Aufführung von Racines „Iphigénie“ mit einem Prolog von Aurora von Königs­marck im Jahr 1684 – s. o. unter b) in: Mörner, Birger: Aurora von Königs­marck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München: Georg Müller 1921 (schwedisches Original: Maria Aurora Königsmarck. En krönika, Stockholm: Norstedt 1913): Nobilis nunquam finxit Natura Sororum (lat., S. 461) ›› Huldigungsgedicht auf die Schwestern Königs­marck von einem unbekannten, wohl schwedischen Verfasser ›› Dt. Übersetzung bei Mörner, Birger: Aurora von Königs­marck, übers. v. Clara Nordström und Siegfried von Vegesack, München: Georg Müller 1921, S. 39. Was haust zu dieser Zeit in grimmer Winterkälte (dt., S. 357) ›› Spottgedicht eines unbekannten Verfassers auf die ‚Nichtbegegnung‘ von Karl XII. von Schweden und Aurora von Königs­marck Fort, fort, Aurora, fort, hier kannst du nichts erreichen! (dt., S. 357 f.) ›› fingierte Antwort Karls XII. von Schweden auf den Versuch von Aurora von Königs­marck, mit ihm Kontakt aufzunehmen in: Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck, Braunschweig: Westermann 1918 (2. Aufl. 1919), S. 205: Die Gräfin räume nur das Feld (dt.) ›› Spottgedicht eines unbekannten Verfassers auf die ‚Nichtbegegnung‘ von Karl XII. von Schweden und Aurora von Königs­marck

348 Stephan Kraft

g) Reine Prosawidmungen an Maria Aurora von Königs­marck in: Die entdeckte Verstellung/ Oder: Die geheime Liebe/ Der Diana: In einem Pastoral Auf dem Hamburgischen Schau-Platz Vorgestellt, Hamburg: Greflinger 1712. ›› Musik von Reinhard Keiser, Libretto und Widmung von Johann Ulrich König – die deutschsprachige Widmung findet sich nur im Exemplar aus der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, 138 in MS 639/3:8 in: Mattheson, Johann: Das Neu-Eröffnete Orchestre […], Hamburg: Selbstverlag 1713. ›› umfangreiche, unpaginierte deutschsprachige Widmung über elf Druckseiten mit einem Kupferstichporträt der Gräfin in: Die Großmüthige Tomyris. Wurde in einem Sing-Spiel auf dem Hamburgischen Schau-Platz fürgestellet, Hamburg: Greflinger 1717. ›› Musik von Reinhard Keiser, Libretto von Johann Joachim Hoë, deutschsprachige Widmung von Hoë über vier Druckseiten in: Veritophili [d. i. Raupach, Christoph]: Deut­liche Beweis-Gründe/ Worauf der rechte Gebrauch der Music, beydes in den Kirchen/ als ausser denselben/ beruhet […], hg. v. Johann Mattheson, Hamburg: Benjamin Schillers Erben 1717. ›› deutschsprachige Widmung und Widmungsvorrede von Johann Mattheson über insgesamt vier Druckseiten Hinweis: In der Forschungsliteratur wird gelegent­lich auf eine weitere Widmung durch Reinhard Keiser im Druck seiner Serenata „Die gekrönte Würdigkeit“ aus dem Jahr 1711 verwiesen, die im einzigen heute bekannten Exemplar des Drucks im Staatsarchiv Hamburg allerdings nicht enthalten ist.

h) Einträge in Personenlexika zu Lebzeiten Ebert(i), Johann Caspar: Eröffnetes Cabinet Deß Gelehrten Frauen-Zimmers, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt am Main und Leipzig 1706, hg. v. Elisabeth Gössmann, München: Iudicium 1986, S. 209 f. Paullini, Christian Franz: Hoch-und Wohl-gelahrtes FrauenZimmer/ Abermahl durch Hinzusetzung unterschied­licher Gelehrter/ Wie auch Et­licher

Verzeichnis der gedruckten Werke der Maria Aurora von Königs­marck 349

Ausländischer Damen hin und wieder um ein merck­liches vermehret, Frankfurt am Main und Leipzig: Stößel 1712, S. 87 f. Lehms, Georg Christian: Deutschlands galante Poetinnen, fotomech. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt am Main 1715, hg. v. Winfried von Borell, Darmstadt: Bläschke 1966, Anhang, S. 113 – 122. ›› Der Band ist Maria Aurora von Königs­marck gewidmet – siehe dazu den Hinweis unter f).

i) Präsenz in zeitgenössischen Schlüsselerzählungen (Auswahl) in: [Manley, Delarivier:] Memoirs of Europe, Towards the Close of the Eighth Century, Written by Eginardus, Bd. 2, London: John Morphew 1710. ›› Maria Aurora von Königs­marck erscheint hier als die Erzählerin Ethelinda. in: Mattheson, Johann: Correspondence caracterisée, in: Ders.: Texte aus dem Nachlass, hg. v. Wolfgang Hirschmann und Bernhard Jahn, Hildesheim/ Zürich/New York 2014, S. 29 – 61. ›› Maria Aurora von Königs­marck tritt in diesen französischsprachigen, verschlüsselten autobiographischen Notizen unter dem Kürzel L. bzw. K. (Vorstufe) auf. Hält man die Angaben für vertrauenswürdig, so ergibt sich, dass die Gräfin und Mattheson in der Zeit nach 1703 eine rund fünf Jahre andauernde Liebesbeziehung unterhalten haben. Eine daraus resultierende Schwangerschaft endete mit einer Fehlgeburt. Hinweis: Vgl. auch die Schlüsselerzählungen, die von Maria Aurora von Königs­ marck selbst stammen und die sich unter c) befinden.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen (in Auswahl) Verzeichnis der benutzten Archive und Bibliotheken Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) (Berlin) Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB) Kungliga biblioteket Stockholm (KB) Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (LAV NRW) Abteilung Rheinland (Düsseldorf) Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (LAV NRW) Abteilung Westfalen (Münster) Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHASA), Abteilung Dessau Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHASA), Abteilung Magdeburg Linköpings stiftsbibliotek Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Stade – (NLA ST) Österreichisches Staatsarchiv Haus- Hof- und Staatsarchiv (ÖStA HHStA) (Wien) Riksarkivet (RA) Stockholm Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) Sächsisches Staatsarchiv Hauptstaatsarchiv Dresden (HStADD) (auch Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (SHStA)) Slottsarkivet Stockholm Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB) Universitetsbiblioteket Lund (UB) Universitetsbiblioteket Uppsala (UUB)

Verzeichnis der benutzten Archivalien und Handschriften Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Berlin) •• I. HA Geheimer Rat Rep. 33 Nr. 158 (Stift Quedlinburg) h5, Bd. 1700 – 1707, 1708, 1715 – 1716, 1717 – 1718 •• I. HA Rep. 34 Kleve, Mark, Ravensberg, Niederlande Nr. 3114, 3115 •• I. HA Rep. 33 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel •• Cod. Guelf. 145 Blank.: Königs­marck, Maria Aurora von: Nordischer Weyrauch oder Zusammen gesuchte Andachten von Schwedischen Frauenzimmer

352 Quellen- und Literaturverzeichnis Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland (Düsseldorf) •• Stift Essen Akten Nr. 40 Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen (Münster) •• Fürstabtei Herford Akten Nr. 241, 260, 267, 827, 1121 Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau •• A 9c Nr. 13 Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg •• Rep. A20 tit. IV Nr. 1, 2, 8 •• Rep. A20 tit. V Nr. 5, 12, 28 •• Rep. A22 tit. I Nr. 19 Linköpings stiftsbibliotek •• Schreiben von Maria Christina Wrangel an Johan Gyllenstierna, 22. Februar 1679 und 23. März 1680 •• Schreiben von Maria Christina Wrangel an Nils Brahe, 9. März 1680 Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Stade – •• Rep. 5a F. 492 – 508: Königs­marck’sche Akten •• Rep. 81 Hs. acc. 2008/028 Nr. 1: Salmuth, Heinrich: Lebensbeschreibung des Hans Christoph von Königs­marck, um 1659 Österreichisches Staatsarchiv Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) •• Reichskanzlei Kleinere Reichsstände 415 – 3 – 4 Riksarkivet Stockholm •• Enskilda Arkiv: Maria Aurora Königs­marcks samling, E 4434 •• Enskilda Arkiv: Rydboholmssamlingen, E 7747 – 7938, E 8098 •• Enskilda Arkiv: Sjöholmsarkivet Gyldenstolpeska samlingen, Vol. 5 •• Genealogica 64 •• Riksregistraturet, König Carl XI. an die schwedischen Bischöfe, 26. April 1682 •• Riksregistraturet, König Carl XI. an die Liquidationskommission, 17. Mai 1682 •• Riksregistraturet, König­liches Plakat, 26. April 1682 •• Riksregistraturet, König­liche Resolution, 3. Januar 1683 Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden •• Msc. Dresden Q. 226: Chur Fürstl: Sächß: Hof- und andere Nachrichten… 1693 bis 1697, zusammengetragen von F. L. z[acharias] Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden (auch Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden)

Quellen- und Literaturverzeichnis 353

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10684 Stadtgericht Dresden 2025 10006 OHMA, Lit. I 18 und Lit. G 13 Geheimes Kabinett Loc. 2982/1, 2982/2, 2982/4, 39122/5 Geheimer Rat Loc. 8970/10

Slottsarkivet Stockholm •• Vinkällaren Änkedrottning Hedvig Eleonoras vinkällarräkenskaper 1683, Vol. 33; 1684, Vol. 34 Universitetsbiblioteket Lund •• De la Gardieska arkivet Universitetsbiblioteket Uppsala •• N 1124: Brenner, Sophia Elisabet: Till det Höga och Förnähme Fruentimbret •• Palmsk. 389: Gripenhielm, Karl: Dhe Swänska Amazonernas Beröm •• Palmsk. 389: Gripenhielm, Karl: Till dhe oförnögde wid det Amazoniske skådespeelet •• Palmsk. 389: Gripenhielm, Karl: Dhen ny upwäckte och förqwickade Rooligheten till wår nådigste Konungz behag det ädla fruentimbret andra gången wijste itt prof af sin gentillesse som skedde i Stockholm d 23 Aprilij Ao 1684 •• V 276: Königs­marck, Maria Aurora von: Nordischer weÿrauch oder Zusammen Gesuchte andachten Vom Schwedischen Frauen Zimmer •• Dübensamlingen, Vmhs 19:10: Königs­marck, Maria Aurora von: Freulein Marie Aurore Coningsmarcks Ariette über dero selben verse [Vertonung von O großer Gott du aller welt gebiether] Palmsk. 393, Nr.  10 – 12: Leijoncrona, Christoffer: tre dikter med anledning av Iphigénie•• föreställningen 1684

Gedruckte Quellen und Literatur (in Auswahl) Albrecht, Peter: Das Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (1735 – 1806), in: Jarck, Horst-Rüdiger/Schildt, Gerhard (Hg.): Die braunschweigische Landesgeschichte, Braunschweig 2000, S. 575 – 610. Alewyn, Richard: Das große Welttheater, Hamburg 1959. Andersson, Bo / raag, Raimo (Hg.): Från Nyens skans till Nya Sverige. Språken i 1600-talets Svenska Rike (Kungliga Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien. Konferenser 78), Stockholm 2012. Arditi, Jorge: A Genealogy of Manners. Transformations of Social Relations in France and England from the Fourteenth to the Eighteenth Century, Chicago 1998. Asch, Ronald: Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz und Patronage 1625 – 1640, Köln 1993.

354 Quellen- und Literaturverzeichnis Aust, Gerrit: von Königs­marck, Hans Christoph, in: Bei Der Wieden, Brage/Lokers, Jan (Hg.): Lebensläufe zwischen Elbe und Weser. Ein biographisches Lexikon, Bd. 1, Stade 2002, S.  190 – 192. Åberg, Alf: Königs­marck, Conrad (Curt) Christoff, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd. 21, Stockholm 1975 – 1977, S. 781/782. Åberg, Alf: Königs­marck, Otto Wilhelm, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd. 21, Stockholm 1975 – 1977, S.  782 ff. Åberg, Alf: Philip Christoph Königs­marck, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd. 22, Stockholm 1977 – 1979, S. 5. Åkerhielm, Samuel: Anna Åkerhielm (Anna Agriconia) (Åkerhielmska Släktföreningen Meddelanden 3), Lund 1970. Åslund, Leif: Att fostra en kung. Om drottning Kristinas utbildning, Stockholm 2005. Bahl, Peter: Der Hof des Großen Kurfürsten. Studien zur höheren Amtsträgerschaft Brandenburg-Preußens, Köln 2001. Barre, Werner: Der schwedische Ast der Grafen von Königs­marck, in: Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 73 (1994), S. 97 – 115. Bauer, Volker: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie, Tübingen 1993. Bauer, Volker: Strukturwandel der höfischen Öffent­lichkeit. Zur Medialisierung des Hoflebens vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für historische Forschung 38 (2011) (Nr. 4), S. 585 – 620. Bayreuther, Rainer: Perspektiven des Normbegriffs für die Erforschung der Musik um 1700, in: Ders. (Hg.): Musikalische Norm um 1700 (Frühe Neuzeit 149), Berlin/New York 2010. Beckman, Margareta: Aurora von Königs­marck. Svenska bland härförare i stormaktstidens Europa, Stockholm 1998. Beijer, Agne: Den Königs­marckska maskeradtapeten, in: Vision och gestalt. Studier tillägnade Ragnar Josephson, Stockholm 1958, S. 128 – 149. Berckenhagen, Ekhart: Anna Rosina Lisiewska-Matthieu-de Gasc (Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 31), München 1992. Bergman, Carl Gunnar: Testamentet i 1600-talets rättsbildning, Lund 1918. Blanck, Anton: Aurora Königs­marck spelar teater, in: Ders. (Hg.): Ur samma synvinkel. Tidshändelser i diktens spegel, Stockholm 1935, S. 109 – 145. Blaschke, Karlheinz: Königs­marck, Aurora Gräfin von, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S.  359 – 360, URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118777688.html. Bley, Clemens (Hg.): Kayser­lich – frey – welt­lich. Das Reichsstift Quedlinburg im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (Studien zur Landesgeschichte 21), Halle 2009. Böhme, Klaus-Richard: Königs­marck, Hans Christoff, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd. 21, Stockholm 1975 – 1977, S.  778 – 781. Böhme, Klaus-Richard: Bremisch-verdische Staatsfinanzen 1645 – 1676. Die schwedische Krone als Landesherrin (Diss.) (Studia Historica Upsaliensia XXVI), Uppsala 1967. Böhme, Klaus-Richard: Hans Christopher von Königs­marcks Testament, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 41 (1969), S. 134 – 155.

Quellen- und Literaturverzeichnis 355 Böning, Holger: Zur Musik geboren. Johann Mattheson – Eine Biographie (Presse und Geschichte – Neue Beiträge 80), Bremen 2014. Bohmbach, Jürgen: Die Besitzungen Hans Christoph von Königs­marcks in den Herzogtümern Bremen und Verden, in: Brosius, Dieter/Last, Martin (Hg.): Beiträge zur niedersächsischen Landesgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Hans Patze, Hildesheim 1984, S.  209 – 219. Bomann-Museum Celle (Hg.): Mächtig verlockend. Frauen der Welfen. Eléonore d’Olbreuse 1639 – 1722 Herzogin von Braunschweig-Lüneburg. Sophie Dorothea 1666 – 1726 Kurprinzessin von Hannover. Begleitband zur Ausstellung des Residenzmuseums im Celler Schloss vom 16. Februar bis 15. August 2010, Celle 2010. Bourdieu, Pierre: Distinction: A Social Critique of the Judgement of Taste, London 1984. bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weib­lichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschicht­lichen und literarischen Präsentationsformen des Weib­lichen, Frankfurt/M. 1979. Brenner, Sophia Elisabet: Til det Höga och Förnäma Fruentimbret Som Hans Konglige Mayestet och heele det Konglige Huset til Ähra ett berömbligit Skåde-Speel Anstelte J Stockholm Anno 1684, Stockholm 1684. Brenner, Sophia Elisabet: Andra Delen Af Sophiæ Elisabeth Brenners Poetiske Dikter Uti åtskillige Språk/ Tider och Tilfällen författade Och Efter des Död i Liuset framtedde, Stockholm 1732. Brenner, Sophia Elisabet: Samlade dikter av Sophia Elisabet Brenner. Första delen. Poetiske Dikter 1713, hg. v. Valborg Lindgärde. 1. Text (Svenska författare utgivna av Svenska Vitterhetssamfundet XXVII), Stockholm 2009. Brenner, Sophia Elisabet: Samlade dikter av Sophia Elisabet Brenner. Första delen. Poetiske Dikter 1713, hg. v. Valborg Lindgärde. 2. Kommentar (Svenska författare utgivna av Svenska Vitterhetssamfundet XXVII), Stockholm 2013. Bressand, Friedrich Christian: Echo und Narcissus in einem Sing-Spiele auf dem Braunschweigischen Schau-Platz vorgestellet …, Braunschweig 1693. Bressand, Friedrich Christian: Salzthalischer Mäyen=Schluß (1694), Faksimile, hg. v. Thomas Scheliga, Berlin 1994. Brook, Madeleine: ‚An intelligent foreigner‘? The English Reception of Karl Ludwig von Pöllnitz in the nineteenth and early twentieth centuries, in: Angermion 2 (2009), S. 77 – 89. Brook, Madeleine: Popular History and Fiction. The Myth of August the strong in German Literature, Art and Media, Oxford 2013. Buchholz, Werner: Vom Adelsregiment zum Absolutismus. Finanzwirtschaft und Herrschaft in Schweden im 17. Jahrhundert, in: Rauscher, Peter/Serles, Andrea/Winkelbauer, Thomas (Hg.): Das „Blut des Staatskörpers“ (Historische Zeitschrift, Beiheft 56), München 2012, S. 129 – 181. Bucholtz, R. O.: The Augustan Court: Queen Anne and the Decline of Court Culture, Stanford 1993. Burg, Paul: Die schöne Gräfin Königs­marck, Braunschweig 1918 (2. Auflage 1919). Burke, Peter: The Fortunes of the Courtier, Cambridge 1995. Campbell, Peter R.: Power and politics in old régime France 1720 – 1745, London 1996.

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Wappen der Grafenfamilie von Königs­marck © Riddarhuset, Stockholm/Schweden Abb. 2 Hans Christoph von Königs­marck © Kulturstiftung Schloss Agathenburg/Manfred Wigger Abb. 3 Cordt/Conrad Christoph von Königs­marck, zeitgenössischer Kupferstich © Kulturstiftung Schloss Agathenburg Abb. 4 Otto Wilhelm von Königs­marck, Ölgemälde von David Klöcker Ehrenstrahl (zugeschrieben) © Östergötlands museum Abb. 5 Philipp Christoph von Königs­marck, Ölgemälde von Martin Mijtens d.Ä. (zugeschrieben) © Östergötlands museum Abb. 6 Maria Aurora von Königs­marck, unbekannter Maler (bisher Johan David Swartz zugeschrieben) © Östergötlands museum Abb. 7 Maria Aurora von Königs­marck, unbekannter Maler © Kulturstiftung Schloss Agathenburg/Manfred Wigger Abb. 8 Maria Aurora von Königs­marck im Jagdkostüm, unbekannter Maler, Öl auf Leinwand, um 1700, 98 x 80 cm © Mit freund­licher Genehmigung der Städtischen Museen Quedlinburg/Schlossmuseum Abb. 9 König August II. von Polen, Ölgemälde von Louis de Silvestre, 1718, 172 x 253 cm © Gemäldegalerie Alte Meister, Staat­liche Kunstsammlungen Dresden Abb. 10 Moritz Graf von Sachsen, Pastell von Maurice Quentin de la Tour, um 1750/60, 59,5 x 49 cm © Gemäldegalerie Alte Meister, Staat­liche Kunstsammlungen Dresden Abb. 11 Maria Elisabeth von Holstein-Gottorf, Äbtissin des welt­lichen Damenstifts Quedlinburg, unbekannter Maler, um 1740 © Mit freund­licher Genehmigung der Städtischen Museen Quedlinburg/Schlossmuseum Abb. 12 Maria Antonia von Branconi, Ölgemälde von Anna Rosina de Gasc, um 1700 © Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Kunstmuseum des Landes Niedersachsen Abb. 13 Johann Heinrich Ramberg, Die gelehrte Frau, 1802, Tuschezeichnung, 11 x 8,1 cm © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK Abb. 14 Aurora von Königs­marck: Nordischer weÿrauch (UUB: V 276) © Universitetsbiblioteket Uppsala Abb. 15 Aurora von Königs­marck: Nordischer weÿrauch (UUB: V 276) © Universitetsbiblioteket Uppsala Abb. 16 Aurora von Königs­marck: Nordischer weÿrauch (UUB: V 276) © Universitetsbiblioteket Uppsala Abb. 17 Aurora von Königs­marck: Nordischer Weyrauch (HAB: Cod. Guelf. 145 Blank.) © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

370 Abbildungsverzeichnis Abb. 18 Freulein Marie Aurore Coningsmarcks Ariette über dero selben verse (UUB: Dübensamlingen, Vhms. 19:10) © Universitetsbiblioteket Uppsala Abb. 19 Huldigungsgedicht von Sophia Elisabeth Brenner für Maria Aurora von Königs­marck, Januar 1684, Handschrift, in: Universitetsbiblioteket Uppsala N 1124, Bl. 45v/46r © Universitetsbiblioteket Uppsala Abb. 20 Titelseite Gottlieb Siegmund Corvinus: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon, Leipzig, 1715 Abb. 21 Königin Maria von Ungarn im Streitwagen, Kupferstich von 1663, A. Torquato inv., Jan de Visscher sc., 1663 © Kulturstiftung Schloss Agathenburg Abb. 22 Königs­marck’sche Tapeten: Barndomen (Die Kindheit), Wandteppich, Seide und Wolle auf Leinengewebe gestickt, um 1690, ca. 240 x ca. 130 cm © Östergötlands museum, Urban Windahl 2012 Abb. 23 Königs­marck’sche Tapeten: Ålderdomen (Das Alter), Wandteppich, Seide und Wolle auf Leinengewebe gestickt, um 1690, ca. 240 x ca. 130 cm © Östergötlands museum, Urban Windahl 2012 Abb. 24 Königs­marck’sche Tapeten: Maskeradtapeten (Maskeradentapete), Wandteppich, Seide und Wolle auf Leinengewebe gestickt, um 1690, ca. 240 x ca. 405 cm © Östergötlands museum, Jonas Karlsson 2012 Abb. 25 Königs­marck’sche Tapeten: Allegoritapeten (Allegorietapete), Wandteppich, Seide und Wolle auf Leinengewebe gestickt, um 1690, ca. 240 x ca. 405 cm © Östergötlands museum, Jonas Karlsson 2012 Abb. 26 Königs­marck’sche Tapeten: Triumftapeten (Triumphtapete), Wandteppich, Seide und Wolle auf Leinengewebe gestickt, um 1690, ca. 240 x 245 cm © Östergötlands museum, Urban Windahl 2012 Abb. 27 Königs­marck’sche Tapeten: Rikssalstapeten (Reichssaaltapete), Wandteppich, Seide und Wolle auf Leinengewebe gestickt, um 1690, ca. 240 x 245 cm © Östergötlands museum, Urban Windahl 2012 Abb. 28 Fest­lichkeit an einem Moritzburger Teich mit August dem Starken und Maria Aurora von Königs­marck (?), Lorenzo Rossi um 1730, Öl auf Leder © Staat­liche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH, Schloss Moritzburg und Fasanenschlösschen, Fotograf: Jürgen Karpinski, Dresden Abb. 29 Maria Aurora von Königs­marck in Begleitung ihrer Pflegetochter Maria Aurora (Fatima) und Christina Freifrau von Wrangel auf Lindeberg (?), Ölgemälde von Heinrich Christoph Fehling um 1695 © Staat­liche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 99/50. Staat­liche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH, Schloss Moritzburg und Fasanenschlösschen, Fotograf: Hans-Peter Klut, Dresden Abb. 30 Detail von Abb. 29 © Staat­liche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH, Schloss Moritzburg und Fasanenschlösschen, Fotograf: Hans-Peter Klut, Dresden

Abbildungsverzeichnis 371 Abb. 31 Rombout Verhulst, Grabmal Anna von Ewsum und Carel Hieronymus van Inen ­Knyphuizen, Kirche Midwolde/Niederlande © Museumsdorf Cloppenburg Abb. 32 Petersenska huset (auch Piperska palatset) in Stockholm, Kupferstich, in: Erik Dahlberg, Suecia antiqua et hodierna, 3 Bde., Stockholm 1693 – 1714, hier: Bd. 1,49 © Universitetsbiblioteket Lund Abb. 33 Wrangelscher Palast in Stockholm, Kupferstich von Jean Marot, in: Erik Dahlberg, Suecia et hodierna, 3 Bde., Stockholm 1693 – 1714, hier: Bd. 1,37 © Universitetsbiblioteket Lund Abb. 34 Schloss Salzdahlum von der Gartenseite aus der Vogelschau, Radierung von Anton August Beck, um 1760, Plattengröße 192 x 319 mm, Darstellungsgröße 165 x 288 mm, Bezeichnung: mi. u. Leg. A-Y, re. u. „gravé par Ant. Aug. Beck à Bronsvic.“, mi. o. Schriftband „Vue et Perspective de Saltzthalen avec ses Environs du Cóté du Jardin.“ © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Abb. 35 Apoll beim Götteraufzug am 7. Februar 1695 in Dresden, 50 x 60 cm © bpk/Staat­liche Kunstsammlung Dresden, H. Boswank Abb. 36 Schloss Agathenburg, Stammschloss der Grafenfamilie von Königs­marck in Agathenburg bei Stade (Ansicht 2011) © Kulturstiftung Schloss Agathenburg/Manfred Wigger Abb. 37 Kaiser­lich frei-welt­liches Damenstift Quedlinburg (Ansicht 2008) © W. Fischer/Quedlinburg

Die Autoren Prof. Dr. Bo Andersson Professor für Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Uppsala. Mitglied der König­lichen Schwedischen Akademie für Literatur, Geschichte und Altertümer. Studium der Fächer Germanistik und Nordistik an der Universität Stockholm und der Germanistik an der Universität Cincinnati. Promotion an der Universität Stockholm. Forschungsschwerpunkte: Sprache, Literatur und Kultur der Frühen Neuzeit, u. a. Schreiben und Denken bei Jacob Böhme, die Bedeutung der deutschen Sprache im Schweden des 17. Jahrhunderts. Dr. Madeleine Brook Dozentin für Germanistik an der Faculty of Medieval and Modern Languages, University of Oxford. Studium der Fächer Geschichte und Germanistik. Promotion an der University of Oxford, wissenschaft­liche Mitarbeiterin für die Early Modern Festival Books Database und Koordinatorin für das Oxford German Network. Forschungsschwerpunkte: Der historische Roman und die Verwendung von Fiktion in historischen Darstellungen, die Kultur der Frühen Neuzeit und ihr Platz in der modernen deutschen Kultur. Dr. Heike Düselder Historikerin und Direktorin des Museums Lüneburg. Studium der Fächer Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Oldenburg; Promotion 1997. 2002 bis 2012 wissenschaft­liche Mitarbeiterin, Projektleiterin und Ausstellungskuratorin an der Universität Osnabrück in Forschungs- und Ausstellungsprojekten in Kooperation mit dem Nds. Frei­lichtmuseum Museumsdorf Cloppenburg. Forschungsschwerpunkte: Adelsgeschichte, Umweltgeschichte, Landes- und Regionalgeschichte Niedersachsens. Dr. Beate-Christine Fiedler Historikerin. Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Skandinavistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Promotion über „Die Verwaltung der Herzogtümer Bremen und Verden in der Schwedenzeit 1652 – 1712. Organisation und Wesen der Verwaltung“. Wissenschaft­liche Mitarbeiterin im Niedersächsischen Landesarchiv – Standort Stade –; seit 1994 Mitglied in der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Frühen Neuzeit, Landes- und Regionalgeschichte Niedersachsens, insbesondere Geschichte des Elbe-Weser-Raums und der Schwedenzeit in den Herzogtümern Bremen und Verden.

374 Die Autoren

Dr. Gudrun Fiedler Leiterin des Niedersächsischen Landesarchivs – Standort Stade. Studium und Promotion an den Universitäten Hannover und Braunschweig, 1985 – 1989 Wissenschaft­liche Mitarbeiterin im Archiv der TU Braunschweig, 1989 – 1991 Archivreferendariat: Staatsarchiv Osnabrück/Archivschule Marburg, 1991 Stellvertretende Leiterin des Stadtarchivs Hildesheim, 1991 – 1999 Referentin im Hauptstaatsarchiv Hannover und im Referat „Staatsarchivverwaltung“ der Niedersächsischen Staatskanzlei, 2000 – 2006 Referentin im Staatsarchiv Wolfenbüttel, seit 2006 Leiterin des Staatsarchivs Stade im Niedersächsischen Landesarchiv (seit 2013 NLA – Standort Stade –). Forschungsschwerpunkte: Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Landes Braunschweig 18.–20. Jh. bzw. Niedersachsen 18.–20. Jh., niedersächsische Verwaltungsgeschichte im 20. Jh., Geschichte der bürger­lichen Jugendbewegung, Hochschul- und Technikgeschichte, Geschichte des Elbe-Weser-Raums. Ralf Giermann Bereichsleiter der Museen und stellvertretender Schlossleiter im Schloss und Fasanenschlösschen Moritzburg. Studium der Pädagogik (Sport, Biologie) in Greifswald, vorzeitige Beendigung der Ausbildung in Dresden und Entlassung aus der Volksbildung; danach Lager- und Transportarbeiter. Seit 1987 angestellt in Schloss Moritzburg, zunächst beim Sicherheitsdienst und in der Besucherbetreuung, 1989 bis 1997 wissenschaft­licher Mitarbeiter, seit 1997 stellvertretender Schlossleiter. Forschungsschwerpunkte: Kunst- und Kulturgeschichte von Schloss Moritzburg, Jagdgeschichte sowie Fest- und Tafelkultur der Wettiner. Stefan Hammenbeck-Eichberger M. A. Senior Kurator und kunstwissenschaft­licher Mitarbeiter am Östergötlands Museum, Linköping. Studium der Kunstgeschichte, Ethnologie und Religionswissenschaft an der Universität zu Lund. 1987 – 2002 Museumsleiter des Kunstmuseums in Skövde, 2003 – 2006 Senior Kurator am Värmlands Museum in Karlstad. Forschungsschwerpunkt: Skandinavische Kunst im 19. und 20. Jahrhundert. Prof. Dr. Stephan Kraft Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte am Institut für deutsche Philologie der Universität Würzburg. Studium der Germanistik, Romanistik und Geschichte in Göttingen, Pau/Frankreich und Bonn. Dort im Jahr 2002 Promotion über die „Römische Octavia“ Herzog Anton Ulrichs, 2004 – 2010 wissen­schaft­licher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Eva Geulen (Bonn),

Die Autoren 375

2006 – 2007 Humboldt-Stipendium an der Indiana University, Bloomington, 2009/2010 Habilitation zur Geschichte der Komödientheorie, seit 2010 eigenes DFG-­Projekt zur Edition der Briefe FW Oelzes an Gottfried Benn, 2011 – 2013 Professurvertretung an der Universität Paderborn, seit April 2013 Professor an der Universität Würzburg. Forschungsschwerpunkte: Höfischer Barockroman und die Literatur um 1700, Theorie und Praxis der Komödie, Gottfried Benn und die Literatur der Moderne. Dr. Sylvia Krauss-Meyl Archivdirektorin und Abteilungsleiterin im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München; Dozentin an der Bayerischen Archivschule. Studium der Geschichte und Romanistik an der Universität Münster; Promotion in Neuerer Geschichte an der Universität München; Lehrbeauftragte an der Universität der Bundeswehr in München. Forschungsschwerpunkte: Frauengeschichte, Wissenschaftsgeschichte, bayerische Landesgeschichte. Dr. Valborg Lindgärde Literaturwissenschaftlerin. Promotion über Passionsdichtung im Schweden des 17. und 18. Jahrhunderts. War als Gymnasiallehrerin, als Lektorin an der süddänischen Syddansk Universitet in Odense sowie als Rektor der Theolo­ gischen Hochschule in Stockholm tätig. Arbeitet im Auftrag der schwedischen Literaturvereinigung Svenska Vitterhetssamfundet an der Herausgabe von Sophia Elisabet Brenners gesammelten Werken. Forschungsschwerpunkte: Andachtsliteratur, Sophia Elisabet Brenner, eine gelehrte Frau und Dichterin der schwedischen Großmachtzeit, frühmoderne Literatur des Nordens. Dr. Martin Loeser Wissenschaft­licher Mitarbeiter am Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Promotion 2008 zum „Oratorium in Frankreich zwischen 1850 und 1914“. Forschungsschwerpunkte: Norddeutsche Musikgeschichte des 17./18. Jahrhunderts, französische und deutsche Musikgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere zu Chor- und Kirchenmusik, Geschichte musikalischer Institutionen, Perspektiven und Methoden der Musikhistoriographie, Musik und Medien/ Musik als Medium. Carsten Niemann M. A. Freier Musikpublizist und Dramaturg. Studium der Musikwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Publizistik in Kiel, Berlin und London.

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Forschungsschwerpunkte: Musikgeschichte am Hofe von Braunschweig-­ Wolfenbüttel sowie die historische Inszenierungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts. Dr. Fabian Persson Dozent an der Universität Linnaeus. Studium der Fächer Geschichte, Frühgeschichte und Archäologie, Promotion an der Universität Lund. Forschungsschwerpunkt: Frühmoderne Höfe und ihre Rolle beim Streben der Aristokratie nach Nutzen und Positionen, Inszenierung könig­licher Macht und adelige Heiratspolitik. PD Dr. Ulrich Rosseaux Stellvertretender Direktor des Geldmuseums der Deutschen Bundesbank. Studium der Geschichte, Mathematik und Erziehungswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Promotion über „Die Kipper und Wipper als publizistisches Ereignis (1620 – 1626). Eine Studie zu den Strukturen öffent­licher Kommunikation im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges“; Habilitationsschrift „Freiräume. Unterhaltung, Vergnügen und Erholung in Dresden 1694 – 1830“. Lehrte 2006 – 2010 Neuere Geschichte und Sächsische Landesgeschichte an der TU Dresden; Mitarbeiter der Geldgeschicht­lichen Sammlung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Frühen Neuzeit; Sächsische und vergleichende Landesgeschichte; Stadtgeschichte; Medien- und Kommunikationsgeschichte; Geschichte der Erinnerungskultur; Geldgeschichte.

Dr. Dorothea Schröder Freiberuf­liche Dozentin und wissenschaft­liche Autorin. Studium der Musik- und Kunstgeschichte in Hamburg, Promotion, Habilitation. Langjährige Lehrtätigkeit an der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Musikgeschichte Norddeutschlands vom Mittelalter bis zum Barock, Musikikonographie, Orgelbau in Nordeuropa (1500 – 1700) sowie Leben und Werk Benjamin Brittens. Dr. des. Teresa Schröder-Stapper Historikerin. Promotion: „Fürstäbtissinnen. Frühneuzeitliche Stiftsherrschaften zwischen Verwandtschaft, Lokalgewalten und Reichsverband“ (erscheint im Frühjahr 2015). Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, Mittlere Geschichte und Deutsche Philologie an den Universitäten Münster und Wien; seit 2007 Promotionsstudentin an der Universität Münster am Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit. 2008 – 2011 Wissenschaft­liche Mitarbeiterin

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in der Graduiertenschule des Exzellenzclusters Religion und Politik, Münster; seit 2011 assoziiertes Mitglied des Exzellenzclusters Religion und Politik, Münster; 2011 – 2013 wissenschaft­liche Koordinatorin des DFG -Graduiertenkollegs 1507 „Expertenkulturen des 12. bis 16. Jahrhunderts“, Göttingen; seit 2013 wissenschaft­liche Mitarbeiterin (Postdoc) im DFG-Graduiertenkolleg 1919 „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“, Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Geschichte des weib­ lichen Religiosentums, Kulturgeschichte des Politischen, Sozialgeschichte der ständischen Gesellschaft, Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit.

Personenregister In das Register nicht aufgenommen ist Maria Aurora von Königs­marck, da sie im Mittelpunkt nahezu aller Beiträge steht. Weitere Personen, denen sich ein ganzer Aufsatz widmet, sind mit der gesamten Aufsatzlänge fett ausgezeichnet. Die Listung erfolgt nach der deutschen Schreibweise. Die Abstracts wurden im Register nicht berücksichtigt.

A Adolf Friedrich, König von Schweden  272 Agriconia, Anna, geadelt Åkerhielm  25 Alberti, Gottfried  205 Albrecht, Herzog von Sachsen-Eisenach  272 Alexander der Große, König von Makedonien  83 Alexei (Alexei Petrowitsch), Kronprinz (Zarewitsch) von Russland  260 Altenbockum, Ursula Katharina von, Fürstin von Teschen  193 Amalia Magdalena von Nassau, verh. von Wrangel  166 Anna Amalie, Prinzessin von Preußen, Äbtissin von Quedlinburg  263, 277, 282 Anna Dorothea, Prinzessin von SachsenWeimar, Äbtissin von Quedlinburg  38, 104, 264, 265, 268, 270, 275 – 279, 282 Anna Sophia, Herzogin von HessenDarmstadt, Äbtissin von Quedlinburg (als Anna Sophia II.)  103, 269 Anna Sophie, Prinzessin von Dänemark, verh. Kurfürstin von Sachsen  36, 183, 184, 196 Anne Stuart, Königin von Großbritannien  181 Anton Günther, Herzog von Oldenburg  136 Anton Ulrich, Herzog von BraunschweigWolfenbüttel  61, 64 – 66, 68, 94, 98, 103, 141, 142, 151, 174, 181, 200, 201, 205, 250, 252, 253, 256, 257, 260, 261 Aristophanes  190 Arnim, Karl Ludolf Bernhard von, Regierungspräsident, preußischer  273

Augusta (Friederike Luise) von Hannover, Prinzessin von Großbritannien, verh. Herzogin von BraunschweigLüneburg  288, 291, 292 August Wilhelm, Herzog von BraunschweigWolfenbüttel  259 Azzolino, Decio, Kardinal, Rom  137 B Bachmann, Genoveva  196 Bangard, Rackmann Baron von, Hofmarschall  273 Bar, Agnes Sophie von  55 Bar, Elisabeth Agnes von  55 Bar, Lucretia Margaretha von  55 Baron, Ernst Gottlieb  149 Barth, Johann Christian  200 Bartholdy, N.N., Agent  279 Berendes, Märta  76, 86, 87 Bergbo, Skogekär  80 Biberstein, Elisabeth Freiin von, Pröpstin in Quedlinburg  277 Birken, Sigmund von  205 Bogeman, Anna, geb. Gräfin von Stackelberg  108 Bogeman, Gustaf  108 Böhn, N.N. Baron von  192, 193 Boucher, François  293 Bourbon, Louis II. de, Prinz von Condé  22 Bourbon, Marie Thérèse de, verh. de Conti  199 Brahe, Grafenfamilie  168, 171 Brahe, Nils  167 – 169

380 Personenregister Brahe, Per  167, 168 Branconi, Maria Antonia Pessina von  285 – 297 Brenner, Elias  85 Brenner, Familie  85, 88 Brenner, Maria Aurora (Marie Aurore de)  84, 88 Brenner, Mårten  84 Brenner, Sophia Elisabet (Sophie Elisabeth), geb. Weber  71, 75, 78, 82 – 86, 136 Bressand, Friedrich Christian  253, 254, 256 – 260 Breymann, N.N.  146 Brockes, Barthold Heinrich (Hinrich)  71, 132 Bronner, Georg (Jürgen)  253 Burchhard, N.N., Resident, preußischer  282 C Castiglione, Baldassare Graf von  121 Celsius, Johan  140 Charbonnier, Martin, Gartenkünstler  51 Charlotte, Landgräfin von Hessen-Kassel  274 Charlotte Sophie, Herzogin von Kurland, Äbtissin von Herford  270 Christian Albrecht, Herzog von SchleswigHolstein-Gottorf  138 Christian August von Schleswig-HolsteinGottorf, Fürstbischof von Lübeck  270 Christiane Eberhardine, Prinzessin von Brandenburg-Bayreuth, verh. Kurfürstin von Sachsen  36, 194, 196, 202 Christiane Henriette, Pfalzgräfin von Zweibrücken-Birkenfeld, verh. Fürstin von Waldeck und Pyrmont  52 Christian Ernst, Markgraf von BrandenburgBayreuth,   194 Christian (Kristian) V., König von Dänemark  22, 93 Christian Ludwig I., Herzog von Mecklenburg-Schwerin  138 Christina (Kristina), Königin von Schweden  17, 18, 33, 80, 86, 87, 94, 137, 139

Christine Charlotte, Prinzessin von Württemberg, verh. Fürstin von Ostfriesland  251 Columbus, Johan  77 Columbus, Samuel  77, 81, 82 Corneille, Pierre  258 Corvinus, Gottlieb Siegmund (Amaranthes), Jurist und Schriftsteller  45 Cosel, Anna Constantia Reichsgräfin von, geb. von Brockdorff  61, 66, 200, 201, 205, 253 D De la Gardie, Catharina Charlotte Gräfin, verh. Gräfin von Königsmarck  24 – 27, 85, 180 De la Gardie, Ebba Maria Gräfin  76, 82, 86, 88, 92, 97, 139 De la Gardie, Grafenfamilie  24, 32, 139, 171, 174, 177, 178 De la Gardie, Johanna Eleonora Gräfin, verh. Gräfin von Stenbock  76, 82, 88, 92, 101, 103, 139, 178 De la Gardie, Magnus Gabriel Graf  24, 77, 139, 167, 168 De la Gardie, Pontus Fredrik Graf  20, 167, 171, 187 Descartes, René  33 Dieckmann (Diecmann), Johannes (Johann), Generalsuperintendent, BremenVerden  26 Dönhoff, Maria Magdalena Gräfin von, geb. Bielinska  193, 201 Dorothea, Prinzessin von SachsenAltenburg  272 Dowland, John, Komponist  54 Düben, Anders von  141 Düben, Gustav (Gustaf ) d. Ä.  102, 139 – 141, 151 E Ebert, Adam  137 Ebert(i), Johann Caspar  96

Personenregister 381 E(g)ck, Christian Reichsgraf von  123, 132, 144 Ehrenstrahl, David Klöcker von  33, 94, 102, 114, 119 Eleonora Sophia, Gräfin von Schwarzburg, Kanonissin in Quedlinburg  253, 278 – 281 Eleonore d’Olbreuse, Gräfin von Harburg und Wilhelmsburg, verh. Herzogin von Braunschweig-Lüneburg-Celle  170, 249 Eleonore, Pfalzgräfin von Neuburg, verh. Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation  268, 269 Elisabeth Albertine, Prinzessin von AnhaltDessau, Äbtissin von Herford  266, 271 Elisabeth Charlotte, Prinzessin von der Pfalz (Liselotte von der Pfalz), verh. Herzogin von Orléans  185, 271 Elisabeth (Elizabeth) Stuart, Prinzessin von England und Schottland, verh. Kurfürstin von der Pfalz  50 Elisabeth Ernestine Antonie, Prinzessin von Sachsen-Meiningen, Äbtissin von Gandersheim  279 Elisabeth Juliane, Prinzessin von HolsteinNorburg, verh. Herzogin von Braunschweig-Lüneburg  256 – 258, 261 Elisabeth, Prinzessin von Hessen-Kassel, verh. Herzogin von Mecklenburg  54 Elisabeth von Hessen, Äbtissin von Herford  266 Ernst August, Bischof von Osnabrück, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, Kurfürst  28, 50, 185, 202, 250, 252 Erskein, (Esken, Ersken, Erskine), Alexander Freiherr von  187 Eschenburg, Johann Joachim  292 Ewsum-Nienoord, Anna Gräfin von, verh. zu Inn- und Knyphausen (Kniphausen)  55, 56 Ewsum-Nienoord, Margaretha Beata von, geb. von Frydag (Fridag) zu Gödens  56 Ewsum-Nienoord, Willem von (van)  56

F Faret, Nicolas  121, 177 Faßmann (Fassmann), David F.  199 Fatima (auch Fatma Kariman), später Maria Aurora, verh. von Spiegel  178, 187, 190 Feuillade, Monsieur de la  138 Fleming, Paul  88 Flemmer, Christian  205 Francke, August Hermann  98 Franck, Johann Wolfgang  138 Franziska Christina von Pfalz-Sulzbach, Äbtissin von Essen und Thorn  270 Friederike Charlotte Leopoldine Louise von Brandenburg-Schwedt, Äbtissin von Herford  272 – 274 Friederike Sophie Wilhelmine, Prinzessin von Preußen, verh. Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth  52 Friedrich (Frederik) III., König von Dänemark  184 Friedrich August I. (August der Starke), Kurfürst von Sachsen, König von Polen (als August II.)  29, 35 – 41, 62, 64, 66, 67, 94, 104, 128, 142, 150, 161, 183 – 186, 188, 189, 192 – 196, 197 – 207, 249, 253, 259, 264, 265, 268, 269, 277, 282, 283, 285 – 287, 291 Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen, König von Polen (als August III.)  36, 150 Friedrich I., König in Preußen, Kurfürst von Brandenburg (als Friedrich III.)  38, 191, 194, 277 – 281 Friedrich II. (der Große), König in/von Preußen  29, 183, 291 Friedrich Ulrich, Herzog von BraunschweigWolfenbüttel  17 Friedrich V., Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz  50 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen  183 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen  273 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg  23, 52, 170, 183, 270 Fröhlich, Josef  193

382 Personenregister G Gasc, Anna Rosina de  292, 293 Georg I. Ludwig, Herzog von BraunschweigLüneburg, Kurfürst, König von Großbritannien  28, 35, 185, 249 Georg II. August, Kurfürst, König von Großbritannien  28 Georg III., Kurfürst, König von Großbritannien und Hannover  288 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig  294 Godeau, Simon (Siméon), Gartenarchitekt  49 Goethe, Johann Wolfgang von  289, 294 – 296 Grip, Bo Jonsson  107 Gripenhielm, Karl  78, 79 Grone (Grones), Giovanni Battista  193 Güldenlöw(e), (Gyldenløve), Ulrich Friedrich (Ulrik Fredrik) Graf von  129 Gustav II. Adolf, König von Schweden  17, 188 Gyldenstolpe, Nils, Graf  180, 181 Gyllenstierna, Johan Graf von  168 – 170 H Händel, Georg Friedrich  144 Hasse, Johann Adolf  150, 151 Haxthausen, Anna Juliane von  186 Haxthausen, Christian August von  185, 186 Hayes, Charles Des  130 Hedwig (Hedvig) Eleonora von SchleswigHolstein-Gottorf, verh. Königin von Schweden  87, 116, 166, 173 – 177, 179 Hedwig (Hedvig) Sophia, Prinzessin von Schweden, verh. Herzogin von SchleswigHolstein-Gottorf  178 Hedwig Sophie Auguste von SchleswigHolstein-Gottorf, Pröpstin zu Quedlinburg, Äbtissin von Herford  266, 277 Heidegger, Gotthard  199, 206 Heinrich, Herzog von Sachsen-WeißenfelsBarby  271 Henning, N.N., Marschall  261

Henriette Amalie, Prinzessin von AnhaltDessau  273 – 275 Henriette Christine, Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, Äbtissin von Gandersheim  181, 182, 259 Hiserle/Esterle von Chodau, Anna Aloysia Maximiliane Louise (Gräfin Esterle)  37 Hoë, Johann Joachim  148 Holmström, Israel  77 Horn, Claes Gustaf  178, 179 Hoym, Adolph Magnus, Reichsgraf von  201 Hübner, Johann  130 Hunold, Christian Friedrich (Menantes)  71, 199 I Inn- und Knyphausen (Kniphausen), Georg Wilhelm Graf zu  56 Inn- und Knyphausen (Kniphausen), Karl (Carl, Carel) Hieronymus zu  56 Inn- und Knyphausen (Kniphausen), Rudolf Wilhelm zu  56 J Jakob II., König von England  173 Jennings, Sarah, verh. Churchill, Duchess of Marlborough  181 Johanna Charlotte, Prinzessin von Anhalt-Dessau, verh. Markgräfin von Brandenburg-Schwedt, Äbtissin von Herford  266, 271 Johann Georg III., Kurfürst von Sachsen  184 Johann Georg IV., Kurfürst von Sachsen  142, 184 Jöllemann, Thomas Simon, Bildhauer  55 Joseph II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation  292 Joseph I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation  280, 281 K Karl (Carl) August, Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach  289

Personenregister 383 Karl (Carl) X. Gustav, König von Schweden  19, 20, 24, 87 Karl (Carl) XI., König von Schweden  22, 23, 34, 76, 77, 79, 93, 96, 116, 167 – 172, 174 – 176, 178, 179, 188 Karl (Carl) XII., König von Schweden  39, 64, 70, 77, 94, 180, 287 Karl Anton Ferdinand, Graf von Forstenburg  292 – 294 Karl I., Herzog von Braunschweig  291, 292 Karl I. Ludwig, Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz  50 Karl Philipp, Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz  270 Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig  288, 291 – 293 Katharina II., Kaiserin von Russland  83, 263 Keiser, Reinhard  64, 71, 132, 143, 144, 146 – 151, 260 Kirchberger, Nikolaus Anton  295 Klötzel, Martin  142 Kobrinck, Otto Caspar von  55 Koch, N.N., Anwalt  280 König, Johann Ulrich von  146, 147, 150 Königsfamilie, schwedische  172, 176, 178, 179 Königsmarck, Amalie Wilhelmine (Amalia Wilhelmina) Gräfin von, verh. Gräfin von Löwenhaupt (Lewenhaupt)  27, 28, 32 – 34, 75, 84, 85, 92, 98, 102, 104, 107, 109, 111, 112, 116 – 119, 136 – 140, 144, 145, 170, 173 – 180, 186, 190, 191, 285 Königsmarck, Beate (Beata) Elisabeth Gräfin von, verh. Gräfin De la Gardie  20, 21, 32, 166, 187 Königsmarck, Beate (Beatrix) Elisabeth von, geb. von Blumenthal  16 Königsmarck, Conrad (Curt), Rittmeister  16 Königsmarck, Cordt (Conrad/Konrad) Christoph (Christoff) Graf von  20 – 22, 27, 28, 32, 75, 111, 136, 166, 287 Königsmarck, Grafenfamilie  15, 17, 19, 20, 23, 24, 29, 30, 32, 34, 108, 111 – 113, 115, 119, 120, 139, 166 – 168, 171 – 180, 249, 285, 286

Königsmarck, Hans Christoph (Christoff(er)) Graf von  16 – 21, 23, 24, 27, 29, 32, 113, 115, 166 Königsmarck, Johann Friedrich Graf von  21 Königsmarck, Karl Johann (Carl Johan) Graf von  25 – 28, 32, 34, 85, 116, 168 – 170, 172, 173, 176, 180 Königsmarck, Maria Agathe (Agatha) Gräfin von, geb. von Lehsten  19, 20 Königsmarck, Maria Agneta (Agnisa) von  21 Königsmarck, Otto Wilhelm Graf von  20 – 28, 30, 32, 85, 94, 167 – 170, 173, 180 Königsmarck, Philipp Christoph Graf von  24, 26 – 30, 32, 34, 35, 41, 60, 61, 65, 68, 116, 170, 173, 176, 180, 184 – 186, 190, 191, 263, 264, 285, 286 Königsmarck, Rüdiger von  113 Königsmarck, Schwestern  76, 82, 88, 108, 110, 111, 116, 117, 119 Kraft, N.N., Mundschenk  272 Kusser (Cousser), Johann Sigismund  253 L La Roche, Marie Sophie von  294 La Trémoille, Marie-Anne de, genannt Princesse (Madame) des Ursins  181 Lavater, Johann Caspar  294 – 296 Lehms, Georg Christian  34, 73, 74, 97, 136, 294 Leibniz, Gottfried Wilhelm  71, 257 Leijoncrona, Christoffer  78, 79 Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation  30, 38, 179, 196, 265, 268, 269, 276 Leopoldine Marie, Prinzessin von AnhaltDessau  274 Lessing, Gotthold Ephraim  292 Lillienstedt, Johan  81 Lindsch(i)öld, Erik  78 – 81, 115, 178, 181 Lisiewski, Georg  292 Loeben, Johanna Victoria Tugendreich von, verh. Gräfin von Sachsen  40, 150, 151

384 Personenregister Loën (Loen), Johann Michael von  185, 193, 196 Löwenhaupt (Lewenhaupt), Carl Gustav (Gustaf ) Graf von  27, 28, 32, 75, 107, 112, 114 – 117, 186, 191, 253 Löwenhaupt (Lewenhaupt), Charles Emil Graf von  118 Löwenhaupt (Lewenhaupt), Frederik Graf von  186 Löwenhaupt (Lewenhaupt), Grafenfamilie  107, 108, 111, 112, 115, 119 Löwenhaupt (Lewenhaupt), Gustaf Graf von  108 Löwenhaupt (Lewenhaupt), Ulrika Augusta Gräfin von  118 Lucidor, Lars (Lasse) Johansson  77, 81 Lüdecke, Urban Dietrich von, Stiftshauptmann, Quedlinburg  278 Ludwig XIV., König von Frankreich  22, 51, 78, 173, 198 Ludwig XV., König von Frankreich  41, 194, 293 Luise (Louise) Henriette, Prinzessin von Oranien-Nassau, verh. Kurfürstin von Brandenburg  52 Luise Ulrike, Prinzessin in Preußen  272 Lully, Jean-Baptiste  140, 178 Luther, Martin  94 M Magdalena Sybille, Prinzessin von SachsenWeißenfels  279, 280 Maltzahn (Moltzahn), Adolf Friedrich von  187 Maria Elisabeth von Schleswig-HolsteinGottorf, Äbtissin von Quedlinburg  270, 281, 283 Maria Josepha, Erzherzogin von Österreich  150 Maria, Königin von Ungarn  113 Maria Luisa Gabriella, Prinzessin von Savoyen, verh. Königin von Spanien  181

Maria (Marie) Euphrosine, Pfalzgräfin von Zweibrücken-Kleeburg, verh. Gräfin De la Gardie  24 Marie Magdalene, Gräfin von Schwarzburg, Dekanissin in Quedlinburg  253, 278 – 281 Marschalck, Sophia Amalia  179 Matthaei, Karl Johann Konrad Michael  295, 296 Mattheson, Johann  64, 71, 94, 121 – 133, 138, 143 – 152 Matthiæ (Matthiae) Gothus, Johannes  94 Mayer, Johann Friedrich  95 Mazarin, Jules (eigentlich Giulio Mazarini), Kardinal  167 Meuchen, B. von, Gesandter  264 Meuschen, Johann Gerhard, Theologe  53 Moller, Johannes  139 Moritz, Graf von Sachsen  29, 36, 37, 40 – 42, 104, 150, 193 – 195, 206, 264, 286, 287, 294 Moritz, Herzog und Kurfürst von Sachsen  195 Müller, Heinrich  99, 101 N Napoleon I., Kaiser von Frankreich  289 O Olofsson, Peder  115 Orzelska, Anna Karolina Gräfin von, Herzogin von Schleswig-HolsteinSonderburg-Beck  197 Öttingen, Wolfgang Graf von, Reichshofratspräsident  280 Otto I. (der Große), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation  37 P Palmieri, Francesco Graf von  251 Pas, Isaac de, Marquis de Feuquières  171 Pauernfeind, Wolfgang Jeremias  281 Peter I. (der Große), Zar, Kaiser von Russland  64, 83

Personenregister 385 Philippine Charlotte, Prinzessin von Preußen, verh. Herzogin von Braunschweig  291 – 293 Philipp Wilhelm, Pfalzgraf und Herzog von Pfalz-Neuburg  269 Piper, Carl  76 Platen(-Hallermund), Clara Elisabeth Gräfin von  250, 253 Platon  190 Plutarch  190 Poisson, Jeanne-Antoinette (Madame de Pompadour)  293 Pöllnitz, Karl Ludwig von  60, 183, 184, 187, 188, 192, 194 – 199, 206 Precht, Burchard d. Ä., Hofbildhauer  26 R Racine, Jean Baptiste  33, 64, 65, 77, 93, 95, 97, 140 Raupach, Christoph  148 Rénard, Henriette  197 Reventlow, Conrad Graf von  264 Rosenacker(n), Fräulein N.N. von  150 Rossi, Lorenzo  193 Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation  17 S Sailer, Stephan von, Oberkanzler  280 Sand, George (eigentl. Aurore Dupin de Francueil)  42 Schmidt, Johann Christoph  62, 142 Schönborn, Friedrich Karl Graf von, Reichsvizekanzler  280 Schottel (Schottelius), Justus Georg  92 Schulenburg, Johann Matthias Reichsgraf von der  40 Schumacher, Peter (Peder), Graf von Griffenfeld  167 Schurman (Schürmann), Anna Maria van (von)  84 Schütz, Heinrich, Komponist  54 Scriver, Christian  95

Scudéry, Madeleine de (Mademoiselle de Scudéry)  70, 127, 128 Sheffield, John, Duke of Buckingham und Normanby  167 Sophie Albertine (Sophia Albertina), Prinzessin von Schweden, Äbtissin von Quedlinburg  263, 282 Sophie Amalie (Sofia Amalia), Prinzessin von Braunschweig-Lüneburg, verh. Königin von Dänemark  82 Sophie Charlotte, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, verh. Kurfürstin von Brandenburg und Königin in Preußen  49, 51 Sophie Dorothea, Kurprinzessin von Hannover  28, 35, 68, 185, 249, 250, 263 Sophie Dorothea von BraunschweigLüneburg, verh. Königin in Preußen  29 Sophie Dorothee, Prinzessin in Preußen, Äbtissin von Herford  266 Sophie Elisabeth, Herzogin von Mecklenburg-Güstrow, verh. Herzogin von Braunschweig-Lüneburg  54 Sophie, Prinzessin von der Pfalz, verh. Herzogin von BraunschweigLüneburg  50, 51, 53, 250 – 252 Sparre, Axel Graf  178, 179 Spegel, Haquin  77, 80 Spener, Philipp Jacob  95 Sperling, Otto d. SJ.  85, 86 Spiegel, Johann Georg von  188 Steinberg, Friedrich von, Oberhofmarschall  257 Stein, Charlotte Albertine Ernestine Freifrau von  295 Stenbock, Erich Gustav (Erik Gustaf ) Graf von  187 Stenbock, Johanna Eleonora Gräfin von, geb. De la Gardie  187 Stiernhielm, Georg  77, 81, 117 Strungk, Nikolaus Adam  138

386 Personenregister T Telemann, Georg Philipp  133, 150 Theile, Johann  138 Thomasius, Christian  68, 71, 124, 125, 198, 200 Törne, Olof Hansson  76 Torquatus a Frangipani, Alexander Julius  20 Tott, Claes Åkesson  169 Turenne, Henri de (aus dem Haus La Tour d’Auvergne), Marschall von Frankreich  22 U Ulrika Eleonora, Königin von Schweden  33, 72, 76, 78, 82, 83, 86, 87, 92 – 97, 102 – 105, 116, 139, 169, 172, 173, 175, 177 – 181, 250 V Verhulst, Rombout, Bildhauer  56 Verrières, Marie Rinteau de  42 Voltaire  31, 33, 39 – 42, 70, 263 Vultejus (auch Vultée), Johannes  95, 96 W Wachtmeister (von (af ) Johannishus), Hans Graf von  176 Wallenstedt, Catharina  88 Wartensleben, Hermann Simon von  187 Wartensleben, Lucia Christina von  187 Wasaburg (Vasaborg), Gustav Gustavson (Gustaf Gustafsson) Graf von  188

Weber, Kaufmannsfamilie  83 Wexionius, Olof  77, 80, 81 Wich, John, Sir  131, 132 Wicquefort, Abraham de  130 Widman, Johan  88 Wivallius, Lars  77, 81 Wrangel, Augusta Aurora Gräfin von  98 Wrangel, Carl Gustav (Gustaf ) Graf von  23, 32, 76, 135, 136, 139, 166 – 168 Wrangel, Grafenfamilie  32, 174 Wrangel, Hermann von  32, 166, 195 Wrangel, Juliana Margareta von, verh. Gräfin von Brahe  167 Wrangel, Marie Christine (Maria Christina) Gräfin von, verh. Gräfin von Königsmarck  27, 28, 32, 34, 75, 76, 88, 89, 94, 111, 136, 137, 141, 166, 168 – 176, 178 – 180, 285 Wrangel (von (af ) Lindeberg), Christina (Kristina) von, geb. von Wasaburg (Vasaborg)  187 – 189, 191 Wrangel (von (af ) Lindeberg), Wolmar von  167, 188 Z Zedler, Johann Heinrich  124 Zimmermann, Johann Georg Ritter von  292, 294

ULRIKE GRUNEWALD

LUISE VON SACHSEN-COBURGSAALFELD (1800–1831) LEBENSRÄUME EINER UNANGEPASSTEN HERZOGIN

Am 29. August 1824 versammeln sich in der Residenzstadt Coburg aufgebrachte Bürger, um ihrer Herzogin Luise beizustehen. Ihr Ehemann, Herzog Ernst I., wollte seine junge Ehefrau und Mutter seiner beiden Söhne wegen vorgeblicher Untreue verstoßen. Zwei Tage lang demonstrierte die Menge in den Straßen, so dass Ernst I. um die Macht fürchten musste. Dennoch setzte er sich schließlich durch, Luise wurde verbannt. Die Biografie beschreibt das Schicksal Luises von Sachsen-Coburg-Saalfeld vor dem Hintergrund der Rolle adliger Frauen im patriarchalen Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Beeinflussung der Presse und der veröffentlichten Meinung durch die regierende Fürstenfamilie, die wesentlich zur Unterdrückung der Freiheitsbestrebungen Luises beitrugen. Ihr Leben ist weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl sie die Mutter des späteren Prinzgemahls der britischen Queen Victoria war. Als Luise der Dynastie gefährlich wurde, sorgte eine höfische Intrige für das Ende der Ehe. Sie musste ihre Träume von einem freien und selbstbestimmten Leben aufgeben, als mit der Scheidung ihr gesamtes ererbtes Vermögen in den Besitz des Ehemannes überging. Bereits 1831 starb sie in Paris. 2013. 288 S. 11 S/W-ABB. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-21108-0

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ADELSWELTEN HERAUSGEGEBEN VON ECK ART CONZE, EWALD FRIE, GUDRUN GERSMANN UND TATJANA TÖNSMEYER

Die neue Reihe »Adelswelten« ist epochenübergreifend und europäisch orientiert. Die Reihe versteht Adelsgeschichte als eine integrale Dimension allgemeiner politischer, gesellschaftlicher und kultureller Entwicklungen und bietet Arbeiten zu adelshistorischen Themen in einem weiten Sinne einen Publikationsort. BD. 1 | ECKART CONZE, WENCKE

BD. 2 | ANDRÁS VÁRI, JUDIT PÁL,

METELING, JÖRG SCHUSTER, JOCHEN

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STROBEL (HG.)

HERRSCHAFT AN DER GRENZE

ARISTOKRATISMUS UND MODERNE

MIKROGESCHICHTE DER MACHT

ADEL ALS POLITISCHES UND

IM ÖSTLICHEN UNGARN IM 18. JAHR-

KULTURELLES KONZEPT, 1890–1945

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2013. 385 S. GB. | ISBN 978-3-412-21007-6

2014. 397 S. 28 S/W- UND 8 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-22145-4

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SUSANNE RODE-BREYMANN, ANTJE TUMAT (HG.)

DER HOF ORT KULTURELLEN HANDELNS VON FRAUEN IN DER FRÜHEN NEUZEIT (MUSIK-KULTUR-GENDER, BAND 12)

Die europäischen Fürstenhöfe der Frühen Neuzeit waren nicht nur Orte der Macht, sondern auch der Kultur: Neben der Dichtung, der bildenden Kunst, der Baukunst oder Gartenarchitektur tat sich gleichfalls im Bereich Musik ein breites Handlungsfeld auf, in dem Frauen eine bislang unterschätzte Rolle spielten. Vor allem die Fürstinnen selbst prägten während der Regentschaft ihrer Gatten die höfische Kultur und wurden zu Auftraggeberinnen von Kunst und Musik. Sie komponierten selbst, sangen, spielten Instrumente oder unterhielten eigene Hofmusik kapellen. Sie dichteten, riefen Akademien ins Leben und sammelten Bücher. Der interdisziplinäre Band eröffnet neue Perspektiven auf weibliche Handlungsspielräume an den Schnittstellen von Hof- und Musikgeschichte. 2013. 382 S. 34 S/W- U. 14 FARB. ABB. BR. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-21102-8

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VERONICA BIERMANN

VON DER KUNST ABZUDANKEN DIE REPRÄSENTATIONSSTRATEGIEN KÖNIGIN CHRISTINAS VON SCHWEDEN (STUDIEN ZUR KUNST, BAND 24)

Am 6. Juni 1654 entsagte Königin Christina in Uppsala freiwillig ihrem ererbten Thron, um nur wenige Monate später zum katholischen Glauben konvertieren zu können. So wurden die bis heute rätselhaften Entscheidungen der schwedischen Königin bislang gedeutet. Veronica Biermann nimmt in ihrem Buch einen Perspektivwechsel vor und betrachtet die Konversion nicht als Grund, sondern als Konsequenz aus der Abdankung. Während die Abdankung es Christina ermöglichte, ihren Nachfolger unanfechtbar zu legitimieren, garantierte ihr die Konversion die weiterhin andauernde Heiligkeit ihrer Majestät. Als abgedankte Königin war sie dann gezwungen, Strategien zu entwickeln, um ihren königlichen Rang mit geringen finanziellen Mitteln weiterhin wirkungsvoll zu behaupten. Damit rücken ihre Rolle als Auftraggeberin und Förderin von Kunst und Architektur in den Vordergrund. In enger Zusammenarbeit mit Kardinal Azzolino und Gian Lorenzo Bernini scheint sie selbst an der Inszenierung und Choreographie der Unvergänglichkeit ihrer göttlich verliehenen Würde gearbeitet zu haben. Anschaulich zeichnet die Autorin diesen Weg Christinas von der Thronerbin über die Abdankung und Konversion bis zu ihrem Wirken in Rom nach. 2012. 314 S. 81 S/W-ABB. GB. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-412-20790-8

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