Lavater und die Stillen im Lande - Distanz und Nähe: Die Beziehungen Lavaters zu Frömmigkeitsbewegungen im 18. Jahrhundert 9783666558092, 3525558090, 9783525558096

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Lavater und die Stillen im Lande - Distanz und Nähe: Die Beziehungen Lavaters zu Frömmigkeitsbewegungen im 18. Jahrhundert
 9783666558092, 3525558090, 9783525558096

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V&R

ARBEITEN ZUR GESCHICHTE DES PIETISMUS IM AUFTRAG DER

HISTORISCHEN KOMMISSION ZUR ERFORSCHUNG DES PIETISMUS

HERAUSGEGEBEN VON

K. ALAND, E. PESCHKE UND G. SCHÄFER

BAND 25

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

LAVATER UND DIE STILLEN IM LANDE DISTANZ UND NÄHE DIE BEZIEHUNGEN LAVATERS ZU FRÖMMIGKEITSBEWEGUNGEN IM 18. JAHRHUNDERT VON

HORST WEIGELT

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Die ersten 16 Bände dieser Reihe erschienen im LutherVerlag, Bielefeld. Ab Band 17 erscheint die Reihe im Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

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der Deutschen Bibliothek

Weigelt, Horst: Lavater u n d die Stillen im Lande - Distanz und Nähe: d. Beziehungen Lavaters zu F r ö m m i g k e i t s b e w e g u n g e n i m 18. Jh. / v o n H o r s t Weigelt. - Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht, 1988 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus; Bd. 25) I S B N 3-525-55809-0 NE: GT

© 1988 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in G e r m a n y . - Das W e r k einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede V e r w e r t u n g außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist o h n e Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig u n d strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfältigungen, Übersetzungen, M i k r o v e r f i l m u n g e n u n d die Einspeicherung u n d Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus B e m b o auf Linotron 202 System 4 (Linotype). Satz u n d D r u c k : G u i d e - D r u c k G m b H , T ü b i n g e n . Bindearbeit: H u b e r t & C o . , Göttingen.

Inhalt

Vorwort I. Lavater und die Stillen im L a n d e - T h e m a und Methode 1. 2. 3. 4. 5.

Lavater und die Strömungen seiner Zeit Lavater und sein erster Kontakt zu den Stillen im Lande Lavater und die Stillen im Lande in der Forschung Anlage und Gliederung Quellen und Literatur

7 9 9 13 19 24 26

II. Lavater und der Pietismus

30

1. Lavater und der niederrheinische Pietismus 1. Der junge Lavater und die Pietisten am Niederrhein 2. Lavaters Beziehungen zu Pietisten am Niederrhein in seinen letzten Lebensjahren 2. Lavater und der Württembergische Pietismus 1. Oetinger und Lavater 2. Philipp Matthäus Hahn sowie dessen Freundeskreis und Lavater . . 3. Lavater und der fränkische Spätpietismus

30 31

III. Lavater und die Brüdergemeine 1. Lavaters Beziehungen zur Brüdergemeine 1. Kontakte zwischen Lavater und der Brüdersozietät in Zürich sowie deren Diasporaarbeitern 2. Begegnungen Lavaters mit Mitgliedern und Freunden der Brüdergemeine auf seinen Reisen 3. Mitglieder und Freunde der Brüdergemeine im Lavater-Kreis . . . . 2. Lavater und das brüderische Schrifttum 1. Lavaters Lektüre von Werken Zinzendorfs 2. Kenntnisse brüderischer Schriften bei Lavater 3. Die Brüdergemeine im Urteil Lavaters 4. Die Stellung der Brüdergemeine zu Lavater 5. Zusammenfassung

44 47 47 54 67

73 73 73 77 80 92 92 94 95 101 105

5

IV. Lavater u n d die D e u t s c h e C h r i s t e n t u m s g e s e l l s c h a f t

107

1. Die Gründung der Deutschen Christentumsgesellschaft und Lavater . . 2. Lavater und das Basler Zentrum der Deutschen Christentumsgesellschaft 3. Lavaters Beziehungen zu einzelnen Partikulargesellschaften

107 114 128

V. Lavater u n d die A l l g ä u e r K a t h o l i s c h e E r w e c k u n g s b e w e g u n g . .

139

1. Sailer und Lavater 2. Lavaters Beziehungen zu Theologen und Laien aus dem Sailer-Kreis . . 3. Kontakte Lavaters zur Allgäuer Erweckungsbewegung

140 146 154

VI. Lavater u n d die E v a n g e l i s c h e E r w e c k u n g s b e w e g u n g des 19. J a h r h u n d e r t s 1. Lavater und die Vorläufer oder Wegbereiter der Evangelischen Erweckungsbewegung 2. Die literarische Rezeption Lavaters in der Evangelischen Erweckungsbewegung 3. Lavaters theologischer und frömmigkeitsgeschichtlicher Einfluß auf die Evangelische Erweckungsbewegung VII. Z u s a m m e n f a s s u n g VIII. Q u e l l e n u n d Literatur 1. Verzeichnis der ungedruckten Quellen 2. Verzeichnis der gedruckten Quellen 3. Verzeichnis der Literatur I X . Register 1. Personenregister 2. Ortsverzeichnis

6

161 162 174 177 180 182 182 183 192 207 207 212

Vorwort Habent sua fata libelli, dieser Halbvers des afrikanischen Grammatikers Terentianus gilt mutatis mutandis auch fur diese Monographie über Lavater und die Stillen im Lande. Die Anregung zu dieser Thematik erwuchs einmal aus einer längeren Auseinandersetzung mit Leben und Werk dieses Züricher Theologen und Schriftstellers, der bekanntlich auf vielfältige Weise die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts mitgeprägt hat. Z u m anderen gab eine eingehendere Beschäftigung mit der Problematik von „Erfahrungstheologie" den Anstoß, sich Lavater einmal unter dieser Fragestellung zu nähern, zumal die fides experiens bei ihm konstitutive Bedeutung hat. Aus unschwer einsichtigen Gründen konnte dies nicht unter Absehung der Beziehungen Lavaters zu den wichtigsten kirchengeschichtlichen und frömmigkeitsgeschichtlichen Bewegungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also zum Spätpietismus unterschiedlicher Observanz, zur Herrnhuter Brüdergemeine, zur Christentumsgesellschaft, zur Allgäuer Katholischen Erwekkungsbewegung und zu den Vorläufern sowie Wegbereitern der Evangelischen Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert geschehen. Möglich war eine Aufarbeitung des Themas nur deshalb, weil mir das umfangreiche handschriftliche Material, das in verschiedenen deutschen und ausländischen Bibliotheken und Archiven lagert, in einem reichen Maße zur Verfügung stand. Genannt seien hier insbesondere die Bestände des Familienarchivs Lavaters, deponiert in der Zentralbibliothek Zürich und des Archivs der Christentumsgesellschaft, das sich in der Universitätsbibliothek Basel findet, sowie schließlich nicht zuletzt diejenigen des Archivs der Brüderunität in Herrnhut. Bereitwilligst wurde mir von den Leitungen dieser sowie auch von allen anderen benutzten Bibliotheken und A r c h i v e n sie finden sich im Quellenverzeichnis aufgelistet - großzügige Unterstützung zuteil. Neben dem Archivgut waren für die Untersuchung natürlich zahlreiche gedruckte Quellen sowie Literatur heranzuziehen. Deren Bereitstellung habe ich insbesondere der Staatsbibliothek Bamberg sowie der Universitätsbibliothek Bamberg zu danken, die auch das mühsame Geschäft der Abwicklung der Fernleihe mit unermüdlicher Geduld auf sich genommen haben. Von verschiedenen Seiten wurde mir auf Anfrage hin willig Auskunft gewährt. Daraufhabe ich an den betreffenden Stellen verwiesen, jedoch sei hier noch einmal diese Freundlichkeit anerkennend hervorgehoben. Für die Erstellung und Durchsicht des Manuskriptes möchte ich Frau Lore 7

Weiler und Herrn Akademischen Rat a. Ζ. Konrad Müller, meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, danken. Beim Lesen der Korrektur waren mir Frau Esther Haas, wissenschaftliche Hilfskraft, sowie Pfarrer Ulrich Löffler behilflich. Die Erstellung des Personen- und Orstregisters hat freundlicherweise meine Frau übernommen. Ferner ist es mir ein Bedürfnis, denjenigen Institutionen meinen Dank auszusprechen, die durch Druckkostenzuschüsse das Erscheinen dieser M o nographie mit ermöglicht haben, nämlich der Universität Bamberg, dem Freundeskreis der Universität Bamberg, dem Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und dem Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Nicht zuletzt aber gilt mein Dank der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus für die Aufnahme der Monographie in die Reihe Arbeiten zur Geschichte des Pietismus sowie dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die sorgfältige uffd umsichtige sowie engagierte Betreuung bei der Herstellung des Buches.

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I. Lavater und die Stillen im Lande Thema und Methode 1. Lavater und die Strömungen seiner Zeit

Wie schon wiederholt bemerkt wurde, stand der Züricher Theologe und Schriftsteller Johann Kaspar Lavater mit den geistigen und theologischen Strömungen seiner Zeit in so einer extensiven und intensiven Kommunikation wie nur wenige seiner Zeitgenossen. Sein Leben und Werk waren in äußerst enger Weise mit Kultur und Gesellschaft, Theologie und Kirche des 18. Jahrhunderts verflochten. Diese vielfachen Kontakte und Verbindungen Lavaters, faszinierend und irritierend zugleich, sind zunächst einmal auf seine Persönlichkeitsstruktur zurückzufuhren. Er besaß nämlich eine ungemeine Kontaktstärke, die ihn für neue Kommunikationen stets offen machte. Nicht unzutreffend könnte man deshalb auch ihn als „Genie der Freundschaft" 1 bezeichnen. Ohne immer neue zwischenmenschliche Begegnungen konnte er sich seine eigene Existenz überhaupt nicht vorstellen. Diese zahlreichen Freundschaften und Bekanntschaften, die Lavater im Laufe seines Lebens geschlossen hat und die nicht selten schmerzvoll geendet haben, sind nicht ohne Einfluß auf sein Denken und Wirken geblieben. Infolge der ihm eigenen hohen Sensibilität haben diese Beziehungen zu seinen Zeitgenossen ihn nämlich fast stets zutiefst emotional ergriffen und ihn offenherzig gemacht. Lavater hat dies gelegentlich auch als Belastung empfunden. So schrieb er an seinen Herzensfreund Heinrich Hess: „Ach! Warum bin ich so empfindlich geschaffen! - Ach, meine Freunde, was kann ich Eüch verbergen!" 2 Der Freundes- und Bekanntenkreis Lavaters war zum anderen deshalb so weit gespannt, weil er sehr weitausgreifende Interessen gehabt hat. Diese erstreckten sich von der Theologie und der Geisteswissenschaft über die bildende Kunst bis zur Psychologie und zur Naturwissenschaft. Als homme de lettres war Lavater allerdings besonders auf die Geisteswissenschaften hin orientiert. An diesem enzyklopädischen Interesse wird nicht zuletzt Lavaters blei1

So hat Fr. W. Kantzenbach zwar nicht Lavater, aber dessen Freund Sailer bezeichnet (Sailer und der ökumenische Gedanke, S. 11); jedoch mit noch weit größerem Recht kann diese Bezeichnung wohl Lavater beigelegt werden. 2 Brief: Lavater an Heinrich u. Felix Heß, 28. Oktober 1764, Z B Z , FA Lav. Ms. 565, Nr. 199.

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bende Beeinflussung durch die Aufklärung evident 3 . Mit dieser war Lavater, der 1741 in dem damals literarisch sehr regen Zürich als dreizehntes und letztes Kind einer angesehenen, nicht unbegüterten Familie4 geboren wurde, vor allem während seines Theologiestudiums von 1758 bis 1762 am dortigen Carolinum bekannt geworden. Tiefer erfaßt wurde er von der Aufklärungstheologie und deren Frömmigkeit jedoch erst während seiner Studien- und Bildungsreise, die ihn von Anfang März 1763 bis Ende März 1764 außerhalb der Schweiz führte 5 . Ihr eigentliches Ziel war das schwedisch-pommersche Barth, w o der gebildete Theologe Johann Joachim Spalding als Propst wirkte. Daß Lavater seine Schritte gerade zu ihm gelenkt hat, ging auf eine Anregung des Züricher Gelehrten Johann Jakob Breitinger, einen seiner Lehrer, zurück6. Hier in Barth wurde Lavater während seines neunmonatigen beglückenden Aufenthaltes nun von Spalding in sehr bedeutendem Umfang mit dem deutschen und englischen, weniger mit dem französischen Aufklärungsgut vertraut gemacht 7 . Natürlich ist Lavater auf dieser Reise auch noch mit anderen wichtigen Vertretern der gemäßigten Aufklärung in Kontakt gekommen, so beispielsweise mit den Theologen August Friedrich Wilhelm Sack, Johann Friedrich Wilhelmjerusalem und Martin Crugot, mit den Philosophen Moses Mendelssohn, Johann Heinrich Lambert und Johann Georg Sulzer sowie mit den Dichtern Geliert, Gleim und Klopstock 8 . Von dieser Begegnung mit der Aufklärung hat Lavater neben anderem auch bleibend das aufklärerische Ideal einer scientia generalis übernommen. Eindrücklich läßt sich dies bereits anhand des Tagebuches 9 zeigen, das er auf 3 Selbstverständlich wird Lavaters fortwährende partielle Beeinflussung durch die Aufklärung noch anderweitig evident, so in seinem Engagement fur das Gemeinwohl. Vgl. U . Im Hof, Aufklärung, S. 79: „Mit der Aufklärung verband ihn jedoch immer noch ein Drang nach Verwirklichung, nach dem Handeln in der Gesellschaft." 4 Lavaters Vater Johann Heinrich (1697-1774) war Arzt; er hatte 1724 Regula Escher v o m Glas (1706-1773) geehelicht. In der Ehe war zweifelsohne Regula dominierend. Das Verhältnis Lavaters zu seiner Mutter war recht ambivalent; er begegnete ihr teils anhänglich, teils mißtrauisch, teils gehorsam, teils oppositionell. Dagegen hatte er zu seinem Vater ein recht vertrauensvolles, ja liebevolles Verhältnis. Vgl. beispielsweise Lavaters Schreiben an Israel Hartmann vom 7. Mai 1774 (SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 74c; vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 93), in dem er ihm das vor zwei Tagen erfolgte Ableben seines Vaters mit folgenden Worten mitteilte: „Er war, dieß müßten ihm Feinde nachsagen, wenn er Feinde hätte, ein Mann voll Redlichkeit und Güte; arbeitsam und fleißig, beynahe ohne Beyspiel, bis auf seine lezte Krankheit." 5 Wichtigste, bislang viel zu wenig beachtete Quelle fur Lavaters Studien- und Bildungsreise stellt sein Reisetagebuch nach Barth dar (ebd. Ms. 5,5a-13). Über seinen Aufenthalt in Barth vgl. a u c h j o h . j . Spalding, Lebensbeschreibung, S. 63-68. 6 Siehe Briefe: Lavater an Breitinger, 6. Juli u. 6. Oktober 1763 sowie 25. Februar 1764, Z B Z , FA Lav. Ms. 553 Nr. 110, 110a u. 110b. 7 Daß die Anzahl der englischen Titel bei weitem überwog, kann bei der Anglophilie Spaldings nicht überraschen. 8 Der Besuch bei Geliert fand auf der Hinreise nach Barth am 25. März 1763 statt; auf der Rückreise besuchte er am 26. Februar Moses Mendelssohn, am 4. März Klopstock, am 7. März 1764 Gleim und tags darauf Jerusalem. 9 Eine Edition dieses Reisetagebuches ist in Vorbereitung.

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seiner Bildungsreise gefuhrt hat. In diesem Diarium hat der Expektant, das heißt der ordinierte Verbi Divini Minister der Züricher Kirche, nicht nur viele Titel theologischer Literatur notiert, sondern auch die von Werken aus anderen Wissensgebieten; nicht selten hat er diese Schriften ausfuhrlich exzerpiert. Dieses enzyklopädische Interesse läßt sich bei Lavater aber nicht nur während seiner Jugendzeit beobachten, sondern auch bis ins Alter feststellen. Drittens muß beachtet werden, daß Lavater ein Eklektiker par excellence gewesen ist. Aus unterschiedlichen geschichtlichen Traditionen und gegenwärtigen Strömungen hat er bereitwillig Impulse und Anregungen aufgenommen. Zu diesem Eklektizismus hat er sich auch selbst ausdrücklich bekannt 10 , ohne sich hierbei der damit gegebenen Problematik bewußt gewesen zu sein. Allerdings bedeutet dies keineswegs, daß sein theologisches Denken und seine geistige Welt disperat oder unoriginell gewesen wären. Vielmehr kann mit Fug und Recht das Gegenteil behauptet werden. Er hat nämlich die rezipierten Elemente lavaterisiert 11 und so aus ihnen etwas Einheitliches, Neues und Unverwechselbares geschaffen. Allerdings waren Lavaters Beziehungen zu den einzelnen theologischen und geistigen Strömungen und Traditionen von recht unterschiedlicher Extensität und Intensität. Einige von ihnen hat er nur mehr oder weniger oberflächlich oder beiläufig zur Kenntnis genommen, in andere ist er dagegen recht tief eingetaucht. Allerdings wäre es falsch daraus zu folgern, Lavater wäre mit ihnen in eine wirkliche dialogische Auseinandersetzung eingetreten. Eine solche vermißt man vielmehr bei ihm fast immer. Kam es gelegentlich wenigstens ansatzweise zu einer solchen, dann verließ Lavater zumeist recht bald die kognitive Ebene und nahm eine konfessorische Haltung ein. Dies wird beispielsweise an seiner Kontroverse mitjohann Salomo Semler über das neologische Wunderverständnis deutlich 12 . Anstatt argumentativ seine Auffassung von den Wundern einzubringen und sich mit der 10 Hierzu siehe z, B. J o h . K. Lavater, Reisetagebuch nach Barth, Eintrag v o m 31. M ä r z 1763, Z B Z , FA Lav. M s . 5: „ M e i n Freund H e ß machte m i r E i n f w ü r f e gegen den N u t z e n meines Tagebuchs. Ich sagte, eine deutliche Vorstellung v o n den Verrichtungen eines j e d e n Tages, das Verzeichnis einzelner Gedanken u n d A n m e r k u n g e n , . . . , eine S a m m l u n g von allerhand B e o b achtungen u. s. w . k ö n n e nicht anders, als für die g e g e n w ä r t i g e u n d z u k ü n f t i g e Zeit v o n g r o ß e m N u t z e n s e y n . " Brief: Lavater an Μ . v. B., 18. D e z e m b e r 1788, auszugsweise gedr. in: J o h . K. Lavater, A u s g e w ä h l t e Schriften, hrsg. v. J. K. Orelli, Bd. I, S. 254: „Ich s a m m l e gern P h ä n o m e n e aller Art, u m e n t w e d e r die G r ö ß e oder Kleinheit des Menschen k e n n e n zu lernen, seine K r a f t oder seine K u n s t , Kraft o h n e K u n s t nachzuäffen." 11 Lavater hat diesen T e r m i n u s wiederholt selbst v e r w a n d t . Siehe z . B . Brief: Lavater an R e v e n t l o w , 8. Februar 1797, Z B Z , FA Lav. Ms. 578, N r . 97; gedr. in: O . B r a n d t , Lavater, S. 240, N r . X V : „Die Vorstellungen der nordischen Freunde sind radikal gut, aber so krude, unlogisch, ungeistig, unästhätisch, daß ich sie i m m e r , darf ich sagen, umlavaterisieren m u ß , u m sie präsentabel zu m a c h e n . " 12

Die K o n t r o v e r s e m i t Semler w e g e n des Wunderverständnisses w a r v o n Lavater ausgelöst w o r d e n . E r hatte ihn als einen der n a m h a f t e s t e n T h e o l o g e n in einem Brief v o m 26. M ä r z 1775 aufgefordert, zu den Heilungen des Exorzisten u n d Wunderheilers Gaßner Stellung zu n e h m e n .

11

Position Semlers kritisch zu beschäftigen, legte er ein Glaubensbekenntnis ab. Zu den geistigen und theologischen Strömungen, zu denen Lavater ein solches komplexes Verhältnis gehabt hat, gehören unter anderem auch seine Beziehungen zu den mannigfachen Frömmigkeitsbewegungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Kirchengeschichtlich betrachtet reichen sie vom Spätpietismus bis zu den Vorläufern und Wegbereitern der Evangelischen Erweckungsbewegung des 19.Jahrhunderts. Deren Anhänger hat man mit einem gewissen Recht als die Stillen im Lande 13 bezeichnet. Mit diesem Begriff, der sich in Anlehnung an Luthers Übersetzung von Ps 35,20 „Vnd suchen falsche Sachen widder die stillen j m lande" 14 entwickelt hat, wollte man zum Ausdruck bringen, daß es sich um Fromme handelt, die sich weitgehend, jedoch keineswegs durchgängig, aus jeder kritischen Auseinandersetzung mit der Theologie und Kultur sowie mit der Politik heraushalten. Zugleich wollte man damit wohl gelegentlich auch anklingen lassen, daß die, die als die Stillen im Lande apostrophiert werden, in einer gewissen Ängstlichkeit und Phantasielosigkeit zurückgezogen ihres Glaubens leben15. Jedoch muß konzediert werden, daß mit diesem Sammelbegriff keineswegs alle Vertreter dieser Frömmmigkeitsbewegung zwischen Spätpietismus und früher Erweckungsbewegung erfaßt und zutreffend gekennzeichnet werden. So läßt sich insbesondere der Württembergische Pietismus Oetingerscher Provenienz nur teilweise und sehr bedingt, vielleicht sogar überhaupt nicht, darunter subsumieren. Vollends können natürlich auch die Anhänger der Allgäuer Katholischen Erweckungsbewegung und einzelne Vorläufer der Evangelischen Erweckungsbewegung, wie beispielsweise Johann Friedrich Oberlin, nicht unter dieser Terminologie erfaßt werden. In Ermangelung einer anderen Begrifflichkeit muß aber im folgenden trotzdem der Terminus Stille im Lande verwendet werden, allerdings immer im Wissen um seine Problematik.

Über die daraus erwachsene literarische Kontroverse siehe jüngsthin vor allem J. Hanauer, Gaßner, S. 406 ff. 13 Vgl. E. Beyreuther, Stille im Lande. Z u m Begriff Stille im Lande siehe Artikel , Still* in: Joh. Chr. Adelung, Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Th. 4, Sp. 379; Artikel ,Still(e)' in: D. Sanders, Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 2, Hälfte 2, S. 1217; Artikel,Still' in: M. Heyne, Deutsches Wörterbuch, Bd. 3, Sp. 819; Artikel,still' in: Trübners Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, S. 595; Artikel,still' in: Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. X, Abt. II, Τ. II, Sp. 2953 f. 14 WA Bibel 10,1, S.209. 15 Vgl. Joh. W. Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre, 6. Buch (Joh. W. Goethe, I.Abth., Bd. 22, S. 310, Ζ 24 f.): „ . . . und nicht das Trockne und Ängstliche der Stillen im Lande."

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2. Lavater und sein erster Kontakt zu den Stillen im Lande Zu näheren Beziehungen zwischen Lavater und den Stillen im Lande ist es eigentlich erst nach seiner theologischen und geistigen Neuorientierung im Jahre 1768 gekommen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, daß Pietisten unterschiedlicher Observanz und Herrnhuter bis zu dieser Zeit überhaupt nicht in seinen Blick gekommen wären. Vielmehr darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß Lavater schon in seinem Elternhaus Pietisten persönlich begegnet ist, da nämlich sein Vater und namentlich seine Mutter gewisse Kontakte zu ihnen gehabt haben. Hierbei handelte es sich wohl ausschließlich um Mitglieder oder Freunde der Züricher Sozietät der Brüdergemeine 1 . Diese ist damals nicht nur zahlenmäßig recht unbedeutend gewesen; ihre Mitglieder gehörten zumeist den unteren sozialen Schichten an und hatten keinerlei größeren gesellschaftlichen Einfluß in der Stadt2. Ob die Eltern Lavaters darüber hinaus auch Zinzendorf selbst kennengelernt haben oder nur mit dessen Schriften vertraut gewesen sind, konnte bislang nicht ausgemacht werden 3 . Vor allem ist es aber gesichert, daß Lavater auf seiner ausgedehnten dreizehnmonatigen Studien- und Bildungsreise immer wieder Informationen über die Pietisten zugeflossen sind4. Soweit er sie in Barth erhielt, waren Siehe bes. P. Wernle, Der schweizerische Protestantismus, Bd. 3, S. 138-141. Vgl. Kap. III. 3 Siehe Brief: Lavater an seine Eltern, 13./23. November 1763, Z B Z , FA Lav. Ms. 570, Nr. 42: „Er [Hans Kaspar Waser] las Baile und Zinzendorfs Schriften. Der erste ist der feinste Spötter der Religion - und den andern kennen Sie." Zum Problem einer persönlichen oder nur literarischen Bekanntschaft der Eltern Lavaters mit Zinzendorf siehe Kap. III. 1

2

4 Siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Barth, Einträge vom 27. August 1763, ebd. Ms. 7: „Über dem Eßen gab es Anlaß von verschiedenen Secten zu reden. In der Tat soll die Auffuhrung der Herrnhuter wegen ihrer Einfalt und Dienstfertigkeit frappant seyn." Vom 20. September 1763, Ms. 8: „Bey dem Thee sagte Sp[alding] von einem kleinen alten Büchelgen, Christlicher Herzenswecker, das ihm sehr gut gefallen hätte. Der berufne Arnold, der Ketzervertheidiger, ist der Verfaßer davon. Es wäre eine Sammlung von verschiedenen kleinen practischen Abhandlungen. Die erste vom christlichen Leben; wie man es anfangen müßte, worin es bestehe usw. Es sey durchgehende vernünftig u. mit einer philosophischen Richtigkeit abgefaßt. Man könnte ohne große Veränderung ein vortreflich brauchbares Buch daraus machen." Vom 10. Oktober 1763, Ms. 9: „Wir kamen auf die Herrnhutischen Lieder zu reden. In einem neuen Büchelgen - Kinderoden - findet sich folgende Strophe: „Was soll man in den Tagen Ovationum sagen und melden von dem Stück. In seiner Art unike!" Es handelt sich um die erste Strophe von Zinzendorfs Ode „Aufs Pädagogium, 14.Jun. 1755, die sich i m 6 . Bd. von Zinzendorfs Kinder-Büchlein (S. 5, Nr. 2) findet, allerdings in folgender Form: „Was soll man in den tagen ovationum sagen, intuitu der stükke, die in der art unique." Vom 24. Oktober 1763, Ms. 9: „Nach dem Eßen durchblätterten wir den geistlichen] Stundenweiser], der uns Anlas gab, von der besondern affectirten Sprache der Pietisten zu reden." Vom 11. Dezember 1763, Ms. 11: „Nach dem Nachteßen erzählte Spalding von einigen pietistischen Predigern in Magdeburg." Vom 26. Dezember 1763, Ms. 11: „Spalding rühmte Bengels Ausgabe des griechischen Testaments mit dem apparatu critico [Joh. A. Bengel, Apparatus criticus ad Novum Testamentum; vgl. G. Mälzer, Werke, S. 38f., Nr. 291], Er hat die merkwürdigsten Varianten

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sie ganz überwiegend pejorativ, was nicht zuletzt auf Spaldings kritisches, distanziertes Verhältnis zum Pietismus zurückzufuhren ist5. So wußte Spalding beispielsweise am 11. Dezember 1763 bei einem Tischgespräch von den pietistischen Predigern in Magdeburg allerlei Kritisches anzumerken. „Ihre Frömmigkeit schränkt sich", so führte er aus, „fast mehr auf einen selbsterwählten Gottesdienst e i n . . . Partheygeist, Verdammungssucht und Eifer für ihre unterscheidenden Lehrsätze entfernen sie nur gar zu oft v o m Geiste des Christenthums... Ihre Abhänglichkeit an ihre Meinungen, Schrifterklärungen, die meistens ins Fühlbare fallen, an ihren äußerlichen Betragen und freywilligen Enhaltungen artet oft in einen hartnäckigen Eigensinn aus"6. Dagegen hat eine persönliche Begegnung Lavaters mit Pietisten oder Mitgliedern der Brüdergemeine nach Ausweis seines Tagesbuches auf dieser Reise nicht stattgefunden. Letzteres ist um so erstaunlicher, als er von seinen Eltern aufgefordert worden war, sich auf seiner Reise nach Herrnhuter Gemeinschaften zu erkundigen 7 . Diesem Ansuchen ist Lavater in Berlin auch nachgekommen, jedoch hat man ihm, wie er nach Hause schrieb, nicht den geringsten Hinweis geben können 8 . Aber er hegte die angeführt und den Grad ihrer wahrscheinlichen Richtigkeit durch Zeichen bestimmt." Vom 29. Dezember 1763, Ms. 11: „Wir sprachen nachher von den pietistischen Versammlungen in Meklenburg." Hierzu vgl. auch Brief: Lavater an seine Eltern, 19./27. Juni 1763, ebd. Ms. 570, Nr. 24: „Bey dem Abendthee [23. Juni 1763] lasen wir das L e b e n . . . vom Grafen von Zinzendorf. Unter vielen Zügen, die seine ausnehmende Vanite zuzeigen scheinen, hat mich auch der ziemlich geärgert, daß er bisweilen, wenn er an einem fremden Ort predigte in einer mit Silber beschlagenen Kutsche mit sechs Pferden, die halb mit schwarzem Sammt bedekt, halb mit Silber ausgerüstet waren, zur Kirche fuhr. Hintenaufstanden vier Heydukken, prächtig bekleidet. Der Graf hatte einen weiten und langen schwarzsammtenen Talar mit allen Ordenszeichen u. Insignien. Vor ihm her giengen zween Heyduken, die eine in Sammt gebundene Bibel und Liturgie mit silberne Quasten vor ihm her auf die Kanzel trugen. Hinter ihm zween, die seinen Talar nachtrugen, damit er nicht am Boden schleppen müßte. Dieser comische Aufzug geschah dann mit einer andächtigen Feyrlichkeit, die sehr viel Aufsehens machte. In wie weit er hierinn von dem Geist der apostolischen Demuth, einer Tugend, die doch immer in allen seinen Reden sein Hauptaugenmerk zu seyn schien, abgewichen, wird jez vielleicht an einem andern O r t beßer entschieden seyn, als wir es könnten." Vgl. Ο. A. Woldershausen, Leben, S. 46. 5 Über Spaldings Beurteilung des Pietismus siehe in diesem Zusammenhang insbesondere seine 1761 erstmals erschienene Schrift Gedanken über den Werth der Gefühle im Christentum, in der er gegen „die pietistische Ausschweifung von Gefühl und Phantasie" kämpfte. Nach H. Stephan bilden sie „wohl die vornehmste Auseinandersetzung der Aufklärung mit dem Pietismus über die Rolle des Gefühls in der Religion" (H. Stephan, Spaldings Bestimmungen des Menschen, S. 8). 6 J o h . K . Lavater, Reisetagebuch nach Barth, Eintrag vom 11. Dezember 1763, Z B Z , FA Lav. Ms. 11. 7 Vgl. Brief: Lavater an seine Eltern, 12./16. Juni 1763, ebd. Ms. 570, Nr. 23. 8 Ebd. „Ich habe in Berlin wirklich nachgefragt, ob eine herrnhutische Gemeine da sey, aber man hat mir nicht die geringste Nachricht davon geben können. Ich habe aber bey meiner Heimreise, die aller Wahrscheinlichkeit nach über Hamburg und Holland gehen wird, noch Gelegenheit vor mir, ihren Gottesdienst mit anzusehen."

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H o f f n u n g , solche Gemeinden auf seiner ursprünglich über H a m b u r g und durch Holland geplanten Heimreise anzutreffen. A u c h hat Lavater allem Anschein nach während seiner Studien- und Bildungsreise keine pietistische Schrift durch eigenständige Lektüre näher kennengelernt 9 . Als Lavater Ende März 1764 in die Heimat zurückgekehrt war, hat er, der w e g e n des großen Überschusses an Predigtamtskandidaten erst i m April 1768 eine Stelle als D i a k o n am städtischen Waisenhaus erhalten sollte, sich hier in Zürich nun ganz i m Sinne der milden Aufklärungstheologie engagiert. Verständlich wird dies, w e n n man die Tatsache beachtet, daß er seine B e g e g n u n g mit der Aufklärungstheologie auf seiner Studien- und Bildungsreise als Befreiung empfunden hat. So hatte er beispielsweise v o n Barth aus am 5. Mai 1763 an seinen Intimfreund Heinrich Hess geschrieben: „Ich bin i m H i m m e l . Spalding ist der philosophische Christ, den ich lange schon suchte" 10 . Deshalb hat sich Lavater in Zürich in Wort und Schrift für eine milde Aufklärungstheologie eingesetzt. Zeugnis hiervon gibt insbesondere die v o n i h m zwischen 1766 und 1768 herausgegebene moralische Wochenschrift D e r Erinnerer, zu der er selbst zahlreiche Beiträge beigesteuert hat 11 . Selbstverständlich war sein damaliger Freundeskreis geistig ähnlich orientiert. Allerdings scheinen einige w e n i g e seiner ferneren Bekannten d e m Pietismus herrnhutischer Provenienz angehört zu haben 12 . A u c h ist es nicht uninteressant, daß die Sozietät der Züricher Brüdergemeine nachweislich eifrig versucht hat, Lavaters Frau Anna vor ihrer Eheschließung i m Juni 1766 zu gewinnen 1 3 . Sie sei j e d o c h „aus Grundsätzen keine Herrnhuterin g e w o r den". 9

Allerdings finden sich in seinem wahrscheinlich vor 1768 angefertigten Collectanea (ebd. Ms. 61-64) zwei Exzerpte aus pietistischen Werken, nämlich aus Joh. A. Bengels Gnomon (S. 75, zu Matth 8,32; Ms. 63, unpaginiert, unter dem Ordnungswort „Wunderwerke Christi") sowie aus A . H . Franckes Praelectiones hermeneuticae (S. 22-26; Ms. 64, unpaginiert, unter dem Ordnungswort „Der Sinn der H. Schrift"). Jedoch hat Lavater nicht genauer vermerkt, wann er diese Passagen exzerpiert hat und ob er sie direkt aus diesen Werken entnommen hat. 10 Brief: Lavater an Heinrich Heß, 5. Mai 1763, Z B Z , FA Lav. Ms. 565, Nr. 134. Vgl. Brief: Lavater an seine Eltern, 29. August/3. September 1763, ebd. Ms. 570, Nr. 33: „Im Schulstaube lernt man gewiß das Große der Religion nicht, man macht eine Wortwißenschaft aus ihr, wobey man was zudenken glaubt; ich erschrak vor meiner eigenen Unwißenheit und der Dunkelheit meiner Begriffe, sobald ich von Sp. in das offnere Feld der deütlichen und reinen Vorstellungen der Religion hineingeführet wurde." 11 Während die Beiträge Lavaters im ersten Jahrgang des Erinnerers anonym erschienen, aber unschwer auszumachen sind, sind die im zweiten durch den Buchstaben L gekennzeichnet. Im Januar 1768 stellte die Wochenzeitschrift ihr Erscheinen ein. 12 Verwiesen sei beispielsweise auf Lavaters Bericht von seinem Besuch in Winterthur Ende Juli 1764. Siehe Brief: Lavater an Heinrich Heß, 2. August 1764, Z B Z , FA Lav. Ms. 565, Nr. 190: „Nachmittag [27. Juli 1764] war ich bey Cronauer. Gewiß, er ist ein unvergleichlicher Mensch, ein vernünftiger Vertheidiger der Herrnhuter, ohne selbst einer zu seyn. Ich rede von dem Jüngern. Der Ältere, sagt man, sey aus ihrer Brüderschaft ausgeschloßen." 13 Siehe Brief: Lavater an Zimmermann, 16. Dezember 1766, ebd. Ms. 589b: „Meine Frau [Anna Schinz; mit ihr hatte Lavater sich am 6. Mai verlobt und am 3. Juni 1766 verehelicht] mag vielen Leuten beym ersten Anblick für das scheinen, wofür Du sie gehalten hast. Ich versichere

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Lavater hat also bis in die zweite Hälfte der sechziger Jahre lediglich den Herrnhuter Pietismus durch mündliche Berichte und einige wenige persönliche Bekanntschaften etwas kennengelernt. Auch hat er sich laut eines Verzeichnisses14, in das er alle von ihm bis 1768 gelesenen Bücher notiert hat, mit keiner pietistischen Schrift beschäftigt, ausgenommen die Predigten Zinzendorfs15. Jedoch scheint deren Lektüre für ihn von keinem großen Gewinn gewesen zu sein. Hinter der Titelangabe findet sich nämlich die Bemerkung: „Cavalirisch, willkürlich, verführerisch, oft sehr roher Bau u. salbungsvoll." Offensichtlich wollte Lavater mit diesen Worten seinen Eindruck von den Predigten des Grafen zusammenfassen. Im Laufe des Jahres 1768 kam es, wie erwähnt, bei Lavater zu einer in vielem noch nicht recht aufgehellten theologischen Neuorientierung 16 . Christus wurde ihm nun die alles bestimmende und jederzeit real erfahrbare Wirklichkeit. Allerdings wäre es falsch anzunehmen, daß die Christologie bei ihm zuvor keine Relevanz gehabt hätte. Wie wichtig ihm vielmehr die Christologie auch vor dieser Neuorientierung gewesen ist, bezeugt insbesondere ein ausfuhrliches Schreiben 17 , das er anonym an den Theologen Johann August Ernesti gesandt hat. Die Christologie erhielt jedoch jetzt nicht nur einen ganz anderen Stellenwert, sondern vor allem eine andere Struktur. Er erteilte nämlich einerseits der bislang von ihm vertretenen gemäßigten adoptianischen Aufklärungschristologie eine Absage. Aber auch das altkirchliche Dogma war für ihn keine Möglichkeit mehr, da er die menschliche Natur Christi alexandrinisch verstand. Christus wurde für Lavater nun der für den Menschen genießbare Gott 18 . Durch diesen Christus können dem Menschen ständig göttliche Kräfte mitgeteilt werden, wodurch er selbst göttlich zu werden vermag. Allerdings öffnet sich nach Lavaters Dich, daß es nicht ist. Denn sie ist, ehe sie mich gehabt, allen Nachstellungen der Herrnhuter ungeachtet, aus Grundsätzen keine Herrnhuterin geworden." 1 4 Siehe Joh. K. Lavater, Bücher die ich gelesen. N B bis A. 1768 unter einander, ebd. Ms. 121.1. 15 Welche gedruckte Ausgabe von Predigten Zinzendorfs gemeint sein könnte, ist bislang unbekannt. 16 Auf diese theologische Neuorientierung Lavaters ist in der Forschung bereits mehrfach hingewiesen worden. Allerdings gehen die Positionen recht weit auseinander. 17 Siehe Brief: Lavater an Ernesti, November 1763, Z B Z , FA Lav. Ms. 558, Nr. 39. Auf dem Blatt, das dieser Briefkopie vorgesetzt ist, hatte Lavater vermerkt: „N. B. Dieser Brief ist im Nov[ember] 1763 an H. Dr. Ernesti abgesandt u. niemal von ihm beantwortet worden. Da ich einerseits meine Gedanken in einem Theil geändert, anderseits die Klugheit Geheimhaltung gebeüt, so soll dieser Brief nach meinem Tode nicht außer die Hände meiner Freünde kommen u. niemal gedruckt werden." 1 8 Hierzu und zum Folgenden siehe ζ. B . Brief: Lavater an Campe, 29./31. Dezember 1785, ebd. Ms. 555, Nr. 67: „Christus ist mir das non plus ultra aller der Menschheit erkennbaren Göttlichkeit. Er ist mir der eigentlichste Gott der Menschen, das heißt: In ihm ist alles, was die Menschheit bedarf, was der Menschheit genießbar ist, vereinigt. Er ist das gottgenießenste und göttlich genießbarste aller Wesen."

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Feststellung k a u m j e m a n d für diesen Prozeß. „ U n t e r tausend Menschen", so schrieb er später einmal, „ist nicht Einer, was er seyn kann. Jeder Mensch kann unaussprechlich viel seyn. Die Menschen wären Götter, wären sie, was sie seyn könnten." 1 9 Diese Neuorientierung hat Lavater d e m der milden Aufklärung verhafteten Carolatischen Hofprediger Crugot, den er auf d e m R ü c k w e g von seiner Bildungsreise Anfang 1764 in Berlin persönlich kennengelernt und mehrfach gesprochen hatte 20 , mit folgenden Worten mitgeteilt: „Aber nun werden Sie vielleicht sich noch mehr befrämden, mein Theürer, w e n n ich, ohne o r t h o d o x geworden zu seyn, auch von der Person Christi ganz anders denke, als da ich in Berlin war. Wenn ich Ihnen sage, daß mir nun das arianische System gerade so falsch v o r k o m m e , wie das athanasianischeV'21 In diesem Z u s a m m e n h a n g gewann nun bei Lavater das Problem realer, demonstrierbarer Christuserfahrung grundlegende Relevanz. Da er davon überzeugt war, daß seit den Zeiten der U r g e m e i n d e die Wunderwirksamkeit Christi durch die Jahrhunderte fortdauert, wollte er ihr auch in der Gegenwart auf mannigfache Weise nachspüren und sie verifizieren. Dabei erhielt bei ihm der visuelle Aspekt eine besondere Bedeutung, da er d e m Sehsinn überhaupt grundsätzlich Priorität eingeräumt hat 22 . Geradezu gebannt hielt er seitdem nach sichtbarer Christuserfahrung Ausschau. Ja, er war zeitweise in einem solchen M a ß e darauf fixiert, daß sein „Durst nach Christuserfahrung" 2 3 gelegentlich skurril wirkt. N a c h seiner theologischen Umorientierung verfaßte Lavater i m September 1769 einen kurzen Traktat 2 4 mit d e m Titel Drey Fragen von den Gaben des Heiligen Geistes. Hierbei ging es ihm zwar zunächst nur u m den exegetischen Nachweis, daß auch für die Gegenwart eine f o r t w ä h r e n de Wirksamkeit Jesu Christi verheißen sei. Alsbald war er aber darauf bedacht, auch in Geschichte und Gegenwart solche außerordentlichen E r fahrungen, insbesondere Krankenheilungen, zu verifizieren. Deshalb ent19

Brief: Lavater an Branconi, 31. Mai 1779, ebd. Ms. 553, Nr. 95. Siehe J o h . K . Lavater, Reisetagebuch nach Barth, Einträge vom 17., 18. u. 19. Februar 1764, ebd. Ms. 13. 21 Brief: Lavater an Crugot, 30. Oktober/6. November 1770, ebd. Ms. 556, Nr. 79. 22 Siehe ζ. B. Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 4, 1790, S. 197 (Briefe und Auszüge): „Wir haben fünf Sinnen; Der feinste derselben ist das Aug!" Diese Bemerkung stammt sehr wahrscheinlich aus einem Brief Lavaters an Burckhardt vom 27. März 1784 (ZBZ, FA Lav. Ms. 555, Nr. 16; jedoch ist in dieser Abschrift diese Briefstelle ausgelassen). 23 So lautet der Titel eines Gedichtes, das Lavater bezeichnenderweise auf der Rückreise seines letzlich enttäuschenden Besuches bei dem Exorzisten und Wunderheiler Gaßner vor sich hin „lallte" (Reisetagebuch nach Pondorf, Eintrag vom 23.Juli 1778, ebd. Ms. 16,4). Obgleich im Titel des Gedichtes der Geschmackssinn genannt ist, ist doch der Sehsinn gemeint. Die erste Zeile des Gedichtes lautet: „Ach! Wie schmacht' ich nach Erfahrung!". 24 Dieser kurze Traktat, der vom September 1769 datiert ist, war nicht im Buchhandel erhältlich, sondern war als Privatdruck erschienen. 20

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w a r f er i m Frühjahr 1771 einen erneuten Traktat 25 und versandte ihn an Theologen u n d Laien. Sein Ziel war es „nach Endigung der exegetischen Untersuchung, nun auch die Geschichte zu berühren" 2 6 . Selbstverständlich n a h m Lavater auch zu denjenigen persönlichen K o n takt auf, die wie er auf der Suche nach außerordentlichen Erfahrungen waren oder denen solche angeblich bereits zuteil geworden waren. Z u diesem Kreis zählten Adelige und Bürger, Laien und Geistliche, Ungebildete und Gelehrte sowie Psychopathen und Scharlatane. Bemerkenswerterweise waren in dieser Personengruppe relativ wenig Frauen vertreten 27 . Natürlich ging es Lavater auch darum, solche aufweisbaren Erfahrungen selbst zu machen. Kritischen E i n w e n d u n g e n gegen dieses sehnsüchtige Verlangen nach verifizierbaren religiösen Erfahrungen, die mannigfach und i m m e r wieder an ihn herangetragen w o r d e n sind, räumte er zwar ein, daß der Glaube nie a u f h ö ren darf, „Glaube zu seyn"; aber so fragte er, „sollte er [sc. der Glaube], w e n n er nicht Schwärmerey werden soll, auf alle sinnlich entscheidende Beweise, die es nämlich f ü r ein dehmüthigredliches Herz sind, Verzicht thun? Kann Christus, diese persönliche Vernunft und Menschenkenntnis und Humanität, dies gewollt haben" 28 ? Nicht zuletzt aus diesem G r u n d fühlte sich Lavater aber zu den Stillen im Lande hingezogen. Er ging nämlich davon aus, daß sie in unterschiedlicher Weise ebenfalls der fides experimentalis verhaftet wären. Hierbei berücksichtigte er jedoch, wie deutlich werden wird, zu wenig, daß es jenen zuerst und vor allem u m innerliche, spirituelle und nicht so sehr u m äußere, manifeste Erfahrungen ging. Allerdings gründete Lavaters Z u n e i g u n g zu den Stillen i m Lande, wie später zu entfalten sein wird, nicht nur auf deren scheinbarem oder offensichtlichem Interesse an der fides experimentalis. Hinzu k a m ihre teilweise christozentrische Theologie sowie ihre gefühlvolle und ökumenische F r ö m migkeit. Für Lavater waren dies zwei Aspekte, durch die er sich mit ihnen in vielem verbunden wähnte. Schließlich fühlte sich Lavater mit den F r o m m e n auch wegen ihrer O p p o sition gegen Neologie und Rationalismus und ihrer fast durchgängigen Verwerfung der Französischen Revolution liiert. Ja vielleicht hat diese gemeinsame Frontstellung d e m einigenden Band seine eigentliche Stärke ver25 Dieser Traktat, der von 1771 datiert ist, beginnt mit den Worten: „Es m a g . . . nicht unbekannt sein." In die Lücke, die hier durch Auslassungspunkte gekennzeichnet ist, setzte Lavater jeweils den Namen des Adressaten ein. 26 Ebd. 27 Z u diesen zählte die Magd Riedmeier, Obereits Empyräa und spätere Frau; zu ihr hat Lavater im Jahre 1769 Kontakt aufgenommen hat. Siehe Brief: Lavater an Heinrich Heß, 25. Oktober 1769, Z B Z , FA Lav. Ms. 565, Nr. 222: „Von Obereid habe ich einen weitläuftigen Brief erhalten. Empyräa scheint eine arme Dienstmagd, aber fähig zu seyn, es von Gott erbethen zu können, sich mir im Geiste mitzutheilen, wiewol noch nichts geschehen ist." 28 Brief: Lavater anJung-Stilling, 21. Oktober 1794, ebd. Ms. 567, Nr. 150; gedr. in: P.J. H. Jung, Sendschreiben, S. 6, Nr. 4.

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liehen. Die gemeinsame Gegnerschaft gegen die radikale Aufklärung und Revolution führte vielfach nicht nur zur Nähe, sondern sogar zum Schulterschluß.

3. Lavater und die Stillen im Lande in der Forschung

Über das Verhältnis Lavaters zu den Stillen im Lande liegt bislang keine Monographie vor. Etwas ausfuhrlicher ist in der neueren Forschung 1 auf diese Problematik nur in vier Arbeiten eingegangen worden; allerdings ist sie auch hier nicht wirklich thematisiert worden. Hierbei ist zunächst auf die umfangreiche Abhandlung von G. v. Schulthess-Rechberg zu verweisen, die anläßlich des hundertjährigen Gedächtnistages von Lavaters Tod unter dem Titel Lavater als religiöse Persönlichkeit in einer Denkschrift veröffentlicht wurde 2 . Darin werden Lavaters Beziehungen zu einzelnen Pietisten und „pietistischen Gemeinschaften" kurz berührt, wobei eingangs konstatiert wird, daß „von den verschiedenen religiösen Gruppen seiner Z e i t . . . der Pietismus der Denkweise Lavaters am nächsten zu stehen" scheint 3 . Dennoch habe sich Lavater „von der Theologie und Lebensweise der pietistischen Gemeinschaften abgestossen" 4 gefühlt. Einmal habe Lavater nämlich einen viel freieren und unbekümmerteren Umgang mit der Welt gehabt; ihm sei keinerlei nasiräische Tendenz eigen gewesen. Deshalb mußte er „an der engen, ängstlichen, unselbständigen Stimmung dieser Kreise Anstoss nehmen" 5 . Zweitens wird bezüglich der theologischen Gegensätze, die allerdings bei Schulthess-Rechberg nicht immer in wünschenswerter Deutlichkeit herausgearbeitet werden, besonders daraufhingewiesen, daß christlicher Glaube bei Lavater stets im Dienst der Potenzierung des Menschseins gesehen worden ist. „Ihm war das Christenthum die menschlichste Religion, die Bibel der wahrste und erhabenste Commentar der Menschheit. Wer Christenthum und h. Schrift nicht als Mittel der inneren Belebung, Erhöhung, Befreiung des Menschen betrachtete, der missdeutete sie, der verstand den Zweck der göttlichen Offenbarung durch Christus nicht" 6 . Wegen dieser ethischen und theologischen Differenzen habe sich Lavater mit den Pietisten nicht „befreunden" können. Dennoch habe er sich „die Unbefangenheit zum Verkehr mit edeln Persön1

Die Arbeiten über Lavater im 19. Jahrhundert können hier unberücksichtigt bleiben, zumal sie nicht selten in der Nähe des Hagiographischen zu stehen kommen. Eine Ausnahme bildet A. Ritsehl (Geschichte des Pietismus, Bd. 1, bes. S. 494-523), worauf nachdrücklich hingewiesen sei. 2 G. v. Schulthess-Rechberg, Lavater als religiöse Persönlichkeit, S. 151-309, bes. S. 278-284. 3 Ebd. S. 278. 4 Ebd. 5 Ebd. 6 Ebd. S. 283.

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lichkeiten, die jenen Kreisen entstammten oder Motive ihrer Frömmigkeit sich angeeignet hatten" 7 , bewahrt. Von den pietistischen Gemeinschaften wären Lavater die Herrnhuter aus „persönlicher Berührung" die „bekanntesten" gewesen 8 ; von den erwähnten Einzelpersönlichkeiten selbst habe der „Arzt, Cameralist und Volksschriftsteller Jung Stilling am meisten Berührungspunkte mit ihm" 9 gehabt. Zweitens sei auf die sehr umfangreiche und auf intensiven Quellenstudien beruhende Monographie des Franzosen Olivier Guinaudeau verwiesen, die 1924 mit dem Titel Jean-Gaspard Lavater Etudes sur sa vie et sa pensee jusqu'en 1786'10 publiziert worden ist. Wie jedoch schon aus dem Titel hervorgeht, hat Guinaudeau Lavater biographisch nur bis zu seiner wichtigen Reise nach Bremen dargestellt. Dies hatte zur Folge, daß nur seine Beziehungen zu den ,pietistes' am Niederrhein und in Württemberg sowie zu den Herrnhutern in den Blick kommen konnten 11 . Im Unterschied zu Schulthess-Rechberg versuchte Guinaudeau wesentlich deutlicher und differenzierter herauszuarbeiten, daß zwischen Lavater und den Pietisten nicht nur einige offenkundige Differenzen, sondern „une opposition radicale, une divergence fondamentale" 12 bestanden habe. Diese grundlegenden Gegensätze seien von beiden Seiten sehr wohl bemerkt und deutlich artikuliert worden. Lavater habe sich zum einen an der weitgehend orthodoxen, biblizistischen Glaubenslehre der Pietisten gestoßen und besonders gegen deren Festhalten an der Satisfaktionslehre opponiert. Z u m anderen habe Lavater über die kleinliche Lebensart der Pietisten Unwillen empfunden. In seinen Augen führten sie „en tout cas... une existence miserable" 13 . Gewisse Sympathien hätte er am ehesten noch für ihre Frömmigkeit gehabt, die ihm jedoch auch nicht frei von Arroganz und Beckmesserei erschienen sei. Aber auch die Pietisten ihrerseits haben nach Guinaudeau an Lavaters Theologie massive Kritik geübt. Ihre theologische Kritik im engeren Sinne richtete sich hierbei vor allem auf seine dezidierte Ablehnung der traditionellen Satisfaktionslehre. „Iis deno^aient egalement le socinianisme de sa theorie ,naturaliste' de la redemption, comme faisaient les orthodoxes, sans lui opposer, eux non plus, des arguments serieux" 14 . Hinsichtlich der Ethik wäre bei den Pietisten Lavaters weltoffener Lebensstil ein nicht geringer Stein des Anstoßes gewesen. Für sie sei es skandalös gewesen, daß ein 7

Ebd. S. 279 f. Ebd. S. 279. » Ebd. S. 280. 10 Von den bislang vorliegenden Monographien über Lavater gehört diese zweifelsohne zu denjenigen, in denen ganz intensiv der handschriftliche Nachlaß des FA Lav. in der Z B Z verwendet worden ist. 11 O . Guinaudeau, Lavater, bes. 206-208. 12 Ebd. S. 206. 13 Ebd. S. 207. " Ebd. S. 206. 8

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Prediger des Evangeliums ein so weltliches, auf Äußerlichkeiten bedachtes und somit unchristliches Leben führte 15 . Seine Vorliebe, mit Angehörigen höherer Gesellschaftsschichten, besonders mit Adeligen, zu verkehren, meinte man auf seine Weltlichkeit zurückfuhren zu müssen. Ja man habe Lavaters Namen sogar das Epitheton „galant" 16 beigefügt, offensichtlich um so seinen präferierten Lebenszuschnitt zu apostrophieren. Drittens ist auf die Arbeiten des Germanisten Christian Janentzky zu verweisen, besonders auf dessen 1916 gedruckte MonographieJ. C. Lavaters Sturm und Drang im Zusammenhang seines religiösen Bewusstseins 17 . Bei Janentzky, der im magischen Glaubensverständnis den Schlüssel zu einer adäquaten Erfassung Lavaters gefunden zu haben meinte 18 und ihn von dort her in faszinierender Einseitigkeit zu verstehen versucht hat, kommt allerdings dessen Verhältnis zu den Pietisten nur ganz beiläufig in den Blick. Gestützt auf die bedeutendsten gedruckten Werke sowie auf zahlreiche handschriftliche Quellen Lavaters konstatierte Janentzky einerseits bei ihm bereits relativ früh einen „inneren Kontakt mit den vom Pietismus ausgehenden religiösen Impulsen" 19 . Diese Berührung erblickte er jedoch lediglich darin, daß „die Wendung des Pietismus zu einer ganz persönlichen Gottes- und Christus-Empfindung und weiter die Neigung zur peinlichen Beobachtung der Gemütsvorgänge und schließlich die Betonung der Sündigkeit und als Äquivalent das Erlebnis der Beseligung und Erlösung sich als etwas der lavaterischen Geistesart Verwandtes manifestiere[n]" 20 . Es sind also nach Janentzky im wesentlichen nur strukturelle Elemente aus dem affektiven Bereich, wie insbesondere Subjektivität, Empfindsamkeit und individuelle Selbstbeobachtung, die auf eine Relation Lavaters zum Pietismus hinweisen. Wesentlich präziser hob Janentzky dagegen andererseits die Kritik Lavaters am Pietismus hervor. Lavater habe sich einmal gegen die „Überschwenglichkeit und Süßlichkeit" 21 sowie gegen die „Ängstlichkeit" 22 der Pietisten in ihrer Frömmigkeitshaltung gewandt. Z u m anderen habe Lavater auch gegen die Lehre der Pietisten Einwände erhoben. Hierbei habe er erstens sowohl gegen ihre „theosophischen Spekulationen" 23 als auch

15 Ebd. S. 208: „Alors les pietistes criaient au scandale: un pasteur encourager de la parole, et helas! de l'exemple aussi, la vie profane, exterieure, antichretienne!" '« Ebd. 17 Bezüglich der Fragestellung Lavater und die Stillen im Lande kommen hier insbesondere die beiden Monographien von Chr. Janentzky, Lavaters Sturm und Drang (bes. S. 296-297) und Lavater (bes. S. 34), in Betracht. 18 Chr. Janentzky hat seine Auffassung vom magischen Glauben bei Lavater mehrfach dargelegt; knapp zusammengefaßt hat er sie in seinem Beitrag Lavaters magischer Glaube. 19 Chr. Janentzky, Lavater, S. 34. 20 Ebd. 21 Ebd. 22 Chr. Janentzky, Lavaters Sturm und Drang, S. 296. 23 Chr. Janentzky, Lavater, S. 34.

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gegen ihren Biblizismus 24 opponiert. Bezüglich der ersteren habe er vor allem den württembergischen, bezüglich des letzteren den niederrheinischen Pietismus im Blick gehabt. Zweitens habe Lavater kritisiert, daß fast alle Pietisten mit Nachdruck an der orthodoxen Satisfaktionslehre festhielten 25 . Schließlich ist noch Julius Forssmanns Monographie J. K. Lavater und die religiösen Strömungen des achtzehnten Jahrhunderts 26 , die 1935 im Druck erschienen ist, zu erwähnen. Da diese Darstellung, wie schon im Titel ausgedrückt ist, das Ziel verfolgt, Lavater in seinen Beziehungen zu den religiösen Strömungen seiner Zeit zu untersuchen, wird auch auf sein Verhältnis zum Pietismus und zur Herrnhuter Brüdergemeine recht ausführlich eingegangen. Allerdings haben bei Forssmann die handschriftlichen Quellen keinerlei Berücksichtigung gefunden und die gedruckten nur sehr exzeptionell; dagegen hat er sich darum bemüht, die bisherige Sekundärliteratur zu erfassen und auszuwerten. Bezüglich Lavaters Stellung zum Pietismus behauptete Forssmann, daß sich Lavater „naturgemäß" zu ihm „stärker hingezogen" gefühlt habe als zur Aufklärung 27 . Beider „Religiosität" weise nämlich „gemeinsame Züge" auf, die in einem „aufrechten Biblizismus, Gleichgültigkeit gegen orthodoxe Dogmatik, Vorliebe für eschatologische Probleme und Ausblicke in das Jenseits, einen eifrigen und heischenden Glauben an Gebetserhörungen und vor allem an Christus als Mittelpunkt und Krone der Menschheit" 28 deutlich hervorträten. Trotz dieser Gemeinsamkeiten hätten sich einige deutsche und schweizerische Pietisten vergebens bemüht, „Lavaters Beitritt zur pietistischen Richtung" 29 zu erreichen. Lavater habe sich geweigert, weil er sich zuerst und vor allem an der distanzierten oder sogar oppositionellen Haltung der Pietisten zur Welt gestoßen hätte. Seiner Frömmigkeit sei dagegen eine „weltfreudige Grundstimmung" eigen gewesen30. Nach Forssmann ist in der unterschiedlichen Stellung zur Welt die entscheidende Differenz zwischen Lavater und den Pietisten zu sehen. Jedenfalls sei dieser Gegensatz seiner Meinung nach gravierender als der Unterschied im Glaubensverständnis 31 . Leider ist Forssmann nicht der Frage nachgegangen, welches die theologischen Gründe für Lavaters Weltbejahung gewesen sind. Von da aus ist es zu verstehen, warum in dieser Monographie Lavaters Christologie und Soteriologie sowie Anthropologie nicht recht in den Blick gekommen sind. An den Herrnhutern habe Lavater, so stellte Forssmann fest, ihre Konzentration auf Christus zu schätzen gewußt. „Für Zinzendorf und seine Jünger 24

Chr. Janentzky, Lavaters Sturm und Drang, S. 296. Ebd. „Ewiger Tod, Versöhnungsgnade, Erlösung u. dgl., wie er es bei Oetinger, Hahn, Stilling und andern fand, bezeichnete er als .triviale und lichtlose' Modeworte." 26 J. Forssmann, Lavater, bes. S. 118-127. 27 Ebd. S. 120. 2 » Ebd. 29 Ebd. S. 122. 3° Ebd. 31 Ebd. 25

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bildete... ebenso wie fur Lavater, die Persönlichkeit des Heilands den Mittelpunkt ihres Glaubens" 32 . Allerdings sei es Lavater im Unterschied zur Brüdergemeine nicht so sehr um die „Leidensgestalt des Gekreuzigten" als vielmehr um den „irdischen Lebenswandel Jesu" gegangen 33 . Auch habe sich Lavater an der sentimentalen, tändelnden Frömmigkeit der Brüder gestoßen. Insgesamt ist also nach Forssmann der Gegensatz Lavaters zu den Mitgliedern und Freunden der Brüdergemeine wesentlich größer gewesen als zu den Pietisten. Dagegen hat Forssmann dem Verhältnis, in welchem die Pietisten und Herrnhuter ihrerseits zu Lavater gestanden haben, fast überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nicht zuletzt schon aus diesem Grund mußte in seiner Darstellung vieles unscharf und konturenlos bleiben. Im Rahmen dieses kurzen Überblickes sei wenigstens noch angemerkt, daß selbstverständlich auch wiederholt in Einzelarbeiten und Beiträgen, die sich mit kirchen- sowie theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Themen des 18. Jahrhunderts beschäftigen, wiederholt direkt oder indirekt auf Lavaters Verhältnis zu einzelnen Vertretern der Stillen im Lande eingegangen worden ist. Dort finden sich teils detaillierte Ausführungen teils beiläufige Bemerkungen über seine Beziehungen zu einzelnen Gestalten oder Kreisen des Pietismus am Niederrhein, in Württemberg und in Franken, zu Mitgliedern und Freunden der Brüdergemeine, sowie zu Anhängern und Sympathisanten der Deutschen Christentumsgesellschaft und der Allgäuer Katholischen Erweckungsbewegung. Diese Beobachtung gilt besonders für den niederrheinischen Pietismus, wobei das Interesse vor allem Johann Gerhard Hasenkamp und Samuel Collenbusch gegolten hat, für den württembergischen Pietismus mit besonderer Berücksichtigung Oetingers, Philipp Matthäus Hahns sowie Israel Hartmanns und für die Allgäuer Katholische Erweckungsbewegung; hinsichtlich letzterer ist in erster Linie auf die in letzter Zeit recht rege Sailerforschung zu verweisen. Aus methodischen Erwägungen soll hieraufjedoch nicht an dieser Stelle, sondern erst später bei der Darstellung der betreffenden Themenkreise eingegangen werden. Angemerkt sei nur noch, daß selbstverständlich auch innerhalb der Schweizer landes- und territorialkirchengeschichtlichen Forschung mehrfach auf Lavaters Verhältnis zum Pietismus und zur Allgäuer Katholischen Erweckungsbewegung eingegangen worden ist; so beispielsweise in Wilhelm Hadorns Geschichte des Pietismus in den Schweizerischen Reformierten Kirchen 34 , in der Lavater recht unkritisch und fehlerhaft als ein Theologe dargestellt wird, „in dessen Persönlichkeit die reinsten Bestrebungen des Pietismus des XVIII. Jahrhunderts sich kristallisierten" 35 . Besonders hervorgehoben seien hier jedoch die auf intensivem Quellenstudium beruhenden 32 33 34 35

Ebd. S. 124. Ebd. W. Hadorn, Pietismus, bes. S. 395-401. Ebd. S. 385.

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Arbeiten des Basler Kirchenhistorikers Paul Wernle36, die eine Fülle von historischen Detailinformationen über Lavater enthalten, wobei die Sympathie für ihn unverkennbar hervortritt.

4. Anlage

und

Gliederung

Obwohl Lavater in seinen gedruckten Werken und in seinen Aufzeichnungen wiederholt auf sein Verhältnis zu den Stillen im Lande eingegangen ist, hat er sich nirgendwo zusammenhängend extensiv und intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Deshalb erscheint es schon aus diesem Grund naheliegend, diese Problematik nicht systematisch-theologisch, sondern historisch darzustellen und zu reflektieren. Da Lavater nun aber, wie deutlich werden wird, zwischen den einzelnen Bewegungen und Richtungen der Pietisten und Erweckten sowohl historisch als auch theologisch recht deutlich unterschieden hat, soll auch in der folgenden Darstellung über Lavater und die Stillen im Lande dieser differenzierenden Betrachtungsweise Rechnung getragen werden. Es wird also danach zu fragen sein, wie sich das Verhältnis Lavaters zu den einzelnen Gruppierungen innerhalb des Pietismus und der Erweckungsbewegung gestaltet hat. Hierbei soll jede Bewegung oder Richtung gesondert in den Blick kommen. Bei diesem methodischen Vorgehen sind allerdings gelegentliche Überschneidungen und sogar Wiederholungen schwerlich gänzlich zu vermeiden. In der Darstellung, die übrigens grundsätzlich der Chronologie verhaftet ist, wird zunächst Lavaters Verhältnis zum späteren Pietismus seit seiner theologischen Neuorientierung im Jahre 17681 thematisiert werden. Hierbei wird vor allem der Pietismus niederrheinischer, württembergischer und fränkischer Observanz Berücksichtigung finden, da Lavater zu dessen Anhängern besonders enge Kontakte gehabt hat. Mit der Untersuchung der Beziehungen zwischen Lavater und den Pietisten soll deshalb eingesetzt werden, weil Lavater zeitlich gesehen mit ihnen relativ früh in Verbindung gekommen ist. Sodann wird es in einem zweiten Kapitel darum gehen, Lavater und die Brüdergemeine in ihrem beiderseitigen Verhältnis zu untersuchen. Es werden also sowohl Lavaters Beziehungen zur Brüdergemeine als auch deren Kontakte zu ihm betrachtet werden. Dabei soll einerseits der Blick nicht nur auf Lavaters persönliche Beziehungen zu einzelnen Mitgliedern der Brüdergemeine, sondern auch zu deren Freunden gelenkt werden. In Lavaters Bekanntenkreis gab es nämlich eine ganze Anzahl von Personen, die dieser zwar nicht als Brüder oder Schwestern angehört, sich aber doch mit ihr 36 Besonders verwiesen sei auf P. Wernle, Der schweizerische Protestantismus, Bd. 3, S. 221-439 (Lit.) u. Helvetik, Bd. 1 u. 2, passim. 1 Bezüglich der theologischen Neuorientierung Lavaters vgl. Kap. 1.2.

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verbunden gefühlt und sich teilweise sogar weitgehend mit ihr identifiziert hatten. Auch wird in diesem Zusammenhang der Frage nachzugehen sein, welche Zinzendorfschen und brüderischen Schriften Lavater gekannt hat. Andererseits wird es aber unabdingbar notwendig sein, die Quellen daraufhin zu befragen, welche Kontakte einzelne Mitglieder der Brüdergemeine zu Lavater gehabt und wie sie ihn beurteilt haben. Darüber hinaus soll auch möglichst eruiert werden, welche Kenntnisse man im eigentlichen Leitungsgremium der Brüdergemeine, also in der Unitätsältestenkonferenz, von Lavater besessen hat. Wie hat man hier sein Leben und Werk beurteilt? In einem dritten Kapitel werden Lavaters Beziehungen zur Deutschen Christentumsgesellschaft, die sich im Jahre 1780 konstituiert hat, zur Darstellung gelangen. Dabei wird es zunächst notwendig sein, seine Kontakte zum Basler Zentrum der Christentumsgesellschaft selbst darzustellen. Zu diesem Zweck soll sowohl Lavaters Verhältnis zum Gründer dieser Gesellschaft, dem Senior der Augsburger Geistlichkeit Johann August Urlsperger, als auch zu den frühen Sekretären dieses Leitungsgremiums Beachtung geschenkt werden. Sodann soll aber auch Lavaters Beziehungen zu einzelnen Partikularsozietäten dieser Gesellschaft nachgegangen werden. Selbstverständlich können hier nicht alle diejenigen berücksichtigt werden, zu denen Lavater indirekt durch einzelne Mitglieder losen oder sporadischen Kontakt gehabt hat. Vielmehr wird sich die Untersuchung auf diejenigen Sozietäten konzentrieren, die für die Problemstellung dieser Untersuchung von Relevanz sind. Dies trifft neben der Partikulargesellschaft in Berlin in ganz besonderer Weise für diejenige in Nürnberg zu. Hierauf wird in einem vierten Kapitel Lavaters Verhältnis zu der im Jahre 1796 ausgebrochenen Allgäuer Katholischen Erweckungsbewegung untersucht werden. Unter Einbeziehung neuer Forschungsergebnisse wird das Augenmerk zunächst auf ihren großen Protektor in der Frühzeit, den bedeutenden Theologen und späteren hohen Kleriker Johann Michael Sailer zu richten sein. Dies ist schon allein deshalb unabdingbar notwendig, weil Lavater fast ausschließlich auf Grund von Sailers Vermittlung mit einzelnen Vertretern der Allgäuer Katholischen Erweckungsbewegung, die zu dessen Freunden zählten, in Verbindung gekommen ist. Ferner wird aber der Frage nachzugehen sein, mit welchen Geistlichen und Laien der Allgäuer Katholischen Erweckungsbewegung Lavater in Kontakt gestanden hat und wie er diese Frömmigkeitsbewegung beurteilt hat. In dem Zusammenhang wird es notwendig sein, auch Lavaters Stellung zur römisch-katholischen Kirche zur Sprache zu bringen. Der letzte Teil der Darstellung wird sich schließlich mit einzelnen Vorläufern oder Wegbereitern der Evangelischen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts beschäftigen, zu denen Lavater direkte oder indirekte Beziehungen gehabt hat. Natürlich kann dies nur in Auswahl geschehen, wobei deren Relevanz für die Deutsche Erweckungsbewegung zum Kriterium gemacht wird. Nicht berücksichtigt wird deshalb beispielsweise Anna 25

Schlatter, die bekanntlich ihre Erweckung auf Lavater zurückgeführt hat 2 . Als Ledige hatte sie eine Zeitlang in dessen Pfarrhaus gelebt und später als junge Frau einen liebevollen, verehrenden Briefwechsel 3 mit ihm gefuhrt. Sodann wird die Frage nach den literarischen sowie theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Einflüssen Lavaters auf die Evangelische Erweckungsbewegung zu stellen sein. Hat es solche überhaupt gegeben oder sind diese mit seinem Tode überraschend schnell zurückgegangen oder sogar erloschen? Abschließend wird das Ergebnis der Untersuchung thesenhaft unter der erkenntnisleitenden Fragestellung von Distanz und Nähe zusammengefaßt. Dabei wird es zum einen von Interesse sein, inwiefern Lavater zwischen den einzelnen Gruppierungen der Stillen im Lande unterschieden hat. Wie hat er sein Verhältnis zu ihnen jeweils historisch, theologisch und frömmigkeitsgeschichtlich bestimmt? Z u m anderen wird summarisch zu zeigen sein, wo zwischen Lavater und den Pietisten, den Herrnhutern sowie den Erweckten die theologischen und geistigen Gemeinsamkeiten und Differenzen liegen. In dem Zusammenhang wird sich insbesondere das Problem stellen, ob der Akzent stärker auf Lavaters Distanz oder auf seine Nähe zu den Stillen im Lande zu liegen kommt. Vielleicht stellt sich aber auch diese Alternative überhaupt nicht, weil nämlich in dem Verhältnis zwischen Lavater und den Stillen im Lande Distanz und Nähe ambivalent sind und ihre Gewichtung von der jeweiligen Fragestellung abhängt.

5. Quellen und Literatur

Das Quellenmaterial, das der Darstellung zugrunde liegt, umfaßt hinsichtlich Lavater zunächst einmal dessen gedruckte Werke. Selbstverständlich ist es weder möglich noch nötig, seine sämtlichen Publikationen zu berücksichtigen 1 . Sein Gesamtwerk ist nämlich einerseits viel zu umfangreich und andererseits sind auch keineswegs alle seine Schriften für die Problemstellung von Relevanz. Allerdings darf daraus nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, daß für die Untersuchung nur einige seiner Werke herangezogen zu werden brauchen. Lavater hat nämlich seine Stellung zu den Stillen im Lande in verhältnismäßig vielen Publikationen zur Sprache 2

Vgl. ihren Eintrag in Lavaters Fremdenbücher (ZBZ, FA Lav. Ms. 15f (Fotographie): „Helena Schlatter gb Bernet, den 2. October. Der Herr vergelte Ihnen dort, was Sie hieniden mir schenkten, u. lasse Sie unverwelckliche Früchte, die diesem entblüh'ten, dan finden." 3 In der Z B Z finden sich sieben Briefe Lavaters an Schlatter bzw. Bernet (ebd. Ms. 580, Nr. 19-25) und 22 Briefe Schlatters bwz. Bernets an Lavater (ebd. Ms. 525, Nr. 290-311). Über Lavater und Anna Schlatter-Bernet siehe u. a. Η. M. Stückelberger, Kirchen- und Schulgeschichte, Bd. III, S. 234f. u. 241 (Lit.). 1 Ein Werkverzeichnis der Schriften Lavaters, die von ihm selbst oder seinen Zeitgenossen bis zu seinem Tode im Jahre 1801 im Druck herausgegeben worden sind, ist vom Verfasser in Vorbereitung.

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gebracht. Dies ist allerdings zumeist nur beiläufig oder marginal geschehen, weshalb das Sichten des Quellenmaterials einen großen Zeitaufwand erfordert. Nicht selten eröffnen jedoch gerade diese Nebenbemerkungen wichtige Kenntnisse und Einsichten. Zweitens wird für die Untersuchung Lavaters äußerst umfangreiche Korrespondenz heranzuziehen sein2. Dies bringt schier unlösbare Probleme mit sich, da Lavater bekanntlich zu den unermüdlichsten Briefschreibern des korrespondenzfreudigen 18. Jahrhunderts gehört hat. Eine möglichst u m fassende Berücksichtigung seines immensen Briefwerkes ist aber dennoch unabdingbar notwendig, weil er sich in diesem literarischen Genre noch wesentlich offenherziger und ungeschützter geäußert hat als in seinen zum Druck bestimmten Schriften. Auch wird die Korrespondenz deshalb in der Untersuchung einen breiten Raum einnehmen müssen, weil Lavaters damalige Wirkung keineswegs ausschließlich auf seinen zahlreichen Veröffentlichungen, sondern gerade auch auf seinen Briefen beruht hat. Durch seine Briefe, die nicht selten in hoher Verehrung gehalten wurden, hat Lavater seinen Freundes- und Bekanntenkreis gleichsam untereinander vernetzt und in Kommunikation gebracht, zumal er sie immer wieder auch an Dritte zur vertraulichen Lektüre weitergereicht hat. Allerdings müssen außer den Briefen von und an Lavater auch noch andere Briefwerke berücksichtigt werden, sofern sie Lavater und die gestellte Thematik betreffen. Schließlich werden Lavaters Reisetagebücher eingehende Beachtung finden 3 . Diese Diarien, die Lavater teils als Tagebücher, teils als Tagregister oder auch als Reisebriefe geführt hat, sind in der bisherigen Forschung über Gebühr vernachlässigt worden und sollen hier erstmals umfassend ausgewertet werden. Lavater ist nämlich auf seinen zahlreichen Reisen, die ihn seit seiner großen Studien- und Bildungsreise wiederholt in deutsche Territorien geführt haben, immer wieder auch mit Pietisten, Herrnhutern und Erweckten zusammengetroffen. Über diese Begegnungen und die dabei geführten Gespräche hat er in seinen Diarien öfters Aufzeichnungen gemacht. Diese Notizen gewähren Einblicke in sein spontanes Urteil über die Stillen im 2 Hierbei wurde insbesondere das in der Z B Z aufbewahrte Familienarchiv Lavaters verwendet. Über den U m f a n g des sich unter anderem hier befindlichen Briefwerkes siehe zuletzt K . M . Sauer, Krämer, S. 283f. (Lit!). Darüberhinaus wurden auch andere Archive und Bibliotheken benutzt, in denen sich Briefe von oder an Lavater befinden; siehe Quellenverzeichnis. 3 Sämtliche im Original oder abschriftlich erhaltenen Reisetagebücher Lavaters werden in Z B Z , FA Lav. aufbewahrt. Eine Ausnahme bildet eine Kopie des Reisetagebuches nach Bad Ems, die sich in der U B Leipzig unter der Signatur Β 36 in der,Goethesammlung' von Salomon Hirzel findet (Tagebuch meiner Reise im Junius und Julius 1774). Diese Kopie des in der Z B Z erhaltenen Diariums der Reise nach Bad E m s - abgeschrieben wurden allerdings nur die Kopiehefte, nicht jedoch die Originalhefte des Reisetagebuches - ist von O. Günther ediert worden in: Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Vaterländischer Sprache und Alterthümer, Bd. 9, H. 2, S. 59-136. Über diese fehlerhafte Transkriptio η siehe H. Funck, Rez.: A. Bach, Goethes Rheinreise, S. 453 f. Über den Bestand der Reisetagebücher Lavaters vgl. H. Weigelt, Edition der Reisetagebücher von Johann Kaspar Lavater.

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Lande. Bei aller Problematik liegt hier der besondere Reiz und auch Wert dieser diarischen Eintragungen. Z u m anderen beruht die Darstellung über Lavater und die Stillen im Lande auch auf den gedruckten und ungedruckten Schriften sowie Briefwerken derjenigen Pietisten und Erweckten, mit denen Lavater in Verbindung gestanden hat. Das Ziel der Untersuchung ist es unter anderem nämlich, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Lavater und den Stillen im Lande umfassender in den Blick zu bekommen und differenzierter zu erfassen, als dies bisher geschehen ist. Das ist aber nur dadurch möglich, daß auch diese Schriften und Korrespondenzen von Lavaters Zeitgenossen weitmöglichst in die Untersuchung einbezogen werden. Vieles gewinnt gerade erst im Gegenlicht schärfere Konturen und eröffnet tiefere Einsichten in die K o m plexität individuellen, gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens. Auf welche ungedruckten Schriften und Briefwerke in diesem Zusammenhang neben den gedruckten Werken insbesondere zurückgegriffen wird, davon geben die entsprechenden Verzeichnisse Auskunft. Ähnlich wie die ungedruckten Schriften und Briefe Lavaters werden sie zum Teil ausfuhrlich zitiert4, da sie ebenfalls vielfach schwer zugänglich sind. Auch soll 4 Die Wiedergabe der nicht gedruckten Reisetagebücher Lavaters sowie seiner Briefe und der seiner Korrespondenten - soweit sie nicht kritisch ediert sind (in diesem Fall wurde selbstverständlich auch auf einen Quellennachweis verzichtet) - folgt in Anlehnung an die Empfehlung zur Edition frühneuzeitlicher Texte (G. Müller u. a., Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte) diplomatisch getreu der Vorlage. Hierbei wird vor allem darauf geachtet, daß der Buchstabenbestand unbedingt gewahrt bleibt. Deshalb werden weder offensichtliche Fehler noch Schreibversehen, wie beispielsweise Dittographien, im Text korrigiert. Hinsichtlich der Groß- und Kleinschreibung sowie der Getrennt- und Zusammenschreibung erfolgt eine Anlehnung an die gegenwärtigen orthographischen Regeln, da es sich bei der Handschrift Lavaters sowie auch bei vielen seiner Briefpartner sehr oft nicht mit letzter Sicherheit entscheiden läßt, welche Schreibweise vorliegt. Gängige Abkürzungen werden aufgelöst, wobei die ergänzten Buchstaben in eckige Klammern gesetzt werden. Dagegen werden Abkürzungen, die eine individuelle Eigenart Lavaters beziehungsweise seiner Korrespondenten zum Ausdruck bringen und nicht allgemein üblich sind, nur dann ausgeschrieben, wenn Eindeutigkeit vorliegt. Die ergänzten Buchstaben werden ebenfalls durch eckige Klammern kenntlich gemacht; im Zweifelsfall wird nur die entsprechende Abkürzung wiedergegeben. Vor- und Endsilben, die durch undeutliche oder flüchtige Schreibweise bzw. Kürzungen weggefallen sind, werden stillschweigend aufgelöst; ebenso Ligaturen und liegende Striche bzw. Bogen über η und m für Doppelkonsonanten. Fehlende i-Punkte werden ergänzt. Tremata und Bogen über u werden weggelassen. Auch werden Punkte über Vokalen getilgt, soweit dadurch nicht die Lautbildung beeinflußt wird. Auf unsichere Lesarten von Buchstaben, Wörtern oder Abkürzungen wird durch ( ) hingewiesen. In der Textvorlage unterstrichene Wörter sind kursiv wiedergegeben; mehrfache Unterstreichungen werden ebenfalls kursiv gedruckt und durch [!] kenntlich gemacht. Alle in der Vorlage getilgten oder durchgestrichenen Buchstaben, Wörter oder Stellen sind generell nicht in den Text aufgenommen.

U m der leichteren Verstehbarkeit der Texte willen wird die Interpunktion den gegenwärtigen Regeln angeglichen. Zu dieser Entscheidung führte auch die Beobachtung, daß insbesondere Lavater seine Zeichensetzung keineswegs konsequent gehandhabt hat; sie spiegelt also keine besondere Individualität wider. Allerdings wird dort, w o durch unterschiedliche Zeichensetzung der Text verschieden verstanden werden kann, die historische Interpunktion beibehalten.

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durch die Wiedergabe längerer Passagen ein unmittelbarer Eindruck von dem Sprachschatz und dem Stil der jeweiligen Verfasser vermittelt werden 5 . Da die Problematik des Verhältnisses Lavaters zu den Stillen im Lande, wie der kurze Literaturbericht evident gemacht hat, zwar schon einige Male in der neueren Forschung angesprochen, aber niemals grundsätzlich thematisiert worden ist, erübrigt sich eine gesonderte Auseinandersetzung in einem eigenen Teil der Untersuchung. Soweit bisherige Forschungsergebnisse erörtert werden, soll dies vorwiegend innerhalb des Anmerkungsteiles geschehen, um die Darstellung selbst zu entlasten und eine möglichst große sowie direkte Konzentration auf die Thematik zu erreichen.

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Bezüglich des Wortschatzes bei Lavater vgl. K. Radwan, Sprache Lavaters.

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II. Lavater und der Pietismus Lavater hat nach seiner theologischen Umorientierung im Jahre 1768 mannigfache Verbindungen zum Pietismus verschiedener Observanz gehabt; besonders intensiv waren sie zu dem am Niederrhein, in Württemberg und in Franken. Die gewählte Reihenfolge der Darstellung richtet sich nach dem zeitlichen Beginn seiner Kontakte, nicht jedoch nach Dauer, Intensität oder Bedeutsamkeit der Beziehungen. Diese Aspekte werden vielmehr jeweils in den einzelnen Abschnitten zur Sprache kommen, in denen das, wie deutlich werden wird, sehr differenzierte Verhältnis Lavaters zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Pietismus dargestellt werden wird.

1. Lavater und der niederrheinische

Pietismus

Lavaters Beziehungen zu einzelnen Vertretern des Spätpietismus am Niederrhein setzten bereits Anfang der siebziger Jahre ein. Im Mittelpunkt standen hierbei diejenigen zu Johann Gerhard Hasenkamp, dem Rektor des Gymnasiums in Duisburg. Sie waren besonders intensiv bis zum Sommer 1774, also bis zu Lavaters Reise nach Bad Ems. Dann lockerten sie sich aus mehreren Gründen merklich. Nach dem frühen Tod Hasenkamps im Juni 1777 ist es offenbar nur noch zu sporadischen Kontakten zwischen Lavater und den niederrheinischen Pietisten gekommen. Erst in Lavaters letztem Lebensjahr wurde dann die Verbindung erneut stärker. Dies geschah vor allem, als er sich als Präsident der Züricher Exekutivgesellschaft fur die Helvetischen Kriegsgeschädigten sowie als Sekretär der Helvetischen Zentralhilfsgesellschaft hilfesuchend auch an seine Freunde im Rheinland gewandt hat.

1.1. Der junge Lavater und die Pietisten am

Niederrhein

Die Anfänge von Lavaters Beziehungen zum niederrheinischen Pietismus fallen mit dem Beginn der Freundschaft zwischen ihm und Hasenkamp 1

1 Über die Beziehungen zwischen Lavater und Hasenkamp siehe vor allem Chr. H. Gottfr. Hasenkamp, Mittheilungen, S. 118-128, 132-155; Fr. Auge, Collenbusch, I. Abt. u. II. Abt., passim; Η. Rusche, Eschatologie S. 56-61, 201 f.

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zusammen, die nach Ausweis ihres Briefwechsels 2 wahrscheinlich nicht länger als bis in das Frühjahr 1771 zurückreicht. Aus dem ersten erhaltenen Schreiben 3 Hasenkamps an Lavater v o m 17. Oktober 1771 geht nämlich hervor, daß dieser am 28. Mai an ihn geschrieben hatte. Allerdings waren Hasenkamp Schriften des Züricher Theologen schon zuvor bekannt gewesen 4 . Ende des Jahres 1771 trug man sich in Duisburg mit dem Gedanken, Lavater wenigstens fur einige Jahre als Pfarrer in diese Stadt zu ziehen. Hierbei scheint es vor allem Hasenkamp gewesen zu sein, der sich sehr fur diesen Plan eingesetzt hat5. U m Lavater dafür zu gewinnen, wies er ihn einmal auf die Möglichkeit hin, seine labile Gesundheit durch einen Ortswechsel stabilisieren zu können. Vor allem, so argumentierte er, wäre es ihm hier möglich, in größerem Rahmen zu wirken. Hasenkamp erklärte sich in diesem Zusammenhang sogar dazu bereit, gelegentlich Predigtvertretungen zu übernehmen, u m Lavater so einen größeren Freiraum zu schaffen. A m 17. Januar 1772 wandte er sich schließlich auch an dessen Freund Johann Georg Zimmermann, den britannischen Leibarzt, mit der Bitte, seinerseits entsprechend auf Lavater einzuwirken 6 . Lavater hat diese Anfrage zunächst zwar nur vorsichtig, dann aber entschieden zurückgewiesen und dabei vor allem familiäre sowie kirchengemeindliche Gründe angeführt 7 . Nachdem sich also die Möglichkeit zerschlagen hatte, Lavater als Pfarrer für Duisburg zu gewinnen, begann ein recht reger Briefwechsel zwischen ihm und Hasenkamp. Den inhaltlichen Schwerpunkt der Korrespondenz

2 Ein großer Teil der Korrespondenz wurde 1870 von K. Chr. E. Ehmann veröffentlicht (Briefwechsel). Im Folgenden wird jedoch, soweit möglich, jeweils vorrangig die im Familienarchiv Lavater der Z B Z befindliche Korrespondenz herangezogen. Ehmann hat nämlich bei seiner Edition nur diejenigen Briefe Lavaters (Originale) und Hasenkamps (Abschriften) berücksichtigt, die sich im Nachlaß von Max Göbel fanden (siehe Briefwechsel, S. III f.). Auch hat Ehmann nach seinen eigenen Angaben die Briefe nicht immer buchstabengetreu und vollständig publiziert (siehe ebd. S. IV). 3 Siehe Brief: Hasenkamp an Lavater, 17. Oktober 1771, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 204 (vgl. K. C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. Iff.). Dieses Schreiben hat Hasenkamp Lavater durch einen Reisenden, der zufällig nach Zürich unterwegs war, zukommen lassen. Der darin erwähnte Brief Lavaters v o m 28. Mai 1771 ist nicht mehr greifbar. O b er tatsächlich die erste briefliche Kontaktaufnahme zwischen beiden darstellt, läßt sich nicht ausmachen. 4 Dies ist nicht verwunderlich, denn Lavater besaß zu dieser Zeit bereits einen großen Bekanntheitsgrad. 5 Hierzu und zum Folgenden siehe Briefe: Hasenkamp an Lavater, s. a. [1771?] u. 25. Januar 1772, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 197 u. 206 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 3-8 u. 11-16). 6 Siehe Brief: Hasenkamp an Zimmermann, 17. Januar 1772, ebd. Nr. 205. 7 Hierzu siehe Briefe: Lavater an Hasenkamp, 14. Januar 1772, ebd. Ms. 563, Nr. 158 (vgl. K . C h r . E. Ehmann, Briefwechsel, S. 8-11); Lavater an Hasenkamp, 11. März 1772, gedr. in: ebd. S. 17-21.

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bildete in den Jahren 1772 und 1773 das eschatologische Problem des Zustandes der Seelen zwischen Tod und Auferstehung. Mit dieser Thematik hatte sich übrigens Lavater schon zuvor intensiv beschäftigt 8 . Wie aus ihrem Briefwechsel hervorgeht, waren sowohl Lavater als auch Hasenkamp hinsichtlich der Faktizität der Unsterblichkeit der Seele einer Meinung. Sie waren beide davon überzeugt, daß die Seele, die mit einer ätherischen Hülle umgeben gedacht wurde, bei Eintritt des Todes den Leib des Menschen verlasse und in die jenseitige Welt gelange. Dort hielten sich die Seelen, von möglicherweise wenigen Ausnahmen wie Mose und Elia abgesehen 9 , bis zur Auferstehung beziehungsweise bis zum Jüngsten Gericht auf. In seinen Briefen entfaltete nun Hasenkamp die Vorstellung, daß das Jenseits Abstufungen aufweise und diese sich numerisch genau auf sieben Stufen beliefen. Allerdings seien diese in sich jeweils nochmals vielfach in die Zahl sieben unterteilt 10 . Hinsichtlich dieser Vorstellung von einem siebenfach gestuften Jenseits meinte Hasenkamp sich auf das Alte und Neue Testament berufen zu können11. Besonders rekurrierte er auf die Sprüche Salomos mit der Aussage, die Weisheit baue ihr Haus auf sieben Säulen (Sp 9,1) und auf die Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Asien (Apk 2f.). Ferner berief er sich auf die Seligpreisungen aus der Bergpredigt und auf die im 2. Petrusbrief (1,5-7) aufgelisteten Tugenden; um auch hier jeweils die Zahl sieben nachweisen zu können, mußte er jedoch die Texte äußerst eigenwillig interpretieren. Daß hinter dieser Exegese letztendlich Samuel Collenbusch mit seiner Lehre von den sieben Stufen in der Heiligung, beziehungsweise in der jenseitigen Herrlichkeit stand, hat Hasenkamp freimütig eingeräumt 12 . Zwischen diesem Duisburger Arzt und Lavater hat übrigens seit Beginn der siebziger Jahre auch ein gewisser brieflicher Kontakt bestanden 13 .

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Hierzu siehe H. Weigelt, Vorstellung vom Zustand der Seele. Vgl. Brief: Lavater an Johann Leonhard Hartmann, 7. November 1772, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 135: „Vielleicht können einige früher zur Auferstehung reiff seyn; vielleicht gibt es sonst manche Ausnahmen, wie etwa auch Nachtwanderer Ausnahmen der Schlafenden sind. Vielleicht sind Moses und Elias und Stephanus und der Schacher und Abraham und Lazarus und Paullus nur Ausnahmen?" 10 Siehe Brief: Lavater an Hasenkamp, 19. Mai 1773, ebd. Nr. 166 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 65): „ O b es aber eben 7 oder 8 oder 12 oder 24 oder 72 oder 144000 gebe, lieber Freünd, läßt sich ohne positive Offenbarung Gottes nicht entscheiden." 11 Hierzu und zum Folgenden siehe insbesondere Brief: Hasenkamp an Lavater, 30. Mai/ 1. Juni 1773, gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 85-96. 12 Siehe insbesondere Brief: Hasenkamp an Lavater, 30. Juni/1.Juli 1773, gedr. in: ebd. S. 118: „Denn Dr. Samuel Collenbusch ist der Hauptmann bei der Lehre von den Stufen. Ich bin sein Schüler." 13 In der Z B Z ist kein Brief Lavaters an Collenbusch enthalten, dagegen sieben Briefe von 9

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Im Zusammenhang mit dieser Vorstellung von einer siebenfachen Gestuftheit des Jenseits kam Hasenkamp in seinen Briefen auch immer wieder darauf zu sprechen, daß die Seele im Jenseits jeweils zunächst auf diejenige Stufe gelangen werde, auf der sich der Mensch am Ende seines irdischen Lebenswandels befunden habe. Deshalb erschien es ihm von größter Bedeutung, daß der Mensch schon im Diesseits in der Heiligung möglichste Vollkommenheit erreiche. N u r so sei es möglich, daß seine Seele nach dem Tode im Jenseits von vornherein eine hohe Seligkeitsstufe einnehmen werde14. Der Vorstellung Hasenkamps, daß das Jenseits, in das die Seelen gelangen, gewisse Abstufungen aufweise 15 , hat Lavater grundsätzlich zugestimmt 16 . Jedoch erklärte er, daß es nicht schriftgemäß sei, die Anzahl der Stufen numerisch exakt bestimmen zu wollen 17 . Die Exegese der von Hasenkamp zum Beweis angeführten Bibelstellen schien ihm nicht akzeptabel. Ja, er unterließ es nicht, gegen diese biblizistische Schriftauslegung zu polemisieren. Er bezeichnete sie einmal als „erbärmliche Künsteley und Wortklauberey" 18 . Vielmehr komme alles, so betonte er, auf den Geist an, durch den man auch erst dem Buchstaben gerecht werde 19 . Hasenkamp seinerseits kritisierte an Lavater, daß dieser zu wenig Wert auf den Wortsinn der

Collenbusch an Lavater (FA Lav. Ms. 505, Nr. 280, 285-290). Veröffentlicht ist von der Korrespondenz lediglich der Brief: Collenbusch an Lavater, 28. Mai 1772, auszugsweise gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Oetingers Leben, S. 793-797, Nr. 656. Auch sei in diesem Zusammenhang daraufhingewiesen, daß Hasenkamp gelegentlich Briefe, die Collenbusch an ihn gerichtet hatte, urschriftlich nach Zürich weitergesandt hat; siehe Briefe: Collenbusch an Hasenkamp, s.a., ebd. Nr. 281 u. 283. 14 Hasenkamp war natürlich auch seinetwegen darauf bedacht, eine möglichst hohe Stufe der Heiligung zu erreichen. Siehe ζ. B. Brief: Hasenkamp an Lavater, 21. Mai 1772, ebd. Ms. 511, Nr. 209 (vgl. K. C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 33): „Einmal hat sie [Dorothea Wuppermann] eine Endekung gehabt, daß ich nach meiner jezigen Leibesbeschaffenheit nicht so lange leben würde, daß ich meine Heiligung vollendete, sondern ich würde in der fünften Stufe sterben. Darüber ist sie hernach sehr betrübt geworden und hat heftig um meines Lebens Verlängerung gebethen. Darauf ist ihr ein Engel mit einem seeligen Menschengeiste aus der Gesellschaft der Vortrefflichen in der dritten Stufe erschienen den 27 ten April hier in Duisburg mit der Nachricht, 1) wenn ich mich 2Jahre sehr schonete, 2) wenn meine Freunde ernstlich um meine Lebensverlängerung bätten, 3) wenn ich selber ernstlich darum flehete, so könnte ich noch so lange leben, daß ich meine Heiligung vollendete; sonst bliebe es bei der ersteren Anzeige." 15

Siehe ζ. B. Brief: Hasenkamp an Lavater, 12. Mai 1773, ebd. Nr. 216 (vgl. ebd. S. 57-63). 'β Ζ. Β. Brief: Lavater an Hasenkamp, 19. Mai 1773, ebd. Ms. 563, Nr. 166 (vgl. ebd. S. 65): „Daß es Stufen der Tugenden und Seeligkeiten gebe, darinn sind wir eins." 17 Siehe Anm. 10. 18 Brief: Lavater an Hasenkamp, 19. u. 20. Juni 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 169 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 105). 19 Siehe ζ. B. Briefe: Lavater an Hasenkamp, 21. u. 28. Dezember 1773, gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 169-172 u. 176 f.

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Heiligen Schrift lege. Stattdessen folge er seinen Gefühlen und Empfindungen 20 . Zu diesem ersten Gegensatz zwischen Lavater und Hasenkamp hinsichtlich der Strukturiertheit des Jenseits trat ein zweiter. Lavater nahm an, daß die Vitalität der mit einer ätherischen Hülle umgebenen Seelen im Zwischenzustand wesentlich reduziert sein werde 21 . Im Unterschied dazu ging sein Briefpartner davon aus, daß den Seelen abgeschiedener Gläubiger im Jenseits höchste Aktivität eigen wäre. In dieser Auffassung fühlte er sich auch durch die Visionen der Dorothea Wuppermann 22 bestärkt. Uber die visionären, ekstatischen Erlebnisse der Wuppermann hatte Hasenkamp durch seinen Freund Collenbusch offensichtlich erstmals im Frühjahr 1772 Nachrichten erhalten 23 . Diese junge Frau, die von Collenbusch eine Zeitlang behandelt worden war, wußte von Blicken in die Ewigkeit und vom Umgang mit Abgeschiedenen zu berichten. Wie sie Collenbusch anvertraute, waren ihr solche Erlebnisse bereits seit ihrem sechsten Lebensjahr zuteil geworden 24 . Nachdem Hasenkamp und Wuppermann sich dann auch persönlich kennengelernt hatten 25 , begann ein reger Briefwechsel 26 . Sie berichtete ihm unter anderem von ihren Unterredungen mit Seligen, so beispielsweise mit dem 1776 verstorbenen württembergischen Pfarrer Johann Ludwig Frikker 27 . Dieser Verehrer Oetingers und Bengels hatte übrigens von 1761 bis 62 im Hause ihrer Mutter verkehrt 28 . Von Fricker wußte Wuppermann nun 2 0 Siehe insbesondere ζ. B. Brief: Hasenkamp an Lavater, 29. Dezember 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 228 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 177-180). 21 Vgl. Brief: Lavater an Johann Leonhard Hartmann, 7. November 1772, ebd. Ms. 563, Nr. 135: „Soviel ist indeßen immer gewiß, daß die eigentliche dem Christen bestimmte Seeligkeit erst mit der Auferstehung den Anfang nimmt. So seelig immer die Seele auch unmittelbar nach dem Tode seyn mögte, so wäre diese Seeligkeit dennoch nur das Puppenleben gegen das Leben eines Papilions, nur Traum und Schlummer gegen das Wachen und Leben nach der Auferstehung. Ohne Vollständigkeit des Cörpers, kann kein vollkommenes Leben irgend einer Seele statt haben. Deßen ungeachtet kann auch schon dieses Traumleben, denen in Christo, das ist, im Glauben und in der Liebe entschlafenen Menschen über alle Vorstellungen süße und entzückungsreich seyn. Die äußersten Stralen der Herrlichkeit Christi können vielleicht schon durch die dünne Hülle, die vermuthlich bey der Auferstehung auch noch abgestreift werden wird, durchdringen und die Seele mit einer Wonne tränken, wogegen alle, auch die frömmsten und seeligsten Freüden der Erde nur Bitterkeit sind." 2 2 Uber Wuppermann siehe Fr. Auge, Collenbusch, I. Abt., S. 65f.; W. Horstmann, Wuppermann, (Lit.). 2 3 Siehe A. Goltz, Wizenmann, Bd. 2, S. 101 f. 2 4 Ebd. 2 5 Ebd. 2 6 Siehe Brief: Hasenkamp an Lavater, 30. Juni/1. Juli 1773, gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 120 f.: „Mit der Jgfr. Wuppermann korrespondire ich fleißig, wöchentlich wohl zweimal, aber über Schrift Wahrheiten." Der Briefwechsel ist auszugsweise gedr. in: Fr. Auge, Collenbusch, I. Abt., S. 77-84. 2 7 Über Fricker siehe u. a. K. Chr. E. Ehmann, Fricker. 2 8 Über Frickers Aufenthalt am Niederrhein siehe ebd. S. 58-65.

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mitzuteilen, daß er sich zur Zeit n o c h auf der vierten Stufe der Herrlichkeit befinde. Hier habe er, u m g e b e n v o n etlichen tausend Bediensteten, die A u f g a b e einige h u n d e r t Schüler zu unterrichten 2 9 . Von den Visionen u n d ekstatischen Erlebnissen seiner Briefpartnerin hat H a s e n k a m p alsbald seinem Z ü r i c h e r Freund N a c h r i c h t z u k o m m e n lassen 30 . O b g l e i c h dieser den Berichten v o n A n f a n g an zurückhaltend g e g e n ü b e r g e standen hatte, übersandte er H a s e n k a m p einen Fragenkatalog f ü r W u p p e r m a n n , u m sich ein Bild m a c h e n zu können 3 1 . N a c h d e m er d a n n die übrigens völlig unkritischen A u f z e i c h n u n g e n H a s e n k a m p s studiert hatte, erklärte er bereits a m 28. D e z e m b e r 1772, daß i h m die Visionen W u p p e r m a n n s nicht göttlichen U r s p r u n g s zu sein schienen 3 2 . Seiner M e i n u n g nach hätten sie ihren G r u n d vielmehr n u r in ihrer Imagination. Solange er keine eindeutigen Indizien erhielte, sei es i h m u n m ö g l i c h , die W u p p e r m a n n s c h e n Visionen f ü r echt anzusehen. Stichhaltige Beweise w ä r e n f ü r ihn, w e n n die Seherin d u r c h B e f r a g e n der Geister etwas in E r f a h r u n g bringen k ö n n t e , was ihr an sich schlechterdings u n b e k a n n t sein m ü ß t e . E t w a einen M o n a t später teilte Lavater seinem Freund mit, daß er bezüglich seines Urteils über die visionären Erlebnisse der W u p p e r m a n n z u w a r t e n u n d sich z u k ü n f t i g auf die Rolle eines Beobachters beschränken wolle 3 3 . D a r a u f h i n verteidigte H a s e n k a m p in ein e m ausfuhrlichen Schreiben, das er zwischen d e m 7. u n d 15. Februar 1773 abgefaßt hat, die Erlebnisse, die W u p p e r m a n n zuteil g e w o r d e n seien 34 . Hierbei handle es sich nicht „ b l o ß " u m Visionen, s o n d e r n u m wirkliche Besuche aus der Geisterwelt, u m „ganz eigentliche, persönliche, individuelle Visiten aus j e n e r Welt" 35 , vergleichbar d e m Erscheinen v o n M o s e u n d Elia auf d e m B e r g der Verklärung. W u p p e r m a n n f ü h r e mit den Seelen v e r s t o r b e ner Freunde u n d Bekannter s o w i e anderen seligen Geistern unstreitig w i r k l i che Gespräche. Gelegentlich erhalte sie sogar Besuche v o n Engeln. D a r a u f hin f o r d e r t e Lavater, daß sich W u p p e r m a n n bei den ihr erscheinenden Geistern über das Schicksal seiner beiden v e r s t o r b e n e n Freunde Felix u n d Heinrich Hess e r k u n d i g e n u n d i h m einige, diese beiden B r ü d e r betreffende 29

Siehe Briefe: Hasenkamp an Lavater, 28. u. 30. Mai 1772, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 210 u. Collenbusch an Lavater, 28. Mai 1772, auszugsweise gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Oetingers Leben, S. 793-797, Nr. 656. Vgl. K. Chr. E. Ehmann, Fricker, S. 104. 30 Siehe Briefe: Hasenkamp an Lavater, 21. sowie 28. u. 30. Mai 1772, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 209 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 27-33) u. 210. 31 Brief: Lavater an Hasenkamp, 30. Mai 1772, gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 34f. 32 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Hasenkamp, 28. Dezember 1772, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 157 (vgl. K. C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 37f.); auszugsweise gedr. in:Joh. K. Pfenninger, Christliches Magazin, [Bd. 1], St. 1, 1775, S. 125 f. (Urtheil über eine und viele Visionsgeschichten). 33 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Hasenkamp, 27. Januar 1773, ebd. Nr. 159 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 39-42). 34 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Hasenkamp an Lavater, 7./15. Februar 1773, ebd. Ms. 511, Nr. 214 (vgl. ebd. S. 43-51). 35 Ebd. (vgl. ebd. S. 46).

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Fragen beantworten solle36. Als Lavater hierauf keinerlei Antwort erhielt Hasenkamp hatte die Fragen, wie er später bekannte, überhaupt nicht weitergeleitet 37 - wurde er bezüglich der angeblichen Erfahrungen von Wuppermann immer skeptischer. Ja, er tat nun die Mitteilungen über ihre Visionen, die er von Hasenkamp zunächst weiterhin erhielt38, leicht ironisch als „poetische Träume" 39 ab. Daraufhin erklärte Hasenkamp verletzt, er werde ihm künftighin nichts mehr von den „außerordentlichen Nachrichten" 40 mitteilen, wenn er nicht versichert sein könne, daß sich Lavater künftighin solcher vorschnellen Urteile enthalte. Im übrigen verteidigte er noch einmal die Seherin; sie stehe mit der jenseitigen Welt in Beziehung. Er sei deshalb so genau darüber informiert, weil er mit ihr in regem Gedankenaustausch stehe. Wenigstens zweimal wöchentlich wechselten sie nämlich Briefe miteinander 41 . Wohl gerade wegen seiner starken Skepsis gegenüber den Wuppermannschen Visionen hat sich der Physiognom Lavater zu dieser Zeit ein Porträt von ihr erbeten, da er daraus mehr erkennen könne als aus vielen Briefen 42 . Übrigens hat Lavater seine deutliche Reserve oder sogar ablehnende Haltung gegenüber den Wuppermannschen Visionen auch vor seinen anderen Freunden und Bekannten nicht verschwiegen. Im Oktober 1773 schrieb er beispielsweise an Johann Christoph Karg in Nürnberg: „Schon viele Zeit habe ich wegen der Jgfr. Wuppermann keine Nachricht mehr von Hasenkamp . . . Ihre Gesichter sind alle sehr unschuldig, intereßant u. die Erzählung derselben erbaulich, aber mir hat bis dahin immer noch zu wenig unmittelbar Göttliches und zuviel Eigenmenschliches herauszuleüchten geschienen. Doch ich will mein Urtheil gerne noch aufschieben. Überhaupt, mein lieber Bruder, dünkt mich, daß wir uns mit dem Geisterreiche ohne außerordentlichen göttlichen Beruf nicht zu sehr beschäftigen sollten. Nicht verachten sollen wir, was wir uns davon von glaubwürdigen Personen mit anbetender Bescheidenheit erzählen hören, aber ja nicht sogleich Schlüße

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Siehe hierzu Brief: Lavater an Hasenkamp, 10. April 1773, ebd. Ms. 563, Nr. 164. Siehe Brief: Hasenkamp an Lavater, 18. Juli 1773, ebd. Ms. 511, Nr. 198 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 130-135). 38 Siehe Brief: Hasenkamp an Lavater, 12. Mai 1773, ebd. Nr. 216 (vgl. ebd. S. 57-63). 39 Brief: Lavater an Hasenkamp, 19. Mai 1773, ebd. Ms. 563, Nr. 166 (vgl. ebd. S. 65). 40 Brief: Hasenkamp an Lavater, 30. Juni/1. Juli 1773, gedr. in: K. C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 116. 41 Ebd. S. 120 f. Vgl. Brief: Hasenkamp an Lavater, 23. März 1774, gedr. ebd. S. 215: „Mit der Jgfr. Wuppermann korrespondire ich noch viel. Wöchentlich schreibe ich wenigstens zweimal an sie." 42 Siehe Brief: Lavater an Hasenkamp, 14. Juli 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 170 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 128). „Noch bitt' ich Dich, lieber Bruder, um ein crayonirtes oder feingetuschtes Porträt von D i r , . . . auf einem O c t a v b l a t . . . im Profil, ohne Perük e . . . Item um eins von der Jungfer Wuppermann, in gleicher Größe. Es liegt mir viel daran. Ich lerne mehr daraus, als aus vielen Briefen." 37

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daraus machen, nicht daraufbauen, nicht Gottes Wort darnach bequemen, nicht viel Zeit auf derselben Betrachtung wenden." 43 Im Unterschied zu Lavater war also Hasenkamp nicht zuletzt unter dem Eindruck der Visionen Wuppermanns davon überzeugt, daß den Seelen im Jenseits höchste Aktivität eigen sein werde. Was fur eine Tätigkeit schreibt aber Hasenkamp ihnen zu? Ihre eigentliche und wichtigste Aufgabe besteht darin, sich qualitativ immer höher zu entwickeln 44 . Gleichsam in einem Läuterungsprozeß sollen diejenigen Mängel beseitigt werden, die ihnen immer noch anhaften. In einer allmählichen Entwicklung, die sich über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende erstrecken kann, werden sie auf immer höhere Stufen der Herrlichkeit gehoben. Daß diese Läuterung so unverhältnismäßig lange dauert, sei einmal darauf zurückzuführen, daß die abgeschiedenen Geister imjenseits die Unterstützung des äußeren Menschen mit seinen Mängeln und Schäden entbehren müssen, so daß sich die Seelen nur schwer qualifizieren können 45 . Z u m anderen ist zu beachten, daß ein Aufstieg zur größeren Herrlichkeit nur dann möglich ist, wenn die einzelne Seele selber das Wahre und Rechte erkennt46. Die Aufgabe der Seelen im Jenseits besteht aber nach Hasenkamp nicht nur darin, sich allmählich moralisch immer höher zu entwickeln. Hinzu kommt, daß es ihnen obliegt, gelegentlich mit irdischen Menschen zu deren Besserung oder Hilfe in Verbindung zu treten47. Möglich sei dies deshalb, weil die menschliche Seele mit ihrer ätherischen Hülle schon jetzt Visionen 43

Brief: Lavater an Karg, 6. O k t o b e r 1773, ebd. Ms. 568, N r . 29. Hierzu u n d z u m Folgenden siehe Briefe: H a s e n k a m p an Lavater, 19. u. 20. sowie 25. Mai 1773, ebd. M s . 511, N r . 218f. (vgl. K. C h r . E. E h m a n n , Briefwechsel, S. 71-82). 45 Siehe Brief: H a s e n k a m p an Lavater, 7./15. Februar 1773, ebd. N r . 214 (vgl. ebd. S. 49): „Weil der äußere M e n s c h d e m innern d u r c h die sinnliche Werkzeuge zur Fassung u n d B e h a l t u n g der Wahrheiten u. zur U e b u n g in der T u g e n d , die in A b s c h a f f u n g des Gesetzes in den Gliedern bestehet, w o n a c h die Seele modificirt wird, zu H ü l f e k o m m t , so gehet die Heiligung abgeschiedener Seelen, die sich zu bekehren hier angefangen haben, dort so erstaunlich langsam, daß viele in tausend Jahren nicht lernen, was sie hier in einem J a h r hätten lernen k ö n n e n ; u n d darum ist so viel an einem langen, w o h l a n g e w a n d t e n Leben auf E r d e n gelegen." 44

46 Siehe Brief: H a s e n k a m p an Lavater, 2. April 1773, gedr. in: K. C h r . E . E h m a n n , Briefwechsel, S. 52 f.: „ D e n k e j a nicht, daß dir in der E w i g k e i t gleich gesagt wird, was überall w a h r u n d recht sei. Es geht alles nach O r d n u n g u n d Recht. Ein Jeder m u ß v o n selbst urtheilen, was w a h r u n d recht ist, nach d e m i h m einmal gegebenen U n t e r r i c h t , damit er d o c h zu seiner Zeit, wie langsam es auch gehe, mit Recht weiter befördert w e r d e u n d E h r e d a v o n habe, weil G o t t die uneigennüzigste Liebe ist. D u w ü r d e s t in Gegenden gesezt werden, w o d u aus d e m dir hier ü b e r g e b e n e n prophetischen, evangelischen, apostolischen U n t e r r i c h t dich selber w ü r d e s t richten müssen, selber finden müssen, w o d u Wahrheiten übersehen oder gar w e g m e t a p h o r i s i r t o d e r d o c h schielend angesehen u n d v e r s t ü m m e l t oder auf irgend eine Art mißhandelt hättest, bis du dich eines bessern besonnen u n d dich unter alle Wahrheit selbst erniedriget haben w ü r d e s t , u m m i t Recht weiter befördert zu w e r d e n nach d e m U r t h e i l höherer D i c a s t e r i o r u m coelestium. D a h e r k o m m t ' s , daß so viele selige Gelehrte, w e r weiß wie viel, 100, j a 1000Jahre z u b r i n g e n müssen, ehe sie in h ö h e r e Gesellschaften, dergleichen es Millionen gibt, p r o m o v i r t werden können." 47 Siehe Brief: H a s e n k a m p an Lavater, 7./15. Februar 1773, Z B Z , FA Lav. M s . 511, N r . 214 (vgl. K. C h r . E. E h m a n n , Briefwechsel, S. 47): „Es ist der seeligen Geister g r ö ß t e Freude, an der

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und Auditionen aus der jenseitigen Welt w a h r n e h m e n könne. Allerdings räumte H a s e n k a m p ein, daß dies nur dann möglich sei, w e n n Gott es wolle 48 . Z u den so begnadeten Menschen, denen das „innere Gesicht und Gehör" geöffnet sei, gehöre Wuppermann. Allerdings fugte er einschränkend hinzu, daß dies „nicht allezeit" der Fall sei; denn „das könnte hier kein Mensch aushalten, unser schwacher Körper w ü r d e bald zertrümmern" 4 9 . Lavater hat also Hasenkamps Vorstellungen von den Tätigkeiten der Seelen i m Jenseits nur teilweise bejaht. O h n e Bedenken hat er lediglich der A n n a h m e zugestimmt, daß sich die Seele i m postmortalen Zustand läutern werde. Allerdings wollte er j e länger desto weniger detailliertere Aussagen über das Purgatorium machen. Schon i m N o v e m b e r 1772 schrieb er J o h a n n Leonhard H a r t m a n n : „Ich gestehe Ihnen indeß gern, daß ich in Absicht auf diesen Zustand i m m e r unentscheidender werde. Abgeneigt bin ich jedoch nicht ganz, eine Art von Reinigung durch den Einfluß des Geistes und der verklärten Gott-Menschheit Christi bey manchen, z u m freyen Anschaun Gottes noch nicht ganz reifen Seelen - und wie viele werden dergleichen seyn? - zu vermuthen, damit sie wenigstens am Tage des Herrn Jesu seelig werden."50 Sodann hat Lavater nicht der A n n a h m e Hasenkamps widersprochen, daß es abgeschiedenen Seelen möglich sei, mit irdischen Menschen zu kontaktieren. Ja, j e länger, desto gespannter hat er nach solchen Berichten Ausschau gehalten und sich selber nach dergleichen Erfahrungen gesehnt 51 . Wie sehr sich Lavater und Hasenkamp aber in diesen Jahren trotz ihrer gegenseitigen Kritik n a h e g e k o m m e n sind, wird daran deutlich, daß Lavater i m Jahre 1772 die lateinischen Oratiuncula seines Freundes herausgegeben hat 52 . Im folgenden Jahr haben sie sich dann gegenseitig j e ein Buch gewidmet. Im Jahre 1773 dedizierte Hasenkamp nämlich Lavater seine a n o n y m in Besserung der Menschen auf Erden zu arbeiten, bei diesen allerhand gute Gedanken u. Neigungen zu veranlassen." 48 Siehe ebd. (vgl. ebd. S. 46f.);' „Die Geister Menschenseelen haben die Grundzüge ihres ehemaligen Körpers, solche Länge und Breite. Es ist nehmlich der Mensch, auch nach der Schrift, zwiefach, ein innerlicher und äußerlicher. Der innerliche korrespondirt vollkömmlich mit dem äußerlichen. Der innerliche geht in die Ewigkeit in das Geisterreich, wenn der äußerliche ins Grab gelegt wird. Der innerliche hat sowohl seine Sinne als der äußerliche. Das innere Gesicht aber ist hier jezt noch weniger geöffnet. Ν . B. 2. Könige 6,17. Es sind Realitäten u. keine bloße Vorstellungen, was die Schrift meldet. Was uns jetzt durchgehends unsichtbar u. unhörbar ist, das kann uns nach dem innern Menschen sichtbar u. hörbar werden, wenn es der Herr für gut findet." « Ebd. (vgl. ebd. S. 47). 50 Brief: Lavater an Johann Leonhard Hartmann, 7. November 1772, ebd. Ms. 563, Nr. 135. 51 Verwiesen sei hier wegen der zeitlichen Nähe nur darauf, daß Lavater im Dezember 1774 an die sterbende Susanna von Klettenberg die Bitte gerichtet hat, sie möge ihm nach ihrem Ableben erscheinen, falls dies fur ihn ohne Schaden möglich sei. Siehe Brief: Lavater an Klettenberg, 16./17. Dezember 1774, gedr. in: H. Funck, Klettenberg, S. 295ff., Nr. 2. 52 Gewidmet ist diese Schrift Ethard Ikenius und Moses Mendelssohn, dem „excelentissimo inter Judeos philosopho" (A 2v).

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Frankfurt am Main herausgekommene Schrift Predigten nach d e m Geschmack der drei ersten Jahrhunderte der Christenheit 5 3 und i m gleichenjahr versah Lavater seinerseits den ersten Teil seiner in zwei Hälften erschienenen Predigten über das Buch Jonas 54 mit einer Zuschrift für Hasenkamp und bezeichnete ihn im Vorwort als seinen lieben Freund. Seit d e m Spätsommer 1773 trat jedoch in ihrem Briefwechsel das Problem des Zwischenzustandes w o h l auch infolge der oft kritischen Einwände Lavaters mehr und mehr zurück. Andere theologische T h e m e n , so besonders die Christologie, schoben sich in den Vordergrund der i m m e r spannungsreicher werdenden Korrespondenz. Hasenkamp kritisierte, Lavater ehre „das Wort Gottes nicht genug", habe „keine Reichsbegriffe", hasche „nach schwärmerischen E m p f i n d u n g e n " und schreibe „nur u m der galanten Welt willen" 55 . Dagegen warf Lavater Hasenkamp vor, ein „Buchstabensclav" zu sein, zwar „ein treüer Knecht, aber kein freyer Sohn". D e n Biblizismus Hasenkamps meinte Lavater letztendlich darauf zurückfuhren zu m ü s sen, daß dieser auch hierin völlig von Collenbusch beherrscht werde. Er konnte sich überhaupt des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser einen äußerst nachteiligen Einfluß auf die niederrheinischen Pietisten, besonders auf H a s e n k a m p ausübe. „Dieser hypochondrische M a n n " , schrieb er, „verwickelt ihn, vermuthlich durch sanft-anathematische Declamationen in lichtlose Verworrenheiten, die v o m herrschenden Ton des Evangeliums sehr weit verschieden sind. " 56 U m H a s e n k a m p dem völlig beherrschenden Einfluß von Collenbusch zu entziehen, w a n d t e sich Lavater Anfang des Jahres 1774 an dessen Freund, den Berliner Professor Christoph Heinrich Müller. Er erklärte ihm, daß er Collenbusch fur einen Menschen von beschränktem Verstand halte. Dieser habe zwar „einige erborgt scheinende, heitere Ideen", sei aber ansonsten „ein unaussprechlich dämmerender, schwacher, schwerfälliger K o p f ' 5 7 . Er f o r derte Müller dann geradezu beschwörend zur Hilfe auf. „Wenn j e m a n d noch 53 Die Widmung (A2) für Lavater lautet: „ D e m Herren Johann Kaspar Lavater, in Zürich, dessen bescheidene Freiheit im Denken und eifrige Bestrebung nach christlicher Gerechtigkeit, sammt einer gründlichen und weitläuftigen Gelehrsamkeit, und einnehmenden Wohlredenheit, der Kirche vielen Vortheil verspricht, und den aechten Freunden Jesu grosse Freude machet." 54 Unter anderem w e g e n dieser Widmung ist Lavater beschuldigt worden, ein Sozinianer zu sein. Siehe Brief: Lavater an Tscharner, 15. Mai 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 584, Nr. 118: „Die andre betrift ein Gerücht oder Urtheil, welches zu Bern über mich ergehen soll. Man meldet mir zuverläßig, daß Herr Prozessor] Stapfer mich als einen Socinianer öffentlich angesehen wißen wolle; und das unter anderm auch deßwegen, weil ich dem Hasencamp meine Predigten über den Jonas zugeeignet habe. Hasenkamp sey ein Socinianer, will er beweisen; und Hasenkamp ist es schlechterdings nicht, wenn er gleich einige äußerst unbiblische theologische Formeln mit Recht verwirft; und wenn er es wäre, würde dann daraus folgen, daß ich deßwegen auch einer seyn müßte, weil ich ihm meine Predigten zugeeignet?" 55 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Christoph Heinrich Müller, 9. Februar 1774, ebd. Ms. 575, Nr. 28. 56 Ebd. 57 Ebd.

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das G e g e n g e w i c h t halten kann, so k ö n n e n Sie's. A b e r es w i r d hart h a l t e n . . . Ich bitte Sie also, u n g e s ä u m t einen Versuch zu thun, ihn [sc. H a s e n k a m p ] auf Hauptpartheyen des evangelischen Gottesgebäudes h i n z u l e n k e n . . . Sie w e r den dadurch ein vortrefliches Werk t h u n u. v o r G o t t E h r e haben. H ä t t ' ich ihn allein, ich getraute mir ihn bald auf d e m Lichtpfade f o r t z u f u h r e n , aber der f r o m m e , liebe, schwache, fleischiche (ich sage nicht fleischliche) C o l l e n busch verdickert, erschwert, onerirt, anatomirt, microscopisirt alles u n d rückt sich u. i h m i m m e r d a r das Ganze aus den A u g e n . " 5 8 I m F r ü h s o m m e r 1774 b e g a n n Lavater d a n n m i t den Vorbereitungen seiner seit l a n g e m geplanten Erholungsreise, die ihn auch mit den b e d e u t e n d s t e n Vertretern des niederrheinischen Pietismus in persönliche V e r b i n d u n g b r i n gen sollte. Z u n ä c h s t hatte Lavater Bad Schwalbach als K u r o r t ins A u g e gefaßt, entschied sich j e d o c h u n t e r w e g s auf E m p f e h l u n g f ü r Bad E m s . Offensichtlich e r h o f f t e er sich v o n den d o r t i g e n seit d e m Mittelalter b e k a n n ten Thermalquellen, die zu T r i n k - u n d B a d e k u r e n genutzt w u r d e n , eine L i n d e r u n g seines chronischen Hustenleidens. Von A n f a n g an wollte er auf dieser Reise auch m i t H a s e n k a m p z u s a m m e n t r e f f e n u n d fragte deshalb a m 28. M a i 1774 schriftlich bei i h m an 59 . B e m e r k e n s w e r t ist j e d o c h , daß er in diesem Brief nicht m e h r den z u v o r geäußerten Wunsch w i e d e r h o l t hat, auch der Visionärin W u p p e r m a n n zu begegnen. Stattdessen e r k u n d i g t e er sich, o b es nicht m ö g l i c h sei, m i t Jung-Stilling z u s a m m e n z u k o m m e n . Tatsächlich hat H a s e n k a m p aber Lavater d a n n nicht an dessen K u r o r t getroffen. Sein Arzt hatte sich nämlich a u f g r u n d seiner angegriffenen G e sundheit gegen eine Reise d o r t h i n ausgesprochen 6 0 . H a s e n k a m p b e f ü r c h t e t e deshalb, bei einer Z u w i d e r h a n d l u n g gegen den ärztlichen Rat seine Lebensspanne zu v e r k ü r z e n u n d so d u r c h eigenes Verschulden die Chance, in der Heiligung fortzuschreiten, zu vertun. D i e beiden Freunde trafen sich d a n n v o m 20. bis 24. Juli 1774 in M ü l h e i m u n d U m g e b u n g 6 1 . 58

Ebd. Siehe Brief: Lavater an Hasenkamp, 28. Mai 1774, gedr. in: K . C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 220. 60 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Hasenkamp an Lavater, 16. Juli 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 236 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 222f.). 61 Uber dieses Zusammentreffen und die folgenden Begegnungen siehe insbesondere folgende Berichte bzw. Schilderungen von Joh. G. Hasenkamp, Jung-Stilling und Goethe: Joh. G. Hasenkamp, Beschreibung einer Reise des seeligen Herrn Rector Johann Gerhard Hasenkamp in Duisburg mit Herrn Johann Caspar Lavater in Zürich. 1774, S. 43-110, LKA Düsseldorf; auszugsweise gedr. in: Chr. H. Gottfr. Hasenkamp, Mittheilungen, S. 132-155; Fr. Auge, Collenbusch, I.Abt., S. 96-100 und A.Bach, Goethes Rheinreise, S. 126 ff., 131 ff, 138, 140ff., 1 4 6 f . ; - J o h . H. Jung-Stilling, Lebensgeschichte, S. 3 1 9 - 3 2 3 ; - J o h . W. Goethe, Dichtung und Wahrheit, 3.Theil, 14. Buch (Sophien-Ausgabe), Bd. 28, S. 292, Z. 5-295, Z. 3. Dagegen kommen Lavaters Aufzeichnungen von der Zusammenkunft, die sich in seinem Tagebuch von seiner Reise nach Bad Ems finden (ZBZ, FA Lav. Ms. 16a; gedr. in: H. Funck, Goethe, S. 314-318 und A.Bach, Goethes Rheinreise, S. 125, 129 ff., 137f.) nur bedingt in Betracht. Die fur diese Tage nur abschriftlich erhaltenen Aufzeichnungen brechen nämlich bereits am 22. Juli mittags ab; vom 23. u. 24. Juli sind keine Eintragungen erhalten; sie müssen 59

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Die erste Begegnung zwischen Lavater und Hasenkamp fand am Abend des 20. Juli 1774 in Mülheim bei dem Lehrer Johann Hermann Tops statt. Sie verlief zunächst enttäuschend, weil sich beide ein wesentlich anderes Bild voneinander gemacht hatten. Hier in Mülheim ist dann im Laufe des Abends auch Collenbusch eingetroffen. Er und Lavater standen sich in ihrer gemeinsamen Ablehnung der orthodoxen Satisfaktionslehre nahe 62 ; auch schienen sie sich in der Frontstellung gegen Neologie und Rationalismus vielfach einig. Abgesehen davon trennte sie aber, wie schon angeklungen ist, Entscheidendes. Einmal hat Collenbusch an Lavater kritisiert, daß dieser in seiner Schriftauslegung zu wenig dem Literalsinn folge, dagegen seinen eigenen Empfindungen zu sehr Raum gebe. Z u m anderen bemängelte er, daß Lavater zu geringes Gewicht auf die sukzessive, aufweisbare Heiligung lege. Aber auch Lavater hat seinerseits gegenüber Collenbusch sehr große Vorbehalte und Einwände gehabt. Besonders hat er an dessen eigentümlicher Stufenlehre massive Kritik geübt, sie als abstruse Spekulation zurückgewiesen und dagegen polemisiert. Gegen Mittag des 21. Juli reisten Lavater und Hasenkamp dann gemeinsam mit Collenbusch in einer Kutsche nach Düsseldorf. Nachdem sie dort in der Frühe des folgenden Tages die Gemäldegalerie besichtigt hatten, fuhren sie zusammen nach Elberfeld. A u f dem Weg dorthin begegnete ihnen Friedrich Heinrich Jacobi und schloß sich ihnen an. In Elberfeld kehrten sie bei dem frommen Kaufmann Anton Philipp Caspari ein, w o alsbald außer J u n g Stilling auch Goethe eintraf. Diese Begegnung, in der für kurze Zeit so bedeutende Gestalten zusammengeführt worden waren, sollte für alle Teilnehmer zum bleibenden Erlebnis werden, nicht zuletzt für Lavater. Immer wieder ist er später in Gesprächen auf diese Zusammenkunft zurückgekommen, so als ihn Friedrich Leopold Stolberg-Stolberg imjahre 1791 auf seiner Reise nach Italien in Zürich besucht hat. Lavater notierte in sein Tagebuch: „ A u f dem Wege [Ausflug in die U m g e b u n g von Zürich] erzählt' ich die Geschichte meiner Bekanntschaft mit Jakobi, Jung-Stilling, Wuppermann, Hasenkamp, Collenbusch, - in Düsseldorf und Elberfeld! Gott! Welche verschiedene Editionen der Menschheit! Welche ungleiche Formate der Religion!" 6 3 Nach dieser Begegnung in Elberfeld zogen Lavater und Hasenkamp, begleitet von Jung-Stilling, zu Fuß nach Wichlinghausen zu Pfarrer Theodor Arnold Müller 64 . Hier war auch Wuppermann anwesend. Bei Tisch trug sie als verloren gelten. Vgl. Η. M. Flasdieck, Goethe in Elberfeld, S. 27. Über dieses Zusammentreffen siehe auch Fr. W. Krummacher, Krummacher und die Erweckungsbewegung, S. 58 f. 62 Hierzu und zum Folgenden siehe Fr.Auge, Collenbusch, I.Abt., bes. S. 100-104 u. II. Abt., S. 79-130. 63 Qoh. K. Lavater], Auszug aus meinem Tagebuch. August 1791. Manuscript fur Freunde, in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 6, 1791, S. 435. 64 Über das kurze Zusammensein mit Müller siehe auch Lavaters Gedicht An Hasenkamp

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ein Gedicht vor, in dem sie Müller für seinen Entschluß lobte, bei seiner Gemeinde in Barmen zu bleiben und „dafür manchen irrdischen Vortheil aufzuopfern, um der größern Freunde und Ehre willen in künftigen Ewigkeiten" 65 . Von Wichlinghausen kehrten Lavater und Hasenkamp dann gemeinsam über Solingen wieder nach Mülheim zurück, wo sie am Abend des 23. Juli ankamen 64 . Tags darauf verabschiedete sich Hasenkamp von Lavater mit dem Wunsch „ihn abzuholen, wenn er eher als dieser heimgehen würde" 67 . Nach diesem Zusammentreffen zwischen Hasenkamp und Lavater nahm die Intensität ihres Briefwechsels auffallend stark ab. Dies hat wohl seinen Grund nicht nur darin, daß Lavater durch die Rheinreise seinen Bekanntenkreis bedeutend vergrößert hat. Vielmehr war er offensichtlich von der persönlichen Begegnung mit Hasenkamp etwas enttäuscht 68 . Aber auch dieser hatte sich seinerseits an Lavaters freiem Verkehr mit Menschen gestoßen69. Jedenfalls bedauerte er in einem Schreiben, das er wenige Stunden nach dessen Abreise an ihn gerichtet hat70, seine eigene Schwerfälligkeit im Umgang mit ihm. Bei aller Wertschätzung läßt sich in der Korrespondenz nun eine deutliche Zurückhaltung beobachten, was wohl auch in der immer stärker werdenden Kritik von Collenbusch an Lavater seinen Grund hat71. In ihrem nunmehr sehr sporadischen Briefwechsel wurden die eschatologischen Vorstellungen nur noch gelegentlich berührt. Die wenigen diesbezüglichen Aussagen bezogen sich auf die unbedingten Gerechtigkeitsstrukturen der jenseitigen Welt72. Dort sei alles streng auf Recht und Ordnung ausgerichtet; nirgendwo sei dies sonst in solchem Maße der Fall. Ein Aufsteigen von einer Herrlichkeitsstufe in eine höhere sei nur dann möglich, wenn die abgeschiedene Seele hierzu nicht nur fähig, sondern auch würdig sei73. Es sei also von entscheiüber den seeligen Pfarrer Müller in Wichlinshausen. Im Jenner 1776, in: J o h . K . Lavater, Poesieen, Bd. 2, S. 290f. 65 Joh. G. Hasenkamp, Beschreibung einer Reise, S. 82. 66 Hasenkamp ist also während dieser Tage der ständige Begleiter Lavaters gewesen. 67 Joh. G. Hasenkamp, Beschreibung einer Reise, S. 110. 68 Daß Lavater offensichtlich keinen besonderen Eindruck von Hasenkamp gewonnen hat, geht auch daraus hervor, daß er ihn nicht zu den „merkwürdigsten treflichsten Männer[n]" gezählt hat, denen er auf seiner Reise begegnet war; siehe Brief: Lavater an Zimmermann, 27. August 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 587, Nr. 39. 69 Siehe G. Geßner, Lavaters Lebensbeschreibung, Bd. 2, S. 138 f. 70 Siehe Brief: Hasenkamp an Lavater, 25. Juli 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 237 (vgl. K . C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 224ff.). Vgl. Joh. G. Hasenkamp, Beschreibung einer Reise, S. 43f. (vgl. C h r . H . Gottfr. Hasenkamp, Mittheilungen, S. 132). 71 Collenbusch hat insbesondere auch den Entwicklungsgedanken in Lavaters Physiognomie kritisiert; vgl. Fr. Auge, Collenbusch, I. Abt., S. 100-104. 72 Siehe ζ. B. Brief: Hasenkamp an Lavater, 1. Januar 1775, ZBZ, FA Lav. Ms. 511, Nr. 240 (vgl. K. C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 229-234). 73 Ebd. (vgl. ebd. S. 229) „Ich weiß gewiß, daß die Heiligung dort langsamer, viel, viel langsamer von statten gehet, als hier. Man wird in die besten Gesellschaften nicht eher gelassen,

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dender Bedeutung, welche Stufe der Heiligung man schon während des irdischen Lebenswandels e r k l o m m e n habe. Deshalb k a m Hasenkamp, der schwer lungenkrank war und davon ausging, es bislang „ k a u m auf die Hälfte"7* der Heiligung „gebracht" zu haben, in seinen Briefen mehrfach darauf zurück, welche Relevanz eine Verlängerung seiner irdischen Lebensspanne fur seine postmortale Existenz habe. Ein höheres Alter w ü r d e es i h m nämlich ermöglichen, nach seinem Abscheiden von vornherein eine höhere Stufe i m Jenseits zu erreichen u n d so in größerem U m f a n g wirken zu können 7 5 . Jedoch bereits am 23. Juni 1777 erlag Hasenkamp seinem langen Siecht u m , „voll der frühesten A u s s i c h t e n . . . in jene Welt" 76 . Lavater hat daraufhin in einem Gedicht 77 , das er dessen Witwe zueignete, den Eingang des Freundes in das Jenseits gepriesen. In diesem Gedicht apostrophierte er ihn als „der K ä m p f e r Kämpfendster", als „Verläugner seiner selbst", als „Knecht des H e r r n " , als „Horcher a u f s Wort" und „Feisenklimmer". U m g e b e n von anderen Gotteszeugen genieße er, der sich während seiner Pilgerschaft auf Erden so u m seine Heiligung b e m ü h t habe, nun die himmlischen Freuden und strebe zugleich nach noch größerer Vollkommenheit. In seinen Versen bekannte sich Lavater also zwar z u m Entwicklungsgedanken in der jenseitigen Welt, n a h m aber keinerlei Bezug auf die für Hasenkamp grundlegende Vorstellung von der numerischen Gestuftheit des Jenseits. Aber auch noch weit über den Tod hinaus hat Lavater seinen frühverstorbenen Freund ehrend im Gedächtnis behalten; er hat ihn nie aus Herz u n d Sinn verloren. A m 16. N o v e m b e r 1800, also anderthalb Monate vor seinem eigenen Ende, hat Lavater an den Sohn seines fast vor einem Vierteljahrhundert gestorbenen Freundes folgende Worte diktiert: „Mit Ehrfurcht denk' ich i m m e r an Ihren f r o m m e n Vater, deßen ängstliches Streben nach Heiligkeit ich bewunderte, ohne es weder nachzuahmen, noch diese M e t h o d e andern empfehlen zu dürfen. Überschwenglich wird Gott dieß Streben belohnen. Mein Weg zur Liebe ist Liebe - durch Glauben an die Liebe, die f ü r

als bis m a n dazu berechtigt ist, das ist, nicht nur Fähigkeit, s o n d e r n auch Würdigkeit sich e r w o r b e n hat." 74 Ebd. 75 Brief: H a s e n k a m p an Lavater u. Pfenniger, 15. N o v e m b e r 1776, ebd. N r . 242 (vgl. ebd. S. 237): „ M e i n e j e z i g e H a u p t b e s c h ä f t i g u n g gehet m e h r auf meine persönliche Besserung als auf den N u t z e n des Publicums. Wenn ich das Fleisch nicht n u r m i t den Leidenschaften, s o n d e r n auch m i t den Begierden w e r d e gekreuzigt haben u. also meine Heiligung vollendet, daß ich dabei lerne, ganz untadelig in der Liebe zu seyn u. so in Christo bin u. seine Worte so in mir sind, daß ich bitten kann, was ich will: dann w e r d e ich in der k ü n f t i g e n E w i g k e i t zur Glückseligkeit, w e r weiß w i e vieler Nationen? brauchbar g e n u g w e r d e n . " 76 Brief: J o h a n n Heinrich H a s e n k a m p an Lavater, 2. Juli 1777, ebd. N r . 196; gedr. in: K. C h r . E. E h m a n n , Briefwechsel, S. 242; vgl. Fr. Auge, Collenbusch, I. A b t . , S. 114f. 77 J o h . K. Lavater, A n die W i t t w e H a s e n k a m p . D e n sieben u n d zwanzigsten Julius 1778, in: J o h . K . Lavater, Poesieen, Bd. 2, S. 199f.

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mich starb." 78 Allerdings wird aber aus diesen wenigen Zeilen zugleich auch unübersehbar der Unterschied zwischen Lavater und Hasenkamp deutlich. i .2. Lavaters Beziehungen zu Pietisten am Niedenhein in seinen letzten Lebensjahren Seit der Mitte der siebziger Jahre haben also Lavaters Beziehungen zu den Pietisten am Niederrhein merklich nachgelassen. Allerdings ist die Annahme, sie wären ganz abgerissen, falsch. Es bestand nämlich ein wenngleich auch nur noch gelegentlicher Briefwechsel zwischen Lavater und Collenbusch 79 . Die Briefe von Collenbusch, die alleine erhalten sind, haben einen deutlich biblizistischen, legalistischen Charakter und heben die Wichtigkeit der Heiligung mit Nachdruck hervor. Kennzeichnend hierfür ist folgendes. Einmal hatte Lavater ihm durch Abraham Siebel eines seiner Werke, n ä m lich seine Lieder für Leidende 80 , zugehen lassen. Versehen hatte er dieses Geschenkexemplar mit dem Vers: „Sey ruhig Collenbusch und laß mich frey empfinden. / Die Weisheit macht Gefühle, die rein sind, nicht zu Sünden." Darauf antwortete ihm der Beschenkte in einem Brief 81 , er mache sich die Widmung gern zunutze, allerdings erst nachdem er sie ein wenig abgeändert habe. Sie laute nun: „Sey wachsam Collenbusch, Gott läst dich frey empfinden / und rechnet die Gefühle, die nicht rein sind, zu Sünden." An dieser vorgenommenen Modifikation wird sogleich der wesentliche Unterschied in ihrer Anthropologie deutlich. Während Lavater den Kräften des M e n schen vertraute, weil jedes Geschöpf am Schöpfer partizipiere, mißtraute Collenbusch ihnen, da sie von Natur aus korrumpiert und pervertiert seien. Erst gegen Lebensende haben sich dann Lavaters Kontakte zum Niederrhein nochmals intensiviert. A m 25. April 1800 war nämlich Lavater, obwohl schwer verwundet - er war während der zweiten Schlacht bei Zürich am Abend des 26. September 1799 durch einen betrunkenen französischen Grenadier angeschossen worden - zum Sekretär der Helvetischen Zentralhilfsgesellschaft für die Kriegs geschädigten in der Schweiz, für die unter anderem auch in Deutschland eine Kollekte veranstaltet werden sollte, bestimmt worden 8 2 . Aus diesem Grunde wandte sich Lavater, der sich schon vor der Gründung der Helvetischen Zentralhilfsgesellschaft und seiner Ernennung zu deren Sekretär als Präsident der Züricher Exekutivgesellschaft 78 Brief: Lavater an Christoph Hermann Gottfried Hasenkamp, 16. November 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 184; gedr. in: Fr. Auge, Collenbusch, II. Abt., S. 130. 79 Bezüglich dieses Briefwechsels siehe Anm. 13. 80 Diese Lieder für Leidende waren 1787 erstmals im Druck erschienen. 81 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Collenbusch an Lavater, Juli 1787, Z B Z , FA Lav. Ms. 505, Nr. 289. 82 Über die Helvetische Zentralhilfsgesellschaft sowie Lavaters Mitarbeit in ihr siehe bes. P. Wernle, Helvetik, Bd. 2, S. 121-127. Vgl. G. Geßner, Lavaters Lebensbeschreibung, Bd. 3, S. 486 f.

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der Notleidenden angenommen hatte 83 , auch an seine Freunde am Niederrhein. Die niederrheinischen Freunde haben dann mehrfach Beiträge für die Kriegsgeschädigten übersandt 84 . Hierbei sind sie auch von Wohltätern aus Westfalen unterstützt worden, vor allem nachdem im Mai 1800 in dem Westphälischen Anzeiger aus der Feder des lutherischen Pfarrers Wilhelm Aschenberg in Cronenberg bei Elberfeld ein Aufruf, dem zwei Schreiben Lavaters eingerückt waren, erschienen war 85 . Darin hatte Lavater Einzelheiten über die Situation in Helvetien mitgeteilt. Daraufhin sind nochmals eine ganze Reihe von Spenden eingegangen 86 . Diese Geldbeträge sind dann großenteils durch Abraham Siebel87 aus Barmen nach Zürich an Lavater weitergeleitet worden. Für dessen vielfache Dienste hat sich Lavater schließlich durch die Übersendung einer Anzahl seiner Schriften bedankt, worüber Siebel erfreut gewesen ist88. Von dem Ergehen Lavaters hatten die niederrheinischen Freunde zunächst durch die Zeitung Kunde erhalten. Als jedoch Siebel im Frühjahr 1800 in Frankfurt am Main zur Messe weilte, erfuhr er durch mündliche Berichte und Briefe Näheres darüber 89 . Sogleich informierte er hierüber einige seiner Freunde in einem besonderen Schreiben. Daraufhin kam es zu einer sponta8 3 Bezüglich der Hilfsbemühungen Lavaters sowie der eingelaufenen Spenden siehe Briefe: Christoph Hermann Gottfried Hasenkamp an Lavater, Januar 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 246; Siebel an Lavater, 31. Januar 1800, ebd. Ms. 526, Nr. 296; Stapenhorst u. Staggemeyer an Lavater, 10. Februar 1800, ebd. Ms. 527, Nr. 134; Lavater an Wohltäter in Barmen, 15. Februar 1800, ebd. Ms. 551, Nr. 118; Lavater an Christoph Hermann Gottfried Hasenkamp,

16. Februar 1800, ebd. Ms. 563, Nr. 184; Lavater an Siebel, 16. Februar 1800, ebd. Ms. 563, Nr. 184 (dieses Schreiben ist dem zuvor erwähnten Brief Lavaters an Hasenkamp beigegeben); Siebel an Lavater, 27. Februar 1800, ebd. Ms. 526, Nr. 297; Lavater an Wohltäter in Westphalen, 11. März 1800, ebd. Ms. 586, Nr. 80; Lavater an Stapenhorst u. Staggemeyer, 23. März 1800, ebd. Ms. 582, Nr. 59; Lavater an Siebel, 2. u. 16. April 1800, ebd. Ms. 581, Nr. 29f. 8 4 Hierzu und zum Folgenden siehe Briefe: Siebel an Lavater, 17. Mai u. 3. Juni 1800, ebd. Ms. 526, Nr. 298f.; Lavater an Siebel, 17. Juli 1800, ebd. Ms. 581, Nr. 31. 8 5 Der Aufruf von W. Aschenberg mit zwei eingerückten Schreiben Lavaters findet sich unter dem Titel Wohlthätigkeit im Vaterlande. Menschenelend - Dank fur empfangenen Beistand Aufforderung zu fernerer Hülfe, in: Westphälischer Anzeiger, Sp. 561-569, Nr. 36, 6. Mai 1800; die beiden Passagen aus den zwei Briefen Lavaters finden sich Sp. 563-566 u. 566 ff. 8 6 Bezüglich der eingegangenen Spenden siehe ebd. Sp. 591, Nr. 37, 9. Mai 1800; Sp. 594, Nr. 38, 13. Mai 1800; Sp. 624, Nr. 39, 18. Mai 1800; Sp. 639f., Nr. 40, 20. Mai 1800; Sp. 656, Nr. 41, 23. Mai 1800; („Extra=Blat", unpaginiert), Nr. 42, 27. Mai 1800; Sp. 688, Nr. 43, 30. Mai 1800; Sp. 698, Nr. 44, 3. Juni 1800; Sp.717, Nr. 45, 6. Juni 1800; Sp. 766, Nr. 48, 17. Juni 1800; Sp. 814, Nr. 51, 27. Juni 1800; Sp. 896, Nr. 56, 15. Juli 1800; Sp. 912, Nr. 57, 18. Juli 1800; Sp. 991, Nr. 62, 5. August 1800 u. Sp. 1056, Nr. 66, 19. August 1800; („Beilage", unpaginiert), Nr. 80, 7. Oktober 1800. Siehe auch Brief: Siebel an Lavater, 3. Juni 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 526, Nr. 299. 8 7 Hierzu und zum Folgenden siehe J o h . V. Bredt, Siebel, S. 202 f. In der Z B Z sind drei Briefe von Lavater an Siebel (FA Lav. Ms. 581, Nr. 29 ff.) und fünf Briefe von Siebel an Lavater (ebd. Ms. 526, Nr. 296-300) vorhanden. 8 8 Siehe Brief: Siebel an Lavater, 14. Dezember 1800, ebd. Ms. 526, Nr. 300. 8 9 Hierzu und zum Folgenden vgl. Brief: Siebel an Lavater, 17. Mai 1800, ebd. Ms. 526, Nr. 298.

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nen Geldsammlung, bei der der Spitzenfabrikant und Großhändler sowie Mitbegründer der U n t e r b a r m e r Gemeinde Johann Caspar Engels, der Großvater von Friedrich Engels, der Hauptkoordinator war 90 . Nach Barm e n zurückgekehrt, übersandte Siebel am 17. Mai 1800 diese „freiwillig u n d mit geneigtem Herzen" gesammelte S u m m e mit der Bemerkung: „ D a r u m , lieber Lavater, erwarte ich auch, daß Sie sie nicht ausschlagen, noch so, wie den Ihnen von Herrn Müller in Elberfeld übermachten Beitrag, für Andere verwenden, sondern als einen Beweis der Vorsorge Ihres Gottes annehmen." 9 1 A m 20. Mai 1800 erhielt Lavater in Baden, w o er Linderung von seinen großen Schmerzen erhoffte, Besuch 92 von David W u p p e r m a n n aus Elberfeld. Für diese Anteilnahme dankte er i h m dann in einem Schreiben v o m 22. Juni 180093 und bat ihn darum, seine niederrheinischen Bekannten zu grüßen. „Sehen Sie j e m a n d von meinen Freunden, meinen u. Helvetiens Wohltätern, so haben Sie die Güte, solche aufs herzlichste zu grüßen u. Herrn Evertsen u. Siebel (an den ich eben schrieb) in meinem Namen persönlich z u u m a r m e n u. sie meiner innigsten R ü h r u n g bey j e d e m Andenken an ihre edle Güte zu versichern." Als Lavater dann aber Siebel mitteilen mußte, daß sein Leiden weiterhin fortdauere und sich keine Besserung einstelle, versicherte dieser i h m am 14. Dezember 1800, seine niederrheinischen Freunde beteten für ihn und fugte hinzu: „Es wird mich sehr freuen, w e n n Sie mir von Ihrem Befinden einmal einige Nachricht geben wollen. Es sind hier so viele, die sich fur Sie intressiren und denen eine gute Nachricht viele Freude machen wird." 9 4 Dieser Brief, d e m auch Collenbusch einige Zeilen beigelegt hat 95 , dürfte w o h l einer der letzten gewesen sein, der Lavater noch erreicht hat; denn er ist am 2. Januar 1801 verstorben.

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Ebd.: „Da ich wußte, daß Sie hier viele Freünde haben, so machte ich von Frankfurt aus einigen meiner hiesigen Freünde Ihre Lage bekannt und fand bei meiner Nachhausekunft schon ihre nicht unbeträchtliche Gaben durch die thätige Verwendung meines Freündes Caspar Engels gesammlet." 91 Ebd. 92 Siehe Eintrag in Lavaters Fremdenbücher vom 20. Mai 1800; ebd. Ms. 15 f (Fotografie). 93 Vgl. Brief: Lavater an David Wuppermann, 22. Juni 1800, ebd. Ms. 586, Nr. 142. 94 Brief: Siebel an Lavater, 14. Dezember 1800, ebd. Ms. 526, Nr. 300. 95 Ebd.: „Unser ganzes Haus und der alte Doctor [Samuel Collenbusch], von dem Sie einliegend einen Brief finden, empfehlen sich Ihrem gütigen Andenken." Dieser Brief von Collenbusch an Lavater findet sich weder im Original noch in Abschrift in der Z B Z . In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß auch Lavater noch auf seinem Sterbelager an Collenbusch gedacht hat. Als er nämlich am 16. November 1800 an Siebel, bei dem Collenbusch in Logis war, schrieb, bat er ihn darum, an „den frommen Kollenbusch herzliche Grüße" zu übermitteln (ebd. Ms. 563, Nr. 184).

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2. Lavater und der Württembergische

Pietismus

Außer zum niederrheinischen Pietismus hatte Lavater recht mannigfache Beziehungen zum Württembergischen. Diese wurden zeitlich vielleicht etwas später geknüpft, gestalteten sich dafür aber im Laufe der Zeit wesentlich vielfältiger. Der Beginn der engen Kontakte Lavaters nach Württemberg setzte im Sommer 1774 ein, als er von seinem Kuraufenthalt in Bad Ems in die Schweiz zurückgekehrt war. Die Route seiner Heimreise hatte er nämlich durch Württemberg genommen. Am 10. Oktober 1774 schrieb er an den im Kurland weilenden Gottlob David Hartmann: „Seit ich in Deines Vatters Hause gewesen, ist mir alles, was Dein ist, bis aufs ganze Würtemberger Land wichtiger und interessanter geworden." 1 Die geographische Lage Württembergs brachte es übrigens mit sich, daß Lavater auf seinen wiederholten Reisen nach Süd-, West- und Norddeutschland mehrfach durch dieses Territorium gezogen ist. Auf diese Weise konnten natürlich die brieflichen Kontakte entscheidend vertieft werden. Lavater hat sich mit der neben Johann Albrecht Bengel führenden Gestalt des Württembergischen Pietismus, nämlich mit Friedrich Christoph Oetinger, mannigfach auseinandergesetzt. Deshalb scheint es gerechtfertigt, zunächst hierauf in einem eigenen Abschnitt einzugehen. Ein geradezu enges freundschaftliches Verhältnis entwickelte Lavater sodann zu dem Pfarrer Philipp Matthäus Hahn, einem Schüler Bengels und besonders Oetingers. Aber nicht nur mit diesem vielseitig begabten schwäbischen Theologen stand Lavater in brieflicher Verbindung, sondern auch mit dessen Freunden. Wie sehr er in diesen Kreis hineingenommen worden ist, wird daran deutlich, daß Lavater einige Male Eintragungen in das unter ihnen zirkulierende Korrespondenzbüchlein einrücken durfte.

2.1.

Oetinger und Lavater

Lavaters Verhältnis zum Württembergischen Pietismus gewann also in seinen Beziehungen zu Oetinger eine besondere Gestalt. Eingesetzt hat ihr Briefwechsel 2 spätestens um das Jahr 1770. Vielleicht ist er durch Hasenkamp, der mit Oetinger in freundschaftlicher Korrespondenz stand 3 , vermittelt worden. Nach den wenigen erhaltenen Briefen Oetingers zu urteilen, thematisierte die frühere Korrespondenz vor allem das Jenseits und seine Erfahrbarkeit. Hierbei spielten die Erfahrungen Emanuel Swedenborgs eine gewichtige Rolle. Im Gegensatz zu Lavater war es Oetinger gelungen, mit 1 Brief: Lavater an Gottlob David Hartmann, 10. Okober 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 125. 2 In der Z B Z sind sechs Briefe Oetingers an Lavater (FA Lav. Ms. 522, Nr. 175-177, 179-181) und zwei Briefe Lavaters an Oetinger (ebd. Ms. 576, Nr. 99f.) vorhanden. Über Lavater und Oetinger siehe u. a. M. Engelmann, Hahn, passim; Ε. Zinn, Oetinger, passim. 3 Siehe Kapitel II. 1.

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diesem Geisterseher in brieflichen Kontakt zu kommen 4 . Seine Informationen über ihn gab er nun bereitwillig an Lavater weiter 5 . Daneben ging es in ihrer Korrespondenz vor allem später auch u m die Wuppermannschen Visionen 6 . Gekennzeichnet ist dieser frühe Briefwechsel auch durch eine gewisse Vertraulichkeit. So teilte Oetinger Lavater beispielsweise Einzelheiten von sich und seiner Familie mit, besonders von seinem Schwiegersohn Johann Christoph Klemm, der 1761 seine älteste Tochter Christiana Benigna geheiratet hatte. Offen sprach er von seinen anfänglichen Schwierigkeiten mit ihm und deutete an, daß sich nun ihr Verhältnis bessere 7 . Wann Lavater sich erstmals mit Oetingers Schriften beschäftigt hat, läßt sich nicht mehr genau ausmachen. Nach dem erhaltenen Lektüreverzeichnis zu urteilen, hat er bis 1768 keines von seinen Werken gelesen 8 . Da aber Oetinger am 24. November 1769 in einem Brief 5 an Hartmann davon zu berichten wußte, daß Lavater sein „Büchlein" 1 0 teils als unverständlich, teils als unbiblisch bezeichnet habe, muß Lavater zwischen diesen beiden Eckdaten mit der Lektüre von Schriften Oetingers begonnen haben. Aber auch Oetinger hat Werke seines Züricher Freundes recht bald gekannt. Lavater übersandte ihm nämlich seine 1770 erstmals erschienene Schrift Nachdenken über Mich Selbst 11 . Nach der Lektüre äußerte Oetinger eine vorsichtige, aber bestimmte Kritik. Er schrieb an Lavater: „Sie nehmen mir zu universal, was Jesus nur in gewißen Fällen sagt. Ihr Evangelium fit legale." 1 2 Bis ins Jahr 1772 bestand also zwischen Oetinger und Lavater zwar kein kritikloses, wohl aber ein im wesentlichen freundschaftliches Einvernehmen. Evident wird dies nicht zuletzt auch daran, daß Oetinger seinem Züricher Freund das Manuskript seines Sendschreibens gegen Johann Salo4 In der von Lavater angefertigten S a m m l u n g von Auszügen aus literarischen und wissenschaftlichen Werken sowie von Briefen Frühere Collectanea P - Z ( Z B Z , FA Lav. M s . 64, unpaginiert) finden sich folgende vier Schreiben: Swedenborg an Oetinger, [23. September 1764] (lateinisch); Oetinger an Swedenborg, 7. Oktober 1766 (deutsch); Swedenborg an Oetinger, 11. N o v e m b e r 1766, (lateinisch); Swedenborg an Oetinger, 4. Dezember 1766 (lateinisch). Leider hat Lavater nicht vermerkt, wann und von w o er diese vier Briefe abgeschrieben hat. 5 Siehe Briefe: Oetinger an Lavater, beide s . a . , Z B Z , FA Lav. Ms. 522, N r . 175f. Ü b e r Lavaters Beeinflussung durch Swedenborg siehe bes. E. Benz, Swedenborg und Lavater (Lit.). 6 Siehe Brief: Oetinger an Lavater, 25. Juli 1772, Z B Z , FA Lav. Ms. 522, Nr. 181. 7 Siehe Briefe: Oetinger an Lavater, s. a., ebd. Nr. 176. 8 Siehe J o h . K . Lavater, Bücher, die ich gelesen: N B bis A.1768 unter einander, ebd. Ms. 121. 1. 9 Brief: Oetinger an Karl Friedrich Hartmann, 24. N o v e m b e r 1769, gedr. in: K . C h r . E . Ehmann, Oetingers Leben, S. 734, N r . 600. 1 0 Bei dem hier erwähnten „Büchlein" handelt es sich wohl u m Oetingers 1769 im Druck erschienene Abhandlung Wie man die Heil. Schrift lesen, und die Thorheit Gottes weiser halten solle, als allen Menschen Wiz. Siehe G. Mälzer, Werke, S. 245, Nr. 1896; vgl. Nr. 1897 f. 11 Siehe Brief: Oetinger an Lavater, s. a., Z B Z , FA Lav. M s . 522, N r . 176. ι2 Ebd.

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mo Semler 13 zugehen ließ, damit er es zum Druck befördere. 14 In seinem Brief nannte er ihn deshalb seinen „lieben Mitarbeiter" 15 . Allerdings ist dann diese Schrift doch nicht in Zürich 16 , sondern wahrscheinlich noch im gleichen Jahr in Frankfurt gedruckt worden 1 7 . Mitte November 1772 begann Lavater dann mit der Lektüre von Oetingers Werk Höchstwichtiger Unterricht v o m Hohenpriesterthum Christi 18 . Mit dieser Schrift ist er wahrscheinlich durch Hasenkamp, der sie herausgegeben hatte, bekannt gemacht worden. In dem beigegebenen Vorwort hat Hasenkamp übrigens lobend auf Lavater hingewiesen. Diesem wäre es vor allem gegeben, Oetingers Einsichten und Erkenntnisse gefalliger in Worte zu fassen 19 . Trotz dieses empfehlenden Hinweises auf seine Person hat die Schrift bei Lavater einen äußerst negativen Eindruck hinterlassen. Hierauf ist er am 14. November 1772 und am 27. Januar 1773 zunächst in seinen Briefen an Hasenkamp zu sprechen gekommen 2 0 . Wenig später ist diese Kritik auch öffentlich bekannt geworden, da er ersteres Schreiben in seinem Werk Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuch, das 1773 gedruckt wurde, eingerückt hat21. N u n konnte das weite Lesepublikum seine Kritik an 13 Hierbei handelt es sich um das Manuskript seiner Schrift Sendschreiben an die Theologen; siehe G. Mälzer, Werke, S. 268, Nr. 2062. Dieses Werk konnte in keiner Bibliothek nachgewiesen werden. 14 Siehe Brief: Oetinger an Lavater, s.a., Z B Z , FA Lav. Ms. 522, Nr. 175: „Herr Ströhn ermahnt mich wieder Semler das M[anu]sc[rip]t auszuarbeiten und ihm zu senden. Ich sende es über Bahlingen. Er macht Hoffnung, daß es durch Ihre Sorgfalt werde in Zürich können gedrukt werden... Wenn nun schon dies Werk wider Semler etwa nicht Ihre Idee trifft, so helfen Sie doch dazu. Sie haben Macht etl[iche] Passus zu ändern. Die Geister der Proph[eten] sind den Propheten unterthan. Bitte aber nur bald zu äußern, ob der Druk von statten geht, wo nicht, so laße es in F[rank]furt druken zu einem andern Werk." Hierzu siehe auch Brief: Oetinger an Karl Friedrich Hartmann, 7. Januar 1772, gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Oetingers Leben, S.771, Nr. 640.

Brief: Oetinger an Lavater, s. a., Z B Z , FA Lav. Ms. 522, Nr. 175. Siehe Brief: Oetinger an Karl Friedrich Hartmann, 2. März 1772, gedr. in: K . C h r . E. Ehmann, Oetingers Leben, S. 775, Nr. 646: „Lavater hat das Semlerische [sc. Manuskript] remittirt." 17 Brief: Hasenkamp an Lavater, s.a. [1771?], Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 197 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 7): „Oetinger hat durch einen hierher gesandten Kandidaten die Besorgung der Ausgabe des Ihnen zugestellten M[anu]s[kri]p[t] mir aufgetragen, wenn sie in Zürich nicht anginge. Ich bitte also, solches an mich bei erster Gelegenheit gelangen zu laßen. Der Prälat hat schon Nachricht davon. Ich habe auch neulich ein paar Handschriften von ihm nach Frankfurt] an H. Gebhard besorgt; der verlegte sie gerne." 18 Siehe G. Mälzer, Werke, S. 270, Nr. 2076. 19 Fr. Chr. Oetinger, Höchstwichtiger Unterricht vom Hohenpriesterthum Christi, Vorrede (unpaginiert): „Lasset uns ihm danken, daß er uns auch einen Lavater schenket, der im Stande ist, was Oetinger tiefgedacht, gründlich und gesalbet, aber ohne Schulmäßige Ordnung, und äussern Schmuck niedergeschrieben hat, schöner einzukleiden, und dem heutigen Geschmacke angenehmer zu machen!" 2 0 Siehe Briefe: Lavater an Hasenkamp, 14. November 1772 u. 27. Januar 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 157 u. 159 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 36f. u. 39-42). 2 1 Joh. K. Lavater, Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuch, S. 8f.; vgl. auch S. 27 ff. u. 35. 15

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Oetingers Schrift hinsichtlich ihrer gedanklichen Stringenz und seiner dunklen Sprache erfahren. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat Oetinger diese Bemerkungen in Lavaters Tagebuch gelesen. O b ihm darüber hinaus auch noch andere Äußerungen, die dieser beispielsweise in seinem damaligen Briefwechsel mit Hasenkamp gemacht hatte22, erfahren hat, muß offen bleiben. Aber auch Oetinger hat in diesen Jahren an Lavaters Vorstellungen mancherlei auszusetzen gefunden, wie beispielsweise seine Korrespondenz mit Hasenkamp zeigt. Öffentliche Kritik hat er dann aber in zwei 1774 gedruckten Werken geübt. Diese richtete sich einmal gegen Lavaters Versöhnungslehre. In der kurzen Schrift Reichs-Begriffe von dem Streit des Teufels und der bösen Geister wider Christum und das Würmlein Jakob 23 , verteidigte er die Vorstellung von der Existenz Satans und dessen antigöttlichem Kampf. Entschlossen betonte er die objektive Erlösung durch Christus, der Gott mit den Menschen versöhnt habe. Damit hatte er Lavaters Vorstellung von einer Versöhnung des Menschen mit Gott eine Absage erteilt. Zum anderen hat Oetinger gegen den von Lavater übernommenen naturphilosophischen Ansatz des schweizer Philosophen Charles Bonnet opponiert. Dessen Präformationslehre hatte er in der ebenfalls im Jahre 1774 gedruckten Schrift Gedanken über die Zeugung und Geburten der Dinge 24 zurückgewiesen. Damit hatte er sich aber zugleich auch gegen Lavater gewandt. Denn dieser hatte Bonnets Schrift Palingenesie nicht nur ins Deutsche übersetzt, sondern auch dessen Vor22 Siehe z . B . Brief: Lavater an H a s e n k a m p , 20. M ä r z 1773, Z B Z , FA Lav. M s . 563, N r . 163: „ D e n Augenblik les' ich die B o g e n die christliche Religion v o n O e t i n g e r , die ich diesen Augenblik v o n Deinet erhalte. U n d was sag' ich davon? Freünd, ich sag' es D i r . Es ist k a u m zu v e r a n t w o r t e n , daß m a n solche trokene u n p o p u l ä r e Unverdaulichkeiten f ü r christliche Religion d e m P u b l i k u m aufdringt u n d es fur M ä r t y r e r Schmach ansehen will, w e n n m a n darüber ausgezischt wird. Ich weiß wirklich nicht, was ich v o n Dir, l[ieber] B r u d e r , denken soll, w e n n D u , wie ich doch nicht h o f f e n will, der H e r a u s g e b e r dieses tausendmal a u f g e w ä r m t e n oetingerischen C h a o s seyn solltest. Wen w i r d er d a d u r c h erbauen u n d g e w i n nen? Wird er nicht vielmehr schaden als nützen? Wahrlich, D u hast es zu v e r a n t w o r t e n , w e n n D u Dich weiter zur H e r a u s g e b u n g seiner i m m e r Einerleyheiten voll V e r w i r r u n g m i ß brauchen u n d d u r c h eine sclavische H o c h a c h t u n g gleichsam n o t h z w ä n g e n laßest. Eine christliche Religion in w e n i g e n Sätzen, w o kein Wort v o n der Liebe, diesem einzigen u n d alles, des Gesetzes u n d der Propheten, Jesu u n d der Apostel, steht, heiß' ich eher eine Lästerung als eine E m p f e h l u n g der O f f e n b a r u n g . Es ist Zeit, mein Freünd, daß D u den Fuß aus O e t i n g e r s C h a o s u n d M e t h a p h y s i c o m a n i e u n d Geisterseherey u n d apokalyptischen Z a h l e n g e h e i m nißen herausziehest u n d alle diese D i n g e höchstens E N P A R A D O tractirest, w o f e r n D u nicht außerordentlichen Beruf u n d außerordentliche E r l e ü c h t u n g aufweisen kannst, sonst verderbest D u D e i n e n gesunden G e s c h m a k u n d Deinen einfältigen Wahrheitssinn". B e z ü g lich der hier e r w ä h n t e n Schrift O e t i n g e r s siehe G. Mälzer, Werke, S. 245, N r . 1899. 23 Siehe G. Mälzer, Werke, S. 266, N r . 2053. Von diesem Werk k o n n t e kein E x e m p l a r in einer Bibliothek nachgewiesen w e r d e n . Ein N a c h d r u c k dieser Schrift findet sich in: Fr. C h r . O e t i n g e r , S ä m m t l i c h e Schriften, A b t . 2, Bd. 6, S. 92-109. 24 Siehe G. Mälzer, Werke, S. 276, N r . 2114; vgl. S. 277, N r . 2115.

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Stellungen von der kontinuierlichen Entwicklung alles Lebens übernommen. Als Lavater dann i m August 1774 auf der Rückreise von seinem Aufenthalt in B a d E m s seinen Weg durch Württemberg nahm, hat er sich, wie sein Diarium zeigt, mit seinen dortigen Freunden wiederholt über Oetinger unterhalten 25 . Dieser argwöhnte damals, Lavater sei der Autor der Rezension 2 6 seiner Schrift Reichs-Begriffe gewesen, die er als „schändliches Pasquill" 2 7 gegen sich empfand. Er war deshalb „rasend" gegen Lavater aufgebracht und „wollte vieles" gegen ihn „druken laßen" 2 8 . Lavater hat nun seinen Aufenthalt in Schwaben zwar nicht dazu benutzt, den grollenden Prälaten in Murrhardt aufzusuchen, hat aber a m 11. A u g u s t ein kurzes Handschreiben 2 9 an ihn gerichtet. Der Entschluß hierzu ist wohl mit Sicherheit zunächst auf seine Gespräche mit Freunden zurückzufuhren. Hinzu k o m m t jedoch, daß er tags zuvor in Stuttgart von Oetingers Sohn Theophil Friedrich, der seit 1773 Stadt- und Amtsarzt in Göppingen war, bei d e m Rentkammerexpeditionsrat Johann Georg Hartmann, bei d e m er sein Q u a r tier g e n o m m e n hatte, aufgesucht worden war 3 0 . In seinem Brief dankte Lavater Oetinger zunächst für die Übersendung seiner Schrift Reichs-Begriffe. Er unterließ es j e d o c h nicht, sogleich anzumerken, daß ihm darin vieles „willkürlich" dünke. Er versicherte sodann ausdrücklich, daß er keinerlei Anteil an der fraglichen Rezension hätte. Bezüglich des Bonnetischen Präformationssystems erklärte er, er sei unentschlossen, ob er es übernehmen solle. Schließlich beteuerte er, daß ihm die Aufklärungstheologie in allen ihren Formen - „die Wolfische Philosophie, die Semlerische Schriftbeurtheilung, die Tellerische Auslegung, die Spaldingische Theologie, die Basedowsche Religion" - v o m wahren Glauben entfernt scheine und daß er „überhaupt täglich immer mehr alle metaphysische Spekulation zur Seligkeit, die sich auf Herzensglauben an Gott in Christo und Herzensliebe zu Christo in den Menschen, der brüderlichen und allgemeinen Liebe, gründet, entbehrlich finde und gerne fahren zu laßen bereit" sei. Aufgrund der 2 5 Siehe J o h . K. Lavater, Reisetagebuch nach B a d E m s , Einträge v o m 10. u. 11. August 1774, Z B Z , FA Lav. M s . 16a. 2 6 Mit der hier erwähnten Rezension ist vielleicht eine 1774 erschienene Besprechung in den Erfurtischen gelehrten Zeitungen (S. 271 f.) gemeint. Hierauf könnten zwei Bemerkungen hindeuten, die sich in Oetingers Gedanken über die Zeugung und Geburten der Dinge, S. 64 sowie in einer Rezension, die über dieses Werk Oetingers in dem Schwäbischen Magazin von gelehrten Sachen auf das Jahr 1775, St. 6, 1775, S. 493 erschienen ist, finden. Diesen Hinweis verdanke ich M. Weyer-Menkhoff v o m 17. Juli 1986. 2 7 Brief: Oetinger an Karl Friedrich Hartmann, 21. Juli 1774, gedr. in: K. C h r . E . Ehmann, Oetingers Leben, S. 817, N r . 678. 2 8 Brief: Lavater an Gottlob David Hartmann, 10. Oktober 1774, Z B Z , FA Lav. M s . 563, N r . 125. Vgl. Ph. M . Hahn, Kornwestheimer Tagebücher, S. 270f., Einträge v o m 8. u. 11. August 1774. 2 9 Brief: Lavater an Oetinger, 11. August 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 576, Nr. 99. 3 0 Siehe J o h . K. Lavater, Reisetagebuch nach B a d E m s , Eintrag v o m 10. August 1774, ebd. M s . 16a.

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Versicherung Lavaters, daß er nicht der Rezensent gewesen sei, scheint Oetinger wieder „ruhiger" geworden zu sein; so schrieb jedenfalls Lavater wenige Wochen später 31 . Aus den folgenden Jahren ist keine Korrespondenz zwischen Lavater u n d Oetinger überliefert. Das nächste erhaltene Schreiben 32 Lavaters an den württembergischen Prälaten ist datiert v o m 14. März 1777. Darin dankte ihm Lavater zunächst für die Z u s e n d u n g einer Schrift; wobei es sich w o h l u m dessen 1776 erschienene Predigtsammlung Grundbegriffe des N e u e n Testaments 3 3 gehandelt hat. D a n n hielt er aber mit seiner Kritik an diesen Predigten nicht zurück. Er bemängelte die „Trokenheit" des Stils u n d wünschte m e h r „Popularität". Ferner kritisierte er Oetingers starke N e i g u n g zur „Methaphysik", die er gern durch „mehr Geschichtsbenuzung" ersetzt gesehen hätte. Seine eigene Theologie, so bekannte Lavater in diesem Z u s a m m e n h a n g , werde i m m e r christozentrischer. „Christus ist", so erklärte er, „immer mehr meine ganze Wißenschaft und Religion. Er zeigt mir, was Gott ist und was ich bin, durch mich selber. Ich m ö g t e fast sagen: Er ist mein einziger Mensch u. mein einziger Gott, obgleich mein Herz noch fern von i h m ist." O b Lavater dann im S o m m e r 1778 während seiner Reise nach Süddeutschland Oetinger doch noch begegnet ist, ist zwar nicht völlig auszuschließen, aber wenig wahrscheinlich. Der eigentliche Z w e c k dieser Reise, die er übrigens in Begleitung des Bruders von Christoph K a u f m a n n , des „Gottesspürhundes" 3 4 , durchgeführt hat, war sein Wunsch mit d e m Exorzisten und Wunderheiler J o h a n n Joseph Gaßner in Pondorf bei Regensburg zusammenzutreffen. Die Route seiner Heimreise führte Lavater durch Württemberg. Leider brechen jedoch seine Tagebucheintragungen am 23. Juni in Plochingen ab 35 , so daß keine Einzelheiten bekannt sind. Wie hat n u n Lavater i m ganzen gesehen Oetinger beurteilt? Er hat einerseits den großen U m f a n g seines Wissens und die gelegentliche Tiefe seiner Erkenntnis hervorgehoben. Ferner hat er seine Einbildungskraft g e r ü h m t , die „die originellste von der Welt" 36 sei. Diese positive Einschätzung hat Lavater recht prägnant in seiner kurzen Charakteristik anklingen lassen, die er einem Kupferstich Oetingers voranstellte, den er 1775 in dem ersten Band seiner Physiognomischen Fragmente a u f g e n o m m e n hat 37 . Andererseits hat Lavater aber an Oetinger auch entschiedene, j e länger u m so heftigere Kritik geübt. Er bemängelte die fehlende Stringenz und Klarheit in seinen Werken. 31

Brief: Lavater an Gottlob David Hartmann, 10. Oktober 1774, ebd. Ms. 563, Nr. 125. Brief: Lavater an Oetinger, 14. März 1777, ebd. Ms. 576, Nr. 100. 33 Siehe G. Mälzer, Werke, S. 237, Nr. 1863. 34 W. Milch, Christoph Kaufmann, S. 70. 35 Siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Pondorf, Eintrag vom 23. Juni 1778, Z B Z , FA Lav. Ms. 16,4. 36 Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 1, S. 233. 37 Ebd. 32

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Ihm erschien vieles von dem, was dieser geschrieben hatte, unverständlich 3 8 . Oetinger schreibe, so konstatierte er in der eben erwähnten Bildinterpretation, „ohn allen Schatten v o n heiterm Witz" und in allen seinen Werken sei „nicht die mindeste Spur einer heitern Laune anzutreffen" 3 9 . Sodann kritisierte Lavater, daß Oetingers Vorstellungen vielfach nicht schriftgemäß seien, sondern metaphysische Spekulationen darstellten 40 . Deshalb meinte er sogar seine Freunde vor ihm warnen zu müssen. So ermahnte er beispielsweise seine vertraute Freundin Caroline v o n Brandenstein, die sich später mit v o n Lühe verheiratete, sich vor der „Ötingerey" 4 1 auch in Hahnscher Rezeption in acht zu nehmen. Sie solle sich durch sie nicht „von der himmlischen Einfalt des allein wahren Evangeliums abführen" lassen. Diese versicherte ihm alsbald, daß sie „nie [!] eine Anhängerin Oetingers seyn werde" 4 2 . Sie habe „nie Herz und Vertrauen zu diesem M a n n faßen können". In ihrer J u g e n d seien sie sich zwar einmal so nahe g e k o m m e n , daß „auf seine Veranlaßung ein Briefwechsel" begonnen worden sei, diesen habe sie aber ihrerseits bald wieder eingestellt, weil Oetingers Sprache ihr „viel zu mystisch und unverständlich und bey weitem nicht so lichtschafend und wohlthuend" w a r als alles, was sie damals schon von Lavater gelesen habe. Weil man aber i m Freundes- und Bekanntenkreis Lavaters u m diese fortdauernden Differenzen und Mißstimmigkeiten wußte, hat man vielfach versucht, diese abzubauen oder sogar beizulegen. Verwiesen sei auf den Nürnberger Kaufmann Johann Christoph Karg. Aus dessen Briefwechsel 3 8 Ζ. B. Brief: Lavater an N N , 14. März 1777, gedr. in: Joh. K. Lavater, Vermischte Schriften, Bd. 2, S. 126: „Hier Ihr Oetinger zurück. Ich habe, wie wohl mit harter Mühe, denn meine Augenblicke sind zerrißen, ihn durchgelesen, und wahrlich wenig Weisheit und heitere Belehrung darinn gefunden. Die Stellen, die mir am besten gefallen, hab' ich bezeichnet. Eine beynah' unleidliche Trockenheit, gar keine Herablassung zu seinen Zuhörern, und unaufhörliche Sprünge. Ο ein Kapitel der Schrift, wie viel deutlicher, lehrreicher, markiger!" Vgl. Joh. K. Lavater, Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuch, S. 27 ff. 3 9 J o h . K . Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 1, S. 233. Zu dieser Kritik Lavaters soll Oetinger (Anekdoten aus dem Munde Oetingers und seiner Freunde, gedr. in: K. Chr. E. Ehmann, Oetingers Leben, S. 380, Nr. 77) bemerkt haben: „Lavater hat mich abgemalt, und von mir geurtheilt, daß ich es mir zum Verdienst anrechne, ohne allen heitern Wiz zu schreiben, obgleich meine Einbildungskraft bei aller Trockenheit des Geistes und der Schreibart die originellste von der Welt sei. Ich bin ihm sehr verbunden für dieses Zeugnis: niemal habe ich einen Anhang gesucht durch schöne Worte. Wer nicht die trockene Wahrheit schmecken will, der wende sich zu andern. Dabei werde ich bleiben bis in den lezten Athem." Diese Bemerkung Oetingers ist nicht datiert. Bezüglich der zeitlichen Ansetzung vgl. R. Piepmeier, Aporien, S. 156, Anm. 147. 4 0 Siehe Brief: Lavater an N N , 15. März 1777, gedr. in: Joh. K. Lavater, Vermischte Schriften, Bd. 2, S. 119 ff. In diesem Schreiben klagte Lavater, er finde bei Oetinger „nichts von populärer Geschicht's Weisheit der Schrift. Er ist mir zu metaphysisch. Das ist mir das schlicht historische Evangelium nicht" (S. 120). Vgl. ζ. B. auch Briefe: Lavater an Hasenkamp, 14. N o vember 1772, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 157 (vgl. K. Chr. E. Ehmann, Briefwechsel, S. 36f.) u. Lavater an Oetinger, 14. März 1777, ebd. Ms. 576, Nr. 100. 4 1 Siehe hierzu und zum Folgenden Brief: Lavater an Brandenstein, 29. April 1780, Z B Z , FA Lav. Ms. 585, Nr. 229. 4 2 Brief: Brandenstein an Lavater, 10. Mai 1780, ebd. Ms. 531, Nr. 81.

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geht hervor, daß er u m eine Aussöhnung zwischen Lavater und Oetinger bemüht gewesen ist. Als der betagte Oetinger Anfang März 1775 Karg besuchte, gelang es dem Laien den Theologen zu bewegen, eine Ehrenerklärung fur Lavater abzugeben 43 . Jedoch haben alle diese Bemühungen letztlich keinen dauerhaften Erfolg gehabt. Deutlich wird dies beispielsweise daran, daß Lavater 1779 seine bereits vor einigen Jahren publizierte Kritik an Oetingers Werk Höchstwichtiger Unterricht v o m Hohenpriesterthum Christi noch einmal in Johann Konrad Pfenningers Christliches Magazin eingerückt hat44. Im Jahre 1781, also ein Jahr vor Oetingers Tod, hat er dann in dem zweiten Band seiner Vermischten Schriften nochmals auszugsweise zwei Briefe abgedruckt, in denen er seine mannigfache Kritik an Oetinger zum Ausdruck gebracht hat45.

2.2.

Philipp Matthäus Hahn sowie dessen Freundeskreis und Lavater

Im Unterschied zu Lavaters Beziehungen zu Oetinger sind diejenigen zu Philipp Matthäus Hahn sowie zu dessen Freundeskreis stets sehr vertrauensvoll und fast durchgängig übereinstimmend gewesen. D i e Anfänge der Kontakte zwischen Lavater und Hahn reichen bis in dessen Zeit als Pfarrer in Kornwestheim zurück. Das erste erhaltene Schreiben Hahns an Lavater ist nämlich v o m 4. Oktober 1773 datiert 46 . Aber schon 43

Siehe Brief: Karg an Lavater, 18. März 1775, ebd. Ms. 516, Nr. 52. Näheres siehe Kap.

II.3. 44 [Joh.K. Lavater], Auszüge aus Briefen von L. an Verschiedene in: J o h . K . Pfenninger, Christliches Magazin, [Bd. 1], St. 1, 1779, S. 125 (Oet. vom Hohenpriesterthum Christi). Vgl. Joh. K. Lavater, Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuch, S. 8f., 27ff. u. 35. 45 Joh. K. Lavater, Vermischte Schriften, Bd. 2, S. 119ff. (Brief: Lavater an Ν . N . , 15. März 1777) u. S. 126 (Brief: Lavater an Ν . N „ 14. März 1777). Vgl. Anm. 38 u. 40. 46 Brief: Hahn an Lavater, 4. Oktober 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 510, Nr. 224; gedr. in: R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. (62) 63ff., Nr. 1. Da die von Paulus edierten Briefe Hahns Unrichtigkeiten und editorische Eigenwilligkeiten aufweisen, wird hier und im Folgenden stets nach dem Original zitiert, jedoch auch auf Paulus verwiesen. In der Z B Z finden sich 23 Briefe von Hahn an Lavater (ebd. Ms. 510, N r . 224—245) und drei Briefe Lavaters an Hahn (ebd. Ms. 563, Nr. 29 u. 31 f.). Außerdem sind hier abschriftlich drei Briefeinträge Lavaters fur Hahn und dessen Freundeskreis vorhanden, die er fur die Hahnsche Zirkularkorrespondenz abgefaßt hat (ebd. Nr. 30 u. 33 f.). Von diesen Kopien konnten inzwischen die beiden Briefeinträge vom 10. Dezember 1781 und 17. März 1783 im Original in zwei Korrespondenzbüchern nachgewiesen werden, nämlich in dem Korrespondenzbuch VI (LB Stuttgart, Cod. hist. 8° 103b, S. 87-91) und im Korrespondenzbuch (UB Greifswald, Korrespondenzbuch, 1780-83, S. 168). Abgesehen davon gelang es, in den bislang bekannten Hahnschen Korrespondenzbüchern noch zwei Briefeinträge Lavaters zu ermitteln, nämlich vom 19. März 1782 im Korrespondenzbuch (LB Stuttgart, Öffentlicher Briefwechsel mit Freunden zu gemeinschaftlicher Aufmunterung im Glauben und in der Hoffnung und in der Liebe, Cod. hist. 8° 103 c, S. 103) und vom 23. November 1784 im Korrespondenzbuch V (UB Greifswald, Correspondenz-Buch 5. Band, Düsseldorfim April 1782-1786, S. 104-108). Ferner finden sich im Korrespondenzbuch VII (UB Greifswald, Der Schwäbischen Brüder-Correspondentz VII. Band, S. 61, 66, 76 u. 78) viermal Eintragungen unter dem Datum 23. November 1784 aus der Feder Lavaters; in ihnen nimmt er kommentierend zu anderen Briefen Stellung. O b der im

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zuvor scheint Hahn nach Ausweis seiner damaligen Tagebücher mit Schriften Lavaters bekannt geworden zu sein. Danach hat er dessen Geheimes Tagebuch gelesen 47 , das im Jahr 1771 ohne Wissen des Verfassers anonym im Druck erschienen war. Lavater seinerseits ist vermutlich durch seinen Freund Israel Hartmann, den Waisenhausschulmeister in Ludwigsburg, auf Hahn aufmerksam gemacht worden. Jedenfalls erwachte in ihm das Interesse an dessen Physiognomie und er erbat ein Porträt von ihm. A m 4. Oktober 1773 saß Hahn schließlich dem Maler Johann Philipp Weisbrod zum Porträtieren 48 und noch am selben Tag sandte er die Zeichnung nach Zürich 49 . In der nächsten Zeit hat sich Hahn, wie seine Tagebuchnotizen belegen, häufig mit Schriften Lavaters beschäftigt. Im März 1774 hat er sich in dessen Aussichten in die Ewigkeit vertieft 50 . Im gleichen Monat las er auch noch dessen Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuch, die 1773 erschienen waren 51 . Im April 1774 begeisterte ihn die Lektüre des Manuskriptes für Freunde 52 . Hierbei handelt es sich u m eine zunächst nur handschriftlich im Freundeskreis kursierende Schrift, die 1775 ohne Wissen und Willen Lavaters unter dem Titel Vermischte Gedanken im Druck erschienen ist. Hahn meinte aufgrund seiner Lektüre mit einem gewissen Recht zu erkennen, daß Lavater kein in sich geschlossenes theologisches System habe 53 . Im Zentrum seines Denkens sah er die Liebe Gottes. Lavaters besondere Gabe erblickte er darin, daß es ihm infolge seiner Beziehungen zu Dichtern und Schriftstellern möglich sei, „manche Lichtesideen in die Weltmenschen" zu bringen 54 . Unter dem Eindruck seiner Beschäftigung mit diesen Schriften hat Hahn alsbald auch seine Freunde auf Lavater hingewiesen 55 . Allerdings waren diese zumindest vereinzelt bereits selber auf dessen Werke aufmerksam unbetitelten Korrespondenzbuch ( L B Stuttgart, C o d . hist. 8° 103a, S. 2 6 2 v - 2 6 9 r ) vorhandene längere Briefeintrag v o m 3. Dezember 1783 von Lavater oder seinem Freund Johann Konrad Pfenninger stammt, wie die Vorlage vermerkt, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit bestimmen. Jedoch ist die Handschrift keinesfalls die von Lavater; auch der Stil entspricht ihm nicht. Hinsichtlich des Fatums der Korrespondenzbücher Hahns siehe M. Brecht, Wir sind correspondierende Pietisten, S. 70ff. Herrn M . Brecht verdanke ich übrigens den freundlichen Hinweis auf die Hahnschen Korrespondenzbücher; generös hat er mir auch kurzfristig sein diesbezügliches Material zur Einsicht zur Verfugung gestellt. 4 7 Siehe Ph. M . Hahn, Kornwestheimer Tagebücher, S. 51, Eintrag v o m 6. Oktober 1772. Es handelte sich u m Lavaters Geheimes Tagebuch von 1771. 4 8 Ebd. S. 195, Eintrag v o m 4. Oktober 1773. 4 9 Siehe Briefe: Hahn an Lavater, 4. Oktober 1773, Z B Z , FA Lav. M s . 510, N r . 224, gedr. in: R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. (62) 6 3 f f . , Nr. 1; Lavater an Hahn, 16. Oktober 1773, ebd. M s . 563, Nr. 29. 5 0 Siehe Ph. M . Hahn, Kornwestheimer Tagebücher, S. 240, Eintrag v o m 4. März 1771. 5 1 Siehe ebd. S. 243, Einträge v o m 14.-16. März 1774. 5 2 Siehe ebd. S. 251, Eintrag v o m 19. April 1774. 5 3 Hierzu und zum Folgenden siehe ebd. S. 243, Eintrag v o m 16. März 1774. 54 E b d . 5 5 Siehe ebd. S. 251, Eintrag v o m 19. April 1774.

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geworden. Neben Israel Hartmann 56 sei hier auf Jakob Friedrich Klemm 57 , den Helfer von Balingen hingewiesen. Zur ersten persönlichen Begegnung zwischen Hahn und Lavater kam es, als dieser im Sommer 1774 auf dem Heimweg von seiner berühmten Rheinreise seine Route durch Württemberg genommen hat. Als Hahn am Abend des 8. August von Lavaters Ankunft in Ludwigsburg erfuhr58, eilte er am Morgen des folgenden Tages sogleich dorthin. Es kam zu einer eingehenden Unterredung und Hahn war von Lavaters Liebenswürdigkeit ganz eingenommen 59 . Nachdem dieser dann am 10. August in Ludwigsburg zunächst Hahns astronomisches Uhrwerk besichtigt hatte, suchte er diesen in seiner Pfarrei in Kornwestheim selbst auf und bewunderte dort dessen „astronomische Maschiene" 60 . Sodann begleitete Hahn den schon weithin bekannten Züricher Theologen und Schriftsteller zunächst nach Schloß Solitude; auf dem Weg dorthin kreiste ihr Gespräch um Hahns eigene mechanische Arbeiten und um Oetinger 61 . Von diesem Lustschloß 62 reisten sie zusammen nach Stuttgart; auf dem Weg dorthin unterhielten sie sich laut Lavaters Tagebuch über Hahns Rechenmaschine 63 . Während des Abendessens bei dem Rentkammerexpeditionsrat Johann Georg Hartmann lenkte Lavater das Gespräch unter anderem erneut auf Hahns Erfindungen und die Möglichkeiten, sie in der gelehrten Welt bekannt zu machen 64 . 56 E b d . S. 253, Eintrag v o m 3. Mai 1774: „Schulmeister H a r t m a n n gantz fur Lavater eingenommen." 57 Siehe ebd. S. 251, Eintrag v o m 19. April 1774. 58 Siehe ebd. S. 270, Eintrag v o m 8. August 1774. 59 Siehe ebd., Eintrag v o m 9. August 1774. 60 J o h . K. Lavater, Reisetagebuch nach Bad E m s , Eintrag v o m 10. August 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 16a. « Ebd. 62 Bei d e m Besuch des Lustschlosses Solitude d ü r f t e Lavater mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Schiller, der dazumal Z ö g l i n g in der H o h e n Schule war, gesehen haben, o h n e d i e s natürlich ahnen zu k ö n n e n . Siehe ebd. Eintrag v o m 10. A u g u s t 1774: „ K a m e n nach 11 U h r auf der Solitüde an. Sogleich b e w i l l k o m m t e uns der Oberstallmeister, lud uns aufs C a f f e ein u. offerirte uns seine Dienste. In der O r a n g e r i e Hause w a r ein Tisch in F o r m Hufeisens f u r 300 da studirende Jünglinge, Edelknaben u. B ü r g e r s ö h n e gedeckt. Wir d u r f t e n nicht hineingehen, nach einem allgemeinen herzoglichen Befehl, keinen Fremden o h n e seine G e g e n w a r t zuzulaßen. Wir sahen sie aber v o n außen. Sie k a m e n in größter O r d n u n g v o n z w e y e n Seiten, militärischen Schritts, einer nach d e m andern hergezogen, bis b e y d e Vorderste oben am H u f e i s e n k o p f u n d Bauch z u s a m m e n t r a f e n . N u n der C o m m a n d a n t : H e r o o o o o m ! Wie ein Wetter alle u m , das Angesicht gegen den Tisch. Zum Gebeth! Alle die H ä n d e z u s a m m e n u. gegen Gesicht. Eine kleine j u g e n d l i c h e K n a b e n s t i m m e bethete durch die Tiefe herauf; u. wie ein Wetter saßen alle. Wir sahen ihnen u n t e r m Fenster zu. Ich riß mich los, fing an ein Briefchen an mein Weibchen zu schreiben, sah sie alle wieder in der O r d n u n g herausgehen, alle blau, schlecht gekleidet, b l o ß e m , Unschlitt [Talg] beschmierten Hauptes, m i t 2 Papilloten." 63 Hierzu u n d z u m Folgenden siehe ebd., Eintrag v o m 10. August 1774. Vgl. auch P h . M . H a h n , K o r n w e s t h e i m e r Tagebücher, S. 270f., A n m . 116; hier w u r d e Lavaters Tagebucheintrag auszugsweise abgedruckt. 64 Gemeint ist v o r allem H a h n s Rechenmaschine; hierüber siehe bes. R. F. Paulus, H a h n u n d die Rechenmaschine, bes. S. 63; A. M ü n z , H a h n , S. 39f.

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Nicht uninteressant ist es, daß Lavater während seines Aufenthaltes in Stuttgart auch den Leibmedikus Albrecht Reichard Reuß, den Schwiegersohn J o h a n n Albrecht Bengels, aufgesucht hat, bei d e m er Bengels Sohn Ernst antraf 65 . Reuß hat dann tags darauf noch eine Gegenvisite abgestattet 66 . Dies ist insofern bemerkenswert, als Lavaters Urteil über diese neben O e t i n ger fuhrende Gestalt des schwäbischen Pietismus sehr ambivalent gewesen ist. Lavater, der gerade e l f j a h r e alt war, als dieser Prälat flinfundsechzigjährig starb, hat mehrere von dessen Schriften gekannt 67 , so beispielsweise dessen G n o m o n u n d dessen Übersetzung des N e u e n Testamentes ins D e u t sche. Lavater lobte zunächst Bengels große Frömmigkeit, er bezeichnete ihn als „moserisch und pascalisch fromm" 6 8 . Auch dessen Gelehrsamkeit auf d e m Gebiet der Philologie w u ß t e er zu rühmen 6 9 . Diesen anerkennenden Worten stehen bei Lavater aber auch recht kritische Äußerungen gegenüber. Einmal kritisierte er Bengels Biblizismus. Z u m anderen bemängelte er, daß Bengel ein so unphilosophischer Kopf gewesen sei, daß man es mit Worten nicht ausdrücken könne. Während er hinsichtlich der Frömmigkeit Pascal ebenbürtig sei, verhalte sich seine Verstandesschärfe zu derjenigen dieses universalen Denkers wie die des Theologen Karl Friedrich Bahrdt zu der des Carolathischen Hofpredigers Martin Crugot 7 0 . Diesen Mangel an philosophischer Bildung meinte Lavater auch an Bengels Physiognomie aufzeigen zu können. Diese war für ihn zwar nicht „ohne alle Salbung", aber „doch die häßlichste, die m a n sich denken kann" 7 1 . Seine distanzierte, ja letztlich ablehnende Haltung gegenüber Bengel hat Lavater einmal zusammenfassend folgendermaßen z u m Ausdruck gebracht: „Mein ganzer moralischer, biblischer, theologischer Geschmak ist d e m seinigen entgegen. Ich wollte mich viel eher mit Ötinger und Jacob B ö h m e n abfinden können. Er ist mir ein viel zu theologischer, wörtlicher, gefühlloser und nervenloser Mann. Ich glaube, daß er d e m Christenthum mehr geschadet hat als Semler und Teller."72 Lavater hat jedoch den schwäbischen T h e o logen nicht gänzlich verurteilt. Als er in seinem bedeutenden Werk Aussich65 Siehejoh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Bad Ems, Eintrag vom 11. August 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 16a. 66 Siehe ebd. 67 Siehe Brief: Lavater an Hasenkamp, 11. März 1772, gedr. in K . C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 20: „Bengels Gnomon und sein deutsches Testament kenne ich." O b sich Lavater hier auf die erste 1742 erschienene Ausgabe des Gnomon oder auf die erweiterte zweite, posthume Ausgabe von 1759 bezieht, läßt sich nicht ausmachen; vgl. G. Mälzer, Werke, S. 53, Nr. 396-398. Desgleichen läßt sich nicht entscheiden, ob Lavater die erste (1753) oder zweite Auflage (1769) von Bengels deutscher Übersetzung des Neuen Testaments im Blick hatte; vgl. ebd. S. 32, Nr. 245 u. 245a. 68 Brief: Lavater an Zimmermann, 1. April 1767, Z B Z , FA Lav. Ms. 589c. 69 Siehe ebd.: sehr gelehrt in der biblischen Kritik." 70 Siehe ebd. 71 Ebd. 72 Brief: Lavater an Hasenkamp, 18.Juli 1773, ebd. Ms. 563, Nr. 171 (vgl. K . C h r . E . Ehmann, Briefwechsel, S. 129f.).

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ten in die Ewigkeit auf die völlige Erneuerung des Auferstehungsleibes zu sprechen kam, verwies er beispielsweise auf Bengels Ausführungen zu 2Kor 5, Vers 10 wie sie sich in dessen Gnomon finden 73 . Ausdrücklich fügte er diesem empfehlenden Hinweis noch hinzu, daß man vor einem Rückgriff auf Bengel keineswegs zurückschrecken sollte. Manche verurteilten ihn nur deshalb grundsätzlich, weil viele „ihm mit einer Art von Vergötterung alles nachsprechen". Unter Bezugnahme auf IThess 5, Vers 21 forderte er vielmehr: „Lasset uns mit weiser Gelassenheit und Unpartheylichkeit alles prüfen, und das Gute behalten!" A m 11. August 1774 kam es in Stuttgart bei Johann Georg Hartmann erneut zu einer Begegnung zwischen Lavater und Hahn. Das Thema ihres Gesprächs war diesmal die Versöhnungslehre 74 . Von Stuttgart reiste Lavater zunächst allein weiter, jedoch stieß Hahn am 12. August 1774 in Bernhausen erneut zu ihm 75 . Unter Gesprächen über christologische Probleme ging es nun nach Tübingen, wo man abends bei dem Oberhelfer Johann Friedrich Märklin eintraf. A m nächsten Tag begleitete Hahn Lavater zu Jeremias Friedrich Reuß, dem Kanzler der Universtität, und zu mehreren Professoren 76 . A m folgenden Tag demonstrierte er Lavater in Balingen, wohin er vorausgeeilt war, in der Wohnung des Helfers Jakob Friedrich K l e m m seine Rechenmaschine. Dieser war von der Erfindung so begeistert, daß er ihm riet, sie der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich vorzuführen. Hier in Balingen trennte sich Lavater am Morgen des 15. August von Hahn, nachdem er noch eine Standuhr bei ihm bestellt hatte 77 . Lavater muß durch die Begegnung einen äußerst günstigen Eindruck von Hahn erlangt haben. Hiervon gibt auch die physiognomische Charakterisierung Hahns Zeugnis, die sich in dem dritten Band der 1777 erschienenen Physiognomischen Fragmente findet 78 . Nach dem persönlichen Kennenlernen wurde der Briefwechsel zwischen Lavater und Hahn etwas reger. Einen wichtigen Punkt nahm hierbei die von Lavater für seinen Bruder Diethelm in Auftrag gegebene Standuhr ein, deren Lieferung sich wiederholt verzögerte; ferner wird in der Korrespon-

Hierzu und zum Folgenden siehe: J o h . K . Lavater, Aussichten, B d . 3, S. 166 f. Ph. M. Hahn, Kornwestheimer Tagebücher, S. 271, Eintrag v o m 11. August 1774: „ D i s cours wegen der Versöhnung Gottes. Lavater sagte, die Versöhnung sey vis a vis mit den Menschen zu concipiren. Gott sey versöhnt gewesen. E r habe uns mit sich selber versöhnt." 7 5 Siehe ebd., Eintrag v o m 12. August 1774. 7 6 Siehe ebd. S. 272, Eintrag v o m 13. August 1774. 7 7 Hierüber siehe ebd. S. 272, Eintrag v o m 15. August 1774 u. Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach B a d E m s , Eintrag v o m 14. August 1774, Z B Z , FA Lav. M s . 16a. Z u der von Lavater bestellten Bodenstanduhr siehe auch A. Münz, Hahn, S. 28. 7 8 J o h . K . Lavater, Physiognomische Fragmente, B d . 3, S. 273f. Der dieser Interpretation beigegebene Kupferstich (S. 274) von Hahn stammt von dem Berliner Stecher Daniel Berger. Vorlage des Kupferstiches war das von Joh. Philipp Weisbrod hergestellte Porträt; vgl. A n m . 49. 73

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denz auch mehrfach Hahns Rechenmaschine erwähnt 79 , Theologische Probleme wurden dagegen nur selten angerissen. So erklärte Hahn beispielsweise in einem Schreiben v o m 26. April 1775, daß er den Exorzisten und Wunderheiler Johann Joseph Gaßner ablehne80. Hieraus wird deutlich, daß Hahn keineswegs bereit war, Lavaters große Hoffnung zu teilen, bei Gaßner urgemeindlichen Wunderkräften zu begegnen. In diesen Jahren ließ Lavater Hahn auch einige seiner Publikationen zugehen81. Umgekehrt übersandte dieser seinem Züricher Freund seine Schriften82, die dieser gelesen 83 und weiterempfohlen hat, wie zum Beispiel im November 1776 dessen Predigten 84 . 79

Wegen der Standuhr und der Rechenmaschine siehe Briefe: Hahn an Lavater, 12. Oktober, 11. November u. 8. Dezember 1774 sowie 26. April, 30. Mai, 23. Juni u. 16. Juli 1775, Z B Z , FA Lav. Ms. 510, Nr. 226-228, 231-234; vgl. R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. 66-71, Nr. 3-5, S. 71-73, Nr. 9-12. Siehe auch Ph. M. Hahn, Kornwestheimer Tagebücher, S. 283, Eintrag vom 6. Oktober 1774; S. 287, Eintrag vom 7. November 1774; S. 288, Eintrag vom 10. N o vember 1774; S. 318, Eintrag vom 26. April 1775; S. 327, Eintrag vom 27. Juni 1775; S. 328, Eintrag vom 1. Juli 1775; S. 329, Eintrag vom 4. Juli 1775. 80 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Hahn an Lavater, 26. April 1775, Z B Z , FA Lav. Ms. 510, Nr. 231: „Bey Gassner weiß ich keine Wunder, wider die man nichts einzuwenden hätte. In Poppenweiler ist zwar ein Mann (2 Stund von mir), der rasend war, der zuverlässig seinen Verstand wieder durch ihn bekam. Aber jetzt komt der alte Zustand wieder. Ich glaube wohl, daß es ihm zuweilen gerath, aber unter 20 kaum eins. Ich habe mich viel erkundiget, aber noch nicht so viele Data gefunden, daß ich auch zu ihm reisen möchte. Im Nahmen Jesu durch Glauben helfen dem, der da glaubt, ist mir so glaublich als etwas seyn kan, und daß auch die Zeit nichts dazu beyträgt, auch nicht, ob es zur Ehre Gottes oder Beweis der Wahrheit des Worts nöthig ist oder nicht, sondern wer glauben kan. Allein ich glaube nicht, daß man zur Überzeugung von der Wahrheit der christlichen] Religion bey Gassner dato ein einiges, nach allen Umständen verificirtes Wunder, das nicht auch umgeschlagen hätte, aufweisen könnte. Ötinger war bey ihm, H. Hofrath in Gaildorf Walther, H. Regierungsrath von Seckendorf von Stuttgardt und noch mehrere, von denen ich alle zuverlässige Nachrichten habe, daß sie hintennach weniger glauben als sie zuvor geglaubt. Ich habe auch mit Ellwangern selbsten geredt, die am wenigsten wissen. Es ist ungemein, wie das Gerücht in der Ferne viel vortheilhafter für solche Personen als in der Nähe ist. Wenn ich schon glaube, daß zuweilen es dem Gassner gerathet, so habe ich doch um deß willen nicht hinreisen mögen, weil es sich just treffen könte, das ich etl[iche] Wochen warten und immer aufpassen müßte bis eine That geräth, die aber alsdann noch weiter wohl müßte untersucht werden; und wenn ja etwas außerordentliches, sehr klar in die Augen fallendes Wunder geschähe, so fragt sich, ob es nicht schon bekandte Wonne wäre." Vgl. R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. 71, Nr. 9. 81

Siehe Ph. M. Hahn, Kornwestheimer Tagebücher, S. 375, Eintrag vom 12. Dezember 1775; S. 385-387, Eintrag vom 30. Dezember 1775; S. 430, Eintrag vom 5. Oktober 1776. 82 Siehe Brief: Hahn an Lavater, 20. September 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 510, Nr. 225, gedr. in: R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. (65) 66, Nr. 2. 83 Ph. M. Hahn, Kornwestheimer Tagebücher, S. 433, Eintrag v o m 3. November 1776; S. 445, Eintrag vom 14. Januar 1777; S. 446, Eintrag vom 20. Januar 1777; S. 449, Eintrag vom 9. Februar 1777. 84 Brief: Lavater an Gaupp, 13. November 1776, Z B Z , FA Lav. Ms. 560, Nr. 161: „In übrigen Augenbliken erquick' ich mich mit Hahns Predigten. Die muß Ihr alter lieber frommer Vater schlechterdings lesen. Vermuthlich aber kennt er's schon. Ich hab Exempl[are] kommen laßen. So bald sie da sind, sollen Sie eins haben. Das wird Ihnen neüe Aufschlüße u. Freude u. Muth geben." Bei den hier erwähnten Predigten Hahns dürfte es sich um seine Sammlung von

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Im Juni 1778 hat Lavater, auf der Rückreise von seiner letztendlich enttäuschenden Zusammenkunft mit Gaßner in Pondorf bei Regensburg, wiederum seinen Weg durch Württemberg genommen. Erneut hat er bei dieser Gelegenheit Hahn in Kornwestheim einen Besuch abgestattet. Von hier aus konnte er dann dank einer Genehmigung Herzog Karl Eugens von Württemberg zusammen mit Hahn den auf der Bergfestung Hohenasperg gefangen liegenden Dichter und Musiker Christian Friedrich Schubart am 26. Juni 1778 aufsuchen. Hierbei handelte es sich um die erste Visite, die der bis dahin in schwerer Kerkerhaft gehaltene Gesellschaftskritiker erhalten hat85. Im Frühsommer 1779 hat dann Hahn erstmals in Zürich geweilt. Bei diesem Aufenthalt, der sehr beglückend verlaufen sein muß, lernte er auch Lavaters dortigen Freundeskreis näher kennen 86 . Nach Hause zurückgekehrt, schrieb er: ,,H[errn] Pfenniger kandte ich schon, H[errn] Hess fände brüderlicher als ich vermuthete. Ich sähe ihn aus seinen Büchern als einen auf geringe, wie ich bin, von oben herabsehenden Schriftsteller an, aber er hat Liebe. Mein Hertz ist für ihn. Die Candidaten Häfeli, Stolz, Tobler, Vögeli sind mir hertzlich lieb, und ich könte bey und unter ihnen s e y n . . . Auch wahrheitsbegierige Leute habe ich in Zürich und Winterthur gefunden. Wie wohl thuts einem, seinesgleichen zu sehen und kennen zu lernen, die mit einem wenigstens der Empfänglichkeit nach conspiriren." 87 O b Lavater im Juli 1782 auf seiner Heimreise von Frankfurt am Main, die ihn durch Württemberg über Mannheim, Mosbach, Hohenasperg, Stuttgart, Tübingen und Tuttlingen nach Schaffhausen gefuhrt hat, nochmals mit Hahn zusammengetroffen ist, muß offenbleiben. Bezeugt ist dagegen, daß Lavater ihn im Jahr darauf am 10. Juli in Echterdingen besucht hat88, als er auf dem Rückweg von seiner Reise nach Offenbach am Main und einem Kuraufenthalt in Bad Teinach im Schwarzwald seine Schritte wiederum durch Württemberg gelenkt hat. Nach Zürich zurückgekehrt, übersandte er Hahn herzliche Dankesgrüße 89 . Ein Jahr später weilte dieser dann wiederum in der Stadt an der Limmat 90 . Sein Zusammensein mit Lavater am 4. Juli Betrachtungen über alle Sonn-, Fest- und Feyertägliche Evangelien durch das ganze Jahr (siehe G. Mälzer, Werke, S. 126, Nr. 951) oder um dessen Sammlung von Betrachtungen über alle Sonn-, Fest- und Feyertägliche Evangelien, vom Neuen Jahr bis Ostern (siehe ebd. Nr. 952) handeln. 85 Hierzu siehe M. Engelmann, Hahn, S. 91. Das Tagebuch Lavaters von der Reise nach Süddeutschland bricht leider am 23. Juni 1778 mit einer kurzen Eintragung über Plochingen ab (ZBZ, FA Lav. Ms. 16.4.). Deshalb kann man dort auch keinerlei Hinweise auf diese Begegnung finden. 86 Über Hahns Aufenthalt in Zürich siehe Brief: Hahn an Lavater, 25. Juni 1779, Z B Z , FA Lav. Ms. 510, Nr. 237; gedr. in: R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. (73) 74, Nr. 14. 87 Ebd. 88 Siehe Ph. M. Hahn, Echterdinger Tagebücher, S. 64, Eintrag vom 10. Juli 1783. Lavaters Reisetagebuch nach Offenbach (ZBZ, FA Lav. Ms. 21) enthält am 10. Juli 1783 keinen Eintrag; das Tagebuch bricht nämlich mit einem Eintrag vom 5. Juli 1783 ab. 89 Siehe ebd. S. 86f., Eintrag vom 4. November 1783. 90 Hierzu und zum Folgenden siehe ebd. S. 128, Eintrag vom 4. Juli 1784.

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1784 war jedoch nur kurz, da dieser schon a m N a c h m i t t a g in Begleitung seiner Frau sowie seiner Tochter Annette nach B a d Pfäfers zur K u r aufbrach 9 1 und Hahn sein Ansuchen ablehnte, die Reisenden in der Kutsche wenigstens bis nach Richterswil zu begleiten. N a c h diesem Zusammentreffen übersandte Hahn seinem Züricher Freund weiterhin seine Schriften 9 2 und las selbst dessen Werke 9 3 , so zum Beispiel Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien 9 4 . Die Korrespondenz wurde seit den achtziger Jahren hinsichtlich theologischer T h e m e n nun intensiver. H a h n berichtete in seinen Briefen v o n seiner A b kehr v o n der Eschatologie Bengels 9 5 . Dieser B r u c h mit Bengels C h r o n o l o gie der Endzeit konnte bei Lavater nur Beifall finden. E r selbst hat nämlich an dessen Endzeitberechnungen schon jetzt sowie auch später mannigfach dezidierte Kritik geübt. E r führte diese U n t e r n e h m u n g e n auf seinen Biblizismus zurück. Bengel war hier in seinen Augen „ein künstlicher Wortklauber und ein Pedant ohne seinesgleichen" 9 6 . Sein Biblizismus habe den Prälaten auch zu der ,,unseelige[n] H y p o t h e s e " verleitet, daß das „Offenbarungsbuch eine Kirchengeschichte enthalte". N a c h Lavaters Auffassung will die Johannesapokalypse dagegen die „Zukunft des H e r r n " und was dieser unmittelbar vorhergehe, „in Sinnbildern" darstellen. „ M a n verwikelt sich", so meinte Lavater, „in die künstlichsten Labyrinthe, wenn man sich in den K o p f sezt, eine Kirchengeschichte daraus zu erzwingen." Interessant sind in dieser späten Korrespondenz auch Hahns ekklesiologische Vorstellungen 9 7 , besonders seine Gedanken über eine Kerngemeinde 9 8 . E r entwickelte in 9 1 Das sehr fragmentarische Reisetagebuch Lavaters nach Bad Pfeffers findet sich in Z B Z , FA Lav. Ms. 16.6. In den Einträgen wird Hahn nicht erwähnt. 9 2 Siehe Ph. M . Hahn, Echterdinger Tagebücher, S. 238, Eintrag vom 7. Juli 1785. 9 3 Siehe ebd. S. 257, 275, 406 u. 457, Einträge vom 20. Februar u. 6. November 1787, 12. Januar u. 21. Juni 1789. 9 4 Brief: Hahn an Lavater, 16. März 1787, Z B Z , FA Lav. Ms. 510, Nr. 241; gedr. in: R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. 78, Nr. 18: „Ich habe erst auch in Ihren Betrachtungen über den Matthaeus gelesen, die ich besitze und die mir sehr wehrt sind. Wir haben freylich ausser der eigenen subjectivischen Überzeugung, die Gott in dem wirckt, der ihn sucht, wenig Grund zur Überzeugung fur andere, bis mehrere Geistesgaben kommen und die Judenbekehrung anfangt. " 9 5 Siehe Briefe: Hahn an Lavater, 26. April 1788, ebd. Nr. 243; gedr. in: ebd. S. 79: „Überhaupt habe ich mich über die Offenbarung Johannis änderst gefaßt und bin von der bengelischen Erklärung und Zeitbestimmung abgegangen." Ebenderselbe an ebendenselben, 13. Juli 1788, ebd. Nr. 244; gedr. in ebd. S. 80: „ . . . ich bin schon lange von dem bengelischen Rechnungssystem abgegangen." Über Hahns Abkehr von Bengels Berechnungen siehe H. Lehmann, Pietismus und weltliche Ordnung, S. 122f. 9 6 Hierzu u. zum Folgenden siehe ζ. B . Brief: Lavater an Zeerleder, 21. Oktober 1800, ebd. Ms. 587, Nr. 7. 9 7 Siehe hierzu u. zum Folgenden Briefe: Hahn an Lavater, 26. April 1788, 2. März u. 21. Mai 1789, ebd. Ms. 510, Nr. 243 u. 245f.; die Briefe vom 26. April 1788 u. 21. Mai 1789 sind gedr. in: R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. 79f., Nr. 20 u. S. 81 ff., Nr. 23. 9 8 Bezüglich Hahns Überlegungen von Gemeinden ohne volkskirchliche Struktur siehe J . Rößle, Hahn, S. 94-103.

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diesem Z u s a m m e n h a n g seine Vorstellungen, wie eine solche organisiert sein könnte. Zusammenfassend kann m a n also sagen, daß das Verhältnis zwischen H a h n und Lavater als besonders eng und vertrauensvoll bezeichnet werden kann. Lavater selbst hat seiner Hochschätzung Hahns öffentlich in überschwenglichen Worten Ausdruck verliehen, als er im dritten Band seiner Physiognomischen Fragmente bekannte: „Wenn ich König wäre, der M a n n wäre mir eins der theuersten Produkte meines Reichs. Er brächte Gottes Weltsysteme in mein Cabinet-Wagen, alles zu wägen, in alle meine Magazine, und was mehr ist als beydes, die allertiefste und harmoniereichste Religion in meine Theologie - ob auch in meine Theologen, w ä r ' eine andere Frage?" 99 Natürlich hat er darüber hinaus auch im privaten Bereich i m m e r wieder lobend auf Hahn hingewiesen. So schrieb er 1778 an Ludwig Friedrich August Cölln: „Kennen Sie auch Hahns Schriften? Sein Fingerzeig, der izt in Leipzig u m g e d r u k t wird, ist nach d e m Ν . T. das kostbarste Büchelgen, das ich kenne. Eine einzige nicht hinlänglich lichtreine Stelle ausgenommen, hab' ich nichtsgöttlichers gelesen. Auch seine Postille ist vortrefflich." 1 0 0 Dieses enge Freundschaftsverhältnis ist nicht zuletzt darauf zurückzufuhren, daß sich Lavater und H a h n im Theologischen vielfach einig gewesen sind, so besonders in der Ablehnung der traditionellen Satisfaktionslehre. Ähnlich wie für Lavater war diese auch für H a h n nicht m e h r nachvollziehbar. Verbunden waren aber beide, wie deutlich geworden ist, nicht zuletzt auch dadurch, daß sie intensive Kontakte zur Welt a u f g e n o m m e n haben. Lavater hat sich, wie H a h n sehr richtig konstatiert hat, tief mit Kunst u n d Philosophie eingelassen. Hiervon geben die Gesprächsthemen bei ihren Z u s a m m e n k ü n f t e n und ihr Briefwechsel ein beredtes Zeugnis. Lavater hat aber nicht nur mit Hahn, sondern auch mit dessen Freundeskreis in freundschaftlichem Verkehr gestanden. H a h n selbst hat diese Verbindung gefordert, was beispielsweise aus der Tatsache evident wird, daß Lavater für dessen zirkulierende Korrespondenzbüchlein mehrfach Beiträge geliefert hat. Der erste Eintrag ist v o m 13. Januar 1781 datiert 101 . Darin warnte Lavater vor d e m Sektengeist und plädierte für eine gewisse Toleranz, wobei jedoch 99

Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 3, S. 274. Brief: Lavater an Cölln, 11. April 1778, Z B Z , FA Lav. Ms. 556, Nr. 46. Bezüglich Hahns Werk Fingerzeig siehe G.Mälzer, Werke, S. 133, Nr. 1001. Ein Nachdruck dieses Werkes erfolgte 1778 in Winterthur (siehe ebd. Nr. 1002); von einem in Leipzig erschienenen Nachdruck ist nichts bekannt. Bei der im Briefzitat erwähnten „Postille" dürfte es sich um Hahns Sammlung von Betrachtungen über alle Sonn-, Fest- und Feyertägliche Evangelien durch das ganze Jahr (siehe ebd. S. 126, Nr. 951) oder um dessen Sammlung von Betrachtungen über alle Sonn-, Fest- und Feyertägliche Evangelien, vom Neuen Jahr bis Ostern (siehe ebd. Nr. 952) handeln. 101 Hierzu und zum Folgenden siehe Joh. K. Lavater, Eintrag vom 13. Januar 1781 ins Hahnsche Korrespondenzbuch, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 30. Hierzu u. zum Folgenden siehe auch Anm. 46. 100

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die „Verherrlichung des Alleinherrlichen" die einzige verbindliche N o r m sein und bleiben müsse. „Werden wir doch nie, auch nicht auf die feinste Weise", fuhr er fort, „Knechte der Menschen, auch der weisesten, auch der f r ö m m s t e n nicht! Hüten wir uns doch vor nichts mehr, als vor Vermischung willkürlicher Erklärungsarten mit dem, was reine unwandelbare Wahrheit ist." Lavater hatte jedoch nicht erkannt, daß mit diesem Postulat die eigentliche Problematik erst anhebt. Worin besteht die „Verherrlichung des Allerherrlichsten" und wie soll sie geschehen? In einem weiteren Beitrag 102 v o m 10. Dezember des gleichen Jahres griff Lavater nochmals die Thematik seines ersten Briefes variierend auf. Er vertrat erneut die Auffassung, daß man die christliche Doktrina weder inhaltlich genauer bestimmen noch weiter fassen dürfe als das apostolische Zeugnis. „Mich dünkt", schrieb er, „das war der Anfang alles Übels in der Kirche, daß m a n von der göttlichen Einfalt der apostolischen Bestimmtheit und Unbestimmtheit abwich. Mich dünkt, der, so mehr bestimmen will, das heißt, solche Bestimmungen zu Bedingungen machen will, u n d der, so weniger bestimmt haben will, als die Apostel, sind beyde gleich weit von der Wahrheit und Einfalt entfernt." Gegen Ende seines Eintrages bemerkte er jedoch, daß er „von der unermeßlichen Seeligkeit eines Ganzgläubigen eine Idee habe", die er bislang „weder in diesen Briefen, noch in irgend einem lebenden Menschen" angetroffen habe. Schließlich fuhr er fort: „Verzeihet mir oder verzeihet mir nicht, daß ich abermahl schreiben muß: wir stehen, w e n n ' s w o h l gehet, alle noch im Vorhofe. Im Heiligthum scheint mir noch keiner zu stehen." Der ,Ganzgläubige' w a r aber für Lavater letztlich derjenige, der, in einer kontinuierlichen K o m m u n i k a t i o n mit Christus stehend, sich durch demonstrierbare göttliche Taten legitimieren kann. Dagegen ist der Eintrag 103 v o m 19. März 1782 recht knapp ausgefallen. Lavater steuerte nämlich diesmal nur einige Aphorismen bei, die sich teils an Bibelzitate anlehnen teils diese interpretieren. Auch der Beitrag Lavaters 104 im Hahnschen Korrespondenzbuch v o m 17. März 1783 hebt einerseits nur kurz die N o t w e n d i g k e i t individueller Freiheit hervor und betont andererseits die Wichtigkeit des Wachstums in der Einfalt. Dagegen k a m Lavater in seinem umfangreichen Beitrag 105 v o m 23. N o v e m b e r 1784 unter anderem 102 Hierzu und zum Folgenden siehe J o h . K . Lavater, Eintrag vom 10. Dezember 1781 ins Hahnsche Korrespondenzbuch, LB Stuttgart, Cod. hist. 8° 103 b, S. 87-91; vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 33. 103 J o h . K . Lavater, Eintrag vom 19. März 1782 ins Hahnsche Korrespondenzbuch, LB Stuttgart, Cod. hist. 8° 103c, S. 103. 104 Hierzu und zum Folgenden siehe Joh. K. Lavater, Eintrag vom 17. März 1783 ins Hahnsche Korrespondenzbuch, U B Greifswald, S. 168; vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 34. 105 Joh. K. Lavater, Eintrag vom 23. November 1784 ins Hahnsche Korrespondenzbuch, U B Greifswald, Korrespondenzbuch V, S. 104-108. Unter dem gleichen Datum finden sich in einem anderen Hahnschen Korrespondenzbuch (s. Anm. Nr. 46) noch vier kurze Beiträge Lavaters, die die gleiche Thematik zum Inhalt haben. Offenbar war Lavater dazumal mehr als eines der zirkulierenden Korrespondenzbücher zugegangen.

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nochmals auf seine frühere Behauptung zurück, daß nach seiner Beobachtung alle gegenwärtigen Gläubigen noch im „Vorhofe" ständen. Diese Aussage war nämlich in den Korrespondenzbüchern auf mannigfache Kritik gestoßen. Lavater wiederholte seine Auffassung und forderte den, der meine sich bereits im „Heiligthum" zu befinden, auf, sich bei ihm zu melden, damit er sich „zu seinen Fersen hinwerfe". Hinsichtlich der Mitglieder aus dem Hahnschen Freundeskreis, zu denen Lavater nähere Beziehungen gehabt hat, muß vor allem Israel Hartmann 1 0 6 , Schulmeister am herzoglichen Waisenhaus in Ludwigsburg, genannt werden. Persönlich begegnet sind sie sich, wie bereits angeklungen ist, erstmals am 8. August 1774 in Ludwigsburg, wo Lavater ihn auf dem Heimweg von seiner Kur in Bad E m s aufgesucht hat107. Allerdings hatten sie bereits seit mehr als einem Jahr miteinander korrespondiert 108 . Hartmann hat seinen Züricher Freund übrigens damals durch ganz Württemberg bis nach Schaffhausen begleitet, w o er dessen Ehefrau kennenlernte, die ihrem Mann entgegengereist war. In der Folgezeit haben sich Hartmann und Lavater dann noch mehrfach besucht. Bereits zweiJahre später hat Hartmann seinem Züricher Freund einen mehrtägigen Besuch abgestattet 109 und im Juni 1778 war Lavater auf der Rückreise von seinem Aufenthalt in Pondorf bei Gaßner in Ludwigsburg zu Gast 110 . Imjuli 1782 stellte sich Lavater dort erneut ein 111 ,

106 ü b e r Lavater und Israel Hartmann siehe bes. W. Grube, Israel Hartmann, S. 259-262. Siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Bad Ems, Eintrag vom 8. August 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 16a; I. Hartmann, Tagebuch 1774, Einträge vom 8. bis 16. August 1774, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 2. Vgl. Brief: Israel Hartmann an Lavater, 8. August 1775, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 11: „Heute ist es ein Jahr, da in der Abenddemmerung Ihr heiteres Angesicht mein finsteres beleuchtet, mein Herz erfreute, mein Haus voll Wonne machte, da ich Ihr Angesicht das erste mal sähe." los £ ) e r e r s t e in der Z B Z erhalten gebliebene Brief von Lavater an Israel Hartmann ist datiert vom 4. Juni 1773 (ebd. Ms. 563, Nr. 88; vgl. SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 74 c). Der erste hier überkommene Brief von Hartmann an Lavater trägt das Datum vom 10. September 1773 (ebd. Ms. 511, Nr. 6). Im SA Ludwigsburg (PL 701, Bü 74c) ist der frühest erhaltene Brief von Lavater an Hartmann vom 12. Februar 1773 datiert; allerdings geht aus dem Inhalt dieses Schreibens eindeutig hervor, daß schon vorher eine Korrespondenz bestanden haben muß. 107

109 Siehe I. Hartmann, Tagebuch 1776, Einträge vom 13. bis 20. Oktober, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 4. Anläßlich eines Besuches von Schloß Hegi bei Winterthur, wohin man von Zürich aus gereist war, verfaßte Lavater übrigens für Elisabeth von der Recke, die einstige Freundin von Hartmanns frühverstorbenem Sohn Gottlob David, ein Gedicht, dessen erste Verszeile lautete: An unseres Hartmanns Seite ging ich, teilweise abgedr. in: W. Grube, Israel Hartmann, S. 261. 110 Siehe I. Hartmann, Tagebuch 1778, Einträge vom 24. u. 25. Juni, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 5. Vgl. Brief: Lavater an Anna Lavater, 24. Juni 1778, Z B Z , FA Lav. Ms. 570, Nr. 151: „Soeben lang' ich in Ludwigsburg an, bin in Schulmeister Hartmanns Hause; verreise gleich noch weiter zur Frl. von Maßebach, die arme Leidende durch meine Erscheinung zu trösten." 111 Siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Frankfurt, Eintrag vom 21. Juli 1782, Z B Z , FA Lav. Ms. 14, 1 a; I. Hartmann, Tagebuch 1782, Eintrag vom 21. Juli, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 7.

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und im Jahr darauf erfolgte eine weitere Begegnung in Stuttgart 112 . Z u m letzten Mal sind sie im August 1793 in Ludwigsburg zusammengetroffen, als Lavater von seiner Reise nach Dänemark über Württemberg in die Schweiz zurückkehrte 113 . Hartmann und Lavater standen in einer regen Korrespondenz 1 1 4 ; allerdings hat Anna Barbara von Muralt, Lavaters innigst vertraute, vierzehn Jahre ältere Kusine vielfach an seiner Statt die Beantwortung der Briefe übernommen 115 . Hartmann ließ dem Züricher Freund in seinen Briefen manche Information aus Württemberg zukommen, so daß dieser über die dortige kirchliche Situation recht gut unterrichtet war. Außerdem hat er ihm mancherlei über seinen genialen, dem Pietismus kritisch gegenüberstehenden Sohn Gottlob David mitgeteilt, der seit 1774 bis zu seinem frühen plötzlichen Tod im folgenden Jahr Professor in Mitau in Kurland gewesen ist. Dies ist u m so verständlicher, als Lavater mit diesem Frühvollendeten schon seit 1772 freundschaftlich verbunden gewesen ist 116 , wovon auch die drei Porträts mit ihrer Charakteristik in den Physiognomischen Fragmenten 117 Zeugnis geben. Auch ist es letztlich Lavater gewesen, der die Aussöhnung zwischen ihm und seinem Vater herbeigeführt hat 118 . Wie sehr sich Lavater mit Israel Hartmann verbunden wußte, davon zeugen zwei Gedichte, die er für ihn verfaßt und in seiner Christlichen Monat-Schrift fur Ungelehrte publiziert hat 119 , sowie ein Brief an ihn, der in 112 I. Hartmann, Tagebuch 1783, Eintrag vom 8. Juli, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 8. Vgl. Ph. M. Hahn, Echterdinger Tagebücher, S. 64, Eintrag vom 10. Juli 1783. 113 Siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Kopenhagen, Eintrag vom 30. Juli 1793, Z B Z , FA Lav. Ms. 24. Vgl. Brief: Lavater an Israel Hartmann, 4. September 1793, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 60 (vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 104). 114 In der Z B Z finden sich 21 Briefe Lavaters an Hartmann (FA Lav. Ms. 563, Nr. 88-108) und 72 Briefe von Hartmann an Lavater (ebd. Ms. 511, Nr. 1-72). Zahlreiche Briefe der Korrespondenz finden sich auch im SA Ludwigsburg, PL 701. 115 Siehe Briefe: Lavater an Israel Hartmann, 25. März 1784, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 62: „Ich verlasse mich auf die gute Muralt, daß sie Ihnen wieder einige Zeichen meiner bisherigen Wirksamkeit senden wird." Im SA Ludwigsburg (PL 701, Bü 69) befinden sich zahlreiche Briefe von Muralt an Israel Hartmann. 116 Siehe W. Lang, G. D. Hartmann, bes. S. 46-50, 67-76. 117 Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 1, S. 258. 118 Siehe W. Lang, G. D. Hartmann, bes. S. 55 u. 74; W. Grube, Israel Hartmann, S. 258-261 (Lit.). 119 Das erste Gedicht, in dem Lavater seinen Freund zum Festhalten am Glauben aufforderte, lautet: „An Israel Hartmann. Dehmuth hat ein Recht auf Gott, das sie selbst nicht ahnet. / Liebe hat ein Recht auf Erbarmungen deß, der die Lieb' ist. / Glaube hat ein Recht an alle Verheissungen Gottes - / Also bleibe, Freund, in dem Glauben, den Gott in dein Herz legt / Bleib' in der Bruderlieb' und der Dehmuth, welche sie krönet, / Und ein dreyfach Recht auf Gottes Erbarmungen bleibt dein! / Z. den 12. II. 94, in: Joh. K. Lavater, Christliche Monat-Schrift fur Ungelehrte, [Bd. 1], 1794, S. 178. Im Jahre 1795 hat Lavater erneut ein Gedicht für Hartmann in dieses Publikationsorgan eingerückt: „An Israel Hartmann. / Auch für Dich lebt ganz das allerlebendigste Leben! / Dich auch liebt, als liebe Sie Dich nur, die ewige Liebe. / Dich - auch fuhrt zum Ziele die Hand, die Alles zum Ziel fuhrt. / Auch fur Dich, als stürb' Er für Dich nur,

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der Handbibliothek für Freunde abgedruckt worden ist120. Jedoch hat er dem Waisenhausschulmeister keineswegs kritiklos gegenübergestanden, wie aus seinen Anmerkungen zu dessen Brustbild in den Physiognomischen Fragmenten evident wird121; allerdings hat Lavater nicht vermerkt, daß es sich bei dem Porträt um dasjenige Hartmanns handelt. In Kontakt stand Lavater auch mit Israel Hartmanns Vetter, dem Expeditionsrat Johann Georg 122 in Stuttgart, den er dort erstmals im Sommer 1774 kennengelernt hat123. Dieser Begegnung folgten später weitere, so im Juli 1782124. Er war dem Züricher Pfarrer in der Vermittlung von Zeichnungen und Kupferstichen behilflich. Überblickt man Lavaters Beziehungen zum Württembergischen Pietismus nochmals im Zusammenhang, dann wird evident, daß er besonders mit Hahn und seinem Kreis eng verbunden gewesen ist. Warum hat er aber gerade zu dieser Form des Württembergischen Pietismus ein besonderes Verhältnis gehabt? Die Antwort ist, wie vielfältig angeklungen ist, zweifelsohne darin zu suchen, daß hier eine bedeutend freiere Theologie und größere geistige Aufgeschlossenheit herrschte. Diesen Tatbestand hat Hahn selbst in einem Brief an Lavater v o m 24. April 1788 trefflich folgendermaßen formustarb an den Kreutz Der, / Welchen Christus die Erde, der Himmel allmächtigen Gott nennt! / Den 7. V. 1795, in: ebd. Bd. 1, 1795, S. 175. 120 Dieser Brief von Lavater an Israel Hartmann, 2. September 1790 (SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 74c; vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 101) findet sich gedr. in: J o h . K . Lavater, Handbibliothek, Bd. 4, 1790, S. 193f., unter der Rubrik Briefe, Briefchen und Auszüge aus Briefen mit dem Titel An Nathanael Hartmann in Ludwigsburg. 121 Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 2, S. 214. Das Porträt scheint von Weisbrod zu sein. Siehe Briefe: Lavater an Israel Hartmann, 18. Juli 1773, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 74c (vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 89): „Ich wünschte von ihnen und H. Thut auf einem Octavblat jedes ein außerordentlich kenntliches mit englischem Bleystift gezeichnetes, lieber aber feingetuschtes Porträt im Profile, von einem guten Zeichner auf meine Unkosten zu haben. H. Thut ohne Kappe - in das größere Oval, nur bis auf die Brust, und dann wünscht ich auch Ihre liebe Frau in das andere Oval; alle drey Porträte im Profil äußerst bestimmt u. richtig schattirt, besonders den äußern Umriß scharf u. genau nach der Natur gezeichnet, sobald möglich." Ders. an dens., 31.Juli 1773, ebd. (vgl. Nr. 90): „Sie haben mir mit der genauen und schnellen Erfüllung meiner Bitte eine große Freüde gemacht. Wenn Ihr und Ihrer Frau Porträte so kenntlich sind, wie des Herrn Thut, so ist meine Freüde um so viel g r ö ß e r . . . Aber was soll ich von Herrn Profeßor Weißbrods gedoppelter Generosität sagen?" Vgl. auch Brief: Lavater an Gottlob David Hartmann, 10. Oktober 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 563, Nr. 125: „Dein Vatter ist die redlichste, liebenswürdigste Seele, die ich in meinem Leben gesehen. Schmoll zeichnete mir sein Bild." Vgl. auch die in der Ö N B Wien (Slg Lav XIV / 185 / 9869) befindliche lavierte Bleistiftzeichnung, die die obere Körperhälfte Hartmanns halb links darstellt, von Heinrich Pfenninger. 122 In der Z B Z finden sich acht Briefe von Lavater an Johann Georg Hartmann (FA Lav. Ms. 563, Nr. 127-134) und elf Briefe von Hartmann an Lavater (ebd. Ms. 511, Nr. 128-137 u. Ms. 510, Nr. 22-24). 123 Siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Bad Ems, Einträge vom 10.-12. August 1774, ebd. Ms. 16a. 124 Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Frankfurt, Eintrag vom 21. Juli 1782, ebd. Ms. 14.1a.

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liert: „Ich halte zwar freye Erbauungsstunden, aber gantz ohne pietistischen Anstrich, deßwegen gefalle ich auch einigen hiesigen Pietisten und Mystikern nicht." 125 Sodann muß hierbei mit bedacht werden, daß Lavater und Hahn sowie dessen Freundeskreis nicht nur durch eine recht rege Korrespondenz miteinander verbunden waren. Vielmehr sind sie sich auch des öfteren persönlich begegnet, weil Lavater die Routen seiner häufigen Reisen in verschiedene deutsche Territorien immer wieder bewußt durch Württemberg genommen hat. Dieses wiederholte Zusammentreffen hat sicherlich nicht unwesentlich zu einem besseren Verständnis beigetragen.

3. Lavater und der fränkische Spätpietismus

Lavater hatte aber nicht nur Beziehungen zu Pietisten am Niederrhein und in Württemberg, sondern auch zu solchen in Franken. Die brieflichen Kontakte, die dorthin Ende der sechziger Jahre einsetzten, waren jedoch anfänglich nur auf einige wenige Personen beschränkt, nämlich auf den Kaufmann Johann Christoph Karg und den Bäcker Georg Matthias Burger, die beide in der Freien Reichsstadt Nürnberg wohnten, sowie auf den Pfarrer Christian Friedrich Buchrucker. In den achtziger Jahren kamen dann jedoch noch einige andere Personen hinzu, mit denen Lavater korrespondiert und die er später auch persönlich kennengelernt hat. Als er mit ihnen bekannt wurde, gehörten sie fast ausnahmslos der im Dezember 1781 gegründeten Nürnberger Partikulargesellschaft der Deutschen Gesellschaft edler thätiger Beförderer reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit an. Deshalb soll auf diese Beziehungen erst im Zusammenhang mit der Darstellung über Lavaters Verhältnis zu dieser seit 1804 allmählich als Deutsche Christentumsgesellschaft bezeichneten Sammelbewegung eingegangen werden. Da Karg aber von Anfang an ein bedeutendes Mitglied der Nürnberger Partikulargesellschaft war und der Briefwechsel mit Lavater in den achtziger sowie vor allem in den neunziger Jahren wesentlich intensiver wurde, soll hier die Verbindung zwischen dem Nürnberger Kaufmann und dem Züricher Pfarrer ebenfalls nur bis zur Konstituierung der Nürnberger Partikulargesellschaft verfolgt werden. Dagegen hat Buchrucker ihr niemals angehört, wenngleich er mit mehreren ihrer Mitglieder, besonders mit dem Nürnberger Kaufmann Johann Tobias Kießling, freundschaftlich verbunden war. Die Bekanntschaft Kargs mit Lavater 1 reicht nach einem von ihm 1793

125 Brief: Hahn an Lavater, 26. April 1788, ebd. Ms. 510, Nr. 243; gedr. in: R. F. Paulus, Hahn und Lavater, S. 80, Nr. 20. 1 In der Z B Z finden sich 21 Briefe Lavaters an Karg (FA Lav. Ms. 568, Nr. 28-48) und 39 Briefe von Karg an Lavater (FA Lav. Ms. 516, Nr. 46-84). Im LKA Nürnberg sind drei Briefe von Lavater an Karg erhalten (Rep. 101, Personen II, Nr. 16).

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verfaßten Gelegenheitsgedicht bis in das Jahr 1768 zurück 2 . Er war, wie er darin mit unverkennbarem Stolz hervorhob, wohl der erste Freund, den Lavater „in Nürnbergs Mauern" gehabt habe. Frühzeitig wurde Karg ein intensiver Leser von dessen Schriften. Im Jahre 1773 konnte er in einem Brief 5 an Lavater folgende in seinem Besitz befindlichen Werke nennen: die gedruckten Schreiben an Moses Mendelssohn, die Predigt bey der Taufe zweyer Israeliten samt einem kurzen Vorbericht, Geheimes Tagebuch, Predigten über das Buch Jonas und Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuch. Karg wurde sogar indirekt zu einem Mitarbeiter Lavaters. Er machte ihn nämlich auf den Nürnberger Kupferstecher Johann Nusbiegel 4 aufmerksam. Dieser hat dann seit 1773 fur Lavaters Physiognomische Fragmente und dessen Jesus Messias Oder Die Evangelien und Die Apostelgeschichte Stiche hergestellt. Hierbei wurden Aufträge, Beanstandungen, Versand und Bezahlung über Karg abgewickelt 5 . Schon recht bald ist im Briefwechsel zwischen Karg und Lavater dessen gespanntes Verhältnis zu Oetinger zur Sprache gekommen. Bereits Ende 1773 klagte er nach der Lektüre von Lavaters Unveränderten Fragmenten aus dem Tagebuch über dessen öffentliche Kritik an Oetinger 6 . Auch verteidigte er dessen Verbindung zu Swedenborg; diese Kontaktaufnahme sei nur wegen der Frage nach der postmortalen Existenz der Abgeschiedenen erfolgt 7 . Jedenfalls versuchte Karg anläßlich eines viertägigen Besuchs Oetingers in Nürnberg v o m 3. bis 7. März 1775 zwischen beiden zu vermitteln 8 . } Diese Berechnung ergibt sich aus dem Titelblatt des Gelegenheitsgedichtes. Darüber siehe S. 134, Anm. 41. 3 Siehe Brief: Karg an Lavater, 11. November 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 47. Bezüglich der in dem Brief erwähnten gedruckten Schreiben an Moses Mendelssohn siehe das 1770 im Druck erschienene Werk Briefe von Mendelssohn und Lavater. 4 Über Lavaters Verhältnis zu diesem Künstler siehe F. O. Pestalozzi, Lavaters Beziehungen zur Kunst, S. 75. 5 Siehe Briefe: Karg an Lavater, 11. u. 25. November 1773 sowie 8. Januar, 13. April u. 25. Dezember 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 47-51. Vgl. Brief: Lavater an Karg, 6. April 1774, ebd. Ms. 568, Nr. 30. 6 Brief: Karg an Lavater, 11. November 1773, ebd. Ms. 516, Nr. 47: „Wenn ich was von meinem Bruder Oet[inger] gefunden, da wurde ich roth-weiß. Die Vorrede meines Bruders Freyh. von Braun fiel mir immer ein: Neide bey Frommen und Gelehrten; es ist zwar schön, so man es zur Besserung thut und aufnimmt, allein das Ding wird so stark Mode, daß beynahe keiner den andern in öffentlichen Schrifften schonet; darinnen wünschte ich mehr Friede." 7 Siehe Brief: Karg an Lavater, 25. November 1773, ebd. Nr. 48. 8 Siehe Brief: Karg an Lavater, 18. März 1775, ebd. Nr. 52: „Das Erste und Neueste muß ich Sie sagen, daß Oetinger in Begleitung Hofrath Wolther [Waither] von Gaildorf mich auf 4 Tag besucht, es war den 3. bis 7. Merz. Habe Oet[inger] von Gesicht nicht gesehen, habe ihm bey mir logirt, und da er 73 Jahr alt, wolte er mich auch von Angesicht kennen. Gott seye gedankt, daß ich diesen alten Bruder dann auch beßer kännen lernte; wir hatten gesegnete Stunden, aber nur vor uns. Freylich würde ich mich bey seinen körnigten Gold an den Schlacken stoßen; allein, das müßen Brüder aneinander tragen. Ich bin an der Haubtsache vor Gott und Christo zu frieden und habe entlich über Oetinger wieder Lavater gesieget, davor Gott gepriesen. Unter uns, mein Bruder, seye es Ihnen gesagt. Oet[inger] ist so plan, daß er nicht im Stande ist, das Geringste zu überziehen oder zu polieren; alles geht aus den Herzen, das freylich oft massiv fält;

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Tatsächlich konnte er erreichen, daß Oetinger schließlich konzedierte: „Ich erkenne Lavatern als ein Werkzeug Gottes; thut mir leid, daß mich niemand so gründlich belehrt. D u hast recht, Bruder, daß ich zu viel wieder ihn gethan habe; ich wolte, daß vieles nicht geschrieben und geschehen were; ich m u ß sehen, wie ich besere; ich wünsche, daß ich mit Lavatern recht ausreden könte. " 9 Als Karg seinem Züricher Freund dies Geständnis mitteilte, äußerte sich dieser sichtlich befriedigt; betonte aber recht selbstgerecht seine eigene Unschuld und kritisierte erneut Oetingers Mangel an gedanklicher u n d begrifflicher Klarheit 10 . Er schrieb: „Daß Sie Ötingern gesehen, freüt mich; daß Sie ihn so ehrlich, einfältig gefunden, noch mehr. Ich konnte mich über sein Betragen gegen mich oft nicht genug befremden. Von aller Rache rein, hätt' ich jedoch oft das Thörichte in seinen Predigten und Schriften rügen m ö g e n . Wie wär's mir ergangen, da er mich ganz unschuldig, da ich nichts that, so verfolgte. Eins furcht' ich immer, daß seine Freünde ihn sehr vergöttern, so wie seine Feinde ihn zu sehr v e r d a m m e n . Seine Wizlosigkeit, die m a n Planheit nennen kann, hab' ich bey Anlaß eines U m r i ß e s von i h m i m ersten Theil meiner Fragmente, o h n ' ihn zu nennen, angezeigt. In meinen Privatwerkehen, welches ich mache, k o m m t er wieder v o r . " In der Korrespondenz k a m auch Lavaters Sehnsucht nach außerordentlichen religiösen Erfahrungen zur Sprache. Karg war durchaus mit i h m der Meinung, daß die urgemeindlichen Wundergaben auch in der Gegenwart noch fortdauern. Ein zwiespältiges Echo i m N ü r n b e r g e r Freundeskreis Lavaters fand j e d o c h die K u n d e von dessen brieflicher Kontaktaufnahme 1 1 zu d e m Wunderheiler Gaßner u n d seiner diesbezüglichen Kontroverse mit d e m Theologen J o h a n n Salomo Semler. „Einige innige Verehrer Deiner Schriften", teilte er Lavater mit, „sind sehr beleidiget, so der Brief [von ihm, sc. Lavater, bekannt] ward; sie wollen nichts hören, daß Lavat. mit Gaßner was zu thun hat." 1 2 Sodann gab er i h m einige Informationen über Gaßner weiter, wobei er seine Skepsis gegen dessen Praktiken deutlich durchblicken ließ. Dieser hielt sich zu der Zeit „10 Stunden" von N ü r n b e r g entfernt zur A u s ü b u n g seiner Heilungskuren auf. Karg schrieb: „Redliche Leute sagen, es seye nichts in der Einbildung, sondern seine C u r hilft so lange man glaubt, traut, nicht sündiget. Die mehresten b e k o m m e n ihr Übel wieder." Inzwischen sei aber die Behandlungsmethode Gaßners auch von anderen aufgegriffen und erfolgreich angewendet worden. „Es lernens vile Leute; es sollen aber seine Kenntniß in der Grundsprache und der große unentliche devote Respect vor Gottes Wort, das ist intressant; genug ich siegte." » Ebd. 10 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Karg, 29. März 1775, ebd. Ms. 568, Nr. 31. 11 Der erste Brief Lavaters an Gaßner stammt von Herbst 1774; auszugsweise gedr. in: G. Geßner, Lebensbeschreibung, Bd. 2, S. 201. In der Z B Z , FA Lav. findet sich kein Brief Lavaters an Gaßner in Original oder Abschrift. 12 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Karg an Lavater, 9. November 1775, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 53.

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schon 3 bis 4 Geistliche i h m alles nachmachen in gleicher Kraft u n d dahero wird es sehr allgemein." Abschließend gab Karg in diesem Schreiben seinem Züricher Freund w o h l auch in Anbetracht der literarischen Kontroverse mit Semler wegen des Wunderheilers 1 3 den Rat: „Denke aber doch, Lieber, so der Brief [sc. an Gaßner] von Dir, D u schweigest still. Semmler hat Dich sehr mißhandelt. Ist es die Sache Gottes, wirds sich zeigen." Außer mit Karg hat Lavater mit dem N ü r n b e r g e r Bäcker Georg Matthias Burger 1 4 in einem allerdings nur kurzen Briefkontakt gestanden 15 . Dieser N ü r n b e r g e r Mystiker, der j e d o c h nur mit gewissen Einschränkungen zu den dortigen Spätpietisten zu rechnen ist, besaß in seiner umfangreichen Bibliothek auch Werke Lavaters, darunter wahrscheinlich die Aussichten in die Ewigkeit 1 6 . N e b e n diesen N ü r n b e r g e r n hat besonders Pfarrer Christian Friedrich Buchrucker 1 7 , der seit 1780 in Rehweiler, einem O r t i m Steigerwald an der Straße zwischen Abtswind und Geiselwind gelegen, und von 1794 bis zu seinem Lebensende 1824 in Kleinweisach wirkte, mit Lavater in brieflicher Verbindung gestanden 18 . Ihre länger als zwanzigjährige Korrespondenz, die spätestens i m S o m m e r des Jahres 1778 begann 19 , als Buchrucker noch Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Triest war, ist anfänglich nur zögernd in Gang g e k o m m e n . Lavater stieß sich nämlich damals und auch später noch an Buchruckers drängerischem eschatologisch-apokalyptischem Glauben. A m 10. April 1779 schrieb er ihm: „ D u ermüdest mich mit Deinem ruhelosen, lichtlosen, kraftlosen Stürmen auf die Wiederkunft Christi. Was k o m m t dann n u n am Ende aus allem Sturm heraus? Nicht Glut der Liebe, aber hochfakelndes Strohfeuer löscht' ich gern in Dir." 2 0 Z u m anderen hat er an Buchruckers geistlicher Dichtung, die dieser i h m zugesandt hatte, schärfste Kritik geübt. Er bezeichnete sie i h m gegenüber bereits am 5. März 1779 als 13 Über die Kontroverse zwischen Lavater und Semler wegen des Exorzisten und Wunderheilers Gaßner siehe u. a. J. Hanauer, Gaßner, S. 99-120; vgl. L Hammermayer, Geschichte der Bayerischen Akademie, Bd. 2, S. 49-52. 14 Über Burger siehe W. Kunze, Der Rosenbäker Burger; W. Kunze, Burger; Fr. Hauck, Burger. 15 In der Z B Z findet sich kein Brief von Burger an Lavater, jedoch einer von Lavater an Burger (FA Lav. Ms. 555, Nr. 1); er ist datiert vom 27. März 1791. 16 Siehe G. H. Schubert, Der Erwerb, Bd. 2, Abt. 2, S. 357. 17 Über Chr. Fr. Buchrucker siehe K. Buchrucker, Christian Friedrich Buchrucker. 18 In der Z B Z finden sich 27 Briefe von Buchrucker an Lavater (FA Lav. Ms. 504, Nr. 33-59) u. 20 Briefe von Lavater an Buchrucker (FA Lav. Ms. 554, Nr. 63-83 u. Ms. 589i). Im LKA Nürnberg sind neun Briefe von Lavater an Buchrucker und zwei von Buchrucker an Lavater deponiert (Rep. 101, Personen II, Nr. 16). Acht Briefe von Lavater an Buchrucker finden sich gedr. in: Ch. Fr. Buchrucker, Lavaters Monument, S. 10, 22-35. Zwei Briefe von Lavater an Buchrucker finden sich teilweise gedr. in: Joh. K. Lavater, Vermischte Schriften, Bd. 2, S. 78 f. u. 139 ff. 19 Der erste erhaltene Brief aus dieser Korrespondenz stammt aus der Feder Lavaters und ist vom 5. September 1778 datiert (LKA Nürnberg, Rep. 101, Personen II, Nr. 16). In diesem Schreiben dankt Lavater Buchrucker für einen „Brief und die Beylage". 20 Brief: Lavater an Buchrucker, 10. April 1779, Z B Z , FA Lav. Ms. 554, Nr. 67 f.

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reines „frommpoetisches Schwadronniren" 21 . Buchrucker hat aber dennoch Lavater wiederholt einige seiner Gedichte und Lieder, zum Teil gedruckt, zur Beurteilung zugehen lassen22. Diese hat er teilweise schonungslos kritisiert. So erklärte er in einem Brief 23 v o m 2. Mai 1787, daß er „weder Herausgeber noch Beförderer zur Herausgabe" der zugesandten Verse sein könne, „da sie voll Fehler u . . . voll ungenießbarer Kruditäten" seien. Dringend riet er ihm ab, künftig Lieder im Druck erscheinen zu lassen. Trotz dieser Kritik hat Buchrucker seine Verehrung fur Lavater nicht aufgegeben. Deutlich wird dies beispielsweise daran, daß er dessen Sechszig Lieder nach dem Zürcherischen Catechismus bei seinen Privatandachten verwendet hat. A m ersten Advent 1799 schrieb er nämlich an Lavater: „Deine Catechismus Lieder, die D u mir anverehrtest, benüz ich im Privat Gottesdienst. Täglich nach dem Morgenseegen wird eins gelesen mit dem Wunsch: Erhalte Herr diesen salbungsvollen Lehrer, diesen treuen Bekenner, D u Edler, Deiner Kirche!"24. Für seinen am 19. Juni 1800 geborenen ersten Sohn Johann Christian hat Buchrucker sogar den schwer verwundet daniederliegenden Lavater zum Paten gewählt 25 . „In meinem Hauße", schrieb er am 30. August 1800, „in meiner ganzen Freundschaft und Gegend war und ist Freude, daß Du, mein Verehrungswürdiger, Gevatter bist. Deine Träne und Dein Gebet für mein Kind soll der Pathen-Pfennig seyn. "26 Schließlich hat Buchrucker seine große Hochschätzung gegenüber Lavater bald nach dessen Tod 27 in einer kleinen, im Jahre 1801 gedruckten Gedächt21

Brief: Lavater an Buchrucker, 5. März 1779, ebd. Nr. 66. Hierzu und zum Folgenden siehe Briefe: Lavater an Buckrucker, 21. März 1783, 2. Mai 1787, 2. September 1793, LKA Nürnberg, Rep. 101, Personen II, Nr. 16 (vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 554, Nr. 70f. u. 76); Buchrucker an Lavater, 22. März 1787 u. 12. April 1793, Z B Z , FA Lav. Ms. 504, Nr. 39 u. 46. 23 Brief: Lavater an Buchrucker, 2. Mai 1787, Z B Z , FA Lav. Ms. 554, Nr. 71; vgl. Briefe vom 8. Januar 1788 u. 2. September 1793, ebd. Nr. 72 u. 76. 24 Brief: Buchrucker an Lavater, 1. Dezember 1799, ebd. Ms. 504, Nr. 55. 25 Siehe Brief: Buchrucker an Lavater, 21. Juni 1800, ebd. Nr. 56 (vgl. LKA Nürnberg, Rep. 101, Personen II, Nr. 16). 26 Brief: Buchrucker an Lavater, 30. August 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 504, Nr. 57. In diesem Zusammenhang sei daraufhingewiesen, daß Lavater schon zuvor seinen Freund im Steigerwald zum Paten fur seine am 1. November 1778 geborene Tochter Louisa Magdalena gewählt hatte. Diese war allerdings bereits am 7. Oktober 1779 im Alter von elf Monaten wieder verstorben. Siehe Brief: Lavater an Buchrucker, 21. März 1783, LKA Nürnberg, Rep. 101, Personen II, Nr. 16 (vgl. Z B Z , FA Lav. Ms. 554, Nr. 70): „Lieber Gevater! Dein Dötli oder Deine Gotten, wie wir in der Schweiz sagen, ist längst im Lande der Ruhe und der Freyheit. Es wurde nicht viel älter als ein Jahr." Von der auf dem Totenbett liegenden Louisa Magdalena Lavater ist ein Joh. H. Lips zugeschriebenes Porträt vorhanden; Bildnachweis siehe B. Weber, Porträt, S. 111, Nr. 112. 22

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Lavater hatte übrigens Buchrucker eine Denkzeile (ZBZ, Lav. Η. 1002, Nr. 3) nach seinem Tod zugedacht. Sie lautet: „Laß, er edler Frommer, nur Wahrheit jedes Gefühl seyn - / Halte für wahr nur das, was Dir, wie Dein Leben gewiß ist / Was dem Wahrheitsfreunde, der weis ist, leicht ist beweisbar, / diese Wahrheit macht Dich ruhiger, seeliger täglich. / den 18. X. 1800. L."

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nisschrift z u m Ausdruck gebracht, die den Titel trägt Lavaters M o n u m e n t i m Steigerwald 28 . In dieser Schrift hatte er zunächst kurz über seine Brieffreundschaft mit Lavater berichtet und dann dessen gegenwärtige und zukünftige Bedeutung panegyrisch in Prosa und Versen besungen. Bezeichnenderweise hat er hierbei Lavaters Kritik an seiner starken Endzeiterwartung nicht u n e r w ä h n t gelassen, w o h l aber die an seinen geistlichen D i c h t u n gen. Aber sonst wäre es i h m w o h l auch nicht möglich gewesen, in diesem kleinen Werk Gedichte auf seinen verstorbenen Züricher Freund zu veröffentlichen, die vielfach im Versmaß falsch u n d im Ausdruck unzutreffend sind. Allerdings wäre es verfehlt, aus diesen Beispielen folgern zu wollen, daß Buchrucker Lavater völlig kritiklos gegenübergestanden hätte. Vielmehr a r g w ö h n t e er, sein Freund lasse sich zu sehr mit der Welt ein. „ O b Dich aber", so fragte er ihn in einem Brief v o m 17. N o v e m b e r 1788 irritiert u n d besorgt, „Deine Wißbegierde nicht bisweilen hinreiße? O b D u nicht m a n c h mal C h r i s t u m in der Welt suchest? Großer Mann, verzeih, daß ein kleiner diese Frage an Dich thut. " 29 Hierauf antwortete Lavater, die eigentliche Intention der Frage mißverstehend oder auch ihr ausweichend: „Für Deine edelbescheidne Warnung dankt Dir mein Herz. Der mich allein kennt, kann allein mich beurtheilen. Gewiß, Lieber, irrst D u Dich, w e n n D u glaubst, daß ich Christum in der Welt „suche"; der Lebendige ist nicht bey den Todten, k a u m was von i h m bey denen, die, verglichen mit andern, lebend heißen können. Sage mir nie mehr: Großer Mann! Gott weiß, wie sehr ich täglich den kleinen M a n n und den großen Sünder in mir fühle. " 30

28 Dieses Werk erschien in Nürnberg im Rawschen Verlag. Siehe W. Hahn, Verlag der Raw'schen Buchhandlung, S. 151, Nr. 86. 29 Brief: Buchrucker an Lavater, 17. November 1788, ZBZ, FA Lav. Ms. 504, Nr. 42. 30 Brief: Lavater an Buchrucker, 11. März 1789, ebd. Ms. 554, Nr. 73; gedr. in: Chr. Fr. Buchrucker, Lavaters Monument, S. 22 f.

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III. Lavater und die Brüdergemeine Zu den Gemeinschaften des 18. Jahrhunderts, zu denen Lavater nähere Verbindung gehabt hat, gehört auch die Brüdergemeine. Hierauf ist in der Forschung bereits gelegentlich hingewiesen worden. Allerdings fehlt hierüber bislang eine eigene Untersuchung. Im Folgenden soll zunächst nach Lavaters Kontakten und Beziehungen zur Brüdergemeine gefragt werden. In diesem Zusammenhang wird vor allem zu eruieren sein, welche Mitglieder oder Verehrer der Brüdergemeine er gekannt hat und mit welchen er gegebenenfalls sogar in ein freundschaftliches Verhältnis getreten ist. Sodann soll Lavaters Kenntnissen von brüderischen Schriften nachgegangen werden, wobei auch diejenigen von Zinzendorf mit einbezogen werden. Hierauf wird darzustellen sein, wie Lavater die Brüdergemeine sowie deren Gründer beurteilt hat. Abschließend wird dann das Verhältnis der Brüdergemeine zu Lavater zu thematisieren sein. Wie hat man dazumal innerhalb der Brüdergemeine, vor allem seitens der Unitätsältestenkonferenz, Leben und Werk Lavaters beurteilt? Läßt sich im brüderischen Urteil gegebenenfalls ein Wandel feststellen oder ist man sich in der Beurteilung Lavaters immer gleich geblieben?

i. Lavaters Beziehungen

zur

Brüdergemeine

Lavater hatte mannigfache Kontakte und Beziehungen zur Brüdergemeine1. Begegnet ist er ihren Mitgliedern und Freunden sowohl in Zürich selbst, als auch auf seinen häufigen Reisen. Sodann hatte er nähere Verbindungen zur Brüdergemeine auch dadurch, daß einige wenige ihrer Anhänger oder Verehrer zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis zählten.

i.l.

Kontakte zwischen Lavater und der Brüdersozietät in Zürich sowie deren Diasporaarbeitern

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist Lavater Mitgliedern oder Freunden der Brüdergemeine schon während seiner Jugendzeit in Zürich begegnet. Dort gab es nämlich eine Brüdersozietät, die allerdings in 1

Über Lavater und die Brüdergemeine liegt bislang keine eigene Untersuchung vor. Vgl. aber u. a. G. v. Schulthess-Rechberg, Lavater als religiöse Persönlichkeit, S. 79; O. Guinaudeau, Lavater, S. 205-208, 213ff.;J. Forssmann, Lavater, S. 124-127.

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der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weder sehr zahlreich gewesen ist, noch großen Einfluß gehabt hat2. Auch hatte, wie bereits bemerkt, sein Elternhaus gewisse Beziehungen zu ihr; darüber hinaus standen einige wenige aus seinem früheren Bekanntenkreis ihr nahe3. Konkreter faßbar werden diese Kontakte Lavaters zur Züricher Brüdersozietät jedoch erst mit dem 2

A u f der Konferenz der Diasporaarbeiter in der Schweiz i m H e r b s t 1763, gehalten in M o n t m i r a i l , w u r d e a m 9. September 1763 auf der f ü n f t e n Sitzung über die Sozietät in Z ü r i c h berichtet. Im Protokoll ( P A C M o n t m i r a i l , 1763, U A H , R.19.C.11.1) findet sich u . a . der folgende Eintrag: „Von Zürich referirte Br[uder] Maccr[aits], daß es z w a r da n o c h nicht sey wie ers wünschte, es sey aber doch vieles besser, u. manches gehoben w o r d e n , n a c h d e m sich m e h r Offenherzigkeit g e f u n d e n . D e r H e y l a n d bekenne sich fühlbar zu den Gelegenheiten des H ä u f f leins, es seyen auch seit einem J a h r 10 neue Leute darzu g e k o m m e n . N u r fehle unter ihnen ein einig paar Geschwister, die m e h r d u r c h g ä n g i g legitimirt w ä r e n . " Bei der Konferenz der Diasporaarbeiter in der Schweiz im H e r b s t 1777 in M o n t m i r a i l w u r d e a m 16. September erneut über Z ü r i c h verhandelt. Im Protokoll ( P A C Montmirail, 1777, ebd.) w u r d e folgendes v e r m e r k t : „In Zürich hat der Heiland dadurch, daß die V e r s a m m l u n g e n n u n in Br[uder] O p e r a t o r B u r c k h a r d t s H a u s e gehalten w e r d e n k ö n n e n , d e m dortigen Häuflein eine g r o ß e Erleichterung geschaft. Auch hier w u r d e der Mangel an erfahrnen legitimirten B r ü d e r n , die als Gehülfen d e m Häuflein vorstehen, w e h m ü t h i g b e m e r k t . Es ist für den Fortgang der Sache des Heilandes nicht gut, w e n n die B e r a t h u n g u. Bedienung eines solchen Häufleins blos v o n einem oder z w e y B r ü d e r n abhängt; u n d ist hier, wie an allen O r t e n darauf anzutragen, daß m e h r e r e Gehülfen zugezogen u. alle Sachen m e h r gemeinschaftlich tractirt w e r d e n . " A m 10. August 1779 w u r d e dann auf einer erneuten Konferenz der Diasporaarbeiter in der Schweiz in M o n t m i r a i l v o n Z ü r i c h berichtet u n d u. a. folgendes im Protokoll ( P A C Montmirail, 1779, ebd.) notiert: „Von Schaafhausen u n d Zürich w u r d e n u r ü b e r h a u p t gesagt, daß die Häuflein z w a r ihren stillen G a n g gehen, zu d e m sich der H[ei]l[an]d aus Gnaden bekent, daß aber w e n i g W a c h s t h u m ist; sonderlich w u r d e , wie bey Bern u. allen O r t e n herzlich g e w ü n s c h t , daß m e h r e r e legitimirte u n d zur Gehülfenschaft brauchbare G e s c h w i s t e r ] v o m Heiland erweckt w e r d e n u n d d e m R u f g e h o r s a m seyn m ö c h t e n . " Auf der Konferenz der Diasporaarbeiter in der Schweiz, i m April 1784 in M o n t m i r a i l gehalten, w u r d e i m Protokoll ( P A C Montmirail, 1784, ebd.) z u m 23. April v e r m e r k t : „In Zürich ist das dortige Häuflein in Verlegenheit, w o sie ins k ü n f t i g e einen V e r s a m m l u n g s O r t finden w e r d e n , i n d e m es sehr wahrscheinlich ist, daß die W i t w e unsers seifigen] Br[uder] B u r g h a r d t s , des Spitalarztes, das H a u s ihres seifigen] M a n n s nicht w i r d behalten k ö n n e n . H e r r H a u p t m a n n Trichtinger hat sein H a u s zur Versamlung n o c h nicht angetragen, u. es w ä r e auch nicht recht schiklich dazu. Vornehmlich aber findet sich bey seiner Person Anstand, da er w e d e r bey der Welt noch bey d e m Häuflein als ein w a h r e r B r u d e r legitimirt ist. Br[uder] Dietrich w i r d also mit H ü l f e dortiger Geschwister trachten, einen andren schiklichen Versamlungs O r t a u s z u f m d e n . " Im Protokoll ( P A C M o n t m i r a i l , 1785, ebd.) der Konferenz der Diasporaarbeiter in der Schweiz in M o n t m i r a i l v o m 5. bis 14. N o v e m ber findet sich folgender Eintrag: „In der Stadt Zürich geht es seinen stillen G a n g m i t d e m dortigen H ä u f l e i n . . . Es fehlt in Z ü r i c h wie in Bern an verständigen u. activen u. begabten Gehülfen. Sehr erfreulich w a r uns zu hören, daß einige angesehene Freunde u. G ö n n e r sich w e r k t h ä t i g d a f ü r interessirn, daß das Häuflein in Z ü r i c h in d e m Burghardischen H a u s e seinen Versamlungs Saal behalten u. aus der bisherigen U n g e w i ß h e i t deßhalb h e r a u s k o m m e n m ö c h te. " Das Protokoll ( P A C M o n t m i r a i l , 1793, ebd.) v e r m e r k t über die Konferenz der D i a s p o r a a r beiter in der Schweiz in M o n t m i r a i l z u m 28. Juni: „ D a r a u f referirte Br[uder] Mosel v o n seinem Besuchs-Distrikt im Züricher, Schaffhauser G e b i e t . . . folgendes: In den V e r s a m m l u n g e n des Häufleins in Zürich ist so w o l bey u n s e r m Daseyn, als auch in unsrer Abwesenheit die N ä h e des Heilands zu spüren; die Geschwister k o m m e n fleißig in dieselben u n d die Gemeinnachrichten benutzen sie mit Segen." 3

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Siehe hierzu Kap. 1.2.

Antritt seines Dienstes in der Züricher Kirche im Frühjahr 1768. Besonders in der Parochie der Stadtkirche St. Peter, deren Diakon er 1778 und deren Pfarrer er 1786 wurde, wohnten zum Teil deren Mitglieder, von denen er vor allem Jakob Bösterli, den Schullehrer in der Hardt, geschätzt hat4. „In meiner Gemeine", schrieb er 1790 an seine vertraute Freundin Isabella von Wartensleben, „ist eine Versammlung, die täglich ohne Anstand zusammenkömmt. Sie sind still und unsträflich" 5 . Nach seinem eigenen Zeugnis haben die meisten von ihnen seine Predigten besucht 6 . Überdies ist Lavater in Zürich während seiner mehr als dreißigjährigen pfarramtlichen Tätigkeit von einigen Diasporaarbeitern der Schweiz, denen die Betreuung der dortigen Sozietät anvertraut war, besucht worden. Der erste von ihnen, der zeitlich hier in Betracht kommt, ist Anton Stählin7 gewesen. Er hatte seit 1767 neben arideren Schweizer Gebieten auch die Züricher Sozietät zu versorgen. In seinen Tätigkeitsberichten an die Unitätsältestenkonferenz wird Lavater zwar einige Male erwähnt 8 , es findet sich aber kein Hinweis darauf, daß er persönlich mit ihm zusammengetroffen wäre. Dies änderte sich unter seinem Nachfolger Johann Friedrich Klawe 9 , der von 1776 bis 1782 fiir Zürich zuständig war 10 . Er hat Lavater etliche Male einen Besuch abgestattet; dennoch scheinen die Beziehungen recht lose gewesen zu sein11. Dagegen haben seine drei Nachfolger in der Diasporaar4 Siehe L. Nagel, Besuchsreise in die Schweiz, (1796), U A H , R.19.C.19.b: „Ach! Besuche Du doch auch den l[ieben] Bruder Pölsterli, der gefällt mir vor allen, die sich hier zu den Br[üde]rn halten, am Besten." 5 Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, Z B Z , FA Lav. Ms. 586, Nr. 28. 6 Brief: Lavater an Sulger, 15. April 1773, ebd. Ms. 583, Nr. 126: „Es sind in Zürich viele Herrnhuter; alles ehrliche, wakere Leüte. Ich liebe sie; und ich habe das Vergnügen, die meisten unter meinen Zuhörern zu haben." 7 Uber Stählin siehe dessen Lebenslauf, UAH, R.22.34, Nr. 9; vgl. auch den Lebenslauf von dessen Frau Anna (mit Ergänzungen von Anton Stählin), ebd. R.22.80, Nr. 7. 8 Siehe A. Stählin, Diarium, Einträge vom 21. November 1772, 3. Oktober 1774 u. 12. Juli 1780, ebd. R.19.C.19.a, 29; 3 4 . b u . 52. 9 Über Klawe siehe dessen Lebenslauf, ebd. R.22.29, Nr. 5. 10 Anfänglich hat allerdings auch Stählin noch weiterhin die Sozietät in Zürich besucht und betreut, woraus mancherlei Mißstimmigkeiten erwuchsen. 11 J . F. Klawe, Diarium, Eintrag vom 30. März 1778, U A H , R.19.C.18.a: „Den30ten [März 1778] besuchte ich den H[errn] Pfarrer Lavater, welcher sehr freundlich] war, aber wenig Zeit hatte; das wenige, was wir miteinander redeten, war, da ich ihm sagte, daß ich schon seit Sept[em]b[e]r von Montmirail, wo er mich bey seinem Besuch daselbst hatte kennen lernen, abgereist wäre, so sagte er: ja, wir hätten uns ziemlich allenthalben hier in der Schweitz ausgebreitet, u. frug nach Brfuder] Franke; er habe gehört, daß in Basel eine Bewegung von der andern Parthey der Erweckten wäre, worauf ich antwortete], daß ich solches nicht wüßte. Der Brüder Gewohnheit wäre, sich gerne stille zu halten; j a das wisse er, sagte er, u. darum solle man die Brüder allenthalben tolleriren. Vom verstorbnen Doct[or] Wolff war er auch der Meinung, daß er doch vor dessen Hinscheiden noch eine gründlichere Veränderung erwartet hätte." Eintrag vom 14. August 1780, der von der Beerdigung von Klawes Frau durch Lavater handelt, ebd.: „Da ich H[errn] Helfer Lavater sein Gebühr für die Abdankung zu schickte, so sandte er es mir gleich mit einem freundlichen] Gruß wieder zurück u. daß es ihm lieb seyn würde, mir in erfreulichem als diesem, zu dienen. Es gab mir also Anlaß ihn zu besuchen, u. da hatte ich

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beit, Heinrich Gottfried Dietrich 12 , Friedrich Wilhelm Mosel 13 und Johann Jakob Buchmann 14 offensichtlich wiederum keinerlei Kontakte zu Lavater gehabt. Jedenfalls findet sich in ihren diarischen Niederschriften keinerlei Hinweis darauf, daß sie jemals eine Begegnung mit Lavater gehabt hätten15. Erst der Diasporaarbeiter Johann Ludwig Beck 16 , dem seit 1799 die Diasporapflege oblag, hat wiederholt Kontakte zu Lavater gesucht und gefunden 17 . Kaum zu Beginn des Jahres 1799 in Zürich angekommen, besuchte er Lavaters Gottesdienst und machte ihm am 18. Januar seinen Antrittsbesuch18. Vor allem nahm er dann Anteil an Lavaters Schicksal bei der Besetzung Zürichs durch die Franzosen, an seiner Verhaftung und Deportation nach Basel, an seiner Rückkehr nach Zürich sowie an seiner Verwundung durch einen französischen Grenadier und an seinem langen Sterbelager19. Zusammen mit seiner Frau Anna Regina, geborene Falk, besuchte er am 8. August 1800 den schwerkranken Lavater in Erlenbach am Zürichsee, w o dieser Linderung von seinen Schmerzen suchte. In dessen Fremdenbuch trug er sich mit den, die brüderische Theologie treffend zusammenfassenden Worten ein: „Der Herr unser Heiland stärcke sie mit Seines Leichnams Kräften und Seines Blutes Säften, bei ihren vielen Schmerzen." 20 A m sonderheitl[ich] mit seiner Frau, welche erweckt ist, eine sehr gefiihlige Herzens Unterredung, welche sie nach ihrem Bezeugen aus der Hand des Herrn nahm." Eintrag vom 19. Juni 1782, ebd.: „Vorher [sc. vor der Taufe seines Sohnes Johann Samuel] hatte ich [sc. Klawe] mit H[errn] Helfer Lavater, der eigentlich] die Taufe hätte verrichten sollen, geredt. Er sagte, daß er es sonst gerne thäte, zumal von solchen lieben Leuten; weil er aber den Hferrn] Meyer an den Tag fur sich predigen liesse, so Hesse er ihm dann auch immer gerne die vorhandnen Taufen verrichten; womit ich auch wol zufrieden war. Indessen schrieb er uns Eltern, das Kind u. die Taufzeugen ins Buch ein. Dann hatte ich noch eine freundschaftliche Unterredung mit ihm, sonderlich auch von oben angeführten Pfarrer zu Wettschweil, mit welchem er geredt, ihm die Toleranz zu Gemüthe gefuhrt u. gesagt hatte, daß man uns ja in der Stadt dulde, er habe ja selbst in seiner Gemeine so viele Glieder von unserer Gemeinschaft, das wisse man, u. man liesse uns ja unsre Versammlungen ruhig halten." Auch h a t j . F. Klawe der Unitätsältestenkonferenz über besondere Lebensumstände Lavaters Mitteilung gemacht; ζ. B. Diarium, Eintrag vom 6. April 1779, ebd.: „In der vergangnen Nacht hatte sich des H[errn] Pf[arrer] Lavaters sein Schreiber [Gottwald Siegfried Ensslin] auf des Pfarrers Studirstube mit 2 Kugeln mitten durchs Herz selbst erschossen, welches viel Gerede in der Stadt machte." 12 13 14

Die Diasporaberichte von Dietrich (ebd. 19.C.19.b) umfassen die Jahre von 1783 bis 1790. Die Diasporaberichte von Mosel (ebd.) erstrecken sich über die Zeit von 1792 bis 1795. Die Diasporaberichte von Buchmann (ebd. R.19.C.19.c) umfassen die Jahre 1797 und

1798. 15 Dies ist u m so bemerkenswerter, als in den Diarien sonst alle wichtigen Vorkommnisse festgehalten sind. Natürlich ist damit nicht gänzlich ausgeschlossen, daß es nicht doch zu persönlichen Begegnungen zwischen Lavater und diesen drei Diasporaarbeitern gekommen ist. 16 Beck hatte 1798 den Arbeitsbereich von Buchmann übernommen. 17 Siehe die Diasporaberichte von Beck, die diejahre 1798 bis 1802 umfassen; sie finden sich

in U A H , R . 1 9 . C . 1 9 . C . 18

SieheJoh. L. Beck, Diarium, Eintrag vom 18. Januar 1799, ebd. Hierüber siehe ebd., Einträge vom 15. u. 16. Mai, 23.Juli, 16. u. 18. August 1799 u. 17. Dezember 1800 sowie 2. u. 5. Januar 1801. 20 Eintrag in Lavaters Fremdenbücher vom 8. August 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 15f(Fotographie). 19

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20. September 1800 machte er dann in Zürich erneut einen Krankenbesuch 21 . Es sollte die letzte Begegnung sein; denn ein Vierteljahr später ist Lavater gestorben.

1.2. Begegnungen Lavaters mit Mitgliedern und Freunden der Brüdergemeine auf seinen Reisen

Sodann ist Lavater auf seinen zahlreichen Reisen wiederholt Mitgliedern oder Freunden der Brüdergemeine begegnet, wie die noch vorhandenen Diarien aufweisen. In zeitlicher Abfolge ist hier zunächst die Reise nach Bad Ems im Sommer 1774 zu erwähnen 22 . Bei dieser Gelegenheit hat er einige Herrnhuter Brüder bereits während seines Kuraufenthaltes in dem bekannten Heilbad an der Lahn kennengelernt 23 . Auf der Rückreise hat er dann in Neuwied, wo er am 18. und 19. sowie am 24. Juli 1774 weilte, auch die dortige Kolonie der Brüdergemeine 24 besucht 25 . Am Nachmittag des 19. Juli besichtigte Lavater, der sich die meiste Zeit als Gast im Schloß aufhielt, von den gemeindlichen Einrichtungen das Brüderhaus und die Knabenanstalt; abends nahm er auch am Schluß der „herrnhuterischen Liturgie" mit einem „herrlich feyerliche[n] bezaubernde[n] Gesang" teil. Ferner kam er hier mit einigen Mitgliedern der Brüdergemeine ins Gespräch, so mit dem Münzstempelschneider und Kupferstecher Elias Gervais, mit Hieronymus Burckhardt, dem Vorteher des ledigen Brüderhauses, und mit den brüderischen Predigern Jeremias Rissler und Karl Jakob Beyer. Hier in Neuwied hat er sich auch die „Kunstarbeiten bey Schreiner Röntgen" 26 angesehen. Aus dieser Tagebuchnotiz darf wohl gefolgert werden, daß er bei seinem Rundgang durch die Werkstatt auch den Meister selbst kennengelernt hat. Über diesen hatte er übrigens bereits zuvor 21

Siehe Eintrag in Lavaters Fremdenbücher vom 20. September 1800, ebd. Über diese Reise siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Bad Ems, ebd. Ms. 16a; bezüglich der davon in der U B Leipzig, Β 36 (.Goethesammlung') vorhandenen teilweisen Abschrift von Salomon Hirzel siehe Kap. 1.5, Anm. 3. Auszüge aus diesem Tagebuch sind ediert worden u. a. von H. Funck, Goethe, S. 279-320 u. A. Bach, Goethes Rheinreise, S. 21 ff., 28-35, 36-39, 39ff., 42-60, 66-74, 75-80, 84-90, 91-94, 97-99, 101 f., 1 0 9 f f , 1 1 4 f f , 117f., 1 1 8 f f , 122-131, 137 f. Bei diesen Editionen handelt es sich ausschließlich um solche Passagen, die Lavaters und Goethes gemeinsame Rheinreise betreffen oder mit ihr in Beziehung stehen. 23 Über Lavaters Bekanntschaft mit Hermhutern während seines Aufenthaltes in Bad Ems siehe Joh. Κ. Lavater, Reisetagebuch nach Bad Ems, Einträge vom 29. u. 30. Juni, 5. u. 11. Juli 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 16a. Vgl. H. Funck, Goethe, S. 295 u. A. Bach, Goethes Rheinreise, S. 40, 43f., 48f. 24 Über die Kolonie der Brüdergemeine in Neuwied siehe Th. Wotschke, Die Herrnhuter in Neuwied; E. Langner, Eine Ortsgemeine um 1800; K. Künzel, Die Brüdergemeine Neuwied. 25 Siehe hierzu und zum Folgenden Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Bad Ems, Einträge vom 19. u. 20.Juli (vom 24. Juli ist kein Eintrag erhalten) 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 16a. Vgl. H. Funck, Goethe, S. 309 ff. u. A. Bach, Goethes Rheinreise, S. 120. 26 Ebd. Eintrag v o m 19. Juli 1774. Vgl. H. Funck, Goethe, S. 309, Z. 39 u. A. Bach, Goethes Rheinreise, S. 53 f. Siehe auchj. M. Greber, Roentgen, S. 25 u. 112. 22

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während seiner Kur in Bad Ems nicht nur viel gehört 27 , sondern er war ihm auch persönlich begegnet, ohne allerdings zu ahnen, daß es sich um den Kunstschreiner David Roentgen handelte28. Dieser Aufenthalt in der Neuwieder Kolonie der Brüdergemeine hat Lavater recht gut gefallen. Er schrieb nämlich beispielsweise an den Londoner Diasporaarbeiter Johann Heinrich Sulger: „Ich war in Neuwied u. habe da viel Gutes gesehen. " 2 9 Diese lobenden Worte hat man seitens der Brüder aufmerksam zur Kenntnis genommen und sie eifrig weiterberichtet 30 . Jedoch hat Lavater in Neuwied wohl nicht das Gefuhlserlebnis gehabt, das er sich offensichtlich erhofft hatte 31 . Bezeichnend ist auch, daß sich an seinen Besuch keine Korrespondenz mit einzelnen Mitgliedern der Neuwieder Kolonie der Brüdergemeine angeschlossen hat, sieht man von dem ganz kurzen Briefwechsel mit dem Kupferstecher Gervais ab32. In Frankfurt traf Lavater schließlich, wie schon auf der Hinreise nach Bad Ems, mit der geistigen Herrnhuterin Susanna Katharina von Klettenberg zusammen 33 . Sie war schon seit Jahren eine aufmerksame Leserin seiner Schriften gewesen und hatte bereits mit ihm im Briefwechsel gestanden. Die Begegnung führte, wie später zu zeigen sein wird, zu einer kurzen, sehr emphatischen Freundschaft. Im Sommer 1782 ist Lavater auf seiner Reise nach Frankfurt am Main dann erstmals Ludwig Carl Freiherrn von Schrautenbach 34 , dem langjährigen Vertrauten Zinzendorfs, begegnet. Dies geschah in Ziegenberg 35 , wohin 2 7 Siehe ebd. Einträge vom 29. Juni und 1. Juli 1774. Vgl. A. Bach, Goethes Rheinreise, S. 50 u. 53. 2 8 Siehe ebd. Eintrag vom 4. Juli 1774: „Wir sprachen viel von einem großen Künstler in der Schreiner Arbeit von Neüwied [Lücke in der Vorlage], der einige Male mit uns gegeßen hatte, ohne, sozusagen, ein Wort zu sprechen. Es verdroß mich, daß ich nicht gewußt hatte, daß er es war, von deßen Kunstarbeit ich schon so viel gehört hatte, u. daß ich ihn nicht konnte zeichnen laßen. Er hat einen Schreibtisch mit eingelegter Arbeit um 800 Louisdor verkauft." Vgl. A. Bach, Goethes Rheinreise, S. 53 u. 119.

Brief: Lavater an Sulger, 2. September [1774], Z B Z , FA Lav. Ms. 583, Nr. 124. Siehe z . B . A. Stählin, Diarium, Eintrag vom 3. Oktober 1774, U A H , R.19.C.19.a, 34.b: „Ich besuchte auch noch in dieser Woche die Frau Doctern von Brun, die sich herzlich freute über uns Hiersein und mir ein u. andere [sc. Dinge] vom H[err]n Diacon Lavater erzählte. Wie schön ihm die Einrichtungen der Gemeine u. ihre Anstalten gefallen haben, die er auf seiner Reise auch in Neu Wied gesehen habe." 3 1 Brief: Wolf an N N , 28. September 1774, ebd. R.19.C.24.a: „Er [sc. Lavater] machte mir vor 14 Tagen den ersten Besuch seit seiner Wiederkunft in hier. Er fing selbst an, wie es ihm in der Gemein zu Wied gefallen. Sagende: Ich bin in der Knaben-Anstalt geweßen und auf dem Saal in einer Sing-Stunde, aber ich muß gestehen: Ich hatte daselbst das Gefiihl nicht, das ich mir vorher davon versprach." 3 2 In der Z B Z (FA Lav. Ms. 562, Nr. 7) ist allerdings nur ein einziges Schreiben Lavaters an Gervais erhalten. In dem Zusammenhang sei auch auf die Korrespondenz zwischen Lavater und dem Neuwieder Hofrat und Arzt Wilhelm Kaempf verwiesen (ebd. Ms. 516, Nr. 1-7; Ms. 568, Nr. 1-4). Allerdings gehörte Kaempf der Brüdergemeine nicht als Mitglied an. 3 3 Hierüber siehe Anm. 45. 3 4 Über Lavater und Schrautenbach siehe u. a. H. Bräuning-Oktavio, Weitolshausen, S. 241 ff., 2 5 0 u . 252. 3 5 Über Lavaters Aufenthalt in Ziegenberg und seine Gespräche mit Schrautenbach siehe 29

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Lavater von Frankfurt aus einen Abstecher gemacht hatte, um hier vom 15. bis 17. Juli 1782 die adelige Familie Diedes zum Fürstenstein zu besuchen36. Übrigens hat sich hier alsbald auch Sophie von Low, eine geborene von Diedes, eingestellt, die gerade im nahegelegenen Wilhelmsbad zur Kur weilte. In Ziegenberg ist also Lavater mit Schrautenbach zusammengetroffen, der 1747 Zinzendorfs Mitarbeiter geworden war und als solcher 1749 erfolgreich an den Verhandlungen mit dem englischen Parlament teilgenommen und zwei Jahre später in Berlin wegen der Brüdergemeine in Schlesien verhandelt hatte. Bald darauf war es aber zu Mißstimmigkeiten zwischen Schrautenbach und Zinzendorf gekommen. Über die Unterredung, die Lavater am 17.Juli 1782 in Ziegenberg mit Schrautenbach gehabt hat, notierte er in sein Reisetagebuch: „Es ward viel vom Grafen Zinzendorf, dessen unmittelbarer Schüler Schrautenbach war, gesprochen; von seinem Genie, seiner Heftigkeit, seiner Geistesstärke, seinem einzigen Zweck und Festhalten am einzigen Zweck." 3 7 Als Lavater dann im nächsten Jahr, also im Sommer 1783, nach Offenbach reiste, um dort seinen Sohn Heinrich zur weiteren Ausbildung unterzubringen, kam es erneut zu einer Begegnung mit Schrautenbach. Sie fand, anders als ursprünglich geplant38, in Staden bei Friedberg in der Wetterau statt, wohin er am 21. Juni 1783 gereist war, um Sophie von Low zu besuchen39. Diese ließ nämlich Schrautenbach durch einen Eilboten dorthin holen. Schrautenbach begleitete Lavater dann noch am selJoh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Frankfurt, Einträge vom 15.-17. Juli 1782, Z B Z , FA Lav. Ms. 14.1a. Seinen Aufenthalt in Ziegenberg hat Lavater übrigens alsbald auch literarisch verwertet; siehe Qoh. K. Lavater], Fortsetzung des Schreibens eines Reisenden an den Herausgeber des Kirchenboten, in: Der Kirchenbote [Hrsg.: Joh. K. Pfenninger], 1782, S. 595ff. Schrautenbach war über die Publikation keineswegs erfreut; siehe Brief: Low an Lavater, 6. September 1783, Z B Z , FA Lav. Ms. 519, Nr. 12. 36 Vgl. Brief: Lavater an Wartensleben, 31. Juli 1782, ebd. Ms. 586, Nr. 19: „Unter den wichtigen Bekanntschaften, die mir meine lezte Reise verschaffte, war auch die mit dem Diedischen Hause zu Ziegenberg." 37 Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Frankfurt, Eintrag vom 17. Juli 1782, ebd. Ms. 14.1a. 38 Brief: Lavater an Muralt, 21. Juni 1783, ebd. Ms. 575a, Nr. 183: „ . . . Lindheim [korrigiert von Lavaters Hand in: Rendeln], wo ich Schrautenbach und mit ihm 4 Stunden tiefer die Low zu überraschen hoffe. Ich ließ Heinrich in Offenbach ausschlafen, wo ich morgen zu predigen gedenke." 39 Siehe hierzu und zum Folgenden Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Offenbach, Eintrag vom 21. Juni 1783, ebd. Ms. 21 u. Joh. K. Lavater, Fragment in meine Lebensgeschichte von der Reise 1783, Eintrag vom 21.Juni 1783, ebd. Ms. 16.5a. Vgl. über den Aufenthalt in Staden und die Unterredung mit Schrautenbach auch Joh. K. Lavater, Zirkularschreiben an seine Familie und Freunde, 26.Juni 1783, in: A . B . von Muralt, Anekdoten aus Lavaters Leben, ebd. Ms. 15.7, S. 240; gedr. in: H. Funck, Lavaters Zirkularschreiben, S. 23: „Samstags den 21. reiste ich allein nach Staden zu der Frau von Low, wo ich auf dem Weg einigen Pfarrern, bey denen ich mich nach der Straße erkundigte, durch meine unerwartete Gegenwart wohl machte. Bey Low ward auch Schrautenbach herbey gehöhlt, der mich allein die Hälfte des Wegs zurückbegleitete. Nützliche, geistreiche, religiose Gespräche."

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ben Tag allein nach Offenbach zurück. In der Kutsche unterhielten sie sich unter anderem über Zinzendorf. Schließlich ist Lavater im Jahre 1799 in Basel mehreren Mitgliedern der dortigen Brüdersozietät begegnet, als er auf Veranlassung des Helvetischen Vollziehungsdirektoriums in diese Stadt deportiert worden war und sich hier notgedrungen mehrere Wochen aufhalten mußte 40 . Von den dortigen Brüdern wurde Lavater, der sich nach kurzem Hausarrest wieder frei bewegen konnte, auch „in einige Gesellschaften (nicht in eigentliche Versammlungen) eingeladen". Lavater ist diesen Einladungen tatsächlich gefolgt und hat dann in seinem letzten Werk, in seinen Freymüthigen Briefen über das Deportationswesen, davon berichtet. Danach hat er „mit Erbauung und Rührun[g]" an den brüderischen Zusammenkünften teilgenommen. Dabei unterließ er es aber nicht, kritisch anzumerken, daß die Mitglieder der Brüdergemeine gegenüber „neuerjen] und hellerer[n] Begriffe[n] weniger . . . empfänglich zu seyn scheinen" als die der Deutschen Christentumsgesellschaft. Dennoch handele es sich bei ihnen um eine sehr lobenswerte Gemeinschaft religiöser Menschen, die kein christlich Gesinnter verachten oder ihr auch nur gleichgültig gegenübertreten könne. Namentlich erwähnte Lavater in seiner Darstellung Johann Christoph Brickenstein, den Vorsteher der Brüdersozietät in Basel. Dieser erschien ihm als ein liebenswürdiger Mann, gleichsam von Natur aus für diese Sozietät geschaffen. 1.3. Mitglieder und Freunde der Brüdergemeine im

Lavater-Kreis

Nähere Kenntnisse über die Brüdergemeine hatte Lavater aber zum anderen dadurch erhalten, daß zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis auch Mitglieder und Verehrer derselben zählten. „Ich habe", schrieb er am 27. Februar 1790 an Isabella von Wartensleben, „Mitglieder der Gemeine unter meinen vertrautesten Freünden. Ich ehre und liebe alles, was Christum ehrt und lieb hat. " 41 Allerdings war die Anzahl seiner Bekannten und Freunde, die als Mitglieder der Brüdergemeine angehörten, recht klein. Im Folgenden sollen nun zunächst diejenigen genannt werden, die zwar nicht der Brüdergemeine selbst angehörten, aber ihr zugetan waren. Erst dann soll Lavaters Kontakten zu Mitgliedern der Brüdergemeine nachgegangen werden. Zu denen, die dieser Gemeinschaft zwar nicht angehörten, aber ihr sehr nahe standen, ist erstens seine Frankfurter Freundin Susanna Katharina von Klettenberg zu rechnen 42 . Lavater war davon überzeugt, daß sie, die er

40 Diese Schilderung, der auch die nachfolgenden Zitate entnommen sind (S. 280), findet sich in: Joh. K. Lavater, Freymüthige Briefe, Bd. 2, S. 279f. 41 Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, ZBZ, FA Lav. Ms. 586, Nr. 28. 42 Über Lavater u. Klettenberg siehe bes. J. M. Lappenberg, Reliquien, S. 276 f.; H. Dechent, Goethes Schöne Seele, bes. S. 183-200; H. Funck, Klettenberg, bes. S. 38-46; G. Mecenseffy,

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liebevoll Cordata nannte, als eine wahre Herrnhuterin gelten könne 43 . Begonnen wurde der Briefwechsel Anfang des Jahres 1774 anonym durch Klettenberg, unmittelbar nachdem sie die Lektüre des dritten Teils von Lavaters Aussichten in die Ewigkeit beendet hatte44. Doch erst nach ihrer sehr emotionalen, beglückenden und zugleich schmerzhaften Begegnung im Sommer 1774 in Frankfurt am Main, wo Lavater auf seiner Hin- und Rückreise nach Bad Ems jeweils für einige Tage Station gemacht hatte 45 , setzte eine rege, sehr vertrauliche Korrespondenz ein46. In ihren Briefen bezeugte sie Lavater, der damals wegen des Ausbleibens religiöser Erfahrungen sehr angefochten war, den auch heute noch wirkenden Christus 47 . Hierbei unterließ sie es zwar nicht, an ihre eigenen Erfahrungen zu erinnern, verwies ihren Freund aber vor allem auf den gekreuzigten Christus. Sie forderte ihn auf, sich an „den gecreuzigten Nazarener" zu halten und „nichts dabey" zu denken, „alß - dein Blut kome über mich - ist ER Gott oder bloßer Mensch - laß es dir gleich viel seyn" 48 . Das Problem außerordentlicher religiöser Erfahrungen war aber auch deshalb in ihrer Korrespondenz ein dominierendes Thema, weil sich Lavater in diesem Jahr besonders mit den Heilungen des Exorzisten Gaßner beschäftigt und auch Klettenberg davon Mitteilung gemacht hatte 49 . Dagegen werden in dem erhaltenen Briefwechsel weder Zinzendorf noch Herrnhutiana ausdrücklich berührt. Für das Gesamtbild des liebevoll fürsorglichen Verhältnisses der Klettenberg zu Lavater ist es bezeichnend, daß sie ihm aufgrund ihrer guten pharmazeutischen Kenntnisse einen Diätplan zusammenstellte und medizinische Ratschläge gab, als sie von seinem schlechten Gesundheitszustand erfahren hatte 50 .

Klettenberg, S. 86-89. Der Briefwechsel zwischen Lavater und Klettenberg ist gedruckt in: H. Funck, Klettenberg, S. 250f„ 259-289, 295ff., Nr. 14, 16ff., 20f., 23-26, 28-31, 33-36. 43 Siehe Joh. K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 350: „Sie war eine tiefsinnige Christusverehrerin und große Freundin der Brüdergemeine, ohn' ein Mitglied davon zu sein." 44 Siehe Brief: [Klettenberg] an Lavater, 9. Januar 1774, gedr. in: H. Funck, Klettenberg, S. 250f., Nr. 14. Vgl. H. Dechent, Goethes Schöne Seele, S. 184-188. 45 Lavater weilte vom 23. bis 28. Juni und vom 30. Juli bis 1. August 1774 in Frankfurt am Main. Über seinen Abschied von Klettenberg in Frankfurt siehe auch Brief: Klettenberg an Lavater, 4. August 1774, gedr. in: H. Funck, Klettenberg, S. 277ff., Nr. 28. 46 Leider konnte bislang nur ein einziger Brief Lavaters an Klettenberg, datiert vom 16./ 17. Dezember 1774, aufgefunden werden; gedr. in: H. Funck, Klettenberg, S. 295ff., Nr. 2. 47 Übrigens wußte auch E. Layritz, der auf dem Rückweg von seiner großen Visitationsreise in die Schweiz Klettenberg im September 1774 in Frankfurt besuchte, in einem Schreiben an Nikolaus u. Friedrich von Wattewille vom 30. September 1774 (UAH, R.19.C.11.2) folgendes zu berichten: „Auch besuchte ich die Fräul[ein] v. Klettenberg. Sie ist doch eine besondere Person, hat eine reine Einsicht ins Evangelium, arbeitet an H[errn] Lavater schriftlich]." 48 Brief: Klettenberg an Lavater, 29. November 1774, gedr. in: H. Funck, Klettenberg, S. 288, Nr. 36. 49 Vgl. Brief: Klettenberg an Lavater, 4. Oktober 1774, gedr. in: ebd. S. 284ff., Nr. 34. 50 Siehe bes. Brief: Klettenberg an Lavater, 27. August 1774, gedr. in: ebd. S. 280f., Nr. 30. Nach freundlicher Auskunft von G. Keil, Institut für Geschichte der Medizin der Universität

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Als Lavater am 16. Dezember 1774 durch ein Schreiben 51 seiner Frankfurter Verehrerin Johanna Dorothea Griesbach erfuhr, daß Klettenberg todkrank daniederliege, war er tief verzweifelt. Sogleich schrieb er ihr einen Brief 5 2 und bat sie, ihm nach ihrem Tod zu erscheinen, sofern dies ohne Schaden für ihn möglich sei. „Erscheine mir", schrieb er, „kannst du's ohne mich durch Schreken zu tödten." Ferner ersuchte er sie darum, ihm „noch ein wort des Friedens, auf einem Papier, das du wenigstens noch berührt hast", zu senden. Den Freundeskreis von Klettenberg aber forderte er auf: „Ihr, die ihr so Glücklich seyd, die Sterbende sterben, todt die Todte zu sehen, legt ihr dies Billiet - wenn sie noch nicht im Grab' ist, aufs Kalte herz oder auf ihr Gesicht, oder unter ihre hand, und sendet mir's schleunig und unentheiligt zurück." Da aber Susanna von Klettenberg bereits am 13. Dezember 1774 gestorben war, konnte dieses Schreiben sie vor ihrem Ableben nicht mehr erreichen. Sodann ist vor allem auf Lavaters langjährigen, selbstlosen Schaffhauser Freund Eberhard Gaupp 5 3 zu verweisen. Im Juli 1777 hat dieser wohlhabende Kaufmann, der ursprünglich nicht geringe Vorbehalte gegen die Brüdergemeine gehabt hatte, erstmals eine Unterredung mit dem Diasporaarbeiter Stählin gehabt 54 . A m Ende des Gesprächs drückte Gaupp den Wunsch aus, Stählin möge ihn auch künftighin besuchen. Bald nahm er auch an den Versammlungen der Schaffhauser Sozietät der Brüdergemeine teil55 und Würzburg, verraten diese Zeilen, daß Klettenberg offensichtlich über ausgezeichnete pharmazeutische Kenntnisse verfugt hat. 5 1 Brief: Griesbach an Lavater, 11. Dezember 1774, gedr. in: ebd. S. 293ff., N r . 1. 5 2 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Klettenberg, 16./17. Dezember 1744, gedr. in: ebd. S. 295ff., N r . 2. 5 3 Die sehr umfangreiche Korrespondenz zwischen Lavater und Gaupp findet sich größtenteils in Z B Z , F A Lav. M s . 501, N r . 1-310; M s . 509, N r . 28-196; M s . 560, N r . 14-227. 5 4 Hierzu und zum Folgenden siehe A . Stählin, Diarium, Einträge v o m 29. u. 30. Juli 1777, U A H , R . 1 9 . C . 1 9 . a , 46.c: „ U n d ich besuchte n o c h . . . Fr. Doct[or] von B r u n . . . , auch wurde durch leztere mit einem alten Herrn Kaupst [Gaupp] bekant, der schon viele Jahre ein f r o m m e r Mann vor aller Welt ist u. auch mit allen Gesinntheiten U m g a n g gehabt, aber wieder die Brüder war er nur immer bedenklich. Er sagte mir grad u. aufrichtig seine Bedenken, u. ich konnte ihm mit warmen Herzen von dem einigen Grund unsrer Seligkeit zeugen, u. fand so wol bey ihm als bey seinen erwachsenen Töchtern Eingang, so daß sie sich der Thränen nicht enthalten konnten, er bedauerte sehr, daß er mich nicht eher habe kennen lernen, seine Bedenken sind alle in ein Buch geschrieben. A u f sein Verlangen besuchte ich ihn am 30ten noch einmahl u. hatten ein paar vergnügte Stunden zusammen, da er mir noch manches gesagt, was ihm von Personen, die mit uns bekant sind, gesagt wäre worden u. das sie behaupten wolten. Ich sagte ihm, ich könte darüber nicht viel sagen, weil nicht gerne über andre urtheilen wolte, aber so viel könnte ich ihm versichern, daß es der Br[üde]r Sinn und Lehre nicht wäre u. würde auch gar zu unser D e n k - u. Handelweise nicht passen. Er war sehr vergnügt über meinen Besuch u. bat mich ihm so bald ich wieder käme zu besuchen, welches ihm auch versprach." 5 5 J . F . Klawe, Diarium, Eintrag v o m 28. Oktober 1780, ebd. R . 1 9 . C . 1 8 . a : „ D e n 28ten [Oktober 1780) besuchten mich [sc. J . F. Klawe] die beydeH[erre]n Gaupp u. Kaufmann, hatten eine herzliche] u. g r ü n d l i c h e ] Unterredung mit mir, gingen auch mit im Saal zur V e r s a m m l u n g ] , w o ihnen die verlesene Rede über die Loos[ung] .Gelobet u. haltet den Herrn eurem Gott' eindrückl[ich] w a r . "

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schickte dann 1782 sogar seine Tochter Maria Katharina auf das von Brüdern und Schwestern geleitete Erziehungsinstitut in Montmirail 56 . Diese heiratete später den recht eigenständigen Lavaterschüler Johann Georg Müller 57 , der 1795 eine Biographie Zinzendorfs veröffentlicht hat58. Über diese Lebensbeschreibung, die mehrfach nachgedruckt worden ist, hat sich Lavater sehr lobend ausgesprochen 59 . Übrigens war Müller, der in Schaffhausen als Gymnasialprofessor tätig war, von Lavater selbst zu dieser literarischen Arbeit „aufgemuntert u. auf alle Weise dazu unterstützt" worden 60 . Mit Gaupp stand nun Lavater in nahezu ununterbrochener Korrespondenz und ist immer wieder bei ihm zu Gast gewesen, sooft er in Schaffhausen weilte. Gaupp seinerseits hat Lavater wiederholt in Zürich besucht. Wie andere hat sich auch Gaupp darum bemüht, Lavaters Vorurteile gegen die Brüdergemeine abzubauen61. Auf dieses Bestreben antwortete ihm Lavater einmal: „Ich soll, sagen Sie, keine Vorurtheile gegen die Brüdergemeine haben? Was heißt das, Lieber? Ich soll sie nicht haßen, verachten, der Heücheley beargwöhnen? Das gewiß nicht. Ich verehre, ich liebe sie. Aber wie kann, all' ihres Guten und Schönen ungeachtet, wie kann ich je sagen: das ganze rein evangelische altapostolische Christenthum ist in dieser Gemeine - oder gar, ist ausschließender Weise darinn? Ich verehre sie als Verehrer Christi, als eine in Liebe verbundene Gesellschaft Christen, als ein Fach, in welches Christus leichter was von seinen Gaben legen kann, als in

56 Ebd. Eintrag vom 28. Februar 1782: „Unser hiesiger Freund H[err] Gaupp brachte seine Tochter nach Montmirail in dortige Anstalt." Vgl. Brief: Gaupp an Lavater, 22. April 1784, Z B Z , FA Lav. Ms. 509, Nr. 126: „Meine liebe Mari (m[ein] einziges Kind) ist noch immer in Montmiral. Ο daß sie immer an einem solchen Ort bleiben möchte. Das Gute fangt an, ihr Herz zu ergreifen. Ο Trost in meinen oft trüben Stunden." 57 Über das Verhältnis zwischen Johann Georg Müller und Lavater siehe bes. Ed. Haug, Aus dem Lavater'schen Kreise, Bd. I u. II. 58 Diese Biographie erschien zunächst 1795 mit dem Zwischentitel Zinzendorf im dritten Band (S. 1-302) v o n j o h . G. Müllers dreibändigem Werk Bekenntnisse merkwürdiger Männer; von diesem Band erschien 1822 eine zweite Auflage. Dieses Lebensbild Zinzendorfs wurde aber bereits 1795 mit dem Titel Ueber Zinzendorfs Leben und Charakter auch separat gedruckt; eine zweite Auflage dieses Separatdrucks erschien 1822. 59 Siehe ζ. B. Brief: Lavater an Büel, 11. September 1795, Z B Z , FA Lav. Ms. 554, Nr. 120: „Müllers Zinzendorf, ein Meisterstück des Geradsinns, Feinsinns, Treusinns, mußt Du lesen, wirst Du vielleicht schon gelesen haben." Vgl. Joh. K. Lavater, Vermächtniß an Seine Freunde, [Η. 1], S. 213: „Müllers Z i n z e n d o r f - ein Meisterstück des reinsten Geradsinns, des zärtesten Feinsinns, des edelsten Treusinns - muß Du lesen, wirst Du vielleicht schon gelesen haben." 60 L. Nagel, Besuchsreise in die Schweiz, 1796, U A H , R.19.C.19.b. 61 Siehe Brief: Gaupp an Lavater, 12. März 1781, Z B Z , FA Lav. Ms. 509, Nr. 120: „Lieber, rotten Sie doch alle Vorurtheile gegen die Brüdergem[eine] aus, ich bitte Sie, es könnte Ihnen schädlich seyn. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. In stillen Abendstunden können sie mehrers erfahren, als ich Ihnen sagen kann. Ich bin nicht von der Bruderschaft, ich suche mich dem Herrn zu überlaßen. Er sey mir gnädig und leite mich. Versichert bin ich, daß die Gemeinen vom Herrn vorzüglich gesegnet seyn."

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zehen andern Gemeinen wie sie izt sind; so wie ich das mit demselben Recht von der catholischen Kirche von einem Mönchsorden sagen kann. "62 Schließlich ist es sicherlich nicht ohne Eindruck auf Lavater geblieben, daß auch sein langjähriger enger Freund Johann Konrad Hotze 63 , ein häufig und gern konsultierter Arzt in Richterswil, im Alter der Brüdergemeine starke Sympathien entgegengebracht hat. Er ist allerdings offensichtlich nicht vor dem Jahre 1795 erstmals von einem Diasporaarbeiter, nämlich von Mosel, aufgesucht worden 64 . Diese fruchtbare Begegnung konnte aber nicht weiter ausgebaut werden, weil Hotze bald darauf seine Praxis in Richterswil aufgab und nach Frankfurt am Main zog. Von hier aus unternahm er ausgedehnte Reisen; auf einer derselben besuchte er im Jahre 1796 auch die Brüderorte Barby und Gnadau. Tief beeindruckt berichtete er Lavater in einem Schreiben von seinem dortigen Aufenthalt, w o er sich in „eine neue, reinere, kindlichere, zuversichtlichere Welt versezet fühlte - u. nicht ausflihlen m o g te"65. Er schrieb: „Wie ruhig, sicher und wohl mir war. O. Zinzendorfs Geist, voll Einfalt, Klugheit und Liebe! - Immer nur Eins: Sünder und Kinder - Nur ein Centrum, nur ein Brennpunkt, von dem alles ausgeht, zu genießen u. entbehren, dulden u.wirken." 66 62 Brief: Lavater an Gaupp, 13. März 1781, ebd. Ms. 560, Nr. 220. Vgl. Brief: Gaupp an Lavater, 29. Mai 1781, ebd. Ms. 509, Nr. 121: „Was Sie mir in Ihrem leztern Brief von der Brüdergemeine schrieben, zeigt mir klar und deutlich, daß Sie sie nicht kennen. Ich sehe nicht auf die Menschen, die die Gemeine ausmachen, sondern auf das Ganze. Handwerksleute, die nie studiert haben, gehen im Vertrauen und der auch durch die förchterlichsten Schwürigkeiten unüberwindlichen Gewißheit des Beystandes Jesu Christi nach Norden und Süden, Osten und Westen, in bekante und unbekante Länder, zu den wildesten und ekelhaftesten Nationen, zu Freyen und Sklaven, predigen das Wort einfältig und machen seelige Leute, unendlich, unendlich mehr als keine andere Mißionsanstalten. Wie können Sie doch diese Leute mit Klostermönchen, wo die Eitelkeit, der Geiz, die Heucheley, die Tyranney (unschuldige, die aber in kleiner Anzahl seyn, nicht gemeint) im höchsten Grad ihren Siz haben, vergleichen? Von der dummen Trägheit und Schwelgerey will ich kein Wort sagen. Aber eine Beobachtung will ich noch beyfügen. Die unstudierten Hermhuter arbeiten oft mit mehr Segen als die andern. Wunderbahr und nicht wunderbahr, denn wer waren die Apostel? Ο Lieber! Und dann die aufrichtigen Brüder auf dem Sterbebette! Ihre Sehnsucht, ihre Freude aus dieser Welt zu ihrem Erlöser zu gehen!! Ich denk in dieser Lage heuchelt der Mensch am wenigsten. Über ihre Ausdrüke, die Ihnen so unschmakhaft vorkommen, von Blut und W u n d e n . . . , ο da könnt ich Ihnen viel sagen, aber ich bin selber noch ausgeschloßen, ich bin kein Bruder, noch kein einfältiger begnadigter Christ; und denn wißen Sie unendlich beßer als ich, was Sprache ist; sagt nichtJohannes selber: Das Blutjesu Christi reiniget uns von allen Sünden, und Paulus u. Petrus sagens. Wir lesen hundertmal und fuhlens nicht an unsern Herzen. Wenns nun aber andere fühlen und ihre Zuflucht zu dieser Quelle nehmen, warum soll uns dieß irre machen? U m Christ zu seyn muß man nicht Herrenhuter, aber ein wahrer Herrenhuter muß gewiß ein Christ seyn." 63

Über Hotze und Lavater siehe H. Stettbacher, Hotze, bes. S. 137-142, 148-168. F.W. Mosel, Diarium, Eintrag Ende April 1795, U A H , R.19.C.19.b: „In Richterswihl besuchten wir zum ersten m a h l . . . den Dokter Hotz, von dem wir viel gehört hatten, wir hatten eine freundschaftliche Unterredung mit ihm. Er baht uns ihn bald wieder u. länger zu besuchen." 65 Brief: Hotze an Lavater, 13. Dezember 1796, Z B Z , FA Lav. Ms. 514, Nr. 210. 66 Ebd. 64

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Sodann waren, wie erwähnt, unter Lavaters näheren Bekannten einige Personen, die der Brüdergemeine angehörten. Zu den wenigen Herrnhuter Brüdern und Schwestern, zu denen Lavater unmittelbare freundschaftliche Beziehungen unterhielt, müssen insbesondere Johann Friedrich Franke, Ludwig Carl von Schrautenbach und Lorenz Nagel sowie Isabella von Wartensleben gezählt werden. Mit Johann Friedrich Franke67, der das Erziehungsinstitut in Montmirail seit 1766, also von seinen Anfängen an, fast zehn Jahre lang geleitet hat und daneben auch in der Diasporapflege der Schweiz tätig war, verband ihn eine persönliche Freundschaft 68 . Lavaters erster Versuch einer Kontaktaufnahme zu Franke, der übrigens 1738 als Erzieher von Zinzendorfs Sohn Christian Renatus und achtzehn Jahre später als Zinzendorfs Sekretär tätig gewesen war, geschah im Frühjahr 1773. Als sich dieses Vorhaben nicht verwirklichen ließ, war Lavater zwar traurig darüber, erblickte aber darin die Vorsehung Gottes 69 . Schließlich ist es aber dann im Sommer desselben Jahres doch zu sogar mehrfachen Zusammentreffen gekommen, worüber Lavater hocherfreut gewesen ist70. Da Lavater von den Gesichtszügen Frankes fasziniert war, hat er dessen Porträt in seine Physiognomischen Fragmente aufnehmen wollen. Weil Franke aber die Bitte, einen Stich für eine Reproduktion zur Verfügung zu stellen, abschlug, hat Lavater während seines zweiten Besuchs heimlich eine Skizze von ihm angefertigt und sie dann während des dritten Zusammentreffens durch einen Maler korrigieren lassen. Dieses Brustbild wurde dann ohne Wissen des Betroffenen in Kupfer gestochen, um es in die Physiognomischen Fragmente einzurücken. Zu dieser Reproduktion 71 soll dann Franke nach Lavaters Zeugnis schließlich doch noch seine Einwilligung gegeben haben 72 . Deshalb, und wegen seiner Verbindung zu Lavater überhaupt sowie 67 Über Franke siehe dessen Lebenslauf, U A H , R.22.8, Nr. 15 u. Gemein-Nachrichten, 1781, Bd. 4 (Beilage XI, II), S. 653-673. Vgl. auch seinen gedruckten Lebenslauf (Lebenslauf des Bruders Johann Friedrich Franke, heimgegangen den 23. November 1780 in Basel) in: Nachrichten aus der Brüder-Gemeine. Bd. 1. Η. 1. Gnadau 1854, S. 128-140. 68 Im FA Lav. der Z B Z findet sich überraschenderweise weder ein Brief Lavaters an Franke noch einer von Franke an Lavater. 69 Brief: Lavater an Sulger, 15. April 1773, ebd. Ms. 583, Nr. 126: „Ohne Zweifel ist Ihnen auch der vorbenannte Herr Frank, ehemaliger Secretär des Grafen bekannt. Er war in Zürich, und die Fürsehung verhinderte es, daß ich ihn nicht sehen mußte. Ich hätte es herzlich gewünscht. Er ist ein Herrnhuter, und izt bin ich vom Herrnhutismus so weit, wie möglich entfernt. U n d selten hab' ich gegen einen Menschen ein solches Verlangen gespührt, wie gegen diesen, und so sehr ich die Herrnhuter als Menschen, als Christen, als redliche Christen liebe, so ungern laß' ich mich mit ihnen in Zergliederung unserer Begriffe ein." 70 Siehe Brief: Lavater an Sulger, 6. August 1773, ebd. Nr. 127: „Seit der Zeit meines lezten Briefes [15. April 1773] hab' ich Herrn Franken dreymal gesehen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr mir dieser Mann gefällt und wie herzlich ich ihn lieb gewonnen." 71 Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 3, S. 256f. 72 Brief: Lavater an Sulger, 31. Januar 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 583, Nr. 128: „Frank hat mir seines [sc. Porträt] nun sogar in mein Werk einzurüken erlaubt."

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aus anderen Gründen, wurde übrigens innerhalb der Brüdergemeine an Franke heftige Kritik geübt, so beispielsweise bei der Brüderversammlung in Montmirail im Frühjahr 1773. Hier hat Franke aber Lavater mit dem Verweis auf das Logion aus Markus 9,40 Wer nicht wider uns ist, der ist für uns, verteidigt 73 . Schließlich mußte sich Franke am 10. und 11. sowie 14. Dezember 1773 sogar vor der Unitätsältestenkonferenz in Barby verantworten 74 . Vor diesem Gremium betonte er bezüglich der Reproduktion seines Bildes, er habe die Anfertigung seines Porträts durch Lavater beziehungsweise durch den Maler nicht verhindern können; ebenso sei die Herstellung des Kupferstiches ohne seine Kenntnis erfolgt 75 . Geschickt war er so aber mit keinem Wort darauf eingegangen, ob er nicht doch letztendlich das Einverständnis zur Aufnahme seines Porträts in die Physiognomischen Fragmente gegeben habe. Übrigens stehe er, so erklärte Franke vor der Unitätsältestenkonferenz, Lavater keineswegs unkritisch gegenüber. Er habe diesen mündlich daraufhingewiesen, daß die menschliche Natur von Grund auf verdorben sei. Auch habe er ihm gegenüber das Bekenntnis abgelegt, daß Christus um der Sünden willen ein Sühnopfer dargebracht habe. Im Juli 1774 kehrte Franke auf seine Stelle in Montmirail zurück. O b Lavater ihn dort später noch einmal gesehen hat, als er, wie eine Notiz des Diasporaarbeiters Klawe nahezulegen scheint76, Montmirail besucht hat, ist ungesichert. Im Jahr darauf wurde Franke als Diasporaarbeiter nach Basel berufen; hier ist er 1780 verstorben. Sodann ist auf die freundschaftlichen Beziehungen Lavaters zu Ludwig von Schrautenbach einzugehen 77 . Diesem Freiherrn war er, wie bereits erwähnt, erstmals im Juli 1782 in Ziegenberg bei den Diedes zum Fürstenstein begegnet. Von Anfang an muß Lavater auf Schrautenbach einen tiefen Eindruck gemacht haben. Am 18. Juli 1782 berichtete nämlich Sophie von Low an den britannischen Leibarzt Johann Georg Zimmermann, den Jugendfreund Lavaters, in Hannover: „Schrautenbach dit: es wäre ihm in langer Zeit kein Mensch begegnet, der eine solche Impreßion auf ihn ge73

Brief: Lavater an Sulger, 15. April 1773, ebd. Nr. 126: „Vortreflich w a r s . . . was Ihr Bruder, Herr Frank, von Montmirail bey Anlaß meiner einer Bruderversammlung sagte:... Brüder, erinnert Eüch des Worts des Heilands, da ihm gesagt ward, daß einer, der ihm nicht mit den Aposteln nachfolgte, in seinem Namen Teüfel austrieb: Wehret es ihm nicht; denn es ist bald niemand, der eine That in meinem Namen thut, der vor mir übel reden wird. Wer nicht wider uns ist, der ist fur uns." 74 Siehe hierzu und zum Folgenden P U A C von 1773, Bd. IV, S. 397f., 400-407 u. 425ff., Einträge vom 10. u. 11. sowie 14. Dezember 1773. 75 Siehe ebd. S. 398: „Das Unangenehmste bey dieser Bekanntschaft [sc. mit Lavater] aber sey ihm freilich gewesen, daß er nicht verhindern können, sein Portrait vom Herrn Lavater und dann auch von einem Mahler abzeichnen zu lassen, welches hintennach ohne sein Vorwissen in Kupfer gestochen worden, welches er eben so wenig habe hintertreiben können, wie er solches ausfuhrlich erzählte und seine darüber geführte Correspondenz communicirte." 76 SieheJ. F. Klawe, Diarium, Eintrag vom 30. März 1778, U A H , R.19.C.18.a. 77 In der Z B Z , FA Lav. ist kein Briefwechsel zwischen Lavater und Schrautenbach erhalten.

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macht hätte. II a pleure tendrement ä la separation, et l'impression a ete egale du cote de Lavater. "78 Aber auch Lavater war sogleich von Schrautenbach fasziniert. In einem Brief an Goethe bezeichnete er ihn als den ,,erste[n], denkende[n], philosophische[n] Herrnhuter"79. Im Juni 1783 ist es dann bekanntlich in Staden zu einer erneuten Begegnung zwischen Lavater und Schrautenbach gekommen. Wie aus den Lavateriana in Schrautenbachs Bibliothek geschlossen werden darf, muß er mit Schriften Lavaters wohl vertraut gewesen sein80. Leider ist jedoch Schrautenbach schon am 12. August 1783 gestorben, so daß sich die Freundschaft nicht weiter entwickeln konnte 81 . Sophie von Low, auf deren Besitzung Schrautenbach sein Ende ereilte, berichtete Lavater von seiner letzten Krankheit und seinem Sterben82. Beim Anblick seiner „schönen Leiche" habe sie an die Strophe aus dem Gesangbuch der Brüdergemeine denken müssen: „Schönes Antlitz JEsu! wenn wird doch meines einmal so aussehn, wie itzo deines? Wenns auch so liegt." 83 Für den verstorbenen Freund verfaßte Lavater eine achtzehnzeilige lateinische Grabschrift, die er dann in der Zeitschrift Der Kirchenbote veröffentlicht hat84. Aus dem Nachlaß hat Lavater übrigens außer einer Silhouette des Freiherrn85 das Kleine Brüdergesangbuch erhalten. Sophie von Low ließ es ihm deshalb zukommen, weil er einst Schrautenbach gegenüber bezeichnenderweise seine Freude an der Liedstrophe Zinzendorfs „Ach einem Thomasglücke" 86 bezeugt 78

Brief: L o w an Z i m m e r m a n n , 18. Juli 1782, ebd. M s . 519, N r . 8. Brief: Lavater an Goethe, 10. A u g u s t 1782, gedr. in: H . Funck, Goethe, S. 218, Ζ 3 f. Vgl. auch den Bericht über Lavaters damalige B e g e g n u n g mit Schrautenbach in J o h . K. Pfenninger, Geheime Anzeigen, N r . 1, August 1782, SA L u d w i g s b u r g , PL 701, B ü 72: „Bey Schrautenbach, einem p h i l o s o p h i s c h e n ] D e n k e r , Frau v o n L o w u. ihrer Tochter, alle 3 H e r r n h u t e r v o n gereinigtem System, die übrigens alle bekannten, daß sie Jesus Chr[istus] m e h r suchten u n d h o f f t e n als besäßen, hatte Lav[ater] ruhige h i m m l i s c h e Stunden u. hätte m i t freyer Seele gleich mit ihnen, w e n n es die U m s t ä n d e gelassen hätten, A b e n d m a l gehalten." 79

80 Ü b e r die Bibliothek von Schrautenbach siehe H . B r ä u n i n g - O k t a v i o , Weitolshausen, S. 250ff. 81 Ü b e r die Benachrichtigung des Ablebens von Schrautenbach siehe Brief: L o w an Lavater, 17. August 1783, Z B Z , FA Lav. Ms. 519, N r . 11. Vgl. Brief: Lavater an L[öw], 23. A u g u s t 1783, auszugsweise gedr. in: J o h . K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 4, 1790, S. 6 - 9 . 82 Siehe Brief: L o w an Lavater, 6. September 1783, Z B Z , FA Lav. Ms. 519, N r . 12. Vgl. J o h . K. Pfenninger, Geheime Anzeigen, N r . 4, 28. August 1783, SA L u d w i g s b u r g , PL 701, B ü 72: „Herr von Schrautenbach, jener einzige philosophische Kopf, den Lavater u n t e r H e r r n h u t e r e n kennengelernt habe, den Lav[ater] dies J a h r wieder sah u n d genoß, starb eines schönen sanften Christentodes. Frau K a m m e r h e r r i n v o n L o w schrieb ihn Lavatern sehr r ü h r e n d . " 83 E b d . Es handelt sich u m die zweite S t r o p h e des v o n Z i n z e n d o r f gedichteten Liedes „ M e i n e Leiche Jesu! meine, j a meine"! Dieses Lied findet sich unter N r . 2092 im Kleinen B r ü d e r g e s a n g buch. 3. Auflage. B a r b y 1763. 84 G e d r u c k t u n t e r d e m Titel Grabschrift des H e r r n v o n Schrautenbach, in: D e r K i r c h e n b o t e [Hrsg. J o h . K. Pfenninger], 1784, S. 178. 85 Siehe Brief: L o w an Lavater, 6. September 1783, Z B Z , FA Lav. Ms. 519, N r . 12. 86 Diese Strophe lautet vollständig: „Ach einem T h o m a s g l ü c k e / für ein paar Augenblicke / d e m wollt ich zu Gefallen / gern tausend Meilen wallen. / D o c h lieber Gott! was w ä h l ich? / Mach m i c h beim Glauben selig: / Willst du die A u g e n binden, / mein H e r z kann dich doch

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hatte 87 . Allerdings war es Sophie von Low, die zu den langjährigen treuen Verehrerinnen Lavaters gehörte, unmöglich, diesem in seinem Streben nach verifizierbarer Christuserfahrung zu folgen. Bei diesem Gedanken überkam sie ein Gefühl von „Bangigkeit, Entfernung und Mißtrauen". „Ganz anders ist mir", fuhr sie in einem Schreiben an Lavater fort, „zu Muthe bey Zinzendorfs gepredigter Connexion und Umgang mit dem Heiland u. von seiner lieben Nähe, wie sein Ausdruk ist." 88 Ein engeres Verhältnis hatte Lavater ferner zu dem 1751 in Trogen in Appenzell geborenen Lorenz Nagel 89 , der später im Erziehungsinstitut Marschlins im Dienste des Ministers Ulysses von Salis gestanden hat. Nach Nagels eigenem Zeugnis ist es Lavater gewesen, der ihn hier 1774 „als Sünder lernte zum l[ieben] Heiland kriechen". 90 Dies sei auch fernerhin immer ihre „liebste Materie" gewesen, sooft sie zusammengekommen seien, so berichtete Nagel retrospektiv 91 . 1785 wurde er nach Niesky bei Görlitz und 1789 nach Barby bei Magdeburg als Chordiener berufen. Sieben Jahre später trat er dann aus Gesundheitsgründen eine große Besuchsreise in die Heimat an. Während seines Aufenthaltes in Zürich in der zweiten Augusthälfte hat er Lavater, der ihm „lieb und wichtig" war, insgesamt dreimal besucht. Hierbei kam man auch auf den gegenwärtigen Zustand der Brüdergemeine zu sprechen. Lavater, der gerade „vielleicht zum 20sten mal" die Berliner Reden las, gab hierbei seiner Befürchtung Ausdruck, der Geist Zinzendorfs könnte in der Gemeine nicht mehr in gleicher Weise lebendig sein. „Ach", sagte er, „wenn nur der Zinzendorfische Geist in den Gemeinen nicht verdunkelt wird. Ach wie brannte nicht sein [sc. Zinzendorfs] Herz in der Liebe zum H[ei]l[an]d, u. eben darum wurde er immer fester im Glaufinden." Diese Strophe Zinzendorfs findet sich erstmals im Zweyten Anhang (wahrscheinlich 1755) des sogenannten Londoner Gesangbuches im Lied Nr. 238 („Ich leg die hand vor heute im glauben in die Seite"), Strophe 26. Allerdings lautet der Strophenanfang hier: „Allein, ein Thomas-glükke." In dem von Christian Gregor bearbeiteten und 1778 gedruckten Gesangbuch, zum Gebrauch der evangelischen Brüdergemeinen begegnet diese Strophe dann in dem Lied Nr. 208 („Kein Kind ist so vergnüget"), Strophe 9. Jedoch beginnt der Anfang der Strophe nun mit den Worten: „Ach einem Thomasglücke." In dem gegenwärtig gebräuchlichen Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeine (1967) steht diese Strophe unter dem textgleichen Lied Nr. 190, Strophe 1. Diese Hinweise verdanke ich der Freundlichkeit von W. Burckhardt, Herrnhut. 87 Siehe Brief: Low an Lavater, 15. Juni 1784, Z B Z , FA Lav. Ms. 519, Nr. 14. Im Besitz von Schrautenbach befand sich auch ein Porträt Zinzendorfs, fur das sich Lavater offensichtlich interessiert hat; siehe Brief: Low an Lavater, 6. September 1783, ebd. Nr. 12: „Das Bild vom sel[igen] Grafen Zinzendorf in Lindheim soll gar nicht ähnlich seyn, Schrautenbach hats nicht gut gefunden. Es ist gros, ein Kniestück, nicht gut gemahlt." Vgl. H. Bräuning - Oktavio, Weitolshausen, S. 243. 88 Brief: Low an Lavater, 10. Dezember 1793, ebd. Nr. 26. 89 Nagel, der 1808 in Schorndorf im Remstal verstarb, war von 1800 bis zu seinem Tod als Diasporaarbeiter in Württemberg tätig. In der Z B Z finden sich ein Brief von Lavater an Nagel (ebd. Ms. 576, Nr. 2) und ein Brief von Nagel an Lavater (ebd. Ms. 521, Nr. 237). 90 L. Nagel, Besuchsreise in die Schweiz, 1796, U A H , R.19.C.19.b. Ebd.

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ben, u. darum pries er allen Menschen mit so besonderm Liebesdrang die freye Gnade in Jesu an." Beim „Abschiedskuß" schenkte Lavater i h m unter anderem das Manuskript seiner Schrift „25 Briefe an seine intimsten Freunde, auch über die Versöhnung Jesu für alle Menschen" 9 2 , und bat ihn, seiner i m Gebet zu gedenken, daß er „mehr Licht u. Glauben über die Versöhnung Jesu fur uns" erlange. Nach diesem Besuch versicherte Nagel seinem Züricher Gastgeber in einem Brief v o m 12. O k t o b e r 1797, daß er oft seine Schriften, die er i h m geschenkt habe, in die H a n d nehme 9 3 . D a n n äußerte er aber den dringenden Wunsch, doch „balde auch was von Ihren Briefen über die Schriftenlehren von der Versöhnung durch Christum" gedruckt zu sehen; denn „die Materie ist und bleibt doch w o l das aller wichtigste". N a c h d e m er ihm noch die Übersendung eines Buches über die Missions-Sozietät in England angekündigt hatte, Schloß er mit d e m Gebetswunsch: „Der Herr unser H[ei]l[an]d lehre Sie u n d stärke Sie, w o u n d wie Sie in Seinem großen, öde werdenden Weinberge, ferner mit getrostem M u t h und Segen fort arbeiten sollen; Er schenke Ihnen und mir armen i m m e r mehr Gewißheit und ein Kinder einfältiges gläubiges H e r z . " In seinem Antwortschreiben v o m 24. April 179894, in welchem Lavater sich auch für das erhaltene Werk bedankte, teilte er i h m jedoch mit, daß seine „Briefe über die Versöhnung" in „dieser Zeit nicht gedrukt w e r d e n " können. M a n erwarte hier in Zürich nämlich täglich „die A n k u n f t der Heere Gottes, der Exekutionsarmee göttlicher Gerichte". Sogar das von i h m seit März dieses Jahres herausgegebene Christliche Wochenblatt, das „nach den Bedürfnißen der Zeit" ausgerichtet sei, finde „ k a u m - geringen Abgang". Endlich ist noch auf Lavaters langjährige Freundin Isabella von Wartensleben, geborene zu Lynar, zu verweisen, zu der er nicht nur brieflichen Kontakt hatte, sondern mit der er auch wiederholt persönlich zusammengetroffen ist 95 . Bereits nach fünfjähriger Ehe mit Friedrich Leopold Georg im Jahre 1770 verwitwet, gab sie ihren einzigen Sohn Gideon 1781 z u m Konfirmandenunterricht fur einige Wochen in Lavates Haus. Dieser verstarb j e doch bereits zwei Jahre später plötzlich i m Alter von achtzehn Jahren. 92 Ebd. Das hier erwähnte Manuskript, das Lavater ursprünglich auf Bitten von Cai Reventlow erstellt hatte, wurde erst 1801 posthum von seinem Schwiegersohn G. Geßner im zweiten Band der Nachgelassenen Schriften (S. 1-108) unter dem Titel Briefe über die Schriftlehre, von unsrer Versöhnung herausgegeben. 93 Siehe hierzu und zum Folgenden Brief: Nagel an Lavater, 12. Oktober 1797, Z B Z , FA Lav. Ms. 521, Nr. 237. Nagel wollte Lavater ursprünglich sogar „die jetzigen oder künftig herauskommenden Gemeinschriften zum Geschenk" übersenden. Die Unitätsältestenkonferenz konnte sich jedoch dazu nicht bereit finden, diesem Ansuchen stattzugeben; siehe P U A C von 1797, Bd. I, S. 60f., Eintrag vom 12. Januar 1797. 94 Brief: Lavater an Nagel, 24. April 1798, ZBZ, FA Lav. Ms. 576, Nr. 2. Bei dem zugesandten Werk handelt es sich um die 1797 erschienene deutsche Übersetzung des zweiteiligen Werkes Missions-Societät in England. 95 Über Wartensleben siehe deren Lebenslauf, U A H , R.22.85, Nr. 69.a u. Gemein-Nachrichten, 1811, Bd. 1, S. 205-208. In der Z B Z finden sich 19 Briefe von Wartensleben an Lavater (FA Lav. Ms. 531, Nr. 130-148).

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Nachdem sie 1788 ihren Witwensitz in Köstritz im Vogtland bei ihrem Vetter Heinrich XLIII. Reuß-Köstritz genommen hatte, öffnete sie sich immer mehr der Brüdergemeine. Sie war darauf bedacht, bei Lavater Vorurteile gegen diese abzubauen, die sie bei ihm anläßlich eines Besuches in Zürich 96 im September 1787 oder Frühjahr 1788 bemerkt zu haben meinte 97 . Wartensleben, die im Herbst 1790 erstmals einen Brüdergemeinort, nämlich Neudietendorf, besucht und hierbei einen tiefen Eindruck erhalten hatte 98 , verteidigte eifrig die Lehre der Brüdergemeine. Hierbei verwies sie auf August Gottlieb Spangenbergs Idea fidei fratrum und auf die Ratio disciplinae unitatis fratrum von Johannes Loretz". Als sie dann 1791 Herrnhut selbst besuchte, sandte sie Lavater einen eingehenden Bericht 100 von ihren dortigen Eindrücken. Dadurch wollte sie ihre Apologie der Brüdergemeine gleichsam von der eigenen Erfahrung her unterstreichen. Da ihre Schilderung sehr anschaulich ist, sei sie hier etwas ausfuhrlicher zitiert: „Ich war diese Ostern in Herrnhut und lernte da viel kluge, berühmte, gelehrte, und auch viel sehr geringe, ja sogar einfältige Leute kennen, die aber alle höchst selig waren. Was mich dabey am meisten frappirt hat, ist, daß jene, im Punct worauf es zum Seligwerden ankörnt, alle so einfältig wie die Einfältigsten und diese, in dem einen Punct nur, so gelehrt u. aufgeklärt wie die Gelehrtesten waren. Die Bischöffe bekannten dehmüthig, daß sie nichts wüsten als Jesum Christum den Gekreuzigten und stündlich von seiner Gnade leben müsten; wiedrigenfals sie nach 20, 40, 60jährigem Dienst des Heilandes eben so leicht schlecht u. untreu werden könnten als die erst gestern Bekehrten... Auf der andern Seite sähe die alte einfaltige Wittwe hinterm Spinnrad, so bald ich sie auf ihre Herzenserfahrungen brachte, mir tief in das meinige hinein, entwickelte mir meine Mängel, Hinderniße u. verborgensten Schlupfwinkel mit einer Feinheit, die mich niederschlug, richtete mich aber 96 Ü b e r ihre Aufenthalte in Z ü r i c h siehe Briefe: Wartensleben an Lavater, 10. S e p t e m b e r 1787, Z B Z , FA Lav. M s . 531, N r . 141; Lavater an Wartensleben, 8. M ä r z u n d 19. April 1788, ebd. Ms. 586, N r . 25 u. 27. 97 Siehe Brief: Wartensleben an Lavater, 18. J a n u a r 1790, ebd. Ms. 531, N r . 144: „Wie m a g es doch k o m m e n , daß Sie, Liebhaber Jesu, eine (Sie m ö g e n sichs n u n gestehen oder nicht) heimliche A b n e i g u n g gegen die Brüdergemeine haben? Sie haben mir ettl[iche] mal gesagt: die Leute sind confitß, ich verstehe sie nicht." Vgl. Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, ebd. M s . 586, N r . 28: „ C o n f u s , erinnere ich mich nicht, sie genannt zu h a b e n . " 98 Lebenslauf v o n Isabella von Wartensleben, U A H , R.22.85, N r . 69. a: „Ich n a h m es gern an; w i r verbrachten daselbst [sc. N e u d i e t e n d o r f ] einige mir sehr a n g e n e h m e Tage, u. ich w u r d e v o n allem, was ich sah u. hörte, so h i n g e n o m m e n , daß es in m e i n e m H e r z e n hieß: N u r auf diese A r t u. m i t solchen Gesinnungen kann m a n ruhig u. selig seyn. Einige Wochen nachher reisete ich z u m 2ten Mal m i t m e i n e m Vetter dahin, u. z w a r z u m 13ten N o v e m b [ e r ] als z u m Ältesten Fest." 99 Siehe Briefe: Wartensleben an Lavater, 18. J a n u a r 1790, 29. M ä r z u. 19. Mai 1791, Z B Z , FA Lav. M s . 531, N r . 144 u. 146f.; vgl. Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, 10. April sowie 21./22. J u n i 1791, ebd. Ms. 586, N r . 28-30. 100 Brief: Wartensleben an Lavater, 19. Mai 1791, ebd. M s . 531, N r . 147. Ü b e r den Besuch Wartenslebens in H e r r n h u t im Jahre 1791 „zur M i t b e g e h u n g der M a r t e r w o c h e u. der O s t e r f e i ertage" siehe D i a r i u m der G e m e i n e zu H e r r n h u t , April 1791, U A H , R.6. A . b . N r . 30.a.

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auch mit einer solchen practischen Herzens-Theologie wieder auf, daß ich getröstet u. gestärkt von ihr g i e n g . . . Fragen Sie mich: Was kann von H e r r n h u t Gutes k o m m e n ? So antworte ich: K o m m u. siehe es! Eine Hütte Gottes bey den Menschen! Der Bischoff Spangenberg, bald 88 Jahr alt, hatte seit 8 Tagen von der Waßersucht aufgebrochne Beine, dabey aber einen völlig heitern Kopf u. eine der ewigen Seligkeit entgegenfliegende Seele. Schön wie ein Engel, liebreich wie ein Johannes, freundlich wie ein vollendeter Gerechter, saß er da auf seinem Stuhl u. empfing noch tägl[ich] Besuch. Er litt oft große Schmerzen, arbeitete aber noch fort in seinen Berufsgeschäfften über Vermögen. Sein j ä h r l i c h e s ] Gehalt ist 200 Thaler; er hat nicht mehr nehmen wollen u. fur sich hat er gar kein V e r m ö g e n . . . Gelehrt u. ungelehrte Missionarien, die alle 4 Welttheile durchwandert, Männer u. Weiber, die mit Negersclaven gearbeitet u. mit Grönländern unter d e m Schnee g e w o h n t haben, u m denen armen Wilden ihren lieben Erlöser zu verkündigen, sieht man in H e r r n h u t genug; auch solche, die als Lahme, Krüpel, Blinde u. Taube von ihren unbeschreiblich m ü h s a m e n u. gefährlichen Reisen z u r ü k g e k o m m e n sind, u n d die dazu lächeln, weil sie in dem allem weit überwinden, um deswillen, der sie geliebt hat. Wenn man das sieht, so frägt man warhaftig nicht erst: Sind das auch wohl würklich solche Leute, in denen Christus lebt? Sondern man fällt auf sein Angesicht u. betet: Herr, daß auch ich sehen möge! Daß auch ich glauben könne! D a m i t D u in mir lebest! U n d dann hört man die sanfte Stimme (ogewißlieber Freund man hört sie): Sey getrost, auch Dir [!] sind Deine Sünden vergeben u. geht von Stund an gerechtfertiget in sein Haus. N o c h ein Wort. A m O s t e r m o r g e n wird f r ü h nach 4 U h r auf dem Gottesacker eine mit Music untermengte Litaney wechselsweise von dem Liturgo u. der Gemeine gebetet. Was das ist, 2000 Menschen, ins quarre rangirt, auf den Gräbern ihrer vollendeten Mitbrüder, über sich den hellen H i m m e l habend, bey d e m prächtigen Schauspiel der aufgehenden Sonne am Tage und in der Stunde der Auferstehung ihres Erlösers mit einem M u n d e u. mit einem Herzen sagen zu hören: Ich glaube, daß Jesus Chr. warhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeitgebohren... Was das, sage ich, für eine E m p f i n d u n g ist, das zu sehen u. zu hören, w ü r d e ich umsonst versuchen Ihnen, auch nur z u m Theil, zu beschreiben." Isabella von Wartensleben hat sich dann 1798 der Brüdergemeine in Kleinwelka angeschlossen, w o sie 1811 verstorben ist. Sie kann deshalb zu denjenigen aus Lavaters Freundeskreis gerechnet werden, die Mitglieder der Brüdergemeine gewesen sind. Allerdings war das Freundschaftsband zwischen Lavater und Wartensleben bezeichnenderweise in den Jahren besonders innig, als sie den Schritt in die Brüdergemeine noch nicht vollzogen hatte, sondern dieser lediglich mit Sympathie gegenübergestanden hatte 101 . 101 Nachdem sich Wartensleben der Brüdergemeine angeschlossen hat, ist keine Korrespondenz mit Lavater mehr bekannt.

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2. Lavater und das brüderische Schrifttum Lavater hat aber nicht nur mancherlei persönliche Kontakte und Verbindungen zur Brüdergemeine gehabt, sondern er ist auch ein recht guter Kenner ihrer Schriften gewesen.

2.1.

Lavaters Lektüre von Werken

Zinzendorfs

Erstens hat Lavater mehrere Werke Zinzendorfs gelesen. Hierbei ist es nicht uninteressant, daß offensichtlich schon im Hause seiner Eltern dessen Schriften bekannt gewesen sind 1 . Auch Lavater selbst hat bereits vor dem Jahre 1768, also noch vor seiner theologischen Neuorientierung, Predigten Zinzendorfs gelesen. In einem Verzeichnis, das die Titel der von ihm bis zu diesem Jahr gelesenen Bücher, jeweils mit einer kurzen Charakteristik versehen, enthält, hat er sein Urteil über diese Predigten in die Worte gefaßt: „Cavalirisch, willkürlich, verführerisch, oft sehr roher Bau u. salbungsvoll." 2 Später hat sich Lavater besonders eingehend mit dessen Berliner Reden beschäftigt. So wußte beispielsweise der Diasporaarbeiter Nagel v o n seinem schon erwähnten Besuch in Zürich i m Jahre 1796 zu berichten, Lavater habe ihm gesagt, daß er „eben jezt vielleicht zum 20ten mal, die gesalbten Berliner Reden von Gr. Zinzendorf lese" 3 . Von einigen Schriften Zinzendorfs hat Lavater sogar Auszüge angefertigt, so v o n dessen 1740 erschienenen Schrift Jeremias/Ein Prediger der Gerechtigkeit. Auf diese war er v o n seinen Freunden Johann Christoph Tobler und Johann Jakob Stolz hingewiesen worden 4 . Exzerpiert hat er 1797 auch die 1 Siehe Brief: Lavater an seine Eltern, 13. N o v e m b e r 1763, Z B Z , FA Lav. Ms. 570, N r . 42: „Er [sc. H a n s Kaspar Waser] las Baile u n d Zinzendorfs Schriften. D e r erste ist der feinste Spötter der Religion - u n d den andern k e n n e n Sie." 2 J o h . K. Lavater, Bücher die ich gelesen. N B bis A. 1768 unter einander, ebd. Ms. 121.1. Es läßt sich allerdings nicht m e h r eruieren, welche Predigten Z i n z e n d o r f s Lavater bis 1768 gelesen hat, die ihn zu diesem Urteil g e f u h r t haben. 3 L . N a g e l , Besuchsreise in die Schweiz, 1796, U A H , R . 1 9 . C . 1 9 . b . Welche Ausgabe der Berliner Reden Z i n z e n d o r f s Lavater zur Lektüre benutzt hat, läßt sich nicht m e h r feststellen. Ü b e r die verschiedenen Ausgaben der Berliner Reden siehe die E i n f ü h r u n g v o n E. Beyreuther in N . L. v o n Z i n z e n d o r f , E r g ä n z u n g s b ä n d e zu den Hauptschriften, Bd. X I V , S. 3 2 - 5 2 (in diesem Band ist übrigens die erste Ausgabe der Berliner Reden v o n 1738 reprographisch abgedruckt); vgl. N . L. v o n Zinzendorf, Hauptschriften, Bd. I, S. X V - X V I I I (in diesem Band findet sich die revidierte zweite Ausgabe der Berliner Reden von 1758 reprographisch w i e d e r gegeben). 4 Brief: Lavater an Stolz, 15. O k t o b e r 1785, Z B Z , FA Lav. M s . 583, N r . 63: Jeremias v o n Zinzendorf ist mir schon v o n Toblern sehr g e r ü h m t w o r d e n . Ich w e r d ' ihn, wills Gott, bäldest lesen u. in meinen christlichen Sammler u. Prüfer das Beste einrücken." Vgl. Briefe: Lavater an Steiner, 5. September 1795, ebd. Ms. 582, N r . 147: „Ich lege so eben Zinzendorfs Jeremias w e g . Das sollte ein H a n d b u c h f ü r alle Prediger seyn. Aber w e r kanns lesen, o h n e v o r Schaam u n d H o f f n u n g zu versinken! Welch ein tiefer Menschenkenner! Welch ein genialischer Bibelleser! H ä t t ' er über einen H a u p t p u n k t klarere Begriffe gehabt, w e r w ä r ' i h m an die Seite zu stellen?"

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von Gottfried Clemens herausgegebenen Auszüge von Zinzendorfs Reden über die fünf Bücher Moses 5 . Nach Lavaters eigenem Bekenntnis hat die Beschäftigung mit Zinzendorfs Werken wie keine andere Lektüre in ihm stets neue Gedanken und tiefe Gefühle hervorgerufen. Allerdings unterließ er es in diesem Zusammenhang auch nicht sogleich anzumerken, daß seines Erachtens ein großer Unterschied zwischen den Schriften Zinzendorfs und den Briefen der Apostel bestehe 6 . Sehr kritisch hat Lavater dagegen Zinzendorfs poetischen Arbeiten gegenübergestanden. Im Jahre 1773 übersandte ihm der Brüderpfleger in London, Johann Heinrich Sulger, ein sehr langes Gedicht mit dem Thema „Poetische Vorstellung des Zustandes der Welt vor der Sündfluth" 7 . Als dessen Verfasser meinte Sulger fast sicher den Grafen ausmachen zu können; er fügte jedoch in seinem Schreiben einschränkend hinzu, daß er es nicht unter Zinzendorfs gedruckten Gedichten und Werken habe finden können 8 . Tatsächlich hat dieses hundertundacht Strophen umfassende Gedicht, dessen Autor übrigens nachweislich Zinzendorf ist, zwar keine Aufnahme in dessen publizierten Poesien, wohl aber in der dritten Sammlung der Freywilligen Nachlese gefunden 9 . Als Lavater nun die Abschrift erhalten hatte, Lavater an Büel, 11. September 1795, ebd. Ms. 554, N r . 120: „ . . . Z i n z e n d o r f s Jeremias. Ein Blitzbuch f ü r uns a r m e Sünder von Geistlichen." Lavater an Auguste B e m s t o r f f , 12. September 1796, ebd. Ms. 583, N r . 117: „Ich las v o r einigen Tagen m i t großer Schaam u n d E r b a u n g Z i n z e n d o r f s Jeremias." O b Lavater dieses Werk Z i n z e n d o r f s in der 1740 in Frankfurt u n d Basel erschienenen ersten Auflage oder in der 1741 in B ü d i n g e n nachgedruckten zweiten Auflage gelesen hat, läßt sich nicht ausmachen. Diese zweite Auflage des Jeremias ist reprographisch a b g e d r u c k t in N . L. v o n Z i n z e n d o r f , E r g ä n z u n g s b ä n d e zu den Hauptschriften, Bd. VI. 5 Siehe Auszüge aus Z i n z e n d o r f s Reden über die f ü n f Bücher Moses, ebd. Ms. 57, N r . 8 (Auszüge aus Z i n z e n d o r f s Reden über die f ü n f Bücher Moses. 1797.). Exzerpte hat Lavater v o n folgenden Seiten des m e h r b ä n d i g e n gedruckten Werkes über die f ü n f Bücher Moses angefertigt: Bd. I, S. 10, 1 2 f „ 19, 25, 30, 49, 72ff., 78, 92, 109, 111, 150, 184, 206, 226, 236, 254, 258, 279, 301 f., 308, 315ff., 320, 322, 339, 344, 355, 369, 392, 424, 458, 480; Bd. II, S. 620, 643, 683, 710, 728, 751, 797, 815, 855, 924, 950, 967, 970, 974, 1010, 1014, 1019, 1045f., 1048, 1074. 6 Siehe Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, ebd. Ms. 586, N r . 28: „Sie [sc. Z i n z e n d o r f s Schriften] veranlaßen i m m e r Sehnsuchten, Gedanken, Gefühle, die d u r c h keine menschliche Lektüre in d e m Innersten meines Herzens erregt w e r d e n , obgleich ich m i t derselben U n b e f a n g e n h e i t sagen m u ß , daß ich in seinen Schriften durchaus den h o h e n , w ü r d i g e n apostolischen T o n , den Blick Paullus aufs Ganze, den moralischen Sinn Johannes, den Ernst des J a k o b u s , die W ü r d e Petrus v e r m i ß e . " 7

Siehe Brief: Sulger an Lavater, 22. J a n u a r 1773, ebd. Ms. 528, N r . 213. D i e erste Strophe dieses Gedichtes, die sich lediglich in diesem Brief findet, lautet: „ D e r A b g r u n d bebt, der O t h e m Gottes fähret, / die Wüste schweigt, der P u n k t der Ewigkeit: / die öde N a c h t w i r d lieblich aufgekläret, / die düstre Gluth m i t Z ü n d e r n überstreut: / die K l u f t v o r G o t t versuncken / e n t b r e n n t zu Lebensfuncken, / u n d w i r d zur Creatur: / Ein jedes D i n g im E l e m e n t ertruncken / erwacht i m Quell der k ü n f t i g e n N a t u r . " 8 Brief: Sulger an Lavater, 27. M ä r z 1773, ebd. N r . 214: „ M a n m ö c h t e beynahe denken, daß es den sel[igen] Grafen Z i n z e n d o r f z u m Verfasser hätte. Ich kann es aber unter seinen Poesien u. Schriften nicht f i n d e n . " 9 Siehe [N. L. v o n Zinzendorf], Freywillige Nachlese, III. S a m m l u n g , S. 1-34; das Gedicht

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bezeichnete er in einem Antwortschreiben 10 dieses Gedicht bis auf „wenige Stellen, wo Spuren von poetischem Genie sind, ausgenommen", als „so herzschlecht" und für ihn unverwertbar, daß er „zur Ehre des Grafen", den er „gewiß in mancher Absicht hochschätze", wünschte, dieser wäre nicht der Verfasser. Im gleichen Brief ging Lavater dann aber zu einer grundsätzlichen Kritik an den Gedichten Zinzendorfs über. Wenngleich er einigen von ihnen Einfachheit und Herzlichkeit nicht absprechen wollte, so vermißte er doch bei allen „Geschmack. Sie sind mit einer kaum verzeihlichen Flüchtigkeit hingeworfen".

2.2.

Kenntnisse

brüderischer

Schriften

bei

Lavater

Lavater hat sich aber auch mit den drei wesentlichsten brüderischen Schriften seiner Zeit beschäftigt. Einmal hat er im Jahre 1773 August Gottlieb Spangenbergs Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf gelesen11. Nach der Lektüre schrieb er, daß er sie zwar gern und mit Gewinn gelesen habe, ohne jedoch „apostolisches Licht und apostolische Kraft" bei dem Verfasser finden zu können. Von dem Vorsteher des ledigen Brüderhauses in Neuwied, Burckhardt, erhielt Lavater 1774 in Bad Ems sodann Spangenbergs gerade erschienenes Werk Kurzgefaßte historische Nachricht von der gegenwärtigen Verfassung der evangelischen Brüderunität augspurgischer Confeßion 12 . In dieses schmale Bändchen hat er sich noch während seines Kuraufenthaltes in Bad Ems vertieft. Schließlich hat Lavater nachweislich Spangenbergs Idea fidei fratrum, eine im Jahre 1779 erstmals gedruckte Zusammenfassung der Theologie der Brüdergemeine, gelesen13. In dieser Schrift sah Lavater mit Recht den Versuch eines theologischen Ausgleichs zwischen Herrnhutertum und Luthertum. Jedoch konnte er darin nichts Erleuchtendes finden, „keinen Strahl des höhern Lichtes, das irgend ein Creditif einer nähern Connexion mit dem Herrn abgeben könnte" 14 . Den Vorstellungen Zinzendorfs habe Spangenberg alles Pointierte und Charakteristische genommen. Zwischen Spangenberg, den Lavater als „Zinzendorfs Rektifizierer" 15 bezeichnete, und dem Grafen selbst, verhalte es sich wie zwischen einer exakten topographischen trägt den Titel Poetische Vorstellung des Zustandes der Welt vor der Sündfluth. Über den diffizilen Nachweis der Verfasserschaft Zinzendorfs siehe die Einführung von Leiv Aalen in N . L . von Zinzendorf, Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Bd. XI, bes. S. LXIV-LXVII. 10 Brief: Lavater an Sulger, 6. August 1773, ZBZ, FA Lav. Ms. 583, Nr. 127. 11 Hierzu und zum Folgenden siehe ebd. 12 Siehe Joh.K. Lavater, Reisetagebuch nach Bad Ems, Eintrag vom 5. Juli 1774, ebd. Ms. 16a. 13 Siehe Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, ebd. Ms. 586, Nr. 28: „Spangenbergs Idea Fratrum kenn' ich ganz gut." » Ebd. 15 Ebd.

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Geländeaufnahme und einer ländlichen Szene von Salomon Geßner oder Anthonie Waterloo. Aber „wer", so fragte Lavater, „liest nicht lieber den saft- und kraftvollen Luther = Zinzendorf, als den viel klügeren, geschmackvollem Zwingli" 16 . Lavater ist Spangenberg übrigens zeit seines Lebens nie begegnet, obgleich er selbst sowie seine Freunde dies sehr begrüßt hätten 17 .

3. Die Brüdergemeine im Urteil

Lavaters

Bevor auf die Frage eingegangen wird, wie Lavater die Brüdergemeine gesehen und bewertet hat, soll zunächst seine Stellung zu Zinzendorf selbst in den Blick kommen. Lavaters Urteil über den Reichsgrafen war überwiegend positiv, obgleich er, wie deutlich werden wird, auch mancherlei theologische und literarische Kritik an ihm geübt hat. Er hielt ihn „mit allen seinen Menschlichkeiten, wie Luthern mit allen seinen Menschlichkeiten, für einen der ersten, ausgezeichnetsten und unsterblichsten aller Sterblichen" 1 . Aus welchen Gründen hat Lavater aber Zinzendorf so emphatisch beurteilt? Zweifelsohne war er zunächst von dessen markanter und zugleich empfindsamer Persönlichkeit fasziniert, was für ihn im großen Schwung seiner Gedanken, in der wandelbaren Ausdruckskraft seiner Sprache und in der weiblichen Weichheit seiner Physiognomie evident wurde. Sensibilisiert für alles physiognomisch Bedeutsame hat er deshalb in seinen Physiognomischen Fragmenten auch mehrfach auf Zinzendorf Bezug genommen 2 sowie darin vier verschiedene Brustbilder von ihm reproduziert und interpretiert. U m für den dritten Band der Physiognomischen Fragmente ein zur Reproduktion geeignetes Porträt des Grafen zu bekommen, hatte Lavater Anfang des Jahres 1774 seine Fühler bis nach London zu Sulger, der dort seit dem Jahre 1772 als Pfleger der ledigen Brüder wirkte, ausgestreckt 3 . Erhalten hat 16

Ebd. Ebd.: „Ich verehre Spangenberg, den ich nicht persönlich kenne, gern kennen würde, wie ich wenige Menschen ehre, die ich persönlich kenne, um deßwillen, was die glaubwürdigsten Menschen mir von ihm sagten." Auch im Freundeskreis Lavaters, so beispielsweise im N ü r n berger, hätte man gern eine persönliche Begegnung zwischen Lavater und Spangenberg gesehen; sieheJoh. K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 310: „Ach! daß Spangenberg und Lavater sich in diesem Leben gesehen hätten!" 1 Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, Z B Z , FA Lav. Ms. 586, Nr. 28. 2 Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 3, S. 240, 245, 277ff. u. 281. 3 Brief: Lavater an Sulger, 31. Januar 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 583, Nr. 128: „Von dem seeligen Grafen von Z[inzendorf] werden Sie kein gutes, ähnliches Porträt wißen?" Als man übrigens in der Unitätsältestenkonferenz von dem Briefwechsel Sulgers mit Lavater erfuhr, war man ungehalten darüber. Siehe P U A C von 1774, Bd. I, S. 222, Eintrag vom 1. Februar 1774: „Aus einigen Briefen, die uns aus der Schweitz communiciret worden sind, ersehen wir, daß sich Br[uder] Sulger in London mit dem H[errn] Diaco Lavater in Zurich in eine Correspondenz und Controverse eingelaßen hat, die ganz wider unsern Principia ist und die er 17

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er die gewünschte Darstellung Zinzendorfs dann jedoch von der Hand des Berliner Malers und Radierers Daniel Chodowiecki 4 . Anhand dieses ovalen Brustporträts, das sich auf einem Tableau, dem sogenannten „Religiosenblatte", mit fünf weiteren Bildnissen findet 5 und künstlerisch wertvoller ist als die drei übrigen Umrißzeichnungen 6 , meinte Lavater zeigen zu können, wie aus Zinzendorfs Gesichtszügen seine „Innigkeit in Wort und That und Lied und Schrift" 7 deutlich hervorträten. Unter Hinweis auf die eigenartige Länglichkeit des Kopfes, die nach Lavater allen Mystikern eigen ist, bestimmte er bei Zinzendorf „Mystizismus" als „das Innere - und Sinnlichkeit" als „das Gewand seiner Religion". „Reiner Verstand" sei jedoch „in diesem abgerundeten Gesichte", unaussprechlich wenig vorhanden, ebenso wie „in seinen oft so k ü h n e n , . . . oft so demüthigen, oft so süßlichen Liebesworten". Diese erläuternden Bemerkungen Lavaters zum Brustbild Zinzendorfs hat übrigens später der Züricher Aufklärer Heinrich Corrodi, ein entschiedener Gegner Lavaters, Wort für Wort und ohne Anmerkungen in sein anonym erschienenes Werk, J. C. Lavaters Geist, aus dessen eigenen Schriften gezogen, eingerückt 8 . Zusammen mit anderen raffiniert ausgewählten Textauszügen sollte dieses Exzerpt dazu beitragen, Lavater und sein Werk in aller Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preiszugeben. Bezüglich Zinzendorfs Theologie wies Lavater mit Recht auf deren Konzentration auf die Christologie hin. Diesen christozentrischen Ansatz hat er wiederholt lobend hervorgehoben. Jedoch hat er hierbei sehr wohl erkannt, daß Zinzendorfs Christologie materialiter wesentlich anders gefüllt gewesen ist als seine eigene. Für Zinzendorf stand das satisfaktorische Strafleiden Christi im Mittelpunkt. Er verstand Christus als denjenigen, der die Schuld auszufuhren nicht im Stande ist. Daher wurde Br[uder] Joseph [sc. Spangenberg] ersucht, an ihn zu schreiben und ihn zurecht zu weisen." 4 Brief: Lavater an Chodowiecki, 21. Oktober 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 556, Nr. 21: „Doch mög't ich Sie b i t t e n . . . c) So viel möglich Portraite anzubringen. Ζ. B. irgend ein Catholik, als etwa Bellarmin, Zinzendorf, La Mettrie, Foster, Fresenius u. s. f. auf dem Religiosenblate." In der Sammlung Lavater, die sich in der Ö N B Wien befindet, ist eine Tuschpinselzeichnung Zinzendorfs von Chodowiecki vorhanden (Slg Lav III/582/4888). Es handelt sich fast u m ein Brustbild in Oval mit rechteckigem Rahmen, das unter Glas gesetzt ist. Lavater hat die Innenseite des Vorderdeckels eigenhändig mit folgendem Hexameter versehen: „Graf von Zinzendorf, von Chodowiecki gezeichnet. / Sanfte Beredsamkeit schwebt auf der f r o m m - / stillmüthigen Lippe. / Magische Kraft im Blick, in der Stirn starr- / sinnige Einfalt. / Großes hat nicht die F o r m . . . nur Großes der / Geist des Gesichtes. / 20. XI. 1787." Vgl. die Beschreibung dieses Porträts in W. G. Wieser u. W. Zrounek, Bilder und Bücher, S. 42, Nr. 78. Leider ist hier der Hexameter aufgrund eines Lese- oder Druckfehlers völlig sinnentstellend wiedergegeben. Anstatt: „Magische Kraft im Blick, in der Stirn starr- / sinnige Einfalt" heißt es „Magische Kraft im Blick, in der Stirn starr. Sinnige Einfalt." 5

Das Porträt Zinzendorfs findet sich in Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 3, Taf. LXXVII (vor S. 277). Z u diesem Porträt und den Umrißzeichnungen siehe Jos. Th. Müller, Bilder Zinzendorfs, S. 120 f. 6 Die drei Umrißzeichnungen sind reproduziert ebd. S. 228 u. Taf. LXXVIII (vor S. 281). 7 Ebd. S. 280. 8 Siehe [H. Corrodi], Lavaters Geist, S. 39f.

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der Menschheit gesühnt und damit den Z o r n Gottes gestillt hat. Für Lavater war Christus dagegen zuerst und vor allem repräsentatives Abbild und M e d i u m des an sich unfaßbaren Gottes. Er ist der vermenschlichte Gott 9 , an d e m offenbar geworden sei, daß Gott Liebe ist. Ihm gelte es als Vorbild nachzufolgen. Sodann sah Lavater seit seiner theologischen Neuorientierung im Jahre 1768 in Christus i m m e r mehr den Vermittler ewiger göttlicher Kräfte. D u r c h ihn könne der Mensch sie empfangen und genießen 10 ; ja er könne dadurch schließlich Christus und Gott selbst ähnlich werden. A u f g r u n d dieser Christologie m u ß t e Lavater die Satisfaktionslehre Z i n zendorfs entschieden ablehnen. Dessen Blut- u n d Wundentheologie w a r ihm geradezu anstößig. Er hielt sie nicht nur für unverständlich, sondern auch für nicht schriftgemäß. Als Lavater beispielsweise 1797 Zinzendorfs Schrift über die f ü n f Bücher Mose gelesen hatte, schrieb er am 6. Mai 1797 an Johannes Sonderegger: „Mich kränkt es doch in der Seele, daß dieser in der Liebe z u m H e r r n so ganz lebende M a n n auch nirgend von d e m Eigentlichen des Verdienstes und von den Wirkungen des Todes Jesu keinen einzigen klaren, reinen, gedenkbaren, schriftmäßigen Begriff giebt und sich so viele ganz unbiblische Wagstücke von dunkeln Ideen erlaubt, wie ζ. E. der oft v o r k o m m e n d e Ausdruck: ,im Blute Jesu zu schwimmen und baden'. Jedes unserer Worte m u ß : ,mit d e m Blute Jesu besprengt seyn' u. s.f. Ich m ö g t e wenigtens nie ein Wort brauchen, w o b e y ich nicht einen reinen, klaren, mittheilbaren Gedanken hätte." 1 1 Wie sehr Lavater trotz dieser Kritik die Schriften Zinzendorfs dennoch geschätzt hat, wird daran deutlich, daß er in seinen Publikationen wiederholt nachdrücklich auf sie hingewiesen hat. So empfahl er dessen Jeremias in seinem 1796 erschienenen Vermächtniß an Seine Freunde mit den Worten: „Ein Blitzbuch für uns arme Sünder von Geistlichen." 1 2 Auch hat er aus Werken Zinzendorfs mehrfach Passagen z u m Wiederabdruck gebracht, u m sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen 1 3 . Offensichtlich 9 Dadurch konnte Christus, worauf in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden kann, überhaupt erst Medium zwischen Gott und Mensch sein. 10 Vor 1768 findet sich diese christologische bzw. soteriologische Vorstellung bei Lavater nicht. Siehe Kap. 1.2. 11 Brief: Lavater an Sonderegger, 6. Mai 1797, Z B Z , FA Lav. Ms. 581, Nr. 61. 12 Joh. K. Lavater, Vermächtniß an Seine Freunde, [Η. 1], S. 213. Vgl. Brief: Lavater an Büel, 11. September 1795, ZBZ, FA Lav. Ms. 554, Nr. 120: „ . . . Zinzendorfs Jeremias. Ein Blitzbuch für uns arme Sünder von Geistlichen." 13 So hat Lavater in seiner Handbibliothek fur Freunde (Bd. 4, 1790, S. 43—49) Passagen aus Zinzendorfs sogenannten Berthelsdorfer Reden (Reden in Bethel) unter dem Titel Zinzendorf. Reden in Bethel eingerückt, die 1758 in erster und 1766 in zweiter erweiterter Auflage im Druck erschienen waren. Die zweite Auflage ist reprographisch abgedruckt in N . L . von Zinzendorf, Hauptschriften, Bd. VI; vgl. dort (S. XVI ff.), auch wegen der ersten Auflage der Berthelsdorfer Reden, die Einführung von E. Beyreuther. Lavater zitierte aus der ersten Auflage der Berthelsdorfer Reden von 1758; in der zweiten Auflage finden sich die von Lavater herausgezogenen Passagen - allerdings nicht wortgetreu - auf S. 24f., 27f., 31, 90, 97f., 101 u. 151.

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wollte er seine Lesergemeinde dadurch auch zu einer eigenständigen Lektüre der Werke Zinzendorfs anregen. Auch die Brüdergemeine selbst hat Lavater zunächst in vielem positiv beurteilt. Erstens zollte er der Frömmigkeit und d e m Wohlverhalten ihrer Mitglieder Lob. So erklärte er noch in seiner letzten, auf seinem langen Sterbelager abgefaßten Publikation, daß er viele Brüder und Schwestern als ,,musterhafteste[n] Christen kenne, verehre und liebe" 14 . Die Gemeine an sich hielt er jedoch nur fur eine „unschätzbare Pflanzschule künftiger, noch vollkommnerer Christen" 1 5 . Zweitens fand Lavater für die Diszipliniertheit ihrer Mitglieder anerkennende Worte. „Ich halte", schrieb er, „die B r ü d e r gemeine für eine der tolerabelsten und tolerantesten K i r c h e n p a r t h e y e n . . . Die Disziplin w ü r d e mir ausnehmend gefallen. Dadurch hat die Gemeine unendliche, beneidenswürdige Vorzüge, u m deren willen ich sie b e w u n d e r e und verehre." 1 6 Er bezeichnete die Brüdergemeine „als einen der edelsten Edelsteine in der Krone des Herrn" 1 7 . Allerdings meinte er, daß sie erst noch durch „viele Läuterungen" 1 8 zu d e m werden müsse, wozu Christus sie eigentlich bestimmt habe. Hierbei meinte er sich „dunkel eines ähnlichen Wortes von Zinzendorf selbst" 19 erinnern zu können. Leider hat er nicht näher bestimmt, w o r a u f er hier anspielte. Lavaters theologische Hauptkritik an der Brüdergemeine richtete sich vor allem gegen ihre Christologie. Er kritisierte daran erstens deren zentrale Lehre v o m satisfaktorischen Strafleiden Christi. Diese Vorstellung w a r für ihn eine „fatale Idee von einer Conventionellen Ehrenrettung Gottes"20. Genau so himmelweit wie v o m Sozinianismus w u ß t e er sich nämlich „von d e m krassen, schulmässigen, unleidlichen und unbiblischen Begriff einer Genugtuung gegen Gott als einen erzörnten Richter" 2 1 entfernt. Z u m einen sei diese Vorstellung nicht schriftgemäß. D a v o n stehe, so erklärte er, „nicht ein einziges Wort in der S c h r i f t . . . , w o v o n doch, w e n n die Sache so wäre, unaussprechlich deütlich u n d allenthalben geredet werden sollte" 22 . Vielmehr werde „in d e m ganzen Evangelio Gott niemals als der zu versöhnende, sondern nur die Welt als zu versöhnend vorgestellt" 2 3 . N i r g e n d w o finde sich in der Heiligen Schrift die Aussage, daß Gott durch Christus mit uns versöhnt w o r d e n sei. Dagegen begegne sehr oft die Vorstellung, daß „wir [!] mit Gott durch C h r i s t u m versöhnt seyen" 24 ; denn Gott ist nicht der Feind 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

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Siehe Joh. K. Lavater, Freymüthige Briefe, Bd. 2, S. 280. Ebd. Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, Z B Z , FA Lav. Ms. 586, Nr. 28. Ebd. Ebd. Ebd. Brief: Lavater an Sulger, 15. April 1773, ebd. Ms. 583, Nr. 126. Brief: Lavater an Wartensleben, 10. April 1791, ebd. Ms. 586, Nr. 29. Brief: Lavater an Sulger, 15. April 1773, ebd. Ms. 583, Nr. 126. Ebd. Ebd.

des Menschen, sondern der Mensch ist der „Feind Gottes" 2 5 . Diese Versöhn u n g geschah aber nach Lavater dadurch, daß Christus durch Leiden und Tod zur „Arzney" 2 6 geworden sei. Deshalb sei er nicht bereit, jemals die „Lieblingsausdrüke" der Brüder, wie beispielsweise „büßen, Genugthuung", zu gebrauchen. Diese Termini seien dem „schrecklichsten Mißverstand ausgesetzt" 27 . Z u m andern hielt Lavater die brüderische Lehre v o m Strafleiden als nicht vereinbar „mit d e m gesunden Verstand" 28 . Hier wird seine bleibende Beeinflussung durch die Aufklärung deutlich. „Ich habe", schrieb er i m Jahre 1773, „noch keinen Herrnhuter g e s e h e n . . . keinen gelesen, der Licht in seinen Begriffen hätte. " 29 U n d fast zwei Jahrzehnte später erklärte er: „ Ü b e r den wichtigsten Punkt, der ihnen und mir der wichtigste ist, find' ich sie durchaus lichtlos. Einen denkbaren Begriff von d e m Eigentlichen des Verdienstes Christi fand ich noch nie bey irgend einem von der Gemeine, in irgend einer Zinzendorfschen oder andern Schrift. Das hindert nicht, daß ich ihre Liebe z u m H e r r n nicht bewundre, verehre, mir z u m Beyspiel vorstelle." 30 Das Insistieren auf die traditionelle Lehre v o m satisfaktorischen Strafleiden brachte Lavater mit d e m ängstlichen Bestreben der Brüder in Z u s a m menhang, möglichst rechtgläubig sein zu wollen. Diese Grundhaltung meinte er vor allem auch bei Spangenberg feststellen zu müssen. Dahingehend hat Lavater sich besonders nach der Lektüre von dessen Idea fidei f r a t r u m geäußert. Gern räumte er ein, daß dieses Werk der Schrift gemäß wäre. Jedoch vermißte er darin die Freiheit und die Begeisterung, die die Schriften Zinzendorfs auszeichneten 31 . Er räumte allerdings, wie er in einem Brief an Jakob L u d w i g Passavant schrieb, ein: „Spangenberg hat durchaus von allen, die ihn kennen, das beste Zeügniß. Es ist übrigens ein Geheimniß, vor d e m ich die Augen niederschlage, daß die beßten Christus nahesten M e n schen noch so schrecklich fern von ihm sind." 3 2 Die Ängstlichkeit der Brüder gegenüber der Theologie hat Lavater übrigens auch wiederholt öffentlich kritisiert. Er wünschte ihnen in seinem letzten, erst p o s t h u m erschienenen Werk mehr M u t u n d Freiheit zu eigenständigem theologischem Denken 3 3 .

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Ebd. Ebd. 27 E b d . Vgl. Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, ebd. M s . 586, N r . 28: „Ich spreche nicht v o n C o n f u s i o n ; das Wort, w e n n ich's gesagt, n e h m ' ich alle Augenblicke zurück. Ich sage nur: lichtlos i m H a u p t p u n k t e der Versöhnung, sage nur: keine neue Aufschliißegebend." 28 Ebd. 29 Ebd. 30 Brief: Lavater an Wartensleben, 27. Februar 1790, ebd. Ms. 586, N r . 28. 31 Ebd. 32 Brief: Lavater an Passavant, 10. u. 11. Mai 1783, ebd. Ms. 577, N r . 40. 33 S i e h e j o h . K. Lavater, F r e y m ü t h i g e Briefe, Bd. 2, S. 280: „ D e n n verhehlen kann ich's nicht - So weit ü b e r mich erhaben ich die Meisten derselben finde - so w ü n s c h t e ich ihnen doch m e h r 26

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Z u m anderen hat Lavater an der brüderischen Christologie die Konzentration auf die menschliche Natur Christi bemängelt. Die Brüder irrten zweifellos „insofern sie nur Eine, und zwahr blos die sinnlichste Seite des Herrn zum unmittelbaren und beständigen Gegenstande einer kindischen Adoration machen" 3 4 . Auch an einzelnen Formen der Frömmigkeit und des gottesdienstlichen Lebens in der Brüdergemeine hat Lavater sich gestoßen. Dies gilt insbesondere von der Lospraxis und von den festgesetzten Gebetsstunden. Er meinte: „die Gottheit läßt sich nicht herbeylocken. Sie hat ein Ohr für den Schrey und R u f der Noth, der aus der Noth, wie der Funken aus dem Kiesel herausspringt; aber für menschliche Veranstaltungen hat sie nur menschliche Hülfen in Bereitschaft. " 3 5 Dennoch hat Lavater selbst sowohl Lospraxis als auch festgesetzte Gebetszeiten mindestens zeitweilig geübt. Er hat nämlich nicht nur immer wieder mit seinen nahen und fernen Freunden gemeinsame Gebetsstunden vereinbart, sondern sich auch des Loses bei pfarramtlichen und alltäglichen Entscheidungen bedient. In dem Tagebuch des Lavaterschülersjoh. G. Müller findet sich beispielsweise am 19. September 1779 die Notiz: „Lavater wählt seine außerordentlichen Texte alle durch's Looß. Zuerst das Alte oder Neue Testament, dann Evangelien oder Episteln, Paulinische oder andere u . s . w . Immer traf er paßendes. Das macht's, daß er's nicht achtet, wenn ihm's gleich Alle so entsetzlich übel nehmen. Er weiß, an wen er glaubt, und steht still und harrt seiner in G e d u l d . . . A m Bettag Abends war Lavater allein bey Hause und wußte nicht recht, was er thun wollte. Er losete, ob er spazieren oder zu einer gewißen kranken Frau gehen wollte. Er traf das letztere. Er ging." 3 6 Damit ist also evident geworden, daß Lavater der Brüdergemeine bei aller Hochachtung mit Vorbehalt und sogar mit Zurückhaltung gegenübergestanden hat. Trotzdem hat er, wie aufgezeigt worden ist, mit einzelnen Mitgliedern oder Freunden der Brüdergemeine nicht nur in Verbindung gestanden, sondern sogar freundschaftlichen U m g a n g gepflegt. Freyheit und weniger hierarchischen, obgleich äusserst feinen Gewissenszwang, den vielleicht weder der Zwinger, noch der Gezwungene, als solchen ahnet." 3 4 J o h . K. Lavater, Sämtliche kleinere Prosaische Schriften, B d . 3, S. 333. 3 5 Brief: Lavater an Jung-Stilling, 26. April 1781, Z B Z , FA Lav. M s . 567, Nr. 145. 3 6 J o h . G. Müller, Tagebucheintrag v o m 19. September 1779; zitiert nach Ed. H a u g , Aus dem Lavater'schen Kreise, B d . I, S. 38. Hierzu siehe auch die Notiz in I. Hartmann, Tagebuch 1783, Eintrag v o m 8. Juli 1783, S A Ludwigsburg, P L 701, B ü 8: nach V a y h i n g e n . . . D a k a m Lav[ater] ganz allein... Lav[ater] loste, ob er über Asperg oder Münchingen zu H . P f a r rer] Flattich solle. N a h m 1 Conv[entions]th[a]l[er], schmies ihn über sich: Wenn der K o p f oben ist, nach Münchingen! Der K o p f war oben. Wir fuhren nach Münchingen. Redten mancherley mit H. Pfjarrer] Fl[attich]. Lav[ater] sah ihm ins Gesicht, erkannte einen originellen M a n n . " Die Konventionstaler waren damals weit verbreitet. Sie trugen in den Territorien bzw. Landschaften verschiedene Porträts, so daß eine nähere B e s t i m m u n g der von Lavater verwendeten Münze nicht möglich ist. Diese Auskunft verdanke ich der Freundlichkeit von D . Klose, Staatliche M ü n z s a m m l u n g München.

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4. Die Stellung der Brüdergemeine zu Lavater Aus dem bisherigen ist deutlich geworden, daß einzelne Mitglieder oder Freunde der Brüdergemeine zum Bekanntenkreis Lavaters gehört haben. Bei aller Verehrung des Züricher Pfarrers haben sie es jedoch, wie bereits mehrfach angeklungen ist, nicht unterlassen auch mancherlei Kritik an ihm zu üben. Erstens kritisierte man Lavaters Christologie. Seine dezidierte Ablehnung des satisfaktorischen Strafleidens wurde durchgängig als defizitär empfunden. Sodann wandte man sich gegen seine Anthropologie, die die totale Verderbtheit des Menschen leugne. Schließlich stand man gemeinhin auch Lavaters Offenheit gegenüber Kultur und Welt zurückhaltend oder sogar distanziert gegenüber. Insbesondere beargwöhnte man sein intensives Verhältnis zu Kunst und Wissenschaft. Hier erhebt sich jedoch vor allem die Frage, welche Stellung die Unitätsältestenkonferenz, das eigentliche leitende Organ der Brüdergemeine zwischen den Synoden, Lavater gegenüber eingenommen hat. Informationen über den Züricher Pfarrer und Schriftsteller hat sie, wie schon gezeigt worden ist, vor allem durch die eingesandten Berichte der Diasporaarbeiter und von Freunden der Brüdergemeine bekommen. Auch haben einige Mitglieder dieses Gremiums zwar gewisse Kenntnisse über Lavaters literarisches Schaffen besessen, scheinen sich aber offensichtlich mit dessen Schriften kaum intensiver beschäftigt zu haben. Nur gelegentlich und beiläufig haben sie wohl Publikationen Lavaters zur Kenntnis genommen oder selbst gelesen1. Es kann also grundsätzlich konstatiert werden, daß die Unitätsältestenkonferenz dem Leben und Wirken Lavaters überhaupt nur eine relativ geringe Aufmerksamkeit geschenkt hat. Zumindest in den früheren Jahren war sie stets sehr darauf bedacht, ihm gegenüber Distanz zu wahren. Ja, ihre Haltung zeitigte zumindest vorübergehend geradezu Symptome von Berührungsängsten. Als man beispielsweise imjahre 1773 erfuhr, daß der Diasporaarbeiter Franke in Verbindung mit Lavater stehe2, hat man ihn, wie schon bemerkt, dafür getadelt und zur Verantwortung gezogen. 1

So erhielt Lay ritz auf seiner Visitationsreise durch die Schweiz imjahre 1774 von Judith von Brunn in Schafihausen Lavaters wohl vor allem im Freundeskreis gelesenes Werk Vermischte Gedanken geschenkt. Siehe Brief: Layritz an Nikolaus u. Friedrich von Wattewille, 30. Juni 1774, U A H , R.19.C.11.2: „Sie [sc. Brunn] ist eine Freundin von H[errn] Lavater, steht in Correspond e d mit ihm und hofft noch alles Gute von ihm, u. daß er den Hey land auch als Versöhner einmal erkennen werde. Von ihr bekam ich die Lavaterl. Vermischte Gedanken, die er als ein Manuscript monatlich] an seine Freunde austheilt, und davon ich das 1 St[ück] bey H[errn] Canzler Reuss in Tübingen sah." 2 Siehe P U A C von 1773, Bd. IV, S. 327, Eintrag vom 29. November 1773: „Es wurde kürzlich angeführt, was nach diesen Briefen und sonst gegen Br[uder] Frankens Betragen hauptsächlich zu erinnern ist, als a.) sein allzu vertraulicher Umgang u. Briefwechsel mit Leuten, die nicht nur in keiner Verbindung mit uns stehen, sondern von deren Gesinnung man auch nicht zuverläßig versichert seyn kann; wohin denn auch seine Connexion mit Lavatern gehört." Zum Folgenden siehe S. 85 f.

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Als dann im Jahre 1774 Paul Eugen Layritz, der der Unitätsältestenkonferenz angehörte und in dessen Händen vor allem die gesamte Diasporapflege lag, zu einer offiziellen Visitationsreise in die Schweiz aufbrach, wurde vereinbart, daß er einem Zusammentreffen mit Lavater eher ausweichen als ein solches suchen solle3. Würde er ihm entgegen dieser Intention dennoch zufälligerweise begegnen, dann sollte er sich in keine Kontroverse mit ihm einlassen. In diesem Fall sollte er „nur positive sich erklären, was seine u. der Brüder schriftmäßige Erkenntniß und Erfahrung sey" 4 . Allerdings kam Layritz dann gar nicht in diese Verlegenheit, da Lavater zur Zeit seines Aufenthalts in Zürich, nämlich Ende Juni 1774 nicht dort weilte, sondern sich auf seiner berühmten Reise nach Bad Ems befand. In der Mitte der neunziger Jahre erfuhr schließlich das ohnehin distanzierte Verhältnis der Unitätsältestenkonferenz zu Lavater eine weitere Belastung. Man hatte nämlich dort erfahren, daß Lavater den Gehorsam von Mitgliedern der Brüdergemeine gegenüber der weltlichen Obrigkeit öffentlich in Zweifel gezogen und nicht mehr als grundsätzlich gegeben hingestellt hatte5. In dem von ihm herausgegebenen Monatblat für Freunde hatte Lavater nämlich 1794 in einem kurzen Beitrag 6 erklärt, daß er Herrnhuter kenne, die sich über die Hinrichtung Ludwigs XVI. und französischer Royalisten freuten. Sie hätten sich, allen gutgemeinten freundschaftlichen Warnungen spöttisch widersprechend, zu fanatischen Demokraten entwickelt. Jeder, der den Königsmord anprangere, würde von ihnen als „blinder Aristokrat" verschrieen. Einst wären die Brüder vor dem Bild des gekreuzigten Nazareners niedergesunken, nun folgten sie den Revolutionsideen. Dieser Gesinnungswechsel einiger Herrnhuter ließ Lavater aber an das Wort aus ljoh 2, Vers 19 denken: Wenn sie aus uns gewesen wären; so wären sie bey uns geblieben. Was hatte Lavater zu dieser massiven Kritik gefuhrt? Veranlaßt worden war sie durch das Verhalten einiger Glieder der Brüdersozietät bei den Unruhen, die in den Jahren 1793 und 1794 in Stäfa, einer unweit von Zürich gelegenen Ortschaft, ausgebrochen waren 7 . Bei dieser damaligen Empörung der untertänigen Landschaft gegen die herrschende Stadt Zürich waren nämlich einige Brüder als Hauptagitatoren aufgetreten 8 . Dies gilt vor allem für 3 P U A C von 1774, Bd. II, S. 208, Eintrag vom 30. April 1774: „In Zürich wird Br[uder] Layriz unter andern mit dem Dr. W o l f . . . bekannt zu werden Gelegenheit h a b e n . . . Eine Zusammenkunft mit Herrn Lavater wird Br[uder] Layriz eher vermeiden als suchen." 4 Ebd. S. 209. 5 Vgl. P U A C von 1799, Bd. IV, S. 190f., Eintrag v o m 16. November 1799. 6 Joh. K. Lavater, Monatblat für Freunde, Januar 1794, S. 43f. Die folgenden beiden Zitate finden sich auf S. 44. 7 Über Lavater und die Unruhen in Stäfa siehe bes. P. Wernle, Der schweizerische Protestantismus, Bd. 3, S. 544-550 u. P. Wernle, Helvetik, Bd. 1, S. 33-37. 8 Über die unterschiedlichen Auffassungen bei den Mitgliedern der Sozietät der Brüdergemeine in Stäfa siehe F.W. Mosel, Diarium, Einträge zum Jahr 1795, U A H , R.19.C.19.b. Vgl. L. Nagel, Besuchsreise in die Schweiz, 1796, ebd. Beilage Nr. 3. Nagel hat auf seiner Reise

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Johann Jakob Bodmer, den Säckelmeister von Stäfa. Lavater, der sich übrigens dafür eingesetzt hat, daß der Prozeß gegen die Rädelsführer ohne Blutvergießen ausging, hat ihn im Gefängnis besucht und daran erinnert, daß Zinzendorfjede Form von Aufruhr gegen die Obrigkeit verboten habe. Zinzendorf habe auch im Falle schwerer Unterdrückung nur ehrerbietige Einwände erlaubt. Würde diesen nicht stattgegeben werden, dann sollten die Brüder die Drangsale demütig als von Gott verordnet hinnehmen 9 . Erst in den letzten Lebensjahren Lavaters hat die Unitätsältestenkonferenz stärker an dessen Leben Anteil genommen. Hierzu hat wohl auch die Tatsache beigetragen, daß Lavater seinerseits im Jahre 1797 indirekt mit ihr in briefliche Verbindung getreten ist10. Er hatte nämlich dem ehemaligen Benediktiner Alois Jauch, der in Zürich zur reformierten Kirche übergetreten war, ein Schreiben 11 nach Herrnhut mitgegeben. Darin empfahl er der Brüdergemeine diesen ehemaligen katholischen Geistlichen zu weiteren Diensten. Darüber hinaus haben aber vor allem die Berichte des Diasporaarbeiters Beck an die Unitätsältestenkonferenz immer wieder die Aufmerksamkeit auf Lavater gelenkt. Beck, der seit 1799 in der Schweiz wirkte, berichtete in seinen Aufzeichnungen von seinen Besuchen bei Lavater und von dessen Predigttätigkeit. Darüberhinaus informierte er über dessen Gefangennahme und Deportation nach Basel sowie über seine Rückkehr nach Zürich 12 . Selbstverständlich gab er auch von Lavaters Verwundung Nachricht. Anscheinend hat hierüber Lavater der Brüdergemeine aber sogar selber einen Bericht zukommen lassen. Im Protokoll der Unitätsältestenkonferenz findet sich nämlich die Notiz: „Man verlas eine von Pfarrer Lavater dictirte Nachricht von dem ihm zugestoßenen Unglück bey dem lezten Einzüge der Franzosen in Zürich den 26. Septbr., da er durch einen Schuß in den Leib verwundet worden." 1 3 Schließlich hat Beck auch von Lavaters Sterben und der Bekanntmachung zweimal Stäfa aufgesucht und nähere Erkundigungen eingezogen. Danach hat ein Teil der Freunde der Brüdergemeine ihr einstiges oppositionelles Verhalten gegen die Obrigkeit als falsch erkannt und bereut. 9 Siehe G. Geßner, Lavaters Lebensbeschreibung, Bd. 3, S. 360. In der Tat hatte Zinzendorf in weltlichen Belangen jedes Widerstandsrecht der Untertanen gegen die Obrigkeit abgelehnt. Siehe ζ. Β. N . L. von Zinzendorf, Privat-Erklärung von Gott selbst zusammen gebrachten einfältigen Gemeinde zu Herrnhuth 1730, in: Büdingische Sammlung, Bd. 1, S. 52f.: „Wir statuiren eine solche Unterthänigkeit unter das Obrigkeitliche A m m t in allen leiblichen D i n gen, daß wir bey eintzelnen Kindern Gottes alle Widersetzlichkeit, auch in den unbilligsten Z u m u t h u n g e n und bey Zerreissung aller Privilegien verwerffen, und glauben, daß wir der Obrigkeit, bis zur Leibeigenschafft unwidersprechlich gehorsam seyn müssen." 10

Hierzu und zum Folgenden siehe H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 140f. Brief: Lavater an die Brüdergemeine in Herrnhut, 1797, gedr. in: H . Schiel, Sailer und Lavater, S. 141. Dieser Empfehlungsbrief ist in dem U A H nicht mehr vorhanden; er wird j e doch erwähnt in: P U A C von 1797, Bd. IV, Eintrag vom 2. N o v e m b e r 1797. 12 Hierzu und zum Folgenden siehe Joh. L. Beck, Diarium, Einträge v o m 16. Mai, 23. Juli u. 16. August 1799, U A H , R.19.C.19.C. 13 P U A C von 1799, Bd. IV, S. 97, Eintrag vom 24. Oktober 1799. 11

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seines Ablebens Mitteilung gemacht 14 . Eigentümlich versöhnlich mutet es an, daß man des Todes Lavaters nicht nur in der Versammlung der Züricher Sozietät der Brüdergemeine gedacht hat, sondern daß Beck am 5.Januar 1801 auch in dem großen Trauerzug mitgegangen ist. In seinem Diarium hielt er folgendes fest: „ U m 4 Uhr war ein zahlreiches Begräbniß des sel[igen] Pfarrer Lavaters, ich ging auch mit, u. beinah die ganz Bürgerschaft, der Französische Plaz Commendant Leborgne mit seinem Regiments Staab, . . . der Artillerie-Chef, zusammen 36 Officiers folgten mit." 1 5 Was hat man nun seitens der Unitätsältestenkonferenz an Lavater kritisiert? Die Kritik an Lavater richtete sich zuerst und vor allem gegen seine Christologie. Man räumte zwar ein, daß er ein „Verehrer u. Liebhaber des Heilands" 1 6 sei. A u f der anderen Seite warf man ihm aber vor, Christus sei für ihn nur ein Vorbild, dem es nachzufolgen gelte, aber nicht das L a m m Gottes, das den Zorn Gottes trägt. Man rückte ihn deshalb vorsichtig in die Nähe des Spinozismus, wie ein Eintrag im Protokoll der Unitätsältestenkonferenz zeigt 17 . Selbstverständlich wollte man mit dem Schlagwort Spinozismus auch Lavaters Anthropologie treffen. Diese ging bekanntlich nicht von der radikalen Verderbtheit der Menschheit aus, sondern von der Auffassung, daß die Natur des Menschen lediglich geschwächt sei, also nur einen Makel habe. Im diametralen Gegensatz zu den Brüdern sah Lavater nämlich zwischen Gott und Mensch, zwischen Schöpfer und Geschöpf keinen grundsätzlichen, sondern nur einen qualitativen Unterschied. Allerdings hegte man in der Leitung der Brüdergemeine offensichtlich die Hoffnung, es könne bei dem schwerkranken Lavater noch zu einer völligen Umkehr kommen. Dies war vor allem der Fall nachdem der Diasporaarbeiter Beck nach seinem am 8. August 1800 abgestatteten Besuch berichtet hatte, Lavater habe bekannt, „daß er izt erst ein armer Sünder würde"; auch habe er darum gebeten „seiner im Gebet zu gedenken u. auch unsern Geschwistern es zu sagen, daß sie für ihn beten möchten" 1 8 . Jedenfalls nahm man diese Nachricht in der Unitätsältestenkonferenz mit großer Erwartung 1 4 Hierzu und z u m Folgenden siehe J o h . L . B e c k , D i a r i u m , Einträge v o m 2. u. 4. J a n u a r 1801, U A H , R . 1 9 . C . 1 9 . C . 1 5 E b d . Eintrag v o m 5. J a n u a r 1801. 1 6 P U A C v o n 1790, B d . IV, S. 51, Eintrag v o m 9. O k t o b e r 1790. 1 7 Siehe P U A C v o n 1790, B d . IV, S. 51 f., Eintrag v o m 9. O k t o b e r 1790: ,,Br[uder] J o s e p h [sc. S p a n g e n b e r g ] m a c h t e die übrigen B r ü d e r auf eine Recension v o n Lavaters M o n a t - S c h r i f t [ A n t w o r t e n auf wichtige u n d w ü r d i g e Fragen] in den Rintelnschen Annalen der neuesten theologischen Litteratur u. Kirchengeschichte [Annalen der neuesten T h e o l o g i s c h e n Litteratur u n d Kirchengeschichte, B d . 2, 1790, S. 529-544] a u f m e r k s a m , aus welcher a b z u n e h m e n ist, daß Lavater in g e n a n n t e m B u c h e A u s d r ü c k e gebraucht haben m ü s s e , daraus m a n ihn des S p i n o z i s m i beschuldigen könne; d e r g l e i c h e n ] A u s d r ü c k e fänden sich auch schon in seinen vor mehreren Jahren herausgegebenen G e d a n k e n an seine vertrauten Freunde. B r [ u d e r ] J o s e p h f u g t e hinzu, es sey zu bedauren, daß Lavater, der übrigens ein Verehrer u. Liebhaber des Heilands sey, durch d e r g l e i c h e n ] unvorsichtige Ä u ß e r u n g e n den Feinden J e s u Christi G e l e g e n heit u . A n f a ß u n g zu Spöttereyen über die wahre christliche] Religion g e b e . " 18

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J o h . L . B e c k , D i a r i u m , Eintrag v o m 8. A u g u s t 1800, U A H , R . 1 9 . C . 1 9 . C .

auf, wie der Eintrag in das Protokoll evident macht 19 . Hatte es in dem Schreiben des Diasporaarbeiters lediglich geheißen, daß Lavater als „armer Sünder" die Fürbitte begehrt habe, so findet sich hier die Formulierung, dieser habe „sich recht herzlich und sünderhaft erklärt".

5.

Zusammenfassung

Lavater hat, so läßt sich zusammenfassend feststellen, den Unterschied zwischen sich und der Brüdergemeine recht deutlich bemerkt und betont. Diesen empfand er als wesentlich größer als den zu Zinzendorf. Zwar hat er an diesem mancherlei theologische und auch literarische Kritik geübt, ihn aber dennoch wegen seiner dynamischen Persönlichkeit, der Freiheit seines Denkens und seiner sprachlichen Ausdruckskraft hoch verehrt. Zinzendorfs Blutund Wunden-Theologie blieb ihm jedoch zeitlebens verschlossen und unverständlich. Mehrfach hat er dessen Satisfaktionslehre entschieden zurückgewiesen. Dagegen meinte Lavater bei der Brüdergemeine seiner Zeit nur ängstlich bekundete Rechtgläubigkeit und peinlich beobachtete Distanz zur Welt feststellen zu können. Er konstatierte sogar, daß er in keinem der brüderischen Gesichter, in die er geblickt habe, einen Zug „reinen, philosophirenden Verstandes" 1 habe wahrnehmen können. Die Brüder und Schwestern der Gemeine seien vielmehr „sehr beschränkt" 2 , also in ihrem Denken begrenzt und eingeengt. Sie lebten „ganz in dem beschränkten Kreise! Heiter, ruhig, zufrieden - nur in ihrer Gemeine und dem Zauber ihrer einfältigen Heilandsliebe leicht auf- und niederschwebend! Bienlein - nicht schwärmend von Blume zu Blume - nur auf Einer, der Passionsblume, wohnend - von da aus, dahin zurückfliegend! " 3 Geschätzt hat Lavater an den Brüdern aber deren stille Frömmigkeit sowie ihre Sittsamkeit und ihre Geschicklichkeit. Für letzteres gebrauchte er in seinen Physiognomischen Fragmenten das Wort „Wohlanstelligkeit" 4 . Aus diesen Gründen hat Lavater gegenüber der Brüdergemeine Distanz bewahrt; ein eventueller Anschluß an sie mußte für ihn völlig außerhalb des Vorstellbaren liegen5. Allerdings läßt sich jedoch beim älteren Lavater eine stärkere Annäherung an diese feststellen. Zurückzufuhren ist dies darauf, daß seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre seine Beziehungen zu den Stillen im Lande enger geworden waren. 19

P U A C von 1800, Bd. III, S. 243, Eintrag vom 8. September 1800. Joh. K. Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 3, S. 281. 2 Ebd. S. 282. 3 Ebd. 4 Ebd. S. 281. 5 Ebd. S. 281 f.: „Und ich wollte fast sagen d ü r f e n - .denselben Tag will ich mich der Gemeine einverleiben, wenn ich einen [sc. Bruder] mit reinem, philosophischem Verstand kennen lerne'." 1

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Die Brüdergemeine, zumindest in ihrem leitenden Organ, der Unitätsältestenkonferenz, sah in Lavater keineswegs einen ihr nahestehenden Theologen. Man nannte ihn zwar einen Liebhaber des Heilands, fühlte sich aber in zentralen theologischen Aussagen grundsätzlich von ihm geschieden. Allerdings hatte man die Hoffnung, Lavater werde vielleicht doch noch recht erweckt werden. Diese Erwartung hegte man besonders während seiner letzten Lebensjahre, vor allem während seines sechzehnmonatigen Krankenlagers. Jedoch gab es vereinzelte Mitglieder und Freunde der Brüdergemeine, die teilweise in einem recht engen, vertrauten Verhältnis zu Lavater gestanden haben. Hier muß aber beachtet werden, daß deren Beziehungen zur Unitätsältestenkonferenz größtenteils selbst nicht spannungslos gewesen sind. Auch ist zu beachten, daß sie fast alle ebenfalls an Lavater mancherlei kritisiert haben. Ihre Kritik fiel jedoch im Theologischen nicht so grundsätzlich aus und war vor allem in der Form gemäßigter.

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IV. Lavater und die Deutsche Christentumsgesellschaft Frömmigkeit und kirchliches Leben haben im ausgehenden 18. Jahrhundert in nicht unbedeutendem Umfang von der Deutschen Christentumsgesellschaft Impulse oder sogar Prägung erhalten. Deshalb soll der Frage nachgegangen werden, welche Stellung Lavater ihr gegenüber eingenommen hat. Hierbei wird das Augenmerk zunächst auf die Anfänge dieser Sozietät sowie ihren Gründer zu richten sein. Sodann soll Lavaters Verhältnis zum Basler Zentrum der Deutschen Christentumsgesellschaft und schließlich zu einzelnen Partikulargesellschaften zur Darstellung gelangen.

1. Die Gründung der Deutschen Christentumsgesellschaft

und Lavater

Am 30. August 1780 konstituierte sich in Basel die Deutsche Gesellschaft edler thätiger Beförderer reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit 1 , die ursprünglich eine doppelte Zielsetzung verfolgte. Einerseits wollte sie sich mit der Aufklärungstheologie apologetisch auseinandersetzen und andererseits praktisches Christentum sowie Frömmigkeit pflegen; der Akzent lag jedoch von Anfang an eigentlich auf letzterem. Zustandegekommen ist diese Gesellschaftsgründung nicht zuletzt dank der Bemühungen Johann August Urlspergers, des ehemaligen Seniors der Augsburger Geistlichkeit. Lavater war zwar an der Gründung der Gesellschaft nicht direkt beteiligt, er hat aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Kenntnis von diesem Vorhaben erhalten. Urlsperger weilte nämlich Ende Juli und Anfang August 1779, also am Anfang seiner großen, 16monatigen Reise, die der Realisation seines Gesellschaftsplanes galt, in Zürich, wo er auch Lavater aufgesucht hat 2 . Lavater und Urlsperger waren damals allerdings schon seit mehreren Jahren miteinander bekannt, wobei sich die Anfänge ihrer persönlichen Beziehungen jedoch nicht mehr genau eruieren lassen; möglicherweise reichen sie bis in das Jahr 1763 zurück. Am 8. März dieses Jahres hatte nämlich der 21jährige Lavater zusammen mit seinen Freunden Heinrich Füssli und Felix Heß unter der Obhut des nach Berlin zurückkehrenden Winterthurer 1

Hierzu und zum Folgenden siehe H. Weigelt, Urlsperger und die Anfänge der Christentumsgesellschaft (Lit.). 2 Über Urlsperger und Lavater siehe u. a. H. Weigelt, Lavaters Beziehungen zu Urlsperger.

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Gelehrten Johann Georg Sulzer eine Studien- und Bildungsreise nach Deutschland angetreten 3 . Deren eigentliches Ziel war der kleine Ort Barth in Schwedisch-Pommern, wo sie sich auf Anregung von Breitinger bei dem Präpositus Spalding, der einer milden Aufklärung verhaftet war, für einige Monate aufhalten wollten. Für die Hinfahrt wählte man die Route durch Süddeutschland 4 . Man reiste also über Lindau, Augsburg und Nürnberg nach Berlin, von w o die drei Freunde nach einem mehrwöchigen Aufenthalt nach Barth weiterzogen. Unterwegs waren sie überall darauf bedacht, mit bedeutenden Persönlichkeiten des damaligen kirchlichen und kulturellen Lebens zusammenzutreffen 5 . Deshalb haben Lavater und seine Reisegefährten in Augsburg 6 , wo sie sich jedoch nur einen halben Tag lang aufgehalten haben 7 , die Begegnung mit dem Winterthurer Porträtmaler Anton Graff gesucht; dieser hat ihnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt gezeigt 8 . O b Lavater schon bei diesem Aufenthalt auch Urlsperger, der seit Sommer 1762 Diakon bei St. Anna war, begegnet ist, läßt sich nicht ausmachen. Allerdings liegt es durchaus im Rahmen des Möglichen, zumal Urlspergers Vater Samuel, dazumal Pfarrer und Senior zu St. Anna, zu den bedeutendsten Theologen Süddeutschlands zählte. Z u m ersten nachweisbaren brieflichen Kontakt zwischen Lavater und Urlsperger ist es Anfang des Jahres 1772 gekommen. Mitte Januar hatte nämlich Jakob Hermann Obereit 9 , der damals als Practicus und Operator in Lindau wirkte, Lavater den dritten Teil von Urlspergers Trinitätsschrift Versuch in freundschaftlichen Briefen einer genauem Bestimmung des Geheimnißes Gottes und des Vaters und Christi 10 samt einem Schreiben von diesem übersandt 11 . Obereit fungierte hierbei offensichtlich lediglich als Übermittler dieses apologetischen Werkes. Sogleich nach dem Erhalt dieser Hierzu und zum Folgenden vgl. Kap. 1.1. Ü b e r die Route der Hinreise siehe außer Lavaters Reisetagebuch nach Barth ( Z B Z , FA Lav. Ms. 5 u.5a) die Briefe Lavaters an seine Eltern, die er während der Reise geschrieben hat (ebd. M s . 570, N r . 1-3, 4-14). 5 Uber Lavaters Kontaktaufnahme zu bedeutenden Zeitgenossen auf seiner Studien- und Bildungsreise siehe S. 10. 6 Lavaters Reisetagebuch nach Barth ( Z B Z , FA Lav. M s . 5 u. 5 a) enthält keinen Eintrag über seinen Aufenthalt in Augsburg. Lavater hat in seinem Diarium einige Seiten freigelassen; er wollte sie offensichtlich später nachtragen. Sehr instruktiv fur den Aufenthalt in A u g s b u r g ist sein Brief an seine Eltern v o m 16. März 1763 (ebd. M s . 570, Nr. 3). 7 Brief: Lavater an seine Eltern, 16. März 1763, ebd. Ms. 570, Nr. 3: „Wir halten uns nicht länger als einen halben Tag in dieser Stadt auf, wenn gleich eine Woche nicht hinreichte Kunststüke u. Merkwürdigkeiten derselben genau zu betrachten." 8 Siehe O . Waser, Anton Graff, S. 16, 35f., 85f. 9 Ü b e r Obereit siehe W. Milch, Einsamkeit; R . - H . Blaser, U n Suisse. 1 0 Ü b e r dieses apologetische Werk siehe H. Weigelt, Urlsperger, S. 80 f. 11 Siehe Brief: Obereit an Lavater, 18. Januar 1772, Z B Z , FA Lav. M s . 522, N r . 132: „Herrn Urlspergers Tractat und Brief ist das vorigemal unversehens liegengeblieben. Vergeben Sie! Er stößt stößt die gemeine Schulorthodoxie de Trinitate u m und entwickelt schriftmäßig Begriffe, die der Ihrigen von der himmlischen Menschheit des Sohns Gottes nahe k o m m e n . Vornehml i c h ] ist die kurze Z u s a m m e n f a s s u n g des Ausgangs J e s u von Gott und Wiederhingangs zum 3 4

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Publikation verfaßte Lavater am 21. Januar 1772 ein mehrseitiges Schreiben mit einem ausfuhrlichen Postskriptum an Urlsperger 12 . Dieser in der Forschung bislang viel zu wenig beachtete Brief ist deshalb so bedeutsam, weil Lavater darin nicht nur Urlspergers Dreieinigkeitslehre kritisiert, sondern auch seine eigene Christologie und Trinitätslehre ausfuhrlich dargestellt hat13. Welche Kritik hat nun Lavater an Urlspergers Christologie und Trinitätslehre, auf deren Struktur in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden kann 14 , geübt? Sein Vorwurf richtete sich vor allem gegen Urlspergers Versuch, mittels einer neuen Begrifflichkeit und unter Zuhilfenahme spekulativer Gedanken, das altkirchliche Dogma nicht nur als schrift-, sondern auch als vernunftgemäß erweisen zu können. Lavater beschwor ihn gleichsam, seine apologetischen Bemühungen in dieser Form nicht mehr fortzusetzen, allerdings ohne Erfolg. In den nächsten Jahren ist Lavater den literarischen Arbeiten Urlspergers gegenüber noch kritischer geworden. Deutlich wird dies aus einem Schreiben15, das er am 30. Dezember 1773 an den Gießener Theologieprofessor Karl Friedrich Bahrdt gerichtet hat. Dieser hatte ihm in einem Brief 16 mitgeteilt, daß er sich nach Mitarbeitern für die von ihm projektierte Zeitschrift Allgemeine theologische Bibliothek umgesehen habe17. Unter denjenigen, die sich bereiterklärt hätten, Rezensionen zu übernehmen, befände sich auch Urlsperger. O b Bahrdt ihn hierzu aufgefordert oder ob dieser sich selbst bereiterklärt hat, geht aus dem Brief nicht eindeutig hervor. Aus der von Bahrdt gewählten Formulierung, der Augsburger Senior habe sich „auch in den Bund begeben" 18 , ist wohl eher zu folgern, daß er sich selbst angeboten hat. Lavater jedenfalls hielt Urlsperger als Mitarbeiter an diesem theologischen Journal für völlig ungeeignet, obgleich er ihn offensichtlich als MenVater in die Ewigkeiten der Ewigkeiten pag. 252 und pag. 266 bis zu Ende höchst merkwürdig." 12 Brief: Lavater an Urlsperger, 20. u. 21. Januar 1772, ebd. Ms. 584, Nr. 157. 13 Leider ist diesem gewichtigen Zeugnis von Lavaters Christologie und Trinitätslehre zu Beginn der siebziger Jahre von der Forschung zu wenig Beachtung geschenkt worden. Herangezogen wurde dieses Schreiben wenigstens bei Chr. Janentzky, Lavaters Sturm und Drang, S. 34f., 272; P.-M. Nikolitsch, Diesseits und Jenseits, S. 158-161. Die Interpretation dieses Briefes Lavaters durch P.-M. Nikolitsch ist nicht völlig stringent, weil ihm gravierende Lesefehler unterlaufen sind. Zu dem Schreiben Urlspergers siehe jetzt H. Weigelt, Lavaters Beziehungen zur Urlsperger, S. 57ff., 65-70 (hier ist das Schreiben Urlspergers ediert). 14 Hierzu siehe H. Weigelt, Johann August Urlsperger. Ein Theologe zwischen Pietismus und Aufklärung, S. 98-112, 169-198. 15 Brief: Lavater an Bahrdt, 30. Dezember 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 551, Nr. 100. Hierzu und zum Folgenden vgl. G. Frank, Bahrdt, S. 203-370. 16 Brief: Bahrdt an Lavater, 12. Dezember 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 501, Nr. 183. 17 Ebd. Bahrdt vermochte aber in diesem Brief zunächst nur einige sichere Mitarbeiter namentlich mitzuteilen. „Viele warten auf den ersten Band, um die Vögel erst an den Federn kennen zu lernen." 18 Ebd.

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sehen geschätzt hat. In seinem Antwortbrief 19 vom 30. Dezember 1773 schrieb er nämlich: „Urlsperger ist ein redlicher, verständiger, aber äußerst operoser Mann. Seine Ideen von der Dreyeinigkeit sind, das sich Gott erbarm; aber warum ist der Mann ein Kind, und warum nehmen Sie Kinder zu Mitarbeitern?" 20 Nach Lavater war er also zwar durchaus integer und auch gebildet, aber es fehlten ihm die geistigen Fähigkeiten für eine theologische Auseinandersetzung 21 . Zur ersten quellenmäßig bezeugten Begegnung zwischen Lavater und Urlsperger kam es im Juni des Jahres 1778 in Augsburg. Dies geschah anläßlich von Lavaters Reise nach Pondorf bei Regensburg, wohin er aufgebrochen war, um endlich den Exorzisten und Wunderheiler Gaßner zu treffen. Bereits auf seiner Hinreise machte er am 15. Juni in Augsburg Station22; er stieg in dem Gasthof Traube ab, wo der „Menschenfreund" 23 von seinen Anhängern willkommen geheißen wurde. Von hier aus stattete er Besuche ab, unter anderem auch Urlsperger, der damals schon seit etwa zwei Jahren wegen Kränklichkeit seine kirchlichen Ämter niedergelegt hatte. Obgleich Lavater ursprünglich «nicht länger als einen halben Tag in Augsburg hatte bleiben wollen, verlängerte er auf Drängen seiner Verehrer seinen Aufenthalt bis zum nächsten Tag. Den Abend verbrachte er im Hause des wohlhabenden Kaufmanns Emanuel Botzenhard, „wo sich auch noch einige der hiesigen Theologen versammelten, um dieses Glück recht zu genießen, das so ein großer Mann gewährt" 24 . O b sich hier auch Urlsperger eingestellt hat, ist nicht mehr auszumachen. Am frühen Morgen des folgenden Tages reiste Lavater nach Pondorf weiter, wo es, wie bereits erwähnt, zu der für ihn letztendlich enttäuschenden Begegnung mit Gaßner kam 25 . Aufseiner Heimreise nach Zürich hat Lavater dann vom 21. zum 22. Juni nochmals in Augsburg übernachtet, und zwar auf ausdrücklichen Wunsch Botzenhards hin in dessen Haus 26 . Diesmal hat er aber wenig Kontakt zu 19

Brief: Lavater an Bahrdt, 30. Dezember 1773, ebd. Ms. 551, Nr. 100. Ebd. 21 Dieses Urteil steht nur scheinbar in einer Spannung zu der Interpretation, die Lavater unter das Porträt von Urlsperger in seinen Physiognomischen Fragmenten (Bd. 4, S. 85) gesetzt hat: „Hinwiederum giebt's solche Umrisse und Stirnen, von denen man sagen kann: Hier kann Genie wohnen und wirken; die Natur protestirt wenigstens nicht dagegen. Von dieser Art ist nachstehendes Köpfgen." Allerdings hat Lavater in der Publikation nicht vermerkt, daß es sich hier um Urlsperger handelt. Vgl. auch das in der Ö N B Wien (Slg Lav XXI / 340 / 6243) befindliche, von Gustav Andreas Wolfgang gestochene Porträt Urlspergers. 22 Lavaters Reisetagebuch nach Pondorf (ZBZ, FA Lav. Ms. 16.4) setzt erst am 18. Juni 1778 in Straubing mit Einträgen ein. Es existieren also von Lavater keine Tagebuchaufzeichnungen mehr über seinen Aufenthalt in Augsburg auf der Hinreise nach Pondorf. 23 [G. W. Zapf], Z u m Andenken über Lavaters Auffenthalt, S. 9. 24 Ebd. S. 11. 25 Im Reisetagebuch nach Pondorf (ZBZ, FA Lav. Ms. 16.4) hat Lavater in den Einträgen vom 18. u. 19. Juni 1778 seinen Besuch und seine Erfahrungen bei Gaßner festgehalten. Über Lavaters Aufenthalt in Pondorf siehe u. a. J. Hanauer, Gaßner, S. 409 f. 26 Siehe im Reisetagebuch nach Pondorf die Einträge vom 21. u. 22. Juni 1778, Z B Z , FA 20

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anderen Augsburgern gehabt. In einer alsbald publizierten Erinnerungsschrift27 wird ausdrücklich hervorgehoben, daß er die wenigen Stunden „in Stille"28 zugebracht habe. Bedingt war dies wohl nicht zuletzt dadurch, daß ihn hier die ihn sehr alterierende Todesnachricht von David Schulthess erreicht hat29; mit dessen Frau Barbara war er wie auch Goethe in Freundschaft verbunden. Daher ist es zwar nicht ausgeschlossen, aber doch weniger wahrscheinlich, daß Lavater und Urlsperger sich hier noch einmal getroffen haben. Im Sommer des nächsten Jahres ist es schließlich in Zürich, wie bereits erwähnt, erneut zu einer Begegnung zwischen den beiden gekommen. Mitte Juli 1779 war nämlich Urlsperger zu seiner Reise aufgebrochen, um seinen Gesellschaftsplan zu verwirklichen 30 . Zunächst wandte er sich in die Schweiz, w o er sich zwischen Ende Juli und Anfang August 31 auch kurz in Zürich aufgehalten hat32. Dort hat er auch Lavater aufgesucht, der sich dann in einem Brief v o m 16. Januar 1780 dankbar, jedoch keineswegs unkritisch, der „angenehmen und lehrreichen Stunden" 33 mit Urlsperger erinnert hat. O b er bei diesem Besuch Lavater auch in den eigentlichen Zweck seiner Reise eingeweiht hat, läßt sich nicht mit letzter Gewißheit ausmachen. In dem eben erwähnten, kaum ein halbes Jahr später verfaßten Brief 34 an Urlsperger hat Lavater jedoch angemerkt, Urlsperger habe im Gespräch Lav. Ms. 16.4: Vgl. Brief: Lavater an Anna Lavater, 21. Juni 1778, ebd. Ms. 570, Nr. 149: „Ich bin hier im Bozenhardischen Haus wie als Kind." Über E. Botzenhard siehe W. Zorn, Handelsund Industriegeschichte, S. 57 u. 301 (Lit.). 27 [G. W. Zapf], Z u m Andenken über Lavaters Auffenthalt. 28 Ebd. S. 13. 29 Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Pondorf, Eintrag vom 21. Juni 1778, ZBZ, FA Lav. Ms. 16.4: „Herr Jesus, wie mir ward, da ich las, nicht verstand, wieder las: Herr Schultheß ist todt - Mein Mann ist todt! Ohnmächtig wollte mir werden." Vgl. Brief: Lavater an Anna Lavater, 21. Juni 1778, ebd. Ms. 570, Nr. 149: „Du kannst denken u. nicht denken, wie mich der Todesfall des Herr[en] Sch[ulthess] beynahe tödtete." David Schulthess war am 13. Juni 1778 verstorben. 30 Über diese Reise siehe H. Weigelt, Deutsche Christentumsgesellschaft, S. 123-129 (Lit.). 31 Der Termin ergibt sich aus der Tatsache, daß Urlsperger Ende Juli, spätestens aber Anfang August 1779 zu einem vierzehntägigen Aufenthalt in Basel eingetroffen ist. Siehe E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 6. 32 Über Urlspergers Aufenthalt in Zürich siehe Brief: Urlsperger an Geilinger und Obereit, 14.-21. März 1780, auszugsweise gedr. in: ebd. S. 131-132, Nr. 36. 33 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Urlsperger, 16. Januar 1780, Z B Z , FA Lav. Ms. 584, Nr. 158. Vgl. dagegen E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 6 (Chronik der Christentumsgesellschaft von E. Staehelin): „ . . . daß auch eine Begegnung mit Johann Caspar Lavater stattfindet, ist möglich; aber bezeugt ist eine solche nicht." 34 Der eigentliche Anlaß zu diesem Brief war, daß Lavater für den frommen, redlichen, tüchtigen, aber sehr mittellosen Kandidaten der Theologie, Ludwig Roentgen (1755-1814), der damals noch in Tübingen studierte, eine Stelle suchte. Er bat Urlsperger darum, sich für diesen Neuwieder zu verwenden „und wenns in einem andern Welttheile wäre" (ebd.). O b und gegebenenfalls wie Urlsperger dieser Bitte Lavaters entsprochen hat, ist nicht bekannt. Seit 1780 war Roentgen Pfarrer in Neuwied, seit 1783 Oberpfarrer in Petkum und ab 1793 Oberpfarrer in Esens in Ostfriesland, zuletzt Konsistorialrat und Superintendent.

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vieles erwähnt, das seine freudige Zustimmung gefunden hätte, aber auch vieles, dem er nicht folgen könne 35 . Trotz dieser unbestimmten Formulierung darf wohl gefolgert werden, daß Lavater von Urlsperger selbst über die geplante Gesellschaft unterrichtet worden ist. Wie dem auch immer sei, so steht jedoch fest, daß Lavater bald nähere Einzelheiten über die intendierte Gesellschaft erfahren hat. Dies geschah sehr wahrscheinlich durch den Winterthurer Kaufmann Johann Ulrich Geilinger36. Diesem hatte sein in Basel als Handlungsbedienter tätiger Freund Georg David Schild, der mit einem gewissen Recht als „der eigentliche Verwirklicher der Christentumsgesellschaft" 37 bezeichnet worden ist, im August 1779 die zwei von Urlsperger verfaßten, aber anonym publizierten Gesellschaftstraktate 38 zugesandt 39 . In seinem Antwortschreiben 40 bedauerte Geilinger, daß man sie in Zürich auch Lavater vorenthalten habe, obgleich dieser erst auf der letzten Züricher Synode in einer Rede gegen die „Schriften von Lessing und Steinbart sich ereifert" habe „und folglich eben gegen das sich gesezt, wogegen die Gesellschaft angehen würde". Zwar könne Lavater sicherlich nicht als „orthodox" bezeichnet werden, aber er „würde zu Bestreitung des Unglaubens Hand in Hand schlagen". Schließlich fragte er, ob er den Gesellschaftsplan nicht „allenfalls lavaterisch gesinten Freunden dürfte mittheilen". Ende Januar 1780 berichtete dann Geilinger an Schild, daß Obereit, den er in das Vorhaben eingeweiht habe, inzwischen den Gesellschaftsplan an Johann Jakob Heß, Diakon am Züricher Frauenmünster, gesandt hätte, mit dem Ersuchen, ihn in „behutsamer Verwahrung wegen L und Seinesgleichen" zu halten 41 . Dieser Diakon und der Chorherr Tobler gehörten zu den „Besten und Unanstößigsten in Zürich, denen man es allenfals anvertrauen darf, die Gesellschaftsangelegenheit in Zürich zu besorgen". Hieraus wird deutlich, daß man es nicht für tunlich hielt, Lavater an 35 Ebd.: „Vieles von Ihren Gesprächen hat sich mir eingeprägt, hat meinen Geist genährt und erquickt; vieles wollte mir nicht eingehen, weil ich es der apostolischen Einfalt und dem herrschenden Tone des Evangeliums (meinem einzigen, theologischen und religiösen Prüfsteine) widersprechend fand." 36 Über ihn siehe P. Wernle, Der schweizerische Protestantismus, Bd. 3, passim; W. Ganz, Winterthur, S. 188. 37 E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 67 (Vorstellung der Korrespondenten und der übrigen in den Texten vorkommenden identifizierten Personen von E. Staehelin). 38 Über diese beiden Propagandaschriften Urlspergers Etwas zum Nachdenken und O h n vorgreifliche Gedanken eines Ungenanten siehe H. Weigelt, Urlsperger und die Anfänge der Christentumsgesellschaft, S. 54. 39 Siehe Brief: Geilinger an Schild, 24. August 1779, U B Basel, ACG, D Ia, 11, Nr. 1; gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 103, Nr. 5: „Das Übersandte habe mit ausnehmender Freüde und Vergnügen gelesen, danke Dir herzlich dafür. Der Herr sey gepriesen, daß sich auch noch jemand findet, der in den Riß stehen will. Weißt Du nicht, wer die Herausgeber sind?" 40 Ebd.; auszugsweise gedr. in: ebd. S. 103-105, Nr. 5. 41 Brief: Geilinger an Schild, 25. Januar 1780, ebd. Nr. 12; auszugsweise gedr. ebd. in: S. 120-121, Nr. 21.

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der Gesellschaftsgründung zu beteiligen. Wenig später hielt m a n es aber doch fur opportun, Lavater über das Vorhaben zu informieren. M a n wollte ihn dadurch nicht so sehr als zukünftiges Mitglied, w o h l aber als Freund der Gesellschaft gewinnen 4 2 . Daß dies tatsächlich gelang 43 , w a r für Geilinger, der sich in dieser Zeit ganz besonders für die Verwirklichung der Gesellschaft engagiert hat, deshalb so wichtig, weil er Lavater mit J o h a n n Jacob Heß, Johann C o n r a d Pfenninger, Johann Jakob Stolz u n d J o h a n n Caspar Haefeli zu den f ü n f ,,Schriftsteller[n]" zählte, „die in der gelehrten Welt großen und grösten N a h m e n haben". In Basel war m a n über die Tatsache, Lavater als neuen Freund gewonnen zu haben, sehr angetan und meldete dies sogleich an den zu dieser Zeit in London weilenden Urlsperger weiter. Selbst w e n n Lavater, so schrieb ihm Schild, nicht sogleich seine Feder in den Dienst der zu gründenden Gesellschaft stellte, so hätte m a n ihn und die anderen Züricher Gelehrten „doch nicht gegen" 4 4 sich. Urlsperger war ebenfalls darüber erfreut, wenngleich er auch gewisse Vorbehalte nicht unterdrückte. Er schrieb nämlich: „Lenkt Gott die Herzen jener berühmten Zürchischen Schriftstellern, die Sie nennen, daß sie mit ganzem aufrichtigen Herzen der gesammten Wahrheit des g ö t t l i c h e n ] Wortes beytreten, wird ihr Zutritt zu der Gesellschaft oder ihre Freundschaft gegen dieselbe dem Reiche G[otte]s w o h l forderlich seyn." 4 5 Ü b e r den Fortgang der Gesellschaftsgründung dürfte Lavater ferner recht gut unterrichtet gewesen sein, weil er nach Basel, w o sich schließlich das Z e n t r u m dieser Gesellschaft konstituierte, mannigfache persönliche Verbindungen gehabt hat. Insbesondere ist auf das Freundschaftsband mit d e m Fabrikanten Jakob Sarasin hinzuweisen 4 6 , der über lokale Vorgänge gut informiert gewesen sein dürfte. Auch hat sich Lavater in den achtziger Jahren wiederholt, allein im Jahre 1781 zweimal 47 , für längere Zeit in Basel aufgehalten. 42 Brief: Geilinger an Schild, 8. Februar 1780, ebd. Nr. 16: „Er [Johann Jacob Heß] wird nun auch, nach zuvor gefragter Erlaubniß, P[fenninger] und L[avater] darzuziehen und sich mit ihnen berahten; er ist möglichst insinnirt und preparirt worden, damit es wegen L[avater] keinen Anstoß gebe. Da man von aller Art Gutgesinnten einladet, und die Sach schon so weit gekommen ist, so hat man sich nicht länger enthalten können, es auch, jedoch mit möglichster Behutsamkeit, an diesen großen Mann gelangen zu laßen, damit er nicht gereizt werde, der Sach entgegen zu seyn, wenn man ihn gänzlich vorbeygegangen hätte." 43 Siehe hierzu und zum Folgenden Brief: Geilinger an Schild, [ca. Mitte Februar 1780], ebd. Nr. 15; auszugsweise gedr. in: ebd. S. 126, Nr. 28. 44 Brief: Schild an Urlsperger, [etwa Anfang März 1780], auszugsweise gedr. in: [S. Spittler], Spittler im Rahmen seiner Zeit, S. 383ff.; wiederabgedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 130f., Nr. 34. Das Zitat findet sich auf S. 383 bzw. 130. 45 Brief: Urlsperger an Geilinger u. Obereit, 14./21. März 1780, U B Basel, ACG, D III, 1, Nr. 10; gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 132, Nr. 36. 46 Lavaters enge Beziehungen zu dem Bandfabrikanten Jakob Sarasin bedürfen dringend einer eigenen Untersuchung. 47 Während dieser zweimaligen Aufenthalte im Laufe dieses Jahres in Basel ist er übrigens

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Mit Sicherheit hat sich also Lavater, so läßt sich zusammenfassend feststellen, hinsichtlich der Gesellschaftsgründung keineswegs irgendwie engagiert. Er dürfte vielmehr die diesbezüglichen Bestrebungen lediglich a u f m e r k s a m u n d skeptisch verfolgt haben. Seine damalige Position k o m m t besonders in einem Schreiben z u m Ausdruck, daß er am 29. April 1780 an Israel H a r t m a n n gerichtet hat: „So viel mir von der Urlspergerschen Deutschen Gesellschaft bekannt ist, mag ich sie als ein gutgemeyntes menschliches Werk hingehen laßen; als göttlich durchaus nicht; als d e m Geiste des Evangeliums gemäß durchaus nicht; nicht einmal als weise. Ich für mich hielt' es fur Vermeßenheit ohne ausdrücklich göttlichen Beruf eine politisch religiose Anstalt eigenmächtig aufzubauen. So was findet sich nichts in der apostolischen Zeit. U n d was wird das Ende seyn?" 48

2. Lavater und das Basler Zentrum der Deutschen

Christentumsgesellschaft

In den Jahren nach der G r ü n d u n g der Christentumsgesellschaft m u ß das Verhältnis zwischen d e m Basler Z e n t r u m und Lavater als distanziert oder sogar reserviert bezeichnet werden. Die merkliche Zurückhaltung des Z e n trums gegenüber Lavater ist w o h l nicht zuletzt darauf zurückzufuhren, daß dieser in jenen Jahren von Seiten einiger Partikulargesellschaften eine scharfe Kritik erfahren hat, die m a n in Basel sehr wohl zur Kenntnis n a h m . Bereits im S o m m e r 1780, also noch bevor m a n zur förmlichen Konstituierung der Sozietät geschritten war, hatte der Straßburger Handelsherr J o h a n n Georg Hebeisen den Handlungsbedienten Georg David Schild, der damals noch in Basel angestellt war und die Gesellschaftsangelegenheit unermüdlich betrieb, vor einer Beteiligung Lavaters an der Sozietät, wie sie Urlsperger intendiere, gewarnt 1 . Vielmehr solle man es sich angelegen sein lassen, den Züricher Gelehrten nicht „in die Societät zu bringen, sonsten wird der Credit derselben bald fallen". Lavater sei nämlich der Mitverfasser des ,,gottlos[en]" Real-Wörterbuches zu der 1772 erschienenen Deutschen Bibel 2 . am 24. Januar und am 22. sowie am 23. Oktober mit Cagliostro zusammengetroffen, der Jakob Sarasins Frau behandelt hat. Siehe E. Baumann, Straßburg, S. 22. 48 Brief: Lavater an Israel Hartmann, 29. April 1780, SA Ludwigsburg, PL 701, Bü 74c. 1 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Hebeisen an Schild, 3. Juli 1780, U B Basel, ACG, D V, 1 b, Nr. 21; auszugsweise gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 141, Nr. 48. 2 Das Realwörterbuch (unpaginiert, 6 Bl.), das in der Zürcher Bibel von 1772 (Die Bibel. Das ist: Alle Bücher der ganzen Heiligen Schrift, Des Alten und Neuen Testaments. Aus den GrundSprachen treulich und wol verdeutschet, Auf das Neue und mit Fleiß wieder übersehen. Sammt den so genannten Apocryphischen Büchern, dienlicher Vorrede, begreiflichen Abtheilungen der Capitel, abgesezten Versen, nothwendigen Concordanzen, und einem nüzlichen Register. Zürich 1772.) dem Bibeltext vorangestellt ist, trägt den Zeilentitel: Real=Wörterbuch der meisten biblischen Wörter, die es vorzüglich nöthig haben erklärt zu werden. Weder Lavater noch die anderen Mitarbeiter an diesem Realwörterbuch sind hier namentlich genannt. Über diese Zürcher Bibel von 1772 siehe u.a. P. Leemann - van Eick, Bibelsammlung, S. 49. Über das

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Dessen Vertrieb habe „das gut und ortodox denkende Consistorium in Bern" in seinem Kanton untersagt. Im Jahre 1783 hat dann die Partikulargesellschaft von Frankfurt am Main ihr Mißfallen über eine v o m Basler Zentrum ausgesprochene Empfehlung 3 von Lavaters Schriften bekundet. Namentlich war man nicht mit dessen Büchlein fur Kinder 4 einverstanden, weil darin „des Verdiensts Christi nirgends gedacht wird". Daraufhin hat das Basler Zentrum diesen Protest sogleich in ihr zirkulierendes Protokoll 5 aufgenommen, was von der Ravensburger Partikulargesellschaft mit unverkennbarer Genugtuung vermerkt wurde 6 . Allerdings hätte man es gerne gesehen, wenn in diesem Protokoll darüber hinaus freimütig das Geständnis abgelegt worden wäre, daß man sich mit dem empfehlenden Hinweis auf Lavaters Schriften leicht eines Vergehens hätte schuldig machen können, „wenn nicht die Frankfurter Gesellschaft auf der Wache gestanden" hätte. Es würden nämlich, so fugte man bedauernd hinzu, dergleichen Schriften leider „von vielen Redlichen, besonders von illiteratis, mit Nachtheil gelesen". Man habe deshalb schon hier in Ravensburg mit „lieben Freünden der Wahrheit", die „Lavaters Irrthümer um des vielen Guten willen, das in seinen Schriften zu finden ist, gering achten", Kontroversen gehabt, da man doch wisse, „daß es eben Lavaters Schriften sind, wodurch sie ehemahls Schaden litten". Aber auch Lavater stand seinerseits in dieser Zeit dem Zentrum der Christentumsgesellschaft distanziert gegenüber. Er bemängelte bei allem Realwörterbuch siehe P. Wernle, Der schweizerische Protestantismus, Bd. 1, S. 569 ff. u. H. R. Grebel, Kirche und Unterricht, S. 120 ff. Da vor allem über dieses Realwörterbuch eine vielfache theologische Kritik laut wurde, verfaßte neben anderen auch Lavater eine Stellungnahme. Hierüber siehe J o h . K . Lavater, Reflexionen über die neüe Bibelausgabe, die Anmerkungen, besonders das beygefugte Realwörterbuch. A. 1773 in September, in: Schriften die Zürcher Bibel=Übersezung betreffend 1773, Z B Z , Msc. S., Bd. 201, S. 105-125 (vgl. E. Staehelin [Hrsg.], Lavaters Werke, Bd. 2, S. 50-64). Besonders interessant ist der in dieser Abhandlung von Lavater vorgenommene Vergleich zwischen dem Realwörterbuch und dem Wörterbuch von W. A. Teller. Hierbei versuchte Lavater zu beweisen, daß das Realwörterbuch insgesamt betrachtet „nichts weniger als socinianisch, vielmehr dem Socinianismus so sehr wie möglich entgegen" (S. 119 bzw. 59) ist. Zwar habe dieser Index „Mängel", aber letztlich „vielmehr Vorzüge und Vollkommenheiten" (S. 124 bzw. 61). Nicht zuletzt aufgrund dieser Stellungnahme wurde zum Realwörterbuch ein Nachbericht erstellt. Dieser wurde dann gedruckt (unpaginiert) und zwischen dem Realwörterbuch und dem Bibeltext eingefugt. Wo die Empfehlung ausgesprochen ist, konnte nicht ermittelt werden. Welches Werk Lavaters damit gemeint ist, läßt sich nicht eindeutig ausmachen. Vgl. H.-H. Ewers, Lavater als Autor von Kinderbüchern; M. Michels, Bibliographie der Kinder- und Jugendbücher von Lavater. 5 Basler Protokoll der Christentumsgesellschaft vom 2. Juli 1783, U B Basel, A C G , A I, Nr. 1, S. 78; gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 205, Nr. 125, Anm. 402: „Die werthen Freunde aus Frankfurt... warnen vor dem Katechismus furs Landvolk, vor Basedows Erziehungskunst, Lavaters Büchlein fur Kinder (in welchen des Verdiensts Christi nirgends gedacht wird) und vor den zürcherischen Erzählungen für Kinder." 6 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Rauschenbusch an Johann Immanuel Friedrich Schmid, 16. August 1783, ebd. D V, 3, Nr. 100; gedr. in: ebd. S. 205f„ Nr. 125. 3

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Positiven ihr konservatives, unkritisches, kleinliches Denken. Dies geht beispielsweise deutlich aus einem Schreiben7 vom 27. März 1784 an Johann Gottlieb Burckhardt, den Pfarrer der deutschen lutherischen Gemeinde in der Savoy zu London, hervor. „Von Urlspergers christlicher Gesellschaft", so bekannte er darin unter anderem, „weiß ich zu wenig, um darüber urtheilen zu können. Was ich aber davon weiß, ist nicht sehr ermunternd. Gut meynen mögen Sie's immer. Aber Licht fehlt und freye forschende Erkenntniß... Es ist ein schon in eine Form gegoßenes Völklein, das über jedem ungeweyhten Wort erschrickt, und in Ansehung seiner Begriffe, wie's natürlich ist, wenn die Begriffe entlehnt sind, äußerst beschränkt ist. Doch wird sich Gott ihre gute Absicht und ihren, obgleich vielleicht manchmal blinden Eifer, in Gnaden gefallen laßen." Diesen Brief hat Lavater dann übrigens 1790 in seiner Handbibliotheck für Freunde auszugsweise abgedruckt 8 und dadurch seinem Urteil in gewisser Weise Öffentlichkeitscharakter verliehen. Als ein Ausdruck von Lavaters Zurückhaltung oder sogar Distanziertheit der Christentumsgesellschaft gegenüber ist möglicherweise auch die Tatsache zu verstehen, daß er im Mai 1793 ihren Gründer Urlsperger in Augsburg nicht aufgesucht hat, als er hier auf seiner Reise nach Dänemark Station gemacht hat. Dorthin war Lavater am 20. Mai 1793 zusammen mit seiner 22jährigen Tochter Annette auf Einladung des dänischen Staatsministers Andreas Peter von Bernstorff aufgebrochen. Hier im Kopenhagener Kreis, dessen Mittelpunkt Prinz Karl von Hessen-Kassel, der Schwiegervater des späteren Königs Friedrich VI. von Dänemark, gewesen ist, hoffte er durch ein Lichtphänomen mit Christus in realen Kontakt treten oder wenigstens dieses sehen zu können. Die Route durch Süddeutschland nehmend, fuhr Lavater über Lindau nach Augsburg, das er am 23. Mai abend erreichte; am Nachmittag des nächsten Tages setzte er dann seine Reise fort 9 . Übernachtet hat er bei seinem langjährigen Freund Matthias Jakob Adam Steiner10, dem Pfarrer zu St. Ulrich. Wie aus einem erhaltenen Brief Urlspergers hervorgeht, war dieser offensichtlich darüber enttäuscht, daß Lavater ihn nicht aufgesucht hat. Er versuchte jedoch, in seinem Schreiben sich dieses Verhalten des Zürichers mit der Bemerkung zurechtzulegen, daß dieser sich nur kurz in Augsburg aufgehalten habe11. Und in der Tat ist es nicht gänzlich 7

Brief: Lavater an Burckhardt, 27. März 1784, Z B Z , FA Lav. Ms. 555, Nr. 16. J o h . K . Lavater, Handbibliothek, Bd. 4, 1790, S. 197f. (Briefe und Auszüge). Bei dem Exzerpt hat Lavater weder den Adressaten noch das Datum des Briefes vermerkt. Auch hat er interessanterweise die Briefpassage „Urlspergers christlicher Gesellschaft" im Druck nur abbreviiert folgendermaßen publiziert: „H. U Gesellschaft." 9 Über Lavaters Aufenthalt in Augsburg siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Kopenhagen, Einträge vom 23. u. 24. Mai 1793, Z B Z , FA Lav. Ms. 24 u. J. K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 195-200; auszugsweise wieder abgedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Lavaters Werke, Bd. 4, S. 34-39. 10 Uber Steiner siehe H. Wiedemann, Augsburger Pfarrbuch, S. 39. 11 Siehe Brief: Urlsperger an [Johann Martin Mayer], 31. Mai 1793, U B Basel, ACG, D III, 4, Nr. 35; gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 367, Nr. 319: „Noch 8

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ausgeschlossen, daß Lavater einen Besuch bei Urlsperger wirklich aus zeitlichen Gründen unterlassen hat. Er hatte nämlich schon vor Antritt der Reise in Zürich den festen Vorsatz gefaßt, sich unterwegs nirgendwo „ohne sehr dringende, ohne unüberwindliche Not" 1 2 aufzuhalten, um möglichst rasch nach Dänemark zu gelangen. Allerdings wäre es falsch aus dem Vorhergehenden zu folgern, daß zwischen dem Basler Zentrum der Christentumsgesellschaft und Lavater in diesen Jahren keinerlei Verbindung bestanden hätte. Als ein Indiz für das Vorhandensein von Kontakten darf beispielsweise angesehen werden, daß der Kirchenliederdichter Christoph Carl Ludwig von Pfeil im Jahre 1783 den damaligen Gesellschaftssekretär Johann Immanuel Friedrich Schmid in einem Brief 3 darum bat, ein Schreiben an Lavater weiterzubefördern, das er seinen Zeilen beigelegt hatte. Erst in den letzten Lebensjahren Lavaters läßt sich bei diesem eine allmähliche Annäherung an das Basler Zentrum der Christentumsgesellschaft bemerken. Aber auch dieses stand in dieser Zeit dem Züricher wesentlich offener gegenüber. Die Gründe für diese Entwicklung sind mehrschichtig. Zunächst muß einmal beachtet werden, daß sich Lavater seit etwa der Mitte der achtziger Jahre von einer Anzahl von Freunden und Bekannten, mit denen er bislang vielfältig verbunden gewesen war, aus verschiedenen Gründen mehr und mehr zurückgezogen hat. Vor allem war aber eine wachsende Zahl von Zeitgenossen, die sich den neuen theologischen und geistigen Strömungen geöffnet hatten, immer ängstlicher darauf bedacht, Lavater gegenüber Distanz zu wahren oder die Kontakte ganz abzubrechen. So wurde Lavater gleichsam zwangsläufig stärker an Kreise mit konservativer geistiger, theologischer und politischer Grundhaltung herangeführt. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der Christentumsgesellschaft, zumal sich diese ja vor allem in der ersten Zeit nach ihrer Gründung die Auseinandersetzung mit Aufklärung und Revolution mit auf ihr Panier geschrieben hatte. Z u m anderen ist auf die Persönlichkeit des jungen Theologen Karl Friedrich Adolf Steinkopf zu verweisen, der von 1795 bis 1801 Sekretär des Basler Zentrums der Christentumsgesellschaft gewesen ist. Mit diesem ungemein tatkräftigen und geistig aufgeschlossenen Württemberger hat Lavater eine

kan melden, daß Herr Pfjarrer] Lavater in abgewichener Woche Augsburg passirt, sich aber daselbst nur kurz aufgehalten u. sodann sein Weg nach Coppenhagen weiter fortgesetzt. Der eigentliche Zweck solcher Reise ist ohnbekant, daß Zuverläßigste ist, daß es auf Verlangen des Grafen von Bernstorf geschehen. Ich wurde von ihm nicht besucht, da er bloß einiges in Augsb[ur]g besehen, übrigens sein Absteigequartier bey hiesigem Herrn Pfarrer Steiner genommen hatte." 12 Brief: Lavater an Bernstorff, 20. April 1793, zitiert bei Fr. Brehm, Lavater ging vorüber, S. 126. 13 Siehe Brief: Pfeil an Johann Immanuel Friedrich Schmid, 1. März 1783, U B Basel, ACG, D V, 3, Nr. 43; gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 197f., Nr. 111.

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recht rege Korrespondenz geführt 14 . Im Oktober 1796 hat dieser ihn dann in Zürich erstmals besucht und sich in sein Gästebuch eingetragen 15 ; Mitte Juni 1800 erfolgte ein weiterer Besuch 16 . Steinkopf scheint es im Laufe der Zeit gelungen zu sein, manche Vorbehalte Lavaters gegen die Christentumsgesellschaft abzubauen und ihn näher an sie heranzufuhren. A m 25. Mai 1800 schrieb nämlich bezeichnenderweise der Nürnberger Kaufmann Karg an Steinkopf: „Ich bin froh, daß D u noch da bist [sc. als Sekretär des Basler Zentrums der Christentumsgesellschaft], zumal unter Deiner Correspond[enz] Führung die Gesellschaft so herrlich angewachsen; so viele Männer, die sich ehedeßen geschämt, mit der Gesellschaft einzulassen", gehören nun dazu; „diese sind Lavater, der Liebe, Ewald, der Philosoph und Jung" 17 . Vor allem ist aber das Verhältnis des späten Lavater zum Zentrum der Christentumsgesellschaft dadurch vertieft worden, daß er im Jahre 1799 in Basel während seines dortigen mehrwöchigen Aufenthaltes als Deportierter des Helvetischen Direktoriums in einen engen persönlichen Kontakt zu mehreren Sozietätsmitgliedern gekommen ist18. Zur Verhaftung und Deportation Lavaters war es auf Anordnung des Helvetischen Direktoriums am 16. Mai 1799 letztlich gekommen, weil man in Basel zusammen mit anderen Postsachen einen Brief 19 von ihm abgefangen und beschlagnahmt hatte. Adressat dieses Schreibens, datiert v o m 14

In der Z B Z finden sich sechs Briefe Lavaters an Steinkopf (FA Lav. Ms. 582, Nr. 156-161) und 22 Briefe Steinkopfs an Lavater (ebd. Ms. 527, Nr. 292, 294-315). 15 Der Eintrag vom 21. Oktober 1796 ins Fremdenbuch (ebd. Ms. 15f (Fotographie) lautet: „Carl Friedrich Adolf Steinkopf, Candidat der Theologie, jetzt Secretaire der christlich deutschen Gesellschaft in Basel, den 21ten Oktober." 16 A m 12. Juni 1800 hat er sich dann ins Fremdenbuch (ebd.) mit folgenden Worten eingetragen: „Carl Friedrich Adolf Steinkopf, berufener Pfarrer nach Eferding in Oesterreich. Den 12ten Juni 1800." 17 Brief: Karg an Steinkopf, 15. Mai 1800, U B Basel, ACG, D IV, 6, Nr. 22. 18 Vor Lavaters Aufenthalt in Basel als Deportierter im Jahre 1799 hatte man in das literarische Sprachrohr der Christentumsgesellschaft, in die Sammlungen für Liebhaber christlicher Wahrheit und Gottseligkeit, lediglich ein einziges Mal eine Passage aus einer Schrift Lavaters (Etwas über Pfenningern, H. 4, S. 105-120) eingerückt, nämlich in Sammlungen, 1793, S. 238-245 (Fußstapfen des noch lebenden und waltenden Gottes). 19 Über diesen beschlagnahmten Brief (gedr. in: E. Staehelin, Akten, S. 532f., Nr. 1) siehe P. Wernle, Helvetik, Bd. 1, S. 507; vgl. hierzu E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 422, Nr. 401, Anm. 1112. Außer diesem Schreiben sind noch andere Briefe Lavaters von der Helvetischen Polizei beschlagnahmt worden (siehe Protokoll des Direktoriums, 15. Mai 1799, gedr. in: E. Staehelin, Akten, S. 533f., Nr. 2); sie scheinen aber nicht weiter Verdacht erregt zu haben und sind dann bei den Verhören auch nicht weiter erwähnt worden. Beim ersten Verhör am 18. Mai 1799 (das Protokoll über das erste Verhör Lavaters ist ediert in: E. Staehelin, Akten, S. 546-551, Nr. 13) kam vor allem der Inhalt des konfiszierten Briefs Lavaters zur Sprache; beim zweiten Verhör am 29. Mai 1799 (das Protokoll ist ediert ebd. S. 571-575, Nr. 29) ging es erneut um das Schreiben Lavaters und darüberhinaus stärker um die Person von Wildermett. Die amtlichen Akten über den Anlaß von Lavaters Verhaftung und seiner Internierung in Basel sowie seinen dortigen Verhören sind zusammengestellt und vollständig abgedruckt worden von E. Staehelin, Akten; hier sind auch frühere Quellenabdrucke vermerkt. Vgl. hierzu auch

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1. Mai 1799, war der aus Biel gebürtige Alexander Joseph Wildermett, der sich dazumal in Marseille aufgehalten hat. In diesem Schreiben hatte Lavater die baldige Ankunft des Antichristen sowie eine bevorstehende „Blutszene in Helvetien" dunkel thematisiert. Die Beamten, die den Brief konfisziert hatten, folgerten offensichtlich aus diesen Zeilen, daß ihr Autor mit Konterrevolutionären Kontakt habe. Z u m anderen hatte Lavater in diesem Brief hundert Louisdor erwähnt, die die russische Kaiserin einem Freund schuldig sei; infolge der politischen Verhältnisse habe der Geldbetrag aber bislang nicht in dessen Hände gelangen können. Wie sich aber bei dem Verhör herausstellen sollte, handelte es sich bei dem erwähnten Freund nicht um einen Kollaborateur, sondern um Lavater selbst und bei der Summe nicht um eventuelle Bestechungsgelder, wie man wohl vermutet hatte, sondern um einen in Aussicht gestellten Betrag für Teile seines physiognomischen Cabinets, das er nach Petersburg verkauft hatte. Da Lavater wegen seiner äußerst angegriffenen Gesundheit damals zusammen mit seiner Frau gerade in Baden im Kanton Aargau zur Kur weilte, erfolgte dort frühmorgens seine Festnahme, deren Verlauf des Grotesken nicht entbehrte 20 . Von Baden aus wurde Lavater in einer Kutsche unter militärischer Bedeckung sogleich nach Basel gebracht, um dort von dem Regierungsstatthalter Johann Jakob Schmid in dessen Haus, dem Reischacherhof, wo er übrigens auch interniert wurde, vernommen zu werden 21 . Doch schon gleich nach dem ersten Verhör am 18. Mai wurde Lavater gestattet, ungehindert Besuche zu empfangen. Deren Anzahl wurde jedoch alsbald so groß, daß er sich genötigt sah, den Besucherstrom seinerseits einzuschränken. Unter denen, die sich bei ihm während seiner leichten Untersuchungshaft einstellten, befand sich auch der „äusserst frommthätige[n] Candidat" 22 Steinkopf. Dieser war übrigens sogleich nach Lavaters nächtlicher Festnahme in Baden durch ein Schreiben 23 des Züricher Säckelmeisters Kaspar Werndli, Mitglied der Petersgemeinde und Verehrer Lavaters, von dessen Geschick unterrichtet worden. Hierbei wurde im Brief unmiß verständlich Lavaters Gefangennahme mit der Jesu im Garten Gethse-

E. Staehelins kleine Studie (Lavaters Deportation) über Lavaters Verhaftung, Internierung und Verhör in Basel. 20 Über seine Festnahme in Baden hat Lavater in seinen Freymüthigen Briefen (Bd. 1, S. 226-244) berichtet. Vgl. auch den Bericht des Regierungsstatthalters von Zürich, Johann Caspar Pfenninger, an das Helvetische Direktorium vom 16. Mai 1799, gedr. in: E. Staehelin, Akten, S.537f., Nr. 6. 21 Über seine Inhaftierung in Basel bis zu seiner Freilassung siehe bes. seinen Bericht in den Freymüthigen Briefen (Bd. 1, S. 291-335 u. Bd. 2, S. 1-193). Hierüber siehe u. a. auch P. Wernle, Helvetik, Bd. 1, S. 507-510. 22 Joh. K. Lavater, Freymüthige Briefe, Bd. 2, S. 57. Vgl. E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 423, Nr. 403, Anm. 1121. 23 Siehe Brief: Werndli an Steinkopf, 18. Mai 1799, Ü B Basel, ACG, D Ic, 9, Nr. 29; auszugsweise gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 422, Nr. 401.

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mane in Parallele gesetzt 24 . Vermutlich war es Steinkopf, der nun an Lavater die Bitte einiger Mitglieder der Basler Christentumsgesellschaft herangetragen hat, ihnen zum Andenken etwas von seiner Hand zu hinterlassen. Lavater verfaßte daraufhin neben einem Gedicht 25 ein längeres Schreiben 26 an die Basler Gesellschaft. Darin dankte er „allen denen herzlich u. mit Rührung", die ihn „freundschaftlich u. brüderlich besuchten, belehrten, erbauten o d e r . . . Gelegenheit verschafften, das eine u. andere Nüzliche zu sagen"27. Mitten in der Niederschrift des Briefes 28 , also am 10. Juni, erreichte ihn die Nachricht von seiner Freilassung. Diese hatte das Helvetische Direktorium angeordnet, nachdem sich der Verdacht einer Konspiration mit ausländischen Mächten als völlig haltlos erwiesen hatte. Bereits tags darauf brach Lavater in die Heimat auf. Es war ihmjedoch nicht möglich, bis nach Zürich 24

Ebd.: „Niemand dachte an was Böses, das izt über ihn ausgebrütet würde; aber am Donnerstag Morgen frühe überfiel man auch diesen Rechtschaffenen, wie einst jenem Heiligen, Unschuldigen u. Unbeflekten, wie einen Räuber od[er] Mörder u. forderte ihn augenbliklich zum Forttransportieren auf." Diese Passage ist von E. Staehelin nicht ediert worden. 25 Dieses Gelegenheitsgedicht, dessen erste Zeile lautet: Wachse mit jedem Tag! Sey lebender, liebender immer!, findet sich gedruckt in: Sammlungen, 1799, S. 341 f.; Joh. K. Lavater, Freymüthige Briefe, Bd. 2, S. 171 f.; wieder abgedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 423, Nr. 402. 26 Brief: Lavater an die Deutsche Gesellschaft zur Beförderung christlicher Gottseligkeit, 10. Juni 1799, U B Basel, ACG, A I, Nr. 7, S. 3925-3928 (12. Gesellschaftsbericht Basel, 7. August 1799); auszugsweise gedr. in: Sammlungen, 1799, S. 238ff.; Joh. K. Lavater, Freymüthige Briefe, Bd. 2, S. 181-185; E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 423f., Nr. 403. Bezeichnenderweise fehlen in allen Teildrucken die Briefpassagen, in denen Lavater eine behutsame, aber doch dezidierte Kritik an der Christentumsgesellschaft geübt hat. So hat er in seinem Schreiben beispielsweise deren Sprache indirekt folgendermaßen kritisiert: „Ihr w ü n schet, Brüder, ein Wort des Andenkens von mir. Mit Freuden entspreche ich Eurem gutmüthigen Wunsche. Erwartet nichts Neues oder Besonderes von mir. Meine Lage u. Gesundheitsumstände gestatten es nicht. Was ich indeß, wie schwach es sey, geben kan, will ich mit unbefangener u. einfältiger Bruderliebe geben. Benützet es, so gut wie möglich. Vielleicht gefällt es dem Herrn, einigen Segen darauf zu legen. Ihr seyd darüber weg, Euch zu ärgern, wenn ich mich nicht nach dieser oder jener Form sich auszudrücken richte, wenn ich die mir eigene, natürliche Sprache behalte, die freylich oft ins Kühne oder Starke zu fallen scheint. Ihr seyd keine Kinder mehr, sondern Männer" (S. 3925). Oder Lavater hat in seinem Schreiben die Notwendigkeit eines vernunftgemäßen Handelns unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation betont. Auch hinter dieser Forderung läßt sich die Zielrichtung unschwer ausmachen. „Mich dinkt, lieben Freunde, man solltejede Zeit seines Lebens auf eine ihrem Charakter (ihre eigenthümlichen Beschaffenheit) gemäße Weise behandeln. Jede Zeit unsers Lebens, so wie jedes Alter desselben, hat einen eigenthümlichen Charakter. Besondere ausgezeichnete Zeiten müßen anders nicht als solche erwogen u. benützt werden. Der scheint ein Weiser, der den Charakter jeder besondern Zeit kennt, u. jeder gerade das gibt, was dieser gewißermaaßen ausschließend zu fordern scheint. So muß auch jeder Mensch der Vernunft gemäß nach der Lage handeln, in welcher er sich gesetzt sieht." (S. 3925) 27 Ebd. S. 3925f. (vgl. S. 423, Nr. 403). Die hier und in der folgenden Anm. in Klammern beigefugten Seitenangaben beziehen sich auf die in der vorigen Anm. angeführten Teildrucke dieses Briefes Lavaters. 28 Ebd. (S. 240 bzw. 424): „Indem ich dis schreibe, Montags Morgen, den 10. Junius 1799, erhalt ich die Nachricht, daß das Directorium meine Freilaßung erkannt hat."

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zu gelangen, da die Stadt und die Umgebung inzwischen von russischen Truppen besetzt war und er nicht durch die Linien der Französischen Truppen gelassen wurde. Deshalb sah er sich schließlich gezwungen nach Basel zurückzukehren, w o er sich erneut seit dem 22. Juli aufhielt29. Es ist verständlich, daß Lavater nun, da er sich jetzt in der Stadt Basel völlig frei bewegen konnte, noch wesentlich mehr Kontakte zu Mitgliedern der Basler Christentumsgesellschaft bekommen hat30. U m dem Andrang seiner Verehrer und Verehrerinnen wenigstens etwas zu entrinnen, hat er sich unter anderem auch bei dem Pfarrer zu St. Peter, Johann Rudolf Burckhardt, der seit 1780 Mitglied des Engeren Ausschusses war, ein „eigenes Zimmer zum ruhigen Arbeiten" auserbeten. Hierher zog er sich heimlich zurück, um ungestört zu sein. Übrigens hat er in diesem Pfarrhaus auch jederzeit, ohne sich vorher „anzumelden, zu Mittagessen" 31 können. Erst am 14. August konnte Lavater dann dank der Hilfe einiger Freunde in der Markgrafschaft Baden die französischen Linien passieren und nach Zürich zurückkehren 32 . 29 Die immer stärker werdende Verbundenheit des Basler Zentrums mit Lavater fand ihren Ausdruck auch darin, daß es Lavaters Verhinderung, in seine Vaterstadt zurückzukehren, in ihrem Gesellschaftsbericht festgehalten hat. Siehe: Briefauszug aus Zürich, 6. Juli 1799, U B Basel, ACG, A I, Nr. 7, S. 3963f. (2. Gesellschaftsbericht Basel, 2. Oktober 1799): „Unser l[ieber] Lavater ist noch nicht hier, sondern in Knonau, 5 Stunden von hier, bey einem Neffen, w o er, wie wir wissen, zimlich wohl ist, auch schon da geprediget hat; weil Massena ihm keinen Paß geben kann. Soweit die Fr[eunde] sehen, kan er frey gehen, wo er will. Ends July kehrte er nach Basel zurük, um der weitern Leitung Gottes mit ihm abzuwarten. (NB Gegenwärtiges ward Anfangs Augusty im Vorrath zur Mittheilung abgefaßt.) 30 Joh. K. Lavater, Freymüthige Briefe, Bd. 2, S. 276f.: „Meine Freunde beeiferten sich, wie vormals schon, wechselweise, mir meinen Aufenthalt in Basel angenehm und genußreich zu machen; Auch darf ich, ohne Eitelkeit, hoffen, den Einen und Andern, besonders der religiösem Klasse nicht ganz unnützlich gewesen zu seyn. Täglich und stündlich wurden mir Blättchen gebracht, die ich beschreiben mußte, w o ich dann, nach beßtem Vermögen, irgend etwas nützliches hinzupflanzen suchte. Auch hatt' ich viel Anlaß und Beruf zu besondern Lehren und Gewissensräthen, brachte auch mehrere Abende in verschiedenen frommen und religiösen Kreisen zu, nicht ohne meine Erbauung, und ich darf hoffen, nicht ohne Segen fur Andere." 31

Ebd. S. 276. Auch Lavaters Heimkehr nach Zürich am 16. August 1799 hat man bezeichnenderweise in den Gesellschaftsbericht aufgenommen. Siehe Brief: Werndli an die Deutsche Gesellschaft zur Beförderung christlicher Gottseligkeit, 21. August 1799, U B Basel, ACG, A I, Nr. 7, S. 3982 (3. Gesellschaftsbericht Basel, 6. November 1799): „Den 16ten Aug[ust] zeichnete uns der Herr ganz besonders durch die ganz unerwartete glückliche Zurückkunft seines treuen Knechtes, unsers theuren Freundes Lavaters auß. Groß u. allgemein war die Freude, ihn, den lang Vermißten, wieder in unsrer Mitte zu sehen; groß die Freude der Seinigen u. seiner Freunde u. herzlich der Dank gegen Gott, über seine viel bessere Gesundheit besonders. Sein letzter Aufenthalt in Basel brachte ihm vorzüglich viele geistige Freudengenüße u. Vergnügen mit. A m Sontag Morgen predigte er unter einer gedrängten Menge, worunter sehr viele keiserl[iche] Offiziere u. Soldaten waren. Erst ergoß sich sein Herz in frohen Empfindungen u. Danksagungen über Gottes gnädige Leitung u. seines Herrn neuerfahrene unveränderliche Treye; dann gab ihm die Frage des Volks Israels an den Täufer Johanns im lOten V[er]s des 3ten Kap[itels] Luk. Stoff zu den Zeitumständen angemessener christlicher] Belehrungen an alle Stände u. Klassen seiner Zuhörer. Am Ende fragte er: Und was soll ich thun? Und da überfloß 32

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Über seine Begegnungen und Eindrücke in Basel hat Lavater dann im zweiten Band seiner Deportationsgeschichte, der jedoch erst posthum im Druck erschien, retrospektiv berichtet. Er lobte darin die Deutsche Christentumsgesellschaft, wobei er ihr Festhalten an christlichen Glaubensinhalten und insbesondere ihr Drängen auf Gottseligkeit hervorhob. „Weitaus die mehresten Mitglieder dieser wahrhaft preiswürdigen Gesellschaft", die er in Basel kennenlernte, schienen ihm „durchaus redliche, fromme, wohlthätige, für alles Gute äusserst geschäfftige, respektable, verdienstvolle Männer zu seyn" 3 3 . Aber neben Lob hielt er auch Tadel für Mängel bereit, die er meinte nicht übersehen zu können. Darauf habe er mehrere Mitglieder mündlich und schriftlich hingewiesen. Trotzdem hielt er die Deutsche Gesellschaft „für einen wahren Segen der Menschheit, für ein Gewürz und eine Zierde der Christenheit" 34 . Seinen Bericht Schloß er mit dem Wunsch: „Ich wünsche kaum etwas herzlicher, als daß sie sich täglich läutern, vervollkommnen, und sich über gewisse triviale, lichtlose Ideen und abgenutzte Ausdrücke zu erheben weise, männlich und muthig genug wäre. " 3 S Das durch den mehrwöchigen Aufenthalt Lavaters in Basel sehr persönlich gewordene Verhältnis zu dem Zentrum der Christentumsgesellschaft bestand selbstverständlich auch nach der Rückkehr in seine Vaterstadt fort. Als man Ende September 1799 in Basel, von Freundeshand recht ausführlich beschrieben, von Lavaters Verwundung durch einen halbtrunkenen Grenadier am 26. September erfuhr 36 , und von Lavater zwei Wochen später von seinem Schmerzenslager aus selbst einige Zeilen erhielt 37 , zog man sogleich Lose mit Bibelversen und teilte diesem die entsprechenden Textstellen mit 38 . Wenig später ließ Steinkopf den schwerleidenden Lavater wissen, daß man seiner „im Gebet und Flehen zu dem Gott aller Gnade und zu dem Vater der Barmherzigkeit" gedenke so oft man sich „gemeinschaftlich versammeln"

sein Herz u. M u n d in neuen Anbetungen, Lobpreißungen, Herzensäußerungen gegen seine Gemeine, Äußerungen seines durch nichts, was der Unglaube immer sagen u. thun m a g , zu zerstörenden Glaubens an J e s u m Christum u. sein ewig wahres Evangelium, von Ermunterungen u. heiligen Entschlüssen aufs neue mit doppeltem Eifer zu arbeiten, u m sich selbst u. die, so ihm der Herr anvertraut hat, selig zu machen." 3 3 J o h . K. Lavater, Freymüthige Briefe, B d . 2, S. 278 f. 3 4 E b d . S. 279. 3 5 Ebd. 3 6 Brief: Werndli an Steinkopf, 28. September 1799, U B Basel, A C G , D Ic, 9, Nr. 48; auszugsweise gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 426, N r . 406. 3 7 Siehe Brief: Lavater an Steinkopf, 13. Oktober 1799, ebd. N r . 50; gedr. in: ebd. S. 427, N r . 407. Dieses kurze Schreiben hat Lavater dem Brief von Werndli an Steinkopf, datiert v o m 12./13. Oktober 1799, angefügt. Werndli hatte dazumal die Nachtwache beim verwundeten Lavater übernommen. 3 8 Sprüche aus dem Worte Gottes gezogen für Herrn Pf. Lavater, bey der Nachricht von seiner Verwundung, Z B Z , FA Lav. Ms. 527, Nr. 316.

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würde 39 . Ja man schlug sogar erneut für Lavater die Heilige Schrift auf, um weitere Bibelverse zu erhalten, und sang Liedstrophen für ihn40. Auch rückte das Basler Zentrum in das Publikationsorgan der Christentumsgesellschaft Mitteilungen über das Befinden des verwundeten Lavater ein41 und druckte mehrere Gedichte 42 sowie eine Predigt 43 von ihm ab. Ende des Jahres 1799 ist es dann aber doch zu einer gewissen Verstimmung der Mitglieder des Zentrums der Christentumsgesellschaft gegenüber Lavater gekommen. Dieser hatte sich nämlich am 23. November 1799 in einem Schreiben 44 an das Helvetische Vollziehungsdirektorium in Bern gewandt und es darin der Verletzung der zugesagten Freiheitsrechte bezichtigt. Da diesem der Vorwurf ungerechtfertigt erschien, ordnete es an, Lavaters Schreiben ohne jeglichen Zusatz unverzüglich drucken zu lassen. Dadurch wollte man offensichtlich Lavaters Zuschrift dem Inhalt, aber wohl auch dem Ausdrucke nach bloßstellen. Natürlich haben auch in Basel einzelne Mitglieder der Christentumsgesellschaft von diesem publizierten Schreiben Lavaters an das Vollziehungsdirektorium Kenntnis bekommen 45 und waren wegen der darin enthaltenen „starken Ausdrücke[n]" höchst beunruhigt 46 . Durch ihren Sekretär Steinkopf äußerten sie Zweifel, „ob es Beruf eines Dieners Jesu Christi u. s[eines] Evangeliums sey, sich so weit in politische Ereignisse einzumengen". Alsbald ging Lavater auf diese ängstliche Anfrage in

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« Brief: Steinkopf an Lavater, 16. Oktober 1799, ebd. Nr. 296. Siehe Brief: Steinkopf an Lavater, 17. Oktober 1799, ebd. Nr. 297. Die gelosten Bibelverse und die gesungenen Liedverse werden in diesem Brief ausdrücklich vermerkt. 41 Briefauszüge und Nachrichten, die Lavaters gesundheitliches Befinden thematisieren, finden sich in: Sammlungen, 1800, S. 28-33 (Auszüge aus einigen Briefen an Freunde von Herrn Pfarrer Lavater, zu der Zeit geschrieben, als er an seinen Wunden darniederlag); ebd. S. 296ff. (Herr Pfarrer Lavater schreibt an einen 80jährigen christlichen Greis in Basel den 26. Jun. 1800); ebd. S. 371 f. (Herr Pfarrer Lavater, der fortdaurend sehr viel leidet, schreibt unterm 15ten August 1800); ebd. 1801, S. 31 f. (Nachrichten von Hrn. Pfarrer Lavater). Vgl. auch ebd. S. 94-100 (Gespräch zwischen dem seligen Herrn Pfarrer Lavater, und Pf. Schweizer in Einbrach. Aus des letztern Wochenblatte). 40

42 Gedichte von Lavater, die ausschließlich das Leiden zum Thema haben, finden sich in: Sammlungen, 1800, S. 80 (Zuruf an eine 13jährige Kranke; Rath für einen Leidenden); ebd. S. 341 (Für Leidende); ebd. S. 415ff. (Am Ende einer schweren Leidenswoche); ebd. S. 417f. (An eine lange leidende Schwester). 43 Johann Kaspar Lavaters kurze Ansprache an die Petrinische Gemeinde am Bettage, Sonntags den 14. Herbstmonat 1800, in: Sammlungen, 1800, S. 345-352. 44 Über diese kurze Zuschrift an das Vollziehungs-Direktorium und ihre von diesem selbst bei Samuel Flick in Basel besorgte Drucklegung (An das helvetische Vollziehungs-Direktorium, von Johann Kaspar Lavater, Pfarrer am St. Peter in Zürich.) siehe bes. P. Wernle, Helvetik, Bd. 1, S. 568-572; vgl. auch A.Rufer, Lavater und die helvetische Revolution, S. 313-317, wo Lavaters Schreiben eine völlig andere Deutung erfährt als bei P. Wernle. 45 Allerdings ist es auch nicht völlig ausgeschlossen, daß Lavater schon zuvor eine Kopie seines Schreibens an das Helvetische Vollziehung-Direktorium an seine Freunde in Basel gesandt hat. 46 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Steinkopf an Lavater, 30. November 1799, Z B Z , FA Lav. Ms. 527, Nr. 300.

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einem sehr ausfuhrlichen Schreiben ein47. Er erklärte darin, daß er nicht nur als Bürger, sondern auch als Christ verpflichtet gewesen sei, zu diesen politischen Gegebenheiten Stellung zu beziehen. Rhetorisch fragte er: „Kann es, mein Lieber, je einem erleüchteten Christen einfallen, daß muthvolle Verwendungen für unschuldige Gefangene, für unschuldig verurtheilte Obrigkeit, fur unschuldig beraubte Geistliche und Arme ohne Zahl, bey denen, welche die Ungerechtigkeiten aufheben oder vergüten können, etwas einem Christen oder Christenlehrer Unanständiges seyn? Und kann eine so vielfache Ungerechtigkeit anders als in den stärksten Ausdrüken gerüget werden? Konnte Daniel bey seiner Verwendung für Susanna sanfte und gelaßene Worte brauchen? Brauchte Christus sanfte und gelaßene Worte, da er mit denen sprach, deren Becher auswendig so rein war, wie unsre Freyheits- und Gleichheitspatente, und inwendig so voll Raubs und Ungerechtigkeit wie unsere Direktoren?" Darüberhinaus hat Lavater am 2. Dezember, also einen Tag nach Abfassung seines Antwortschreibens an die Basler Freunde, sein Schreiben an das Helvetische Vollziehungsdirektorium mit einem Nachwort versehen und beides seinerseits zum Druck gegeben 48 . In dem Nachwort versuchte er nochmals sein Vorgehen ausschließlich mit reiner Vaterlandsliebe zu rechtfertigen. Lavaters Antwortschreiben nach Basel wurde dann durch Steinkopf u m gehend dem engeren Kreis der Basler Mitglieder und Freunde der Christentumsgesellschaft zugänglich gemacht 49 . Johann Rudolf Huber, dazumal Pfarrer in Richen und Herausgeber des Christlichen Sonntags-Blattes, erklärte daraufhin spontan, er wolle „das Wichtigste aus demselben in das nächste Stück seiner Zeitschrift einrücken" lassen und „eine Stelle aus einem Briefe Luthers" beifügen, „worinn sich dieser gegen einen Freund wegen seines harten Schreibens an Könich Heinrich den 8ten in England rechtfertigte, und die nicht passender seyn könnte" 50 . Huber bezog sich damit auf ein Schreiben Luthers vom 28. August 1522 an einen nicht näher bekannten Adressaten, in welchem er seinen scharfen Angriff auf König Heinrich VIII. von England in seiner im Sommer 1522 zunächst in lateinischer Sprache erschienenen Schrift Contra Henricum regem Angliae verteidigt hatte 51 . Tatsächlich hat Huber sein Vorhaben alsbald in die Tat umgesetzt. Denn bereits Mitte Dezember druckte er im Sonntagsblatt, in dem schon verschiedentlich Beiträge und Gedichte von Lavater veröffentlicht worden waren, 47

Brief: Lavater an Steinkopf, 1. Dezember 1799, ebd. Ms. 582, Nr. 158. Es erschien unter dem Titel An das helvetische Vollziehungs-Direktorium, von Johann Kaspar Lavater, Pfarrer am Sankt Peter in Zürich. Gedrukt auf Befehl des VollziehungsDirektorium, Zürich, bey Johann Heinrich Waser 1799. Es ist wieder abgedruckt im ersten Band der von G. Geßner posthum herausgegebenen Nachgelassenen Schriften (S. 255-258). 49 Siehe Brief: Steinkopf an Lavater, 10. Dezember 1799, Z B Z , FA Lav. Ms. 527, Nr. 301. 50 Siehe ebd. Brief: Luther an Ν . N., 28. August 1522, WA Br. 2, S. 593ff., Nr. 533. 48

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das Verteidigungsschreiben Lavaters an Steinkopf auszugsweise ab und fugte den erwähnten Brief Luthers mit einigen Auslassungen bei52. Huber hatte damit also Lavaters Vorgehen gegen das Helvetische Vollziehungsdirektorium in Parallele zu Luthers Kritik an dem englischen König gesetzt, was jedoch weder historisch noch theologisch gerechtfertigt ist53. Trotz dieser Anerkennung seitens der Christentumsgesellschaft hat Lavater in dieser Zeit noch weiterhin Kritik an ihr geübt; ja er hat selbst in seinen letzten Lebensmonaten seine Vorbehalte ihr gegenüber nicht aufgegeben. So sandte er am 23. Juli 1800 an Friedrich Ziegler in Basel Mitteilungen über Kindererweckung 54 mit der Bemerkung zurück: „Hier die Briefe über die Kindererwekung zurük. O h mögten sie etwas lichtvoller und apostolischer geschrieben seyn, was ich überhaupt den Schriften der Deutschen Gesellschaft, aber ich fürchte, vergeblich wünsche 55 . Von dieser kritischen Äußerung Lavaters hat Ziegler dann wahrscheinlich dem Sekretär Steinkopf berichtet. Jedenfalls nahm dieser in einem Brief 56 , den er am 28. Juli 1800 an Lavater schrieb, dazu Stellung. Er räumte zwar darin zunächst bereitwillig ein, daß der Christentumsgesellschaft noch sehr viele Mängel anhafteten, und ihr in ihren Schriften oft „die nöthige Bestimmtheit des Ausdrucks und die acht apostolische Salbung fehle[n]". Dann wies er jedoch daraufhin, daß erstens die Sozietät „aus Personen von den verschiedensten Ständen, Altern und Geistesfähigkeiten, Kenntnissen zusammengesetzt" sei. Zweitens erinnerte er daran, daß „der Herr auch bey Schwachen in der Erkenntniß das Herz u. deßen Redlichkeit" ansehe. Drittens gab er zu bedenken, daß Gottes „sichtbarer Segen" auf ihren „schwachen Bemühungen" ruhe, und daß es viertens ihre „Pflicht so gut als die des Paulus ist, unter den Schwachen 52 Christliches Sonntags-Blatt [Hrsg.: Joh. R. Huber], 1799, S. 257-264. Bezuglich des hier S.262ff. auszugsweise gedr. Schreibens Luthers vgl. WA Br. 2, S. 594, Z. 1-30 u. S. 595, Z. 47-55, Nr. 533. A m 14. Dezember 1799 übersandte Steinkopf dann zwölf Separata des Artikels aus dem Sonntags-Blatt an Lavater; siehe Brief: Steinkopf an Lavater, 14. Dezember 1799, Z B Z , FA Lav. Ms. 527, Nr. 302. Das Separatum aus dem Sonntags-Blatt enthält allerdings noch das Schreiben Lavaters an das Helvetische Vollziehungs-Direktorium vom 23. N o vember 1799. Ein Exemplar dieses unpaginierten, vier Blatt umfassenden Sonderdruckes konnte im FDH Frankfurt a. M. nachgewiesen werden. 53

Dieser Zeitungsartikel hat übrigens die besondere Zustimmung der Nürnberger Partikulargesellschaft der Deutschen Christentumsgesellschaft gefunden. Siehe Brief: Erdle an Steinkopf, 22. Januar 1800, U B Basel, ACG, D IV, 6, Nr. 4: „Für die baldige Übersendung der Rechtfertigung Lavaters in einem Stück des Sonntagsblatts danken wir Ihnen sehr. Es gefiel so wohl, daß H[er]r Raw sich entschloß, dasselbe nebst dem Lavaterschen Schreiben an das Helvetische Directorium besonders abdrucken zu lassen. Beym Lesen kam mir der Gedanke ein: O b nicht Sie, mein Lieber, der Freund seyn mögen, der dem H[er]rn L[avater] einige Bedenklichkeiten zugeschrieben hat? U n d wie wohl hätten Sie daran gethan! Denn hierdurch bekam jener würdige Mann Gelegenheit, sich dem Wahrheitsliebenden näher zu enthüllen und sich noch schäzenswerther zu machen." 54 Vgl. Höchsterfreuliche Nachricht von einer großen Kinderaufweckung in einer deutschen Stadt, in: Sammlungen, 1800, S. 135ff. 55 Brief: Lavater an Ziegler, 23. Juli 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 587, Nr. 17. 56 Brief: Steinkopf an Lavater, 28. Juli 1800, ebd. Ms. 527, Nr. 314.

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schwach zu seyn". Schließlich versicherte er aber Lavater, daß er, falls Gott ihm, Lavater, Gesundheit und Zeit gäbe, jeden seiner „Winke mit Achtsamkeit anhören, mit Redlichkeit zu prüfen und mit Gewissenhaftigkeit zu benutzen suchen" werde. Hierbei unterließ er es aber nicht, Lavater auf das schichtenspezifische Phänomen religiöser Sprache hinzuweisen. „Wenn unser Heiland eine gewiße Gesellschaft in eine nähere Verbindung der Liebe u. Vertraulichkeit bringt, so kommt meist eine Herzenssprache auf, welche für den engern Zirkel vollkommen paßt, für den des ganzen Publicums aber allerdings nicht immer zweckmäßig ist." Selbstverständlich wußte sich das Basler Zentrum der Christentumsgesellschaft erst recht mit Lavater verbunden, als dieser Monat für Monat auf seinem Schmerzenslager daniederliegen mußte. Über sein jeweiliges gesundheitliches Befinden wurde man nicht zuletzt auch aus Zürich selbst informiert 57 . Das Zentrum in Basel gab seinerseits die Nachrichten an die 57

Siehe ζ. B. Briefe: Werndli an Steinkopf, 8. Januar 1800, U B Basel, ACG, D Ic, 10, Nr. 1: „Unser F[reund] Lav[ater] macht bisher seine Geschäfte unter dem Beystand Gottes im Seegen fort, ohngeachtet Seine Wunden noch immer offen u. ihm bisweilen um des Hustens willen Schmerzen verursachen." Ders. an dens., 29. Januar 1800, ebd. Nr. 10: „Er [Lavater] leidet die Zeit her sehr wegen entsezlichem Husten, der ihm theils Wundenschmerzen verursacht, theils seine sonst noch schwachen Kräfte noch mehr schwächt, schon 2 Sonntage konnte er deß wegen nicht predigen, arbeitet aber dennoch unaufhörlich in und außer dem Bette." Ders. an dens., 19. Februar 1800, ebd. Nr. 15: „Mit uns[erem] l[ieben] Fr[eund] Lav[ater] geht es, Gott sey herzl[ich] Dank, seit ein paar Tagen wieder etwas leichter und beßer. Ach daß ihn der Herr unserm Gebethe schenken und ihm bald wieder mit völliger Kraft seinen Namen u. seinen Ruhm zuverkündigen bekräftigen möchte!" Ders. an dens., 15. März 1800, ebd. Nr. 23: „Von seinem [Lavaters] körperlichen Befinden kann ich Ihnen leider nichts Beßeres melden; der anhaltend schrekliche Husten schwächt seinen ganzen Körper entsezlich, sodaß es einem bisweilen scheint, ohne Dazwischenkonft der allesvermögenden Hülfe des Herrn, sey an keine Wiedergenesung zu denken." Ders. an dens., 23. März 1800, ebd. Nr. 28: „Unser l[ieber] kranke Freünd hatte es zwar diese Woche etwas leichter als die vorige, doch ist er noch von seinem peinigenden Husten sehr geplagt." Ders. an dens., 17. April 1800, ebd. Nr. 30: „Von seinem Befinden werden Sie wohl durch ihn [Lavater] selbst von Zeit zu Zeit berichtet. Es mußte nach dem unerforschlichen Rathschluß Gottes nicht seyn, daß er über das H[eilige] Fest auch nur einmal hätte predigen können. Es kostete ihm manche heiße Thräne." Ders. an dens., 14. Mai 1800, ebd. Nr. 41: „Gestern 8 Tag ist unser Freünd Lavater nach Baden verreist. Die sintherigen Berichte lassen aufs Neüe hoffen, daß er uns nach unsers Herzen Wünschen u. Bitten wiedergeschenkt werden dürfte." Ders. an dens., 24. Mai 1800, ebd. Nr. 43: „Mit seiner [Lavaters] Besserung in Ansehung seines Hustens will es sich noch nicht geben, nur spürt er, daß durch das Bad seine Kräfte sich schon in etwas vermehrt haben, und dies ist auch, wenn er nicht vom Husten abgemattet wird, recht augenscheinlich." Ders. an dens., 8. Juni 1800, ebd. Nr. 45: „Die vorige Woche spürte unser l[ieber] kranke Fr[eun]d in Schinznach einige Erleichterung." Ders. an dens., 12. Juli 1800, ebd. Nr. 50: „ U m uns[ern] l[ieben] Lavater stehet es diese Tage her sehr mißlich, so daß er u. wir der stärkenden Gnadenkraft von oben sehr bedürfen. Denn sein Leiden u., wanns verhängt seyn sollte, sein Sterben sind wahrlich nicht geringe Glaubensprüfungen für das kurzsichtige Auge armer Erdenkinder." Ders. an dens., 31.Juli 1800, ebd. Nr. 51: „Beygesandtes an unsern l[ieben] Lav[ater] habe ihm übersandt. Seine Umstände dürften es aber wohl schwerlich erlauben, daß er dies Buch bald lesen könnte, dann ers die Zeit her oft halbe und ganze Tage sehr schwer hat; der Husten und was damit verbunden, macht ihn immer noch sehr leiden. Noch ist er auf dem Salisschen Landgut in Ehrlenbach und

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Partikulargesellschaften weiter. So findet sich im Gesellschaftsbericht v o m 7. Mai 1800 die Mitteilung: „Herr Pfjarrer] Lavater in Zürch schreibt unterem 11. Merz 1800: Ich bin noch im Schmölztiegel. Etwa einige Stunden nimmt mich der Herr ab der Gluth weg u. gestattet mir einige Kühlung. Ich muß mich an das Leiden wie an das täglich theurer werdende Brod gewöhnen. Mir schaudert, wenn ich an das Unglück meines verarmten Vaterlandes gedenke. Mein einziger Trost ist: Gott helf, Gott wird helfen. "58 Sekretär Steinkopf versuchte dem Leidenden Trost zu spenden. So verwies er ihn auf die schon dreizehn Jahre in Basel dahinsiechende Ursula Schneider59. Mit ihr stünde er nun in einer Kreuzesgemeinschaft. Lavater sandte ihr daraufhin am 18. Oktober 1799 folgenden Vers zu: „Der stärke Dich in Deinem Leiden, / Der litt, was unser keiner litt. / Und ein unendlich Heer von Freüden, / Für Sich und Dich und mich erstritt. / Ein demuthvoller Blik auf Ihn, / N i m m t U n geduld und Schwächen hin. / U n d wir erfahren, was es ist - / Der Trübsal rühmet sich der Christ!"60 Anteil nahmen natürlich auch diejenigen, die als Korrespondenten mit dem Basler Zentrum in Verbindung standen61. Lavaters Ableben am 2. Januar 1801 wurde dann dem Basler Zentrum der Christentumsgesellschaft sogleich von Zürich aus angezeigt 62 und von diesem der großen Lesergemeinde ihrer Monatszeitschrift Sammlungen für Liebhaber christlicher Wahrheit und Gottseligkeit bekanntgewird auch wohl noch länger dort bleiben." Ders. an dens., 21. August 1800, ebd. Nr. 58: „ U m unsern l[ieben] Lavfater] steht es noch immer gleich. Auch da ist ächte Christengeduld u. glaube der Heiligen köstlicher als alles, was ich mir sonst denken kann." Ders. an dens., 9. Dezember 1800, ebd. Nr. 68: „Das Befinden unsers lieben kranken Freündes ist ohngefehr immer das Nehmliche, abwechslend schmerzenvollere u. schmerzenfreyere Tage u. Stunden." Ders. an dens., 18. Dezember 1800, ebd. Nr. 82: „Warum ich aber izt nur einige wenige Worte an Sie schreibe, geschieht darum, Ihr liebendes theilnehmendes Herz von dem äußerst mißlichen Befinden unsers theüren Lavaters zu berichten. Ach mein Theürer! Schon seit 8 Tagen schwindet täglich mehr alle Hofnung zur Wiedergenesung,und sein Abscheiden von uns scheint sehr n a h e . . . Dann sint am Freytag ligt er ganz ohnthätig, meist wie schlummernd, auf seinem Bette. Am Samstag ward es ihm noch zu lieb, eine kurze Vorlesung mit Anstrengung zu dictieren, sintdem aber nicht das Mindeste mehr." Ders. an dens., 28. Dezember 1800, ebd. Nr. 84: „Nur ein Wunder der Allmacht könnte ihn [Lavater] uns noch retten u. wieder schenken; natürlicherweise scheint sein theüres Leben hienieden nahe am Ziele." 58

9. Gesellschaftsbericht Basel, 7. Mai 1800, ebd. A I, Nr. 7, S. 4078. Siehe Brief: Steinkopf an Lavater, 16. Oktober 1799, Z B Z , FA Lav. Ms. 527, Nr. 296. 60 Beilage zu Brief: Lavater an Steinkopf, 18. Oktober 1799, ebd. Ms. 582, Nr. 157. Der Brief findet sich auszugsweise gedr. in: Sammlungen, 1800, S. 31; das Gedicht unter dem Titel Zuruf an eine 13jährige Kranke ebd. S. 80. Der Druck weicht geringfügig von der Handschrift ab. 61 Siehe z.B. Brief: Schatz an Steinkopf, 16. August 1800, U B Basel, ACG, D V, 20, Nr. 161; auszugsweise gedr. in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, 1, S.443, Nr. 423. 62 Siehe Briefe: Werndli an Steinkopf, 3. u. 24.Januar 1801, ebd. D Ia, 18, Nr. 1 u. 2; letzterer auszugsweise gedr. in: ebd. S.448, Nr. 432. Im Brief vom 24. Januar 1801 schildert Werndli sehr eindrücklich die letzten Lebenstage Lavaters. 59

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macht 6 3 . Aber auch noch über den Tod hinaus bewahrte man eine H o c h schätzung, ja sogar Verehrung für Lavater. Deshalb hat man wiederholt Beiträge aus seiner Feder in die Sammlungen eingerückt 64 .

3. Lavaters Beziehungen zu einzelnen Partikulargesellschaften Lavater hatte selbstverständlich nicht nur Beziehungen zum Basler Zentrum der Deutschen Christentumsgesellschaft, sondern auch zu einzelnen Mitgliedern verschiedener Partikulargesellschaften, wie beispielsweise von Stuttgart oder von Berlin. So stand er hinsichtlich letzterer mit Johannes Jänicke, der seit 1792 als Prediger an der dortigen Böhmisch-Lutherischen Bethlehemsgemeinde wirkte, in brieflicher Verbindung. Der Briefwechsel 1 zwischen Lavater und diesem Mitglied der Berliner Partikulargesellschaft 2 war aus Anlaß konkreter Hilfeleistung für eine Züricherin zustandegekommen. Obgleich die Korrespondenz nur wenige Jahre dauerte und nicht besonders rege war, eröffnet sie doch interessante Einblicke in Leben und Wirken von Jänicke 3 . Mehrfache Kontakte hatte Lavater sodann zur Partikulargesellschaft in Stuttgart. Dies war deshalb der Fall, weil mehrere von Lavaters w ü r t t e m bergischen Bekannten und Freunden ihr als Mitglieder angehörten. N a mentlich erwähnt seien hier nur der Stiftsprediger Carl Heinrich Rieger und Hofrat Johann August Reuß 4 . Besonders intensiv und vielfältig waren aber Lavaters Beziehungen zu einigen Mitgliedern der Nürnberger Partikulargesellschaft. Hierbei handelt es sich u m Pfarrer Johann Gottfried Schöner, der auch literarisch hervorge63 Nachricht von Lavaters Tod u. Begräbniß. Aus Briefen, Sammlungen, 1801, S. 62-68. Die zwei hier auszugsweise mitgeteilten Briefe stammen aus der Feder von Lavaters älterer Tochter Annette (S. 62f., vom 4. Januar 1801; vgl. Brief: Annette Lavater an Steinkopf, 4. Januar 1801, U B Basel, ACG, A I, Nr. 7; S. 6003 [7. Gesellschaftsbericht Basel, 4. März 1801]) und von Elisabeth Rordorf, Lavaters schwärmerischer Verehrerin und unermüdlicher Sekretärin (S. 63-68, ohne Datum; vgl. Brief: Rordorf an Steinkopf, 24. Januar 1801, ebd. D I c, 11, Nr. 2). Übrigens handelt es sich auch bei dem im Gesellschaftsbrief mitgeteilten Brief der Tochter Lavaters nur um einen Auszug. 64 Verse auf einige Festzeiten und Tage von dem seligen Lavater, in: Sammlungen, 1801, S. 122-125; Ein Wort zur Pfingstfeyer. Schinznach, den 31. Mai 1800. Aus einem hinterlassenen Schreiben des seligen Lavaters, in: ebd. S. 151-154; Letzte Zurufungen des seligen Lavaters an seine Gemeine, in: ebd. S. 161-164. 1 In der Z B Z finden sich acht Briefe von Lavater an Jänicke (FA Lav. Ms. 567, Nr. 105-112) und acht Briefe vonjänicke an Lavater (ebd. Ms. 515, Nr. 242-249). 2 Siehe das Mitgliederverzeichnis der Berliner Partikulargesellschaft in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 216, Nr. 135. 3 Vor allem die biographischen Details aus Jänickes Kindheit und Jugend sind beachtenswert. Daneben eröffnet diese Korrespondenz mehrfach Einblicke in die Problematik von Ausländerehen im 18. Jahrhundert. 4 Siehe das Mitgliederverzeichnis der Stuttgarter Partikulargesellschaft in: E. Staehelin (Hrsg.), Christentumsgesellschaft, I, S. 214, Nr. 135.

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treten ist, sowie u m die Kaufleute Johann Christoph Karg, Johann Tobias Kießling und Johann Andreas Würsching. A m bedeutendsten war die recht früh einsetzende Korrespondenz mit dem Kaufmann Karg. D a auf ihn bereits im Zusammenhang der Darstellung von Lavaters Verhältnis zu Vertretern des Spätpietismus in Franken hingewiesen wurde, ist es hier nur noch nötig, den Beziehungen zwischen Lavater und Karg seit dessen engagierter Mitarbeit in der Nürnberger Partikulargesellschaft nachzugehen. Wie schon erwähnt, war in der zweiten Hälfte der achtziger und dann vor allem in den neunziger Jahren der Briefwechsel zwischen Lavater und Karg wesentlich reger geworden. Darin nahmen zunächst weiterhin die Aufträgsarbeiten für den Kupferstecher Nusbiegel 5 einen relativ breiten Raum ein 6 . Dieser Nürnberger Künstler lieferte nämlich in dieser Zeit mehrere Illustrationen zu Lavaters vierbändigem Epos Jesus Messias. Oder Die Evangelien und Die Apostelgeschichte, das in der Klopstockschen Tradition steht. Allerdings sind die Bilder, die Nusbiegel zu dem zwischen 1783 und 1786 erschienenen Werk schuf und die sich durch die Zierlichkeit des Grabstichels auszeichnen, nicht gerade von großer künstlerischer Ausdruckskraft. Lavater war über manche Stiche entsetzt, so insbesondere über die Darstellung von Christus mit Dornenkrone und Spottmantel 8 . Daneben wurden aber in ihrer Korrespondenz gelegentlich auch theologische Fragen berührt. Evident wird hierbei, daß sich beide Briefpartner in ihrer Frontstellung gegen Neologie und Rationalismus einig waren. Karg bezeichnete die Berliner Aufklärer einmal als die „größten, treulosten Ehrenschänder" 9 . Hierbei hatte er zweifelsohne vor allem den Buchhändler und Schriftsteller Friedrich Nicolai im Blick, der in der Tat in seiner Kritik an Lavater nicht nur immer schärfer wurde, sondern auch vor Verunglimpfungen nicht zurückschreckte 10 . Was hat Lavater aber durch seine Korrespondenz mit Karg von den Über Nusbiegel siehe Kap. II.3, A n m . 4. Hierüber siehe Briefe: K a r g an Lavater, 7. März, 11. u. 20. Mai, 14. Oktober u. 2. N o v e m ber 1786, 5. Januar 1788, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 58-63. Vgl. Briefe: Lavater an Karg, 11. März 1786 u. 16. August 1788, ebd. Ms. 568, Nr. 35 f. 7 In diesem vierbändigen Werk Jesus Messias. Oder Die Evangelien und die Apostelgeschichte in Gesängen finden sich im vierten Band fünf Stiche (Taf. IV, VI, XII f., XVII), die mit Nusbiegel signiert sind. Hierzu siehe auch F. O . Pestalozzi, Lavaters Beziehungen zur Kunst, S. 75. 8 Siehe Brief: Lavater an Karg, 16. August 1788, Z B Z , FA Lav. Ms. 568, Nr. 36: „Fast ohnmächtig ward ich beym Anblik der Probe des Ecce H o m o , die ich von Nußbiegel erhielt. So kann's nicht mehr gehen. Ich schreib ihm heut gehalten scharf. Durchaus kein Geld mehr dem Unerklärlichen!! In acht Tagen hättens meine Arbeiter so weit gebracht." Übrigens wurde dann der Ecce H o m o von Nusbiegel nicht in das Werk aufgenommen; siehe die Taf. X I im dritten Band. 5 6

Brief: Karg an Lavater, 2. N o v e m b e r 1786, ebd. Ms. 516, N r . 62. Das Verhältnis zwischen Lavater und Nicolai bedarf dringend einer detaillierten Untersuchung. 9

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Vorgängen innerhalb der Nürnberger Partikulargesellschaft erfahren? Insgesamt waren die diesbezüglichen Mitteilungen auffallend spärlich. Lediglich ein einziges Mal hat Karg etwas ausführlicher von einer Affäre berichtet, die durch ihr Mitglied Johann Dreykorn, Diakon an der Jakobskirche, ausgelöst worden war11. Dieser Theologe hatte nämlich 1785 ein Werk über die Römisch-Katholische Messe 12 veröffentlicht, das die schärfste Kritik erfuhr. So äußerte ein Rezensent in seiner Besprechung 13 , die in der Nürnberger gelehrten Zeitung erschien, den Verdacht, ihr Verfasser, ein Mitglied der Christentumsgesellschaft, handle möglicherweise nur an Stelle der Exjesuiten und leiste so dem Katholizismus Vorschub 14 . Auch über die Gesamtentwicklung der Deutschen Christentumsgesellschaft flössen Lavater durch Karg kaum Informationen zu. Allerdings hat er es nicht unterlassen, Lavater im Mai 1800 hocherfreut zu vermelden 15 , daß sich nun auch Jung-Stilling sowie der Theologe und Schriftsteller Johann Ludwig Ewald der Gesellschaft genähert hätten, wie der eben erschienene neue Band der Sammlungen für Liebhaber christlicher Wahrheit und Gottseligkeit zeige, in dem von diesen jeweils eine Briefpassage abgedruckt sei16. Beide, sowohl Jung als auch Ewald, seien „entlich nach langem Umflattern von der Gesellschaftssache überzeugt worden, daß nur die echte BiebelLehre, die die deutsche Gesellschaft lehrt, treibt, unter vielen tausenden ein seeliges Geschäft bleiben wird". Außer mit Karg hat Lavater mit dem in der Nürnberger Partikulargesellschaft aktiv mitarbeitenden Pfarrer Schöner korrespondiert 17 . Dieser augenscheinlich nur sporadische Briefwechsel ist erst im Herbst 1782 auf Schöners 11

Siehe Brief: Karg an Lavater, 2. November 1786, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 62. Der vollständige Titel dieser Schrift lautet Die Römisch-Katholische Messe, lateinisch und deutsch, mit Bemerkung der dabey vorkommenden Ceremonien. Nürnberg und Sulzbach 1785. Über Dreykorn siehe M. Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, S. 50, Nr. 256 (Lit.). 13 Die anonym erschienene Rezension findet sich in: Nürnbergische gelehrte Zeitung auf das Jahr 1785, St. 96, 1785, S. 745-748. 14 Ebd. S. 748: „Doch, wir müssen noch einer Vermuthung erwähnen, derer wir uns nicht erwehren können, und von welcher wir die Gründe, die zum Theil in diesem Buche selbst liegen, künftig angeben wollen, wenn wir es nöthig finden sollten. Wenn der evangelische Lehrer, dieses Mitglied der Gesellschaft zur Beförderung der reinen Lehre etc. doch der eigentliche Verf. nicht wäre; wenn er sich selbst nur substituirt, oder die Materialien eines andern verarbeitet hätte? Ist etwa die Furcht und das Geschrey, das man über den Exjesuetismus in unsern Tagen erhebt, nur ein blinder Lärm? Oder hätte auch dieß einige Beziehung dahin?" Dreykorn hat diese Kritik in einer eigenen Schrift (Nöthige Anmerkungen zu einer in der Nürnbergischen gelehrten Zeitung befindlichen Recension der Römisch-Katholischen Messe. Nürnberg und Sulzbach 1785) zurückgewiesen. 15 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Karg an Lavater, 14. Mai 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 80. 16 Siehe Sammlungen, 1800, S. 33 f. (Auszug aus einem Brief von Ewald) u. 34 ff. (Auszug aus einem Brief von Jung-Stilling). 17 In der Z B Z befinden sich zwei Briefe Lavaters an Schöner (FA Lav. Ms. 580, Nr. 113 f.) und fünf Briefe von Schöner an Lavater (ebd. Ms. 526, Nr. 125-129). Über Schöner siehe M. Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, S. 204, Nr. 1250 (Lit.). 12

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Initiative zustandegekommen 18 . Dieser damalige Diakon zu St. Marien hatte sich nach seinem eigenen Zeugnis zwar zuvor schon oft mit Lavaters „schriftlichen oder gedrukten Arbeiten"19 beschäftigt, war aber bislang, wie er am 23. September dieses Jahres bekannte, nicht mit ihm in Korrespondenz getreten. Zum einen habe er hierzu keinen wirklichen Anlaß gesehen, zum anderen habe er Lavaters großen Briefwechsel ohne zwingende Notwendigkeit „nicht noch unübersehlicher machen" wollen20. Nun habe ihn aber ein Freund aus Wien darum gebeten, die von Michael Christian Hirsch angefertigte Übersetzung der Geschichte des Hussitenkrieges des reformierten Kirchenhistorikers Jacques Lenfant auch in der Schweiz bekannt zu machen21. In seinem Schreiben bat er Lavater zugleich um seine Fürbitte und verband seine Zeilen mit dem Wunsch: „Mit viel Segen seyen Sie übrigens geschmückt im Amt, im Haus, in der Studier-Stube, die wohl auch Ihre BetKammer ist"22. Ähnlich wie Karg wußte sich auch Schöner eins mit Lavater in der strikten Ablehnung der Berliner Aufklärer. Lavaters Vorsatz, diesen künftighin mit Nichtbeachtung begegnen zu wollen, stimmte er in seinem Brief an Lavater vom 8. April 1789 mit folgenden Worten zu: „Dank für Ihre Äuserung an Buchruckern. Sie wollen vom Nicolaischen Wesen u. Unwesen keine Notiz nehmen. Unsre Gemüthsruhe erfodert es. Wer Christus nicht schont, wen schont der? Und doch treibt man nur erst das Vorspiel des künftigen Antichrists. "23 In einem späteren Schreiben bezeichnete Schöner die Aufklärer in Berlin, für die nach deren Überzeugung kein Teufel mehr „existirt", geradezu als dessen „Diener"24. Schöner hat sich aber auch gleichsam als Mitarbeiter Lavaters betätigt. Im Jahre 1790 konnte nämlich unter seiner und Kargs Mithilfe25 bei dem Verlag Raw in Nürnberg Lavaters Evangelisches Handbuch für Christen oder Worte Jesu Christi gedruckt werden26. Schöner hat vor allem „Correctur" 18

Siehe Brief: Schöner an Lavater, 23. September 1782, Z B Z , FA Lav. Ms. 526, Nr. 126. Ebd. Auf welche Werke und Manuskripte Lavaters Schöner sich hier bezieht, ist unbekannt. Nachgewiesen werden konnte bislang lediglich, daß Schöner später Lavaters Handbibel fur Leidende gelesen hat. Dieses Werk hat Lavater ihm offensichtlich geschenkweise zukommen lassen. Schöner bedankte sich durch ein kleines Gedicht, das er ihm brieflich am 17. Februar [1789] zugehen ließ (ebd. Ms. 526, Nr. 125; vgl. Brief: Lavater an Schöner, 7. März 1789, ebd. Ms. 580, Nr. 114; Lavaters Antwort ist ebenfalls in Versform gehalten). 20 Ebd. 21 Es handelt sich um J. Lenfants 1731 erschienenes Geschichtswerk Histoire de la Guerre des Hussites et du Concile de Basle; es wurde von M. Ch. Hirsch übersetzt und 1783 u. 1784 unter dem Titel Geschichte des Hussitenkrieges herausgegeben. 22 Ebd. 23 Brief: Schöner an Lavater, 8. April 1789, Z B Z , FA Lav. Ms. 526, Nr. 127. Vgl. Brief: Lavater an Buchrucker, 11. März 1789, ebd. Ms. 554, Nr. 73. 24 Brief: Schöner an Lavater, 9. November 1790, ebd. Ms. 526, Nr. 128. 25 Siehe Brief: Karg an Lavater, 15. Februar 1790, ebd. Ms. 516, Nr. 64. 26 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Schöner an Lavater, 9. November 1790, ebd. Ms. 526, Nr. 128: „H[er]r Raw wollte mit mir 1 Alphab[et] zu 1 B[an]d vorschlagen; Sie kamen 19

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gelesen und zwar „so gut u. so schlecht" als es seine „individuelle Kraft, unter steter Abwechslung von Gemüthslagen und Arbeiten" zugelassen hat. Der zu erwartenden Kritik stellte er schon jetzt die Frage entgegen: „Wer macht nicht manches u n v o l l k o m m e n , unvollkommener als der Vollkommnere?" Als Schöners Stiefsohn Eisen im Jahre 1795 die Schweiz bereiste, lenkte er seine Schritte auch nach Zürich, u m Lavater aufzusuchen u n d ihm m ü n d l i che Grüße zu überbringen. Sogleich fand er in dessen Pfarrhaus herzliche A u f n a h m e und genoß hier freigiebige Gastfreundschaft 2 7 . In seinem D a n kesschreiben hat Schöner dann d e m Schweizer Freund bereitwillig jegliche Hilfe in Aussicht gestellt, falls er in N ü r n b e r g etwas zu besorgen hätte, „zumal weil Würsching und Karg schwächlicher werden" 2 8 , die bislang hier Lavaters Aufträge erledigt hatten. Dagegen scheinen Lavater und der weitgereiste, karitativ und missionarisch vielfältig engagierte N ü r n b e r g e r K a u f m a n n Kießling 29 , dessen Haus eines der Zentren der N ü r n b e r g e r Partikulargesellschaft der Christentumsgesellschaft bildete, sich nur gelegentlich geschrieben zu haben 30 . Nach den wenigen überlieferten Schreiben Kießlings zu urteilen, betätigte er sich hierbei vor allem als Spediteur von Briefen, so nicht zuletzt von und an Pfarrer Buchrucker. Einmal übersandte er Lavater aber den Text eines möglicherweise von ihm selbst gedichteten Liedes 31 , das er bereits seit vielen Jahren nicht nur f ü r seine eigenen Andachten verwendet, sondern auch gelegentlich einigen vertrauten Freunden abschriftlich z u m Gebrauch zur Verfugung gestellt hatte. Er ersuchte Lavater, den er als gottbegnadeten Dichter bezeichnete, diejenigen Wörter und Silben, die er durch rote U n t e r streichungen markiert habe, durch solche ersetzen zu wollen, die hinsichtlich des Ausdrucks treffender beziehungsweise bezüglich der Metrik korrekter seien. U n b e d i n g t sollte er jedoch darauf achten, daß „von d e m hohen Werth des Liedes nichts wegfällt, v i e l m e h r . . . derselbe noch vermehrt und erhöht" werde 32 . Von Kießling hat Schöner, d e m er übrigens seine religiöse E r w e c k u n g verdankte und mit dem er engstens zusammenarbeitete, in uns zuvor und bestimmen C N u m m e r n , die 2.3 Bögen mehr anfüllen werden. Dadurch wird das Bändchen, wenn nur die Abhandlungen nicht zu gros sind, noch nicht überdick. Bogen R ist fertig, mit demselben LXXI N u m m e r n , auf das ganze Alphab[et] mögte 80, etl[iche] 80 N u m m e r n gehen. Das dient Ihnen zur Nachricht; jetzt handeln Sie nach Belieben. Allerdings noch ein 2t[e]s B[än]dchen ruffen der verlagsbesorgte Buchhändler und der unterhaltungsdurstige Corrector!... Sobald der 1. B[an]d fertig ist, erhalten Sie die bedungenen Ex[em]pl[are] samt M[anu]s[cript] zur Vergleichung und Beurtheilung; dann theilen Sie mir Ihre Erinnerungen mit. Das Werk findet Beyfall, stiftet Segen." 27 Siehe Brief: Schöner an Lavater, 8. Mai 1795, ebd. Nr. 129. 28 Ebd. 29 Über Kießling siehe bes. G. Mecenseffy, Der Nürnberger Kaufmann Johann Tobias Kießling; G. Mecenseffy, Kießling. 30 In der Z B Z (FALav. Ms. 516, Nr. 158-164) finden sich zwar sieben Briefe von Kießling an Lavater, jedoch keiner von Lavater an Kießling. 31 U m welches Lied es sich handelte, konnte bislang nicht ermittelt werden. 32 Brief: Kießling an Lavater, 27. Dezember 1790, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 162.

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einem Brief an Lavater folgende prägnante Charakteristik gegeben. Dieser sei zwar nur ein Kaufmann und kein Geistlicher, wie Lavater anscheinend irrigerweise angenommen hatte, aber er besitze „mehr Einfalt, Gradheit, Kindersinn, Johannissinn, Liebe als hundert Maschinen=Geistliche... Zweymal im Jahr reiset er nach Gräz und Linz im Oest[er]r[eichi]schen, nemlich im März und April, im August und Sept[em]b[e]r. Der Mann ist, obgleich mit etlichen Eigenheiten, die an unser aller Menschheit mehr oder weniger kleben, ein warmer, thätiger, brüderlicher duldender Christusverehrer" 33 . Schließlich ist noch auf Lavaters Verbindung zu dem Nürnberger Kaufmann Würsching 34 zu verweisen. Persönlich kennengelernt haben sie sich erst im Juni 1781, als Würsching auf einer seiner vielen Reisen auch Zürich berührt hat 35 . Obgleich Würsching dem Pfarrer von St. Peter bis dahin völlig unbekannt gewesen ist, hat dieser ihn „als einen Fremdling" sogleich „freundschäfftlig u. liebreich aufgenohmen" 3 6 . Eine solche Gastfreundschaft hat Lavater in seinem Pfarrhaus übrigens sehr häufig und großzügig geübt; sie ging nicht selten über seine wirtschaftlichen Ressourcen hinaus. Diese außerordentlich bereitwillige Gewährung von Bewirtung und Unterkunft an Freunde und Fremdlinge hat sicherlich auch mit zu den finanziellen Schwierigkeiten beigetragen, vor die sich die Familie Lavaters nach dessen Tod gestellt sah. Trotz dieser offensichtlich sehr geglückten ersten B e g e g nung ist es dann nur zu einem sehr gelegentlichen Briefwechsel zwischen Lavater und Würsching gekommen 3 7 . Zur Festigung des Freundschaftsbandes zwischen Lavater und einzelnen Mitgliedern der Nürnberger Partikulargesellschaft hat dann wesentlich die Tatsache beigetragen, daß Lavater seine vielfach persönlich noch unbekannten Freunde am 26. Mai 1793 auf seiner Reise nach Kopenhagen besucht hat 38 . Obgleich er in der Freien Reichsstadt Nürnberg erst u m Mitternacht angekommen war, hat er in aller Frühe sogleich Würsching besucht, der in unmittelbarer Nähe des Gasthofes Roter Hahn, in dem er abgestiegen war, wohnte. Dann lenkte er seine Schritte in das Haus des „dienstfertigen" 3 9 Brief: Schöner an Lavater, 8. April 1789, ebd. M s . 526, Nr. 127. Ü b e r Würsching siehe W. Hahn, Verlag der Raw'schen Buchhandlung, S. 113, A n m . 147. Vgl. J o h . A. Würsching, Geheimbuch. 3 5 Siehe Brief: Würsching an Lavater, 1. Juli 1781, Z B Z , FA Lav. M s . 532, Nr. 155. Ü b e r Würschings Bekanntschaft mit Lavater vgl. auch J o h . A. Würsching, Geheimbuch, S. 318. 3 6 Ebd. 3 7 In der Z B Z (FA Lav. M s . 532, N r . 155ff.) finden sich nur drei Briefe von Würsching an Lavater; von Lavater an Würsching findet sich keiner. 3 8 Hierzu und z u m Folgenden siehe J o h . K . Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 267-345. In dem Reisetagebuch nach Kopenhagen ( Z B Z , FA Lav. M s . 24) sind Lavaters Mitteilungen über seinen Aufenthalt recht knapp. 3 9 Brief: Lavater an Heisch, 24. Juli 1793, Z B Z , FA Lav. Ms. 564, Nr. 73. Vgl. den Eintrag in Kargs Neues Testament (gedr. in: J o h . K. Lavater, Handbibliothek, B d . 3, 1793, S. 269f.): „Eine Widmung im N T . fur Christoph K a r g / Das N e u e Ί Testament / an / Christoph K a r g / Neues Licht von Gott begegne Dir, wenn / D u mich aufschlägst. / N e u e Freud' erfülle Dein 33

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Karg. Hier traf er auch Schöner und Kießling sowie andere Freunde an, die inzwischen dorthin zusammengeeilt waren. Als Lavater wieder nach Zürich zurückgekehrt war, schrieb er retrospektiv am 24. August 1793 an Karg: „Gottlob, daß Du, Lieber, durch das Anschauen noch lieber geworden bist. Der 26. May in Nürnberg bleibt ein Tag lieblicher Erinnerung. Sage das allen, die etwas dazu beytrugen. " 40 Karg verfaßte zur Erinnerung an diesen Tag sogar ein Gelegenheitsgedicht 41 und ließ dieses drucken mit dem Titel Denkmal der fünfundzwanzig) ährigen Freundschaft zwischen Lavater und Karg. Den 26. May Nürnberg 1793; das Frontispiz dieser kleinen Publikation zeigt die einander zugewandten Silhouetten Kargs und Lavaters. In Nürnberg machte Lavater noch eine Reihe weiterer Bekanntschaften, so mit Dreykorn 42 oder mit dem Bäcker und Mechanicus Matthias Burger 43 , mit dem er schon kurz korrespondiert hatte 44 . Während also eine Begegnung Lavaters mit diesem Mystiker und Theosophen sicher bezeugt ist, ist es bislang nicht nachweisbar, ob auch Goethe vier Jahre später, während seines neuntägigen Aufenthaltes in Nürnberg im November 1797, die Stiegen zu Burgers Studierzimmer erklommen hat, wie vermutet worden ist45. Von Nürnberg aus wurden Lavater und seine mit ihm reisende Tochter Annette dann von Karg, Kießling, den Gebrüdern Raw sowie Würsching und dessen Frau in zwei Kutschen nach Erlangen begleitet 46 . Während dieser mehrstündigen Fahrt erzählte Lavater mitteilsam aus seinem Leben; darunter war, dem gedruckten Reisebericht nach zu urteilen, neben einigem Interessanten, wie etwa seine Auslassung über seine Freundschaft mit Susanna von Klettenberg 47 , mancherlei Belangloses, ja Geschwätziges. Nach dem übereinstimmenden Zeugnis der Quellen scheint aber gerade diese gemeinsame Fahrt die Teilnehmer in besonderer Weise zusammengeführt zu haben. Lavater war es nämlich gerade durch seine vertrauensselige Mitteilsamkeit Herz, und Hoff- / nung und Liebe! / Wie Dein Herz sich mir naht, so nah ich / mich Dir mit Belehrung. / Was ich Dir gebe, das giebt Dir Dein Buch. / Doch gab ich Dir selbst nichts / Rufe nur Dir zu - Geh, geh zum Geb / ber, der mich gab. / Nicht erlösen kann ich - nur preisen Alle Erlösten. Nürnberg, Sonntags den 26. May / 1793." 40 Brief: Lavater an Karg, 24. August 1793, ebd. Ms. 568, Nr. 38. 41 Vorhanden in ebd. Ms. 516, Nr. 84. Abgedruckt in: G. A. Müller (Hrsg.), Brieftasche, S. 75fT. 42 Über die Begegnung Lavaters mit Dreykorn siehe Joh. K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 295 f. 43 Bezüglich der Begegnung Lavaters mit Burger siehe ebd. S. 311 f. Vgl. G. H. Schubert, Altes und Neues, Bd. 2, S. 300-303. 44 Joh. K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 311 f. der [Burger] mir einmal geschrieben, und dem ich eine Antwort, die Er nicht vergaß, gesendet h a t t e . . . Der Mann gefiel mir, und ich freute mich jedes vertrauenvollen Wortes, das in meinem Briefchen an Ihn stand." 45 Diese Annahme findet sich bei W. Kunze, Burger, S. 20. Vgl. dagegen Fr. Schnelbögl, Goethe und Nürnberg, S. 404 bzw. 321. 44 Siehe Brief: Würsching an Lavater, 3. Oktober 1793, Z B Z , FA Lav. Ms. 532, Nr. 156; vgl. Brief: Kießling an Lavater, s. a. [nach 26. Mai 1793], ebd. Ms. 516, Nr. 158. 47 Siehe Joh. K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 333 ff.

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gelungen, „im Reis wagen" eine solche Intimsphäre zu schaffen, daß sich ihre „Herzen so recht brüderlich gegeneinander lüften konnten" 4 8 . Allerdings hat Lavater ganz offensichtlich weder während seines Aufenthaltes in Nürnberg selbst noch auf der gemeinsamen Reise nach Erlangen die Freunde in den eigentlichen Zweck seiner Reise nach Kopenhagen eingeweiht. Hieraus wird evident, daß wohl doch keiner der Nürnberger zu seinem allerengsten Freundeskreis gezählt werden darf. Nach dem Besuch Lavaters in Nürnberg wurde aber die Korrespondenz mit seinen dortigen Freunden etwas reger und insbesondere wesentlich vertrauter. Deutlich wird dies beispielsweise daran, daß die schwangere Frau des Kaufmanns Würsching im Herbst des gleichen Jahres bei Lavater anzufragen wagte, ob er bereit wäre, ein Patenamt zu übernehmen, falls das zu erwartende Kind ein Sohn sein sollte 49 . Zu ihrer großen Freude und zu ihrem unverhohlenen Stolz entsprachen nicht nur Lavater, sondern auch dessen Frau Anna ihrer Bitte, so daß Würsching sie als „hertzlig geliebte Gevatter Leute" 5 0 begrüßen konnte. Lavater selbst brachte in diesen neunziger Jahren in seinen Briefen an die Freunde in Franken verstärkt die Entwicklung der Französischen Revolution und deren Auswirkungen zur Sprache. In diesem Zusammenhang klangen nun bei Lavater stärker gewisse eschatologisch-apokalyptische Erwartungen an, die er offensichtlich auch an das dazumal weit verbreitete Gerücht über eine massenhafte Judenbekehrung in Asien und Palästina geknüpft hat. Diese Nachricht war ihm nicht zuletzt auch von Karg übermittelt worden 5 1 . Dieser hatte ihm nämlich in einem Brief mitgeteilt, daß sich in „Palästina und Asien" große Scharen von Juden, die zum christlichen Glauben konvertiert wären, „sammlen" würden. D a Lavater mit anderen Stillen im Lande die Vorstellung teilte, daß der Wiederkunft des Messias eine Judenbekehrung großen Ausmaßes vorangehen werde, versuchte er sich in seinem Antwortbrief 5 2 der Mitteilung seines Freundes Karg nochmals zu versichern. „ D u schreibst mir", heißt es darin, „ein wichtig Wort: ,Viele sind, die sich in Palästina und Asien sammeln'. Ich Brief: Kießling an Lavater, s. a. [nach 26. Mai 1793], Z B Z , FA Lav. M s . 516, Nr. 158. Brief: Frau Würsching an Lavater, 3. Oktober 1793, ebd. Ms. 532, Nr. 156. Allerdings hat Frau Würsching ihre Zeilen an das Schreiben ihres Mannes v o m gleichen D a t u m angefugt. 5 0 Brief: Würsching an Lavater, 9. September 1794, ebd. N r . 157. 5 1 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Karg an Lavater, 21. Januar 1797, ebd. Ms. 516, N r . 77. 5 2 Brief: Lavater an Karg, 8. März 1797, ebd. Ms. 568, Nr. 44. Bei dem im Brief erwähnten Freund dürfte es sich wahrscheinlich um Cölln handeln. Siehe hierzu Brief: Lavater an Cölln, 1. März 1797, ebd. Ms. 556, Nr. 59: „Deine Nachrichten aus dem Oriente sind von der äußersten Wichtigkeit. Wie viel aber bleibt zu fragen übrig: 1. Wer ist der Bekehrer jener 8000 Juden? 2. Sie werden doch weder katholisch, noch luthersch, noch reformiert geworden seyn? 3. Wie hängt ihre Bekehrung mit Jerusalem zusammen? 4. Ist unter ihnen selbst ein Prophet auferstanden? 5. Wer ist der christlich verständige Mann, der die Nachricht davon bekam? Verschaffe mir doch die umständlichsten Nachrichten von dieser höchstwichtigen Begebenheit"; vgl. auch Briefe: ders. an dens., 1. April, 14. Juli und 14. Dezember 1797, ebd. M s . 556, N r . 60 ff. 48

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wünschte hievon speziellere Nachrichten auf einem besondern Blatte. Ein Freünd schrieb uns vor einigen Wochen, daß 8000 Juden nah' um Jerusalem Christen geworden. Ich muß aber viel Umständlichkeiten wißen, eh ich dies glauben, eh' ich mich deßen freüen kann." Leider ist die erbetene Rückantwort von Karg nicht erhalten 53 . Es wird jedoch deutlich, daß Lavaters endzeitliche Vorstellungen von dem Weg des Volkes Israel, wie er sie bereits vor fast einem Vierteljahrhundert in seinen Aussichten in die Ewigkeit entworfen hatte 54 , nun durch solche Informationen von Judenbekehrungen eine Aktualisierung erfahren haben. Jedenfalls hat er versucht, diese angeblichen Konversionen von seinen eschatologischen Vorstellungen her zu interpretieren. Selbstverständlich nahmen die Nürnberger Freunde nun auch ihrerseits vermehrt an Lavaters Leben und Geschick Anteil. Dies gilt in besonderer Weise hinsichtlich seiner Haltung während des Koalitionskrieges in der Schweiz, seiner Deportation und schließlich insbesondere bezüglich seiner Verwundung. Über letztere hat Lavater seinen Freund Karg Mitte N o v e m ber 1799 in einem Brief informiert 55 Recht ausfuhrlich gab er darin einen Bericht von Lage und Größe der Wunde, die durch eine Kugel aus dem Gewehr eines unter Alkoholeinfluß gestandenen französischen Grenadiers verursacht worden war. Diese Wunde befinde sich, so schrieb er, „unmittelbar unter den Rippen auf der rechten Seite" und sei „nicht viel minder als anderhalb Zoll lang". Diese detaillierte Beschreibung mutet merkwürdig an und legt eine psychologische Deutung nahe. Hatte Lavater damit nicht letztlich seine Seitenwunde mit der Christi in Bezug gesetzt und die seinige narzißtisch in jener gespiegelt? Karg hat sogleich, nachdem er von der Verwundung Lavaters erfahren hatte, dessen Freundeskreis davon unterrichtet 56 . Lavater gegenüber drückte er aber die Zuversicht aus, daß er wie Huß und Luther vor seinem Sterben noch einen Schwanengesang anstimmen werde 57 . Tatsächlich faßte Lavater im Frühjahr 1800 auf seinem Schmerzenslager den Plan, vor seinem Abscheiden ein letztes Werk über Jesus Christus niederzuschreiben. Schnell schwindende Kräfte verhinderten jedoch, daß dieses Vorhaben über einige Skizzen hinaus gedieh. Diese Schrift würde, so behauptete sein Schwiegersohn Georg Geßner, „seine Religiosität, seine Ansicht des Christenthums, und besonders des Herrn des Christenthums, m e h r . . . in's Licht gesetzt habe[n], als keine von allen seinen Schriften" 58 . 53

Erst aus späterer Zeit ist ein Brief erhalten, der wiederum von Mission berichtet; siehe Brief: Karg an Lavater, 14. Mai 1800, ebd. Ms. 516, Nr. 80. 54 Siehejoh. K. Lavater, Aussichten in die Ewigkeit, Τ. 1, S. 197; vgl. T. 4, S. 141 f. 55 Brief: Lavater an Karg, 14. u. 15. November 1799, Z B Z , FA Lav. Ms. 568, Nr. 47. 56 Vgl. Briefe: Karg an Lavater, 14. u. 25. Mai sowie 29. September u. 13. November 1800, ebd. Ms. 516, Nr. 80-83. 57 Brief: Karg an Lavater, 14. Mai 1800, ebd. Nr. 80. 58 G. Geßner, Lavaters Lebensbeschreibung, Bd. 3, S. 505f.

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In den nächsten Monaten schrieb oder vielmehr diktierte Lavater mehrere Briefe an seine Nürnberger Freunde; die meisten davon an Karg. Offensichtlich waren aber die Schreiben, die von der Stadt an der Pegnitz nach der an der Limmat abgingen, wesentlich zahlreicher. Jedenfalls schrieb Kießling, der wegen seiner Geschäftsverbindungen vor allem die Versendung der Briefe übernommen hatte, an den immer mehr ans Bett gefesselten Züricher Freund: „Ach, wie erfreut es mich, daß ich immer Gelegenheit habe, unsern allertheuersten Freund und Bruder Lavatter ein Brieflein um das andere zu übermachen! Die Liebe der Kinder Gottes ist gar gros gegen Ihnen, und viele bethen auf ihren Knien für Ihnen, daß Sie der allmächtige Herr und Heiland stärken und aus Ihnen und durch Ihnen viele Herrlichkeit und Heil der Brüder bereiten wolle. " 59 Durch alle diese vermehrten und intensivierten Kontakte war Lavaters Verhältnis zu den Mitgliedern der Nürnberger Partikulargesellschaft so vertrauensvoll geworden, daß in ihm schließlich der Wunsch erwachte, einzelnen von ihnen, ähnlich wie seinen anderen Freunden, nach seinem Tod noch ein letztes Kärtchen mit ein paar Zeilen von seiner Hand zukommen zu lassen. A m 22. Oktober 1800 bat er deshalb Karg darum, ihm „bald u. sehr treulich die vollständigen Namen der religiösesten F r e u n d e . . . , denen eine solche Denkzeile nach meinem Tod recht herzlich willkommen wäre, aufein Blättchen" zu notieren 60 . Karg kam dieser Bitte alsbald nach und übersandte Lavater ein entsprechendes Adressenverzeichnis, damit dieser für jeden darin Aufgeführten ein Wort des Angedenkens niederschreiben und es nach seinem Tod zusenden lassen könnte. Im Begleitschreiben zu dieser Adressenliste vermerkte er aber ausdrücklich: „Alle [sc. Freunde] laßen herzlich grüßen, nehmen mit mir an Deinem Leiden und Dein Schmerz Antheil. " 61 Lavaters Verlangen, seinen Nürnberger Freunden mittels solcher unter großen körperlichen Qualen gekritzelten Zettelchen einen letzten Besuch abzustatten, läßt zweifelsohne das enge Verhältnis zu ihnen evident werden. Allerdings stellt sich damit auch erneut das Problem des Narzißmus bei Lavater. War sein Verlangen nach Einflußnahme und Selbstdarstellung so extensiv, daß er sie über sein physisches Ende hinaus perpetuieren wollte? Auch nachdem der Tod Lavater schließlich am 2. Januar 1801 nach 16monatiger Leidenszeit ereilt hat, ist sein Andenken im Nürnberger Freundeskreis noch lange lebendig geblieben. Besonders gern erinnerte man sich natürlich an den Besuch auf seiner Reise nach Kopenhagen. Als beispielsweise Raw starb, schrieb am 10. Dezember 1826 der Kaufmann Johann Tobias Naumann, der dazumal die Leitung der Nürnberger Partikulargesellschaft innehatte, an Sekretär Spittler in Basel: „Der seel[ige] Lavater, als er damals auf seiner Hierdurchreise nach Copenhagen die Bekanntschaft des seel[igen] 39 60 61

Brief: Kießling an Lavater, 15. Februar 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 164. Brief: Lavater an Karg, 22. u. 23. Oktober 1800, LKA Nürnberg, Personen II, Nr. 16. Brief: Karg an Lavater, 13. November 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 516, Nr. 83.

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R a w ' s machte, rief, als er ihn sähe, aus: Siehe da, ein rechter Israelite, in w e l c h e m kein Falsch ist! U n d dies w a r ein richtiges u n d wahres Zeugnis. " 62 I m Kreis der N ü r n b e r g e r Partikulargesellschaft w u r d e n aber auch, w i e n o c h deutlich w e r d e n w i r d , weiterhin Schriften Lavaters zur E r b a u u n g gelesen. D a r ü b e r hinaus hat m a n sogar einige Werke Lavaters erneut gedruckt. Aus all d e m w i r d deutlich, daß sich zwischen Lavater u n d der N ü r n b e r g e r Partikulargesellschaft der D e u t s c h e n Christentumsgesellschaft i m Laufe der Zeit ein besonders freundschaftliches Verhältnis ausgebildet hat. D i e G r ü n d e f ü r diese E n t w i c k l u n g waren, wie aufgezeigt w u r d e , vielfältig. D e n n o c h m u ß beachtet w e r d e n , daß w o h l keiner der N ü r n b e r g e r Freunde z u m allerengsten Vertrautenkreis Lavaters gerechnet w e r d e n kann.

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Brief: Naumann an Spittler, 10. Dezember 1826, SA Basel, PA 653, V, Nr. 28.

V. Lavater und die Allgäuer Katholische Erweckungsbewegung Bereits wiederholt ist konstatiert worden, daß Lavater Kontakte zur Allgäuer Erweckungsbewegung 1 gehabt habe. Allerdings blieb man für diese Behauptung zu allermeist einen quellenmäßigen Nachweis schuldig. Wenigstens ansatzweise findet sich ein solcher in einigen Monographien über Sailer und die Allgäuer Erweckungsbewegung. Hier sei insbesondere auf die Arbeiten von Hubert Schiel2, Hildebrand Dussler 3 , sowie Georg Schwaiger 4 verwiesen. Dagegen weisen die allgemeinen Darstellungen über die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts, wie sie von Ludwig Tiesmeyer 5 und Kantzenbach6 vorgelegt worden sind, nur sehr beiläufig darauf hin, daß Lavater besonders durch seine Freundschaft zu Sailer für dieErwekkungsbewegung des Allgäus von gewisser Bedeutung gewesen sei. Da Lavaters direkte oder indirekte Beziehungen zur Allgäuer Erwekkungsbewegung fast ausnahmslos auf seine Freundschaft mit deren anfänglichem großen Protektor, dem bedeutenden Theologen und hohen Kleriker Johann Michael Sailer zurückgehen, soll zunächst sein Verhältnis zu ihm kurz in den Blick kommen. Dabei wird einerseits besonders auf ihre gemeinsame Frontstellung gegen Neologie und Rationalismus und andererseits auf ihre gemeinsame christozentrische Frömmigkeit hinzuweisen sein. Hierbei kann man es jedoch bei einer Skizze bewenden lassen, weil die Forschung bereits mehrfach auf die engen Beziehungen zwischen diesen beiden Theologen aufmerksam gemacht hat7. Zudem ist zu berücksichtigen, daß Sailer 1 Ü b e r die Problematik des Begriffes Allgäuer Katholische Erweckungsbewegung vgl. bes. K. Aland, Berlin und die bayrische Erweckungsbewegung, S. 117 ff.; über die unterschiedliche Deutung, die die Allgäuer Katholische E r w e c k u n g s b e w e g u n g in der Forschung erfahren hat, siehe u. a. den knappen Überblick bei K . Aland, Zur Geschichte der bayrischen Erweckungsbewegung, S. 670f. 2 H . Schiel, Sailer und Lavater, passim; Η. Schiel, Sailer Leben und Briefe, Bd. 1 u. 2, passim. 3 Η. Dussler, Feneberg, bes. S. 209. 4 G. Schwaiger, Sailer, bes. S. 58. 5 L. Tiesmeyer, E r w e c k u n g s b e w e g u n g , B d . 2, H. 8, S. 19 u. Bd. 3, H. 4, S. 351. 6 Fr. W. Kantzenbach, Erweckungsbewegung, S. 28, 40 u. 46. 7 Ü b e r Lavater und Sailer siehe insbesondere H. Schiel, Sailer und Lavater; H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, B d . 1 u. 2, passim; Fr. Blanke, Sailer und Lavater; Fr. W. Kantzenbach, Sailer und der ökumenische Gedanke, S. 12ff., 25-28, 30, 37-40, 44ff.; Fr. G. Friemel, Sailer, bes. S. 204—227; Fr. G. Friemel, Sailer und die getrennten Christen, S. 340-343; G . S c h w a i g e r , Sailer, passim.

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dieser Allgäuer Erweckungsbewegung im engen Sinn nicht direkt zugerechnet werden darf 8 . Allerdings war er in der Frühzeit ihr theologischer und vor allem seelsorgerlicher Berater sowie der Beschützer der wichtigsten Repräsentanten und Anhänger dieser um 1796 im Allgäuer Alpenraum ausgebrochenen Bewegung. Sodann soll auf Lavaters Beziehungen zu denjenigen katholischen Geistlichen und Laien eingegangen werden, die später der Allgäuer Erweckungsbewegung führend angehören sollten. Diese rekrutierten sich vor allem in der Frühphase fast ausnahmslos aus dem Freundes- und Bekanntenkreis Sailers. Schließlich wird die Allgäuer Erweckungsbewegung selbst in den Blick kommen. Hierbei ist von vornherein zu beachten, daß Lavater bereits Anfang 1801 verstorben ist und deshalb nur noch die Anfangsjahre dieser Frömmigkeitsbewegung miterleben konnte. Auch ist zu berücksichtigen, daß Lavater in seinen letzten Lebensjahren infolge der politischen Ereignisse, in denen er sich persönlich sehr stark engagiert hat, und die sein Leben entscheidend bestimmt haben, nicht sehr viel Zeit und auch nur begrenzte Möglichkeiten gehabt hat, um sich so intensiv mit religiösen Vorgängen außerhalb von Helvetien zu befassen, wie er es vordem getan hatte.

1. Sailer und

Lavater

Erstmals persönlich begegnet sind sich Lavater und Sailer im Juni 1778 in Ingolstadt, wo letzterer an der Universität Repetitor für Philosophie und Theologie gewesen ist1. Lavater befand sich dazumal auf dem Weg nach Pondorf an der Donau bei Regensburg zu dem Pfarrer und Dekan Johann Josef Gassner, dessen Ruhm als Exorzist und Wunderheiler allerdings schon merklich im Schwinden war 2 . Offensichtlich willens diese erste Begegnung zu vertiefen, sandte Sailer alsbald eine seiner Predigten nach Zürich 3 . Lavater bedankte sich nicht nur dafür, sondern forderte Sailer zur Mitarbeit an dem von seinem Intimfreund Joh. K. Pfenninger herausgegebenen Christlichen Magazin a u f . Sailer versprach darauf alsbald gelegentlich Beiträge zu liefern. Bereits im Herbst desselben Jahres besuchte dann Sailer anläßlich seiner ersten Reise in die Schweiz den damals schon weitbekannten Pfarrer von 8

Hierauf ist schon wiederholt hingewiesen worden, so von Fr. W. Kantzenbach, Sailer und der ökumenische Gedanke, S. 49; K. Aland, Berlin und die bayrische Erweckungsbewegung, S. 120 u. H. Dussler, Feneberg, S. 80. 1 Hierüber und das Folgende siehe bes. H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 13f., Anm. 2; H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, Bd. 1, S. 62, Nr. 73. 2 Über Lavaters Reise nach Pondorf bei Regensburg siehe sein Tagebuch ZBZ, FA Lav. Ms. 16.4. Die Begegnung mit Sailer hat Lavater in diesem Reisetagebuch nicht festgehalten. 3 Siehe Brief: Lavater an Sailer, 1. August 1778, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 66, Nr. 1. 4 Ebd.

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St. Peter in Zürich 5 . Nach Hause zurückgekehrt schrieb er dankbaren Herzens: „Warmes Gefühl für die Religion Jesu Christi, neuen Muth zur Arbeit, unbestechliche Liebe zur Wahrheit - hab ich aus meiner Zürcherreise zurückgebracht, - hab ich Ihnen und Ihren Herzensfreunden abgelernt. " 6 Die nächste Begegnung zwischen Sailer und Lavater sollte jedoch erst zwölf Jahre später, im September 1791, in Bülach, unweit von Zürich gelegen, stattfinden. Über beide war inzwischen „so vieles... ergangen", das sie „ewig mit dem Mantel der Liebe bedecken" wollten 7 . Obgleich das Zusammentreffen nur „wenige Stunden" dauerte, war es doch nach Lavaters Urteil „nicht fruchtlos". In den folgenden Jahren hat dann Sailer anläßlich von Reisen in die Schweiz Lavater noch wiederholt besucht 8 . Dagegen ist Lavater auf seinen Fahrten durch Süddeutschland Sailer nur noch ein einziges Mal begegnet, und zwar am 25. Mai 1793 in Donauwörth 9 auf seiner großen Reise nach Kopenhagen. Da Lavater es übrigens nicht erwarten konnte, hier den Freund endlich erneut in die Arme schließen zu können, fuhr er ihm nachts in einer Kutsche stundenlang entgegen, verfehlte ihn jedoch. Erst am frühen Morgen, um vier Uhr, kam dann die Begegnung zustande und verlief für beide sehr eindrücklich. Die briefliche Verbindung zwischen diesen beiden Theologen war recht rege10. Seit ihrem ersten Kennenlernen im Sommer 1778 korrespondierten sie mehr als zwei Jahrzehnte miteinander. Aus ihrem Briefwechsel wird deutlich, daß beide sich in ihrer individuellen, christozentrischen, gefühlsbetonten Frömmigkeit eng verbunden wußten. Das Konfessionelle spielte dagegen nahezu keine Rolle, war jedoch für sie beide keineswegs irrelevant. Auf diesem Boden und, wie sich zeigen wird, unter dem Druck gemeinsam erlittener Anfeindungen seitens der Neologie und des Rationalismus, verfestigte sich das Freundschaftsband zwischen Lavater und Sailer. Deutlich wurde dies erstens daran, daß man einander vom persönlichen Ergehen berichtete und am Geschick des anderen regen Anteil nahm. Man fühlte sich auch für die Entwicklung des anderen mitverantwortlich. Als beispielsweise Lavater zu Beginn der neunziger Jahre immer drängender nach außerordent5

Siehe Brief: Sailer an Lavater, 10. Oktober 1778, gedr. in: ebd. S. 68ff., Nr. 3. Ebd. S. 68, Ζ 25-28, Nr. 3. 7 Brief: Lavater an Settele, 18. September 1791, Z B Z , FA Lav. Ms. 581, Nr. 25; gedr. (mit geringfügigen Abweichungen) in:Joh.K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 3, 1791, S. 100. 8 Sailer besuchte Lavater im September 1792 und im Oktober 1794 sowie im März 1798 in Zürich. 9 Über das Zusammentreffen siehe Joh. K. Lavater, Reisetagebuch nach Kopenhagen, Eintrag vom 25. Mai 1793, Z B Z , FA Lav. Ms. 24. Vgl. Joh. K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 238-256; wieder abgedr. in: H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, Bd. 1, S. 212 ff, Nr. 254. 10 Der Briefwechsel ist zum großen Teil von H. Schiel (Sailer und Lavater, S. 66-124 u. Sailer Leben und Briefe, Bd. 2, passim) ediert worden. Da im letztgenannten Werkjedoch ausschließlich Briefe Sailers an Lavater Aufnahme gefunden haben und es sich hierbei zudem nur u m einen auswahlweisen Wiederabdruck der in der erstgenannten Monographie bereits edierten Briefe handelt, wird nach dieser zitiert. 6

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liehen religiösen Phänomenen Ausschau hielt, u m dadurch den christlichen Glauben zu verifizieren, versuchte Sailer, allerdings vergeblich, ihn v o n seiner Wundersüchtigkeit zurückzuziehen. N a h e z u beschwörend schrieb er: „Liebster Lavater! Nichtwahr, der Herr selbst ist uns doch lieber als alle seine Gaben, lieber als alle seine Offenbarungsarten, lieber als alles, was nur erst v o n Ihm gegeben werden muß? Denn Er ist Er, und die Q u e l l e ist überall mehr als alle Abflüsse. Ich zweifle nicht, liebster Freund, D u werdest ganz mit meiner Bitte an unsern Herrn, harmonieren und den Inhalt meiner Bitte an Dich längst realisirt haben. " n Zweitens verfolgte jeder der beiden T h e o l o g e n a u f m e r k s a m die literarischen Arbeiten des anderen 1 2 . M a n las mit Interesse die Schriften, die m a n sich nicht selten geschenkweise zusandte. In gewisser Weise k a m es sogar zu einer Zusammenarbeit, indem nämlich Lavater auf Sailers Bitte hin zur künstlerischen Ausgestaltung v o n dessen Vollständigem Lese- und B e t b u c h z u m Gebrauche der Katholiken v o n 1783 13 beigetragen hat. Er vermittelte beziehungsweise überließ i h m nämlich z w ö l f Kupferstiche zu dessen Illustration 1 4 , unter anderem einen von d e m bedeutenden Kupferstecher Daniel Chodowiecki 1 5 . Als ein deutliches Indiz für ihre freundschaftliche Z u n e i g u n g ist drittens in 11 Brief: Sailer an Lavater, 15. September 1794, gedr. in: H . Schiel, Sailer und Lavater, S. 109, Ζ 27-32, N r . 49. 12 Siehe z . B . Brief: Lavater an Jacobi, 16. März 1791, gedr. in: F r . H . Jacobi, Auserlesener Briefwechsel, B d . 2, S. 53, N r . 196 (vgl. J o h . K . Lavater, Handbibliothek, B d . 2, 1791, S. 37): „Ich lese itzt mit grossem Behagen, vieler Selbstdemüthigung und unmittelbarem Nutzen für mich, Sailers Glückseligkeits-Lehre II. Teil. Welch ein respektabler Ernst für Tugend und Menschenwohl! Welche Erfahrung und Menschenkenntniß! Welche Popularität und lichthelle Einfalt! Solch einen ernsten Weisen verachten, heißt doch wohl Tugend und Weisheit höhnen." Ü b e r den zweiten Teil von Sailers Glückseligkeitslehre, der 1791 in München im Druck erschien, siehe H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, B d . 2, S. 645, N r . 37. 13 Ü b e r Sailers Vollständiges Lese- und Betbuch zum Gebrauche der Katholiken siehe u. a. bes. G . S c h w a i g e r , Sailer, S. 29ff. (Lit.); über die verschiedenen Ausgaben siehe H . Schiel, Sailer Leben und Briefe, B d . 2, S. 643, N r . 23. 14 Diese Mitarbeit Lavaters ist bislang in der Sailerforschung noch zu wenig beachtet w o r den. Vgl. jedoch Fr. G. Friemel, Sailer, S. 208, A n m . 25 ( Q u e l l e n - u n d Literaturverweise). 15 Diese Radierung (Maria und J o s e p h finden Jesus im Tempel) findet sich auf S. 412 von Sailers Gebetbuch. Ü b e r diese Radierung siehe W. Engelmann, Chodowieckis sämmtliche Kupferstiche, S. 253, N r . 485 u. Nachträge und Berichtigungen, S. 42, N r . 485; vgl. J . - H . Bauer, Chodowiecki, S. 150, N r . 996. Z u diesem Kupferstich siehe auch Brief: Sailer an Lavater, 4. Januar 1783, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 73, Ζ 29-S. 74, Ζ 5, N r . 7: „ D i e Zeichnung von Jesus im Tempel. - Den Knaben Jesus - empfehl ich Ihnen mit gläubigstem Flehen. Er gefällt mir des Auges und der redlichen Mine und der Stellung wegen. - aber mehr Genie, scheint mir, sollt er haben, und mehr Feinheit, auch steht dem Pharisäer das Knie hinter dem Knaben Jesus (wies mir scheint) unnatürlich hervor. Denn der obere Leib wäre dem Pharisäer nach Proportion des Knies viel zu kurz, wenn's nicht die K r ü m m u n g ersetzt. - Ist nicht auch der ausgestreckte A r m des Knaben Jesus unnatürlich - nicht weil er ausgestreckt ist, (denn das muß er seyn) sondern weil man nicht sieht, wie er am Leib angemacht seyn könne? Der Joseph - könnt er nicht im Gesichte frömmer und empfindender seyn? Auch die Mutter Jesu k o m m t raus, als wenn sie was im M u n d hätte."

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d e m Z u s a m m e n h a n g auch die Tatsache anzusehen, daß beide gegenseitig empfehlend auf ihre Publikationen hingewiesen haben. A m 6. Dezember 1783 schrieb beispielsweise Lavater an Franz Tangel, einen Zisterzienser: „ U n t e r meine ersten, brüderlichsten, tiefdenkendsten Freunde unter den Katholiken zähl' ich besonders Herrn Michael Sailer, den Verfasser des vortrefflichen, nicht genug anzupreisenden Lese- und Gebehtbuchs, welches ich in allen Briefen, die ich schreibe, allen Katholiken und Akatholiken zu empfehlen mir zur Pflicht mache." 1 6 Diese E m p f e h l u n g von Sailers Vollständigem Lese- und Betbuch z u m Gebrauche der Katholiken führte jedoch dazu, daß Lavater von verschiedenen Seiten angegriffen w o r d e n ist. Insbesondere w u r d e er bald nach dessen Erscheinen von d e m Berliner Publizisten und Verleger Friedrich Nicolai öffentlich des Kryptokatholizismus bezichtigt 17 . Als diese Verdächtigungen i m m e r massiver w u r d e n , trat Lavater die Flucht in die Öffentlichkeit an. In einer „Anzeige" v o m 19. August 1786, die er unter anderen in die Kaiserlich-Privilegirte Hamburgische Neue Zeitung einrücken ließ, erklärte er, daß er Sailers „Gebetbuch für Catholiken" fur ein „vortrefliches und sehr empfehlenswürdiges Buch halte". Er versicherte aber sogleich, daß er dieses Buch nicht, wie Nicolai behauptet hatte, geschenkweise weitergegeben u n d in einem Zirkularschreiben angepriesen habe. Er schrieb: „So darf ich dennoch als heilige Wahrheit bezeugen, vor der öffentlichen Anzeige des H e r r n Nikolai in Berlin: - ,daß ich, von Jesuiten ohne Zweifel unterstützt, dieß Gebetbuch häufig verschenkt - auch in einem Kraisschreiben dem, den es gereuen würde, es gekauft zu haben, es u m den doppelten Werth wieder abzunehmen versprochen' - nicht ein einziges Exemplar besagten Gebetbuches weder mittelbar, noch unmittelbar, weder verkauft, noch verschenkt, noch ausgeliehen, noch irgend einem Protestanten dasselbe für sich, oder Protestanten zu kaufen beredet - daß ich an besagtem Kraisschreiben nicht den allergeringsten Antheil habe, noch von demselden [sie!], eh ich es in Herrn Nikolais gedruckter Schrift las - das mindeste g e w u ß t - so daß ich von nun an j e d e m , der besagte Nachricht von Herrn Nikolai glaubt, für äusserst leichtgläubig - und den, so sie ohne Beweise weiter verbreitet, für anders nichts, als einen Lügner erklären kann." 1 8 U m sich aber gegen diese Verdächtigung des Kryptokatholizismus auch innerhalb seines Bekanntenkreises zu rechtfertigen, ließ Lavater noch im gleichen Jahr einen zweiten Teil seiner apologetischen Schrift Rechenschaft an Seine Freunde im D r u c k erscheinen. Hierin erklärte er nochmals, daß die 16

Brief: Lavater an Tangel, 6. Dezember 1783, Z B Z , FA Lav. Ms. 584, Nr. 12. Siehe bes. Fr. Nicolai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz, Bd. 7, S. 124 und 1-189 (Anhang: Untersuchung der Beschuldigungen Christian Garves). Der Anhang erschien im gleichen Jahr auch als Separatdruck unter dem Titel Untersuchung der Beschuldigungen des Herrn Prof. Garve wider meine Reisebeschreibung durch Deutschland und die Schweiz. 18 Joh. K. Lavater, Anzeige; vgl. Fr. Nicolai, Anzeige. 17

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Bezichtigung des Kryptokatholizismus völlig haltlos sei19. Etwa zur gleichen Zeit hat sich übrigens auch Sailer gegen die Angriffe Nicolais in einer Publikation mit dem Titel Das einzige Märchen in seiner Art 20 ebenfalls zur Wehr gesetzt. In dieser Schrift hat er sich auch schützend vor seinen Züricher Freund gestellt 21 . Dennoch mißtraute Nicolai Lavater weiterhin; er argwöhnte, daß dieser ein Verräter des Protestantismus sei, und hielt den Vorwurf des Kryptokatholizismus gegen ihn aufrecht. Diese Unannehmlichkeiten und Verdächtigungen haben aber Lavater nicht abgehalten, auch fernerhin auf Sailers Publikationen hinzuweisen. Dies geschah keineswegs nur gesprächsweise 22 , sondern auch literarisch. So druckte er 1790 in seiner Handbibliothek für Freunde auszugsweise einen Brief an Sailer v o m 1. Dezember desselben Jahres ab 23 . In diesem Schreiben hatte Lavater seinem Freund Sailer unter anderem seine damalige Lektüre von dessen Predigt Von der Freundschaft unter Christen mitgeteilt und konstatiert, daß diese Schrift, wie alle seine Arbeiten, „plan, einfach, wahr, klar, herzlich" sei. Sodann hatte er drei kurze Abschnitte aus dieser Predigt, die ihm besonders gefallen haben, zitiert. Indem Lavater nun gerade diese Briefpassage publizierte, wollte er den Lesern seiner Handbibliothek die Werke Sailers nicht nur generell anraten, sondern ihnen auch einen konkreten Eindruck von dessen Predigt Von der Freundschaft unter Christen vermitteln. Im Jahr darauf druckte Lavater in dem gleichen Publikationsorgan mehrere Passagen aus Sailers Glückseligkeitslehre ab 24 . Sodann rückte er 1794 in seine Christliche M o nat-Schrift für Ungelehrte aus Sailers Pastoraltheologie die „Zueignungsschrift" für Johann Michael Nathanael Feneberg ein 2S . Durch den Abdruck dieser Dedikation wollte Lavater offensichtlich nicht nur auf Sailer SieheJoh. K . Lavater, Rechenschaft an Seine Freunde. Zweytes Blat, S. 25-37. Hierzu vgl. u. a. G. Schwaiger, Sailer, S. 31. 2 1 Siehe J o h . M . Sailer, Das einzige Märchen in seiner Art, S. 78-106. 2 2 Dies war natürlich auch der Fall; so hat Lavater beispielsweise auf seiner Reise nach Kopenhagen am 24. Mai 1793 in Augsburg seinen Freund Matthias J a k o b Steiner, Pfarrer an der St. Ulrichskirche, auf Sailer hingewiesen. Siehe J o h . K. Lavater, Reise nach Kopenhagen, S. 225f.; wieder abgedr. in: H . Schiel, Sailer Leben und Briefe, B d . 1, S. 211 f., Nr. 254. 2 3 Siehe J o h . K. Lavater, Handbibliothek, B d . 5, 1790, S . 2 7 3 f . Dieser Brief Lavaters an Sailer v o m 1. Dezember 1790 ist vollständig gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 94, Nr. 28. Bezüglich der hier erwähnten Predigt Sailers siehe H . Schiel, Sailer Leben und Briefe, B d . 2, S. 647, N r . 61. Die von Lavater angeführten Zitate finden sich in der gedruckten Predigt Von der Freundschaft unter Christen auf S. 22 u. 28 f. 2 4 Joh. K. Lavater, Handbibliothek, B d . 3, 1791, S. 160-170. Über Sailers Glückseligkeitslehre siehe A n m . 12. 2 5 Dies geschah unter dem Titel Eine merkwürdige Zueignungsschrift an Johann Michael Nathanel Fenneberg, Pfarrer zu Seeg, im A l g o w . Von Johann Michael Sailer. (Vor seiner treflichen Pastoraltheologie.); gedr. in: J o h . K. Lavater, Christliche Monat-Schrift für U n gelehrte, [Bd. 1], 1794, S. 158f. Diese Widmung findet sich nicht in der Erstausgabe der Pastoraltheologie, sondern erst in der zweiten, verbesserten Ausgabe, und zwar in B d . 2, Blatt 3r-4v. Ü b e r die Pastoraltheologie siehe G . S c h w a i g e r , Sailer, S. 38 f.; über die ver19

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und sein Werk, sondern auch auf dessen Freundeskreis empfehlend hinweisen. Durch Sailer hat Lavater dann, wie noch später darzulegen sein wird, auch gewisse Kenntnisse über die in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ausgebrochene Allgäuer Erweckungsbewegung erhalten. Vor allem ist Lavater aber durch seine Vermittlung schon Jahre zuvor mit dessen Freundesund Bekanntenkreis in Berührung gekommen. Sailer war nämlich geradezu eifrig darauf bedacht, seine Vertrauten, die dann zum Teil die Initiatoren und Repräsentanten dieser Bewegung wurden, mit dem Züricher in Verbindung zu bringen. Nicht unerwähnt sei, daß sich Sailer seinem Züricher Freund gleichsam über dessen Tod hinaus verbunden gefühlt hat. Beredter Ausdruck hierfür ist nicht zuletzt die Tatsache, daß er Lavaters Witwe und Kinder wiederholt auf seinen regelmäßigen Reisen in die Schweiz besucht und mit ihnen korrespondiert hat26, besonders häufig mit der ledig gebliebenen Tochter Luise. Auch mit Lavaters Schwiegersohn Georg Geßner, Pfarrer am Großmünster in Zürich, stand Sailer im vertrauten Verhältnis. Sailers wiederholter Aufenthalt im Familienkreis Lavaters ermöglichte es Geßner übrigens, nicht nur das Gemeinsame, sondern auch das Unterschiedliche an diesen beiden Theologen zu beobachten und in Worten festzuhalten. Das sie miteinander Verbindende sah Geßner „in der innigen Religiosität, der unbestechlichen Christusverehrung, Ueberzeugungstreue und Festigkeit, in der Art, wie sie Leiden trugen und benutzten, die ihnen von Gegnern und Feinden bereitet w u r d e n . . . Auch in der Heiterkeit ihrer Religiosität, in der Munterkeit ihres geselligen Umgangs, in der frohen Laune waren sie sich sehr ähnlich, sowie in der Produktivität ihres Geistes" 27 . Den wesentlichen Unterschied zwischen Sailer und seinem Schwiegervater erblickte Geßner aber darin, daß jener sich bei aller Liebenswürdigkeit durch große Diszipliniertheit und Bedachtsamkeit in seinen Äußerungen ausgezeichnet habe. Dagegen konnte Lavater „es sich nie versagen..., das Herz immer auf der Zunge zu haben", wenngleich seine naive Vertrauensseligkeit auch oft gröblich mißbraucht worden sei.

schiedenen Ausgaben dieses Werkes siehe H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, Bd. 2, S. 647, Nr. 52. 26 Bezüglich Sailers Briefe an Lavaters Frau Anna siehe Z B Z , FA Lav. Ms. 604; an dessen Tochter Annette Ms. 605 und an dessen Tochter Luise Ms. 602. An Luise Lavater sind hier im FA Lav. insgesamt 71 Briefe von Sailer vorhanden. 27 Brief: Geßner an Diepenbrock, 1832, auszugsweise gedr. in. H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 64f.

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2. Lavaters Beziehungen zu Theologen und Laien aus dem Sailer-Kreis Lavaters Beziehungen zum großen Freundeskreis Sailers sollen gemäß der Problemstellung hier nur in soweit berücksichtigt werden, als seine Glieder später zu Trägern oder Anhängern der Allgäuer Erweckungsbewegung geworden sind. Jedoch sollen diese ihre Kontakte zeitlich zunächst nur bis in die Mitte der neunziger Jahre verfolgt werden, da das Verhältnis Lavaters zur 1796 einsetzenden Erweckungsbewegung gesondert darzustellen sein wird. Hingewiesen sei hier erstens auf das Verhältnis Lavaters zu Johann Michael Nathanael Feneberg 1 , der neben Martin B o o s später einer der bedeutendsten Träger der Allgäuer Erweckungsbewegung werden sollte. Zwischen diesem Pfarrer von Seeg im Allgäu und Lavater sind jedoch offensichtlich nur ganz gelegentlich Briefe gewechselt worden 2 . Allermeist scheinen Informationen und Mitteilungen über ihren gemeinsamen Freund Sailer gelaufen zu sein. So hat Sailer Lavater beispielsweise Ende 1793 von Fenebergs schwerem Unfall unterrichtet 3 . Dieser war nämlich am Vorabend des Allerheiligenfestes v o m Pferd gestürzt, als er von seiner Filiale Lengenwang nach Hause zurückreiten wollte. Der Sturz war so unglücklich verlaufen, daß die Ärzte sich nicht mehr in der Lage sahen, dessen gebrochenes, offenbar auch gesplittertes Bein zu erhalten. Feneberg mußte bei vollem Bewußtsein a m putiert werden. Daraufhin sandte Lavater dem schwer leidend Daniederliegenden sein„Trostbüchelchen" 4 sowie fünfundzwanzig zweizeilige Verse 5 . Über Feneberg und Lavater siehe bes. H. Dussler, Feneberg, passim. In der Z B Z finden sich nur zwei Briefe Fenebergs an Lavater vom 26. Januar u. 1. N o v e m ber 1794 (FA Lav. Ms. 508, Nr. 71 f.; gedr. in: H. Dussler, Feneberg, S. 66f.) sowie ein Gedicht Lavaters an Feneberg (FA Lav. Ms. 558, Nr. 139; gedr. in: H. Dussler, Feneberg, S. 1). Ein Brief von Feneberg an Lavater, datiert vom 14. Februar 1794, findet sich gedr. i n : J o h . M. Sailer, Sämmtliche Werke. Biographische Schriften. Bd. 2, T. 39, S. 54f. 3 Siehe Brief: Lavater an Heggelin, 17. Januar 1794, Z B Z , FA Lav. Ms. 564, Nr. 13; gedr. in: P. Beck, Lavaters Beziehungen, S. 45: „Fennebergs Unglük vernahm ich durch Sailern." 4 Siehe Brief: Feneberg an Lavater, 26. Januar 1794, Z B Z , FA Lav. Ms. 508, Nr. 71; gedr. in: H. Dussler, Feneberg, S. 66. Gemeint ist wahrscheinlich Lavaters 1788 erschienene Handbibel für Leidende. 5 Diese Zweizeiler finden sich mit dem Titel An den christlichen Dulder Johann Michael Nath. Feneberg. Nachdem Ihm ein Fuss abgenommen werden musste. Nur Ein Tropfen Kühlung an's aüsserste Ende des Fingers, gedr. in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 6, 1793, S. 344-349: „1. Viele Sünden bedeckt die Geduld der glaubenden Dehmuth. 2. Unaussprechliche Lieb' erquickt unaussprechliche Dulder. 3. Nein, für Nichts wirst du mehr Gott loben, wie für das Herbste! 4. In dem Kelche der Thränen verbirgt sich vom Blute des Herrn was. 5. Liebe, liebender Edler, enthüllt sich erst, wenn wir leiden. 6. Was du am Fleische verlierst, das gewinnt dein Geist, wenn du duldest. 7. Stets lebendiger wird des Glaubenden Geist, wie der Leib stirbt. 8. Schneller als wir AU' eilt einst, wem Gott - hier den Fuss nahm. 9. Wen der Herr erwählt, dem legt Er sein lastendes Kreütz auf. 10. Heisse Leiden sendet den Auserwähltesten Gott oft. 11. Wen der Herr dem Kreütz hingiebt, den weckt Er vom Tod' auf. 1

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Alle diese Epigramme thematisieren Leiden und Qualen, die christologisch gedeutet werden. Ja, gelegentlich wird hier das Leid, das Feneberg widerfahren ist, mit der Passion Christi in Parallele gesetzt. Dies geschieht beispielsweise in dem Vers: „Wie D u das Schwerste duldest, erleichterst Du Anderer Lasten." Für das gedruckte Werk sowie besonders fur die handschriftlichen Verse hat sich Feneberg von seinem Krankenlager aus in einem Schreiben 6 bei Lavater bedankt. Dieses zeigt übrigens eindrücklich, daß der Pfarrer von Seeg den Verlust seines rechten Beines nicht nur geduldig als göttliche Schickung hingenommen, sondern vielmehr darin sogar die Quelle neuer und tiefer Gnadenerfahrungen gesehen hat. Wenig später ließ Lavater dann Feneberg durch Sailer auch noch einen Ecce homo 7 und sein Büchlein Sechszig Lieder nach dem Zürcherischen Catechismus zugehen 8 . In seinem Dankbrief v o m 1. November 1794 konnte Feneberg mitteilen, daß er inzwischen wieder „zur N o t h Weg und Stege gehen" könne, „obwohl u m die Hälfte langsamer". Gestern habe er „wieder am nämlichen Orte gepredigt", wo er „im vorigen Jahre am nämlichen Tage mit meinem Kreuze v o m Herrn beladen worden" sei 9 . Aber auch später hat offensichtlich ein loser Kontakt zwischen Lavater und Feneberg fortbestanden. A m 1. Mai 1795 sandte Lavater ihm folgendes Epigramm: „Todter als todt ist oft, was sehr lebendig genennt wird - / Lebender oft als lebend ist das, was Sterblichen todt scheint. / Stilles Schweigen ist oft nicht Stillstehen / Eilen zum Ziel nur." 1 0 Der konkrete 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

In den entsetzlichsten Leiden erscheint der Erbarmer der Dehmuth. Gute Seelen leiden das Böseste, wenn es der Herr will. Gnade des Herrn, du bist, w o Geduld und Dehmuth der Lieb' ist. Wer den Herrn erkennt, trägt leicht unerträgliche Lasten. Leiden und Freüden des Herrn theilt jeder, der an den Herrn glaubt. Alle Leiden der Zeit verbürgen uns Freüden ohn' Ende. Wer entsetzliches leidet, der ist ein Opfer für Viele. Tausend Gebethe weckt der Frommen Leiden in Frommen. D e m u t h bethet an, wenn scharf Gott unsre Geduld prüft. Lern' am bängsten Leiden, was bängstes Leiden allein lehrt. Ohne martende Pein dringt keiner zum Herzen des Herrn hin. Wie du das Schwehrste duldest, erleichterst du Anderer Lasten. Wer fur Leiden dankt, wie wird für Freüden er danken? Labsal aller Art bereitet dem Dulder des Herrn H a n d . " 6 Siehe Brief: Feneberg an Lavater, 26. Januar 1794, Z B Z , FA Lav. M s . 508, N r . 71; gedr. in: H. Dussler, Feneberg, S. 66. Aus diesem Brief geht übrigens hervor, daß Feneberg während seiner Krankheit auch in Lavaters Handbibliothek gelesen hat. 7 Wegen dieses Briefes siehe auch Brief: Feneberg an Lavater, 14. Februar 1794, gedr. in: J o h . M . Sailer, Sämmtliche Werke. Biographische Schriften. B d . 2, T. 39, S. 54f. 8 Vgl. Brief: Feneberg an Lavater, 1. N o v e m b e r 1794, Z B Z , FA Lav. M s . 508, N r . 72; gedr. in: H . Dussler, Feneberg, S. 66 f. » Ebd. 1 0 Das E p i g r a m m , das v o m l . M a i 1795 datiert ist, findet sich ebd. Ms. 558, N r . 139; gedr. in: H . Dussler, Feneberg, S. 1.

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Anlaß zur Abfassung und Übersendung dieses Verses läßt sich leider nicht mehr eruieren. Wie sehr Feneberg aber Lavater verehrt hat, wird nicht zuletzt auch daraus deutlich, daß er ihn in seinem Werk Goldkörner fünfundsiebzigmal zitiert hat11. Damit kommen in dieser Sentenzensammlung die Zitate aus Schriften Lavaters hinsichtlich ihrer Häufigkeit an zweiter Stelle zu stehen. Sie bleiben damit zwar zahlenmäßig hinter Zitaten aus Werken von Franz von Sales zurück, übertreffen aber numerisch diejenigen von Augustin. Feneberg muß also die Schriften Lavaters recht intensiv gelesen und exzerpiert haben. Sodann standen Lavater und der katholische Geistlichejohann Settele, der frühverstorbene Lieblingsschüler Sailers, miteinander in persönlicher und brieflicher Verbindung 12 . Allerdings dauerte das Freundschaftsverhältnis nur eine verhältnismäßig kurze Zeit, da der Tod Settele bereits 1797 ereilte. Wie ist dieses Freundschaftsband geknüpft worden? Der hochbegabte Settele weilte im April 1791 zum Abschluß seiner Bildungsreise, die ihn für das Amt eines Hofmeisters bei J o s e f Sebastian Graf Fugger von Glött vorbereiten sollte, bei Lavater 13 . Für den bereits lungenkranken Settele muß der Aufenthalt bei Lavater und in dessen Familie sehr beglückend und bereichernd gewesen sein 14 . Als er dann wieder in die Heimat reisen mußte, gab Lavater ihm für seinen Freund Eberhard Gaupp in Schaffhausen ein paar 11 Siehe H. Dussler, Feneberg, S. 236. Bei dieser Zitatensammlung handelt es sich u m Duodezbände, in die Feneberg jeweils hundert Exzerpte aus Werken verschiedenster Schriftsteller zumeist ohne genauere bibliographische Angaben notiert hat. In dem im B Z A Regensburg deponierten Nachlaß von Sailer werden noch fünf dieser handgeschriebenen Bändchen aufbewahrt ( N L Sailer, N r . 140-144). Ursprünglich muß aber Fenebergs Zitatensammlung wenigstens sechs Bändchen umfaßt haben. Der Band, der einst das dritte hundert Zitate enthalten haben muß, ist im Nachlaß von Sailer jedoch nicht mehr vorhanden. Zahlreiche Lavaterzitate finden sich in B d . 6 (Goldkörner. VI. Hundert, N r . 144). 12 In der Z B Z finden sich fünf Briefe von Settele an Lavater (FA Lav. M s . 526. N r . 286-290) und zwei Briefe Lavaters an Settele (ebd. M s . 581, N r . 25f.). 13 Vgl. Briefe: Settele an Lavater, 26. Januar u. 15. April 1791, ebd. M s . 528, N r . 286 f. Settele hatte übrigens bereits auf seiner Reise durch Deutschland mit wachem Interesse Äußerungen von Zeitgenossen über Lavater zur Kenntnis genommen. So hat er in seinen Denkwürdigkeiten einer Reise durch Deutschland ( B Z A Regensburg, N L Sailer, N r . 47) zwei Äußerungen von Gottlieb Konrad Pfeffel u n d j o h a n n Gottfried Herder über Lavater festgehalten. D a s Urteil von Pfeffel lautete demnach (S. 35f.): „Wer den Menschen Lavater nicht liebe und respektire, sagt er, der zeuge sehr nachtheilig von sich selbst. An seiner Seite könne man die Würde der Menschheit recht fühlen, und die Augenblicke, die er in seinem U m g a n g e zugebracht habe, seye ihm immer die wichtigsten und angenehmsten gewesen." Besonders interessant ist aber die Charakteristik, die Herder von Lavater gegeben hat. Settele (S. 139f.): „Lavater gewinne sehr vieles, wenn man ihn persönlich känne. Er habe etwas anziehendes. Seitdem er ihn gesehen habe, sey er sehr für ihn eingenommen. Er könne sich itzt besser als andere in seine Denkart hinein denken. Lavater, von J u g e n d auf in der Religion und zum Dienste der Religion erzogen, mit viel Feuer, vielem Dichtergenie und einem Originalgeiste begabt, legte sich beynahe gar nicht auf die menschlichen Wissenschaften, sondern ganz auf die göttlichen, die er nach seinem individuellen Zustand u m s c h u f . " 1 4 Siehe Brief: Sailer an Lavater, 10. Mai 1791, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 96f., N r . 31.

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Zeilen 15 und fur Sailer ein kurzes Gedicht mit 16 . Letzteres lautete: „Mögten wir, bey'm Wiedersehen, / Auf dem lichten Punkte stehen, / Wo dem kühnen Glaubensflehen / Tausend Schwächen, tausend Wehen, / Nebeln gleich, vor Strahlen flöhen!" Als Settele schließlich nach Dillingen zurückgekehrt war, wußte Sailer an Lavater über ihren gemeinsamen Freund mitzuteilen: „Settele... ist mein ewiger Erzähler von D i r . . . und Deiner F r a u . . . Du hast wahrhaftig bleibende Eindrücke auf ihn gemacht, und dieß muß Dich, in finstern Stunden, überzeugen, daß Ewiges in Dir ist, und was ist das ist." 17 Kurze Zeit später berichtete Settele, der inzwischen als Gubernator bei der Familie Fugger tätig war, Lavater dann, daß ihn seine christliche Erziehertätigkeit völlig ausfüllte18. Als dann Sailer im September des gleichen Jahres zu einer Reise nach der Schweiz aufbrach, gab ihm Settele einen Brief 19 an Lavater mit. In diesem versicherte er, daß der Überbringer dieses Schreibens, Sailer, ihm schon seit vielenjahren wie ein zweiter Vater sei, für den er Gott unendlich dankbar wäre. Auf diesen Brief hat Lavater alsbald geantwortet. In seinem Schreiben 20 erklärte er, daß er gern bei Dankesbezeugungen gegen Gott und Gottes Stellvertreter verweile. „Gottes Stellevertreter sind", so schrieb er, „alle guten, mit Dehmuth und Einfalt handelnden Menschen; Gottes Augen sind alle liebevollen Herumblicker nach Hülfsbedürftigen oder Verlaßnen; Gottes Hände sind alle Wohlthäter, die erblaßen,

15 Siehe Brief: Lavater an Gaupp, 14. April 1791, Z B Z , FA Lav. Ms. 561, Nr. 138: „An Gaupp. Settele, Sailers Schüler, Lavaters Schonfreünd, Gauppens Baldfreünd, nicht empfohlen von Lavater." Vgl. ders. an dens., 15. April 1791, ebd. Nr. 139: „Morgen kommt Nathanael Settele zu Ihnen. Sie werden sich freuen." Vgl. Brief: Settele an Lavater, 20. April 1791, ebd. Ms. 526, Nr. 288. 16 Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 2, 1791, S. 213; der Vers ist mit dem Datum vom 15. Mai 1791 versehen. 17 Brief: Sailer an Lavater, 10. Mai 1791, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 96, Ζ 29-34, Nr. 31. Aber auch Lavater muß von Settele tief beeindruckt gewesen sein, wie ein Brief von R[uoesch] (auszugsweise gedr. in: Sammlungen, 1804, S. 249; weder der Adressat noch das Datum des Schreibens sind hier vermerkt) zeigt: „Der fromme, und, leider! uns zu früh entrissene S . . . der auch mich seiner Freundschaft werth hielt, verdient es, daß sein Andenken im Segen bleibe. Lavater, Sailer, Claudius, und viele andere Glaubensmänner unserer Zeit schätzen ihn vorzüglich." 18 Siehe Briefe: Settele an Lavater, 9. Mai u. 21. August 1791, Z B Z , FA Lav. Ms. 526, Nr. 289 f. 19 Siehe Brief: Lavater an Settele, 18. September 1791, ebd. Ms. 581, Nr. 25; gedr. (mit geringfügigen Abweichungen) in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 3, 1791, S. 205: „Der dreyzehnte September war ein lieblicher Tag. Der redliche, kindliche, innigliche Sailer überreichte mir bey Bülach Ihren lieben B r i e f - voll harmloser Güte." Dieser hier erwähnte Brief von Settele an Lavater ist nicht mehr greifbar und muß als verloren gelten. 2 0 Ebd.; gedr. (mit geringfügigen Abweichungen) in: ebd. S. 205-210; auszugsweise gedr. in: H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, Bd. 1, S. 171, Nr. 207. Nicht unwichtig ist, daß Lavater dieses Schreiben zugleich auch in seiner Handbibliothek (Bd. 3, 1791, S. 205-210) publiziert hat. Dadurch hat er seine Bekanntschaft mit Ruoesch gleichsam aus der Sphäre des Privaten in die einer gewissen Öffentlichkeit gehoben.

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wenn ihre Wohlthaten von Menschenaugen gesehen oder von Menschenzungen gelobt werden." 21 Im Herbst des Jahres 1792 verfaßte Lavater fur Settele ein Gedicht, in welchem er diesen auf Christus hinwies, der alles Getrennte, nämlich die konfessionelle Zerrissenheit der Christenheit, vereinigt. Veröffentlicht hat er es in der Handbibliothek für Freunde 22 . Damit hatte Lavater aber ein Thema angeschlagen, das Settele bewegt hat. In einem Schreiben hatte dieser nämlich erklärt, daß die Einigkeit der Christenheit Voraussetzung und Kennzeichen zugleich für die Anwesenheit des Geistes Gottes sei. „Wo Einheit und Liebe ist", hatte er an Lavater geschrieben, „da geht der Geist Gottes aus und ein. " 23 Auch mit Ignaz Valentin Heggelin, dem Pfarrer zu Warthausen im Oberamt Biberach, stand Lavater gelegentlich in Korrespondenz 24 . Die frühesten erhaltenen Briefe sind zwar erst von Anfang des Jahres 1794 datiert, jedoch haben sich Heggelin und Lavater schon fast zwei Jahrzehnte zuvor persönlich kennengelernt. Dies scheint erstmals 1776 geschehen zu sein, als Lavater nach dem Zeugnis von Heggelin in Warthausen eingekehrt ist. Zwei Jahre später berührte Lavater auf seiner Reise nach Süddeutschland erneut Warthausen 25 . Heggelin muß ein eifriger Leser von Schriften Lavaters gewesen sein26. Anfang des Jahres 1794 dankte er diesem nämlich „für alles Gute", das er „täglich" aus seinen „Schriften lerne" 27 . Da er darum wußte, wie sehr Lavater mit seinen Patronatsherren von Warthausen, den Brüdern Friedrich Lothar und Johann Philipp von Stadion, seit seinen Besuchen in Warthausen und deren Aufenthalt 28 in Zürich im Mai 1778 verbunden war, hat er ihn auch über deren Ergehen unterrichtet 29 . Daneben hat er Lavater manche 21

Ebd.; gedr. (mit geringfügigen Abweichungen) in: ebd. S. 210. Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 4, 1792, S. 270: „An Settele, den 21. X. 1792. Alles trennt der Tod und Alles vereinigt das Leben - / Unser Leben ist Der, der alles getrennte vereinigt. / Sieh'. Er kömmt! Er kömmt! Er eilt zu der schmachtenden Menschheit, / Welche Seiner bedarf, und täglich schmachtender Ihn sucht! / Hier unsichtbar geglaubt, dort sichtbar genossen derselbe - / Allbeseeliger Aller, die Seiner bedürfen und sonst nichts." 23 Dieses Zitat aus einem nicht mehr vorhandenen Brief von Settele an Lavater findet sich angeführt in folgendem Brief: Lavater an Settele, 18. September 1791, Z B Z , FA Lav. Ms. 581, Nr. 25; gedr. in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 3, 1791, S. 209. 24 In der Z B Z finden sich drei Briefe von Heggelin an Lavater (FA Lav. Ms. 511, Nr. 301 ff.) und ein Brief von Lavater an Heggelin (ebd. Ms. 564, Nr. 13; gedr. in: P. Beck, Lavaters Beziehungen, S. 44f.). 25 Vgl. Brief: Heggelin an Lavater, 10. Januar 1794, ebd. Nr. 301; gedr. in: ebd. S. 45: ich weiß von 1776 und 1778 her, daß Ihnen Warthausen nicht ganz gleichgültig ist." Allerdings ist in der Forschung bislang nichts von einer Reise Lavaters im Jahre 1776 bekannt. 26 Siehe ebd. 27 Ebd. 28 Über den Aufenthalt der Brüder Stadion in Zürich siehe P. Beck, Lavaters Beziehungen, S. 45. 29 Briefe: Heggelin an Lavater, 10. Januar u. 22. Mai 1794 sowie 30. März 1797, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, Nr. 301 ff.; gedr. in: P. Beck, Lavaters Beziehungen, S. 44f. Vgl. Brief: Lavater 22

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Informationen über seine Freunde, so über Sailer, gegeben 30 . Dieser hat übrigens wiederum seinerseits Lavater über Heggelin Nachrichten zukommen lassen, so beispielsweise von dessen schwerer Nierensteinerkrankung und seiner Genesung 31 . Daneben stand Lavater auch mit Laien, die später den Anschluß an die Allgäuer Erweckungsbewegung finden sollten, in Verbindung. Zu nennen ist hier einmal der Augsburger Stadtgerichtsdirektor Johann Konrad Schmid, mit dem Lavater hin und wieder korrespondiert hat 32 . Dieser Jurist, über dessen enthusiastische Frömmigkeit Lavater wie Sailer zutiefst beunruhigt war 33 , zählte zu den großen Verehrern des Züricher Pfarrers. Hinsichtlich der Laien ist aber insbesondere auf den Präsidenten des Fürstentums Oettingen, Johann Baptist von Ruoesch, zu verweisen 34 , der seit September 1784 mit Sailer durch dessen ehemaligen Lehrer Matthias Gabler, den späteren Pfarrer in Wemding, in Kontakt gestanden hat 35 . Die Anfänge der persönlichen Bekanntschaft zwischen Ruoesch und Lavater reichen bis September 1791 zurück 36 , allerdings hatte Ruoesch schon zuvor Schriften des Zürichers gelesen 37 . Diese erste Begegnung zwischen Ruoesch und Lavater fand in Bülach in der Schweiz statt. Dorthin war Ruoesch zusammen mit seinem engen Freund Sailer gereist 38 . Nachdrückan Heggelin, 17. Januar 1794, ebd. M s . 564, N r . 13; gedr. in: ebd. S. 45: „ D a n k für das, was Sie mir von der mir so herzlieben Familie Stadion sagen. E s intereßierte mich." 3 0 Siehe z . B . Brief: Heggelin an Lavater, 10.Januar 1794, ebd. M s . 511, N r . 301; gedr. in: ebd. S. 44: „ D e r starke Dulder Sailer stehet vest, unerschüttert, still in seinem Dillingen, leidet aber vast so viel, wenn es möglich wäre, als Lavater über Freund Pfenninger, da der Herr zwar nicht das Leben, sondern den rechten Fuß einem seiner Herzensfreunden durch einen unglüklichen Fall n a h m . " 31 Siehe Brief: Sailer an Lavater, 28. September 1791, gedr. in: H . Schiel, Sailer und Lavater, S. 98f., N r . 33. Vgl. Brief: Lavater an Sailer, 12. Oktober 1791, gedr. in: ebd. S. 100f., N r . 35; auszugsweise gedr. i n : J o h . K . Lavater, Handbibliothek, B d . 4, 1791, S. 144f. 3 2 In der Z B Z finden sich vier Briefe La vaters an Schmid und ein einziger Brief von Schmid an Lavater. 3 3 Siehe Briefe: Lavater an Sailer, 6. u. 27. Dezember 1783, sowie Sailer an Lavater, 15. D e zember 1783, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 81-84, N r . 15ff. 3 4 Ü b e r die Beziehungen zwischen Lavater und Ruoesch sowie über ihre Korrespondenz siehe H. Weigelt, Ruoesch und Lavater. 3 5 Siehe hierzu und zum Folgenden H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, B d . 1, S. 79 f. 3 6 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 24. Oktober 1791, Z B Z , FA Lav. M s . 524, N r . 309. 3 7 Siehe ζ. B . Brief: Sailer an Lavater, 29. Oktober 1789, gedr. in: H . Schiel, Sailer und Lavater, S. 91, Ζ 14ff., N r . 25: „ A u f Lavaters Handbibliothek, die ich wie ihn liebe, subscribire ich für mich, Ruoesch, Winklhofer, meine trautesten Seelen in hiesiger Region, auf drey E x e m p l a r e . " Vgl. Briefe: Lavater an Sailer, 1. Dezember 1790, gedr. in: ebd. S . 9 4 , Ζ 23f., N r . 28: „ N u r wünscht ich nächstens auch die Taufnamen aller zu wissen; Les ich recht Ruoesch - ? " Sailer an Lavater, 4. Dezember 1790, Z B Z , F A Lav. M s . 525, N r . 44: „Ruoesch - ist schon recht gelesen von D i r . " Lavater scheint demnach im Herbst 1789 erstmals den N a m e n Ruoesch gehört zu haben. 3 8 Siehe Briefe: Ruoesch an Lavater, 24. Okober 1791, Z B Z , FA Lav. M s . 524, N r . 309 u. Lavater an Settele, 13. September 1791, ebd. M s . 581, N r . 25; letzteres Schreiben auszugsweise

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lieh hob er retrospektiv hervor, daß er es Sailers „Raphaelshand" verdanke, mit Lavater zusammengeführt worden zu sein, um „Demuth und Liebe leibhaft zu sehen"39. Dieses Tages hat Ruoesch später in seinen Briefen an Lavater mehrfach dankbar gedacht und ihn wie einen Gedenktag begangen 40 . Er bezeichnete ihn sogar einmal als den „glücklichsten" 41 Tag seines Lebens. Aber auch Lavater scheint einen günstigen Eindruck von Ruoesch erhalten zu haben; denn schon ein paar Tage später schrieb er sichtlich begeistert an Settele: „Der dreyzehnte September war ein lieblicher T a g . . . Wem in Sailers Athmosphäre ganz wohl ist, in deßen Athmosphäre ist mir auch wohl, das erfuhr' ich bey Ihnen... und neülich besonders bey dem edeln Ruoesch."42 Nach diesem persönlichen Kennenlernen in Bülach hat Ruoesch am 24. Oktober 1791 den Briefwechsel mit Lavater eröffnet 43 . Dieser hatte ihn jedoch inzwischen nicht nur brieflich herzlich grüßen lassen44, sondern ihm ausdrücklich die Erlaubnis zur Korrespondenz gegeben. „Sie erlaubten mir", bemerkte Ruoesch, „an Sie zu schreiben; ich wage es also, und vermehre die namenlose Zahl Ihrer Korrespondenten - Blutigel möchte ich wohl manchen davon nennen. "45 Allerdings war der Briefwechsel anscheinend zunächst nicht sehr rege. Jedoch las Ruoesch weiterhin eifrig in Lavaters Schriften 46 , insbesondere in dem von 1790 bis 1793 erscheinenden Periodikum Handbibliothek für Freunde47. Zu Beginn des Jahres 1792 faßte er dann den Entschluß, gemäß den Anweisungen, die Lavater zur Führung eines Tagebuches aufgestellt hatte48, selbst ein Diarium zu fuhren 49 . gedr. in: H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, Bd. 1, S. 171, Nr. 207. Vgl. R. Pestalozzi, Lavaters Fremdenbücher, S. 59. 39 Brief: Ruoesch an Lavater, 24. Dezember 1791, Z B Z , FA Lav. Ms. 524, Nr. 310. 40 Siehe z.B. Briefe: Ruoesch an Lavater, 24. Dezember 1791 u. 12. August 1792, ebd. Nr. 310f. 41 Brief: Ruoesch an Lavater, 12. August 1792, ebd. Nr. 311. 42 Brief: Lavater an Settele, 18. September 1791, ebd. Ms. 581, Nr. 25; gedr. in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 3, 1791, S. 205 u. 210 sowie in: H. Schiel, Sailer Leben und Briefe, Bd. 1, S. 171, Nr. 207. 43 Siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 24. Oktober 1791, Z B Z , FA Lav. Ms. 524, Nr. 309. 44 Brief: Lavater an Sailer, 1. Oktober 1791, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 99, Ζ 38, Nr. 34: „Herzliche Grüße an den herzlichen Ruoesch!" 45 Brief: Ruoesch an Lavater, 24. Oktober 1791, Z B Z , FA Lav. Ms. 524, Nr. 309. 46 Siehe Joh. B. Ruoesch, Tagebuch (Privatbesitz; dieser Hinweis wird im Folgenden nicht mehr wiederholt), Einträge vom 8. u. 18. Januar sowie 1. Februar u. 18. August 1792 u. 21. Mai sowie 11. Juni 1793. Welche Werke Lavaters einst in der Bibliothek von Ruoesch vorhanden waren, läßt sich nicht mehr feststellen, denn die Bibliothek ist bald nach seinem Tod versteigert worden. Anzeigen hierüber finden sich in: Intelligenzblatt der Königlich Bayerischen Stadt Nördlingen vom 29. Juni 1832, Nr. 26, Beilage; Wochenblatt für das Fürstenthum OettingenSpielberg vom 26. Juni 1832, Nr. 26, S. 103 u. vom 3. Juli 1832, Nr. 28, S. 107. 47 Siehe J. B. Ruoesch, Tagebuch, Einträge vom 8. Januar, 11. Februar und 30. November 1792 sowie 7. und 16. Juni 1793. 48 Siehejoh. K. Lavater, Geheimes Tagebuch, S. 17; vgl. S. 14ff. 49 SieheJ.B. Ruoesch, Tagebuch, Eintrag vom 8. Januar 1792: „Heute faßte ich den kräftigen

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Die nächste persönliche Begegnung zwischen Ruoesch und Lavater sollte dann im Sommer 1793 in Zürich stattfinden. Der Anlaß hierfür war eine Reise, die Ruoesch als Begleiter der Prinzessin Johanna von OettingenSpielberg nach Säckingen unternommen hat. Die Prinzessin, die bereits Mitglied des hochadeligen Damenstifts von Säckingen war, war nämlich zu dessen Koadjutorin gewählt worden 50 . U m diese ihre Wahl anzunehmen, reiste sie im Juli 1793 in Begleitung von Ruoesch dorthin. Nachdem man dort die Angelegenheiten erledigt hatte, brach man am 8. August 1793 wieder von Säckingen auf und erreichte noch am selben Tag Schaffhausen 51 . Hier erfuhr die Reisegesellschaft durch Lavaters Freunde, Eberhard Gaupp und dessen Schwiegersohn Johann Georg Müller, daß Lavater tags zuvor auf seiner Rückreise von Dänemark hier gewesen und bei ihnen, d. h. dem Kaufmann Gaupp über Nacht geblieben, diesen Morgen jedoch schon wieder nach Zürich aufgebrochen sei. Daraufhin rief die Prinzessin, für die Lavater schon vor Jahren auf Sailers Ersuchen ein kurzes Gedicht 52 verfaßt hatte, spontan aus: „Also reisen wir nach Zürich." 5 3 A m folgenden Tag erreichte man frühmorgens u m sechs Uhr die Stadt an der Limmat, nahm in der Nobelherberge Z u m Schwert Logie und alsbald teilte Ruoesch seine Ankunft Lavater durch ein Billet mit 54 . A m späten Vormittag suchte dann Ruoesch zusammen mit der Prinzessin den Freund in seinem Pfarrhaus von St. Peter auf 55 . D a sich aber auch noch anderer Besuch einstellte, und Lavater sich deshalb den beiden Gästen aus Oettingen nicht recht widmen konnte, lud er sie auf fünf Uhr nachmittags zu einer Bootsfahrt auf dem Zürichsee und zu einem Besuch bei der Goethefreundin Barbara Schultheß in deren Landhaus ein. Dieser Ausflug „auf den silbernen Wellen des Zürchersees" wurde für Ruoesch zu einem eindrucksvollen Erlebnis, wie seine besonders ausführlichen Tagebucheintragungen zeigen. Darin hat er auch Näheres über die hierbei geführten Gespräche festgehalten. Unter anderem kam Lavater demnach auch auf seine Reise nach Dänemark zu sprechen, ohne allerdings auf deren eigentlichen Anlaß näher einzugehen. Als die Reisegesellschaft nach Zürich zurückgekehrt war, bat Ruoesch schließlich Lavater darum, nicht nur von ihm, sondern auch von seiner Vorsatz, künftig ein Tagebuch nach Lav[aters] Anweisung geh[eimes] Tagebuch I. Theil, S. 17 zu fuhren." 5 0 SieheJoh. B. Ruoesch, Tagebuch, Eintrag v o m 9. Juni 1793. 51 Siehe hierzu und zum Folgenden J. B. Ruoesch, Tagebuch, Eintrag v o m 8. August 1793. 5 2 J o h . K . Lavater, An die Prinzessin Johanna von Oettingen, gedr. in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 4, 1791, S. (174) 175-176. Vgl. Brief: Sailer an Lavater, 8. Mai 1792, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. lOOf., N r . 36. 5 3 J o h . B. Ruoesch, Tagebuch, Eintrag v o m 8. August 1793. 5 4 Siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 9. August 1793, Z B Z , FA Lav. M s . 524, Nr. 312. Vgl. R. Pestalozzi, Lavaters Fremdenbücher, S. 59. 5 5 Hierzu und zum Folgenden siehe J o h . B. Ruoesch, Tagebuch, Eintrag v o m 9. August 1793.

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Familie Abschied nehmen zu dürfen. Daraufhin gingen beide nochmals ins Pfarrhaus zurück, wo sich Ruoesch eine Stunde lang mit Lavaters Frau sowie den Töchtern Annette und Luise unterhalten hat. Diese Stunde bezeichnete er später als eine „Nikodemus-Stunde" 56 . Am 10. August 1793 traten dann Ruoesch und die Prinzessin von Oettingen-Spielberg die Heimreise an57. Dieser Aufenthalt bei Lavater muß für Ruoesch sehr eindrücklich gewesen sein, denn er gedachte später in seinem Briefwechsel noch mehrfach dieses Tages58. Nach dieser erneuten Begegnung haben Ruoesch und Lavater weiterhin miteinander korrespondiert. Der Briefwechsel scheint allerdings auch jetzt noch nicht sehr rege gewesen zu sein. Manchmal sind Monate verstrichen, ehe sie auf Zuschriften geantwortet haben. Trotzdem wußten beide recht gut voneinander Bescheid, da sie auch über andere Korrespondenten Informationen voneinander erhielten. In ihren Briefen selbst unterrichteten sich Ruoesch und Lavater häufig auch über ihr persönliches Ergehen und tauschten sich ebenfalls über das Ergehen ihrer Angehörigen aus. Hierbei wird deutlich, zu welchen Familienmitgliedern sie jeweils ein besonders inniges Verhältnis hatten, so Lavater zu seiner Tochter Annette. Nicht zuletzt stand ihr damaliger Briefwechsel jedoch im Dienst ihres ökumenischen Freundeskreises, wie später deutlich werden wird.

3. Kontakte Lavaters zur Allgäuer

Erweckungsbewegung

Der Ausbruch der Allgäuer Erweckungsbewegung ist in der zweiten Hälfte des Jahres 1796 erfolgt, wobei der Kaplan Johann Martin Boos, ein Vetter Fenebergs, eine bedeutende Rolle gespielt hat1. Lavater hatte zu dieser Erweckungsbewegung zwar einige, aber weder sehr intensive noch vielfältige Beziehungen. Dies ist, wie schon bemerkt, darauf zurückzufuhren, daß Lavaters Kräfte und Zeit in diesen Jahren anderweitig absorbiert waren. Im Sommer 1799 war er wegen vermeintlicher konspiratorischer Aktivitäten gegen Frankreich arretiert und zur Untersuchungshaft nach Basel deportiert worden. Im Herbst war er dann bekanntlich von einem französischen Grenadier durch einen Schuß verwundet worden. Die sich nicht schließende Brustwunde brachte eine vielmonatige Leidenszeit, die erst am zweiten Tag des Jahres 1801 durch den Tod beendet wurde. 56

Siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 26. Dezember 1793, ZBZ, FA Lav. Ms. 524, Nr. 313. Siehe Joh. B. Ruoesch, Tagebuch, Eintrag vom 10. August 1793. 58 Siehe Briefe: Ruoesch an Lavater, 23. Januar u. 23. Dezember 1795, Z B Z , FA Lav. Ms. 524, Nr. 314f. 1 Siehe Brief: Boos an Zech, s.a., auszugsweise gedr. in: H. Dussler, Feneberg, S. 70, Anm. 12: „Ob Gott durch Zobo (d. i. Boos) die Erweckung angefangen habe, wie du meinst, weiß ich n i c h t . . . Wir frohlockten bei dem aufgegangenen Licht vom Sept. (1796) bis zum 1. Jänner (1797)." 57

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Lavaters Kontakte zur Allgäuer Erweckungsbewegung liefen bemerkenswerterweise nicht so sehr über die Geistlichen als vielmehr über die Laien dieser Bewegung. Selbstverständlich muß hierbei aber auch Lavaters vertrauliches Verhältnis zu Sailer, dem anfänglichen Protektor dieser neu aufbrechenden Frömmigkeit, berücksichtigt werden, wenn er auch, wie bereits betont wurde, eigentlich nicht dieser Erweckungsbewegung zuzurechnen ist. Er war aber derjenige, der sie zumindest in den Anfangsjahren beratend und schützend begleitet hat. Erstmals Kunde von der Erweckungsbewegung im Allgäu hat Lavater offensichtlich nicht durch Sailer, sondern von anderer Seite erhalten. An diesen ist er jedoch dann bezeichnenderweise mit der Frage herangetreten, um was für eine religiöse Bewegung es sich bei „der heiligen Geist Sekte" im Kemptener Gebiet handle und wie man ihr zu begegnen habe 2 . Daraufhin hat Sailer seinem Züricher Freund erste Informationen zukommen lassen. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit teilte er ihm am 17. N o vember 1797 folgendes mit: „Von der sogenannten Kemptensecte kann ich ,Dir in das Herz' dies schreiben. Die edelsten Seelen, die Gottes Liebe auf die sonderliche Weise erfuhren, wurden verketzert, gelästert - und die vornehmste Absicht der Lästerer ging in ihren fürchterlichen Tendenzen nur dahin, den Professor Sailer auch noch als Sectenstifter um alle, auch die unschuldigste Täthigkeit zu bringen. Ita coram D E O , aber der Herr tröstete mich auch in diesem Leiden. Ich schwieg, selbst vor meinen besten Freunden. Hoc tibi et maxime tuis, mit Bitte um Stillschweigen." 3 Aus dieser kurzen Darstellung der Allgäuer Erweckungsbewegung in ihrer Frühphase wird evident, daß ihre ersten Anhänger die Liebe Gottes auf außerordentliche Weise erfahren haben. Mit dieser Formulierung wollte Sailer offensichtlich andeuten oder sogar zum Ausdruck bringen, daß die Heilserfahrung nicht durch die Sakramente vermittelt worden sei. Vielmehr hatte man die Liebe Gottes unvermittelt erlebt. Sodann wird aus den wenigen Zeilen deutlich, daß man von Anfang an die Erwekkungsbewegung mit Sailer in Verbindung gebracht hat. Dies ist allerdings mit einem gewissen Recht geschehen, weil die Träger fast ausnahmslos zu seinen Schülern und Freunden zählten. Nach Sailers Überzeugung verfolgten aber die kirchlichen Behörden damit kein anderes Ziel als ihn so zum eigentlichen Urheber dieser Bewegung zu erklären und ihm auf diese Weise für immer das Odium eines Sektengründers anzuheften. Dadurch sollte er vollends in theologischen und kirchlichen Mißkredit gebracht werden. Zu den Geistlichen der Allgäuer Erweckungsbewegung selbst hatte Lavater damals offensichtlich nur ganz losen Kontakt, wenn man überhaupt 2 Brief: Lavater an Sailer, 1. Mai 1797, gedr. in: H. Schiel, Sailer und Lavater, S. 119, Ζ 29ff., Nr. 60: „Ist nirgendwo keine zuverläßige Nachricht von dem, was im Kemptischen mit der heiligen Geist Sekte vorgefallen seyn soll, zulesen?" 3 Brief: Sailer an Lavater, 14. November 1797, gedr. in: ebd. S. 121, Ζ 11-20, Nr. 61.

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von einem solchen reden darf. Intensivere Beziehungen hatte er dagegen zu einigen Laien, die dieser Frömmigkeitsbewegung zuzurechnen sind. Hier ist einmal der Augsburger Jurist Johann Konrad Schmid und dann insbesondere der Präsident des oettingischen Fürstentums Johann Baptist von Ruoesch zu nennen. Der Rechtskonsulent Schmid 4 gehörte zu Lavaters näheren Freunden im süddeutschen Raum. Er zählte bezeichnenderweise gleichzeitig auch zu den engsten Vertrauten Sailers. Lavater stand mit dem Augsburger in einer vertraulichen Korrespondenz 5 , in der oft seelsorgerliche Fragen angesprochen wurden. Wesentlich intensiver waren jedoch die brieflichen und persönlichen Kontakte zwischen Lavater und Ruoesch, worauf schon hingewiesen worden ist. Ruoesch berichtete in seinen Briefen an Lavater wiederholt über die Allgäuer Erweckungsbewegung. In dem Zusammenhang erwähnte er aber auch mehrfach die eigentlichen fuhrenden Theologen dieser Bewegung. So w u ß te er über den Seeger Pfarrer Feneberg 6 , eine der zentralen Gestalten dieser Bewegung, und über Settele7 zu berichten. Besonders hoch hat er aber Feneberg geschätzt, dem er den Ehrennamen Secundus Appius Claudius Caecus gegeben hat 8 . Dadurch wollte er offensichtlich dessen Integrität hervorheben. Ruoesch berichtete Lavater ferner von der Erweckung in Fenebergs Seeger Kirchengemeinde, in der man wie Elia ein „sonderbares Wehen" verspüre9. Nicht uninteressant ist es, daß Ruoesch dieser Mitteilung die Bitte anfugte: „Gott gebe, daß wir bald sagen können: das ist der Herr." Dann informierte er ihn von den geistlichen und weltlichen Verfolgungen der Erweckten in Seeg durch die kirchlichen Oberen, die sich einbilden, die „Meister" zu sein, „die die Schlüssel der Erkenntniß allein zu haben wähnen 4

Ü b e r Schmid siehe bes. H . Dussler, Feneberg, S. 132 ff. Ü b e r die K o r r e s p o n d e n z zwischen Lavater u n d Schmid siehe S. 151, A n m . 32. 6 Siehe Briefe: Ruoesch an Lavater, 21. J a n u a r u. 10. Februar 1797, 16. J a n u a r 1798, Z B Z , FA Lav. M s . 524, N r . 319f. u. 322. 7 Siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 16. J a n u a r 1798, ebd. N r . 322. In diesem Schreiben teilte Ruoesch Lavater im A u f t r a g der „ B r ü d e r zu Seeg" das Ableben v o n Settele mit folgenden Worten mit: „Eine edle, reine Engels-Seele, die uns v o m H e r r n n u r auf eine kurze Zeit geliehen war, unser guter, lieber, gemeinschaftlicher Freünd Johann Settele, - Er, der treüe J ü n g e r seines H e r r n , m i t seinem, ich m ö c h t e sagen, himmlischen Blick, mit seinem richtigen Sinn f ü r alles Wahre u n d G u t e u n d Göttliche - Er, der Raphael in Graf Fuggers Hause, w ü r d i g des E n g e l Chores, aus dessen M i t t e ihn der H e r r herabsandte zu uns - Ach! unser Freünd Settele ist a m 29ten des verflossenen M o n a t s u n d Jahres, Mittags nach 12 U h r zu Seeg, w o er sich u m der gesündern Luft zu gemessen einige M o n a t e schon aufhielt, in seiner Freünde Fennebergs u n d Bayrs A r m e n h e i m g e g a n g e n ins bessere Vaterland, zu w e l c h e m er i m Glut-Tiegel körperlicher Leiden schnell gereift hatte." 5

8 Ü b e r das Verhältnis v o n Ruoesch zu Feneberg u n d ü b e r den i h m gegebenen B e i n a m e n Secundus Appius Claudius Caecus vgl. auch Fr. B r e h m , Aus den unveröffentlichten T a g e b ü chern. 9 Brief: Ruoesch an Lavater, 21. J a n u a r 1797, Z B Z , FA Lav. Ms. 524, N r . 319.

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und sie deshalb an einem großen Hacken an der Seite tragen" 1 0 . Diese opponierten gegen Feneberg, weil er „Leüten Gehör" schenke, „die u n m i telbare Mittheilungen des Heilands erfahren haben wollen". Daraus wird deutlich, daß die unvermittelte Christuserfahrung als das entscheidende Charakteristikum der frühen Allgäuer E r w e c k u n g s b e w e g u n g zu gelten hat 11 . Deren Anhänger werden, so w u ß t e Ruoesch weiter zu berichten, „Sailerianer" genannt, obgleich Sailer selbst „an der ganzen Sache noch zweifelt". Jedoch trügen die Verfolgungen und Leiden zu einer Läuterung bei. „ N u r die Schlaken des irrdischen Sinnes werden dabey im Rauch aufgehen." Auch späterhin hat Ruoesch brieflich des „hart gedrückten Kirchlein[s] zu Seeg"12 gedacht. Übrigens hat sich Ruoesch auch das persönliche Ergehen Lavaters sehr angelegen sein lassen. Lavater hatte nämlich in seinen letzten Lebensjahren in z u n e h m e n d e m M a ß e in das politische Tagesgeschehen eingegriffen. In Wort und Schrift hatte er die Verhältnisse in Helvetien kritisiert, die durch die Französische Revolution, der er anfänglich durchaus mit gewissen S y m p a thien gegenübergestanden hatte, heraufgefuhrt worden waren. Besonders heftig w a r sein Protest gegen die Übergriffe Frankreichs auf die Schweiz ausgefallen. Wegen dieser Haltung geriet er in i m m e r größere Schwierigkeiten. Deshalb w u r d e er am 23. Febuar 1798 von Ruoesch aufgefordert, sein R e f u g i u m in Oettingen zu nehmen, falls die Bedrängnisse anwüchsen 1 3 . Lavater und seine Freunde sollten, so schrieb er, „in die A r m e eines Freundes, der Ihnen nicht nur Wohnung und Aufenthalt, sondern alles, was er vermag, Gut u. Blut, u. die Hälfte seines Lebens anbietet" 14 , eilen. Es sei für alles gesorgt. In Oettingen stünde ein geräumiges, mehrzimmeriges Haus, das d e m seinigen unmittelbar gegenüberläge, bereit 15 . Für die Innenausstattung w ü r d e n er und die Fürstin Sorge tragen. Auch w ü r d e m a n für die Übersiedlung ab U l m oder Augsburg Pferde zur Verfugung stellen. Lavater dankte zu Tränen gerührt 1 6 . Obgleich er von eskalierenden Ereignissen zu berichten wußte, w a r er nicht bereit, einen Fußbreit zu weichen. Ein „ M a n n 10

Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 10. Februar 1797, ebd. Nr. 320. 11 Vgl. ebd.: „Wer sollte wohl fromme Seelen deshalb verfolgen, weil sie glauben, daß eben der Herr, der doch von jeher seine Freude hatte sich den Seinen mitzutheilen, ihnen nahe komme, sie stärke, und leite? - Und wer ist wohl, der einer solchen Hand aus der Wolke nicht bedarf, der es nicht ahnet, und in jedem Bedürfniß darnach seufzt?" 12 Brief: Ruoesch an Lavater, 29. Dezember 1797, ebd. Nr. 321. 13 Siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 23. Februar 1798, ebd. Nr. 323. 14 Ebd. 15 Nach freundlicher Mitteilung von Frau E. Grünewald, Öttingen, wohnte Ruoesch im Jahre 1798 im sogenannten Gelben Haus (heute Schloßstraße 2), das er 1797 bezogen hatte. Genau gegenüber diesem Gebäude befand sich die Lateinschule (Schloßstraße 5), schräg gegenüber dagegen das Alte Amtshaus (Schloßstraße 7). Offensichtlich hatte man also dieses als Unterkunft fur Lavater in Aussicht genommen. 16 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Ruoesch, 28. Februar 1798, Z B Z , FA Lav. Ms. 578, Nr. 195.

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muß auf dem Punkte stehn, w o er gesetzt ist und jeder Furcht, die schwächen könnte, entsagen" 1 7 . Trotzdem wiederholt der Regierungspräsident wenig später erneut seine Einladung 1 8 . Lavater sollte nach Oettingen nicht nur seine eigenen Angehörigen, sondern auch die Familie Müller aus Schaffhausen mitbringen. Zugleich versuchte er neutestamentlich zu begründen, weshalb Lavater getrost seinen Posten verlassen dürfe. Als der König Herodes den Täufer Johannes, „den Prediger der Wahrheit" 19 , enthaupten ließ, habe sich auch Jesus nach Galiläa zurückgezogen. Wiederum dankte Lavater für die Einladung; inzwischen sei jedoch ein Emigrationsverbot erlassen worden, wodurch alle Überlegungen einer Übersiedlung nach Oettingen gegenstandslos geworden seien 20 . Sodann berichtete Lavater von den Geschehnissen in Zürich und ging mit größtem Abscheu auf die französische Besatzungsmacht ein. Er habe die Unfreiheit öffentlich in Predigten gebrandmarkt und deshalb habe „die neue Freyheitskommißion" ihm sowie dem Antistes Johann Jakob Heß ihr Mißfallen über ihre „freymüthigen Predigten bezeügen" 2 1 lassen. Weil er über diese Zurechtweisung empört gewesen sei, habe er sich letzten Sonntag „mehr wie jemahls zusammen" genommen, „wider Freyheitsheücheley, Menschenfurcht, Terrorismus mit unbegränzter Derbheit zu reden. Wenn niemand spricht, so geht alles zu Grunde. Auch Tyrannen furchten das Schwertwort des Furchtlosen" 22 . Ruoesch gab daraufhin in einem Brief v o m 31. März 1798 seiner Bewunderung und Hochachtung Ausdruck 2 3 . Schon immer habe er sich gewünscht, so versicherte er darin, den Mann, der dem Tyrannenblick unerschütterlich standhält, wie ihn Horaz in seiner dritten Ode 2 4 so eindrücklich geschildert habe, in Wirklichkeit zu begegnen. N u n hätte er ihn in Lavater gefunden. Desgleichen habe er schon immer nach einem „Schlüssel" 2 5 zum rechten Verständnis der apokalyptischen Weissagung von Lk 21,28 gesucht. Auch diesen habe er nun erhalten. Die Haltung Lavaters inmitten der Züricher Unruhen habe ihn nämlich gelehrt, daß derjenige, „dessen Stärke Jesus ist", auch „gar wohl in den verworrensten Zeiten das Haupt empor heben" kann, „weil, j e näher die Gefahr, desto näher auch der Herr ist, der seine Hand über ihn hält" 26 . Abschließend versicherte er Lavater, daß man in Oettingen, im ruhigen Winkel Schwabens, seiner täglich furbittend gedenke. Ebd. Siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 13. März 1798, ebd. Ms. 524, Nr. 324. 19 Ebd. 2 0 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Lavater an Ruoesch, 21. März 1798, ebd. Ms. 578, Nr. 196. 21 Ebd. 2 2 Ebd. 2 3 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Ruoesch an Lavater, 31. März 1798, ebd. Ms. 524, Nr. 325. 24 Horaz, Carmina 3,3,1. 25 Brief: Ruoesch an Lavater, 31. März 1798, Z B Z , FA Lav. Ms. 524, Nr. 325. 26 Ebd. 17

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Überblickt man Lavaters Beziehungen zur Allgäuer Erweckungsbewegung nochmals im Zusammenhang, dann kann man feststellen, daß Lavater deren frühe Träger und Anhänger wegen ihrer Frömmigkeit und wegen ihres Christozentrismus geschätzt hat. Er fühlte sich deshalb mit mehreren katholischen Geistlichen und Laien dieser Bewegung eng verbunden. Allerdings war das Freundschaftsband zu den Laien wesentlich stärker als zu den Geistlichen. Eine Ausnahme bildeten jedoch seine Beziehungen zu dem Protektor der gesamten Bewegung, nämlich zu Sailer. Der römisch-katholischen Kirche selbst stand Lavater zweifelsohne fern, obgleich er vielfältig, besonders von Seiten der Berliner Aufklärer, des Kryptokatholizismus verdächtigt worden ist. Vor allem hatte er kein Verhältnis oder keinen Zugang zur römisch-katholischen Kirche als Institution. So war es ihm schlechterdings unverständlich, daß die Kirche bei der Auslegung der Heiligen Schrift irgend eine autoritative Funktion haben sollte. Dies wird aus einem Brief deutlich, den er am 30. November 1787 an Franz Tangel gerichtet hat 27 . Dieser hatte sich darum bemüht, Lavater den katholischen Glauben argumentativ nahezubringen mit dem Ziel, ihn vielleicht sogar zur Konversion bewegen zu können 28 . Diesem katholischen Briefpartner gegenüber erklärte Lavater, daß er alle Worte Christi „ohne Kirche mit völliger Gewißheit" recht verstehe 29 . Christus habe nirgends gelehrt, daß man die Kirche benötige, u m seine Worte zu verstehen. Geradezu konfessorisch fugte er hinzu: „Mir ist alles klar, was er g e s a g t . . . Mir ist's alles ohne Conzilium klar." So wie „Paullus, Petrus, Johannes, Jakobus - an diesen Männern begnüg' ich mich - verstanden u. erklärten, so versteh' und erklär' ich's auch". Lavater war also davon überzeugt, daß er die Worte Christi genau so wie die Apostel verstehen und interpretieren könne. Bei dem Verstehensprozeß lasse er sich von der Frage leiten: „Was haben Christus u. die Apostel gelehrt? Wie wollten sie verstanden seyn?" Leider ist Lavater in diesem Zusammenhang nicht auf die hierbei entscheidende hermeneutische Frage eingegangen. Übrigens hat er sich mit ihr auch sonst nirgends extensiv auseinandergesetzt. Lavater hat für seine Person diese kritische, distanzierte Grundhaltung gegenüber der römisch-katholischen Kirche stets durchgehalten. Dieses Ergebnis kann auch nicht durch den Hinweis relativiert werden, daß er sich mehrfach anerkennend über deren Gottesdienste geäußert hat, so beispiels2 7 Brief: Lavater an Tangel, 30. N o v e m b e r 1787, ebd. M s . 584, N r . 16; auszugsweise gedr. in: J o h . K. Lavater, Handbibliothek, B d . 4, 1790, S. 222-225. 2 8 Siehe ebd.; gedr. in: ebd. S. 222f.: „ D a n k für Ihre redlichen Bemühungen, mich zu dem zu bringen, was Ihnen allein Wahrheit ist. Aber, wie Sie sagen, der Glaube kann nicht erdisputiert werden und der Glaube an Katholizism[us], der mir mehr als Wunderglaube ist, am wenigsten. Fast bitt' ich Sie, sich nicht weiter vergeblich zu b e m ü h e n . " Siehe auch ebd.; gedr. in: ebd. S. 225: „Ich bewundre Ihre Treü an Ihrer Religion; ich liebe Sie, ehre Sie, aber nicht ein Haar näher haben Sie mich Ihrer Kirche gebracht." 29

Hierzu und zum Folgenden siehe ebd.; gedr. in: ebd. S. 224f.

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weise in einem Gedicht 30 , das er im März 1781 nach dem Besuch der katholischen Kirche in Sarmenstorf abgefaßt hat. Auf dieses Gedicht, das den Titel trägt Wenn nur Christus verkündigt wird etc. oder Empfindungen eines Protestanten in einer catholischen Kirche, haben übrigens die Berliner Aufklärer mit Nachdruck hingewiesen, um Lavaters Hinneigung und S y m pathie für den römischen Katholizismus aufzudecken und ihn so im Protestantismus in Verruf zu bringen 31 . Hierbei übersahen sie jedoch, daß Lavater am römisch-katholischen Gottesdienst mehr oder minder ausschließlich das ästhetische und frömmigkeitliche Moment hervorgehoben hat. Der römisch-katholischen Glaubenslehre hat er dagegen - allerdings nicht etwa von einem reformatorischen Ansatz her - eine deutliche Absage erteilt 32 .

3 0 Dieses Gedicht wurde von Lavater selbst publiziert in: Sammlungen [Hrsg.: J o h . K . Pfenninger], Bd. 1, Η. 1, 1781, S. 260-264 (anonym); Joh. K. Lavater, Vermischte Gereimte Gedichte, S. 61-67. Gedruckt findet es sich auch in: [Joh. K. Lavater], Drey Lobgedichte, S. 15-35 u. in: Berlinische Monatsschrift [Hrsg.: F. Gedike u . J . E . Biester], Bd. 8, S. (348) 349-353. 31 Siehe die polemischen Ausführungen über dieses Gedicht in: [Rudolphi], Rez.: Joh. K. Lavater, Vermischte Gereimte Gedichte, in: Allgemeine deutsche Bibliothek [Hrsg.: Fr. Nicolai], Bd. 68, S. 604—610; Joh. K. Lavater, Wenn nur Christus verkündigt wird! oder: Empfindungen eines Protestanten in einer katholischen Kirche von J o h . K . Lavater. (Den 2ten März 1781.), in: Berlinische Monatsschrift [Hrsg.: F. Gedike u. J. E. Biester], Bd. 8, S. 348 (anonyme polemische Einleitung zu diesem Gedicht; auf S. 349-353 findet sich das Gedicht selbst abgedruckt); Joh. S. Semler, Parodie auf Lavaters Empfindungen eines Protestanten in einer katholischen Kirche. Zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts, in: ebd. S. 457-469 (Semlers köstliche Parodie auf Lavaters Gedicht findet sich auf S. 459, 461, 463, 465 u. 467 f.; vgl. [Joh. K. Lavater], Drey Lobgedichte, S. 3-10, 15-35). 32 Siehe z . B . J o h . K . Lavater, Katholizismus.

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VI. Lavater und die Evangelische Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts In den wenigen bisher vorliegenden Gesamtdarstellungen der Geschichte der Evangelischen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts im deutschen Raum wird nur beiläufig darauf hingewiesen, daß Lavater für sie allgemein oder für einzelne ihr zugehörige Theologen und Laien von Bedeutung gewesen sei. So ließ Ludwig Tiesmeyer in seinem materialreichen, aber unkritischen Abriß lediglich anklingen, daß Lavater zu Sailer sowie zu Michael Hahn persönliche Kontakte und auf die fränkische Erweckungsbewegung auch einen gewissen literarischen Einfluß gehabt habe 1 . Friedrich Wilhelm Kantzenbach machte in seiner kurzen Gesamtdarstellung darauf aufmerksam, daß die niederrheinische Visionärin Dorothea Wuppermann, die enge Vertraute von Collenbusch und Hasenkamp, Schriften Lavaters gelesen habe 2 . In seiner äußerst knappen Übersicht über Geschichte und Hauptströmungen der Erweckungsbewegung zählte Erich Beyreuther schließlich Lavater zu den Einzelgestalten, die im „aufquellenden Strom der frühen Erweckung" als „Erweckte vor der großen Erweckungszeit" und als „vitale und originale Persönlichkeiten" zu „Bannerträgern dieses Frömmigkeitsaufbruches" wurden 3 . Lavater, dessen aufrechter Patriotismus von Beyreuther hervorgehoben wird, sei zwar „in mancher Beziehung ein Sonderling" gewesen, habe aber als „ein Genie des Herzens in der Unmittelbarkeit seiner Christusbezogenheit inmitten eines entsetzlich nüchtern gewordenen Kirchenbetriebes" gewirkt 4 . Im Folgenden soll deshalb nochmals der Frage nach Lavaters Beitrag zur Entstehung und Ausformung der Evangelischen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts nachgegangen werden. Hierbei wird das Augenmerk zunächst auf Lavaters Kontakte zu deren Vorläufern und Wegbereitern gerichtet werden. Sodann wird zu untersuchen sein, welche Relevanz seine Schriften in Kreisen der Evangelischen Erweckungsbewegung gehabt haben. Welche Werke Lavaters hat man hier gelesen oder sogar nachgedruckt? Schließlich soll danach gefragt werden, welche theologischen, frömmigkeitsgeschichtlichen und geistigen Elemente Lavater für das Werden der 1 Siehe L. Tiesmeyer, Erweckungsbewegung, B d . 2, H . 3, S. 37; H. 8, S. 19 u. 40f. u. B d . 3, H. 4, S. 351. 2 Fr. W. Kantzenbach, Erweckungsbewegung, S. 148. 3 E. Beyreuther, Erweckungsbewegung, S. 24. 4 Ebd.

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Evangelischen Erweckungsbewegung des 19.Jahrhunderts bereitgestellt hat.

1. Lavater und die Vorläufer oder Wegbereiter der Evangelischen Erweckungsbewegung

Zu den Vorläufern und Wegbereitern der Evangelischen Erweckungsbewegung zählt man gemeinhin unter anderem auch Jung- Stilling, Johann Ewald, Barbara Juliane von Krüdener, Johann Georg Hamann und Johann Friedrich Oberlin. Mit ihnen allen war Lavater in mannigfacher Weise verbunden. Während er jedoch Jung-Stilling, Ewald und Krüdener persönlich begegnet ist, stand er mit den letzten beiden Persönlichkeiten nur in brieflicher Verbindung. Auf diese wird im Folgenden zunächst eingegangen werden. Hierbei sollen die Beziehungen zwischen Lavater und Oberlin zunächst in den Blick kommen, da das Freundschaftsband zu dem Pfarrer im Steintal früher geknüpft worden ist als das zu dem Denker in Königsberg. Der erste briefliche Kontakt zwischen Lavater und Oberlin 1 ist im Sommer 1774 offensichtlich auf Initiative des letzteren durch ein Schreiben 2 vom 26. Juli hergestellt worden. Der äußere Anlaß dieses Briefes war die Tatsache, daß Lavater einen Kollekteur, der von Oberlin zum Sammeln für seine arme Kirchengemeinde in Waldersbach auch nach Zürich gesandt worden war, gastfrei in seinem Haus aufgenommen und darüber hinaus selbst einen Geldbetrag gezeichnet hatte. Die Abstattung seines schriftlichen Dankes verband Oberlin nun sogleich mit der Mitteilung, daß er Lavaters erstes grundlegendes Werk, nämlich die Aussichten in die Ewigkeit, gelesen habe. Er versicherte, daß die Lektüre „viele Erbauung, Aufmunterung, Anfeurung" bei ihm selbst und seiner Frau, seinen Schülern und Pensionären, sowie bei seinen Bekannten und manchen seiner Parochianen bewirkt habe. „Sie glauben nicht", schrieb er, „wie viele entzückte Stunden Sie mir u. meinen Freunden u. Freundinnen geschaft haben." In diesem Zusammen1 Über die Beziehung zwischen Oberlin und Lavater siehe u. a. E. Psczolla, Oberlin, passim; vgl. auch E. Schering, Oberlin, S. 181. In der Z B Z finden sich drei Briefe von Lavater an Oberlin (FA Lav. Ms. 576, Nr. 71 ff.) und drei Briefe von Oberlin an Lavater (ebd. Ms. 522, Nr. 62ff.; diese drei Briefe sind gedr. in: Fr. W. Bodemann, Lavater, T. 2, S. 409-415); zwei Briefe von Lavater an Oberlin (21. Januar u. 30. November 1800) sowie drei Gedichte (datiert vom 19. Januar sowie 2. u. 6. November 1800) finden sich in AM Straßburg (Ms. 168, 16 f.). Diese Gedichte waren möglicherweise den Briefen beigelegt. Das Gedicht vom 6. November 1800 lautet: „Sage: Hat Dich Gott je vergeßen, je Dich verlaßen? / Fandst Du nicht Freunde stets, die Hände Gottes Dir waren? / Kamen nicht, w o Du kamst, Dir liebende Herzen entgegen? / Ist ein liebendes Herz u. Aug ohn ' Spuhren der Gottheit? / Wo Dir Liebe begegnet, begegnet in Menschen Gestalt Gott. / Sey' der Liebe froh, die in mancher Gestalt Dir begegnet. " 2 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Johann Friedrich Oberlin an Lavater, 26. Juli 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 522, Nr. 62; gedr. in: Fr.W. Bodemann, Lavater, T. 2, S. 409-413. Vgl. R. Peter, Oberlin, S. 358, Anm. 37.

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hang ging er dann noch auf das Problem ein, welches Versmaß Lavater wohl für sein Gedicht wählen sollte, in welchem er seine Eschatologie, wie er sie in seinen Aussichten in die Ewigkeit entworfen hatte, in Poesie umsetzen wollte 3 . Nach dieser kurzen Korrespondenz ist jedoch die briefliche Verbindung zwischen Zürich und Waldersbach wieder für mehrere Jahre abgerissen. Dies bedeutet aber nicht, daß man einander ferner gerückt wäre. Deutlich wird das fortdauernde Interesse einmal daran, daß Oberlin im Jahre 1778 im Zusammenhang mit seiner Fahrt in die badische Markgrafschaft Hochberg, wo er Erkundigungen über die dortigen Schulverhältnisse einholen wollte, auch einen Besuch bei Lavater plante 4 . Er sah sich jedoch genötigt, diese Reise abzubrechen, als er erfuhr, daß der Dichter Jacob Michael Reinhold Lenz, den er in seinem Haus in Waldersbach als Gast und Pfarrvertreter zurückgelassen hatte, erneut von schweren Depressionen heimgesucht wurde. Sodann zeigte sich Oberlins Verbundenheit mit Lavater darin, daß er weiterhin dessen Schriften gelesen hat. Dies geht aus einem Brief 5 hervor, den er im Dezember 1783 an ihn gerichtet hat. Darin hat er ihm übrigens auch den Tod seiner schon zu Beginn dieses Jahres verstorbenen Frau Salome mitgeteilt, wobei er jedoch anmerkte: „Doch hat Er [sc. Gott] mir durch und nach dem Tod der meinigen [sc. Frau] ganz erstaunlichen Gnade erwiesen, die schwerlich bey fortdaurendem hiesigem Leben dieses lieben Kindes hätten statt haben können." Nicht unerwähnt sei, daß Oberlins fortwährende visionäre und auditionäre Erlebnisse mit seiner verstorbenen Frau auch ein Anlaß dafür gewesen sind, daß er sich seit 1784 in Lavaters Physiognomische Fragmente vertieft hat 6 . Mittels der darin aufgestellten Regeln erhoffte er aufgrund vorhandener Abbildungen seiner Frau nachträglich nähere Aufschlüsse über ihre seelischen und charakterlichen Eigenschaften zu erhalten. Erst der todkrank daniederliegende Lavater hat dann zu Beginn des Jahres 1800 noch einmal einige Zeilen an Oberlin gerichtet 7 . Dieses Schreiben steht im Zusammenhang mit der Tatsache, daß Oberlins Sohn Henri-Gottfried als französischer Rekrut seit Ende 1798 nicht nur mehrmals für längere oder 3 Vgl. Brief: Lavater an Johann Friedrich Oberlin, 30. August 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 576, N r . 71: „Ihrem Rath wegen der Versart legt ich allen eingegangnen bey und werde ihn dann seiner Zeit alle aufs N e ü e prüfen u. benutzen." 4 Hierzu siehe E . Psczolla, Oberlin, S. 104f. 5 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Johann Friedrich Oberlin an Lavater, 22. Dezember 1783, Z B Z , FA Lav. Ms. 522, N r . 63; gedr. in: Fr. W. Bodemann, Lavater, T. 2, S. 413f. Aus dem Schreiben geht hervor, daß Oberlin dazumal Lavaters gerade erschienenen ersten Band seiner Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien gelesen hat. Vgl. auch Brief: Lavater an Johann Friedrich Oberlin, 21. März 1784, ebd. Ms. 576, Nr. 72. In diesem Brief kündigt Lavater an, daß Oberlin nach Ostern seine gerade im Druck befindliche Schrift Herzenserleichterung erhalten soll.

Hierzu siehe E. Psczolla, Oberlin, S. 129-132. Siehe Brief: Lavater an Johann Friedrich Oberlin, 19. Januar 1800, A M M s . 168,16. 6 7

Straßburg,

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kürzere Zeit im Hause Lavaters geweilt hat, sondern auch dessen Verwundung durch einen französischen Grenadier am 26. September 1799 sowie vor allem die ersten Tage seines monatelangen Schmerzenslagers gleichsam miterlebt hat 8 . Möglicherweise auch aus Gründen der Sicherheit für Lavater war Henri-Gottfried Oberlin nämlich darum gebeten worden, wie schon im Frühjahr dieses Jahres erneut im Pfarrhaus zu St. Peter sein Quartier zu nehmen. Daraufhin hat er hier die ersten paar Nächte am Bett Lavaters gewacht. Zu diesem Pflegedienst war Henri-Gottfried Oberlin auch deshalb gut geeignet, weil er neben Theologie auch Medizin studiert hatte. Allerdings mußte er schon nach zwei Wochen mit seinem Regiment weiterziehen; er blieb jedoch weiterhin mit Lavater und dessen Familie in Verbindung. Im Unterschied zu den Beziehungen zwischen Lavater und Oberlin können die zwischen ihm und Hamann als sehr intensiv und theologisch bedeutsam bezeichnet werden 9 . Doch auch sie waren lediglich brieflicher Natur 10 , da es nie zu einer persönlichen Begegnung gekommen ist, obgleich diese einmal in greifbare Nähe gerückt war. Die Korrespondenz wurde von Lavater Ende 1777 eröffnet 11 und dauerte bis 1785; sie brach also fast drei Jahre vor Hamanns Tod am 21. Juni 1788 in Münster ab. Während dieser letzten Jahre standen aber beide indirekt durch ihren gemeinsamen Freund Friedrich Heinrich Jacobi in Kommunikation 12 ; das Freundschaftsband war also keineswegs völlig abgerissen. Der Briefwechsel, in dem in großer Offenheit persönliches Ergehen, gesundheitliches Befinden und literarische Projekte zur Sprache kamen, zeigt nicht zuletzt, wie aufmerksam jeder die Publikationen des anderen gelesen und ihm sein Urteil darüber mitgeteilt hat. Hierbei ist es bemerkenswert, daß es Lavater, ähnlich wie Goethe, wesentlich schwerer fiel Hamanns Werke zu verstehen als dessen Briefe 13 . Beide gaben sich Anstöße zu wichti8 Hierzu und zum Folgenden siehe Briefe: Lavater an Johann Friedrich Oberlin, 1. Dezember 1798, Z B Z , FA Lav. Ms. 576, Nr. 73; Johann Friedrich Oberlin an Lavater, 4. März 1799, ebd. Ms. 522, Nr. 64; gedr. in: Fr.W. Bodemann, Lavater, T. 2, S. 414f. Vgl. die in der Z B Z aufbewahrten Aufzeichnungen Einige Mittheilungen über Heinrich Gottfried Oberlins Verhältniß zu Lavater und seiner Familie (FA Lav. Ms. 122,3). Siehe auch H. Strohl, U n fils d'Oberlin. 9 Über Lavater und Hamann siehe u. a. C. H. Gildemeister, Hamann-Studien, 259-284; Fr. Lieb, Glaube, S. 21 f.; S. A. Jorgensen, Johann Georg Hamann, S. 93 u. 98. 10 Die Korrespondenz zwischen Lavater und Hamann liegt nun in dem von W. Ziesemer u. A. Henkel herausgegebenen Hamann Briefwechsel kritisch ediert vor. Vgl. auch H. Funck, Briefwechsel, S. 95-147. 11 Der erste Brief Lavaters ist datiert v o m 26. Dezember 1777; siehe Hamann, Briefwechsel, Bd. 3, S.395f., Nr. 520. Auf dieses Schreiben hat Hamann am 18. Januar 1778 geantwortet; siehe ebd. Bd. 4, S. 3-8, Nr. 523. 12 Hierüber siehe H. Funck, Briefwechsel, S. 146 f. 13 Siehe Brief: Lavater an Stolz, 1. September 1784, Z B Z , FA Lav. Ms. 583, Nr. 61: „Gestern kam eine Broschüre von Hamann wider Moses Mendelssohn, Golgatha und Scheblimini, vierfach a n . . . Ich habe sie durchgelesen, aber noch nicht durchgedacht. Es ist schwehr, etwas ganz zu genießen, was Hamann giebt."

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gen literarischen Arbeiten. So geht Lavaters bedeutendes vierbändiges Werk Pontius Pilatus Oder Die Bibel im Kleinen und Der Mensch im Großen auf eine Anregung Hamanns zurück. Im Jahre 1778 hatte dieser nämlich in einem Brief 14 bekannt: „Mir Ignoranten ist, nächst dem Prediger des alten Bundes, der weiseste Schriftsteller und dunkelste Prophet, der Executor des neuen Testaments, Pontius Pilatus. Ihm war vox populi vox Dei, ohne sich an die Träume seiner Gemahlin zu kehren." Nachdem diese „Idee" zunächst „still" in seiner „Seele" geruht habe, schrieb Lavater weiter, sei sie ihm während einer Abendmahlsfeier an Weihnachten 1779 beim Hören der Kapitel 18 und 19 des Johannesevangeliums neu lebendig geworden 1 5 . Alsbald ging er an die Arbeit, jedoch erschien das erste Bändchen dieses Werkes nicht vor Frühjahr 1782 und erst drei Jahre später war das Opus mit dem vierten abgeschlossen. Dieses Werk Lavaters war es bekanntlich, das die sich schon seit einigen Jahren abzeichnende Entfremdung Goethes von Lavater deutlich zu Tage treten ließ16. Nach der Lektüre des ersten Bandes, dem als Zueignung die beiden Logien aus M k 9,40 und Mt 12,30 „Wer nicht wider uns ist, der ist für uns. / Wer nicht für uns ist, der ist wider uns", vorangestellt waren, schrieb Goethe: „ D u hälst das Evangelium wie es steht fur die göttlichste Wahrheit, mich würde eine vernehmliche Stimme v o m Himmel nicht überzeugen, dass das Wasser brennt und das Feuer löscht, dass ein Weib ohne Mann gebiert, und dass ein Todter aufersteht, vielmehr halte ich dieses für Lästerungen gegen den grossen Gott und seine Offenbarung in der Natur. D u findest nichts schöner als das Evangelium, ich finde tausend geschriebene Blätter alter und neuer von Gott begnadigter Menschen eben so schön, und der Menschheit nützlich und unentbehrlich. U n d so weiter. " 1 7 Lavater hat seinerseits mit dazu beigetragen, daß Hamann seine gewichtige Schrift Golgatha und Scheblimini in Angriff genommen hat 18 . Lavater hat seinen Königsberger Freund sehr verehrt. Davon gibt nicht zuletzt der Text ein beredtes Zeugnis, den er unter das von Johann Heinrich Lips gestochene Brustbild Hamanns gesetzt hat, das im zweiten Band der Physiognomischen Fragmente erschienen ist 19 . In dieser Charakteristik wies er mit besonderem 1 4 Siehe Brief: Hamann an Lavater, 19. Januar 1778, gedr. in: Hamann, Briefwechsel, B d . 4, S . 2 1 6 f f „ N r . 523. 15 SieheJoh. K. Lavater, Pontius Pilatus, B d . 1, S. 11 f. 16 Über Lavater und Goethe hinsichtlich ihrer Stellung zum christlichen Glauben siehe von der neueren Literatur besonders R. Hermann, Theologische Fragen u. Fr. Gotting, Christusfrage· 17 Brief: Goethe an Lavater, 29. Juli 1782, gedr. in: J o h . W. Goethe, Werke, IV. Abth., B d . 6, S. 20, Ζ 17-S. 21, Ζ 2 (vgl. H. Funck, Goethe und Lavater, S. 209): „ D a ich zwar kein Widerkrist, kein Unkrist aber doch ein dezidirter Nichtkrist binn, so haben mir dein Pilatus und so weiter widrige Eindrücke gemacht, weil du dich gar zu ungebärdig gegen den alten Gott und seine Kinder stellst. Deinen Pilatus hab ich so gar zu parodiren angefangen, ich habe dich aber zu lieb als daß mich's länger als eine Stunde hätte amüsiren sollen. D r u m laß mich deine Menschen Stimme hören damit wir von der Seite verbunden bleiben, da es von der andern nicht geht." 18 19

Vgl. H . Funck, Briefwechsel, S. 95. J o h . K. Lavater, Physiognomische Fragmente, B d . 2, S. 285 f. Vgl. das in der Ö N B Wien

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Nachdruck auf Hamanns „Prophetenblick" 2 0 hin. Übrigens stellt das Brustbild Hamann in der von ihm sehr geliebten Schlafmütze dar, worüber er zunächst sehr verärgert war 21 . Die beiden Zipfel der Mütze wirken nämlich auf den ersten Blick wie zwei Eselsohren. Aber auch nach Hamanns Tod, über den Lavater äußerst bestürzt war 22 , hat er seine Hochachtung über den Magus des Nordens mannigfach zum Ausdruck gebracht. Einmal hat er in seinen Briefen immer wieder lobend auf ihn hingewiesen; so bezeichnete er ihn in einem Schreiben 23 an Johann Büel als einen „herrlichen Mann, bestrahlt v o m Licht aus der Höhe". Z u m anderen hat er in seiner Handbibliothek für Freunde Passagen aus Hamanns Sokratischen Denkwürdigkeiten und Fünf Hirtenbriefen das Schuldrama betreffend abgedruckt 24 . Wie sehr er die Werke Hamanns geschätzt hat, geht aus den Worten hervor, mit denen er die Nachricht begrüßt hat, daß Jacobi posthum eine kommentierte Ausgabe von dessen gesammelten Schriften sowie eine Biographie plane 25 . Anders als es bei Oberlin und Hamann der Fall war, stand Lavater, wie bereits bemerkt, mit Jung-Stilling, Ewald und Krüdener nicht nur in brieflicher, sondern auch in persönlicher Verbindung. Die persönliche, recht innige, jedoch keineswegs spannungsfreie Freundschaft zwischen Jung-Stilling und Lavater 26 wurde am 22. Juli 1774 in Elberfeld geknüpft 27 , wo letzterer auf der Rückfahrt von seiner berühmten Reise nach Bad E m s für kurze Zeit geweilt hat. An dieser mehrfach überlieferten, denkwürdigen Zusammenkunft hatten auch Goethe, Jacobi und andere (Slg Lav 10. 112 / XXIII / 389) verwahrte Brustbildnis von Hamann, das von Johann Heinrich Lips gestochen ist. 2 0 Ebd. S. 285. 21 Siehe Brief: Hamann an Herder, 17. Juli 1775, gedr. in: Hamann, Briefwechsel, Bd. 3, S. 196f., Nr. 452. Vgl. C. H. Gildemeister, Hamann-Studien, S. 266f. 2 2 Siehe Brief: Lavater an Jacobi, 12. Juli 1788, gedr. in: S. Sudhof, Kreis von Münster, Τ. 1, 1. Hälfte, S. 428, Nr. 510; siehe auch 2. Hälfte, S. 250f., Nr. 510. 23 Brief: Lavater an Büel, 7. Dezember 1790, Z B Z , FA Lav. Ms. 554, Nr. 96. 24 Zitate aus Hamanns Sokratischen Denkwürdigkeiten finden sich unter dem Titel Stellen aus Andern gedruckt in: J o h . K . Lavater, Handbibliothek, Bd. 3, 1793, S. 182-185 (vgl. Hamann, SW, Bd. 2, S. 68, Ζ 3-7; 70, Ζ 19-23, 28-:32, 73, Ζ 10-12); aus Hamanns Fünf Hirtenbriefen das Schuldrama betreffend ebd. S. 185f. (vgl. S. 373, Ζ 12-19; 362, Ζ 1-7). Das a u f S . 185 angeführte Zitat stammt aus Hamanns Fünf Hirtenbriefen das Schuldrama betreffend. Lavaters Angabe, daß es den Sokratischen Denkwürdigkeiten entnommen ist, ist also falsch. 25 Brief: Lavater an Jacobi, 16. März 1791, gedr. in: Fr. H. Jacobi, Auserlesener Briefwechsel, Bd. 2, S. 53, Nr. 196 (vgl. J o h . K . Lavater, Handbibliothek, Bd. 2, 1791, S.36): „Der gute Hamann! Auf seine zusammengedruckten Schriften, von Dir commentirt, und sein Leben freue ich mich herzlich. Wie wird Er nun das ewige Lebenslicht mit tausend Sinnen, oder einem einzigen Allsinne verschlingen." Über diese von Jacobi erwartete Ausgabe der gesammelten Schriften Hamanns sieheJ. Nadler, Hamannausgabe, S. 77-116; J. Nadler, Hamann, S. 476f. 26 Über Lavater und Jung-Stilling siehe u.a. G.Stecher, Jung Stilling, bes. S. 207-210, 251-258 sowie die ausgezeichnete Studie von G. A. Benrath, Freundschaft zwischen JungStilling und Lavater. 2 7 Siehe u.a. die lebendige Schilderung von J o h . H . Jung-Stilling, Lebensgeschichte, S. 319-323.

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teilgenommen. Lavater, der sich bereits zuvor durch seinen Freund Hasenkamp ein Porträt von Jung erbeten hatte28, ist offensichtlich von dessen Physiognomie beeindruckt gewesen. Er ließ ihn nämlich sogleich von dem Zeichner Georg Friedrich Schmoll, der ihn auf dieser Reise begleitet hat, porträtieren. Das Brustbild rückte er in den ersten Band seiner Physiognomischen Fragmente ein29. In den erläuternden Zeilen konzedierte er zwar, daß die Physiognomie von Jung nicht diejenige eines tiefschürfenden Denkers sei, meinte aber darin Indizien eines freien Genies, gepaart mit „Kindereinfalt" 30 , zu erkennen. Trotz dieser offensichtlich recht geglückten Begegnung und trotz der Tatsache, daß beide in der Folgezeit gegenseitig ihre Schriften gelesen haben, kam es zunächst nur zu einer recht gelegentlichen Korrespondenz. Ein regelmäßigerer Briefwechsel setzte erst im Frühjahr 1780 ein31, dauerte dann aber bis zu Lavaters Tod32. Sogleich der erste, sehr ausführliche Brief 33 vom 29. April 1780 war bedeutsam, weil Jung-Stilling darin in großer Freimütigkeit Einblicke in seinen Lebensweg von seiner Niederlassung als Arzt und Ophthalmologe in Elberfeld bis zu seiner Berufung als Professor der Kameralwissenschaften nach Kaiserslautern gewährt hat. Veranlaßt worden war dieses Curriculum vitae durch ein Schreiben 34 Lavaters, in dem er Jung mitgeteilt hatte, daß er alle drei Bände seiner Lebensgeschichte mit Gewinn gelesen habe. Wie Gustav Adolf Benrath mit Recht bemerkt hat35, ist diese Schilderung jungs 28 Siehe Brief: H a s e n k a m p an Lavater, 18. Februar 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 511, N r . 232 (vgl. K. C h r . E. E h m a n n , Briefwechsel, S. 196): „ M i t der Meßgelegenheit wirst D u das v e r langte Portrait des H . D . Jungs s a m m t einem Briefe v o n i h m e m p f a n g e n . D u wirst D i c h w u n d e r n u. freuen, sehr freuen, ü b e r diesen M a n n , unsern Freund. Aber in der T h e o l o g i e fehlt i h m besonders n o c h der Schriftbegriffvoin Sohne Gottes, daß er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, w o r a n w i r uns so ergötzen. E r hat die Poiretische Vorstellung, wie Tersteegen, angenommen." 29

J o h . K. Lavater, P h y s i o g n o m i s c h e Fragmente, Bd. 1, S. 207, Taf. N r . 36. E b d . S. 208 f. 31 Allerdings weist die K o r r e s p o n d e n z auch fur diesen Z e i t r a u m i m m e r wieder U n t e r b r e chungen auf. 32 In der Z B Z finden sich 30 Briefe v o n Lavater an Jung-Stilling (FA Lav. Ms. 567, N r . 137-167) u n d 25 Briefe von Jung-Stilling an Lavater (Ms. 515, N r . 311-336). Briefe v o n Lavater an Jung-Stilling sowie v o n diesem an j e n e n finden sich u. a. — teilweise auszugsweise g e d r u c k t in: P.J. H . J u n g , Sendschreiben, S. 1 - 6 , 8 - 2 3 , N r . 1 - 4 , 6-14; A. Vömel, Briefe, S. 1-63; A. Vömel, Geistliche Briefe, S. 380ff.; J o h . H . Jung-Stilling, Lebensgeschichte, S. 659-666. Ü b e r das gesamte B r i e f w e r k siehe G. A. Benrath, Freundschaft zwischen J u n g Stilling u n d Lavater, S. 303 ff. 30

33 Brief: Jung-Stilling an Lavater, 29. April 1780, Z B Z , FA Lav. Ms. 515, N r . 317; gedr. in: J o h . H . Jung-Stilling, Lebensgeschichte, S. 659-666. 34 Dieses Schreiben Lavaters an Jung-Stilling ist nicht erhalten, w o h l aber das diesem beigelegte Gedicht (An H e r r n D o k t o r J u n g , Verfasser Heinrich Stillings. 1779.), in w e l c h e m er sich begeistert über dessen Lebensgeschichte äußerte; siehe J o h . K. Lavater, Vermischte G e reimte Gedichte, S. 383. 35 Siehe dessen E i n f u h r u n g zu d e m Brief v o n Jung-Stilling an Lavater v o m 29. April 1780 in: J o h . H . Jung-Stilling, Lebensgeschichte, S. 659.

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gleichsam eine Antizipation dessen, was er neun Jahre später als vierten Teil seiner Lebensgeschichte unter dem Titel Henrich Stillings häusliches Leben publiziert hat. Am 28. Juli 1793 ist Lavater seinem Freund Jung-Stilling übrigens nochmals begegnet, als er ihn in Marburg auf seiner Rückreise von Kopenhagen besucht hat36. Obgleich Lavater hier nur von Sonntag Nachmittag bis Montag Vormittag geweilt hat, gestaltete sich dieser Aufenthalt in der Stadt an der Lahn zu einem spektakulären Ereignis. Während Lavater und JungStilling im Kreis mehrerer Freunde miteinander zu Abend aßen und konferierten, hatten sich nämlich auf dem Platz vor dem Hause, in dem JungStilling wohnte, die Menschen dicht gedrängt versammelt und versucht einen Blick durch die Fenster zu werfen. Lavater hat Jung-Stilling zwar sehr geschätzt, hat ihm aber keineswegs kritiklos gegenübergestanden. Insbesondere vermochte er dessen apokalyptischen Vorstellungen nicht zu folgen. Hierbei bemängelte er vor allem, daß sich Jung hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der endzeitlichen Ereignisse der Berechnung Bengels angeschlossen habe37. Aber auch bezüglich der Terminologie und des Stils hat ihm anJung-Stillings literarischen Arbeiten mancherlei mißfallen, insbesondere seine ungenügende „Klarheit und Präzision" im Ausdruck; „es findet sich", so bemängelte er, „immer was Dunkles, Unpräzises, Mißbrauchbares, Unanwendbares, Halbgesehenes in seinen Schriften" 38 . Jung-Stilling seinerseits hat vor allem an Lavaters „Thomas=Trieb", seinem „Zeichen- und Wunder=Hunger" 3 9 heftige Kritik geübt. In mehreren Briefen hat er diesen vor seinem Insistieren auf religiöse Erfahrungen zwecks Verifikation des christlichen Glaubens gewarnt und ihn mit Nachdruck daraufhingewiesen, daß der Glaube sich weder auf äußere Erfahrungen gründen noch von ihnen leben dürfe. Wie sehr Lavater dennoch Jung-Stilling verehrt hat, wird nicht zuletzt daran deutlich, daß er wiederholt Auszüge aus dessen Schriften in seinen Werken abgedruckt hat40. Allerdings hat er diese Exzerpte seinerseits unge36 Hierzu u n d z u m Folgenden siehe J o h . H . Jung-Stilling, Lebensgeschichte, S.495. In Lavaters Reisetagebuch nach K o p e n h a g e n ( Z B Z , FA Lav. Ms. 24) ist v o m 28. Juli 1793 kein Eintrag v o r h a n d e n . 37 Siehe z . B . Brief: Lavater an Jung-Stilling, 12 u. 13. M ä r z 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 567, N r . 159; auszugsweise gedr. in: P.J. J u n g , Sendschreiben, S. 9 f f . , N r . 8. Vgl. Brief: Lavater an Zeerleder, 21. O k t o b e r 1800, Z B Z , FA Lav. Ms. 587, N r . 7. 38 Brief: Lavater an Cölln, 1. April 1797, Z B Z , FA Lav. M s . 556, N r . 60. 39 Brief: Jung-Stilling an Lavater, 18. J u n i 1797, ebd. M s . 515, N r . 329; gedr. in: A. Vömel, Briefe, S. 30. Vgl. Brief: Lavater an Cölln, 14. Juli 1797, Z B Z , FA Lav. M s . 556, N r . 61: „ O h wie sehr schreibst D u m i r aus d e m Herzen u n d in wie ganz a n d e r m Ton als der sonst gute, liebe J u n g , der m i c h v o r Gebethserhöhrungserwartung, als v o r jüdischer Zeichen u n d Wundersucht warnt." 40 Auch Briefe an Jung-Stilling hat Lavater veröffentlicht, so mit geringfügigen, aber g e wichtigen Auslassungen sein Schreiben an ihn v o m 26. Mai 1792 ( Z B Z , FA Lav. M s . 567,

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scheut mit Anmerkungen versehen, wenn er meinte, theologische oder literarische Kritik üben zu müssen. So rückte er beispielsweise im Jahre 1795 in das von ihm herausgegebene Periodikum Christliche Monatschrift für Ungelehrte einige Passagen aus Jung-Stillings eben erst erschienenem dritten Band seines bedeutendsten Romans Heimweh ein41. Jedoch unterließ er es nicht ausdrücklich anzumerken, daß er sich keineswegs mit diesem Werk Jungs identifizieren könne. „Stillings Heimweh", so schrieb er, „ist ein für die Welt zu dorniges, für mich zu räthselhaftes Buch, als daß ich es jemandem empfehlen dürfte, und zu geistig und christlich, als daß ich esjemandem mißrathen mögte" 4 2 . Lavater, der nach verifizierbarer Erfahrung des Übersinnlichen Ausschau hielt, stieß sich vor allem an der von Jung-Stilling gewählten allegorischen Darstellungsweise 43 . Als Jung-Stilling die Nachricht v o m Tode Lavaters erhielt, hat er auf seinen Freund, der ihm noch wenige Monate vor seinem Ende einen theologisch recht bedeutsamen Brief 14 geschrieben hatte, eine Elegie verfaßt 45 . Dieses Gedicht, das bezeichnenderweise den Titel Lavaters Verklärung trägt, hat er übrigens auch in die dritte Auflage seiner Scenen aus dem Geisterreiche eingerückt 46 . Später hat er Lavaters Verwundung und Sterben sogar in seiner vielgelesenen Lebensgeschichte geschildert 47 und ihn als „Blutzeugen der Wahrheit" 48 verherrlicht. Auch nach dem Tod Lavaters hat Jung-Stilling mit dessen Familie Kontakt gehalten. Als er im Frühling 1801 mit Elisabeth, seiner dritten Frau, in die Schweiz reiste, hat er in Zürich Lavaters Witwe und dessen Schwiegersohn Geßner besucht 49 . Ein erneutes Zusammentreffen erfolgte dann schon im Herbst des nächsten Jahres 5 0 . Man kann also konstatieren, daß Jung-Stilling wohl zu denjenigen Vorläufern der Evangelischen Erweckungsbewegung gehört, mit denen Lavater N r . 148) in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 2, 1792, S. 354-358 (Briefe und Auszüge aus Briefen). Vgl. P.J. H. J u n g , Sendschreiben, S. 2f., N r . 2. 41 J o h . K. Lavater, Christliche Monat-Schrift für Ungelehrte, B d . 1, 1795, S. 236-240 (Einige Gedanken aus Stillings Heimweh, drittem Bande.). Diese Zitate sind den Seiten 5, 33, 39f., 70, 88, 100, 162, 173 ff. u. 205 entnommen. 4 2 Ebd. S. 236. 4 3 Ü b e r Lavaters Kritik siehe auch Brief: Lavater an Jung-Stilling, 25. Juni 1795, Z B Z , FA Lav. M s . 567, Nr. 151; gedr. in: A. Vömel, Briefe, S. 11 ff. 4 4 Brief: Lavater an Jung-Stilling, 12. März 1800, Z B Z , Lav. M s . 567, N r . 159; auszugsweise gedr. in: P.J. H. J u n g , Sendschreiben, S. 9 f f . , Nr. 8. Übrigens hat Lavater gleichsam posthum Jung-Stilling noch einige Verszeilen z u k o m m e n lassen. Diese „Denkzeile" ist abgedruckt in: P.J. H . J u n g , Sendschreiben, S. 23, N r . 15. Vgl. G. Stecher, J u n g Stilling, S. 210. 4 5 Das Gedicht Lavaters Verklärung, besungen von Heinrich Stilling wurde 1801 in Frankfurt am Main gedruckt. 4 6 J o h . H . J u n g , Scenen aus dem Geisterreich, B d . 1, S. 100. 4 7 J o h . H . Jung-Stilling, Lebensgeschichte, S. 530 ff. « Ebd. S. 532. 4 9 Siehe ebd. S. 544ff.; vgl. S. 543. 5 0 Siehe ebd. S. 554ff. u. 580. Vgl. M . G e i g e r , Aufklärung und Erweckung, S. 120f.; W. Güthling, Jung-Stilling in der Schweiz, S. 30.

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zwar keineswegs kritiklos, wohl aber am intensivsten verbunden gewesen ist51. Er hat Jung mannigfach beeinflußt; dies gilt insbesondere hinsichtlich der eschatologischen Vorstellungen vom Zwischenzustand. Außer auf Lavaters Beziehungen zu Jung-Stilling ist auf die zu Johann Ludwig Ewald, der seit 1770 Pfarrer in Offenbach am Main und seit 1781 Superintendent und später Generalsuperintendent in Detmold gewesen ist, hinzuweisen 52 . Ihre briefliche Verbindung setzte spätestens im Juli 1774 ein53. Im Sommer dieses Jahres sind sie sich dann anläßlich Lavaters Rückreise von Bad Ems in Frankfurt am Main selbst oder in der Nähe auch erstmals persönlich begegnet 54 . Ewald fühlte sich Lavater zutiefst verpflichtet, weil er seine Erweckung ihm mit verdankte. „Ja", so schrieb er an Lavater, „Du kannst ausdrüklich davor Gott danken, denn Du hast wahren Sinn für Christusreligion in mir gewirkt! Eine Situation in meinem Leben, die ich, ach Gott, so gerne Dir erzehlen m ö c h t e , . . . und Du haben mich auf den Weg gefuhrt, um Christ zu werden, davor will ich ewig Gott anbäten. "55 Allerdings kam es zunächst nicht zu einer regelmäßigeren Korrespondenz. Diese setzte erst zu Beginn der achtziger Jahre ein, nachdem Ewald 1783 sein Amt als Konsistorialrat und Generalsuperintendent in Detmold angetreten hatte. Gleichwie sich Ewald eifrig mit den Werken Lavaters beschäftigt hat, so hat auch dieser dessen Schriften gelesen und ihm sein Urteil mitgeteilt 56 . Da er die Werke Ewalds geschätzt hat, hat er nicht nur empfehlend auf sie hingewiesen,· sondern auch Passagen daraus veröffentlicht. So hat er beispielsweise 1792 und 1793 Auszüge aus Ewalds Schrift Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen sowie Stellen aus dessen Werk Lazarus fur gebildete Christusverehrer, besonders für Leidende in seiner Handbibliothek für Freunde 57 51 Vgl. dagegen die in dieser Form zu undifferenzierte Behauptung von Fr. W. Kantzenbach (Sailer und der ökumenische Gedanke, S. 30), daß „Lavater Jung-Stilling sehr kritisch gegenüberstand . . . Lavater kam über die ,Kruditäten'Jung-Stillings... nicht hinweg". 52 In der Z B Z finden sich 23 Briefe Lavaters an Ewald (FA Lav. Ms. 558, Nr. 83-105) und 31 Briefe Ewalds an Lavater (ebd. Ms. 507, Nr. 267-294; Ms. 599). 53 Der erste erhaltene Brief Ewalds an Lavater ist datiert vom 12. Juli 1774 (ebd. Ms. 507, Nr. 269). Damit ist die Zeitangabe von M. Brecht (Spätpietismus, S. 138: „Etwa 1777 kam Ewald in Berührung mit Lavater, durch den er auf die Schriften von Ph. Mt. Hahn hingewiesen wurde.") zu korrigieren 54 Vgl. Briefe: Ewald an Lavater, 12. Juli 1774, Z B Z , FA Lav. Ms. 507, Nr. 269: „Wenn Sie wieder durch Frankfurt kommen, so muß ich Sie sehen." Lavater an Ewald, s. a. [1774], ebd. Ms. 558, Nr. 83: wenn ich das Vergnügen haben werde, Sie etwa in 14 Tagen vermuthlich in Frankfurt zusehen." Ewald an Lavater, 17. Juli 1778, ebd. Ms. 507, Nr. 270: „ . . . so gerne Dir erzehlen möchte, wenn ich Dich wieder einmal, wie ehemals, von Angesicht zu Angesicht sehen könnte." 55 Brief: Ewald an Lavater, 17. Juli 1778, ebd. Ms. 507, Nr. 270. 56 Siehe ζ. B. Brief: Lavater an Ewald, 2./13. Juli 1783, ebd. Ms. 558, Nr. 84. 57 Passagen aus Ewalds Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen finden sich mit dem Titel Vermischte Gedanken aus Einer Abhandlung von der Lehre von der Versöhnung durch Christus. Aus Ewalds Prediger-Buche in: J o h . K . Lavater, Handbibliothek, Bd. 2, 1792, S. 195-199. Die Passagen sind folgenden Seiten entnommen: H. 6, 1789, S. 6f., 9-14. Auszüge

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sowie in seiner Wochenschrift Christliches Sonntagsblat 58 abgedruckt. Wie sehr Ewald in dieser Zeit meinte mit Lavater in einem gemeinsamen literarischen Kampf gegen den Rationalismus zu stehen, zeigt sich darin, daß er ihn unbedingt als Mitautor für seine projektierte Monatsschrift, die ab 1793 unter dem Titel Urania herauskam, gewinnen wollte. Tatsächlich hat sich Lavater recht spontan zur Lieferung von Beiträgen bereiterklärt 59 . Als Ewald bei Lavater anfragte, ob man nicht auch Goethe zu einer Mitarbeit bewegen könnte 60 , winkte er ab. Goethe sei, so schrieb Lavater, „gewiß ungewinnbar", und es scheine ihm auch unter der „Würde, ihn zu einer doch im Grunde christlichen Monatschrift... bereden" 61 zu wollen. Als Ewald in den neunziger Jahren immer entschiedener gegen die Französische Revolution und deren Folgen Front machte, hat Lavater ihm lebhaft beigepflichtet. Denn auch er beobachtete die Entwicklung in Frankreich seit dem Sturm auf die Tuilerien, der Gefangennahme des Königspaares und der Hinrichtung Ludwigs XVI. mit Abscheu und Entsetzen. Deshalb hat er empfehlend auf Ewalds Invektiven gegen die Französische Revolution hingewiesen. So riet er beispielsweise Francis Cuningham in einem Schreiben 62 vom 23. Februar 1793 dringend Ewalds Schrift über Revolutionen zu lesen. Dieses kleine Werk rechnete Lavater „unter die beßten, zeitbedürftigsten Produkte unsers Zeitalters" und er hätte es gern allen politisch Engagierten und Verantwortlichen in die Hände gegeben. „Ich mögte", erklärte er emphatisch in seinem Brief an Cuningham, „allen Sturm und Brausköpfen, die für und wider Revolutionen schreyen, zurufen können: „Sucht Eüch eine ruhige Stund' aus, diese Schrift zu lesen!" Ich mögte allen Fürsten, die ich kenne, und nicht kenne, zurufen: „Sucht eine ruhige Stunde aus, diese Schrift zu lesen!"... Ich mögte allen Magistraten zurufen: „Setzet eine Stunde fest, das Wesentliche dieser Schrift in Eüern Rathsversammlungen zu lesen." Diese Empfehlung von Ewalds Schrift über Revolutionen hat Lavater, vermehrt mit aus dem Vorwort, dem Inhaltsverzeichnis sowie aus dem Werk selbst entnommenen Exzerpten, alsbald in seine Handbibliothek für Freunde eingerückt 63 . aus Ewalds Schrift Lazarus sind abgedruckt in: ebd. Bd. 5, 1792, S. 132-150 unter dem Titel Stellen aus Ewalds Lazarus. 58 Exzerpte aus Ewalds Schrift Lazarus finden sich unter dem Titel Stellen aus Ewalds Lazarus in:Joh. K. Lavater, Christliches Sonntagsblat, H. 2, 1793, S. 27-30. 59 Hierzu und zu Lavaters weiterer Mitarbeit an der Urania siehe Briefe: Lavater an Ewald, 11. Mai u. 1. Juni 1791, 21. Januar u. 23. Februar 1792, Z B Z , FA Lav. Ms. 558, Nr. 89-92. 60 Siehe Brief: Ewald an Lavater, 11. Februar 1792, ebd. Ms. 507, Nr. 279: „Ob w o l Göthe nicht zu bewegen wäre?" 61 Brief: Lavater an Ewald, 23. Februar 1792, ebd. Ms. 558, Nr. 92. 62 Brief: Lavater an Cuningham, 23. Februar 1793, ebd. Ms. 556, Nr. 128; auszugsweise gedr. in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 5, 1793, S. 41-63 (die folgenden Zitate finden sich aufS. 41 u. 43). 63 Siehe Joh. K. Lavater, Handbibliothek, Bd. 5, 1793, S. 41-63. Der auszugsweise gedr. Brief findet sich hier folgerichtig unter dem Titel Ueber Ewalds Revolutionen, da dieses Schreiben nur soweit publiziert wurde, als es diese Thematik berührt.

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Wohl nicht zuletzt auch wegen dieser Übereinstimmung in der Beurteilung der politischen Lage, vor allem aber wegen ihres gemeinsamen K a m p fes gegen die radikale Aufklärung und Revolution hat Lavater im Juli 1793 auf seiner Rückreise von Kopenhagen den U m w e g über Detmold in K a u f genommen, um dort mit Ewald zusammenzutreffen. Hier führten sie mehrfach intensive Gespräche, deren Vertraulichkeit nicht zuletzt daran evident wird, daß Lavater ihn in den eigentlichen Zweck seiner Reise nach Kopenhagen, nämlich mit dem Lichtorakel in realen Kontakt zu kommen, einweihte. Ewald seinerseits führte Lavater in seinem Bekanntenkreis ein. Von Detmold aus machten sie gemeinsam einen Abstecher nach dem damaligen Modebad Pyrmont 6 4 . Nach mannigfachen Gesprächen hat sich Lavater dort mit den Worten: „Laß uns immer einfacher werden, immer mehr Eins suchen", von Ewald „mit innigster Liebe" verabschiedet 65 . Nach dieser Begegnung vertieften sich ihre Beziehungen noch mehr, wie der rege und sehr vertraute Briefwechsel zeigt. Auch wurde Lavater nun tatsächlich zu einem Berater und Mitarbeiter an der bereits erwähnten Zeitschrift Urania. Aus seiner Feder stammen mehrere zwischen 1793 und 1796 erschienene Beiträge 66 . Allerdings hat er diese nur sehr säumig und keineswegs in der versprochenen Anzahl geliefert 67 . Auch hat Lavater weiterhin durch Exzerpte aus Ewalds Werken, die er in seine eigenen Publikationen einrückte, empfehlend auf dessen Veröffentlichungen hingewiesen, so auf die Schriften Was sollte der Adel jezt thun 68 und Christliche Ideen und Empfindungen 6 9 . Aber auch als die Zeitschrift Urania im Jahre 1795 ihr Erscheinen einstellte, blieben Lavater und Ewald weiterhin in enger Verbindung. Sie tauschten 6 4 Hierzu und zum Folgenden siehe J o h . K. Lavater, Reisetagebuch nach Kopenhagen, Einträge v o m 24. u. 25. Juli 1793, Z B Z , FA Lav. Ms. 24. In Pyrmont, w o er am 24. Juli spät abends eintraf und bis zum nächsten Tag blieb, führte Lavater zahlreiche Gespräche mit einigen dort zur Kur weilenden Gästen, so mit der Herzogin von Mecklenburg. 6 5 Briefauszug: Ewald an N N , 8. August [1793], ebd. M s . 507, N r . 266. 6 6 Folgende Beiträge stammen von Lavater: Urania, B d . 1, 1793, S. 67-70 (Ueber Vielseitigkeit Gottes); S. 71-75 (Zweifel, Redlichkeit); S. 247-248 (Christus. Menschheit. Schwärmerei); S. 249-253 (Katholizismus. An Herrn P. in L.); S. 254f. (Talent und Genie); S. 349 ff. (Erkennbarkeit des Vaters in dem Sohne); S. 527-590 (Etwas zur Charakterisirung des Kaisers Joseph II. aus einem Tagebuch von Lavater); B d . 4, 1796, S. 68-73 (Ein Urtheil über die Ersten Stücke der Urania); S. 155-159 (Ulrich und Heß). Das Gedicht Ulrich und Heß ist übrigens 1795 auch als eigener Druck erschienen.

Hierauf ist E w a l d in seinen Briefen an Lavater wiederholt klagend eingegangen. Passagen aus Ewalds Schrift Was sollte der Adeljezt thun? finden sich unter dem Titel Aus Ewalds Broschüre: Was sollte der A d e l j e z t thun? in: Joh. K. Lavater, Handbibliothek, B d . 3, 1793, S. 263 f. 6 9 Exzerpte aus Ewalds Christliche Ideen und Empfindungen finden sich unter dem Titel Einige Stellen aus Ewalds christlichen Ideen und Empfindungen, einer der empfehlungswürdigsten Schriften unsers Zeitalters in: J o h . K. Lavater, Christliche Monat-Schrift fur Ungelehrte, B d . 1, 1795, S. 339-345. Die wiederabgedruckten Passagen sind B d . 2, S. 1 3 f „ 18ff., 47, 66, 71, 73, 78f., 99, 106, 108, 1 1 0 f „ 121 f., 124u. 206ff. entnommen. 67

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persönliche und familiäre Nachrichten aus und teilten sich Informationen über ihren Bekanntenkreis mit. Hierbei übernahm Ewald vielfach auch die Rolle eines Mittelsmannes zu Lavaters nordischen Freunden. So bat Lavater ihn am 3. Juni 1797 darum: „Grüße mir ausdrücklich die Klaudiuße, Jakobi, Stolberg, Schloßer und alle, die mich lieben. In Altona ist ein Mennonit van der Smißen, der sehr fromm und dienstfertig ist. Ich wünschte, daß D u ihm einen Gruß von mir brächtest. "70 Darüber hinaus hielten sich Lavater und Ewald selbstverständich auch über ihre eigenen literarischen Pläne und Arbeiten auf dem laufenden. Letztendlich sei noch kurz auf Lavaters Kontakt zu Barbara Juliane von Krüdener hingewiesen 71 , obgleich sie damals noch keineswegs zu den Erweckten zu rechnen ist72. Lavater hat die exzentrische Baronin im August 1798 in Zürich kennengelernt, als sie hier mit Henriette von Schuckmann zu einem kurzen Besuch eingetroffen war73. Krüdener kam von Lindau, w o sie seit einigen Wochen verweilte, nachdem sie Mitte Januar 1798 ihr Domizil in Lausanne, in das sie nach der Entfremdung von ihrem Gatten74 gezogen war, wieder verlassen hatte. An diese persönliche Begegnung, deren sie beglückt gedachte 75 , schloß sich ein kurzer Briefwechsel 76 an. Darin hat Krüdener Lavater unter anderem fur Jean Paul zu begeistern gesucht 77 . Deshalb hat sie Lavater auch Briefe, die der Dichter an sie gerichtet hatte, zur Lektüre zugesandt 78 . Allerdings hatte Lavater schon vorher selbst zweimal durch

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Brief: Lavater an Ewald, 3. Juni 1797, Z B Z , FA Lav. Ms. 558, Nr. 102. Über Lavater und Krüdener siehe u. a. E. J. Knapton, The Lady of the Holy Alliance, S. 39; Fr. Ley, Krüdener, S. 138 f. 72 Die Bekehrung von Krüdener erfolgte erst 1804, also einige Jahre nach Lavaters Tod. 73 Der Eintrag ins Gästebuch vom 31. August 1798 lautet:,Julie de Krüdner, nee de Vietinghoff. Henriette de Schucseman le 31. nn d'Aout 1798", Z B Z , FA Lav. Ms. 15f (Fotographie). 74 Lavater hatte den Ehemann von Juliane, den deutsch-baltischen Baron Burchard Alexis Konstantin von Krüdener, übrigens 1793 in Kopenhagen persönlich kennengelernt, wo dieser dazumal akkreditierter russischer Gesandter gewesen war. In seinem Eintrag ins Gästebuch bedauerte dieser, daß er nicht ausfuhrlicher mit Lavater über seine Probleme habe reden können. Vgl. R. Pestalozzi, Lavaters Fremdenbücher, S. 117f. 75 Siehe Brief: Krüdener an Lavater, 12. Dezember 1798, gedr. in: K. Wolff (Hrsg.), Briefe und Verse aus Goethes Zeit, S. 21 ff.: „Die schöne Erinnerung an Lavater gehört zu den Freuden des Lebens, die nie verwelken; mit Dankbarkeit nehme ich aus der Hand der Vorsehung das Glück, Sie zu kennen und in Ihrer Gegenwart einige Augenblicke verlebt zu haben." 76 In der Z B Z finden sich drei Briefe von Lavater an Krüdener (FA Lav. Ms. 569, Nr. 48ff.) und zwei Briefe von dieser anjenen (ebd. Ms. 517, Nr. 243f.). 77 Uber die Beziehungen zwischen Krüdener und Jean Paul siehe u. a. D. Berger, Jean Paul (Lit.). 78 Siehe Brief: Krüdener an Lavater, 22. September 1798, Z B Z , FA Lav. Ms. 517, Nr. 244: „Hätte ich die Briefe von Jean Paul früher überschiken können, so hätten Sie meine Bitte, meine ernstliche Bitte, meiner nicht zu vergessen, früher erhalten." Vgl. Brief: Lavater an Krüdener, 4. Oktober 1798, ebd. Ms. 569, Nr. 49; gedr. in: E. Berend, Jean Paul, S. 48. 71

173

Empfehlungsschreiben mit Jean Paul Kontakt gesucht 79 , von diesem aber keine Antwort erhalten 80 . Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß von den Beziehungen, die Lavater zu einzelnen Vorboten oder Wegbereitern der Evangelischen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts gehabt hat, zweifelsohne diejenigen zu Hamann und Ewald, sowie insbesondere zu Jung-Stilling die wichtigsten und wirkungsgeschichtlich bedeutendsten gewesen sind.

2. Die literarische Rezeption

Lavaters in der Evangelischen

Erweckungsbewegung

Einen indirekten Beitrag zur Evangelischen Erweckungsbewegung hat Lavater dadurch geleistet, daß seine Schriften in ihr eine gewisse Wirkungsgeschichte gehabt haben. Dieser literarische Einfluß bestand zunächst einmal darin, daß Schriften Lavaters in Kreisen von Erweckten gelesen worden sind. So gehörten beispielsweise seine Werke zur Lektüre der Anhänger der Fränkischen Erweckungsbewegung in Nürnberg und Fürth. Zu denjenigen, die hier durch sie mit beeinflußt worden sind, ist nicht zuletzt Wilhelm Löhe zu rechnen. Im Laufe seines Theologiestudiums, das er im Herbst 1826 in Erlangen begonnen hatte, hat er sich nämlich auch regelmäßig in Lavater vertieft 1 . Leider ist nicht bekannt, welche Schriften des Zürichers er damals gelesen hat. Auch während seiner Vikarszeit hat Löhe weiterhin Lavater sehr geschätzt. Im November 1835 sandte er deshalb Johann Merkel, der zu dem Kreis der Nürnberger Erweckten gehörte und damals gerade zum Bürgermeister gewählt worden war, Lavaters biblisches Epos Pontius Pilatus zur Lektüre 2 . Überraschend ist es, daß Löhe auch später, als er sich längst zu einem Vertreter des konfessionellen Luthertums entwickelt hatte, dieses Werk Lavaters, vor allem dessen ersten Teil3, hoch geachtet hat. Er hat dieses biblische Epos mehr bewundert als den Messias von Klopstock, da Lavater in seiner Dichtung im Unterschied zu diesem sich enger an die biblische 79 Diese beiden Briefe von Lavater an Jean Paul, datiert vom 3. März u. 21. April 1797, sind gedr. in: E. Berend, Jean Paul, S. 41 f. u. S. 45 f.; der Brief vom 3. März 1797 ist auszugsweise auch gedr. in: Anonym, Wahrheit, H. 5, S. 198 f. Vgl. Jean Paul, Briefe, Bd. 2, S. 530, Nr. 173 u. 183. 80 Siehe E. Berend, Jean Paul, S. 44 u. 46f. 1 Siehe S. Hebart, Löhes Lehre von der Kirche, S. 29 u. W. Löhe, GW, Bd. 1, S. 166; die Einleitung ist von K. Ganzert. Auf meine Anfrage hin, teilte mir K. Ganzert am 16. September 1986 folgendes mit: „In dem ersten Drittel des Jahres 1828 beschäftigte sich Löhe offenbar neben vielem andern mit Lavater. Man findet im Tagebuch 1828 folgende Einträge: „18-24. Febr Beim Essen: Schuberts Reise. Calvin. Lavater..." Am 24. II. steht nochmal ausdrücklich das Gleiche. Am 2. III. heißt es: „Leetüre: Schuberts Reise . . . Denkwürdigkeiten. Claudius. Calvin. Lavater." Es kann sein, daß es noch mehr Stellen gibt, auch außerhalb des ersten Drittels 1828." 2 Siehe Brief: Löhe an Merkel, 21. November 1835, gedr. in: W. Löhe, GW, Bd. 1, S. 439 f. 3 Hierzu und zum Folgenden siehe Brief: Löhe an Meyer, 6. August 1846, gedr. in: ebd. S. 752 ff.

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Vorlage angelehnt habe. Für Löhe war es unverständlich, daß Klopstock Christus Worte in den Mund zu legen und Taten zuzumessen wagte, die nur der Phantasie des Dichters entsprungen waren. „Der Bräutigam seiner Kirche", so schrieb Löhe, „taugt für diese zu keinem Epos, er ist ihr H y m nus. Ich ärgere mich gründlich, wenn ich merke, wie keck Klopstock dem Herrn erdichtete Worte in den Mund legt oder ihm ausgedachtes Tun zuschreibt. Haben die hl. Apostel Inspiration gebraucht, um aufzuschreiben, was er wirklich geredet und getan, was sie zuvor gesehen und gehört; was soll man von der Keckheit denken, wenn ein armer Sünder ohne Inspiration dichtet, was der Herr gesagt oder getan haben könnte" 4 . Allerdings stand Löhe Lavater keineswegs kritiklos gegenüber. Er bezeichnete ihn undJung-Stilling zwar als „einzig in ihrer Art, jeder in der seinigen" 5 . Er war aber davon überzeugt, daß sie keineswegs den „großen Beifall" erhalten hätten „wenn sie im vollen Glanz und Harnisch ewiger Wahrheit ihrer Zeit entgegengetreten wären, wenn sie sich nicht in manchen Stücken amalgamiert hätten". Die Lektüre von Werken Lavaters ist aber offensichtlich auch von einzelnen führenden Gestalten der Erweckungsbewegung gezielt gefordert worden. Sie haben nämlich auf den Züricher aufmerksam gemacht und dadurch indirekt zur Beschäftigung mit seinen Werken ermuntert. So hatte beispielsweise der Naturforscher und Philosoph Gotthilf Heinrich Schubert, der das Vertrauen der Erweckten besaß, in seiner Autobiographie bei der Beschreibung seiner Reise durch die Schweiz im Jahre 1820 auch seinen Aufenthalt in Zürich geschildert. Diesen Anlaß hat er dazu benutzt, auf Lavater als den „Wächter auf der Zinne, vor den Stunden der Mitternacht" 6 hinzuweisen. Erwähnt sei auch noch das Homiletisch-liturgische Correspondenz-Blatt, eine Zeitschrift, die dezidiert gegen den Rationalismus in Kirche und Gesellschaft angekämpft hat. In diesem Publikationsorgan für Pfarrer wurde 1826 ein Beitrag von August Bomhard unter dem Titel Das hintere Gesicht veröffentlicht. Darin wollte Bomhard unter anderem zeigen, wie unrecht der Rationalismus habe, die Frommen im präjudiziellen Sinn als Mystiker zu apostrophieren. Unter diese habe man auch Lavater subsumiert; eine Lektüre seiner Werke mache jedoch deutlich, daß er in Wirklichkeit zu denjenigen gehört habe, die am biblischen Glauben festgehalten haben. Er schrieb: „Man sagte mir: Lavater ist ein Mystiker. Da las ich viele Schriften Lavaters. Und ich fand einen Geist, reich an allerlei köstlichen Gütern in Christo, ein Herz, erfüllt von Gottes Gnade und Wahrheit, ein Feuer, wie es dort auf den Altar des Elias vom Himmel herabfiel „und fraß Brandopfer, Holz, Steine und Erde, und leckte das Wasser auf in der Grube" - eine Rede, gewaltig, 4

Ebd. S. 752. Brief: Löhe an Reinsch, 24. Juni 1836; den Hinweis auf diesen Brief (ohne Fundortangabe) und das Zitat verdanke ich der freundlichen Auskunft von K. Ganzert. Vgl. den in W. Löhe, GW, Bd. 1, S. 467 ff. auszugsweise abgedruckten Brief. 6 G. H. Schubert, Erwerb, Bd. 3, Abt. 2, S. 345. 5

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und nicht wie der Schriftgelehrten und Pharisäer, ein Licht, das da erwärmet, erleuchtet und zündet; einen Glauben, der Berge versetzet, eine Liebe, die stärker ist als der Tod, eine Hofnung, die nicht zu Schanden werden lässet; ein Haus auf den Felsen gegründet, das nicht wanket im Sturm und Wogengebrauße. Da neigte ich mich ehrerbietig der edlen Erscheinung und dachte: Dich schmähen ist freilich ziemlich viel leichter, als denken, fühlen, glauben, lieben, dulden, hoffen, sterben, wie du!" 7 Die literarische Wirkung Lavaters bestand zum anderen darin, daß sich wiederholt Anhänger der Erweckungsbewegung darum bemüht haben, einzelne seiner Schriften zum Nachdruck zu bringen. Verwiesen sei hier paradigmatisch nur auf zwei der Evangelischen Erweckungsbwegung zugehörige Verleger, nämlich auf den Nürnberger Verleger Johann Philipp Raw und den Verlags- und Sortimentsbuchhändler Christian Friedrich Spittler. Der Nürnberger Verleger Johann Philipp Raw 8 hat noch zu Lavaters Lebzeiten dessen Evangelisches Handbuch für Christen gedruckt 9 . In dessen Todesjahr brachte er dann in seinem Verlag dessen Sammlung Christlicher Gebether auf den Markt 10 . Ein Nachdruck erschien im Jahre 182211. Ein Nachfolger Raws, Johann Christoph Jakob Fleischmann 12 , übrigens ein Freund Löhes, gab im Jahre 1840 schließlich nochmals eine neue Auflage heraus 13 . Spittler, einer der bedeutendsten Sekretäre der Deutschen Christentumsgesellschaft, hat als Buchhändler 14 Lavaters Handbibel fur Leidende in den Jahren 1825 und 1833 in Basel neu aufgelegt 15 . Beim Nachdruck von Schriften Lavaters hat man sich aber bezeichnenderweise nahezu ausschließlich auf diejenigen Werke konzentriert, in denen eine individualistische und gefühlsbetonte Tendenz deutlich wird. Man verstand also Lavater offensichtlich mehr oder weniger ausschließlich als Erbauungsschriftsteller. Deshalb haben die Väter oder frühen Repräsentanten der Evangelischen Erweckungsbewegung keines von Lavaters großen Werken, wie seine Aussichten in die Ewigkeit oder seine Physiognomischen Fragmente, neu aufgelegt. 7

A. [Bomhard], Das hintere Gesicht, Sp. 470 f. Über Raw siehe W. Hahn, Verlag der Raw'schen Buchhandlung, S. 84-138. 9 Siehe ebd. S. 142, Nr. 18. 10 Siehe ebd. S. 152, Nr. 87. W. Hahns bibliographische Angabe ist jedoch dahingehend zu ergänzen, daß von diesem Gebetbuch i m j a h r e 1801 zwei Ausgaben im Druck erschienen sind. 11 Siehe ebd. S. 167, Nr. 205; vgl. S. 151, Nr. 87. 12 Über Fleischmann siehe W. Hahn, Verlag der Raw'schen Buchhandlung unter Fleischmann, S. 108. 13 Siehe ebd. S. 140; vgl. W.Hahn, Verlag der Raw'schen Buchhandlung, S. 151, Nr. 87 u. S. 167, Nr. 205. 14 Über Spittler als Verlags- und Sortimentsbuchhändler ist eine eigene Untersuchung ein Desiderat. Vgl. Buchhandel, S. 215 f. 15 Dieses Werk Lavaters war erstmals 1788 in Winterthur erschienen. Die von Spittler besorgten Ausgaben von 1825 und 1833 erschienen in Basel. 8

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Auch hat m a n seitens der E r w e c k u n g s b e w e g u n g keines der stärker theologisch ausgerichteten Werke Lavaters nachgedruckt, u m sie zur Auseinandersetzung mit ihren Gegnern zu verwenden. Eine gewisse Ausnahme bildet der Abdruck eines Kontroversschreibens Lavaters an Semler i m Jahre 1828 i m Homiletisch-liturgischen Correspondenz-Blatt 1 6 . In diesem, v o m 18. Dezember 1771 datierten Brief hatte Lavater gegen Semlers „freie U n t e r suchung des Kanons" Front gemacht. Er führte dessen Kanonkritik zwar keineswegs ausschließlich, aber vor allem auf den ethizistischen Ansatz seiner Aufklärungstheologie zurück. Alle alt- und neutestamentlichen Aussagen, die diesem nicht entsprächen, w ü r d e n „abgesondert".

3. Lavaters theologischer undfrömmigkeitsgeschichtlicher Einfluß auf die Evangelische Erweckungsbewegung Lavaters Bedeutung für die Evangelische E r w e c k u n g s b e w e g u n g bestand schließlich darin, daß er deren Theologie 1 und Frömmigkeit gewisse Impulse vermittelt hat. Hingewiesen sei hier einmal auf seine entschiedene Frontstellung gegen Neologie und Rationalismus sowie auf seine Verurteilung der Französischen Revolution. Diese hatte Lavater zwar anfänglich bejaht und sogar begrüßt 2 , doch spätestens seit dem Sturm auf die Tuilerien w u r d e er ihr gegenüber zurückhaltend u n d skeptisch. Alsbald hat er sie dann leidenschaftlich abgelehnt u n d bekämpft. Emphatisch erklärte er: „Den Christen hab' ich nur Eins zu sagen: Ihr erkennt in dieser Revolution den Geist, der sich erhebt über alles, was Gott und Gottesdienst genennt wird, und sich in den Tempel Gottes sezt, u. vorgiebt ersey Gott. Die Zeichen u. Wunder, die Er thut, können beynah' auch Auserwählte verfuhren. " 3 Mit seiner Opposition gegen den Rationalism u s und seiner antirevolutionären Gesinnung m u ß t e Lavater bei den meisten Vertretern auf großes Verständnis stoßen. Z u m anderen fühlten sich die Anhänger der Evangelischen E r w e c k u n g s b e w e g u n g sicherlich von Lavaters christozentrischem Ansatz seiner T h e o l o gie angezogen. Diesen Christozentrismus hat Lavater nach seiner theologischen U m o r i e n t i e r u n g im Jahr 1768, auf die bereits hingewiesen wurde 4 , stets durchgehalten. I m m e r neu variierend betonte er, daß ihm Jesus C h r i 16 Homiletisch-liturgisches Correspondenz-Blatt 4 (1828), Sp. 597-600. Wahrscheinlich der Herausgeber dieser Zeitschrift, Christian Philipp Heinrich Brandt, versah diesen Briefabdruck mit dem Titel Ein Brief Lavaters an Semmler über dessen freie Untersuchung des Kanons. 1 Über die Theologie der Erweckung siehe M. Schmidt, Einheit der Erweckungsfrömmigkeit; M. Geiger, Problem der Erweckungstheologie. 2 Über Lavater und die Französische Revolution beabsichtige ich eine gesonderte Untersuchung vorzulegen. Zur Thematik vgl. bes. G. Finsler, Lavaters Beziehungen zu Paris; G. Meyer, Lavater, S. 80-142. 3 Brief: Lavater an Brockmann, 17. u. 18. Januar 1794, Z B Z , FA Lav. Ms. 554, Nr. 2. 4 Über Lavaters theologische Neuorientierung im Jahre 1768 siehe Kap. 1.2.

177

stus ständig wichtiger werde, u m Gott und Menschen zu verstehen. So schrieb er beispielsweise an den der Aufklärungstheologie verhafteten C a r o lathischen Hofprediger Martin C r u g o t , d e m er einst auf seiner Studien- u n d Bildungsreise i m Februar 1764 in Berlin begegnet war: „ O mein Freünd, m a n kennt weder Gott, noch die menschliche Natur, w e n n m a n Christus nicht kennt. Er ist der Schlüßel zu allem. In i h m löset sich alles auf. Wahrhaftig, ich wäre ein Atheist, w e n n ich kein Christ wäre. Wo ist Gott persönlich, w e n n er nicht in Christus ist? Wohin soll sich unser Geist richten (und w o h i n richten m u ß er sich), w e n n keine Sichtbarkeit ist, die der unmittelbarste Ausdruk der allervollkommensten Unsichtbarkeit ist?" 5 Dieser christologische Ansatz zielte aber bei Lavater auf verifizierbare Christuserfahrung. „Wie ich", so schrieb er an den gleichen väterlichen Freund, „ohne Christus ein Atheist wäre, so ohne den lebendig sich, wenigstens in Wirkungen zeigenden Christus - kein Christ. " 6 Diese Christuserfahrung bestand aber für Lavater letztlich im sensitiven Christusgenuß; denn „Genuß" war für ihn „das Ende aller Dinge" 7 . Drittens hat Lavaters Hochschätzung einer individuellen, gefühlsbetonten Glaubenshaltung auch die Frömmigkeit der Evangelischen E r w e k k u n g s b e w e g u n g mit beeinflußt. Diese Impulse sind insbesondere von seinen Erbauungsschriften, sowie Gebetbüchern und Liedern ausgegangen 8 . N u n hat aber Lavater zu seinen Lebzeiten allem Anschein nach nicht so sehr durch seine Publikationen als vielmehr durch die Aura, die von seiner Persönlichkeit ausging, auf seine Zeitgenossen gewirkt, w o f ü r Goethes liebenswürdige, verklärende Charakteristik im dritten Teil von Dichtung und Wahrheit ein beredtes Zeugnis gibt. „Wenn ich", schrieb Goethe, „der A n m u t h gedachte, die von Lavatern ausging! Reinlich wie er war, verschaffte er sich auch eine reinliche U m g e b u n g . M a n ward jungfräulich an seiner Seite, u m ihn nicht mit etwas Widrigem zu berühren." 9 Deshalb ist es aber w o h l geboten, auch den literarischen Einfluß, den Lavater p o s t h u m auf die Frömmigkeit der Anhänger der Evangelischen E r w e c k u n g s b e w e g u n g ausgeübt hat, nicht zu überschätzen. Daneben finden sich jedoch bei Lavater mancherlei Vorstellungen, die bei den Vertretern u n d Anhängern der Evangelischen E r w e c k u n g s b e w e g u n g auf Ablehnung gestoßen sind. Dies gilt insbesondere von seiner H e r m e n e u tik der Heiligen Schrift, seiner Freiheit gegenüber der kirchlichen Tradition, von seinem offenen Verhältnis zur Kultur und seinem vielfachen Engage5

Brief: Lavater an Crugot, 21. September 1773, Z B Z , FA Lav. Ms. 556, Nr. 80. Brief: Lavater an Crugot, 24. Februar 1776, ebd. Nr. 81. 7 Eintrag Lavaters in das Stammbuch von K.Joh. K . M . Matthaei vom 18. Februar 1783 (ebd. Ms. 573, Nr. 88). 8 Es wäre überhaupt ein dringendes Desiderat zu eruieren, welche Schriften aus der christlichen Frömmigkeitstradition die Anhänger der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts im Deutschen Sprachraum gelesen haben. 9 Joh.W. Goethe, Dichtung und Wahrheit, 3. Theil, 14. Buch (Joh.W. Goethe, Werke, I. Abth., Bd. 28, S. 275, Ζ 6-10). 6

178

ment im politischen Bereich. Alle diese Momente mußten Lavaters Wirkung auf die Entstehung und Ausbildung der Evangelischen Erweckungsbewegung abschwächen.

179

VII. Zusammenfassung Lavater, der auf mannigfache Weise mit Sturm und Drang, Empfindsamkeit, Frühidealismus und Romantik verbunden gewesen ist, hat auch zum Pietismus, zur Brüdergemeine, zur Deutschen Christentumsgesellschaft und zur Allgäüer Katholischen Erweckungsbewegung sowie zu einzelnen Vorläufern oder Wegbereitern der Evangelischen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts, also zu den Stillen im Lande, teils direkte, teils aber auch nur indirekte Kontakte gehabt. Diese waren sowohl hinsichtlich ihrer Dauer als auch vor allem ihrer Intensität nach recht unterschiedlich. Verallgemeinernd kann man jedoch feststellen, daß sie sich im Laufe der Zeit allmählich vermehrt und verstärkt haben. Zurückzufuhren ist dies nicht zuletzt darauf, daß Lavaters vielfältige Verbindungen zu geistigen und theologischen Kreisen, die der Tradition kritischer und der Gegenwart offener gegenüberstanden, seit den achtziger Jahren sukzessive geringer geworden sind. Der allmähliche Verlust dieser Kontakte, der mehrfache Gründe hat, bedingte verstärkt eine gewisse Öffnung gegenüber konservativen Gruppen und Gemeinschaften. Zweitens ist deutlich geworden, daß die Gründe und Motive, die zur Aufnahme der Beziehungen zwischen Lavater und den Stillen im Lande geführt haben, vielfältig gewesen sind. Verallgemeinernd kann man hierbei konstatieren, daß es zum einen die gemeinsame Front gegen Rationalismus und Neologie sowie auch gegen die Französische Revolution und ihre Folgen gewesen ist, die sie zusammengeführt hat. Man stand gemeinsam in Opposition gegen die offenbarungskritische Aufklärung und gegen die gewaltsame Veränderung der Gesellschafts- und Sozialstruktur. Z u m anderen fühlte sich Lavater mit den Stillen im Lande aber auch durch eine Reihe gemeinsamer theologischer und vor allem frömmigkeitlicher Aspekte und Anliegen verbunden. Als solche müssen insbesondere die gemeinsame supranaturalistische Grundhaltung, die Betonung der religiösen Erfahrung und die Hochschätzung einer christozentrischen Frömmigkeit angesehen werden. Hierbei kommt dem Moment der Erfahrbarkeit jedoch zweifelsohne Präferenz zu. Es muß aber beachtet werden, daß diese gewisse Nähe Lavaters zu den Stillen im Lande keineswegs in gleichem Maße für alle Richtungen gilt; einigen von ihnen stand er näher, anderen ferner. Hierbei bildeten deren Bereitschaft zur Traditionskritik sowie ihr Insistieren auf religiöse Erfahrung entscheidende Kriterien. Allerdings dürfen die Beziehungen Lavaters zu den Stillen im Lande nicht 180

überschätzt werden. Sein Verhältnis zu einzelnen Vertretern und Anhängern dieser theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Strömungen war nämlich zugleich auch durch deutliche Distanz gekennzeichnet. Keineswegs wollte und konnte sich Lavater mit den Stillen im Lande solidarisieren oder sogar identifizieren. Insofern ist Schuberts allerdings zu undifferenzierte Behauptung zutreffend: „Die Uniform der Pietisten hatte er nie getragen; sie war ihm ungewohnt und fremd, und in der That, ihm würde sie auch nicht wohl gepaßt haben." 1 Vor allem war es Lavater nicht möglich, deren Festhalten am orthodoxen Glaubenssystem und ihrer Zurückhaltung oder sogar Opposition gegenüber Kultur und Wissenschaft zu folgen. Deshalb war er ängstlich darauf bedacht, hier eine Distanz zu wahren. Der Preis, den er dafür zahlte, war, daß er auch gegenüber den Stillen im Lande in eine gewisse Isolation geraten ist, die er gelegentlich selbst schmerzlich empfunden hat. Aber auch die Stillen im Lande haben zum allergrößten Teil ihre Verschiedenheit zu Lavater recht deutlich erkannt und diese mehr oder weniger präzise zu artikulieren gewußt. Besonders fühlten sie sich von dessen Christologie und Soteriologie sowie von seiner Anthropologie, und damit implizit von seinem Glaubensverständnis, getrennt und haben dagegen opponiert. Vor allem vermochten sie nicht Lavaters Vorstellung zu folgen, daß der Glaube letztlich immer auf äußere, visuelle Evidenz ziele. Äußerst skeptisch und nicht selten sogar zutiefst mißtrauisch standen sie schließlich Lavaters Weltoffenheit gegenüber. Übrigens hat Lavater seine Situation, keiner Gruppe völlig zugehörig zu sein, selbst klar erkannt. Dies wird beispielsweise aus einem Gespräch deutlich, das er mit dem Theologen Christoph Friedrich Rinck, der ihn im Jahre 1783 auf seiner Studienreise in Zürich besuchte, geführt hat. Hierbei kamen sie unter anderem auf die Neuauflage von Büchern zu sprechen. „Ihm, sagte Lavater", so notierte Rinck in sein Tagebuch, „ganz mit heiterem Lachen, druke man nichts nach; dann keine Parthei wolle ihn in ihre Zunft aufnehmen. Die Dichter sagen: er seye ein schwaches Lichtlein, die Theologen lassen ihn auch nicht viel gelten, die Philosophen auch nicht und eben so die Schönen Geister. Es gehe ihm wie den Leviten, die kein Erbgut hatten - aber der Herr ist mein Theil. " 2 Diese Aufzählung könnte mutatis mutandis durch die Stillen im Lande ergänzt werden. Auch sie waren letztlich nicht bereit, Lavater völlig „in ihre Zunft aufzunehmen". Aber Lavater wollte das auch selbst nicht und hat sich dezidiert gegen solche Versuche der Vereinnahmung verwahrt. Sein Verhältnis zu ihnen war nämlich letztlich ambivalent, charakterisiert durch Distanz und Nähe, wobei wohl im Theologischen die Distanz und in der Frömmigkeit die Nähe dominiert. 1 2

G. H . Schubert, Altes und Neues, B d . 2, S. 301. M . Geyer (Hrsg.), Chr. Fr. Rinck, Studienreise, S. 5.

181

VIII. Quellen und Literatur i.

Verzeichnis der ungedruckten

Quellen

Staatsarchiv Basel [SA Basel] Spittler Archiv: PA 653 Universitätsbibliothek Basel [ÜB Basel] Archiv der Deutschen Christentumsgesellschaft [ACG]: A I (Protokolle und Gesellschafts-Berichte: Erstes Exemplar (17 Bände, von 1780-1837) D I (Briefe aus der Schweiz) D III (Briefe von Urlsperger) D IV (Briefe aus Österreich) D V (Briefe aus Deutschland, dem Elsaß und den Niederlanden) Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland [LKA Düsseldorf] Provinzialarchiv: A 11 c 12 (Tagebuch Hasenkamp) Universitätsbibliothek Greifswald [UB Greifswald] Nachlaß Alexander von der Goltz: Nr. Br 95 8° (Nr. V u. VII Korrespondenzbücher Hahn) Unitätsarchiv Herrnhut [UAH] R.6.A (Die sächsischen Gemeinen. Herrnhut) R.19.C (Die Diaspora der Brüder-Unität oder die auswärtigen Geschwister und Freunde in der evangelischen Kirche. Die Schweiz) R.22 (Sammlung von Lebensläufen) P U A C (Protokolle der Unitäts-Ältesten-Conferenz) Staatsarchiv Ludwigsburg [SA Ludwigsburg] Nachlaß Hartmann: PL 701 Büschel 2, 4-5, 7-8, 60, 62, 69, 72, 74 c Landeskirchliches Archiv Nürnberg [LKA Nürnberg] Nachlaß Buchrucker: Rep. 101, Personen II Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg [BZA Regensburg] N[ach]L[aß] Sailer: Nr. 47 Archives municipales de Strasbourg [AM Straßburg] Nachlaß Oberlin: Ms. 108, 16 u. 16f.

182

Württembergische Landesbibliothek Stuttgart [WB Stuttgart] Cod. hist. 8° 103: Korrespondenzbücher Hahn Österreichische Nationalbibliothek Wien [ Ö N B Wien] Sammlung Lavater [Slg. Lav.]: III / 582 / 4888; IV / 185 / 9869; X X I / 349 / 6243; 10. 1 1 2 / X X I I I / 3 8 9 Zentralbibliothek Zürich [ZBZ] Nachlaß Lavater [FA Lav.]: Ms. 5, 5a, 6-14.1 a, 16a, 16.4, 16.5a, 16.16.6, 21, 24 (Tagebücher Lavaters) Ms. 15f (Photokopien von Lavaters Gästebüchern) Ms. 15.7 (Photokopien des Tagebuches von Anna Barbara von Muralt über Lavaters Leben) Ms. 61-64 (Theologische Kollektaneen) Ms. 121 (Aufzeichnungen Lavaters - Urteile über Brüder) Ms. 122.3 (Von und über Oberlin) Ms. 501-532 (Briefe an Lavater) Ms. 551-589 (Briefe von Lavater) Ms. 599 (Abschriften von Briefen Verschiedener an Lavater) Ms. 602, 604-605 (Briefe an u. von Familie Lavater)

2.

Verzeichnis der gedruckten

Quellen

An das helvetische Vollziehungs-Direktorium, von Johann Kaspar Lavater, Pfarrer an St. Peter in Zürich. [Dat.: Zürich, Samstags morgens den 23. XI. 1799.] [4] Bl.; 4° Frankfurt a. M. FDH

An das helvetische Vollziehungs-Direktorium, von Johann Kaspar Lavater, Pfarrer an Sankt Peter in Zürich. Gedrukt auf Befehl des Vollziehungs-Direktorium. Zürich, bey Johann Heinrich Waser 1799. [4] Bl.; 4° Bern StUB; St. Gallen StB Anzeige. [Dat.: Zürch, den 19ten August, 1786. - Gez.: Johann Caspar Lavater.] In: Kaiserlich-privilegirte Hamburgische Neue Zeitung. Hamburg 9. September 1786. St. 144, Bl. [4v] Wolfenbüttel HAB Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh. Georg Zimmermann, königl. Großbrittannischen Leibarzt in Hannover. [1. Teil] Zürich, bey Orell, Geßner, und Comp. 1768. 332 S., [1] Bl.; 8° Zürich Z B

Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh. George Zimmermann, Königl. Großbrittannischen Leibarzt in Hannover. Zweyter Theil. Zürich, bey Orell, Geßner und Comp. 1769. CXVIII S., [1] Bl., 309 S.; 8° Zürich Z B

183

[Dass.] Dritter und letzter Band. Zürich, bey Orell, Geßner, Füeßlin und C o m p . 1773. XXIII, 342 S., 8° Würzburg UB [Dass.] Vierter Theil. Zürich, 1778. 291 S.; 8° Würzburg UB

bey Orell,

Geßner,

Füeßlin u.

Compagnie.

Auszüge aus Briefen von L. an Verschiedene. [Nicht gez.] In: Christliches Magazin. [Hrsg.: Johann Conrad Pfenninger.] [Bd. 1] [Zürich u. Winterthur] 1779, St. 1, S. [122J-138 Münster UB; Tübingen UB Auszug der Frankfurter gelehrten Anzeigen N r o 3 8 und 39 den 12. May 1775. Beytrag zur gelehrten Geschichte unserer Zeit. [4] Bl.; 4° Bamberg SB; Freiburg UB Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Ein Erbauungsbuch für ungelehrte nachdenkende Christen. Nach den Bedürfnissen der jetzigen Zeit. Erster Band. Matthäus und Markus, von Johann Caspar Lavater. Dessau und Leipzig, in der Buchhandlung der Gelehrten 1783. 20, 622 S.; 8° [Dass. ] Zweyter Band. Lukas und Johannes. Von Johann Kaspar Lavater, Pfarrer am Sankt Peter in Zürich. Winterthur, Bey Heinrich Steiner und Compagnie, 1790. XVI, 765 S.; 8° Augsburg UB; München BSB; München FS; Regensburg TTH; Regensburg UB Ein Brief Lavaters an Semmler über dessen freie Untersuchung des Kanons. [Dat.: Zürich den 18. December 1771. - Gez.:Joh. Kaspar Lavater.] In: Homiletisch-liturgisches Correspondenz-Blatt. [Hrsg.: Christian Philipp Heinrich Brandt.] [Bd. 2] N ü r n b e r g 1828, Sp. 597-600 Erlangen UB Briefe über die Schriftlehre, von unsrer Versöhnung mit Gott durch Christum. In: Johann Kaspar Lavaters nachgelassene Schriften. [Hrsg.: Georg Geßner.] Bd. 2. Religiose Briefe und Aufsätze. Zürich 1801, S. [1]-108 Erlangen UB Briefe von Herrn Moses Mendelssohn und Joh. Caspar Lavater. Liebe die Wahrheit wie G O t t , und laß dein Herz nie zu klein seyn, Sie mit der Z u n g e zu lehren, und Ihr mit dem Leben zu folgen, Bis Sie selbst Dich geheiligt zu ihrem unsterblichen Quell führt! 1770. 87 S.: Vign.; 8° Tübingen UB Christliche Monat-Schrift für Ungelehrte. Von Johann Kaspar Lavater, Pfarrer an der Sankt Peterskirche in Zürich. [Bd. 1 ] Zürich, bey Ziegler und Ulrich, B u c h d r u k ker. 1794. 477 S., [1] Bl.; 8° Frankfurt a. M. FDH [Dass.] Zweyter Band. 1794. 472S., [2] BL; 8°

184

Zürich,

bey

Ziegler

und

Ulrich,

Buchdrucker.

[Dass.] Erster B a n d . Zürich, bey Ziegler und Ulrich, Buchdrucker. 1795. [1]B1.;8° Freiburg CarB

478 S.,

Christliches Sonntagsblat. Eine Wochenschrift v o n J o h a n n K a s p a r Lavater. Wahr und klar wie das Licht, und freundlich ernst laß dein Wort seyn! Für den erstenjulius, 1792. Zürich, bey D a v i d Bürkli. 215 [i. e. 245] S., [1] B L ; 4°/8° [gemischte B o g e n brechung] [Dass.] Z w e y t e s Heft. Zürich, bey D a v i d Bürkli. 1793.

200 S.; 4°

[Dass. ] Wahr und klar wie das Licht, und freundlich ernst laß dein Wort seyn! Für den sechsten Julius, 1793. Zürich, bey Ziegler und Weiß. 200 S.; 4 7 8 ° München B S B [Christliches Wochenblat] J o h a n n K a s p a r Lavaters Christliches Wochenblat, für die gegenwärtige Zeit. A n g e f a n g e n i m M ä r z m o n a t , 1798. I. Gedrukt, bey Ziegler und Ulrich 1798. 200 S.; 8° [Dass.] A n g e f a n g e n i m B r a c h m o n a t , 1798. II. Gedrukt, bey Ziegler und Ulrich 1798. 208 S., [ 1 ] B 1 . ; 6 ° [Dass.] A n g e f a n g e n i m Weinmonat, 1798. III. Gedrukt, bey Ziegler und Ulrich 1798. 192 S „ 8° Zürich Z B Christus. Menschheit. Schwärmerei. [Gez.: Lavater.] In: Urania für K o p f und Herz. [ H r s g . : J o h a n n L u d w i g E w a l d . ] B d . 1. H a n n o v e r 1794, S. 247-248 Coburg LB; Marburg U B ; Trier StB DREY FRAGEN VON DEN GABEN DES HEILIGEN GEISTES. ALLEN FREUNDEN DER WAHR-

HEIT ZUR UNPARTHEYISCH-EXEGETISCHEN UNTERSUCHUNG VORGELEGET. [ H a n d s c h r i f t -

lich gez.: v o n J o h a n n C a s p a r Lavater.] Liebe die Wahrheit, wie Gott! und lass dein Herz nie zu klein seyn, Sie mit der Z u n g e zu lehren, und Ihr mit dem Leben zu folgen, B i s Sie selbst dich geheiligt zu ihrem unsterblichen Q u e l l fuhrt! IM SEPTEMBER 1769. [2] B L ; 2° Schaffhausen StB; Zürich Z B [Drey Lobgedichte] J o h a n n C a s p a r Lavaters drey Lobgedichte auf den katholischen Gottesdienst und auf die Klosterandachten. N e u aufgelegt. Mit A n m e r k u n g e n zweyer Protestanten. S o bestehet nun in der Freyheit, damit uns Christus befreyet hat, und laßet euch nicht wiederum in das knechtische J o c h fangen. Gal. 5,1. Leipzig, bey Paul Gotthelf K u m m e r . 1787. 52 S.; 8° Augsburg SStB; Celle K M B ; Darmstadt LHB; Konstanz StB D u r s t nach Christuserfahrung. 1776. Im N o v e m b e r . St. Gallen KB; Zürich Z B

[2 Bl.]; 2°

Der Erinnerer. Eine Moralische Wochenschrift. Erster B a n d . Zürich, Gedruckt in

185

Bürgklischer Truckerey. 1765. genbrechung] Basel UB; Berlin SBPK

V I S . , [1] B l . , 4 1 6 S . : Vign.; 4 7 8 ° [gemischte B o -

Der Erinnerer. Eine Wochenschrift, A u f das Jahr Μ D C C L X VI. [ B d . 2] Zürich, B e y Füeßli und C o m p a g n i e , 1766. [2] B l . , 448 S.; 4 7 8 ° [gemischte B o g e n b r e c h u n g ] Basel U B ; Berlin SBPK; Frankfurt a. M. FDH [Dass.] [Bd. 3, nur St. 1 - 4 , Jenner 1767 erschienen.] Frankfurt a. M. FDH

32 S.; 4°

Erkennbarkeit des Vaters in d e m Sohne. [Gez.: J . C . L . ] In: Urania für K o p f und Herz. [Hrsg.: J o h a n n L u d w i g E w a l d . ] B d . 1. H a n n o v e r 1794, S. 349-351 Coburg LB; Marburg U B ; Trier StB E s m a g [ . . . ] nicht unbekannt seyn, daß ich gesinnet bin, die Lehre der Schrift v o m Glauben, Gebeth, und den Gaben des heiligen Geistes zu untersuchen [ . . . ] . [Dat.: Zürich, den [ . . . ] 1771. - Handschriftlich g e z . : J o h a n n C a s p a r Lavater.] [2] B l . ; 2° Wolfenbüttel SA E t w a s über Pfenningern, herausgegeben v o n Lavater. Viertes Heft. Zürich, gedruckt bey J o h a n n K a s p a r N ä f 1793. 120 S., 12° Augsburg UB; Erlangen U B ; Darmstadt LHB E t w a s zur Charakterisirung des Kaisers J o s e p h s II. aus einem Tagebuch v o n Lavater. D ü n g e n , bei d e m Fürsten und der Fürstin v o n Schwarzenberg, den 22sten Julii 1777. In: Urania für K o p f und Herz. [Hrsg.: Johann L u d w i g E w a l d . ] B d . 1. H a n n o v e r 1794, S. 527-590 Coburg LB; Marburg U B ; Trier StB Evangelisches H a n d b u c h für Christen oder Worte J e s u Christi beherzigt v o n J o h a n n C a s p a r Lavater Pfarrer an der Sankt Peters-Kirche in Zürich. Wer Ohren hat zu höhren der höhre! N ü r n b e r g , in Verlag der Raw'schen Buchhandlung. 1790. 3 9 6 S . , [2] B l . : Vign.; 8° Dillingen StudB; München BSB; Tübingen U B Fortsetzung des Schreibens eines Reisenden an den Herausgeber des Kirthenbotens. (St. IV. 1782. S. 471). [Dat.: Zürich, den 1 4 M ä r z 1783. - Nicht gez.] In: Der Kirchenbote für Religionsfreunde aller Kirchen. Dessau u. Leipzig 1783, St. 2, S. 242-247 Heidelberg U B Freymüthige Briefe v o n J o h a n n K a s p a r Lavater über das Deportationswesen und seine eigne Deportation nach Basel. N e b s t mancherley Beylagen, U r k u n d e n und A n m e r k u n g e n . Zugeeignet allervörderst d e m helvetischen Vollziehungsausschuß, sodann allen Freunden und Feinden der Freyheit und Menschenrechte. Erster B a n d . Winterthur, in der Steinerischen Buchhandlung, 1800. X V I S . , [2] B l . , 335 S.; 8° [Dass.] N e b s t der kurzgefaßten Deportationsgeschichte seiner Mitbürger und einiger andrer Schweizer. Zugeeignet allen Freünden und Feinden der Freyheit und

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Menschenrechte. Zweyter und letzter Band. Winterthur, in der Steinerischen Buchhandlung, 1801. XIV S., [1] Bl., 407 S.; 8° Augsburg SStB; Hannover LB; München BSB

Fußstapfen des noch lebenden und waltenden Gottes. In: Sammlungen für Liebhaber christlicher Wahrheit und Gottseligkeit. Basel 1793, S.238-245 Erlangen U B

Geheimes Tagebuch. Von einem Beobachter Seiner Selbst. Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1771. 264S.: Vign.; 8° Berlin SBPK; Göttingen SUB; Hannover LB; Heidelberg UB; Kiel LB; Tübingen U B

Grabschrift des Herrn von Schrautenbach. [Gez.: Siehe Kirchenbote 1 B. Schreiben v o n j . C. L.] In: Der Kirchenbote für Religionsfreunde aller Kirchen. Dessau u. Leipzig 1784, St. 2, S. 178 Zürich Z B

Handbibel für Leidende. Von Johann Caspar Lavater Pfarrer an der Sankt Petri Kirche in Zürich. Erster Theil. Winterthur 1788 bey Heinrich Steiner und Comp. [2] Bl., 431 S.; 8° Heidelberg UB; Marburg UB; Tübingen U B

Handbibel für Leidende. Von Johann Caspar Lavater weil. Pfarrer an St. Peters Kirche in Zürich. Zweyte Auflage. Basel 1825. Bey Nikiaus Müller, Buchdrucker. Streitgaß N o . 1104. 370S., [1] Bl.; 8° Augsburg U B

Handbibel für Leidende. Von Johann Caspar Lavater weil. Pfarrer an St. Peters Kirche in Zürich. Vierte Auflage. Basel 1833. Bey C. F. Spittler. 367 S., 8° Nürnberg LKA

Hand-Bibliotheck für Freünde von Johann Kaspar Lavater. I. 1790. [2] Bl., 251 S.; 6° — I I . 1790. [2]B1.,390S.;6° —III. 1790. [1] Bl., 252S.; 6° — I V . 1790. [1] Bl., 285 [i.e. 287] S.; 6 ° — V . 1790. [1] BL, 324S.;6° — V I . 1790.[1] Bl., 293 [i.e. 291] S.; 6° [Dass.] I. 1791. [1] Bl., 346S.; 6° — I I . 1791. [1] BL, 324S.; 6° — III. 1791. [1] Bl., 360S.; 6° —IV. 1791. [1] Bl., 354S„ [2] BL; 6° — V . 1791. [1] Bl., 413 S.; 6° — VI. 1791. [1] BL, 438 [i.e. 428] S., [1]B1.;6° [Dass.] I. 1792. [1] Bl., 386 [i.e. 396] S.; 6° — II. 1792. [1] BL, 396S.; 6° — III. 1792. [1]B1.,360S.;6° —IV. 1792. [1]BL, 356S.;6° —V. 1792. [1]Bl.,360S.; 6° — VI. 1792. [1] BL, 363 S.; 6° [Dass.] I. 1793. [1] BL, 360S.; 6° —II. 1793. [1] BL, 360S.; 6° — III. 1793. [1] BL, 360S.; 6°—IV. 1793. [1] BL, 392S.; [2] BL; 6° — V . 1793. [1] Bl., 359S.;6° — VI. 1793. [1] Bl., 395 S.; 6° Regensburg T T H [Die Titel dieses Werkes sind teilweise handschriftlich.]

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Herzenserleichterung, oder Verschiedenes an Verschiedene, von Johann Caspar Lavater. Motto zur Prüfung dieser Schrift: „Ist Alles „Wahr und klar? Froh und ernsthaft? Sanft „und fest? Einfältig und klug? Niemanden schädlich? „Manchem lieb? Vielen nützlich? - Allen Weisen und „Guten untadelhaft?" Sant Gallen, bey Reutinerjünger, 1784. 376S., [1] Bl.; 12° Augsburg UB; Celle KMB; Heidelberg UB; Wolfenbüttel H A B

Jesus Messias. Oder Die Evangelien und Apostelgeschichte, in Gesängen. Kündigt Seine Gerechtigkeit aus den Völkern der Zukunft. Erster Band. 1783. [Gedruckt bey Emanuel Thurneysen.] [1] Bl., 431 S., [5] Bl.: Vign. [eingeh.: [3] Bl., XVIIIS.: [18] Taf.]; 8° [Dass.] Zweyter Band. 1784. XVIIIS.: [18] Taf.]; 8°

[4] Bl., 419S., [4] Bl.: Vign. [eingeh.: [1] Bl.,

Jesus Messias. Oder Die Evangelien und Die Apostelgeschichte, in Gesängen. Dritter Band. Vom Nachtmahl bis zur Auferstehung des Herrn. 1785. [3] BL, 399 S., [eingeb.: [2] Bl., XVIIIS.: [18] Taf.]; 8° [Dass.] Vierter und letzter Band. Die Apostelgeschichte. 1786. [Gedruckt bey Emanuel Thurneysen, in Basel.] [3] Bl., 468S., [2] Bl., [eingeb.: [1] Bl., XVIII S., [1] Bl.: [18] Taf.]; 8° Mannheim UB; Zürich Z B

Katholizismus. An Herrn P. in L. [Gez.: Lavater.] In: Urania für Kopf und Herz. [Hrsg.: Johann Ludwig Ewald.] Bd. 1. Hannover 1794; S. 249-253 Coburg LB; Marburg UB; Trier StB

Lieder für Leidende. Von Johann Caspar Lavater. Tübingen, druckts Johann Friedrich Balz. 1787. 76 S.; 8° Augsburg SStB; Augsburg UB; Bonn U B

Nachdenken über Mich Selbst. Joh. VII. 17. So jemand den Willen dessen, der mich gesendet hat, thun will, der wird dieser Lehre halben verstehen, ob sie aus Gott sey. Zweyte Auflage. Zürich, gedrukt bey David Bürgkli. 1771. 40S.;8° Trier StB

[Philosophische Palingenesie] Herrn C. Bonnets, verschiedener Akademieen Mitglieds, Philosophische Palingenesie. Oder Gedanken über den vergangenen und künftigen Zustand lebender Wesen. Als ein Anhang zu den letztern Schriften des Verfassers; und welcher insonderheit das Wesentliche seiner Untersuchungen über das Christenthum enthält. Aus dem Französischen übersetzt, und mit Anmerkungen herausgegeben von Johann Caspar Lavater. Erster Theil. Zürich bey Orell, Geßner, Füeßli und Compagnie 1770. XLIS., [3] Bl., 632S.: Vign.; 8° [Dass.] Zweyter Theil. Zürich, bey Füeßlin und Compagnie, 1769. [1] Bl.: Vign.; 8° Bamberg SB; Neuburg a. d. Donau PB; Würzburg U B

188

[3] BL, 424 S.,

Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, von Johann Caspar Lavater. Gott schuf den Menschen sich zum Bilde! Erster Versuch. Mit vielen Kupfern. Leipzig und Winterthur, 1775. Bey Weidmanns Erben und Reich, und Heinrich Steiner und Compagnie. VIIIS., [6] Bl., 272 S., [4] Bl.: X X I , [47] Taf., zahlr. Abb. u. Vign.; 4° [Dass.] Zweyter Versuch. Mit vielen Kupfertafeln. Leipzig und Winterthur, 1776. Bey Weidmanns Erben und Reich, und Heinrich Steiner und Compagnie. [5] Bl., 291 S „ [4] Bl.: [116] Taf., zahlr. Abb., graph. Darst. u. Vign.; 4° [Dass.] Dritter Versuch. Mit vielen Kupfern. Leipzig und Winterthur, 1777. Bey Weidmanns Erben und Reich, und Heinrich Steiner und Compagnie. [6] Bl., 355 S., [4] Bl.: [104] Taf., zahlr. Abb., graph. Darst. u. Vign.; 4° [Dass.] Vierter Versuch. Mit vielen Kupfern. Leipzig und Winterthur, 1778. Bey Weidmanns Erben und Reich, und Heinrich Steiner und Compagnie. XII, 490 S., [5] Bl.: [64] Taf., zahlr. Abb., graph. Darst. u. Vign.; 4° Darmstadt LHB; Nürnberg StB; Tübingen U B

Poesieen von Johann Caspar Lavater. Erster Band. Den Freunden des Verfassers gewiedmet. Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1781. [2] Bl., 170S., [1] Bl.; 8° [Dass.] Zweyter Band. Den Freunden des Verfassers gewiedmet. Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1781. 186 S., [2] Bl.; 8° Bonn U B ; München B S B ; Wolfenbüttel H A B ; Würzburg U B

Pontius Pilatus. Oder Die Bibel im Kleinen und Der Mensch im Großen. [Zürich, beyjoh. Caspar Füeßli, Sohn. 1782.] 380 S.; 12° [Dass.] Zweyter Band. [Zürich, beyjoh. Caspar Füeßli. 1783.] [Dass.] Dritter Band. [1784.]

[1] Bl., 363 S.; 12°

376 S., [1] Bl.; 12°

[Dass.] Vierter und letzter Band. [1785.] Augsburg UB; Tübingen UB

X , 430 S., [1] Bl.; 12°

Predigt bey der Taufe zweyer Israeliten, samt einem kurzen Vorbericht, von Johann Caspar Lavater. Zürich, gedruckt bey David Bürgkli, 1771. 80S., [1]B1.;8° Berlin SBPK; Frankfurt a. M. FDH; Schaffhausen MinB

Predigten Ueber das Buch Jonas. Von Johann Caspar Lavater. Gehalten in der Kirche am Waysenhause. Die erste Hälfte. Zürich, Gedruckt bey David Bürgklj. 1773. In Verlag Heinr. Steiners und Comp, in Winterthur. Auch zu haben bey den Eichenbergischen Erben in Frankfurth. [8] Bl., 254 S.; 8° [Dass.] Die zweyte Hälfte. Zürich, Gedruckt bey David Bürgkli. 1773. In Verlag Heinr. Steiners und Comp, in Winterthur. Auch zu haben bey den Eichenbergischen Erben in Frankfurth. 287 S.; 8° Augsburg U B ; Nürnberg StB

[Rechenschaft] Johann Caspar Lavaters Rechenschaft an Seine Freunde. Erstes Blat. Seyt allezeit bereit zur Verantwortung jeglichem, der da Rechenschaft fordert der

189

H o f f n u n g , die in Euch ist, und das mit Sanftmuth und sorgfältiger Vorsicht. Ά λ η θ ευειν έν ά γ α π η . Winterthur, Bey Heinrich Steiner und C o m p . 1786. 24 S.; 12° [Dass.] Zweytes Blat. Ueber Jesuitismus und Catholizismus an Herrn Professor Meiners in Göttingen. Wahr und klar, sanft und fest. Oder Ά λ η θ ε υ ε ι ν έν Ά γ α π η . Winterthur, Bey Heinrich Steiner und C o m p . 1786. 84 S.; 12° Bonn UB; Darmstadt LHB; Wolfenbüttel HAB Reise nach Kopenhagen im S o m m e r 1793. Auszug aus d e m Tagebuch. Durchaus bloß fur Freunde von [handschriftlich: Johann Caspar Lavater.] [1794.] [1] Bl., 449 S.; 6° Kiel LB; München BSB; Nürnberg StB; Tübingen UB [Sämtliche kleinere Prosaische Schriften] Johann Caspar Lavaters Sämtliche kleinere Prosaische Schriften v o m Jahr 1763-1783. Erster Band, welcher bereits gedruckte Predigten allgemeineren Innhalts enthält. Winterthur, Bey Heinrich Steiner und C o m p . 1784. VII, 373 S.; 8° [Dass.] Zweyter Band, Gelegenheits-Predigten. Winterthur, Bey Heinrich Steiner und C o m p . 1784. VI, 461 S.; 8° [Dass.] Dritter Band. Briefe. Winterthur, Bey Heinrich Steiner und 1785. [3] Bl., 348 S., [1] Bl.; 8° Bonn UB; München BSB; Tübingen UB

Comp.

Sammlung christlicher Gebete. Herausgegeben von Johann Caspar Lavater, Pfarrer an der St. Peters-Kirche in Zürich. N e u e Auflage. Nürnberg, Verlag der Joh. Phil. Raw'schen Buchhandlung. 1840. X X X I V S„ [1] Bl., 204S.; 8° Erlangen UB; Nürnberg StB Sammlung Christlicher Gebether. Herausgegeben von Johann Caspar Lavater Pfarrer an der St. Peters-Kirche in Zürich. N e u e Auflage. N ü r n b e r g , im Verlag der Raw'schen Buchhandlung. 1801. X X X I V S., [1] Bl., 204S.; 8° Hamburg NKB Sammlung Christlicher Gebether. Herausgegeben v o n J o h a n n Caspar Lavater, Pfarrer an der St. Peters-Kirche in Zürich. N e u e Auflage. N ü r n b e r g , im Verlag der Raw'schen Buchhandlung, 1801. X X X I V S„ [1] Bl., 204S.; 8° Erlangen UB Sammlung Christlicher Gebether. Herausgegeben v o n J o h a n n Caspar Lavater, Pfarrer an der St. Peters-Kirche in Zürich. N e u e Auflage. Nürnberg, im Verlag der Raw'schen Buchhandlung, 1822. X X X I V S., [1] Bl., 204 S.; 8° Nürnberg StB Secszig Lieder nach d e m Zürcherischen Catechismus. Der Petrinischen Jugend zugeeignet Von Johann Caspar Lavater, Diakon am St. Peter. Zürich, Bey C. Füeßli, Sohn im Niederdorf. M D C C L X X X . [4] Bl., 143 S.; 8° Bonn UB; München BSB; Münster UB; Stuttgart LB

190

Ueber Vielseitigkeit Gottes. [Gez.: J. C. L.] In: Urania für Kopf und Herz. [Hrsg.: Johann Ludwig Ewald.] Bd. 1. Hannover 1794, S. 67-70 Marburg U B ; Trier StB

Ulrich und Heß. Von Lavater. [Dat.: Freitags den dreizehnten Hornung 1795.] In: Urania für Kopf und Herz. [Hrsg.: Johann Ludwig Ewald.] Bd. 4. Leipzig 1796, S.155-159 Marburg U B

Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuche eines Beobachters seiner Selbst; oder des Tagebuches Zweyter Theil, nebst einem Schreiben an den Herausgeber desselben. Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1773. X L V I S . , [1] Bl., 365 S.: Vign.; 8° Berlin SBPK; Göttingen S U B ; Hannover LB; Heidelberg U B ; Regensburg T T H ; Tübingen UB

Ein Urtheil über die Ersten Stücke der Urania. [Gez.: J. C. Lavater.] In: Urania für Kopf und Herz. [Hrsg.: Johann Ludwig Ewald.] Bd. 4. Leipzig 1796, S. 68-73 Marburg U B

[Vermächtniß] Johann Kaspar Lavaters Vermächtniß an Seine Freunde. Größtentheils Auszüge aus Seinem Tagebuch, vom Jahr 1796. [Η. 1] Zürich, bey Orell, Geßner, Füßli und Kompagnie. 1796. 312 S.; 12° [Dass.] Zweites Heft. Zürich, bey Orell, Geßner, Füßli und Kompagnie. 1796. 310 S.; 12° Augsburg SStB; Bonn U B ; München B S B

Vermischte Gedanken. Manuscript für Freunde, von J. C. Lavater. Herausgegeben von einem unbekannten Freunde des Verfassers. Franckfurt und Leipzig bey Johann Georg Fleischer, 1775. [3] Bl., 52 S.: Vign.; 12° Augsburg UB; Büdingen FB; Coburg LB; Soest StB [Vermischte Gereimte Gedichte] Johann Caspar Lavaters vermischte Gereimte Gedichte vom Jahr 1766. bis 1785. Für Freunde des Verfassers. Winterthur, Bey Heinrich Steiner und Comp. 1785. VII, 488 S.; 8° Augsburg SStB; Augsburg U B ; Bonn U B ; München B S B

Vermischte Schriften. Von Johann Caspar Lavater. Erstes Bändgen. Welcher weiß Gutes zu thun, und thut es nicht, dem ist es Sünde. Winterthur. In Verlag Heinrich Steinerund Comp. Buchhändler. [1774.] [8] Bl., 336S., [1] Bl.; 8° [Dass.] Zweyter Band. Welcher weiß, Gutes zu thun, und thut es nicht, dem ist's Sünde. Winterthur. In Verlag bey Heinr. Steiner und Comp. Buchhändler. [1781.] [4] Bl., 472 S., [1] Bl.; 8° Bonn U B ; Heidelberg U B ; München BSB; Tübingen U B

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Wenn nur Christus verkündigt wird etc. oder Empfindungen eines Protestanten in einer Catholischen Kirche. 2 und 8 M ä r z 1781. [Nicht gez.] In: Sammlungen zu einem christlichen Magazin. [Hrsg.: Johann Conrad Pfenninger.] Bd. 1, Η. 1. Zürich u. Winterthur 1781, S. 260-264 Tübingen UB; Zürich ZB Zweifel, Redlichkeit. [Gez.:J. C. L.] In: Urania für Kopf und Herz. [Hrsg.: Johann Ludwig Ewald.] Bd. 1. Hannover 1794, S. 71-75 Marburg UB; Trier StB Zwölf Monatsblätter für Freünde von Für d a s j a h r 1794. Immer wahr, und klar, und sanft, und fest, und nur Eins stets. [1795.] 4, elf mal 72, 71 S.; 6° Karlsruhe LB; Mainz UB; Stuttgart LB

3. Verzeichnis

der

Literatur

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IX. Register 1.

Personenregister

In das R e g i s t e r w u r d e n w e d e r biblische n o c h m y t h o l o g i s c h e N a m e n a u f g e n o m m e n ; selbstverständlich w u r d e auch J o h a n n Caspar Lavater nicht ausgeworfen. A u s schließlich in d e n A n m e r k u n g e n v o r k o m m e n d e P e r s o n e n n a m e n sind d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a ß h i n t e r d e r e n t s p r e c h e n d e n S e i t e n a n g a b e in K l a m m e r n die b e t r e f f e n d e A n m e r k u n g s n u m m e r v e r m e r k t ist. Aalen, Leiv 94 (9) Aland, Kurt 139 (1), 140 (8) Secundus Appius Claudius Caecus 156 Arnold, Gottfried 13 (4) Aschenberg, Wilhelm 45 Auge, Friedrich30 (1), 34 (22,26), 40 (61), 41 (62), 42 (71), 43 (76), 44 (78) Augustin, Aurelius 148 Bach, Adolf27 (3), 40 (61), 77 (22f., 25f.), 78 (27 f.) Bahrdt, Karl Friedrich 57, 109, 110 (19f.) Basedow, Johannes Bernhard 51, 115 (5) Bauer, Jens-Heiner 142 (15) Baumann, Ernst 114 (47) Bayle, Pierre 13 (3), 92 (1) Bayr, Franz Xaver 156 (7) Beck, Anna Regina geb. Falk 76 Beck, Johann Ludwig 76, 103 f. Beck, Peter Paul 146 (3), 150(24,28,29), 151 (30) Bellarmin, Robert 96 (4) Bengel, Ernst 57 Bengel, Johann Albrecht 13 (4), 15 (9), 34,47, 57 f. ,61, 168 Benrath, Gustav Adolf 166 (26), 167 Benz, Ernst 48 (5) Berend, Eduard 173 (78), 174 (79f.) Berger, Daniel 58 (78) Berger, Dorothea 173 (77) Bernstorff, Andreas Peter von 116,117(11 f.) Bernstorff, Auguste von 93 (4) Beyer, Karl Jakob 77 Beyreuther, Erich 12 (13), 92 (3), 97 (13), 161 Biester, Johann Erich 160 (30f.)

Blanke, Fritz 139 (7) Blaser, Robert-Henri 108 (9) Bodemann, Friedrich Wilhelm 162 (1), 163 (5), 164(8) Bodmer, Johann Jakob 103 Böhme, Jacob 57 Bomhard, August 175, 176 (7) Bonnet, Charles 50 Boos, Martin 146, 154 Bösterli, Jakob 75 Botzenhard, Emanuel 110, 111 (26) Branconi, Maria Antonie di 17 (19) Brandenstein, Caroline von 53 Brandt, Christian Philipp Heinrich 177 (16) Brandt, O t t o l l (11) Braun, Johann Friedrich von 68 (6) Bräuning-Oktavio, Hermann 78 (34), 87 (80), 88 (87) Brecht, Martin 55 (46), 170 (53) Bredt, Johann Victor 45 (87) Brehm, F r i e d l i n (12), 156 (8) Breitinger, Johann Jakob 10, 108 Brickenstein, Johann Christoph 80 Brockmann, Johann Heinrich 177 (3) Brunn, Judith Maria Dorothea von 78 (30), 82 (54), 101 (1) Buchmann, Johann Jakob 76 Buchrucker, Christian Friedrich 67, 70ff., 131 f. Buchrucker, Johann Christian 71 Buchrucker, Karl 70 (17) Büel, Johann 83 (59), 93 (4), 97 (12), 166 Burckhardt, Hieronymus 77, 94 Burckhardt, Johann Gottlieb 17 (22), 116 Burckhardt, Johann Rudolf 121

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Burckhardt, Rudolf 74 (2) Burckhardt, Werner 88 (86) Burger, Georg Matthias 67, 70, 134 Cagliostro, Alexander von 114 Calvin, Johannes 174(1) Campe, Joachim Heinrich 16 (18) Caspari, Anton Philipp 41 Chodowiecki, Daniel Nikolaus 96, 142 Claudius, Matthias 149 (17), 174 (1) Clemens, Gottfried 93 Collenbusch, Samuel23, 30 (1), 32, 33 (13), 34, 35 (29), 39-*2, 44, 46, 161 Cölln, Ludwig Friedrich August von 62, 135 (52), 168 (38f.) Corrodi, Heinrich 96 Crugot, Martin 10, 17, 57, 178 Cuningham, Francis 171 Dechent, Hermann 80 (42), 81 (44) Deinet, Johann Konrad 50 (22) Diepenbrock, Melchior von 145 (27) Dietrich, Heinrich Gottfried 74 (2), 76 Dreykorn, Johannes 130, 134 Dussler, Hildebrand 139,140 (8), 146 (1 f., 4), 147 (6, 8, 10), 148 (11), 154 (1), 156 (4) Ehmann, Karl Christian Eberhard 31 (2 f., 5, 7), 32 (10f.), 33 (13-19), 34 (20,26ff.), 35 (29-35), 36 (37-42), 37 (44 ff.), 38 (47 ff.), 40 (59f.), 42 (70, 72), 43 (73-76), 48 (9), 49 (14,16f., 20), 51 (27), 53 (39f.), 57 (67, 72), 167 (28) Eisen, Christian Gottfried August 132 Engelmann, Max 47 (2), 60 (85) Engelmann, Wilhelm 142 (15) Engels, Friedrich 46 Engels, Johann Caspar 46 Enslin, Gottwald Siegfried 76 (11) Erdle, Conrad August 125 (53) Ernesti, Johann August 16 Escher vom Glas, Regula verh. Lavater 10 Evertsen, Johann Engelbert 46 Ewald, Johann Ludwig 118,130,162, 166, 170-174 Ewers, Hans-Heino 115 (4) Feneberg, Johann Michael Nathanael 144, 146 ff, 154, 156, 157 Finsler, Georg 177 (2) Flasdieck, Hermann Martin 41 (61) Flattich, Johann Friedrich 100 (36) Fleischmann, Johann Christoph Jakob 176

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Flick,'Samuel 123 (44) Forssmann, Julius 22f., 73 (1) Foster, James 96 (4) Francke, August Hermann 15 (9) Frank, Gustav 109 (15) Franke, Johann Friedrich 75 (11), 85f., 101 Fresenius, Johann Philipp 96 (4) Fricker, Johann Ludwig 34 Friedrich VI., König von Dänemark 116 Friemel, Franz Georg 139 (7), 142 (14) Fugger, Josef Sebastian, Graf von Glött 148, 156 (7) Funck, Heinrich27 (3), 38 (51), 40 (61), 77 (22f., 25 f.), 79 (39), 80 (42), 81 ( 4 2 , 4 4 f f , 48), 82 (51 f.), 87 (79), 164 (12), 165 (17f.) Füssli, Heinrich 107 Gabler, Matthias 151 Ganz, Werner 112 (36) Ganzen, Klaus 174 (1), 175 (5) Gaßner, Johann Joseph 11 (12), 17 (23), 52, 59f., 64, 69f.,81, 110, 140 Gaupp, Eberhard59 (84), 82f., 84 (62), 148, 149 (15), 153 Gaupp, Maria Katharina 83 Gebhardt, Christian 49 (17) Gedike, Friedrich 160 (30f.) Geiger, Max 169 (50), 177 (1) Geilinger, Johann Ulrich 111 (32), 112f. Geliert, Christian Fürchtegott 10 Gervais, Elias 77 f. Geßner, Georg42 (69), 44 (82), 69 (11), 89 (92), 103 (9), 124 (48), 136, 145, 169 Geßner, Salomon 95 Geyer, Moritz 181 (1) Gildemeister, Carl Hermann 164 (9), 166 (21) Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 10 Göbel, Max 31 (2) Goethe, Johann Wolfgang von 12 (15), 40 (61), 41,77(22), 87,111,134,153,164f., 166, 171, 178 Goltz, Alexander von der 34 (23 ff.) Gotting, Franz 165 (16) Graff, Anton 108 Grebel, Hans Rudolf 115 (2) Greber, Josef Maria 77 (26) Gregor, Christian 88 (86) Griesbach, Johanna Dorothea 82 Grube, Walter 64 (106, 109), 65 (118) Grünewald, Elisabeth 157 (15) Guinaudeau, Olivier 20, 73 (1) Günther, Otto 27 (3) Güthling, Wilhelm 169 (50)

Hadorn, Wilhelm 23 Häfeli, Johann Caspar 60, 113 Hahn, Michael 161 Hahn, Philipp Matthäus 22 (25), 23,47,51 (28), 53-56,58-62,63 (102-105), 64,65 (112), 66f., 170 (53) Hahn, Walter 72 (28), 133 (34), 176 (8-13) Hamann, Johann Georg 162, 164ff., 174 Hammermayer, Ludwig 70 (13) Hanauer, Josef 12 (12), 70 (13), 110 (25) Hartmann, Gottlob David 47,51 (28), 52 (31), 64 (109), 65, 66 (121) Hartmann, Israel 10 (4), 23, 55f., 64ff„ 100 (36), 114 Hartmann, Johann Georg 51, 56, 58, 66 Hartmann, Johann Leonhard 32 (9), 34 (21), 38 Hartmann, Karl Friedrich 48,49 (14,16), 51 (27) Hasenkamp, A. Elisabeth 43 Hasenkamp, Christoph Hermann Gottfried 30 (1), 40 (61), 42 (70), 43, 44 (78), 45 (83) Hasenkamp, Johann Gerhard 23, 30-44, 47, 49f., 53 (40), 57 (67,72), 161,167 Hasenkamp, Johann Heinrich 43 (76) Hauck, Friedrich 70 (14) Haug, Eduard 83 (57), 100 (36) Hebart, Siegfried 174 (1) Hebeisen, Johann Georg 114 Heggelin, Ignaz Valentin 146 (3), 150, 151 Heinrich VIII., König von England 124f. Heisch, Gottfried 133 (39) Henkel, Arthur 164 (10) Herder, Johann Gottfried von 148 (13), 166 (21) Hermann, Rudolf 165 (16) Heß, Felix 9 (2), 11 (10), 35, 107 Heß, Heinrich 9, 15, 18 (27), 35 Heß, Johann Jakob 60, 112f., 158 Hirsch, Michael Christian 131 Hirzel, Salomon 27 (3), 77 (22) Horaz, latein. Quintus Horatius Flaccus 158 Horstmann, Werner 34 (22) Hotze, Johann Konrad 84 Huber, Johann Rudolf 124 f. Huß, Johannes 136 Ikenius, Ethard 39 (52) Im Hof, Ulrich 10 (3) Jacobi, Friedrich Heinrich Georg 41, 142(12), 164, 166f„ 173 Janentzky, Christian 21, 109 (13)

Jänicke, Johannes 128 Jauch, Alois 103 Jean Paul 173 f. Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm 10 Jorgensen, Sven Aage 164 (9) Jung, siehe Jung-Stilling Jung, Elisabeth 169 Jung-Stilling, Johann Heinrich 18 (28), 20, 22 (25),40,41 f., 100(35), 118,130,162, 166-170, 174 f. Kaempf, Wilhelm 78 (32) Kantzenbach, Friedrich Wilhelm 9 (1), 139, 140(8), 161, 170 (51) Karg, Johann Christoph 36, 37 (43), 53f., 67-70, 118, 129-137 Karl Eugen, Herzog von Württemberg 60 Karl, Prinz von Hessen-Kassel 116 Kaufmann, Christoph 52 Keil, Gundolf 81 (50) Kießling, Johann Tobias 67, 129, 132ff„ 137 Klawe, Johann Friedrich 75, 82 (55), 86 Klawe, Johann Samuel 76 (11), 83 (56) Klemm, Christina Benigna geb. Oetinger 48 Klemm, Jakob Friedrich 56, 58 Klemm, Johann Christoph 48 Klettenberg, Susanna Katharina von 38 (51), 78, 80ff., 134 Klopstock, Friedrich Gottlieb 10, 129, 174f. Klose, Dietrich 100 (36) Knapton, Ernest John 173 (71) Kronauer, Hans Heinrich d. Ä. 15 (12) Kronauer, Hans Heinrich d.J. 15 (12) Krüdener, Alexis Konstantin von 173 Krüdener, Barbara Juliane von geb. deVietinghoff 162, 166, 173, 174(78) Krummacher, Friedrich Wilhelm 41 (61) Kunze, Wilhelm 70 (14), 134 (45) Künzel, Klaus 77 (24) Lambert, Johann Heinrich 10 La Mettrie, Julien Offray de 96 (4) Lang, Wilhelm 65 (116, 118) Langner, Ekkehard 77 (24) Lappenberg, Johann Martin 80 (42) Lavater, Anna geb. Schinz 15,16 (13), 61, 64, 111 (26, 29), 119, 135, 145, 154, 169 Lavater, Annette (Anna, Nette) verh. Geßner 61, 116, 128(63), 134, 145, 154 Lavater, Diethelm 58 Lavater, Heinrich 79 Lavater, Johann Heinrich 10 (4), 13f., 15(10), 92, 108 (4, 6f.)

209

Lavater, Louisa Magdalena 71 (26) Lavater, Luise 145, 154 Lavater, Regula geb. Escher vom Glas 10 (4), 13f., 15 (10), 92, 108 (4, 6, 7) Layritz, Paul Eugen 81 (47), 101 (1), 102 Leborgne, Antoine-Claude 104 Leemann-van Eick, Paul 114, (2) Lehmann, Hartmut 61 (95) Lenfant, Jaques 131 Lenz, Jacob Michael Reinhold 163 Lessing, Gotthelf Ephraim 112 Ley, Francis 173 (71) Lieb, Fritz 164 (9) Lips, Johann Heinrich 71 (26), 165, 166 (19) Löhe, Wilhelm 174 ff. Loretz, Johannes 90 Low, Sophie von geb. Diedes 79, 86 ff. Ludwig XVI., König von Frankreich 102, 171 Lühe, Caroline von, siehe Brandenstein Luther, Martin 12, 95, 124f„ 136 Maccrait, Jaques Benjamin 74 (2) Mälzer, Gottfried 13 (4), 48 (10), 49 (13,18), 50 (22ff.), 52 (33), 57 (67), 60 (84), 62 (100) Marie-Antoinette, Königin von Frankreich 171 Märklin, Johann Friedrich 58 Massena, Andre 121 (29) Massenbach (Maßebach), Karoline 64 (110) Matthei, (Mattei), Karl Johann Konrad Michael 178 (7) Mayer, Johann Martin 116 (11) Mecenseffy, Grete 80 (42), 132 (29) Mendelssohn, Moses 10, 38 (52), 68, 164 (13) Merkel, Johann 174 Meyer, Heinrich 76 (11) Meyer, Julie 174 (3) Meyer von Knonau, Gerold 177 (2) Michels, Maria 115 (4) Milch, Werner 52 (34), 108 (9) Mosel, Friedrich Wilhelm 74 (2), 76, 84,102 (8)

Müller, Christoph Heinrich 39 f. Müller, Gerhard 28 (4) Müller, Gustav Adolf 134 (41) Müller, Johann Georg 83, 100, 153 Müller, Johann Ludwig 46 Müller, Joseph Theodor 96 (5) Müller, Theodor Arnold 41 f. Münz, Alfred 56 (64), 58 (77) Muralt, Anna Barbara von 65, 79 (38f.)

210

Nadler, Josef 166 (25) Nagel, Lorenz75 (4), 83 (60), 85,88f., 92,102 (8)

Naumann, Johann Tobias 137 Nicolai, Friedrich 129, 143f„ 160 (31) Nikolitsch, Peter-Michael 109 (13) Nusbiegel, Johann 68, 129 Obereid, Catharina Helena geb. Riedmeier Obereid.Jakob Hermann 18 (27), 108,111 (32), 112, 113(45) Oberlin, Henri-Gottfried 163 f. Oberlin, Johann Friedrich 12, 162ff., 166 Oberlin, Salome 162 f. Oetinger, Friedrich Christoph 22 (25), 23,34, 47-57, 59 (80), 68f., 72 Oetinger, Theophil Friedrich 51 Oettingen-Spielberg, Johanna von 153 f. Orelli, Johann Kaspar 11 (10) Pascal, Blaise 57 Passavant, Jakob Ludwig 99 Paulus, RudolfF. 54 (46), 55 (49), 56 (64), 59 (79f., 82), 60 (86f.), 61 (94f., 97), 67 (125) Pestalozzi, Friedrich O t t o 68 (4), 129 (7) Pestalozzi, Rudolf 152 (38), 153 (54), 173 (74) Peter, Rudolphe 162 (2) Pfeffel, Gottlieb Konrad 148 (13) Pfeil, Christian Karl Ludwig von 117 Pfenninger, Heinrich 66 (121) Pfenninger, Johann Caspar 119 (20) Pfenninger, Johann Konrad 35 (32), 43 (75), 54,55 (46), 60, 79 (35), 87 (79,82,84), 113, 140, 151 (30), 160 (30) Piepmeier, Rainer 53 (39) Pölsterli, siehe Bösterli Psczolla, Erich 162 (1), 163 (4, 6) Radwan, Kamal 29 (5) Rauschenbusch, Hilmar Ernst 115 (6) Raw, Christoph Heinrich 134 Raw, Johann Philipp 125 (53), 131,134, 137 f., 176 Recke, Elisabeth von der 64 (109) Reinsch, Hugo 175 (5) Reuß, Albrecht Reichard 57 Reuß, Jeremias Friedrich 58, 101 (1) Reuß, Johann August 128 Reuß-Köstritz, Heinrich XLIII. von 90 Reventlow, Cai von 89 (92) Reventlow, Julie von 11 (11) Rieger, Carl Heinrich 128 Riedmeier, Catharina Helena 18 (27)

Rinck, Christoph Friedrich 181 Rissler, Jeremias 77 Ritsehl, Albrecht 19 (1) Roentgen, David 77 f. Roentgen, Ludwig 111 (34) Rordorf, Elisabeth 128 (63) Rößle, Julius 61 (98) Rudolphi, Johann Ehrenfried Christoph 160 (31) Rufer, Alfred 123 (44) Ruoesch, Johann Baptist von 149(17,20), 151-154, 156 ff. Rusche, Helga 30(1) Sack, August Friedrich Wilhelm 10 Sailer, Johann Michael 9(1), 25,139-149, 151 ff., 155 ff., 159, 161 Sales, Franz von 148 Salis, Ulysses von 88, 126 (57) Sarasin, Gertrud 114 (47) Sarasin, Jakob 113 Sauer, Klaus Martin 27 (2) Schatz, Jacob 127 (61) Schering, Ernst 162 (1) Schiel, Hubert 103 (10f.), 139,140(1,3), 141 (9f.), 142 (11 ff., 15), 144 (22f.), 145(25, 27), 148 (14), 149 (17, 20), 151 (31, 33, 35, 37), 152 (38, 42, 44), 153 (52), 155 (2) Schild, Georg David 112ff. Schiller, Friedrich von 56 (62) Schinz, Anna, siehe Lavater, Anna Schlatter, Anna geb. Bernet26 Schlosser, Johann Georg 173 Schmid, Johann Immanuel Friedrich 115 (6), 117 Schmid, Johann Jakob 119 Schmid, Johann Konrad 151, 156 Schmidt, Martin 177 (1) Schmoll, Georg Friedrich 66 (121), 167 Schneider, Ursula 127 Schnelbögl, Fritz 134 (45) Schöner, Johann Gottfried 128, 130-133 Schrautenbach, Ludwig Carl von 78 ff., 85ff., 88 (87) Schubart, Christian Friedrich Daniel 60 Schubert, Gotthilf Heinrich von 70 (16), 134 (43), 174 (1), 175, 181 Schuckmann, Henriette von 173 Schultheß, Barbara 111, 153 Schultheß, David 111 Schulthess-Rechberg, Gertrud von 19f., 73 (1)

Schwaiger, Georg 139, 142 (13), 144 (20, 25)

Seckendorf, Johann Karl Christoph Friedrich von 59 (80) Semler,Johann Salomo 11 f., 49, 51, 57,69f., 160 (31), 177 (16) Settele, Johann Nepomuk Anton 141 (7), 148fr„ 152, 156 Siebel, Abraham 44 ff. Simon, Matthias 130 (12,17) Smissen, Jakob Gysbert van der 173 Sonderegger, Johannes 97 Spalding, Johann Joachim 10,13 (4), 14f., 51, 108 Spangenberg, August Gottlieb 90f., 94f., 96 (3), 99, 104 (17) Spittler, Christian Friedrich 113 (44), 137,138 (62), 176 Stadion, Friedrich Lothar Joseph von 150 Stadion, Johann Philipp von 150 Staehelin, Ernst 111 (31 ff.), 112 (37,39ff.), 113 (44 f.), 114(1), 115(2,5f.), 116(9), 117 (11,13), 118(19), 119 (19f., 22f.), 120 (24ff.), 122 (36f.), 127 (61 f.), 128 (2, 4) Staggemeyer, Hermann Wilhelm Emanuel 45 (83) Stählin Anna 75 (7) Stählin, Anton 75, 78 (30), 82 Stapenhorst, Johann Georg Friedrich 45 (83) Stapfer, Johannes 39 (54) Stecher, Georg 166 (26), 169 (44) Steinbart, Gotthelf Samuel 112 Steiner, Matthias Jakob Adam 92 (4), 116,117 (11), 144 (22) Steinkopf, Karl Friedrich Adolf 117-120, 122-125, 126 (57), 127, 128 (63) Stephan, Horst 14 (5) Stettenbacher, Hans 84 (63) Stilling, siehe Jung-Stilling Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold von 41 Stolz, Johann Jakob 60, 92, 113, 164(13) Strohl, Henri 164 (8) Ströhn, Friedrich Jakob 49 (14) Stückelberger, Hans Martin 26 (3) Sudhof, Siegfried 166 (22) Sulger, Johann Heinrich 75 (6), 78, 85 (69 f., 72), 86 (73), 93,94 (10f.), 95,98 (20, 22-24), 99 (25-31) Sulzer, Johann Georg 10,108 Swedenborg, Emanuel 47, 48 (4f.), 68 Tangel, Franz 143, 159 Teller, Wilhelm Abraham 51, 57, 115 (2) Tersteegen, Gerhard 167 (28) Thut, Melchior 66 (121)

211

Tiesmeyer, Ludwig 139, 161 Tobler, Johann Christoph 60, 92, 112 Tops, Johann Hermann 41 Trichtinger (Hauptmann in Zürich) 74 (2) Tscharner, Nikolaus Emanuel 39 (54) Urlsperger, Johann August 25, 107-114, 116f. Urlsperger, Samuel 108 Vögeli, Johann Ludwig 60 Vömel, Alexander 167 (32), 168 (39), 169 (43) Waither, Johann Konrad 59 (80), 68 (8) Wartensleben, Friedrich Leopold Georg von 89 Wartensleben, Gideon von 89 Wartensleben, Isabella von geb. Lynarzu75, 79 (36), 80,85,89ff„ 93 (6), 94 (13ff.)> 95 (1, 16f.), 98 (16ff„ 21), 99 (27, 30f.) Waser, Hans Kaspar 13 (3), 92 (1) Waser, Johann Heinrich 124 (48) Waser, Otto 108 (8) Waterloo, Antonie 95 Wattewille, Friedrich von 81 (47), 101 (1) Wattewille, Nikolaus von 81 (47), 101 (1) Weber, Bruno 71 (26) Weigelt, Horst 27 (3), 32 (8), 107(1 f.), 108 (10), 109 (13 f.), 111 (30), 112(38), 151 (34) Weisbrod (Weißbrod), Johann Philipp 55, 58 (78), 66 (121) Werndli, Kaspar 119, 121 (32), 122 (36f.), 126 (57), 127 (62)

2.

Wernle, Paul 13 (1), 24,44 (82), 102 (7), 112 (36), 115 (2), 118 (19), 119 (21), 123 (44) Weyer-Menkhoff, Martin 51 (26) Wiedemann, Hans 116 (10) Wieser, Walter G. 96 (4) Wildermett, Alexander Joseph 118 (19), 119 Winklhofer, Sebastian 151 (37) Woldershausen, Otto Andreas 14 (4) Wolf, Johann Jakob 75 (11), 78 (31) Wolff, Christian 51 Wolff Kurt 173 (75) Wolfgang, Gustav Andreas 110 (21) Wotschke, Theodor 77 (24) Wuppermann, David 46 Wuppermann, Dorothea 33 (14), 34-38, 4 0 f f , 48, 161 Würsching, Johann Andreas 129, 132-135 Zapf, Georg Wilhelm 110 (23 f.), 111 (27f.) Zech, Philipp Nerius 154 (1) Zeerleder, Matthäus 61 (96), 168 (37) Ziegler, Friedrich 125 Ziesemer, Waither 164 (10) Zimmermann, Johann Georg von 15 (13), 31, 42 (68), 57 (68-71), 86, 87 (78) Zinn, Elisabeth 47 (2) Zinzendorf, Christian Renatus von 85 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 13,14 (4), 16,22,25, 73, 7 8 f f , 83ff., 87f., 92-99, 103, 105 Zorn, Wolfgang 111 (26) Zrounek, Wilhelm 96 (4) Zwingli, Huldreich 95

Ortsverzeichnis

Ausschließlich in den Anmerkungen vorkommende Ortsnamen sind dadurch gekennzeichnet, daß hinter der entsprechenden Seitenangabe in Klammern die betreffende Anmerkungsnummer vermerkt ist. Abtswind 70 Altona 173 Asperg 100 (36) Augsburg 25,107-111,116,117(11), 144 (22), 151, 157, 158 Bad Ems30,40,47,51,64,77f., 81,94,102, 166, 170 Bad Pfäfers im Kt. St. Gallen 61 Bad Pyrmont 172

212

Bad Schinznach im Kt. Aargau 126 (57) Bad Schwalbach 40 Bad Teinach 60 Baden im Kt. Aargau 46, 119, 126 (57) Balingen 49 (14), 56, 58 Barby an der Elbe 84, 86, 88 Barmen 42, 45, 46 Barth, Hafenstadt am B. er Bodden, Ostsee 10, 11 (10), 13, 15, 108 Basel24f., 75 (11), 76, 80,85 (67), 86,93 (4),

103,107, 111 (31), 112-115,117-128,154, 176 Berlin 14,17,25,39,58 (78), 79, 96,107f., 128 f., 131, 143, 159f., 178 Bern 39 (54), 74 (2), 123 Bernhausen b. Stuttgart 58 Biberachan derRiß 150 Biel im Kt. Bern 119 Bremen 20 Büdingen in der Wetterau 93 (4) BülachimKt. Zürich 141,147,149(19), 151 f. Cronenberg b. Elberfeld 45 Detmold 170, 172 Dillingen a. d. Donau 149, 151 (30) Donauwörth 141 Duisburg 30ff., 33 (14) Düsseldorf 41 Echterdingen b. Stuttgart 60 Eferding in Oberösterreich 118 (16) Elberfeld 41, 46, 167 f. Ellwangen a. d. Jagst 59 (80) Erlangen 134f„ 174 Erlenbach am Zürichsee 76, 126 (57) Esens in Ostfriesland 111 (34) Frankfurt am Main 39, 45, 46 (90), 49, 60, 78-82,84,93(4), 115, 170 Friedberg in Hessen 79 Fürth in Bayern 174 Gaildorf 59 (80), 68 (8) Geiselwind im Steigerwald 70 Gießen a. d. Lahn 109 Gnadau b. Magdeburg 84 Göppingen a. d. Fils 51 Görlitz a. d. Lausitzer Neiße 88 Graz in der Steiermark 133 Hamburg 14 (8), 15 Hannover 86 Herrnhut in der Oberlausitz 90f., 103 Ingolstadt a. d. Donau 140 Jerusalem 136 Kaiserslautern 167 Kleinweisach im Steigerwald 70 Kleinwelka b. Bautzen 91

Knonau im Kt. Zürich 121 (29) Königsberg i. Pr. 162, 165 Kopenhagen 116,117(11), 133,135,137,141, 144(22), 168, 172, 173 (74) Kornwestheim b. Ludwigsburg 54, 56, 60 Köstritz a. d. Weißen Elster 90 Leipzig 62 Lengenwang im Ostallgäu 146 Lindau am Bodensee 108, 116, 173 Lindheim in der Wetterau 79 (38), 88 (87) Linz in Oberösterreich 133 London 78, 93, 95,113,116 Ludwigsburg 55f., 64f. Magdeburg 14, 88 Mannheim 60 Marburg a. d. Lahn 168 Marseille 119 Marschlins im Kt. Graubünden 88 Mitau im Kurland 65 Montmirail 74 (2), 75 (11), 83, 85f. Mosbach a. d. Elz 60 Mülheim a. d. Ruhr 40ff. Münchingen b. Ludwigsburg 100 (36) Münster in Westfalen 164 Murrhardt im Tal der Murr 51 Neudietendorf b. Erfurt 90 Neuwied 77f., 94, 111 (34) Niesky in der Oberlausitz 88 Nürnberg 25,36, 53,67-70,72 (28), 95 (17), 108, 118, 125 (53), 128-138, 174, 176 Offenbach a. Main 60, 79f., 170 Oettingen in Bayern 157 ff. Petersburg, St. Petersburg 119 Petkum b. Emden 111 (34) Plochingen 52, 60 (85) Pondorf a. d. Donau 52, 60, 64, 110, 140 Poppenweiler b. Ludwigsburg 59 (80) Ravensburg 115 Regensburg 52, 60, 110, 140 Rehweiler im Steigerwald 70 Rendel in Hessen 79 (38) Riehen im Kt. Basel-Stadt 124 Richterswil am Zürichsee 61, 84 Sarmenstorf im Kt. Luzern 160 Säckingen 153

213

Schaffhausen60, 64, 74(2), 82f., 101 (1), 148, 153, 158 Schorndorf a. d. Rems 88 (89) Seeg im Allgäu 144ff., 156f. Solingen 42 Staden b. Friedberg in Hessen 79, 87 Stäfa am Zürichsee 102 f. Straßburg 114 Straubing 110 (22) Stuttgart 51, 56ff., 59 (80), 60, 65f., 128 Triest 70 Trogen im Kt. Appenzell 88 Tübingen 58, 60, 101 (1), 111 (34) Tuttlingen 60 U l m 157 Unterbarmen 46 Vaihingen a. d. Enz 100 (36)

214

Waldersbach im Elsaß 162 f. Warthausen im Amt Biberach an der Riß 150 Wemding in bay. Schwaben 151 Wettswil (Wettschweil) im Kt. Zürich 76 (11) Wichlinghausen b. Barmen 42 Wied, siehe Neuwied Wien 131 Wilhelmsbad b. Hanau am Main 79 Winterthur im Kt. Zürich 15 (12), 60,62 (100), 64 (109), 107, 108, 112, 176 (15) Würzburg 82 (50) Ziegenberg b. Bad Nauheim 79, 86 Zürich9ff., 13,15,30f:, 33 (13), 35, 41, 44f., 48f., 55, 58-61,64-67, 69f., 72-77, 83, 85 (69), 88 ff., 92,95 (3), 96,101-104,107, 110-114,116-121,126f„ 132 ff., 137, 141 f., 144f., 150 f., 153 ff, 158,162f„ 169, 173,175, 181

Arbeiten zur Geschichte des Pietismus (AGP) Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus hrsg. von Kurt Aland, Konrad Gottschick und Erhard Peschke

17 Gustav A. Krieg · Der mystische Kreis Wesen und Werden der Theologie Pierre Poirets. 1979. 230 Seiten, geb.

18 Sigrid Großmann Friedrich Christoph Oetingers Gottesvorstellung Versuch einer Analyse seiner Theologie. 1979. 321 Seiten, geb.

19 Manfred Jakubowski-Tiessen Der frühe Pietismus in Schleswig-Holstein Entstehung, Entwicklung und Struktur. 1983. 188 Seiten, geb.

20 Martin Schmidt Der Pietismus als theologische Erscheinung Gesammelte Studien zur Geschichte des Pietismus. Band II. In Verbindung mit K. Breuer und E. Stove hrsg. von Kurt Aland. 1984. 338 Seiten, geb.

21 Friedhelm Groth - Die „Wiederbringung aller Dinge" im württembergischen Pietismus Theologiegeschichtliche Studien zum eschatologischen Heilsuniversalismus württembergischer Pietisten des 18. Jahrhunderts. 1984. 432 Seiten, geb.

22 Rudolf Dellsperger Die Anfange des Pietismus in Bern Quellenstudien. 1984. 221 Seiten, geb.

23 Jörg Ohlemacher Das Reich Gottes in Deutschland bauen Ein Beitrag zur Vorgeschichte und Theologie der deutschen Gemeinschaftsbewegung. 1986. 296 Seiten, geb. „ . . . ein Buch, das nicht nur für den engeren Kreis der Pietismusforschung bedeutsam ist, sondern fur alle, die an dem spannungsreichen Gegenüber des sog. .Neupietismus' zu der gegenwärtigen Situation in den Landeskirchen und der wissenschaftlichen Theologie interessiert sind. Mit dieser Arbeit ist eine fundierte Möglichkeit gegeben, in die Vorgeschichte und Theologie der Gemeinschaftsbewegung Einblick zu gewinnen. Dem Verfasser kommt das Verdienst zu, eine gründliche Untersuchung vor allem zu den Anfängen dieser Bewegung, ihrer Theologie und ihrem Kirchen- und Weltverständnis vorgelegt zu haben." Hessens Theologischer Literatur-Anzeiger

24 Hansgünter Ludewig Gebet und Gotteserfahrung bei Gerhard Tersteegen 1986. 359 Seiten, geb. „Ein sehr informatives und ausgewogenes Buch, das zeigt, wie die christliche Mystik, die ursprünglich auf katholischem Boden gewachsen ist, sich bruchlos in eine evangelische Tradition übernehmen ließ." Theologische Revue „ . . . das beste Tersteegenbuch, das es heute gibt. Ein Meilenstein der Tersteegenforschung!" BerndJaspert in: Deutsches Pfarrerblatt

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen und Zürich