Annäherung Und Distanz: Schia, Azhar Und Die Islamische Ökumene Im 20. Jahrhundert [2nd 2., 2. Aufl. ed.] 3879972567, 9783879972562

Die Reihe Islamkundliche Untersuchungen wurde 1969 im Klaus Schwarz Verlag begründet und hat sich zu einem der wichtigst

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Polecaj historie

Annäherung Und Distanz: Schia, Azhar Und Die Islamische Ökumene Im 20. Jahrhundert [2nd 2., 2. Aufl. ed.]
 3879972567, 9783879972562

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Rainer Brunner Annäherung und Distanz

ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 204 begründet von Klaus Schwarz herausgegeben von Gerd Winkelhane

ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 204

Rainer Brunner

Annäherung und Distanz Schia, Azhar und die islamische Ökumene im 20. Jahrhundert

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. British Library Cataloguing in Publication data A catalogue record for this book is available from the British Library. http://www.bl.uk Library of Congress control number available http://www.loc.gov

Das Titelbild zeigt den Innenhof der al-Azhar-Moschee in Kairo, erbaut 359-61h (970-72), mit den Minaretten Qayt Bay und al-Ghuri

www.klaus-schwarz-verlag.com All rights reserved. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

© 1996, 2011 by Klaus Schwarz Verlag GmbH Berlin Erstausgabe 2. Auflage Herstellung: J2P Berlin Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-87997-256-2

für Kirsten

Fltxn Fyk d$b Fr$n Ml anna dyb Qftn Fyk Fr$n am aryek Faraº FÙda: ZawÁº al mutÝa Once under such a bush he saw the war of the ants. He instantly knew the cause of the war and the nature of the parties. The red ants, whose bite (he had been told) was slightly poisonous, were Sunnis, the party among Muslims that rejected the claim of the descendants of Ali, and they were attacking the black ants, who were obviously Shia, since black as well as green was a color worn by people like Ali Hashemi’s father who claimed descent from Ali. He remembers admiring the black ants for the justness of their cause and their individual heroism; but as the battle continued, he began to admire the orderliness and steadiness of the slower-moving red ants. As far as he could tell, neither side won. Roy Mottahedeh: The Mantle of the Prophet

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort..........................................................................................................ix Einleitung: Der Streit um die „richtige“ Geschichte......................................1 1. Erste Ansätze zur Überwindung des Konflikts.......................................18 2. Azhar-Reform und Schia nach der Jahrhundertwende............................32 3. Ein umstrittener Briefwechsel (1911/36)................................................37 4. Kalifat und Ökumene (1924-1939).........................................................59 Die Abschaffung des Kalifats (59) – Jerusalem 1931 und die Folgen (64) – Die Einbeziehung der Azhar (74)

5. Institutionalisierung des ökumenischen Denkens...................................89 Vorläufer (89) – Gründung und Aufbau der ÉamÁÝat at-taqrÐb (95) – Publizistik und Editionstätigkeit (106)

6. Sunnitische und schiitische Gelehrte im Mikrokosmos des TaqrÐb (1947-1960)...........................................................................................114 Sunniten (116) – Schiiten (140)

7. Möglichkeiten und Grenzen der ökumenischen Debatte......................156 Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das ökumenische Denken (156) – bi-llatÐ hiya aÎsan? - Standardargumente und Klischees (172)

8. Polemik und Annäherung im Zeichen der Revolutionspolitik (1952-1957)...........................................................................................189 Die Azhar und die Revolution (189) – MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb und die Zeitschrift der Azhar (193) – Die Integration der ÉT in die Politik (208)

9. Triumph und Scheitern des ökumenischen Denkens (1958-1961).......215 Theologie und Politik: MaÎmÙd ŠaltÙts „FatwÁ“ von 1959 (215) – Politik und Theologie: Ägypten, der Irak und Iran 1958-1960 (232) – Die Wiederentdeckung der Polemik (243)

10.Die Zeit des Niedergangs (1962-1979).................................................257 Epilog..........................................................................................................288 Abkürzungsverzeichnis..............................................................................301 Literaturverzeichnis....................................................................................303 Index...........................................................................................................321

VORWORT Das vorliegende Buch stellt die etwas erweiterte Fassung einer Dissertation dar, die im März 1995 vom Gemeinsamen Ausschuss der Philosophischen Fakultäten der Universität Freiburg angenommen wurde. Vorab ein paar Anmerkungen arbeitstechnischer Art. Die Transkription folgt im allgemeinen den Regeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft; bei persischen Namen und Wörtern orientiert sie sich an der Aussprache; also: MuÎammad RašÐd RiÃÁ, aber: MoÎammad ReªÁ PahlawÐ. Bei Problemfällen (wie beispielsweise bei schiitischen Gelehrten iranischer Herkunft, die im Irak lehrten oder umgekehrt) wurde normalerweise der arabischen Vokalisierung der Vorzug gegeben. Daß dennoch manche Inkonsequenz stehengeblieben ist, soll nicht geleugnet werden und ist mit der Bitte um Nachsicht verknüpft. Der arabische Artikel wird grundsätzlich immer, also auch am Satzanfang, klein geschrieben; in einer Zeit, da es nicht mehr gänzlich ungewöhnlich ist, daß deutschsprachige Bücher und Aufsätze in konsequenter Kleinschreibung erscheinen, meine ich mir diese orthographische Eigenwilligkeit erlauben zu dürfen. Unnötig zu betonen schließlich, daß die Verantwortung für alle Urteile, aber auch alle Fehler in dieser Arbeit allein bei mir liegt. Zu großem Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Dr. Werner Ende, der den Fortgang der Arbeit mit kritischem, zugleich wohlwollendem Interesse verfolgte und mit bei der Einteilung meiner Arbeiten im Orientalischen Seminar jegliche Freiheit ließ. Sein fachlicher Rat, die nie versiegenden Literaturhinweise und die Gelassenheit des Umgangs miteinander waren mir stets eine große Hilfe. Frau Prof. Dr. Monika Gronke hat sich, die räumliche Distanmz zwischen Freiburg und Köln nicht achtend, bereit erklärt, das Korreferat zu übernehmen; dafür – und für so manche Aufmunterung – sei ihr herzlich gedankt. Etliche Bibliothekare hatten es nicht immer ganz leicht mit mir. Daß sie dennoch nie die Geduld verloren und auch ausgefallene Wünsche unbürokratisch und schnell erledigten, spricht für ihre große Hilfsbereitschaft – und für ihre Leidensfähigkeit. Zu danken habe ich in erster Linie Frau Dr. Helga Rebhan und Herrn Dr. Winfried Riesterer von der Bayerischen Staatsbibliothek München, die mir den einzigartigen Bestand der libanesischen Zeitschrift al-ÝIrfÁn komplett zur Verfügung stellten; Herrn Dr. Walter Werkmeister und dem Bibliothekspersonal der Universitätsbibliothek Tübingen, die mir mehrfach freien Zugang ins Magazin ermöglichten; Herrn Dr. Kamran Arjomand, der mich mit den Schätzen der Kölner Schia-Bibliothek versorgte; und last but not least Frau Dr. Ursula Ott, die im Orientalischen Seminar Freiburg am häufigsten von meiner Bibliomanie betroffen war. Die Herren Professoren Jacob M. Landau, Said Amir Arjomand und Abdoljavad Falaturi standen in verschiedenen Stadien der Arbeit zu anregenden Gesprächen zur

Verfügung, Herr Dr. Andreas Tunger-Zanetti hat sich der nicht geringen Mühe des Korrekturlesens unterzogen und mich auf zahlreiche Fehler und Unklarheiten aufmerksam gemacht, Herr Dr. Maher Jarrar hat mir nach seinem Abschied aus Freiburg von Beirut aus wichtige Hinweise zukommen lassen, Frau Dr. Silvia Naef überließ mir das Manuskript ihres KÁšif al-ÇiÔaÞ-Aufsatzes, und Herr Kai-Uwe Baumbach gestattete mir großzügig die Benutzung des von ihm verfaßten ZusatzComputerprogramms für die Transkriptionszeichen. Ihnen allen sei dafür ebenso aufrichtig gedankt wie der Baden-Württembergischen Landesgraduiertenförderung, die mir in der Endphase der Arbeit ein Stipendium gewährte und einen Teil der anfallenden Druckkosten übernahm. Danken will ich schließlich auch meinen Eltern und meiner Schwiegermutter für ihre Unterstützung sowie den vielen Freunden, die mir in den vergangenen Jahren in vielfältiger Form zur Seite standen, sei es, daß sie einzelne Kapitel lasen und mir wertvolle Anregungen gaben, allfällige Computerprobleme aus dem Weg räumen halfen oder durch aufmunternde Worte für Motivationsnachschub sorgten. Ein gesondertes Wort des Dankes gebührt Frau Karin Riesterer und Herrn Dr. Christoph Unger für ihre (oft und gern in Anspruch genommene) Gastfreundschaft. Den meisten Dank aber schulde ich meiner Frau Kirsten Steinbach. Ungeachtet eigener beruflicher Belastung und unter nicht immer einfachen Umständen hat sie große Teile des mitunter reichlich chaotischen Manuskripts in eine maschinenschriftliche Form verwandelt und sämtliche Versionen gegengelesen. Ohne ihren Beistand und ihre beharrliche Geduld, auch und gerade in Zeiten der Krise, hätte die Arbeit in der vorliegenden Form nicht geschrieben werden können. Freiburg, im April 1996

Rainer Brunner

Zur zweiten Auflage In den zurückliegenden Jahren hat dieses Buch schnell seine wohlverdiente Akzeptanz erworben. Bedauerlicherweise ist es erst jetzt möglich geworden, die schon lange überfällige und oft gewünschte zweite Auflage vorzulegen. Umso mehr freuen sich Verlag und Herausgeber über das Wiederaufleben dieser so wichtigen Studie, die über die Jahre nichts von ihrer Aktualität und Kennerschaft eingebüßt hat. Berlin, im Januar 2011

Gerd Winkelhane, Herausgeber

EINLEITUNG Der Streit um die „richtige“ Geschichte Im Sommer 1986 entbrannte unter deutschen Historikern der sogenannte „Historikerstreit“. Unter der ebenso zutreffenden wie folgenschweren Überschrift „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ löste Ernst Nolte eine Kontroverse aus, in der es einerseits um die in seinem Artikel aufgeworfene Frage ging, ob die Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten ein singuläres Verbrechen war oder ob 1 „nicht der ‘Archipel GULag’ ursprünglicher als Auschwitz (war).“ Zum anderen berührte der Streit das darüber hinausgehende grundsätzliche Problem, welches Verhältnis die Geschichtsschreibung zum sensibelsten Bereich der deutschen Geschichte, dem Dritten Reich, einnehme beziehungsweise einzunehmen habe. Die teilweise mit äußerster Schärfe und Polemik geführte Debatte war weder die erste noch die letzte ihrer Art – man denke nur an den gut zwanzig Jahre zuvor ausgefochtenen Streit um die Kriegsschuldfrage des Ersten Weltkriegs oder an die seit einigen Jahren stattfindende Diskussion um die Bewertung der Stasi-Akten der untergegangenen DDR – und insofern ein weiterer Beleg für die Unmöglichkeit, in dieser Frage zu einer verbindlichen Antwort zu gelangen. All diese Kontroversen machen deutlich, wie sehr die Historie, oder vielmehr der vermeintlich „richtige“ Umgang mit ihr, dazu geeignet ist, auch unter Akademikern, die sich viel darauf zugute halten, ihr Fach sine ira et studio zu betrachten, Emotionen zu wecken, die selbst vor persönlichen Angriffen nicht haltmachen. Neu ist diese Erkenntnis also keineswegs, und sie ist natürlich auch nicht auf die 2 europäische oder gar deutsche Historiographie beschränkt. Gerade die Geistes- (und oft genug auch die Ereignis-)geschichte des islamischen Orients im 20. Jahrhundert ist voller Beispiele, die zeigen, welch weitreichende und häufig ungeahnte Folgen Begebenheiten der ersten Jahrzehnte islamischer Geschichte bzw. deren Interpretation heute 3 noch nach sich ziehen können. Das Aufsehen, das etwa jüngst der ägyptische Philoso1 E. Nolte: Vergangenheit, die nicht vergehen will, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juni 1986; wiederabgedruckt in: „Historikerstreit“. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München 1987, 39-47 (Zitat 45). 2 Zu einem weiteren Beispiel aus der europäischen Geschichte vgl. E. Schulin: Die Französische Revolution, München 1988, 22-51: Geschichte der Geschichtsschreibung über die Französische Revolution. 3 Vgl. Ende: Arabische Nation, passim; Wielandt: Offenbarung und Geschichte, passim; Haddad: Contemporary Islam and the Challenge of History, passim; ein Fallbeispiel wird untersucht von G. Kassian: Die Orientierung an der frühislamischen Geschichte in der Ideologie des Arabischen Sozialismus in Ägypten unter Nasser, Diss. Bonn 1991; zur muslimischen Historiographie allg. s. F. Rosen-

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phiedozent NaÒr ÍÁmid AbÙ Zaid mit seinen Thesen zum Koran verursachte (und das ihm, als „Apostaten“ angeklagt, Zwangsscheidung und Exil einbrachte), ist nur zu verstehen, wenn man sich die ungebrochene Bedeutung der frühislamischen Geschichte 4 für die Gegenwart vor Augen hält. Ein beträchtlicher Teil derartiger Kontroversen spielte und spielt sich zwischen Vertretern der beiden wichtigsten Gruppierungen des 5 Islams ab: zwischen Sunniten und Schiiten. Die Tatsache, daß es sich dabei um einen Konflikt handelt, dessen Wurzeln mehr als dreizehnhundert Jahre zurückreichen, wird dadurch aufgewogen, daß dieses Zerwürfnis unmittelbarer und stärker, als jede säkulare Geschichtsschreibung das vermöchte, das religiöse Selbstverständnis, letztlich sogar die alltägliche, auch politische Identität beider Parteien berührt. Ein Infragestellen einer von der jeweils anderen Seite verehrten Person oder eines dort als sicher geltenden Sachverhalts der Frühzeit des Islams kann so mühelos als Angriff auf diese Gruppe in ihrer heutigen Form interpretiert werden. Und nicht selten ist genau das auch beabsichtigt. Etwa dann, wenn in einer für einen Außenstehenden nicht immer leicht nachzuvollziehenden Art und Weise traditionelle Polemiken beider Konfessionen gegeneinander in das 20. Jahrhundert hinein „verlängert“ und so Widerlegungen von Streitschriften früherer Jahrhunderte verfaßt werden oder wenn – mutatis mutandis – klassische Autoritäten als Kronzeugen im Streit gegen zeitgenössische Gegner bemüht wer6 den. Am treffendsten beschreibt Bernard Lewis diese Gegenwärtigkeit der Geschichte: „The names of Ali, of Mu’awiya, of Yazid are as contemporary as this morning’s 7 newspaper, more so than yesterday’s.“ Im Gegensatz zur polemischen Abgrenzung voneinander, die auf eine lange häresiographische Tradition zurückblicken kann, ist die Forderung nach einer ökumenischen Annäherung der Konfessionen (taqrÐb bzw. taqÁrub) im wesentlichen eine Erscheinung der neueren islamischen Geschichte. Erstmals wurde sie am Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der gerade im Entstehen begriffenen allgemeinen pan-islamischen Tendenzen geäußert. Von diesen individuellen Ansätzen ausgehend manifestierte sich die interkonfessionelle Zusammenarbeit in organisierter Form zum ersten Mal in der islamischen Kongreßbewegung der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Etwas später kamen einzelne, eigens zu diesem Zweck gegründete Vereinigungen hinzu, die – zumeist mit einem programmatischen Namen versehen – in ihthal: A History of Muslim Historiography, Leiden 21968 sowie B. Lewis / P.M. Holt (eds.): Historians of the Middle East, London 1962; zur Historiographie der Moderne s. auch Y.M. Choueiri: Arab History and the Nation State. A Study in Modern Arab Historiography, 1820-1980, London 1989; T. Nagel: Identitätskrise und Selbstfindung. Eine Betrachtung zum zeitgenössischen muslimischen Geschichtsverständnis, WI 19/1979/74-97. 4 Zum Hintergrund dieses auch in der westlichen Presse bekannt gewordenen Falls s. N. Kermani: Die Affäre Abû Zayd. Eine Kritik am religiösen Diskurs und ihre Folgen, Orient 35/1994/ 25-49; ausgelöst wurde die Kontroverse durch AbÙ Zaids Buch MafhÙm an-naÒÒ. DirÁsa fÐ ÝulÙm al-qurÞÁn (Kairo 1990); ein weiteres umstrittenes Werk des Autors (Naqd al-ÌiÔÁb ad-dÐnÐ, Kairo 1992) liegt mittlerweile u.d.T. Islam und Politik. Kritik des religiösen Diskurses (Frankfurt 1996) in deutscher Übersetzung vor. 5 Mit Schiiten sind in dieser Arbeit – sofern nicht anders vermerkt – die Zwölferschiiten (ImÁmÐya) gemeint. 6 Ende: Arabische Nation, 114f.; ein Beispiel neueren Datums ist die Ibn TaimÐya gewidmete Schrift aš-ŠÐÝa wa-imÁmat ÝAlÐ von ÝÀmir an-NaÊÊÁr (Kairo 1414/1993). 7 Lewis: The Shi’a in Islamic History, 24.

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ren Publikationen Schiiten wie Sunniten gleichermaßen ein Forum zum Dialog boten. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es, die Entstehung und den Verlauf dieser innerislamischen Debatte des 20. Jahrhunderts nachzuzeichnen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen wird das durchaus wechselhafte Verhältnis des nach wie vor bedeutendsten sunnitischen Gelehrtenzentrums, der Azhar-Universität in Kairo, zur schiitischen Geistlichkeit stehen. Obgleich in Ägypten selbst die Schia zumindest in der Moderne nur von nebensächlicher Bedeutung ist, spielte sich hier das wohl bedeutendste Kapitel der ökumenischen Bewegung ab. Zu verdanken ist dies jener Institution, der es als bislang einziger gelang, die taqrÐb-Debatte nahezu zwei Jahrzehnte lang maßgeblich zu gestalten, nämlich der 1947 gegründeten ÉamÁÝat at-taqrÐb bain almaÆÁhib al-islÁmÐya, an der nicht nur zahlreiche Azhar-Gelehrte beteiligt waren, sondern ebenso schiitische ÝulamÁÞ aus der gesamten islamischen Welt. Die Aktivitäten dieser Vereinigung, ihre Geschichte und der regelrechte Mikrokosmos, den sie für ei8 nige Zeit zu bilden vermochte, werden daher ausführlich zur Sprache kommen. Dabei soll das Hauptinteresse der Frage gelten, was – neben den zu erwartenden theologischen Motiven – die Gründe für die einzelnen Gelehrten gewesen sein mochten, mit Vertretern der jeweils anderen Konfession in Kontakt zu treten, und in welchem Maße die jeweiligen politischen Zeitumstände den Erfolg der theologischen Gespräche beeinflußten, ihr Zustandekommen mitunter überhaupt erst ermöglichten. Aber auch die Argumentationsweise selbst, die Möglichkeiten einer Annäherung, die Grenzen, die in der Diskussion ein ums andere Mal sichtbar wurden, und – nicht zu vergessen – die Polemiken, die die ökumenischen Bestrebungen ihrerseits wiederum auslösten, sollen eingehend betrachtet werden. In der westlichen Sekundärliteratur haben diese ökumenischen Aktivitäten im modernen Islam bisher vergleichsweise wenig Beachtung gefunden. Lediglich in einigen Überblicksdarstellungen über die Beziehungen zwischen Sunniten und Schiiten im 20. 9 Jahrhundert im allgemeinen finden sich Hinweise darauf. Daneben sind allerdings etliche Aufsätze zu einzelnen Themen oder Personen erschienen, in denen die Frage des taqrÐb breiten Raum einnimmt. Hervorzuheben sind hier vor allem die Arbeiten von 10 11 12 Werner Ende, Frank Bagley und Pierre Rondot. Darüber hinaus liegen über MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya und MaÎmÙd ŠaltÙt, zwei Hauptpersonen der ökumeni8 Das Verhältnis zwischen sunnitischen und schiitischen Gelehrten andernorts (zu denken wäre in erster Linie an den Irak, den Libanon oder an Pakistan) wurde im Rahmen dieser Arbeit bewußt nur am Rande berücksichtigt. In diesen Ländern sind derartige Kontakte zwar von erheblicher lokaler Bedeutung, doch treten die dortigen Gelehrten nicht mit dem umfassenden ökumenischen Anspruch auf, für die gesamte muslimische umma sprechen zu wollen, den die Azhar und die Kairiner Vereinigung an den Tag legten. 9 Ende: Arabische Nation, 113-69, bes. 116ff.; idem: Sunniten und Schiiten, bes. 198ff.; Enayat: Modern Islamic Political Thought, 18-51, bes. 41ff. 10 Ehe auf Zeit, bes. 25ff.; Die Azhar, ŠaiÌ ŠaltÙt und die Schia, passim; Erfolg und Scheitern, passim; sowie Sunni Polemical Writings, passim. 11 The Azhar and ShÐÝism, passim. 12 Les chiites et l’unité de l’Islam, passim; Manfred Fleischhammers Artikel über einen Sammelband mit taqrÐb-Äußerungen arabischer Autoren (DaÝwat at-taqrÐb min ÌilÁl RisÁlat al-IslÁm – Stimmen zur Stellung des Islams in der Gegenwart) beschränkt sich demgegenüber auf allgemeine Fragen des islamischen Modernismus, ohne auf das Problem einer interkonfessionellen Annäherung einzugehen.

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schen Bewegung, gründliche Biographien vor, in denen – wenngleich auf nur wenigen 13 Seiten – auch auf deren Engagement in diesem Bereich eingegangen wird. Im Gegensatz zu den neuzeitlichen theologisch-ökumenischen Beziehungen der Muslime untereinander ist die vorwiegend auf politischer Ebene argumentierende (und agitierende) Form des Pan-Islamismus in drei in den letzten Jahren publizierten Arbeiten erschöpfend behandelt worden: Martin Kramers Buch Islam Assembled behandelt ausführlich mit der Entstehung des muslimischen Kongreßgedankens und seiner Entwicklung bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Jacob Landaus Studie The Politics of Pan-Islam, eine akribische Tour d’horizon durch 120 Jahre pan-islamischen Denkens, beschränkt sich in bewußter Auslassung theologischer Erwägungen auf diejenigen Aspekte des Pan-Islamismus, die auf eine institutionelle oder ökonomische Einigung der Muslime abzielen. Reinhard Schulze schließlich stellt in seiner Habilitationsschrift über die Politisierung des Islams seit dem 19. Jahrhundert und die Geschichte der Islamischen Weltliga politische und theologische Formen neuzeitlicher Integrationsbestrebungen in der islamischen Welt dar, wobei sich diese Art der Annäherung allerdings 14 nahezu ausschließlich im sunnitischen Bereich abspielte. ∗∗∗ Die Spaltung der muslimischen Gemeinde in Sunniten und Schiiten, die bereits in den ersten Jahrzehnten der islamischen Geschichte erfolgte, kennzeichnet das Erscheinungsbild dieser Religion bis heute. Dabei handelt es sich hier weder um das einzige 15 Schisma, das den Islam befiel, noch bilden die beiden Konfessionen monolithische, in sich geschlossene Blöcke. Jedoch kristallisierten sich die Sunniten in Form der vier bis heute existierenden Rechtsschulen (Íanafiten, Íanbaliten, MÁlikiten und ŠÁfiÝiten) 16 sowie die Schiiten mit ihren Untergruppierungen ImÁmÐya oder Zwölferschia und – 17 weniger bedeutend und lokal begrenzt – ZaidÐya und IsmÁÝÐlÐya im Laufe der Zeit als die entscheidenden Gemeinschaften heraus, denen heutzutage die bei weitem überwiegende Mehrheit der Muslime angehört. Einer griffigen sozial- bzw. religionswissenschaftlichen Erklärung hat sich der innerislamische Dissens bis heute weitestgehend entzogen. Das Faktum an sich war 13 Es handelt sich hier um die Arbeit von Karl-Heinrich Göbel u.a. über MuÈnÐya (Moderne schiitische Politik und Staatsidee, bes. 89-94) sowie die drei Biographien über ŠaltÙt: Wolf-Dieter Lemke: MaÎmÙd ŠaltÙt (1893-1963) und die Reform der Azhar, Index s.v. DÁr at-taqrÐb; Midhat David Abraham: MaÎmÙd ShaltÙt (1893-1963), a Muslim Reformist, 112-25 sowie Kate Zebiri: MaÎmÙd ShaltÙt and Islamic Modernism, bes. 24ff. 14 Die Schia spielt in allen genannten Werken nur eine Nebenrolle; vgl. Kramer, Index s.v. ShiÝis; Landau, Index s.v. ShiÝa, Shiites; Schulze, 356-62 und Index s.v. Schia. 15 Vgl. Laoust: Schismes, passim. 16 Aus der Fülle der über die vier Rechtsschulen (maÆÁhib) existierenden Literatur sei hier nur auf die relevanten Artikel in der Encyclopaedia of Islam verwiesen: ÍanÁbila, EI2 III/158-62 (H. Laoust); Íanafiyya, ibid. 162-64 (W. Heffening / J. Schacht); MÁlikiyya, EI2 VI/278-83 (N. Cottard) und al-ShÁfiÝiyya, EI2 IX/185-89 (E. Chaumont). 17 Zur IsmÁÝÐlÐya s. Halm: Die Schia, 193-243 sowie F. Daftary: The IsmÁ’ÐlÐs: Their History and Doctrines, Cambridge 1990; zur ZaidÐya s. W. Madelung: Der Imam al-QÁsim b. IbrÁhÐm und die Glaubenslehre der Zaiditen, Berlin 1965.

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zwar schon seit dem Mittelalter im Abendland bekannt, stieß aber – im Vergleich zur Beschäftigung mit dem sunnitischen Islam – auf nur wenig Forscherinteresse. Die spärlichen Nachrichten, die über die Schia zu erhalten waren, stammten zumeist aus der Feder ihrer Feinde, waren also konfessionell gefärbt, was sich nicht zuletzt in dem Bild niederschlug, das man sich im Westen von den Schiiten machte. Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstand, angeregt durch den großen ungarischen Orienta19 listen Ignaz Goldziher, allmählich so etwas wie eine eigenständige Schiaforschung. Die Deutungsversuche, die dieses Phänomen seither erfuhr, reichen dabei vom Vergleich mit dem Christentum und dessen Konfessionsstreitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten über ethnische (historisch bedenkliche) Erklärungen – arabische Sunna vs. persische Schia – und das zweifelhafte Hantieren mit den Begriffen Orthodoxie und Heterodoxie bis hin zur Interpretation der Schia als einer sozialrevolutionären Bewegung, der das sunnitische (vulgo: rechte) „Establishment“ gegenüberstehe. Auch dazu sei noch einmal Bernard Lewis zitiert: „None of these (interpretations) is wholly false, none of them is wholly true. But on the whole, they are more false than 20 true.“ Das auffallendste Charakteristikum, das bei der Betrachtung des sunnitisch-schiitischen Gegensatzes ins Auge sticht, ist der permanent und erbittert ausgefochtene Streit um das „richtige“ Bild, das man sich vom Verlauf der frühesten islamischen Geschich21 te zu machen habe. Als vorweggenommene Einschränkung der gleich zu referierenden Ereignisse ist allerdings daran zu erinnern, daß es sich dabei um die Sichtweise der Nachgeborenen handelt. Zeitgenössische historische Quellen sind nicht erhalten, und die im 8. Jahrhundert entstandenen ersten schriftlichen Sammlungen der bis dahin mündlich tradierten Berichte sind nur in mehr oder minder ausführlichen Zitaten in 22 den Werken späterer Historiker überliefert. Diese zeitversetzte Geschichtsschreibung ist, wie nicht anders zu erwarten, geprägt von der Voreingenommenheit der Autoren für die eigene Gruppe und bildet den Grundstock für die umfangreiche häresiographische Literatur des islamischen Mittelalters. Ebenso handelt es sich bei den Begriffen „Sunniten“ bzw. „Schiiten“ um Benennungen, die den Zeitgenossen jener Ereignisse noch nicht geläufig waren, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt rückblickend auf die jeweiligen Konfliktparteien angewandt wurden. Ferner ist – eine zweite notwendi18 Vgl. Dante: Göttliche Komödie, Hölle, 28. Gesang, Vers 31-36; S.M. Toorawa: MuÎammad, Muslims, and Islamophiles in Dante’s Commedia, MW 82/1992/133-43. 19 Eine der ersten gründlichen Studien auf diesem Gebiet ist seine Arbeit Beiträge zur Literaturgeschichte der SîÝâ und der sunnitischen Polemik; allg. s. E. Kohlberg: Western Studies, passim. Dennoch dauerte es bis weit in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts hinein, ehe der Schia als einer eigenständigen Erscheinungsform des Islams die ihr gebührende Aufmerksamkeit zuteil wurde; Richard Hartmann etwa beschränkte sie in seinem 1944 erstmals erschienenen Buch Die Religion des Islam (Berlin 1944, Nachdruck Darmstadt 1992) auf einen wenige Seiten umfassenden Anhang unter der Überschrift „Sektenbildung im Islam“ (190-98); ähnlich auch A. Schimmel: Der Islam. Eine Einführung, Stuttgart 1990, 82ff.: „Schia und Sektenwesen“. 20 The Shi’a in Islamic History, 22. Lewis selbst plädiert im übrigen dafür, die Sunniten als diejenige Gruppe zu sehen, die sich – prinzipiell jedenfalls – der Aufrechterhaltung des Status quo verpflichtete und die Schiiten als diejenigen, die eben das nicht akzeptierten; s. ibid. 29f. 21 Ende: Der schiitische Islam, in: idem / Steinbach (eds.): Der Islam in der Gegenwart, 70-74; Momen: Introduction, 11-26. 22 Halm: Die Schia, 14f.

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ge Erinnerung – zu berücksichtigen, daß die Schia, wie sie uns heute entgegentritt, keine von Beginn an festgefügte Einheit bildet. Gerade die später dominierende Zwölferschia ist vielmehr das Ergebnis eines komplizierten und sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden historischen Prozesses, der natürlich – wie jegliche historische Ent23 wicklung – keineswegs zwangsläufig war. Auslöser des Streits war die vordergründig politische Frage, wer nach dem Tode des Propheten die Leitung der muslimischen Gemeinde übernehmen sollte. Die schiitische Auffassung betont dabei, daß MuÎammad noch zu Lebzeiten seinen Schwiegersohn ÝAlÐ b. AbÐ ÓÁlib zu seinem Nachfolger bestimmt habe, dieser jedoch nach MuÎammads Ableben durch die Intrigen seiner Gegner davon abgehalten worden sei, MuÎammads – und durch ihn Gottes – Willen zu erfüllen. Zwei Ereignisse sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung: die (tatsächliche oder vermeintliche) Designierung ÝAlÐs bei der Rückkehr von der Abschiedswallfahrt sowie die Umstände der Wahl AbÙ Bakrs zum ersten Kalifen. Der Anspruch, ÝAlÐ sei von MuÎammad als Kalif und damit Führer der Gemeinde ausersehen worden, gründet sich auf eine Reihe von ÍadÐ×en, in denen der Prophet stets aufs neue die herausragende Stellung ÝAlÐs, weit über der aller anderen Muslime, betonte. Der bedeutendste dieser Aussprüche soll im März 632 gefallen sein, als die Pilgerkarawane bei der Rückkehr aus Mekka am Teich von Ëumm (ÇadÐr Ëumm) 24 haltmachte. Bei dieser Gelegenheit, so die schiitische Überlieferung, sei MuÎammad mit den Worten vor die Gläubigen getreten: „Der, dessen Herr ich bin, dessen Herr ist auch ÝAlÐ (man kuntu maulÁhu fa-ÝAlÐ maulÁhu).“ Für die Schiiten bedeutet dies insofern eine von Gott angeordnete Ernennung (naÒÒ) ÝAlÐs zum Imam, als MuÎammad durch den am selben Tag geoffenbarten Koranvers „Du (mein) Gesandter! Richte (den Menschen) aus, was von deinem Herrn (als Offenbarung) zu dir herabgesandt worden 25 ist!“ (Koran 5/67) ausdrücklich dazu aufgefordert worden sei. Darüber hinaus, so die Schiiten weiter, habe der Prophet ebenfalls an diesem Tag, sozusagen zur Bestätigung der Ernennung ÝAlÐs, den Vers empfangen: „Heute habe ich eure Religion vervollständigt (so daß nichts mehr daran fehlt) und meine Gnade an euch vollendet, und ich bin damit zufrieden, daß ihr den Islam als Religion habt“ (Koran 5/3). Das alles ließ diesem Ereignis in schiitischem Geschichtsverständnis eine überragende Bedeutung zuteil werden: Bereits die BÙyiden erhoben im 10. Jahrhundert jenen 18. ÅÙ l-ÍiÊÊa zum (heute noch begangenen) Feiertag. Auch in unseren Tagen ist die Beschäftigung damit ungebrochen. So verfaßte ÝAbd al-Íusain al-AmÐnÐ an-NaÊafÐ, ein im Irak le23 Vgl. M.G.S. Hodgson: How Did the Early ShÐÝa Become Sectarian?, JAOS 75/1955/1-13; E. Kohlberg: From ImÁmiyya to IthnÁ-Ýashariyya, BSOAS 39/1976/521-34; zur Entwicklung des häresiographischen Schrifttums vgl. W. Madelung: Häresiographie, in: H. Gätje (ed.): Geschichte der Arabischen Philologie, Bd. 2: Literaturwissenschaft, Wiesbaden 1987, 374-78 und die dort genannte Literatur. 24 Art. GhadÐr Khumm, EI2 II/993f. (L. Veccia Vaglieri; dort weitere Literatur); ferner H. Laoust: Le rôle de ÝAlÐ dans la SÐra ChÐÝite, REI 30/1962/25f.; JafrÐ: Origins, 19-23. 25 Alle in dieser Arbeit vorkommenden Koranzitate folgen der Übersetzung von Rudi Paret; zur schiitischen Exegese von Vers 5/67 vgl. M. Ayyoub: The Speaking and the Silent QurÞÁn. A Study of the Principles and Development of ImÁmÐ ShÐÝÐ tafsÐr, in: A. Rippin (ed.): Approaches to the History of the Interpretation of the QurÞÁn, Oxford 1988, 177-98, bes. 192ff.

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bender Gelehrter iranischer Herkunft, eine mehrbändige Darstellung des Themas, und der tunesische Neu-Schiit MuÎammad at-TÐÊÁnÐ as-SamÁwÐ legte großen Wert auf die geradezu identitätsstiftende Wirkung dieses nach dem ÝÁšÙrÁÞ-Tag wichtigsten 27 schiitischen Festes. Neben dem oben zitierten ÍadÐ× – der dem kryptoschiitischen Universalgelehrten al-MasÝÙdÐ (gest. 956) zufolge bereits vier Jahre vorher, bei der Rückkehr aus al-Íu28 daibÐya, entstanden sein soll – überliefert die Schia noch eine Vielzahl anderer ÍadÐ×e derselben Tendenz, die allesamt die Legitimität der Ansprüche ÝAlÐs auf die Führung der Gemeinde untermauern sollen. Geradezu symbolträchtige Bedeutung erlangten der sogenannte „ÍadÐ× der zwei gewichtigen (oder auch: besonders wertvollen) Hinterlassenschaften“ (ÎadÐ× a×-×aqalain; gemeint sind der Koran und die Nachkommen des Propheten) sowie jener Ausspruch, der ÝAlÐ im Verhältnis zu MuÎammad die29 selbe Stellung zuweist wie Aaron im Verhältnis zu Moses. Dennoch konnte ÝAlÐ seine Ansprüche nach dem Tode des Propheten nicht durchsetzen. Verantwortlich dafür ist in den Augen der Schia in erster Linie der spätere zweite Kalif ÝUmar b. al-ËaÔÔÁb. Dieser habe unter Hinweis auf die bereits fortgeschrittene Krankheit des Sterbenden verhindert, daß MuÎammad auf dem Totenbett seinen letzten Willen niederschrieb, der für die Schiiten klarerweise eine Bekräftigung 30 der Ernennung ÝAlÐs gewesen wäre. Unumkehrbar wurde dieser Gang der Ereignisse durch die Umstände der Wahl AbÙ Bakrs zum Kalifen. Die bei sunnitischen wie schiitischen Autoren gleichermaßen zu findende Überlieferung des Geschehenen besagt, daß ÝAlÐ zusammen mit FÁÔima und einigen anderen nach MuÎammads Tod in dessen Haus blieb, um den Leichnam für das Begräbnis vorzubereiten. Zugleich versammel31 ten sich am Versammlungsort (saqÐfa) der BanÙ SÁÝida zwei Gruppen aus den Reihen der mit MuÎammad seinerzeit ausgewanderten Mekkaner (muhÁÊirÙn) und der medi32 nensischen Neumuslime (anÒÁr), um einen Nachfolger des Propheten als politischen Führer zu bestimmen. In einer kontrovers geführten Diskussion wurde das Ansinnen der Medinenser, die ihren Anführer SaÝd b. ÝUtÁba als Prätendenten vorbrachten, zu26 al-ÇadÐr fÐ l-kitÁb wa-s-sunna wa-l-adab; zum Autor (1902-1971) s. EIr I/955f. (H. Algar); azZiriklÐ III/278; RF I/177-82; MMI II/225; GD IV/377-79; ÉaÝfar ŠahÐdÐ / MoÎammad ReªÁ ÍakÐmÐ: YÁdnÁme-ye AmÐnÐ, Teheran 1352hš; eine Diskussion des erwähnten ÍadÐ× aus schiitischer Sicht findet sich z.B. bei HÁšim MaÝrÙf al-ÍasanÐ: UÒÙl at-tašayyuÝ, Beirut o.J., 38-44; weitere ÈadÐr-Titel z.B. in ÅTŠ XVI/25-28 und in MMN 255f.; vgl. auch ÝAbd al-ÝAzÐz aÔ-ÓabÁÔabÁÞÐ: al-ÇadÐr fÐ t-turÁ× al-islÁmÐ, Beirut 1414/1993; von den insgesamt 164 dort vorgestellten Büchern zum Thema stammen nicht weniger als 114 aus der Zeit nach 1883 (Beginn des 14. islamischen Jahrhunderts). 27 at-TÐÊÁnÐ: Õumma ihtadait, 206, wonach das Fest ÝÐd al-ÈadÐr in Tunesien in den 70er Jahren auf seine Veranlassung hin erstmals gefeiert worden sei. 28 Kornrumpf: Untersuchungen, 2. 29 Dazu und zu anderen ÍadÐ×en: Momen: Introduction, 13-17; zur Bedeutung Moses’ und anderer vorislamischer Personen für die Schia s. E. Kohlberg: Some ShÐÝÐ Views on the Antediluvian World, passim. Eine entsprechend herausgehobene Stellung nimmt bei der Schia der Koranvers 37/83 ein, in dem das Wort šÐÝa im Zusammenhang mit Abraham genannt wird; vgl. Ende: Der schiitische Islam, 72; zu Aaron und Moses vgl. Ex 7/1. 30 Momen: Introduction, 15f. 31 Ibid., 18f. und Jafri: Origins, 27-57; Art. SaþÐfa, EI2 VIII/887f. (G. Lecomte). 32 Noth: Früher Islam, 44-46; Nagel: Staat und Glaubensgemeinschaft, I/81f.; vgl. auch A. Ibrahim: Der Herausbildungsprozeß des arabisch-islamischen Staates (…), Berlin 1994, 82-90.

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rückgewiesen, und man einigte sich auf den von ÝUmar vorgeschlagenen AbÙ Bakr, einen Vertreter der ersten Gruppe und durch seine Tochter ÝÀÞiša Schwiegervater des Propheten. Für die Schia bedeutet dies natürlich eine äußerst schwerwiegende Mißachtung des göttlichen Willens, zumal ÝAlÐ von dieser Versammlung keine Kenntnis ge33 habt habe, also mit Absicht übergangen worden sei. So legt die schiitische Historiographie denn auch Wert auf die Feststellung, ÝAlÐ habe sechs Monate lang, bis nach dem Tode FÁÔimas, AbÙ Bakr die Huldigung (baiÝa) standhaft verweigert und schließ34 lich nur nachgegeben, um die Einheit der Gemeinde aufrechtzuerhalten. Unter den ersten drei Kalifen scheint ÝAlÐ keinerlei politische oder militärische Funktionen wahrgenommen zu haben, wobei schiitische Quellen sich bemühen, seine oppositionelle, ja verächtliche Haltung vor allem ÝUmar gegenüber herauszukehren. Allerdings gehörte er dem Kollegium (šÙrÁ) an, das nach der Ermordung ÝUmars 644 ÝU×mÁn zum dritten Kalifen wählte. Diese Wahl zog insofern prekäre Folgen nach sich, als mit ÝU×mÁn erstmals ein Vertreter jenes Clans an die Spitze der muslimischen Gemeinde gelangte, der bereits in vorislamischer Zeit eine beherrschende Stellung innerhalb der mekkanischen Aristokratie innegehabt und (nicht zuletzt deshalb) zu den erbittertsten Gegnern der neuen Religion gehört hatte: der BanÙ Umayya. Die persönliche Frömmigkeit des früh zum Islam konvertierten ÝU×mÁn ist nicht anzuzweifeln, doch ließ der unter ihm wuchernde Nepotismus eine breitgefächerte Oppositionsbewegung – die auch ÝAlÐ mit einschloß – entstehen, der er schließlich 656 im ersten Bür35 gerkrieg (fitna) zum Opfer fiel. ÝAlÐs Nachfolge im Amt des Kalifen erfolgte keineswegs unumstritten, um so mehr, als er zwar nicht direkt am Mord an ÝU×mÁn beteiligt gewesen war, es aber zuließ, auch von den der Bluttat Schuldigen auf den Schild geho36 ben zu werden, was ihn in den Geruch der Komplizenschaft brachte. Noch im selben Jahr sah sich ÝAlÐ einer ersten Widerstandsbewegung gegenüber. Sie wurde von der Witwe des Propheten, ÝÀÞiša, angeführt, die sich mit den Prophetengefährten ÓalÎa und Zubair zusammengetan hatte, um die Ermordung ÝU×mÁns – gegen den sie wohlgemerkt ebenfalls opponiert hatte – zu rächen. In der im Dezember 656 bei KÙfa ausgetragenen „Kamelschlacht“ (so genannt, weil ÝÀÞiša von einem Kamel herab die Kämpfenden anfeuerte) fand dieser Aufruhr allerdings ein rasches Ende: Die Prophetenwitwe wurde gefangengenommen und nach Medina zurückgeschickt, 37 ihre beiden Verbündeten fielen im Kampf. 33 Es existiert allerdings auch ein Bericht, demzufolge ÝAlÐ bei der Versammlung erschienen sei und seine Ansprüche angemeldet haben soll, vgl. ausf. M. Muranyi: Ein neuer Bericht über die Wahl des ersten Kalifen AbÙ Bakr, Arabica 25/1978/233-60. 34 Vgl. zum schiitischen Standpunkt MuÎammad RiÃÁ al-MuÛaffar: as-SaqÐfa, NaÊaf 1373/1953; s. dazu Göbel: Moderne schiitische Politik, 93f.; die Haltung der ZaidÐya bespricht Kohlberg: Some ZaydÐ Views, 93-95; weitere schiitische Werke zu diesem Ereignis werden in ÅTŠ XII/206f. genannt. 35 M. Hinds: The Murder of the Caliph ÝUthmÁn, IJMES 3/1972/450-69; zu den ersten drei Kalifen allg. vgl. Nagel: Staat und Glaubensgemeinschaft, I/81ff.; zur heutigen Beurteilung des Kalifats von ÝU×mÁn bei sunnitischen Autoren vgl. Ende: Arabische Nation, 191-99. 36 Art. ÝAlÐ, EI2 I/382f. (L. Veccia Vaglieri). 37 Laoust: Schismes, 10f.; Art. ÝÀ’isha, EI2 I/307f. (W. Montgomery Watt) sowie Art. ÝAlÐ, ibid. 383; s. auch allg. D.A. Spellberg: Politics, Gender, and the Islamic Past. The Legacy of ÝAÞisha Bint Abi Bakr, New York 1994.

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Weniger symbolträchtig im Hinblick auf die Beteiligten, dafür jedoch mit um so weiterreichenden Folgen für den weiteren Verlauf der gesamten islamischen Geschichte war dagegen der Konflikt ÝAlÐs mit dem bereits von ÝUmar eingesetzten syrischen 38 Statthalter MuÝÁwiya b. AbÐ SufyÁn. Demselben Clan wie ÝU×mÁn angehörend, hatte sich MuÝÁwiya nach dessen Ermordung geweigert, ÝAlÐ als neuen Kalifen anzuerkennen, und so kam es im Juli 657 zur Schlacht von ÑiffÐn am oberen Euphrat und zu dem 39 anschließenden Schiedsgericht. Auch wenn dabei kein Sieger festgestellt wurde, die Frage des rechtmäßigen Kalifats also unbeantwortet blieb, so muß dennoch in der historischen Perspektive ÝAlÐ als der eindeutige Verlierer bezeichnet werden. Seine Anhängerschaft – jene „Partei ÝAlÐs“ (šÐÝat ÝAlÐ), aus der sich der Name für die Schiiten herleitet – spaltete sich noch während der berichteten Vorgänge, als aus Protest gegen seine Einwilligung in das Schiedsgericht die später ËÁriÊiten genannten Dissidenten von ihm abfielen. 658 rächte er sich dafür bei NahrawÁn blutig. MuÝÁwiya schließlich wurde von seinen Parteigängern als der einzige rechtmäßige Kalif betrachtet, lange bevor ihm 661 die endgültige Machtübernahme glückte, nachdem ÝAlÐ von dem ËÁriÊiten ÝAbd ar-RaÎmÁn b. MulÊam zur Vergeltung für das Gemetzel von NahrawÁn niedergestochen und getötet worden war. Im schiitischen Geschichtsverständnis gilt das nur fünf Jahre währende Kalifat ÝAlÐs als beispielhafte Epoche der islamischen Geschichte, wurde damit doch endlich, nach fast einem Vierteljahrhundert, der am Teich von Ëumm ausgesprochenen Designierung durch den Propheten Genüge getan. Andererseits kann das jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß gerade in diesem Zeitabschnitt die Spaltung der muslimischen Gemeinde offen zutage trat und die schiitischen Ansprüche auf politische und religiöse Führung der umma durch die Machtergreifung MuÝÁwiyas und die auf ihn zu40 rückgehende Etablierung der Umayyaden-Dynastie auf Dauer abgewiesen wurden. Bezeichnend für die bald darauf eingetretenen Machtverhältnisse ist das Martyrium des dritten schiitischen Imams, ÝAlÐs zweiten Sohns Íusain. Als MuÝÁwiya kurz vor seinem Tod seinen eigenen Sohn YazÐd zum Nachfolger bestimmte, stellte sich Íusain an die Spitze einer Revolte, konnte jedoch gegen die umayyadische Übermacht nichts ausrichten und wurde mit seinen wenigen – der Überlieferung nach 72 – Getreuen 680 41 bei KarbalÁÞ westlich des Euphrat aufgerieben. Dieses Ereignis, das im Selbstverständnis der Schia bis heute eine zentrale Rolle spielt, untermauert in den Augen der Schiiten einmal mehr die Rechtmäßigkeit der eigenen Ansprüche, derer sich ihre Gegner nicht anders denn mit Gewalt zu erwehren wußten. Diesem eben skizzierten Bild vom Verlauf des ersten halben Jahrhunderts islamischer Geschichte stellten (und stellen) die Sunniten eine ganz andere Interpretation 38 Halm: Die Schia, 10-17 und die dort (16f.) genannte Literatur. 39 M. Hinds: The SiffÐn Arbitration Agreement, JSS 17/1972/93-129; Kornrumpf: Untersuchun-

gen, 15-21; Art. ÝAlÐ, EI2 I/383ff. 40 Das gilt um so mehr nach dem Verzicht von ÝAlÐs erstem Sohn Íasan auf seine Ansprüche; vgl. Momen: Introduction, 26-28; Halm: Die Schia, 17f. Verwiesen sei ferner auf die relevanten EI2-Art. über Íasan (III/240-43; L. Veccia Vaglieri), Íusain (III/607-15; eadem), Ibn MulÊam (III/887-90; eadem) und MuÝÁwiya (VII/263-68; M. Hinds). 41 Momen, 28-33; Halm, 18-21; zur heutigen Interpretation von „Íasan’s Friedensschluß und Íusain’s Revolte“ s. Ende: Arabische Nation, 153-69; s. auch unten, S. 179 Anm. 98.

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entgegen. Zum schiitischen Entwurf einer frühislamischen Historie, wie sie hätte sein sollen, steht die sunnitische Auffassung, die sich, nicht überraschend, viel stärker am Status quo orientiert, in einem nahezu diametralen Gegensatz. Zwar bestreiten die Sunniten weder die Ereignisse am ÇadÐr Ëumm, noch leugnen sie den bei dieser Gele42 genheit entstandenen, oben zitierten ÍadÐ×. Jedoch werden diese Worte keineswegs als Designierung ÝAlÐs betrachtet, sondern lediglich als Ausdruck allgemeiner Wertschätzung MuÎammads für seinen Schwiegersohn, dessen Verhalten bei der von ihm geführten Militärexpedition in den Jemen kurz zuvor Anlaß zu Debatten gegeben hat43 te. Die Wahl AbÙ Bakrs zum Kalifen stellt demnach also keinen Verstoß gegen eine göttliche Anordnung dar, sondern ist ebenso legitim wie die nachfolgenden Kalifate von ÝUmar und (bei aller Kritik auch seitens der Sunniten) ÝU×mÁn. Im Gegensatz zu schiitischen Historikern berichten sunnitische Geschichtsschreiber darüber hinaus auch von einer sofortigen Huldigung ÝAlÐs an die Adresse AbÙ Bakrs. Das hinderte die Sunniten freilich nicht daran, über die Epoche nach den vier Rechtgeleiteten Kalifen (zu denen selbstverständlich auch bei ihnen ÝAlÐ gezählt wird) lange Zeit mitunter recht harsche Urteile zu fällen: Die Umayyaden erscheinen in der sunnitischen Historiographie keineswegs immer – noch nicht einmal mehrheitlich – in einem positiven Licht. Ihre publizistische Rehabilitierung durch einen Teil sunnitischer Gelehrter erfolgte erst seit dem 19. Jahrhundert unter dem Einfluß säkularistischen wie arabisch-nationalistischen Denkens – was allerdings zugleich vermehrte Spannungen mit der Schia zur 44 Folge hatte. Wenn in der folgenden kurzen Übersicht die zwischen Sunniten und Schiiten virulenten Hauptstreitpunkte skizziert werden, so ist damit selbstverständlich keineswegs beabsichtigt, die mitunter recht polemischen Debatten wiederzugeben, die darüber im Verlauf der Geschichte geführt wurden. Vielmehr soll hier ein erster, manchmal notwendigerweise holzschnittartiger Eindruck von den Themen vermittelt werden, um die 45 in diesen Diskussionen gerungen wurde und wird. Die Differenzen lassen sich grosso modo einteilen in einerseits solche historischpolitischer Natur, die aus der unterschiedlichen Wahrnehmung der Geschichte heraus entstanden sind oder damit jedenfalls in direktem Zusammenhang stehen, sowie auf der anderen Seite in Unterschiede auf dem Gebiet des islamischen Rechts.

42 Belege bei Wensinck: Concordance, VII/334a; auch die beiden anderen erwähnten Überlieferungen werden von den Sunniten anerkannt, s. Wensinck, I/294a (ÎadÐ× a×-×aqalain) bzw. VI/422a (Aaron-Moses-Vergleich); s. auch Momen: Introduction, 325 Anm. 7ff. 43 Art. GhadÐr Khumm, EI2 II/993f. Der Koranvers 5/3 wurde gemäß sunnitischer Auffassung nicht am ÇadÐr Ëumm, sondern einige Tage zuvor in ÝArafÁt während der Abschiedswallfahrt geoffenbart; vgl. auch Paret: Konkordanz, 114; dazu al-BahnasÁwÐ: al-ÍaqÁÞiq, 13ff. 44 Ende: Arabische Nation, 11-30 und passim. 45 Vgl. zum folgenden v.a. Ende: Sunniten und Schiiten, 189-93; eine ähnliche Gegenüberstellung aus sunnitischer Perspektive findet sich bei al-ËaÔÐb: al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 55-64, sowie aus schiitischer Sicht bei MuÈnÐya: aš-ŠÐÝa fÐ l-mÐzÁn, 75-86; ferner: an-NiÝma: RÙÎ at-tašayyuÝ, 473-83; al-WardÁnÐ: ÝAqÁÞid as-sunna wa-ÝaqÁÞid aš-šÐÝa, 250; MuÎammad RašÁd SÁlim: Einl. zu Ibn TaimÐyas MinhÁÊ assunna, 52-58 (Aufzählung der für die Sunniten inakzeptablen schiitischen Überzeugungen); s. auch KÁÛim ÍuÔaiÔ: NaÎwa waÎda ÝaqÁÞidÐya islÁmÐya, Irf 76/1 (Jan. 1992), 99-103; 76/3 (März 1992), 2935; 76/4 (April 1992), 29-36; 77/4 (Mai 1993), 39-47.

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Der wichtigste Streitpunkt der ersten Kategorie ist zweifellos die Frage des Ima46 mats. In ihren Grundzügen entstand die schiitische Imamatslehre bereits um die Mitte des achten Jahrhunderts unter dem sechsten Imam ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq (gest. 765), woraus sich auch die beiden ebenfalls für die Schia gebräuchlichen Bezeichnungen ImÁmÐya bzw. ÉaÝfarÐya ableiten. Der beherrschende Grundgedanke dieser Lehre ist die Überzeugung, daß es zu allen Zeiten einen Imam geben müsse, damit der unverfälschte Glaube bewahrt werde und die umma nicht fehlgehe. Dementsprechend wurde das Imamat – und damit die Existenz der Schia – auch auf die vorislamische Zeit ausgedehnt: Bereits Noah, Abraham, Moses und Jesus waren demnach Propheten und 47 Imame in einer Person. Von MuÎammad schließlich sei das Amt des Imams – des Prophetentums nunmehr entkleidet – am Teich von Ëumm in einem Akt der „Bevoll48 mächtigung“ (waÒÐya) ÝAlÐ übertragen worden, und nach ihm wiederum den sogenannten „Leuten des Hauses“ (ahl al-bait). Die Gewißheit, daß mit diesen ausschließlich ÝAlÐ und die (männlichen) Nachkommen aus seiner Ehe mit FÁÔima gemeint sind, erlangt die Schia aus der entsprechenden Interpretation bestimmter Koranverse, allen voran 33/33, in dem es heißt: „Gott will (…) die (heidnische) Unreinheit von euch entfernen, ihr Leute des Hauses, und euch wirklich rein machen.“ Diese Aussage sowie die aus schiitischer Sicht in dieselbe Richtung weisenden Verse 42/23 und 37/83 münden in eine wesentlich engere Definition des Begriffes als die bei den Sunniten übli49 che, nicht immer ganz einheitliche. Zwei Punkte stießen immer wieder auf heftigen Widerspruch von außerhalb der Schia: die religiös fundierte Einengung des in der sunnitischen Kalifatstheorie gleichermaßen akzeptierten genealogischen Prinzips (nasab), 50 demzufolge der Kalif aus demselben Stamm wie der Prophet zu kommen habe, sowie vor allem die beiden Haupteigenschaften, die den Imamen zugemessen wurden. So wird ihnen eine zumindest potentielle Kenntnis des Verborgenen (Ýilm al-Èaib), also auch des Zukünftigen, zugeschrieben, was die sunnitische Theologie exklusiv den Propheten vorbehält. Darüber hinaus gelten sie – um ihrem Auftrag der Rechtleitung der Gemeinde nachkommen zu können – als absolut sündlos (maÝÒÙm) und folglich unfehlbar. Die prophetenähnliche Stellung, die die Imame damit einnehmen, wird von sunnitischen Kritikern bis in die Gegenwart geradezu als Angriff auf den islamischen 51 Monotheismus (tauÎÐd) gewertet. 46 Art. ImÁma, EI2 III/1163-69 (W. Madelung); Momen: Introduction, 147-60; Lambton: State

and Government, 219-41; Nagel: Staat und Glaubensgemeinschaft, I/131-277. 47 Vgl. oben, S. 7 Anm. 29. 48 Zum Begriff der waÒÐya vgl. Nagel: Rechtleitung und Kalifat, 157-84, bes. 167. 49 In Vers 42/23 ist von den „Verwandten“ (qurbÁ) die Rede, was von der schiitischen Exegese auf MuÎammad bezogen wird; in Vers 37/83 taucht der Begriff šÐÝa im Zusammenhang mit Moses und Abraham auf; zu weiteren relevanten Koranversen s. Momen: Introduction, 151-53; zu den ahl al-bait allg. s. EI2 I/257f. (I. Goldziher et al.); Paret: Konkordanz, 239f. (zu 11/71-73) sowie idem: Der Plan einer neuen (…) Koranübersetzung, in: idem (ed.): Orientalische Studien. Enno Littmann zum 60. Geburtstag, Leiden 1935, 121-30, bes. 127ff.; auch an die oben erwähnte Wichtigkeit der auf ÝAlÐ bezogenen ÍadÐ×e sei hier noch einmal erinnert. 50 Noth: Früher Islam, 74-78; zu einer Gegenüberstellung von schiitischem Imamat und sunnitischem Kalifat s. Farsakh: Comparison, passim und Tamadonfar: Islamic Polity, 75-125. 51 Vgl. al-ËaÔÐb: al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 57-59; allg. Art. ÝiÒma, EI2 IV/182-84 (W. Madelung / E. Tyan); zur Vergöttlichung ÝAlÐs und der Imame – die freilich von der Zwölferschia abgelehnt wird – s. Halm: Die islamische Gnosis, Index s.v. ÝAlÐ b. AbÐ ÓÁlib; zum Wissen um das Verborgene s. auch

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Daß die Genealogie der ImÁmÐya zwölf Imame umfaßt, ist vom historischen Standpunkt aus betrachtet keine Selbstverständlichkeit. Mehrfach hatte es im Laufe der Geschichte nach dem Tod eines Imams Unklarheiten über die Nachfolge gegeben. So auch 874, als mit al-Íasan al-ÝAskarÐ der elfte Imam starb, ohne daß – jedenfalls der Mehrheit – der Gemeinde ein Nachkomme bekannt gewesen wäre. Nach einer Periode der Verwirrung setzte sich wohl noch im 9. Jahrhundert diejenige Gruppe durch, die behauptete, al-Íasan al-ÝAskarÐ habe einen minderjährigen Sohn namens MuÎammad hinterlassen. Dieser sei jedoch im Todesjahr seines Vaters von Gott in eine geheimnisvolle Verborgenheit (Èaiba) entrückt worden, aus der er am Ende der Zeiten als MahdÐ, d.h. Erlöser (wörtlich: der erwartete Rechtgeleitete, al-mahdÐ al53 muntaÛar) zurückkehren werde, um die gerechte Herrschaft zu errichten. Jegliche politische Machtausübung kann – jedenfalls nach klassischer schiitischer Auffassung – in der Zeit der Abwesenheit des zwölften Imams bestenfalls bedingt legitim sein. Jedoch wuchs den schiitischen Gelehrten in der Neuzeit immer mehr Autorität zu, diese Lücke zu schließen und ihrerseits die Gemeinde während der Èaiba zu führen. Am (vorläufigen) Endpunkt dieser Entwicklung steht schließlich ËomeinÐs Theorie vom konkreten Wächteramt der Geistlichkeit (welÁyat-e faqÐh), mit der im 20. Jahrhundert das schiitische politische Denken eine – im wahrsten Sinne des Wortes – revolutionäre Umge54 staltung erfuhr. Ungeachtet der Tatsache, daß dem sunnitischen Islam eine derartige 55 Erlöservorstellung ebenfalls nicht unbekannt ist, ist die schiitische Auffassung bis in die Gegenwart hinein immer wieder Ziel sunnitischer Kritik, oft vermischt mit Hohn und Spott geblieben. In Anbetracht des bisher Gesagten überrascht es kaum, daß die Beurteilung des Verhaltens der Prophetengefährten bei den Sunniten und Schiiten extrem gegensätzlich ausfällt. Nach schiitischer Auffassung hatten sich die ÒaÎÁba in ihrer großen Mehrheit – in der saqÐfa und später – geweigert, ÝAlÐs Ansprüche auf die Nachfolge des Propheten zu unterstützen, ja, viele von ihnen, wie zum Beispiel ÝÀÞiša, hatten sich schließlich im Kampf offen gegen ihn gewandt. Damit aber haben sie sich in den Augen der Schia eindeutig außerhalb des Islams und auf eine Stufe mit den im Koran ge56 nannten „Heuchlern“ (munÁfiqÙn) und „Götzen“ (ÔawÁÈÐt, sg. ÔÁÈÙt) gestellt. Besonders hart traf der Bannstrahl die Kalifen AbÙ Bakr, ÝUmar und ÝU×mÁn: Ihre Herrschaft wird, da sie eine Nichtbeachtung einer göttlichen Anordnung darstellt, als Art. Ghayb, EI2 II/1025f. (D.B. Macdonald / L. Gardet). 52 Vgl. den Stammbaum bei Halm: Die Schia, 37. 53 Ibid., 41-47; Momen: Introduction, 161-71, dort sind darüber hinaus zahlreiche schiitische Traditionen über die Zeichen zusammengetragen, die der Wiederkehr (raÊÝa) des MahdÐ vorausgehen sollen. 54 Göbel: Moderne schiitische Politik, 206-19, Ende: Der schiitische Islam, 85-87. ËomeinÐs Theorie ist jedoch auch unter schiitischen Theologen keineswegs unumstritten, s. z.B. Göbel, 128-37; vgl. allg. A.A. Sachedina: The Just Ruler (al-sultÁn al-ÝÁdil) in ShiÝite Islam. The Comprehensive Authority of the Jurist in Imamite Jurisprudence, New York, Oxford 1988. 55 Art. MahdÐ, EI2 V/1230-38 (W. Madelung). Auch die sunnitischen Besetzer der Íaram-Moschee in Mekka Ende 1979 proklamierten einen der Ihren, MuÎammad al-QaÎÔÁnÐ, zum MahdÐ; vgl. dazu J. Reissner: Die Besetzung der großen Moschee in Mekka 1979 (…), Orient 21/1980/194-203, bes. 197, sowie J.A. Kechichian: Islamic revivalism and Change in Saudi Arabia. JuhaymÁn al-ÝUtaybÐ’s „Letters“ to the Saudi People, MW 80/1990/1-16, bes. 15. 56 R. Köbert: Das koranische „ÓÁÈÙt“, in: R. Paret (ed.): Der Koran, Darmstadt 1975, 281f.

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usurpiert betrachtet und dementsprechend zurückgewiesen (rafÃ). Sich vom genannten Personenkreis loszusagen (barÁ’a) und ihn zu verfluchen (sabb, laÝn) galt der Schia lange Zeit geradezu als Schibboleth und ist eine bis heute nicht völlig über58 wundene Praxis. Daß andererseits im 20. Jahrhundert die streng sunnitische SalafÐya-Bewegung vor allem in der Gestalt MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐbs die Verteidigung aller Prophetengefährten auf ihre Fahnen schrieb, hat ebenfalls nicht dazu beigetragen, den breiten Graben zu schließen, der sich in dieser Frage zwischen den beteiligten Parteien aufgetan hat. In einem untrennbaren Zusammenhang mit dem unterschiedlichen Urteil über die Personen der frühen islamischen Geschichte steht die verschiedene Sichtweise dessen, was durch diese Personen überliefert wurde, des ÍadÐ× also. Der schiitischen Ablehnung eines beträchtlichen Teils des sunnitischen Traditionskorpus einerseits steht die sunnitische Verwerfung des schiitischen Imam-ÍadÐ× andererseits gegenüber. Dieser bildet die historisch de facto gleichrangige Fortsetzung zum Propheten-ÍadÐ×, der überdies im Einzelfalle einer „Beglaubigung“ durch eine Tradition eines Imams bedarf. Bis heute bestehen zahlreiche Streitschriften beider Seiten darin, die ÍadÐ×fäl59 schungen der jeweiligen Gegenseite „nachzuweisen“. Während Fragen ausschließlich theologischer Natur – wie etwa die, ob und inwie60 weit es möglich ist, Gott zu schauen – in der innerislamischen Auseinandersetzung so gut wie keine Rolle spielen, verhält es sich auf dem Gebiet der Volksreligiosität völlig anders, zumal angesichts deren Ausformungen bei der Schia. Das Martyrium des dritten Imams Íusain am ÝÁšÙrÁÞ-Tag des Jahres 61 (10. Oktober 680) hat ein Trauerritual entstehen lassen, das aufgrund seiner Symbolkraft und der großen Bedeutung für die Masse der Gläubigen sicherlich zu den auffallendsten Charakteristika der Schia gerechnet werden muß und von europäischen Beobachtern immer wieder mit einer Mi61 schung aus Faszination und Befremden geschildert worden ist. Alljährlich kommt es in den ersten zehn Tagen des MuÎarram zu ausgedehnten Trauerbekundungen, in de57 Daher der Name „RÁfiÃiten“, eine frühe Eigenbezeichnung der Schia, die allmählich zu einem Schimpfwort im Munde ihrer Gegner wurde: W. Montgomery Watt: The RÁfiÃites: a Preliminary Study, Oriens 16/1963/110-21; E. Kohlberg: The Term ‘RÁfiÃa’ in ImÁmÐ ShÐÝÐ Usage, JAOS 99/1979/ 677-79; Art. al-RÁfiÃa, EI2 VIII/386-89 (E. Kohlberg); zu einer modernen polemischen Verwendung des Wortes s. RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa au al-wahhÁbÐya wa-r-rÁfiÃa, passim. 58 Kohlberg: Some ImÁmÐ ShÐÝÐ Views on the ÑaÎÁba, passim; idem: BarÁÞa in ShÐÝÐ Doctrine, passim, v.a. 147ff.; s. auch I. Goldziher: Spottnamen der ersten Chalifen bei den SchiÝiten, WZKM 15/ 1901/321-34 (wiederabgedruckt in: idem: Gesammelte Schriften, Hildesheim 1967, IV/295-308). Wie verschieden dagegen die sunnitische Interpretation ausfällt, zeigt ÝUmar RiÃÁ KaÎÎÁla, der in seinem Lexikon berühmter islamischer Frauen ÝÀÞiša fünfmal soviel Platz einräumt wie FÁÔima: AÝlÁm annisÁÞ fÐ ÝÁlamai al-Ýarab wa-l-islÁm, Damaskus 1378/1959, III/9-131 bzw. IV/108-32; vgl. auch allg. Art. ÑaÎÁba, EI2 VIII/827-29 (M. Muranyi). 59 Kohlberg: al-uÒÙl al-arbaÝu-mi’ah, JSAI 10/1987/128-66; Falaturi: Zwölfer-Schia, 64-71; Ende: Der schiitische Islam, 78-82. 60 Dies wird von der Schia generell verneint, von Teilen der Sunniten dagegen für das Jenseits bejaht; s. auch ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn: Kalima Îaul ar-ru’ya, Sidon 1371/1952. 61 Halm: Der schiitische Islam, 53-97 (mit ausführlichen Zitaten aus europäischen Reiseberichten seit dem 17. Jh.). Der englische Schriftsteller Rudyard Kipling (1865-1936) verarbeitete seine Beobachtungen während der MuÎarram-Feierlichkeiten im pakistanischen Lahore in der Kurzgeschichte On the City Wall (abgedruckt in seiner Sammlung von Erzählungen Soldiers Three. The Story of the Gadsbys Black & White, London 1965, 322-55); vgl. dazu Pinault: The Shiites, 66-72.

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nen die Ereignisse von KarbalÁÞ in szenischen Passionsspielen (taÝziya) nachgestellt werden, die schließlich in Flagellanten-Prozessionen ihren exaltierten Höhepunkt fin62 den. In Gebieten mit sunnitisch-schiitischer Mischbevölkerung (beispielsweise auf dem indischen Subkontinent) sind nicht selten interkonfessionelle, bisweilen bürgerkriegsähnliche Zusammenstöße die Folge dieser Trauerrituale. Die besondere Brisanz gerade der MuÎarram-Feierlichkeiten liegt in der Möglichkeit ihrer politischen Instrumentalisierung: Der Kampf Íusains gegen YazÐd läßt sich mühelos als schiitische Opposition gegen jegliche als feindlich oder ungerecht wahrgenommene Regierung deuten. Der revolutionäre Umbruch in Iran legte 1978/79 ein eindrucksvolles Zeugnis ab von der Massenwirksamkeit einer derartigen Ritualisierung der frühislamischen Ge63 schichte. Dieser Aspekt mag letztlich auch ausschlaggebend dafür sein, daß die schiitische Geistlichkeit – ungeachtet einzelner kritischer Äußerungen etwa zur Fra64 ge der Selbstgeißelungen – bislang nicht bereit war, diesen wesentlichen Aspekt schiitischen Selbstverständnisses im Sinne einer modernistischen Betrachtungsweise 65 zu reformieren. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des schiitischen Volksglaubens ist der umfangreiche Gräberkult. Nicht nur die Gräber der ersten elf Imame (die in den Augen nicht weniger Schiiten allesamt von ihren sunnitischen Gegnern ermordet wurden), sondern ebenso die ihrer Angehörigen und zahllosen Abkömmlinge (die sogenannten imÁmzÁdehs) genießen in der Bevölkerung höchste Verehrung und sind bedeutende Wallfahrtsziele. Die Zentren schiitischer Gelehrsamkeit – Qom, Mašhad oder die im Irak liegenden sogenannten ÝatabÁt NaÊaf, KarbalÁÞ, KÁÛimÐya und SÁmarrÁÞ – entstanden 66 denn auch im Umkreis jener Begräbnisstätten. Der Umstand schließlich, daß vier der elf Imame in Medina auf dem BaqÐÝ-Friedhof begraben sind, das wiederum unter die Herrschaft der antischiitischen und extrem bilderfeindlichen Wahhabiten geriet, hat auch den Streit über das Ausmaß der Verehrung, das schiitische Pilger diesen Grab67 stätten entgegenbringen, bis in die Gegenwart hinein verlängert. 62 Momen: Introduction, 238-44, v.a. die Illustrationen nach 242; vgl. allg. Halm: Die Schia, 17785 und die dort (183ff.) genannte Literatur sowie neuerdings Pinault: The Shiites, passim und Y. Nakash: An Attempt to Trace the Origin of the Rituals of ÝÀshÙrÁÞ, WI 33/1993/161-81; zum Hintergrund des ÝÁšÙrÁÞ-Tages als Fasttag s. S. Bashear: ÝÀshÙrÁ, An Early Muslim Fast, ZDMG 141/1991/ 281316. 63 Vgl. H.G. Kippenberg: Jeder Tag ÝAshura, jedes Grab Kerbela. Zur Ritualisierung der Straßenkämpfe im Iran, in: K. Greussing / J.H. Grevemeyer (eds.): Religion und Politik im Iran, Frankfurt 1981, 217-56. 64 Ende: The Flagellations of MuÎarram, passim. 65 Ein Versuch, diese Praktiken wenigstens einzuschränken, wurde allerdings unlängst von der iranischen Regierung unternommen, indem sie rituelle Selbstverstümmelungen verbot; s. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Juni 1994, 12. 66 Eine direkte Folge der großen Anziehungskraft dieser Orte ist die auf eine lange Tradition zurückblickende Praxis der MuÊÁwara, bei der einzelne Gläubige sich für eine bestimmte Zeit im Umkreis heiliger Stätten niederlassen, um dort zu studieren oder ein Leben in Askese zu führen; vgl. Art. MudjÁwir, EI2 VII/293f. (W. Ende). 67 Art. ÝAtabÁt, EI2 S/93-95 und EIr II/902-4 (H. Algar); Art. BaþÐÝ al-Gharþad, EI2 I/957f. (A.J. Wensinck / A.S. Bazmee Ansari); vgl. aus schiitischer Sicht al-ËalÐlÐs zwölfbändige Enzyklopädie alMadÌal ilÁ mausÙÝÁt al-ÝatabÁt al-muqaddasa sowie YÙsuf al-HÁÊirÐ: al-BaqÐÝ. QiÒÒat tadmÐr Àl SaÝÙd li-l-Á×Ár al-islÁmÐya fÐ l-ÍiÊÁz, Beirut 1411/1990; die identitätsstiftende Funktion der Gräberbesuche für die Schia betont Y. Nakash: The Visitation of the Shrines of the Imams and the ShiÝi Mujtahids in

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Der letzte „historisch“ zu nennende Streitpunkt betrifft die taqÐya. Bei der Frage, inwieweit es erlaubt sei, den eigenen Glauben bei drohender Gefahr für Leib und Leben zu verheimlichen, handelt es sich um keine Erfindung des Islams, und auch inner68 halb dieser Religion ist die taqÐya nicht allein auf die Schia beschränkt. Deren Entstehen und Entwicklung in feindlicher sunnitischer Umgebung brachte es allerdings mit sich, daß die schiitischen Theologen vor allem unter Berufung auf Koran 16/106 und etliche Imam-ÍadÐ×e am ausgiebigsten von dieser Maxime Gebrauch machten. Von einer einheitlichen, gar dogmatischen Verpflichtung des Gläubigen zur Verstellung kann aber gleichwohl nicht die Rede sein. Sunnitischen Gegnern ist damit allerdings das Argument an die Hand gegeben, grundsätzlich allen Äußerungen von schiitischer Seite zu mißtrauen, auch und erst recht, wenn diese den interkonfessionellen Umgang betreffen. Eine Neuinterpretation der taqÐya, wie sie etwa ËomeinÐ vertrat (der sie zugunsten des ÊihÁd verwarf), kann aus dieser Perspektive heraus vernachläs69 sigt bzw. ihrerseits als taqÐya abgetan werden. So weit die historisch gewachsenen und nach wie vor politisch wirksamen Streitpunkte. Daneben existiert – wie bereits angedeutet – das weite Feld der islamischen Jurisprudenz (fiqh), auf dem die beiden Konfessionen zwei in etlichen Fragen voneinander verschiedene Rechtsgebäude errichteten. Die wenigsten dieser Differenzen wirken allerdings in der Gegenwart in Auseinandersetzungen nach, die denen in den eben 70 geschilderten Fragen vergleichbar wären. An keiner Stelle sind überdies die fünf kultischen Grundpflichten (arkÁn) des Islams in ihrem Wesensgehalt betroffen. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel: Im Bereich der ÝibÁdÁt, also derjenigen Vorschriften, die das Verhältnis des Gläubigen zu Gott regeln und damit die praktische Ausgestaltung der arkÁn darstellen, sind immerhin zwei signifikante Unterschiede festzustellen. Da ist zum einen die Frage des Gebetsrufs (ÁÆÁn). In schiitischen Gegenden ist es üblich, den beiden wohlbekannten Teilen der šahÁda noch einen dritten folgen zu lassen, in dem bezeugt wird, daß ÝAlÐ der Freund (walÐ) Gottes ist. Trotz vereinzelter

the Early Twentieth Century, SI 81/1995/153-64. 68 H.G. Kippenberg: KetmÁn: zur Maxime der Verstellung in der antiken und frühislamischen Religionsgeschichte, in: J.W. Henten et al. (eds.): Tradition in Jewish and Early Christian Literature. Essays in Honour of J.C.H. Lebram, Leiden 1986, 172-83. Für die Sunniten spielte die taqÐya v.a. im Umgang mit Nichtmuslimen eine (wenngleich relativ marginale) Rolle (vgl. Koran 3/28). 69 Kohlberg: Some ImÁmÐ ShÐÝÐ Views on Taqiyya, passim; Meyer: Anlaß und Anwendungsbereich der taqiyya, passim; zum sozialgeschichtlichen Hintergrund der taqÐya im allgemeinen vgl. H.G. Kippenberg. Die vorderasiatischen Erlöserreligionen in ihrem Zusammenhang mit der antiken Stadtherrschaft, Frankfurt/M. 1991, 426-83; zu ËomeinÐs Haltung s. Göbel: Moderne schiitische Politik, 17684. 70 Nennenswerte Differenzen bestehen v.a. in Fragen des Familien- und Erbrechts sowie in einigen Prinzipien der Rechtsfindung: so lehnt die Schia den Analogieschluß (qiyÁs) als Teil der uÒÙl alfiqh ab und weist statt dessen der Vernunft (Ýaql) einen weitaus höheren Stellenwert zu; zu Einzelheiten s. Löschner: Die dogmatischen Grundlagen, 149-94. Zur Frage des iÊtihÁd in der modernen ökumenischen Diskussion s. unten, S. 166-68, 176f.

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Versuche schiitischer Theologen, diese Praxis als Volksglauben und verwerfliche 71 Neuerung (bidÝa) zu brandmarken, hat sich daran nichts geändert. Der zweite Fall betrifft ein Detailproblem der kultischen Reinheit, nämlich die Frage, ob es statthaft sei, bei der rituellen Waschung unter bestimmten Umständen die Schuhe anzubehalten und lediglich mit der Hand darüberzustreichen (al-masÎ ÝalÁ l-Ìuffain). Die Sunniten bejahen dies im großen und ganzen, die Schia lehnt diese Praxis strikt ab. Was einem außenstehenden Betrachter eher als Nebensächlichkeit erscheinen mag, ist in der theologischen und apologetischen Literatur des Islams durchaus eine bis heute ernstzunehmende Streitfrage geblieben und führte noch Anfang des Jahrhunderts in Syrien zu 72 handgreiflichen Auseinandersetzungen. In weit stärkerem Maße als bei den eben genannten Unstimmigkeiten hat sich der Dissens zwischen Sunna und Schia in der Frage der Zeitehe (mutÝa) bis in die unmittelbare Gegenwart hinein gehalten und ihren Platz in fast jeder wechselseitigen Polemik behauptet. Indirekt hängt auch dieses Problem mit der Beurteilung der Geschichte zusammen: Während die Schia die mutÝa weiterhin für erlaubt erachtet, vertreten die Sunniten die Auffassung, der Prophet selbst und nach ihm noch einmal ÝUmar hätten sie nach anfänglicher Billigung verboten, ihre fortgesetzte Praktizierung sei also mehr 73 oder weniger mit Prostitution gleichzusetzen. Als letzter Punkt dieser Aufzählung sei schließlich noch der Koran genannt, denn auch über ihn besteht keine unbedingte und endgültige Einigkeit. Für die Sunniten stand die Vollständigkeit und Authentizität des unter ÝU×mÁn kodifizierten Korantex74 tes von vornherein außer Frage. Die Schia hingegen konnte sich erst in einem Jahrhunderte in Anspruch nehmenden Prozeß vom Vorwurf der Manipulation und böswilligen Fälschung des Korantextes (taÎrÐf al-qurÞÁn) freimachen. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dieser mühsam erreichte Konsens allerdings empfindlich gestört, als der iranische Gelehrte Íusain b. MuÎammad TaqÐ an-NÙrÐ aÔ-ÓabarsÐ in sei-

71 Falaturi: Die Zwölfer-Schia, 77f.; Ende: Erfolg und Scheitern, 125ff.; zum Hintergrund vgl. J. Eliash: On the Genesis and Development of the Twelver-ShÐÝÐ Three-tenet ShahÁdah, Der Islam 47/ 1971/265-72. 72 al-ManÁr 4/3 (April 1901), 116; MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ bezeichnete 1931 in seiner aufsehenerregenden Predigt bei der Jerusalemer Konferenz (s. unten, S. 67f.) die Fragen der rituellen Reinheit (bes. masÎ, Èusl und wuÃÙÞ) als „wichtige“ Meinungsverschiedenheiten zwischen Sunna und Schia, s. al-ËuÔba at-tÁrÐÌÐya, 7; vgl. die Stellungnahmen des libanesischen schiitischen Gelehrten ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn: AÊwiba, 110-18 (als Erwiderung auf MÙsÁ ÉÁrallÁhs Vorhaltungen); idem: al-MasÎ ÝalÁ l-arÊul au ÈusluhÁ fÐ l-wuÃÙÞ, in: NaÊm ad-DÐn al-ÝAskarÐ: al-WuÃÙÞ fÐ lkitÁb wa-s-sunna, Kairo ca. 1960, 125-60; vgl. auch Irf 36/3 (März 1949), 229-37 und 36/4 (April 1949), 340-47; s. allg. Art. al-MasÎ ÝalÁ Þl-khuffayn, EI2 VI/709f. (Ch. Pellat) sowie Paret: Konkordanz, 115-17 (zu Koran 5/6). 73 Ende: Ehe auf Zeit, passim; als Titel neueren Datums sind z.B. zu nennen: ÝAlÐ Íusain asSÁÞiÎ: al-AÒl fÐ l-ašyÁÞ. Wa-lÁkin al-mutÝa ÎarÁm!!, o.O. 1408/1988; al-ÝAskarÐ: MaÝÁlim al-madrasatain, II/242-80; FÙda: ZawÁÊ al-mutÝa, passim; vgl. zum Hintergrund allg. A. Gribetz: Strange Bedfellows: mutÝat al-nisÁÞ and mutÝat al-Îajj. A Study Based on SunnÐ and ShÐÝÐ Sources of tafsÐr, ÎadÐth and fiqh, Berlin 1994 sowie zur heutigen Situation S. Haeri: Law of desire: temporary marriage in ShiÝi Islam, Syracuse 1989. 74 Zur Textgeschichte s. T. Nagel: Der Koran, München 21991, 15-34; vgl. aber auch Noth: Früher Islam, 81 (mit Anm. 222, S. 600).

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nem Buch FaÒl al-ÌiÔÁb fÐ i×bÁt taÎrÐf kitÁb rabb al-arbÁb jenen schon im Titel ge75 nannten Vorwurf wiederaufnahm und verteidigte.

75 Kohlberg: QurÞÁn, 218f.; FalaturÐ: Die Zwölfer-Schia, 91ff.; zu aÔ-ÓabarsÐ (1838-1902): az-ZiriklÐ II/257f., RF III/1307f.; ÓAŠ I.2/543-55, ÅTŠ XVI/231; GAL SII/832.

1. KAPITEL Erste Ansätze zur Überwindung des Konflikts Die Auseinandersetzung zwischen Sunna und Schia war zu keiner Zeit auf eine bloße akademische Diskussion, bestehend aus Polemik und Apologetik, beschränkt, sondern stellte für die betroffene Bevölkerung ein sehr reales, mitunter existentielles Problem dar. Als – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen – der wohl berühmteste aller muslimischen Reisenden, Ibn BaÔÔÙÔa, im März 1327 den Boden IÒfahÁns betrat, fand er die Stadt größtenteils zerstört vor. Der Grund, den er uns in dürren Worten mitteilt, war der „Bürgerkrieg (fitna) zwischen den Sunniten und den RÁfiÃiten, der bis 1 heute andauert, denn noch immer bekämpfen sie einander.“ Zahllose andere Berichte vermitteln einen Eindruck davon, welch bizarre Züge diese Kämpfe manchmal annah2 men. Aber auch die Theologen beider Parteien ließen nicht nach in ihrem Bemühen, die Ansichten der jeweiligen Gegenseite als ketzerisch und Abweichung vom „wahren Islam“, wie sie ihn verstanden, zu „entlarven“. Hier sei lediglich auf ein Beispiel verwiesen, eines der bedeutendsten der muslimischen Häresiographie. Etwa zur selben Zeit, da Ibn BaÔÔÙÔa die ihm bekannte Welt bereiste, schrieben zwei herausragende Vertreter der islamischen Geistesgeschichte heftige Polemiken gegeneinander. Der aus Íilla am mittleren Euphrat stammende ÉamÁl ad-DÐn al-Íasan b. al-MuÔahhar al-ÍillÐ, genannt „al-ÝAllÁma“ (der Hochgelehrte), verfaßte in einer kleinen, aber sehr populären Schrift mit dem Titel MinhÁÊ al-karÁma fÐ maÝrifat al-imÁma eine Verteidigung der schiiti3 schen Imamatslehre. Sein nicht minder gelehrter Zeitgenosse und Gegenspieler TaqÐ ad-DÐn AÎmad b. TaimÐya antwortete mit dem Werk MinhÁÊ as-sunna an-nabawÐya „qui constitue l’une des contributions les plus imposantes à la littérature sunnite de

1 RiÎlat Ibn BaÔÔÙÔa, ed. ÓalÁl Íarb, Beirut 1407/1987, 214 (engl. Übers. durch H.A.R. Gibb: The Travels of Ibn BaÔÔÙÔa, Cambridge 1958-71, II/294f.); zur zeitlichen Einordnung s. I. Hrbek: The Chronology of Ibn BaÔÔÙÔa’s Travels, Archiv Orientální 30/1962/409-86, hier 431ff.; zum Begriff RÁfiÃiten s. oben, S. 13 Anm. 57. 2 Einige Beispiele sind zitiert bei T. Nagel: Die Festung des Glaubens (…), München 1988, 50ff.; vgl. auch al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, I/46-53; ein Fallbeispiel wird untersucht von M. Heidari-Abkenar: Die ideologische und politische Konfrontation Schia - Sunna am Beispiel der Stadt Rey des 10.-12. Jahrhunderts n. Chr., Diss. Köln 1992. 3 Laoust: Schismes, 301-07; idem: La critique du sunnisme dans la doctrine d’al-ÍillÐ, REI 34/ 1966/35-60; zu al-ÍillÐ (1250-1325) s. S. Schmidtke: The Theology of al-ÝAllÁma al-ÍillÐ (d. 726 / 1325), Berlin 1991.

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polémique anti-šÐÝite.“ Beide Streitschriften haben im Zeitalter des Druckwesens zahlreiche Neuauflagen erfahren, was ihnen bis heute eine weite Verbreitung in den islamischen Ländern sichert. Die zumeist weiterhin polemische Auseinandersetzung mit ihnen, die über die Jahrhunderte hinweg nicht aufgehört hat, ist im 20. Jahrhundert un5 gebrochen und hat ständig neue Widerlegungen hervorgebracht. Es wäre nun freilich voreilig, die Beziehungen zwischen Sunniten und Schiiten einseitig auf polemische Ausfälle und blutige Kämpfe reduzieren zu wollen. Gerade nach dem Mongolensturm des 13. Jahrhunderts war im Iran der mongolischen ÏlÌÁne und der sie beerbenden Timuriden die Situation über zwei Jahrhunderte lang von ei6 nem Synkretismus gekennzeichnet, von dem „eine gewisse religiöse Indifferenz“ nicht immer zu trennen war. Zugleich bildete aber diese Atmosphäre das Ferment für den Aufstieg jener Macht, die nicht nur für die innere Entwicklung der Schia von größter Wichtigkeit werden sollte, sondern durch die auch der Umgang mit den Sunniten auf eine vollkommen neue Grundlage gestellt wurde: der Ñafawiden. Ihre Machtübernahme unter ŠÁh IsmÁÝÐl durch die Eroberung von TabrÐz 1501 ist ein bedeutender historischer Einschnitt, der allerdings den Zeitgenossen nicht unbedingt als solcher bewußt wurde. Ursprünglich sunnitischer Denomination, glitt der Derwischorden, dessen Anfänge ins 13. Jahrhundert zurückreichen, allmählich in ex7 tremschiitische Positionen hinüber. Der Herrschaftsantritt der Ñafawiden bedeutete zwar noch lange nicht die sofortige Schiitisierung der Bevölkerung – Iran war am Anfang des 16. Jahrhunderts ein mehrheitlich sunnitisches Land und blieb dies auch noch 8 jahrzehntelang –, doch unter der Protektion der neuen Staatsmacht gelang es den imamitischen Rechtsgelehrten, sich neu zu formieren – und zwar erstmals in ihrer Geschichte ohne Furcht vor Repression durch sunnitische Machthaber. Allmählich bildete sich auf diese Weise ein Stand heraus, den man mit einigem Recht als Klerus bezeichnen darf und dessen theologische Konsolidierung im 17. Jahrhundert zu einem wesentlichen Teil von dem Gelehrten MuÎammad BÁqir MaÊlisÐ mittels seiner monumentalen, 110 Bände zählenden Imam-ÍadÐ×-Sammlung BiÎÁr al-anwÁr vorangetrie9 ben wurde. Ihren Abschluß fand diese Entwicklung im 18. Jahrhundert mit der 4 Laoust: Essai, 97; vgl. idem: Schismes, 266-73; zu Ibn TaimÐya (1263-1328): Essai, passim; zur erwähnten Polemik s. auch M. Mazzaoui: The Origins of the Ñafawids. ŠÐÝism, ÑÙfism and the ÇulÁt, Wiesbaden 1972, 27-34. 5 Ende: Arabische Nation, 115. 6 U. Haarmann: Staat und Religion in Transoxanien im frühen 16. Jahrhundert, ZDMG 124/ 1974/332-69, hier 349; zum Hintergrund s. Roemer: Persien auf dem Weg in die Neuzeit, 160-63 sowie ausführlich M. Gronke: Derwische im Vorhof der Macht. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Nordwestirans im 13. und 14. Jahrhundert, Stuttgart 1993. 7 Mazzaoui: Origins (wie Anm. 4) sowie Gronke (wie vorherige Anm.), 241-357. Auch andere Sufiorden machten vereinzelt eine derartige Metamorphose durch; zum Beispiel der KubrawÐya s. Enayat: Modern Islamic Political Thought, 37-39, EI2 V/300f. (H. Algar) und M. Molé: Les KubrawÐya entre sunnisme et shiisme au huitième et neuvième siècles de l’hégire, REI 29/1961/61-142. 8 A.J. Newman: The Myth of the Clerical Migration to Safawid Iran: Arab Shiite Opposition to ÝAlÐ al-KarakÐ and Safawid Shiism, WI 33/1993/66-112; R.J. Abisaab: The Ulama of Jabal ÝAmil in Safavid Iran, 1501-1736: Marginality, Migration and Social Change, IS 27/1994/103-22. 9 Halm: Die Schia, 125f.; zu al-MaÊlisÐ (1627-1699/1700) s. EI2 V/1086-88 (A.H. Hairi); az-ZiriklÐ VI/48f.; ÅTŠ III/16-25; GAL SII/572-74, EIr IV/90-93 (E. Kohlberg) sowie v.a. K.-H. Pampus: Die theologische Enzyklopädie BiÎÁr al-AnwÁr des MuÎammad BÁqir al-MaÊlisÐ (1037-1110 A.H. =

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Durchsetzung der sogenannten UÒÙlÐ-Schule. Im Gegensatz zu ihren Widersachern, den AÌbÁrÐs, die sich ausschließlich auf die Autorität von Koran und Imam-ÍadÐ× beschränkten, traten die UÒÙlÐs für das Prinzip der Ratio ( Ýaql) ein. Zugleich wurde den ÝulamÁÞ das Recht auf eigenständige Rechtsfindung (iÊtihÁd) zugebilligt – eine Konzeption, deren Wurzeln im 13. Jahrhundert bei dem schon genannten al-ÝAllÁma alÍillÐ zu finden sind und die summa summarum einen enormen Machtzuwachs der Ýu10 lamÁÞ zur Folge hatte. Der Sieg der Ñafawiden barg neben der geschilderten innerschiitischen Entwicklung, die den Grundstein für eine potentielle Politisierung der Geistlichkeit legte, noch einen anderen für die gesamte islamische Ökumene bedeutsamen Aspekt in sich. Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten war damit quasi „Regierungsangelegenheit“ geworden, um so mehr, als den neuen iranischen Herrschern auf der anderen Seite neben den Usbeken und Moguln vor allem in den Osmanen eine aufstrebende sunniti11 sche Großmacht gegenüberstand. Im Aufeinandertreffen zwischen Vertretern der beiden Konfessionen spielten fortan nicht mehr nur theologische Erwägungen eine Rolle, sondern auch das – zumeist unausgesprochene – jeweilige politische Interesse und Machtkalkül der Diskutierenden sowie (nicht zuletzt) der neben den Gelehrten stehenden Herrscher. Der erste Versuch, den sunnitisch-schiitischen Antagonismus mittels eines organisierten (was in diesem Falle so viel heißt wie: erzwungenen) Dialogs von Gelehrten beider Seiten zu überwinden, fiel ins vierte und fünfte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Die Herrschaft der Ñafawiden war 1722 dem Ansturm afghanischer Invasoren erlegen, und das nun folgende Dreivierteljahrhundert bis zur Machtübernahme der QÁÊÁren 1796 war eine Zeit politischer Wirren und allgemeiner Unsicherheit, von einem 12 „Sumpf der Anarchie“ ist gar die Rede. Alsbald ragte ein Heerführer besonders her13 aus: NÁdir ËÁn, der sich 1736 als NÁdir ŠÁh selbst auf den Thron setzte. Wenngleich 14 ihm keine allzu große persönliche Frömmigkeit nachgesagt wird, verfolgte er doch von Anfang an ein deutliches religionspolitisches Ziel, nämlich die Schia neben den vier anerkannten sunnitischen Rechtsschulen als gleichberechtigten fünften maÆhab zu etablieren. De facto mußte dieses Unterfangen zum damaligen Zeitpunkt den schiitischen Gelehrten das Gefühl vermitteln, daß die Schia ihrer Imamatslehre und damit letztlich ihrer Identität und Eigenständigkeit beraubt werden solle, indem der Imam 1627-1699 A.D.). Ein Beitrag zur Literaturgeschichte der ŠÐÝa in der Ñafawidenzeit, Diss. Bonn 1970. 10 Halm: Die Schia, 84-90, 124-32 und die dort genannte Literatur; außerdem Falaturi: Die Zwölfer-Schia, 80-90. 11 E. Eberhard: Osmanische Polemik gegen die Safawiden im 16. Jahrhundert nach arabischen Handschriften, Freiburg 1970; A. Allouche: The Origins and Development of the Ottoman - Safawid Conflict (906-962 / 1500-1555), Berlin 1983. 12 Roemer: Persien auf dem Weg in die Neuzeit, 381; vgl. allg. ibid. 376-88 und P. Avery: NÁdir ShÁh and the Afsharid Legacy, in: idem (ed.): The Cambridge History of Iran, VII/3-62. 13 Über ihn s. die noch immer unübertroffene Biographie von L. Lockhart: Nadir Shah, London 1938 sowie neuerdings EI2 VII/853-56 (J.R. Perry; mit ausführlicher Bibliographie); s. auch Momen: Introduction, 124-26; Wa³Ðqe-ye etteÎÁd-e eslÁm-e nÁderÐ, YÁdgÁr 4/6 (Febr.-März 1948), 43-55; AŠ M IV/189-212. 14 So das übereinstimmende Urteil bei Lockhart, 278 und Algar: Religious Forces in Eighteenth and Nineteenth-Century Iran, 709.

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ÉaÝfar zum bloßen Gründer einer juristischen Richtung degradiert wurde. Die Absicht NÁdir ŠÁhs war eine zweifache: Einerseits sollte die einflußreiche Stellung der schiitischen Geistlichkeit im eigenen Land gebrochen und eine etwaige Òafawidische Restauration unterbunden werden (auch die Konfiszierung eigentlich unveräußerlichen schiitischen waqf-Landes zielte in diese Richtung). Dabei bemühte er sich allerdings, seine Vorgehensweise lediglich als antiÒafawidisch, nicht aber als antischiitisch erscheinen zu lassen: Bestimmte, für das Verhältnis zu den Sunniten weniger heikle Rituale der Schia wie etwa die Pilgerfahrten zu den diversen Schreinen wurden weiterhin 16 geduldet, ja sogar gefördert. Andererseits aber untersagte NÁdir ŠÁh die unter den Ñafawiden weithin übliche öffentliche Schmähung der Kalifen AbÙ Bakr und ÝUmar sowie die Zurückweisung ihres Kalifats (sabb aš-šaiÌain bzw. rafÃ; s. Einleitung). Dieses Verbot sollte hauptsächlich dazu dienen, im Verhältnis zum Osmanischen Reich bei gleichzeitiger Beibehaltung der persischen Unabhängigkeit die Wogen zu glätten. Die Entscheidung NÁdir ŠÁhs war mehr als nur symbolischer Natur, stellte die schiitische Praxis, die ersten Kalifen zu schmähen, doch einen der gewichtigsten Punk17 te in der antischiitischen Polemik osmanischer Autoren dar. Im Gegenzug forderte er von den Osmanen zwei nicht minder symbolträchtige Zugeständnisse: die Errichtung eines fünften, ÊaÝfaritischen maqÁm bei der KaÝba sowie während der Pilgerfahrt einen 18 eigenen amÐr al-ÎaÊÊ. Der osmanische Sultan MaÎmÙd I. und seine Unterhändler hielten sich bedeckt. Von kleineren Konzessionen abgesehen waren sie während der gesamten Dekade von NÁdir ŠÁhs Herrschaft zu keiner grundsätzlichen Anerkennung der Schia bereit. Die schiitischen Geistlichen ihrerseits, für die die obwaltende Religionspolitik eine Existenzbedrohung darstellte, suchten Zuflucht in der taqÐya; zu deutlich stand ihnen das Schicksal des MollÁ-BÁšÐ ÝAbd al-Íusain vor Augen, den NÁdir ŠÁh noch vor seiner Inthronisierung wegen einer vermeintlich im Vertrauen getanen Òafawidenfreundli19 chen Äußerung hatte erwürgen lassen. NÁdir ŠÁhs Bemühungen, die Schia botmäßig zu machen und die osmanischen Sunniten damit zur Anerkennung der ÉaÝfarÐya zu bewegen, gipfelten in der ersten Konferenz, die expressis verbis zum Zwecke einer innerislamischen Annäherung einberufen wurde. Im Dezember 1743 versammelte er während eines Irak-Feldzugs eine beachtliche Anzahl sunnitischer wie schiitischer Gelehrter – die Rede ist von 70 irani15 Im 20. Jahrhundert – das soll hier schon vorweggenommen werden – wurde diese Forderung umgedeutet und in einem ausgesprochen positiven Licht interpretiert; s. unten, S. 177-79. 16 Der damit verbundene Anspruch, die von den verwerflichen Neuerungen der Ñafawiden gereinigte „eigentliche“ Schia wiederherstellen zu wollen, fand im 20. Jahrhundert seine Fortsetzung; vgl. etwa ÝAlÐ ŠarÐÝatÐs Buch TašayyoÝ-e ÝalawÐ wa tašayyoÝ-e ÒafawÐ. 17 Eberhard: Osmanische Polemik (wie Anm. 11), 104-10. 18 Art. KaÝba, EI2 IV/317-22 (A.J. Wensinck / J. Jomier); zu NÁdir ŠÁhs Religionspolitik im allg. s. E. Tucker: Nadir Shah and the JaÝfari Madhhab Reconsidered, IS 27/1994/163-79; S. Shaw: Iranian Relations with the Ottoman Empire in the Eighteenth and Nineteenth Centuries, in: Avery (ed.): The Cambridge History of Iran, VII/297-313, bes. 306ff.; H. Algar: Religious Forces in Eighteenth and Nineteenth-Century Iran, ibid., 705-31, bes. 706-10 sowie v.a. idem: ShiÝism and Iran in the Eighteenth Century, passim; Art. Caliphs and the Caliphate, as viewed by the ShiÝites of Persia, EIr IV/677-79 (H. Algar). 19 Lockhart: Nadir Shah, 99; zum Amt des MollÁ-BÁšÐ s. Art. MollÁ, EI2 VII/221-25 (J. Calmard).

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schen und sieben afghanischen Teilnehmern sowie ebenfalls sieben aus Transoxanien 20 – am Grabmal ÝAlÐs in NaÊaf. Diskutiert werden sollte (in seinem Sinne) über die Schmähung der ersten Kalifen, die Rechtmäßigkeit ihrer Herrschaft, die Frage der Pro21 phetengefährten im allgemeinen und über die Zeitehe (mutÝa). Es wurde sogar eine schriftlich fixierte Übereinkunft erzielt, in der sich die schiitischen ÝulamÁÞ verpflichteten, auf die den Sunniten besonders anstößig erscheinenden Praktiken zu verzichten, doch war diese Deklaration kaum das Papier wert, auf dem sie geschrieben stand: Zum einen war von osmanischer Seite keine Delegation zugegen, und zum anderen beugten sich die persischen Gelehrten lediglich dem politischen Druck und verharrten in ihrer erprobten taqÐya. Der Îanafitische qÁÃÐ ÝAbdallÁh as-SuwaidÐ, der im Auftrag NÁdir ŠÁhs die Konferenz protokollierte, berichtet von einem herausragenden Beispiel dieser 22 „Kunst des inneren Vorbehalts“: Nach Abschluß des Vertrages hielt ein schiitischer Geistlicher vor 5000 Gläubigen die Abschlußpredigt in der Moschee, in der er unter anderem die tarÃiya über AbÙ Bakr und ÝUmar auszusprechen hatte, also die Eulogie „Gott habe Wohlgefallen an ihm“ (raÃiya ÞllÁh Ýanhu), die sunnitische Muslime gewöhnlich den Namen der ÒaÎÁba folgen lassen. Der Prediger tat, wie von ihm erwartet, versah ÝUmars Namen jedoch mit einer falschen – nämlich triptotischen – Endung, was die Bedeutung der Formel abänderte in „Gott habe Wohlgefallen an irgendeinem ÝUmar“. Zugleich war dies aber ein überaus sublimes, nur einem grammatikalisch versierten Zuhörer wie as-SuwaidÐ verständliches Wortspiel mit den beiden den Grammatikern geläufigen Flexionsbegriffen Ýadl und maÝrifa. Beides in der üblichen Bedeutung, nämlich Gerechtigkeit und Wissen, sprach der Schiit dem zweiten Kalifen damit 23 ab, ohne die Worte dafür auch nur zu benutzen. Der politisch motivierte Versuch NÁdir ŠÁhs, Sunna und Schia zueinander zu zwingen, der gewiß alles andere war als „schwärmerisch“ (wie Goldziher ihn apostro24 phiert), blieb folgenlos. Die Osmanen behielten ihre ablehnende Haltung bei, und NÁdir ŠÁhs Nachfolger wandten sich nach dessen Ermordung 1747 von diesem Vorhaben wieder ab. Es verwundert daher auch nicht, daß diese Episode im 20. Jahrhundert im gesamten Schrifttum der ökumenischen Bewegung kaum einer Erwähnung wert er20 as-SuwaidÐ: MuÞtamar, 85f., der auch einige Namen auflistet. 21 Algar: Religious Forces, 708; s. auch Mallat: Religious Militancy, 701-04; Enayat: Modern Is-

lamic Political Thought, 39f.; Lockhart: Nadir Shah, 232-34; Richard: L’Islam chiite, 251f.; SiyÁr alÉamÐl: ÍiÒÁr NÁdir ŠÁh li-l-MauÒil ÝÁm 1743 (…), Arab Historical Review for Ottoman Studies / alMaÊalla at-tÁrÐÌÐya al-ÝarabÐya li-d-dirÁsÁt al-Ýu×mÁnÐya 1-2/1990/arab. Teil, 93-115. 22 Der polnische Literatur-Nobelpreisträger Czeslaw Milosz beschrieb mit diesen Worten das Verhältnis vieler Intellektueller zur Regierungsmacht in früheren osteuropäischen „Volksdemokratien“: Verführtes Denken, Frankfurt 1974, 64. 23 as-SuwaidÐ: MuÞtamar, 98f.; s. dazu die Bemerkungen H. Ritters in einer Fußnote einer Rezension von E.G. Brownes A History of Persian Literature (…), in: Der Islam 15/1926/106f. sowie den Zusatz von A.E. Schmidt ibid. 16/1927/266f.; ferner idem: Iz istorii sunnitsko-šiitskich otnošenij, in: Namgla dqi –V.V. Bartol’du turkestanskie druz’ja, u¦eniki i po¦itateli, Taškent 1927, 69-107 (eine Kopie dieses Aufsatzes verdanke ich Herrn Florian Schwarz, Tübingen); zu as-SuwaidÐ (1693-1761) vgl. azZiriklÐ IV/80; KaÎÎÁla VI/48f. und XII/40 sowie GAL II/495 und SII/508; ferner ÝImÁd ÝAbd as-SalÁm: ÝAbdallÁh as-SuwaidÐ: SÐratuhu wa-riÎalÁtuhu, Bagdad 1988; as-SuwaidÐ stammte in der Tat aus einer Literatenfamilie, vgl. LÙwÐs ŠaiÌÙ: al-ÀdÁb al-ÝarabÐya fÐ l-qarn at-tÁsiÝ Ýašar, al-Mašriq 11/ 1908/273-86, hier 275f. 24 Nämlich in seinen Vorlesungen über den Islam, 296.

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achtet wird. Eine Verklärung, wie man sie en passant bei MuÎammad ÝAlÐ az-ZuÝbÐ findet, ist eindeutig die Ausnahme geblieben. Ihm galt NÁdir ŠÁhs Religionspolitik als „Morgenröte der Verständigung“ (faÊr tafÁhum) und die Konferenz von NaÊaf als „se25 gensreicher Ansatz“, dem nur die Fortsetzung im richtigen Bewußtsein gefehlt habe. Im Gegensatz dazu haben jedoch alsbald antischiitische Polemiker und Gegner einer Annäherung NÁdir ŠÁh für sich entdeckt. MaÎmÙd al-MallÁÎ etwa nannte ihn in der ihm eigenen Heftigkeit in Anspielung auf zwei bedeutende Figuren der schiitischen Geschichte den „ersten Märtyrer“ (aš-šahÐd al-awwal), der von Betrügern in seiner 26 Umgebung über die wahren Absichten der Schia getäuscht worden sei. In besonderer Weise hat sich auf diesem Gebiet schließlich MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb durch die von ihm besorgte Neuausgabe von as-SuwaidÐs Konferenzbericht hervorgetan, die erstmals 1367hq (1947-48) in seiner Kairiner SalafÐya-Druckerei erschien. Im Vorwort dazu machte er unmißverständlich klar, daß er damit in erster Linie die taqrÐb-Aktivitäten 27 des 20. Jahrhunderts treffen wollte. Als Vorbild für eine gelungene Einigung zwischen Sunniten und Schiiten in der Moderne kann diese Episode des 18. Jahrhunderts also keineswegs gelten. Bezeichnend ist sie dennoch, stellt sie doch ein frühes Lehrstück dar für das mitunter komplizierte Verhältnis von Politik und Theologie gerade auf dem Gebiet der innerislamischen Annäherung, und das bereits zu einem Zeitpunkt, da es diese eigentlich noch gar nicht gab. Diese Abhängigkeit von politischen Machtverhältnissen, die oft genug über Erfolg oder Scheitern juristisch-theologischer Bemühungen um eine Ökumene entscheiden sollten, wird uns in der Folgezeit noch häufig begegnen. In den anschließenden fast anderthalb Jahrhunderten kam es zu keinen Bemühungen, den konfessionellen Gegensatz zwischen beiden Gruppen aufzuheben. Im Gegenteil: Gerade in den irakischen Provinzen des Osmanischen Reiches, in denen ein bedeutender Teil der Bevölkerung der Schia angehörte, ereigneten sich immer wieder Zusammenstöße, die zeitweise sogar die osmanische Oberhoheit über diese Gebiete in Frage stellten und in deren Verlauf die Frage der Konfessionszugehörigkeit ebenfalls 28 ein Faktor von erheblicher Bedeutung war. 25 az-ZuÝbÐ: LÁ sunna wa-lÁ šÐÝa, 206; lobend äußerte sich auch MoÎammad MoÎÐÔ ÓabÁÔabÁÞÐ in seiner Einleitung zu aš-ŠÐrÁzÐs Sammelband EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ, 15-22, hier 19f.; vgl. dagegen die ablehnende Haltung MoÎammad TaqÐ QommÐs, der NÁdir ŠÁh allerdings nicht namentlich nennt, RI 11/1959/352; im 19. Jahrhundert scheint diese Ablehnung noch nicht ganz so stark ausgeprägt gewesen zu sein, vgl. Kramer: Islam Assembled, 1f. 26 al-MallÁÎ: TÁrÐÌunÁ l-qaumÐ, 99 mit Anm. 1; idem: al-ÀrÁÞ, 68 Anm. 1 (als „zweiten Märtyrer“ bezeichnete al-MallÁÎ übrigens den 1946 von den FedÁÞÐyÁn-e EslÁm ermordeten iranischen Schriftsteller AÎmad KasrawÐ); zu den beiden schiitischen Märtyrern s. Momen: Introduction, 319f. sowie Index s.v. ShahÐd; ein weiteres Beispiel sunnitischer Polemik liefert ÝAbd al-MutaÝÁl al-ÉabrÐ, der das Verhalten der Schiiten 1743 kurzerhand „faschistisch“ nennt, ÍiwÁr, 49; vgl. auch RašÐd RiÃÁ: asSunna wa-š-šÐÝa, 28. 27 al-ËaÔÐb: Vorw. zu as-SuwaidÐ: MuÞtamar an-NaÊaf, 49-58; as-SuwaidÐs Bericht war erstmals 1323hq / 1905-06 in Kairo (MaÔbaÝat as-saÝÁda) im Druck erschienen u.d.T. al-ÍuÊaÊ al-qaÔÝÐya li-ttifÁq al-firaq al-islÁmÐya; eine Zusammenfassung veröffentlichte ËalÐl Mardam in RAAD 5/1925/ 179-86; zu al-ËaÔÐb s. unten, S. 193ff. 28 J.R.I. Cole / M. Momen: Mafia, Mob and Shiism in Iraq: The Rebellion of Ottoman Karbala, 1824-1843, Past and Present 112/1986/112-43, v.a. 137f.; zu früheren Verfolgungen osmanischer Schiiten s. C.H. Imber: The Persecution of the Ottoman ShiÝites According to the mühimme defterleri,

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Es dauerte bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts, ehe mit dem Pan-Islamismus jene Bewegung entstand, die schließlich nach zögerlichem Beginn die Kontakte zwischen sunnitischen und schiitischen ÝulamÁÞ wiederbelebte. Geistesgeschichtlich ist der pan-islamische Gedanke eine Begleiterscheinung des islamischen Reformismus (iÒlÁÎ), der seinerseits wiederum aus verschiedenen politisch motivierten modernistischen Bestrebungen (wie zum Beispiel der tanÛÐmÁt-Gesetzgebung im Osmanischen Reich) und der vornehmlich arabisch geprägten kulturellen Erneuerungsbewegung 29 (nahÃa) ab etwa der Mitte des Jahrhunderts hervorgegangen ist. Angesichts des überall in der islamischen Welt vordringenden europäischen Kolonialismus propagierten die pan-islamischen Aktivisten die prinzipielle Zusammengehörigkeit aller Muslime, aus der eine Front gegen den gemeinsamen Feind Europa geschmiedet werden könne und müsse. Auf diese Weise hofften sie, die von ihnen selbst konstatierte Rückständigkeit der islamischen Welt im Vergleich zum Westen wettmachen zu können. Der Pan-Islamismus war in seinen Anfängen eine eindeutig sunnitisch dominierte Bewegung, an der sich die schiitischen ÝulamÁÞ sowohl in Iran als auch in den irakischen ÝatabÁt nicht beteiligten. Die sunnitischen Autoren ihrerseits waren sich der Existenz der Schia zwar sehr wohl bewußt, ein ökumenischer Dialog mit ihr spielte jedoch – von allgemeinen Aufrufen zur Einigung an die Adresse aller Muslime abgesehen – in ihren Schriften keine Rolle. Bezeichnend dafür ist das Beispiel des bis heute wirkungsmächtigsten pan-islamischen Aktivisten ÉamÁl ad-DÐn al-AfÈÁnÐ, der zeit seines rastlosen Lebens seine iranisch-schiitische Herkunft verschleierte und sich statt 30 dessen als sunnitischer Afghane ausgab. Seine Vorstellung von der islamischen Einheit wird in den Artikeln deutlich, die er 1884 in Paris zusammen mit seinem ägyptischen Schüler MuÎammad ÝAbduh in der von ihnen gemeinsam herausgegebenen 31 kurzlebigen Zeitschrift al-ÝUrwa al-wu×qÁ veröffentlichte. Geradezu paradigmatisch ist dabei die folgende Argumentation: Um die frühere weltbeherrschende Größe und Geltung (die in farbigen Worten geschildert wird) zurückzugewinnen, müßten sich die Muslime vor allem wieder der Tugenden Einigkeit und Zusammenarbeit (al-ittifÁq wa-t-taÃÁfur) besinnen, die zu den mächtigsten Pfeilern des muÎammadanischen Bekenntnisses (sic! ad-dÐyÁna al-muÎammadÐya) zählten. Nur so sei es möglich, die gegenwärtige Unterlegenheit in Wissenschaft und Industrie aufzuholen und die Muslime von Edirne bis Pešawar wieder unter dem Banner des Korans zu vereinen. Als Vorbild diente dabei das zaristische Rußland, das zwar gemessen an Europa ebenfalls arm und 1565-1585, Der Islam 56/1979/245-73. Daß es daneben aber auch vereinzelte Beispiele für eine friedliche Koexistenz gab, belegen U. Haarmanns Beobachtungen zu Evliya ¥elebÐs Bericht über die Altertümer von Gize, Turcica 8/1976/157-230, hier 177; ferner idem: Ein früher Bericht über Kuwait, Der Islam 55/1978/340-44, v.a. 342 sowie MurtaÃÁ b. ÝAlÐ b. ÝAlawÁn’s Journey Through Arabia in 1121/1709, in: Sources for the History of Arabia, Riad, 1979, II/247-51, v.a. 248. 29 Zum allgemeinen Hintergrund s. Art. IÒlÁÎ, EI2 IV/141-71 (A. Merad et al.); Art. NahÃa, ibid. VII/900-03 (N. Tomiche); Art. Pan-Islamism, ibid. VIII/248-50 (J.M. Landau) sowie ausführlich Hourani: Arabic Thought, passim. 30 Über ihn (1838-1897) s. die ausführliche Biographie von N.R. Keddie: Sayyid JamÁl ad-DÐn „al-AfghÁnГ. 31 Vgl. ibid., 214-28 sowie J. Jomier: La revue Al-ÝOrwa al-WothqÁ (13 mars - 16 octobre 1884) et l’autorité du Coran, MIDEO 17/1986/9-36; der Titel ist eine Anspielung auf die beiden Koranverse 2/256 und 31/22 (Paret übersetzt: „die festeste Handhabe“); zu ÝAbduh s. unten, S. 33 Anm. 10.

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rückständig sei, es aber durch Einigkeit und einen unbeugsamen Selbstbehauptungs32 willen schaffe, eben jenes Europa das Fürchten zu lehren. Der Appell an die waÎda islÁmÐya (so der Titel des eben zitierten Aufsatzes) und der Kampf gegen die europäische Übermacht durchziehen die Zeitschrift wie ein roter 33 Faden. Nirgends jedoch ist explizit von einer Annäherung zwischen Sunniten und Schiiten die Rede. Am nächsten kamen al-AfÈÁnÐ und ÝAbduh dieser Forderung in ihrem Aufruf zu einer Einigung der (schiitischen) Perser mit den (sunnitischen) Afghanen, aber auch in diesem Artikel wird die Nennung der beiden Konfessionsbezeichnungen sorgsam vermieden und statt dessen die gemeinsame Opposition zur britischen 34 Politik betont. Diese bildete – namentlich in bezug auf Ägypten und den Sudan – den deutlich erkennbaren Schwerpunkt der in al-ÝUrwa al-wu×qÁ vermeldeten Nachrich35 ten. Weniger als Ausdruck des Bemühens um innerislamische ökumenische Annähe36 rung, der al-AfÈÁnÐ persönlich offenbar durchaus aufgeschlossen gegenüberstand und die er in seinem Gedankengebäude wohl bereits als selbstverständlich voraussetzte, muß die im Exil entstandene Publikation vielmehr als Musterbeispiel für einen religiös argumentierenden Antiimperialismus verstanden werden. Unter den schiitischen Gelehrten stießen derartige Aufrufe, wie gesagt, auf kein erwähnenswertes Echo. Nicht so sehr das Vorhaben selbst, die Muslime angesichts der Bedrohung von außen zu einen, dürfte für ihre reservierte Haltung ausschlaggebend gewesen sein, als vielmehr die Vorzeichen, unter denen eine solche Einigung zustande kommen sollte. Sultan ÝAbdülÎamÐd II. hatte die pan-islamische Propaganda für seine politischen Ziele entdeckt und damit quasi in Regierungsdienste gestellt; zahlreiche 37 pan-islamische Aktivisten, darunter al-AfÈÁnÐ und ÝAbduh, unterstützten ihn darin. Das aber bedeutete, daß die Oberhoheit der angestrebten umfassenden umma beim osmanischen sunnitischen Kalifen liegen sollte, eine Vorstellung, der die Schiiten aus bekannten Gründen schwerlich positive Seiten abgewinnen konnten. Als weiteres Hindernis kam schließlich hinzu, daß al-AfÈÁnÐ seine schiitische Abstammung in Abrede stellte und daß sein (und ÝAbduhs) religiöses Bekenntnis generell nicht über alle Zwei38 fel erhaben war. Der einzige nennenswerte persische Beitrag zu jener Phase des PanIslamismus kam konsequenterweise von keinem Religionsgelehrten, sondern von einem Mitglied des qÁÊÁrischen Herrscherhauses, AbÙ l-Íasan MÐrzÁ ŠaiÌ ar-RaÞÐs (der 32 al-ÝUrwa al-wu×qÁ (Nachdruck Kairo 1957), 67-73; eine vollständige französische Übersetzung dieses Artikels durch Marcel Colombe findet sich in Orient (Paris) 6/1962/22/139-47, eine auszugsweise englische Übertragung in Landau: Politics, 318-20 (vgl. auch ibid., 16-18). 33 al-ÝUrwa al-wu×qÁ, 13-22 (Forderung nach Reform der umma), 33-35 (Gründe für den Niedergang der Muslime), 39-48 (Kampf gegen Fanatismus / taÝaÒÒub), 125-27 (in Anlehnung an Koran 3/ 105). 34 Ibid., 106-10; Vorbild für das Zustandekommen einer Einheit war hier übrigens die Einigung des Deutschen Reiches 1871. 35 Ibid., 153-423; bekanntlich war Ägypten zwei Jahre zuvor von den Briten besetzt worden. Über Zeitpunkt und Umstände der 1957 erfolgten Neuausgabe der Zeitschrift s. unten, S. 212. 36 Landau: Politics, 15f.; Keddie: Sayyid JamÁl ad-DÐn „al-AfghÁnГ, 433. 37 Landau: Politics, 9-72; Kramer: Islam Assembled, 19f.; vgl. auch J. Jankowski: Ottomanism and Arabism in Egypt, 1860-1914, MW 70/1980/226-59. 38 E. Kedourie: Afghani and ÝAbduh. An Essay on Religious Unbelief and Political Activism in Modern Islam, London 1966; W. Ende: Waren ÉamÁladdÐn al-AfÈÁnÐ und MuÎammad ÝAbduh Agnostiker?, in: W. Voigt (ed.): XVII. Deutscher Orientalistentag (…), Wiesbaden 1969, 650-59.

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allerdings eine theologische Ausbildung durchlaufen hatte). In seinem 1894 in Bombay publizierten Traktat mit dem Titel EtteÎÁd-e EslÁm sprach er ausführlich über das Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten, jedoch geschah das nicht so sehr auf einer doktrinär-theologischen Ebene denn eher auf einer diplomatisch-politischen. Ihm ging es hauptsächlich um einen Ausgleich zwischen den Regierungen des Osmanischen Reichs und des Irans der QÁÊÁren. Außerdem – und das mußte seine Initiative in den Augen der schiitischen ÝulamÁÞ ebenfalls scheitern lassen – trat auch er für die Aner39 kennung der weltlichen wie geistigen Oberhoheit des osmanischen Sultans ein. Durchaus bemerkenswert ist jedoch seine Versicherung, er wolle weder den Sunniten zur Schia bekehren noch umgekehrt; im 20. Jahrhundert sollte dies zu einem der am 40 häufigsten wiederkehrenden Argumente der ökumenischen Diskussion werden. Die Zurückhaltung schiitischer Autoren heißt aber nicht, daß pan-islamische Initiativen, sobald sie gegen die Osmanen gerichtet waren, automatisch schon allein deswegen auf Beifall von schiitischer Seite hoffen durften. Das bekannteste Beispiel in dieser Hinsicht ist der Syrer ÝAbd ar-RaÎmÁn al-KawÁkibÐ und sein fiktiver Kongreßbe41 richt Umm al-qurÁ, der um die Jahrhundertwende erschien. In dieser Konferenz, die er in Mekka spielen ließ (daher auch der Titel des Buches), trat zwar ein muÊtahid tabrÐzÐ als Vertreter des maÆhab ÉaÝfar (sic!) auf, der die Zersplitterung des Islams in seine verschiedenen Schulen und Sekten beklagte und dazu aufrief, die damit einhergehende Autoritätsgläubigkeit und blinde Nachahmung (taqlÐd) im Geiste des iÊtihÁd 42 zu überwinden. Außerdem enthielt die Satzung der von den Teilnehmern gegründeten „Gesellschaft zur Unterweisung der Einheitsbekenner“ (ÉamÝÐyat taÝlÐm al-muwaÎÎidÐn) einen Artikel, in dem ausdrücklich betont wird, daß diese Gesellschaft keiner bestimmten Rechtsschule (maÆhab) oder Partei (šÐÝa) des Islams den Vorzug ge43 währe. Aber die am Schluß des Buches vorgeschlagene Einsetzung eines arabischen Kalifen aus dem Stamm der Quraiš mit einer dreijährigen Amtszeit, dessen politische Macht auf den ÍiÊÁz begrenzt sein und der darüber hinaus nur über spirituelle Autori44 tät verfügen sollte, diese Vision also entsprach bei weitem nicht den schiitischen Vorstellungen von einer gerechten und legitimen Herrschaft. Dadurch schließlich, daß er das Verbreitungsgebiet der Schia auf Persien und die Gegend um das Kaspische Meer beschränkte, schloß sie al-KawÁkibÐ selbst einigermaßen deutlich von der Herr39 Ein Nachdruck dieses Buches erschien 1984 in Teheran; zu Autor und Werk vgl. neuerdings M. Kia: Pan-Islamism in Late Nineteenth Century Iran, MES 32/1996/30-52, bes. 39ff.; ferner Landau: Politics, 31f.; Kramer: Islam Assembled, 22-24; Hairi: ShÐÝism and Constitutionalism in Iran, 80 mit Anm. 98; H. Algar: Religion and State in Iran 1785-1906 (…), Berkeley 1969, 228f. Auch die diplomatische Annäherung beider Staaten scheint über einen (folgenlosen) Besuch MuÛaffar ad-DÐn ŠÁhs in Istanbul 1900 nicht hinausgekommen zu sein, s. Landau, 42f.; zur antischiitischen Politik der osmanischen Regierung gegenüber den irakischen Schiiten vgl. Deringil: The Struggle Against Shiism in Hamidian Iraq, passim. 40 Kia: Pan-Islamism (wie vorige Anm.), 46f.; s. auch unten, S. 173-75. 41 Zu ihm (1849/54-1902) s. EI2 IV/775f. (S. Haim); MMS 445f.; OE II/405f. (E.E. Shahin); Kramer: Islam Assembled, 30-35; Schulze: Internationalismus, 55-58; AmÐn: ZuÝamÁÞ al-iÒlÁÎ, 249-79; NazÐh KabbÁra: ÝAbd ar-RaÎmÁn al-KawÁkibÐ. ÍayÁtuhu wa-ÝaÒruhu wa-ÁrÁÞuhu, Tripoli (Libanon) 1415/1995; R. Raz: Interpretations of Kawakibi’s Thought, 1950-1980s, MES 32/1996/179-90. 42 al-KawÁkibÐ: Umm al-qurÁ, 352-57. 43 Ibid., 380. 44 Ibid., 397f.

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schaft aus und verwarf ihre Ansprüche darauf. In der Entwicklung des Kongreßgedankens sowie in der Genese des arabischen Nationalismus hat al-KawÁkibÐ seinen festen Platz, für die taqrÐb-Idee blieb sein Werk folgenlos. Die Idee des Pan-Islamismus lebte in hohem Maße von den Initiativen und Vorschlägen einzelner, deren geographische Verstreutheit und soziale, religiöse und intellektuelle Verschiedenheit ein dichtes und manchmal nur schwer zu durchschauendes 46 Geflecht von Aktivitäten entstehen ließ. Im Gegensatz zu al-AfÈÁnÐ, ÝAbduh und alKawÁkibÐ, die den weiteren Gang der islamischen Geistesgeschichte entscheidend mitgeprägt haben, ist der letzte in diesem Zusammenhang zu erwähnende Fall weitgehend unbekannt geblieben. Gleichzeitig findet sich hier jedoch ein Beispiel dafür, welche Skurrilität manchen Aktivisten mitunter anhaftete. Die Rede ist von MÐrzÁ MoÎammad BÁqer BawÁnÁtÐ, einem polyglotten Exzentriker, der, als Schiit aufgewachsen, über Christentum und Judentum wieder zu einem Islam eigenwilliger Ausprägung zurück47 fand. MuÎammad RašÐd RiÃÁ berichtet im ersten Band seiner Biographie MuÎammad ÝAbduhs von diesem Literaten, der auch unter dem Namen IbrÁhÐm ÉÁn MoÝaÔÔar auftrat und vor dessen unermüdlichen Bekehrungsversuchen offenbar nicht einmal die 48 britische Königin Victoria sicher war. 1884 gründete BawÁnÁtÐ zusammen mit ÝAbduh und anderen Mitstreitern in Beirut eine Geheimgesellschaft, die sich um eine Annäherung zwischen Islam, Christentum und Judentum kümmern sollte. In unserem Kontext ist diese Gesellschaft deshalb bemerkenswert, weil in Verbindung mit ihr m.W. zum ersten Mal ausdrücklich der Begriff „Annäherung“ (taqrÐb) auftauchte, während die übrigen pan-islamischen Aktivisten als gängige Termini ittiÎÁd bzw. waÎda (islÁmÐya) benutzt hatten. Der erste bedeutende sunnitische Gelehrte, der über allgemeine pan-islamische Aufrufe hinaus ganz konkret das Verhältnis zur Schia zu einem Thema öffentlicher Diskussion machte, war der eben genannte MuÎammad RašÐd RiÃÁ – worauf er Jahr49 zehnte später nicht ohne Stolz auch selbst hinwies. Als Medium diente die von ihm selbst im März 1898 gegründete Zeitschrift al-ManÁr, die im Laufe der Zeit zu einer der einflußreichsten und am weitesten verbreiteten muslimischen Reformzeitschriften 50 überhaupt wurde. Mit ihr, die ausdrücklich im Geiste von al-AfÈÁnÐs und ÝAbduhs 45 Ibid., 353, 354f.; bemerkenswert ist, daß al-KawÁkibÐ in diesem Passus dem schiitischen Delegierten die Eulogie nach den Namen AbÙ Bakrs und ÝUmars in den Mund legt (S. 355, letzte Zeile). 46 Vgl. Schulze: Internationalismus, 47-86; Landau: Politics, passim. 47 Über ihn (ca. 1814/20-1892/93) s. Art. BavÁnÁtÐ, EIr III/874f. (Ï. AfšÁr); s. auch Keddie: Sayyid JamÁl ad-DÐn „al-AfghÁnГ, 23f. 48 RašÐd RiÃÁ: TÁrÐÌ al-ustÁÆ al-imÁm aš-šaiÌ MuÎammad ÝAbduh, Kairo 1350/1931, I/817-22 (hier behandelt er auch ausdrücklich die angeblich erfolgreiche Bekehrung AÎmed MidÎat Pa¢as); ein Foto, das ihn 1885 in Beirut u.a. zusammen mit ÝAbduh zeigt, findet sich bei Ï. AfšÁr: IbrÁhÐm ÉÁn MoÝaÔÔar, in: idem: SawÁd wa bayÁª, Teheran 1344hš/1965, I/1-45, hier 5. 49 RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa, 14-20; zu ihm (1865-1935) allg. EI2 VIII/446-48 (W. Ende) und die dort genannte Literatur; ferner die im Literaturverzeichnis genannten Bücher von DarnÐqa, alMarrÁkušÐ und aš-ŠawÁbika sowie die Einleitung von YÙsuf Íusain Ïbiš zu MaqÁlÁt aš-ŠaiÌ RašÐd RiÃÁ as-siyÁsÐya, I/5-14; zu RašÐd RiÃÁs späterem Wandel zu einem der einflußreichsten Kritiker der Schia s. unten, S. 64ff. 50 Art. al-ManÁr, EI2 VI/360f. (J. Jomier) und die dort genannte Literatur; ferner al-ÉundÐ: TÁrÐÌ aÒ-ÒiÎÁfa al-islÁmÐya, Band 1 passim; al-MarrÁkušÐ: TafkÐr, passim.

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Pariser Zeitschrift von 1884 wirken sollte, trat RašÐd RiÃÁ von Anfang an für deren pan-islamische Ideale ein, am deutlichsten schon im Dezember 1898, als er in einem ausführlichen Artikel die Schaffung einer islamischen Gesellschaft unter dem Schutz des Kalifen mit Sitz in Mekka forderte, um die Einigung der Muslime voranzutreiben. Zu diesem Zweck sollten die Glaubensvorstellungen (ÝaqÁÞid), Urteilsprinzipien 52 (aÎkÁm) sowie die Sprache der Muslime vereinheitlicht werden. Ab etwa 1901 spielte der Kontakt mit der Schia eine zwar nicht überragende, aber stetige Rolle in den Spalten der Zeitschrift. Besonders die Form des Rechtsgutachtens (fatwÁ) ermöglichte es ihm, auf konkrete Probleme in dezidierter Art und Weise einzugehen. Die an ihn herangetragene Anfrage, ob es einem Schiiten erlaubt sei, eine Sunnitin zu heiraten (wohinter unausgesprochen natürlich die Frage steckte, ob ein Schiit überhaupt als Muslim zu betrachten sei), beantwortete er mit einem uneingeschränkten Ja. Die Gelehrten der (sunnitischen) Rechtsschulen seien sich darüber einig, daß die Unterschiede zur Schia nicht die Dinge des Glaubens oder Unglaubens berührten, zudem benötige die umma dringender denn je gegenseitige Rücksichtnahme und Einheit. Die vormalige Abneigung und Distanzierung voneinander sei ein Fehler gewesen und als sol53 cher erkannt worden. Zwar war RašÐd RiÃÁ nicht bereit, alle Gruppierungen, die sich von der Schia abgespalten hatten, als Muslime anzuerkennen – die Anhänger der BÁbÐya beispielsweise 54 standen für ihn außerhalb des Islams –, die ImÁmÐya jedoch verteidigte er wo nötig auch gegen Angriffe aus den Reihen seiner sunnitischen Glaubensbrüder. Als 1901 in Homs konfessionell motivierte Unruhen ausbrachen, fand RašÐd RiÃÁ harsche Worte gegen „diese Hitzköpfe und Fanatiker“, die sich als die wahren Spalter der Gemeinde 55 erwiesen hätten, statt zu ihrer Einigung beizutragen. Ebenso ging er im Falle des indischen Gelehrten ÝAbd al-Íaqq al-AÝÛamÐ mit jenen „Scheichs, die sich für Juristen halten“ (mašÁyiÌ mutafaqqihÐn) ins Gericht, nachdem diese den ÝÁlim zum Ungläubigen erklärt hatten, nur weil er in einer Predigt von den Schiiten als „unseren Brüdern“ 56 gesprochen hatte. Solche Stellungnahmen stießen bei den schiitischen Lesern des ManÁr durchaus auf ein positives Echo. Entsprechende Zuschriften, in denen er insbe51 li-iÎyÁÞ taÝÁlÐm al-Ýurwa al-wu×qÁ: al-ManÁr 2/22 (Aug. 1899), 340. 52 Ibid., 1/39 (Dez. 1898), 764-71; vgl. Kramer: Islam Assembled, 27f.; s. auch al-ManÁr 1/29

(Sept. 1898), 547-51 (Forderung nach einem Ausbau des Erziehungswesens als Voraussetzung für ittiÎÁd); 1/44 (Jan. 1899), 851-54 (geschichtliche Ereignisse, die zur Spaltung führten); 2/30 (Okt. 1899), 475-79. 53 Ibid., 7/12 (Aug. 1904), 462; weitere FatwÁs 7/5 (Mai 1904), 182f.; 13/12 (Jan. 1911), 897906. 54 Ibid., 12/10 (Nov. 1909), 755. 55 Ibid., 4/3 (April 1901), 116f.; Anlaß war die Frage des masÎ ÝalÁ l-Ìuffain (s. oben, S. 16). 56 Ibid., 8/3 (April 1905), 116f.; vgl. Goldziher: Vorlesungen über den Islam, 387 Anm. 104; DarnÐqa: as-Sayyid MuÎammad RašÐd RiÃÁ, 147-62, bes. 149; auch andernorts ereigneten sich gewalttätige Auseinandersetzungen, vgl. zur Konfrontation in Buchara: V. Adam: S¤rat-i müstakim (Istanbul, 1908-1912). Die Berichterstattung des Blattes über Muslime in Russland und Zentralasien, unveröffentlichte Magisterarbeit, Phil. Fak., Freiburg 1993, 126-30; Ñadr ad-DÐn ÝAinÐ: NizÁÝ-e šÐÝe wa sonnÐ dar BuÌÁrÁ, yek tauÔiÞe, MaÊalle-ye moÔÁlaÝÁt-e ÀsyÁ-ye markazÐ wa QafqÁs (Teheran) 2/1993/ 2/3748; RMM 10/1907/345-48; zu ebenfalls vorhandenen Beispielen einer lokalen sunnitisch-schiitischen Aussöhnung s. RMM 1/1906/115-17 und 8/1907/534.

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sondere sein Bemühen um die Einigung der Muslime gewürdigt sah, wurden von 57 RašÐd RiÃÁ sicherlich nicht ungern im Wortlaut zitiert. Auf seiten der schiitischen Gelehrten waren die Avancen des Pan-Islamismus mehr als zurückhaltend aufgenommen worden. Erst die Ereignisse der Konstitutionellen Revolution in Iran ab 1905, in der die ÝulamÁÞ zum ersten Mal in der Neuzeit für eine län58 gere Phase eine aktive politische Rolle spielten, veranlaßten einen Teil von ihnen dazu, Kontakte mit der sunnitischen Obrigkeit des Osmanischen Reiches zu knüpfen. Dabei war die Haltung der iranischen Geistlichkeit zur Frage der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit einer Verfassung gespalten. Eine Gruppe von ÝulamÁÞ um Scheich FaªlallÁh NÙrÐ verurteilte die Konstitution als gegen die šarÐÝa gerichtet und bekämpfte sie 59 entschlossen – wofür ihr Wortführer im Juli 1909 öffentlich gehenkt wurde. Ihnen gegenüber standen – zumal in den schiitischen ÝatabÁt im Irak – etliche herausragende Gelehrte, die ebenso nachhaltig für eine verfassungsmäßige Regierung eintraten. Sie taten das weniger aus einer demokratischen Grundüberzeugung heraus denn vielmehr, um die als despotisch empfundene Herrschaft des Schahs zu beschneiden. Vor allem, als die im Dezember 1906 MuÛaffar ad-DÐn ŠÁh abgetrotzte Verfassung nicht einmal zwei Jahre später von seinem Sohn und Nachfolger MuÎammad ÝAlÐ ŠÁh außer Kraft gesetzt wurde, nahm der Konflikt an Schärfe zu. Eine Schlüsselrolle spielten die beiden ÀyatollÁhs MuÎammad KÁÛim al-ËurÁsÁnÐ und ÝAbdallÁh al-MÁzandarÁnÐ. In ihrem Bemühen, Alliierte im Kampf gegen den Schah zu finden, wandten sie sich im Mai 1909 auch an den osmanischen Sultan MeÎmed V., den sie in ihrem Schreiben 60 ausdrücklich als „unseren Kalifen“ (ÌalÐfatunÁ) titulierten. Ob damit eine tatsächliche Anerkennung der Legitimität des sunnitischen Herrschers impliziert wurde, darf

57 S. z.B. al-ManÁr 7/1 (März 1904), 66-68 und 7/14 (Sept. 1904), 554f.; RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa, 16. 58 Eine Art Generalprobe dazu war 1891/92 der Protest gegen die Konzession, die NÁÒir ad-DÐn ŠÁh der britischen Imperial Tobacco Corporation of Persia erteilt hatte; nach einem FatwÁ des in SÁmarrÁÞ residierenden MarÊaÝ at-taqlÐd MÐrzÁ Íasan aš-ŠÐrÁzÐ (1815-1895; s. RF II/769f.; ÓAŠ I/1, 43641; BaÌšÁyešÐ: FoqahÁ, 355-92), das einen allgemeinen Tabak-Boykott nach sich zog, wurde die Konzession im Januar 1892 widerrufen; s. dazu ausf. N.R. Keddie: Religion and Rebellion in Iran. The Tobacco Protest of 1891-1892, London 1966; zur Institution des MarÊaÝ at-taqlÐd s. den Art. in EI2 VI/548-56 (J. Calmard) sowie A.K. Moussavi: The Institutionalization of MarjaÝ-i Taqlid in the Nineteenth Century ShÐÝite Community, MW 84/1994/279-99. 59 Zu NÙrÐ (geb. 1843/44) s. EI2 VIII/140 (V. Martin) und RF III/1308f.; S.A. Arjomand: The Ulama’s Traditional Opposition to Parliamentarism: 1907-1909, MES 17/1981/174-90; V.A. Martin: Shaykh Fazlallah Nuri and the Iranian Revolution 1905-09, MES 23/1987/39-53; zum allgemeinen Verlauf der Konstitutionellen Revolution s. EIr VI/163-216 (A. Amanat et al.); V.A. Martin: Islam and Modernism: the Iranian Revolution of 1906, London 1989; M. Bayat: Iran’s First Revolution: Shi’ism and the Constitutional Revolution of 1905-09, New York 1992. 60 Irf 1/5 (Mai 1909), 240f.; engl. Übersetzung bei Hairi: ShÐÝism and Constitutionalism in Iran, 242f.; s. allg. ibid., 87-98 sowie Luizard: Formation, 242-83. Bereits im Jahr zuvor hatten die ÝulamÁÞ an den damaligen Sultan ÝAbdülÎamÐd II. ein Telegramm geschickt, dessen Authentizität allerdings nicht geklärt ist, s. Hairi, 88f.; zu al-ËurÁsÁnÐ (1839-1911) s. EI 2 V/61f. (A.H. Hairi); EIr I/732-35 (A.H. Hairi / S. Murata); BaÌšÁyešÐ: FoqahÁ, 393-402; ÝAbd ar-RaÎÐm MuÎammad ÝAlÐ: al-MuÒliÎ almuÊÁhid MuÎammad KÁÛim al-ËurÁsÁnÐ, NaÊaf 1973 (v.a. 65-97); ÝAbd ol-Íosain MaÊÐd KafÁÞÐ: MargÐ dar nÙr. ZendegÁnÐ-ye ÀÌÙnd ËorÁsÁnÐ, Teheran 1359hš/1980; zu al-MÁzandarÁnÐ (1840-1912) s. EIr I/200-02 (H. Algar); ÓAŠ I.3/1219f. und RF III/1138f.

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aber bezweifelt werden, ebenso wie derartige Schritte angesichts des dahinterstehenden offensichtlichen politischen Kalküls nicht als theologisch motivierte Annäherung im eigentlichen Sinn verstanden werden können. Ansätze dazu waren fraglos vorhanden, man denke nur an die von Hibat ad-DÐn aš-ŠahrastÁnÐ herausgegebene Reform62 zeitschrift al-ÝIlm oder die Tätigkeit der in Istanbul ansässigen konstitutionellen Vereinigung AnÊoman-e saÝÁdat, die neben dem Ringen um die Verfassung auch dem 63 Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten ihre Aufmerksamkeit widmete. Am weitesten in diese Richtung ging vermutlich eine von acht schiitischen ÝulamÁÞ unterzeichnete Deklaration, in der ganz selbstverständlich von „fünf islamischen Gruppen“ (alfiraq al-islÁmÐya al-Ìamsa) die Rede war und unter Berufung auf den später häufig zu lesenden Koranvers 3/103 die „vollständige Einheit der Muslime“ (ittiÎÁd kÁffat almuslimÐn) nach außen bei gleichzeitiger Respektierung der Unabhängigkeit jeder 64 Gruppe innerhalb des Islams angemahnt wurde. So vielversprechend diese Äußerungen waren, so kurze Dauer war ihnen beschieden. Die fortschreitende nationalistische Türkifizierungspolitik der Jungtürken trug genauso zu ihrem Verstummen bei wie der plötzliche Tod der beiden Hauptfiguren der schiitischen Seite: al-ËurÁsÁnÐ starb im Dezember 1911, al-MÁzandarÁnÐ nur wenige Monate später. Der nunmehr alleinige MarÊaÝ at-taqlÐd MuÎammad KÁÛim YazdÐ, ein von Anfang an erklärter Gegner der Verfassungsbewegung, nahm in politischen Fra65 gen eine weitaus quietistischere Haltung ein. ∗∗∗ Obwohl ein geeignetes Forum für einen permanenten Dialog sunnitischer und schiitischer Gelehrter noch nicht gefunden war, blieben die auf den letzten Seiten skizzierten Aktivitäten nicht ohne Bedeutung für den taqrÐb-Gedanken, wie er nach dem Ersten Weltkrieg an Boden gewann. al-AfÈÁnÐ und ÝAbduh hatten mit ihrer Zeitschrift 61 Hairi: ShÐÝism and Constitutionalism, 125. 62 dÐ ÓarrÁzÐ: TÁriÌ aÒ-ÒiÎÁfa al-ÝarabÐya, I/40f.; zu aš-ŠahrastÁnÐ (1884-1967) s. RF II/761f.;

MMI III/438-41; ÓAŠ I.4/1413-18; ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, X/65-94; Nachruf in Irf 55/3-4 (Aug.-Sept. 1967), 399; ferner MiškÁt 31/1991/105-18; Íasan al-AmÐn in Irf 58/5 (Sept. 1970), 501-05. 63 RMM 11/1910/117-20; s. allg. Art. Anjoman-e saÝÁdat, EIr II/89 (H. Algar); A. Pistor-Hatam: Iran und die Reformbewegung im Osmanischen Reich (…), Berlin 1992, 219-25; H. Djoudaki: L’Anjoman-e SaÝÁdat des Iraniens d’Istanbul, in: Th. Zarcone / F. Zarinebaf (eds.): Les Iraniens d’Istanbul, Paris et al. 1993, 85-90; Luizard: Formation, 271f.; über die Bedeutung der Verfassungsbewegung im Osmanischen Reich und der Jungtürkischen Revolution für die irakische Schia informiert Nakash: The ShiÝis of Iraq, 50-55. 64 Irf 3/4 (Febr. 1911), 159f.; frz. Übersetzung in RMM 13/1911/384-87; auch al-ËurÁsÁnÐ und al-MÁzandarÁnÐ zählten zu den Unterzeichnern. 65 Über ihn (1831-1919) s. BaÌšÁyešÐ: FoqahÁÞ, 419-28; Hairi: ShÐÝism and Constitutionalism, Index, s.v.; die oft zitierten ÊihÁd-Aufrufe des Osmanischen Reiches, denen sich auch die schiitischen ÝulamÁÞ anschlossen, dürfen nicht überbewertet werden, zumal sie auf Drängen des Deutschen Reichs hin zustande kamen; s. W. Ende: Iraq in World War I: The Turks, the Germans and the ShiÝite Mujtahids’ Call for Jihad, in: R. Peters (ed.): Proceedings of the Ninth Congress of the Union Européenne des Arabisants et Islamisants (…), Leiden 1981, 57-71; H.L. Müller: Islam, ÊihÁd („Heiliger Krieg“) und Deutsches Reich. Ein Nachspiel zur wilhelminischen Weltpolitik im Maghreb 1914-1918, Frankfurt/M. 1991; P. Heine: C. Snouck Hurgronje versus C.H. Becker. Ein Beitrag zur Geschichte der angewandten Orientalistik, WI 23-24/1984/378-87.

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al-ÝUrwa al-wu×qÁ ein Vorbild geschaffen, das über ein halbes Jahrhundert später von muslimischen ökumenischen Denkern wiederaufgenommen wurde, und al-KawÁkibÐs Idee eines islamischen Kongresses, eine zur Entstehungszeit noch fast utopisch anmutende Vorstellung, wurde bald schon auf vielfältige Weise Wirklichkeit. Auf der anderen Seite hatten schließlich die schiitischen ÝulamÁÞ gleichfalls zu erkennen gegeben, daß auch in ihren Augen die Kluft zwischen Sunna und Schia nicht unüberwindlich bleiben mußte. Ebenso wie die Chancen liegen aber auch die Probleme innerislamischer ökumenischer Bestrebungen bereits in dieser frühen Phase in ihren Grundzügen vor: die zu bestimmten Zeiten zu konstatierende Abhängigkeit theologischer Äußerungen von politischen Zeitumständen. Wie im Falle der von NÁdir ŠÁh einberufenen Konferenz von NaÊaf sind pan-islamische Appelle oder das Verhalten der schiitischen Gelehrten in den irakischen Pilgerstätten gleichfalls nur vor dem Hintergrund der jeweils herrschen66 den Politik zu verstehen. In den Debatten um eine Annäherung der islamischen Konfessionsgemeinschaften sollte sich daran im 20. Jahrhundert nichts ändern. Darin unterschied sich diese ihrem Selbstverständnis nach innerislamische Reformbewegung in keiner Weise von der pan-islamischen Kongreßidee, die in der Hauptsache die Stellung des Islams im internationalen Machtgefüge auf ihre Fahnen geschrieben hatte und eine politische Stärkung der Muslime im Umgang mit nichtmuslimischen Herrschern anstrebte. Es überrascht daher kaum, daß es erst der Einberufung muslimischer Konferenzen mit internationaler Beteiligung bedurfte, um über die dort geknüpften Kontakte auch dem sunnitisch-schiitischen Dialog Leben einzuhauchen. Im Zuge dessen empfahl sich eine Institution als ein mögliches Forum dieses Gesprächs, die im bisherigen Verlauf der Debatte keine Rolle gespielt hatte, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedoch zu der sunnitischen Lehrstätte aufstieg und damit zum natürlichen Ansprechpartner für schiitische Gelehrte wurde: die Kairiner Azhar-Universität.

66 Als Ausnahmen dürfen hier die Artikel RašÐd RiÃÁs über die Schia in den frühen Bänden des ManÁr gelten, in denen es tatsächlich um juristische Fragen außerhalb der politischen Tagesaktualität ging.

2. KAPITEL Azhar-Reform und Schia nach der Jahrhundertwende Das 19. Jahrhundert war für die ägyptischen Gelehrten und ihre Institutionen eine Zeit tiefgreifender Umwälzungen. In entschiedener Abgrenzung von mystischen Bruderschaften und begünstigt durch soziale wie ökonomische Beziehungen zu den neomamlukischen Machthabern war es den ÝulamÁÞ seit dem 18. Jahrhundert gelungen, sich eine politische Machtposition zu sichern, die Napoleons Besetzung des Landes 1798 bis 1801 nicht nur überdauerte, sondern dadurch sogar noch gestärkt wurde und 1 in ein kurzes „goldenes Zeitalter“ einmündete. Das Prestige der Gelehrten war so groß, daß einer der Ihren, der bekannte Historiograph ÝAbd ar-RaÎmÁn al-ÉabartÐ, sie in einer Aufzählung gleich nach den Propheten und Gottesfreunden und damit vor al2 len Herrschern, Königen und Sultanen rangieren ließ. Der Zenit ihres Einflusses währte jedoch nicht lange. Bereits wenige Jahre nach seiner Machtübernahme setzte MuÎammad ÝAlÐ, der bei seiner Inthronisierung noch der Legitimation der ÝulamÁÞ bedurft hatte, einen ihrer mächtigsten Vertreter ab, den 3 naqÐb al-ašrÁf ÝUmar Makram. Als er schließlich nach 1811 das System der Steuer4 pacht (iltizÁm) abschaffte und die Erträge der wohltätigen Stiftungen (auqÁf ÌairÐya) konfiszierte, beraubte er mit einem Schlag die Gelehrten ihrer ökonomischen Grundlage und stürzte sie in eine lange Phase wirtschaftlichen Ruins und sozialer Bedeutungslosigkeit. Ersteres führte schon nach kurzer Zeit dazu, daß die meisten Moscheen und 5 Medresen verkamen, letzteres wurde langfristig noch dadurch verstärkt, daß ein von den ÝulamÁÞ unabhängiger Stand von Intellektuellen entstand, der – nicht zuletzt begünstigt durch die allgemeine Verbreitung des Buchdrucks – nun auch das „Wissens6 monopol der Gelehrten“ in Frage stellte.

1 Crecelius: Nonideological Responses, 173; vgl. zu diesem Abschnitt ibid., 167-90 und Schulze: Internationalismus, 17-46. 2 Schulze, 22; vgl. die (auszugsweise) deutsche Übersetzung von al-ÉabartÐs Chronik u.d.T. Bonaparte in Ägypten (…), übersetzt von Arnold Hottinger, Zürich, München 1983, 20; zu al-ÉabartÐ (1754-1825/26) s. EI2 II/355-57 (D. Ayalon). 3 Vgl. zu diesem Amt eines „Vorstehers der Prophetennachkommen“ M. Winter: The ashrÁf and niqÁbat al-ashrÁf in Egypt in Ottoman and Modern Times, AAS 19/1985/17-41; zu ÝUmar Makram ibid., 36ff. 4 S. Art. IltizÁm, EI2 III/1154f. (G. Baer) und die dort genannte Literatur. 5 Vgl. die bei Schulze: Internationalismus, 24 zitierten Beobachtungen europäischer Reisender. 6 Ibid., 27 sowie 37 zur Diskussion der Eigenbezeichnung der Intellektuellen (mufakkirÙn).

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Die Azhar-Universität war von diesem allgemeinen Niedergang der islamischen Einrichtungen nicht verschont geblieben. Allerdings ließ ihre Größe sie die ökonomischen Einbußen besser verkraften als andere Einrichtungen, so daß am Ende der Entwicklung – beinahe paradoxerweise – der Aufstieg der Azhar und ihres Rektors zur 7 beherrschenden Institution in Ägypten und schließlich darüber hinaus stand. Zu verdanken hatte die Hochschule ihre Renaissance, die sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in weniger als zwei Jahrzehnten vollzog, nicht zuletzt dem Umstand, daß mit dem Verschwinden der bisherigen Strukturen religiöser Gelehrsamkeit eine allmähliche Zentralisierung der ÝulamÁÞ in Richtung auf die Azhar verbunden war, die im Gegensatz zu anderen vormals einflußreichen Posten immer in Händen der einheimischen, das heißt ägyptischen Gelehrten lag. Zu keinem Zeitpunkt hatte ein türkischer ÝÁlim das seit dem Ende des 17. Jahrhunderts belegte Amt des ŠaiÌ al-Azhar 8 inne. In dem Maße, in dem die Bedeutung der übrigen Institutionen schwand, wurde die Azhar und insbesondere ihr Rektor nun zum Fixpunkt des geistlichen Establishments in Ägypten. Nach Jahrzehnten des Rückzugs und der Opposition begannen ab etwa 1870 auch die Gelehrten selbst die Notwendigkeit von Reformen auf den ihnen angestammten Gebieten des Erziehungswesens und der theologischen Gelehrsamkeit einzusehen. Diese Reformen, die letztlich auch als Antwort auf den sozialen und wirtschaftlichen 9 Druck zu verstehen sind, der auf den ÝulamÁÞ lastete, bildeten den nach der Zentralisierung zweiten Grundstein für das (Wieder-) Erstarken der Azhar. Spiritus rector des ab 1895 in Angriff genommenen Reformprojekts – ein erster Anlauf war 1872 im we10 sentlichen gescheitert – war MuÎammad ÝAbduh. Gemessen an seiner Vision von der Einführung eines neuen, modernistischen Geistes an der Azhar mögen die tatsächlichen Errungenschaften, die gegen den teils erbitterten Widerstand innerhalb der Azhar selbst durchgesetzt werden mußten, bescheiden anmuten. Dennoch sind die Einfüh11 rung der sogenannten „modernen Wissenschaften“ wie auch die Änderungen auf organisatorischer Ebene keinesfalls geringzuschätzen. „Denn hier wurde der erste Schritt in einer Entwicklung getan, die 1961 mit der Umwandlung der Azhar in eine moderne 12 Universität und dem Verlust ihres ausschließlich theologischen Charakters endete.“ Für das unmittelbare Selbstverständnis der Gelehrten waren diese Reformen höchst bedeutsam. Die Azhar wurde nunmehr endgültig und allgemein anerkannt zur 7 Vgl. zum folgenden Crecelius: Emergence, passim; die Literatur zur Azhar im allgemeinen ist beinahe nicht zu überschauen; vgl. als wichtigste Werke in westlichen Sprachen: Dodge: al-Azhar; Eccel: Egypt; Lemke: ŠaltÙt. 8 Crecelius: Emergence, 111; die Biographien der Azhar-Rektoren bis zum 20. Jahrhundert verzeichnet ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, Bd. 1 passim. 9 Crecelius: Nonideological Responses, 191 urteilt nüchtern: „‘Islamic’ reform has thus more often been a response to social and economic pressures than an ideological commitment to change.“ 10 Über ihn (1849-1905) s. EI2 VII/418-20 (J. Schacht); Hourani: Arabic Thought, 130-60 sowie die auf S. 27 in Anm. 48 bereits zitierte dreibändige Biographie von MuÎammad RašÐd RiÃÁ TÁrÐÌ alustÁÆ al-imÁm. Eine Übersicht über die wichtigsten Stufen der Azhar-Reform bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts findet sich im Art. al-Azhar, EI2 I/813-21, v.a. 817-19 (J. Jomier); vgl. Lemke: ŠaltÙt, passim. 11 Dazu ibid., 32 mit Anm. 2. 12 Ibid., 32f.

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höchsten islamischen Institution in Ägypten, ihr Rektor zum offiziell höchsten muslimischen Würdenträger des Landes. Als nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die osmanischen ÝulamÁÞ als oberste sunnitische Autorität wegfielen, war die Azhar in der Lage, die Lücke zu schließen und weit über Ägypten hinaus in der gesamten sunnitisch-islamischen Welt eine führende und bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein kaum bestrittene Autorität zu übernehmen. Der noch zu besprechende Kalifatskongreß von 1926, die Entsendung offizieller Delegationen in zahlreiche islamische Länder, aber auch Studienmissionen an europäische Universitäten und das Anknüpfen von Beziehungen zur nichtislamischen Welt – all das ließ seit den zwanziger Jahren 13 den internationalen Geltungsanspruch der Azhar deutlich hervortreten. Nach außen sichtbar wurde die neue Position (und Reputation) der Azhar-Gelehrten nicht zuletzt 14 im „Rat der Groß-ÝulamÁÞ“(hai’at, später ÊamÁÝat kibÁr al-ÝulamÁÞ). Den dreißig Mitgliedern des Rates – im Laufe der Zeit wurden es mehr – wurde bei seiner Einrichtung 1911 vom Gesetz nicht nur der Auftrag mit auf den Weg gegeben, die Aufsicht über die Rechtgläubigkeit aller übrigen ägyptischen ÝulamÁÞ zu führen, sondern sie erhielten zur Durchsetzung dieser Bestimmung auch bedeutende disziplinarische Machtmittel, bis hin zur Vernichtung der beruflichen Existenz eines der Abweichung von der offizi15 ellen Lehre für schuldig Befundenen. Was die schiitischen Gelehrten in einem langen, informellen Prozeß erreicht hatten – nämlich die Herausbildung eines eigenen, relativ klar definierbaren, quasi „klerikalen“ Standes –, holte die Azhar damit gewissermaßen auf dem Verwaltungswege nach. Die neue Rolle der Azhar im sunnitischen Islam blieb für ihr Verhältnis zur Schia nicht ohne Auswirkungen. Einzelne, meist jüngere und reformorientierte schiitische Gelehrte begannen, die Veränderungen an der Spitze der sunnitischen Hierarchie wahrzunehmen und zu würdigen. Gleichzeitig bildeten diese Reformen für sie den Anlaß, die eigenen schiitischen Traditionen bei der Ausbildung des theologischen Nachwuchses zumindest in Teilen in Frage zu stellen. Eine der frühesten Äußerungen zu diesem Thema dürfte von dem iranischen ÝÁlim Asad AllÁh MÁmaqÁnÐ stammen, alËurÁsÁnÐs Verbindungsmann zum oben erwähnten anÊoman-e saÝÁdat in Istanbul. Bereits 1910 scheint er eine gründliche Überarbeitung des schiitischen Erziehungswesens 16 nach dem Modell von ÝAbduhs Azhar-Reform gefordert zu haben. Noch weiter ging einige Zeit später der libanesische Gelehrte MuÎsin ŠarÁra: Als 17 er 1928 in einem dreiteiligen Aufsatz, der in der Zeitschrift al-ÝIrfÁn erschien, seine aufsehenerregende Philippika gegen die in seinen Augen verheerenden Zustände 13 IbrÁhÐm al-ÉibÁlÐ (ed.): al-BaÝ×a al-azharÐya ilÁ l-Hind. (…), Kairo 1937; s. auch OM 15/1935/ 448; Lemke: ŠaltÙt, 105-07, 116; zum Kalifatskongreß s. unten, S. 62f. 14 Lemke, 129-38; vgl. auch MA 66/5 (Nov. 1993), 692-703. 15 Insbesondere der Fall ÝAlÐ ÝAbd ar-RÁziq sollte hier in den zwanziger Jahren für erhebliches Aufsehen sorgen; s. unten, S. 62. 16 Arjomand: Ideological Revolution, 183; zu MÁmaqÁnÐ (geb. 1886) s. RF 396 (der ersten Auflage) sowie al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, X/89 (s.v. aš-ŠahrastÁnÐ); ein kurzer und wenig schmeichelhafter Eintrag zu MÁmaqÁnÐ stammt von ÀÈÁ Bozorg aÔ-ÓehrÁnÐ: ÅTŠ VIII/294, der über dessen 1334 (1915/16) in Istanbul gedrucktes Buch ad-DÐn wa-š-šuÞÙn kurz und knapp feststellte, es bestehe aus „Verleumdungen und Verdrehungen“. 17 Vgl. unten, S. 40 Anm. 22.

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schrieb, die in NaÊaf herrschten, stellte er im ersten Teil nicht ohne Hintergedanken ausführlich die Reform der Azhar und MuÎammad ÝAbduhs Anteil daran vor. Ein (keineswegs neu zu nennender) Artikel der ägyptischen Zeitschrift al-MuqtaÔaf, den er im vollen Wortlaut zitierte, habe ihm, so ŠarÁra, klargemacht, „wo wir heute stehen, und wo sie (sc. die Reformer an der Azhar) heute stehen.“ Dadurch, daß er diesen Passus „Unsere religiösen Lehranstalten: al-Azhar und NaÊaf“ betitelte, ließ er auch keinen Zweifel daran aufkommen, wen er mit der Überschrift seiner Artikelserie („Zwischen 19 Chaos und richtigem Bildungswesen“) meinte. Der forsche Ton des jungen Scheichs löste unter den angegriffenen ÝulamÁÞ beträchtlichen Wirbel aus, führte aber zu keinerlei greifbaren Veränderungen im Sinne ŠarÁras. So wurde über ein Jahrzehnt danach – wiederum im ÝIrfÁn – eine Art Neuauflage der Kritik an den Verhältnissen in NaÊaf publiziert, verfaßt erneut von einem libanesischen Scheich, dieses Mal von ÝAlÐ azZain. In nicht minder deutlichen Worten als sein umstrittener Vorgänger stellte er fest, nur durch eine Nachahmung der Azhar könne NaÊaf des herrschenden Chaos’ (auch az-Zain benutzte den Ausdruck al-fauÃÁ) Herr werden und seine Position behaupten. Es solle daher zu einem Besuchsprogramm und zum Austausch wissenschaftlicher Delegationen kommen, mit dem Ziel, die Lehrpläne beider Hochschulen zu vereinheitlichen. Die Brisanz seiner Forderung relativierte er allerdings dadurch, daß er auch die Azhar in die Pflicht nahm und ein Entgegenkommen anmahnte, z.B. durch die Öffnung des bÁb al-iÊtihÁd. Im Zuge der angestrebten Zusammenarbeit sei dann auch an die Gründung einer Zeitschrift zu denken, die sich dem Problem der Einigung der 20 Muslime widme. Daß az-Zain nach Veröffentlichung seines Artikels – zumal von schiitischer Seite – nicht annähernd dieselben Konsequenzen zu gewärtigen hatte wie vor ihm ŠarÁra, lag sicherlich in erster Linie daran, daß er sich im Ton größerer Zurückhaltung befleißigte als sein Vorgänger. Daneben zeigt diese Episode aber auch, wie sehr sich in der dazwischenliegenden Dekade das Verhältnis zwischen sunnitischen und schiitischen Gelehrten gewandelt hatte. Die schiitischen ÝulamÁÞ hatten die Azhar mittlerweile als einen gleichrangigen Gesprächspartner akzeptiert, mit dem über kurzfristige politische 18 Irf 16/1 (Aug. 1928), 95-100; 16/2 (Sept. 1928), 201-07 und 16/3 (Okt. 1928), 331-37; vgl. dazu ausführlich Ende: From Revolt to Resignation, passim. Zu ŠarÁra (1901-1946) s. KaÎÎÁla, VIII/ 185; AŠ IX/48-50; RF II/724; al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VII/279-94; Nachruf von MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya in Irf 33/1 (Dez. 1946), 82-86. 19 Irf 16/1 (Aug. 1928), 95-100 (Zitate 98 bzw. 97); der dort S. 98-100 abgedruckte Artikel IÒlÁÎ al-Azhar stammt aus al-MuqtaÔaf 30/9 (Sept. 1905), 738-43; zur letztgenannten Zeitschrift (die von 1876 bis 1952 erschien) vgl. N. Farag: al-Muqtataf 1876-1900 (…), Diss. Oxford 1969 sowie D. Glaß: Die Zeitschrift al-MuqtaÔaf (1876-1952) und die Erneuerung der arabischen Sprache (…), in: D. Bellmann (ed.): Gedenkschrift Wolfgang Reuschel (…), Stuttgart 1994, 117-25; zum Erziehungswesen in NaÊaf vgl. J. Berque: Hier à NaÊaf et KarbalÁÞ, Arabica 9/1962/325-42 und v.a. P. Heine: Traditionelle Formen und Institutionen schiitischer Erziehung in der Gegenwart am Beispiel der Stadt Nadjaf/Iraq, Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft 74/1990/204-18; Mervin: La quête du savoir, passim; Zuhair al-AÝraÊÐ: ad-DirÁsÁt al-ÝilmÐya ad-dÐnÐya Ýind al-muslimÐn, Irf 76/1 (Jan. 1992), 21-29; 76/2 (Febr. 1992), 25-35; ÉaÝfar al-MahbÙba: MÁÃÐ n-NaÊaf wa-ÎÁÃiruhÁ, I-III, Beirut 1406/1986 (zuerst 1934). 20 AlÐ az-Zain: BawÁdir al-iÒlÁÎ fÐ gÁmiÝat an-NaÊaf au nahÃat KÁšif al-ÇiÔÁÞ, Irf 29/2 (April 1939), 179-85, bes. 183; vgl. auch MuÎammad ÉÁbir al-ÝÀmilÐ: ÑafaÎÁt min tÁrÐÌ Êabal ÝÁmil, Irf 28/1 (März 1938), 22-30, v.a. 28 Anm. 1 (Abriß der Reformbewegungen und -gesetze an der Azhar).

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Zweckbündnisse hinaus eine weitergehende theologische Annäherung erwogen, zumindest aber ein ökumenisches Gespräch vorbereitet werden konnte. Bezeichnend dafür ist die – möglicherweise durch Artikel wie die eben zitierten mitverursachte – Entstehung eines Topos, der in der späteren taqrÐb-Debatte immer wieder als Schlagwort auftauchte: Der Azhar auf sunnitischer Seite wurde pars pro toto NaÊaf als schiitischer 21 „Gegenpol“ gegenübergestellt. Wie bei derartigen Wendungen häufig zu beobachten, entwickelte auch dieser Topos mit der Zeit ein Eigenleben und fand daher bedenkenlos Anwendung auf den gleich ausführlich zu besprechenden Kontakt eines libanesischen schiitischen Gelehrten mit einem ŠaiÌ al-Azhar – obwohl der schiitische ÝÁlim keines22 wegs in NaÊaf residierte.

21 Vgl. al-KafÁÞÐ: Bain an-NaÊaf wa-l-Azhar; MuÎammad RiÃÁ al-MuÛaffar: as-SunnÐyÙn wa-ššÐÝa, passim; idem: ÉÁmiÝat an-NaÊaf, MA 32/6 (Nov. 1960), 604-09; NizÁr az-Zain: al-WaÎda bain al-muslimÐn, Irf 50/4 (Nov. 1962), 338f.; as-SarrÁÊ: al-ImÁm MuÎsin al-ÍakÐm, 170f.; al-FukaikÐ: alMutÝa, 32; MuÎammad ÝAlÐ az-ZuÝbÐ: al-Azhar wa-n-NaÊaf: alf ÝÁm fÐ Ìidmat al-islÁm, Irf 47/4 (Dez. 1959), 367-73. 22 FaÃlallÁh: RÁÞid al-fikr, 53.

3. KAPITEL Ein umstrittener Briefwechsel (1911/36) Am Beginn des Dialogs zwischen schiitischen ÝulamÁÞ und der Azhar steht ein bemerkenswertes Buch. Es handelt sich um einen Briefwechsel, der zwischen dem aus dem südlibanesischen Éabal ÝÀmil stammenden schiitischen Gelehrten ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn und dem damaligen ŠaiÌ al-Azhar SalÐm al-BišrÐ stattgefunden haben soll. Diese vorsichtige Formulierung wurde hier mit Bedacht gewählt, denn die beiden in der Überschrift genannten Jahreszahlen deuten bereits an, worin ein Hauptproblem bei der Beurteilung dieses Falles besteht: Zwischen der angeblichen Abfassung der Korrespondenz und ihrer Veröffentlichung durch Šaraf ad-DÐn unter dem Titel al1 MurÁÊaÝÁt (etwa: Konsultationen) liegt ein Vierteljahrhundert, der sunnitische Briefpartner al-BišrÐ war zum Zeitpunkt der Publikation seit neunzehn Jahren tot. Es nimmt daher kaum wunder, daß das Buch deshalb – und aufgrund seines nicht unumstrittenen Inhalts – im Laufe der Zeit eine je nach Standpunkt des Betrachters extrem unterschiedliche Bewertung erfahren hat. Das folgende ist der Versuch, etwas Licht in das Dickicht der Entstehungsgeschichte des Werks zu bringen sowie dem Mythos nachzugehen, den es im Laufe der Zeit erzeugt hat. 2 ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn wurde Anfang ÉumÁdÁ II 1290 (Ende Juli / Anfang 3 August 1873) im irakischen Wallfahrtsort KÁÛimÐya geboren, wo sich sein Vater zu 1 Eine eindeutige Übersetzung des Begriffs in diesem Kontext ist nicht ganz einfach, Wehrs Arabisches Wörterbuch bietet s.v. murÁÊaÝa u.a. folgende Bedeutungen an: „erneute Durchnahme, Einsichtnahme, Ansuchen, Konsultation, Meldung (bei einer Behörde), Überprüfung, Rezension, Korrektur.“ 2 In westlichen Sprachen existiert noch keine Studie zu Leben und Werk Šaraf ad-DÐns; der ihm gewidmete EI2-Artikel (W. Ende) soll demnächst erscheinen; an arabisch- bzw. persischsprachiger Literatur vgl. az-ZiriklÐ III/279; MDA III/626-29 (dort als Geburtsdatum fälschlich 1870); KaÎÎÁla V/ 87 und M/337; AŠ VII/757; RF II/736-38; Modarres: RaiÎÁnat al-adab, III/194-96; ausführlicher ÓAŠ I.3/1080-88; ferner die biobibliographischen Abrisse von MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr: Qabs min ÎayÁt as-sayyid al-muÞallif, in: Šaraf ad-DÐn: al-IÊtihÁd, 5-44 (dort findet sich auf S. 8 Anm. 1 eine vollständige, über den siebten Imam MÙsÁ al-KÁÛim bis auf ÝAlÐ zurückgeführte Genealogie Šaraf ad-DÐns) sowie von MurtaÃÁ Àl YÁsÐn: ÍayÁt al-muÞallif, in: Šaraf ad-DÐn: al-MurÁÊaÝÁt, Einl. 42-66; Lebensbeschreibungen, in denen das Biographische nicht immer vom Hagiographischen zu trennen ist, sind FaÃlallÁh: RÁÞid al-fikr al-iÒlÁÎÐ, ÝAlÐ: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn und QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm; die wichtigste Primärquelle schließlich ist Šaraf ad-DÐns nunmehr im Druck zugängliche Autobiographie in: Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/63-344 (Teile daraus wurden bereits in Irf 45/1958/377-84, 47380, 577-84, 673-80, 777-84 abgedruckt). 3 Zu KÁÛimÐya s. G. Krotkoff: Kazimein – ein schiitischer Wallfahrtsort, Bustan 9/1968/3-4/5962; GD VI/285-311; Art. KÁÛimayn, EI2 IV/854-56 (M. Streck / A.A. Dixon); al-ËalÐlÐ: al-MadÌal, Bd. IX und X.

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Studienzwecken (li-Ôalab al-Ýilm) aufhielt. Er entstammte einer berühmten Gelehrtenfamilie des Éabal ÝÀmil, die bis auf den heutigen Tag in vielfältiger Weise eng mit einer der bedeutendsten irakisch-iranischen Dynastien von ÝulamÁÞ verbunden ist, den Àl 4 Ñadr. Den ersten Unterricht erhielt der junge ÝAbd al-Íusain bei seinem Vater YÙsuf 5 Šaraf ad-DÐn, den er bei dessen Rückkehr in den Libanon begleitete. Anfang Oktober 1892 ging er wieder in den Irak, um nun seinerseits an den ÝatabÁt bei etlichen der berühmtesten schiitischen Gelehrten seiner Zeit seine religiösen Studien fortzusetzen und 6 zu vollenden. In SÁmarrÁÞ war dies der bereits genannte MÐrzÁ Íasan aš-ŠÐrÁzÐ, in NaÊaf unter anderem die ebenfalls schon wohlbekannten ÀyatollÁhs MuÎammad 7 KÁÛim al-ËurÁsÁnÐ und ÝAbdallÁh al-MÁzandarÁnÐ. Er scheint bei seinen Lehrmeistern beträchtlichen Eindruck hinterlassen zu haben, denn bald schon konnte er sich mit ei8 ner Reihe von Lehrbefugnissen (iÊÁzÁt) schmücken. Ehe er, noch nicht 31jährig, im Mai 1904 in den Éabal ÝÀmil zurückkehrte, bekleidete er bereits den Rang eines muÊtahid muÔlaq, also eines in jeder Hinsicht zur selbständigen Entscheidungsfindung Be9 fähigten, dessen Ruf weit über NaÊaf hinausreichte. Nach einem Zwischenspiel in Š(u)ÎÙr ließ sich ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn im Januar 1908 in der Hafenstadt Tyros (ÑÙr) nieder, wo er, von einigen kurzen Unterbrechungen durch Reisen abgesehen, bis an sein Lebensende residierte. Zwei dieser Reisen führten ihn in den ÍiÊÁz, die erste davon im August 1910 nach Medina, wo sein Besuch in erster Linie seinen dortigen schiitischen Glaubensbrüdern, den NaÌÁwila, galt. Der zweite Aufenthalt auf der Arabischen Halbinsel erfolgte zwölf Jahre später, 10 als er im Juli 1922 die Pilgerfahrt nach Mekka absolvierte. Etwa von Oktober 1911 4 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, Bd. 1, passim; ÓAŠ I.1/445f. (s.v. Íasan aÒ-Ñadr; Šaraf adDÐns Mutter az-ZahrÁÞ war eine Schwester von ÀyatollÁh Íasan aÒ-Ñadrs [1856-1935]); DÁÞerat olmaÝÁref-e tašayyoÝ, I/183 (Àl Šaraf ad-DÐn) und I/192f. (Àl Ñadr). Auch der 1978 in Libyen spurlos verschwundene damalige Führer der libanesischen Schiiten MÙsÁ aÒ-Ñadr und der 1980 vom irakischen Regime hingerichtete MuÎammad BÁqir aÒ-Ñadr entstammten dieser Familie (s. Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/619-35 und 637-776); vgl. auch Momen: Introduction, 132-34, 270f.; zum allgemeinen Hintergrund s. M. Pohl-Schöberlein: Die schiitische Gemeinschaft des Südlibanon (Éabal ÝÀmil) innerhalb des libanesischen konfessionellen Systems, Berlin 1986; Art. MutawÁlÐ, EI2 VII/780f. (W. Ende). 5 Zu ihm (1847-1916) s. Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, I/459-86. 6 Vgl. oben, S. 29 Anm. 58. 7 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/63-82; QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 30-40; zu den beiden genannten Gelehrten s. oben, S. 29 Anm. 60; auch Íusain an-NÙrÐ aÔ-ÓabarsÐ, dessen oben kurz angesprochene These von der Verfälschung des Korans im 20. Jahrhundert noch für mancherlei Polemik sorgen sollte, zählte zu den Lehrern Šaraf ad-DÐns, s. BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/76; Šaraf ad-DÐns Schrift Õabt al-i×bÁt fÐ silsilat ar-ruwÁt, Sidon 1355/1936 (s. ÅTŠ V/6), in der Šaraf ad-DÐn seine Lehrer vorstellte, war mir nicht zugänglich. 8 Abgedruckt bei Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/87-92 und QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 43-49. 9 aÒ-Ñadr: Qabs, 12; s. auch Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/104-11. 10 Ibid., II/197f. (Medina) und 202-11 (Mekka); QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 106-08; zu den NaÌÁwila vgl. einstweilen W. Ende: More Questions Than Answers: The Origin of the NakhÁwila, in: I. Abbas et al. (eds.): Studies in History and Literature in Honour of Nicola A. Ziadeh, London 1992, 6872; MuÎammad at-TÐÊÁnÐ as-SamÁwÐ berichtet in seinem Buch Õumma ihtadait, 68 unter Berufung auf MuÎammad BÁqir aÒ-Ñadr von einem angeblichen Treffen Šaraf ad-DÐns mit König ÝAbd al-ÝAzÐz b. SaÝÙd, ohne allerdings zu sagen, wann und bei welcher Gelegenheit diese Begegnung (bei der es um einen Disput um den schiitischen Gräberkult gegangen sein soll) stattgefunden habe. Bemerkenswert ist auch eine Formulierung MurtaÃÁ Àl YÁsÐns, Šaraf ad-DÐns Aufenthalt in Mekka sei das erste Mal

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bis April 1912 weilte er zu jenem sich später als denkwürdig erweisenden Besuch in Kairo, von dem noch ausführlicher die Rede sein wird. Seine letzte große Reise schließlich führte ihn von Februar bis April 1937 an die Heiligen Stätten des Irak und 11 zu den religiösen Zentren Irans. Seine theologische Gelehrsamkeit, die sich in einer Vielzahl zum Teil sehr um12 fangreicher Abhandlungen niederschlug, wie auch sein öffentliches Wirken in Tyros 13 als Sozialreformer und Gründer von Schulen und religiös-karitativen Vereinigungen ließen ihm allmählich eine nahezu unbestrittene Autorität innerhalb der schiitischen 14 Gemeinde des Libanon zuwachsen. Spätestens seit dem Tode MuÎsin al-AmÐns 1952 durfte Šaraf ad-DÐn als einziger Führer der libanesischen Schia gelten; manche sahen in ihm wohl schon zuvor den rechtmäßigen Nachfolger des 1946 verstorbenen MarÊaÝ 15 at-taqlÐd AbÙ l-Íasan al-IÒfahÁnÐ. ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn starb am 30. Dezember 1957 in Beirut, sein Leichnam wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung 16 nach NaÊaf überführt und dort am 1. Januar 1958 beigesetzt. Zu seiner Stellung als allgemein geachtete Integrationsfigur dürfte nicht zuletzt auch, jedenfalls in begrenztem Umfang, die schon nationalistisch zu nennende Opposition beigetragen haben, die er gegen jegliche Fremdherrschaft über den Libanon an den Tag legte. 1909 hatte er bereits der Absetzung des „despotischen Sultans“ (sulÔÁn al-istibdÁd) ÝAbdülÎamÐd II. Beifall gezollt und die Hoffnung geäußert, daß sich nun 17 der desolate Zustand der umma wieder bessern möge. Gleich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs richtete sich seine Haltung gegen die im Gefolge des Sykes-PicotAbkommens heraufziehende französische Besetzung Syriens und des Libanon. Mit gewesen, daß in der Íaram-Moschee das Gebet hinter einem Schiiten in derart öffentlicher Weise und ohne taqÐya (fÐ Èair at-taqÐya) vollzogen worden sei, ÍayÁt al-muÞallif, 63. 11 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/212-54; GD I/253-55. 12 In fast allen in Anm. 2 genannten Biographien finden sich auch umfangreiche, jedoch oft mehr oder minder stark voneinander abweichende Schriftenverzeichnisse (besonders, wenn es um die Frage geht, welche nicht gedruckten Werke erhalten geblieben sind); insbesondere sei hier verwiesen auf Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/93-103; aÒ-Ñadr: Qabs, 31-35; FaÃlallÁh: RÁÞid al-fikr, 57-70; QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 53-69 sowie zusätzlich auf MMI II/228f. 13 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/114-38; idem: al-Madrasa al-ÊaÝfarÐya ramz al-ÝurÙba wal-islÁm, Irf 31/1-2 (Jan.-Febr. 1942), 7-12; QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 84-99. 14 Zu ihm (1867-1952) s. MDA II/141-46; KaÎÎÁla VII/183-85 und M/578; RF I/173f.; MMS 42f.; GD I/247-51; al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VII/255-73 sowie v.a. AŠ X/323-447; ferner ÝAlÐ MurtaÃÁ alAmÐn: as-Sayyid MuÎsin al-AmÐn. SÐratuhu wa-nitÁÊuhu, Beirut 1413/1992 (zuerst 1980) und A. Wenzel: as-Sayyid MuÎsin al-AmÐn (gest.1952). Leben und Werk eines schiitischen Reformers, unveröffentlichte Magisterarbeit, Phil. Fak., Freiburg 1991. 15 Zu al-IÒfahÁnÐ s. EIr I/302f. (H. Algar) und die dort genannte Literatur; Nachruf in Irf 33/1 (Dez. 1946), 14-16; aÒ-Ñadr: Qabs, 41f. berichtet, al-IÒfahÁnÐ selbst habe kurz vor seinem Tod bei einem Besuch im Libanon betont, wie sehr NaÊaf Šaraf ad-DÐn brauche; von zumindest zeitweiligen Trübungen des Verhältnisses Šaraf ad-DÐns zu anderen ÝulamÁÞ berichten Göbel: Moderne schiitische Politik, 83-86 (zu MuÈnÐya), Ende: From Revolt to Resignation (zu ŠarÁra), idem: Eine schiitische Kontroverse über Naql al-ÊanÁÞiz, in: W. Voigt (ed.): XX. Deutscher Orientalistentag (…), Wiesbaden 1980, 217f. und idem: Flagellations, 31 (beide Male zu MuÎsin al-AmÐn). 16 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/255-344 (diese Passage stammt – wie auch die Abschnitte über die Nachkommen Šaraf ad-DÐns – aus der Feder seines Sohnes ÝAbdallÁh; zu ihm s. ibid., II/42531); s. auch die Nachrufe in Irf 45/5 (Febr. 1958), 466-72 und 45/6 (März 1958), 571-76 sowie in RI 10/1958/108-10; vgl. auch al-ËunaizÐ: NasÐm wa-zaubaÝa, 179-88. 17 TaÞlÐf al-umma, Irf 1/8 (Aug. 1909), 389-91.

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seiner Agitation gegen die Kolonisierung und insbesondere mit seiner Teilnahme an einem Oppositionellentreffen in WÁdÐ ÍuÊair Ende April 1920 brachte er bald die Besatzungsmacht gegen sich auf und mußte nach Damaskus fliehen. Nach der Schlacht von MaisalÙn im Juli desselben Jahres und der sich anschließenden französischen Besetzung Syriens begab sich Šaraf ad-DÐn ins Exil nach Ägypten, später nach Palästina, 18 ehe ihm im Juni 1921 die Rückkehr nach Sidon gestattet wurde. Bei seinem Kampf gegen die Mandatsmacht handelte es sich lediglich um eine Episode im Leben Šaraf ad-DÐns, in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten bis zur Unabhängigkeit des Landes scheint er sich an keinen derartigen Handlungen mehr beteiligt zu haben. Dennoch blieben diese Ereignisse in unserem Zusammenhang nicht ohne Folgen: Sowohl Šaraf ad-DÐn selbst als auch übereinstimmend alle seine Biographen berichten, wie sich französische Soldaten während seiner Abwesenheit im Juni 1920 in einer Art Strafexpedition an seinem Hab und Gut vergriffen und über die beiden Häuser in ŠÎÙr und Tyros herfielen. Was dabei genau geschehen ist, geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor. Während vielerorts davon die Rede ist, beide Häuser und insbesondere 19 die Bibliothek des Anwesens in Tyros seien gebrandschatzt worden (uÎriqat), spricht 20 Šaraf ad-DÐn selbst in beiden Fällen lediglich von Plünderungen (nahb). Wie dem auch sei: Zusammen mit der Bibliothek scheinen dabei etwa 20 ungedruckte Manu21 skripte Šaraf ad-DÐns unwiederbringlich verlorengegangen zu sein. Hinsichtlich der Druckgeschichte der MurÁÊaÝÁt wird dieser Umstand noch von Interesse sein. Das Verhältnis zum sunnitischen Islam war Šaraf ad-DÐn zeit seines langen Gelehrtenlebens ein zentrales Anliegen. Bereits in seinem ersten Beitrag zur 1909 in Sidon (ÑaidÁ) gegründeten schiitischen Reformzeitschrift al-ÝIrfÁn rief er zur „Einheit von Schiitentum und Sunnitentum“ (ittiÎÁd at-tašayyuÝ wa-t-tasannun) auf, um der zunehmenden Dekadenz – den „Armeen der Verwilderung“ (ÊuyÙš at-tawaÎÎuš), wie er 22 es nannte – zu widerstehen. Er selbst habe dieser Aufgabe mit der Abfassung seines Buches „Die wichtigen Kapitel bei der Einigung der muslimischen Gemeinde“ Rechnung 18 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/146-70 (170-96: Abdruck zahlreicher Gedichte, die zur Feier seiner Rückkehr verfaßt wurden); MuÎammad KÙrÁnÐ: al-ÉuÆÙr at-tÁrÐÌÐya li-l-muqÁwama alislÁmÐya fÐ Éabal ÝÀmil, Beirut 1414/1993, 123-231; idem: MuÞtamar WÁdÐ l-ÍuÊair wa-daur al-imÁm Šaraf ad-DÐn, in: al-ImÁm as-sayyid, 311-21; AÎmad RiÃÁ: Íaul al-muÆakkirÁt at-tÁrÐÌÐya, Irf 33/4 (Febr. 1947), 442f.; MuÎammad ÝAlÐ MakkÐ: LamaÎÁt min tÁrÐÌ aš-šÐÝa fÐ LubnÁn, Irf 76/1 (Jan. 1992), 44; MuÎammad Íasan al-AmÐn: al-ImÁm ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, Irf 77/3 (April 1993), 10-22, bes. 10f.; aÒ-Ñadr: Qabs, 22 betont ausdrücklich, daß Šaraf ad-DÐn nach seiner Rückkehr zum „absoluten Führer“ (az-zaÝÐm al-muÔlaq) in religiösen wie weltlichen Fragen aufgestiegen sei. 19 MDA III/627; ÓAŠ I.3/1082; Àl YÁsÐn: ÍayÁt al-muÞallif, 50; QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 112. 20 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/163 Anm. 1 und II/98; ähnlich aÒ-Ñadr: Qabs, 17. 21 ÓAŠ I.3/1082; Àl YÁsÐn: ÍayÁt al-muÞallif, 59f.; FaÃlallÁh: RÁÞid al-fikr, 67-70. 22 ÉamÝ kalimat al-umma, Irf 1/7 (Juli 1909), 348-50 (Zitate 350); vgl. im selben Jahrgang die Fortsetzung dieses Artikels S. 389-91, 451, 489-91, 583-87 sowie 2/2 (Febr. 1910), 100-04; zur Zeitschrift al-ÝIrfÁn und ihrem Gründer AÎmad ÝÀrif az-Zain (1881-1960) s. az-ZiriklÐ I/141; ÓAŠ I.1/ 127f.; MDA III/516-18; Irf 48/5-6 (Jan.-Febr. 1961), 401-608; Mallat: ShiÝi Thought, 9-15; Khalidi: Shaykh Ahmad ÝArif al-Zayn and al-ÝIrfan, passim; AyyÙb Fahd Íumayyid: aš-ŠaiÌ AÎmad ÝÀrif azZain. MuÞassis maÊallat al-ÝIrfÁn, Beirut 1986; S. Naef: Aufklärung in einem schiitischen Umfeld: die libanesische Zeitschrift al-ÝIrfÁn, WI 36/1996 (im Druck).

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getragen. Auch in späteren Jahren kam er unermüdlich immer wieder auf dieses Thema zu sprechen und brachte sein wesentlichstes Argument zum Ausdruck, daß es für die Muslime keineswegs von Schaden sei, in rechtlichen Fragen unterschiedlicher Meinung zu sein, solange man sich der gemeinsamen Grundüberzeugungen – Gottesglaube, Prophet, Koran, die fünf arkÁn ad-dÐn etc. – bewußt bleibe und die Argumen24 tation fest darauf gründe. In diesem Sinne ist auch seine positive Haltung gegenüber 25 der Kairiner ÉamÁÝat at-taqrÐb in den fünfziger Jahren zu bewerten. Das soll nun freilich nicht heißen, daß ihm nicht auch das Handwerkszeug des Polemikers vertraut gewesen wäre. Eine ganz und gar traditionelle Streitschrift wie die 26 gegen den Prophetengefährten AbÙ Huraira (gest. 679) floß ihm ebenso aus der Feder wie – zum Teil äußerst heftige – Angriffe auf zeitgenössische sunnitische Gelehrte, 27 allen voran MÙsÁ ÉÁrallÁh und MuÎammad Kurd ÝAlÐ. Den zuletzt Genannten bezeichnete er in der zweiten Auflage seines eben genannten Buches al-FuÒÙl al-muhimma in einem reichlich infamen Wortspiel drq, wahlweise als qurd (Zecke) oder qird (Affe) zu vokalisieren und zu verstehen als Anspielung auf eine Überlieferung alMasÝÙdÐs über den zweiten Umayyadenkalifen YazÐd, der der Schia als Verantwortli28 cher für den Tod Íusains gilt und darum besonders verhaßt ist. Gleichwohl versäumte er es jedoch nicht, darauf hinzuweisen, daß er sehr wohl differenziere zwischen den Sunniten im allgemeinen, mit denen eine Annäherung nötig und durchaus möglich sei, und diesen Personen im besonderen, die sich durch ihre antischiitischen Äußerungen 29 selbst disqualifiziert hätten. Besonders die Verteidigung eines umayyadenfreundlichen Geschichtsbildes, wie sie sich Kurd ÝAlÐ angelegen sein ließ, erschien Šaraf ad23 al-FuÒÙl al-muhimma fÐ taÞlÐf al-umma, Sidon 1330/1912; s. auch ÅTŠ XVI/246 (dort falscher Untertitel: fÐ tÁrÐÌ al-aÞimma) und al-Muqtabas 8/1914/217; seit der zweiten Auflage Sidon 1347/ 1928-29 mit zahlreichen Überarbeitungen und Ergänzungen. 24 So z.B. in seinem Nachwort (vom 28.8.1951) zu al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/114-18. 25 Vgl. dazu unten, S. 147ff. 26 ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn: AbÙ Huraira, Sidon 1946 (Neuauflagen NaÊaf 1956 und 1964; s. MMN 63); Rezension in Irf 34/1 (Nov. 1947), 127; vgl. auch Irf 32/9-10 (Okt.-Nov. 1946), 972-74 und 33/5 (März 1947), 593; sunnitische Kritik in MA 25/5 (Jan. 1954), 551f. und 25/9 (Mai 1954), 1081f.; zur Reaktion MuÒÔafÁ as-SibÁÝÐs s. unten, S. 186. 27 Über ihn (1878-1949), einen in Rostow am Don geborenen Muslim, der zeitweise Imam in Petrograd war, s. az-ZiriklÐ VII/320f.; KaÎÎÁla XIII/36f.; OE I/216-18 (A.A. Rorlich); Kramer: Islam Assembled, Index s.v. Bigi; Šaraf ad-DÐns Buch AÊwibat masÁÞil ÉÁrallÁh (Sidon 1936, NaÊaf 31966) ist eine Antwort auf ÉÁrallÁhs al-WašÐÝa fÐ naqà ÝaqÁÞid aš-šÐÝa, Kairo 1936; weitere schiitische Gegenschriften: MuÎsin al-AmÐn: Naqà al-wašÐÝa; idem: RiÎalÁt, 184f. (zu al-AmÐns und Šaraf ad-DÐns Kritik s. auch Mehmet Görmez: Musa Carullah Bigiyef, Ankara 1994, 43f.); al-FukaikÐ: al-MutÝa; alAmÐnÐ: al-ÇadÐr, III/324-33; ferner ÅTŠ XVIII/19 (Nr. 471); MuÈnÐya: ad-DiÝÁya Ãidd FilasÔÐn fÐ kitÁb al-wašÐÝa, Irf 28/5 (Juli 1938), 481f.; dagegen griff der irakische Polemiker MaÎmÙd al-MallÁÎ Šaraf ad-DÐn wegen dessen Äußerungen zum Thema taÎrÐf al-qurÞÁn (s. AÊwiba, 28-37) scharf an und nannte sie „ein weiteres Beispiel für die Säulen im (schiitischen) Lügengebäude“: al-ÀrÁÞ aÒ-ÒarÐÎa, 101-03; ibid., 36 Anm. 1 kündigte al-MallÁÎ eine gesonderte Erwiderung auf Šaraf ad-DÐns Buch gegen ÉÁrallÁh an. 28 Šaraf ad-DÐn: al-FuÒÙl al-muhimma, 172; vgl. dazu Ende: Arabische Nation, 123f.; Hermann: Kulturkrise, 249f.; eine weitere Polemik Šaraf ad-DÐns gegen Kurd ÝAlÐ ist sein IlÁ l-maÊmaÝ, passim; s. dazu Irf 37/6 (Juni 1950), 703f.; zu Kurd ÝAlÐ s. unten, S. 119f. 29 Vgl. Šaraf ad-DÐn: AÊwibat masÁÞil ÉÁrallÁh, 3-7; idem: IlÁ l-maÊmaÝ, 5-12; zu diesem Argument s. auch unten, S. 185.

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DÐn als eine Verunglimpfung der Schia, gegen die er bis zuletzt erbittert zu Felde zog. 30

Einer größeren nicht-schiitischen Öffentlichkeit wurde Šaraf ad-DÐn erstmals vermutlich im September 1913 bekannt, und zwar durch eine kurze Rezension seines Buches al-FuÒÙl al-muhimma, die MuÎammad RašÐd RiÃÁ in seinem ManÁr veröffentlichte. Er tat dies in offen kritischer Absicht und in tadelndem Tonfall: „Der Titel des Buches verweist auf sein Thema, und wenn der Titel damit (d.h. dem Ziel, die Muslime zu einigen) übereinstimmte, dann zählte dieses Buch zum besten und nützlichsten, was heutzutage geschrieben wird. Allein, der Autor schlägt darin eine Richtung ein, die nicht zum vordergründig gesetzten Ziel führt. Er beschreitet (nämlich) den Pfad der Propaganda (daÝwa) für seine (eigene) Rechtsschule (maÆhabihi) und der Herabsetzung der Rechtsschule des Andersdenkenden mit (Hilfe) einer neuen Art der Propaganda. So bringt er (zwar) die wichtigsten Streitpunkte zwischen Sunniten und Imamiten vor, bekräftigt und bestreitet (dabei jedoch) gerade so, wie es ihm gefällt, wodurch er beide Gruppen an der Elle seiner eigenen blinden Autoritätsgläubigkeit (taqÁlÐd) mißt und nur seinen eigenen religiösen Chauvi31 nismus (ÝaÒabÐya) verteidigt. Am vernünftigsten wäre es, wenn er dazu aufriefe, worin sich die beiden Gruppen einig sind – nämlich alle Grundlagen der Religion (uÒÙl ad-dÐn) und was davon zwangsläufig unterschieden wird –, und wenn er das beiseite ließe, worin von alters her Streitigkeiten bestehen. Denn wer eine (einzige) Rechtsschule propagiert, der propagiert ÝaÒabÐya. Der Reformer, der zu Einigung aufruft, hält sich von den Ursachen der Spaltung fern und versucht gar nicht erst, die, die davon fehlgeleitet wurden, zu verherrlichen, denn seine 32 Gegner würden meinen, daß er in der Festung der taqÐya seine Zuflucht genommen habe.“

Diesen deutlichen Worten zum Trotz und ungeachtet gelegentlicher späterer Rei33 bereien verband RašÐd RiÃÁ und Šaraf ad-DÐn ein durchaus von gegenseitigem Respekt gekennzeichnetes Verhältnis. Knapp zwei Jahrzehnte nach der eben zitierten Kritik – RašÐd RiÃÁ war in der Zwischenzeit in einige berühmte Polemiken mit schiitischen Gelehrten verwickelt gewesen, von denen im nächsten Kapitel die Rede sein wird – merkte er an, daß er mit ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn schon mehrfach in Beirut zusammengetroffen sei und in bezug auf die Notwendigkeit einer Aussöhnung zwischen Sunniten und Schiiten keinerlei Meinungsverschiedenheit zu ihm feststellen könne. Insbesondere Šaraf ad-DÐns Satz, die beiden Konfessionsgruppen seien von der Politik gespalten worden, also werde die Politik sie auch wieder zusammenbringen 34 müssen, erntete seine Zustimmung. An keiner Stelle jedoch erwähnt RašÐd RiÃÁ einen Kairo-Aufenthalt seines libane30 Auch sein letztes Buch an-NaÒÒ wa-l-iÊtihÁd (NaÊaf 1375/1956; s. dazu Irf 44/3 [Dez. 1956], 316), widmete er jenen Vorfällen, die in seinen Augen ÝAlÐ um die Herrschaft betrogen und schließlich MuÝÁwiya an die Macht gespült hatten; zu Kurd ÝAlÐs Verteidigung der Umayyaden vgl. Ende: Arabische Nation, 64-75 und Hermann: Kulturkrise, 207-17. 31 Zum Begriff der ÝaÒabÐya s. EI2 I/681 (F. Gabrieli). 32 al-ManÁr 16/10 (Sept. 1913), 791. 33 Ibid., 31/4 (Okt. 1930), 292, wo RašÐd RiÃÁ feststellte, Šaraf ad-DÐn habe ein Buch geschrieben, in dem er sich verächtlich über die ÒaÎÁba äußere; seine – RašÐd RiÃÁs – Antwort darauf sei nahezu abgeschlossen. 34 al-ManÁr 32/2 (Febr. 1932), 147; vgl. auch Šaraf ad-DÐns Bemerkungen in IlÁ l-maÊmaÝ, 11; AÊwibat masÁÞil ÉÁrallÁh, 5f. und in seinem Nachwort zu al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/116 sowie unten, S. 182.

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sischen Gesprächspartners. Es ist nicht auszumachen, ob er davon und vor allem von dem daraus resultierenden Briefwechsel wußte. Die Veröffentlichung der MurÁÊaÝÁt 1936 erlebte RašÐd RiÃÁ – er starb im August 1935 – nicht mehr. Daß schiitische Gelehrte vor dem Ersten Weltkrieg an der Azhar weilten, war keine Selbstverständlichkeit, aber eben auch nicht unmöglich. Gerade auf dem Weg zu den Heiligen Stätten des ÍiÊÁz konnte es durchaus passieren, daß der eine oder andere Pilgerreisende einen Abstecher nach Kairo machte, vor allem, wenn die Anreise von Syrien oder dem Libanon aus über das Mittelmeer erfolgte. Bei diesen Besuchen mochten mitunter wehmü35 tige Erinnerungen an die schiitische Vergangenheit der Azhar oder Besuche in der 36 persischen „Kolonie“ in Kairo ebenso eine Rolle gespielt haben wie das ernsthafte Bestreben, mit sunnitischen ÝulamÁÞ Kontakt aufzunehmen. So hielt sich bereits 1904 MuÎsin al-AmÐn in Kairo auf, wo er u.a. mit dem NaqÐb al-ašrÁf über die Lehrpläne 37 und -methoden an der Azhar diskutierte. Nur wenige Jahre danach, 1910, reiste der später ebenfalls zu großem Ruhm aufsteigende irakische ÝÁlim MuÎammad al-Íusain 38 Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ zu einem dreimonatigen Aufenthalt nach Ägypten, in dessen Verlauf er sowohl mit dem ŠaiÌ al-Azhar SalÐm al-BišrÐ als auch mit dem kurz darauf zum 39 ägyptischen GroßmuftÐ ernannten MuÎammad al-BaÌÐt zusammentraf. Angeblich hielt er in dieser Zeit außerhalb der Azhar sogar selbst Vorlesungen ab, an denen zahl40 reiche Azhar-Studenten teilnahmen. 35 Bekanntlich hatte der Fatimidenkalif al-MuÝizz li-DÐn AllÁh die Azhar um das Jahr 975, also kurz nach der fatimidischen Eroberung Ägyptens, errichten lassen. Erst knapp zweihundert Jahre später, als der in Europa als Saladin zu Ruhm gekommene ÑalÁÎ ad-DÐn al-AyyÙbÐ dem fatimidischen Zwischenspiel ein Ende bereitete, wurden die Moschee und die ihr angegliederte Hochschule sunnitisiert. 36 Zur persischen Gemeinde in Kairo zu dieser Zeit s. A.W.M. Luesink: The Iranian Community in Cairo at the Turn of the Century, in: T. Zarcone / F. Zarinebaf (eds.): Les Iraniens d’Istanbul, Istanbul 1993, 193-200. 37 al-AmÐn: RiÎalÁt, 10-25, v.a. 23ff.; vgl. AŠ X/363; zu einem zweiten Kairo-Aufenthalt 1923 s. RiÎalÁt, 60-65; auch von Hibat ad-DÐn aš-ŠahrastÁnÐ (s. oben, S. 30 Anm. 62) wird gesagt, er habe etwa um diese Zeit (im Kontext heißt das: ca. 1906) mit den „Größen des lebendigen Denkens in Ägypten“ (aqÔÁb al-fikr al-Îayy fÐ MiÒr) in Kontakt gestanden, s. al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, X/67; von ÀÈÁ Bozorg aÔ-ÓehrÁnÐ (s. unten, S. 46 Anm. 53) schließlich heißt es, daß sich unter seinen Lehrern mit ÝAbd ar-RaÎmÁn ÝUlaiš auch ein mudarris bi-l-Azhar befunden habe, s. Irf 66/4 (April 1978), 410 und MiškÁt 32/1991/77 (in diesen beiden zuletzt genannten Fällen muß das allerdings nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer physischen Anwesenheit in Kairo sein). 38 Zu ihm (1877-1954) s. ÓAŠ I.2/612-19; RF III/1048f.; MMI III/144-47; MDA II/45f. und III/44-47; az-ZiriklÐ VI/106f.; MošÁr II/Sp. 818-20; GD I/251-53 und VI/269; al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VIII/99-183; al-ËalÐlÐ: HÁkaÆÁ Ýaraftuhum, I/227-52; ËiyÁbÁnÐ: ÝOlamÁ-ye moÝÁÒerÐn, 194-201; Naef: Un réformiste, passim. 39 MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ: MuÎÁwarat al-imÁm al-muÒliÎ KÁšif al-ÇiÔÁÞ, 52; alBaÌÐt (1854-1935; s. az-ZiriklÐ VI/50) war von 1914 bis 1922 GroßmuftÐ; s. dazu al-FatÁwÁ al-islÁmiya min DÁr al-iftÁÞ al-miÒrÐya, Bd. VII (Kairo 1982), 2676-78. 40 MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ: MuÎÁwarat al-imÁm al-muÒliÎ KÁšif al-ÇiÔÁÞ, 52f.; DÁÞerat ol-maÝÁref-e bozorg-e eslÁmÐ, II/105 (linke Sp.); MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ: AÒl aš-šÐÝa, 10f. (dabei handelt es sich um einen lediglich mit NaÊafÐ unterzeichneten biographischen Abriß); al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VIII/112; ÑÁliÎ al-ÉaÝfarÐ: al-ÉÁmiÝa al-miÒrÐya fÐ n-NaÊaf, Irf 21/3 (März 1931), 308-16, hier 308; s. auch Naef: Un réformiste, MS S. 7; auf diesen Azhar-Aufenthalt ist vermutlich auch die Auseinandersetzung MuÎammad al-Íusains mit dem Azhar-Gelehrten YÙsuf adDiÊwÐ über Fragen der Koranfälschung zurückzuführen, s. dazu M. Hartmanns Bemerkungen in WI 2/1914/288-90; zu ad-DiÊwÐ (1870-1946) s. az-ZiriklÐ VIII/216f.; KaÎÎÁla XIII/272f.; SaÝÐd ÝAbd al-

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ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn war also weder der erste noch der einzige Schiit, der zu dieser Zeit an der Azhar bzw. in deren Umkreis zu finden war. Im Vergleich zu MuÎsin al-AmÐn und MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ hat sein Besuch aber – wenngleich letztlich einige Jahrzehnte verspätet – die mit Abstand kontroverseste Beurteilung erfahren. Als er Ende 1329 (etwa Oktober 1911) nach Kairo kam, war der 41 eben erwähnte SalÐm al-BišrÐ immer noch ŠaiÌ al-Azhar. Er hatte dieses Amt um die Jahrhundertwende (von 1899 bis 1903) schon einmal innegehabt, wurde jedoch wegen seiner erbitterten Opposition gegen die von MuÎammad ÝAbduh eingeleiteten Azhar-Reformen abgelöst. Als er 1909 erneut in das Amt des Rektors berufen wurde, hatte sich an seiner konservativen Haltung zwar nichts geändert, aber angesichts der Tatsache, daß das Reformwerk erste Wurzeln zu schlagen begonnen hatte, mußte er sich 42 mit den Umständen arrangieren. Auf dem Gebiet des Pan-Islamismus war al-BišrÐ ebenfalls kein gänzlich Unbekannter geblieben. 1908 stand er dem Organisationskomitee vor, das den im Jahr zuvor von dem krimtatarischen Journalisten IsmÁÝÐl Gasprinskij in Kairo veröffentlichten Vorschlag einer internationalen muslimischen Konferenz in die Tat umsetzen sollte. Entsprechende Statuten wurden zwar aufgestellt, doch verlief die Idee selbst rasch im 43 Sande. Mit der Frage Sunniten – Schiiten hatte das Ganze allerdings nichts zu tun, im Gegenteil: Dadurch, daß man in Art. 15 der Statuten festsetzte, der Kongreß dürfe nur Reformvorschläge akzeptieren, die auf den vier von den Sunniten anerkannten uÒÙl alfiqh beruhten (Koran, Sunna, iÊmÁÝ und qiyÁs), schloß man die Schia, die das zuletzt genannte Prinzip ablehnt, indirekt aus. Ebenso konnte die Bemerkung, Ziel des Kongresses sei u.a. die Bekämpfung „des hérésies qui se sont introduites dans la religion du Prophète“ (Art. 14), unter Umständen sogar als direkt gegen die Schia gerichtet interpretiert werden, handelt es sich beim Vorwurf der Häresie doch um ein Standardargument der gegenseitigen Polemik. Šaraf ad-DÐn war nicht allein nach Kairo gekommen, sondern in Begleitung seines 44 Onkels MuÎammad Íusain aÒ-Ñadr, der wohl der Urheber dieser Reisepläne war und Íayy: NubÆa Ýan ÎayÁt aš-šaiÌ ad-DiÊwÐ, MA 53/2 (Jan 1981), 382-85; Boberg: Ägypten, 159-71 und Index s.v. 41 Über ihn (1832-1917) s. az-ZiriklÐ III/119; KaÎÎÁla IV/249; ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, I/291-95; Eccel: Egypt, 178ff. sowie die bei Lemke: ŠaltÙt, 48 Anm. 2 genannte Literatur; ein von MuÎammad RašÐd RiÃÁ verfaßter längerer Nachruf findet sich in al-ManÁr 20/3 (Okt.1917), 160-65. 42 aÒ-ÑaÝÐdÐ: TÁrÐÌ al-iÒlÁÎ, I/83; Lemke: ŠaltÙt, 44f. 43 Vgl. dazu ausführlich Kramer: Islam Assembled, 36-54; Landau: Politics, 146-56; Schulze: Internationalismus, 61-63; T. Kuttner: Russian JadÐdism and the Islamic World: Ismail Gasprinskii in Cairo 1908 (…), Cahiers du Monde Russe et Soviétique 16/1975/383-424, bes. 413ff.; al-ManÁr 10/9 (Nov. 1907), 673-82, bes. 676ff. und 11/3 (Mai 1908), 181-84; zu Gasprinskij (oder Gaspral¤; 18511914) s. EI2 II/979-81 (Z.V. Togan) und OE II/52f. (E.J. Lazzerini); zu seiner Rolle bei verschiedenen Ansätzen von Schriftreformen im zaristischen Rußland vgl. I. Baldauf: Schriftreform und Schriftwechsel bei den muslimischen Rußland- und Sowjettürken (1850-1937), Budapest 1993; Index S. 769 s.v. Ismail Gasprinskij; die Statuten des von al-BišrÐ und Gasprinskij geleiteten Kongresses sind in französischer Übersetzung abgedruckt in RMM 4/1908/399-403 sowie in englischer Übersetzung bei Kramer: Islam Assembled, 171-74; vgl. auch RMM 5/1908/372f. 44 Über ihn (1871/72-1912) s. Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, I/423-29 (424f. über die Kairo-Reise); aÒ-Ñadr: Qabs, 15f. (zitiert diese Passage); ferner ÓAŠ I.2/665 (dort unklares Todesdatum: „ca. 1327“/1909).

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seinen Neffen erst dazu überreden mußte, mit ihm aufzubrechen. Im weiteren Verlauf ist von ihm allerdings nicht mehr die Rede, wir erfahren nur, daß er ca. fünf Monate nach ihrer gemeinsamen Rückkehr in KÁÛimÐya starb. Überhaupt sind die Aufzeichnungen Šaraf ad-DÐns über seinen Kairo-Aufenthalt – verglichen mit denen seiner an45 deren Reisen – relativ dürftig. Im Gegensatz etwa zu MuÎsin al-AmÐn, der den Leser ausführlich über sein touristisches Besuchsprogramm – Pyramiden, Zoo, Ägyptisches Museum – informierte (und dabei auch auf den pädagogischen Nutzen desselben hin46 zuweisen nicht vergaß), beschränkte sich Šaraf ad-DÐn ausschließlich darauf, die ihm wichtigsten Kontakte zu sunnitischen Gelehrten vorzustellen. In erster Linie war das SalÐm al-BišrÐ, in dessen Schülerkreis er – jedenfalls eigener Aussage zufolge – unmittelbar nach seiner Ankunft aufgenommen wurde. Aus den sich daraus ergebenden Privatissima (ÌalawÁt) sei dann, so Šaraf ad-DÐn weiter, jene Korrespondenz erwachsen, 47 die später zu den MurÁÊaÝÁt werden sollte. In der Tat trägt der erste der Briefe das Datum 6. ÅÙ l-QaÝda 1329, was dem 29. Oktober 1911 entspricht. Der Kontakt wurde die folgenden fünfeinhalb Monate, von nur wenigen mehrtägigen Pausen unterbrochen, bis zu Šaraf ad-DÐns Abreise im April 1912 fortgesetzt, so daß am Ende eine Sammlung von 112 Briefen vorlag, deren letzter am 2. ÉumÁdÁ I 1330 (19. April 1912) geschrieben wurde. Für die von Šaraf ad-DÐn in seinen Memoiren aufgestellte Behauptung, die Korrespondenz zwischen ihm und al-BišrÐ habe auch nach seiner Rückkehr in den Libanon noch „eine Zeitlang“ angehalten, ehe sie in den Wirren des 48 Ersten Weltkriegs untergegangen sei, gibt es keinen weiteren Beleg. Auch Šaraf adDÐn selbst hat sie m.W. andernorts nicht wiederholt. Außer SalÐm al-BišrÐ zählt Šaraf ad-DÐn noch drei weitere sunnitische ÝulamÁÞ auf, mit denen er in Kairo in Kontakt gestanden haben will. Es handelt sich dabei um den bereits genannten MuÎammad al-BaÌÐt sowie um MuÎammad as-SamalÙÔÐ und MuÎammad ÝAbd al-Íayy b. ÝAbd al-KarÐm al-KattÁnÐ, einen ÍadÐ×gelehrten marokkanischer Herkunft, der 1912 (nach Errichtung des französisch-spanischen Protektorats 49 über Marokko) nach Kairo gekommen war. Nicht ohne Stolz berichtet Šaraf ad-DÐn davon, daß ihm von jedem der vier Gelehrten eine Lehrbefugnis (iÊÁza) für sunniti50 sches Recht erteilt worden sei. 45 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/98 und 199-201; letztere Passage wurde zuerst abgedruckt in Irf 45/8 (Mai 1958), 778-80. 46 MuÎsin al-AmÐn: RiÎalÁt, 12-18. 47 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/98. 48 Ibid., II/201. 49 Zu ihm (1885 oder 1888-1962) s. EI2 IV/744f. (A. Faure); az-ZiriklÐ VII/187f. und GAL SII/ 891; R. Elger: Zentralismus und Autonomie. Gelehrte und Staat in Marokko, 1900-1931, Berlin 1994, 104-14, 145-58, 213-16, 229-33; vgl. GD I/254f.; zu BaÌÐt s. oben, S. 43 Anm. 39; über as-SamalÙÔÐ (der Nisbe nach vermutlich aus der oberägyptischen Stadt SamalÙÔ stammend) liegen mir keine biographischen Angaben vor. 50 Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/201; allerdings erwähnt er sie nicht bei der gesonderten Aufzählung der ihm verliehenen iÊÁzÁt ibid., II/87-92 (dort nur über seine schiitischen Lehrer); QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 41f. zählt unter Berufung auf Šaraf ad-DÐns Schrift Õabt al-i×bÁt (s. oben S. 38 Anm. 7) fünf sunnitische Lehrer Šaraf ad-DÐns auf: al-BišrÐ, al-KattÁnÐ, Badr ad-DÐn ad-DimašqÐ, MuÎammad b. ÝAbdallÁh al-ËÁnÐ an-NaqšbandÐ sowie TaufÐq al-AyyÙbÐ al-AnÒÁrÐ (über den zuletzt genannten – gest. 1932 – s. MuÎammad MuÔÐÝ al-ÍÁfiÛ / NizÁr AbÁÛa: TÁrÐÌ ÝulamÁÞ Dimašq fÐ l-qarn 14h, Damaskus 1986, I/455f.).

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Nach Šaraf ad-DÐns Rückkehr nach Tyros sollte allerdings noch beinahe ein Vierteljahrhundert vergehen, ehe der Briefwechsel endlich 1936 in der ÝIrfÁn-Druckerei in Sidon veröffentlicht wurde. Das dazwischenliegende Schicksal des Buches liegt in einem Dunkel, das nur von zwei beiläufigen Äußerungen von Šaraf ad-DÐn selbst etwas erhellt wird. Wie schon beim eigentlichen Besuch der Azhar sind wir also auch bei der Rekonstruktion des angeblichen Ergebnisses dieses Aufenthalts weitgehend auf seine eigenen Aussagen angewiesen. Beim Versuch, außerhalb dieser engen Grenzen etwas über die Entstehungsgeschichte des Buches in Erfahrung zu bringen, begegnet man entweder nur dem Datum der Erstveröffentlichung, also 1936, ohne weiteren Kom51 mentar, oder man stößt auf Ungereimtheiten. So findet sich in ÀÈÁ Bozorg aÔÓehrÁnÐs wahrlich monumentaler Bibliographie des schiitischen Schrifttums kein Eintrag zu den MurÁÊaÝÁt, obgleich er das Buch kannte und in seinem biographischen Le52 xikon im Artikel über Šaraf ad-DÐn zweimal ausdrücklich darauf hinwies. Statt dessen erwähnt er in der ÅarÐÝa ein Werk Šaraf ad-DÐns mit dem Titel al-MunÁÛarÁt alazharÐya wa-l-mubÁÎa×Át al-miÒrÐya, das dieser vor 1911 (sic!) verfaßt habe. Es sei jedoch zusammen mit seinen anderen Büchern „geraubt“ worden (nuhiba), woraufhin er es ein zweites Mal, gestützt auf die weit verstreuten Entwürfe (min al-musawwadÁt almutafarriqa), geschrieben und herausgegeben habe. Ort und Jahr sind nicht genannt, und über den Inhalt heißt es lediglich, der Verfasser spreche darin die verschiedenen Fragen an, die zwischen Sunniten und Schiiten (bain al-ÌÁÒÒa wa-l-ÝÁmma) umstritten 53 seien, und stelle die Wahrheit mittels der Methoden der Sunniten fest. Im selben Band, nur wenige Seiten weiter, verweist aÔ-ÓehrÁnÐ auf eine (andere?) Schrift Šaraf ad-DÐns mit dem Titel MunÁÛarat as-sayyid ÝAbd al-Íusain Šaraf adDÐn, in der er „mit einigen (oder auch: einem) Azhargelehrten“ (maÝa baÝà fuÃalÁÞ al54 Azhar) über Fragen des Scheidungsrechts diskutiert habe. Dieses Werk ist aÔ-ÓehrÁnÐ zufolge MuÎsin al-AmÐns Buch as-ŠÐÝa wa-l-ManÁr beigebunden, das 1910 (also noch vor Šaraf ad-DÐns Kairo-Aufenthalt) in Beirut erschienen sein soll. Im Eintrag zu die55 ser Schrift bestätigte er diesen Sachverhalt nochmals. 51 So bei MDA III/627; MošÁr III/Sp. 737; Àl YÁsÐn: ÍayÁt al-muÞallif, 56; QubaisÐ: ÍayÁt alimÁm, 54-57; MMI II/228f.; ÓAŠ I.3/1086. 52 ÓAŠ I.3/1082 und 1086; in einer anderen Sammlung von Biographien schiitischer Gelehrter erwähnte er das Buch allerdings nicht: MuÒaffÁ l-maqÁl fÐ muÒannifÐ Ýilm ar-riÊÁl, Teheran 1378/ 195859, Sp. 221. 53 ÅTŠ XXII/281; zu aÔ-ÓehrÁnÐ (1876-1970) s. MDA III/739-42; MošÁr Sp. 232-35; Nachrufe in Irf 58/2 (Juni 1970), 210-13 und 58/3-4 (Juli-Aug. 1970), 363-66; ferner EIr II/169f. (H. Algar) sowie (zu ÅTŠ) VII/35f. (E. Kohlberg) und die jeweils dort zitierte Literatur. Bei den Begriffen ÌÁÒÒa und ÝÁmma handelt es sich um Bezeichnungen aus dem Bereich der schiitischen Häresiographie, in der sich die Schia selbst als die Gruppe der „Auserwählten“ (ÌÁÒÒa) betrachtete und von den Sunniten als dem „gemeinen Volk“ (ÝÁmma) abgrenzte; s. auch Art. al-KhÁÒÒa wa’l-ÝÀmma, EI2 IV/1098-1100 (M.A.J. Beg). 54 ÅTŠ XXII/296 (Nr. 7167). 55 Ibid., XIV/274 (Nr. 2562); allerdings erscheint auch die Entstehungsgeschichte dieses Buches (das mir nicht zugänglich war), ja überhaupt seine Existenz, keineswegs gesichert: Bei SarkÐs: MuÝÊam, MDA II/141-46 (s.v. MuÎsin al-AmÐn) und MMS 42f. (dito) findet sich kein Beleg dafür; lt. MDA III/627 und KaÎÎÁla V/87 soll es – wahrscheinlich ein Flüchtigkeitsfehler aufgrund der Angaben in ÅTŠ – von Šaraf ad-DÐn selbst stammen (wofür es wiederum keine anderen Belege gibt, auch nicht bei Šaraf ad-DÐn); im bibliographischen Teil von MuÎsin al-AmÐns Biographie in AŠ schließlich heißt

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Eine Fußnote in einem 1927/28 (1346h) entstandenen und im Februar 1929 im ÝIrfÁn veröffentlichten Artikel Šaraf ad-DÐns ist der erste Beleg, der uns über die (Nicht-) Existenz des Briefwechsels informiert. Ganz am Ende dieser Abhandlung kommt er auf die Unbill zu sprechen, die er 1920 „auf dem Weg der Gläubigen“ (fÐ sabÐl al-muÞminÐn; vgl. Koran 4/115) zu erleiden hatte, als die (hier nicht mit Namen genannten) Franzosen seine Bibliothek zerstörten. Bei der folgenden Aufzählung der neunzehn dadurch verlorengegangenen Manuskripte erwähnt er an Nummer elf jene Schrift, deren Titel uns bei aÔ-ÓehrÁnÐ begegnete: al-MunÁÛarÁt al-azharÐya wa-l-mubÁÎa×Át al56 miÒrÐya. In einer weiteren, etwa zur selben Zeit entstandenen Anmerkung zur überarbeiteten Neuauflage seines Buches al-FuÒÙl al-muhimma nennt Šaraf ad-DÐn das mysteriöse Buch erneut, dieses Mal aber mit zwei interessanten Nuancen: Zum einen taucht nunmehr erstmals der spätere tatsächliche Titel des Werkes auf (Šaraf ad-DÐn spricht hier von MurÁÊaÝÁtunÁ al-azharÐya wa-munÁÛarÁtunÁ al-miÒrÐya), und er kün57 digt an, das Buch in Kürze drucken zu lassen. War zuvor noch kommentarlos vom (implizit: völligen und unwiederbringlichen) Verlust des Manuskripts die Rede, so erscheint es jetzt plötzlich so gut wie druckfertig. Als das Buch Ende 1936 endlich publiziert wurde, trug sein Verfasser im Vorwort nicht wesentlich zur weiteren Klärung der Entstehungsgeschichte bei. Der Hinweis auf die Bibliotheksplünderung unterblieb und machte sogar einem Unterton Platz, der die Interpretation zuließ, das Buch sei freiwillig und aus möglicherweise taktischen Gründen so lange zurückgehalten worden. „Diese Seiten sind nicht erst heute geschrieben worden, und (ihr) Grundgedanke ist nicht erst vor kurzem entstanden. Vielmehr handelt es sich hier um Seiten, die bereits vor gut einem Vierteljahrhundert verfaßt wurden und beinahe damals schon an die Öffentlichkeit getreten wären. Aber die (damaligen) Ereignisse und Katastrophen erwiesen sich als mächtige Hindernisse, die sich ihrem Fortschreiten in den Weg stellten, und so waren sie (i.e.: die Seiten) gezwungen, sich verborgen und bedeckt zu halten, zu verweilen und eine günstige Gelegenheit abzuwarten, zu der die verstreuten Teile (wieder) gesammelt und die fehlenden Glieder wieder vervollständigt werden konnten. Denn wie die Geschehnisse den Druck (der Sei58 ten) verzögerten, trafen sie auch ihren Inhalt.“

Diesen Inhalt, gab Šaraf ad-DÐn zu verstehen, habe er gründlich überarbeitet und, wo es ihm nötig erschien, ergänzt. Da die entsprechenden Passagen jedoch nicht gekennzeichnet wurden – auch gar nicht gekennzeichnet werden konnten, falls das Origies (X/372 und 373), das Buch stamme von ihm (al-AmÐn) und sei gedruckt worden, doch fehlen die Angaben über Ort und Jahr (ebenso bei al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VII/260); in al-ManÁr 28/5 (Juni 1927), 349 schließlich teilt MuÎammad RašÐd RiÃÁ mit, dieses Werk sei von „baÝà ÝulamÁÞihim (i.e. der Schia) fÐ SÙrÐya“ verfaßt worden; aÔ-ÓehrÁnÐ selbst legte im übrigen im Eintrag zu dieser Schrift großen Wert auf die Feststellung, daß es sich dabei nicht um al-AmÐns in der Tat wohlbekannte, gegen RašÐd RiÃÁ gerichtete Streitschrift al-ÍuÒÙn al-manÐÝa handle (zu diesem Buch ÅTŠ VII/25; Irf 2/4 [April 1910], 222f. und 2/5 [Mai 1910], 275f. sowie SarkÐs: MuÝÊam, Sp. 1622). 56 Šaraf ad-DÐn: al-Kalima al-ÈarrÁÞ fÐ tafÃÐl FÁÔima az-zahrÁÞ, Irf 17/2 (Febr. 1929), 136-76, hier 174f. (s. auch ÅTŠ XVIII/126); den hier genannten Titel zitierte er später in seiner Autobiographie als Untertitel der MurÁÊaÝÁt, s. BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/98. 57 Šaraf ad-DÐn: al-FuÒÙl al-muhimma, 94 Anm. 2. 58 Šaraf ad-DÐn: al-MurÁÊaÝÁt, Einl. S. d; vgl. Irf 56/9-10 (Febr.-März 1969), 1010.

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nalmanuskript tatsächlich beim Überfall auf die Bibliothek verschwand –, läßt sich im Nachhinein der ursprüngliche Wortlaut einer etwaigen Korrespondenz nicht mehr rekonstruieren. „Ich behaupte nicht, daß sich die vorliegenden Seiten auf die Texte beschränken, die damals zwischen uns verfaßt wurden, auch nicht, daß die Worte dieser Briefe seine Handschrift (i.e. die des sunnitischen Briefpartners) ohne mein Zutun sind. Denn, wie gesagt, die Ereignisse, die den Druck verzögerten, verhinderten auch die (gemeinsame) Niederschrift. Gleichwohl: die Verhandlungen (al-muÎÁkamÁt), die zwischen uns über die (verschiedenen) Fragen geführt wurden, finden sich vollständig in diesem Buch, zusammen mit den Ergänzungen, die die (heutige) Situation nötig machte und die aus Gründen des Ratschlags und der geistigen Rechtleitung angebracht erschienen. Mitunter verursachte sie auch der jeweilige Kontext, (je59 doch) in einer Art und Weise, die die zwischen uns bestehende Einigkeit nicht schädigte.“

Die bemerkenswerteste all dieser Ungereimtheiten ist jedoch die, daß weder in der Einleitung noch im Text der Korrespondenz der Name der Azhar, geschweige denn der ihres Rektors genannt wird, mithin also nirgends deutlich wird, daß es sich beim Briefpartner Šaraf ad-DÐns tatsächlich um SalÐm al-BišrÐ handelte. Wahrscheinlich ist es diesem Umstand zu verdanken, daß in der ersten (gerade fünf Zeilen umfassenden) Erwähnung des Buches im ÝIrfÁn davon die Rede ist, es handle sich hierbei um Unterredungen, die zwischen Šaraf ad-DÐn einerseits und „dem früheren ŠaiÌ al-Azhar und 60 anderen“ auf der anderen Seite stattgefunden hätten. Die Zeichnung der einzelnen Briefe beschränkte sich auf ein S für die Briefe des von Šaraf ad-DÐn als ŠaiÌ al-IslÁm eingeführten sunnitischen Gesprächspartners (Nr. 2) und ein Š für diejenigen Šaraf adDÐns – oder, um bei der vom Autor gewollten offenkundigen Symbolik zu bleiben: S 61 für die Briefe des Sunniten, Š für die des Schiiten. Eine persönliche Anrede mit Namensnennung findet sich nur im allerersten Brief, den S an Šaraf ad-DÐn richtete. Erst in späteren Auflagen wurde die entsprechende Fußnote um die Bemerkung ergänzt, das S stehe nicht nur für sunnÐ, sondern auch für SalÐm, das Š dementsprechend für den šÐÝÐ Šaraf ad-DÐn. Dabei dürfte es sich allerdings eher um den etwas halbherzigen Versuch handeln, den Namen al-BišrÐs doch noch ins Buch zu befördern: Angesichts der allgemein verbreiteten (und für den Benutzer biographischer Lexika bisweilen beschwerlichen) Bevorzugung des „eigentlichen“ (Vor-)Namens (ism) mutet es als nicht sehr einleuchtend an, daß für ein Namenskürzel Šaraf ad-DÐns der Beiname (laqab) gewählt würde, vielmehr wäre hier – analog zum s für SalÐm – ein Ýain (für ÝAbd al62 Íusain) zu erwarten. 59 al-MurÁÊaÝÁt, S. R; vgl. Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/98. 60 Irf 27/2 (April 1937), 163: Anzeige dieses Buches zusammen mit der gleichzeitig erschienenen Streitschrift AÊwibat masÁÞil ÉÁrallÁh. Ähnlich vorsichtig äußert sich al-BaÝ×Ð: ŠaÌÒiyÁt islÁmÐya, 175 (s.v. MÙsÁ aÒ-Ñadr): Das Buch bestehe aus Briefen, die zwischen Šaraf ad-DÐn und „einem früheren Azhar-Scheich“ (aÎad mašÁyiÌ al-Azhar as-sÁbiqÐn) gewechselt wurden. 61 Auf diese Lesart weist Šaraf ad-DÐn selbst bereits in der ersten Auflage ausdrücklich hin, s. alMurÁÊaÝÁt, Nr. 1 Anm. 1 (im folgenden werden die Belegstellen aus dem Buch zur besseren Vergleichbarkeit mit anderen Ausgaben als der von mir benutzten mit der Nummer des jeweiligen Briefes zitiert). 62 Ironischerweise führte just diese vermeintliche Präzisierung in einem Fall ihrerseits zu einem Mißverständnis: Der ägyptische Journalist FahmÐ HuwaidÐ schreibt in seinem Buch ÏrÁn min ad-dÁÌil,

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Die Sammlung selbst umfaßt insgesamt 112 Briefe, von denen die ersten beiden eine förmliche Eröffnung bilden, in der Pseudo-BišrÐ um die Aufnahme der Diskussion bittet (und sogleich die zu behandelnden Themen absteckt), was ihm von Šaraf ad-DÐn gewährt wird. Die letzten beiden Schreiben stellen eine nicht minder formvollendete Beendigung des Briefwechsels dar: Der Sunnit bedankt sich (Nr. 111) für die ihm zuteil gewordene Belehrung, die es ihm ermöglicht habe, die „Verleumdungen der Lügner und die Anwürfe der Ungerechten“ abzustreifen und das „Zeichen der Rechtlei63 tung“ (Ýalam al-hudÁ) zu erkennen. Šaraf ad-DÐn entläßt ihn daraufhin aus der Korrespondenz, indem er ihm bescheinigt, die Dinge nunmehr verstanden zu haben, objektiv über sie urteilen zu können und nicht mehr von nationalen Gefühlen und subjektivem Wunschdenken (ÝawÁÔif qaumÐya, aÈrÁd šaÌÒÐya) geprägt zu sein (Nr. 112). Die dazwischenliegenden 108 Briefe gliedern sich in zwei Teile, deren erster (Nr. 3-19) unter der Überschrift FÐ imÁmat al-maÆhab die Etablierung der Schia als gleichberechtigte Rechtsschule verfolgt und deren zweiter (Nr. 20-110) die Frage der Recht64 mäßigkeit des sunnitischen Kalifats behandelt. Bereits auf den ersten Blick fällt auf, daß von einem Dialog im eigentlichen Wortsinne nicht die Rede sein kann: Mehr als neun Zehntel des gesamten Texts entfallen auf Šaraf ad-DÐns Einlassungen, während umgekehrt nur 13 der 56 Briefe al-BišrÐs im Druck länger als zehn Zeilen sind. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Šaraf ad-DÐn die Stichworte und Überleitungen zum jeweils nächsten Unterpunkt zu liefern. Dessen Briefe wiederum sind kaum anders zu bezeichnen denn als durchaus geschickt und schlüssig gegliederte, im Kern jedoch traditionelle Apologetik des schiitischen Geschichtsbildes und des sich daraus ergebenden Anspruchs auf die alleinige Führung der umma. Im Ton verbindlich und in höflicher Weise belehrend, bleibt er in der Sache vollkommen unnachgiebig und ist nicht bereit, auch nur eine Handbreit der schiitischen Doktrin preiszugeben. Daß er die Sunniten mit ihren eigenen Waffen schlagen will, indem er ausschließlich auf sunnitische Belege und Quellen zurückgreift (so vor allem in Nr. 16 durch die Aufzählung von 100 sunnitischen Gewährsmännern, die ihre Parteinahme für ÝAlÐ und die Schia bezeugt haben sollen), ändert nichts an seiner dahinterstehenden Absicht. Der Gang seiner Argumentation, der hier nur kurz skizziert werden soll, berührt alle wesentlichen zwischen Sunniten und Schiiten umstrittenen Ereignisse der frühislamischen Geschichte (bis zum Machtantritt AbÙ Bakrs), die in der Einleitung der vorliegenden Arbeit bereits vorgestellt wurden: a) Die Beschränkung der ahl al-bait auf die Nachkommen ÝAlÐs, der der gesamte erste Teil der MurÁÊaÝÁt gewidmet ist. Im Zentrum der „Beweisführung“ steht hier der ÎadÐ× a×-×aqalain (Nr. 8ff.), der sowohl durch eine entsprechende Interpretation von Koranversen (Nr. 12) als auch durch eine ausführliche Liste sunnitischer Belegstellen

S. 328, Šaraf ad-DÐn sei „ungefähr 1910“ (sic!) nach Kairo gekommen uund habe sich mit einem Sunniten namens SalÐm getroffen, woraus er den Schluß zieht, es habe sich um ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm gehandelt; über diesen, einen in der Tat wichtigen Protagonisten der späteren ökumenischen Bewegung, s. unten, S. 98 Anm. 44. 63 Zum Begriff hudÁ vgl. Koran 2/2 sowie ÝAbd al-BÁqÐ: al-MuÝÊam al-mufahras, s.v. 64 Hier im Titel (Nr. 20) bezeichnenderweise imÁmat al-ÝÁmma genannt; s. oben, S. 46 Anm. 53.

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(Nr. 16, mit einer alphabetisch geordneten Aufzählung von nicht weniger als einhundert angeblichen Gewährsmännern) gestützt wird. b) Die Designierung ÝAlÐs zum Nachfolger des Propheten durch MuÎammad selbst. Neben bereits bekannten ÍadÐ×en wie dem, der ÝAlÐ mit Aaron gleichsetzt (hier Nr. 32ff.), führt Šaraf ad-DÐn eine Vielzahl weiterer Überlieferungen desselben Tenors an (z.B. Nr. 26, 36, 48, 66). Daß die Geschehnisse am Teich von Ëumm im Brief Nr. 54 zum ersten Mal angesprochen werden, also exakt in der Mitte der 108 themenbezogenen Schreiben, ist gewiß kein Zufall und zeugt vom kompositorischen Geschick des Autors, der seine Apologetik um das hier im wahrsten Sinne des Wortes zentrale Ereignis der schiitischen Historiographie herum anordnet. c) Das Verhalten der wichtigsten Prophetengefährten, insbesondere ÝÀÞišas (Nr. 71ff.), AbÙ Bakrs (79ff.) sowie ÝUmars (86ff.). Das Kalifat der beiden letztgenannten wird kaum verschleiert in Frage gestellt. d) Die Versammlung in der saqÐfa zur Wahl AbÙ Bakrs, bei der der nicht anwesende ÝAlÐ um seine Ansprüche betrogen worden sei (Nr. 101ff.). Nur an zwei Stellen der gesamten MurÁÊaÝÁt findet sich in den angeblichen Briefen al-BišrÐs der Ansatz einer ernstzunehmenden sunnitischen Auffassung. In Nr. 57 plädiert er dafür, den am Teich von Ëumm entstandenen ÍadÐ× unter dem Gesichts65 punkt einer auf den verborgenen Sinn zielenden Auslegung (taÞwÐl) zu sehen, und in Nr. 87 versucht er, das Verhalten ÝUmars an MuÎammads Sterbebett – als er (so die spätere schiitische Interpretation) verhinderte, daß der Prophet die Designation ÝAlÐs niederschrieb – entschuldigend zu erklären. Beide Einwände können von Šaraf ad-DÐn erwartungsgemäß mit Leichtigkeit zurückgewiesen werden, was sein Gegenüber auch umgehend anerkennt (Nr. 58 und 89). Der Ton, der in den Briefen des Sunniten angeschlagen wird, ist ausnahmslos als überaus höflich, ja teilweise devot und unterwürfig zu bezeichnen. In fast jedem Brief läßt er seiner Bewunderung für Šaraf ad-DÐns Gelehrsamkeit freien Lauf (z.B. Nr. 1, 5, 9, 11, 17, 19, 25, 43 etc.) und fleht ihn manchmal geradezu um weitere Belehrung an. 66 In Anlehnung an eine in der modernen arabischen Literatur häufig anzutreffende Erzählfigur darf die hier dem ŠaiÌ al-Azhar zugedachte Rolle getrost als die des „sunni67 tischen Bestätigers vom Dienst“ bezeichnet werden, der der Schia willig und ohne 65 Der Begriff stammt aus der Koranexegese und bezeichnet die auf den inneren, d.h. verborgenen (bÁÔin) Sinn abzielende Interpretation einzelner Verse – im Gegensatz zum tafsÐr, der sich auf den äußeren Wortsinn (ÛÁhir) beschränkt; s. dazu H. Gätje (ed.): Koran und Koranexegese, Stuttgart 1971, 299f. sowie EI1 IV/763 (R. Paret). 66 Z.B. Nr. 35: „Gott nehme sich Deines Vaters an. Wie klar sind Deine Zeichen (ÁyÁt, bedeutet auch Koranverse) und wie erhaben! Wie beredt sind Deine Erklärungen und wie beweiskräftig! Auf zur Fortsetzung, auf zur Fortsetzung (die Wiederholung des Ausdrucks Îayya ÝalÁ ist Bestandteil des täglichen Gebetsrufs) Deiner unaufhörlichen, unablässigen und klaren Texte! Dir gebührt die Huld (al-faÃl).“ 67 Wielandt: Das Bild der Europäer, 57 definiert den von ihr so genannten „europäischen Bestätiger vom Dienst“ folgendermaßen: „(E)r spielt die Rolle desjenigen, der der kulturellen, ethnischen oder nationalen Bezugsgruppe des Autors, also etwa den ‘Orientalen’, Ägyptern oder Arabern, zu bescheinigen hat, daß sie im Entscheidenden – wie immer dieses definiert sein mag – doch die Überlegenen sind.“; vgl. auch ibid., 584-89.

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Umschweife zugesteht, in entscheidenden Dingen der sunnitischen Deutung der Geschichte voraus zu sein und damit die letzten Endes berechtigteren Ansprüche auf die Führung der Muslime zu besitzen. Bezeichnend dafür ist die Art und Weise, wie er zum Abschluß des ersten Teils (in Brief Nr. 19) die zwölf Imame der Schia nicht nur als gleichberechtigt anerkennt, sondern sie den Gründern der sunnitischen Rechtsschulen sogar überlegen nennt. Diese nämlich hätten vier unterschiedliche Schulen geschaffen, die in allen Punkten des islamischen Rechts voneinander abweichende Meinungen verträten und sich nicht einmal bezüglich ihres Quellenmaterials einig seien; jene hingegen bildeten einen einzigen in sich geschlossenen und von zwölf unbestrittenen Autoritäten gründlich durchdachten maÆhab, der schon allein dadurch keinen Raum mehr für Zweifel und willkürliche Entscheidungen der Rechtsgelehrten lasse – welch letztere Bemerkung man cum grano salis als Spitze gegen die Kompetenz der sunnitischen ÝulamÁÞ auffassen mag. ∗∗∗ In den beiden ersten Jahrzehnten nach der Veröffentlichung war dem Buch kein allzu großes Echo beschieden. Das Werk erlebte zwar mehrere Neuauflagen und wur68 69 de noch in den vierziger Jahren ins Persische und Urdu übersetzt, doch war es für 70 die gesamte ökumenische Diskussion jener Zeit nicht weiter von Bedeutung. Das änderte sich erst um die Mitte der fünfziger Jahre, angeregt wiederum durch Šaraf adDÐn selbst. In seinem letzten Buch, dem 1956 erschienenen Werk an-NaÒÒ wa-l71 iÊtihÁd, nahm er das Thema der MurÁÊaÝÁt nochmals auf. Bereits auf der ersten Textseite dieser neuerlichen ausführlichen Darlegung des schiitischen Geschichtsverständnisses kam er auf seinen damals schon bald ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Ägyptenaufenthalt zu sprechen und schilderte, wie aus seinen Unterredungen mit SalÐm al-BišrÐ (dessen Name nun endlich ausdrücklich genannt wird) das Werk alMurÁÊaÝÁt entstanden sei, vermied dabei jedoch erneut jeden klärenden Hinweis auf 72 die Publikationsgeschichte. Im Vorwort dazu bezeichnete MuÎammad TaqÐ alÍakÐm das Buch als „richtungsweisenden Schatz (ÆaÌÐra; bedeutet auch „Munition“) für die Kunst des Wortwechsels und der Debatte (sc. mit den Sunniten)“. Hätte man 68 Eine persische Übersetzung u.d.T. MunÁÛara-yi du rahbar-i maÆhabÐ (Qom 1345hš) wird zitiert bei Löschner: Die dogmatischen Grundlagen, 20; zwei weitere Übersetzungen nennt QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 55f.; demnach erschien die eine u.d.T. al-MunÁÛarÁt fÐ l-murÁÊaÝÁt 1365hq/1946 in IÒfahÁn (übersetzt von SardÁr Íaidar QÙlÐ KÁbÙlÐ); von der zweiten gibt er nur den Namen des Übersetzers an: AbÙ l-FaÃl NaÊmÁbÁdÐ. 69 Ebenfalls laut QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 56 wurde ca. 1370hq/1950-51 in Pakistan eine von einem gewissen MoÎammad BÁqer a>bawgk stammende Urdu-Übersetzung gedruckt. 70 Die einzige mir bekannte Ausnahme in diesem Sinne im Schrifttum der späten vierziger Jahre ist die beiläufige Erwähnung des Buches bei al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/72. 71 Rezension in Irf 44/3 (Dez. 1956), 316; Auszüge daraus bereits in Irf 41/5 (März 1954), 48488, 41/7 (Mai 1954), 731-35 und 41/9 (Juli 1954), 977-90; s. auch MMN 363 (Nr. 1636); QubaisÐ: ÍayÁt al-imÁm, 59f.; die von mir benutzte 10. Auflage Beirut 1988 trägt den etwas abgeänderten Titel al-IÊtihÁd fÐ muqÁbil an-naÒÒ. 72 al-IÊtihÁd, 87f.; vgl. ibid., 173ff., wo Šaraf ad-DÐn al-BišrÐs Entschuldigung für das Verhalten ÝUmars zitiert und erneut „widerlegt“.

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schon früher auf die Lehren dieses Werkes zurückgegriffen, dann wären die meisten Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Konfessionsgruppen längst ausge73 räumt. Damit war Šaraf ad-DÐn – bei dessen Engagement für die Kairiner Annäherungs74 gesellschaft die MurÁÊaÝÁt keine Rolle spielten – als Vorläufer der taqrÐb-Idee etabliert worden, der sich bereits früh um einen Dialog mit den sunnitischen Theologen bemüht habe. Knapp ein halbes Jahr nach seinem Tod erschien schließlich im Rahmen eines auszugsweisen Abdrucks seiner Autobiographie im ÝIrfÁn jene Passage, die sei75 nem Aufenthalt an der Azhar gewidmet ist. Erst mit dieser späten, von Šaraf ad-DÐn möglicherweise noch selbst in die Wege geleiteten „Wiederentdeckung“ auf dem Höhepunkt der innerislamischen ökumenischen Bestrebungen vermochte der Briefwechsel auch jenen Mythos zu erlangen, der ihn seither zu einem der am meisten zitierten wie zugleich umstrittensten taqrÐb-Werke werden ließ. Erheblichen Anteil daran hatte Anfang der sechziger Jahre der syrische qÁÃÐ MuÎammad MarÝÐ al-AmÐn al-AnÔÁkÐ, der in einer umfangreichen Rechtfertigungsschrift schildert, wie er – maßgeblich unter dem Eindruck der MurÁÊaÝÁt-Lektüre – von der šÁfiÝitischen Rechtsschule zur Schia 76 konvertiert sei. Allen heftigen Anfeindungen seiner sunnitischen Gegner zum Trotz, die sich gegen ihn verschworen und zum Boykott gegen ihn aufgerufen hätten, seien er und sein Bruder AÎmad AmÐn al-AnÔÁkÐ, der es ihm gleichtat und zur Schia überwechselte, jedoch standhaft geblieben. Er selbst habe sich auf einer ausgedehnten Reise durch den Irak und Iran nach Gesprächen mit zahlreichen schiitischen Würdenträgern – unter ihnen Hibat ad-DÐn aš-ŠahrastÁnÐ, MuÎsin al-ÍakÐm und MuÎammad al77 Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ – in der Richtigkeit seines Tuns bestätigt gefunden. Im letzten Teil seines Buches beschreibt er schließlich, wie es ihm seinerseits gelungen sei, in immer neuen Diskussionen eine Vielzahl von sunnitischen Gelehrten (darunter einen anonym bleibenden Azhar-Scheich) entweder direkt zur Konversion zu bewegen oder ihnen doch immerhin zur Einsicht ihrer – wie er es sah – bisherigen irrigen Meinungen über die Schia zu verhelfen. In allen diesen stereotypen Beschreibungen von stilisierten Debatten ist Šaraf ad-DÐns Briefwechsel für al-AnÔÁkÐ ein unverzichtbares Rüst78 zeug und häufig der Hauptgrund für die Bekehrung seiner Diskussionspartner. Eine wie auch immer geartete Auseinandersetzung mit dem Briefwechsel seitens sunnitischer Gegner einer Annäherung mit der Schia fand zu dieser Zeit noch nicht statt, was durchaus erstaunlich ist, wenn man bedenkt, mit welcher Heftigkeit sich die73 Ibid., 70; über al-ÍakÐm (geb. 1921) s. MMI III/116f.; ÓAŠ I.1/257; RF I/427f.; Ende: Ehe auf Zeit, 23. 74 MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ zitierte in der Zeitschrift der ökumenischen Vereinigung aus dem Buch, enthielt sich jedoch jeglichen Kommentars bezüglich seiner Echtheit; s. RI 8/1956/ 405-20, hier 419. 75 Irf 45/8 (Mai 1958), 777-84, hier 778-80 (s. Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/199-201). 76 al-AnÔÁkÐ: Li-mÁÆÁ iÌtart, v.a. 18ff., 352, 363f; zum Autor s. ibid. 3ff. (tarÊamat ÎayÁtÐ) sowie MMS 45; von seinem Buch existieren Übersetzungen ins Urdu (Lucknow 1966), Persische (Teheran 1970) und Englische (Karachi 1973); vgl. MoÒÔafawÐ: EtteÎÁd (wie unten, Anm. 94), 47. 77 al-AnÔÁkÐ: Li-mÁÆÁ iÌtart, 27ff., 33-43; das Buch AÎmad AmÐn al-AnÔÁkÐs FÐ ÔarÐqÐ ilÁ ttašayyuÝ, NaÊaf 1380/1965 (s. MMN 267f.; Urdu-Übersetzung Lucknow 1965) war mir nicht zugänglich. 78 al-AnÔÁkÐ: Li-mÁÆÁ iÌtart, 319-64 (über die Bekehrung des Azhar-Scheichs 332-40).

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se Autoren etlicher zum Teil bei weitem weniger empfindlicher Themen und Äußerun79 gen zum innerislamischen Dialog annahmen. Weder MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb noch MaÎmÙd al-MallÁÎ, die beiden wohl erbittertsten taqrÐb-Gegner der fünfziger Jahre, widmeten den MurÁÊaÝÁt in ihren Schriften ihre gesonderte Aufmerksamkeit. al-ËaÔÐb bezeichnete in einem kurzen Artikel in der Azhar-Zeitschrift den Briefwechsel lediglich en passant als Fälschung, ohne das Thema jedoch an dieser oder anderer Stelle ge80 nauer zu verfolgen. Offensichtlich wurde dem Buch in diesen Kreisen nicht die Bedeutung beigemessen, die es gerechtfertigt hätte, ihm die zusätzliche Öffentlichkeit mittels einer Polemik zu verschaffen – und dabei das Risiko schiitischer Gegenschriften einzugehen. Diese Zurückhaltung änderte sich erst nach der Revolution in Iran 1979. Bei den in großer Zahl kursierenden Streitschriften gegen das Regime ËomeinÐs entdeckten einige Autoren die Nützlichkeit der MurÁÊaÝÁt für ihre Argumentation, wobei ihnen die unklare Publikationsgeschichte selbstverständlich deutlich zupaß kam. Nun wurde mit einem Male moniert, daß Šaraf ad-DÐn keinen einzigen Brief al-BišrÐs als Faksimile abgedruckt habe – was ihm allerdings, vorausgesetzt, eine Erstfassung mit den tatsächlichen Briefen ging wirklich beim Angriff auf seine Bibliothek verloren, gar nicht möglich gewesen wäre. Des weiteren wurden Nachkommen al-BišrÐs zitiert, die den Standpunkt der jeweiligen Autoren bestätigten und angaben, ihnen sei nie etwas von einer Korrespondenz ihres Vaters mit einem schiitischen Gelehrten bekannt geworden. Das Ganze sei daher, so ÝAlÐ AÎmad as-SÁlÙs, der sich am ausführlichsten mit den MurÁÊaÝÁt auseinandersetzte, eine „riesige Verleumdung“, die man aber nichtsdesto81 weniger lesen und entlarven müsse. Die Widerlegungen aller sunnitischen Kritiker münden in die Schlußfolgerung, Šaraf ad-DÐns Buch könne schon deshalb nicht echt sein, weil in diesem Fall der ŠaiÌ al-Azhar sich als Schiit zu erkennen gegeben hätte – 82 oder taqÐya geübt hätte, was zu glauben ebenso absurd sei. Vereinzelt kam es zu einer – meist verächtlichen – Kritik auch an den Epigonen Šaraf ad-DÐns, allen voran 83 den beiden al-AnÔÁkÐ-Brüdern. Auf der Seite der Apologeten der MurÁÊaÝÁt gab es nur wenige Autoren, die in ihrer Bewunderung so weit wie al-AnÔÁkÐ gingen und die Lektüre des Buches als eine 79 Vgl. dazu unten, Kap. VIII und IX. 80 MA 25/3 (Nov. 1953), 370-72. 81 as-SÁlÙs: ÝAqÐdat al-imÁma, 170-81 (Zitat 181); al-AmÐnÐs al-ÇadÐr fÐ l-kitÁb wa-s-sunna wa-l-

adab wurde von ihm auf eine Stufe mit den MurÁÊaÝÁt gestellt (183f.); as-SÁlÙs’ Buch ist im übrigen eine in ihrer Methode vollkommen traditionelle Polemik gegen die schiitische Imamatslehre, die er mit Argumenten aus Koran und (sunnitischen) ÍadÐ×werken zu widerlegen suchte (schiitische ÍadÐ×kompilationen habe er, wie er im Vorwort freimütig mitteilt, deshalb nicht benutzt, weil diese nur zur Stützung der schiitischen Sicht verfaßt worden seien; vgl. S. 4). Auch in dem den MurÁÊaÝÁt gewidmeten Kapitel besteht seine Vorgehensweise in erster Linie darin, Šaraf ad-DÐn Fehler im Verständnis und in der Weitergabe von Prophetenüberlieferungen nachweisen zu wollen. 82 as-SÁlÙs, 181; al-ÇarÐb: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 133-35; at-TurkumÁnÐ: TaÝrÐf bi-maÆhab aššÐÝa al-imÁmÐya, 99f. 83 at-TurkumÁnÐ: TaÝrÐf, 106-08; MÁlallÁh: aš-ŠÐÝa wa-taÎrÐf al-qurÞÁn, 174 erwähnt eine von ihm stammende Erwiderung auf al-AnÔÁkÐ u.d.T. IÎyÁÞ aš-šarÐÝa fÐ naqd kitÁb li-mÁÆÁ iÌtart maÆhab aš-šÐÝa als „im Druck“. al-AnÔÁkÐ selbst hatte bereits in seinem Buch (S. 27f.) eine gegen ihn gerichtete Polemik von AmÐn AllÁh ÝAyrÙà erwähnt (ad-DaÝwa al-muÎammadÐya ilÁ Ò-ÒirÁÔ al-mustaqÐm; kein Beleg bei MMS 380 s.v. ÝAyrÙÃ).

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Art Damaskus-Erlebnis schilderten. Gleichwohl gehört die Bemerkung, es handle sich hierbei um ein ebenso frühes wie mustergültiges Beispiel für einen friedlichen und fruchtbaren Dialog zwischen Sunna und Schia auf höchster Ebene und bar jeder polemischen Absicht, zu einem immer wiederkehrenden Argument im ökumenischen Schrifttum seit den späten fünfziger Jahren. Diese Ansicht wurde nicht nur von schiitischen Anhängern des taqrÐb vertreten, sondern ebenso von Sunniten, die in den eige85 nen Reihen für den Dialog mit der anderen Seite zu werben versuchten. Die Angriffe der sunnitischen Zweifler haben die Zahl dieser Verteidigungsschriften nach 1979 erwartungsgemäß weiter erhöht. Mehr und mehr Stimmen meldeten sich nun in diesem Sinne zu Wort. ÉaÝfar Šaraf ad-DÐn etwa, der Sohn des Autors, verknüpfte die eigene Biographie (er wurde 1920 geboren) mit der „Wiederentstehung“ der MurÁÊaÝÁt, die von seinem Vater nach der Plünderung der Bibliothek rekonstruiert worden seien. Daß es dabei zu (nicht näher definierten) Zusätzen kam, gestand er freimütig ein, doch 86 schien ihm dies kein Grund zur Skepsis zu sein. Sogar ÀyatollÁh BorÙÊerdÐ wurde 87 als Gewährsmann für den hohen Rang des Buches zitiert. Auf höchst offizielle Art und Weise erfuhren ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn und seine Schriften in den letzten Jahren ebenfalls eine interessante Renaissance. Die Regierung der Islamischen Republik Iran machte sich seit Mitte der achtziger Jahre zum Bannerträger der islamischen Einheit und entfaltete auf diesem Gebiet eine rege Aktivität, von der alljährlich abgehaltenen „Woche der Einheit“ (hafte-ye waÎdat) bis hin 88 zur 1990 gegründeten staatlichen ökumenischen Vereinigung MaÊmaÝ-e taqrÐb. Im Zuge dessen trat in immer stärkerem Maße die Berufung auf das Vorbild Šaraf adDÐns in den Vordergrund. Bereits um 1984 erschien in Teheran eine (arabischsprachige) Neuauflage der MurÁÊaÝÁt, herausgegeben von einer Propagandaorganisation namens BonyÁd-e baݳat, und seither wurden die beiden wichtigsten anderen Bücher Šar89 af ad-DÐns zur islamischen Einheit ebenfalls ins Persische übersetzt. Bisheriger Hö84 Zwei vergleichbare Fälle sind al-QÁsim: ÍaqÐqat aš-šÐÝa, 14-16 und at-TÐÊÁnÐ: Õumma ihtadait, 87f., 155, 206; vgl. auch al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 148 Anm. 2. 85 MuÎammad FikrÐ AbÙ n-NaÒr: al-MurÁÊaÝÁt, in: ar-RaÃawÐ: ÀrÁÞ al-muÝÁÒirÐn, 177-85 (wiederabgedruckt bei Šaraf ad-DÐn: al-MurÁÊaÝÁt, 20. Aufl., Einl. 16-24; lt. Titelblatt dieser Ausgabe zählt AbÙ n-NaÒr zu den ÝulamÁÞ der Azhar, während ihn ar-RaÃawÐ nur einen Absolventen dieser Hochschule nennt); MurtaÃÁ al-ÍakamÐ: TaÒdÐr al-kitÁb, in: ar-RaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 21; MaÎmÙd AbÙ Rayya: AÃwÁÞ ÝalÁ as-sunna al-muÎammadÐya, 346 (zit. bei aÒ-ÑÁfÐ: MaÝa al-ËaÔÐb, 40 Anm. 1); ÝAlÐ: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn, 36, 46, 151-53; DÁwÙd: NaÛarÁt, 87-97 (wiederabgedruckt in der 20. Auflage der MurÁÊaÝÁt, 6-14); FaššÁhÐ: Einl. zu KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn, 9; al-BaÝ×Ð: ŠaÌÒiyÁt muÝÁÒira, 175; al-ÉundÐ: al-ImÁm ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq, 258 Anm. 1; ÝAlÐ ŠarÐÝatÐ pries die MurÁÊaÝÁt als bestes Beispiel für die von ihm propagierte „alidische Schia“:TašayyoÝ-e ÝalawÐ wa tašayyoÝ-e ÒafawÐ, 73. 86 ÉaÝfar Šaraf ad-DÐn: Min daftar aÆ-ÆikrayÁt al-ÊanÙbÐya wa-tÁrÐÌ Éabal ÝÀmil, Irf 71/1 (Sept. 1983), 83-86, hier 85f. (Zitat aus Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/98). 87 MuÎammad FaÃl SaÝd: Min as-Sayyid Šaraf ad-DÐn ilÁ s-sayyid MÙsÁ, Irf 71/1 (Sept. 1983), 87-94, hier 89; weitere Beispiele für diese Haltung sind al-AÎsÁÞÐ: aÔ-ÓÁÞifÐya, 70; al-ÍakÐm: Fikrat attaqrÐb, 14; SalÁm: al-WaÎda al-ÝaqÁÞidÐya, 41; TuffÁÎa: al-MuslimÙn, 46; at-TÐÊÁnÐ: aš-ŠÐÝa hum ahl as-sunna, 67f.; vgl. auch Irf 77/3 (April 1993), 10-22; 77/7 (Sept. 1993), 61-77, bes. 66 und 78/3-4 (Mai-Juni 1994), 104-07. 88 Vgl. dazu unten, S. 291f. 89 Nämlich al-FuÒÙl al-muhimma u.d.T. MabÁÎe³-e ÝamÐqÐ dar Êehat-e waÎdat-e ommat-e eslÁmÐ, Qom 1362hš/1984 (s. auch TaqrÐb bain maÆÁheb-e eslÁmÐ. Wеe-nÁme-ye panÊomÐn konferÁns-e waÎdat-e eslÁmÐ, šahrÐwar mÁh 1371 – rabÐÝ al-awwal 1413, Teheran ca. 1992, 54f.) und MasÁÞil fiq-

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hepunkt dieser Einbindung Šaraf ad-DÐns in die iranische Regierungspolitik war ein von der iranischen Botschaft in Beirut vom 18. bis 19. Februar 1993 veranstalteter Kongreß zu Ehren des libanesischen Gelehrten. Die auf dieser Konferenz gehaltenen Vorträge konzentrierten sich in erster Linie auf den Gedanken der islamischen Einigung und den Anteil Šaraf ad-DÐns daran. Die bedeutendsten libanesischen schiitischen Redner waren der auch im Westen bekannt gewordene spiritus rector der ÍizballÁh-Miliz, MuÎammad Íusain FaÃlallÁh, sowie MuÎammad MahdÐ Šams ad-DÐn, der etwa ein Jahr nach dem Kongreß, im Frühjahr 1994, zum Präsidenten des Obersten Schiitischen Rates im Libanon gewählt wurde und damit – nach MÙsÁ aÒ-Ñadr – der 90 zweite Nachfolger Šaraf ad-DÐns in der Leitung der libanesischen Schia ist. Der iranische Minister für Islamische Führung, ÝAlÐ LÁrÐÊÁnÐ, nannte in seiner Eröffnungsrede der Beiruter Versammlung die MurÁÊaÝÁt ein „Symbol des brüderlichen Dialogs zwischen Sunniten und Schiiten“ und verwies dabei ausdrücklich auf die „Wiederbelebung des Vorhabens einer Annäherung zwischen den islamischen Rechtsschulen“ 91 durch ËomeinÐs Nachfolger als Revolutionsführer, ÀyatollÁh ËÁmeneÞÐ. Ein anderer Kongreßteilnehmer, ÉaÝfar al-MuhÁÊir, feierte Šaraf ad-DÐns Kairo-Reise 1911 (und damit indirekt die darauf gründende Politik Irans) überschwenglich als Wiederaufnahme eines seit fast 400 Jahren unterbrochenen Dialogs zwischen sunnitischen und schiitischen Gelehrten. Damals, im Jahre 943h (1536/37), sei Zain ad-DÐn b. ÝAlÐ al-Éub92 bÁÝÐ, der spätere „Zweite Märtyrer“, wie Šaraf ad-DÐn aus dem Éabal ÝÀmil kommend, in Kairo mit dem sunnitischen Scheich AbÙ l-Íasan b. ÝAlÐ al-BakrÐ zusammengetroffen und habe mit ihm über die beiden Konfessionsgruppen und ihr Verhältnis zueinander diskutiert. Der Kontakt sei dann jedoch infolge der repressiven Politik der 93 Osmanen wieder abgerissen. Die Bezugnahme auf Šaraf ad-DÐn ist mittlerweile zu einem ceterum censeo irani94 scher taqrÐb-Äußerungen geworden. Die bislang letzte Verteidigung des Buches, zuhÐya u.d.T. MasÁÞel-e feqhÐye, Mašhad 1371hš (Rez. in MiškÁt 38/Frühjahr 1372/185); von den MurÁÊaÝÁt liegt bereits seit der ersten Auflage eine persische Übersetzung vor; s. oben, S. 51 Anm. 68. 90 Vgl. al-ImÁm as-sayyid, 41-64 bzw. 139-56; FaÃlallÁh ist außerdem Mitglied des ŠÙrÁ-ye ÝÁlÐ-ye maÊmaÝ-e taqrÐb (s. MiškÁt 32/1370hš/4); zu ihm s. ausf. O. Carré: Quelques mots-clefs de Muhammad Husayn Fadlallah, Revue française de science politique 37/1987/478-501; idem: La „révolution islamique“ selon Muhammad Husayn Fadlallah, Orient 29/1988/68-84; M. Kramer: Redeeming Jerusalem: The Pan-Islamic Premise of Hizballah, in: D. Menashri (ed.): The Iranian Revolution and the Muslim World, Boulder 1990, 105-30; zu Šams ad-DÐn (geb. 1931 oder 1933) s. RF II/757f.; Mallat: ShÐÝÐ Thought, 32-35; zu seiner Wahl zum Präsidenten des Obersten Schiitischen Rates im Libanon s. Arabies Nr. 89, Mai 1994, S. 11; über den Rat selbst vgl. Irf 57/3 (Juli 1969), 271, 409-14 sowie ausf. A. Rieck: Die Schiiten und der Kampf um den Libanon. Politische Chronik 1958-1988, Hamburg 1989, 100-09. 91 al-ImÁm as-sayyid, 40. 92 Vgl. oben, S. 23 Anm. 26. 93 ÉaÝfar al-MuhÁÊir: al-ÍiwÁr al-islÁmÐ – al-islÁmÐ fÐ aÝmÁl al-imÁm Šaraf ad-DÐn, in: al-ImÁm as-sayyid, 157-65, hier 157-60; weitere Beiträge, die Šaraf ad-DÐns Streben nach Einigung der Muslime hervorheben, finden sich ibid., 88ff., 117ff., 174ff., 253ff. und 281ff.; auch sein Kampf gegen den Kolonialismus wurde eingehend gewürdigt: 102ff. und 311ff. 94 Vgl. z.B. ¾ÁkerÐ: WaÎdat-e eslÁmÐ, 95, 177; ÍakÐmÐ: Šaraf ad-DÐn, 98, 170-86; aš-ŠarqÐ: Naqš-e EslÁm, 532f.; ŠÐrÁzÐ: TalÁš-e roÞasÁ, 606f.; ÉawÁd MoÒÔafawÐ: EtteÎÁd wa hambastegÐ yÁ tafÁhom-e šÐÝe wa sonnÐ dar NahÊ ol-balÁÈa, MiškÁt 2/1362hš/25-60, bes. 47-50; MoÒÔafÁ QolÐ ZÁdeh: Šaraf od-DÐn-e ÝÀmelÐ: ¥ÁwÙš-e waÎdat, Teheran 1372hš/1993-94.

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gleich die umfangreichste ihrer Art, ist eine 1994 publizierte Artikelserie in der in Qom erscheinenden Zeitschrift TurÁ×unÁ. Ihr Autor ÝAlÐ al-MÐlÁnÐ verfaßte darin in durchaus traditioneller Form eine Antwort auf die sunnitischen Kritiker: Nach der Devise qÐl … wa-aqÙl zitierte er zuerst mitunter längere Passagen aus verschiedenen Polemiken, um sie anschließend noch ausführlicher zurückzuweisen. In seiner „Beweisführung“ beließ er es allerdings bei der Wiederholung altbekannter Aussagen – vor allem der Zitierung von Šaraf ad-DÐns Werken selbst – oder bei der Umkehrung der Beschuldigung: Den Verweis der Gegenseite, daß das Vierteljahrhundert, das zwischen der angeblichen Entstehung und der Veröffentlichung des Buches lag, Anlaß zu Zweifeln gebe, suchte er etwa mit dem Argument zu entkräften, daß schließlich nicht weniger als ein halbes Jahrhundert nach der Publikation der MurÁÊaÝÁt vergangen sei, ehe 95 die sunnitische Kritik daran erschienen sei. Dieses Festhalten an dem umstrittenen Briefwechsel dürfte seine Ursache auch darin haben, daß nahezu alle seither versuchten Ansätze einer islamischen Ökumene, von denen in den nächsten Kapiteln ausführlich die Rede sein wird, früher oder später politisch diskreditiert wurden und damit (jedenfalls für die Ziele der iranischen Politik) als Vorbild denkbar ungeeignet erschienen. Nur die MurÁÊaÝÁt, deren Einzug ins ökumenische Schrifttum sich erst nach dem Scheitern der nachfolgenden Bemühungen um eine Annäherung zwischen Sunniten und Schiiten vollzog, waren von diesem Makel verschont geblieben und nicht mit Assoziationen unmittelbarer politischer Hintergedanken der jeweiligen Protagonisten verbunden. Fünfzig Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung und über siebzig Jahre nach ihrer angeblichen Entstehung wurde damit aber auch dieses Buch von der politischen Auseinandersetzung eingeholt, die gerade seit der Islamischen Revolution in vielen Fällen eine Verlängerung des konfessionellen Streits innerhalb des Islams ist. Bezeichnend dafür ist die Aufforderung, jedem iranischen Pilger solle zur Pilgerfahrt ein Exemplar des Werkes mitgegeben werden, das dieser dann in Mekka Muslimen aus anderen Ländern weiterschenken solle, da es die saudische Regierung nicht gestatte, die wissenschaftlichen Schriften der Schia auf eine 96 andere Art und Weise nach Saudi-Arabien einzuführen. ∗∗∗ Während Šaraf ad-DÐns Briefwechsel in der westlichen Sekundärliteratur bislang 97 keine Rolle spielte, ist man sich unter sunnitischen wie vor allem schiitischen taqrÐborientierten Gelehrten mittlerweile also einig, daß dieses Werk nicht nur als die früheste Bemühung um eine interkonfessionelle Annäherung im Islam in diesem Jahrhundert zu gelten habe, sondern darüber hinaus prinzipiell den richtigen Weg hin zu einer isla95 MÐlÁnÐ: TašyÐd al-MurÁÊaÝÁt, Teil 1 passim, hier 139 Anm. 1; den Hintergrund zu dieser Apologetik bildet möglicherweise das Vorgehen sunnitischer Gelehrtenkreise gegen das Buch: ÑÁliÎ alWardÁnÐ behauptet, daß die MurÁÊaÝÁt auf Veranlassung der Azhar auf eine Liste von Büchern gesetzt worden sei, deren Vertrieb in Ägypten verboten sei; aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 128 Anm. 3; vgl. auch idem: MiÒr … ÏrÁn, 79f. 96 ¾ÁkerÐ: WaÎdat-e eslÁmÐ, 177. 97 Vgl. die wenigen (unkritischen) Bemerkungen bei Momen: Introduction, 265 und bei J.A. Bill / J.A. Williams: ShiÝi Islam and Roman Catholicism (…), in: K.C. Ellis (ed.): The Vatican, Islam, and the Middle East, Syracuse 1987, 69-105, hier 103 Anm. 4.

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mischen Ökumene in mustergültiger Weise vorzeichne. Gleichwohl muß die Authentizität des Buches mit größter Skepsis beurteilt werden. Die einzigen, noch dazu spärlichen Berichte, die wir über die Entstehung der Korrespondenz wie auch über die Frage der erst mit 25 Jahren Verzögerung erfolgten Veröffentlichung besitzen, stammen von Šaraf ad-DÐn selbst und erschöpfen sich in den beiden oben vorgestellten Anmerkungen, dem bewußt unklar gehaltenen Vorwort zur Buchausgabe von 1936 sowie der entsprechenden Passage seiner Autobiographie, die noch dazu erst nach seinem Tode erstmals gedruckt wurde und deren eigenes Entstehungsdatum keineswegs als gesi98 chert gelten kann. In keiner der mir bekannten Azhar-Geschichten bzw. Biographien al-BišrÐs wird auch nur am Rande darauf verwiesen. Im Gegenteil: Seine Charakterisierung als überaus konservativer, zu ÝAbduhs Reformen in erbitterter Gegnerschaft befindlicher und den starren Traditionen verhafteter Scheich läßt es als keine sehr plausible Vorstellung erscheinen, daß er sich, in seinem 80. Lebensjahre stehend, auf einen derart revolutionären Dialog mit einem damals ja noch relativ jungen und (jedenfalls den Sunniten) unbekannten schiitischen ÝÁlim eingelassen und sich dabei mit einer derart bescheidenen und demütigen Rolle als sunnitischer Bestätiger vom Dienst zufriedengegeben haben könnte. Als wenig wahrscheinlich mutet es schließlich auch an, daß solch ein traditionalistischer sunnitischer Gelehrter zur Bezeichnung der sunnitischen Gegner der Schia im 20. Jahrhundert den Begriff nawÁÒib verwendet hätte, jenen polemischen Namen aus der schiitischen Häresiographie, der dem sunnitischen rawÁfià für die Schiiten haargenau entgegengesetzt ist und ihm an Verachtung des 99 Gegners in nichts nachsteht. Im Sinne einer Diskussion zweier Gelehrter, die um Annäherung der weit voneinander entfernten Standpunkte bemüht sind, kann das Buch ohnehin kaum interpretiert werden. TaqrÐb bedeutete in Šaraf ad-DÐns Briefen die bloße Bereitschaft, das Gespräch mit den Sunniten zu akzeptieren mit dem ausschließlichen Ziel, diese von ihrem Irrtum zu überzeugen, ohne selbst ein Jota von der eigenen apologetischen Grundhaltung abzurücken. Möglicherweise war es aber gar nicht Šaraf ad-DÐns ursprüngliche Intention, sich mit diesem Buch an die sunnitische Öffentlichkeit zu wenden und eine taqrÐb-Debatte zu eröffnen. Art und Zeitpunkt der Publikation lassen jedenfalls daneben noch andere, weniger kühne, dafür durchaus utilitaristisch zu nennende Motive erkennen: 1936 erschien neben diesem Buch auch seine gegen MÙsÁ ÉÁrallÁh gerichtete Polemik sowie sein „wissenschaftliches curriculum vitae“ Õabt al-i×bÁt. In Verbindung mit diesen beiden Schriften mag Šaraf ad-DÐn mit der Publikation der MurÁÊaÝÁt in erster Linie das Ziel verfolgt haben, sich bei den schiitischen Gelehrten im Irak und in Iran in Erinnerung zu bringen und ihnen einen Nachweis seiner großen Disputationskunst mit einem idealtypischen anonymen Gegner zu liefern. Nur wenige 98 Während sie Šaraf ad-DÐns erster Biograph MurtaÃÁ Àl YÁsÐn 1946 im Vorwort zur zweiten Auflage der MurÁÊaÝÁt als in Manuskriptform vorliegend beschrieb (s. Einl., S. 57f.), bezweifelte ein Jahr später die Redaktion des ÝIrfÁn generell ihre Existenz: Auf eine Anfrage eines senegalesischen Muslims, warum Šaraf ad-DÐn noch keine Erinnerungen an seine Rolle beim Kampf um die Unabhängigkeit 1920 veröffentlicht habe, wurde dem Fragesteller beschieden, derartiges sei unter den ÝulamÁÞ nicht üblich, und höchstwahrscheinlich habe Šaraf ad-DÐn außerdem überhaupt keine Memoiren geschrieben; s. Irf 33/3 (Jan. 1947), 342. 99 al-MurÁÊaÝÁt, Nr. 19; zum Begriff nawÁÒib (Sg. nÁÒibÐ) vgl. Goldziher: Beiträge, 313-18.

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Monate später, im Frühjahr 1937, folgte sein erwähnter ausgedehnter Besuch der schiitischen Gelehrtenzentren, und es ist wohl kaum übertrieben, diese Reise und die sie vorbereitenden Bücher auch in einen Zusammenhang mit dem Tod der beiden hochgeachteten schiitischen ÝulamÁÞ MuÎammad Íusain NÁÞÐnÐ (gest. August 1936) und ÝAbd 100 al-KarÐm al-ÍÁÞirÐ (gest. Februar 1937) zu rücken. Es ist zumindest nicht auszuschließen, daß sich Šaraf ad-DÐn Chancen auf die Anerkennung als deren Nachfolger ausrechnete. Die Hypothese, daß die MurÁÊaÝÁt primär für die Schia selbst verfaßt wurden, wird nicht zuletzt auch durch den Umstand gestützt, daß das Werk erst in den fünfziger Jahren und angesichts der Erfolge der ökumenischen Bewegung erstmals mit dem Gedanken der Annäherung mit der Sunna in Verbindung gebracht wurde. Das alles soll nicht unbedingt heißen, daß es sich bei diesem Buch um eine reine Fiktion handle. Es besteht kein zwingender Grund, Šaraf ad-DÐns Kairo-Reise an sich zu bezweifeln, ebensowenig die Möglichkeit, daß er dabei mit sunnitischen Würdenträgern bis hin zum ŠaiÌ al-Azhar in Berührung gekommen sein könnte und mit ihnen auch über die Frage des Imamats diskutierte. In der vorliegenden Fassung jedoch ist darin mit der größten Wahrscheinlichkeit die stark stilisierte Version einer Debatte zu sehen, die sich nicht tatsächlich so abgespielt hat (was Šaraf ad-DÐn im Vorwort ja auch eingesteht), die aber in seinen Augen – und in der Sicht derer, die ihm bis heute darin nachfolgen – so ablaufen müßte, um zum gewünschten Ziel zu führen. Nicht Authentizität war sein Anliegen bei der Abfassung der MurÁÊaÝÁt, sondern das Schreiben 101 der Geschichte „as it should have been.“

100 Über NÁÞÐnÐ (1860-1936) s. ÓAŠ I.2/593-96; RF III/1261f.; Momen: Introduction, 318; Nagel: Staat und Glaubensgemeinschaft, II/278-304 (zu NÁÞÐnÐs Hauptwerk TanbÐh al-umma wa-tanzÐh almilla); zu al-ÍÁÞirÐ (1859-1937), dem Gründer der Íouze-ye ÝelmÐ-ye in Qom, s. ÓAŠ I.3/1158-67; Momen: Introduction, 312f.; EI2 S/342f. (A.H. Hairi) sowie v.a. GD I/154-203 und 281-304. 101 B. Lewis: History – Remembered, Recovered, Invented, Princeton 1975, 71.

4. KAPITEL Kalifat und Ökumene (1924–1939)

Die Abschaffung des Kalifats Der Ausgang des Ersten Weltkriegs hatte nicht nur in Europa die Machtverhältnisse völlig neu geordnet, sondern im Zuge dessen auch im Nahen und Mittleren Osten tiefgreifende Veränderungen zur Folge gehabt. Das Osmanische Reich, das auf seiten des Deutschen Kaiserreichs und der Habsburger Doppelmonarchie Österreich-Ungarn in den Krieg eingetreten war und (im Verbund mit den irakischen schiitischen ÝulamÁÞ) zum ÊihÁd aufgerufen hatte, wurde mit dem Friedensvertrag von Sèvres (10. August 1920) zerschlagen und nach Abtrennung sämtlicher arabischer Provinzen auf einen Bruchteil des vorherigen Territoriums reduziert. Aus den von den Europäern geschürten Hoffnungen auf ein Großarabisches Reich unter Führung des Scherifen von Mekka wurde jedoch nichts, das Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds wurde statt dessen eben1 falls aufgeteilt und als Mandat englischer bzw. französischer Kontrolle unterstellt. Der Zusammenbruch des Osmanischen Reichs vollzog sich auch abseits des Schlachtfelds und zeitversetzt in jenem Bereich, den sich die Herrscher in Istanbul seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in besonderem Maße hatten angelegen sein lassen: dem der geistigen Führung der Muslime und der Schutzherrschaft über den Islam, wie sie dem osmanischen Herrscher in seiner Personalunion als Sultan und Kalif zukam. Artikel 4 der osmanischen Verfassung von 1876 hatte diesen Anspruch ausdrücklich festgeschrieben: „Der Sultan ist als Kalife der Beschützer der islamischen Religion, 2 der Beherrscher und Kaiser (pÁdišÁh) aller osmanischen Untertanen“, und Sultan ÝAbdülÎamÐd II., der sich ansonsten recht wenig um die Verfassungsmäßigkeit seiner Regierung kümmerte, tat mit seinem pan-islamischen Auftreten alles, wenigstens die3 sem Passus Geltung zu verschaffen. Bei den sunnitischen Untertanen im Osmani1 P. Heine: Die Herausbildung der modernen Staatenwelt, in: U. Steinbach / R. Robert (eds.): Der Nahe und der Mittlere Osten (…), Opladen 1988, I/115-33; zur Mandatsherrschaft vgl. den Artikel Mandates, EI2 VI/385-400 (J.M. Landau) mit einer an Gründlichkeit kaum noch zu überbietenden Bibliographie; zum ÊihÁd-Aufruf der irakischen ÝulamÁÞ s. oben, S. 30 Anm. 65. 2 Die Verfassungsgesetze des Osmanischen Reiches. Übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Friedrich von Kraelitz-Greifenhorst, Wien 1919, 31. 3 Über die Regierungszeit ÝAbdülÎamÐds II. (1876-1909) informiert F. Georgeon: Le dernier sursaut (1878-1908), in: R. Mantran (ed.): Histoire de l’Empire Ottoman, Paris 1989, 523-76.

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schen Reich und über dessen Grenzen hinaus mochten zwar einzelne Punkte zuweilen auf Kritik stoßen – etwa, daß es sich bei den Amtsinhabern um Türken und nicht um Araber aus dem Stamm der Quraiš handelte, wie es die klassische Kalifatstheorie vorschrieb –, die Existenz des Kalifats an sich jedoch stand außer Frage. Um so größer war die Erschütterung, die die Große Türkische Nationalversammlung auslöste, als sie am 3. März 1924 das Kalifat für abgeschafft erklärte. Mustafa Kemal Pascha „Atatürk“, der seit 1919 das Heft in der Hand hielt und sich anschickte, aus den Trümmern des Osmanischen Reichs den streng laizistisch ausgerichteten Nationalstaat Türkei aufzubauen, hatte damit endgültig mit der osmanisch-islamischen Vergangenheit gebrochen. Der letzte Kalif ÝAbdülmecit II., der erst seit der Abschaffung des Sultanats im November 1922 im Amt war, dessen reale Machtbefugnissse jedoch kaum über die der abbasidischen Scheinkalifen unter den Mamluken im späten Mittelalter hinausgingen, wurde abgesetzt und mitsamt allen Angehörigen des ehema4 ligen Herrscherhauses des Landes verwiesen. Damit hatte man aber zugleich auch das letzte – wenigstens noch theoretische – Symbol der Einheit der (sunnitischen) Muslime unter einer zentralen Oberhoheit beseitigt. Die tatsächliche politische Macht frühislamischer Kalifen hatten ihre Nachfolger ohnedies schon lange nicht mehr besessen. Vielmehr tat sich schon in den ersten Jahrhunderten der islamischen Geschichte eine tiefe Kluft auf zwischen den von der šarÐÝa geforderten Normen weltlicher Machtausübung und den tatsächlichen Gegebenheiten, die sich trotz mehrfacher Reformversuche islamischer Theologen nicht mehr schließen ließ. Die klassische Kalifatstheorie, wie sie ab dem 11. Jahrhundert beginnend mit al-MÁwardÐ (gest. 1058) formuliert wurde, setzte erst zu einem Zeitpunkt ein, da de facto bereits die sich als Sultane bezeichnenden Heerführer die Macht übernom5 men hatten. In den darauffolgenden Jahrhunderten begnügten sich die ÝulamÁÞ auf dem Gebiet des Staatsrechts damit, die Theorie der jeweils gerade eingetretenen politischen Wirklichkeit – nämlich dem zunehmenden Machtverfall des Kalifats – anzupas6 sen, sozusagen „die normative Kraft des Faktischen“ zu sanktionieren. Die Wiederentdeckung der legitimierenden Funktion des Kalifats durch die Osmanen erfolgte erst, als deren reale Machtstellung bereits deutlich im Verfall begriffen war, nämlich 1774 mit dem Friedensvertrag von Küçük Kaynarca, der den Verlust der Krim besiegelte, dem Sultan aber immerhin noch ein bescheidenes Maß an (geistiger) Führung der Muslime außerhalb der Grenzen des Osmanischen Reichs einräumte. Auch wenn damit keinerlei reale politische Einflußsteigerung mehr verbunden war, so hatten die Politik der Hohen Pforte seit dem 19. Jahrhundert sowie das Aufkommen des Pan-Islamismus im allgemeinen es immerhin zuwege gebracht, die Institution des Kalifats 4 G. Jäschke: Das osmanische Scheinkalifat, WI 1/1951/195-228; zur Abschaffung des Kalifats s. Enayat: Modern Islamic Political Thought, 52-68; S. Haim: The Abolition of the Caliphate and its Aftermath, in: T. Arnold: The Caliphate, London 21965, 205-44; vgl. auch OM 4/1924/137-53. 5 E.I.J. Rosenthal: Politisches Denken im Islam. Kalifatstheorie und politische Philosophie, Saeculum 23/1972/148-71, bes. 154; zum Hintergrund dieser Entwicklung s. I.M. Lapidus: The Separation of State and Religion in the Development of Early Islamic Society, IJMES 6/1975/363-85; über die klassische Kalifatstheorie s. auch Nagel: Staat und Glaubensgemeinschaft, I/279-441. 6 Der Ausdruck stammt von dem wilhelminischen Staatsrechtler Georg Jellinek (1851-1911), s. seine Allgemeine Staatslehre, Berlin 31922, 337ff.

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wieder in den Mittelpunkt der Diskussion um die Zukunft der Muslime angesichts des Vordringens des Kolonialismus zu rücken. Als sich am Ende des Ersten Weltkriegs der Zusammenbruch des Osmanischen Reichs abzeichnete, zeigte es sich, in welchem Maße diese Debatte in der Zwischenzeit zu einer gesamtislamischen Angelegenheit geworden war: Ihren vermutlich stärksten Widerhall fand sie unter den indischen Muslimen, die selbst nie unter der Herrschaft des Kalifats gestanden hatten. In dem von ihnen gegründeten Kalifatskomitee beschränkte sich die Mitwirkung darüber hinaus keineswegs nur auf Sunniten, sondern umfaßte auch Schiiten und in der Person Aga 7 Khans sogar den Führer der ismailitischen Muslime. Unvermittelt und ironischerweise bildete mit der Kalifatsdebatte ausgerechnet jene Frage, die ursprünglich Sunniten und Schiiten entzweit hatte, nun den Ausgangspunkt für die ersten Kontakte, bei denen es auch um eine juristisch-theologische Annäherung der Standpunkte der beiden Konfessionen ging. Für die schiitischen Gelehrten mochte dabei weniger die Krise um die Abschaffung des Kalifats das ausschlaggebende Moment gewesen sein als vielmehr das zweite Ereignis, das 1924 die islamische Welt bewegte. Vom zentralarabischen NaÊd aus blies der wahhabitische Emir ÝAbd al-ÝAzÐz b. SaÝÙd (1880-1953) zum Sturm auf die Heiligen Stätten im ÍiÊÁz, der im September 1924 begann und nach der Einnahme Mekkas (Oktober 1924) und Medinas (Dezember 1925) schließlich Anfang 1926 mit der Proklamation Ibn SaÝÙds zum König des 8 ÍiÊÁz abgeschlossen wurde. Das kurzlebige Nachfolgekalifat unter dem haschimitischen Scherifen von Mekka Íusain b. ÝAlÐ (1853-1931; selbsternannter Kalif von März bis Oktober 1924), der im Juli noch einen Pilgerfahrtskongreß einberufen hatte, und seinem Sohn und Nachfolger ÝAlÐ (1881-1935) war zu Ende, noch ehe es richtig 9 angefangen hatte. Was die Schiiten an diesen Ereignissen in besonderer Weise beunruhigen mußte, war der Umstand, daß es sich bei den Eroberern um Angehörige der als extrem puritanisch bekannten WahhÁbÐya handelte, deren strikt gegen jede Form der Heiligenverehrung gerichtete Haltung sich auch und in erster Linie gegen den bei der Schia üblichen Gräberkult rund um die Begräbnisstätten der Imame wandte. Daß sich die Wahhabiten nicht auf eine bloße akademische Verurteilung des Gräberkults als unzulässige Neuerung (bidÝa) beschränkten, bewiesen sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der 10 Plünderung Kerbelas (1802) und der Zerstörung der Grabkuppeln in Medina 7 Enayat: Modern Islamic Political Thought, 43; Landau: Politics, 176-215; Art. KhilÁfa, KhilÁfat Movement, EI2 V/7 (A.C. Niemeijer) und die dort zitierte Literatur; G. Minault: The Khilafat Movement. Religious Symbolism and Political Mobilization in India, New York 1982; über das Echo in Tunesien informiert MuÎammad aš-ŠaÝbÙnÐ: ÑadÁ ilÈÁÞ al-ÌilÁfa fÐ l-bilÁd at-tÙnisÐya, Tunis 1985; zu anderen Initiativen in dieser Richtung zwischen 1918 und 1923 s. Kramer: Islam Assembled, 69-79. 8 OM 6/1926/43f.; Schulze: Internationalismus, 72f.; Holden / Johns: The House of Saud, 82-86; J. Habib: Ibn SaÝÙd’s Warriors of Islam. The Ikhwan of Najd and Their Role in the Creation of the SaÝudi Kingdom, 1910-1930, Leiden 1978. 9 Kramer: Islam Assembled, 80-85; zu den beiden Kalifen, die außerhalb des ÍiÊÁz kaum Anerkennung fanden, s. az-ZiriklÐ II/249f. (Íusain) und IV/281f. (ÝAlÐ). 10 Nicht 1801, wie in einem Teil der Sekundärliteratur zu lesen; vgl. J. Reissner: Kerbela 1802, ein Werkstattbericht zum „Islamischen Fundamentalismus“, als es ihn noch nicht gab, WI 28/1988/ 431-44.

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(1804). Wie zur Bestätigung der schiitischen Befürchtungen fielen 1926 die medi12 nensischen Gräber erneut dem Glaubenseifer der Wahhabiten zum Opfer. Unmittelbar nach dem türkischen Parlamentsbeschluß, der das Kalifat liquidierte, erging aus den Reihen der Azhar der Aufruf zu einem internationalen Kongreß, auf dem die neue Situation eingehend beraten und ein neuer Kalif gewählt werden sollte. Auf Einladung des ŠaiÌ al-Azhar MuÎammad AbÙ l-FaÃl al-ÉÐzÁwÐ sollte dieser Kongreß im März 1925 in Kairo stattfinden und – jedenfalls nach dem Willen der Organi13 satoren – dem ägyptischen König FuÞÁd die Kalifenwürde antragen. Mangelnde Unterstützung für diesen Plan veranlaßte die Azhar, die Konferenz um ein Jahr zu verschieben, was jedoch nichts an seiner letztlichen Erfolglosigkeit änderte. Als sich die Delegierten schließlich im Mai 1926 versammelten, vermochten sie sich nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise zu einigen, geschweige denn einen neuen Kalifen zu wählen. Die Beratungen wurden nach nicht einmal einer Woche beendet, ohne daß zu einem späteren Zeitpunkt je der Versuch unternommen wurde, sie – wie eigentlich 14 vorgesehen – wiederaufzunehmen. In welch gereizter Atmosphäre die Kalifatsfrage zu jener Zeit diskutiert wurde, zeigt das Beispiel des Richters und Azhar-Absolventen ÝAlÐ ÝAbd ar-RÁziq. Dieser hatte in seinem 1925 erschienenen Buch al-IslÁm wa-uÒÙl al-Îukm die These aufzustellen gewagt, daß die šarÐÝa rein spiritueller Natur sei und die Mission MuÎammads dementsprechend nur das religiöse Gesetz umfaßt und nicht auf die Errichtung politischer Macht abgezielt habe. Das Kalifat, für dessen Notwendigkeit weder im Koran noch in 15 der Sunna Anhaltspunkte zu finden seien, war damit in seinen Augen entbehrlich. Die Reaktion der Azhar erfolgte prompt und unerbittlich: Der Rat der Groß-ÝulamÁÞ, der über ÝAbd ar-RÁziq zu Gericht saß, erkannte ihm sein Gelehrtendiplom ab (was den Verlust seines Richteramtes zur Folge hatte) und stieß ihn aus dem Kreis der Azhargelehrten aus. Der bereits erwähnte zeitweilige ägyptische MuftÐ MuÎammad alBaÌÐt ging sogar noch einen Schritt weiter und erklärte den Autor in einem separaten 16 FatwÁ zum Häretiker. 11 Neben der Prophetentochter FÁÔima sind in Medina vier schiitische Imame bestattet: al-Íasan b. ÝAlÐ (2.), ÝAlÐ Zain al-ÝÀbidÐn (4.), MuÎammad al-BÁqir (5.) und ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq (6.). 12 Vgl. OM 6/1926/287-89, 310, 337f., 355f.; 7/1927/277; zur Beurteilung der WahhÁbÐya bei sunnitischen Gelehrten s. W. Ende: Religion, Politik und Literatur in Saudi-Arabien (I), bes. 381ff.; über die wahhabitische Doktrin allg. s. Laoust: Essai, 506-40. 13 Kedourie: Egypt and the Caliphate, 182ff.; Vatikiotis: The History of Egypt, 303f.; zu alÉÐzÁwÐ (1847-1927) s. ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/3-8 sowie Lemke: ŠaltÙt, 48 Anm. 2 und Schulze: Internationalismus, 75 Anm. 197. 14 Vgl. zum Kongreß und zu den langwierigen Vorbereitungen ausführlich Kramer: Islam Assembled, 86-101 und 183-85 (Statuten); OM 6/1926/256-73; Teilnehmerliste bei Schulze: Internationalismus, 77f. 15 ÝAlÐ ÝAbd ar-RÁziq: al-IslÁm wa-uÒÙl al-Îukm, Kairo 1925; französische Übersetzung in REI 7/1933/353-90 und 8/1934/163-222; Neuübersetzung v. Abdou Filali-Ansary Paris 1994 u.d.T. L’islam et les fondements du pouvoir; italienische Übersetzung Florenz 1957; zum Autor (1888-1966) s. az-ZiriklÐ IV/276 sowie die folgende Anmerkung. 16 MuÎammad RaÊab al-BayyÙmÐ: Mauqif al-Azhar min al-kitÁb „al-IslÁm wa-uÒÙl al-Îukm“, MA 55/7 (April 1983), 950-58; Hourani: Arabic Thought, 183-92; Schulze: Internationalismus, 75f. und die dort genannte Literatur; vgl. auch Enayat: Modern Islamic Political Thought, 52-68; R. Wielandt: Offenbarung und Geschichte, 95-99; C. Helle: al-IslÁm wa-uÒÙl al-Îukm. ÝAlÐ ÝAbd ar-RÁ-

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Für eine ökumenische Diskussion mit dem Ziel einer Annäherung der Konfessionen war der Kairiner Kalifatskongreß nicht vorgesehen gewesen, doch war es in den Monaten vor dem Zusammentreten der Konferenz zu einer ersten behutsamen Kontaktaufnahme der Azhar mit schiitischen Gelehrten gekommen, nachdem man Einladungen nicht nur an die Vertreter der sunnitischen Rechtsschulen, sondern auch an 17 Ibaditen, Zaiditen und Imamiten verschickt hatte. Der ägyptische Gesandte in Teher18 an, ÝAbd al-ÝAÛÐm RašÐd PÁšÁ, hatte die Initiative ergriffen und seit dem Januar 1926 versucht, sowohl die schiitischen Gelehrten in Qom als auch die Regierung in Teheran zur Teilnahme von Schiiten am Kalifatskongreß zu bewegen. Offensichtlich war man jedoch weder auf seiten der schiitischen ÝulamÁÞ noch innerhalb der iranischen Regierung auf dieses Angebot vorbereitet. Die unentschlossene und zögerliche Haltung der Gelehrten, die diplomatische Hinhaltetaktik ReªÁ ŠÁhs sowie die Intervention der britischen Behörden in Ägypten, die RašÐds Aktivitäten mit Argwohn verfolgten und schließlich unterbanden, sorgten dafür, daß die Initiative scheiterte. Als der ŠaiÌ al-Azhar endlich eine offizielle Einladung übermittelte, sagte die Teheraner Regierung quasi stellvertretend für die schiitischen ÝulamÁÞ ab und begründete diesen Schritt damit, daß die Gelehrten nicht genügend Zeit hätten, die Kalifatsfrage eingehend zu studieren – eine ebenso bemerkenswerte wie für die Machtverhältnisse unter ReªÁ ŠÁh und sein Verhältnis zur Geistlich19 keit bezeichnende Argumentation. Die Schia war auf diese Weise in Kairo nicht durch einen Gelehrten vertreten, sondern lediglich durch einen einzelnen Beobachter namens MoÎammad RafÐÝ MiškÐ, einen Kaufmann und Abgesandten der iranischen 20 Botschaft in Kairo.

ziqs Beitrag zur Kalifatsdiskussion (1925) und seine Fortwirkung in der innerislamischen Auseinandersetzung, unveröffentlichte Magisterarbeit, Phil. Fak., Freiburg 1993; vgl. an neueren „Widerlegungen“ MuÎammad ÝImÁra: MaÝrakat al-islÁm wa-uÒÙl al-Îukm, Kairo 1410/1989; MuÎammad ÉalÁl Kišk: ÉahÁlÁt ÝaÒr at-tanwÐr: qirÁÞa fÐ fikr QÁsim AmÐn wa-ÝAlÐ ÝAbd ar-RÁziq, Kairo 1410/ 1990. 17 Zur IbÁÃÐya s. EI2 III/648-60 (T. Lewicki); U. Rebstock: Die IbÁÃiten im MaÈrib (2./8.-4./10. Jahrhundert). Die Geschichte einer Berberbewegung im Gewand des Islam, Berlin 1983; P. Shinar: IbÁÃiyya and Orthodox Reformism in Modern Algeria, in: U. Heyd (ed.): Studies in Islamic History and Civilization, Jerusalem 1961, 97-120; J. C. Wilkinson: IbÁÃÐ Theological Literature, in: M. J. L. Young et al. (eds.): Religion, Learning, and Science in the ÝAbbÁsid Period, Cambridge 1990, 33-39. 18 OM 6/1926/162. 19 Kramer: Islam Assembled, 91-93. 20 OM 6/1926/268; s. auch M. Yadegari: The Iranian Settlement in Egypt as Seen Through the Pages of the Community Paper Chihrinima (1904-1966), MES 16/1980/98-114, hier 101; an dem einige Wochen nach der Kairiner Versammlung auf Einladung Ibn SaÝÙds in Mekka stattfindenden Islamischen Weltkongreß nahmen (in diesem Fall aus naheliegenden Gründen) ebenfalls keine schiitischen Gelehrten teil; s. Kramer: Islam Assembled, 106-22; eine Teilnehmerliste ist abgedruckt bei Schulze: Internationalismus, 82f.; s. auch Makka al-Mukarrama wa-l-muÞtamar al-islÁmÐ, Irf 12/1 (Sept. 1926), 3f.

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Jerusalem 1931 und die Folgen Fünf Jahre später war es so weit. Als sich vom 7. bis zum 17. Dezember 1931 etwa 21 150 Delegierte aus über 20 islamischen Ländern in Jerusalem zum Allgemeinen Islamischen Kongreß (al-muÞtamar al-islÁmÐ al-ÝÁmm) einfanden, saßen erstmals sunnitische und schiitische Gelehrte im Rahmen eines pan-islamischen Treffens an einem Tisch, um über die Möglichkeiten einer innerislamischen Annäherung der Rechtsschulen zu diskutieren. Auch wenn das Thema nicht im Mittelpunkt der Konferenz stand, so schuf ihr Organisator, der (seit 1921 amtierende) MuftÐ von Jerusalem MuÎammad 22 AmÐn al-ÍusainÐ, der die Versammlung nicht zuletzt als eine Reaktion auf den Zio23 nistenkongreß in Zürich 1929 einberufen hatte, damit dennoch das erste wirklich bedeutende Forum einer innerislamischen ökumenischen Debatte. Von zeitgenössischen europäischen Beobachtern wurde die Einladung und Zusage schiitischer ÝulamÁÞ als 24 „the first outward manifestation of a new spirit of co-operation“ denn auch in besonderem Maße hervorgehoben. Als Wortführer der taqrÐb-Debatte von Jerusalem etablierten sich von Beginn an der hier bereits mehrfach genannte ägyptische Gelehrte und Publizist MuÎammad RašÐd RiÃÁ auf sunnitischer Seite und der ebenfalls schon erwähnte irakische ÝÁlim MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ als Vertreter der 25 Schia. Das verdient insofern besonders hervorgehoben zu werden, als beide zur selben Zeit in überaus heftige und langanhaltende polemische Auseinandersetzungen mit Vertretern der jeweils anderen Konfession verwickelt waren. RašÐd RiÃÁ hatte nämlich noch vor dem Ersten Weltkrieg seine um die Jahrhundertwende im ManÁr an den Tag gelegte schiafreundliche Haltung in Teilen aufgegeben und dadurch verschiedentlich den Zorn schiitischer Gelehrter auf sich gezogen. Einen ersten Höhepunkt erreichte der Streit bereits 1908, als RašÐd RiÃÁ einen Brief eines namentlich nicht genannten irakischen Sunniten abdruckte, in dem dieser der Schia vorwarf, die Institution der Zeitehe (mutÝa) als Lockmittel zum Zweck der Kon26 version sunnitischer Stämme im Irak einzusetzen. Der libanesische Schiit MunÐr 21 Vgl. die (im Detail voneinander abweichenden) Teilnehmerlisten bei Schulze: Internationalismus, 95-100 und Kupferschmidt: The General Muslim Congress, 158-62 (identisch mit idem: The Supreme Muslim Council. Islam under the British Mandate for Palestine, Leiden 1987, 267-71). 22 Über ihn (1897-1974) s. az-ZiriklÐ VI/45f.; MDA IV/220-25; EI2 S/67-70 (D. Hopwood); P. Mattar: The Mufti of Jerusalem: al-Hajj Amin al-Husayni and the Palestinian National Movement, New York 1988; zu seiner Rolle in der ökumenischen Vereinigung s. unten, S. 138f.; zur Konferenz von Jerusalem im allg. s. Kramer: Islam Assembled, 123-41; Landau: Politics, 240-42 sowie die bei Schulze: Internationalismus, 94 Anm. 257 genannte Literatur; RašÐd RiÃÁ berichtete im ManÁr ebenfalls ausführlich über den Kongreß: al-MuÞtamar al-islÁmÐ al-ÝÁmm fÐ bait al-maqdis, al-ManÁr 32/2 (Febr. 1932), 113-32 und 32/3 (März 1932), 193-208. 23 Auf dem vom 28.7. bis 10.8.1929 tagenden Kongreß in Zürich, dem sechzehnten seiner Art (der erste fand Ende August 1897 in Basel statt), war u.a. beschlossen worden, die Jewish Agency zu vergrößern; als daraufhin im August 1929 Unruhen in Palästina ausbrachen, sahen sich die britischen Behörden sogar gezwungen, die jüdische Immigration vorübergehend einzuschränken; s. Art. Zionist Congresses, Encyclopaedia Judaica (Jerusalem 1971), XVI/Sp. 1164-78, bes. 1172f. (G. Kressel). 24 Gibb: The Islamic Congress, 101; s. auch OM 12/1932/35ff. 25 Vgl. oben, S. 27ff. bzw. S. 43 Anm. 38. 26 KalimÁt Ýan al-ÝIrÁq wa-ahlihi li-ÝÁlim ÈayÙr ÝalÁ d-daula wa-maÆhab ahl as-sunna, al-ManÁr 11/1 (März 1908), 45-49 (bei dem sunnitischen Autor handelte es sich um MuÎammad KÁmil ar-RÁ-

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ÝUsairÁn wies im Jahr darauf im ersten Jahrgang des ÝIrfÁn diese Unterstellungen entschieden zurück und bezeichnete sie als Teil jener „Lügenmärchen“ (ÌuzaÝbalÁt), die den Mißverständnissen zwischen Sunniten und Schiiten entsprängen und eine Eini27 gung der Muslime verhinderten. Eine ausführlichere Antwort auf diesen sunnitischen Angriff verfaßte MuÎsin al-AmÐn in einer Streitschrift namens al-ÍuÒÙn al-manÐÝa fÐ radd mÁ auradahu ÒÁÎib al-ManÁr fÐ Îaqq aš-šÐÝa, in der er der Behandlung des schi28 itischen Standpunkts bezüglich der mutÝa großen Raum vorbehielt. Anderthalb Jahrzehnte später geriet RašÐd RiÃÁ erneut – und dieses Mal noch heftiger als zuvor – mit schiitischen ÝulamÁÞ aneinander. Inzwischen hatte er sich von seiner ursprünglich prohaschimitischen Haltung abgewandt und war, in schroffer Gegnerschaft zum Scherifen 29 Íusain, dessen Kalifatsansprüche er rundweg ablehnte, zum wohl wichtigsten publizistischen Unterstützer der sich auf dem Vormarsch befindenden Wahhabiten geworden. In einer Sammlung von vorher im ManÁr erschienenen Artikeln, die er 1925/26 unter dem Titel al-WahhÁbÐyÙn wa-l-ÍiÊÁz erscheinen ließ, hatte er seine Beweggründe für diesen Schritt in aller Ausführlichkeit geschildert und seinen Kurswechsel unter anderem mit dem Hinweis auf Ibn SaÝÙds vollständige Unabhängigkeit von europäi30 schen Mächten gerechtfertigt. Die Schia konnte das damit verbundene offene Eintreten gerade dieses überall in der islamischen Welt wohlbekannten Publizisten für die wahhabitische Doktrin nicht unbeteiligt lassen, um so weniger, als die Auseinandersetzung nach Ibn SaÝÙds Machtübernahme auf der Arabischen Halbinsel den Bereich einer akademischen Fehde bald verließ. Nach der Zerstörung der mekkanischen und medinensischen Grabkuppeln sowie den dezidiert antischiitischen Stellungnahmen wahfiÝÐ); s. dazu ausführlich Ende: Ehe auf Zeit, 29-31; zur Frage der Konversion sunnitischer Stämme zur Schia vgl. Y. Nakash: The Conversion of Iraq’s Tribes to ShiÝism, IJMES 26/1994/443-63. 27 Kašf as-sitÁr Ýan šubhat ÝÁlim kataba Ýan aÎwÁl al-ÝIrÁq fÐ l-ManÁr, Irf 1/7 (Juli 1909), 350-55; 1/8 (Aug. 1909), 393-95; 1/10 (Okt. 1909), 492-94, Zitat 494; zu ÝUsairÁn (1877-1946/47) s. KaÎÎÁla XIII/24 sowie ÅTŠ IV/211, XVII/243 und XVIII/38. 28 Damaskus 1910, Neuaufl. Beirut 1405/1985; über die mutÝa ibid., S. 48-106; zum Buch s. ÅTŠ VII/25; Irf 2/4 (April 1910), 222f. und 2/5 (Mai 1910), 275f.; auf Veranlassung des syrischen SalafÐya-Gelehrten ÉamÁl ad-DÐn al-QÁsimÐ (1866-1914; s. Commins: Islamic Reform, passim, v.a. 6588 sowie die bei Ende: Arabische Nation, 61 in Anm. 1 und bei Hermann: Kulturkrise, 30 in Anm. 4 genannte Literatur) schrieb der Iraker MaÎmÙd ŠukrÐ al-ÀlÙsÐ (zu ihm s. unten, S. 200 Anm. 58) eine Antwort auf al-AmÐns Buch u.d.T. ar-Radd ÝalÁ ÒÁÎib kitÁb al-ÎuÒÙn al-manÐÝa, die sehr viel später in al-ManÁr 29/6 (Okt. 1928), 433-41 abgedruckt wurde; s. auch RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa, I/49ff.; auch das bereits erwähnte Buch aš-ŠÐÝa wa-l-ManÁr, das angeblich von MuÎsin al-AmÐn stammt, soll in diesem Zusammenhang entstanden sein, s. oben, S. 46f. Anm. 55; s. auch MuÎsin al-AmÐn: Kašf alirtiyÁb, 504; zu dieser Kontroverse von 1908-10 vgl. allg. Boberg: Ägypten, 202-08. 29 RašÐd RiÃÁ: IntiÎÁl as-Sayyid Íusain AmÐr Makka li-l-ÌilÁfa, al-ManÁr 25/5 (Juli 1924), 390400. 30 Boberg: Ägypten, 217f.; Schulze: Internationalismus, 79f.; RašÐd RiÃÁ, der auch in den Jahren vorher immer wieder kritische Artikel über einzelne Streitpunkte mit der Schia veröffentlicht hatte (s. al-ManÁr 19/1 [Juni 1916], 33-50: Verteidigung AbÙ Hurairas gegen schiitische Verdächtigungen; 22/1 [Dez. 1920], 34-42: über schiitische ÝÁšÙrÁÞ-Praktiken), war nicht der einzige, der von den Haschimiten zur WahhÁbÐya umschwenkte: zwei weitere, nicht minder prominente Beispiele sind MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb sowie der drusische Emir ŠakÐb ArslÁn (1869-1946), den mit RašÐd RiÃÁ eine langjährige Freundschaft verband, s. sein as-Sayyid RašÐd RiÃÁ au iÌÁÞ arbaÝÐn sana, Damaskus 1937; zu ArslÁn vgl. az-ZiriklÐ III/173-75 sowie W.C. Cleveland: Islam Against the West. Shakib Arslan and the Campaign for Islamic Nationalism, London 1985.

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habitischer Theologen war für die Schia schlichtweg die Möglichkeit der Pilgerfahrt in Frage gestellt. Es überrascht daher kaum, daß bei der alsbald einsetzenden wechselseitigen Polemik die Frage des Gräberkults der Schia eindeutig in den Mittelpunkt ge32 stellt wurde. Gegen Ende der zwanziger Jahre nahmen die Angriffe nochmals an Schärfe zu, nachdem es wiederum MuÎsin al-AmÐn gewesen war, der in der über 500 Seiten starken Streitschrift Kašf al-irtiyÁb fÐ atbÁÝ MuÎammad b. ÝAbd al-WahhÁb mit 33 der WahhÁbiya abgerechnet hatte. RašÐd RiÃÁ, der in diesem Streit auch vor persönlichen Angriffen nicht zurückschreckte und seinen Gegenspieler fortan als ar-rÁfiÃÐ zu titulieren pflegte, knüpfte in seiner Entgegnung bewußt an seine erste Auseinandersetzung mit al-AmÐn an, legte jedoch größten Wert auf die Feststellung, daß er selbst schon viel für die Annäherung zwischen Sunniten und Schiiten getan habe und weiterhin zu tun bereit sei, wenn nur diesen „abergläubischen Ansichten und Neuerungen“ 34 (al-ÌurÁfÁt wa-l-bidaÝ) Einhalt geboten würde. Bis zum Beginn der Jerusalemer Konferenz war die Polemik nicht abgeflaut, und noch Jahre später erschienen in dieser An35 gelegenheit sunnitische wie schiitische Widerlegungen der jeweils anderen Seite. MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ war in der sunnitisch-schiitischen Debatte jener Jahre gleichfalls nicht untätig geblieben. Besonders einige gegen die Schia gerichtete und später vielzitierte Äußerungen des ägyptischen Historikers AÎmad AmÐn, 36 die an anderer Stelle eingehender behandelt werden sollen, erregten seinen Unmut. 1931, unmittelbar vor dem Allgemeinen Islamischen Kongreß, kam es zu einem persönlichen Treffen der beiden in NaÊaf, das für den irakischen Gelehrten letztlich den Ausschlag gab, die schiitische Sicht des Islams im allgemeinen darzulegen. Das daraus resultierende Buch AÒl aš-šÐÝa wa-uÒÙluhÁ, eine der berühmtesten und einflußreichsten 37 Apologetiken der Schia im 20. Jahrhundert, erschien im Jahr darauf. 31 OM 7/1927/277. 32 MuÎammad ÝAlÐ al-ÍÁÞirÐ: al-MašÁhid al-mušarrafa wa-l-wahhÁbÐyÙn, NaÊaf 1345/1926 (s.

MMN 320), ÝAlÐ an-NaqÐ b. ÝAlÐ AbÐ l-Íasan b. IbrÁhÐm: Kašf an-niqÁb Ýan ÝaqÁÞid ÝAbd al-WahhÁb, NaÊaf 1345/1926 (s. MMN, 285); s. auch Irf 10/6 (März 1925), 590-95 sowie eine lange Debatte zwischen dem irakischen Schiiten MuÎammad MahdÐ al-KÁÛimÐ al-QazwÐnÐ (gest. 1939; s. MMI II/253f.; AŠ X/153; Irf 30/1-2 [Febr.-März 1940], 100-03) und dem Sunniten MuÎammad b. ÝAbd al-QÁdir alHilÁlÐ, die vom Juni 1927 bis zum März 1928 im ManÁr abgedruckt wurde: Bd. 28, S. 349-67, 439-49, 516-33, 593-601, 684-92, 776-81 und Bd. 29, S. 57-62. 33 Damaskus 1347/1928 (s. ÅTŠ XVIII/9; zu einer Neuauflage s. Irf 50/4 [Nov. 1962], 437); Nachdruck o.O., ca. 1981 (Maktabat al-Yaman al-KubrÁ), über den Gräberkult ibid., S. 357-482; pers. Übersetzung u.d.T. TÁrÐ̦e wa naqd wa bar-rasÐ-ye ÝaqÁÞed wa aÝmÁl-e WahhÁbÐhÁ, Teheran 1357hš/1978, 21986; s. auch Ende: Ehe auf Zeit, 32f. 34 RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa, I/26-31, bes. 30; von Februar 1929 bis Mai 1930 wurde keine Ausgabe des ÝIrfÁn publiziert, die nicht auch Angriffe auf den ManÁr enthalten hätte, am ausführlichsten äußerte sich MuÎsin al-AmÐn selbst unter der Überschrift Man al-mufarriq bain al-muslimÐn: Irf Bd. 18 (Aug.-Dez. 1929), 203-12, 371-79, 497-505, 616-23 und Bd. 19 (Jan.-Mai 1930), 81-88, 22937, 346-52, 537-64. 35 Vgl. z.B. al-QaÒÐmÐ: aÒ-ÑirÁÝ bain al-islÁm wa-l-wa×anÐya, sowie die Antwort darauf von alËunaizÐ: ad-DaÝwa al-islÁmÐya ilÁ waÎdat ahl as-sunna wa-l-imÁmÐya; zu RašÐd RiÃÁs as-Sunna wa-ššÐÝa s. auch al-AmÐnÐ: al-ÇadÐr fÐ l-kitÁb wa-s-sunna wa-l-adab, III/266-87; s. allg. Boberg: Ägypten, 209-32. 36 Vgl. unten, S. 130ff. 37 Sidon 1932 (seither zahlreiche Neuauflagen); s. ÅTŠ II/169; Irf 23/2 (Okt. 1932), 321; MMN, 82 (Nr. 122); engl. Übers. Qom 1989, frz. Übers. Teheran 1990; s. Naef: Un réformiste chiite, passim.

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Von diesen Auseinandersetzungen war bei den einzelnen Sitzungen der Jerusalemer Konferenz nichts zu spüren. Das lag zum einen daran, daß der Schwerpunkt des Kongresses auf anderen Themen lag – nämlich der Frage nach der Zukunft Palästinas, 38 dem Projekt einer islamischen Universität in Jerusalem und der ÍiÊÁz-Eisenbahn –, sowie andererseits an der relativ geringen Anzahl schiitischer Teilnehmer, von denen allein MuÎammad al-Íusains Engagement für eine Annäherung über die bloße Anwe39 senheit hinausging. Von Anfang an gehörte er zu den herausragenden Gelehrten der Konferenz, was auch darin zum Ausdruck kam, daß er den Vorsitz der Kommission 40 für die Heiligen Stätten (in Jerusalem) übernahm. Seine Teilnahme an den miÝrÁÊFeierlichkeiten zum Gedenken an die nächtliche Himmelsreise des Propheten in der sogenannten lailat al-isrÁÞ sorgte unter den sunnitischen Kongreßteilnehmern weithin 41 für Aufsehen und war vermutlich auch der Grund dafür, daß er auf Vorschlag des aus dem sowjetischen Kazan stammenden Delegierten ÝIyÁà IsÎÁqÐ gebeten wurde, das ge42 meinsame Freitagsgebet aller an der Konferenz Beteiligten zu leiten. Gemessen am bisherigen Umgang von Sunna und Schia miteinander markierte diese Geste in der Tat einen geradezu revolutionären Einschnitt, bedeutete sie doch letztlich nichts anderes als die öffentliche Anerkennung der Schiiten als absolut gleichwertige Muslime, denen selbstverständlich dieselben Rechte zuzugestehen waren wie den Angehörigen der sunnitischen Rechtsschulen. Den größten Widerhall fand MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ jedoch mit je43 ner Ansprache, die er am 15. Dezember 1931 vor dem Kongreßplenum hielt. Die Organisatoren des Kongresses waren von dieser ÌuÔba derart angetan, daß sie den Text nur wenig später durch das von ihnen gegründete Exekutivkomitee (al-laÊna at-tanfÐ44 ÆÐya) veröffentlichen ließen. In Ton und Argumentationsweise an die pan-islamischen Vorbilder aus al-ÝUrwa al-wu×qÁ gemahnend, verfaßte MuÎammad al-Íusain mit dieser Predigt den ersten ausdrücklich so gemeinten und auch so zu verstehenden 38 Kupferschmidt: The General Muslim Congress, 143-47; Kramer: Islam Assembled, 125; zur ÍiÊÁz-Bahn (erbaut zu Beginn des Jahrhunderts im Zuge der pan-islamischen Politik der Osmanen) s. EI2 III/364f. (Z.H. Zaidi); U. Fiedler: Der Bedeutungswandel der Hedschasbahn. Eine historisch-geographische Untersuchung, Berlin 1984; W. Ochsenwald: The Hijaz Railroad, Charlottesville, Va. 1980. 39 Weitere schiitische Delegierte waren ÝAbd ar-RasÙl Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ, ÝAbdallÁh Àl KÁšif alÇiÔÁÞ, ©iyÁÞ ad-DÐn ÓabÁÔabÁÞÐ, AÎmad RiÃÁ, SulaimÁn ÚÁhir, MuÎammad ÝAlÐ al-ÍaumÁnÐ sowie der Herausgeber des ÝIrfÁn, AÎmad ÝÀrif az-Zain; Schulze: Internationalismus, 97 erwähnt als Teilnehmer auch MuÎsin AmÐn (sic!); m.W. findet sich dafür nirgends eine Bestätigung, auch MuÎsin al-AmÐn selbst hat in seiner Autobiographie keine Reise nach Jerusalem 1931 erwähnt. 40 OM 12/1932/27b. 41 Ibid., 26b und 29b; zu miÝrÁÊ und isrÁÞ vgl. A. Schimmel: Und Muhammad ist sein Prophet. Die Verehrung des Propheten in der islamischen Frömmigkeit, Köln 1981, 139-54; W.M. Watt / A.T. Welch: Der Islam I, Stuttgart et al. 1980, 272f. sowie die bei Paret: Konkordanz, 295f. (zu Sure 17/1) genannte Literatur. 42 OM 12/1932/33a; vgl. auch ÓAŠ I.2/616; al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-ššÐÝa, I/56 und KÁšif al-ÇiÔÁÞ: MuÎÁwarat al-imÁm al-muÒliÎ, 54-57; Kramer: Islam Assembled, 133; zu IsÎÁqÐ (1878-1954) s. OE II/240-42 (A.A. Rorlich). 43 Nicht am 14., wie in OM 12/1932/37b angegeben; das Datum ergibt sich aus den Angaben auf dem Titelblatt des veröffentlichten Textes (s. folgende Anm.), dort ist vom Dienstag, dem 4. ŠaÝbÁn 1350 die Rede. 44 al-ËuÔba at-tÁrÐÌÐya, passim; Datum der Veröffentlichung demnach Ende März 1932.

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taqrÐb-Aufruf des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu seinen Vorläufern wie auch zu vielen der späteren taqrÐb-Aktivisten scheute er sich allerdings nicht, einige der im Verhältnis der Konfessionen zueinander umstrittenen Punkte beim Namen zu nennen, in der Absicht, sie auf diese Weise sogleich zu relativieren. Er begann die Ansprache, indem er nochmals an die erst wenige Tage zurückliegenden Feiern der lailat al-isrÁÞ erinnerte, die einen ungeheuren Eindruck auf ihn gemacht hätten und ihn den „neuen 45 Geist“ (rÙÎ ÊadÐda) hätten erkennen lassen, der von dieser Konferenz ausgehe. Damit allein sei es aber nicht getan: Was den Muslimen fehle (und weswegen die umma von einer geradezu tödlichen Krankheit befallen sei), das sei die Standhaftigkeit und innere Geschlossenheit (×abÁt). Als Grund dafür erkannte er die Neigung zu Zwietracht, die in völligem Gegensatz zu der von Gott im Koran befohlenen Einigkeit stehe. Diese jedoch habe keineswegs etwas Zwanghaftes an sich: „Bekanntlich sind die Verschiedenartigkeit der Meinungen und die Gedankenfreiheit ein 46 Gesetz (nÁmÙs) im Leben der Menschen und eine natürliche Veranlagung (fiÔra), mit der Gott die Menschen bedacht hat (…), aber das Unglück und die Katastrophe ließen die Meinungsverschiedenheiten zum Anlaß für Feindschaft und zum Werkzeug für die Durchtren47 nung der brüderlichen und verwandtschaftlichen Bande (zwischen den Muslimen) werden.“

Natürlich habe es auch unter den ÒaÎÁba unterschiedliche Meinungen in „wichti48 gen Fragen“ der rituellen Reinheit, des Erb- und Familienrechts gegeben, aber viel wesentlicher sei es doch, daß sie sich auf die gemeinsamen Grundlagen, exemplifiziert im gemeinsamen Gebet, besonnen hätten. Die dezente Anspielung auf das rituelle Gebet (das er am Freitag zuvor ja selbst geleitet hatte) war sicher ebensowenig zufällig wie die Erklärung, daß Sinn und Zweck der Annäherung (MuÎammad al-Íusain sprach nicht von taqrÐb, sondern von ad-daÝwa ilÁ l-waÎda) nicht darin bestünden, einen Sunniten zur Schia oder vice versa zu bekehren, sondern daß das Ziel ausschließlich die Vermeidung von Feindschaft und Haß unter den Muslimen sei. Wie dieses Ansinnen erreicht werden könnte, darüber schwieg er sich freilich vollkommen aus und warnte nur allgemein vor den sich als Muslime ausgebenden Spaltern der Ein49 tracht. Unter dem Eindruck der nahezu täglich wiederholten Appelle an die muslimische Einheit verabschiedete der Kongreß in seinen Entschließungen auch jenen Artikel 2.1, 45 Ibid., 3. 46 Zum Begriff der fiÔra s. EI2 II/931f.; vgl. Koran 30/30. 47 al-ËuÔba at-tÁrÐÌÐya, 6. 48 Ibid., 7; er nennt ausdrücklich die Punkte masÎ, Èusl und wuÃÙÞ sowie insbesondere die mutÝa;

s. oben, S. 16. 49 al-ËuÔba at-tÁrÐÌÐya, 7-10; als Beispiel führte er ein auf Englisch abgefaßtes Schreiben einer Gruppe fatimidischer Muslime aus AbÙqÐr an, das ihn Ende Oktober 1931 erreicht habe. Darin wurde er aufgefordert, in Jerusalem die „notwendigen Schritte“ zu ergreifen, um die angeblich bevorstehende Wahl eines neuen Kalifen verhindern zu helfen, da die Kalifenwürde bekanntlich nur einem „direct descendant of the Fatimi Dynasty“ zustehe (!). MuÎammad al-Íusain wies in einem Antwortbrief das Ansinnen dieser Gruppe, die sich selbst „The Moslem Nobility“ nannte, entschieden zurück; eine Photographie des Briefes sowie die arabische Übersetzung mitsamt der Entgegnung findet sich in al-ËuÔba at-tÁrÐÌÐya, 11-14; weder die Echtheit noch der Hintergrund des Schreibens können hier überprüft werden.

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der als wesentliches Ziel der (wieder einzuberufenden) Allgemeinen Islamischen Konferenz die „Intensivierung der Zusammenarbeit der Muslime, ungeachtet der Vielzahl ihrer Länder und Rechtsschulen“ vorsah sowie die „Verbreitung der allgemeinen isla50 mischen Brüderlichkeit“. Entsprechend optimistisch gab sich der Organisator der Konferenz, MuÎammad AmÐn al-ÍusainÐ, der noch wenige Monate nach der Zusammenkunft äußerte, es habe durchaus Aussichten für eine Wiedervereinigung von Sun51 niten und Schiiten gegeben. Bereits auf dem Kongreß selbst war jedoch deutlich geworden, daß keineswegs alle Delegierten der Meinung waren, ein Dialog zwischen Sunniten und Schiiten sei möglich oder überhaupt wünschenswert und vom Erfolg einer Annäherung gekrönt. Als MuÎammad RašÐd RiÃÁ, der den Vorsitz der Kommission für Mission und religi52 öse Rechtleitung (laÊnat ad-daÝwa wa-l-iršÁd) führte, den Vorschlag unterbreitete, der Kongreß solle Schriften drucken lassen, die sich ausschließlich mit den zwischen den einzelnen Rechtsschulen unumstrittenen Punkten befaßten, erntete er in der sofort entbrannten Diskussion beileibe nicht nur Beifall. Neben einzelnen positiven Stimmen 53 wie der des Beiruter Literaten MuÒÔafÁ al-ÇalÁyinÐ, der zu gegenseitiger Toleranz ungeachtet bestehender Differenzen aufrief, wie sie auch zwischen Christen und Muslimen bestehe, sowie natürlich der MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs, der einmal mehr die gemeinsamen Prinzipien (uÒÙl) betonte, gab es auch deutliche Kritik. So be54 tonte der irakische Îanbalitische Gelehrte MuÎammad BahÊat al-A×arÐ, daß nicht daran zu denken sei, eine den religiösen und sozialen Problemen der Muslime gewidmete Zeitschrift zu gründen, ehe man dazu nicht in der daÝwa bewanderte Leute ausgebildet habe. Auch blieb MuÎammad al-Íusains Beteuerung, Sunniten und Schiiten seien sich in den Grundlagen der Religion einig, nicht unwidersprochen: Der Jerusalemer Gelehrte und Schriftsteller MuÎammad IsÝÁf an-NašÁšÐbÐ, der wenige Jahre später selbst 55 direkt ins Fadenkreuz schiitischer Kritik geraten sollte, bestand darauf, daß unter den Muslimen sehr wohl ein wesentlicher Gegensatz (ÌilÁf ÊauharÐ) bestehe, sprach jedoch zugleich RašÐd RiÃÁ, der seit 40 Jahren die Sache der Muslime vertrete, sein Vertrauen aus. Der an der Azhar lehrende Scheich ÝAbd al-LaÔÐf DarÁz versuchte schließlich dadurch zu vermitteln, daß er an die Delegierten appellierte, angesichts der auf dem Kongreß sichtbaren Zeichen der Einheit – im besonderen dem gemeinsamen Ge56 bet in der al-AqÒÁ-Moschee – die strittigen Fragen gar nicht erst anzusprechen. 50 ÝAbd al-ÝAzÐz a×-ÕaÝÁlibÐ: ËalfÐyÁt al-muÞtamar al-islÁmÐ al-ÝÁmm 1350/1931, Beirut 1988, 341; engl. Übers. bei Kramer: Islam Assembled, 192; italienische Übersetzung in OM 12/1932/36b. 51 Kupferschmidt: The General Muslim Congress, 134. 52 Zu den Problemen einer angemessenen Wiedergabe des Begriffs daÝwa s. Schulze: Internationalismus, 279 Anm. 280. 53 Zu ihm (1886-1944), einem Schüler ÝAbduhs und Mitglied der Damaszener Akademie, s. azZiriklÐ VII/244f.; KaÎÎÁla XII/277f.; Nachruf in RAAD 20/1945/190f. 54 al-A×arÐ, später Vizepräsident der irakischen Akademie der Wissenschaften, hatte in den zwanziger Jahren MaÎmÙd ŠukrÐ al-ÀlÙsÐs TÁrÐÌ NaÊd ediert (Kairo 1925, 21929); er machte sich auch als Mitglied der beratenden Versammlung der 1961 gegründeten Universität von Medina einen Namen, s. Schulze: Internationalismus, 157; s. ferner MMI III/114-16; Irf 61/1 (Juli 1973), 945-53. 55 Vgl. unten, Anm. 61. 56 Nichtsdestoweniger darf DarÁz, der Mitglied der ÉamÝÐyat aš-šubbÁn al-muslimÐn war (s. MA 32/2 [Juli 1960], 232), durchaus als „Freund der WahhÁbÐya“ bezeichnet werden; s. Schulze: Interna-

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Die hier skizzierte Diskussion – die erste und einzige, die auf einem der vor dem Zweiten Weltkrieg stattfindenden Kongresse zum Thema taqrÐb stattfand – ließ bereits alle wesentlichen Schwierigkeiten zutage treten, mit denen die innerislamische ökumenische Bewegung praktisch seit ihrem Entstehen zu kämpfen hat. Bei den meisten Teilnehmern bestand durchaus Einigkeit in der Frage einer prinzipiellen Notwendigkeit, das Verhältnis der muslimischen Konfessionsgruppen zueinander zu verbessern, mochte man das nun Einheit, Annäherung, Zusammenarbeit oder wie auch immer nennen. Wie dieses hehre Ziel jedoch in der Praxis erreicht werden könnte, ob es tatsächlich gemeinsame, bei Sunniten wie Schiiten gleichermaßen unbestrittene religiöse Prinzipien gebe und wie man diese gegebenenfalls zu definieren habe, wie man schließlich mit denjenigen umgehen solle, die von einem etwaigen Konsens abweichende Meinungen vertraten – all diese Fragen blieben im Endeffekt ungeklärt oder erfuhren apodiktische Antworten: an-NašÁšÐbÐs Behauptung, es gebe zwischen Sunniten und Schiiten fundamentale Unterschiede, trat MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif alÇiÔÁÞ mit der ebenso pauschalen Bemerkung entgegen, in den Grundsätzen der Religion seien sich die Muslime einig, bestehende Diskrepanzen in den daraus abgeleiteten Rechtsnormen (furÙÝ) hätten demgegenüber keine Bedeutung. Schließlich einigte man sich in Jerusalem auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und beließ es beim Hinweis auf den symbolträchtigen Charakter des gemeinsamen Freitagsgebets, das die Sunniten hinter einem schiitischen Imam absolviert hatten. Weiterreichende Vorschläge – etwa die Bildung gemeinsamer Gremien oder die Vereinbarung ökumenischer Treffen – wurden offensichtlich nicht in Betracht gezogen, vermutlich aus Angst vor dem Vorwurf, die darin aktiven Theologen jeglichen Bekenntnisses hätten es ja doch nur auf die Bekehrung der Mitglieder der jeweils anderen Konfession abgesehen. Es ist in jedem Falle bezeichnend, daß sich MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ in seiner Predigt nur wenige Tage nach der eben geschilderten Debatte dazu veranlaßt sah, eben 58 diese Vorhaltung derart ausführlich und unmißverständlich zurückzuweisen. Dem Allgemeinen Islamischen Kongreß von Jerusalem war dasselbe Schicksal beschieden wie allen seinen Vorgängern. Obschon 1931 beschlossen wurde, die Konferenz alle zwei Jahre zu wiederholen, und man zu diesem Zweck ein Exekutivkomitee (unter Vorsitz des früheren iranischen Premierministers ©iyÁÞ ad-DÐn ÓabÁÔabÁÞÐ) sowie, hauptsächlich in Palästina, verschiedene Zweigstellen gründete, kam es nie zu einer erneuten Einberufung der Zusammenkunft. Vor allem die Unmöglichkeit, die nötigen Mittel zur Verwirklichung des Projekts einer islamischen Universität in Jerusalem 59 einzutreiben, ließ alle Pläne einer Neuauflage schon nach 1933 im Sande verlaufen. tionalismus, 101. 57 Vgl. dazu OM 12/1932/35f. 58 Bereits vor dieser eigentlichen taqrÐb-Debatte war es innerhalb der von RašÐd RiÃÁ geleiteten Kommission für daÝwa und iršÁd zum Streit über den richtigen Weg zur Einigkeit gekommen, mit der Konsequenz, daß sich mit dem irakischen ÝÁlim ÝAbd ar-RasÙl Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ und dem libanesischen Dichter MuÎammad ÝAlÐ al-ÍaumÁnÐ (1898-1963/64; s. MDA III/345-47, RF I/456 und ÓAŠ I.4/ 1346) zwei Schiiten aus der Kommission zurückzogen; OM 12/1932/29a kommentierte lapidar: „non fu possibile eliminare i dissensi sul modo di indurre il mondo musulmano alla concordia.“; zu al-ÍaumÁnÐs Teilnahme in Jerusalem s. auch seinen kurzen Artikel al-IslÁm fÐ AmrÐka, RI 1/1949/213f. 59 Kupferschmidt: The General Muslim Congress, 151-55; Kramer: Islam Assembled, 137-41; 1932 war sogar eine Zweigstelle in Berlin errichtet worden, s. Schulze: Internationalismus, 102.

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Auch die an sich vielversprechenden taqrÐb-Ansätze, die auf dem Kongreß sichtbar geworden waren, blieben von dieser Entwicklung nicht ausgenommen, zumal gerade in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre der polemische Schlagabtausch zwischen Sunna und Schia wieder aufflammte. Der Strauß zwischen RašÐd RiÃÁ und MuÎsin alAmÐn war zwar mittlerweile ausgefochten, aber andere, nicht minder erbitterte Fehden traten an seine Stelle. So kam es 1933 anläßlich des Erscheinens von ÝAbd ar-RazzÁq al-ÍaÒÒÁns Buch al-ÝUrÙba fÐ l-mÐzÁn. NaÛra fÐ tÁrÐÌ al-ÝIrÁq as-siyÁsÐ im Irak zu einer 60 heftigen Kontroverse, und als 1935 das Werk al-IslÁm aÒ-ÒaÎÐÎ des schon in Jerusalem durch schiakritische Äußerungen hervorgetretenen MuÎammad IsÝÁf an-NašÁšÐbÐ erschien, erfolgte die Reaktion der schiitischen Gelehrten ebenfalls umgehend und al61 les andere als wohlwollend. Ungeachtet der Tatsache, daß MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs Präsenz bei der Konferenz bei schiitischen Autoren ein sofortiges und bis heute andauerndes posi62 tives Echo hervorgerufen hat, fanden diese Aktivitäten auch auf individueller Ebene – etwa in Form eines Briefwechsels zwischen ihm und RašÐd RiÃÁ – keinerlei Fortsetzung. Im Gegenteil: Ausgerechnet zwischen diesen beiden Gelehrten, die das Erscheinungsbild des islamischen Modernismus bei Sunniten wie Schiiten gleichermaßen prägten und deren Auftreten in Jerusalem kurzzeitig Anlaß zu Hoffnung und Zuversicht hinsichtlich eines Dialogs der muslimischen Konfessionen gegeben hatte, kam 63 es in den folgenden zwei Jahren zu einem nicht mehr zu behebenden Zerwürfnis. Den Hintergrund ihrer zunehmenden Entfremdung bildete ein seit Mitte 1931 schwelender Zwist zwischen RašÐd RiÃÁ und dem libanesischen schiitischen Gelehrten ÝAbd 64 al-Íusain NÙr ad-DÐn, der in den Spalten des ManÁr ausgetragen wurde. NÙr ad-DÐn hatte sich bereits in den Jahren zuvor in der schiitischen Hauszeitschrift al-ÝIrfÁn als 65 Kritiker RašÐd RiÃÁs hervorgetan und war nun an diesen mit der Aufforderung herangetreten, von der bisher an den Tag gelegten vorwurfsvollen Haltung der Schia gegenüber abzulassen und seine Zeitschrift einer Debatte über „wichtige Punkte“, die zwi60 Vgl. dazu Ende: Arabische Nation, 146f.; zum Autor (gest. 1964) s. MMI II/259f. und MDA IV/228f.; bereits 1927 hatte ein Buch des in Bagdad lehrenden Historikers AnÐs ZakarÐya an-NuÒÙlÐ (1902-57) über die Geschichte des Umayyadenkalifats von Damaskus das Verhältnis der beiden Konfessionen im Irak in seinen Grundfesten erschüttert, s. ausführlich Ende, 132-45. 61 an-NašÁšÐbÐ: al-IslÁm aÒ-ÒaÎÐÎ, Jerusalem 1354/1935; eine Erwiderung darauf stammt von MuÎammad al-KÁÛimÐ al-QazwÐnÐ: al-ÏmÁn aÒ-ÒaÎÐÎ, Sidon 1368/1948-49; s. auch Irf 26/7 (Dez. 1935), 541f., 26/8 (Jan. 1936), 619-28 und 26/10 (März 1936), 760-65, 776-78; OM 26/1946/124-26; as-SubaitÐ: IlÁ mašyaÌat al-Azhar, 49ff., bes. 57; zu an-NašÁšÐbÐ (1882 oder 1885-1948) allg. s. az-ZiriklÐ VI/30f.; KaÎÎÁla IX/45f.; MDA II/716-18; Nachruf in al-MuqtaÔaf 112/1948/194-200 und in OM 28/1948/50; zur Familie an-NašÁšÐbÐ s. Shimoni: Biographical Dictionary of the Middle East, 173f. 62 Irf 23/1 (Mai 1932), 2f. und 123f.; 25/1 (April 1934), 96f.; 32/1 (Dez. 1945), 9f.; 42/5-6 (März-April 1955), 686-88; AmÐr al-Íilw: al-WaÎda al-islÁmÐya, bes. 168; s. auch GD I/251-53 (mit einem langen Zitat aus der von MuÎammad al-Íusain gehaltenen ÌuÔba). 63 MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ war trotz früherer antiwahhabitischer Äußerungen (z.B. in seinem Buch al-ÀyÁt al-baiyinÁt fÐ qamÝ al-bidaÝ wa-Ã-ÃalÁlÁt, NaÊaf 1345/1926-27; vgl. dazu ÅTŠ I/46 [Nr. 229]; MMI III/144, MMN 102f. und GAL SII/802) von RašÐd RiÃÁ nicht in demselben Maße angegriffen worden wie MuÎsin al-AmÐn, was aber natürlich auch daran liegen kann, daß RašÐd RiÃÁ von der Existenz dieser Schriften – jedenfalls bis 1931 – nichts wußte. 64 Gest. 1950; s. ÓAŠ I.3/1075f.; KaÎÎÁla V/89 und az-ZiriklÐ III/277. 65 Radd (×Ánin) ÝalÁ ÒÁÎib al-ManÁr; Irf 18/5 (Dez. 1929), 624-32 und 19/4-5 (April-Mai 1930), 564-76.

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schen den Konfessionen umstritten seien, zu öffnen. RašÐd RiÃÁ stimmte unter dem Vorbehalt zu, daß man sich erst über die Modalitäten einer derartigen Diskussion verständigen müsse. Um so empörter zeigte er sich dann jedoch angesichts des Beitrags NÙr ad-DÐns (den er nichtsdestoweniger in vollem Wortlaut abdruckte), in dem dieser feststellte, daß das Kalifat für die Schia ein dem Prophetentum zu vergleichendes religiöses Prinzip (aÒl min uÒÙl ad-dÐn) sei, während es für die Sunniten lediglich eine daraus abgeleitete, ergo zweitrangige Rechtsnorm (farÝ) darstelle. Dementsprechend, so NÙr ad-DÐn weiter, betrachteten die Schiiten den Streit, ob ÝAlÐ oder ÝUmar der Vorzug gebühre, als religiöse Frage, die Sunniten dagegen nur als historisches Problem. Um keinerlei Mißverständnis bezüglich dieses letzten Punktes aufkommen zu lassen, fügte er sogleich „definitive Beweise“ (barÁhÐn qaÔÐÝa) bei, die eindeutig ÝAlÐs Vor67 rangstellung untermauern sollten. Im Endeffekt lief diese Apologetik natürlich auf die Schlußfolgerung hinaus, daß damit auch der Streit zwischen Sunniten und Schiiten generell kaum je beigelegt werden könne. RašÐd RiÃÁ seinerseits, der aus seinem Zorn über diesen Beitrag kein Hehl machte, mahnte umgehend Stellungnahmen anderer schiitischer Gelehrter an, von denen er selbstverständlich deutliche Worte der Kritik erwartete. Bei der kurz darauf stattfindenden Jerusalemer Konferenz entsprachen die dort anwesenden schiitischen Gelehrten – jedenfalls RašÐd RiÃÁs Aussage zufolge – seinem Wunsch, indem sie sich von NÙr ad-DÐns Artikel distanzierten, ihn sogar, wie 68 MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ, „heftigst mißbilligten“. Im Falle MuÎammad al-Íusains jedoch machte RašÐd RiÃÁ deutlich, daß es mit dieser mündlichen Aussage nicht getan sei, und bat ihn, seine Kritik zur Veröffentlichung im ManÁr schriftlich niederzulegen. Allerdings fiel diese Stellungnahme nicht unbedingt nach dem Geschmack RašÐd RiÃÁs aus: MuÎammad al-Íusain beließ es bei höchst allgemeinen Floskeln, in denen er die Bedeutung der muslimischen Einheit beschwor, die allein zu den wichtigsten Pfeilern des Islams und zu seinen vornehmsten Aufgaben zähle. Dagegen erwähnte er weder den Namen NÙr ad-DÐns noch den Grund, weshalb es zu diesem Zerwürfnis gekommen war. RašÐd RiÃÁ war diese Zurückhaltung nicht entgangen, und mit der Bemerkung, es handle sich hier mitnichten um Mißverständnisse oder ungenügende Erklärungen, wie MuÎammad al-Íusain dies entschuldigend genannt habe, wies er den irakischen Gelehrten in die Schranken. Seiner Ansicht nach konnte es nur dann zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit der Konfessionen kommen, wenn diejenigen, die gegen das Streben nach Eintracht verstießen, zuerst und beson66 IqtirÁÎ munÁÛara fÐ l-ÌilÁf bain ahl as-sunna wa-š-šÐÝa; al-ManÁr 31/8 (Mai 1931), 625-27; wiederabgedruckt bei RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa, II/131-35. 67 al-MunÁÛara bain ahl as-sunna wa-š-šÐÝa; al-ManÁr 32/1 (Okt. 1931), 61-72; in der Vorbemerkung zu diesem Artikel verwechselte RašÐd RiÃÁ den Autor NÙr ad-DÐn mit ÝAbd al-Íusain Šaraf adDÐn, wofür er sich allerdings umgehend entschuldigte: al-ManÁr 32/2 (Febr. 1932), 145; Laoust: Le réformisme orthodoxe, 218 übernahm RašÐd RiÃÁs Irrtum. 68 Ankara Ýalaihi ašadd al-inkÁr, al-ManÁr 32/2 (Febr. 1932), 146; weiterhin führt RašÐd RiÃÁ die Aussagen SulaimÁn ÚÁhirs, AÎmad RiÃÁs und v.a. AÎmad ÝÀrif az-Zains an; diesen bat er ausdrücklich, möglichst eine gleichgesinnte Stellungnahme ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐns zu erwirken; ibid., 147-52 ist eine Antwort des irakischen schiitischen Gelehrten ÝAbd al-HÁdÐ Àl al-ÉawÁhirÐ auf NÙr adDÐn abgedruckt (zu al-ÉawÁhirÐ [geb. 1904] s. RF I/373f.; MMI II/355f. und al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VI/142-58); der gesamte Artikel (145-60) zusammen mit dem in der vorigen Anmerkung genannten findet sich auch in RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa, II/136-96.

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ders von den ÝulamÁÞ des eigenen maÆhabs getadelt würden. Nur ein persönlich gehaltenes Begleitschreiben MuÎammad al-Íusains, das er ebenfalls in Auszügen abdruckte, vermochte ihn wieder etwas versöhnlicher zu stimmen; offenbar, so RašÐd RiÃÁ, sei der irakische Gelehrte in seiner Eigenschaft als Führer der schiitischen Gemeinde gezwungen, in seinen offiziellen Erklärungen auf viele verschiedene Meinungen Rück69 sicht zu nehmen. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Etwa zur selben Zeit, da die soeben geschilderte Debatte stattfand, erschien MuÎammad al-Íusains bereits genannte Apologetik AÒl aš-šÐÝa wa-uÒÙluhÁ. Als RašÐd RiÃÁ dieses Werk ein halbes Jahr später im ManÁr rezensierte, war die inzwischen eingetretene Distanzierung zwischen beiden nicht mehr zu übersehen. Bereits das Vorwort des irakischen schiitischen Historikers 70 ÝAbd ar-RazzÁq al-ÍasanÐ erregte sein Mißfallen aufs äußerste. Dieser hatte darin mit spürbarer Empörung etliche Ansichten wiedergegeben, die er angeblich in der irakischen Provinz über die Schia vernommen hatte und die seinen Worten zufolge ebensogut den Erzählungen aus 1001 Nacht hätten entstammen können. Daß das kein Einzelfall sei, habe ihm ein Besuch in Ägypten, Palästina und Syrien klargemacht, als die dortigen Vertreter der „gebildeten Schicht“ (aÔ-Ôabaqa al-mu×aqqafa), soweit es sich um Sunniten handelte, nahezu identische Meinungen vertreten hätten. Dies alles habe ihn dazu veranlaßt, sich an MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ zu wenden – den ersten, von dem man gerechterweise sagen könne, er rufe zur islamischen Einheit auf –, damit dieser derartigen Vorurteilen entgegentreten und das Streben nach Annäherung und Reform auf eine stabile Grundlage, geprägt von beiderseitigem Respekt, 71 stellen könne. Beide hier wiedergegebenen Behauptungen erfuhren eine scharfe Erwiderung durch RašÐd RiÃÁ: Was irgendwelche Analphabeten in der irakischen Provinz über die Schia dächten, dürfe man doch nicht den Muslimen in Ägypten, Syrien und Palästina anhängen; überdies sei es höchst bedenklich, solche Ansichten überhaupt zu veröffentlichen, da sie notwendigerweise zur Spaltung der Muslime führten. Was al-ÍasanÐs zweite Feststellung betraf (MuÎammad al-Íusain sei der erste, der sich ernsthaft um die muslimische Einheit sorge), so sprach aus RašÐd RiÃÁs Entgegnung darauf nicht zuletzt die gekränkte Eitelkeit: Davon könne nun wirklich keine Rede sein, dieses Verdienst gebühre vielmehr ÉamÁl ad-DÐn al-AfÈÁnÐ und MuÎammad ÝAbduh, außerdem wandle er – RašÐd RiÃÁ – selbst seit 36 Jahren (so lange existierte damals bereits der ManÁr) auf demselben Pfad. Alles in allem sah er in al72 ÍasanÐs Worten nichts anderes als eine maßlose Übertreibung. 69 al-ManÁr 32/3 (März 1932), 232-38 (entspricht as-Sunna wa-š-šÐÝa, II/197-210). 70 Über ihn (geb. 1906) s. MMI II/257-59; GAL SIII/496f.; Irf 40/10 (Okt. 1953), 1150-59; Ende:

Arabische Nation, 132; bekannt wurde al-ÍasanÐ durch sein großangelegtes Werk über die irakischen Regierungen im 20. Jahrhundert TÁrÐÌ al-wizÁrÁt al-ÝirÁqÐya, erste Aufl. (4 Bde.) Sidon 1933ff.; ab der zweiten Aufl. auf 10 Bde. erweitert, zuletzt Bagdad 1988. 71 KÁšif al-ÇiÔÁÞ: AÒl aš-šÐÝa, 73-77; vgl. ibid., 83; das Vorwort trägt das Datum 8. April 1932. 72 al-ManÁr 33/5 (Sept. 1933), 392-95; RašÐd RiÃÁ verwendete dafür das Wort ÈulÙw, das gerade in der Häresiographie eine wichtige Nebenbedeutung hat und die auch von den Zwölferschiiten zumeist abgelehnte übertriebene Verehrung ÝAlÐs durch einige andere schiitische Gruppen (die sogenannten ÈulÁt) bezeichnet. Indirekt bezichtigte RašÐd RiÃÁ damit sowohl al-ÍasanÐ als auch MuÎammad alÍusain, zu diesen (häretischen) „Übertreibern“ zu gehören oder zumindest eine Art Geistesverwandte von ihnen zu sein; vgl. auch unten, S. 180f.

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MuÎammad al-Íusain bezog er direkt in seine Kritik mit ein. Allein schon die Tatsache, daß dieser ein derartiges Vorwort zugelassen habe, spreche für sich, außerdem sei seine Rolle in Jerusalem längst nicht so lobenswert gewesen, wie von der Schia behauptet. Den Sunniten, die ihn zur Konferenz einluden, komme schließlich ein größeres Maß an Anerkennung zu als dem Schiiten, der die Einladung lediglich anzunehmen brauchte. Darüber hinaus – und das sei auch schon während des Kongresses bemängelt worden – habe MuÎammad al-Íusain aus der an ihn herangetragenen Bitte, das Gebet zu leiten, einen regelrechten Anspruch auf diese Stellung abgeleitet, sich überall in den Vordergrund gedrängt und es damit an der geziemenden Bescheidenheit 73 fehlen lassen. In einem langen zweiten Teil seiner Rezension ging er mit dem Buch selbst ins Gericht, das er als eine Fortsetzung der „Affäre NÙr ad-DÐn“ und damit der Propaganda für die Schia betrachtete. Nachdem er MuÎammad al-Íusain in aller Ausführlichkeit Übertreibertum, falschen Umgang mit dem ÍadÐ× sowie eine generell unkorrekte Darstellung der islamischen Geschichte „nachgewiesen“ hatte, schloß er mit dem vernichtenden Verdikt, es sei ein Hohn, wenn Leute, die solcherart die Einigkeit der Muslime aufs Spiel setzten, ihre Worte auch noch als Beitrag zum Streben nach 74 Annäherung verstanden wissen wollten. Damit war der Dialog zwischen den beiden ebenso großen wie eigenwilligen Gelehrten beendet. RašÐd RiÃÁ machte in den ihm verbleibenden beiden letzten Lebensjahren ebensowenig Anstalten, das Gespräch wiederzubeleben, wie MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ. Dieser zeigte sich im Vorwort zur 1936 erschienenen zweiten 75 Auflage seines Buches AÒl aš-šÐÝa denn auch deutlich ernüchtert, als er feststellte, die Bemühungen um ökumenische Annäherung glichen immer mehr einer Fata Morgana, man erschöpfe sich im Reden, ohne daß praktische Resultate sichtbar würden. Den Gegnern der Eintracht wie an-NašÁšÐbÐ, an-NuÒÙlÐ oder al-ÍaÒÒÁn (RašÐd RiÃÁ blieb bemerkenswerterweise ausgespart) sei es gelungen, die vielversprechenden Ansätze eines Dialogs zu hintertreiben und erneute Zwistigkeiten zu säen. MuÎammad al-Íusain schloß zwar mit dem Vorschlag, künftig jährlich oder alle zwei Jahre wieder Konferenzen einzuberufen, um diesen Zustand zu überwinden, er beließ es jedoch bei die76 sem Aufruf, ohne selbst die Initiative zu seiner Verwirklichung zu ergreifen.

Die Einbeziehung der Azhar Nur wenige Monate nachdem MuÎammad al-Íusain desillusioniert diese Zeilen niedergeschrieben hatte, brach ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ zu einer ausgedehnten Reise durch mehrere (sunnitische) arabische Länder auf. az-ZanÊÁnÐ, ein 1887 geborener, in 77 NaÊaf ansässiger schiitischer Gelehrter iranischer Herkunft, verfolgte mit dieser von 73 al-ManÁr, ibid. 74 al-ManÁr 33/6 (Okt. 1933), 441-48; beide Artikel sind erneut abgedruckt in as-Sunna wa-š-šÐÝa,

II/211-37. 75 Vgl. Irf 27/1 (März 1937), 74 und 27/2 (April 1937), 163. 76 KÁšif al-ÇiÔÁÞ: AÒl aš-šÐÝa, 57-72, bes. 60, 67f., 71. 77 Gest. 1968; zu ihm s. az-ZiriklÐ IV/56; KaÎÎÁla M/404; MMI II/307f. und III/638; MDA III/ 502-04; RF II/642; GD VII/269; eine von MuÎammad SaÝÐd HuwaidÐ verfaßte längere biographische

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seinen Biographen penibel dokumentierten Reise ausdrücklich das Ziel, dem ins Stocken geratenen Dialog zwischen Sunna und Schia zu neuem Leben zu verhelfen. In seinen Augen lag der Hauptgrund dafür, daß die Kontakte von Gelehrten der verschiedenen Rechtsschulen bislang noch zu keinem greifbaren Ergebnis geführt hatten, in der Ineffektivität und Formelhaftigkeit der bisherigen Gespräche. Alle Beteiligten begnügten sich damit, das Bekenntnis zu „den Vorzügen der Einheit, der Pflicht zur Solidarität und der Notwendigkeit einer Union“ herunterzubeten, ohne sich konkret zu der Frage zu äußern, wie das alles eigentlich bewerkstelligt werden solle. Demgegenüber betonte er die Wichtigkeit einer „neuen daÝwa“, in der das praktische Handeln an die 79 Stelle der bisherigen leeren Worte trete. Bezeichnenderweise vermied er sowohl in dieser Stellungnahme als auch generell bei seinen Treffen mit sunnitischen ÝulamÁÞ jeglichen Hinweis auf das Wirken seines NaÊafer „Kollegen“ MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ – was auf ein nicht gänzlich ungetrübtes Verhältnis zwischen den beiden Gelehrten schließen läßt –, doch soll seine Initiative die Zustimmung des da80 maligen marÊaÝ at-taqlÐd AbÙ l-Íasan al-IÒfahÁnÐ gefunden haben. Die erste Etappe seiner Reise führte az-ZanÊÁnÐ nach Kairo, wo er in den letzten Oktobertagen 1936 eintraf und sich über fünf Wochen lang aufhielt. In der dortigen Tages- und Wochenpresse stieß der Besuch auf eine rege Anteilnahme und wurde ent81 sprechend ausführlich besprochen. Auch die publizistischen Organe einzelner islamischer Gesellschaften blieben davon nicht unberührt: So berichtete die Zeitschrift der neo-salafitischen ÉamÝÐyat aš-šubbÁn al-muslimÐn wohlwollend über den irakischen Gelehrten, zu dessen Ehren der Präsident der Gesellschaft, ÝAbd al-ÍamÐd SaÝÐd, zu einem großen Empfang lud, bei dem angeblich mehr als 5000 (!) Gäste zugegen waren. 82 Weitere wichtige Stationen seines Aufenthalts am Nil waren unter anderem ein Be83 such einer zweiten vom Gedankengut der SalafÐya geprägten Organisation namens ÉamÝÐyat al-hidÁya al-islÁmÐya (auf Einladung ihres Präsidenten, des nachmaligen Skizze, die jedoch seine tatsächliche Stellung und Bedeutung innerhalb der schiitischen Gelehrten in NaÊaf in unverhältnismäßiger Weise hervorhebt, findet sich in Irf 28/8 (Jan. 1939), 772-76 (wiederabgedruckt bei ad-Daftar: ÑafÎa, 234-46). 78 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 31-110, 123-31; ad-Daftar: ÑafÎa, passim; beiden Büchern ist allerdings eine unübersichtliche, sich über die Chronologie der Ereignisse zumeist hinwegsetzende Anordnung ihres Materials zu eigen; zu ad-Daftars Werk s. Irf 33/8 (Juni 1947), 957 sowie MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya: Falsafat az-ZanÊÁnÐ au ÒafÎa min riÎlatihi ilÁ l-bilÁd al-ÝarabÐya, Irf 33/9 (Juli 1947), 998-1000; ein etwa zehn Jahre später erschienener Fortsetzungsband (s. MMN 230; Irf 45/7 [April 1958], 699 sowie ad-Daftar: ÑafÎa, 493) war mir nicht zugänglich. 79 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 39f. 80 Ibid., 11; zu al-IÒfahÁnÐ s. oben, S. 39 Anm. 15. 81 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 43-99 und ad-Daftar: ÑafÎa, 41-88 und 292-493 stützen sich bei ihrer Darstellung zum großen Teil auf ägyptische Zeitungs- und Zeitschriftenartikel jener Zeit. 82 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 81-86; ad-Daftar: ÑafÎa, 79f. und 442-51; die ÉamÝÐyat aš-šubbÁn al-muslimÐn wurde 1927 (Schulze: Internationalismus, 91 nennt das Datum November 1928) von SaÝÐd zusammen mit ÝAbd al-ÝAzÐz ÉÁwК (1876-1929; Nachruf in al-ManÁr 29/9 [Febr. 1929], 712-14) und MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb gegründet; vgl. al-ManÁr 28/10 (Jan. 1928), 788-92 (dort auch Abdruck der Statuten); Heyworth-Dunne: Religious and Political Trends, 11-14; Mitchell: Society, 7 und G. Kampffmeyer: Egypt and Western Asia, in: H.A.R. Gibb (ed.): Whither Islam?, London 1932 (Nachdruck 1973), 99-170, bes. 103ff. 83 Zur SalafÐya im allg. s. EI2 VIII/900-09 (P. Shinar/W. Ende); Commins: Islamic Reform, passim, v.a. 34ff.; Schulze: Internationalismus, Index s.v.; Ende: Arabische Nation, 91ff.

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ŠaiÌ al-Azhar MuÎammad al-ËiÃr Íusain), eine Besichtigung der Bank MiÒr sowie ein Vortrag an der Ägyptischen Universität. Letzterer ist insofern denkwürdig, als von schiitischer Seite mit großer Genugtuung darauf verwiesen wird, daß ausgerechnet ÓÁhÁ Íusain, der sich in seiner Autobiographie so sehr über die Turbanträger und Scheichs der Azhar lustig gemacht habe, von az-ZanÊÁnÐs Worten tief beeindruckt ge86 wesen sei und ihm zum Zeichen seiner Ehrerbietung spontan die Hand geküßt habe. Für das bei weitem größte Aufsehen sorgten allerdings az-ZanÊÁnÐs Kontakte mit 87 der Azhar und insbesondere ihrem Rektor MuÎammad MuÒÔafÁ al-MarÁÈÐ. Die Azhar hatte sich nach dem faktischen Scheitern des Kalifatskongresses von 1926 aus der über Ägypten hinausreichenden pan-islamischen Diskussion fürs erste zurückgezogen und das Feld weitgehend den Aktivisten der Kongreßbewegung wie dem Jerusalemer MuftÐ MuÎammad AmÐn al-ÍusainÐ überlassen. Auf der von ihm veranstalteten Konferenz 1931 war keine offizielle Delegation der Azhar vertreten, hauptsächlich wegen des von den Organisatoren zuvor ins Gespräch gebrachten Projekts einer islamischen Universität in Jerusalem (ÉÁmiÝat al-masÊid al-aqÒÁ l-islÁmÐya), da man in Kairo of88 fensichtlich den Verlust der geistigen Führungsrolle der Azhar befürchtete. Zur gleichen Zeit war an der Azhar-Universität selbst erneut eine lebhafte Diskussion um die Notwendigkeit interner Reformen des Lehrbetriebs entbrannt, die die internationalen islamischen Aktivitäten der Hochschule ebenfalls in den Hintergrund treten ließ. Auslöser dieses neuerlichen Streits um eine Azhar-Reform war al-MarÁÈÐ gewesen, der 1928/29 während seiner ersten Amtszeit als Rektor mit einem umfassenden und aufsehenerregenden Reformprogramm an die Öffentlichkeit getreten war. Obgleich darin nirgends von einer Annäherung mit der Schia die Rede war, machten ihn seine modernistischen, einer offiziellen Wiedereinführung des iÊtihÁd gegenüber aufgeschlossenen Ansichten auch in der schiitischen Presse bekannt, wo er umgehend mit MuÎammad 89 ÝAbduh verglichen wurde. Daß diesem Plan innerhalb der Azhar nicht unumschränkt 84 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 59-61; ad-Daftar: ÑafÎa, 452ff.; s. Gershoni: Arabization of Islam, 29; MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb, der später zu einem der schärfsten Gegner der Schia im 20. Jahrhundert werden sollte, wies dessenungeachtet darauf hin, daß dieses Treffen auf seine Veranlassung hin zustande gekommen sei, allerdings verwechselt er (absichtlich?) ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ mit dem ebenfalls in NaÊaf lebenden Gelehrten AbÙ ÝAbdallÁh az-ZanÊÁnÐ (1891-1941; s. az-ZiriklÐ IV/ 97; MDA III/500f.; RF II/637; ÓAŠ I.1/52), s. seinen Artikel ÑadÁ qÁÒimatai maÊallat DÁr at-taqrÐb, MA 24/6 (Febr. 1953), 694-700, hier 700; zu al-ËiÃr Íusain s. unten, S. 190 Anm. 6. 85 ad-Daftar: ÑafÎa, 76-79. 86 MuÈnÐya: Falsafat az-ZanÊÁnÐ, Irf 33/9 (Juli 1947), 1000; ad-Daftar: ÑafÎa, 30f., 138, 439; vgl. ausführlich ibid., 394-439; ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 103 berichtet von einem angeblichen Handkuß Kurd ÝAlÐs nach az-ZanÊÁnÐs Vortrag an der Syrischen Universität in Damaskus im Dezember 1936. 87 Über ihn (1881-1945) s. az-ZiriklÐ VII/103; MDA III/1176-79; ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/11-43; MA 66/5 (Nov. 1993), 715-22 sowie die bei Lemke: ŠaltÙt, 57 in Anm. 4 genannte Literatur. 88 R.M. Coury: Egyptians in Jerusalem: Their Role in the General Islamic Conference of 1931, MW 82/1992/37-54, bes. 38f.; Kedourie: Egypt and the Caliphate, 195f.; lt. Schulze: Internationalismus, 93 und 96 soll al-MarÁÈÐ am Kongreß teilgenommen haben; Kupferschmidt: The General Muslim Congress, 159f. verzeichnet ihn allerdings nicht, und auch in der übrigen Literatur findet sich m.W. kein Hinweis darauf. 89 SÁÝa maÝa al-ustÁÆ al-akbar aš-šaiÌ al-MarÁÈÐ, Irf 18/1-2 (Aug.-Sept. 1929), 145-51; zu alMarÁÈÐs erster Amtszeit und seinen Reformvorschlägen vgl. ausführlich Lemke: ŠaltÙt, 58-75.

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Beifall gezollt wurde, mußte al-MarÁÈÐ feststellen, als er im Oktober 1929 von seinem konservativen Gegenspieler MuÎammad al-AÎmadÐ aÛ-ÚawÁhirÐ abgelöst wurde, der im Jahr darauf eine – gemessen an al-MarÁÈÐs Plänen – halbherzige Azhar-Reform auf den Weg brachte. Gegen aÛ-ÚawÁhirÐs Amtsführung regte sich allerdings bald Widerstand, der schließlich die Form einer regelrechten Studentenrevolte annahm und den 90 König zwang, den von ihm eingesetzten Rektor im April 1935 wieder zu entlassen. Damit war der Weg frei für al-MarÁÈÐs zweite Amtszeit als ŠaiÌ al-Azhar, die bis zu seinem Tod im August 1945 dauern sollte und gekennzeichnet war von einem enormen Prestigegewinn des Rektoramtes im allgemeinen wie auch einem großen persönlichen Machtzuwachs al-MarÁÈÐs. Nach dem Tod König FuÞÁds und der Thronbesteigung seines Sohnes FÁrÙq im Frühjahr 1936 war al-MarÁÈÐ auf der Höhe seines gesellschaftlichen und politischen Einflusses angelangt, der in erster Linie auf dem seit geraumer Zeit bestehenden Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem noch jungen 91 König beruhte. Einige Jahre lang – bis zum britischen Ultimatum vom Februar 1942, das die Rückkehr der Wafd-Partei an die Regierung und die Wiedereinsetzung 92 MuÒÔafÁ an-NaÎÎÁs’ als Premierminister erzwang – besaß al-MarÁÈÐ eine nahezu unangefochtene Machtposition, deren Bedeutung nur noch mit der des Rektorats MaÎmÙd ŠaltÙts nach 1958 zu vergleichen ist. Der Schia war al-MarÁÈÐs einflußreiche Stellung ebensowenig verborgen geblieben wie seine reformorientierte, liberale Haltung, mit der er die Wichtigkeit der Mei93 nungsfreiheit im Islam betonte. Dieses Bekenntnis konnte mühelos als Gesprächsbereitschaft schiitischen Gelehrten gegenüber interpretiert werden, zumal al-MarÁÈÐ selbst sich noch im ersten Jahr seines neuerlichen Rektorats – allerdings auf sehr dis94 krete Art und Weise – in der schiitischen Presse quasi „zurückmeldete“. Als azZanÊÁnÐ im Herbst 1936 nach Kairo kam, war es daher nicht verwunderlich, daß er in al-MarÁÈÐ seinen wichtigsten Gesprächspartner erblickte und die Unterredungen an der Azhar insgesamt den bei weitem größten Raum seines Aufenthalts dort einnahmen. 90 Zu aÛ-ÚawÁhirÐ (1878-1944) s. ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/47-75; ferner seine autobiographischen Aufzeichnungen as-SiyÁsa wa-l-Azhar. Min muÆakkirÁt šaiÌ al-IslÁm aÛ-ÚawÁhirÐ, Kairo 1945 sowie die bei Lemke: ŠaltÙt, 56 in Anm. 3 genannte Literatur; zu seiner Amtszeit als ŠaiÌ al-Azhar s. ausführlich ibid., 75-98. In die Reformdiskussion um 1930 hatte sich auch RašÐd RiÃÁ eingeschaltet, s. sein Buch al-ManÁr wa-l-Azhar, Kairo 1934 (dazu al-ManÁr 34/6 [Dez. 1934], 451-58); aÛ-ÚawÁhirÐs Entlassung und al-MarÁÈÐs erneute Amtsübernahme bezeichnete er (wenige Wochen vor seinem Tod) als „großen Umsturz“: al-Azhar, al-Azhar, al-inqilÁb al-kubrÁ, al-ManÁr 34/10 (Mai 1935), 764-73. 91 Kedourie: Egypt and the Caliphate, 178f., 199; vgl. Lemke: ŠaltÙt, 99-149; zu FÁrÙq (1920-65) s. den wenig schmeichelhaften Artikel in EI2 S/299-302, dessen Autor P.J. Vatikiotis al-MarÁÈÐs Einfluß „(a)nother early, dubious influence on the young inexperienced king“ nennt (300) und das Bild eines in späteren Jahren „elusive, unpunctual, socially impossible“ Kleptomanen und Salonlöwen zeichnet. 92 Vatikiotis: The History of Egypt, 348f.; Mitchell: Society, 26f. 93 ËuÔbat al-ustÁÆ al-akbar fÐ l-ÊÁmiÝ al-Azhar, NÙr al-IslÁm 6/2 (Mai 1935), 102-08; vgl. auch Jansen: Interpretation, 77f. 94 Und zwar in Form eines Leserbriefs an den libanesischen ÝIrfÁn, in dem er dem Buch NafsÐyat ar-rasÙl al-ÝarabÐ von LabÐb ar-RiyÁšÐ ausdrückliches Lob zollte: Irf 26/10 (März 1936), 779; zu arRiyÁšÐ (1889-1966), einem Beiruter Journalisten und Schriftsteller, der u.a. 20 Jahre lang in Buenos Aires gelebt hatte, s. az-ZiriklÐ V/239f.; MDA III/474f.

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Schon bald nach az-ZanÊÁnÐs Ankunft richtete der ŠaiÌ al-Azhar einen Empfang zu seinen Ehren aus, an dem neben zahlreichen Azhar-Gelehrten auch der ägyptische 95 StaatsmuftÐ ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm, der Präsident des Obersten Gerichtshofes, FatÎ AllÁh SulaimÁn, sowie Würdenträger aus der ganzen islamischen Welt, darunter die 96 Botschafter Irans und Saudi-Arabiens (!), teilnahmen. In seiner Ansprache betonte al-MarÁÈÐ, daß diese Ehrbezeugung nicht nur der Person az-ZanÊÁnÐs, sondern vielmehr der gesamten Schia gelte, der die Azhar als Institution des sunnitischen Islams eine aufrichtige Grußbotschaft übermittle. Außerdem brachte er seine Hoffnung zum Ausdruck, NaÊaf, als Begräbnisort ÝAlÐs Wiege der schiitischen Gelehrsamkeit, einen Besuch abstatten zu können, um damit „die Bande der Wissenschaft und der islami97 schen Brüderlichkeit“ zu stärken. az-ZanÊÁnÐ antwortete darauf mit einer längeren Rede, die ebenfalls der Bedeutung NaÊafs gewidmet war und in der er auch nicht auf den Umstand hinzuweisen vergaß, daß die Azhar dereinst ebenso von Schiiten gegründet worden war wie die Institute in NaÊaf; al-MarÁÈÐs Besuchsabsichten fanden natür98 lich seine wärmste Zustimmung. Daß diese Feierstunde bereits von den zeitgenössischen Beobachtern als bedeutsam eingeschätzt wurde, zeigt eine Formulierung der Kairiner Zeitung al-BalÁÈ. Dies sei das erste Mal seit über tausend Jahren gewesen, schrieb das Blatt stolz, daß sich in der Azhar unter Vorsitz ihres Rektors sunnitische ÝulamÁÞ versammelt hätten, um einen 99 schiitischen Gelehrten zu ehren. Es blieb nicht der einzige Anlaß, der az-ZanÊÁnÐ mit 100 AzharÐs zusammenführte: Anläßlich des RamaÃÁn-Beginns des Jahres 1355 wurde ihm auf Betreiben al-MarÁÈÐs der Vorsitz jener Kongregation angetragen, die am Vorabend zusammentrat, um nach Sichtung des Neumondes den offiziellen Beginn des Fastenmonats zu verkünden. Dabei setzte er sich mit seiner in Einklang mit der traditionellen Lehre der Schia stehenden Weigerung durch, einer astronomischen Berechnung des Neumondes Vorrang einzuräumen vor dem Urteil der Gelehrten, die ihn mit 101 eigenen Augen erblickten. Außerdem weisen beide Chronisten von az-ZanÊÁnÐs Aktivitäten darauf hin, daß die Studienmission, die die Azhar 1937 nach Indien entsan102 dte, auf seinen Vorschlag hin zusammengestellt worden sei. al-MarÁÈÐ habe dieser

95 SalÐm war von 1926 bis 1945 ägyptischer StaatsmuftÐ (offizielle Bezeichnung: muftÐ ad-diyÁr al-miÒrÐya) und wurde später zweimal ŠaiÌ al-Azhar; zu ihm s. unten, S. 98 Anm. 44. 96 Zu diesem Empfang s. ausführlich ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 43-57 (in Text und Photos identisch mit ad-Daftar: ÑafÎa, 311-22); die Namen der wichtigsten Teilnehmer finden sich ibid., 43f. 97 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 50f. 98 Ibid., 51-57. 99 Ibid., 57; ad-Daftar: ÑafÎa, 322. 100 Der 1. RamaÃÁn 1355 entspricht dem 15. November 1936. 101 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 94-99 (= ad-Daftar: ÑafÎa, 478-81); zum Hintergrund s. Art. HilÁl, i: In Religious Law, EI2 III/379-81 (J. Schacht) sowie Art. RuÞyat al-hilÁl, EI2 VIII/649f. (D.A. King); erst in jüngster Zeit wurde die Bedeutung einheitlicher RamaÃÁn-Feierlichkeiten als Beitrag zur muslimischen Einheit wieder hervorgehoben, als der iranische Revolutionsführer ÀyatollÁh ËÁmeneÞÐ im März 1994 das Ende des Fastenmonats eigenmächtig um einen Tag vorverlegte, um ein gleichzeitiges Feiern des Fastenbrechens (ÝÐd al-fiÔr) in allen muslimischen Ländern zu gewährleisten; vgl. Arabies Nr. 88 (April 1994), 10. 102 Vgl. oben, S. 34 Anm. 13.

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Initiative zugestimmt und den irakischen ÝÁlim gebeten, ein geeignetes Programm aus103 zuarbeiten. al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ ließen es in ihrem persönlichen Treffen nicht dabei bewenden, die Notwendigkeit der muslimischen Eintracht zu beschwören, sondern sie machten sich – eingedenk az-ZanÊÁnÐs oben zitierter Mahnung, sich nicht auf Worte allein zu beschränken – auch Gedanken darüber, wie eine Annäherung zwischen Sunniten und Schiiten praktisch vorbereitet werden könnte. Eine entscheidende Voraussetzung dafür, daß ein Dialog nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt war, bildete eine grundlegende Neuinterpretation desjenigen Streitpunkts, der am Anfang der Spaltung der umma stand und bislang ein schier unüberwindliches Hindernis auf dem Weg einer ökumenischen Debatte darstellte: des Imamats. Für ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn war diese Frage nach der rechtmäßigen Herrschaft im Islam noch „der größte Streitfall 104 (gewesen), der die umma befiel“. Dementsprechend waren seine gesamten MurÁÊaÝÁt diesem Thema gewidmet, und zwar unter Ausschluß aller übrigen Meinungsverschiedenheiten. ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ versuchte nunmehr in seinen Diskussionen mit al-MarÁÈÐ, den Blickwinkel radikal zu ändern und damit die Bedeutung der Imamats- und Kalifatsfrage erheblich zu mindern. Dabei gingen beide von der Feststellung aus, daß als Ursachen des sunnitisch-schiitischen Streits rein politische Beweggründe ausschlaggebend gewesen seien, die man „einigen Königen der Umay105 yaden und Abbasiden“ zu verdanken habe, die jedoch mit den religiösen Grundlagen des Islams überhaupt nichts zu tun hätten. Den im 18. Jahrhundert lebenden imamitischen Gelehrten MoÎammad BÁqer 106 „WaÎÐd“ BehbehÁnÐ zitierend, definierten sie diese Prinzipien, über die bei beiden Konfessionsgruppen vollständige Einigkeit herrsche, folgendermaßen: „Wisse, daß die Grundlagen (uÒÙl) des Islams bei unseren Rechtsgelehrten deren drei sind: die Einheit Gottes (tauÎÐd), die Botschaft (i.e. MuÎammads: ar-risÁla) und der Glaube an das Jenseits (al-maÝÁd). Wer eine einzige davon leugnet, stellt sich außerhalb des 107 Islams.“

Was diese Einschränkung der islamischen Frömmigkeit auf drei unabdingbare Voraussetzungen für die Frage des Imamats bedeutete, darüber ließen al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ erst gar keine Zweifel aufkommen. Dabei handle es sich, so ihre Schlußfolgerung, lediglich um ein der Schia eigentümliches Prinzip ihrer Rechtsschule (aÒl maÆhabÐ). Wer nicht daran glaubt, ist dieser Logik zufolge durchaus Muslim mit allen Rechten und Pflichten, er ist nur kein Schiit, ebenso wie derjenige, der nicht an das Kalifat glaubt, Muslim bleibt, wenngleich kein Sunnit ist. Auf keinen Fall sei es daher statthaft, einander deswegen zu bekämpfen, um so weniger – und hier mündet die Argumentation in eine für die taqrÐb-Debatte entscheidende Pointe –, als der Streit um 103 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 91, 93; ad-Daftar: ÑafÎa, 441f. 104 Šaraf ad-DÐn: al-MurÁÊaÝÁt, Vorw., S. w. 105 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 31; ad-Daftar: ÑafÎa, 46; zu diesem Argument s. unten, S. 182f. 106 Über ihn (ca. 1705-92) s. ÓAŠ II.1/171-74; GAL SII/504; Momen: Introduction, 312; BaÌšÁ-

yešÐ: FoqahÁ-ye nÁmdÁr-e šÐÝe, 249-89; EI2 S/134f. und EIr IV/98f. (H. Algar); ÅTŠ II/177f. 107 ad-Daftar: ÑafÎa, 46.

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die politische Herrschaft angesichts der Abwesenheit des schiitischen Imams und der Abschaffung des sunnitischen Kalifats zu einer Auseinandersetzung über die Ge108 schichte geworden sei und insofern der Interpretation des iÊtihÁd anheimfalle. Was schließlich den Bereich der von den religiösen Prinzipien abgeleiteten Rechtsnormen (furÙÝ ad-dÐn) betreffe, so gebe es hier keine einzige Auffassung seitens der Schia, die sämtlichen sunnitischen Rechtsschulen zuwiderlaufe. Mithin sei der Unterschied zwischen schiitischer und sunnitischer Jurisdiktion keineswegs größer als die innerhalb der einzelnen sunnitischen maÆÁhib zu beobachtenden Differenzen. Konsequenterweise postulierten al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ die Möglichkeit einer Vereinheitlichung die109 ser Rechtsnormen „gemäß den Prinzipien und den Quellen der Gesetzgebung“. Die hier sichtbar werdende Dreiteilung des religiösen Gesetzes ist das eigentlich Bedeutende dieses Dialogs, der die Annäherung der Rechtsschulen voranzutreiben beabsichtigte. Um ein derartiges Gespräch nicht von vornherein ad absurdum zu führen und scheitern zu lassen, war es notwendig, die bedingungslose Einigkeit in den uÒÙl ad-dÐn hervorzuheben und damit anzuerkennen, daß es sich bei der jeweils anderen Gruppe überhaupt um Muslime handelte. Andererseits mußte man jedoch akzeptieren, daß die wohlbekannten Unterschiede in den Geschichtsbildern und damit der historischen Legitimation der beiden Konfessionen so fundamental sind, daß es auch nicht in Frage kam, sie als bloße abgeleitete, implizit zweitrangige Normen zu klassifizieren. al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ lösten das Dilemma, indem sie die traditionelle Zweiteilung in theoretische Prinzipien und in der Praxis wirksame Normen der Religion um eine dritte Kategorie erweiterten, eben jene Grundlagen der Rechtsschulen, die sie für die Frage Imamat bzw. Kalifat reservierten. Hinsichtlich der Möglichkeiten einer Annäherung zwischen Sunna und Schia war der Kunstgriff in zweifacher Weise bedeutsam: Zum einen wurde gerade das heikelste Problem dadurch aus dem Katalog der zu verhandelnden Themen herausgelöst, daß man es quasi historisierte und zu einer Eigentümlichkeit der beiden Konfessionen erklärte. Es gehörte damit weder zu den Grundlagen des Islams, über die a priori Einigkeit bestehen mußte, noch zu den Fragen der religiösen Praxis, in denen eine Einigkeit wünschenswert erschien; vielmehr bildete das Imamat einen eigenständigen Bereich, über den man sich gar nicht zu verständigen brauchte, der überhaupt nicht explizit besprochen werden mußte. Statt dessen – dies die andere Konsequenz des Gedankengangs – konnten die beiden Gelehrten ihre taqrÐb-Bemühungen auf die furÙÝ ad-dÐn beschränken, wobei ihnen hier gerade im Hinblick auf die innersunnitischen Unterschiede in einzelnen Fragen der Religionsausübung eine größere Aussicht auf Erfolg gegeben schien. Im Gegensatz zu ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, der den Streit um die „richtige“ politische Theorie dadurch entscheiden wollte, daß er die Gegenseite von der Irrigkeit ihrer bisherigen Argumentation zu überzeugen und sie zur Annahme der schiitischen Sichtweise zu bewegen versuchte, verfolgten al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ das Ziel, die Diskussion unter bewußter Auslassung des Imamats auf die vermeintlich leichter zu lösenden Fragen der praktischen Rechtsnormen zu begrenzen. 108 Ibid., 46f. 109 Ibid., 46-50, Zitat 49.

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Beide Gelehrte waren sich darüber einig, daß die Vereinheitlichung dieser Normen (tauÎÐd al-furÙÝ al-islÁmÐya) unmöglich in der Kapazität eines einzelnen liegen konnte, schon allein deshalb, weil dessen Entscheidungen kaum je von den Angehörigen der anderen Rechtsschulen anerkannt würden. Sie schlugen deshalb die Einsetzung einer „islamischen wissenschaftlichen legislativen Vereinigung“ (maÊmaÝ tašrÐÝÐ ÝilmÐ islÁmÐ) vor, der die herausragenden Gelehrten (ausdrücklich wird der Begriff muÊtahid 110 gebraucht) der fünf islamischen maÆÁhib angehören sollten und deren Aufgabe darin bestehen sollte, die Ansichten der verschiedenen fuqahÁÞ im Lichte des Korans und der Sunna zu betrachten. Die auf diese Weise gefundene „Quintessenz“ (ÌulÁÒa) sollte anschließend der islamischen Welt vorgelegt werden, um damit ausdrücklich einen 111 Bezug zur religiösen Erziehung der Menschen zu leisten. Weitergehende Modalitäten – etwa die Frage, wer letztlich über die Entsendung welcher ÝulamÁÞ zu entscheiden habe oder wie verbindlich die von diesem Gremium gefaßten Beschlüsse sein sollten – blieben in dieser Phase des Dialogs allerdings noch unbeantwortet bzw. wurden zu den Aufgaben einer „allgemeinen islamischen Konferenz“ erklärt, die „von Zeit zu Zeit“ in 112 den verschiedenen islamischen Ländern einberufen werden sollte. az-ZanÊÁnÐ selbst nannte den Plan einer Konferenz zum Zweck der „Vereinigung der fünf islamischen Rechtsschulen“ das wichtigste Ergebnis, auf das er sich in seinen Gesprächen mit alMarÁÈÐ geeinigt habe, und war sich sicher, daß dieser Vorschlag von den schiitischen ÝulamÁÞ in NaÊaf und anderswo begeistert aufgenommen werden würde – eine, wie 113 sich herausstellen sollte, voreilige Hoffnung. Es wäre nun freilich allzu naiv, als al-MarÁÈÐs einzigen Beweggrund für seinen Dialog mit einem (notabene nicht zur ersten Garde der schiitischen Geistlichkeit gehörenden) Gelehrten ausschließlich sein Streben nach einer Vereinheitlichung juristischer Rechtsnormen im Zusammenwirken mit der Schia zu sehen. Die Lauterkeit seiner Absichten in dieser Richtung, wie sie von zahlreichen muslimischen Autoren seit114 her immer wieder hervorgehoben wird und die MaÎmÙd ŠaltÙt dazu veranlaßte, al115 MarÁÈÐ die Idee an der taqrÐb-Bewegung zuzuschreiben, soll hier nicht in Frage gestellt werden. Aber die Annäherung der Rechtsschulen war eben nicht sein einziges Motiv, womöglich nicht einmal das entscheidende. Vielmehr dienten ihm die Kontakte mit dem schiitischen Gelehrten auch dazu, jene Pläne wiederzubeleben, die er bereits über zwei Jahrzehnte zuvor zum ersten Mal verfochten hatte: die Erringung bzw. nunmehr Restauration der Kalifatswürde unter einem ägyptischen Kalifen. Seine ersten Anstrengungen in dieser Richtung reichen in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück. 110 Die später selbstverständlich werdende Einbeziehung der ZaidÐya war zu diesem Zeitpunkt offenbar noch kein Thema. 111 ad-Daftar: ÑafÎa, 50f. 112 Ibid., 52. 113 Ibid., 483-85. 114 Vgl. z.B. ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/21; Anwar al-ÉundÐ: TarÁÊim al-aÝlÁm almuÝÁÒirÐn fÐ l-ÝÁlam al-islÁmÐ, Kairo 1970, 421-33, bes. 425; MuÎammad Kurd ÝAlÐ: al-ÝAllÁma aš-šaiÌ al-MarÁÈÐ ŠaiÌ al-Azhar, in: AbÙ l-WafÁÞ al-MarÁÈÐ: aš-ŠaiÌ al-MarÁÈÐ bi-aqlÁm al-kuttÁb, 126-42, bes. 132f.; an-Nimr: al-IÊtihÁd, 298; aÒ-ÑayyÁdÐ: al-Azhar, 91; interessanterweise gehen diese Autoren nicht auf al-MarÁÈÐs Kontakte mit az-ZanÊÁnÐ ein, sondern belassen es bei höchst allgemeinen Hinweisen darauf, wie sehr sich al-MarÁÈÐ für die muslimische Einheit eingesetzt habe. 115 ŠaltÙt / as-SÁyis: MuqÁranat al-maÆÁhib, 5; s. auch Zebiri: Shaltut, 24.

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1915 – al-MarÁÈÐ war damals Oberster Richter (qÁÃÐ l-quÃÁt) in Khartum – zog er in einem Brief an den britischen Generalgouverneur des Sudan, Sir Reginald Wingate, die traditionelle Interpretation der islamischen Kalifatstheorie in Zweifel, derzufolge ein Kalif aus dem Stamme der Quraiš hervorzugehen habe. Vordergründig war diese Feststellung gegen die Ambitionen des mekkanischen Scherifen Íusain gerichtet, der dieses Kriterium erfüllte. Zugleich sorgte al-MarÁÈÐ aber dafür, daß sein Urteil nicht als Unterstützung des noch bestehenden osmanischen Kalifats mißverstanden werden konnte, indem er darauf hinwies, daß dem Islam von dieser Seite nichts Gutes widerfahren sei. Damit lag seine eigentliche Absicht auf der Hand: das Kalifat unter einem 116 nicht-quraišitischen Amtsinhaber nach Ägypten zu holen. 1926 zählte er aus dem 117 nämlichen Grunde zu den Organisatoren des Kalifatskongresses zu Kairo. Beide Initiativen endeten mit einem Mißerfolg. Nachdem aber 1936 sein Zögling FÁrÙq den Thron bestiegen hatte, erschien al-MarÁÈÐ, der seinerseits als ŠaiÌ al-Azhar mittlerweile zum höchsten islamischen Würdenträger Ägyptens aufgestiegen war und bei der Verfolgung seiner Intention nicht mehr der Rückendeckung durch andere Autoritäten bedurfte, die Stunde günstig, einen erneuten Anlauf zu wagen. Das Sprungbrett dazu sollte jenes Thema sein, das Mitte der dreißiger Jahre noch relativ neu war, nämlich die interkonfessionelle Zusammenarbeit zwischen Sunniten und Schiiten. Was az-ZanÊÁnÐ in al-MarÁÈÐs Augen in besonderer Weise für dieses Vorhaben qualifizierte, war dessen nach schiitischen Maßstäben unorthodoxe Haltung, die er in der Vergangenheit dem Kalifat gegenüber bewiesen hatte: 1924 hatte er (möglicherweise in weiser Voraussicht dessen, was ein Sieg Ibn SaÝÙds für die Schiiten bedeuten 118 würde) dem selbsternannten Kalifen Íusain gehuldigt. Die Verhandlungen, die beide Gelehrte an der Azhar miteinander führten, schienen al-MarÁÈÐs Vorstellungen durchaus zu entsprechen. Wenngleich diese selbstverständlich nicht Gesprächsthema waren, so ließ die Definition von Imamat und Kalifat als aÒl maÆhabÐ, worüber Sunniten und Schiiten nicht unbedingt zu einer Annäherung der Standpunkte kommen mußten, doch hinreichend Spielraum für die theoretische Möglichkeit eines wiederbelebten sunnitischen Kalifats, das dann auch Gnade vor den Augen der Schia finden konnte. Außerdem betonte az-ZanÊÁnÐ die Vereinbarkeit von Arabismus und islamischer Einheit, ja sogar die Unentbehrlichkeit des ersteren, um letztere zu festigen und fügte sich damit bruchlos in das geistige Klima ein, wie es damals in Ägypten für die Diskussion 119 um den Islam kennzeichnend war. 116 Kedourie: Egypt and the Caliphate, 179-81; engl. Übersetzung von al-MarÁÈÐs Brief ibid.,

208-12. 117 Im Jahr zuvor (1925) hatte sich al-MarÁÈÐ sogar direkt in die Regierungspolitik eingeschaltet und im Zuge einer Geheimmission in den ÍiÊÁz die Möglichkeiten der Errichtung eines ägyptischen Protektorats über die Heiligen Stätten erkundet; s. M. Kramer: Shaykh MarÁghÐ’s Mission to the Hijaz, AAS 16/1982/121-36. 118 Kramer: Islam Assembled, 103 und 214 Anm. 98 unter Berufung auf die mekkanische Zeitung al-Qibla; die Echtheit derartiger Huldigungsadressen, wie sie in einigen Blättern des ÍiÊÁz veröffentlicht wurden, steht allerdings nicht zweifelsfrei fest: RašÐd RiÃÁ bezeichnete etliche dieser Schreiben als Lügen, die Íusains Helfershelfer zu Propagandazwecken in die Welt gesetzt hätten; s. IntiÎÁl asSayyid Íusain AmÐr Makka li-l-ÌilÁfa, al-ManÁr 25/5 (Juli 1924), 390-400, hier 395f.; vgl. Boberg: Ägypten, 57f. 119 ad-Daftar: ÑafÎa, 180-83; vgl. auch OM 18/1938/420, wo auf zwei Artikel der Bagdader Ta-

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Auch nach az-ZanÊÁnÐs Abreise aus Kairo riß seine Verbindung zu al-MarÁÈÐ nicht ab, zumal der ŠaiÌ al-Azhar fortfuhr, in seinen Predigten und Ansprachen das Thema einer Annäherung der muslimischen Rechtsschulen im Geiste gegenseitiger Toleranz 120 an hervorgehobener Stelle anzusprechen. Für kurze Zeit schien es in der Tat möglich, den grundlegenden Streit zwischen Sunniten und Schiiten dadurch zu entschärfen, daß man die ihm zugrundeliegende Imamatsfrage, wie bei den Gesprächen der beiden ÝulamÁÞ geschehen, historisierte. Der Herausgeber der Azhar-Zeitschrift, MuÎammad FarÐd WaÊdÐ, etwa stellte fest, es widerspreche nicht nur dem Islam, sondern schlicht dem gesunden Menschenverstand, wenn man einen über 1300 Jahre zurückliegenden Konflikt immer noch und immer wieder, wie zum Beispiel in Indien, zum Anlaß für das Aufflammen konfessionellen Hasses nehme. Obwohl nicht alle der darin verwickelten Gruppen auch in Ägypten zu finden seien, so müsse diesem Treiben ebenso entschieden dort entgegengetreten werden, wo dadurch die „Mentalität der Muslime“ (ÝaqlÐyat al-muslimÐn) unterminiert würde – ein indirekter, aber deutlicher 121 Hinweis nicht zuletzt auf die Verantwortung der Azhar auch außerhalb Ägyptens. Bald jedoch zeigte es sich, daß bei den Unterredungen in Kairo keineswegs alle Differenzen in zufriedenstellender Weise aus dem Weg geräumt worden waren, daß sogar die dort getroffene Übereinkunft, ein spezielles Gremium mit dem Procedere der Annäherung der juristischen Standpunkte von Sunna und Schia zu betrauen, ihrerseits neuen Konfliktstoff in sich barg. Wie oben dargelegt, hatten al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ 1936 die Frage, wie diese von ihnen ins Auge gefaßte erste regelrechte taqrÐb-Organisation konkret aussehen, wer ihr angehören und wo sie sich konstituieren sollte, unbeantwortet gelassen. Im Februar 1938 – inzwischen häuften sich die Gerüchte über al122 MarÁÈÐs Absichten, das Kalifat unter ägyptischer Leitung zu restaurieren – wandte sich der Rektor der Azhar brieflich an az-ZanÊÁnÐ und legte ihm erneut den Plan einer Institution vor, die sich um die Angelegenheiten der Muslime und die Annäherung ihrer Konfessionen und Rechtsschulen kümmern sollte. Dieser „Oberste Islamische Rat“ (maÊlis islÁmÐ aÝlÁ), wie er ihn nun nannte, sollte alle Muslime repräsentieren, und zwar sowohl von Regierungs- als auch von anderer Seite. Zugleich bat er den irakischen ÝÁlim, diesen Vorschlag den übrigen Gelehrten in NaÊaf vorzulegen und zu erkunden, ob diese gegebenenfalls bereit wären, Ägypten als Versammlungsort zu akgeszeitung al-AÌbÁr zum selben Thema verwiesen wird; im ersten (24.7.38) bekräftigte az-ZanÊÁnÐ seine in Kairo geäußerte Sichtweise, im zweiten (26.7.38) nahm MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif alÇiÔÁÞ wesentlich vorsichtiger Stellung: Seiner Meinung nach wurde die zeitgenössische Debatte über Kalifat, Panarabismus bzw. islamische Einheit zu einem Gutteil von den europäischen Mächten gefördert, um die Muslime vom Palästinaproblem abzulenken. Gleichwohl deutete er jedoch seine Bereitschaft an, im Falle einer gesamtarabischen Einigung und Staatsbildung nach dem Vorbild Japans den Souverän dieses Staates als Kalif aller Muslime anzuerkennen. 120 Vgl. MA 8/1937-38/646-49; 9/1938-39/5-8, 165-75; 10/1939-40/5-11, 481-83; s. auch Irf 29/2 (April 1939), 193f.; OM 18/1938/14; ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 67 (= ad-Daftar: ÑafÎa, 41f.). 121 MuÎammad FarÐd WaÊdÐ: ad-DurÙs ad-dÐnÐya. ËaÔwa muwaffaqa fÐ sabÐl at-taufÐq bain almuslimÐn, MA 8/1937-38/642-44, bes. 643; zu WaÊdÐ (1875-1954), der von 1933 bis 1952 die Azharzeitschrift herausgab, s. az-ZiriklÐ VI/329; MDA III/1395-1400; KaÎÎÁla XI/126f. und M/722 sowie W.C. Smith: Islam in Modern History, Princeton 1957, 122ff. 122 Kedourie: Egypt and the Caliphate, 204; al-MarÁÈÐ trat zu diesem Zweck vorübergehend auch in Kontakt zum Oberhaupt der IsmÁÝÐlÐya, ÀÈÁ ËÁn, s. Kramer: Islam Assembled, 103 und an-Nimr: al-IÊtihÁd, 298.

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zeptieren. In seinem Antwortschreiben zeigte sich az-ZanÊÁnÐ der Idee als solcher gegenüber zwar aufgeschlossen, äußerte aber zugleich drei schwerwiegende Vorbehalte. Zum einen betonte er, daß die Mitwirkung an dem fraglichen Rat auf ÝulamÁÞ beschränkt sein müsse und keine Abgesandte von Regierungen umfassen dürfe, da dies sein Gelingen gefährde. Des weiteren forderte er, daß das Gremium keinesfalls in einem Land zusammentreten dürfe, das sich in irgendeiner Weise unter der Kontrolle der westlichen Politik befinde, und schließlich regte er die Bildung eines Vorbereitungsausschusses an, damit den „Feinden der Religion“ keine Möglichkeit verbleibe, dem Obersten Islamischen Rat unehrenhafte Absichten zu unterstellen und damit erneute Zwietracht unter den Muslimen zu säen. Damit gab er al-MarÁÈÐ in kaum verschleierter Deutlichkeit zu verstehen, daß er dessen Hintergedanken, die ökumenische Debatte in den Dienst seiner Kalifatspläne zu stellen, durchaus erkannt hatte, und er erteilte ihnen eine umfassende Abfuhr. Durch den Ausschluß von Teilnehmern seitens einer Regierung (gemeint war mit dieser Formulierung natürlich vor allem die ägyptische Regierung) sollte eine Neuauflage des Kalifats ebenso verhindert werden wie durch die Bestimmung, der Rat dürfe sich nur in einem vom Westen vollkommen unabhängigen Land versammeln – wodurch das de facto von Großbritannien kontrollierte stehende Ägypten von vornherein ausschied. Das Bestehen auf einem Vorbereitungsausschuß kann daher auch als Versuch gedeutet werden, die schiitische Eigenständigkeit zu wahren und die Auswahl der Themen, über die der Rat zu befinden habe, nicht gänzlich der Azhar zu überlassen. al-MarÁÈÐ seinerseits verstand ebenfalls die zwischen den Zeilen stehende Botschaft az-ZanÊÁnÐs, denn in einem erneuten Brief an ihn stellte er klar, daß bei allem Bemühen um gute Beziehungen niemand daran gedacht habe, NaÊaf zu einem Anhängsel (mulÎaq) der Azhar zu machen; außerdem sei auch er eher dafür, den Rat nur aus Religionsgelehrten bestehen zu lassen, wenngleich er keinen Grund sehe, warum nicht auch „einige herausragende Persönlichkeiten“ 125 (ÝuÛamÁÞ) mitwirken sollten, die nicht aus den Reihen der ÝulamÁÞ kamen. Einer Antwort auf den Einwand bezüglich des Ortes ging al-MarÁÈÐ jedoch aus dem Weg. ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ blieb nicht der einzige schiitische Gelehrte, der sich jetzt skeptisch zu al-MarÁÈÐs Vorstellungen eines islamischen Rates äußerte. In einem Artikel, der im November 1938 im ÝIrfÁn erschien, meldete auch der libanesische Jurist 126 MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya einige grundsätzliche Bedenken an. Der Gedanke, mit Hilfe eines solchen Gremiums zu einer Annäherung zwischen Sunna und Schia zu gelangen, wie sie zum Wohle der umma sei, fand zwar seine prinzipielle Zustimmung, doch müsse sichergestellt werden, daß der Rat – in den die Schia im übrigen große Hoffnungen setze – nicht zur Bühne derer werde, die sich nur nach außen hin als Muslime gäben, im Verborgenen jedoch haßerfüllt die „Zerstörung der Religion im Namen 123 Der Brief ist abgedruckt bei ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 68-71 und ad-Daftar: ÑafÎa, 53f.; ebenfalls in Irf 28/4 (Juni 1938), 372f.; vgl. auch OM 18/1938/222; zu diesem und den sich anschließenden Briefen s. auch Kramer: Islam Assembled, 103f. 124 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 72-76; ad-Daftar: ÑafÎa, 55-57 (Brief vom 9. April 1938). 125 ÕÁbit, 77f.; ad-Daftar, 57f. (Brief vom 3. Mai 1938). In einem kurz darauf in der ägyptischen Tageszeitung al-MuqaÔÔam erschienenen Artikel wurde sogar ausdrücklich erwähnt, daß an dem Rat auch „Experten, die keine ÝulamÁÞ sind“ teilnehmen könnten, s. OM 18/1938/338. 126 Über ihn s. unten, S. 149ff.

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der Religion“ betrieben. In diesem Zusammenhang zeigte sich MuÈnÐya denn auch einigermaßen befremdet ob der Tatsache, daß es al-MarÁÈÐ gerade in seiner Eigenschaft als ŠaiÌ al-Azhar bislang nicht für nötig befunden habe, sich von den Umtrieben antischiitischer, „gedungener“ (mustaÞÊar) Polemiker vom Schlage an-NašÁšÐbÐs oder ÉÁrallÁhs zu distanzieren, deren Wirken für den Islam schlimmere Folgen zeitige als ganze „Armeen der Götzendienerei“ (ÊuyÙš aš-širk). Eine Vereinigung, die diese Leute mit einbezöge, könnte aber zu keiner Annäherung der Muslime beitragen und fände 127 deshalb unter keinen Umständen das Einverständnis der Schia. MuÈnÐyas Tadel an al-MarÁÈÐ wegen dessen Schweigen zu sunnitischen Gegnern der ImÁmÐya ist der direkte Vorläufer jener Kritik, die über zwanzig Jahre später wiederum az-ZanÊÁnÐ in einer ähnlichen Situation an dem dann amtierenden Rektor MaÎmÙd ŠaltÙt üben soll128 te. Nachdem az-ZanÊÁnÐ in seinem Brief an al-MarÁÈÐ seine Vorbehalte derart offen ausgesprochen hatte, trennten sich die Wege der beiden Gelehrten wieder. az-ZanÊÁnÐ selbst trat auch 1938/39 noch als Werber für die islamische Einheit in Erscheinung, doch spielten seine Kontakte mit der Azhar dabei keine Rolle mehr; außerdem konzen129 trierten sich seine Aktivitäten nun auf Syrien und den Libanon. Einen vorläufig letzten derartigen Auftritt, der internationale Beachtung fand, hatte er Anfang September 1938 bei einer Gelehrtenkonferenz in Damaskus, an der er als einziger Vertreter der Schia teilnahm und bei der er die Verpflichtung der ÝulamÁÞ betonte, für eine Einigung 130 der Muslime einzutreten. al-MarÁÈÐ seinerseits sah offenbar ebenfalls ein, daß seine Kalifatspläne kaum je die Zustimmung der schiitischen Geistlichkeit finden würden und beendete dementsprechend seine Korrespondenz mit az-ZanÊÁnÐ, ohne das Vorhaben eines Islamischen Rates weiter zu verfolgen. Seine indirekten Kontakte mit anderen, höherrangigen ÝulamÁÞ in NaÊaf flauten nach 1938 gleichfalls ab. Sein Mitstreiter in dieser Sache war der damalige ägyptische Gesandte im Irak, ÝAbd ar-RaÎmÁn ÝAz131 zÁm, doch scheinen die Beziehungen, die dieser unter anderem zu MuÎammad alÍusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ und AbÙ l-Íasan al-IÒfahÁnÐ geknüpft hatte, nicht über das Stadium unverbindlicher Gespräche hinaus gediehen zu sein, in die sich der ŠaiÌ al132 Azhar nicht unmittelbar einschaltete. Als sich vom 7. bis zum 11. Oktober 1938 auf 127 MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya: al-WaÎda al-islÁmÐya bain as-sunna wa-š-šÐÝa, Irf 28/6 (Nov. 1938), 577-79. 128 Vgl. unten, S. 249. 129 Vgl. Íaul taqrÐb al-adyÁn wa-l-maÆÁhib au tauÎÐdihÁ, Irf 28/8 (Jan. 1939), 769-76, bes. 77072 über az-ZanÊÁnÐs Vortrag in der DÁr al-aitÁm al-islÁmÐya in Beirut; al-ÝAllÁma az-ZanÊÁnÐ yaškur al-quÔrain as-sÙrÐ wa-l-lubnÁnÐ, Irf 29/1 (März 1939), dritte und vierte Umschlagseite; s. auch adDaftar: ÑafÎa, 131-58. 130 Die Unterstützung von az-ZanÊÁnÐs Vorschlägen zählte auch – an 13. Stelle – zu den Beschlüssen der Konferenz; s. dazu ausführlich ad-Daftar: ÑafÎa, 115-30; ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 107-09; OM 18/1938/552; die Predigt, die az-ZanÊÁnÐ während des Kongresses in der Umayyadenmoschee hielt, wurde von MuÎsin al-AmÐn als Vollendung der ÌuÔba ÝAlÐ b. al-Íusains, des vierten Imams, gefeiert, der als einziger Schiit vor ihm diese Kanzel erklommen habe; s. ÕÁbit, 105f.; lt. adDaftar, 90 und 94 soll dieses Ereignis allerdings bereits bei az-ZanÊÁnÐs ersten Aufenthalt in Damaskus 1936 stattgefunden haben. 131 OM 16/1936/233; ÝAzzÁm stieg nach 1945 zum ersten Generalsekretär der neugegründeten Arabischen Liga auf; über ihn s. ad-DÁlÐ: AsrÁr al-ÊÁmiÝa al-ÝarabÐya wa-ÝAbd ar-RaÎmÁn ÝAzzÁm. 132 Kramer: Islam Assembled, 102f.

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Einladung des bereits für seine Kongreßaktivitäten bekannten MuÎammad ÝAlÐ ÝAllÙba 133 der „Interparlamentarische Kongreß arabischer und islamischer Länder zur Vertei134 digung Palästinas“ in Kairo versammelte, waren folgerichtig während der Vorbereitungen keine Anstrengungen unternommen worden, schiitische ÝulamÁÞ zur Teilnahme zu bewegen. Das von al-MarÁÈÐ erwogene Projekt des Obersten Islamischen Rates war ebensowenig auf der Tagesordnung zu finden wie der taqrÐb-Gedanke im allgemei135 nen. Die Diskussion über eine Restauration des Kalifats unter ägyptischer Führung wurde bei diesen Gelegenheiten für kurze Zeit auch ohne schiitisches Zutun fortgeführt und sogar intensiviert. Ihren Höhepunkt fanden diese Aktivitäten im Januar 1939, als König FÁrÙq in einer Kairiner Moschee das Freitagsgebet leitete und am Schluß jener Zeremonie Hochrufe auf den Monarchen ausgebracht wurden; tags darauf titulierte ÝAbd al-ÍamÐd SaÝÐd in der Moschee der ÉamÝÐyat aš-šubbÁn al-muslimÐn FÁrÙq gar als amÐr al-muÞminÐn. Nachdem über diese Vorgänge jedoch umgehend sogar in der europäischen Presse spekuliert wurde, sah sich die ägyptische Regierung dazu veranlaßt, jegliche Absicht einer Wiedereinführung des Kalifats sogleich entschieden zu dementieren. Im weiteren Verlauf des Jahres bereitete der Ausbruch des 136 Zweiten Weltkriegs derartigen Überlegungen ohnedies ein für allemal ein Ende. Auch pan-islamische Anstrengungen von der Art, wie sie al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ unternommen hatten, wurden jetzt fürs erste von dringenderen Problemen über137 lagert. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die taqrÐb-Initiative gerade dieser beiden Gelehrten schon zuvor an ihren inneren Widersprüchen gescheitert war. So sehr sie sich auch bemühten, die alte Streitfrage der politischen Herrschaft dadurch zu entschärfen, daß sie sie auf die in diese Diskussion neu eingeführte Ebene einer „Grundlage der Rechtsschule“ hoben, die damit von dem eigentlichen Ringen um Annäherung ausgenommen war, so unweigerlich war es am Ende doch genau dieses Problem, das zum Bruch führte. al-MarÁÈÐs Versuch, die taqrÐb-Avancen seines schiitischen Gesprächspartners für die eigenen politischen Ziele – die Restauration des Kalifats – zu instrumentalisieren, konnte von der Schia nicht widerspruchslos hingenommen werden. Als az-ZanÊÁnÐ schließlich zusätzlich den Eindruck gewann, die Azhar beabsichtige eine regelrechte Vereinnahmung der schiitischen ÝulamÁÞ, distanzierte er sich umgehend von dem ursprünglich gemeinsam erörterten Plan einer taqrÐb-Organisation. Daß auch al-MarÁÈÐ seinerseits den Kontakt abrupt beendete, mag zum einen 133 ÝAllÙba (1875-1956; s. az-ZiriklÐ VI/307; KaÎÎÁla XI/29; s. auch unten, S. 98f.) war 1931 Vizepräsident und Schatzmeister des Allgemeinen Islamischen Kongresses in Jerusalem gewesen und hatte 1933 an der erfolglosen Indien-Reise des Exekutivkomitees dieses Kongresses teilgenommen, die zum Ziel hatte, die für eine Wiedereinberufung nötigen Mittel aufzutreiben, s. Kramer: Islam Assembled, 140; außerdem hatte er 1936 in Kairo ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ die Einladung MuÎammad AmÐn al-ÍusainÐs zu einem Besuch Palästinas überbracht, s. ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 123; zu azZanÊÁnÐs Aufenthalt in Palästina s. ibid., 123-31 und ad-Daftar: ÑafÎa, 159-66. 134 al-MuÞtamar al-barlamÁnÐ li-l-bilÁd al-ÝarabÐya wa-l-islÁmÐya li-d-difÁÝ Ýan FilasÔÐn; s. dazu E. Rossi: Il congresso interparlamentare arabo e musulmano pro Palestina al Cairo (7-11 Ottobre), OM 18/1938/587-601; außerdem ibid., 603f., 616f., 624f.; Kedourie: Egypt and the Caliphate, 204f.; Kramer: Islam Assembled, 154f.; zu den Vorbereitungen s. OM 18/1938/335f., 422, 567. 135 al-MarÁÈÐ sandte der Konferenz eine Grußbotschaft; s. MA 9/1938-39/vor S. 505 (unpag.). 136 Vgl. OM 19/1939/104f.; Kedourie: Egypt and the Caliphate, 204f. 137 Zu den Kongressen jener Zeit s. Kramer: Islam Assembled, 154-65.

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als Ausdruck einer persönlichen Enttäuschung gewertet werden, belegt auf der anderen Seite aber auch, wie eng für ihn die Verknüpfung von juristischer Annäherung und politischem Kalkül war: als dieses zurückgewiesen wurde, erschien auch jene nicht mehr weiter erstrebenswert. Ungeachtet dieser Erwägungen und ebenso ungeachtet der Tatsache, daß es sich bei az-ZanÊÁnÐ weder um einen der bedeutendsten noch um einen gänzlich unumstrit138 tenen Vertreter der irakischen Schia handelte, bleibt festzuhalten, daß mit MuÎammad MuÒÔafÁ al-MarÁÈÐ erstmals ein ŠaiÌ al-Azhar das ganze beträchtliche Gewicht seines Amtes einsetzte, um einen Dialog mit der Zwölferschia zu führen. Des weiteren verdient der Plan eines Obersten Islamischen Rates eine nochmalige Hervorhebung. Zum ersten Mal wurde hier erwogen, eine feste Organisation mit dem schwierigen Geschäft der Prüfung und Annäherung der juristischen Positionen von Sunniten und Schiiten zu betrauen, und im Gegensatz zu den bisherigen sporadischen Kongressen sollte es sich hierbei von vornherein um eine permanente Institution handeln. Daß das Vorhaben allerdings bereits an der prinzipiellen Frage scheiterte, wer überhaupt zur Teilnahme an diesem Rat zugelassen werden sollte, ist eine der nicht wenigen tragischen Wendungen der taqrÐb-Geschichte. Auf den Lehrbetrieb der Azhar hatten die Kontakte zur Schia nur eine einzige konkrete, wenngleich indirekte Auswirkung, nämlich die Einführung der persischen Sprache in das Curriculum. Zu verdanken war diese bescheidene Reform einem Ereignis gesellschaftspolitischer Art – der Heirat des iranischen Kronprinzen und nachmaligen Schahs MoÎammad ReªÁ PahlawÐ mit der ägyptischen Prinzessin FauzÐya, einer Schwester König FÁrÙqs, am 15. März 1939. Da dessen Mentor al-MarÁÈÐ die Trauung vornahm, hinterließ diese Hochzeit für kurze Zeit sogar ihre Spuren in der Diskussion um die islamische Einheit. Zeitgenössischen europäischen Beobachtern erschien damit gar eine Möglichkeit eröffnet, auf diesem Wege sozusagen par ordre du mufti eine umfassende Einigung zwischen Sunniten und Schiiten herbeizuführen oder doch zu139 mindest zu beschleunigen. Gleichzeitig wurde der Azhar aber schmerzlich vor Augen geführt, daß ihr eine entscheidende Voraussetzung für jede Art von Einigung noch abging: die Fähigkeit, ohne Umwege mit der Gegenseite reden zu können. Als der iranische Thronfolger (der kein Arabisch sprach) im Zuge der Feierlichkeiten auch der Azhar einen Besuch abstattete, mußte die Rede al-MarÁÈÐs ins Französische (!) gedolmetscht werden, was ein bezeichnendes Licht auf die an der theologischen und juristi140 schen Fakultät der Azhar vorhandenen Persischkenntnisse wirft. Unter dem Eindruck dieses Lapsus wurde umgehend beschlossen, Persisch in den Kanon der an der

138 Kramer, 214 Anm. 95 zitiert sogar einen britischen Diplomaten, der az-ZanÊÁnÐ reichlich unfreundlich als „an oily creature and not at all trustworthy“ charakterisierte. 139 Vgl. E. Rossi: Il matrimonio del Principe Ereditario dell’Iran con la Principessa Fawziyyah e suo significato rispetto alle relazioni tra Sunniti e Sciiti, OM 19/1939/227f.; J. Guadarrama: Estado actual del mundo musulmán, Ciencia Tomista 58/1939/405-32, hier 421 und 430; zur Hochzeit s. auch Irf 28/5 (Juli 1938), 503f. und 29/2 (April 1939), 125-27; OM/1938/313, 673f.; 19/1939/58, 161f., 226f., 289; Rizq: al-ÝAlÁqÁt al-ÐrÁnÐya bi-MiÒr, 107-09; al-WardÁnÐ: MiÒr … ÏrÁn, 43f. 140 SumÙw walÐ Ýahd ad-daula al-ÐrÁnÐya yazÙr al-ÉÁmiÝ al-Azhar wa-ÎaÃrat ÒÁÎib al-faÃÐla alustÁÆ al-imÁm, MA 10/1939-40/131f.

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Azhar gelehrten Idiome aufzunehmen; die augenscheinlich trotz der gemeinsamen Sprache existierenden Verständigungsprobleme mit den irakischen Schiiten ließen sich damit allerdings nicht aus der Welt schaffen. ∗∗∗ Die Ehe des Schahs mit Prinzessin FauzÐya wurde im November 1948 – unter wesentlich geringerer Anteilnahme der islamischen Öffentlichkeit – geschieden, unter anderem mit der Begründung, daß das Teheraner Klima der Gesundheit FauzÐyas nicht 142 zuträglich sei.

141 IdÌÁl al-luÈa al-ÐrÁnÐya fÐ l-maÝÁhid al-ÝilmÐya ad-dÐnÐya bi-l-Azhar aš-šarÐf, al-MaÊalla azzaitÙnÐya (Tunis) 3/4 (April 1939), 188 (den Hinweis auf diese Notiz verdanke ich Herrn Dr. Andreas Tunger-Zanetti); s. auch OM 18/1938/567; anläßlich der Hochzeit erschien in Ägypten sogar eine der Prinzessin FauzÐya gewidmete Grammatik der persischen Sprache von ZaidÁn BadrÁn u.d.T. at-TuÎfa al-fauzÐya fÐ taÝlÐm al-luÈa al-fÁrisÐya, s. OM 20/1940/459 und 22/1942/180; zur Einführung der dritten großen Kultursprache des Islams, des Türkischen, s. OM 20/1940/87 und 22/1942/214; vgl. auch Àl ÝAlÐ: ÉawÁnib, Vf. 142 OM 28/1948/182; Rizq: al-ÝAlÁqÁt al-ÐrÁnÐya bi-MiÒr, 111f.

5. KAPITEL Institutionalisierung des ökumenischen Denkens

Vorläufer Sämtliche bisher besprochenen Versuche einer Kontaktaufnahme zwischen Sunna und Schia mit dem Ziel, eine Einigung der Konfessionen oder doch zumindest eine partielle Angleichung bestimmter Rechtsnormen herbeizuführen, waren das Werk von Einzelpersonen. Ein weiteres Charakteristikum, das für die schiitische Seite noch mehr Gültigkeit besitzt als für die Sunniten, ist der Umstand, daß es sich bei den treibenden Kräften der islamischen ökumenischen Bewegung in der überwiegenden Mehrheit um Vertreter des Gelehrtenstandes handelte, die eine ebenso traditionelle wie traditionsverhaftete Ausbildung zum ÝÁlim bzw. muÊtahid durchlaufen hatten. Beispiele par excellence für das Zusammentreffen dieser Faktoren sind der Auftritt MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs bei der Jerusalemer Konferenz vom Dezember 1931 und der Versuch ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐns, einen Platz in der muslimischen taqrÐb-Bewegung zu erobern. Auch der Dialog zwischen ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ und MuÎammad MuÒÔafÁ al-MarÁÈÐ bewegte sich in diesen Bahnen: Ersterer darf bei all seinen Aktivitäten der späten dreißiger Jahre sogar unter seinen ÝulamÁÞ-Kollegen in NaÊaf als Einzelgänger betrachtet werden, letzterer konnte es sich angesichts der immensen Machtfülle seines Amtes sowie der hochpolitischen Zielsetzung seines Tuns leisten, auf eigene Faust zu handeln, ohne erst das übrige Azhar-Establishment hinter sich zu scharen. Die Tatsache, daß die genannten Gelehrten mit keinem wie auch immer gearteten Mandat einer übergeordneten Institution ausgestattet waren, hinderte sie aber nicht daran, je nach eigener Konfessionszugehörigkeit jeweils als Vertreter „der Sunna“ bzw. „der Schia“ aufzutreten. Eine Ausnahmestellung in diesem ansonsten unter Gelehrten ablaufenden Dialog der Rechtsschulen nimmt der im ersten Drittel dieses Jahrhunderts in der Auseinandersetzung um den islamischen Reformismus nahezu allgegenwärtige MuÎammad RašÐd 1 RiÃÁ ein. Sowohl seine intellektuelle Herkunft als auch insbesondere seine Tätigkeit 1 Den nachhaltigsten erzieherischen Einfluß auf RašÐd RiÃÁ übte die von dem libanesischen Scheich Íusain al-Éisr 1879 in Tripoli gegründete madrasa waÔanÐya aus, in der der Lehrplan der traditionellen Fächer erweitert wurde um das Studium westlich geprägter Naturwissenschaften sowie der französischen Sprache; s. Hourani: Arabic Thought, 222-45; zu Íusain al-Éisr s. J. Ebert: Religion

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als Journalist, der sich vorwiegend islamischen Themen widmete, ließen ihn zum bedeutendsten Wegbereiter jenes geistesgeschichtlichen Wandels werden, der seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre Ägypten erfaßt hatte und – ausgehend von dort – bald Auswirkungen in der gesamten islamischen Welt nach sich zog. Gemeint ist damit das Auftreten und die Konsolidierung der sogenannten Neo-SalafÐya, einer sich als gesellschaftliche Avantgarde verstehenden Bewegung, die in den folgenden anderthalb Jahrzehnten wesentlich zur Formung eines neuen Islamverständnisses beitrug. In ihrem steten Bemühen, sich von den als „falsch“ und „feindlich“ erkannten Werten der sie umgebenden kolonialen Gesellschaft zu distanzieren, entwickelten ihre Anhänger ein isolationistisches Weltbild, das sich deutlich am Vorbild der frühesten islamischen Geschichte orientierte, nämlich an der medinensischen Gemeinde zur Zeit des Prophe2 ten. Der bis dahin unter den Intellektuellen verbreitete ägyptische Nationalismus säkularer Orientierung, der sich weitgehend territorial definierte und historiographisch 3 durch den Pharaonismus untermauert wurde, wurde nun abgelöst von einer pan-islamischen Ideologie, die untrennbar auch mit einem pan-arabischen Anspruch verbunden war. Mit anderen Worten: Die Restauration der alle Muslime umfassenden umma bildete das vordringliche Ziel der Neo-SalafÐya, die zuvor zu erreichende Einigung der Araber war zugleich Voraussetzung für die – und Mittel zur – Verwirklichung dieses 4 Ziels. An der Stellung der traditionell ausgebildeten muslimischen Religionsgelehrten konnte dieser Prozeß nicht spurlos vorübergehen. Ihnen erwuchs in der sehr viel offensiveren Islam-Interpretation der neo-salafitischen Intellektuellen eine überaus effektive Konkurrenz, die ihr althergebrachtes Monopol bei der Vermittlung der islamischen 5 Lehre nachhaltig in Frage stellte. Dabei ist allerdings zu betonen, daß es sich hier natürlich um eine idealisierte Kategorisierung handelt. Eine scharfe Trennlinie zwischen den beiden Gruppierungen kann nicht durchgehend gezogen werden, da es immer wieder zu einer punktuellen Zusammenarbeit in ein und derselben Sache kam. So wirkten der Azhar-Gelehrte MuÎammad al-ËiÃr Íusain und andere in verschiedenen neo-sala6 fitischen Organisationen mit, al-MarÁÈÐ selbst pflegte zeitweise Kontakte zur Muslim7 bruderschaft, und ein Forum wie die Jerusalemer Konferenz von 1931 bot Gelehrten wie auch Intellektuellen Platz. Die bevorzugte Organisationsform der Neo-SalafÐya waren kleine, hierarchisch gegliederte Gesellschaften (ÊamÝÐyÁt), in denen eine Art „Mikrokosmos der idealtypi8 schen muÎammadanischen Gemeinde“ vorweggenommen werden sollte. Von zweien und Reform in der arabischen Provinz: Íusayn al-Éisr aÔ-ÓarÁbulusÐ (1845-1909). Ein islamischer Gelehrter zwischen Tradition und Reform, Frankfurt/M. 1991, bes. 79ff. 2 Zu den Entstehungsvoraussetzungen und der Etablierung der Neo-SalafÐya vgl. Schulze: Internationalismus, 87-93 sowie idem: Geschichte, 118-43. 3 Hourani: Arabic Thought, 193-221; zum Hintergrund s. I. Gershoni / J.P. Jankowski (eds.): Egypt, Islam, and the Arabs. The Search for Egyptian Nationhood, 1900-1930, New York, Oxford 1986; vgl. auch Irf 69/1-2 (Jan.-Febr. 1981), 129-34. 4 Gershoni: Emergence, bes. 70-81; idem: Arabization, passim sowie Dawn: Formation, passim. 5 Schulze: Internationalismus, 87 überschrieb das Kapitel, das dieser (nur für den sunnitischen Islam gültigen) Entwicklung gewidmet ist, daher mit „(d)ie Durchsetzung der Intellektuellen“. 6 Ibid., 91. 7 Heyworth-Dunne: Trends, 33f.; Mitchell: Society, 212. 8 Schulze: Internationalismus, 90.

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dieser Vereinigungen (der ÉamÝÐyat aš-šubbÁn al-muslimÐn und der ÉamÝÐyat al-hidÁya al-islÁmÐya) war im Zusammenhang mit dem Besuch az-ZanÊÁnÐs in Kairo bereits die Rede. Aus der alsbald schier unüberschaubaren Zahl der in diesem Sinne tätigen 9 Gruppen ragt als berühmtestes Beispiel die im März 1928 (oder 1929) in IsmÁÝÐlÐya von dem noch nicht 22jährigen Lehrer Íasan al-BannÁ gegründete Muslimbruder10 schaft (ÉamÝÐyat al-iÌwÁn al-muslimÐn) heraus. Ihre innere Struktur in Verbindung mit einem konsequent durchdachten, strikt am Ideal des frühen Islams ausgerichteten Programm ließ sie nicht nur binnen kurzem zu einem bedeutenden Faktor der ägyptischen Innenpolitik werden, sondern machte – vor allem nach dem Ende des Zweiten 11 Weltkriegs – auch in anderen islamischen Ländern Schule. Von Beginn an war die Propagierung pan-islamischen Gedankenguts ein wichtiger Bestandteil der Ideologie der Muslimbrüder, ohne daß jedoch bereits explizit von einer Annäherung der verschiedenen islamischen Rechtsschulen oder überhaupt von der Schia als eigenständiger Konfession die Rede gewesen wäre. Vielmehr begriff Íasan al-BannÁ die islamische Einheit als eine feste und statische Größe, die automatisch in dem Moment verwirklicht würde, in dem es gelänge, die umma muÎammadÐya, wie sie in den Zeiten vor den konfessionellen Spaltungen der Muslime existiert habe, zu restaurieren. Der Umweg über eine langwierige und von unwägbaren Schwierigkeiten gesäumte Diskussion mit dem Ziel der Angleichung von Rechtsnormen und Geschichtsbildern, wie sie bekanntlich erst nach MuÎammads Tod aufkamen, war durch diesen Rekurs auf 12 das koranische Konzept der umma im Prinzip überflüssig, da ein derartiger Prozeß ohnedies nur ein Übergangsstadium auf dem Weg zur „wahren“ und vollständigen Einheit der Muslime sein konnte. Mit dieser Argumentation standen die Muslimbrüder viel stärker in der Tradition des „klassischen“ Pan-Islamismus, wie er im 19. Jahrhundert von ÉamÁl ad-DÐn al-AfÈÁnÐ vorgezeichnet worden war, mit dem Íasan al-BannÁ 13 denn auch häufig verglichen wurde. Wie die Kontakte der Muslimbruderschaft zur ÉamÁÝat at-taqrÐb, von denen noch die Rede sein wird, zeigen, bestand auf seiten der iÌwÁn nichtsdestoweniger die grundsätzliche Bereitschaft, sich an einem solchen Gespräch mit der Schia zu beteiligen. Da von den bestehenden Gelehrtenzentren sowohl der Sunniten (vertreten vor al9 Heyworth-Dunne: Trends, 30 schreibt, er habe Informationen über 135 derartige Organisationen gesammelt (Stand: 1947); in der zugehörigen Anmerkung 30 (S. 89-91) zählt er die 29 ihm am wichtigsten erscheinenden Gruppierungen auf. 10 Zur Muslimbruderschaft s. Mitchell: Society, passim sowie die bei Schulze: Internationalismus, 90f. in Anm. 238 genannte Literatur; zu al-BannÁ (1906-1949) s. ferner die kurzen biographischen Notizen bei az-ZiriklÐ II/183f., MDA II/208-11 sowie EI2 I/1018f. (J.M.B. Jones); die Angaben über das Gründungsdatum sind uneinheitlich: al-BannÁ selbst nannte März 1928 und ÅÙ l-QaÝda 1347 (entspricht April/Mai 1929), vgl. Mitchell, 8 Anm. 19 sowie J.J.G. Jansen: Íasan al-BannÁ’s Earliest Pamphlet, WI 32/1992/254-58. 11 J. Reissner: Ideologie und Politik der Muslimbrüder Syriens. Von den Wahlen 1947 bis zum Verbot unter AdÐb aš-ŠišaklÐ 1952, Freiburg 1980. 12 Art. umma, EI1 IV/1099f. (R. Paret); F.M. Denny: The Meaning of Ummah in the QurÞÁn, History of Religions 15/1975/34-70; idem: Ummah in the Constitution of Medina, Journal of Near Eastern Studies 36/1977/39-47. 13 Mitchell: Society, 321f.; zu al-BannÁs pan-islamischem Denken vgl. ibid., 216f. und Gershoni: Emergence, 71-80.

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lem durch die Azhar) als auch der Schia (in erster Linie NaÊaf, aber auch Qom und die übrigen ÝatabÁt) keine einmütigen und entschiedenen Anstrengungen ausgingen, das Gespräch mit der jeweils anderen Seite zu suchen bzw. zu vertiefen, lag es nahe, daß die taqrÐb-Aktivisten in Anlehnung an die Praxis der Neo-SalafÐya – aus deren Reihen sie sich mitunter rekrutierten – selbst darangingen, entsprechende Gesellschaften ins Leben zu rufen. Zuweilen handelte es sich dabei um Institutionen, die Verlagen und anderen publizistisch tätigen Organisationen in der ausdrücklichen Absicht angeschlossen waren, durch die Veröffentlichung entsprechender Bücher und Artikel die Kenntnis der Konfessionen voneinander zu vermehren und dadurch ihre Annäherung zu fördern. Einer der frühesten Aufrufe in diesem Sinne stammt von dem in NaÊaf leh14 renden schiitischen Juristen MuÎammad RiÃÁ al-MuÛaffar, der 1935 in einem kurzen 15 Beitrag für die Kairiner Reformzeitschrift ar-RisÁla die von ihm gegründete ÉamÝÐyat muntadÁ n-našr vorstellte und dafür warb, durch verstärkte Kontakte zu ägyptischen Stellen die Beziehungen der Azhar zu NaÊaf auszubauen und letztlich eine „islamische Front“ (Êabhat al-islÁm) zu bilden. Auf ägyptischer Seite sprach er dabei gezielt das seit langem bestehende und wohlbekannte „Komitee für Schriftstelle16 rei, Übersetzung und Publikation“ und insbesondere dessen Vorsitzenden AÎmad 17 AmÐn an, der diese Avancen allerdings nicht erwiderte. Die erste neo-salafitisch beeinflußte Gesellschaft, die ausschließlich zu dem Zweck gegründet wurde, die muslimische Einheit voranzutreiben, war die „Gemeinschaft der islamischen Brüderlichkeit“ (ÉamÁÝat al-uÌÙwa al-islÁmÐya), die im Frühjahr 1938 in Kairo entstand. Als treibende Kraft trat der ägyptische Diplomat und Universitätslehrer ÝAbd al-WahhÁb ÝAzzÁm auf, der als Botschafter seinem Land unter anderem in Saudi-Arabien und Pakistan diente und sich als Professor für persische Literatur an der Kairiner FuÞÁd-I.-Universität große Verdienste um die Bekanntmachung 18 seines Faches in Ägypten erworben hatte. Auf dem Gebiet der sunnitisch-schiiti14 Über ihn (1904-1964) s. az-ZiriklÐ VI/127; MDA III/1224f.; MMI III/170f.; ÓAŠ I.2/772f.; KaÎÎÁla M/642f.; RF II/1217f.; al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VIII/451-85; MuÎammad MahdÐ al-ÀÒifÐ: Madrasat an-NaÊaf wa-taÔawwur al-Îaraka al-iÒlÁÎÐya fÐhÁ. ÚilÁl min ÎayÁt ar-rÁÎil aš-šaiÌ al-MuÛaffar wa-dirÁsa Ýan al-ÎayÁt al-fikrÐya fÐ n-NaÊaf, NaÊaf 1384/1964; Nachrufe in RI 14/1964/340 sowie von MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya: FaqÐd an-NaÊaf al-ašraf, in: idem: Min ÆÁ wa-ÆÁk, 136f. 15 Herausgeber dieser Zeitschrift war AÎmad Íasan az-ZayyÁt (1885-1968), der später zweimal (1952 und 1959ff.) die Azhar-Zeitschrift leitete und zu einer treibenden Kraft sowohl bei der Azhar-Reform von 1961 als auch bei der Legitimierung von ÝAbd an-NÁÒirs Variante eines „islamischen Sozialismus“ wurde; s. Vatikiotis: Islam and the Foreign Policy of Egypt, 142; zu az-ZayyÁt allg. s. az-ZiriklÐ I/113f.; MDA III/507-10; KaÎÎÁla M/45; MuÎammad Sayyid MuÎammad: az-ZayyÁt wa-rRisÁla, Riad 1982. 16 Arab.: LaÊnat at-taÞlÐf wa-t-tarÊama wa-n-našr. 17 al-MuÛaffar: as-SunnÐyÙn wa-š-šÐÝa wa-mauqifuhumÁ al-yaum, ar-RisÁla 3/1935/1612-14, bes. 1613f. (obiges Zitat 1614, paenult.); s. dazu al-ÍakÐm: Fikrat at-taqrÐb, 15f.; dagegen Kritik an alMuÛaffar durch al-BahnasÁwÐ: al-ÍaqÁÞiq al-ÈÁÞiba, 46; vgl. auch Irf 31/9-10 (Aug.-Sept. 1945), 578; zu AÎmad AmÐns Komitee s. K.L. Crose: AÎmad AmÐn and Lajnat al-TaÞlÐf wa al-Tarjamah wa alNashr: A Study of their Contribution to the 20th Century Renaissance of Egypt, Ph.D. diss. Hartford 1955 sowie U. Rizzitano: L’attività editorale del ‘Comitato di Composizione, traduzione ed edizione’ del Cairo (1914-1938), OM 20/1040/31-38; zur ÉamÝÐyat muntadÁ an-našr vgl. QubaisÐ: ÍayÁt alimÁm, 95; ÓAŠ I.2/772f.; ar-RaÃawÐ: ÀrÁÞ ÝulamÁÞ al-muslimÐn, 32 Anm. 1 sowie Nakash: The ShiÝis of Iraq, 265-68. 18 ÓalÝat AbÙ FarÎa: AÃwÁÞ ÝalÁ d-dirÁsÁt al-fÁrisÐya fÐ MiÒr, in: Àl ÝAlÐ (ed.): ÉawÁnib min aÒ-

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schen Beziehungen war er wenige Jahre zuvor erstmals in Erscheinung getreten, als er die Schia öffentlich vor der Kritik in Schutz nahm, die der bekannte Reiseschriftsteller MuÎammad ÕÁbit geäußert hatte. In der Kairiner Zeitschrift ar-RisÁla wies er dessen Bemerkungen zur schiitischen Zeitehe und zum Gräberkult zurück und löste damit eine kurzzeitige Kontroverse mit dem ägyptischen Gelehrten AmÐn al-ËÙlÐ aus, der 19 wiederum für ÕÁbit Partei ergriff. ÝAzzÁm übernahm die Präsidentschaft der neuen Vereinigung, als sein Stellvertre20 ter fungierte der Publizist AÎmad Bey ËalÐl. Die Mitwirkung des bekannten ägypti21 schen Philosophen und Schriftstellers ÓanÔÁwÐ ÉauharÐ erhöhte die Bedeutung und das Prestige der Gesellschaft über die Grenzen Ägyptens hinaus in demselben Maße wie ihre von Beginn an international angelegte Organisationsform: Das Präsidium umfaßte Mitglieder aus acht islamischen und osteuropäischen Ländern, insgesamt verfügte die ÉamÁÝa über 46 Zweigstellen „in various parts of the world, including nine eas22 tern European countries.“ Der pan-islamische Anspruch in der Zielsetzung wurde bereits in Artikel 1 der Satzung klargestellt, wo es unter anderem hieß, Absicht der Gesellschaft sei „(i) To work for the mutual recognition of Muslims irrespective of their country of origin, the strengthening of bonds between them, and the emphasis of Islamic brotherhood. (ii) To overcome doctrinal problems about which there are differences of opinion and to 23 avoid discussing them.“

Die letzte Formulierung ist aufschlußreich. Es ging also auch der ÉamÁÝat aluÌÙwa al-islÁmÐya nicht so sehr darum, die zwischen den Muslimen umstrittenen Fragen offen anzusprechen und gegebenenfalls kontrovers zu diskutieren. Vermutlich aus Furcht, eine derartige Debatte könnte die vorhandenen Gräben noch vertiefen, wollte ÒilÁt a×-×aqÁfÐya bain ÏrÁn wa-MiÒr, 181-205, bes. 181-86; zu ÝAzzÁm (1894-1959) allg. s. az-ZiriklÐ IV/186; MDA III/816-19; KaÎÎÁla XIII/403; Nachruf in RAAD 34/1959/368-70; ÝAbd al-ÝAzÐz AÎmad ÉÐra: ad-DuktÙr ÝAbd al-WahhÁb ÝAzzÁm – al-azharÐ as-safÐr, MA 55/5-6 (März 1983), 654-61; MaÎfÙÛ ÝAlÐ ÝAzzÁm: ÝAbd al-WahhÁb ÝAzzÁm – adÐb al-IslÁm, MA 53/4 (März 1981), 728-34; alËalÐlÐ: al-MadÌal, VI/179-82. 19 ar-RisÁla 2/1934/1398f., 1465f., 1501f., 1543f.; die Kontroverse entzündete sich an ÕÁbits Buch Éaula fÐ rubÙÝ aš-šarq al-adnÁ, Kairo 1934; s. dazu Ende: Ehe auf Zeit, 34f.; zu ÕÁbit (gest. 1958) s. az-ZiriklÐ VI/67f.; J.M. Landau: MuÎammad ThÁbit: A Modern Arab Traveller, Journal of Arabic Literature 1/1970/70-74; zu al-ËÙlÐ (1895-1966) s. az-ZiriklÐ II/16; Erwiderungen auf ÕÁbit von schiitischer Seite sind v.a. AŠ I/69-76; al-FukaikÐ: al-MutÝa, bes. 29-34 und al-AmÐnÐ: al-ÇadÐr, III/311-19. 20 Heyworth-Dunne: Trends, 106f. hat die Gesellschaft am bislang eingehendsten besprochen, ohne jedoch Belege oder Literaturverweise für seine Angaben anzuführen; s. ferner OM 18/1938/222; Gershoni: Emergence, 71; Schulze: Internationalismus, 92f.; Landau: Politics, 225f.; Sindi: The Muslim World, 121; aÔ-ÓahÔÁwÐ: Min al-ÝulamÁÞ ar-ruwwÁd fÐ riÎÁb al-Azhar, 202. 21 J. Jomier: Le Cheikh ÓanÔÁwÐ JawharÐ (1862-1940) et son commentaire du Coran, MIDEO 5/1958/115-75, bes. 129f.; demnach verfügte ÉauharÐ auch über Kontakte zur Muslimbruderschaft und zur ÉamÝÐyat aš-šubbÁn al-muslimÐn; vgl. OM 20/1940/88; MDA II/276-78 (Lebensdaten dort 1870-1939); EI2 S/262f. (F. de Jong); Jansen: Interpretation, 32, 44ff.; F. de Jong: The Works of ÓanÔÁwÐ JawharÐ (1862-1940). Some Bibliographical and Biographical Notes, BO 34/1977/153-61 geht auf seine Mitwirkung in der ÉamÁÝat al-uÌÙwa al-islÁmÐya nicht ein. 22 Heyworth-Dunne: Trends, 106. 23 Ibid.

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man sich statt dessen darauf beschränken, die Gemeinsamkeiten aufs neue zu betonen und damit einen Schulterschluß gegen den Westen herbeizuführen. Die sichtbaren Auswirkungen der Gesellschaft hielten sich in engen Grenzen. Der Tod ÉauharÐs 1940 sowie der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lähmten ihre Aktivitäten, die zunächst ins Auge gefaßte Publikation einer eigenen Zeitschrift wurde nicht verwirklicht, zumal auch die anfangs erhoffte breite Unterstützung durch die Azhar und die ägyptische Regierung ausblieb. Eine 1949 in Karachi gegründete Nachfolgeor24 ganisation gleichen Namens vermochte der Idee ebenfalls keine neuen Impulse mehr 25 zu geben. Das Ende des Zweiten Weltkriegs hatte nach der Überwindung der europäischen Mandatsherrschaft über große Teile des Nahen Ostens auch dem Streben nach einer arabischen Einigung durch die Entstehung der Arabischen Liga (ÉÁmiÝat ad-duwal alÝarabÐya) zumindest zu einem vorläufigen und theoretischen Erfolg verholfen. Die Rufe nach einer darüber hinausgehenden Einheit der Muslime rissen jedoch nicht ab. Im Gegenteil: eine Vielzahl von Initiativen und Organisationen gerade außerhalb der arabischen Länder erinnerten beständig an dieses Ziel, so etwa die ÉamÝÐyat ÌuddÁm ad-dÐn in Lahore, die in Europa, Afrika und Malaysia aktive ÉamÝÐyat al-wÁÝiÛÐn alÊaÝfarÐya, die in Bombay ansässige ÉamÝÐyat šabÁb al-ismÁÝÐlÐya, die ÉamÝÐyat KarÁtšÐ 26 al-islÁmÐya oder verschiedene indonesische Gruppen. Auch in den arabischen Ländern blieb man nicht untätig. In Bagdad wurde 1949 27 die ÉamÝÐyat al-waÎda al-islÁmÐya gegründet, in Beirut war bereits zwei Jahre zuvor eine Vereinigung namens DÁr al-inÒÁf entstanden. Bei der zuletzt genannten Vereinigung handelt es sich um die Initiative einer Gruppe muslimischer Juristen aus dem Umkreis der Beiruter šarÐÝa-Fakultät FÁrÙq I. Nach dem Willen ihrer Gründer hätte die Organisation ursprünglich DÁr ad-daÝwa ilÁ AllÁh heißen sollen, doch drängten die Inhaber der InÒÁf-Druckerei, die sich bereit erklärten, die von der Gesellschaft heraus-

24 Landau: Politics, 280; ÝAzzÁm selbst war auch in der Kriegszeit auf dem Gebiet der pan-arabischen und pan-islamischen Einigung aktiv geblieben, vgl. die Notiz in OM 21/1941/236 zur Gründung einer „Associazione culturale panaraba di studenti fondata al Cairo“, zu deren Präsident ÝAbd al-WahhÁb ÝAzzÁm gekürt wurde. 25 Die hier besprochene ÉamÁÝat al-uÌÙwa al-islÁmÐya ist im übrigen nicht zu verwechseln mit dem irakischen Ableger der Muslimbruderschaft, der um 1947 in Bagdad von AmÊad az-ZahÁwÐ und MuÎammad MaÎmÙd aÒ-ÑawwÁf unter der Bezeichnung ÉamÝÐyat al-uÌÙwa al-islÁmÐya aus der Taufe gehoben wurde; s. Schulze: Internationalismus, 105f. mit Anm. 283-85; ferner aÒ-ÑawwÁf: ÑafaÎÁt, 23ff.; demnach verfügte aÒ-ÑawwÁf (1915-1992; über ihn s. MMI III/240 sowie seine Autobiographie Min siÊill ÆikrayÁtÐ, Kairo 1987) aber auch über Kontakte zu ÝAzzÁms Kairiner Gesellschaft (s. ibid., S. 15). 26 al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, I/58; vgl. P. Shinar: IbÁÃiyya and Orthodox Reformism in Modern Algeria, in: U. Heyd (ed.): Studies in Islamic History and Civilization, Jerusalem 1961, 97-120, hier 104. 27 Irf 36/2 (Febr. 1949), 145f.; über das ganze Spektrum des politisch motivierten Pan-Islamismus nach 1945 informiert Landau: Politics, 248-303. Bei der im November 1946 von dem Richter RiÃwÁn ŠÁfiÝÐ al-MutaÝÁfÐ in Kairo gegründeten LaÊnat tauÎÐd al-maÆÁhib handelte es sich demgegenüber um eine Organisation, die sich primär um die Frage einer Einigung der sunnitischen Rechtsschulen kümmerte; s. al-MutaÝÁfÐ: Fiqh al-IslÁm al-muyassar min al-maÆÁhib al-islÁmÐya, 20-35 sowie aÒÑayyÁdÐ: al-Azhar, 91.

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gegebenen Schriften zu drucken, darauf, den Namen in DÁr al-inÒÁf abzuändern. Federführend bei dieser Vereinigung, die explizit die Förderung des Verständnisses über den „tatsächlichen“ Ursprung der muslimischen Rechtsschulen auf ihre Fahnen geschrieben hatte, waren die beiden šarÐÝa-Professoren HÁšim ad-DaftardÁr al-MadanÐ als 29 ihr Direktor und MuÎammad ÝAlÐ az-ZuÝbÐ als ihr Sekretär. Als beträchtlichen Erfolg konnte die Organisation die publizistische Unterstützung durch zwei bedeutende schiitische ÝulamÁÞ verbuchen: MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ war es, der al-MadanÐ und az-ZuÝbÐ zur Abfassung ihrer zweibändigen programmatischen Schrift al-Is30 lÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa drängte, und ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn äußerte sich in seinem Nachwort zum zweiten Band dieses Werkes lobend über islamische Einigungsbestrebungen im allgemeinen sowie al-MadanÐs und az-ZuÝbÐs Anliegen im be31 sonderen. Auch andere schiitische Gelehrte standen der DÁr al-inÒÁf durchaus wohlwollend 32 gegenüber. Von allen hier erwähnten pan-islamischen Vereinigungen vermochte die Beiruter Gründung Anfang der fünfziger Jahre für kurze Zeit die meiste Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Auch sie konnte sich aber, was ihren dauerhaften Platz in der islamischen taqrÐb-Bewegung angeht, in keiner Weise mit jener mittlerweile in Kairo entstandenen Organisation messen, die für die nächsten anderthalb Jahrzehnte das Gesicht der innerislamischen Ökumene prägen sollte, und die uns daher im folgenden eingehender beschäftigen soll. Gemeint ist die „Vereinigung zur Annäherung der islamischen Rechtsschulen“ (ÉamÁÝat at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya / ÉT), die alMadanÐ und az-ZuÝbÐ im übrigen keineswegs als unliebsame Konkurrenz betrachteten, 33 sondern für die eigene Vereinigung zum Vorbild nahmen.

Gründung und Aufbau der ÉamÁÝat at-taqrÐb Als im Frühjahr 1939 der iranische Kronprinz MoÎammad ReªÁ PahlawÐ nach Ägypten reiste, um Prinzessin FauzÐya zu ehelichen, befand sich in seiner Entourage auch ein junger und weithin unbekannter schiitischer Scheich namens MoÎammad TaqÐ QommÐ, dem die Aufgabe zufiel, von Radio Kairo aus die persischsprachigen 28 Zur Entstehungsgeschichte der DÁr al-inÒÁf s. al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/O-L. 29 Über al-MadanÐ, der in Kairo auch an der Gründung der schon erwähnten ÉamÝÐyat al-hidÁya al-islÁmÐya mitgewirkt hatte, s. ibid., II/122-25; zu az-ZuÝbÐ vgl. ibid., II/126f.; MMS 227f. sowie Irf 56/5 (Okt. 1968), 496-503; als weitere aktive Mitglieder wurden genannt: ÝAbd al-QÁdir BawwÁbÐ, ÝAbd al-QÁdir al-ÇandÙr, MuÎammad ÍassÙna sowie RašÐd al-BaÎÒilÐ; s. al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ, II/Y. 30 ÓAŠ I.2/616 Anm. 1 und DÁÞerat ol-maÝÁref-e tašayyoÝ, II/106b (jeweils s.v. MuÎammad alÍusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ); vgl. auch die Rezensionen in RAAD 27/1952/290-92 und Irf 37/10 (Okt. 1950), 1186f. 31 al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/114-18 (trägt das Datum 28. Aug. 1951). 32 Ibid., I/131f. werden die beifälligen Stellungnahmen MuÎsin al-AmÐns sowie MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadrs zitiert (zu aÒ-Ñadr s. unten, S. 129 Anm. 92). 33 Ibid., I/58, 81 und II/*; s. auch az-ZuÝbÐ: LÁ sunna wa-lÁ šÐÝa, 197ff.

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Rundfunkberichte von den Feierlichkeiten abzusetzen. Dabei scheint es sich nicht um den ersten Aufenthalt QommÐs am Nil gehandelt zu haben; eigenem Bekunden zufolge war er im Jahr zuvor erstmals nach Kairo gekommen und dabei auch mit 35 MuÎammad MuÒÔafÁ al-MarÁÈÐ zusammengetroffen. Die Kontaktaufnahme mit der Azhar hatte er den bereits erwähnten Bemühungen des ägyptischen Botschafters in Bagdad und Teheran, ÝAbd ar-RaÎmÁn ÝAzzÁm, zu verdanken, der seit etwa 1936 ver36 suchte, al-MarÁÈÐ mit schiitischen ÝulamÁÞ ins Gespräch zu bringen. QommÐ selbst, der sich später sowohl über den Anlaß seiner Reise von 1939 wie auch über seine Beziehungen zum Teheraner Herrscher im allgemeinen hartnäckig in Schweigen hüllte, betonte, er sei bereits zu dem Treffen mit dem ŠaiÌ al-Azhar ausdrücklich in der Absicht gekommen, damit die Annäherung zwischen Sunna und Schia voranzutreiben. Angesichts des an der Azhar und im ganzen Land vorherrschenden Klimas sei es alMarÁÈÐ jedoch unmöglich gewesen, offen für taqrÐb-Belange einzutreten. Da überdies entsprechende ökumenische Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der für das Jahr 1941 vorgesehenen 1000-Jahr-Feier der Azhar geplant waren, dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fielen, mußte QommÐ unverrichteter Dinge wieder heimkehren. 1946 kam er wieder nach Kairo, diesmal mit dem festen Vorsatz, eine Gesellschaft zu gründen, 37 deren Aufgabe die Überwindung des konfessionellen Streits im Islam sein sollte. Wie sich QommÐ weiter erinnert, gab für ihn jener berühmt gewordene Vorfall bei der Pilgerfahrt des Jahres 1362 (Dezember 1943) den Ausschlag für dieses Vorhaben: Ein iranischer Pilger namens AbÙ ÓÁlib YazdÐ hatte sich während der Umrundung der KaÝba übergeben müssen. Die saudi-arabischen Behörden vermuteten dahinter jedoch eine absichtlich herbeigeführte, besonders infame Schändung des Heiligtums durch einen der WahhÁbÐya ohnedies feindlich gesonnenen Schiiten, ließen ihn umgehend festneh38 men und nach einem sprichwörtlich kurzen Prozeß zwei Tage später enthaupten. Eine ernsthafte diplomatische Krise zwischen Teheran und Riad sowie ein von der iranischen Regierung ausgesprochener Boykott der Pilgerfahrt der nächsten Jahre waren 39 die Folge. 34 Vgl. AÎmad ÝÀrif az-Zain: Bain al-muÞtamar wa-l-Ýurs, Irf 29/2 (April 1939), 121-27, bes. 125. 35 QommÐ: RiÊÁl ÒadaqÙ, RI 14/1964/187-93, bes. 189 (zum Titel vgl. Koran 33/23); vgl. auch

idem in RI 1/1949/258; ein Photo, das QommÐ u.a. mit al-MarÁÈÐ und dem damaligen ägyptischen StaatsmuftÐ ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm zeigt und anläßlich dieses Besuchs entstanden sein dürfte, findet sich bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 28; nach Abraham: ShaltÙt, 113 hielt QommÐ auf Einladung alMarÁÈÐs sogar Vorträge an der Azhar. 36 ad-DÁlÐ: AsrÁr al-ÊÁmiÝa al-ÝarabÐya, 36; in seinem Bemühen, ÝAzzÁms Bedeutung für pan-islamische Einigungsversuche herauszukehren, versucht ad-DÁlÐ, auch die Position seines Gesprächspartners entsprechend zu erhöhen und nennt ihn deshalb raÞÐs ÔÁÞifat aš-šÐÝa bi-ÏrÁn. 37 QommÐ in RI 14/1964/189f. Dieses Ansinnen mag auch als Beleg dafür gewertet werden, daß von den übrigen pan-islamischen Gesellschaften zumindest zu diesem Zeitpunkt keine erwähnenswerten Impulse in dieser Richtung mehr ausgingen. 38 BalÁÈ rasmÐ raqm 82: ÊarÐma munkara, Umm al-qurÁ (saudischer Staatsanzeiger), 20. ÅÙ lÎiÊÊa 1362 (18.12.1943); engl. Übersetzung in Records of the Hajj (s. folgende Anm.), VII/531. 39 Die politischen Konsequenzen sind ausführlich dokumentiert in: Records of the Hajj. A Documentary History of the Pilgrimage to Mecca. Vol. 7: The Saudi Period (1935-1951), o.O. (Chippenham) 1993, 527-60; QommÐ referiert den Zwischenfall in QiÒÒat at-taqrÐb, RI 11/1959/348-59, hier 353f.; s. dazu ferner OM 24/1944/5; S.M. Badeeb: Saudi-Iranian Relations, 50f. und 84f.; KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn, 13 und 24f.; Kramer: Tragedy in Mecca, 235; idem: La Mecque, 41; aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎ-

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Nach seiner erneuten Ankunft in Ägypten profitierte QommÐ bei der Verwirklichung seines Plans in erheblichem Maße von den Kontakten zu führenden ÝulamÁÞ der Azhar, zu denen ihm der mittlerweile verstorbene al-MarÁÈÐ 1938/39 verholfen hatte. An erster Stelle ist hier der Name von al-MarÁÈÐs Nachfolger im Amt des Rektors zu nennen, MuÒÔafÁ ÝAbd ar-RÁziq. Der unter anderem in Paris und Lyon ausgebildete Philosophieprofessor war ein Bruder ÝAlÐ ÝAbd ar-RÁziqs, von dessen Thesen über das 40 Kalifat und dem Echo, das sie auslösten, hier schon die Rede war. Er nahm QommÐs taqrÐb-Projekt sogleich gegen alle (offenbar also schon sehr früh bestehenden) Anfein41 dungen öffentlich in Schutz und trug damit wesentlich dazu bei, daß im Januar 1947 QommÐs Vorhaben Wirklichkeit wurde und die ÉamÁÝat at-taqrÐb in Kairo zu ihrer 42 konstituierenden Sitzung zusammentreten konnte. Andere Azhar-Gelehrte, allen voran die späteren Rektoren ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm und MaÎmÙd ŠaltÙt, von denen noch zu sprechen sein wird, engagierten sich ebenfalls von Anfang an in der Gesellschaft, zu der sie auf Vermittlung MuÒÔafÁ ÝAbd ar-RÁziqs gestoßen waren. Als dieser Mitte 43 Februar, unmittelbar nach der Gründung der ÉT, vollkommen unerwartet starb, trat SalÐm, der bereits zum damaligen Zeitpunkt nach nahezu zwei Jahrzehnten als StaatsmuftÐ (1926-1945) über eine beträchtliche Reputation innerhalb der ägyptischen Geda al-islÁmÐya, 11; at-TÐÊÁnÐ: Õumma ihtadait, 43-47, 78; aš-ŠarqÐ: Naqš-e EslÁm, 538. Dabei scheint es sich nicht um die einzige schiitisch-wahhabitische Unstimmigkeit zu Kriegszeiten gehandelt zu haben: Anfang der vierziger Jahre soll (MuÎammad al-Íusain?) Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ ein FatwÁ erteilt haben, das den (schiitischen) Gläubigen die Pilgerfahrt in Ibn SaÝÙds Königreich untersagte, s. A. Viton: Britain and the Axis in the Near East, Foreign Affairs 19/1940-41/370-84, bes. 383. 40 Vgl. oben, S. 62; über MuÒÔafÁ ÝAbd ar-RÁziq (1885-1947) s. EI 2 VII/713f. (N. Tomiche); azZiriklÐ VII/231; MDA I/571-73; ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/79-92; ÝAlÐ ÝAbd al-FattÁÎ: alMufakkir al-islÁmÐ al-muÝÁÒir MuÒÔafÁ ÝAbd ar-RÁziq, Kairo 1985; zu seinem Einfluß auf die moderne arabische Philosophie vgl. I.M. Abu-Rabi’: Islamic Philosophical Expression in Modern Arab Society, Der Islam 72/1995/47-81, bes. 58ff.; seine Ernennung zum ŠaiÌ al-Azhar (OM 25/1945/27) stieß innerhalb der Hochschule auf heftigen Widerspruch, da er kein Mitglied des Gremiums der Groß-ÝulamÁÞ (HaiÞat kibÁr al-ÝulamÁÞ) war; erst eine auf Druck König FÁrÙqs zustande gekommene Gesetzesänderung ad personam ermöglichte seine Amtsübernahme, s. Kedourie: Egypt and the Caliphate, 203 und D. Crecelius: The Ulama and the State in Modern Egypt, Princeton 1967, 328-31. 41 QommÐ in RI 14/1964/190; ŠaltÙt: Muqaddimat qiÒÒat at-taqrÐb, RI 14/1964/194-202, hier 198f. (wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 15-30; idem: EslÁm. ÀÞÐn-hambastegÐ, 228-43 [pers.], 248-54 [arab.], engl. Teil, 3-13; al-MadanÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 8-14 und al-ÝAlÁyilÐ: MasÞalat at-taqrÐb, 13-19; engl. u.d.T. The Introduction to the Story of Taqreeb, in: Two Historical Documents, 3-13); s. auch aš-ŠÐrÁzÐ: TalÁš-e roÞasÁ-ye al-Azhar, 608; ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/118 und 189 sowie MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ: ÑafÎa baiÃÁÞ min ÊihÁd ŠaltÙt fÐ sabÐl al-iÒlÁÎ ad-dÐnÐ wa-t-taqrÐb bain al-muslimÐn, MA 35/6 (Jan. 1964), 651-56, bes. 653. 42 Dieses Datum wird ausdrücklich genannt von MuÎammad al-Bahayy: Naqd wa-taÝrÐf. TafsÐr al-qurÞÁn li-l-ustÁÆ al-akbar aš-šaiÌ MaÎmÙd ŠaltÙt, MA 31/9 (März 1960), 1013-17, hier 1017; laut ÝAbdallÁh al-QommÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 77 Anm. 1 erschien das erste Communiqué der ÉT (abgedruckt ibid., 77-84 und in RI 1/1949/87-96) am 30. RabÐÝ a×-×ÁnÐ (sic!) 1366 (ca. 23. März 1947); vgl. Irf 33/8 (Juni 1947), 952 sowie unten S. 100 Anm. 54; auch die ÉT selbst hat immer wieder auf dieses Datum verwiesen, s. RI 4/1952/148; 9/1957/20-24; 17/1972/3f.; MA 35/6 (Jan. 1964), 655 Anm. 1. Das in der westlichen Sekundärliteratur durchgehend zu findende falsche Datum 1948 (zuletzt bei Zebiri: ShaltÙt, 12, Schulze: Geschichte, 376 Anm. 39 und MECS 16/1992/203) ist vermutlich auf die erste Notiz zurückzuführen, die über die ÉT in einer westlichen wissenschaftlichen Publikation zu verzeichnen ist: OM 28/1948/126. 43 Nachruf in OM 27/1947/41.

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lehrtenschaft verfügte, an seine Stelle und wurde zum wichtigsten Mentor der Vereini44 gung in ihrer Gründungsphase. Präsident der ÉT wurde allerdings kein AzharÐ, sondern ein alter Bekannter auf dem Parkett pan-islamischer Aktivitäten: MuÎammad ÝAlÐ ÝAllÙba PÁšÁ, der Schatzmeister des Jerusalemer Kongresses, der 1938 den schon erwähnten pro-palästinensischen Parlamentarierkongreß in Kairo organisiert und sich auch seither beständig für 45 die arabische und islamische Einheit eingesetzt hatte. Seine Berufung ist als Indiz dafür zu werten, daß die Gründerväter der Gesellschaft von Anbeginn an versuchten, die neo-salafitischen Intellektuellenkreise für die taqrÐb-Sache zu gewinnen und sie in die neue Vereinigung zu integrieren. ÝAllÙba, der über gute Kontakte zur Neo-SalafÐya verfügte, tat sich noch im Jahr der ÉT-Gründung, im November 1947, mit zwei der bedeutendsten Repräsentanten der Neo-SalafÐya zusammen – mit dem Führer der Muslimbruderschaft, Íasan al-BannÁ, und dem Präsidenten der ÉamÝÐyat aš-šubbÁn 46 al-muslimÐn, MuÎammad ÑÁliÎ Íarb –, um ein „Komitee des Niltals“ (HaiÞat wÁdÐ nNÐl al-ÝulyÁ li-inqÁÆ FilasÔÐn) zur Unterstützung der arabischen Freiwilligenarmee in 47 Palästina zu bilden. Die solcherart angestrebte Integration der, wenn man so will, „gemäßigten“ neo-salafitischen Kräfte verfolgte zweierlei Intention. Zum einen konnte die Muslimbruderschaft, die sich zu dieser Zeit auf der Höhe ihres religions- und gesellschaftspolitischen Einflusses befand, der taqrÐb-Gesellschaft wertvolle Protektion widerfahren lassen und somit zu ihrer allgemeinen Akzeptierung beitragen. Andererseits war es auf diese Weise möglich, einen Schutzschild gegen die zu befürchtende – und bald auch eingetretene – Kritik aus den Reihen des „rechten Flügels der SalafÐya“ aufzubauen, der sich vor allem in der Gestalt seines Protagonisten MuÎibb ad-DÐn alËaÔÐb als Verteidiger eines dezidiert umayyadenfreundlichen Geschichtsbildes hervorgetan hatte, das beinahe zwangsläufig vehement antischiitische Züge enthalten muß48 49 te. Wie al-ËaÔÐbs wütende Reaktion auf die Etablierung der ÉT zeigt, ging diese Rechnung zumindest in der Zeit unmittelbar nach der Gründung der Vereinigung durchaus auf. Nicht nur diese Verbindung zur Neo-SalafÐya, sondern auch sein politischer Werdegang machte ÝAllÙba zu einer nahezu idealen Besetzung für das Amt des Präsidenten der neugeschaffenen Vereinigung. 1930 hatte er eine entschiedene Absage an den Pharaonismus und einen gleichzeitigen Aufruf zur Hinwendung Ägyptens zur arabischen Welt verfaßt und war damit zu einem Vorreiter des Pan-Islamismus in Ägypten ge44 Zu SalÐm (1882-1954) s. az-ZiriklÐ IV/149; Lemke: ŠaltÙt, Index s.v.; al-ËafÁÊÐ: al-Azhar fÐ alf ÝÁm, I/188f.; ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/107-25; aÒ-ÑaÝÐdÐ: TÁrÐÌ al-iÒlÁÎ, I/138-40 und II/4f., 7f.; MA 61/5 (Dez. 1988), 568-75 und 61/6 (Jan. 1989), 685-90. 45 Vgl. oben, S. 86; 1939 übernahm er den Vorsitz im Ehrenkomitee der neugegründeten ÉamÝÐyat al-waÎda al-ÝarabÐya, s. OM 19/1939/306. 46 Über ihn (gest. 1968) s. az-ZiriklÐ VI/166; Mitchell: Society, Index s.v. Harb; er stand seit 1940 als Nachfolger ÝAbd al-ÍamÐd SaÝÐds an der Spitze der Vereinigung, s. OM 20/1940/436f. 47 Mitchell: Society, 56; vgl. auch unten, S. 135; zur Haltung der Muslimbrüder zur Palästinafrage s. A. el-Awaisi: The Conceptual Approach of the Egyptian Muslim Brotherhood towards the Palestine Question, 1928-1949, Journal of Islamic Studies 2/1991/225-44. 48 Ende: Arabische Nation, 91-110. 49 Vgl. unten, S. 196ff.

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worden. Durch seine Tätigkeit bei der Konferenz in Jerusalem und seine Aktivitäten in deren Gefolge verkörperte er die direkte Anknüpfung an dieses Ereignis, das dem pan-islamischen Denken wie kein zweites zu internationaler Aufmerksamkeit verholfen und einer sunnitisch-schiitischen Annäherung weithin beachtete Schlagzeilen beschert hatte. Darüber hinaus verfügte er, nachdem er in verschiedenen Kabinetten Ministerämter bekleidet hatte, über wertvolle politische Kontakte, die der Etablierung der ÉT von Nutzen sein konnten. Bezeichnenderweise stand am Ende seiner politischen Karriere die Berufung zum ersten Botschafter Ägyptens im neugegründeten Pakistan, 51 in das viele Pan-Islamisten große Hoffnungen setzten. Eine ähnliche Absicht im Hinblick auf das Establishment der Azhar-Gelehrten dürfte bei der Besetzung des Postens des Vizepräsidenten der Vereinigung Pate gestanden haben. Dieses Amt fiel ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm zu, dem nach dem Tode MuÒÔafÁ ÝAbd ar-RÁziqs renommiertesten Vertreter des ÝulamÁÞ-Standes innerhalb der ÉT. Sein persönlicher Einsatz zugunsten einer Annäherung mit der Schia ging so weit, daß der bekannte Historiograph der Reformgesetzgebung an der Azhar, ÝAbd al-MutaÝÁl aÒÑaÝÐdÐ, die Gründung der (wie er sie nannte) LaÊnat at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁ52 mÐya gänzlich als SalÐms Werk bezeichnete. Die Mitwirkung prominenter AzharÐs ermöglichte außerdem den Brückenschlag zu schiitischen ÝulamÁÞ, die auf diese Weise nicht nur in der Azhar ihren bereits gewohnten Ansprechpartner auf sunnitischer Seite behielten, sondern darüber hinaus in Einzelfällen mit den annäherungswilligen Teilen der Neo-SalafÐya in Berührung kamen, in erster Linie mit Íasan al-BannÁ. Die beiden exponiertesten offiziellen Funktionen der Vereinigung wurden also paritätisch mit je einem Vertreter der pan-islamisch orientierten Intellektuellenzirkel im Umkreis der Neo-SalafÐya sowie einem Repräsentanten des traditionellen Gelehrtentums besetzt. MoÎammad TaqÐ QommÐ selbst begnügte sich demgegenüber mit dem 53 (allerdings nur scheinbar) zweitrangigen Amt des Generalsekretärs. Von Anfang an war er die eigentlich treibende Kraft bei der Bekanntmachung der taqrÐb-Gesellschaft im Ausland, insbesondere in der schiitischen Presse. Nur wenige Monate nach der ers50 Gershoni: Emergence, 59-62. 51 ÝAllÙba: ÅikrayÁt iÊtimÁÝÐya wa-siyÁsÐya, Kairo 1988, 295-97; Differenzen mit der Kairiner

Regierung über die ägyptische Kulturpolitik in Pakistan führten jedoch dazu, daß ÝAllÙba bereits nach etwas mehr als einem Jahr Amtszeit von seinem Posten zurücktrat und sich ins Privatleben zurückzog; sein Nachfolger in Karachi wurde ÝAbd al-WahhÁb ÝAzzÁm, der uns als Gründer der ÉamÁÝat aluÌÙwa al-islÁmÐya ebenfalls schon begegnete (s. RI 5/1953/138-45); in seinen Memoiren übergeht ÝAllÙba allerdings erstaunlicherweise sein Engagement für pan-islamische Belange, insbesondere in der ÉT; zur Bedeutung Pakistans für die pan-islamische Bewegung s. Landau: Politics, 253f., 297f. 52 aÒ-ÑaÝÐdÐ: TÁrÐÌ al-iÒlÁÎ, I/138; zu ihm (1894-ca. 1958) s. az-ZiriklÐ IV/148; al-ËafÁÊÐ: al-Azhar fÐ alf ÝÁm, II/115-19; auch in späterer Zeit findet sich vereinzelt die Behauptung, bei der ÉT handle es sich um eine Gründung der Azhar bzw. um ein ihr angegliedertes Institut; vgl. al-BahnasÁwÐ: alÍaqÁÞiq al-ÈÁÞiba, 65; IbrÁhÐm: Mauqif al-ÝulamÁÞ, 13, 18ff.; az-ZuÝbÐ: al-Azhar wa-n-NaÊaf: alf ÝÁm fÐ Ìidmat al-islÁm, Irf 47/4 (Dez. 1959), 367-73, bes. 372 (dazu as-SarrÁÊ: al-ImÁm MuÎsin al-ÍakÐm, 173; az-ZuÝbÐs Aussage war freilich durch die aktuellen Gegebenheiten des Jahres 1959 bedingt); außerdem: Fleischhammer: DaÝwat at-taqrÐb, 37; Heyworth-Dunne: Trends erwähnt die ÉT überhaupt nicht, wohingegen MaÎmÙd ŠaltÙt Wert auf die Feststellung legte, QommÐ sei der erste gewesen, der zu dieser daÝwa (i.e. der Annäherung) aufgerufen habe, RI 14/1964/196. 53 Die bei Bagley: Azhar, 112 zu lesende Angabe, die ÉT habe sich „under the leadership of an Iranian named Shaikh KÁÛim“ befunden, beruht offensichtlich auf einem Mißverständnis.

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ten Zusammenkunft der ÉT sandte er ein Schreiben an AÎmad ÝÀrif az-Zain, den Herausgeber des ÝIrfÁn, dem er ein Exemplar der Satzung zukommen ließ. Darin setzte er ihn sozusagen offiziell von der Existenz der Vereinigung in Kenntnis und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, az-Zain und mit ihm seine Zeitschrift zur Mitarbeit ge54 winnen zu können. Zwar hat es den Anschein, als sei QommÐ der einzige Zwölfer55 schiit gewesen, der beim Gründungsakt zugegen war, doch gelang es ihm schon bald, mittels reger Briefwechsel und einer augenscheinlich intensiven Reisetätigkeit weitere schiitische Gelehrte für die ÉT zu interessieren und schließlich einzunehmen. QommÐ, aus dessen Beiträgen für die ab 1949 von der Vereinigung herausgegebene Zeitschrift RisÁlat al-IslÁm/RI ein hohes Maß an Sendungsbewußtsein für das Anliegen der ÉT 56 spricht, ging bisweilen sogar so weit, sein eigenes Auftreten wie auch die Tätigkeit der Gesellschaft als erste ihrer Art überhaupt und damit völlig ohne Vorläufer darzustellen. Dabei enthielt er sich tunlichst jeglichen Hinweises auf die bisherigen Versu57 che, Sunna und Schia zu einem Dialog zu versammeln. Allmählich wurde QommÐ dadurch gleichsam zu einem Synonym für die ÉT, so daß es kaum überrascht, daß 58 nach dem Tode SalÐms 1954 und ÝAllÙbas 1956 die von ihnen bekleideten Ämter nicht neu besetzt wurden, sondern stillschweigend praktisch abgeschafft und in der Folgezeit einfach nicht mehr erwähnt wurden. Die Namensgebung der Vereinigung war gleich in zweifacher Hinsicht programmatisch. Anders als die überwiegende Mehrheit der in den zwei Jahrzehnten zuvor entstandenen neo-salafitischen Organisationen wählte die ÉT für sich nicht das eigentliche arabische Wort für „Vereinigung“ (ÊamÝÐya). Statt dessen gab man der weitaus umfassenderen Bezeichnung ÊamÁÝa den Vorzug, die üblicherweise zur Beschreibung der gesamten muslimischen Gemeinde verwendet wird. In dieser Bedeutung ist der Ausdruck bereits in frühislamischen Quellen belegt, wo er als direkter Gegenbegriff zu jenem Wort fitna (wörtl. „Heimsuchung“) auftauchte, das wie kein zweites mit dem 59 Schisma des Islams in Sunniten und Schiiten assoziiert wird. Dabei war ÊamÁÝa nicht als Synonym zum Oberbegriff umma gemeint, sondern bezeichnete vielmehr den inne60 ren „‘Grundkonsens’ der Muslime (…), der interne Streitigkeiten durchaus zuließ.“ 54 Abgedruckt in Irf 33/8 (Juni 1947), 969f.; s. auch Irf 37/6 (Juni 1950), 708; 38/5 (April 1951), 511; zu AÎmad ÝÀrif az-Zains Haltung zur ÉT s. unten, S. 153ff. 55 Darauf läßt jedenfalls eine Formulierung in seinem eben erwähnten Brief an den ÝIrfÁn schließen: „wa-bi-ÒifatÐ al-ÝuÃw al-muma××il li-š-šÐÝa al-imÁmÐya fÐ l-ÊamÁÝa (…)“, loc. cit., 969. 56 So z.B. in RI 3/1951/35-39; 4/1952/147-51; 5/1953/146-51, 377-84; 6/1954/365-70; 8/1956/ 38-42; 9/1957/20-24; 10/1958/16-21; 13/1962/243-50. 57 RI 11/1959/359. 58 Nachrufe in RI 6/1954/431-36 bzw. 8/1956/216. 59 Zur ersten fitna (im Jahre 656) s. oben, S. 8; über die zweite fitna der Jahre 683ff. um das mekkanische Gegenkalifat des ÝAbdallÁh b. az-Zubair informiert ausführlich G. Rotter: Die Umayyaden und der Zweite Bürgerkrieg (680-692), Wiesbaden 1982. 60 Noth: Früher Islam, 98; s. ferner die Art. DjamÁÝa und DjamÝiyya, EI2 II/411f. (L. Gardet) bzw. 428f. (A. Hourani); Art. al-RÁbiÔa al-IslÁmiyya, EI2 VIII/359-61 (R. Schulze). Von den bei HeyworthDunne: Trends, 90f. namentlich angeführten 29 Gruppen trugen nicht weniger als 22 die Bezeichnung ÊamÝÐya, während nur deren zwei sich ÊamÁÝa nannten: die bereits besprochene ÉamÁÝat al-uÌÙwa alislÁmÐya sowie die 1926 von MuÎammad ÍÁmid al-FiqÐ, einem Schüler RašÐd RiÃÁs, in Kairo gegründete ÉamÁÝat anÒÁr as-sunna al-muÎammadÐya; über diese s. Schulze: Internationalismus, 137 Anm. 436.

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Die zuletzt genannte Konnotation entsprach, wie noch zu zeigen sein wird, haargenau dem credoartig vorgetragenen Selbstverständnis der taqrÐb-Gesellschaft, wonach in den Prinzipien der Religion unter allen Muslimen unverbrüchliche Einigkeit bestehe, während Meinungsverschiedenheiten in darüber hinausgehenden Fragen durchaus 61 statthaft, ja sogar wünschenswert seien. Der zweite auffällige Punkt bei der Eigenbezeichnung der ÉT besteht in der Verwendung des Wortes maÆÁhib für alle beteiligten Gruppen. Bisher war es üblich gewesen, nur die vier sunnitischen Rechtsschulen als solche zu benennen, wohingegen Sunniten und Schiiten einander gegenseitig als ÔÁÞifa (Pl. ÔawÁÞif) oder firqa (Pl. firaq) zu bezeichnen pflegten. Die Forderung, auch die Schia als maÆhab anzuerkennen (und damit auf eine Stufe mit den sunnitischen Lehrauslegungen zu stellen), war an sich nicht neu, bereits ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn hatte sie in seinen MurÁÊaÝÁt ange62 mahnt. Erst die Tätigkeit der ÉT vermochte jedoch diesem Anliegen Gehör zu verschaffen. Der Anstoß zu diesem Schritt kam von MaÎmÙd ŠaltÙt, der – ganz im Sinne des zuvor angesprochenen taqrÐb-Credos – anregte, angesichts der per definitionem minimalen Unterschiede in untergeordneten Bereichen fortan nur noch von schiiti63 schen maÆÁhib zu sprechen. Dabei stand es für alle Beteiligten der Vereinigung von vornherein außer Frage, daß eine derartige Erweiterung der Bezeichnung sich ausschließlich auf die zwei allein als legitim anerkannten Gruppen der Schia beschränken mußte, nämlich die zwölferschiitische ImÁmÐya und die ZaidÐya, während den zahllosen anderen Erscheinungsformen der Schia ausdrücklich kein Platz eingeräumt wurde. 64 Auch von dieser Haltung wird noch zu sprechen sein. Die Ziele, um deren Verwirklichung willen die ÉT ins Leben gerufen worden war, wurden im zweiten Artikel der Satzung (al-qÁnÙn al-asÁsÐ) niedergelegt und ab dem zweiten Jahrgang der Hauszeitschrift RisÁlat al-IslÁm in beinahe jeder Nummer zur beständigen Erinnerung wiederabgedruckt. Im einzelnen handelte es sich dabei darum, „a) auf eine Einigung unter den Angehörigen der islamischen Rechtsschulen – ‘der islamischen Konfessionsgemeinschaften’ (ÔawÁÞif) – hinzuarbeiten, unter denen Meinungen, die nicht zu den unabdingbaren Grundüberzeugungen des Glaubens gehören, Zwietracht herbeigeführt haben. b) die islamischen Prinzipien in den verschiedenen Sprachen (der Muslime) zu verbreiten und zu zeigen, in welchem Maße die (menschliche) Gesellschaft ihrer bedarf. c) danach zu streben, jeglichem Konflikt zwischen zwei muslimischen Volks- oder Konfessionsgruppen (šaÝbain au ÔÁÞifatain) ein Ende zu machen und zwischen ihnen zu vermit65 teln.“

Die Mittel, derer man sich zu bedienen vorhatte, wurden in Artikel drei folgendermaßen umrissen: 61 Zur Argumentationsweise der ökumenischen Vereinigung vgl. unten, Kap. VII. 62 al-MurÁÊaÝÁt, Nr. 4. 63 QommÐ in RI 14/1964/191; OM 28/1948/126; Abraham: ShaltÙt, 116 Anm. 3; ŠaltÙt selbst

hielt sich konsequent an diese Sprachregelung, vgl. z.B. sein Buch MuqÁranat al-maÆÁhib oder sein berühmtes FatwÁ vom Juli 1959. 64 Vgl. unten, S. 180f. 65 RI 1/1949/8; engl. Übersetzung bei Abraham: ShaltÙt, 116f.

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INSTITUTIONALISIERUNG DES ÖKUMENISCHEN DENKENS „a) Veröffentlichung von Büchern und (anderen) Schriften. b) Propaganda (daÝwa) mittels Zeitungen, Vorträgen und Rundfunkübertragungen. c) Austausch von Publikationen mit den religiösen und kulturellen Gemeinschaften (ÊamÁÝÁt) in den verschiedenen islamischen Körperschaften (haiÞÁt). d) Einberufung allgemeiner islamischer Konferenzen, auf denen sich die Führer der islamischen Völker versammeln, (um) über religiöse und soziale Angelegenheiten (zu diskutieren). e) Das Bestreben, daß die islamischen Universitäten überall das Recht (aller) islamischer 66 Rechtsschulen unterrichten, auf daß sie zu allgemeinen islamischen Hochschulen werden.“

Indes sorgten nicht allein diese Absichtserklärungen, die den Rahmen für die Tätigkeit der ÉT bildeten, dafür, daß die Gesellschaft in der Durchsetzung ihrer Ziele erfolgreicher war als vorangegangene Initiativen, sondern vor allem jene Bestimmung des Artikels vier der Satzung, der besagte, daß der Vereinigung ein Institut namens DÁr at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya angegliedert werden solle. In der darin befindlichen Bibliothek wollte man Bücher und Quellentexte aus allen in der ÉT vertretenen 67 Rechtsschulen sammeln und der Öffentlichkeit zur Benutzung zugänglich machen. Auf diese Weise sollte einem Anliegen Rechnung getragen werden, das zu den grundsätzlichen Überzeugungen der taqrÐb-Idee gehörte und beständig in den Artikeln der RI wie auch in anderen Stellungnahmen ökumenischer Gelehrter hervorgehoben wurde: der Forderung, sich bei der Beurteilung der unterschiedlichen islamischen Konfessionsgruppen nicht länger von der überkommenen häresiographischen, auf Irrtümern und Unterstellungen der jeweiligen Gegenseite beruhenden Literatur leiten zu lassen, sondern sich auf die den fraglichen Gruppen jeweils eigenen Schriften zu beziehen und diese genau zu studieren. Innerislamische Konflikte wurden in der Hauptsache auf die mangelhafte Kenntnis der Muslime voneinander zurückgeführt – was sie in den Augen der taqrÐb-Aktivisten wiederum anfällig für die subversive Tätigkeit kolonialistischer und sonstiger islamfeindlicher Kräfte gemacht hatte. Deshalb sah es die ÉT als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben an, diese Unwissenheit überwinden zu helfen und damit einem verständnisvollen und toleranten Umgang der Gläubigen miteinander 68 den Weg zu ebnen. Da es natürlich kaum nötig war, die vier sunnitischen Rechtsschulen in Ägypten vorzustellen, verfolgte die von QommÐ vorangetriebene Etablie69 rung der DÁr al-taqrÐb mitten in Kairo den Hauptzweck, die Schia außerhalb ihrer eigentlichen Verbreitungsgebiete bekanntzumachen. Genau diese unverhohlene Zielsetzung trug ihm allerdings postwendend den von den Gegnern einer Annäherung gestreuten Vorwurf ein, die angeblich seit Jahrhunderten zu beobachtenden schiitischen Versuche einer Vereinnahmung der Sunniten fortsetzen zu wollen und zu diesem 70 Zweck ein Propagandazentrum ausgerechnet in der Stadt der Azhar eröffnet zu haben. 66 RI 1/1949/39. 67 Ibid., 81 und 215. 68 Vgl. u.a. die Artikel von ÝAbd al-ÝAzÐz MuÎammad ÝÏsÁ in RI 1/1949/281-85; MaÎmÙd FayyÁÃ

ibid., 286-92; MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr ibid., 358-64; MoÎammad TaqÐ QommÐ ibid, 258-62 und 3/1951/35-39; MuÎammad YÙsuf MÙsÁ ibid., 63-69. 69 Die genaue Adresse war ŠÁriÝ AÎmad Íišmat PÁšÁ 19 im Stadtteil ZamÁlik; Direktor des Instituts war ÝAbd al-ÝAzÐz MuÎammad ÝÏsÁ. 70 Vgl. z.B. al-MallÁÎ: TÁrÐÌunÁ l-qaumÐ, 91-100 (mit besonderem Hinweis auf die Konferenz unter NÁdir ŠÁh).

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Weder derartige Anfeindungen noch der eingestandenermaßen nur schleppend in Gang gekommene Aufbau der Bibliothek – die Beschaffung schiitischer Literatur be71 reitete offensichtlich mehr Schwierigkeiten als erwartet – konnten QommÐ jedoch von seinem langfristigen Ziel abbringen, dem schiitischen Recht auch an der Azhar mehr Bedeutung zu verschaffen. In der Tat war dessen Rolle an dieser traditionsreichen Lehrstätte zum Zeitpunkt des ersten Auftretens der ÉT von nahezu völliger Bedeutungslosigkeit gekennzeichnet. Ein 1943 in der Azhar-Zeitschrift veröffentlichter Überblick über die Bestände der Bibliothek wies die Disziplin fiqh aš-šÐÝa an 47. Stelle (von insgesamt 58) aus, weit hinter ingenieurs- und naturwissenschaftlichen Fächern 72 und mit ganzen 27 zur Verfügung stehenden Büchern. Da es aussichtslos erschien, dieses krasse Mißverhältnis an der Azhar selbst von heute auf morgen zu korrigieren – zumal auf einem derart heiklen Gebiet –, tat die ÉT ihrerseits den ersten Schritt, indem sie wenigstens in ihrer Bibliothek schiitische Bücher der Allgemeinheit zugänglich machte. Von Anfang an verband sie damit aber zugleich die Hoffnung, daß eines Tages auch an der Azhar das Studium anderer als der vier sunnitischen Rechtsschulen 73 möglich sein werde. Von dieser Funktion als Hort schiitischer Bücher abgesehen erfüllte die DÁr attaqrÐb noch zwei weitere wichtige Aufgaben. Zum einen dienten ihre Räumlichkeiten 74 als Versammlungsort für die Sitzungen der Mitglieder der ÉT sowie als willkomme75 ne Anlaufstelle für jene schiitischen Gelehrten, die sich gerade in Kairo aufhielten. In den Jahren vor der Juli-Revolution von 1952 geschah es mitunter auch, daß Politiker einen Besuch in Ägypten zu einem Abstecher in die ÉT nutzten; der prominenteste unter ihnen war der iranische Ministerpräsident MoÎammad MoÒaddeq, der im November 1951 mit ÝAllÙba und SalÐm zusammentraf und sich von diesen die Ziele der 76 Vereinigung erläutern ließ. Eine weitere, für die Verbreitung des taqrÐb-Gedankens noch bedeutendere Aufgabe fiel dem Institut schließlich als Verlag für die von der ÉT herausgegebenen Publikationen zu, die im nächsten Abschnitt dieses Kapitels zur Sprache kommen werden. Ein Teil der anfallenden Arbeit der ÉT wurde von eigens dazu eingerichteten Ausschüssen erledigt. Organisatorische Tätigkeiten wie die Vorbereitung einzelner Sitzun77 gen oblagen dem sogenannten „Vorbereitungskomitee“ (laÊna taÎÃÐrÐya), die Publi71 In einem Aufruf, der in der Teheraner Kulturzeitschrift YÁdgÁr abgedruckt wurde, bat die ÉT die Leser, dem Institut (zwölfer-)schiitische Werke aus sämtlichen theologischen und juristischen Disziplinen zukommen zu lassen, nachdem sich das Echo auf vorangegangene Appelle in der Zusendung von Büchern der sunnitischen Rechtsschulen sowie einigen wenigen der ZaidÐya erschöpft habe; s. YÁdgÁr 4/7 (März-April 1948), Rückentitel des Heftes. 72 AbÙ l-WafÁÞ al-MarÁÈÐ: Kalima tÁrÐÌÐya Ýan al-maktaba al-azharÐya, MA 14/1943/373-76; zum Vergleich: ÍanafÐya: 6948 Bücher, ŠÁfiÝÐya: 4879, MÁlikÐya: 4130 und ÍanbalÐya: 1698. 73 RI 1/1949/90f.; zu der zehn Jahre später geführten Diskussion um die Einrichtung eines eigenen Lehrstuhls für schiitisches Recht an der Azhar s. unten, S. 223ff. 74 Photos von einigen dieser internen Konferenzen sind abgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 16f., 23-25. 75 RI 3/1951/105 (über einen Besuch des irakischen Gelehrten MuÎammad RiÃÁ aš-ŠabÐbÐ); ferner al-ËÁliÒÐ: at-TauÎÐd wa-l-waÎda, 3ff. (über seinen eigenen Aufenthalt in Kairo). 76 RI 4/1952/108f.; weitere Beispiele: RI 3/1951/99f.: Faªl ur-RaÎmÁn (pakistanischer Bildungsminister); ibid., 106: sein iranischer Amtskollege ÉazÁÞerÐ. 77 Vgl. RI 3/1951/108.

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zistik war Sache des Kulturausschusses (laÊna ×aqÁfÐya). Neben diesen permanent existierenden Gremien wurden in Einzelfällen auch ad-hoc-Komitees zur Lösung sich gerade stellender Probleme gebildet, etwa im Falle der laÊnat al-iÎÒÁÞ, deren Aufgabe 79 die Erstellung einer Statistik der muslimischen Weltbevölkerung war. Ein besonders sensibler Punkt, über den die taqrÐb-Gesellschaft zeit ihres Bestehens hartnäckiges Stillschweigen bewahrte, ist die Frage ihrer Finanzierung. Auf den Seiten ihrer Zeitschrift RisÁlat al-IslÁm kam das Thema nicht zur Sprache, und auch die andernorts zu findenden Hinweise sind äußerst spärlich. Gleichwohl ergeben sich aus ihnen Anhaltspunkte, die – zumindest für die Zeit etwa ab Mitte der fünfziger Jahre – auf eine diskrete Unterstützung sowohl durch die ägyptische als auch die iranische Regierung schließen lassen. Eine Art graue Eminenz in dieser Hinsicht scheint der spätere ägyptische Staatspräsident Anwar as-SÁdÁt gewesen zu sein. Zwar wurde sein Name von der ÉT selbst im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten nirgends genannt, doch schreibt ÝAlÐ ÝAbd al-ÝAÛÐm in seiner 1979 erschienenen Sammlung von Biographien aller ŠuyÙÌ al-Azhar, as-SÁdÁt habe zu der Zeit, da er dem Kairiner Zweig der 80 neugegründeten Islamischen Konferenz vorstand (d.h. ab 1954), die Vereinigung materiell wie auch ideell erheblich unterstützt. Bei einem Besuch einiger nicht näher genannter iranischer ÝulamÁÞ in Kairo habe er diese sogar regelrecht zu Anhängern des 81 taqrÐb bekehrt. Auch die publizistischen Aktivitäten der ÉT, die unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für religiöse Stiftungen (auqÁf) erfolgten, sind ein Indiz dafür, daß die Organisation den (wohl auch finanziellen) Segen der Kairiner Regierung hatte. Auf der anderen Seite war Teheran gleichfalls an der Tätigkeit der ÉT interessiert und bereit, diese zu unterstützen. Früh schon wurde der Schah für seine Anstrengungen auf dem Wege einer Annäherung der islamischen Staaten gelobt (nebst dem irakischen Regenten ÝAbd al-IlÁh, dem ägyptischen König FÁrÙq und dem pakis82 tanischen Ministerpräsidenten NÁÛim ad-DÐn), und MoÎammad TaqÐ QommÐ, der 83 sich immer wieder in Iran aufhielt, traf dort auch mit dem Herrscher zusammen, den er bekanntlich bereits zu seiner Hochzeit begleitet hatte. Die schwerwiegenden Folgen schließlich, die nach 1960 die von der iranischen Regierung ausgesprochene Anerken84 nung Israels für die ÉT nach sich zog, darf ebenfalls als Beleg dafür gelten, daß es 78 Ibid., 110; s. auch Vorwort zu al-MuÎaqqiq al-ÍillÐ: al-MuÌtaÒar an-nÁfiÝ (zu dieser Edition s. das nächste Teilkapitel), S. *; dort werden als dafür verantwortliche Mitglieder dieses Ausschusses genannt: MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ, ÝAbd al-ÝAzÐz MuÎammad ÝÏsÁ und ÝAbd al-ÉawÁd alBannÁ; vgl. RI 2/1950/186 (Vorbemerkung zum dort beginnenden Artikel). 79 RI 5/1953/219f.; die Statistik wurde nach ihrer Fertigstellung abgedruckt in RI 7/1955/217-21 (vgl. dazu auch AÎmad ÀÆarÐ: SoÌanÐ ¦and bÁ newÐsandegÁn-e mÁ wa ÁmÁr-e moslemÐn-e ÊahÁn, Maktab-e tašayyoÝ 1/1378hq, 1338hš [=1959]/88-98). 80 Vgl. OM 34/1954/349, 418; 39/1959/298f.; zu as-SÁdÁts Tätigkeit auf dem Gebiet des politischen Pan-Islamismus s. Schulze: Internationalismus, 117f.; vgl. auch unten, S. 210. 81 ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/119 und 189. 82 ÝAbd al-ÍalÐm Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ: TaqrÐb al-aqÔÁr al-islÁmÐya, RI 4/1952/45-48, hier 48 (wiederabgedruckt bei al-ÝAlÁyilÐ: MasÞalat at-taqrÐb, 55-59); beim Autor (geb. 1916) handelt es sich um einen Sohn MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs; s. MMI II/234; RF III/1044. 83 Irf 37/6 (Juni 1950), 708; RI 3/1951/330; 4/1952/109, 218; s. auch al-BÁqÙrÐ: BaqÁyÁ Æ-ÆikrayÁt, 186-89. 84 Vgl. unten, S. 218ff.

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zwischen QommÐ und dem Schah engere Verbindungen gab, als in der Öffentlichkeit eingestanden wurde. Für die Gegner der ÉT stand diese Frage ohnehin nicht ernsthaft zur Debatte. In ihren Augen war die Finanzierung durch die iranische Regierung eine ausgemachte Sache und Beweis genug für die dahinterstehenden Propagandaabsichten 85 der Schia. Der organisatorische wie auch inhaltliche Schwerpunkt der taqrÐb-Vereinigung lag in Kairo. Nur ein einziges Mal wurde von ihr der Versuch unternommen, die Gründung einer Niederlassung in einem anderen islamischen Land voranzutreiben. Ende November 1948 – ÝAllÙbas Abreise auf seinen Botschafterposten in Pakistan stand unmittelbar bevor – beschloß die ÉT in Anwesenheit von Abgesandten der pakistanischen Botschaft in Kairo, ihren Präsidenten mit der Gründung einer Zweigstelle in Karachi zu beauftragen. In einer Grußbotschaft, die ihm die RI kurz darauf übermittelte, war davon jedoch schon nicht mehr die Rede, und auch später wurde eine derartige 86 Einrichtung nicht mehr erwähnt. Weitere Vorschläge, entsprechende Dépendancen in anderen Ländern einzurichten, wurden von der ÉT weder in ihrer Zeitschrift noch in ihren weiteren Publikationen einer Diskussion unterzogen und blieben somit enthu87 siastisch kommentierte, aber folgenlose Meldungen. Darüber hinaus besaß die ÉT lediglich Kontaktpersonen in Iran, ohne daß aber auch in diesem Zusammenhang die 88 Existenz einer organisatorisch ausgeprägten Niederlassung bestätigt worden wäre. Die ÉamÁÝat at-taqrÐb war zu keinem Zeitpunkt ihrer Existenz eine Massenbewegung. Dem unermüdlichen Einsatz QommÐs und der Mitwirkung zahlreicher renommierter Gelehrter aus den Reihen der Azhar wie auch seitens der schiitischen Geistlichkeit war es aber zu verdanken, daß sie zur ersten wirklich effektiven Organisation auf dem Gebiet einer innerislamischen ökumenischen Diskussion wurde. Allein schon der Umstand, daß es einem schiitischen ÝÁlim gelang, in Kairo, dem Sitz der Azhar, eine derartige Vereinigung zu gründen und gegen alle Widerstände am Leben zu erhal85 al-ËaÔÐb: al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 6, 26; ÝAbd al-LaÔÐf as-SubkÐ: ÓawÁÞif: bahÁÞÐya wa-baktašÐya – ×umma ÊamÁÝat at-taqrÐb, MA 24/3 (Nov. 1952), 283-87, hier 286; vgl. auch HuwaidÐ: ÏrÁn min addÁÌil, 330. 86 RI 1/1949/102f., 327; daß sich ÝAllÙba als ägyptischer Gesandter in Karachi aufhielt, verschwieg die ÉT interessanterweise. 87 RI 1/1949/101: eine allerdings aus zweiter Hand wiedergegebene Meldung über die angeblich bereits erfolgte Gründung einer Zweigstelle im Irak; RI 3/1951/107f.: Anregung MuÎammad AÎmad al-ÉaÝÁrs an die Adresse der Azhar (!), zwei Komitees für den Irak und Syrien/Libanon zu gründen; alÉaÝÁr war Dozent an der šarÐÝa-Fakultät FÁrÙq I. in Beirut, aus deren Reihen bereits die Gründer des oben vorgestellten DÁr al-inÒÁf hervorgegangen waren. 88 Íasan „ImÁm al-ÉumÝa“ wurde als Gesandter der Vereinigung in Teheran bezeichnet (s. RI 1/1949/312 Anm. 1; lt. Akhavi: Religion and Politics, 73 handelte es sich bei ihm um einen in den dreißiger Jahren in Genf promovierten Juristen namens Íasan ImÁmÐ, der 1945 vom Schah als Nachfolger seines verstorbenen Vaters zum ImÁm al-ÉumÝa ernannt worden war; aus den religionspolitischen Debatten seiner Zeit hielt er sich völlig heraus, s. Akhavi, 103). MuÎammad AbÙ l-MaÊd fungierte als Vertreter der ÉT und der Islamischen Konferenz (Kairo) in Qom, wo er auch mit ÀyatollÁh BorÙÊerdÐ zusammentraf; s. DawwÁnÐ: ZendegÁnÐ, 172; ÑÁliÎ aš-ŠahrastÁnÐ: Qum wa-ÊÁmiÝatuhÁ (…), Irf 56/7 (Dez. 1968), 729-60, bes. 743f.; MA 32/2 (Juli 1960), 231; s. auch Art. IÒlÁÎ, ii: Iran, EI2 IV/ 165b; lt. ÉawÁd MoÒÔafawÐ: EtteÎÁd wa hambastegÐ yÁ tafÁhom-e šÐÝe wa sonnÐ dar NahÊ ol-balÁÈa, MiškÁt 2/1362š/25-60, hier 50 soll es zu Versammlungen der ÉT in Kairo, Qom und Mašhad gekommen sein.

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ten, sicherte ihr eine weitaus größere Aufmerksamkeit, als dies bei sämtlichen neosalafitischen Vorgängern der Fall war. Für diese war der Aufruf zum Pan-Islamismus stets nur ein Teil ihres Programms gewesen, und eine konkrete Auseinandersetzung mit Vertretern der Schia hatte in ihnen nicht stattgefunden. Daß der innerislamische Dialog der Konfessionen an der Stätte der Azhar geführt wurde, war seit az-ZanÊÁnÐs Auftreten in Kairo nicht ungewöhnlich. Der wesentliche Unterschied bestand nun darin, daß mit der ÉT zum ersten Mal versucht wurde, dieses Gespräch der erwiesenen Kurzatmigkeit der individuellen Bemühungen einzelner Gelehrter zu entheben und statt dessen einen eigenständigen institutionellen Rahmen zu schaffen, der es ÝulamÁÞ beider Seiten ermöglichte, jederzeit miteinander in Kontakt zu treten und gemeinsame Projekte in Angriff zu nehmen. Ohne die tatkräftige Unterstützung durch einige hochrangige AzharÐs wäre die ÉT über ihre Gründung wohl kaum hinausgekommen oder hätte eine klägliche Existenz unbeachtet von der islamischen Öffentlichkeit führen müssen, doch sollte man sich hüten, sie als bloßes Anhängsel der Azhar abzutun. Es waren, wie noch zu sehen sein wird, einzelne Gelehrte und nicht die Azhar als Institution, die sie förderten. Die offizielle Linie der Azhar war zeitweise sogar deutlich gegen eine Annäherung mit der Schia gerichtet. QommÐ selbst ließ keine Gelegenheit aus, auf die Eigenständigkeit seiner Vereinigung und auf ihre Unabhängigkeit von be90 stehenden religiösen und – mehr noch – politischen Einrichtungen zu pochen, war aber trotzdem gezwungen, zur Verwirklichung seiner Absicht mit beiden Bereichen zusammenzuarbeiten (ohne dies allerdings öffentlich einzugestehen). Diese Gratwanderung, die über ein Jahrzehnt lang bemerkenswerte Erfolge zeitigte, am Ende aber dazu führte, daß die ÉT (und viele der in ihr engagierten Gelehrten) zwischen allen Stühlen saß, wird in den folgenden Kapiteln ausführlich nachgezeichnet werden. Ein Hauptgrund für die Beachtung, die die Gesellschaft weithin fand – und zugleich eine wichtige Begleiterscheinung ihres „goldenen Zeitalters“ – war ihre rege publizistische Tätigkeit, die deshalb als erstes vorgestellt werden soll.

Publizistik und Editionstätigkeit Im Januar 1949, genau zwei Jahre nach der Gründung der Vereinigung, erschien die erste Nummer der von ihr herausgegebenen Zeitschrift RisÁlat al-IslÁm, die innerhalb kurzer Zeit zur weitaus wichtigsten Stütze der ÉT bei der Verbreitung des taqrÐb91 Gedankens wurde. Seit der von al-AfÈÁnÐ und ÝAbduh 1884 in Paris veröffentlichten 89 Sogar von einer gerichtlichen Klage gegen die Existenz der ÉT ist die Rede, s. Ende: Sunniten und Schiiten, 198f. 90 RI 6/1954/367; 11/1959/354; 14/1964/192. 91 In den sechziger Jahren wurde in NaÊaf, herausgegeben von schiitischen Gelehrten der KullÐyat uÒÙl ad-dÐn, ebenfalls eine Zeitschrift namens RisÁlat al-IslÁm veröffentlicht, die mit der von der ÉT edierten allerdings nichts zu tun hatte und mit dieser auch nicht erkennbar in Verbindung stand; Chefredakteur war MuÎammad as-SÁÝidÐ (geb. 1923; s. MMI III/175; RF II/659f.); s. ZÁhida IbrÁhÐm / ÝAbd al-ÍamÐd ÝAlwa¦Ð: KaššÁf al-ÊarÁÞid wa-l-maÊallÁt al-ÝirÁqÐya, Bagdad 1976, 253; s. auch Wiley: The Islamic Movement of Iraqi ShiÝas, 158; nach der Machtübernahme der BaÝ×-Partei

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al-ÝUrwa al-wu×qÁ war die RI das erste Periodikum, das ausdrücklich mit der Zielsetzung einer pan-islamischen Einigung der Muslime ins Leben gerufen wurde – eine Tradition, der man sich in der ÉT durchaus bewußt war und der nachzueifern man sich 92 mit der eigenen Zeitschrift vornahm. Die der taqrÐb-Gesellschaft vorangegangenen Organisationen hatten die Veröffentlichung eines eigenen regelmäßigen Presseorgans entweder gar nicht erst in Erwägung gezogen oder (wie im Falle der ÉamÁÝat al93 uÌÙwa al-islÁmÐya) entsprechende Ankündigungen dann doch nicht in die Tat umgesetzt, was beides auf eine alles in allem eher kleine Zahl von aktiven Unterstützern der jeweiligen Gesellschaft schließen läßt. Im Gegensatz dazu war es der ÉT – begünstigt durch die Rückendeckung durch die Azhar-Gelehrten und dank des unermüdlichen Werbens ihres Generalsekretärs – bald nach ihrem Entstehen gelungen, einen festen Kreis von Publizisten für sich zu gewinnen, der das Wagnis der Gründung einer Zeitschrift gerechtfertigt erscheinen ließ. Bereits deren Untertitel MaÊalla islÁmÐya ÝÁlamÐya verdeutlichte ihren Anspruch, sowohl hinsichtlich ihrer Themen als auch der in ihr schreibenden Autoren ein weltweites ökumenisches Forum für alle Muslime zu sein. Das Gros der Beiträge stammte zwar von Ägyptern – die sich in ihrer Mehrheit wiederum aus den Reihen der Azhar rekrutierten –, doch war die Redaktion von Beginn an bemüht, jener internationalen Zielsetzung gerecht zu werden: Bereits in ihrem ersten Jahrgang versammelte die Zeitschrift Publizisten aus sieben islamischen Ländern, und auch auf eine Repräsentierung aller drei Konfessionen – Sunna, Schia und ZaidÐ94 ya – wurde sorgsam Wert gelegt. Die redaktionelle Verantwortung für die RI lag in den Händen zweier Azhargelehrter: Der Inspektor (mufattiš) und spätere Dekan der šarÐÝa-Fakultät MuÎammad 95 MuÎammad al-MadanÐ war Chefredakteur (raÞÐs at-taÎrÐr), der an derselben Fakultät lehrende ÝAbd al-ÝAzÐz MuÎammad ÝÏsÁ übernahm das Amt des Redaktionsdirektors 96 (mudÐr al-maÊalla). Insgesamt wurden in den 23 Jahren ihres Bestehens 17 Bände der RI publiziert, die ersten elfeinhalb davon (bis einschließlich Bd. 12/2 von April 1960) in exakter Regelmäßigkeit, nämlich in je vier vierteljährlich erscheinenden Hef97 ten zu je 112 Seiten. Mit dem sich daraus ergebenden jährlichen Umfang von 448 Seiten lag die RI allerdings weit hinter den anderen islamischen Zeitschriften, deren größte (die MaÊallat al-Azhar oder der libanesische ÝIrfÁn) auf etwa die dreifache Seitenzahl kamen. Der ursprüngliche Plan, ab dem zweiten Jahrgang – analog zu den bei-

(Juli 1968) wurde die Zeitschrift offenbar verboten; s. T.M. Aziz: The Role of Muhammad Baqir alSadr in ShiÝi Activism in Iraq from 1958 to 1980, IJMES 25/1993/207-22, hier 211. 92 Editorial al-MadanÐs zu RI 1/1949/106-10, hier 109f. (zu Heft 2). 93 OM 18/1938/22. 94 Vgl. RI 1/1949/3f. (Editorial zu Heft 1) sowie ÝAllÙbas einleitenden Artikel ibid., 5-8, bes. 8. 95 Gest. 1968; Nachrufe in MA 40/3 (Juni 1968), 236-38 und in Minbar al-IslÁm 27/3 (Mai 1969), 29-32. 96 Lt. Maktab-e EslÁm 3/5 (Juni 1961), 65 waren daneben noch ÝAbd ar-RaÎmÁn as-SÁÞiÎ und MuÎammad ÝAbd al-HÁdÐ Mitglieder der Redaktion. 97 Die allererste Nummer hatte einen Umfang von 104 Seiten; Heft 3-4 des 12. Bandes (Juli 1960) war eine Doppelnummer; der Preis für das einzelne Heft wurde übrigens über die Jahre hinweg konstant gehalten und betrug 50 ägyptische Piaster.

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den eben genannten Zeitschriften – die Zahl der Lieferungen auf zehn zu steigern, 98 wurde ohne Angabe von Gründen wieder zurückgenommen. Nach den Turbulenzen des Jahres 1960 erschien im Jahr darauf keine Ausgabe der RI. Die Publikation wurde im Januar 1962 mit Band 13, gekennzeichnet als „zweite Lieferung“ (maÊmÙÝa ×ÁnÐya) wiederaufgenommen, wobei von nun an die Heftzählung durchgehend erfolgte, d.h. der erste Faszikel des 13. Bandes trägt die Nummer 49. Ein Jahr später begann sich aber bereits der neuerliche und diesmal endgültige Niedergang der RI abzuzeichnen: Die Hefte, zumeist als Doppelnummern deklariert, erschienen 99 jetzt nur noch im Jahresrhythmus, nach Heft 58 mußte die Zeitschrift ihr Erscheinen vorübergehend ganz einstellen. Die im September 1969 bzw. Oktober 1972 noch nachgeschobenen letzten beiden Nummern 59 und 60 (zugleich Bd. 16 und 17) ver100 mochten eine geregelte Publikation nicht mehr in Gang zu bringen. ÝAlÐ al-ÉundÐ, der nach al-MadanÐs Tod für diese letzten Ausgaben als Chefredakteur verantwortlich zeichnete, ging mit keiner Silbe auf die Ursachen für die Unterbrechungen ein, sondern beließ es bei dem höchst allgemeinen Hinweis auf „Hindernisse“ (ÎawÁÞil), die 101 dafür den Ausschlag gegeben hätten. Die Nummer 60 schließlich geriet als Jubliäumsausgabe zum 25jährigen Bestehen der ÉT gleichzeitig zu ihrem publizistischen Schlußakt. Ein bemerkenswertes Detail der Erscheinungsweise der RI zu den Zeiten, da sie regelmäßig erschien, war ihre Orientierung am christlichen Kalender. Die vier jährlich herausgebrachten Hefte trugen als Datum jeweils den Januar, April, Juli und Oktober 102 des laufenden Jahres. Für eine pan-islamisch auftretende, sich in der Argumentationsweise häufig gegen die nicht-muslimische Öffentlichkeit richtende Zeitschrift ist das ein zumindest ungewöhnlicher Schritt, der sie in Gegensatz zu nahezu allen anderen islamischen Periodika stellte, die sich in ihrem redaktionellen Jahresrhythmus und in der Heftzählung streng an die islamische Zeitrechnung hielten. Zu den festen Bestandteilen einer jeden Nummer der RI gehörte ein von al-MadanÐ verfaßtes Editorial (kalimat at-taÎrÐr), meist in Form einer allgemeinen Betrachtung über den Islam oder einer Erläuterung eines bestimmten Koranverses, nur in Ausnahmefällen mit Bezug zu 103 aktuellen Ereignissen, sowie der in Fortsetzungen erschienene Korankommentar 98 RI 1/1949/4 und 2/1950/7. 99 Eine genaue Datierung dieses Heftes ist nicht möglich. Das üblicherweise genannte christliche

Datum fehlt, die angegebene muslimische Jahreszahl (MuÎarram 1384, entspricht Mai/Juni 1964) ist vermutlich falsch, da bereits Nr. 55-56 zu diesem Zeitpunkt erschienen war. 100 Über ihn (1898-1973), der allem Anschein nach fatimidischer Muslim war, s. MuÎammad MuÎammad al-MadanÐs Vorwort zu al-ÉundÐs QuÔÙf, Kairo 1390/1971, 7-10; ferner MDA IV/191-94 sowie KaÎÎÁla M/489 (dort: 1900-1973). 101 RI 16/1969/3f. 102 Bei der Zitierung der RI in dieser Arbeit wird deshalb auf die Nennung des jeweiligen Heftes verzichtet. 103 RI 2/1950/3-7 (Pilgerfahrt mit Beteiligung von ÉT-Aktivisten); ibid., 339-42 (Streit zwischen den Politikern des NaÊd und den Gelehrten im ÍiÊÁz); 3/1951/3-6 (SalÐms Ernennung zum ŠaiÌ alAzhar); ibid., 115f. (Kritik an der saudischen Regierung); ibid., 227-30 (Öl-Nationalisierung in Iran); 11/1959/3f. (ŠaltÙts Bemühen um taqrÐb); nur in zwei Heften erschien kein redaktionelles Vorwort: in 6/1954/3-9 fand sich statt dessen eine Zwischenbilanz ÝAbd al-MaÊÐd SalÐms über die bisherige Tätigkeit der ÉT, und in 11/1959/227f. wurde das FatwÁ ŠaltÙts abgedruckt.

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MaÎmÙd ŠaltÙts. In insgesamt 50 Folgen behandelte dieser die Suren 1 bis 9 und 11; in den letzten drei Heften stammte der tafsÐr von al-MadanÐ, der sich noch einmal der sechsten Sure widmete. Begleitend dazu wurde ab Band 2 in loser Folge ein am Ende 34teiliges „Lexikon der im Koran vorkommenden Wörter“ (MuÝÊam alfÁÛ alqurÞÁn al-karÐm) herausgegeben, das in Zusammenarbeit mit der arabischen Sprach105 akademie in Kairo und ihrem Präsidenten AÎmad LuÔfÐ as-Sayyid zustandekam. Ebenfalls einen angestammten Platz in den Spalten der Zeitschrift hatte die Kolumne Ñaut at-taqrÐb, die ab Band 3 schlicht AnbÁÞ wa-ÁrÁÞ hieß. In ihr wurden Briefwechsel zwischen sunnitischen und schiitischen Gelehrten, Zuschriften von taqrÐb-freundlichen ÝulamÁÞ an die Adresse der ÉT, Rezensionen sowie allgemeine Nachrichten über die Vereinigung und ihre Aktivitäten veröffentlicht. In einigen (seltenen) Fällen fanden hier sogar Debatten mit Autoren, die einer Annäherung skeptisch gegenüberstanden, 106 ihren Platz, so z.B. im Falle des NaÊafer Gelehrten ÝAbd al-Íusain ar-RaštÐ, der dem Vorhaben der ÉT keine großen Aussichten auf Erfolg beimaß, da die sunnitische und die schiitische Sichtweise der Eigenschaften Gottes zu weit voneinander entfernt seien. Aus diesem Einwand entspann sich eine lebhafte Anthropomorphismus-Diskussion zwischen ihm und der ÉT, die über mehrere Nummern der RI verteilt abgedruckt wur107 de. Derartige Debatten waren allerdings die Ausnahme, denn einem allgemeinen Leserbriefforum und der Möglichkeit, mit FatwÁ-Gesuchen an die Redaktion heranzutreten – beides Einrichtungen, wie sie in der Azhar-Zeitschrift oder im ÝIrfÁn seit langem bestanden und sich großer Beliebtheit erfreuten –, wurde umgehend eine definitive Absage erteilt. Von der Begründung für diesen Schritt, die stellvertretend für den von der ÉT gepflegten Umgang mit der Geschichte steht, wird an anderer Stelle noch aus108 führlicher zu reden sein. Alles in allem publizierte die RI in ihren 17 Jahrgängen annähernd 650 Artikel (einschließlich des Korankommentars), etwa einhundert davon stammten aus der Feder schiitischer Autoren. Nur gut ein Fünftel aller Aufsätze befaßte sich direkt mit der Frage einer Annäherung zwischen Sunniten und Schiiten, doch bezog sich das Echo, das die ÉT erfuhr, in erster Linie auf diese Abhandlungen als der eigentlichen Daseinsberechtigung der RI. Die übrigen in der Zeitschrift behandelten Gebiete reichten von allgemeinen Betrachtungen der Rolle des Islams in Staat und Gesellschaft und sei104 Teilweise in Buchform erschienen u.d.T. TafsÐr al-qurÞÁn al-karÐm. al-AÊzÁÞ al-Ýašara al-ÙlÁ, Kairo 1959 u.ö. (Rezension in MA 32/1 [Juni 1960], 112-15); s. auch MuÎammad al-Bahayy: Naqd wataÝrÐf. TafsÐr al-qurÞÁn li-l-ustÁÆ al-akbar aš-šaiÌ MaÎmÙd ŠaltÙt, MA 31/9 (März 1960), 1013-17; vgl. auch Jansen: Interpretation, 14f., 89f.; Abraham: ShaltÙt, 126ff.; Zebiri: ShaltÙt, 150-80; die in RI 1/1949/13-21 abgedruckte Einleitung findet sich auch bei al-MadanÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 317-25. 105 RI 2/1950/435-37; über LuÔfÐ as-Sayyid (1872-1963), der von 1925-41 Rektor der Ägyptischen Universität (später ÉÁmiÝat al-QÁhira) war, s. az-ZiriklÐ I/200; MDA III/582-87; KaÎÎÁla M/84 und EI2 V/838f. (C. Wendell); Nachrufe in MA 34/9-10 (April-Mai 1963), 1021-24 und in MEA 14/1963/169-72. 106 Über ihn (1875-1953) s. MMI II/227f.; ÓAŠ I.3/1064-67; RF II/598f.; ÅTŠ XIV/34; sein Buch Kašf al-ištibÁh zählte zu den schiitischen Antworten auf die Angriffe MÙsÁ ÉÁrallÁhs; in MMN 157 wird seine 1329/1911 in NaÊaf auf Persisch veröffentlichte Schrift mit dem Titel ËaÔÁbe dar ÌoÒÙÒ-e etteÎÁd-e eslÁmÐye zitiert. 107 RI 1/1949/320-25, 429-39; 2/1950/106-10. 108 RI 3/1951/108f.; vgl. auch unten, S. 158f.

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ner Auseinandersetzung mit dem Westen über islamische Philosophie bis hin zu einzelnen Aspekten der arabischen Sprache, Literatur und Kulturgeschichte. Auch dem Problem der Naturwissenschaft und ihrem Verhältnis zur Religion wurden einige Arti109 kel gewidmet. Relativ breiten Raum nahmen Äußerungen ein, die man unter dem Begriff der schiitischen Selbstdarstellung zusammenfassen könnte und die zumeist darin bestanden, daß schiitische ÝulamÁÞ den Standpunkt ihrer Konfession in ausge110 111 wählten theologischen, rechtlichen oder allgemein geistesgeschichtlichen Fra112 gen darlegten. In Aufsätzen über islamisches Recht wurden im allgemeinen die zwischen Sunna und Schia umstrittenen Probleme weitgehend gemieden; statt dessen be113 schränkten sich die Autoren in der Darstellung entweder auf eine der beiden Seiten oder sie handelten Themen ab, über die eine kontroverse Diskussion in Ermangelung 114 wesentlicher Unterschiede gar nicht geführt zu werden brauchte. Zur letztgenannten 115 Kategorie dürfen auch die Aufsätze zum Thema iÊtihÁd gezählt werden, denn seit dem Auftreten des islamischen Modernismus war dieses Rechtsprinzip auch für die Sunniten kein Tabu mehr. Im Gegensatz dazu war auf den Seiten der RI eine auffällige Vernachlässigung derjenigen Bereiche zu verzeichnen, die für die innerislamischen Spannungen und deren Lösung von besonderer Wichtigkeit waren. Zum einen wurden Ereignisse aus der 116 frühislamischen Geschichte fast völlig aus der Diskussion ausgeklammert. Neben diesem Mangel an historischen Untersuchungen ist aber andererseits auch eine Vernachlässigung aktueller politischer Themen festzustellen. Eingedenk der selbstverordneten Enthaltsamkeit in allem, was mit Regierungspolitik gleich welcher Provenienz zu tun hatte, überging die RI sämtliche teilweise gravierenden Umwälzungen, die in den islamischen Ländern zu jener Zeit stattfanden (zu denken ist beispielsweise an die ägyptische Revolution von 1952, den Algerienkrieg 1954ff. oder die Umstürze im Irak 117 1958 und 1963), mit ehernem Schweigen. Sogar das anfangs noch zu spürende panislamische Interesse an entfernteren Regionen wie Indonesien oder Pakistan ließ nach 109 Deren Autor war MuÎammad MaÎmÙd ÇÁlÐ, ein an der Sorbonne promovierter Atomphysiker. 110 TaufÐq al-FukaikÐ in RI 3/1951/292-302 (iÝÊÁz al-qurÞÁn); AbÙ l-QÁsim al-ËÙÞÐ in RI

10/1958/186-89 (taÎrÐf); Ñadr ad-DÐn Šaraf ad-DÐn in RI 7/1955/384-90 (Prophetenwunder); MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya in RI 9/1957/364-70 (Beziehungen Gott-Mensch). 111 MuÈnÐya in RI 13/1962/136-41 (Erbrecht); Ñadr ad-DÐn Šaraf ad-DÐn in RI 11/1959/417-29; MuÈnÐya in RI 12/1960/257-61 (über den qiyÁs); idem in RI 11/1959/146-51; idem in RI 7/1955/40305 (Eherecht); idem in RI 9/1957/141-43 (Grundlagen der šarÐÝa). 112 ÝAbd al-ÍalÐm KÁšif al-ÇiÔÁÞ in RI 1/1949/421-25 (Religion – Philosophie – Wissenschaft); MuÈnÐya in RI 12/1960/139-44 (ImÁmÐya – AšÝarÐya – MuÝtazila). 113 MuÎammad ÝArafa in RI 12/1960/28-32, 135-38, 251-56 (sunnitisches Erbrecht); MuÎammad aš-ŠÁfiÝÐ al-LabbÁn in RI 1/1949/154-61; ÝAbd al-ÝAzÐz al-MarÁÈÐ ibid., 263-67 (beide Aufsätze über politisches Recht). 114 al-MadanÐ in RI 10/1958/412-47 (Polygamie); ÝAbd al-ÝAÛÐm Šaraf ad-DÐn in RI 14/1963/ 140-47 (Weintrinken); al-FukaikÐ in RI 2/1950/51-65 (Tierschutz); MuÈnÐya in RI 10/1958/256-59 (künstliche Befruchtung). 115 Zum Teil wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 270-332. 116 Vgl. dazu ausführlich unten, S. 158ff. 117 In einigen wenigen Fällen bezog die ÉT außerhalb ihrer publizistischen Zurückhaltung in der RI Stellung, so im Dezember 1952, als sie gegen das französische Vorgehen in Nordafrika protestierte, s. OM 32/1952/300.

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wenigen Jahren deutlich nach; einzig MuÎammad al-ÇazzÁlÐ bildete in dieser Hinsicht eine Ausnahme, als er 1963 in einem kurzen Aufsatz über sunnitisch-schiitische 119 Zusammenstöße in Pakistan berichtete. In der Folgezeit ließen es die Autoren dabei bewenden, in leuchtenden Farben, aber ohne konkrete Bezugnahme auf die politische Situation um sie herum die Vorzüge der muslimischen Einheit zu preisen und eine Annäherung der Rechtsschulen, die zuvorderst ihr gegenseitiges Kennenlernen voraussetze, voranzutreiben. Das Selbstlob ihres Chefredakteurs MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ, der den Anschein erweckte, als sei die RI die einzige islamische Zeitschrift, in der Sunniten und Schiiten zu Wort kämen und somit zum Meinungsaustausch zwischen NaÊaf und 120 der Azhar, dem Jemen und Indonesien beitrügen, entsprach in dieser Form sicher 121 nicht ganz den Tatsachen. Dennoch gelang es der ÉT, ein eindrucksvolles Forum zu schaffen, in dem die Vertreter beider Seiten stets aufs neue ihren festen Willen bezeugten, zu einer Einigung zu gelangen. Daß es sich bei ihren Aktivisten um etliche der prominentesten Gelehrten beider Konfessionen handelte, erhöhte das Prestige der RI beträchtlich und war nicht zuletzt ein Hauptgrund dafür, daß die Gegner einer Annäherung derart heftig und polemisch auf sie reagierten. Deren Äußerungen zeigen, daß die Stimme der RI ungeachtet aller Unverbindlichkeiten in ihren Artikeln in der islamischen Welt in weit größerem Maße vernommen wurde, als den Isolationisten beider Seiten lieb sein konnte. Ihr letztendliches Scheitern lag folgerichtig auch nicht in der Tätigkeit ihrer Gegner begründet, sondern in ihrer Instrumentalisierung durch die Politik, von der sich fernzuhalten sie beständig vorgab. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Zeitschrift jedoch die wirksamste Stütze bei der Verbreitung des taqrÐb-Gedankens. Allerdings war sie nicht die einzige. Ein wesentliches Kennzeichen der Bemühungen der ÉT, das bereits in der Gründung ihres Instituts DÁr at-taqrÐb zum Ausdruck gekommen war, bestand in der Überzeugung, daß jegliches Streben nach einer Annäherung der Rechtsschulen einhergehen müsse mit dem Studium und der Verbreitung der jeweiligen Quellentexte. Angesichts der geringen Zahl der in Kairo verfügbaren schiitischen Bücher nahm es die ÉT selbst in die Hand, durch die Edition wichtiger schiitischer Werke auf den Gebieten der Theologie und Jurisprudenz eine Änderung dieses Zustands herbeizuführen. Beim ersten Opus, das von der ÉT herausgegeben wurde, handelte es sich um den Korankommentar MaÊmaÝ al-bayÁn fÐ tafsÐr al-qurÞÁn 118 AÎmad MuÎammad ÝÏsÁ in RI 1/1949/206-12; MuÎammad ÝAbd al-LaÔÐf DarÁz in RI 2/1950/ 18-20 (über Indonesien); ÝAllÙba in RI 4/1952/20-23; AÎmad MuÎammad ÝÏsÁ in RI 1/1949/74-81 (Pakistan); außerdem RI 4/1952/108f. (Solidaritätsbekundung für Palästina) und 110 (Ausrufung des libyschen Königreichs); 3/1951/227-30 (Öl-Nationalisierung in Iran), 339-42 (Angriff gegen UNO und Israel); 5/1953/433f. (sunnitisch-schiitischer Konflikt in BaÎrain; s. dazu auch MuÈnÐya: TaÊÁrib, 380 und Steppat: Schi’a und Sunna, passim). 119 RI 14/1963/130-33; vgl. auch al-ÇazzÁlÐ: DifÁÝ Ýan al-ÝaqÐda wa-š-šarÐÝa, 336; über den Autor s. unten, S. 137 Anm. 144; zum Verhältnis Sunniten - Schiiten in Pakistan vgl. D. Khálid: Pakistan und Bangladesh, in: Ende / Steinbach (eds.): Der Islam in der Gegenwart, 274-307, bes. 284-87. 120 Editorial zu RI 9/1957/339f. und 10/1958/3f. 121 AÎmad ÝÀrif az-Zain beispielsweise erteilte in seinem ÝIrfÁn immer wieder und ohne Berührungsangst sunnitischen Autoren das Wort, und auch seine Zeitschrift wurde buchstäblich in Indonesien gelesen; vgl. z.B. den Nachruf indonesischer Schiiten auf ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, Irf 46/1 (Sept. 1958), 94.

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des aus ÓabaristÁn an der Südküste des Kaspischen Meeres stammenden schiitischen 122 Gelehrten al-FaÃl b. al-Íasan aÔ-ÓabarsÐ (oder aÔ-ÓabrisÐ; gest. 1153). Da sich bereits vorhandene Editionen dieses Werks durchaus des Wohlwollens sunnitischer Ge123 lehrter wie etwa MuÎammad RašÐd RiÃÁs erfreuten, erschien es für taqrÐb-Zwecke offenbar besonders geeignet, weil man in diesem Falle keinen Vorwurf der Missionie124 rungstätigkeit zu befürchten hatte. Auf Anregung ÝAbd al-MaÊÐd SalÐms wurde das Buch unter der Obhut der Azhar von der ÉamÁÝat al-Azhar li-n-našr wa-t-taÞlÐf 1951 125 gedruckt, das Vorwort dazu stammte von MaÎmÙd ŠaltÙt. Für Aufsehen über die unmittelbaren taqrÐb-Kreise hinaus sorgte die sechs Jahre später erfolgte Veröffentlichung eines klassischen schiitischen Rechtskompendiums, nämlich des Werkes al-MuÌtaÒar an-nÁfiÝ des aus Íilla am Euphrat stammenden AbÙ 126 l-QÁsim ÉaÝfar b. al-Íasan „al-MuÎaqqiq“ al-ÍillÐ (1205-77). Die Aufmerksamkeit, die dem Buch entgegengebracht wurde, war dem Umstand zu verdanken, daß die Edition nicht von der ÉT allein bewerkstelligt wurde, sondern in Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Ministerium für religiöse Stiftungen zustande kam. Der zuständige Minister AÎmad Íasan al-BÁqÙrÐ verfaßte ein Vorwort dazu und sorgte dafür, daß die127 se Aktion über die Landesgrenzen hinaus publik wurde. Die Edition war ein derartiger Erfolg, daß nur ein Jahr später eine erweiterte Neuauflage erschien, begünstigt sicherlich durch das erwartungsgemäß positive Echo, das von schiitischer Seite – vor al122 Über ihn s. GAL I/513f. und SI/708f.; az-ZiriklÐ V/148; zu seinem tafsÐr s. ÅTŠ XX/24 (dort und bei Brockelmann u.d.T. MaÊmaÝ al-bayÁn li-ÝulÙm al-qurÞÁn); Musa O.A. Abdul: The Quran. Shaykh TabarsÐ’s Commentary, Lahore 1977; vgl. auch H. Gätje: Koran und Koranexegese, Zürich, Stuttgart 1971, 59 und 314ff. 123 In einer Rezension der Edition dieses Werks durch AÎmad ÝÀrif az-Zain äußerte sich RašÐd RiÃÁ überaus positiv und nannte den Korankommentar „das beste, was wir in dieser Hinsicht (von der Schia) kennen“, s. al-ManÁr 33/5 (Sept. 1933), 391; vgl. auch Irf 23/1 (Mai 1932), 171; 23/2 (Okt. 1932), 284-86 sowie 9/6 (März 1924), nach 320. 124 Ein entsprechender Brief von ihm vom 26.7.1952 ist abgedruckt bei ÝAbdallÁh al-QommÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 207; ar-RaÃawÐ: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, [7] und bei idem: al-BurhÁn, 297300. 125 MuÎammad YÙsuf MÙsÁ in RI 3/1951/63-69; außerdem RI 4/1952/221 und 11/1959/109; alMadanÐ in RI 11/1959/383f.; ÝAbdallÁh al-QommÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 209-14; ŠaltÙts Vorwort ist abgedruckt in RI 10/1958/229-41; ferner bei ar-RaÃawÐ: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, 46-58 sowie bei idem: al-BurhÁn, 301-16; in persischer Übersetzung in Maktab-e EslÁm 5/5 (Jan. 1964), 45-51; 5/6 (Febr. 1964), 9-12 und in MiškÁt 30/1370hš/13-25; vgl. schließlich auch Íusain KarÐmÁn: ÓabarsÐ wa maÊmaÝ ol-bayÁn, Teheran 1361hš, II/26-29. 126 Zum Autor s. GAL I/514f. und SI/711f.; Halm: Die Schia, 84f.; Löschner: Dogmatische Grundlagen, 33, 142, 160-62; bei dem zitierten Werk handelt es sich um eine vom Autor selbst verfaßte Kurzform (eigentlicher Titel an-NÁfiÝ fÐ muÌtaÒar aš-šarÁÞiÝ) seiner umfassenderen Abhandlung ŠarÁÞiÝ al-islÁm fÐ masÁÞil al-ÎalÁl wa-l-ÎarÁm; s. dazu ÅTŠ XIII/47-50, XX/213 (s.v. an-NÁfiÝ) und XIV/57-61 (s.v. ŠarÎ al-muÌtaÒar an-nÁfiÝ); bibliographische Angaben über Editionen und Übersetzungen des Buches sowie über 36 Kommentare dazu finden sich bei Hossein Modarressi TabÁtabÁÞi: An Introduction to ShiÝi Law. A Bibliographical Study, London 1984, 65f. 127 Vgl. die Meldung in OM 37/1957/384; al-BÁqÙrÐ (über ihn s. unten, S. 137 Anm. 145) war von September 1952 bis Februar 1959 auqÁf-Minister (OM 32/1952/263f. bzw. 39/1959/124); sein Vorwort ist wiederabgedruckt bei ar-RaÃawÐ: al-BurhÁn, 273-76. Die Edition des MuÌtaÒar war nicht die einzige Kooperation zwischen der ÉT und dem Ministerium: Auch ein Buch des Philosophiedozenten an der Azhar SulaimÁn DunyÁ mit dem Titel Bain aš-šÐÝa wa-ahl as-sunna erschien auf diesem Wege: RI 10/1957/219f.; s. auch ar-RaÃawÐ: ÀrÁÞ al-muÝÁÒirÐn, 85ff.; idem: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, 72-74 und idem: MaÝa riÊÁl al-fikr, 156-64; ferner RI 14/1384hq/208.

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lem in Gestalt ÀÈÁ Bozorg aÔ-ÓehrÁnÐs und ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐns – zu verneh128 men war. Das auqÁf-Ministerium war nicht der einzige Partner, mit dem die ÉT bei der Edition klassischer Texte zusammenarbeitete. In Verbindung mit der in NaÊaf und Kairo 129 ansässigen Druckerei MaÔbaÝat an-NaÊÁÎ MurtaÃÁ ar-RaÃawÐs erfolgte die Veröffentlichung eines weiteren schiitischen fiqh-Werkes, nämlich der WasÁÞil aš-šÐÝa des aus dem südlibanesischen Éabal ÝÀmil stammenden MuÎammad b. al-Íasan al-Íurr 130 al-ÝÀmilÐ (gest. 1692) sowie der dazu gehörenden Ergänzung Mustadrak al-wasÁÞil 131 von Íusain TaqÐ an-NÙrÐ aÔ-ÓabarsÐ. Die Vorworte stammten von QommÐ selbst so132 wie von dem Azhar-Gelehrten MuÎammad ÝAbd al-MunÝim al-ËafÁÊÐ. Die letzte publizistische Unternehmung, die hier zu erwähnent ist, blieb unvollendet. Es ging dabei um ein wahres Mammutprojekt, das die Vereinigung Anfang der sechziger Jahre in Angriff nahm: die Sammlung aller ÍadÐ×e, über die bei Sunniten und Schiiten Einigkeit festgestellt wurde, mitsamt ihren Fundstellen, die dann Band für Band erscheinen sollten. Das Unterfangen, an dem zahlreiche ÝulamÁÞ aus verschiedenen Ländern mitwirken sollten, kam über die Vorbereitungsphase aber nicht hinaus 133 und wurde nach ŠaltÙts Tod 1963 aufgegeben.

128 Zur Ausgabe der ÉT s. ÅTŠ XIII/50 und XX/213; RI 9/1957/216-21, 331-33¸10/1958/221; s. auch al-ÍakÐm: Fikrat at-taqrÐb, 3-6, 18; NaÊÁt: ÝAul wa taÝÒÐb, 600; ÝAlÐ: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn, 53f.; Šaraf ad-DÐn schrieb kurz vor seinem Tod einen Brief an al-BÁqÙrÐ, in dem er ihm ausdrücklich für seine Hilfe bei der Verlegung des MuÌtaÒar dankte, Irf 45/4 (Jan. 1958), 391f.; RI 10/1959/109; eine deutlich distanzierte Beurteilung von sunnitischer Seite findet sich dagegen bei as-SÁlÙs: A×ar al-imÁma, 5f. 129 5 Bände 1957-61; RI 10/1958/217-19; vgl. auch ar-RaÃawÐ: ÀrÁÞ al-muÝÁÒirÐn, 25f., 31-37, 43f., 69-77, 135-37, 141-47, 190-93, idem: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, 68f. und idem: MaÝa riÊÁl al-fikr, 52-56, 214-19; Enayat: Modern Islamic Political Thought, 49; zu ar-RaÃawÐ s. unten, S. 281ff. 130 Über den Autor, der v.a. durch sein biographisches Lexikon über Gelehrte des Éabal ÝÀmil mit dem Titel Amal al-Ámil fÐ tarÁÊim ÝulamÁÞ Éabal ÝÀmil bekannt geworden ist, s. EI2 III/588f. (G. Scarcia); EIr I/917f. (J. van Ess); zum Werk WasÁÞil aš-šÐÝa ilÁ taÎÒÐl masÁÞil aš-šarÐÝa s. ÅTŠ IV/ 352-55. 131 ÅTŠ XXI/7f.; zum Autor s. oben, S. 17 Anm. 75. 132 Geb. 1915; s. ar-RaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 286-99; Irf 51/1 (Juli 1963), 36-44; MA 55/5-6 (März 1983), 648-53. 133 RI 13/1962/218-20; QommÐ ibid., 243-50; MuÈnÐya in RI 14/1964/224-30, bes. 230; vgl. auch Irf 50/1 (Aug. 1962), 126-28 und MA 35/6 (Jan. 1964), 654ff.; auch das vier Jahre zuvor (RI 10/1958/214f.) angekündigte Projekt einer von den – wie die Initiatoren konstatierten – „Verleumdungen“ der Orientalisten gesäuberten Biographie des Propheten wurde m.W. nicht verwirklicht.

6. KAPITEL Sunnitische und schiitische Gelehrte im Mikrokosmos des taqrÍb (1947–1960) Die Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren auf dem Gebiet der Diskussion um die Zukunft des Islams und seine Stellung in der Gesellschaft von einer merklichen Globalisierung gekennzeichnet. Die Versuche einzelner neo-salafitischer Organisationen, insbesondere der ägyptischen Muslimbruderschaft, den Sprung über die eigenen Landesgrenzen zu wagen und Zweigstellen in anderen islamischen Ländern zu errichten, sich quasi selbst zu internationalisieren, sowie die daraus erwachsene Entstehung einer institutionalisierten taqrÐb-Bewegung wurden zu Beginn des vorigen Kapitels bereits vorgestellt. Daneben und – zumal in den ersten Jahren – nicht immer davon zu unterscheiden setzte eine rege Kongreßtätigkeit ein, bei der nunmehr die Forderung nach Schaffung eines islamischen Blocks (al-kutla al-islÁmÐya) im Vorder1 grund stand. Anfangs handelte es sich dabei um sozusagen „private“ Initiativen einzelner Gelehrter, Intellektueller oder auch pan-islamischer Vereinigungen, die sich darauf beriefen, entsprechende Aktivitäten der Vorkriegszeit fortzusetzen. Ein Musterbeispiel dafür ist der im Februar 1949 in Pakistan erstmals zusammengetretene „Mus2 limische Weltkongreß“ (MuÞtamar al-ÝÁlam al-islÁmÐ), der für sich in Anspruch nahm, gleich zwei Initiativen der dreißiger Jahre fortzuführen. Zum einen sollte der Leiter der Konferenz, MuÎammad AmÐn al-ÍusainÐ, die Kontinuität des Jerusalemer Kongresses von 1931 verkörpern, zum anderen verstand sich die Organisation als Nachfolgerin der bereits wohlbekannten ÉamÁÝat al-uÌÙwa al-islÁmÐya, deren Neugründung in Karachi 1948 nur ein kurzes Dasein beschert war. Noch im selben Jahr wurde der besagte Weltkongreß etabliert, als dessen Generalsekretär anfänglich MuÎammad IqbÁl aš-Šai3 dÁÞÐ auftrat. Präsident der in den folgenden Jahren abgehaltenen Versammlungen wurde al-ÍusainÐ. 1 Schulze: Geschichte, 163f.; vgl. idem: Internationalismus, 104-22; Landau: Politics, 267-76. 2 Landau, 280-82; Schulze: Internationalismus, 110-13 und Index s.v. MuÞtamar; ferner S. Jargy:

A propos du congrès islamique de Jérusalem (25-29 janvier 1960), Orient (Paris) 4/1960/13/19-29, bes. 20-22; MA 27/8 (März 1956), 849-55. 3 A.M. Goichon: Le problème des chrétiens d’Orient, L’Afrique et l’Asie 9/1950/18-44, bes. 39; aš-ŠaidÁÞÐ bereiste Anfang der fünfziger Jahre zahlreiche Länder des Nahen Ostens mit dem Ziel, zusammen mit MuÎammad b. MuÎammad MahdÐ al-ËÁliÒÐ in Kairo eine Konferenz muslimischer Gelehrter einzuberufen; dabei soll er auch mit führenden Azhar-ÝulamÁÞ (ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm, ÝAbd alLaÔÐf DarÁz) zusammengetroffen sein, was für MaÎmÙd al-MallÁÎ Anlaß für eine polemische Attacke gegen aš-ŠaidÁÞÐ wie auch gegen die angebliche Naivität der Azhar war, die auf diese Avancen hereingefallen sei, s. an-NiÎla al-aÎmadÐya, 27ff., 31-35.

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Ab etwa 1954 erregte die wiederbelebte Zielsetzung des Pan-Islamismus zunehmend die Aufmerksamkeit verschiedener Regierungen, die sie nicht zuletzt zum Zweck der Legitimierung ihres eigenen internationalen Führungsanspruchs innerhalb der islamischen Welt für sich entdeckten. Das ägyptische Revolutionsregime unter ÉamÁl ÝAbd an-NÁÒir und der neue saudi-arabische König SaÝÙd b. ÝAbd al-ÝAzÐz (reg. 1953-1964) taten sich in dieser Hinsicht besonders hervor und erteilten dem politischen Pan-Islamismus erstmals seit den Tagen ÝAbdülhamÐds II. wieder den Segen einer offiziellen Regierungspolitik. Der Prozeß mündete schließlich in „die Integration 4 des islamischen Internationalismus in die staatlichen Legitimationsideologien“ und war begleitet von der Zerschlagung der wichtigsten neo-salafitischen Vereinigung, der ägyptischen Muslimbruderschaft, die nach einem mißglückten Attentatsversuch auf ÝAbd an-NÁÒir am 26. Oktober 1954 einem blutigen Vergeltungsfeldzug der ägyptischen Regierung zum Opfer fiel. Pan-islamische Kongresse und Aktivitäten wurden fortan auf Veranlassung oder zumindest unter der Obhut einzelner Regierungen einberufen. Angesichts der generellen Einstellung, die die ÉamÁÝat at-taqrÐb politischen Dingen gegenüber an den Tag legte, überrascht es nicht, daß sie sich auch in diesem Falle äußerste Zurückhaltung auferlegte. Symptomatisch dafür ist die Behandlung der nach ihrer Gründung stattfindenden internationalen Konferenzen. Einzig der Muslimische Weltkongreß in Pakistan wurde in den Spalten der RI erwähnt. Als dieser im Februar 1951 zu seiner zweiten Versammlung zusammentrat, schickte ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm in seiner Eigenschaft als ŠaiÌ al-Azhar eine Grußbotschaft, in deren Schlußabsatz er ausdrücklich als stellvertretender Präsident der ÉT auftrat und alle Muslime, also auch die 5 in Karachi versammelten, dazu aufrief, die ökumenische Idee zu unterstützen. An der nächsten Konferenz dieser Organisation im Februar des darauffolgenden Jahres nahm 6 MoÎammad TaqÐ QommÐ höchstselbst als Vertreter der ÉT teil, doch spielte die taqrÐb-Vereinigung weder zu diesem noch zu einem anderen Anlaß im Rahmen eines pan-islamischen Kongresses eine besondere Rolle. Im Gegenteil: QommÐ mußte nicht lange darauf sogar eingestehen, daß die letzten pan-islamischen Konferenzen sich als Fehlschlag erwiesen hätten; nicht nur habe man die angestrebte Einigung der Muslime nicht verwirklichen können, sondern darüber hinaus habe in Karachi der Ungeist der 7 ÔÁÞifÐya die innerislamischen Streitpunkte wieder deutlich hervortreten lassen. Davon, daß die ÉT in den kommenden Jahren ihrerseits ebenfalls von der Politik der ägyptischen Regierung in zunehmendem Maße vereinnahmt wurde, war in den publizistischen Äußerungen der Vereinigung nichts zu spüren. Sogar auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung (1959/60) behielt man die gewohnte Zurückhaltung bei und beschränkte sich darauf, den Lesern der RI in den juristischen und theologischen Artikeln in allgemeiner Form und bar jeglicher Tagesaktualität jenes Geflecht von Beziehungen vor Augen zu führen, das die ÉT seit ihrer Gründung zwischen Gelehrten ver4 Schulze: Internationalismus, 121. 5 RI 3/1951/134-40; vgl. zu dieser und der nächsten Konferenz Landau: Politics, 281f. (dort wei-

tere Literatur). 6 RI 4/1952/217; s. auch OM 32/1952/68f., 119f. 7 RI 6/1954/365-70, hier 368f.

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schiedener Konfession in zahlreichen Ländern knüpfen konnte. Von dem mosaikartigen Bild, das die Beteiligung von traditionellen ÝulamÁÞ, Professoren und neo-salafitischen Aktivisten derart unterschiedlicher geistiger wie geographischer Herkunft ergab, soll im folgenden die Rede sein.

Sunniten Bei der Wiedergabe der Reaktionen, die die Gründung der ÉT in den sunnitischen Ländern hervorgerufen hatte, wurden in der RI zwei an sich gegensätzliche Länder in auffallender Weise hervorgehoben: die laizistische Türkei und das wahhabitische Saudi-Arabien. Die Bekanntmachung der taqrÐb-Gesellschaft in der Türkei war zu einem beträchtlichen Teil das Werk des Dekans der šarÐÝa-Fakultät an der Bagdader Univer8 sität, ÍamdÐ al-AÝÛamÐ, der bei einer Reise durchs Land mit verschiedenen Publizisten in Kontakt getreten war. Auf Bitten des Herausgebers der Zeitschrift Sebilürre¢ad, E 9 ¢ref Edib, verfaßte er einen kurzen Artikel über die Entstehung und Aufgabe der ÉT, der auch von der Redaktion der RI bereitwillig in arabischer Übersetzung übernom10 men wurde. Außerdem wurden vereinzelt Artikel aus der RI in türkischen Publika11 tionen in Übersetzung abgedruckt. Im Gegensatz zur Türkei, die in der Folgezeit innerhalb der ÉT keine Rolle mehr spielte und daher auf den Seiten der RI nicht mehr erwähnt wurde, waren die Beziehungen der Vereinigung zu Saudi-Arabien von längerer Dauer, wenngleich nicht ohne Meinungsverschiedenheiten. In der Anfangsphase war das Vorgehen der ÉT durchaus von dem wohlwollenden Bemühen charakterisiert, auch die WahhÁbÐya in die taqrÐbBewegung zu integrieren. So wurde auf eine Anfrage seitens einiger ÎiÊÁzischer Gelehrter, ob die Absicht der taqrÐb-Aktivisten sei, die unterschiedlichen Rechtsschulen zu einer einzigen zu verschmelzen (idmÁÊ), mit dem Abdruck eines Schreibens an König Ibn SaÝÙd reagiert, in dem die Ziele der Gesellschaft ausführlich dargelegt wurden. An erster Stelle stand dabei die entschiedene Zurückweisung dieser (bekanntlich nicht 12 neuen) Befürchtung und die Versicherung, man wolle das islamische Recht weder 13 verbiegen noch assimilieren. Die Einladung an die Adresse der wahhabitischen Gelehrten, sich an der innerislamischen ökumenischen Diskussion zu beteiligen, wurde kurz darauf von einem – allerdings weniger bedeutenden – Vertreter dieses Standes angenommen: Der aus dem NaÊd stammende Gelehrte ÝAbd al-KarÐm b. ÉuhaimÁn – 8 Über ihn (1882-1971) s. az-ZiriklÐ II/275; MMI I/373. 9 Haf¤z E¢ref Edib Fergan (1882-1971) war bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Istanbul als Pu-

blizist und Herausgeber der Zeitschriften S¤rat-i Müstakim (1908-12) und Sebilürre¢ad (1912-25 und 1948-53) tätig; s. Adam: S¤rat-i Müstakim (wie oben, S. 28 Anm. 56), 7 Anm. 3. 10 RI 1/1949/99-101. 11 Ibid., 326; darin wird ein Schreiben des Korrespondenten der türkischen Tageszeitung Cümhüriyet in Kairo, Ömer Riza Doºrul (s. Schulze: Internationalismus, 111), zitiert, in dem dieser die Gründung der ÉT begrüßt und berichtet, er habe die türkische Übersetzung der Aufsätze QommÐs und SalÐms aus dem ersten RI-Faszikel veranlaßt; s. auch RI 2/1950/4; ferner OM 28/1948/25f. 12 Zu MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs diesbezüglichen Äußerungen in seiner Predigt bei der Jerusalemer Konferenz s. oben, S. 67f. 13 RI 1/1949/97f.

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nach Auskunft der RI Hauslehrer im Dienste des Emirs ÝAbdallÁh, des Bruders Ibn SaÝÙds – veröffentlichte noch im ersten Jahrgang der Zeitschrift einen Artikel, in dem er die Muslime dazu aufrief, einander nicht länger mit herabsetzenden Beinamen zu belegen, die nichts anderes als Zeichen gegenseitiger Unkenntnis seien. In diesem Zusammenhang nahm er vor allem MuÎammad b. ÝAbd al-WahhÁb, den Ahnherrn der WahhÁbÐya, und seine Anhänger in Schutz, die in besonderem Maße Opfer derartiger Verleumdungen geworden seien, indem man sie fälschlich sogar als eigenen maÆhab 14 bezeichnet habe. Ein halbes Jahr später wurden die vorsichtig-freundlichen Beziehungen ein erstes Mal getrübt. MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ bezog in ungewohnter Offenheit zu Klagen ÎiÊÁzischer Gelehrter Stellung, mit denen diese an die ÉT herangetreten waren. Diese, referierte al-MadanÐ, der sich ihnen in vollem Umfang anschloß, würden von den regierenden Politikern des NaÊd unterdrückt und in ihren wissenschaftlichen und religiösen Studien behindert, indem man sie zur Verkündung der herrschenden 15 Lehre zwinge. Wiederum ein halbes Jahr später war es erneut ein Editorial al-MadanÐs, das einen (nun frontalen) Angriff auf die saudischen Machthaber enthielt. In deutlichen Worten warf er ihnen vor, nichts gegen die in seinen Augen katastrophalen Zustände in den Heiligen Stätten im ÍiÊÁz unternommen zu haben, obgleich ihnen die Öleinnahmen die dazu nötigen Mittel in Hülle und Fülle zur Verfügung stellten. alMadanÐ, der diese Vernachlässigung ausdrücklich mit der traditionell reservierten Haltung der WahhÁbÐya bezüglich der Verehrung von Grabstätten in Verbindung brachte, konnte sich ob einer solchen der Gesundheit wie dem Glauben abträglichen Situation die Frage nicht verkneifen, ob diese Orte am Ende nicht besser umsorgt wären, befän16 den sie sich unter christlicher oder jüdischer Kontrolle. Trotz dieser Kritik, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigließ, kam es aber nicht zu einem völligen Bruch zwischen der ÉT und der WahhÁbÐya. Als 1952 ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm zum zweiten Mal das Amt des ŠaiÌ al-Azhar übernahm, erhielt er auch ein Glückwunschschreiben des saudi-arabischen Politikers MuÎammad SurÙr aÒ17 ÑabbÁn. Daß dieser darin besonders SalÐms Verdienste um die Annäherung der Rechtsschulen hervorhob, war für die RI ein willkommener Anlaß, den Brief zusam14 LÁ tanÁbazÙ bi-l-alqÁb, RI 1/1949/277-80; zur Frühgeschichte der WahhÁbÐya s. E. Peskes: MuÎammad b. ÝAbd al-WahhÁb (1703-92) im Widerstreit. Untersuchungen zur Rekonstruktion der Frühgeschichte der WahhÁbÐya, Beirut, Stuttgart 1993. 15 RI 2/1950/342; zu den Beziehungen zwischen den Gelehrten des ÍiÊÁz und denen des NaÊd, die schon früher nicht ohne Komplikationen waren, s. Schulze: Internationalismus, 126ff. 16 RI 3/1951/115f. Allerdings wurde diese Kritik bereits kurze Zeit später wieder relativiert: Als der NaÊafer Scheich MuÎammad Íasan Àl YÁsÐn (geb. 1931; s. RF I/74) MoÎammad TaqÐ QommÐ aufforderte, in dieser Angelegenheit bei der saudischen Regierung vorstellig zu werden, bestand die Antwort der RI in dem beschwichtigenden Hinweis darauf, daß damit die Spannungen nur noch vermehrt würden; um das bisher Erreichte im Umgang der Muslime miteinander nicht zu gefährden, müsse man sich eben in Geduld üben; RI 3/1951/331-33. Auch auf der Konferenz von Karachi (Febr. 1952) spielte die saudische Haltung in bezug auf den medinensischen BaqÐÝ-Friedhof eine Rolle: Der Vorschlag, Suren an den Gräbern anbringen zu lassen, wurde von der RI als vielversprechender erster Schritt gewürdigt: RI 4/1952/217f. 17 aÒ-ÑabbÁn (1899-1972) hatte in den fünfziger Jahren mehrere Ministerposten inne und war von 1962 bis zu seinem Tod der erste Generalsekretär der neugegründeten Islamischen Weltliga; s. Schulze: Internationalismus, Index, s.v.

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men mit SalÐms Antwort abzudrucken und ihn als Beweis für den „neuen Geist“ zu 18 feiern, der im ÍiÊÁz Einzug gehalten habe. Auch der 1955 stattfindende Besuch König SaÝÙds in Iran, in dessen Verlauf er unter anderem mit ÀyatollÁh BorÙÊerdÐ zusam19 mentraf, wurde von der ÉT mit großer Aufmerksamkeit registriert. Es blieb allerdings bei diesen vereinzelten Manifestationen distanzierter Höflichkeit; weder haben sich in den fünfziger Jahren saudische Gelehrte an der taqrÐb-Gesellschaft und ihrer Zeitschrift beteiligt, noch wiederholte diese ihre anfänglichen Versuche, die WahhÁbÐya zu einer Teilnahme zu ermutigen. Die über zehn Jahre später in die Wege geleiteten Versuche König FaiÒals, eine islamische Internationale zu schmieden, und das schiitische Echo darauf hatten mit der ÉT nichts zu tun. Die Beziehungen der ÉT zur Arabischen Akademie in Damaskus waren gleichfalls zaghafter Natur und blieben auf einzelne Gelehrte beschränkt. Immerhin steuerte der 20 Vizepräsident dieser bedeutenden Institution, ÝAbd al-QÁdir al-MaÈribÐ, der zuvor in 21 der ökumenischen Diskussion kaum in Erscheinung getreten war, einen kurzen Artikel über ein allerdings linguistisches Problem bei, in dessen Untertitel er jedoch aus22 drücklich nur als Mitglied der ägyptischen Sprachakademie vorgestellt wurde. Aus den Reihen der Damaszener Akademie waren in der ÉT lediglich zwei ihrer schiitischen Mitglieder zu finden: MuÎammad RiÃÁ aš-ŠabÐbÐ und SulaimÁn ÚÁhir. ašŠabÐbÐ, der zugleich Präsident der irakischen Akademie der Wissenschaften und zeit23 weise irakischer Erziehungsminister war, wurde von der ÉT als eines ihrer herausra24 gendsten Mitglieder bezeichnet und war von 1949 bis 1959 mit insgesamt neun Aufsätzen in der Zeitschrift der Vereinigung vertreten, von denen sich einige auch explizit mit der Einheit der Muslime und ihrer Stellung gegenüber dem Westen beschäftigten. 25 26 SulaimÁn ÚÁhir schließlich schrieb zwar selbst keinen Artikel für die RI, er war der ÉT aber seit ihrem Entstehen als korrespondierendes Mitglied eng verbunden. Noch im Jahr ihrer Gründung verfaßte er für den ÝIrfÁn einen leidenschaftlichen Aufruf, in dem er die Muslime in aller Welt aufforderte, die neue Vereinigung und ihre Ziele zu

18 RI 4/1952/220f.; auch der schiitische Gelehrte ËalÐl KamareÞÐ äußerte sich lobend über aÒ-ÑabbÁn; s. sein RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ, 35. 19 RI 8/1956/105-07; vgl. Badeeb: Saudi-Iranian Relations, 52f. 20 Über ihn (1868-1956) s. az-ZiriklÐ IV/47; MDA III/1264-68; MMS 490f.; Hermann: Kulturkrise, Index s.v.; Nachrufe in RAAD 31/1956/498-501 und Irf 44/5 (Febr. 1957), 482-88 und 492-99. 21 Eine Ausnahme bildete eine von ihm verfaßte kurze und relativ kritische Besprechung des ersten Bandes von al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa in RAAD 27/1952/290-92. 22 RI 7/1955/106-09. 23 Über ihn (1889-1965) s. az-ZiriklÐ VI/127f.; MMI III/165-67; RF II/718; MDA III/608-12; ÓAŠ I.2/745-47; AŠ IX/287 sowie v.a. al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, IX/3-94; Nachrufe in RAAD 41/1966/542f. und Irf 53/9 (März 1966), 907-12; vgl. SamÐr aÒ-ÑaffÁr: aš-ŠaiÌ MuÎammad RiÃÁ aš-ŠabÐbÐ. ÍayÁtuhu wa-šiÝruhu, Beirut 1415/1995; S.K. Hamarneh: Aš-ŠabÐbÐ – Poet and Scholar, Folia Orientalia 14/ 1972-73/293-97. 24 RI 7/1955/24; s. auch RI 3/1951/105f. 25 RI 1/1949/45-47; 2/1950/21-23; 7/1955/24-28; die übrigen Artikel waren sprach- und allgemein kulturwissenschaftlichen Problemen gewidmet. 26 Über ihn (1873-1960) s. az-ZiriklÐ III/134f.; ÓAŠ I.2/828-33; Nachrufe in RAAD 36/1962/499501 und Irf 48/7 (März 1961) 632-38; MuÈnÐya: Min hunÁ wa-hunÁk, 56-59; s. auch Irf 62/4 (April 1974), 424-29.

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unterstützen. Anfang der fünfziger Jahre wurde er im Sinne der ÉT tätig, als er einen Bericht über die syrischen ÝAlawiten zusammenstellte, den die RI als vorbildlich lobte und mit dem Appell an die ÝulamÁÞ verband, zur Förderung des taqrÐb-Gedankens 28 mehr über diese und vergleichbare Gemeinschaften zu forschen. Die Zurückhaltung, mit der die ÉT einer der berühmtesten wissenschaftlichen Vereinigungen der arabischen Welt begegnete, die unter ihrem Dach sunnitische wie schi29 itische Mitglieder gleichermaßen vereinte, findet ihre Erklärung in der Person ihres Gründers und langjährigen Präsidenten MuÎammad Kurd ÝAlÐ, der „(w)ahrscheinlich nachhaltiger als alle anderen arabischen Autoren des 20. Jahrhunderts (…) in Richtung 30 auf die Rehabilitierung der Umayyaden gewirkt (hat).“ Früh schon wurde er, der später von sich behauptete, in seiner Jugend ÝAlÐ mehr verehrt zu haben als dessen Gegen31 spieler MuÝÁwiya, zur Zielscheibe überaus heftiger Kritik durch schiitische Gelehrte. In späteren Jahren brachte er an diesem Bild lediglich kosmetische Korrekturen an. So findet sich im sechsten Band seiner berühmten Landesgeschichte Syriens, ËiÔaÔ ašŠÁm, eine Passage, in der die bei antischiitischen Polemikern beliebte Figur des ÝAbdallÁh b. SabaÞ als Erfindung und verwerfliche Neuerung abgetan wird, die der Einbildung und Unwissenheit derer entsprungen sei, die von den wahren Ursprüngen der Schia keine Ahnung hätten. Außerdem wird festgestellt, daß die umstrittenen MuÎarram-Bräuche von den schiitischen ÝulamÁÞ als eine ebensolche bidÝa abgelehnt würden, 32 doch folgten ihnen die Gläubigen in vielen Ländern in diesem Punkt nicht. Der Wert dieser Absätze wird allerdings beträchtlich gemindert durch den Umstand, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht von Kurd ÝAlÐ selbst stammen, sondern von dem 33 schiitischen Gelehrten AÎmad RiÃÁ.

27 Irf 33/10 (Sept. 1947), 1102f. 28 RI 3/1951/109f.; vgl. ibid., 331; dieses durchaus ungewöhnliche Ansinnen wurde jedoch später

nicht weiter verfolgt; s. auch unten, S. 181; vgl. zum allgemeinen Hintergrund Kramer: Syria’s Alawis and Shi’ism, passim. 29 Schiitische Mitglieder der Akademie waren neben den genannten aš-ŠabÐbÐ und ÚÁhir noch MuÎsin al-AmÐn (über ihn s. oben, S. 39 Anm. 14), AÎmad RiÃÁ (s. unten Anm. 33), MuÒÔafÁ ÉawÁd (1905-1969; s. az-ZiriklÐ VII/230) sowie AdÐb at-TaqÐ al-BaÈdÁdÐ (1895-1945; s. az-ZiriklÐ I/286 und den Nachruf in RAAD 21/1946/329); zu wissenschaftlichen Akademien im allgemeinen s. Art. MadjmaÝ ÝilmÐ, EI2 V/1090-1101, bes. 1090-94 (J. Waardenburg). 30 Ende: Arabische Nation, 64; vgl. zu Kurd ÝAlÐ (1876-1953) ibid., 64-75, Hermann: Kulturkrise, passim; al-BayyÙmÐ: an-NahÃa, I/67-78 sowie Kurd ÝAlÐs Autobiographie MuÆakkirÁt. 31 Hermann, 246-51; zur Polemik ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐns s. oben, S. 41; vgl. auch ar-RaÃawÐ: al-BurhÁn, 11. 32 Kurd ÝAlÐ: ËiÔaÔ aš-ŠÁm, VI/251-56; die hier zuletzt wiedergegebene Behauptung könnte eine Anspielung auf eine innerschiitische Auseinandersetzung sein, die MuÎsin al-AmÐn mit seiner Kritik an bestimmten Erscheinungsformen der Prozessionen ausgelöst hatte, s. Ende: Flagellations, passim. 33 Ende: Arabische Nation, 202 Anm. 2; al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/68; MuÎammad ÉÁbir al-ÝÀmilÐ bezeichnete AÎmad RiÃÁ als Autor einer risÁla maÌÔÙÔa fÐ mÁ bain ahl as-sunna wa-š-šÐÝa min iÌtilÁf fÐ l-uÒÙl wa-l-furÙÝ; ein Exemplar davon habe sich in der Bibliothek Kurd ÝAlÐs befunden und diesem als Quelle für seine ËiÔaÔ aš-ŠÁm gedient; s. ÑafaÎÁt min tÁrÐÌ Éabal ÝÀmil, Irf 28/1 (März 1938), 22-30 und 28/3 (Mai 1938), 225-31, hier 22 Anm. 1; zu AÎmad RiÃÁ (1872-1953) s. az-ZiriklÐ I/125f.; HÁnÁ FaraÎÁt: a×-ÕulÁ×Ð al-ÝÁmilÐ fÐ ÝaÒr an-nahÃa. aš-ŠaiÌ AÎmad RiÃÁ, Beirut 1981 und die Nachrufe in Irf 40/9 (Juli 1953), 976-78, 40/10 (Aug. 1953), 1095-97 und 41/5 (März 1954), 513-18; s. auch Irf 69/5-7 (Mai-Juli 1981), 112-26.

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Des weiteren zitierte Kurd ÝAlÐ in seinen Memoiren zwei längere Stellungnahmen AÎmad RiÃÁs und SulaimÁn ÚÁhirs, die beide seine Umayyadenfreundlichkeit kritisierten und sich gegen den Vorwurf verwahrten, die Schia erlaube ihren Anhängern die Praxis der Glaubensverleugnung (taqÐya) und propagiere Antinomismus. Sie distanzierten sich dabei in deutlichen Worten von den schiitischen ÈulÁt, ÚÁhir schloß seine Einlassung sogar mit einem Hinweis auf die ÉT und forderte Kurd ÝAlÐ dazu auf, in vorderster Linie auf deren Weg mitzumarschieren. Kurd ÝAlÐ seinerseits quittierte diese Äußerungen zwar mit dem Ausruf, wie schön es doch wäre, wenn alle Schiiten so dächten und führte als zusätzliches Beispiel noch MuÎsin al-AmÐn an, den er als einen der größten muÊtahids der Gegenwart bezeichnete, doch relativierte er seine entgegenkommende Haltung sogleich wieder, indem er in einem ebenfalls längeren Zitat den bekannten sunnitischen Polemiker MÙsÁ ÉÁrallÁh zu Wort kommen ließ. In dessen Sätzen referierte Kurd ÝAlÐ noch einmal und ohne erkennbare Distanzierung seinen Hauptvorwurf an die Adresse der Schia, nämlich deren Beschimpfung der Prophetengenossen sowie die angeblich unter Schiiten weitverbreitete Unkenntnis des Korans, der in den Moscheen nicht rezitiert und von niemandem auswendig gelernt werde. ÚÁhirs Appell, im Sinne der islamischen Ökumene tätig zu werden, ließ er vollkom34 men unbeantwortet. Für die ÉT waren die halbherzigen Worte Kurd ÝAlÐs im Umgang mit der Schia und seine immer wieder hervorscheinende Neigung zur Polemik Grund genug, ihn stillschweigend zur persona non grata zu erklären, über die in der RI keine Silbe verloren wurde. Auch bei anderen taqrÐb-freundlichen Autoren wurden die versöhnlich klingenden Töne Kurd ÝAlÐs nur selten als Beitrag zu einer Annäherung 35 der muslimischen Konfessionen verstanden und positiv gewürdigt. Die Haltung Kurd ÝAlÐs mag als Musterbeispiel dafür gelten, daß Reformbestrebungen einzelner Gelehrter oder Intellektueller nicht automatisch das Bekenntnis zur Notwendigkeit eines ökumenischen Zusammenwirkens von Sunniten und Schiiten mit 36 einschließen mußten. Das gilt auch dann, wenn in einzelnen wichtigen Punkten durchaus eine Übereinstimmung mit jenen Gelehrten bestand, die beide Gedankengänge in sich vereinten. So zählte Kurd ÝAlÐ nach 1928 zu den überzeugten Anhängern MuÎammad MuÒÔafÁ al-MarÁÈÐs und dessen Reformvorstellungen an der Azhar, während er dessen Gegenspieler aÛ-ÚawÁhirÐ gegenüber nicht mit Kritik sparte. Auch mit 37 MuÒÔafÁ ÝAbd ar-RÁziq verband ihn eine langjährige Freundschaft, die noch aus den 34 Kurd ÝAlÐ: MuÆakkirÁt, III/740-45; vgl. ÉÁrallÁh: al-WašÐÝa, 24ff., 110ff., 125, 128ff. 35 Vgl. etwa MuÎammad RiÃÁ al-MuÛaffars bereits genannter Aufsatz aus ar-RisÁla 3/1935/

1612-14 oder den Handkuß, mit dem Kurd ÝAlÐ im Dezember 1936 nach einem Vortrag ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐs in Damaskus diesem seine Ehrerbietung erwiesen haben soll; s. ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 103 sowie oben, S. 76; MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya schließlich zitierte (seinerseits via MuÎammad Íasan al-MuÛaffar) beifällig jene hier vorgestellte Stelle aus ËiÔaÔ aš-ŠÁm, ohne die Autorschaft Kurd ÝAlÐs in Zweifel zu ziehen, s. aš-ŠÐÝa wa-l-ÎÁkimÙn, 17f. 36 Die umgekehrte These – daß taqrÐb-Aktivitäten zumeist mit allgemein reformistischem Denken einhergingen – darf, wenn man die Annäherungsbewegung als ganzes betrachtet, mehr Gültigkeit für sich in Anspruch nehmen. 37 Hermann: Kulturkrise, 48-50; zu MaÎmÙd ŠaltÙt war sein Verhältnis deutlich abgekühlt, nachdem diesem der Fauxpas unterlaufen war, in einer Buchwidmung an Kurd ÝAlÐ, dessen Namen er vergessen hatte, zu schreiben: „Als Zeichen der Ergebenheit dem erlauchten XY“; ibid., 49 Anm. 69; vgl. auch Kurd ÝAlÐ: al-MuÝÁÒirÙn, 373-88 (al-MarÁÈÐ) und 434-39 (ÝAbd ar-RÁziq).

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Tagen des gemeinsamen Studiums in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg herrührte. Von der taqrÐb-Idee konnten ihn allerdings beide nicht überzeugen. Nicht wenige reformwillige AzharÐs aber fanden – gleich ihrem großen Vorbild früherer Jahre al-MarÁÈÐ – nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg zur taqrÐb-Bewegung und schließlich auch zur ÉT und ihrer Zeitschrift. Ein Teil von ihnen rekrutierte sich aus dem Kreis jener Gelehrter, die seit Anfang der vierziger Jahre ihrem Unmut über al-MarÁÈÐs erlahmenden Reformeifer in der Zeitschrift ar-RisÁla Luft gemacht hatten, da ihnen die MaÊallat al-Azhar kein Forum für ihre Vorschläge geboten hatte. An prominenter Stelle sind hier der Chefredakteur der RI, al-MadanÐ, sein Kollege in der Redaktionsleitung, ÝAbd al-ÝAzÐz MuÎammad ÝÏsÁ, sowie ferner MuÎammad YÙsuf 38 MÙsÁ zu nennen, die allesamt zu den Mitarbeitern der ersten Stunde zählten. Zu ih39 nen stießen im Laufe der nächsten Jahre MuÎammad ÝAbdallÁh DarÁz (ab 1950), 40 41 MuÎammad al-Bahayy (1951), ÝAbd al-MutaÝÁl aÒ-ÑaÝÐdÐ (1951) und – etwas spä42 ter – MuÎammad ÝArafa (1955). Besonders al-Bahayy und aÒ-ÑaÝÐdÐ entwickelten sich zu publizistischen Stützen der RI, in der sie mit 24 bzw. 30 Artikeln überproportional vertreten waren. Die Beiträge des erstgenannten waren überwiegend religionsphilosophischer Natur, letzterer steuerte zahlreiche Aufsätze über historische Themen 43 sowie die islamische Einheit bei. Die stetige Präsenz der „Radikalreformer“ auf den Seiten der RI sollte allerdings nicht überbewertet werden. Ihr zahlenmäßiges Übergewicht wurde dadurch relativiert, daß auch MuÎammad FarÐd WaÊdÐ zu denen gehörte, die in der Zeitschrift der ÉT publizierten. Als langjähriger Chefredakteur und in Personalunion Direktor der Azharzeitschrift war er seit den frühen vierziger Jahren maßgeblich für deren Abschottung 44 gegen Beiträge reformwilliger Autoren verantwortlich. In seinen Aufsätzen religi45 onssoziologischen und -psychologischen Inhalts war davon jedoch ebensowenig zu verspüren wie von der Kritik, die in ar-RisÁla an al-MarÁÈÐ laut geworden war. Im Ge38 Zu dem Zirkel um ar-RisÁla vgl. Lemke: ŠaltÙt, 125, 149f.; über MÙsÁ (1899-1963) s. MDA IV/680-82; Nachruf in MIDEO 7/1962-63/430 und 8/1964-66/507-09; s. auch al-Bahayy: ÍayÁtÐ fÐ riÎÁb al-Azhar, 55, 57. 39 1894-1958; er gehörte 1936 zur ersten Gruppe von sieben ÝulamÁÞ, die von der Azhar zu einem Studienaufenthalt nach Frankreich geschickt wurden, s. Lemke: ŠaltÙt, 106; vgl. allg. az-ZiriklÐ VI/ 246; MDA IV/290f.; KaÎÎÁla X/212; Nachruf in MA 29/7 (Jan. 1958), 625f.; einige seiner RI-Aufsätze sind wiederabgedruckt bei al-MadanÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 77-93, 282-87, 346-67. 40 1905-1982; Inhaber verschiedener Philosophie-Professuren an der Azhar und an der ÉÁmiÝat al-QÁhira, außerdem in der ägyptischen auqÁf-Verwaltung tätig; Nachruf in MA 55/3 (Dez. 1982), 308-12; vgl. allg. seine Autobiographie ÍayÁtÐ fÐ riÎÁb al-Azhar, passim; aÔ-ÓahÔÁwÐ: Min al-ÝulamÁÞ ar-ruwwÁd fÐ riÎÁb al-Azhar, 5-42; s. auch Ende: Arabische Nation, 84f. Anm. 5. 41 Über ihn vgl. oben, S. 99 Anm. 52. 42 Vgl. unten, S. 210 Anm. 113. 43 Eine kleine Auswahl von Artikeln aÒ-ÑaÝÐdÐs ist wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda alislÁmÐya, 82-96 und 106-10 sowie bei al-ÝAlÁyilÐ: MasÞalat at-taqrÐb, 129-47. 44 Über ihn (1875-1954) s. MDA III/1395-1400; az-ZiriklÐ VI/329 (dort: geb. 1878); KaÎÎÁla XI/ 126f. und M/722; Nachruf in MA 25/6 (Febr. 1954), 751; WaÊdÐ war von August 1933 bis April 1952 Chefredakteur der MA, s. auch Lemke: ŠaltÙt, 140 mit Anm. 2; vgl. auch Anwar al-ÉundÐ: MuÎammad FarÐd WaÊdÐ. RÁÞid at-taufÐq bain al-Ýilm wa-d-dÐn, Kairo 1974, bes. 84-88. 45 Zum Teil wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 395-417; idem: EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ, 154-59; al-MadanÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 98-103, 340-45; al-ÝAlÁyilÐ: MasÞalat at-taqrÐb, 4043.

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genteil: Gerade ihm wurde in den Spalten der RI ein überaus ehrendes Andenken bewahrt. Posthum wurde eine Abhandlung von ihm gedruckt, in der er die Legitimität und Notwendigkeit des iÊtihÁd verteidigte und die Bedingungen aufzählte, deren Erfüllung zu seiner Ausübung von jedem Gelehrten gefordert wurde. In der Einleitung dazu wurde al-MarÁÈÐ insbesondere für seine Bemühungen um die Einführung der vergleichenden Rechtswissenschaft (fiqh muqÁran) an der Azhar gewürdigt, die sich nicht nur auf die sunnitischen maÆÁhib beschränkte, sondern auch die Schia in ihre Betrach46 tungen mit einbezog. Für MoÎammad TaqÐ QommÐ, die treibende Kraft der ÉT, stand die Bedeutung al-MarÁÈÐs, der ihm seinerzeit das Tor zur Azhar geöffnet hatte, ohnedies nicht zur Debatte. Diesem Umstand dürfte es auch zuzuschreiben sein, daß die RI zu keinem Zeitpunkt in die innerazharitische Reformdiskussion hineingezogen wurde. Lediglich in den ersten drei Jahren ihres Bestehens erschienen einzelne Artikel, die die Universität bereits in der Überschrift nannten. Es waren dies tatsächlich die beinahe einzigen Stellen, in denen die Azhar als Institution überhaupt eine Rolle spielte, wenngleich es auch hier zu keiner Erörterung konkreter Reformvorschläge kam. MuÎammad ÝAbd al-LaÔÐf DarÁz etwa begnügte sich damit, in sehr allgemeiner Form an die Azhar zu appellieren, sie möge ihrer Aufgabe, in der islamischen Welt reformerisch zu wirken, gerecht werden und auf diese Weise die im Titel behauptete Wesensgleichheit der Wörter Is47 lam, Azhar und taqrÐb unter Beweis zu stellen. Wenig später bescheinigte er der Hochschule, seit den Zeiten MuÎammad ÝAbduhs große Fortschritte auf dem Gebiet der Modernisierung ihrer Lehrpläne gemacht zu haben, was man von dem in seinen Augen rückständigen Bildungsministerium nicht behaupten könne. Forderungen, die Curricula der Azhar denen der staatlichen Schulen anzupassen, seien daher strikt abzu48 lehnen. Nur einmal wurde in der RI ein konkretes Anliegen an die Azhar herangetragen: ÝAbd al-ÝAzÐz MuÎammad ÝÏsÁ schlug vor, ein religiöses Forschungsinstitut zu gründen, das die gegenwärtige Situation der verschiedenen muslimischen Konfessionsgruppen in den einzelnen islamischen Ländern untersuchen sollte, um so einen von Unwissenheit und Fanatismus freien Umgang der Muslime miteinander zu ermöglichen. Als festes Zentrum dieses Instituts, das im übrigen ausschließlich ÝulamÁÞ und keine Studenten beherbergen sollte, schlug er in der vorletzten (!) Zeile seines Artikels die Azhar vor, die ihm als am ehesten für diese Aufgabe geeignet erschien – ein angesichts der Existenz der ÉT und der ihr angegliederten DÁr at-taqrÐb eher befremdli49 ches Anliegen. 46 RI 1/1949/347-57; wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 290-301; vgl. RI 3/1951/101-03. 47 RI 1/1949/233-38 (wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 492-97 und al-ÝAlÁyilÐ: MasÞalat at-taqrÐb, 82-86); zu DarÁz (geb. ca. 1900; gest. zwischen 1962 und 1967; vgl. Crecelius: The Ulama and the State, 345) s. Lemke: ŠaltÙt, 91 Anm. 1 und Schulze: Internationalismus, 101 Anm. 260. 48 RI 2/1950/357-63; in einem ähnlichen Sinne – eine Angleichung an die westliche Kultur führe letztlich zur Untergrabung der eigenen Tradition, deshalb müßten (wenn auch nicht bedingungslos und unkritisch) immer auch die islamischen Gelehrten früherer Jahrhunderte im Mittelpunkt der Studien gerade an der Azhar stehen – äußerte sich al-MadanÐ in RI 2/1950/186-92 (wiederabgedruckt bei idem: DaÝwat at-taqrÐb, 212-18). 49 RI 1/1949/281-85 (wiederabgedruckt bei al-ÝAlÁyilÐ: MasÞalat al-taqrÐb, 113-17).

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Am Beispiel ÝAbd al-MaÊÐd SalÐms läßt sich der zwischen den Zeilen stattfindende Wandel im Verhältnis der taqrÐb-Vereinigung zur Azhar nachvollziehen. Als er, der bekanntlich einer der entscheidenden Geburtshelfer der ÉT gewesen war, im Oktober 50 1950 erstmals zum ŠaiÌ al-Azhar ernannt wurde, markierte dieser Schritt auch für die taqrÐb-Gesellschaft einen vorläufigen Höhepunkt ihrer Aktivitäten. MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ entbot ihm per Editorial nicht nur die obligatorischen Glückwünsche der ÉT, sondern ließ zugleich die Hoffnung erkennen, daß ein Teil von 51 SalÐms Ruhm auch auf die Vereinigung abfärben möge. SalÐm entsprach diesen Erwartungen umgehend, indem er die Einigung der Muslime neben allgemein reformistischen Anstrengungen als die wichtigste Aufgabe der Azhar bezeichnete und betonte, bei der Schaffung der dafür nötigen Voraussetzung, i.e. der Förderung des gegenseitigen Verständnisses (tafÁhum), wisse er die Mission der ÉT einig mit derjenigen der 52 Azhar. Er beließ es nicht nur bei wohlfeilen Absichtserklärungen, sondern vermochte der Vereinigung, deren stellvertretender Präsident er war, dadurch breite Zustimmung und Anerkennung zu verschaffen, daß er seine beiden Ämter bewußt miteinander verknüpfte und die Annäherung der Konfessionen damit gleichsam unter den Schutz der 53 Azhar stellte. Seine Entlassung nach nur elfmonatiger Amtzeit erfolgte im Streit mit 54 dem Königshaus und bildete eine spürbare Zäsur im Verhältnis der ÉT zur Azhar. Die RI kommentierte den Vorgang, der ihr en passant auch die eigene Einflußlosigkeit auf den Gang der Azhar-Geschicke vor Augen führen mußte, mit einem unüberhörbaren Unterton, der voll des Lobes für SalÐm war, der seinen Prinzipien treu geblieben sei und sich nicht habe verbiegen lassen. Mit seinem „Opfer“ (taÃÎiya) habe er eine neue Seite der Azhargeschichte aufgeschlagen und lange verschüttete Tugenden, wie sie eigentlich jedem religiösen Gelehrten zu eigen sein müßten, wieder ans Tages55 licht gebracht. Indirekt bedeuteten diese Worte natürlich den Vorwurf an das übrige Azhar-Establishment, sich opportunistisch verhalten zu haben, was die ÉT dazu bewog, fortan in stärkerem Maße als bisher auf Distanz zur Institution der Azhar und ihrer offiziellen Linie zu gehen. Sogar SalÐms zweite, noch kürzere Amtszeit als ŠaiÌ 56 al-Azhar (Februar bis September 1952) fand nur noch am Rande und in indirekter 57 58 Form Erwähnung. Von gelegentlichen positiven Äußerungen abgesehen trat die taqrÐb-Vereinigung der Azhar in den folgenden Jahren zunehmend kritisch entgegen, 50 OM 30/1950/184. 51 RI 3/1951/3-6. 52 Ibid., 22-25. 53 Vgl. die anderweitig bereits zitierten Notizen der RI anläßlich des Besuchs des pakistanischen

Ministers Faªl ur-RaÎmÁn in Kairo (RI 3/1951/99-101) und SalÐms Grußadresse an die Konferenz von Karachi im Februar 1952 (ibid., 134-40); s. auch MA 22/1950-51/nach 288; ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/118-20; al-ËafÁÊÐ: al-Azhar, I/188f.; QommÐ in RI 14/1964/191. 54 OM 31/1951/213; al-Bahayy: ÍayÁtÐ fÐ riÎÁb al-Azhar, 58f.; aÒ-ÑaÝÐdÐ: TÁrÐÌ al-iÒlÁÎ, II/4f.; Lemke: ŠaltÙt, 157. 55 RI 3/1951/444-46. 56 OM 32/1952/50f. und 266; aÒ-ÑaÝÐdÐ: TÁrÐÌ al-iÒlÁÎ, II/7f. 57 RI 4/1952/220f.; vgl. MuÎammad ÍilmÐ ÝÏsÁ in RI 4/1952/250-55, bes. 253. Auch der Abdruck einer Stellungnahme des FatwÁ-Komitees der Azhar zur Frage der Beteiligung von Frauen an Parlamentswahlen (RI 4/1952/314-23) ist in diesem Zusammenhang zu sehen. 58 So z.B. RI 9/1957/106 (Resümee einiger Vorträge ÝAlÐ al-ËafÐfs).

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vor allem, als sich ab Herbst 1952 in deren Zeitschrift schiafeindliche Tendenzen be59 merkbar zu machen begannen. Ein weiterer hochrangiger Vertreter der Azhar, der sich erhebliche Verdienste um die innerislamische Annäherung erwarb und zu den ÉT-Aktivisten der ersten Stunde 60 gehörte, war MaÎmÙd ŠaltÙt. Nach seinem Studium und einer ersten Lehrtätigkeit an dem der Azhar angegliederten Institut zu Alexandria war er 1927 an die Kairiner Hochschule gekommen, wo er von Anfang an zu den energischsten Gefolgsleuten alMarÁÈÐs bei dessen Reformbemühungen zählte. Auch das enge Vertrauensverhältnis, das ihn ein Vierteljahrhundert lang mit ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm verband, stammte aus je61 ner Zeit. 1941 schloß sich ŠaltÙt wie so viele andere jüngere ÝulamÁÞ aus Enttäuschung über al-MarÁÈÐs erlahmenden Reformeifer als ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift ar-RisÁla an, über die er im November desselben Jahres erstmals mit eigenen 62 umfassenden Reformvorstellungen an die Öffentlichkeit trat. Etliche Punkte seines Programms wiesen ihn bereits deutlich als Gelehrten aus, dessen Blick sowohl über die Azhar als auch über die Grenzen der eigenen Rechtsschule hinausreichte. Dazu zählte beispielsweise seine Forderung, Kriterien zu erarbeiten, anhand derer eine Klassifikation unerlaubter Neuerungen (bidaÝ) möglich würde, mit dem Ziel, bestehende Uneinigkeiten zu überwinden, oder seine direkt an die Adresse der Azhar gerichtete Anregung, mit islamischen Gesellschaften in anderen Ländern in Beziehung zu treten. In dieselbe Richtung deutete auch seine Aktivität auf dem Gebiet der vergleichenden Rechtswissenschaft, die – zusammen mit dem šarÐÝa-Professor MuÎammad ÝAlÐ asSÁyis – die Abfassung eines entsprechenden Lehrbuchs zur Folge hatte. Eine vermutlich frühere Version des 1953 erstmals im Druck erschienenen Werkes MuqÁranat almaÆÁhib fÐ l-fiqh fand MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ zufolge bereits seit 1936 im 63 Lehrbetrieb der Azhar Verwendung. ŠaltÙt selbst schließlich verwies in späteren Jahren nicht ohne Stolz darauf, daß er sich bereits früh mit dem schiitischen Recht befaßt habe und sich bei der Rechtsprechung, insbesondere der Erteilung von FatwÁs, bereitwillig von dessen Vorschriften etwa auf dem Gebiet des Personenstandsrechts habe 64 leiten lassen. ŠaltÙts Engagement in der ÉT, der er seit der Gründung angehörte, konzentrierte sich in den ersten Jahren im wesentlichen auf die Abfassung seines re-

59 Vgl. dazu Kapitel VIII. 60 Über ihn (1893-1963) s. az-ZiriklÐ VII/173; MDA IV/387-89; KaÎÎÁla M/774 sowie den dem-

nächst erscheinenden EI2-Artikel (W. Ende); ferner ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/181-243; außerdem die drei Biographien von M.D. Abraham, W.D. Lemke und K. Zebiri. 61 Während aÛ-ÚawÁhirÐs Rektorat mußte ŠaltÙt sein Eintreten für al-MarÁÈÐ mit seiner Entlassung aus den Diensten der Azhar büßen, die nach al-MarÁÈÐs Rückkehr ins Amt jedoch umgehend rückgängig gemacht wurde; s. Lemke: ŠaltÙt, 54-65, 89-95; eine persönlich gehaltene Erinnerung an ŠaltÙt als seinen Lehrer stammt von MaÎmÙd aš-ŠarqÁwÐ: ŠaiÌÐ MaÎmÙd ŠaltÙt, MA 35/6 (Jan. 1964), 678-82. 62 ŠaltÙts Beitrag (ar-RisÁla 9/1941/1415f.) wird ausführlich besprochen von Lemke: ŠaltÙt, 13441, vgl. auch al-MadanÐ in MA 35/6 (Jan. 1964), 651-56, bes. 651f. 63 al-MadanÐ in RI 11/1959/381; vgl. auch ŠaltÙt / as-SÁyis: MuqÁranat al-maÆÁhib, 6; für die in RI 3/1951/102 Anm. 1 aufgestellte Behauptung, das Buch sei 1936 gedruckt worden, findet sich kein Beleg bei NuÒair: al-Kutub al-ÝarabÐya (…) 1926-1940. 64 RI 11/1959/108f.

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gelmäßig in der RI erscheinenden Korankommentars, später beteiligte er sich aktiv an 65 der Edition schiitischer Werke. Anders als bei den Rektoren SalÐm und ŠaltÙt war die Mitwirkung des nächsten hier zu behandelnden Mitglieds der hohen sunnitischen Geistlichkeit in Ägypten an der taqrÐb-Gesellschaft nur vorübergehender Natur. Der von 1952 bis 1954 amtierende 66 ägyptische StaatsmuftÐ Íasanain MuÎammad MaÌlÙf war lediglich ein einziges Mal, 67 anläßlich seiner Ernennung zum MuftÐ, mit einem kurzen Artikel in der RI vertreten. Darin betonte er in sehr allgemeiner Form die Wichtigkeit der fünf islamischen Glaubenssäulen, ohne näher auf eine Annäherung von Sunniten und Schiiten, die er nicht einmal mit Namen nannte, einzugehen. Angesichts seiner bereitwilligen Zusammenarbeit mit wahhabitischen Gelehrten – 1962 zählte er zu den Gründungsmitgliedern der Islamischen Weltliga in Mekka – sowie seiner alles in allem zumindest unausgesprochen schiakritischen Haltung in der Frage des rechten Verhaltens an Gräbern von Hei68 ligen fällt es nicht schwer, in seinem Beitrag zur RI eher eine unverbindliche und aus 69 Höflichkeit erfolgte Grußadresse zu sehen. Ein Kuriosum am Rande der in der ÉT organisierten taqrÐb-Bewegung bildeten die vereinzelten Initiativen jener Dozenten, die im Auftrag der Azhar im Libanon tätig waren. Gegen Ende der vierziger Jahre hatte die Azhar begonnen, Lehrkräfte nach Beirut und Sidon zu entsenden, die dort, versehen mit dem offiziellen Mandat der Kairiner 70 Hochschule, an religiösen Instituten unterrichten sollten. Ihre Zahl wurde von an71 fangs vier innerhalb eines Jahrzehnts auf 27 erhöht. Einige dieser AzharÐs haben sich während ihres Libanon-Aufenthalts sozusagen nebenbei auch auf dem Felde der innerislamischen Annäherung betätigt. Einer der ersten Gesandten der Azhar in Sidon war ÝAbd al-ÇanÐ ÝAwaà ar-RÁÊiÎÐ, der im Dezember 1947 dort eintraf und umgehend mit der am selben Ort erscheinenden Zeitschrift al-ÝIrfÁn Kontakt aufnahm. Deren Herausgeber AÎmad ÝÀrif az-Zain ermöglichte es ar-RÁÊiÎÐ, in der Folgezeit etliche Artikel in 65 Daneben erschien aus seiner Feder lediglich ein FatwÁ über die Rechtmäßigkeit einer Ersatzleistung in Geldform anstelle des rituellen Opfers während der Pilgerfahrt; RI 1/1949/365-68; vgl. dazu ŠaltÙt: al-FatÁwÁ, 166-75; zur Rolle, die er ab 1957 erst als stellvertretender Rektor, dann als ŠaiÌ al-Azhar für die ökumenische Diskussion im allgemeinen und die ÉT im besonderen spielte, s. unten, Kap. IX. 66 1890-1990; er hatte das Amt bereits 1945 kurzzeitig innegehabt; zur Person s. Schulze: Internationalismus, Index s.v., bes. 123 mit Anm. 361 sowie al-FatÁwÁ al-islÁmÐya min DÁr al-iftÁÞ almiÒrÐya, Bd. 7, Kairo 1982, 2686-88; Nachruf in MA 63/5 (Nov.-Dez. 1990), 566-71; 63/6 (Dez. 1990 - Jan. 1991), 682-85; 63/7 (Jan.-Febr. 1991), 764-68. 67 RI 4/1952/141-46; wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 51-56 und idem: EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ, 41-49; vgl. OM 32/1952/95. 68 Schulze: Internationalismus, 124f., 192. 69 MaÌlÙf behielt allerdings auch über diesen Zeitpunkt hinaus eine relativ tolerante Grundeinstellung bei: zu einer Zeit, da in der Azhar-Zeitschrift von der Schia gewöhnlich in alles andere als freundlichen Worten die Rede war, bezeichnete er in einem Artikel in der MA Zaiditen und Imamiten ganz selbstverständlich als Angehörige einer Rechtsschule und stellte sie in eine Reihe mit den sunnitischen maÆÁhib (inklusive ÚÁhirÐya); s. MaÌlÙf: ZawÁÊ al-muslim bi-l-kitÁbÐya, MA 26/1 (Aug. 1954), 14-18, bes. 16ff.; zu seiner im hohen Alter geäußerten Kritik an der ÉT s. unten, S. 285. 70 In Sidon war die dazu ausersehene Lehrstätte die KullÐyat al-maqÁÒid al-islÁmÐya. 71 WizÁrat al-auqÁf: al-Azhar – tÁrÐÌuhu wa-taÔawwuruhu, Kairo 1964, 604f.; demnach war die zahlenmäßige Stärke der Azhar-Gesandtschaft im Libanon wie folgt: 1952-54: 4; 1954/55: 7; 1955-57: 12; 1957/58: 13; (…) 1962-64: 27.

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seinem Blatt zu publizieren und so die Azhar und ihre gegenwärtigen Tätigkeiten ei72 nem schiitischen Leserkreis vorzustellen. Im Zuge dessen kam es auch zu einer kurzen Auseinandersetzung mit dem schiitischen Juristen und ÉT-Mitglied MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya, der der Azhar (wie im übrigen auch ihrem schiitischen Gegenstück in NaÊaf) religiösen Fanatismus (taÝaÒÒub) vorgeworfen und die gegenseitige Unkenntnis von Sunniten und Schiiten beklagt hatte. ar-RÁÊiÎÐ wies diesen Angriff entschieden zurück, indem er auf die Aktivitäten al-MarÁÈÐs, als dessen Schüler er sich bezeichnete, sowie der ÉT verwies und beteuerte, die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Angehörigen der einzelnen Konfessionen erstreckten sich nicht auf die Grundlagen der 73 Religion und seien insofern unschädlich. Ein weiterer Abgesandter der Azhar, der kurzzeitig als Werber für die islamische Einheit auftrat, war MuÝawwaà ÝAwaà IbrÁhÐm. Gemeinsam mit seinem Kollegen IbrÁhÐm al-WaqfÐ traf er mit einer Reihe von schiitischen Gelehrten zusammen (unter ihnen ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn) und unterhielt sich mit ihnen unter anderem über die Einberufung einer Konferenz zum Zweck 74 des Vorantreibens einer interkonfessionellen Annäherung. Bei allen genannten Anstrengungen handelte es sich, wie gesagt, um Einzelinitiativen, die für die Entwicklung der ÉT ohne Belang waren. Gleichwohl ist aus ihrem Beispiel zu ersehen, auf wievielen miteinander nicht notwendigerweise in Beziehung stehenden Ebenen der Dialog zwischen sunnitischen und schiitischen Gelehrten geführt wurde und wieviele Aktivisten unterschiedlicher Couleur jedenfalls punktuell an diesem Mosaik beteiligt waren. Während das Engagement der bisher genannten ÝulamÁÞ für die Sache des taqrÐb von keiner Seite in Zweifel gezogen wurde und sie für ihre Aktivitäten – je nach dem persönlichen Standpunkt des Urteilenden – entweder die einhellige Zustimmung der Befürworter einer Annäherung oder die nicht minder ungeteilte Ablehnung ihrer Gegner erfuhren, verhält es sich bei dem Gelehrten, der als nächster vorgestellt werden soll, nicht mehr ganz so eindeutig. Mit MuÎammad AbÙ Zahra, seines Zeichens Rich75 ter und Professor für islamisches Recht an der ÉÁmiÝat al-QÁhira, den Teile beider Gruppen gleichermaßen für sich reklamieren, andere hingegen ebenso heftig kritisie72 ar-RÁÊiÎÐ in Irf 34/4 (Febr. 1948), 510-12 und 36/3 (März 1949), 265-70 (über die Azhar-Tätigkeit im Libanon); idem in Irf 35/6 (Mai 1948), 847-50 (über den neuernannten ŠaiÌ al-Azhar MuÎammad MaÎmÙd aš-ŠinnÁwÐ). 73 MuÈnÐya in Irf 35/9 (Sept. 1948), 1348-52; Antwort darauf von ar-RÁÊiÎÐ in Irf 36/1 (Jan. 1949), 33-36; wiederum Entgegnung durch MuÈnÐya in Irf 36/2 (Febr. 1949), 147-49 (Nachdruck des zuletzt genannten Artikels in idem: MaqÁlÁt, I/131-35); s. auch Íasan al-AmÐn in Irf 36/3 (März 1949), 310f. und ÝAbd al-MaÊÐd QadarÐ ibid., 312f. 74 IbrÁhÐm in Irf 45/9 (Juni 1958), 817-22, bes. 821; ferner idem in Irf 47/1 (Sept. 1959), 64-68; vgl. idem in Minbar al-IslÁm 28/11 (Jan. 1971), 65-70 und ibid., 29/4 (Juni 1971), 137-39. In dieselbe Kategorie ist auch MuÒÔafÁ ar-RÁfiÝÐ (geb. 1923) einzuordnen, ein an der Azhar ausgebildeter libanesischer Richter, der der ÉT unmittelbar nach ihrer Gründung beigetreten war; vgl. IslÁmunÁ, 5-8; alBaÝ×Ð: ŠaÌÒÐyÁt islÁmÐya, 221-65; nach der Iranischen Revolution versuchte er mit dem Buch IslÁmunÁ fÐ t-taufÐq bain as-sunna wa-š-šÐÝa die taqrÐb-Debatte wiederzubeleben und wurde zu einem Apologeten der iranischen taqrÐb-Politik; s. al-ImÁm as-sayyid, 281-95 sowie sein Buch al-ImÁm al-ËumainÐ. Labina asÁsÐya fÐ sÙsyÙlÙÊÐyatihi wa-saikÙlÙÊÐyatihi wa-siyÁsatihi wa-fiqhihi, Beirut 1414/ 1994. 75 Über ihn (1898-1974) s. az-ZiriklÐ VI/25f.; MDA IV/19-21 (dort als Geburtsdatum 1888, außerdem als Geburtsort versehentlich al-Íilla al-KubrÁ [sic!] statt al-MaÎalla al-KubrÁ); KaÎÎÁla M/585f. (unter Weglassung seiner Werke, die sich explizit auf die Schia beziehen); Nachruf in MA 46/4 (Mai 1974), 464-66; ferner ÝAbd ar-RazzÁq: AbÙ Zahra, passim.

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ren, beginnen die Fronten zwischen Anhängern und Skeptikern des ökumenischen Gedankens zu verschwimmen. AbÙ Zahra war erst relativ spät, nämlich im Herbst 1955, als Autor zur RI gekommen, obgleich er bereits zuvor bei Diskussionsveranstaltungen außerhalb der ÉT zum Verhältnis von Sunniten und Schiiten Stellung genommen hat76 te. Seine mehrteiligen Abhandlungen in der taqrÐb-Zeitschrift befaßten sich mit reli77 78 gionssoziologischen und ethischen Themen, mit dem Problem einer islamischen 79 80 Wirtschaftsordnung sowie mit der Frage der islamischen Einheit. Darüber hinaus legte er in einer Reihe selbständiger Schriften wiederholt seine Ansichten in bezug auf eine Annäherung der Konfessionen dar, deren Kernpunkte sich wie folgt zusammen81 fassen lassen: 1. Prinzipiell gelte es zu unterscheiden zwischen innerislamischem Zwist (ÌuÒÙma) und den 82 Meinungsverschiedenheiten der Rechtsgelehrten in einzelnen Punkten (iÌtilÁf). So heftig AbÙ Zahra ersteres unter Berufung auch auf ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq als Ausdruck des religiösen Fanatismus ablehnte, so nachdrücklich trat er für letzteres ein, das ihm ein „Beweis für die geistige Lebendig83 keit“ des islamischen Rechts war. 2. Die zwischen Sunniten und Schiiten bestehenden Unterschiede seien keineswegs anderer Art oder größer als diejenigen, die innerhalb der einzelnen sunnitischen Rechtsschulen zu beob84 achten seien. 3. Infolgedessen sei die Schia ein maÆhab wie jeder andere, ihr Ahnherr und sechster Imam ÉaÝfar stehe auf einer Stufe mit den Gründern der sunnitischen Rechtsschulen. Längst nicht alles, was an teilweise widersprüchlichen Überlieferungen und sogar Vergöttlichungen über ihn zirkuliere und ihm von der Schia zugeschrieben werde, so folgerte AbÙ Zahra, sei daher zu akzeptieren. Als terminologische Neuregelung des Verhältnisses zwischen Sunna und Schia schlug er die Verwendung des Begriffs maÆhabÐya anstelle des Wortes ÔÁÞifÐya vor, also eine Art Patriotismus 85 der Rechtsschulen statt Sektierertum. 4. Unter keinen Umständen dürfe aber eine Annäherung der Rechtsschulen angestrebt werden, da dies unausweichlich deren Identitätsverlust und ihre letztliche Verschmelzung miteinander zur Folge hätte. Die daraus resultierende Entstehung eines EinheitsmaÆhabs lehnte AbÙ Zahra ebenso entschieden ab wie die komplementär dazu bestehende Tendenz einer völligen Loslösung von den Rechtsschulen (lÁ-maÆhabÐya). Eine vollkommen einheitliche Auslegung der islamischen Rechtsnormen sei schon allein wegen der geographischen Verschiedenheit weder möglich noch überhaupt wünschenswert, denn das Gemeinwohl, an dem sich die Rechtsprechung zu orientieren habe, sei von Gegend zu Gegend unterschiedlich. Vielmehr müsse das Ziel darin bestehen, eine 76 Vgl. die protokollartigen Mitschriften von Debatten, die die Redaktion der Zeitschrift LiwÁÞ alIslÁm veranstaltete, abgedruckt daselbst 7/8 (Dez. 1953), 495-507 und 9/6 (Sept. 1955), 389-93. 77 al-MuÊtamaÝ al-qurÞÁnÐ, RI 7/1955/365-78; 8/1856/29-37, 129-38, 245-52, 357-65. 78 al-Ëulq al-islÁmÐ, RI 9/1957/31-37, 129-34, 241-46, 355-63. 79 al-IqtiÒÁd al-islÁmÐ, RI 11/1959/23-31, 125-40, 240-54, 360-72; 12/1960/16-27. 80 al-WaÎda al-islÁmÐya, RI 10/1958/28-35, 138-45, 242-50, 352-61; die Teile 1, 2 und 4 sind wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 111-40; diese Artikelserie bildete auch die Grundlage für sein gleichnamiges Buch, das erstmals 1971 veröffentlicht wurde. 81 Zu den Punkten 1-4 der folgenden Aufzählung vgl. AbÙ Zahra: al-MÐrÁ×, 1-13 und idem: alImÁm aÒ-ÑÁdiq, 3-21; zum erstgenannten Werk s. auch die Bemerkungen MuÎammad BahÊat al-BÐÔÁrs in RAAD 30/1955/648-51. 82 Art. IkhtilÁf, EI2 III/1061f. (J. Schacht). 83 AbÙ Zahra: al-ImÁm aÒ-ÑÁdiq, 7. 84 Vgl. zu diesem Argument ausführlich unten, S. 177ff. 85 Die von Wehr, s.v. Æ-h-b genannten Bedeutungen für maÆhabÐya (doktrinäre Gesinnung, Bindung an eine Ideologie, Sektierertum) werden AbÙ Zahras Intentionen nicht gerecht.

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Annäherung der Muslime zustandezubringen, das heißt sie im Geiste der von ihm einheitlich und unteilbar verstandenen islamischen Kultur zu vereinen. Die taqrÐb-Idee sollte auf diese Weise von 86 einer bloßen juristischen Ebene auf eine allgemein kulturphilosophische gehoben werden. 5. Als am Ende dieser Entwicklung stehendes Ziel plädierte AbÙ Zahra jedoch ausdrücklich nicht für die Errichtung eines einheitlichen islamischen Staates, der alle Muslime umfassen sollte, sondern lediglich für die Gründung einer „islamischen Liga“ (ÊÁmiÝa islÁmÐya). In ihr sollten die souverän bleibenden muslimischen Einzelstaaten auf politischem, wirtschaftlichem und kulturel87 lem Gebiet zusammenarbeiten und so die emotionale Einheit (ittiÎÁd al-mašÁÝir an-nafsÐya), die der ethnischen ( ÝunÒÙrÐ) vorzuziehen sei, verwirklichen helfen. Als wesentliche Elemente dieser von ihm so genannten „umfassenden Brüderlichkeit“ (al-uÌÙwa aš-šÁmila) bezeichnete er die politische Bedeutung der Pilgerfahrt, die seiner Vorstellung zufolge mit einer alljährlichen Konferenz einhergehen sollte, sowie auf dem Felde der Kultur die Förderung der arabischen Sprache als 88 des konstituierenden Merkmals der muslimischen Einheit. Eingedenk seiner Weigerung, die bestehenden Rechtsschulen in den Prozeß der Annäherung miteinzubeziehen, konnte er es sich auch ersparen, ihren Platz in dem von ihm skizzierten Staatenbund zu diskutieren.

Das Echo, das AbÙ Zahra, den man mit Fug und Recht als einen der besten sunnitischen Kenner der Schia im 20. Jahrhundert bezeichnen darf, mit seinen Schriften zum 89 schiitischen Islam und zur Ökumene auslöste, war von Beginn an kontrovers und ist dies bis heute geblieben. Er selbst war sich dieser Tatsache durchaus bewußt und scheint sie in gewisser Weise sogar billigend in Kauf genommen zu haben: MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya berichtet in seinen Memoiren, wie er 1960 in Damaskus, am Rande eines dem Philosophen al-ÇazzÁlÐ (gest. 1111) gewidmeten Kongresses, mit AbÙ Zahra zusammengetroffen sei und dieser ihm im Verlauf eines langen Gesprächs seine Probleme mit den Vertretern beider Konfessionen anvertraut habe: „Als ich das Buch al-ImÁm aÒ-ÑÁdiq verfaßte, war ich mir sicher, damit Sunniten wie Schiiten gleichermaßen zu verärgern, weil ich darin nicht das sagte, was jene (ersteren) gerne hören 90 wollten, aber auch nicht alles das, was diese (letzteren) erwarteten.“ Einige (in ihrer Mehrzahl schiitische) Gelehrte, die sich selbst in ihren Veröffentlichungen bereitwillig als Verfechter einer innerislamischen Annäherung zu erkennen gaben, zögerten nicht, AbÙ Zahra ganz selbstverständlich als einen der ihren zu zitieren und ohne jede Einschränkung als einen Autor zu bezeichnen, der viel für die öku91 menische Idee geleistet habe. Differenzierter waren die Reaktionen derer, die der ÉT 86 AbÙ Zahra: al-MÐrÁ×, 8-12; vgl. auch LiwÁÞ al-IslÁm 7/8 (Dez. 1953), 502. Bemerkenswerterweise interpretierte er auch die Tätigkeit der ÉT genau in diesem Sinne; al-MÐrÁ×, 9 Anm. 1: „Aus ihrem Programm wird klar, daß sie nicht eine Annäherung der Rechtsschulen, sondern eine Annäherung der Muslime anstrebt.“; s. auch AbÙ Zahra: al-WaÎda al-islÁmÐya (Buchausgabe), 276-79. 87 AbÙ Zahra: al-WaÎda al-islÁmÐya, 238; vgl. zu diesem Abschnitt generell ibid., 237-44; RI 10/ 1958/31ff., 356-61; LiwÁÞ al-IslÁm 7/8 (Dez. 1953), 500-02; Z.I. Ansari: Contemporary Islam and Nationalism. A Case Study of Egypt, WI 7/1961/3-38, bes. 13-15. 88 RI 10/1958/353f. und al-WaÎda al-islÁmÐya, 335f. (Pilgerfahrt) und 283-93 (arabische Sprache); MuÎammad ÝAlÐ ÝAllÙba hatte bereits 1952 in der RI betont, daß nur Arabisch die gemeinsame Sprache der Muslime sein könne und in diesem Zusammenhang sogar für die Arabisierung Pakistans plädiert; s. RI 4/1952/20-23. 89 Neben den bisher zitierten Werken befassen sich auch seine Studien MuÎÁÃarÁt fÐ uÒÙl al-fiqh al-ÊaÝfarÐ und TÁrÐÌ al-maÆÁhib al-islÁmÐya, v.a. I/10-64 und II/47ff. mit dem schiitischen Recht. 90 MuÈnÐya: TaÊÁrib, 298. 91 Als Beispiele dieser ausschließlich positiven Beurteilung sind zu nennen: al-BahnasÁwÐ: alÍaqÁÞiq al-ÈÁÞiba, 8f. und 65f.; IbrÁhÐm: as-Sunna wa-š-šÐÝa; 22; MÙsÁ ÝIzz ad-DÐn: Íaul al-waÎda al-

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nahestanden: Während der irakische ÝÁlim MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr nicht mit Kritik sparte und sich gegen vermeintliche Unterstellungen AbÙ Zahras zur Wehr setzte (wo92 mit er die Zustimmung der Redaktion erntete), war der ebenfalls aus dem Irak stammende Jurist TaufÐq al-FukaikÐ immerhin bereit, die immense Gelehrsamkeit AbÙ Zahras anzuerkennen. Auch wenn in dessen Äußerungen zur Zwölferschia zahlreiche Fehler und falsche Interpretationen zu finden und zu bemängeln seien, handle es sich bei ihm dennoch um einen „brillianten Kopf“ (ÊahbaÆ), der sich gründlich mit dem 93 schiitischen Recht auseinandergesetzt habe. MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya schließlich ging in zwei ausführlichen Rezensionen zu Büchern AbÙ Zahras ebenfalls kritisch, 94 aber zu keinem Zeitpunkt polemisch auf dessen Thesen ein. Im Gegensatz dazu stehen jene Autoren, die den ägyptischen Juristen nicht nur einzelner angeblicher Fehlurteile wegen kritisierten, sondern ihn geradewegs zum Kreis derer zählten, die für eine Vertiefung des Risses zwischen Sunniten und Schiiten mitverantwortlich seien. MurtaÃÁ ar-RaÃawÐ beschrieb AbÙ Zahra, den er offensichtlich nicht persönlich kannte, als 95 „arrogant“ und setzte ihn in einem vor wenigen Jahren erschienenen Buch auf eine Liste von Personen, die in Vergangenheit und Gegenwart zu sektiererischem Denken 96 (ÔÁÞifÐya) aufgerufen hätten. Der südlibanesische schiitische Gelehrte Íusain YÙsuf MakkÐ al-ÝÀmilÐ schließlich ging am weitesten von allen Kritikern AbÙ Zahras. Er verfaßte eine nahezu 400 Seiten starke Apologetik, in der er in scharfer Abgrenzung zu dessen Auffassung der Schia die imamitische Glaubenslehre darlegte. Vor allem die oben erwähnte Ansicht AbÙ Zahras, ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq sei lediglich ein den Gründern der sunnitischen Rechtsschulen ebenbürtiger muÊtahid gewesen, brachte al-ÝÀmilÐ in Rage 97 und ließ ihn die Lehre von der Sündlosigkeit der Imame besonders hervorheben. islÁmÐya, Irf 47/5 (Jan. 1960), 412-16, bes. 415f.; NaÊÁt: ÝAul wa taÝÒÐb, 600; SalÁm: al-WaÎda alÝaqÁÞidÐya, 35f.; ŠirrÐ: ŠÐÝe wa tohmathÁ-ye nÁ-rawÁ, 115. 92 RI 1/1949/358-64, bes. 362 und 364; zu aÒ-Ñadr (geb. 1915) s. MMI III/189f.; GAL SII/808; ÅTŠ XIV/271 (Nr. 2548); al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, I/131f. 93 al-FukaikÐ in RI 12/1960/65-73, bes. 69; vgl. RI 2/1950/304-10; zu al-FukaikÐ s. unten, S. 145 Anm. 188. 94 RI 10/1958/36-49 (über MuÎÁÃarÁt fÐ uÒÙl al-fiqh al-ÊaÝfarÐ) und Irf 48/7 (Febr. 1961), 656-62 sowie 48/8 (März 1961), 765-69 (über al-ImÁm aÒ-ÑÁdiq); Nachdruck beider Besprechungen in MuÈnÐya: Min hunÁ wa-hunÁk, 244-59 bzw. 158-63; eine weitere kritische Stimme aus diesem Kreis ist alÍakÐm: Fikrat at-taqrÐb, 16. 95 Er wählte, um sein Urteil vor dem Leser zu rechtfertigen, die Form einer Traumerzählung: Während eines Kairo-Aufenthalts 1958 sei ihm im Traum AbÙ Zahra erschienen und habe ihn gefragt, was die Schia eigentlich von ihm halte. Daraufhin habe er – ar-RaÃawÐ – geantwortet, die Schia erachte ihn für arrogant (mukÁbir) und fanatisch (mutaÝaÒÒib), da er die Äußerungen schiitischer Gelehrter nicht hinreichend berücksichtige. Ein anonym bleibender sunnitischer Gelehrter, dem er später von seinem Traum erzählte, habe ihm bestätigt, daß AbÙ Zahra in der Tat arrogant sei; ar-RaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 27f. 96 Idem: al-BurhÁn, 11f.; weitere prominente (und in ihrer Haltung der Schia gegenüber meist eindeutiger polemisch auftretende) Gelehrte in dieser Aufzählung sind Ibn Íazm, Ibn TaimÐya, MuÎammad Kurd ÝAlÐ, MÙsÁ ÉÁrallÁh und MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb. 97 al-ÝÀmilÐ: ÝAqÐdat aš-šÐÝa, passim, bes. 12ff.; zu diesem Buch s. Irf 51/1 (Juli 1963), 104-08 und Arkoun: Remembrement, passim; eine weitere (mir nicht zugängliche) Gegenschrift von schiitischer Seite stammt von ÝAbdallÁh as-SubaitÐ: MaÝa AbÐ Zahra fÐ kitÁbihi al-ImÁm aÒ-ÑÁdiq, o.O., o.J.; die Kritiker AbÙ Zahras ließen sich auch dadurch nicht besänftigen, daß dieser den schiitischen Reformtheologen, die sich gegen die Praxis der Verfluchung von Prophetengefährten (sabb aÒ-ÒaÎÁba) wandten, ausdrücklich hohes Lob zollte, s. al-ImÁm aÒ-ÑÁdiq, 12.

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Gelehrte sunnitischer Herkunft äußerten sich vergleichsweise selten zu AbÙ Zahras Schia-Büchern. In einer Biographie, die etwa Mitte der achtziger Jahre im Kairiner Verlag der Muslimbruderschaft (DÁr al-iÝtiÒÁm) erschien, wurde die Schia bezeichnenderweise vollkommen mit Schweigen übergangen. Der Autor, AbÙ Bakr ÝAbd ar-RazzÁq, konzentrierte sich statt dessen in dem Kapitel „AbÙ Zahra und der Aufruf zur islamischen Einheit“ ausschließlich darauf, dessen pan-islamische Äußerungen als Kampf 98 gegen den westlichen Imperialismus zu beschreiben. Innerhalb der taqrÐb-Diskussion im engeren Sinne, das heißt in den Artikeln der RI und den selbständigen Publikationen von der ÉT nahestehenden Autoren, wurde dieses Thema ebenfalls nicht näher er99 örtert. Aber auch bei denjenigen Publizisten, die sich gegen eine Annäherung mit der Schia aussprachen, ist die Beurteilung der Rolle AbÙ Zahras in der taqrÐb-Debatte nicht einheitlich. Während MaÎmÙd al-MallÁÎ ihn wegen seiner Teilnahme an einer ökumenischen Diskussionsveranstaltung heftig attackierte – AbÙ Zahra hatte sich dabei positiv über die Möglichkeit des taqrÐb geäußert, zumal die Gründe für die islami100 sche Spaltung mittlerweile überwunden seien –, machte ihn ÝAlÐ AÎmad as-SÁlÙs zum Kronzeugen für sein geradezu gegenteiliges Vorhaben: AbÙ Zahra sei es gewesen, der ihn endgültig in seinem Urteil bestätigt habe, daß es sich bei ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐns al-MurÁÊaÝÁt nur um eine plumpe Verleumdung des Azhar-Scheichs 101 SalÐm al-BišrÐ handle. AbÙ Zahras Engagement im Rahmen der ÉT dauerte, wie bei vielen anderen namhaften Aktivisten, nur bis zur Krise der Vereinigung in den Jahren 1960/61. In den darauffolgenden Jahren wandte er sich in zunehmendem Maße der von Saudi-Arabien gegründeten Islamischen Weltliga zu, in deren Zielsetzung er seine Vorstellungen von der islamischen Einheit offensichtlich eher verwirklicht sah und in deren Zeitschrift er 102 fortan häufig vertreten war. Der Dialog mit der Schia war dabei kein Thema mehr. Ähnlich wie im Falle AbÙ Zahras war auch die Mitwirkung des ägyptischen Histo103 rikers AÎmad AmÐn an der taqrÐb-Gesellschaft und ihrer Zeitschrift höchst umstrit98 ÝAbd ar-RazzÁq: AbÙ Zahra, 210-15. 99 Eine gewisse Ausnahme davon war lediglich MaÎmÙd AbÙ Rayya, der in der 1969 erschiene-

nen dritten Auflage seines Buches über AbÙ Huraira eine Entgegnung auf AbÙ Zahra einfügte, nachdem dieser eine positive Rezension eines Büchleins von MuÎammad ÝAÊÊÁÊ al-ËaÔÐb mit dem Titel AbÙ Huraira rÁwiyat al-IslÁm (Kairo 1962) verfaßt hatte, das sich wiederum kritisch mit AbÙ Rayyas umstrittenen Werk AÃwÁÞ ÝalÁ as-sunna al-muÎammadÐya auseinandersetzte; s. AbÙ Rayya: ŠaiÌ almaÃÐra, 274ff., 293-98; vgl. Juynboll: The Authenticity of the Tradition Literature, 40; der zuvor zitierte Íusain YÙsuf MakkÐ al-ÝÀmilÐ bezeichnete AbÙ Rayya als bislang (d.h. bis 1963) einzige positive sunnitische Ausnahme bei der Betrachtung des ÍadÐ×, im Gegensatz gerade zu AbÙ Zahra, der die Schia beschimpfe; ÝAqÐdat aš-šÐÝa, 9; die Schia selbst kam jedoch in AbÙ Rayyas Antwort auf AbÙ Zahra nicht direkt vor; zur Reaktion, die AbÙ Rayyas Bücher unter Azhar-Gelehrten hervorriefen, s. unten, S. 271ff. 100 al-MallÁÎ: al-ÀrÁÞ aÒ-ÒarÐÎa, 89-96; zum Anlaß seiner Polemik s. LiwÁÞ al-IslÁm 9/6 (Sept. 1955), 389-93. 101 as-SÁlÙs: ÝAqÐdat aš-šÐÝa, 180; vgl. Ende: Azhar, 317f. 102 Schulze: Internationalismus, 358. 103 Über ihn (1886-1954) s. az-ZiriklÐ I/101; MDA II/135-40; KaÎÎÁla I/168, XIII/357 und M/41; EI2 I/279 (H.A.R. Gibb); OM 34/1954/291; ausführlicher Nachruf in OM 35/1955/76-89 (U. Rizzitano); W. Shepard: The Faith of a Modern Muslim Intellectual. The Religious Aspects and Implications of the Writings of Ahmad AmÐn, New Delhi 1982 sowie schließlich seine Autobiographie ÍayÁtÐ.

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ten. Daß ausgerechnet er in den ersten vier Jahrgängen der RI mit insgesamt zwölf Ar104 tikeln vertreten war und damit zu ihren rührigsten Autoren zählte, ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil er rund zwei Jahrzehnte zuvor durch einige deutliche, gegen die Schia gerichtete Bemerkungen eine der berühmtesten innerislamischen Kontroversen dieses Jahrhunderts heraufbeschworen hatte. Auf einigen wenigen Seiten seines 1928 erstmals erschienenen Werks über die frühislamische Geistesgeschichte FaÊr alIslÁm war er heftig mit der schiitischen Imamatslehre, dem MahdÐglauben sowie der Gestalt ÝAbdallÁh b. SabaÞs ins Gericht gegangen und zu der Schlußfolgerung gelangt, die Schia sei genau besehen nichts anderes als ein Sammelsurium jüdischer, christlicher und zoroastrischer Erfindungen. Schlimmer noch: „In der Tat war das Schiitentum (at-tašayyuÝ) eine Zufluchtsstätte all derer, die aus Feindschaft oder Haß die Zerstörung des Islams beabsichtigten, die Lehren ihrer jüdischen, christlichen, zoroastrischen und indischen Väter einführen wollten und die auf die Unabhängigkeit ihres Landes und den Angriff auf ihr (islamisches) Reich aus waren; sie alle benutzten die Liebe 105 zu den ahl al-bait als Schleier, hinter dem sie willkürlich ihre Erfindungen tätigen konnten.“

Diese wenigen Schlüsselsätze reichten aus, um unter der schiitischen Geistlichkeit einen wahren Sturm der Entrüstung auszulösen, der sich in einer Reihe teils umfangreicher Gegenschriften Bahn brach. Die wichtigste und ihrerseits folgenreichste Apologetik ist MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs bereits zur Sprache gekommenes 106 Buch AÒl aš-šÐÝa wa-uÒÙluhÁ, das dieser 1932 veröffentlichte. Ein Jahr zuvor hatte AmÐn bei einem Besuch im Irak die Emotionen der irakischen Schiiten am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als die Ansprache eines Bagdader Predigers mit Namen KÁÛim al-KÁÛimÐ, der in AmÐns Beisein die angeblich 4000 Zuhörer in der ÍusainÐya 107 von KarÌ in Bagdad aufwiegelte, ihn beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte. Im Verlauf seines Irak-Aufenthalts war AmÐn in NaÊaf auch mit MuÎammad al-Íusain selbst zusammengetroffen und hatte auf dessen Vorhaltungen hin seine antischiitischen Ausfälle mit der Bemerkung zu entschuldigen versucht, er habe die schiitischen Quellen, von denen ihm überdies nur ein geringer Teil zugänglich gewesen sei, nicht ausreichend studieren können. Sein schiitischer Gesprächspartner nahm diese Aus104 Insofern ist der Satz D. Khalids zu revidieren, der über AÎmad AmÐn schrieb: „Moreover he never worked for any pan-Islamist organisation.“; AÎmad AmÐn – Modern Interpretation of Muslim Universalism, Islamic Studies 8/1969/47-93, hier 64. 105 AmÐn: FaÊr al-IslÁm, 266-78, Zitat 276, nochmalige Bekräftigung 278. 106 Vgl. oben, S. 73f.; weitere schiitische Erwiderungen stammen von MuÎsin al-AmÐn: AŠ I/4669; MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr: aš-ŠÐÝa, Bagdad 1933 (s. ÅTŠ XIV/271); ÝAbdallÁh as-SubaitÐ: TaÎt rÁyat al-Îaqq, Sidon 1933 (s. idem: al-MubÁhala, 13-16 sowie Irf 24/3 [Okt. 1933], 328 und 33/7 [Mai 1947], 830; DÁwÙd: NaÛarÁt, 163-87); vgl. außerdem al-AmÐnÐ: al-ÇadÐr, III/310; al-FukaikÐ: alMutÝa, 19, 33; NaÊÁt: ÝAul wa taÝÒÐb, 164-72; ferner Ende: Arabische Nation, 125ff.; Enayat: Modern Islamic Political Thought, 43ff. und D. Khalid: Some Aspects of Neo-MuÝtazilism, Islamic Studies 8/1969/319-47, bes. 336-41. 107 Vgl. AmÐn: My Life, 173f.; aš-ŠÐrÁzÐ: EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ, 27f.; KÁmil MuÎammad MuÎammad ÝUwaida: AÎmad AmÐn. al-Mufakkir al-islÁmÐ al-kabÐr, Beirut 1415/1995, 109-11; bei dem besagten Prediger könnte es sich um den bei MMI III/26f. und AŠ IX/10 genannten KÁÛim Àl NÙÎ (1885-1959) handeln, einem aus KÁÛimÐya stammenden Gelehrten, der in besagter ÍusainÐya eine Kasside vorgetragen und sich auch anderweitig mit sunnitischer Kritik an der Schia auseinandergesetzt hatte; vgl. Ende: Arabische Nation, 143 Anm. 4.

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flucht zum willkommenen Anlaß, über die generelle Unwissenheit der Sunniten bezüglich der Schia Klage zu führen, der er mit seinem Buch nunmehr ein für allemal ein 108 Ende bereiten wolle. Die Unterredung der beiden Kontrahenten führte zu keiner Annäherung der Standpunkte, und in der Folgezeit sind positive Äußerungen schiitischer Gelehrter über AÎmad AmÐn überaus rar geblieben. Lediglich MuÎammad RiÃÁ al109 MuÛaffar war bereit, ihn für seine lobenden Worte zu AbÙ ÝAbdallÁh az-ZanÊÁnÐs Buch TÁrÐÌ al-qurÞÁn zu würdigen, da diese sich in wohltuender Weise von seinen frü110 heren Behauptungen unterschieden hätten. Auch unter den ÝulamÁÞ der ökumenischen Bewegung war man ganz offensichtlich nicht sonderlich geneigt, den ägypti111 schen Historiker als Weggenossen in dieser Debatte zu betrachten. Die kritischen Reaktionen, die seine damaligen Aussagen hervorgerufen hatten, hielten AÎmad AmÐn aber keineswegs davon ab, sich als Mitglied der ÉT von Beginn an publizistisch für sie zu engagieren. Einen Widerspruch zu jenem in FaÊr al-IslÁm vertretenen Standpunkt sah er darin nicht, denn seinem Selbstverständnis zufolge hatte er mit der Veröffentlichung dieses Buches die Gefühle der Schiiten ohnedies nie verletzen wollen. Das ganze war für ihn ein Mißverständnis, verursacht dadurch, daß seine Kritiker nicht zwischen einer (von ihm intendierten) wissenschaftlichen Untersuchung und den Glaubensüberzeugungen der Rechtsschulen (al-ÝaqÁÞid al-maÆhabÐya) unterschieden hätten. Sunna wie Schia hätten sich der Forschung zu öffnen, gleichgültig, was deren Ergebnis sei, forderte er und wies darauf hin, in seinem Werk auch nicht 112 mit Kritik an der sunnitischen Seite gespart zu haben. In seinen regelmäßigen Beiträgen für die RI widmete er sich zumeist allgemeinen Themen wie der „Aufgabe der 113 Religion in der Gesellschaft“ und dem Verhältnis der islamischen Zivilisation zum Westen. Aber auch dem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ging er nicht aus dem Weg. In einem Aufsatz über islamische Toleranz bezeichnete er diesen Streit als ausschließlich von der Politik verursacht, woran auch der Umstand nichts ändere, daß von Zeit zu Zeit religiös argumentierende Propagandisten zerstörerischer Konfessionen aufgetreten seien. Für die Verbrechen der Politik dürfe man aber nicht die Religi108 AÒl aš-šÐÝa, 82-84; al-ËÁqÁnÐ: MaÝa al-ÌuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 23f., der AmÐns Entschuldigung als noch abstoßender bezeichnete als seine Äußerungen im Buch selbst; zu AmÐns Besuch in NaÊaf, bei dem er von ÝAbd al-WahhÁb ÝAzzÁm begleitet wurde, s. A.M.H. Mazyad: AÎmad AmÐn (Cairo 1886-1954). Advocate of Social and Literary Reform in Egypt, Leiden 1963, 28; ÝAlÐ: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn, 32f.; alËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VIII/104-12; SÁÔiÝ al-ÍuÒrÐ: MuÆakkirÁtÐ fÐ l-ÝIrÁq, Beirut 1968, II/64-80, bes. 68f.; ÑÁliÎ al-ÉaÝfarÐ: al-ÉÁmiÝa al-miÒrÐya fÐ n-NaÊaf, Irf 21/3 (März 1931), 308-16; Irf 36/9 (Sept. 1949), 358. 109 Bereits einmal erwähnt auf S. 76 Anm. 84. 110 ar-RisÁla 3/1935/1612-14, bes. 1612. 111 Vgl. die Feststellung al-MadanÐs und az-ZuÝbÐs, AmÐns Äußerungen seien (zusammen mit MuÒÔafÁ ÑÁdiq ar-RÁfiÝÐs Buch IÝÊÁz al-qurÞÁn) das schlimmste gewesen, was der Schia an „rÁfiÃitischen Krankheiten“ untergeschoben worden sei; al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/91; zu ar-RÁfiÝÐ (1880-1937) s. Ende: Arabische Nation, 125 Anm. 5; MuÒÔafÁ aš-ŠakÝa: MuÒÔafÁ ÑÁdiq ar-RÁfiÝÐ kÁtiban ÝarabÐyan wa-mufakkiran islÁmÐyan, Beirut 1970. 112 Interview der libanesischen Journalistin SalwÁ al-ÍaumÁnÐ mit AmÐn, Irf 40/8 (Juni 1953), 854-56, bes. 854f.; s. auch AmÐn: My Life, 173. 113 So auch der Titel seines ersten Aufsatzes in RI 1/1949/26-29; wiederabgedruckt bei al-MadanÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 94-97; zu diesem und zwei weiteren Beiträgen (al-MadanÐ, 300-03 und 41416) s. Fleischhammer: DaÝwat at-taqrÐb, 39-41.

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on verantwortlich machen. Das Echo unter schiitischen Teilnehmern der taqrÐb-Diskussion auf AmÐns Mitwirkung in der ÉT war gering und zwiespältig. Während MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr im Zuge seiner oben erwähnten Kritik an AbÙ Zahra vollkommen ungerührt darüber hinwegging und statt dessen auf sein eigenes gegen AÎ115 mad AmÐn gerichtetes Buch von 1933 verwies, machte sich MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya vorübergehend zum Anwalt von AmÐns vermeintlicher Kehrtwendung und zitierte im ÝIrfÁn, mit einem wohlwollenden Kommentar versehen, die zentralen Sätze 116 aus jenem RI-Artikel von 1949. AmÐns bald darauf in der taqrÐb-Zeitschrift erhobener Forderung, die (sunnitischen) Muslime sollten das Tor des iÊtihÁd, das sie dereinst 117 selbst geschlossen hätten, wieder weit aufstoßen, zollte MuÈnÐya umgehend Beifall, und AmÐns Spätwerk Yaum al-IslÁm schließlich verleitete ihn zu der Feststellung, der Autor habe nunmehr in der Tat seine Fehler vergangener Jahre eingesehen, als er den 118 Streit mit der Schia leichtfertig und ohne Not vom Zaun gebrochen habe. 1952 kam es zum Bruch zwischen AÎmad AmÐn und der ÉT. Den Hintergrund dazu bildete sein bereits zwei Jahre zuvor erschienenes Buch al-MahdÐ wa-l-MahdawÐ119 ya, in dem er seine in früheren Werken geäußerte Kritik am MahdÐglauben der Schia nochmals aufnahm und bekräftigte. Auch dieses Mal waren Widerlegungen durch ira120 kische schiitische Gelehrte die Folge, allen voran MuÎammad Íusain Zain ad-DÐn 121 und MuÎammad ÝAlÐ az-ZuhairÐ. Schließlich brachte der Herausgeber des ÝIrfÁn, AÎmad ÝÀrif az-Zain, den Stein endgültig ins Rollen, als er in einer kurzen Rezension von az-ZuhairÐs Buch wutentbrannt anmerkte, die Schia habe es allmählich satt, von AÎmad AmÐn und seinesgleichen (wie etwa MuÎammad Kurd ÝAlÐ und AÎmad Íasan az-ZayyÁt) ständig verleumdet zu werden. In diesem Zusammenhang verwies er auch 122 süffisant auf AmÐns Zugehörigkeit zur taqrÐb-Vereinigung. Sogar MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya sah sich nach dem Erscheinen von AmÐns Buch genötigt, wieder von seiner Verteidigung des Autors abzurücken und beschuldigte ihn, in Wirklichkeit doch ein kÁtib ÔÁÞifÐ geblieben zu sein, ungeachtet seines Beitritts zur ÉT. Das zeige sich schon allein darin, daß er sich in seinem Urteil vorwiegend auf die Schriften sunniti114 AmÐn in RI 1/1949/244-49; vgl. al-ÇazzÁlÐ: ÚalÁm min al-Èarb, 276f. 115 RI 1/1949/363f.; s. oben, S. 129 Anm. 92. 116 Irf 36/10 (Okt. 1949), 1030-32, bes. 1031f.; wiederabgedruckt bei MuÈnÐya: Min hunÁ wa-

hunÁk, 187-90; vgl. idem: TaÊÁrib, 208f. 117 AmÐn in RI 3/1951/146-49, bes. 149; dazu Kommentar von ÝAlÐ ÝAbd ar-RÁziq ibid., 246f.; MuÈnÐya in RI 4/1952/28-31; s. auch Göbel: Moderne schiitische Politik, 120f. 118 MuÈnÐya: AÎmad AmÐn yaÝtarif fÐ ayyÁmihi al-aÌÐra, in: idem: aš-ŠÐÝa fÐ al-mÐzÁn, 70-74; ein Protest gegen diesen Artikel findet sich bei ÍammÙ: AÃwÁÞ ÝalÁ š-šÐÝa, 50-52. 119 Kairo 1950. 120 MaÝa ad-duktÙr AÎmad AmÐn, NaÊaf 1951; s. MMN 325 (Nr. 1419); Rezension in Irf 39/2 (Jan. 1952), 272f. und 39/9 (Aug. 1952), 1138; zum Autor (geb. 1915) s. MMI III/104 und RF II/650; s. auch seinen Artikel über AÎmad AmÐn in al-HÁdÐ 2/2 (Sept. 1972), 125-33. 121 al-MahdÐ wa-AÎmad AmÐn, NaÊaf 1950; s. MMN 356 (Nr. 1601); das Vorwort zu diesem Buch schrieb AmÐns Hauptgegner von 1931, MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ; zum Autor (1915-1965) s. MMI III/215; RF II/647. 122 Irf 39/3 (Febr. 1952), 403; im selben Heft veröffentlichte er außerdem ein Protestschreiben einer Gruppe, die sich „Brüder der spirituellen Erneuerung im Irak“ (IÌwÁn an-nahÃa ar-rÙÎÐya fÐ-lÝIrÁq) nannte und die ÉT ebenfalls aufforderte, ihrer obersten Pflicht nachzukommen und die zu bekämpfen, die zur Spaltung der Muslime aufriefen; ibid., 393.

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scher Autoren verlassen habe, ohne die Werke der Schia selbst in ausreichendem Maße zur Kenntnis zu nehmen. Mit dieser halsstarrigen Unwissenheit aber, schloß MuÈnÐya verbittert, sei er seiner Vorgehensweise in allen seinen früheren Schriften 123 über die Schia treu geblieben. Dem solcherart entstandenen Druck konnte oder woll124 te die ÉT – einem beschwichtigenden Schreiben an den ÝIrfÁn zum Trotz – nicht länger standhalten. MoÎammad TaqÐ QommÐ selbst war es, der unverzüglich einen entsprechenden Artikel in der RI publizierte. Ohne den Namen AÎmad AmÐns auch nur ein einziges Mal zu nennen – er ließ es mit dem Hinweis „ein bekannter Autor“ bewenden –, griff er ihn heftig an und warf ihm insbesondere vor, mit orientalistischen, ergo islamfremden und letztlich -feindlichen Methoden gearbeitet zu haben. Wie bereits bei früheren Gelegenheiten, so QommÐ, entschuldige er auch dieses Mal seine Vernachlässigung schiitischer Quellen damit, daß sie ihm nur in geringer Zahl zur Verfügung gestanden hätten. Insgesamt enthalte das Buch nichts Gutes für die umma, sondern rühre nur an die dunklen Seiten der Feindschaft und des Hasses zwi125 schen den Muslimen. Obwohl QommÐ bemüht war, in einem versöhnlicheren Ton zu schließen und AÎmad AmÐn die Möglichkeit der weiteren Mitwirkung an der ÉT offenzuhalten, sah dieser wohl keine Grundlage mehr für die Fortsetzung der Zusammenarbeit. Er stellte abrupt seine publizistische Tätigkeit für die RI ein – nachdem er in 12 der ersten 13 Hefte mit einem Aufsatz vertreten gewesen war – und scheint überhaupt aus der ÉT aus126 getreten zu sein. Erwartungsgemäß blieb AmÐns Intermezzo in der taqrÐb-Gesellschaft für seinen Ruf bei der Schia, nicht zuletzt aufgrund des unerfreulichen Endes, ohne positive Wirkung. Bis in die Gegenwart hinein taucht sein Name immer wieder auf, wenn schiitische Autoren auf die in ihren Augen hartnäckigen Verleumder der 127 Schia im 20. Jahrhundert verweisen. Den sunnitischen Polemikern auf der anderen Seite dienen dagegen gleichfalls bis heute gerade die besonders ins Kreuzfeuer der schiitischen ÝulamÁÞ geratenen Passagen der Bücher AmÐns als willkommene Munition 128 für ihre eigenen Angriffe gegen jegliche innerislamische Annäherung. 123 MuÈnÐya: ÝAqlÐyÁt islÁmÐya, 472-77. 124 Irf 39/10 (Sept. 1952), 1268. 125 QommÐ in RI 4/1952/147-51, bes. 149ff. 126 So jedenfalls läßt sich seine Bemerkung in dem bereits in Anm. 112 zitierten Interview für

den ÝIrfÁn interpretieren, er sei Mitglied der – wie er es nannte – LaÊnat at-taqrÐb bain as-sunna wa-ššÐÝa „gewesen“ (kuntu), Irf 40/8 (Juni 1953), 855. 127 MoÎammad Íosain ÓabÁÔabÁÞÐ: ŠÐÝe, Maktab-e TašayyoÝ 2/Mai 1960/passim, bes. 13-16 (zusammen mit MÙsÁ ÉÁrallÁh und MuÎammad ÕÁbit); ÝAlÐ: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn, 48f. (mit as-SibÁÝÐ, al-ËaÔÐb, Kurd ÝAlÐ, an-NašÁšÐbÐ und an-NuÒÙlÐ); FaššÁhÐs Vorwort zu KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn, 8; arRaÃawÐ: al-BurhÁn, 11; ÉaÝfar al-MuhÁÊir: al-ÍiwÁr al-islÁmÐ – al-islÁmÐ (…), in: al-ImÁm as-sayyid ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, 157-65, bes. 164 (zusammen mit an-NašÁšÐbÐ und RašÐd RiÃÁ); s. ferner die beiden Konvertiten al-AnÔÁkÐ: Li-mÁÆÁ iÌtart, 13 und at-TÐÊÁnÐ: Õumma ihtadait, 28f.; eine Ausnahme von dieser allgemeinen Haltung ist dagegen MoÎammad WÁÝeÛ-ZÁdeh, der Generalsekretär der 1990 in Teheran gegründeten MaÊmaÝ-e taqrÐb; in einer kurzen Geschichte der ökumenischen Bewegung zählt er AÎmad AmÐn zu den taqrÐb-Unterstützern der ersten Stunde; s. MiškÁt 28/1990/7. 128 Den Anfang machte MaÎmÙd al-MallÁÎ, als er AmÐn posthum gegen QommÐs Kritik in der RI in Schutz nahm; TÁrÐÌunÁ l-qaumÐ, 56ff.; ferner idem: al-ÀrÁÞ aÒ-ÒarÐÎa, 38 und an-NiÎla al-aÎmadÐya, 66ff.; zwei Beispiele aus neuerer Zeit sind ÇarÐb: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 152 und Daqs: al-IÝtidÁÞÁt al-bÁÔinÐya, 10, die beide beifällig die oben wiedergegebene Stelle aus FaÊr al-IslÁm zitieren.

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Den bisher genannten Personen ist gemeinsam, daß sie sich in aller Öffentlichkeit zur ÉT bekannten, indem sie sich publizistisch in der RI für ihre Belange einsetzten – so umstritten das Engagement im Einzelfall auch sein mochte. Daneben gibt es aber auch einzelne Aktivisten, deren Mitgliedschaft in der ÉT bzw. wenigstens Anwesenheit bei den Treffen der Vereinigung zwar feststeht, von seiten der ÉT aber nicht öffentlich erwähnt wurde. Die prominentesten Beispiele dafür sind einzelne Angehörige der Muslimbruderschaft sowie der ehemalige MuftÐ von Jerusalem, MuÎammad AmÐn alÍusainÐ. Von dem Versuch der ÉT, die tonangebenden Teile der Neo-SalafÐya zu integrieren, war im Zusammenhang mit der Person ihres Präsidenten MuÎammad ÝAlÐ ÝAllÙba 129 schon einmal kurz die Rede. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen stand verständlicherweise das Verhältnis der taqrÐb-Gelehrten zum Gründer und charismatischen Füh130 rer der ägyptischen Muslimbrüder, Íasan al-BannÁ, der sich bereits in den dreißiger Jahren mit pan-islamischen Äußerungen hervorgetan hatte. al-BannÁ arbeitete nicht nur mit ÝAllÙba außerhalb der ÉT zusammen – erinnert sei an beider Beteiligung an der Gründung des „Niltal-Komitees“ zur Unterstützung Palästinas –, sondern pflegte 131 von Anbeginn an enge Kontakte zur ÉT selbst, an deren Sitzungen er teilnahm. Von QommÐ wiederum wird berichtet, daß er sich in den vierziger Jahren als Gast im 132 Hauptquartier der Muslimbruderschaft aufgehalten habe. Für die sunnitischen taqrÐb-Gegner war dieser Schritt insofern ein Sündenfall besonderer Art, als al-BannÁs geistiger Ziehvater kein geringerer als MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb gewesen war, der nach 1947 umgehend und auf Dauer zu einem der heftigsten und einflußreichsten Polemiker 133 gegen eine Annäherung mit der Schia wurde. Höhepunkt der taqrÐb-Aktivitäten alBannÁs in der kurzen ihm noch verbleibenden Lebensspanne – er fiel am 12. Februar 1949 einem Attentat zum Opfer – war die Pilgerfahrt des Jahres 1367 (Oktober 1948), als er in Mekka mit ÀyatollÁh AbÙ l-QÁsim al-KÁšÁnÐ zusammentraf und sich mit ihm über die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Sunniten und Schiiten unterhalten 134 haben soll. Daß die Wahl al-BannÁs just auf jenen damals dezidiert politisch agie135 renden (und agitierenden) Gelehrten fiel, ließ aber zugleich deutlich werden, daß Kritik an AmÐn aus der Feder sunnitischer Autoren ist dagegen vergleichsweise selten; vgl. HuwaidÐ: ÏrÁn min ad-dÁÌil, 323f.; DÁwÙd: NaÛarÁt, 165-87 (Abdruck seines Vorworts zu ÝAbdallÁh as-SubaitÐs TaÎt rÁyat al-Îaqq) sowie idem: MaÝa AÎmad AmÐn fÐ fuÒÙl min kitÁbihi Faià al-ÌÁÔir: naqd wa-taÝlÐq wa-taÎlÐl, Kairo 1375/1955. 129 Vgl. oben, S. 98. 130 Vgl. oben, S. 91 Anm. 10. 131 Ein Photo, das al-BannÁ bei einer der Zusammenkünfte der ÉT zeigt, ist abgedruckt bei ašŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 17; vgl. ibid., 10 sowie idem: EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ, 229; vgl. auch die Aufzählung der taqrÐb-Protagonisten bei ŠarÐÝatÐ: TašayyoÝ-e ÝalawÐ, 76f., in der al-BannÁ ganz selbstverständlich miteinbezogen ist; ähnlich aš-ŠarqÐ: Naqš-e EslÁm, 538; MiškÁt 2/1362hš/49f. 132 ÝUmar at-TilmisÁnÐ: ÅikrayÁt lÁ muÆakkirÁt, Kairo 1985, 249f.; vgl. al-AÎsÁÞÐ: aÔ-ÓÁÞifÐya, 419f. 133 Zum Verhältnis zwischen al-BannÁ und al-ËaÔÐb s. Mitchell: Society, 5-8, 322f.; vgl. auch alMallÁÎ: al-ÀrÁÞ aÒ-ÒarÐÎa, 100. 134 al-ÉabrÐ: Li-mÁÆÁ uÈtÐla Íasan al-BannÁ?, 32; al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 157f.; KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn, 22 (auch KamareÞÐ scheint 1948 in Mekka gewesen zu sein, erwähnt aber kein Treffen seiner selbst mit al-BannÁ; s. ManÁzil al-waÎy, 55f.); Akhavi: The Impact of the Iranian Revolution, 140; Matthee: Egyptian Opposition, 256 mit Anm. 22. 135 Zu al-KÁšÁnÐ (gest. 1962) s. EI2 IV/495f. (H. Algar); GD I/267-71; ÓAŠ I.1/75f.; DawwÁnÐ:

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sich in seinen Augen der Prozeß einer Annäherung nicht in einer bloßen juristischen oder theologischen Diskussion erschöpfte, sondern auf eine konkrete, politisch orientierte Zusammenarbeit mit der anderen Seite abzielte. al-KÁšÁnÐ war dafür ein um so geeigneterer Ansprechpartner, als er Verbindungen zu den FedÁÞÐyÁn-e EslÁm und ihrem Anführer NawwÁb-e ÑafawÐ unterhielt, einer Terrororganisation, die auch vor 136 Mordanschlägen auf ihre Gegner nicht zurückschreckte. Allerdings scheint es erst 1954, also fünf Jahre nach al-BannÁs Tod, zu einer direkten Kontaktaufnahme dieser Vereinigung mit den Muslimbrüdern gekommen zu sein, und zwar anläßlich eines Aufenthalts NawwÁb-e ÑafawÐs in Kairo, wo er unter anderem mit ÝAbd an-NÁÒir zu137 sammentraf und öffentlich zugunsten der Muslimbrüder Stellung bezog. Vereinzelt wird über diese Verbindung sogar QommÐ selbst in die Nähe der FedÁÞÐyÁn-e EslÁm gerückt, doch gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür (und erscheint angesichts seiner im allgemeinen zu beobachtenden Schah-Treue auch eher unwahrscheinlich), daß er mit einer Gruppierung Kontakte gepflegt haben könnte, die den bewaffneten 138 Kampf gegen die Teheraner Regierung führte. Die Beziehungen der ÉT zur Muslimbruderschaft hatten über al-BannÁs gewaltsamen Tod hinaus Bestand. Noch 1954, kurz vor dem Verbot der Organisation durch ÝAbd an-NÁÒir, berichtet der irakische schiitische Gelehrte MuÎammad b. MuÎammad MahdÐ al-ËÁliÒÐ, wie er in Kairo in der DÁr at-taqrÐb mit dem damaligen Führer der 139 Bruderschaft, Íasan al-HuÃaibÐ, zusammentraf. Ihm gegenüber habe er sich über die Nahªat-e rÙÎÁnÐyÙn-e ÏrÁn, II/227-341; Nachruf in Maktab-e EslÁm 4/3 (April 1962), 59-61; Kedourie: The Iraqi Shi’is, 151f. sowie Mottahedeh: The Mantle of the Prophet, Index s.v.; Y. Richard: Ayatollah Kashani: Precursor of the Islamic Republic?, in: N.R. Keddie (ed.): Revolution and Politics in Iran. Shi’ism from Quietism to Revolution, New Haven 1983, 101-24. 136 Ihr prominentestes Opfer war der Journalist und Schriftsteller AÎmad KasrawÐ, der im März 1946 im Teheraner Justizpalast erschossen wurde; s. Mottahedeh: The Mantle of the Prophet, 105; NawwÁb-e ÑafawÐ (im Januar 1956 hingerichtet) war der nom de guerre von MoÊtabÁ b. ÉawÁd MÐr LÙÎÐ; s. Schulze: Internationalismus, 113f.; sein Andenken wurde nach der Islamischen Revolution in beträchtlichem Maße wiederbelebt; s. GD VIII/278-91; RF III/1301-03; Mottahedeh, 382; vgl. Akhavi: Religion and Politics, 67f. und Göbel: Moderne schiitische Politik, 162-69. 137 Schulze: Internationalismus, 114; ferner EI2 II/882f. (N.R. Keddie / A.H. Zarrinkub); Y. Richard: L’organisation des FedÁÞÐyÁn-e EslÁm, mouvement intégriste musulman en Iran (1945-1956), in: O. Carré / P. Dumont (eds.): Radicalismes islamiques, Paris 1985, I/23-82, bes. 51f. (demnach kam es auch zu einem Treffen ÑafawÐs mit YÁsÐr ÝArafÁt); F. Kazemi: Religion and Politics in Iran: the Fada’iyÁn-i IslÁm, Folia Orientalia 22/1981-84/191-205, bes. 197 und 204 Anm. 20; I.M. Husaini: The Moslem Brethren, Beirut 1956, 134; DawwÁnÐ: Nahªat-e rÙÎÁnÐyÙn-e ÏrÁn, II/203-05; al-WardÁnÐ: ašŠÐÝa fÐ MiÒr, 121f.; idem: MiÒr … ÏrÁn, 142; ein Treffen ÑafawÐs mit MuÒÔafÁ as-SibÁÝÐ 1953 in Damaskus erwähnt HuwaidÐ: ÏrÁn min ad-dÁÌil, 331. 138 al-BahnasÁwÐ: as-Sunna al-muftarÁ ÝalaihÁ, 57; IbrÁhÐm: Mauqif ÝulamÁÞ al-muslimÐn, 13f., 16ff.; idem: as-Sunna wa-š-šÐÝa, 15ff. (mit Vorbehalten; s. auch die deutsche Übersetzung, 7ff. und die französische Version, Vorwort S. 5, Text S. 10ff.); IbrÁhÐm bezeichnet sich im übrigen selbst als Mitglied der ÉT, Mauqif, 34. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß es sich bei diesen Behauptungen (allesamt aus Verteidigungsschriften zugunsten der Islamischen Revolution) um den durch die zeitlichen Umstände nach 1979 bedingten Versuch handeln könnte, QommÐs Schah-Verbindungen zu kaschieren und der ÉT sozusagen einen Ehrenplatz in der Ahnengalerie der Revolution zuzuweisen. Zum komplizierten Verhältnis der Muslimbrüder zu ËomeinÐ s. Matthee: Egyptian Opposition, bes. 251-65; Akhavi: The Impact of the Iranian Revolution, 144-48; vgl. Kh. Samir: Khomeini e i „fratelli musulmani“. Un ritorno integrale alle radici dell’Islam, Civilità Cattolica 131/1980/445-58; s. auch unten, S. 289. 139 Über ihn (1891-1973) s. az-ZiriklÐ II/225 sowie Mitchell: Society, 85ff. und Index, s.v.

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schiafeindliche Haltung der irakischen Muslimbrüder beklagt, woraufhin sich al-HuÃaibÐ von diesen distanziert und ihm – al-ËÁliÒÐ – zugesagt habe, jemanden nach Bagdad zu entsenden, um dort die pan-islamische Zielsetzung der ägyptischen „Mutter140 organisation“ im Sinne des Gründers al-BannÁ zu erläutern. Diese Episode ist gleich in zweifacher Hinsicht aufschlußreich. Zum einen belegt sie, daß die ägyptischen Muslimbrüder bis unmittelbar vor ihrer – vorläufigen – Zerschlagung (und vertreten durch ihre Führungsspitze) Umgang mit der taqrÐb-Vereinigung hatten. Zum anderen aber läßt sie erkennen, daß die irakische Organisation (ÉamÝÐyat al-uÌÙwa al-islÁmÐya) bereits Anfang der fünfziger Jahre, wohl auch unter dem Einfluß eines gespannten 141 innenpolitischen Klimas, das von sektiererischen Machtkämpfen geprägt war, sich vom Pan-Islamismus abwandte und eine deutlich antischiitische Richtung einschlug. al-ËÁliÒÐs Klage war nicht zuletzt deshalb besonders pikant, weil auch einer der führenden Köpfe der irakischen Muslimbrüder, AmÊad az-ZahÁwÐ, seinerzeit gemeinsam 142 mit al-BannÁ bei den ersten Sitzungen der ÉT zugegen gewesen war. al-BannÁ und al-HuÃaibÐ waren nicht die einzigen Muslimbrüder, die den Kontakt mit der ÉT hielten, aber sie waren die bedeutendsten, und sie taten das überdies ex officio. Andere Aktivisten und Förderer der ÉT waren wenigstens vorübergehend in der Muslimbruderschaft aktiv und – wie man vermuten darf – mit aus diesem Grund ursprünglich zur taqrÐb-Vereinigung gestoßen. Hier sind vor allem MuÎammad al-ÇazzÁlÐ und as-Sayyid SÁbiq zu nennen, die beide zu den ÉT-Mitgliedern der ersten Stun143 de zählten. al-ÇazzÁlÐ schied im Unfrieden von den Muslimbrüdern – im Dezember 1953 wurde er zusammen mit einigen anderen Mitgliedern nach einem Putschversuch 144 gegen al-HuÃaibÐ aus der Organisation ausgeschlossen–, ebenso wie der hier schon vorgestellte AÎmad Íasan al-BÁqÙrÐ, der in späteren Jahren als auqÁf-Minister an der Edition schiitischer Werke durch die ÉT beteiligt war und unter anderem durch seine Forderung Aufsehen erregte, die sunnitischen Gelehrten sollten ihr kategorisches Verbot der Zeitehe (mutÝa) überdenken. Am Tage seiner Ernennung zum Minister war 145 auch er aus den Reihen der Bruderschaft entfernt worden. al-BÁqÙrÐ, der eigenen Angaben zufolge mehrfach das ihm angetragene Amt des ŠaiÌ al-Azhar ablehnte, weil 146 es ihm von zu vielen Intrigen umgeben war, erntete für seine Tätigkeit auf dem Ge140 al-ËÁliÒÐ: at-TauÎÐd wa-l-waÎda, 3f.; vgl. Ende: Erfolg und Scheitern, 123. 141 E. Kedourie: Anti-Shiism in Iraq under the Monarchy, MES 24/1988/249-53. 142 Das oben in Anm. 131 zitierte Photo zeigt ihn zur Rechten ÝAbd al-MaÊÐd SalÐms; zu az-

ZahÁwÐ (1881-1967) s. MMI I/147; MuÎammad MaÎmÙd aÒ-ÑawwÁf: al-ÝAllÁma al-muÊÁhid aš-šaiÌ AmÊad az-ZahÁwÐ šaiÌ ÝulamÁÞ al-ÝIrÁq al-muÝÁÒirÐn 1300-1387h, Kairo 1988 und Schulze: Internationalismus, 106 mit Anm. 283; s. auch oben, S. 94 Anm. 25. 143 ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/119; zu SÁbiq s. Mitchell: Society, 74. 144 Mitchell, 124; zu al-ÇazzÁlÐ (1917-1996) s. Ende: Arabische Nation, 99-103; Schulze: Internationalismus, 107 Anm. 294; Schriftenverzeichnis bis 1961 in REI 29/1961/S.A. 1937f. (Nr. 140222); Nachruf in Arab News, 11. März 1996, S. 2, 10; zu seiner Rolle in der ÉT s. IbrÁhÐm: Mauqif ÝulamÁÞ al-muslimÐn, 20, 22f. und KamareÞÐ: RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ, 32ff. 145 OM 32/1952/263f.; Mitchell: Society, 107f.; laut I.M. Husaini: The Moslem Brethren, Beirut 1956, 114 soll Íasan al-BannÁ ihn noch 1949 zu seinem Nachfolger designiert haben; zu ihm (19091985) s. ferner ar-RaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 52-56 sowie v.a. seine bis 1964 reichende Autobiographie BaqÁyÁ Æ-ÆikrayÁt; zu al-BÁqÙrÐs Forderung einer Revidierung des mutÝa-Verbots vgl. Ende: Ehe auf Zeit, 38-40. 146 al-BÁz: al-BÁqÙrÐ, 103.

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biet der innerislamischen Ökumene von schiitischer Seite uneingeschränktes Lob, ganz im Gegensatz zu AbÙ Zahra oder AÎmad AmÐn. Sämtliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft wurden in den Publikationen der ÉT, insbesondere in ihrer Zeitschrift, mit konsequentem Stillschweigen übergangen. Die Tätigkeit der neo-salafitischen Bruderschaft war viel zu politisch, als daß die taqrÐb-Vereinigung sich in der Öffentlichkeit dazu hätte bekennen können, ohne ihren offiziellen Grundsatz, sich von der Politik fernzuhalten, ad absurdum zu führen. Die Verwicklung der Muslimbrüder in innenpolitische Machtkämpfe mit der Regierung, in denen beide Seiten schließlich auch zum Mittel des politischen Mordes griffen, führte im Dezember 1948 zu einem ersten Verbot der Organisation und machte es der ÉT vollends unmöglich, sie in der im Jahr darauf erstmals erscheinenden RI überhaupt zu erwähnen. Bezeichnenderweise wurde dem im Februar 1949 ermordeten muršid ÝÁmm Íasan al-BannÁ nicht eine einzige Zeile als Nachruf gewidmet. Nach der Zerschlagung der Muslimbrüder durch ÝAbd an-NÁÒir 1954 zahlte sich diese Haltung insofern aus, als die ÉT sich nun nicht für kompromittierende und in der Zwischenzeit gefährlich gewordene Kontakte rechtfertigen mußte. Ähnlich wie bei der Muslimbruderschaft dürften es auch bei MuÎammad AmÐn alÍusainÐ die eindeutig politischen Beweggründe seines pan-islamischen Auftretens gewesen sein, die die ÉT dazu veranlaßten, seinen Beitrag zur taqrÐb-Debatte mit größter Reserviertheit zu behandeln. Seit der Jerusalemer Konferenz war al-ÍusainÐ mehrfach mit Aktivitäten in Erscheinung getreten, die vordergründig als Teil einer sunnitischschiitischen Annäherung gewertet werden konnten, deren politischer Anlaß aber – der Kampf gegen Zionismus und westliche Mandatsherrschaft – stets mit Händen zu greifen war. al-ÍusainÐ selbst leugnete diese Verknüpfung der beiden Ziele auch keineswegs. Das war 1936 bei seiner Einladung an die Adresse ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐs 147 zu einem Besuch Palästinas nicht anders als bei seinem im selben Jahr erlassenen bekannten FatwÁ, in dem er die hauptsächlich im damals französisch verwalteten Syrien beheimatete Glaubensgemeinschaft der ÝAlawiten zu rechtmäßigen und vollwerti148 gen Mitgliedern der muslimischen Gemeinschaft erklärte. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den er zum Großteil in der Obhut der Nationalsozialisten in Berlin verbracht 149 hatte, war er auf der Flucht vor den Briten 1946 nach Kairo gekommen, wo ihm auf 150 Betreiben der Muslimbrüder Asyl gewährt wurde. 147 Vgl. oben, S. 86 Anm. 133; az-ZanÊÁnÐ hatte die Absichten seines Gastgebers gut verstanden und sich umgehend zu eigen gemacht, indem er am 28. Dezember 1936 in Tel Aviv vor zionistischen Siedlern eine flammende Ansprache hielt, die den GroßmuftÐ um Leib und Leben seines Gastes fürchten ließ; s. ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 127-31; ad-Daftar: ÑafÎa, 162. 148 P. Boneschi: Une fatwà du Grand MuftÐ de Jérusalem MuÎammad ‘AmÐn al-ÍusaynÐ sur les ÝAlawÐtes, Revue de l’Histoire des Religions 122/1940/42-54, 134-52; indirekt richtete sich al-ÍusainÐs FatwÁ auch gegen Ibn TaimÐyas berühmte Verurteilung der ÝAlawiten, s. S. Guyard: Le fetwa d’Ibn Taimiyyah sur les Nosairis, Journal Asiatique, VIe sér., 18/1871/158-98; zur kurzen Geschichte eines formal von Syrien unabhängigen ÝAlawitenstaates zwischen den Weltkriegen vgl. Halm: Die islamische Gnosis, 288f. 149 Zu dieser umstrittenen Phase in al-ÍusainÐs Leben s. A.R. de Luca: ‘Der Grossmufti’ in Berlin. The Politics of Collaboration, IJMES 10/1979/125-41; K. Gensicke: Der Mufti von Jerusalem. Amin el-Husaini und die Nationalsozialisten, Frankfurt/M. 1988. 150 Mitchell: Society, 56; vgl. auch Irf 32/1 (Dez. 1945), 9f.

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Obgleich al-ÍusainÐ im Januar 1947 zu den Gründungsmitgliedern der ÉT zähl151 te, beteiligte er sich in der Folgezeit weder aktiv an ihrer Zeitschrift noch ließ er anderweitig ein öffentliches Engagement für ihre Belange erkennen. In der RI wiederum wurde er nur zu Beginn und eher unauffällig ob seiner Unterstützung des taqrÐb-Ge152 dankens gewürdigt. Sein Versuch, sich als Präsident des 1949 in Pakistan wieder zusammengetretenen Islamischen Weltkongresses erneut an die Spitze des politischen Pan-Islamismus zu stellen, scheint für die ÉT, die 1951/52 an den Konferenzen in Karachi noch beteiligt war, das Signal für einen vorsichtigen Rückzug gewesen zu sein. Dies um so mehr, als sich al-ÍusainÐ in den folgenden Jahren allmählich der von Saudi-Arabien protegierten Kongreß-Idee annäherte und schließlich 1962 zu den Gründungsmitgliedern der Islamischen Weltliga zählte. Ëair ad-DÐn az-ZiriklÐ spricht sogar beiläufig davon, daß ihm die saudi-arabische Staatsbürgerschaft verliehen worden 153 sei. Dessenungeachtet wurde ihm gerade auch in jener späteren Zeit uneingeschränktes Lob von schiitischer Seite zuteil: ËalÐl KamareÞÐ etwa erinnerte sich an ein Zusammentreffen mit al-ÍusainÐ anläßlich der Pilgerfahrt 1382 (April/Mai 1963) und 154 würdigte besonders die schiafreundlichen Äußerungen des ehemaligen MuftÐs, andernorts wurde er als sunnitischer Kronzeuge für den Kampf der Schia gegen Israel 155 benannt. Die einzige nennenswerte Ausnahme davon bildete MuÎammad al-ËÁliÒÐ: In dem zuvor erwähnten Bericht über sein Treffen mit al-HuÃaibÐ läßt er durchblicken, daß seine Anstrengungen, den muršid ÝÁmm davon zu überzeugen, auf die irakischen Muslimbrüder mäßigend einzuwirken, von einem anwesenden sunnitischen Gelehrten durchkreuzt worden seien. Zwar nennt al-ËÁliÒÐ hier keinen Namen, doch seine Bemerkung, von diesem sei bekannt, daß er aufgrund seines Fanatismus und seiner Halsstarrigkeit Palästina verspielt (taÃyÐÝ) habe, läßt vermuten, daß MuÎammad AmÐn al156 ÍusainÐ Ziel von al-ËÁliÒÐs Vorhaltungen war. Auch MoÎammad TaqÐ QommÐs zur selben Zeit (1954) formulierte Ernüchterung über die Erfolglosigkeit der letzten isla157 mischen Konferenzen (die zum Teil unter al-ÍusainÐs Leitung stattfanden) mag in diesem Zusammenhang gesehen und als versteckte Kritik an al-ÍusainÐ gewertet werden.

151 Irf 33/9 (Juli 1947), 1084; auf dem bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 17 abgedruckten Photo vervollständigt al-ÍusainÐ das aus ihm, al-BannÁ und az-ZahÁwÐ bestehende Triumvirat der politischen Problemfälle innerhalb der ÉT. 152 al-MadanÐ in RI 2/1950/6; ÝAbd al-ÍalÐm KÁšif al-ÇiÔÁÞ in RI 4/1952/48. 153 az-ZiriklÐ VI/46; Schulze: Internationalismus, 183ff. 154 KamareÞÐ: RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ, 29; vgl. ibid., 172f. und idem: ManÁzil al-waÎy, 62; zu KamareÞÐs aufgeschlossener Haltung gegenüber dem saudi-arabischen Pan-Islamismus der sechziger Jahre, die v.a. in der zuletzt genannten Schrift zum Ausdruck kommt, s. unten, S. 261f. 155 BahÐya et al.: Naqd wa-taÝlÐq, 34. 156 al-ËÁliÒÐ: at-TauÎÐd wa-l-waÎda, 4; vgl. Ende: Erfolg und Scheitern, 123; vereinzelt erregten auch Äußerungen des MuftÐs zur frühislamischen Geschichte den Unwillen schiitischer Autoren; zu einer Antwort MuÎsin al-AmÐns vgl. Ende: Arabische Nation, 201. 157 Vgl. oben, S. 115 Anm. 7.

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Schiiten Für das Gelingen des Unterfangens, in Kairo und damit weitab der schiitischen Kerngebiete und Gelehrtenzentren eine Vereinigung mit dem erklärten Ziel eines Ausgleichs zwischen Sunniten und Schiiten ins Leben zu rufen, war es selbstverständlich von größter Wichtigkeit, Vertreter der schiitischen Geistlichkeit für die ÉT zu interessieren und gegebenenfalls zur aktiven Mitwirkung zu bewegen. Bereits eine oberflächliche Bestandsaufnahme der an der RI beteiligten Autoren und der von ihnen verfaßten Artikel zeigt, daß die schiitischen ÝulamÁÞ längst nicht in demselben Maße wie ihre ortsansässigen Kollegen von der Azhar oder der Kairo-Universität bereit waren, die Zeitschrift der taqrÐb-Vereinigung als publizistisches Forum zu nutzen. Weniger 158 als ein Viertel der insgesamt 111 Autoren – nämlich 24 zuzüglich vier Zaiditen – entstammten den Reihen der Schia, mit dem Resultat, daß über fünf Sechstel aller veröffentlichten Beiträge von sunnitischen Autoren geschrieben wurden. Da von jenen zwei Dutzend schiitischer Gelehrter lediglich sieben mehr als zwei Artikel beisteuerten, kann von einem regen Gedankenaustausch oder gar einer längerfristigen Diskussion kaum die Rede sein. Außerdem war die Schia in der Hauptsache nur durch korrespondierende Mitglieder, und somit gleichsam auf Distanz, vertreten. Nur wenige ihrer ÝulamÁÞ fanden in den gut fünfzehn Jahren, in denen die ÉT ihrem Anspruch als institutionalisiertes taqrÐb-Forum gerecht zu werden vermochte, den Weg nach Kairo, und auch sie – zu nennen sind vor allem al-ËÁliÒÐ, aš-ŠabÐbÐ oder MuÈnÐya – hielten sich nur zu einem kurzen Besuch bei der ÉT auf. Die physische Präsenz der Schia in der taqrÐb-Vereinigung blieb meist auf die Person MoÎammad TaqÐ QommÐs beschränkt. Das Echo, das die Gründung der taqrÐb-Gesellschaft in Iran hervorrief, war, soweit es in der Beteiligung iranischer ÝulamÁÞ in der RI zum Ausdruck kam, bestenfalls als zurückhaltend zu bezeichnen. Neben QommÐ selbst waren nur drei weitere iranische Autoren, die allesamt nicht zu den herausragenden Angehörigen des schiitischen Theologenstandes in Iran gezählt werden können, mit je einem Artikel in der Zeitschrift vertreten. MuÎsin Ñadr, der im November 1943 bei einem Reformversuch des Erziehungsgesetzes von 1911 eine Rolle gespielt hatte, ansonsten aber öffentlich nicht weiter in Erscheinung getreten war, steuerte einen Aufsatz über die theologischen 159 Aspekte in der Philosophie Avicennas und Averroes’ bei; der aus Qom stammende und in Teheran ansässige Gelehrte ÝAbd al-Íusain Ibn ad-DÐn wies einmal mehr die Behauptung zurück, die Befürworter des taqrÐb-Gedankens hätten es auf eine Vereini160 gung (tauÎÐd) der bestehenden Rechtsschulen abgesehen, und (der in Kerbela geborene) MuÎammad ÑÁliÎ al-ÍÁÞirÐ al-MÁzandarÁnÐ schließlich beschäftigte sich ausführlich mit der Frage, wie Imamat und Kalifat miteinander in Einklang zu bringen seien. Sein Beitrag, einer der umfangreichsten Artikel, die je in der RI erschienen, ist inso158 Die in der ÉT vertretenen Zaiditen waren ÝAlÐ b. IsmÁÝÐl al-MuÞayyad, der keinen Beitrag in der RI verfaßte, MuÎammad b. ÝAbdallÁh al-ÝAmrÐ (beides Gründungsmitglieder) sowie Íasan b. ÝAlÐ b. IbrÁhÐm, ÝAbdallÁh al-ÉarÁfÐ aÒ-ÑanÝÁnÐ und MuÎammad b. IsmÁÝÐl al-ÝAmrÁnÐ; sie alle griffen nicht weiter in die taqrÐb-Debatte ein. 159 RI 5/1953/39-43; zu besagter Reform s. Akhavi: Religion and Politics, 61f. 160 RI 8/1956/366-69; zu Ibn ad-DÐn (1905-70) s. MošÁr III/Sp. 720f.; AŠ MII/154; Nachruf in Irf 58/2 (Juni 1970), 270f.

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fern von einigem Interesse, als es sich dabei um eine der wenigen Gelegenheiten handelte, bei denen ein für die Spaltung zwischen Sunna und Schia konstituierender 161 Streitpunkt in aller Offenheit angesprochen wurde. Von den genannten drei Artikeln abgesehen beschränkte sich die Resonanz unter den iranischen Schiiten – jedenfalls soweit sie in den Spalten der RI wiedergegeben wurde – auf einige Zuschriften aus Qom. Die beiden ÀyatollÁhs Ñadr ad-DÐn Ñadr und MoÎammad TaqÐ ËwÁnsÁrÐ sandten kurze Glückwunschschreiben, die in einem über162 aus freundlichen Ton gehalten waren und in Auszügen zitiert wurden. Die Stellungnahme beider Gelehrter, so kurz sie jeweils auch sein mochte, ist allerdings insofern aufschlußreich, als sie führende Vertreter der in Qom ansässigen Hochschule Íouze-ye ÝelmÐye waren, jener Einrichtung also, die im März 1922 von ÝAbd al-KarÐm al163 ÍÁÞirÐ gegründet worden war und die Etablierung Qoms als neben NaÊaf bedeutendstes Zentrum schiitischen Gelehrtenlebens im 20. Jahrhundert einläutete. Nach alÍÁÞirÐs Tod (Februar 1937) wurde die Leitung der Íouze für einige Zeit von einem aus 164 drei Gelehrten bestehenden Gremium verwaltet, ehe sich nach der Ankunft ÀyatollÁh BorÙÊerdÐs Ende Dezember 1944 innerhalb nur weniger Jahre sowohl dessen persönlicher Aufstieg zum alleinigen marÊaÝ at-taqlÐd der schiitischen Welt als auch die Festigung der Íouze unter seiner Leitung vollzogen. Die Briefe aus Qom an die ÉT waren in der Tat programmatisch zu verstehen, denn ÀyatollÁh Íosain ÓabÁÔabÁÞÐ BorÙÊerdÐ höchstselbst war seitens der Schia die graue Eminenz der taqrÐb-Bewegung und blieb dies bis zu seinem Tod im März 165 1961. Auch in der westlichen Sekundärliteratur ist der Hinweis auf sein Streben nach einer innerislamischen Annäherung bei der Behandlung dieses großen Gelehrten 166 nahezu allgegenwärtig, ohne daß jedoch näher ins Detail gegangen wird. Daß BorÙÊerdÐ unmittelbar an der Gründung der ÉT beteiligt war, ja daß MoÎammad TaqÐ QommÐ sogar in seinem Auftrag nach Kairo reiste – eine Behauptung, die mitunter bei 161 Vgl. dazu unten, S. 169ff.; zum Autor (1880-1971) s. MošÁr III/Sp. 517f.; ÓAŠ I.3/936f.; RF III/1140; ËiyÁbÁnÐ: ÝOlamÁ-ye moÝÁÒerÐn, 221-23; ÝAlÐ ŠarÐÝatÐ: TašayyoÝ-e ÝalawÐ, 76 ehrte ihn sogar mit dem Ehrentitel MarÊaÝ at-taqlÐd. 162 RI 1/1949/101f.; ein dritter Brief stammte von dem Isfahaner Gelehrten IsmÁÝÐl NaÊafÐ; s. auch RI 2/1950/110f.; zu HwÁnsÁrÐ (1887-1952) s. ÓAŠ I.1/246f.; GD I/321-26; RF II/546; ËiyÁbÁnÐ: ÝOlamÁ-ye m½ÝÁÒerÐn, 211-13 sowie EI2 IV/1028 (A. H. Hairi); zu Ñadr (1882/83-1953) s. ÓAŠ I.3/ 943-49; GD I/326-29; RF II/804f.; Nachrufe in Irf 41/3 (Jan. 1954), 357 und 41/5 (März 1954), 482f. 163 Über ihn s. oben, S. 58 Anm. 100; zusätzlich Halm: Der schiitische Islam, 142-46. 164 Nämlich von den besagten HwÁnsÁrÐ und Ñadr; dritter im Bunde war ÀyatollÁh ÍuÊÊat KÙhkamareÞÐ (1892/93-1951/52; s. GD I/305-21); s. Akhavi: Religion and Politics, 62 sowie aus schiitischer Sicht Bakhshayeshi: Ten Decades, 169-74. 165 Gelegentlich findet sich als Todesdatum auch die falsche Angabe 1962; richtig ist der 30. März 1961; s. die Nachrufe in RI 13/1962/101-06; Irf 48/9 (April 1961), 918f.; Maktab-e EslÁm 3/3 (April 1961), passim und 3/5 (Juni 1961), 62-67; vgl. allg. über ihn (geb. 1875) ferner ÓAŠ I.2/605-09; AŠ VI/92-94; EI2 S/157f. (A.H. Hairi); EIr IV/376-79 (H. Algar); MošÁr II/Sp. 805-07; GD I/344-56; RF I/231f.; ËiyÁbÁnÐ: ÝOlamÁ-ye moÝÁÒerÐn, 248-51; ÑÁliÎ aš-ŠahrastÁnÐ: Qum wa-ÊÁmiÝatuhÁ l-ÝilmÐya ad-dÐnÐya wa-sayyiduhÁ l-marÊaÝ al-akbar al-BurÙÊirdÐ, Irf 56/7 (Dez. 1968), 729-60. 166 Akhavi: Religion and Politics, 98f.; Algar: The Oppositional Role, 243; idem: Religious Forces in 20th Century Iran, 747; Bagley: Religion and State, 38; Fischer: Iran, 178f.; Göbel: Moderne schiitische Politik, 171; Momen: Introduction, 254; S.A.A. Rizvi: Iran. Royalty, Religion and Revolution, Canberra 1980, 236; Art. IÒlÁÎ, ii: Iran, EI2 IV/165b (H. Algar); Wiley: The Islamic Movement of Iraqi ShiÝas, 125.

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einzelnen schiitischen Autoren zu lesen ist – scheint eher unwahrscheinlich. Sogar MaÎmÙd ŠaltÙt bezeichnete den iranischen marÊaÝ at-taqlÐd lediglich als einen jener Gelehrten, die sich der Sache des taqrÐb „angeschlossen“ hätten (inÃammÙ ilÁ t-taq168 rÐb). Die Initiative seines Schülers QommÐ fand jedoch seine Billigung. Mitte 1951, während des ersten Rektorats ÝAbd al-MaÊÐd SalÐms, kam es schließlich zu einer ersten direkten Kontaktaufnahme zwischen BorÙÊerdÐ und dem ŠaiÌ al-Azhar, und zwar in Form eines sich über mehrere Monate hinweg erstreckenden Briefwechsels. Vermittelt hatte diese Korrespondenz wiederum QommÐ, der sich zu dieser Zeit zu einem länge169 ren Besuch in Iran aufhielt. Auch wenn es sich bei den Schreiben im wesentlichen nur um den Austausch von Höflichkeiten handelte – beide versicherten einander ihrer gegenseitigen Hochachtung und betonten die Wichtigkeit von Reformismus und islamischer Einheit –, so festigten sie doch die Einbeziehung der hohen schiitischen Geistlichkeit in die ökumenische Diskussion und wurden deshalb von schiitischer Seite als 170 herausragendes Dokument der Annäherung gewürdigt. Desgleichen, heißt es bei denselben Autoren, sei auch die Edition schiitischer Werke durch ÉT und ägyptisches auqÁf-Ministerium zu einem beträchtlichen Teil dem Wirken BorÙÊerdÐs zu verdanken. Bei einem Iran-Besuch AÎmad Íasan al-BÁqÙrÐs soll er diesem den Gedanken an diese praktische Maßnahme einer Einigung zum ersten Mal nahegebracht haben. al171 BÁqÙrÐ selbst schweigt sich darüber in seinen Memoiren allerdings aus. Zuletzt stand BorÙÊerdÐ auch mit MaÎmÙd ŠaltÙt seit dessen Amtsantritt als Rektor der Azhar in Briefkontakt; nach der Veröffentlichung des taqrÐb-FatwÁs 1959 schickte er sogar eigens eine Abordnung einiger iranischer Gelehrter nach Kairo, die ŠaltÙt seinen Dank 172 und seine Anerkennung für diesen Schritt überbrachten. Um zu illustrieren, wie groß BorÙÊerdÐs Anteilnahme an der islamischen Ökumene bis zuletzt war, wird von schiitischer Seite gerne auf seine Reaktion auf den Abbruch der ägyptisch-iranischen Beziehungen nach der diplomatischen Affäre um die iranische Anerkennung Israels verwiesen. Noch auf dem Sterbebett, so will es die vielzitierte Schilderung, der starke Züge einer Apotheose anhaften, habe BorÙÊerdÐ, immer wieder aus dem Koma erwachend, darauf gedrängt, der zu diesem Zeitpunkt gezwungenermaßen in Iran weilende MoÎammad TaqÐ QommÐ solle schnellstmöglich nach Kairo zurückkehren, um den zwischen beiden Ländern (und beiden Konfessionen) ent167 Vgl. z.B. ŠarÐÝatÐ: TašayyoÝ-e ÝalawÐ, 250; Muhaddith: Conspiracies, 13f. sowie zuletzt den BorÙÊerdÐ gewidmeten Artikel in DÁÞerat ol-maÝÁref-e tašayyoÝ, III/197-99, hier 198. 168 ŠaltÙt in RI 14/1964/199. 169 Die Briefe sind abgedruckt in RI 3/1951/328-30 und 4/1952/218-20; vgl. das Lob al-MadanÐs, der die Vorbildfunktion der Korrespondenz betonte, RI 4/1952/227f. 170 DawwÁnÐ: ZendegÁnÐ-ye (…) BorÙÊerdÐ, 170f.; ÓabÁÔabÁÞÐ: ËÁÔerÁt, 118; vgl. auch die in RI 7/1955/91 zitierten iranischen Beileidsbezeugungen zum Tode SalÐms. 171 DawwÁnÐ: ZendegÁnÐ-ye (…) BorÙÊerdÐ, 171; ÓabÁÔabÁÞÐ: ËÁÔerÁt, 118f.; zu al-BÁqÙrÐs Beziehungen zu BorÙÊerdÐ s. al-BÁqÙrÐ: BaqÁyÁ Æ-ÆikrayÁt, 187; laut ÑÁliÎ aš-ŠahrastÁnÐ soll al-BÁqÙrÐ über BorÙÊerdÐ geäußert haben, dieser sei „die größte Persönlichkeit, die ich in meinem Leben gesehen habe“, Irf 56/7 (Dez. 1968), 729-60, hier 744. 172 DawwÁnÐ, ibid.; NedÁÞÐ az sar-zamÐn-e bait ol-moqaddas, 142-44; KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn, 9; ÓabÁÔabÁÞÐ: ËÁÔerÁt, 121 nennt es das größte Verdienst BorÙÊerdÐs, den Erlaß dieses FatwÁs erreicht zu haben; vgl. auch ÝAbdallÁh al-QommÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 198; SobÎÁnÐ: Vorwort zu aÒ-ÑÁfÐ: LamaÎÁt, 13f.

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standenen Schaden reparieren zu helfen. Er selbst habe zur Beschleunigung der ganzen Angelegenheit noch einen Brief an ŠaltÙt schreiben wollen, um QommÐ die Wieder173 einreise nach Ägypten zu ermöglichen. Wenngleich diese Szene etwas geschönt sein mag – zur Zeit ihrer erstmaligen Veröffentlichung in einer Biographie des kurz zuvor Verstorbenen (1961) sollte sie mit Sicherheit selbst dazu dienen, das gespannte Klima wieder zu verbessern –, so steht BorÙÊerdÐs Unterstützung der ÉT als solche doch außer Frage. Sein Engagement reichte von den genannten sozusagen halboffiziellen Äußerungen über anerkennende Worte in seinem Unterricht an der Íouze bis hin zu einer 174 (allerdings unbestätigten) finanziellen Hilfe. Es fällt auf, daß QommÐ in keinem einzigen Artikel in der RI – auch nicht dort, wo er die Geschichte der taqrÐb-Vereinigung ausdrücklich zum Thema hatte – auf die an sich prestigeträchtige Verbindung zu BorÙÊerdÐ hinwies, sogar dessen bloßen Namen 175 nirgends nannte. Die anderen Autoren befleißigten sich derselben Zurückhaltung, selbst in dem von al-MadanÐ verfaßten Nachruf spielte die ökumenische Gesinnung des iranischen Gelehrten nur eine verhältnismäßig unbedeutende Nebenrolle. Umgekehrt benannte BorÙÊerdÐ seinerseits nicht QommÐ zum Leiter der von ihm 1959 nach Kairo entsandten Delegation, sondern MaÎmÙd ÓÁleqÁnÐ und ËalÐl KamareÞÐ, zwei Teheraner Geistliche, die weit weniger Skrupel als QommÐ hatten, sich auch in der politi176 schen Auseinandersetzung zu Wort zu melden. Als Grund für BorÙÊerdÐs Schritt nur die schahfreundliche und damit aus der Warte BorÙÊerdÐs zu „politische“ Haltung QommÐs zu vermuten, die es dem marÊaÝ at-taqlÐd wiederum unmöglich gemacht 177 habe, sich offen zum ÉT-Generalsekretär zu bekennen, dürfte jedoch kaum ausreichend sein. Um so weniger, als auch BorÙÊerdÐ selbst ungeachtet seiner quietistischen Grundeinstellung aus seiner Billigung der Monarchie als Institution und des Schahs als Person kein Geheimnis machte. Ebensowenig fiel sein Emissär KamareÞÐ in dieser 178 Hinsicht durch ungebührliche oppositionelle Bemerkungen auf. Es scheint daher richtiger, als Erklärung für das Verhalten BorÙÊerdÐs eine Art Doppelstrategie des Ge173 Diese Szene wird ausführlich geschildert bei DawwÁnÐ, 171f.; ferner bei Bakhshayeshi: Ten Decades, 125; ŠÁmel-e šarÎ-e zendegÁnÐ wa ÌadamÁt-e bar Êaste-ye ÀyatollÁh BorÙÊerdÐ (=Maktab-e TašayyoÝ, Jg. 3), Qom 1961, 26f. 174 MoÎammad WÁÝeÛ ZÁdeh in MiškÁt 17/1990/12; WÁÝeÛ ZÁdeh (geb. 1930), der Generalsekretär der Teheraner taqrÐb-Organisation MaÊmaÝ-e taqrÐb, berichtet aus erster Hand: In den fünfziger Jahren war er selbst Student an der Îouze-ye ÝelmÐye, u.a. bei BorÙÊerdÐ; s. MiškÁt 28/1990/8. 175 Eine der wenigen Ausnahmen ist ÝAbd al-ÍalÐm KÁšif al-ÇiÔÁÞ, der in seiner Aufzählung bedeutender Helfer der ÉT auch BorÙÊerdÐ (und neben ihm al-KÁšÁnÐ) erwähnte: RI 4/1952/48. 176 Schulze: Internationalismus, 150; H.E. Shehabi: Iranian Politics and Religious Modernism. The Liberation Movement of Iran under the Shah and Khomeini, London 1990, 162; zu ÓaleqÁnÐ (1910-1979) s. GD IV/510f. und VIII/57-77; Mottahedeh: The Mantle of the Prophet, 323-26 und Richard: Der verborgene Imam, 122-26; zu KamareÞÐ (geb. 1899/1900) s. GD IV/535-40; ÓAŠ I.2/ 704f.; MošÁr III/Sp. 32-35; ein Photo, das KamareÞÐ zusammen mit ŠaltÙt an der Azhar zeigt, ist abgedruckt bei KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn, 190. 177 So die These Akhavis: Religion and Politics, 99: „QummÐ was too ‘political’ and overly identified with the Court.“ 178 KamareÞÐ hatte keinerlei Bedenken, Iran als „unser fruchtbares Königreich“ (mamÁlek-e ÎÁÒelÌÐz-e mÁ) zu bezeichnen und MoÎammad ReªÁ PahlawÐ mit dessen Ehrentitel šÁhanšah zu titulieren; s. PayÁm-e ÏrÁn, 21 und 29; zu BorÙÊerdÐs Verhältnis zum Schah s. Mottahedeh: The Mantle of the Prophet, 230f., 239ff.; ein Photo, auf dem der Schah als Teilnehmer an einer Trauerfeier für BorÙÊerdÐ zu sehen ist, findet sich in Irf 56/7 (Dez. 1968), 750.

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lehrten zu vermuten. Er wußte zweifellos um die Angreifbarkeit der ÉT und den Hauptvorwurf, der ihr gemacht wurde, eine schiitische Propagandaorganisation auf sunnitischem Boden zu sein, und war aus diesem Grund wohl bemüht, seine Unterstützung so diskret wie möglich zu gestalten, um jenen Vorhaltungen nicht neue Nahrung zu verschaffen. In dem für die Öffentlichkeit bestimmten Bild blieb die ÉT vom schiitischen marÊaÝ at-taqlÐd unabhängig. Wenn BorÙÊerdÐ – was selten genug vorkam – selbst die Initiative ergriff und auf dem Gebiet des Pan-Islamismus tätig wurde, geschah das mit Hilfe von Gelehrten, die selbst gleichfalls keine direkte und enge Verbindung zur ÉT hatten. KamareÞÐ und ÓÁleqÁnÐ war auf diese Weise die Aufgabe zugefallen, BorÙÊerdÐs offizielle Sonderbotschafter in Sachen islamischer Einheit zu sein – in dieser Eigenschaft führten sie im Januar 1960 auch die iranische Delegation bei der in179 ternationalen islamischen Konferenz in Jerusalem an –, während gleichzeitig QommÐ weiterhin im Stillen für die Belange der ÉT „vor Ort“ eintreten konnte. Die taqrÐbVereinigung ihrerseits hielt ihren Part bei dieser Art der Zusammenarbeit perfekt ein 180 und beließ es bei nur wenigen Erwähnungen BorÙÊerdÐs an nicht exponierter Stelle. BorÙÊerdÐs Tod 1961 löste nicht nur innerhalb der schiitischen Geistlichkeit eine leb181 hafte Diskussion um seine Nachfolge aus, sondern beraubte die ÉT der letzten ihr noch verbliebenen schiitischen Integrationsfigur von hohem Ansehen. Die gemessen an der Zahl der Veröffentlichungen in der RI größte Resonanz innerhalb der Schia löste die ÉT unter den Reformtheologen aus, die an den irakischen ÝatabÁt lehrten. Besonders NaÊaf rückte immer wieder ins Blickfeld der Vereinigung, 182 und man scheute sich hier nicht, auch einzelne skeptische Stimmen zu zitieren. Im Mittelpunkt der irakischen taqrÐb-Aktivisten der ersten Jahre stand eindeutig MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ, der als korrespondierendes Mitglied der ÉT 183 bis zu seinem Tode eng verbunden war. Ihm wurde die Ehre zuteil, als erster schiitischer Autor überhaupt in der RI publizieren zu dürfen, was er umgehend dazu nutzte, einen jener Punkte klarzustellen, die in den folgenden Jahren zum allgemeinen Credo der ökumenischen Diskussion werden sollten: die scharfe und unnachgiebige Abgrenzung der ImÁmÐya und der (in diesem Artikel MuÎammad al-Íusains noch nicht angesprochenen) ZaidÐya als der „guten“ und rechtmäßigen Schia von den extremschiitischen Gruppierungen der ÈulÁt. Angesichts der von Gerüchten und Verdächtigungen 179 NedÁÞÐ az sar-zamÐn-e bait ol-moqaddas, passim, bes. 39ff.; die anderen iranischen Abgesandten waren MoÒÔafÁ KÁšefÐ ËÙnsÁrÐ, MoÎammad ÝAlÐ ÑadrÁÞÐ AškÙrÐ, ÉalÁl ad-DÐn Ra³ÐfÁnÐ und ÉalÁl MaÊdpÙr (ibid., 107f.); vgl. Schulze: Internationalismus, 149f. 180 RI 8/1956/105-07 (über BorÙÊerdÐs Treffen mit König SaÝÙd aus Anlaß von dessen Besuch in Iran); als unausgesprochene Zustimmung zu BorÙÊerdÐs offener Unterstützung der BahÁÞÐ-Verfolgungen 1955 (s. Mottahedeh: The Mantle of the Prophet, 238f.) kann jener kurze, aber heftige, gegen die BahÁÞÐs gerichtete Artikel in RI 7/1955/89f. gewertet werden, in dem diese buchstäblich exkommuniziert werden; s. außerdem NedÁÞÐ az sar-zamÐn-e bait ol-moqaddas, 143 zum Besuch der „KamareÞÐDelegation“ bei der ÉT. 181 Eine Zusammenfassung dieser Debatte gibt Lambton: Reconsideration, passim. 182 Vgl. die oben, S. 109 erwähnte Diskussion zwischen ÝAbd al-Íusain ar-RaštÐ und der Redaktion der RI; zu NaÊaf vgl. ferner RI 2/1950/329f. (über MurtaÃÁ Àl YÁsÐn) und RI 3/1951/103-05 (Schreiben MuÎammad KÁÛim al-KafÁÞÐs, in dem er ein Portrait des geistigen Lebens von NaÊaf zeichnet). 183 Nachruf in RI 6/1954/333; vgl. auch die Nekrologe in Irf 41/10 (Aug. 1954), 1209-11, 42/1 (Nov. 1954), 113-15 und 42/5-6 (März-April 1955), 694-702.

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durchsetzten antischiitischen Polemiken, die sich entweder auf traditionelle Gegner der Schia wie Ibn ËaldÙn und Ibn ÝAbd Rabbih oder auf neuzeitliche Orientalisten beriefen, halte er – MuÎammad al-Íusain – die Forderung für angebracht, sich den Schriften der imamitischen Schia selbst zuzuwenden, ehe man sie mit den Übertrei184 bern in einen Topf werfe und vorschnelle Urteile über sie abgebe. In einem zweiten Beitrag, der sich wie ein geistiges Vermächtnis für die weitere taqrÐb-Debatte liest, gestand er zwar unumwunden ein, daß die Frage des Imamats nach wie vor einen wichtigen Streitpunkt zwischen Sunna und Schia darstelle, aber wenn es gelinge, den feindseligen Leidenschaften (ÝaÒabÐyÁt) zu entsagen, dann sei auch dieses Problem im Geiste der Brüderlichkeit zu lösen. Bemerkenswert war dabei sein Umgang mit der althergebrachten schiitischen Praxis, die ersten Kalifen zu verfluchen. Abgesehen davon, daß das nur die Meinung einiger weniger Schiiten sei, so MuÎammad al-Íusain, bestehe kein Anlaß, jemanden deshalb aus der islamischen Gemeinschaft zu verstoßen (takfÐr). Es sei noch nicht einmal als eine Sünde zu betrachten, wenn es aufgrund von iÊtihÁd geschehe. Er schloß den Artikel mit dem Hinweis auf seine eigenen Beiträge im Sinne der Annäherung und dem Aufruf an die muslimischen Gelehrten, das Wirken 185 der ÉT zu unterstützen. Wie groß der Respekt war, den dieser schiitische ÝÁlim innerhalb der taqrÐb-Gesellschaft genoß, wird an einer eher beiläufigen Bemerkung deutlich: In einer kurzen Reminiszenz aus Anlaß des 50. Todestags von MuÎammad ÝAbduh zögerte die RI nicht, MuÎammad al-Íusain in eine Reihe mit den Azhar-Rektoren al-MarÁÈÐ, ÝAbd ar-RÁziq und SalÐm zu stellen und ihn als geistigen Schüler 186 ÝAbduhs zu bezeichnen. MuÎammad al-Íusain war nicht der einzige irakische Schiit von Rang, der die ÉT publizistisch begleitete. Weitere prominente Namen waren sein Sohn ÝAbd al-ÍalÐm 187 188 KÁšif al-ÇiÔÁÞ, der Jurist und Parlamentarier TaufÐq al-FukaikÐ, der Historiker 189 190 ÝAbd ar-RazzÁq al-ÍasanÐ, der Gelehrte MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr sowie der schon erwähnte Präsident der irakischen Akademie der Wissenschaften, MuÎammad 191 RiÃÁ aš-ŠabÐbÐ. Die beiden bedeutenden Theologen Hibat ad-DÐn aš-ŠahrastÁnÐ und AbÙ l-QÁsim al-ËÙÞÐ gaben mit je einem Aufsatz gleichfalls ihre Visitenkarte bei der 192 Redaktion der RI ab. 184 RI 1/1949/22-25; wiederabgedruckt bei al-MadanÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 73-76. 185 RI 2/1950/268-73; wiederabgedruckt bei al-ÝAlÁyilÐ: MasÞalat at-taqrÐb, 20-25; vgl. NizÁr az-

Zain in Irf 42/2 (Dez. 1954), 235f. 186 RI 7/1955/325f.; vgl. auch ŠaltÙts lobende Worte in RI 12/1960/400. 187 Geb. 1915; s. MMI II/234; RF III/1044; MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ: AÒl aš-šÐÝa (10. Aufl.), 4 (Brief ÝAbd al-ÍalÐms an MurtaÃÁ ar-RaÃawÐ). 188 Zu ihm (1903-1969) s. az-ZiriklÐ II/92; MMI I/218f.; MDA III/980-82; ÓAŠ I.1/271-73; ËalÐlÐ: HÁkaÆÁ Ýaraftuhum, III/43-70; ÝAbdallÁh al-ÉubÙrÐ: TaufÐq al-FukaikÐ: DirÁsÁt wa-nuÒÙÒ, 1900-1969, Bagdad 1971; dazu Göbel: Moderne schiitische Politik, 12-63; al-FukaikÐ war in der innerislamischen Auseinandersetzung nicht unbekannt: sein Buch über die Zeitehe (al-MutÝa wa-a×aruhÁ fÐ l-iÒlÁÎ aliÊtimÁÝÐ, s. ÅTŠ XIX/64 und Irf 27/6 [Nov. 1937], 577) richtete sich gegen antischiitische Äußerungen MÙsÁ ÉÁrallÁhs und MuÎammad ÕÁbits. 189 Zu ihm s. oben, S. 73 Anm. 70. 190 Vgl. oben, S. 129 Anm. 92; s. auch sein Vorwort zu AbÙ ÝAlam: Ahl al-bait, I/13-31, bes. 20. 191 Zu ihm s. oben, S. 118 Anm. 23. 192 RI 10/1958/186-89 (al-ËÙÞÐ) bzw. 1/1949/250-53 (aš-ŠahrastÁnÐ); al-ËÙÞÐ (1899-1992) war zwar iranischer Herkunft, aber bereits vor dem Ersten Weltkrieg zum Studium nach NaÊaf gekommen,

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Der letzte irakische schiitische Gelehrte, der hier erwähnt werden soll, ist MuÎammad b. MuÎammad MahdÐ al-ËÁliÒÐ, eine nachgerade tragisch zu nennende Gestalt 193 nicht nur der irakischen taqrÐb-Diskussion. Seine Versuche, die Annäherung der Konfessionen durch einen relativ weitgehenden und konsequenten innerschiitischen Modernismus zu fördern und einige auch bei schiitischen Theologen nicht unumstrittene, beim Volk jedoch verbreitete Eigenheiten wie etwa den dritten Teil des schiitischen Gebetsrufs abzuschaffen, schlugen auf der ganzen Linie fehl und trugen ihm seit 194 den späten vierziger Jahren Anfeindungen von allen Seiten ein. Häufiger und heftiger als andere schiitische Theologen seiner Zeit wurde er von sunnitischen Polemikern angegriffen, allen voran von MaÎmÙd al-MallÁÎ, der in fast allen seinen Schriften frü195 her oder später auf al-ËÁliÒÐ zu sprechen kam und dabei mit Häme nicht geizte. Seine schiitischen Glaubensbrüder nahmen ihn gegen die Anfeindungen aber keineswegs in Schutz, sondern verfaßten ihrerseits – angestachelt von al-ËÁliÒÐs modernistischen Ansichten – Polemiken, die sich bereits im Titel an Gehässigkeit durchaus mit al196 MallÁÎs Tönen messen konnten. al-ËÁliÒÐs Wirkungskreis blieb nicht auf den Irak beschränkt, hatte er doch bereits in der ersten Zeile des ersten Bandes seines Hauptwerkes IÎyÁÞ aš-šarÐÝa fÐ maÆhab aš-šÐÝa die islamische Einheit als Ziel seines Wirkens 197 genannt und mehrere eigenständige Werke zum Thema verfaßt. Auch die schiafeindlichen Tendenzen, die nach MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐbs Amtsantritt als Chefredakteur der Azhar-Zeitschrift zu beobachten waren, fanden in al-ËÁliÒÐ ihren permanenten Kritiker, wenngleich er sich auch hier als Einzelkämpfer sah, der in seinem Streit ge198 gen al-ËaÔÐb und seinesgleichen von der übrigen Schia im Stich gelassen wurde. al-ËÁliÒÐs Beziehungen zur ÉT wurden vermutlich zur Zeit seines Kairo-Aufenthalts im Herbst 1954 geknüpft, der bereits oben im Zusammenhang mit den ägyptischen und irakischen Muslimbrüdern erwähnt worden war, und in dessen Verlauf er dem im Sterben liegenden ÝAbd al-MaÊÐd SalÐm einen Besuch am Totenbett abstat199 tete. Aus demselben Jahr stammte auch sein einziger Beitrag für die RI, ein vergleichsweise langer Artikel über die konfessionellen Streitigkeiten im Irak und seine wo er zeit seines Lebens blieb; nach dem Tode MuÎsin al-ÍakÐms 1970 wurde er zu einem der obersten religiösen Führer der Schia über die Grenzen des Irak hinaus; s. Göbel: Moderne schiitische Politik, 70 mit Anm. 18; s. ferner ÓAŠ I.1/71f.; MMI I/64; RF II/532f:; GD II/3-9 und VII/273f.; Nachrufe in The Independent, 10.8.1992 (Ch. Mallat), MiškÁt 35/Sommer 1371hš/210-15 sowie Irf 76/7 (Sept. 1992), 123-26 und 76/8 (Okt. 1992), 63-66; ÝAlÐ al-BahÁdilÐ: WamÃÁt min ÎayÁt al-imÁm al-ËÙÞÐ, Beirut 1413/1992; vgl. RI 10/1958/215 (Rezension seines Korankommentars al-BayÁn fÐ tafsÐr al-qurÞÁn). Zu aš-ŠahrastÁnÐ s. oben, S. 30 Anm. 62. 193 1890-1963; s. az-ZiriklÐ VII/86; MDA IV/258-61; MMI III/235-39; MošÁr V/Sp. 449-53. 194 Vgl. dazu Ende: Erfolg und Scheitern, passim; Haim: ŠÐÝite Clerics and Politics, 168. 195 Charakteristisch dafür ist seine Bemerkung, wenn al-ËÁliÒÐ die Straße überquere, ändere sich sein iÊtihÁd von Bürgersteig zu Bürgersteig; al-MallÁÎ: al-ÀrÁÞ aÒ-ÒarÐÎa, 102. 196 Einige Beispiele nennt Ende: Erfolg und Scheitern, 126. 197 al-ËÁliÒÐ: IÎyÁÞ aš-šarÐÝa, I/8; vgl. idem: al-WaÎda al-islÁmÐya – azhÁr wa-aurÁd, Bagdad 1950/51 (s. Irf 38/4 [März 1951], 458f.) und idem: at-TauÎÐd wa-l-waÎda, Bagdad 1954 (s. Irf 42/5-6 [März-April 1955], 788). 198 So ist jedenfalls sein Tadel an AÎmad ÝÀrif az-Zain wegen dessen Schweigens zu al-ËaÔÐbs Anschuldigungen zu verstehen, den er in seinem Leserbrief in Irf 41/4 (Febr. 1954), 450-52 äußerte; s. auch unten, S. 207f. 199 al-ËÁliÒÐ: at-TauÎÐd wa-l-waÎda, 6.

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sowie seines Vaters Rolle im Kampf gegen den britischen Kolonialismus. Am Ende seines Aufsatzes warnte er vor den – ungenannten, aber unschwer als al-ËaÔÐb und alMallÁÎ zu identifizierenden – Spaltern der umma, denen er mit seinem Eintreten für 201 die Ökumene jedoch das Handwerk legen wolle. Danach scheinen sich die Wege alËÁliÒÐs und der ÉT allerdings wieder getrennt zu haben. In den Spalten der Zeitschrift tauchte er nicht mehr auf, und auch in seinen eigenen, spärlicher werdenden Äußerungen zum Thema begann sich Resignation breitzumachen, nachdem sich die allseitigen 202 Anfechtungen im Schwinden seiner Anhängerschar niederschlugen. In einer religionsphilosophischen Vermächtnisschrift mußte er ernüchtert zur Kenntnis nehmen, wie schwer es ist, eine konfessionelle Einigung der Muslime herbeizuführen. Sein ganzes Leben lang, beklagte er, habe er danach gestrebt, aber die Konflikte seien eher noch mehr und verbissener geworden. Tausende von Reformern seines Schlags seien schon daran gescheitert, der šarÐÝa – und damit der Einheit – wieder zur Durchsetzung zu verhelfen, und so sei auch die vollständige Abschaffung des religiösen Gesetzes nicht 203 mehr ausgeschlossen, so sein fatalistisches Urteil. Als MaÎmÙd ŠaltÙt Anfang der sechziger Jahre seine kurze Einleitung zur Ge204 schichte der Annäherung schrieb, zählte er als herausragende schiitische Unterstützer der ÉT je einen iranischen, einen irakischen sowie einen libanesischen Schiiten auf. Vertreter der zuletzt genannten war kein geringerer als ÝAbd al-Íusain Šaraf ad205 DÐn, der bereits wohlbekannte Autor der MurÁÊaÝÁt. Dessen Verbindungen zur taqrÐb-Vereinigung bestanden in der Tat bereits seit deren Gründerzeiten und rissen bis zu seinem Tod Ende Dezember 1957 nicht ab. Im März 1948, also nur ein gutes Jahr nach der ersten Versammlung der ÉT, veröffentlichte Šaraf ad-DÐn in der libane206 sischen Zeitschrift al-MaÝhad einen Artikel, in dem er die zeitgenössischen pan-islamischen Bestrebungen ausdrücklich würdigte, jedoch gleichzeitig die Befürchtung zum Ausdruck brachte, die Polemiken der Gegner einer konfessionellen Versöhnung könnten auf fruchtbaren Boden fallen, weil sie von der ökumenischen Seite nicht ausreichend beachtet und von den Reformgelehrten nicht entschieden genug zurückgewiesen würden. Als Beispiel für die drohende Gefahr zitierte er einige Passagen aus der ägyptischen Zeitschrift al-FatÎ (herausgegeben von MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb), in 200 Zu MuÎammad MahdÐ al-ËÁliÒÐ (1861-1925) s. az-ZiriklÐ VII/115; MMI III/250; MDA III/ 357f.; RF II/475f.; ËiyÁbÁnÐ: ÝOlamÁ-ye moÝÁÒerÐn, 134-36 sowie Luizard: La formation de l’Irak contemporain, 516 (dort 1855-1926); vgl. Wiley: The Islamic Movement of Iraqi ShiÝas, 19 und Nakash: The ShiÝis of Iraq, 75ff. 201 al-ËÁliÒÐ in RI 6/1954/51-60. Er war übrigens der einzige schiitische Gelehrte, der in der RI mit dem Titel „ÀyatollÁh“ angesprochen wurde; zu einer früheren besorgten Äußerung der RI über das Verhältnis der Konfessionen im Irak s. RI 4/1952/220. 202 Vgl. das von ÝAbd ar-RasÙl al-ËaÔÐb stammende Vorwort zum zweiten Band von al-ËÁliÒÐs IÎyÁÞ aš-šarÐÝa, in dem er das überwiegend negative Echo auf Band 1 referierte; ibid., S. a-T; vgl. Ende: Erfolg und Scheitern, 124f. 203 al-ËÁliÒÐ: WaÒÐyatnÁme, 36-45, bes. 43; wie allein al-ËÁliÒÐ zuletzt in der islamischen Welt dastand, zeigt die Todesmeldung des ÝIrfÁn, die gerade aus einer einzigen Zeile bestand; 51/6 (Dez. 1963), 648. 204 RI 14/1964/194-202. 205 Ibid., 199; die beiden anderen Schiiten waren BorÙÊerdÐ und MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ. 206 Abgedruckt bei ÝAlÐ: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn, 163-68.

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denen verschiedene Aspekte des schiitischen MahdÐglaubens heftig angegriffen und 207 nach Kräften der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Wer zu diesen Vorwürfen schweige, so Šaraf ad-DÐn, mache sich zum Helfershelfer dieser „Trompete des Kolo208 nialismus“. „Das natürliche Ergebnis ist, daß der schweigende Gelehrte am redenden Dummkopf gemessen wird, sowie der Gelehrte durch sein Schweigen seine Zustimmung zur Rede jenes 209 Dummkopfs zu erkennen gibt.“

Sein am Schluß des Beitrags erneut geäußerter Pessimismus, MoÎammad TaqÐ QommÐ und seine ÉT könnten einer von jenen Streitschriften ausgelösten fitna zum Opfer fallen, veranlaßte diesen unverzüglich, nämlich in der im Monat darauf erscheinenden Nummer von al-MaÝhad, beschwichtigend tätig zu werden. Er dankte Šaraf adDÐn, mit dem er offensichtlich vorher keinen Kontakt gehabt hatte, für dessen Unterstützung, merkte jedoch an, daß es sich bei den taqrÐb-Gegnern um eine kleine, isolierte und darum völlig wirkungslose Gruppe handle, deren Postille niemand kenne und lese. Für die ÉT jedenfalls sei von dieser Seite kein Schaden zu befürchten, ihre Bot210 schaft werde von den großen Gelehrten und Reformern gehört. In den drei Artikeln, die ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn in den folgenden Jahren in der RI beisteuerte, war von der Annäherung im engeren Sinne oder einer erneuten Verteidigung der Ökumene gegen (QommÐs Wunschdenken zum Trotz) weiterhin bestehende polemische Kritik nicht die Rede. Auch sein eigener Beitrag zur Geschichte des taqrÐb in Form der MurÁÊaÝÁt war, wie bereits dargelegt, kein Thema für die ÉT – möglicherweise war man sich der problematischen Entstehungsgeschichte der MurÁÊaÝÁt und ihrer zweifelhaften Authentizität bewußt –, ebensowenig die Tatsache, daß Šaraf ad-DÐn selbst gelegentlich zum Ziel spitzer Bemerkungen aus sunnitischer Feder 211 wurde. Statt dessen beschränkte er sich darauf, gewissermaßen theologische Grundlagenforschung zu betreiben, und widmete alle drei Aufsätze Detailproblemen des ritu212 ellen Gebets. Aber er verfolgte den weiteren Fortgang der Debatte aufmerksam und 213 meldete sich vereinzelt auch selbst zu Wort. Anläßlich der kurz vor seinem Tod erfolgten Edition von al-MuÎaqqiq al-ÍillÐs Rechtskompendium al-MuÌtaÒar an-nÁfiÝ durch das ägyptische auqÁf-Ministerium in Zusammenarbeit mit der ÉT erhob er zum letzten Male seine Stimme zugunsten einer innerislamischen Annäherung. In Briefen an al-BÁqÙrÐ und QommÐ dankte er beiden für diesen Schritt und insbesondere für ihre 207 Ibid., 165f.; s. auch unten, S. 196f. 208 Ibid., 165. 209 Ibid., 166. 210 QommÐs Antwort findet sich ibid., 168-71; auch in seinen Beiträgen in der RI gehörte es zum

gängigen Argumentationsmuster QommÐs, die Angriffe seiner Gegner herunterzuspielen und sie sogar in eine Stärkung der ÉT umzudeuten; vgl. RI 6/1954/366f.; 8/1956/41f.; 11/1959/355f. 211 Vgl. z.B. AÎmad MuÎammad ŠÁkir in MA 25/5 (Jan. 1954), 551f., eine Kritik u.a. an Šaraf ad-DÐns Buch über AbÙ Huraira und der darin enthaltenen Zurückweisung der von diesem überlieferten ÍadÐ×e; vgl. Ende: Arabische Nation, 94-96. 212 RI 5/1953/264-74; 7/1955/148-57 und 8/1956/139-42; vgl. seine ähnlich gewichteten Beiträge in Irf 36/6-8 (Juni-Aug. 1949), 564-71, 677-84 und 789-95. 213 So etwa 1951 in seinem Nachwort zu al-MadanÐ / az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, II/114-18.

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Vorworte zum Buch. al-BÁqÙrÐ gegenüber verlieh er gar der schiitischen Erwartung Ausdruck, das auqÁf-Ministerium werde nunmehr die Angliederung (Ãamm) von ImÁ214 mÐya und ZaidÐya an die vier sunnitischen Rechtsschulen vorantreiben. Welch große Reputation ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn innerhalb der ÉT genoß, zeigt ein Schreiben, das MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ im Herbst 1959 an dessen Sohn Ñadr ad-DÐn 215 Šaraf ad-DÐn (der selbst zu den Autoren der RI zählte) schickte. Darin setzte er ihn davon in Kenntnis, daß an der Azhar nunmehr beschlossen worden sei, das Studium des Lebens und der Werke Šaraf ad-DÐns in den Lehrplan der šarÐÝa-Fakultät – deren Dekan al-MadanÐ damals war – aufzunehmen. Innerhalb des Faches Rechtsgeschichte sollte dieser Gelehrte im Rahmen des zur Promotion führenden gehobenen Studien216 gangs behandelt werden. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐns Verhältnis ausgerechnet zum zweiten bedeutenden Vertreter der libanesischen Schia in der ÉT, dem hier schon mehrfach zitierten MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya, allem Anschein 217 nach nicht immer frei von Spannungen war, wenngleich sich beide dies öffentlich 218 nicht anmerken ließen. MuÈnÐya, der nach seinem Theologiestudium in NaÊaf 1936 wieder in seine südlibanesische Heimat zurückgekehrt und später in Beirut als Richter tätig war, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem Autor, dessen Produktivität auch innerhalb der an Veröffentlichung gewiß nicht armen Schia des 20. Jahrhunderts als ungewöhnlich bezeichnet werden darf. Neben zahlreichen selbständigen Büchern hinterließ er eine schier unüberschaubare Zahl von Artikeln, die durch Zeitungen und Zeitschriften in der islamischen Welt verbreitet und häufig in Sammelbänden zusam219 mengefaßt wurden. Dabei hatte er sich bereits früh auch für das Verhältnis zwischen 214 Šaraf ad-DÐns Brief an QommÐ ist im Rahmen des Nachrufs auf ihn auszugsweise abgedruckt in RI 10/1958/109f.; der Brief an al-BÁqÙrÐ findet sich in Irf 45/4 (Jan. 1958), 391 (al-BÁqÙrÐs Antwort ibid., 392); s. auch HÁdÐ FaÃlallÁh: al-ÉÁnib al-iÒlÁÎÐ Ýind as-sayyid ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, in: al-ImÁm as-sayyid ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, 253-80, hier 262. 215 Über ihn (1912-1970) s. az-ZiriklÐ III/202; RF II/738f.; MMI II/140; al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, IV/ 372-75 sowie v.a. Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, II/383-410; Nachruf in Irf 57/9-10 (Jan.-Febr. 1970), 1420; Ñadr ad-DÐn Šaraf ad-DÐn publizierte insgesamt fünf Artikel in der RI, u.a. eine Untersuchung über den Prophetengefährten ÝAmmÁr b. YÁsir; s. RI 6/1954/303-18 (wiederabgedruckt bei alMadanÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 127-43 und aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 118-35). 216 ÝAlÐ: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn, 160f. 217 Zu MuÈnÐya (1904-1979) s. MDA IV/657-59; AŠ IX/205; GD III/272; al-ËÁqÁnÐ: ŠuÝarÁÞ, VII/ 432-36; FaÃlallÁh: MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya, passim (mit ausführlichem kommentiertem Schriftenverzeichnis S. 385-419); Nachruf in Irf 68/1-2 (Jan.-Febr. 1980), 117-20 und 68/3-4 (März-April 1980), 220-32; ferner MuÈnÐyas Autobiographie TaÊÁrib MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya (herausgegeben von seinem Sohn ÝAbd al-Íusain MuÈnÐya); an westlicher Sekundärliteratur vgl. Göbel: Moderne schiitische Politik, 65-139; Richard: L’Islam chi’ite, 158-62 sowie Mallat: Shi’i Thought, 16-25. 218 Vgl. MuÈnÐyas im Ton durchaus freundliche Nachrufe auf Šaraf ad-DÐn in Irf 45/8 (Mai 1958), 738f. und 47/10 (Juni 1960), 938f., bei denen die subtile Kritik zwischen den Zeilen zu suchen ist, vgl. Göbel, 83-86. 219 Manche dieser Sammelbände wurden – und werden noch – ihrerseits wiederum zu mehrbändigen Kompilationen zusammengestellt, so daß schließlich drei oder vier Fundstellen für ein und denselben Artikel keine Seltenheit sind; auf deren Aufzählung wird im folgenden verzichtet, statt dessen sei summarisch verwiesen auf die Bücher MaÝa ÝulamÁÞ an-NaÊaf, aš-ŠÐÝa fÐ l-mÐzÁn (enthält aš-ŠÐÝa wa-t-tašayyuÝ und MaÝa aš-šÐÝa al-imÁmÐya) sowie MaqÁlÁt (bestehend aus Min ÆÁ wa-ÆÁk, Min hunÁ wa-hunÁk, ÑafaÎÁt yÙqat al-farÁÈ und FalsafÁt islÁmÐya); s. zusätzlich die von al-MadanÐ, aš-ŠÐrÁzÐ und al-ÝAlÁyilÐ besorgten Sammlungen von RI-Artikeln.

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SUNNITISCHE UND SCHIITISCHE GELEHRTE IM MIKROKOSMOS DES TAQRÏB

Sunniten und Schiiten sowie für die Möglichkeit und Probleme einer Annäherung der 220 Konfessionen zu interessieren begonnen. Ab dem zweiten Jahrgang der RI (1950) verfaßte er schließlich regelmäßig Artikel für die Zeitschrift der ÉT und wurde im Verlauf der nächsten zwei Jahrzehnte – er hielt der RI bis zur letzten Nummer 1972 die Treue – mit insgesamt 32 Aufsätzen ihr fleißigster Autor überhaupt. Es handelte sich dabei zumeist um kurze, oftmals nicht mehr als drei oder vier Seiten umfassende Essays, die allgemeine Aufrufe zu Toleranz und Einigkeit und Darlegungen des schiitischen Selbstverständnisses enthielten. Die meisten seiner Betrachtungen bezogen 221 sich auf Fragen des religiösen Rechts und seiner Quellen, doch scheute er sich im Unterschied zur überwiegenden Mehrheit der anderen für die RI schreibenden Autoren nicht, auch brisante Punkte, die immer wieder den Anlaß zu wechselseitigen Polemi222 ken geliefert hatten, offen anzusprechen. Zwar konnte er in der von ihm gewählten Kürze diese Probleme natürlich nicht erschöpfend behandeln, doch allein schon die Tatsache ihrer bloßen Erwähnung war, gemessen an den sonstigen Gepflogenheiten der RI, bemerkenswert. MuÈnÐyas Ziel, das gab er unumwunden zu, war apologetischer Natur. Der schiitische Standpunkt, der an keiner Stelle ernstlich in Frage gestellt wurde, sollte den sunnitischen Lesern nahegebracht werden. Allerdings bestand sein Ziel, wie er selbst in einer wichtigen Einschränkung hinzufügte, nicht darin, eine vermeintliche Überlegenheit der Schia und einen damit einhergehenden Irrtum der Sunna zu beweisen, sondern in der Förderung des gegenseitigen Verständnisses und der gerechten Behandlung 223 auch im Falle von Meinungsverschiedenheiten. Daß diese Form der Toleranz möglich war, stand für ihn außer Frage, da sich in seinen Augen Sunniten wie Schiiten gleichermaßen in den Grundlagen der Religion, an die zu glauben jedem Muslim auferlegt sei, einig seien: Einheit Gottes (tauÎÐd), Prophetentum MuÎammads (nubÙwa) und Jenseitsglaube (maÝÁd). Alles, was darüber hinausgehe, sei nicht Teil der Religion, sondern der jeweiligen Rechtsschule, berühre also nicht die Identität eines Muslims, sondern definiere ihn nur als Sunniten oder Schiiten. Die Streitfrage des Imamats klassifizierte MuÈnÐya – wie vor ihm schon al-MarÁÈÐ und az-ZanÊÁnÐ – ausdrücklich als 224 zu diesen ÃarÙrÁt al-maÆhab zugehörig. Die sunnitische polemische Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten und fiel erwartungsgemäß aus: MaÎmÙd al-MallÁÎ nahm in einem Artikel, in dessen Überschrift er eine Kostprobe seiner beachtlichen Fähigkeit zu infamen Wortspielen gab, eben diese Imamats-Auffassung MuÈnÐyas 225 zum Anlaß, ihm taqÐya auf der ganzen Linie zu unterstellen. 220 Vgl. z.B. Irf 28/6 (Nov. 1938), 577-79; vgl. Göbel, 89-91. 221 RI 2/1950/278-89; 3/1951/158-61; 4/1952/28-31, 366-70; 7/1955/403-05; 8/1956/260-63;

9/1957/141-43; 10/1958/362-66. 222 RI 5/1953/164-66 (u.a. über die ÝiÒma); 6/1954/379-81 (ÈulÁt); 11/1959/261-65 (ÝÁšÙrÁÞ); 14/ 1963/39-43 (taqÐya); 14/1964/224-30 (schiitischer ÍadÐ×). 223 RI 5/1953/392-95 (mit dem programmatischen Titel al-ËilÁf lÁ yamnaÝ min al-inÒÁf). 224 RI 2/1950/387-89; ähnlich in RI 8/1956/148-51 sowie etwas allgemeiner ibid., 48-50; s. auch Irf 43/6 (März 1956), 607-09. 225 al-MallÁÎ: al-ÀrÁÞ aÒ-ÒarÐÎa, 62-66, bes. 65f.; das Wortspiel des Titels AÈÁnÐ („Die Gesänge…) MuÈnÐya / muÈannÐya (b) liegen mir keine biographischen Angaben vor, eventuell handelt es sich um ein Pseudonym; seine Mitwirkung an dem Büchlein scheint sich auf die Einleitung (S. 8-13, dort mit der Ortsangabe al-Íilla) beschränkt zu haben. 146 MuÈnÐya in Irf 48/3 (Nov. 1960), 294-96; ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 117-41; BahÐya et al.: Naqd wa-taÝlÐq, 14-55; ÝAbdallÁh al-BirrÐ konzentrierte sich dagegen auf eine Apologetik ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiqs, s. Irf 48/8 (März 1961), 803.

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Attacken gegen Israel, den Zionismus oder ganz allgemein das Judentum zu überbieten und den Nachweis zu erbringen, wie sehr sich die Schia schon seit jeher und zumeist auf sich allein gestellt dem Kampf gegen die Juden verschrieben habe. ÝAbd alKarÐm az-ZanÊÁnÐ, der sich hier zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren wieder in der ökumenischen Diskussion zu Wort meldete, nutzte die Gelegenheit, nicht nur seine eigenen Verdienste in Sachen taqrÐb hervorzukehren und sich auf diese Weise zum geis147 tigen Ahnherrn ŠaltÙts emporzuschwingen, sondern auch, um an seine Palästina-Reise von 1936 und seine dortige Agitation gegen die zionistischen Siedler zu er148 innern. Gelegentlich nahmen die Versuche, sich auf diese Weise zur Wehr zu setzen, nachgerade groteske Züge an, etwa, wenn ein indonesischer Autor al-ÉabhÁn seinerseits als israelischen Spion „entlarvte“ und als Quelle von dessen Pamphlet das Au149 ßenministerium in Tel Aviv ausfindig machte. Allen Gegenschriften gemeinsam war eine scharfe Verurteilung Saudi-Arabiens und seiner ÝulamÁÞ, die – auch das die Umkehrung eines Arguments al-ÉabhÁns – schon immer im Dienste des Kolonialismus 150 gestanden hätten. Der Protest von schiitischer Seite richtete sich anfänglich in demselben Maße auch gegen die kuwaitische Regierung, da sich al-ÉabhÁn am Ende seines Artikels als KuwaitÐ oder doch zumindest in Kuwait lebend zu erkennen gegeben hatte. In mehreren Schreiben forderten az-ZanÊÁnÐ, MuÎsin al-ÍakÐm und ar-RÙÎÁnÐ den kuwaitischen 151 Emir, Scheich ÝAbdallÁh as-SÁlim aÒ-ÑabÁÎ, auf, umgehend entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und al-ÉabhÁn des Landes zu verweisen. Der kuwaitische Herrscher antwortete in der Tat postwendend und ließ die schiitischen ÝulamÁÞ wissen, daß sein Land derartige sektiererische Aktivitäten mißbillige. Deren Urheber sei ausgewiesen 152 worden, als seine Tätigkeit bekannt wurde. Sogar der saudische König SaÝÙd b. ÝAbd al-ÝAzÐz, der gleichfalls Post von schiitischen Geistlichen erhielt, beschied azZanÊÁnÐ auf den ersten Blick durchaus entgegenkommend, der Artikel gebe weder die Ansicht der Regierung noch die der Zeitschrift wieder, der dafür Verantwortliche sei 153 entlassen worden. Vereinzelt wurde sogar gemeldet, das Erscheinen der Zeitschrift 147 ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 118, 140. 148 Ibid., 119-31; ähnlich barsch und gleichfalls unter Berufung auf den Kronzeugen MuÎammad

AmÐn al-ÍusainÐ äußerte sich SalmÁn al-ËÁqÁnÐ in BahÐya et al.: Naqd wa-taÝlÐq, 32-38. 149 ÑÁliÎ al-Mu×annÁ al-ÝAÔÔÁs: al-AÊÐr al-fÁšil ÝÁmil al-istiÝmÁr wa-Ò-ÒiÎyÙnÐya IbrÁhÐm al-ÉabhÁn, Irf 48/9 (April 1961), 912-14. 150 MuÒÔafÁ ÉamÁl ad-DÐn: IÎqÁq al-Îaqq wa-ibÔÁl al-bÁÔil, Irf 48/8 (März 1961), 804-07; vgl. auch Irf 48/3 (Nov. 1960), 299f. und 302; as-SarrÁÊ: al-ImÁm MuÎsin al-ÍakÐm, 322 (Zitat eines Schreibens al-ÍakÐms an libanesische Gelehrte); BahÐya et al.: Naqd wa-taÝlÐq, 15, 37, 42. 151 Über ihn (1888-1965; reg. seit 1950) s. az-ZiriklÐ IV/88; vgl. Art. Àl ÑabÁÎ, EI2 VIII/668f. (E.M. Sirriyeh) sowie A.M. Abu Hakima: The Modern History of Kuwait 1750-1965, London 1983. 152 az-ZanÊÁnÐs Briefwechsel mit Emir ÝAbdallÁh aÒ-ÑabÁÎ ist abgedruckt bei ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 14-19 und in Irf 48/5-6 (Jan.-Febr. 1961), 612f.; zu RÙÎÁnÐ s. BahÐya et al.: Naqd wataÝlÐq, 61f. und 66-68; zu al-ÍakÐm s. Irf, loc. cit., 614f. und as-SarrÁÊ: al-ImÁm MuÎsin al-ÍakÐm, 171f. (wo es in Anm. 158 irrtümlich heißt, die Zeitschrift RÁyat al-IslÁm sei in Kuwait erschienen). 153 ÕÁbit, 21-25; BahÐya, 58-60; Irf 48/9 (April 1961), 880; s. auch Irf 48/3 (Nov. 1960), 299; ÕÁbit, 27f. zitiert sogar einen Artikel, der kurz darauf in RÁyat al-IslÁm erschien, und in dem der Verfasser, ein gewisser ÑÁliÎ b. MuÎammad, das von al-ÉabhÁn gezeichnete Bild des Imams ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq erheblich korrigierte.

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selbst sei eingestellt worden. Ob SaÝÙds sehr kurz gehaltene Antwort jedoch mehr war als eine taktische Abwiegelung, darf bezweifelt werden, betrachtet man die weitere Karriere al-ÉabhÁns als Polemiker gegen die Schia, bei der er auch künftig den diskreten Schutz durch die Saudis genoß. Seine 1965 zum ersten Mal erschienene Streitschrift TabdÐd aÛ-ÛalÁm wa-tanbÐh an-niyÁm ilÁ ÌaÔar at-tašayyuÝ ÝalÁ l-muslimÐn wa155 l-islÁm wurde 1979 in Riad erneut aufgelegt, eine Widerlegungsschrift des kuwaitischen (?) schiitischen Gelehrten Badr ad-DÐn al-KÁÛimÐ in Form eines offenen Briefes 156 ist an eine Postfachadresse in der saudi-arabischen Hauptstadt gerichtet. Eine dritte Polemik aus der Feder al-ÉabhÁns erschien schließlich gut zwei Jahrzehnte nach seinem folgenreichen publizistischen Debut in Kuwait, was darauf hindeutet, daß er auch 157 dort zumindest nicht auf Dauer in Ungnade gefallen war. Die Azhar und im besonderen ihr angefeindeter Rektor ŠaltÙt glänzten im Streit um den ja immerhin an ihn persönlich gerichteten Brief lange Zeit durch Abwesenheit. Eine Stellungnahme, wie sie von den schiitischen ÝulamÁÞ als selbstverständlich erwar158 tet und bisweilen offen angemahnt wurde, und die in diesem Sinne natürlich eine eindeutige Verurteilung al-ÉabhÁns und der Saudis zu sein hatte, blieb aus. Erst als ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ und MuÎammad ÑÁdiq ar-RÙÎÁnÐ öffentlich in milden, aber unmißverständlichen Worten ihrer „Verwunderung“ über ŠaltÙts Schweigen Ausdruck 159 verliehen, erschien in der Dezember-Ausgabe der Azhar-Zeitschrift ein erster, sehr kurzer Hinweis auf den Artikel in RÁyat al-IslÁm. Darin kopierte die Azhar (ŠaltÙt selbst trat nicht in Erscheinung) in bemerkenswertem Maße jene Einsilbigkeit, mit der die schiitische Publizistik zuvor auf die lautstarke ägyptische Verurteilung der Iran-Israel-Affäre reagiert hatte. Es wurde lediglich berichtet, al-ÉabhÁns Worte hätten „unter den schiitischen Gelehrten“ – also nicht unbedingt auch unter ihren sunnitischen Kollegen an der Azhar – einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, doch habe „eine bedeutende saudische Quelle“ ŠaltÙt versichert, daß weder der offene Brief noch die 160 Zeitschrift überhaupt der Regierungsmeinung entsprächen. Wie sich ein paar Mona154 BahÐya, 69f. (unter Berufung auf den saudischen Botschafter in Beirut); ferner MaÊalle-ye RÁyat al-IslÁm tauqÐf šod, Maktab-e EslÁm 2/11 (Nov. 1960), 57f.; lt. Schulze: Internationalismus, 254 beendete RÁyat al-IslÁm jedoch erst 1963 infolge der Pressereform ihr Erscheinen. 155 Vgl. ÓuÝaima: DirÁsÁt fÐ l-firaq, 74 Anm. 1; eine dritte Auflage erschien 1408/1987-88 ebenfalls in der saudischen Hauptstadt; zur Erstausgabe s. ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 145-47. 156 al-KÁÛimÐ: as-Sayyid Badr ad-DÐn al-KÁÛimÐ ilÁ IbrÁhÐm al-ÉabhÁn, 3; eine weitere Antwort stammt von dem irakischen Schiiten AÎmad b. ÝAzÐz al-MÙsawÐ al-FÁlÐ: QÁÔiÝ al-burhÁn fÐ radd ÝalÁ al-ÉabhÁn, Beirut 1388/1968-69; allem Anschein nach verfaßte auch MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐyas jüngerer Bruder AÎmad eine gegen al-ÉabhÁn gerichtete Schrift: sein Werk al-ÉabhÁn salÐl aš-šaiÔÁn wird erwähnt auf der dritten Umschlagseite des Irf 53/6 (Dez. 1965). 157 al-BÁÔinÐyÙn wa-l-ÎarakÁt al-haddÁma fÐ t-tÁrÐÌ al-islÁmÐ, Kuwait 1983. 158 So z.B. vom Präsidenten des obersten schiitischen Gerichtshofes in Beirut, Íusain al-ËaÔÐb, im Namen aller schiitischen ÝulamÁÞ in Beirut, s. Irf 48/3 (Nov. 1960), 299f., 302. 159 az-ZanÊÁnÐs Schreiben an ŠaltÙt vom 25. November 1960 (das dieser offenbar nicht beantwortete) ist abgedruckt in Irf 48/5-6 (Jan.-Febr. 1961), 613f. und ÕÁbit: al-WaÎda al-islÁmÐya, 29f.; RÙÎÁnÐs Tadel findet sich bei BahÐya et al.: Naqd wa-taÝlÐq, 57f.; zu einer ähnlichen Verurteilung des Schweigens eines Azhar-Rektors (al-MarÁÈÐ) zu den Vorwürfen sunnitischer Polemiker (an-NašÁšÐbÐ, ÉÁrallÁh) durch einen schiitischen Gelehrten (MuÈnÐya) aus dem Jahre 1938 s. oben, S. 85. 160 MA 32/7 (Dez. 1960), 786; als eine Art inoffizielle Reaktion könnte der Artikel ÍÁmid MaÎmÙd IsmÁÝÐls, eines Azhar-Gesandten in Sidon, gemeint gewesen sein, der im ÝIrfÁn al-ÉabhÁns Ausfälle verurteilte und ein Bekenntnis zu den ahl al-bait ablegte: TaÝqÐb ÝalÁ ÌiÔÁb al-ÉabhÁn, Irf 48/4

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te vorher die irakischen und iranischen Schiiten mit der offiziellen Erklärung des Schahs zufriedengegeben hatten, begnügte sich jetzt die Azhar mit dem knappen Dementi der Regierung in Riad. In einer zweiten und zugleich letzten Erklärung zu diesem Fall wiederholte die Azhar ihre lakonische Einschätzung des fraglichen Artikels, aber auch diesmal ohne sich zu einer expliziten Verurteilung entschließen zu können. Statt dessen wurde ein Schreiben irakischer ÝulamÁÞ abgedruckt, in dem diese al-Éab161 hÁns Äußerungen verwarfen und ŠaltÙt demonstrativ unterstützten. Aller Beschwichtigung zum Trotz war die inzwischen eingetretene Abkühlung im Verhältnis der Azhar zur Schia nicht mehr zu ignorieren. Vereinzelt begann sich jetzt auch wieder eine inner-azharitische Opposition gegen eine Annäherung mit der Schia zu artikulieren. Wenngleich die größtenteils altbekannten taqrÐb-Gegner sich nicht selbst direkt an die Öffentlichkeit wandten oder wenden konnten, sorgten sie – wie anzunehmen ist, durch gezielte Indiskretion – dafür, daß ihre Meinung auf dem Umweg über langjährige Weggefährten außerhalb Ägyptens bekannt wurde. So berichtete der vorhin genannte saudische Gelehrte MuÎammad NaÒÐf in seinem auf den 2. Januar 1961 datierten Nachwort zu MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐbs neuer Streitschrift al-ËuÔÙÔ alÝarÐÃa (s. unten), die drei Azhar-Gelehrten MuÎammad ÝArafa, ÓÁhÁ MuÎammad SÁkit und ÝAbd al-LaÔÐf as-SubkÐ hätten ŠaltÙt brieflich geraten, sich nicht auf eine weitere Annäherung mit den Schiiten einzulassen. Diese sei schlechterdings unmöglich, nachdem von der Azhar nach Syrien und in den Libanon entsandte Emissäre berichtet hätten, die dortige Schia sei noch ganz ihren alten Vorstellungen verhaftet und weit vom 162 Bekenntnis zum arabischen Nationalismus und zum Islam entfernt. Während die beiden von NaÒÐf zuletzt zitierten ÝulamÁÞ schon in den fünfziger Jahren zu den heftigen Widersachern der ökumenischen Bewegung gezählt hatten und als solche hier be163 reits vorgestellt wurden, taucht der Name MuÎammad ÝArafas an dieser Stelle etwas überraschend auf. Immerhin hatte er zwischen 1955 und 1960 mit insgesamt nicht weniger als 18 Beiträgen zu den produktivsten Mitarbeitern der RI gezählt und in derselben Zeit durch seine Tätigkeit in der von ÝAbd an-NÁÒir und König SaÝÙd gegründeten Islamischen Konferenz maßgeblichen Anteil daran gehabt, das Anliegen der ÉT im Rahmen der ägyptischen Regierungspolitik hoffähig zu machen. In einem Vorwort, das er später für eine Neuauflage von MÙsÁ ÉÁrallÁhs bekannter antischiitischer Polemik al-WašÐÝa fÐ naqà ÝaqÁÞid aš-šÐÝa schrieb, bestätigte ÝArafa seinen Sinneswandel und nannte als Grund dafür den angeblichen schiitischen Usus, 164 alle, die nicht an die Imamatslehre glaubten, zu exkommunizieren. Angesichts des (Dez. 1960), 389-92. 161 MA 32/8 (Jan. 1961), 911f. 162 al-ËaÔÐb: al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 65. 163 Vgl. oben, S. 202f. und 209. 164 ÉÁrallÁh: al-WašÐÝa, 2-18, hier 5; zu ÝArafa s. oben, S. 210 Anm. 113; sein Einschwenken in die Phalanx der Gegner einer Ökumene hat die Bannerträger des taqrÐb-Gedankens im nachrevolutionären Iran allerdings nicht daran gehindert, eine (möglicherweise erweiterte) Artikelserie ÝArafas, die zwischen 1955 und 1957 in der RI erschienen war (u.d.T. Kaifa yastaÝidd al-muslimÙn waÎdatahum wa-tanÁÒurahum?, unvollständig wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 156-95) ins Persische zu übersetzen und als einen herausragenden Beitrag zum Streben nach muslimischer Einheit zu feiern; die persische Ausgabe trägt den Titel WaÎdat wa hamyÁrÐ: MosalmÁnÁn ¦egÙne Ìod-rÁ bÁz miyÁband? (Teheran 1362hš/1983) und wurde von W. Akhtar in der englischsprachigen Ausgabe

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Zeitpunkts dieses seines Schritts – sein letzter Artikel in der Zeitschrift der ÉT war gerade ein halbes Jahr vor dem von NaÒÐf zitierten Brief erschienen – mag man als weiteres Motiv aber auch seine ausgesprochene Feindschaft gegen Israel und die Juden vermuten. Augenscheinlich sah er weder eine Möglichkeit noch eine Veranlassung dazu, mit jenen Theologen ökumenische Kontakte zu pflegen, die die stillschweigende Anerkenung Israels durch den Schah guthießen, wo er – ÝArafa – doch selbst das gemeinsame Vorgehen gegen Israel als einen wesentlichen Aspekt einer innerislamischen Annäherung betont hatte. In diesem Sinne hatte er nie mit polemischer Kritik an den angeblichen, seit der frühislamischen Geschichte sichtbaren Verschwörungen der Juden 165 gegen den Islam gespart. In der Azhar-Zeitschrift wurde auch nach den Vorfällen von 1960/61 keine offene Anfeindung gegen die Schia laut, wobei die Betonung auf dem Wort offen liegt. Aufschlußreich ist indes ein Fall von gleichsam stellvertretender Zurückweisung des schiitischen Geschichtsverständnisses durch die Veröffentlichung eines Aufsatzes des 1914 gestorbenen indischen Gelehrten ŠiblÐ an-NuÝmÁnÐ über die Haltung ÝUmars am Tage der saqÐfa. Darin hatte er die Behauptung aufgestellt, ÝAlÐ sei der Versammlung freiwillig ferngeblieben und habe damit auf eine Kandidatur für die Nachfolge 166 MuÎammads ausdrücklich verzichtet. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß an-NuÝmÁnÐ 1912 mit einer (von MuÎammad RašÐd RiÃÁ tatkräftig unterstützten) Polemik gegen den libanesisch-ägyptischen Publizisten ÉurÊÐ ZaidÁn auf sich aufmerksam gemacht hatte, der seinerseits die Herrschaft der Umayyaden in einem sehr negativen Licht dargestellt hatte. ZaidÁns Hauptvorwurf gegen die frühislamische Dynastie, sich gegenüber den nichtarabischen Untertanen chauvinistisch verhalten zu haben, war von an-NuÝmÁnÐ derart erbost zurückgewiesen worden, daß dar167 über ihre langjährige persönliche Freundschaft zerbrach. Wenngleich das Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten in dieser Kontroverse keine Rolle gespielt hatte, so ist doch anzunehmen, daß der Abdruck dieses schia-kritischen Artikels aus der Feder eines bekannten Apologeten eines umayyadenfreundlichen Geschichtsbildes, noch dazu zu diesem Zeitpunkt, seine Wirkung auf die schiitische Leserschaft der MA kaum verfehlt haben dürfte. Die unablässigen Bemühungen des ÝIrfÁn, den ins Stocken geratenen Dialog zwischen sunnitischen und schiitschen Gelehrten wieder in Gang zu bringen, die in einer Einladung an ŠaltÙt und MuÎsin al-ÍakÐm zu einer gemeinsamen

von al-TawÎÐd 2/1405hq/2/108-16 besprochen. 165 ÝArafa: Kaifa yastaÝidd (…), RI 9/1957/249f.; s. auch seine Interpretation von Koran 3/103 in MA 30/9 (März 1959), 697-700; 30/10 (April 1959), 862-67 und 31/1 (Juli 1959), 26-29, hier v.a. 698ff. und 864f. 166 Mauqif ÝUmar b. al-ËaÔÔÁb yaum as-saqÐfa, MA 33/2 (Juli 1961), 181-85, hier 184; über anNuÝmÁnÐ (1858-1914) s. az-ZiriklÐ III/155; KaÎÎÁla IV/294f.; MDA III/1503f.; EI1 IV/388f. (A. Siddiqi); seit 1903 war er Vorsitzender der bekannten indischen Gelehrtenvereinigung Nadwat al-ÝulamÁÞ; zu dieser Institution vgl. J. Malik: The Making of a Council: The Nadwat al-ÝUlamâ, ZDMG 144/ 1994/60-91. 167 Vgl. zu dieser Kontroverse Ende: Arabische Nation, 40-50; zu ZaidÁn (1861-1914), dem Gründer und langjährigen Herausgeber der Zeitschrift al-HilÁl s. az-ZiriklÐ II/117 sowie v.a. T. Philipp: ÉurÊÐ ZaidÁn. His Life and Thought, Beirut, Wiesbaden 1979.

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Sommerfrische im Libanon gipfelten, waren unter diesen Umständen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Inzwischen hatte sich nämlich auch MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb wieder zu Wort gemeldet, und zwar mit einer Streitschrift mit dem etwas umständlichen Titel „Die Grundzüge der Fundamente, auf denen die Religion der imamitischen Zwölferschia 169 beruht“. Ungeachtet ihres geringen Umfangs von nur 40 Seiten bildete sie eine Art Summa seiner jahrelangen Polemik gegen Schia und ökumenisches Denken. Betreut 170 wurde diese erste arabischsprachige Ausgabe des Pamphlets (Dschidda 1380/1961) von dem wohlbekannten wahhabitischen ÝÁlim MuÎammad NaÒÐf, der selbst Vor- und Nachwort beisteuerte und damit nebenbei ein weiteres Indiz dafür lieferte, daß es mit der offiziell verkündeten Distanzierung von den antischiitischen Umtrieben im Königreich unter der Oberfläche nicht weit her war. Bereits ein Jahr später erschien wiederum in Dschidda eine weitere Auflage, deren Kosten ÝAlÐ b. ÝAbdallÁh Àl ÕÁnÐ übernahm, ein Mitglied der Herrscherfamilie von QaÔar und von 1949 bis 1960 Emir des 171 Landes. Ein späterer Nachdruck des Büchleins erfolgte sogar auf Veranlassung des 172 saudischen MuftÐamtes (DÁr al-iftÁÞ). Insgesamt erlebten die ËuÔÙÔ allein bis 1982 zehn Auflagen, nicht alle davon dürften auf ganz legale Weise zustande gekommen sein. Ohne systematische Kapiteleinteilung und daher in der Argumentation oftmals assoziativ, handelte al-ËaÔÐb all jene Streitpunkte ab, die ihm in besonderem Maße dazu geeignet erschienen, die schon auf der ersten Textseite konstatierte kategorische Unmöglichkeit einer Annäherung zwischen der Schia und den sunnitischen Rechtsschu173 len zu belegen. Nicht umsonst hatte er im Titel das Ergebnis seiner Abhandlung schon vorweggenommen und von der schiitischen „Religion“ gesprochen, die vom sunnitischen „Islam“ grundverschieden sei. Im einzelnen lassen sich folgende Themenbereiche unterscheiden: 1. Der Vorwurf der Koranfälschung (taÎrÐf al-qurÞÁn), der den breitesten zusammenhängenden Raum einnahm (S. 10-15). Unter Heranziehung von Íusain an-NÙrÐ aÔ-ÓabarsÐs Buch FaÒl al-ÌiÔÁb, aber auch von Nöldekes Geschichte des QorÁns, der sich seinerseits wiederum auf ein 174 anonymes Werk indischer Herkunft namens DabestÁn-e ma¿Áheb berief, suchte al-ËaÔÐb den Nachweis zu erbringen, daß Sunniten und Schiiten letztlich an zwei verschiedene Korane glaub168 Irf 48/10 (Juni 1961), 943. 169 al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa li-l-usus allatÐ qÁma ÝalaihÁ dÐn aš-šÐÝa al-imÁmÐya al-i×nÁ ÝašarÐya; eine

türkische Übersetzung u.d.T. ¡iilik dini esaslar¤n¤n görünen çizgileri (o.O., o.J.) wird zitiert von Glünz: Das Manifest der Islamischen Revolution, 247 Anm. 40. 170 Dem Anschein nach war zuvor in Lahore eine Urdu-Ausgabe herausgekommen, s. die Liste der Auflagen bis 1982 in der (von mir benutzten) 10. Aufl. Kairo 1982, 2. 171 Über ihn (1892-1974) s. az-ZiriklÐ IV/309. 172 Riad 1390/1970-71; Anfang der achtziger Jahre erschien eine Neuauflage der oben, S. 200f. bereits erwähnten Streitschrift MuÌtaÒar at-tuÎfa al-i×nÁ ÝašarÐya MaÎmÙd ŠukrÐ al-ÀlÙsÐs in der Edition al-ËaÔÐbs ebenfalls unter der Ägide des MuftÐamtes in Riad (1404/1983-84). 173 al-ËaÔÐb: al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 5. 174 T. Nöldeke / F. Schwally: Geschichte des QorÁns, Leipzig 1909, II/102ff. schrieb das im 17. Jahrhundert entstandene Buch MuÎsin al-FÁnÐ al-KašmÐrÐ zu; dagegen nennt F. MojtabÁÞÐ als Autor MÐr ÅÙ l-FiqÁr ArdastÁnÐ (1617-1670), s. Art. DabastÁn-e maÆÁheb, EIr VI/532-34; ferner ÅTŠ VIII/ 48f.; Falaturi: Die Zwölfer-Schia, 94f. sowie J. Eliash: The „ShÐÝite QurÞÁn“: A Reconsideration of Goldziher’s Interpretation, Arabica 16/1969/15-24, bes. 17ff.

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ten. Proteste schiitischer Gelehrter, die sich von aÔ-ÓabarsÐs Buch distanzierten, stufte er lediglich als Ausdruck von taqÐya ein und verwarf sie dementsprechend (S. 14). 2. Die Verteidigung der Kalifen AbÙ Bakr und ÝUmar gegen die Angriffe der Schiiten, die sich, so al-ËaÔÐb, nicht nur weigerten, deren Herrschaft anzuerkennen, sondern sogar den Tag von ÝUmars Ermordung als Freudentag begingen und seinen Mördern ihre Ehrerbietung darböten (S. 19-21, 39). 3. Der schiitische Glaube an die Sündlosigkeit der Imame und deren Kenntnis des Verborgenen. Für al-ËaÔÐb war dieses Kernstück der Imamatslehre vollkommen inakzeptabel, weil die Imame auf diese Weise über die Propheten gestellt würden (S. 29-32). Die Verehrung, die die Schia den zwölf Imamen zuteil werden läßt, verglich er mit der Stellung der griechischen Götter und nannte sie damit heidnisch und islamfeindlich (S. 42, 43). Nur Verachtung und Abscheu hatte er für den MahdÐ-Gedanken übrig. Dieser gefährliche Aberglaube, der er in seinen Augen war, sei schlimmer als (wiederum) die griechischen Göttersagen und würde im Falle breiterer Zustimmung die gesamte islamische Welt – wie er es formulierte – in ein „Irrenhaus“ verwandeln (S. 37f.). 4. Die taqÐya. Jede Leugnung oder auch nur Relativierung irgendeines dieser Punkte seitens der Schia war (und ist) nach dem Dafürhalten al-ËaÔÐbs völlig zwecklos, da sie ausschließlich aufgrund von Verstellung erfolge und somit hinfällig, ja eine Komödie sei (S. 9f., 31, 36). In dem Bemühen, die Allgegenwärtigkeit schiitischer Heuchelei zu „beweisen“, leitete er den angeblich bei Schiiten besonders beliebten Namen „TaqГ (gemeint war wohl in erster Linie MoÎammad TaqÐ QommÐ) aus dem Wort taqÐya her – verschwieg dabei aber wohlweislich, daß auch der Ur175 ahn der SalafÐya, Ibn TaimÐya, den laqab TaqÐ ad-DÐn trug (S. 14 Anm. 1). 5. Der Kampf gegen die Annäherung im allgemeinen und die ÉT im besonderen. Neben den Streitpunkten traditioneller Herkunft, die schon immer den Kern der antischiitischen Häresiographie ausmachten, führte al-ËaÔÐb eine Reihe von Vorwürfen an, die eine direkte Erwiderung auf die in der ökumenischen Diskussion zu hörenden Standardargumente darstellten: Die in taqrÐbKreisen gepflegte Beschränkung der Debatte auf ImÁmÐya und ZaidÐya unter ausdrücklicher Ausgrenzung der übrigen schiitischen Gruppen der ÈulÁt beantwortete al-ËaÔÐb mit der nicht minder expliziten Einbeziehung der NuÒairÐya (S. 36f.), IsmÁÝÐlÐya (S. 41f.) und der BÁbÐya (S. 44f.); der Behauptung, in den Prinzipien der Religion sei man sich einig, Unterschiede bestünden nur in der Auslegung einzelner Rechtsnormen (furÙÝ ad-dÐn), setzte er sein kategorisches Verdikt entgegen, Schia und Sunna würden durch unüberbrückbare Gegensätze in den uÒÙl ad-dÐn getrennt (S. 34176 36); und der allgegenwärtige Hinweis auf die angebliche Tätigkeit der „Feinde des Islams“ schließlich findet sich unter umgekehrten Vorzeichen auch hier – die Schia selbst habe sich durch ihren beständigen Verrat an der Geschichte als „fünfte Kolonne in der Zitadelle der Muslime“ be177 tätigt (S. 27f.) und damit dem Kommunismus den Boden bereitet (S. 22f., 43f.). Unterschiedslos reihte er dabei die moderne Begrifflichkeit und die traditionelle Vorgehensweise beinahe aller Polemiker aneinander, etwa, wenn er unmittelbar nach der Verwendung des Ausdrucks von der „Fünften Kolonne“ (den er in einer Fußnote sicherheitshalber erklärte) ausgiebig aus dem Buch 175 Auch MaÎmÙd al-MallÁÎ kannte dieses Wortspiel, s. sein TÁrÐÌunÁ l-qaumÐ, 98. 176 Um den Leser nicht im unklaren darüber zu lassen, in welchem Maße die Glaubensvorstellun-

gen von Sunniten und Schiiten differierten, wurde dem Buch eine (vermutlich von MuÎammad NaÒÐf verfaßte) synoptische Auflistung beigegeben, in der alle wesentlichen Punkte abgehandelt wurden; alËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 55-64. In einem weiteren Anhang (50-54) zitierte der Herausgeber eine überaus kritische Rezension des klassischen schiitischen Werkes AwÁÞil al-maqÁlÁt fÐ l-maÆÁhib wa-l-muÌtÁrÁt von aš-ŠaiÌ al-MufÐd (gest. 1022; s. EI2 VII/312f. [W. Madelung]; GAS I/549ff.; P. Sander: Zwischen Charisma und Ratio. Entwicklungen in der frühen imÁmitischen Theologie, Berlin 1994, 82-122; ferner ÅTŠ II/472f.); zum Autor der Rezension aus RAAD 29/1954/129-32, MuÎammad BahÊat al-BÐÔÁr (1894 oder 1896-1976), vgl. KaÎÎÁla M/614f. und MMS 75f. 177 Den Begriff der „Fünften Kolonne“ hatte al-ËaÔÐb schon zuvor in seinem Vorwort zu alÀlÙsÐs MuÌtaÒar at-tuÎfa al-i×nÁ ÝašarÐya verwendet (dort S. w).

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al-KÁfÐ fÐ Ýilm ad-dÐn des schiitischen „Kirchenvaters“ al-KulainÐ (gest. 940/41) zitierte, um die Imamatslehre zurückzuweisen (S. 28f.). Auch wenn al-ËaÔÐb sich gleich im ersten Absatz seines Pamphlets demonstrativ zur Annäherung bekannte, die er als zu den großartigsten Zielen des Islams gehörig bezeichnete (S. 5), so ließ er doch keinen Zweifel daran aufkommen, daß er dieses Unterfangen mit dieser Schia für geradezu absurd hielt. Die taqrÐb-Vereinigung, der eigentliche Adressat seiner Angriffe, war in seinen Augen nicht mehr als ein reines Propagandainstrument, was sich schon allein in der offiziellen Unterstützung durch die iranische Regierung zeige sowie in dem Umstand, daß sie ihren Sitz in Kairo und nicht in Teheran, Qom, NaÊaf oder dem Éabal ÝÀmil habe (S. 6f.). Das von ihren Aktivisten mit Bezug auf die Beurteilung der Kalifen AbÙ Bakr und ÝUmar vorgebrachte Argument, deren Verurteilung durch die Schia gehöre der Vergangenheit an, nannte er kurzerhand „Lug und Trug“ (kaÆb wa-Èašš, S. 26), in Wahrheit, das habe ihn die Lektüre von al-ËÁliÒÐs IÎyÁÞ aš-šarÐÝa gelehrt, sei die gegenwärtige Schia noch schlimmer als die 179 früherer Zeiten (S. 26f.), denn nicht Annäherung, sondern Indoktrination sei ihre Absicht (S. 43).

Wie nicht anders zu erwarten, wurde al-ËaÔÐbs haßerfüllte Schrift sogleich Gegenstand erbitterter Antworten von schiitischen Autoren, die nicht nur die in den ËuÔÙÔ enthaltenen, direkt gegen die schiitische Glaubenslehre gerichteten Angriffe akkurat aufzählten, um sie anschließend Satz für Satz zurückzuweisen, sondern die darüber hinaus auch ein Bekenntnis zum ökumenischen Dialog mitsamt einer Würdigung der ÉT abzulegen nicht vergaßen. MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya machte einmal mehr den 180 Anfang, mehrere selbständige Abhandlungen von zum Teil erheblich größerem Um181 fang als al-ËaÔÐbs Pamphlet folgten. Nahezu alle Autoren, die gegen die ËuÔÙÔ zu Felde zogen, drehten den Spieß ohne zu zögern um und erklärten deren Urheber ihrerseits zum verlängerten Arm der Kolonialisten und Imperialisten. Die universelle Verwendbarkeit dieser Anschuldigung stand für beide Seiten nach wie vor außer Frage, und so mußte sich al-ËaÔÐb den in der Tat vorhersehbaren Vorwurf gefallen lassen, Arbeiten von Orientalisten – die eo ipso gleichfalls Propagandisten des Kolonialismus 182 seien – zustimmend zitiert zu haben. Auch überrascht es kaum, daß al-ËaÔÐbs Wort 183 von der Fünften Kolonne von seinen Kritikern sogleich auf ihn umgemünzt wurde. 178 Über ihn s. EI2 V/362f. (W. Madelung); GAS I/540-42; zum Buch, einer der vier grundlegenden schiitischen ÍadÐ×sammlungen (al-kutub al-arbaÝa), s. ÅTŠ XVII/245f.; ferner Sander: Zwischen Charisma und Ratio, (wie Anm. 176), v.a. 123-64. 179 Einen ähnlichen Ton schlug 20 Jahre später ÝAbdallÁh al-ÇarÐb an: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 131. 180 FaÃÁÞil al-imÁm ÝAlÐ, 181-204 (für die Beschaffung einer Kopie dieser Seiten danke ich Herrn Dr. W.-D. Lemke, Istanbul/Beirut), darin 183f. über die ÉT; in seinen autobiographischen Aufzeichnungen berichtete er später, er habe nach der Veröffentlichung seiner Antwort auf al-ËaÔÐb Drohbriefe erhalten, TaÊÁrib, 11; s. auch Irf 49/5 (Jan. 1962), 512. 181 al-ËÁqÁnÐ: MaÝa al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, passim, über die ÉT und taqrÐb: 5-7, 11f., 15f., 23-25; aÒÑÁfÐ: MaÝa al-ËaÔÐb, passim, bes. 13f., 22-24, 176-81; zu aÒ-ÑÁfÐ (geb. 1919) s. GD II/189, MošÁr, Sp. 137 sowie SobÎÁnÐs Vorwort zu aÒ-ÑÁfÐs Buch LamaÎÁt fÐ l-kitÁb wa-l-ÎadÐ× wa-l-maÆhab, 3-15; eine polemische Entgegnung auf das Buch MaÝa al-ËaÔÐb ist IÎsÁn IlÁhÐ ÚahÐrs aš-ŠÐÝa wa-s-sunna, Lahore 1973; darauf antwortete wiederum aÒ-ÑÁfÐ mit einer zweiten Schrift zum Thema: Ñaut al-Îaqq wadaÝwat aÒ-Òidq; vgl. dazu auch al-ËÁqÁnÐ: aš-ŠÐÝa wa-s-sunna fÐ l-mÐzÁn, 9-18. Das Buch AÃwÁÞ ÝalÁ ÌuÔÙÔ MuÎibb ad-DÐn al-ÝarÐÃa von ÝAbd al-WaÎÐd al-AnÒÁrÐ (Beirut 1963) war mir nicht zugänglich. 182 aÒ-ÑÁfÐ: MaÝa al-ËaÔÐb, 71-74. 183 al-ËÁqÁnÐ: MaÝa al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 10; MuÈnÐya: FaÃÁÞil al-imÁm ÝAlÐ, 182f., 197; vgl. aÒÑÁfÐ: MaÝa al-ËaÔÐb, 7-21; MuÈnÐya: HÁÆÐ hiya al-wahhÁbÐya, 17f. sowie KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn, 43; Kritik an al-ËaÔÐb von sunnitischer Seite übte HuwaidÐ: ÏrÁn min ad-dÁÌil, 324f. MuÈnÐya eröffnete

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Besonderen Unmut löste schließlich der Umstand aus, daß sich diese Schmähschrift auch in den folgenden Jahren des ungebrochenen und freimütig zur Schau gestellten Wohlwollens offizieller und halb-offizieller saudi-arabischer Stellen erfreute. Zeitwei184 se kümmerte sich die Islamische Weltliga in Mekka um ihren Vertrieb, und verschiedentlich wurde von schiitischer Seite darüber Klage geführt, daß die ËuÔÙÔ wäh185 rend der Pilgerfahrt 1389h kostenlos verteilt worden seien, was vermutlich als Hommage an den kurz zuvor verstorbenen al-ËaÔÐb gedacht war. Ein diesbezüglicher Protestbrief, mit dem sich AbÙ MuÎammad al-ËÁqÁnÐ Anfang März 1970 (entspricht ÅÙ 186 l-ÎiÊÊa 1389) an König FaiÒal wandte, blieb unbeantwortet, es sei denn, man betrachtet die kurz darauf (1390/1970-71) erfolgte, bereits erwähnte Neuauflage des Werkes unter der Obhut des MuftÐamtes in Riad als Antwort. Inhaltlich brachten die schiitischen Gegenschriften ebensowenig Neues wie die von ihnen wiederum ausgelösten sunnitischen polemischen Tiraden, deren Zahl gerade seit der Islamischen Revolution von 1979 ein buchstäblich inflationäres Ausmaß angenommen hat. Während sich die Autoren der letzteren, nicht selten unter Berufung auf 187 al-ËaÔÐb selbst, bemühen, dessen gehässigen Ton noch zu übertreffen, laufen erstere zumeist auf nicht minder beharrliche Apologetiken hinaus, in denen bekannte sunnitische Anschuldigungen mit gleichermaßen standardisierten Erwiderungen bedacht werden. Die Hauptbestandteile, die in fast keiner schiitischen Rechtfertigungsschrift fehlen, sind die Verteidigung des MahdÐ-Gedankens, die Relativierung der taqÐya sowie die grundsätzliche Zurückweisung jeglicher taÎrÐf-Verdächtigungen. Vor allem dieses zuletzt genannte Problem rückte mehr und mehr ins Zentrum der Auseinandersetzung. Der sunnitische Vorwurf, die Schia glaube an einen anderen, eben einen gefälschten Koran, war zwar auch zuvor im häresiographischen Schrifttum des 20. Jahrhunderts 188 bereits anzutreffen und wurde von der Schia mit Nachdruck bestritten, wohingegen seine Riposte im übrigen mit der „Enthüllung“, hinter den in letzter Zeit gehäuft auftretenden „hysterischen“ Versuchen, die umma zu spalten, wie sie von al-ÉabhÁn, al-ËaÔÐb und MuÎammad as-SibÁÝÐ al-ÍifnÁwÐ (letzterer ein Epigone al-ËaÔÐbs, s. Ende: Arabische Nation, 104) ausgingen, stecke in Wirklichkeit der amerikanische Präsident Kennedy und die ihn unterstützende jüdische Lobby, deren Ziel es sei, damit die Aufmerksamkeit der Muslime vom Palästinakonflikt abzulenken; FaÃÁÞil, 181f.; vgl. idem: TaÊÁrib, 229; eine ähnliche „Argumentation“ (der iranisch-irakische Krieg nach 1980 habe die koranische Aussage, daß die Juden hinter allen Kriegen steckten, vergessen lassen) verficht alBahnasÁwÐ: al-ÍaqÁÞiq al-ÈÁÞiba, 8. 184 Schulze: Internationalismus, 358. 185 AbÙ MuÎammad al-ËÁqÁnÐ: MaÝa al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 7, 9; SalmÁn al-ËÁqÁnÐ: aš-ŠÐÝa wa-ssunna fÐ l-mÐzÁn, 11; al-AÎsÁÞÐ: aÔ-ÓÁÞifÐya, 65. 186 al-ËÁqÁnÐ: MaÝa al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 8-13; ibid., 14-18: weiteres Protestschreiben an den Kronprinzen (von 1972 bis Juni 1995 Emir) ËalÐfa Àl ÕÁnÐ von QaÔar gegen die publizistische Unterstützung der ËuÔÙÔ durch das Scheichtum. 187 Vgl. al-ÇarÐb: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 143-45; ÚahÐr: aš-ŠÐÝa wa-s-sunna, 66; idem: ar-Radd ÝalÁ d-duktÙr ÝAlÐ ÝAbd al-WÁÎid WÁfÐ, 22. 188 Vgl. an älteren sunnitischen Äußerungen: ÉÁrallÁh: al-WašÐÝa fÐ naqà ÝaqÁÞid aš-šÐÝa, 112f., 151-55; al-QaÒÐmÐ: aÒ-ÑirÁÝ bain al-islÁm wa-l-wa×anÐya, II/861-81; MuÒÔafÁ ÑÁdiq ar-RÁfiÝÐ: TaÎt rÁyat al-qurÞÁn, Kairo 1926; RašÐd RiÃÁ: as-Sunna wa-š-šÐÝa, 43f., 54; schiitische Stellungnahmen: alËunaizÐ: ad-DaÝwa al-islÁmÐya, II/107-71; Šaraf ad-DÐn: AÊwibat masÁÞil ÉÁrallÁh, 28-37; MahdÐ b. MaÎmÙd BorÙÊerdÐ: BorhÁn-e raušan. al-BurhÁn ÝalÁ Ýadam taÎrÐf al-qurÞÁn, Teheran 1954; AmÐnÐ: al-ÇadÐr fÐ l-kitÁb wa-s-sunna wa-l-adab, III/301-04 (zu al-QaÒÐmÐ); zu AbÙ l-QÁsim al-ËÙÞÐs Äußerung s. oben, S. 168f.

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die schiitischen Verteidiger einer taÎrÐf-Theorie wie aÔ-ÓabarsÐ oder sein Schüler ÀÈÁ 189 Bozorg aÔ-ÓehrÁnÐ stets in der Minderheit geblieben waren. al-ËaÔÐb war aber der erste (und bis heute sicher wirkungsmächtigste) Publizist, der dieses Thema ausdrücklich im Zusammenhang mit der innerislamischen ökumenischen Diskussion für seine Ziele entdeckte. In seiner ersten Polemik gegen die ÉT, dem im vorigen Kapitel angesprochenen Aufsatz in seiner Zeitschrift al-FatÎ vom Oktober 1948, tauchte der taÎrÐfVorwurf noch überhaupt nicht auf. Dort stellte er sogar selbst noch die vage Möglichkeit einer Annäherung der Konfessionen in Aussicht, sobald die Schia von ihrer bisherigen Beurteilung der Prophetengefährten und ihrem Glauben an die Sündlosigkeit der 190 Imame ablasse. Unter dem Eindruck der ersten Erfolge der ÉT und der Tatsache, daß deren Bemühungen dank der Vermittlung ÝAbd al-MaÊÐd SalÐms bis in die Azhar hinein Gehör fanden, sah sich al-ËaÔÐb aber augenscheinlich veranlaßt, schwereres Geschütz aufzufahren. Seit seinen Editionen antischiitischer Texte in den frühen fünfziger Jahren wandte er sich verstärkt der taÎrÐf-Problematik zu, um die Unaufhebbarkeit 191 der Spaltung von Sunna und Schia zu demonstrieren. Die Ausführlichkeit, mit der er 192 in seinen ËuÔÙÔ ÝarÐÃa auf den Vorwurf der Koranfälschung einging, war daher erkennbar der Versuch, der zu dieser Zeit ohnedies stark angeschlagenen taqrÐb-Vereinigung einen weiteren Schlag zu versetzen. Die schiitischen Kommentatoren waren sich dieser Gefahr wohl bewußt, weswegen sie gerade diese Anschuldigung gleichermaßen 193 eingehend von sich wiesen. Betrachtet man jedoch die Intensität, mit der in den letz194 ten drei Jahrzehnten um die Authentizität des Korans gestritten wird, so ist festzustellen, daß al-ËaÔÐbs Ansinnen durchaus ein nicht unerheblicher Erfolg beschieden war – zumal die übrigen Streitpunkte darüber keineswegs in Vergessenheit geraten sind.

189 aÔ-ÓehrÁnÐ schrieb eine Verteidigung zugunsten aÔ-ÓabarsÐs (u.d.T. an-Naqd al-laÔÐf fÐ nafy attaÎrÐf Ýan al-qurÞÁn aš-šarÐf), die er jedoch – anscheinend auf Anraten MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs – nicht veröffentlichte; s. ÅTŠ XXIV/278; DÁnešmandÁn-e moÝÁÒer wa Á³Ár-e ÁnhÁ. ŠaiÌ ÀÈÁ Bozorg TehrÁnÐ, RÁhnamÁ-ye ketÁb 4/5-6 (Juni-Juli 1961), 525-29, hier 529. 190 Vgl. oben, S. 196f.; ähnlich in seinem Vorwort zu as-SuwaidÐ: MuÞtamar an-NaÊaf, 50f., 54. 191 Vorworte zu MuÌtaÒar at-tuÎfa al-i×nÁ ÝašarÐya, S. *; zu MuntaqÁ min minhÁÊ al-iÝtidÁl, 7f. 192 Auf S. 12 seiner Schrift druckte er ein Photo der angeblichen schiitischen SÙrat al-WilÁya ab, entnommen, wie die Bildunterschrift besagt, „aus einem iranischen Koran“. 193 MuÈnÐya: FaÃÁÞil al-imÁm ÝAlÐ, 188-94; aÒ-ÑÁfÐ: MaÝa al-ËaÔÐb, 43-70; al-ËÁqÁnÐ: MaÝa alËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 36-51. 194 Vgl. auf sunnitischer Seite FuraiÊ: aš-ŠÐÝa fÐ t-taÒawwur al-islÁmÐ, 13-27, 170, 175; al-ÉabrÐ: ÍiwÁr maÝa aš-šÐÝa, 118-22; al-ÇarÐb: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 114-20; MuÎammad KÁmil al-HÁšimÐ: ÝAqÁÞid aš-šÐÝa fÐ l-mÐzÁn, 43-67, 287-90; MÁlallÁh: aš-ŠÐÝa wa-taÎrÐf al-qurÞÁn, passim; al-MÙsawÐ: ašŠÐÝa wa-t-taÒÎÐÎ, 130-36; al-QafÁrÐ: UÒÙl maÆhab aš-šÐÝa, I/200-303, II/586-613, III/990-1064; asSÁlÙs: Bain aš-šÐÝa wa-s-sunna, 292ff.; at-TurkumÁnÐ: TaÝrÐf bi-maÆhab aš-šÐÝa al-imÁmÐya, 67-93; ÚahÐr: ar-Radd ÝalÁ d-duktÙr ÝAlÐ ÝAbd al-WÁÎid WÁfÐ, 67-102; idem: aš-ŠÐÝa wa-s-sunna, 65-126 (engl. Übersetzung 106-206); idem: aš-ŠÐÝa wa-l-qurÞÁn, passim; für die Schia: RasÙl ÉaÝfarÐyÁn: UkÆÙbat taÎrÐf al-qurÞÁn bain aš-šÐÝa wa-s-sunna, Teheran 1985; NasÐm al-HÁšimÐ: aš-ŠÐÝa wa-t-taÎqÐq, 135-41; ar-RaÃawÐ: ÀrÁÞ ÝulamÁÞ al-muslimÐn, 147-243 (weitgehend identisch mit idem: al-BurhÁn ÝalÁ Ýadam taÎrÐf al-qurÞÁn, 175-261); BahÁÞ ad-DÐn ËorramšÁhÐ: TaÎrÐf-e nÁ-pÁ¿ÐrÐ-ye qorÞÁn-e karÐm, Waqf – mÐrÁ³-e ÊÁwÐdÁn 1/1372hš (1994)/2/18-27; MuÎammad BÁqir AnÒÁrÐ: TaÎrÐf al-QurÞÁn: A Study of Misconceptions Regarding Corruption of the QurÞÁnic Text, al-TawÎÐd 4/1407 (1987)/4/11-23.

10. KAPITEL Die Zeit des Niedergangs (1962–1979) Das Verhältnis zwischen sunnitischen und schiitischen Gelehrten, wie es in den beinahe zwei Jahrzehnten bestand, die bis zur Iranischen Revolution noch vergehen sollten, ist bestenfalls als distanziert höflich zu beschreiben. Zu groß war die Ernüchterung und Enttäuschung, die nach den turbulenten Ereignissen der vergangenen drei Jahre auf beiden Seiten Einzug gehalten hatte. Zu groß waren wohl aber auch die internen Probleme, mit denen die Vertreter beider Konfessionen zumal in den sechziger Jahren konfrontiert wurden. Der Wandel, den das Selbstverständnis der sunnitischen wie schiitischen ÝulamÁÞ dabei durchmachte, ließ nur noch wenig Raum für ökumenische Aktivitäten. Im März 1961 starb hochbetagt ÀyatollÁh BorÙÊerdÐ. Sein Tod löste unter den schiitischen ÝulamÁÞ eine intensive und langanhaltende Diskussion aus, die sowohl die Person und die Befugnisse eines möglichen Nachfolgers als marÊaÝ at-taqlÐd wie auch 1 die Modalitäten der Anerkennung eines solchen neuen „Oberhaupts“ der Schia betraf. Dazu kam ab 1962/63 der Versuch des Schah, durch eine Landreform (die sogenannte „Weiße Revolution“) dem Staat die Kontrolle über die ausgedehnten Stiftungsländereien (auqÁf) zu verschaffen und auf diese Weise die materielle Unabhängigkeit der Geistlichkeit einzuschränken. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Führungskrise nach BorÙÊerdÐs Ableben kam es in dieser Frage zu einer Spaltung innerhalb der iranischen Gelehrtenschaft: Einer Fraktion von regimetreuen Theologen, die für die Annahme der dem Parlament unterbreiteten Gesetzesvorlage waren (und zu denen auch 2 MoÎammad TaqÐ QommÐ zählte), stand eine unversöhnliche Opposition gegenüber, deren wortgewaltiger Führer in der Person ÀyatollÁh ËomeinÐs gleichfalls aus den 3 Reihen der schiitischen ÝulamÁÞ kam. Dabei handelte es sich allerdings um ein vorwiegend innerschiitisches bzw. inneriranisches Phänomen, zu dem die sunnitischen Gelehrten – jedenfalls der Azhar – kaum mehr beitrugen als eine (immerhin im Ton 4 scharfe) Verurteilung des Vorgehens der iranischen Regierung. Eher zweifelhaft erscheint daher, zumindest mit Blick auf die taqrÐb-Debatte, die Behauptung, eine Inter1 Vgl. dazu Lambton: Reconsideration, passim; Akhavi: Religion and Politics, 99ff.; zum Hintergrund der Debatte s. auch A. Amanat: In Between the Madrasa and the Marketplace: The Designation of Clerical Leadership in Modern ShiÝism, in: S.A. Arjomand: Authority and Political Culture in ShiÝism, Albany 1988, 98-132. 2 Akhavi: Religion and Politics, 103. 3 Göbel: Moderne schiitische Politik, 172ff.; Mottahedeh: The Mantle of the Prophet, 244ff. 4 Vgl. oben, S. 242.

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essengemeinschaft zwischen der von ËomeinÐ angeführten schiitischen Opposition gegen den Schah einerseits und ÝAbd an-NÁÒirs arabisch-nationalistischer Gegnerschaft gegen das Teheraner Regime auf der anderen Seite habe gleichsam über Nacht zu einer „‘united front’ between Iranian ShÐÝÐsm (sic!) and Arab SunnÐsm“ geführt und den militanten Teilen der iranischen Geistlichkeit eine vormals kaum je gekannte Respek5 tabilität in sunnitischen Kreisen beschert. Waren von schiitischer Seite in der Folgezeit ökumenische Aktivitäten also nur noch in einem vergleichsweise begrenzten Umfang zu spüren, so traten umgekehrt auch innerhalb der sunnitischen Gelehrtenwelt zu Beginn der sechziger Jahre bedeutende Veränderungen ein. Dreh- und Angelpunkt waren dabei die spannungsreichen Beziehungen zwischen der ägyptischen und der saudi-arabischen Regierung, die auf die ÝulamÁÞ beider Länder abfärbten. Für die innerislamische Ökumene bedeutete das den Sieg derjenigen Tendenz, die sich seit etwa Mitte der fünfziger Jahre immer deutlicher abgezeichnet hatte: Ein staatlich gelenkter Pan-Islamismus, der die „klassische“ taqrÐb-Bewegung der Gelehrten zuerst argwöhnisch betrachtet und später vereinnahmt hatte, verdrängte sie nun beinahe völlig. Von den ökumenischen Argumentationsmustern, derer sich die Politik in den zurückliegenden Jahren ohne große Bedenken bedient hatte, blieb nichts mehr übrig. Statt dessen trat eine von Hegemoniestreben gekennzeichnete Außenpolitik in den Vordergrund, innerhalb derer die islamische Einheit nur noch in allgemeiner Form beschworen wurde. Internationalismus anstelle von taqrÐb lautete in den sechziger Jahren die in Kairo und Riad (bzw. Mekka) ausgegebene Parole, wobei beide Sphären nicht mehr viel miteinander zu tun hatten. ∗∗∗ Ausgangspunkt der innersunnitischen Rivalität war das berühmt gewordene Gesetz zur Reform der Azhar vom Juni 1961, das seinerseits den Höhepunkt der Bemühungen der ägyptischen Regierung darstellte, die muslimischen Gelehrten in den Staat zu inte6 grieren. Das Streben ÝAbd an-NÁÒirs nach einer politischen Vormachtstellung im Nahen Osten, wie es 1958 in der Vereinigung mit Syrien zur VAR Gestalt angenommen hatte, sollte auf die Welt der Theologie ausgedehnt werden. Gleichzeitig bot sich damit aber auch für die Gelehrten selbst die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit den Regierenden den in den vergangenen Jahren ohnedies schwächer gewordenen Einfluß der neo-salafitischen Gruppen – vor allem der Muslimbrüder – vollends zurückzudrängen. Beide Tendenzen mußten beinahe notwendigerweise das Mißtrauen, später den 5 So Enayat: Modern Islamic Political Thought, 50; auch angesichts der hier noch zu besprechenden weiteren Entwicklung dürfte diese Interpretation eher fragwürdig sein. Möglicherweise kommt hier verstärkt der Einfluß MortaªÁ MoÔahharÐs zum Ausdruck, dem Enayat an anderer Stelle (S. xi) das Verdienst zuschreibt, ihn zu seinem Buch angeregt zu haben; MoÔahharÐ, der sich positiv über ŠaltÙts FatwÁ geäußert hatte (s. Maktab-e tašayyoÝ 3/1380hq: ŠÁmel-e šarÎ-e zendegÁnÐ-ye … BorÙÊerdÐ, 313), galt Anfang der sechziger Jahre als Führer der „Sozialreformer“ unter den iranischen ÝulamÁÞ; nach seiner Ermordung im Mai 1979 wurde er zu einer der ersten großen Märtyrergestalten der Islamischen Revolution in Iran; über ihn s. GD VIII/98-105 sowie J.G.T. ter Haar: MurtazÁ MutahharÐ (1919-1979): An Introduction to his Life and Thought, Persica 14/1990-92/1-20. 6 Das Gesetz 103/1961 und seine einzelnen Bestimmungen werden ausführlich behandelt von Lemke: ŠaltÙt, 166-232.

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offenen Widerspruch Saudi-Arabiens erregen, das seinerseits um seinen Einfluß in der arabisch-islamischen Staaten- und Gelehrtenwelt fürchtete. Bereits 1957/58 war die politische Allianz beider Staaten zerbrochen, und als etwa um diese Zeit der Druck auf die neo-salafitischen Gruppen auch in Syrien zunahm (wo sie seit ihrer Verfolgung in Ägypten nach 1954 Zuflucht gefunden hatten), hatte sich Saudi-Arabien für die in die Emigration getriebenen Gelehrten und Intellektuellen als Auffangbecken angeboten. Die Spannungen wuchsen weiter, als ÝAbd an-NÁÒir sich ein Jahr nach der Azhar-Reform anschickte, die nun durchgesetzte Staatsideologie im Rahmen der Nationalcharta (al-mÐ×Áq al-waÔanÐ) zu kodifizieren. Die ÝulamÁÞ der Azhar folgten ihm auch in diesem Punkt bedingungslos und waren sogar bereit, den vom Regime propagierten „islamischen Sozialismus“ mitzutragen und unter Berufung auf die islamische Geschichte 7 zu rechtfertigen. In der vordersten Front des Propagandakriegs standen hohe Funktionsträger der Azhar wie MuÎammad al-Bahayy, AÎmad Íasan az-ZayyÁt sowie der ŠaiÌ al-Azhar MaÎmÙd ŠaltÙt selbst, der die sozialistische Revolution in Ägypten als 8 eine Fortsetzung der Mission des Islams pries. Diese – hier nur sehr verkürzt wiedergegebene – Konstellation war es, die schließlich zu Beginn der sechziger Jahre zur Entstehung eines regelrechten Gegenzentrums 9 zur Azhar auf der Arabischen Halbinsel führte. Den Anfang machte im Sommer 1961 die Gründung der Islamischen Universität in Medina, an der die eingewanderten neosalafitischen Aktivisten maßgeblichen Anteil hatten. Im Jahr darauf, anläßlich der Pilgersaison 1381 (Mai 1962), eskalierte die Situation, als die saudischen Behörden die Annahme des schwarzen Umhangs der KaÝba (die sog. kiswa), der traditionell in Ägypten hergestellt und feierlich nach Mekka transportiert worden war, verweigerten. Offiziell verwies man auf die angeblich mangelhafte Qualität der letztjährigen kiswa, inoffiziell gab man den Absendern zu verstehen, sie seien Apostaten und kämen des10 halb für die Herstellung eines derart wichtigen Stoffes nicht mehr in Frage. Darüber hinaus wurde für die Zeit vom 18. bis 20. Mai 1962 eine Islamische Konferenz in Mekka einberufen, an deren erstem Tag die Gründung der Islamischen Weltliga (RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ) verkündet wurde. In Anbetracht der Gefahren, denen man die islamische Welt ausgesetzt sah (und als deren Urheber man natürlich Ägypten ausgemacht hatte), sollte „die Kooperation zwischen den islamischen Staaten auf den ver7 Ibid., 169; eine italienische Übersetzung der Nationalcharta findet sich in OM 42/1962/464-68; die einflußreichste Schrift zu diesem Thema stammte ausgerechnet aus der Feder des neo-salafitischen syrischen Gelehrten MuÒÔafÁ as-SibÁÝÐ: IštirÁkÐyat al-islÁm, Damaskus 1959, Kairo 1960; zu as-SibÁÝÐ s. oben, S. 186 Anm. 127; vgl. allg. D. Crecelius: Die Religion im Dienste des islamischen Staatssozialismus in Ägypten, Bustan 8/1967/3/13-20; H. Enayat: Islam and Socialism in Egypt, MES 4/1968/141-72; Haddad: Contemporary Islam and the Challenge of History, 24-32; Rejwan: Nasserist Ideology, 29-49. 8 Vatikiotis: Islam and the Foreign Policy of Egypt, 141; eine nicht unwichtige Rolle in der islamischen Begründung des Sozialismus spielte die Figur des Prophetengefährten AbÙ Åarr al-ÇifÁrÐ; s. dazu Ende: Arabische Nation, 210-21; U. Haarmann: AbÙ Dharr – MuÎammad’s Revolutionary Companion, MW 68/1978/285-89. 9 Vgl. dazu ausführlich Schulze: Internationalismus, 141-52. 10 Ibid., 175f.; zur kiswa im allg. s. EI2 VI/166 (s.v. Art. Makka; R.B. Winder); R. Stratkötter: Von Kairo nach Mekka. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Pilgerfahrt nach den Berichten des IbrÁhÐm RifÝat BÁšÁ: MirÞÁt al-Íaramain, Berlin 1991, 52-56.

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schiedenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gebieten“ auf eine neue 11 Grundlage gestellt werden, diesmal unter der Führung Saudi-Arabiens. Für die schiitischen Gelehrten waren diese Ereignisse nur von höchst nebensächlicher Bedeutung. Zwar war bei der Ausrufung der Weltliga mit ÝAbd ar-RaÎmÁn b. YaÎyÁ al-IryÁnÐ ein zaiditischer qÁÃÐ aus dem Jemen anwesend, jedoch kein Repräsen12 tant der zwölferschiitischen Geistlichkeit aus Iran, dem Irak oder dem Libanon. Noch nicht einmal zu einem lockeren Gedankenaustausch mit Schiiten kam es, ungeachtet der Tatsache, daß zumindest ein iranischer Regierungsvertreter bei jener Gründungs13 konferenz in Mekka zugegen gewesen war. Von Anbeginn an war die Weltliga eine dezidiert sunnitische Organisation, die in hohem Maße von Gelehrten und Intellektuellen aus wahhabitischen, salafitischen und neo-salafitischen Kreisen getragen wurde. Von dem Anliegen der taqrÐb-orientierten Gelehrten, das ökumenische Gespräch zwischen Sunna und Schia voranzutreiben, war hier nicht mehr viel zu spüren. Die in Mekka vertretene Definition von Annäherung und Einheit beschränkte sich ausschließlich auf die sunnitischen Muslime, während die Schia wenngleich nicht offen angegriffen, so doch durch eine demonstrative Politik des Verschweigens übergangen 14 und im großen und ganzen tabuisiert wurde. Charakteristisch für diese Haltung ist ein Vortrag, den MuÎammad al-FÁÃil b. ÝÀšÙr im Februar 1966 in Tunis hielt. Ibn ÝÀšÙr, MuftÐ von Tunesien und seit 1964 Mitglied der Konstituierenden Versammlung der Islamischen Weltliga, überschrieb seine Ausführungen mit „Die islamische Einheit, oder: die Frage der Annäherung zwischen den Muslimen“, die Schia im besonderen kam darin jedoch ebensowenig vor wie die taqrÐb-Bewegung im allgemeinen. Statt dessen stellte er die Weltliga als den einzigen passenden Ort dar, an dem über eine Ei15 nigung der Muslime nachgedacht werden könne. An dieser Politik der Nichtbeachtung änderte auch König FaiÒals Aufruf zu Einheit und „islamischer Solidarität“ (attaÃÁmun al-islÁmÐ) nichts, den er seit Mitte der sechziger Jahre zu einem Pfeiler seiner Außenpolitik machte. Obgleich er im Zuge dessen zweimal nach Teheran reiste und zur Untermauerung seiner Argumentation sogar das Wort vom „Aufruf zur Annähe16 rung“ (daÝwat at-taqÁrub) in den Mund nahm, blieben auch bei ihm die Anstrengungen auf eine politisch motivierte Blockbildung gegen die allgegenwärtigen Feinde Ko11 Vgl. ausführlich Schulze, 181-212 (Zitat 190); ferner Art. Muslim World League, OE III/20810 (R. Schulze); zur Geschichte des Begriffs rÁbiÔa s. Art. al-RÁbiÔa al-islÁmiyya, EI2 VIII/359-61 (R. Schulze). 12 Schulze: Internationalismus, 184ff.; idem: Geschichte, 219; al-IryÁnÐ war später zeitweise Regierungschef des Nordjemen, s. Kerr: The Arab Cold War, 107-14. 13 Schulze: Internationalismus, 188; der Anteil Irans an der Idee der Weltliga und ihrer Verwirklichung wird reichlich geschönt dargestellt von Badeeb: Saudi-Iranian Relations, 89. 14 Zum Verhältnis der Weltliga zur Schia vgl. Schulze: Internationalismus, 356-62 (größtenteils über die Zeit nach 1979); s. auch OM 42/1962/401b. 15 Ibn ÝÀšÙr: al-WaÎda al-islÁmÐya, passim, bes. 28-30; zu Ibn ÝÀšÙr (1909-1970) s. az-ZiriklÐ VI/ 325f.; KaÎÎÁla M/720; al-MuÌtÁr b. AÎmad ÝAmmÁr: aš-ŠaiÌ MuÎammad al-FÁÃil b. ÝÀšÙr – ÎayÁtuhu wa-a×aruhu al-fikrÐ, Tunis 1985; Nachrufe in MA 42/5 (Sept. 1970), 401-06, RAAD 46/1971/450f. und Islamic Studies 9/1970/2/191. 16 ZuhdÐ al-FÁtiÎ: al-FaiÒalÐya. ManhaÊ ÎaÃÁra wa-madrasat binÁÞ. ÍiwÁr maÝa FaiÒal b. ÝAbd al-ÝAzÐz, Beirut 1972, 69; zu seinen Reisen vgl. ÑalÁÎ ad-DÐn al-MunaÊÊid: AÎÁdÐ× Ýan FaiÒal wa-ttaÃÁmun al-islÁmÐ, Beirut 1974, 51-61.

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lonialismus, Zionismus und Kommunismus begrenzt, ohne daß es zu einem Dialog mit 17 der schiitischen Geistlichkeit gekommen wäre. Das Echo, das der saudi-arabischen Haltung von seiten der Schia zuteil wurde, war dementsprechend spärlich. Immerhin machte es sich der ÝIrfÁn eine Zeitlang zur Angewohnheit, in einer gesonderten Kolumne über kulturpolitische Aktivitäten in Saudi-Arabien zu berichten. So hieß es in einer dieser Meldungen beispielsweise, daß MuÎammad NaÒÐf, der Mann hinter al-ËaÔÐbs Polemiken gegen die Schia (was an dieser Stelle allerdings unterschlagen wurde), seine reichhaltige Bibliothek der Stadt Dschid18 da vermacht habe. Die schiitischen Theologen erweckten aber nicht den Anschein, in der Außenpolitik des Königreichs und in der Tätigkeit der Islamischen Weltliga einen Ansatz für eine Weiterführung der ökumenischen Bestrebungen früherer Jahre sehen zu wollen – mit einer Ausnahme. ËalÐl KamareÞÐ, der schon in der Vergangenheit als offizieller Emissär BorÙÊerdÐs in Sachen taqrÐb aufgetreten war, verfaßte 1965/66 eine Schrift zu Ehren des saudischen Monarchen, nachdem er kurz zuvor bereits an der 19 zweiten von der Weltliga organisierten islamischen Konferenz teilgenommen hatte. Den Anstoß zu seinem Buch, das er – mit einem Bild FaiÒals versehen – dem ÌÁdim 20 al-Îaramain aš-šarÐfain (…) al-muÝaÛÛam widmete, lieferte wohl dessen Staatsbesuch in Iran im Dezember 1965, wobei die nicht gerade oppositionell zu nennende Haltung KamareÞÐs dem Schah gegenüber erheblichen Anteil an seiner Begeisterung 21 gehabt haben dürfte. Neben Verweisen auf eigene Anstrengungen, eine Einigung von Sunniten und Schiiten herbeizuführen, die auch die saudische Regierung einbeziehen sollte, erinnerte er an MaÎmÙd ŠaltÙts FatwÁ und lobte MuÎammad AmÐn al-ÍusainÐ 22 für dessen schiafreundliche Äußerungen. In besonderem Maße lag ihm die Überwindung der gerade in den Polemiken zwischen Wahhabiten und Schia weitverbreiteten Bezeichnungen rawÁfià bzw. nawÁÒib am Herzen, andererseits aber ebensosehr die Verteidigung des schiitischen Gräberkults gegen den altbekannten Vorwurf der wah23 habitischen Gelehrten, die hierin eine hartnäckige Form des Unglaubens sehen. Den Abschluß seines Büchleins bildete der Abdruck eines Briefes, den er am 21. Dezember 1964 an FaiÒal geschickt hatte. Darin gratulierte er ihm zur Thronbesteigung und erinnerte ihn an den Auftrag der Islamischen Weltliga, nämlich durch die Einberufung von 17 Zu FaiÒals (reg. 1964-75) taÃÁmun-Politik vgl. Nagel: König FaiÒal von Saudi-Arabien, passim; Landau: Politics, 260-67; MuÎammad Íasan ÝAwwÁd: at-TaÃÁmun al-islÁmÐ al-kabÐr fÐ ÛilÁl daÝwat al-qÁÞid az-zaÝÐm FaiÒal b. ÝAbd al-ÝAzÐz, Kairo 1976; N.O. Madani: The Islamic Content of the Foreign Policy of Saudi Arabia. King Faisal’s Call for Solidarity, 1965-1975, Ph.D. Diss. Washington 1979. 18 Irf 58/5 (Sept. 1970), 629-31, hier 630; weitere Folgen finden sich in 58/6 (Okt. 1970), 759-61; 58/7 (Nov. 1970), 871-74; 59/1 (Mai 1971), 152-54; 59/4 (Aug. 1971), 526-28 sowie 58/7-10 (Dez. 1971), 1028f; nach FaiÒals Ermordung am 25. März 1975 widmete ihm NizÁr az-Zain einen ebenso langen wie freundlichen Nachruf; s. Irf 63/4 (April 1975), 507-28. 19 Schulze: Internationalismus, 219 (wo er irrtümlich als „Führer der sunnitischen Gemeinde in Teheran“ bezeichnet wird). 20 KamareÞÐ: ManÁzil al-waÎy, nach Titelblatt; zum Ehrentitel ÌÁdim al-Îaramain s. EI2 IV/899f. (B. Lewis); seit 1986 ist dies auch die offizielle Anrede des saudischen Monarchen. 21 KamareÞÐ, 5f.; 63 (Verweis auf ein Treffen mit einer saudi-arabischen Ministerdelegation unter dem Vorsitz von Íasan b. ÝAbdallÁh Àl aš-ŠaiÌ). 22 Ibid., 55, 61ff. 23 Ibid., 58f.

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Konferenzen, die Gründung von islamischen Akademien sowie generell die Bereitstellung von Medien zum besseren Kennenlernen der Muslime untereinander beizutragen. Daß er in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Aufnahme des schiitischen Rechts in den Lehrplan der Islamischen Universität von Medina forderte und den dortigen ÝulamÁÞ nahelegte, es ŠaltÙt gleichzutun und die Schia per FatwÁ anzuerkennen, war – gemessen an der Fruchtlosigkeit der Lehrstuhldiskussion an der Azhar und den politi24 schen Hintergründen von ŠaltÙts Gutachten – ein geradezu verwegener Vorschlag. Weder FaiÒal noch die Gelehrten der Weltliga reagierten darauf. KamareÞÐ blieb mit seiner Zustimmung zur saudischen taÃÁmun-Politik innerhalb 25 der schiitischen Geistlichkeit beinahe vollständig isoliert. Die Mehrheit der Schia sah sich in ihrer Reserviertheit nicht zuletzt dadurch bestätigt, daß FaiÒals Aufruf kein weiteres Entgegenkommen der Weltliga folgte, im Gegenteil: Die kostenlose Verteilung einer antischiitischen Hetzschrift wie al-ËaÔÐbs al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa just zur Zeit der Pilgerfahrt 1970 mußte von schiitischen Autoren als um so größerer Affront aufgefaßt werden, als von saudischer Seite immer wieder auf die Bedeutung des ÎaÊÊ für die Einigung aller Muslime hingewiesen wurde. In dem bereits erwähnten Protestbrief AbÙ MuÎammad al-ËÁqÁnÐs an König FaiÒal mußte sich der Adressat denn auch prompt die Frage gefallen lassen, ob er mittlerweile seine Meinung zum Thema islamische Einheit geändert habe oder ob es sich bei denen, die für diese Aktion verantwortlich waren, 26 um eine Fünfte Kolonne handle, die die Worte des Königs hintertrieben. Bei den wenigen Gelegenheiten, da einzelne Mitglieder der Weltliga die allgemeine Ignorierung der Schia durchbrachen, war darum nicht selten ein erneutes Aufflackern der beiderseitigen Polemik die Folge. So geschehen etwa im Falle des indischen SalafÐya-Gelehrten AbÙ l-Íasan ÝAlÐ an-NadwÐ. Als Leiter einer Delegation der Weltliga (zu deren Gründungsmitgliedern er gehört hatte) hielt er sich um 1973 in Iran auf und verfaßte danach ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Höre, Iran“ (ismaÝÐ yÁ ÏrÁn). Darin griff er insbesondere die schiitische Beurteilung der ÒaÎÁba an und verurteilte die im Lande allgegenwärtigen bildlichen Darstellungen der schiitischen Imame. Die Entgegnung der Angegriffenen ließ nicht lange auf sich warten. LuÔfallÁh aÒ-ÑÁfÐ, der bereits unter den Kritikern MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐbs zu finden gewesen war, wies die Anschuldigungen in einem Pamphlet unter der Überschrift „Iran hört zu und antwortet“ umfassend zurück und wandte sich seinerseits mit dem Vorwurf an die Islamische Weltliga, die saudische Regierung und damit den Kolonialismus zu unterstützen. Die Delegation habe viel zu enge Kontakte mit der iranischen Regierung gepflegt, dagegen nicht die bedeutenden Hochschulen in Qom besucht und dadurch ein vollkommen falsches Bild 27 von der Schia erhalten. Bezeichnenderweise nannte er an-NadwÐs Schrift in einem 24 Ibid., 101-13, bes. 110. 25 Nagel: König FaiÒal von Saudi-Arabien, 67f. zitiert den irakischen ÝÁlim ÝAlÐ KÁšif al-ÇiÔÁÞ

ebenfalls mit lobenden Worten für FaiÒals Außenpolitik; zu ihm s. unten, Anm. 35. 26 al-ËÁqÁnÐ: MaÝa al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, 10. 27 aÒ-ÑÁfÐ: ÏrÁn tasmaÝ fa-tuÊÐb, in: idem: LamaÎÁt, 155-206, bes. 167-70 und 180-82; vgl. dazu auch Ende: Religion, Literatur und Politik in Saudi-Arabien (IV), 525f.; zu an-NadwÐ (geb. 1913) s. ibid., 524-29; Schulze: Internationalismus, Index, s.v., bes. 199f.; die Schrift IsmaÝÐ yÁ ÏrÁn war mir nicht zugänglich. In den achtziger Jahren trat an-NadwÐ erneut mit einem antischiitischen Pamphlet an die Öffentlichkeit: ÑÙratÁn mutaÃÁdditÁn, passim; s. dazu seine Autobiographie FÐ masÐrat al-ÎayÁt,

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Atemzug mit al-ËaÔÐbs berüchtigten al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa, vergaß aber dessenungeachtet nicht, auf die eigene Bereitschaft zu einer Annäherung mit den Sunniten hinzuweisen. 28 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß hier die Argumente, deren sich schiitische Verteidiger des taqrÐb oft genug mit Bezug auf die ÉT zu erwehren hatten – nämlich ein Propagandainstrument für die Schia zu sein und die Verständigungsbereitschaft der anderen Seite auszunutzen –, einmal in der direkten Gegenrichtung ange29 wandt wurden. Ungleich komplexer, wenn auch nicht unbedingt sehr viel fruchtbarer gestaltete sich in den sechziger Jahren das Verhältnis zwischen der Schia und der Azhar. Letztere war in den Jahren nach der Reform von 1961 nicht untätig geblieben, ihre Vorstellungen vom „richtigen“ Weg des Islams auch außerhalb Ägyptens bekannt zu machen und damit den Vorsprung, den sich Saudi-Arabien mit der Gründung der Islamischen Weltliga auf dem Gebiet des politisch motivierten Pan-Islamismus erarbeitet hatte, wieder aufzuholen. Das Instrument, dessen sich die Azhar dabei bediente, war in erster Linie die „Akademie für islamische Studien“ (MaÊmaÝ al-buÎÙ× al-islÁmÐya), die im Artikel 15 des Reformgesetzes als „die oberste Instanz für die islamische Forschung“ 30 an der Azhar beschrieben wird. Ab 1964 fanden von der Akademie organisierte internationale Konferenzen statt, die im Prinzip auch schiitischen Teilnehmern offen31 standen. So gab sich der Chefredakteur der Azhar-Zeitschrift AÎmad Íasan azZayyÁt anläßlich der ersten Konferenz durchaus hoffnungsvoll, daß die Akademie einen Beitrag zur Annäherung der Rechtsschulen leisten und auf diese Weise die 32 Gründe für den innerislamischen Streit aus dem Weg räumen helfen könne. Die Umstände, unter denen in der Folgezeit schiitische Gelehrte an den Akademie-Kongressen teilnahmen, ließen allerdings bald erkennen, daß die Frage des taqrÐb keineswegs im Zentrum der Aktivitäten der Organisatoren stand. Keiner derjenigen ÝulamÁÞ, die noch wenige Jahre zuvor zu den Stützen der ÉT gezählt und dabei auch für die Azhar lobende Worte übrig gehabt hatten, fand nun den Weg nach Kairo, ebensowenig wie andere hochrangige Repräsentanten der schiitischen Geistlichkeit, etwa ÀyatollÁh MuÎsin al-ÍakÐm, dem nach dem Tode BorÙÊerdÐs mehrheitlich die Würde des marÊaÝ attaqlÐd zuerkannt worden war. Von ihm heißt es sogar, daß er die Einladung zu einer Konferenz an der Azhar ausgeschlagen habe, da ihm die Haltung der ägyptischen Gelehrten gegenüber Kommunismus und Sozialismus zu offen regierungsfreundlich gewesen sei; es bleibt allerdings unklar, ob es sich dabei um eine Konferenz der Akade33 mie handelte. Von den wenigen schiitischen ÝulamÁÞ, die zwischen 1964 und 1971 einer EinlaDamaskus 1407/1987, I/279-88, 350; II/187-96. 28 aÒ-ÑÁfÐ: LamaÎÁt, 190, 205f. 29 Ein weiteres Beispiel in dieser Hinsicht ist MoÒÔafÁ NÙrÁnÐ ArdabÐlÐ: Yek taÎqÐq-e ÝamÐq. PÐrÁmÙn-e masÞale-ye šerk wa bedÝat, Qom 1353hš/1974, 7f. 30 Lemke: ŠaltÙt, 178-85; Schulze: Internationalismus, 153f., 235-38. 31 Zu den acht Kongressen, die bis 1977 veranstaltet wurden, s. J. Jomier: Les congrès de l’Académie des Recherches Islamiques dépendant de l’Azhar, MIDEO 14/1980/95-148. 32 az-ZayyÁt: MuÞtamar ÝulamÁÞ al-muslimÐn, MA 35/9 (April 1964), 897-900, hier 898f. 33 Wiley: The Islamic Movement of Iraqi ShiÝas, 40; vgl. auch as-SarrÁÊ: al-ImÁm MuÎsin alÍakÐm, 170f.; ferner NizÁr az-Zain in Irf 50/4 (Nov. 1962), 338f.

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dung zu einem der Akademie-Kongresse Folge leisteten, traten lediglich zwei öffent34 lich in Erscheinung, nämlich ÝAlÐ KÁšif al-ÇiÔÁÞ und MÙsÁ aÒ-Ñadr. Der zuerst genannte war ein Angehöriger jener berühmten irakischen Gelehrtenfamilie, der auch 35 MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ entstammte. Seinem Vorgänger ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ nicht unähnlich, der sich knapp dreißig Jahre zuvor an der Azhar aufgehalten hatte, sorgte er dafür, daß seine Darstellung der Ägypten-Reise 1965 in Buchform bekannt wurde. Zur Hand ging ihm dabei der gleichfalls aus NaÊaf kommende 36 ŠaiÌ MuÎammad KÁÛim al-KafÁÞÐ. Dabei entspricht in beiden Fällen der tatsächliche Anteil der jeweiligen Gelehrten am sunnitisch-schiitischen Dialog allerdings bei weitem nicht dem Eindruck, den die ihnen zu Ehren verfaßten Bücher vermitteln sollen. ÝAlÐ KÁšif al-ÇiÔÁÞs erste Kontaktaufnahme mit der Azhar lag bereits 25 Jahre zurück: 1940 korrespondierte er kurze Zeit mit dem damaligen ŠaiÌ al-Azhar MuÎammad MuÒÔafÁ al-MarÁÈÐ über sprachwissenschaftliche Einzelheiten in al-MarÁÈÐs Korankommentar, ohne daß dabei jedoch die Frage einer Annäherung der Konfessionen ge37 streift worden wäre. Auch in der Folgezeit hatte er sich auf diesem Gebiet nicht weiter hervorgetan und ökumenischen Aktivitäten allem Anschein nach eher gleichgültig 38 gegenübergestanden. Was ihn für die Teilnahme am Akademie-Kongress 1965 in besonderer Weise qualifizierte, war vermutlich seine Haltung im Suez-Konflikt von 1956, als er in NaÊaf Protestkundgebungen zur Unterstützung Ägyptens organisierte, sowie sein wohlwollendes Telegramm, das er anläßlich der 1964 in Kairo stattfindenden Konferenz arabischer Staatsoberhäupter an die Adresse ÉamÁl ÝAbd an-NÁÒirs und 39 ÝAbd as-SalÁm ÝÀrifs schickte. In späteren Jahren blieb er der Nähe zur Politik und deren Ausführenden treu und unterstützte offen das 1968 an die Macht gekommene 34 Von diesen beiden Gelehrten abgesehen wurden folgende Personen in der MA erwähnt: 1964: MuÎammad al-ËÁliÒÐ (der Sohn des 1963 verstorbenen MuÎammad b. MuÎammad MahdÐ al-ËÁliÒÐ) als Abgesandter al-KÁÛimÐyas sowie ein namenlos bleibender Vertreter aus NaÊaf (s. MA 35/9 [April 1964], 1006); 1965: al-ËÁliÒÐ, KÁÛim al-KafÁÞÐ (MA 37/1 [Mai 1965], 108f.); 1966: al-KafÁÞÐ (MA 38/4 [April 1966], 387); 1971: ÉaÝfar ŠÁhÐdÐ, MuÎammad TaqÐ al-ÍakÐm (MA 43/3 [März 1971], 228f.). 35 Zu einigen bedeutenden Gelehrten dieser Familie s. RF III/1036-55; Momen: Introduction, 310; Art. Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ, DÁÞerat ol-maÝÁref-e bozorg-e eslÁmÐ, II/100-07; zu ÝAlÐ KÁšif al-ÇiÔÁÞ (1913-90) s. MMI II/432; RF III/1047; s. auch BÁqir ŠarÐf al-QurašÐ: Maktabat KÁšif al-ÇiÔÁÞ, Irf 42/10 (Aug. 1955), 1252-54. 36 al-KafÁÞÐ: Bain an-NaÊaf wa-l-Azhar, passim, bes. 51-222; al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 122-25, 187-89, [219]-[221]; zu al-KafÁÞÐ (geb. 1924) s. MMI III/229; RF III/1085f.; für kurze Zeit stand er auch mit der ÉT in Verbindung, s. RI 3/1951/103-05; eine Kasside mit dem Titel YÁ waÎdat al-islÁm, die er anläßlich der Eröffnung einer Bagdader Gesellschaft namens ÉamÝÐyat al-waÎda al-islÁmÐya vortrug, ist abgedruckt in Irf 36/2 (Febr. 1949), 145f. 37 al-KafÁÞÐ: Bain an-NaÊaf wa-l-Azhar, 20-39. 38 Im April 1954 nahm er allerdings an einer Konferenz muslimischer und christlicher Gelehrter im libanesischen BiÎamdÙn teil, die von einer Organisation namens American Friends of the Middle East veranstaltet wurde; in seinem Vortrag beklagte er den sektiererischen Fanatismus, der ein friedliches Zusammenleben der Menschen erschwere und gegen den Geist jeglicher Religion sei; s. Proceedings of the First Muslim-Christian Convocation, Bhamdoun, Lebanon April 22-27, 1954, 94f. MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ, der gleichfalls eingeladen worden war, hatte eine Teilnahme abgelehnt und seine Gründe dafür in der Schrift al-Mu×ul al-ÝulyÁ fÐ l-islÁm lÁ fÐ BiÎamdÙn, NaÊaf 1954 dargelegt (den Hinweis auf diese Konferenz und die Rolle der beiden irakischen Gelehrten verdanke ich Frau Dr. Silvia Naef). 39 al-KafÁÞÐ, 39-47.

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irakische BaÝ×-Regime in seinem Kampf gegen das nachrevolutionäre Iran. Auf dem Kairiner Kongreß der Azhar von 1965 hielt er einen Vortrag über seine Vorstellungen von einem islamischen Versicherungs- und Bankwesen – den Generalthemen der Zusammenkunft –, ohne auf die Schwierigkeiten eines Ausgleichs zwischen den musli41 mischen Konfessionen einzugehen. Dasselbe galt einige Jahre später für MÙsÁ aÒ-Ñadr, den zweiten, noch prominenteren Vertreter der Schia bei der Akademie der Azhar, der Ende der fünfziger Jahre ÝAbd 42 al-Íusain Šaraf ad-DÐn in der Leitung der libanesischen Schia beerbt hatte und im Mai 1969 zum ersten Präsidenten des neugeschaffenen Obersten Schiitischen Rates im 43 Libanon gewählt worden war. Kraft dieses Amtes war er selbstverständlich intensiv mit dem im Libanon besonders dringlichen Problem des Zusammenlebens verschiedener Konfessionsgemeinschaften befaßt, doch kann seine in jenen Jahren häufig geäußerte Forderung nach einer Abschaffung des Konfessionalismus kaum im Sinne einer theologisch-juristischen Annäherung zwischen Sunniten und Schiiten interpretiert werden. Zu deutlich sind einerseits die politischen Implikationen, die ihn zu derartigen Äußerungen veranlaßten, zu deutlich ist aber auch sein Bemühen, gleichzeitig explizit 44 schiitischen Anliegen zur Durchsetzung zu verhelfen. Bei seinen Auftritten an der Akademie für Islamische Studien 1970 und 1971 war von alledem aber nichts zu bemerken, sein Vortrag von 1971 war dem allgemeinen Thema „Die Fürsorge des Islams 45 für die Werte und Gedanken der Humanität“ gewidmet. Die Einladungen an aÒ-Ñadr und KÁšif al-ÇiÔÁÞ sind insofern aufschlußreich, als die Azhar damit ihre deutliche Vorliebe für Gelehrte bekundete, die sich der politischen Tragweite ihres Tuns wohl bewußt waren (und das auch offen zu verstehen gaben), gleichzeitig aber Positionen vertraten, die für die Azhar als Hüterin der sunnitischen Rechtsschulen hinnehmbar waren. Insbesondere bei dem in den sechziger Jahren mehr denn je im Mittelpunkt stehenden Thema – dem Kampf gegen Israel – versprach man sich in dieser Hinsicht einen Zuwachs an internationaler Unterstützung. In diesem Sinne ist auch die Einmü-

40 MECS 7/1982-83/243f.; T.M. Aziz: The Role of Muhammad Baqir al-Sadr in ShiÝi Political Activism in Iraq from 1958 to 1980, IJMES 25/1993/207-22, hier 220 Anm. 34; H. Batatu: Shi’i Organizations in Iraq: Al-Da’wah al-Islamiyah and al-Mujahidin, in: J.R.I. Cole / N.R. Keddie (eds.): Shi’ism and Social Protest, New Haven 1986, 179-200, hier 196; Mallat: Renewal, 17f.; Wiley: The Islamic Movement of Iraqi ShiÝas, 61, 69 Anm. 66; MuÎammad HÁdÐ al-AmÐnÐ kommentierte diese Haltung als Einmischung in Dinge, die seinen persönlichen Horizont überstiegen, RF III/1047; s. auch oben, Anm. 25. 41 KafÁÞÐ: Bain an-NaÊaf wa-l-Azhar, 85-131; al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 122-25, 187-89, 19297, [219]-[221]; s. auch MA 37/1 (Mai 1965), 105f., 109. 42 MuÎammad FaÃl SaÝd in Irf 71/7 (Sept. 1983), 87-94. 43 Über ihn (geb. 1928, verschollen seit einem Besuch in Libyen 1978) s. F. Ajami: The Vanished Imam. Musa al-Sadr and the Shia of Lebanon, London 1986; ferner Šaraf ad-DÐn: BuÈyat ar-rÁÈibÐn, I/259-61 und II/619-35; Orient 14/1973/103; Kramer: Syria’s Alawis and Shi’ism, 246-49; Göbel: Moderne schiitische Politik, 83-89; vgl. auch oben, S. 55 Anm. 90. 44 Vgl. dazu A. Rieck: Die Schiiten und der Kampf um den Libanon. Politische Chronik 19581988, Hamburg 1988, 124-29; ferner S. Nasr: Mobilisation communautaire et symbolique religieuse: l’imam Sadr et les chiÝites du Liban (1970-1975), in: O. Carré / P. Dumont (eds.): Radicalismes islamiques, Paris 1985, I/119-58. 45 RiÝÁyat al-IslÁm li-l-qiyam wa-l-maÝÁnÐ l-insÁnÐya, abgedruckt in MA 43/3 (Mai 1971), 244-52.

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tigkeit zu verstehen, mit der die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der 46 Bundesrepublik Deutschland und Israel verurteilt wurde. Interessant ist nun in beiden Fällen, daß sowohl ÝAlÐ KÁšif al-ÇiÔÁÞ als auch MÙsÁ aÒ-Ñadr sich bei ihrem Aufenthalt in Ägypten durchaus auf das Vorbild der taqrÐb-Bewegung beriefen und für sich in Anspruch nahmen, in deren Sinne tätig zu sein. Sie taten das jedoch außerhalb der von der Azhar organisierten Veranstaltungen in Form von Interviews mit der ägyptischen Presse. Besonders KÁšif al-ÇiÔÁÞ nutzte die Gelegenheit, in einem Gespräch mit einem Vertreter der Zeitschrift RÙz al-YÙsuf für eine innerislamische Annäherung zu werben, um den Kolonialisten, die als einzige von der Spaltung der Muslime profitierten, das Handwerk zu legen. Nach seiner Rückkehr in den Irak, so betonte er mehrfach, wolle er umgehend selbst eine Konferenz einberufen, 47 auf der die Frage des taqrÐb eingehend erörtert werden solle. Gefragt, welche Aktivitäten es denn gegenwärtig in dieser Hinsicht gebe, nannte er zwar – eine Verbeugung vor seinen Gastgebern – die Akademie für Islamische Studien, nicht aber die ÉT oder früher an ihr beteiligte AzharÐs. Eine pikante Note erhielt dieses Interview schließlich dadurch, daß KÁšif al-ÇiÔÁÞ darin in aller Ausführlichkeit die schiitische Zeitehe vertei48 digte und damit ein zumeist kritisches Echo unter den Lesern der Zeitschrift auslöste. MÙsÁ aÒ-Ñadrs Bezugnahme auf die taqrÐb-Bewegung fiel sehr viel kürzer aus, schloß dafür aber eine Würdigung der ÉT mit ein, die den Weg für Treffen von sunnitischen und schiitischen Gelehrten wie dem an der Akademie für Islamische Studien geebnet 49 habe. Die Konferenzen der Akademie für islamische Studien boten für derartige Einlassungen kein geeignetes Forum. Selbst wenn das Gespräch am Rande das Thema einer konfessionellen Aussöhnung streifte, zog man es offenbar vor, darüber mit sunniti50 schen Gesprächspartnern zu diskutieren. In den offiziellen Stellungnahmen und Beschlüssen der Akademie sucht man nach Äußerungen in bezug auf taqrÐb, die über allgemeine Forderungen nach islamischer Einheit hinausgehen, vergebens. Am weitesten 46 al-KafÁÞÐ: Bain an-NaÊaf wa-l-Azhar, 89f. 47 Über eine derartige Konferenz ist mir nichts bekannt, doch erwähnt ÝAwwÁd in seinem Eintrag

über MuÎammad KÁÛim al-KafÁÞÐ eine von diesem verfaßte Schrift mit dem Titel al-MuÞtamar al-islÁmÐ al-ÝirÁqÐ: 30 ÎazÐrÁn – 3 tammÙz 1965, Bagdad 1965, die möglicherweise mit der Ankündigung KÁšif al-ÇiÔÁÞs in Zusammenhang steht; MMI III/229. 48 Das Interview vom 7. Juni 1965 ist wiederabgedruckt ibid., 188-95 und bei al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 192-97; zur mutÝa s. auch al-KafÁÞÐ, 195-210; an der Debatte beteiligten sich u.a. AÎmad ašŠarabÁÒÐ, ÝÀÞiša ÝAbd ar-RaÎmÁn und NawÁl as-SaÝdÁwÐ, die allesamt KÁšif al-ÇiÔÁÞs Ansicht zurückwiesen; vgl. auch Ende: Ehe auf Zeit, 21-23. 49 Ein Interview aÒ-Ñadrs mit der Zeitschrift al-MuÒawwar ist wiedergegeben in Irf 58/1 (Mai 1970), 129-34 (130f. über taqrÐb); ein dort abgedrucktes Photo zeigt ihn zusammen mit ÉamÁl ÝAbd an-NÁÒir bei einem Empfang der Teilnehmer der Konferenz. 50 So geschehen bei der Konferenz 1966, als der Berichterstatter der MA, SaÝd ÝAbd al-MaqÒÙd ÚalÁm, bei einem Treffen eher informellen Charakters den irakischen sunnitischen ŠaiÌ ÝAbdallÁh ašŠuÌailÐ nach dessen Ansichten in Sachen taqÁrub bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya fragte; s. MA 38/4 (Okt. 1966), 490f. Dazu mögen auch die umstrittenen mutÝa-Äußerungen KÁšif al-ÇiÔÁÞs im Jahr zuvor beigetragen haben, eine im Dezember 1966 in der Azhar-Zeitschrift abgedruckte Kritik an der schiitischen Auffassung der Zeitehe könnte jedenfalls in diesem Sinne interpretiert werden: ÝAbd al-QÁdir MaÎmÙd: ZawÁÊ al-mutÝa bain aš-šÐÝa wa-s-sunna, MA 38/7 (Dez. 1966), 704-10; namentlich erwähnt und kritisiert wurden in dem Artikel allerdings aus den Reihen der modernen Schia nur MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya und MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ.

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ging man in dieser Hinsicht 1971, als das Streben nach Einigung zum Gegenstand einer eigenen Entschließung wurde, die allerdings nur das unverbindliche Ziel einer kulturellen Einheit und besserer Kenntnis voneinander vorsah, ohne die Schia explizit zu 51 erwähnen. MuÎammad AbÙ Zahra, in der Vergangenheit ein ausgewiesener Parteigänger der ökumenischen Bewegung, trat zwar weiterhin für eine Verständigung mit der Schia ein, aber auch er äußerte seine Gedanken dazu nicht auf einem der Kongresse – deren regelmäßiger Teilnehmer er war –, sondern in einem separat erschienenen Buch. In seiner Schrift al-WaÎda al-islÁmÐya von 1971, die eine erheblich erweiterte Fassung einer Aufsatzserie darstellte, die Ende der fünfziger Jahre in der RI publiziert worden war, verlieh er seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß bislang noch kein ÊaÝfaritisches Mitglied in die Akademie für Islamische Studien aufgenommen worden sei, wo diese Institution doch als Vorstufe zu einer „umfassenden islamischen Akademie“ (maÊmaÝ islÁmÐ šÁmil) gedacht sei. Widerwillig mußte er zur Kenntnis nehmen, daß der Wirkungskreis der existierenden Vereinigung auf Ägypten konzentriert war, da es keine Mitglieder aus Pakistan, Indien, Afghanistan, Iran sowie Saudi-Arabien 52 gab und die ergangenen Beschlüsse auch nicht vorbehaltlos befolgt würden. ∗∗∗ Angesichts des Übergewichts politischer Erwägungen bei der Propagierung pan-islamischer Ziele sank die „klassische“ taqrÐb-Bewegung, wie sie von der ÉT verkörpert worden war, zur vollkommenen Bedeutungslosigkeit herab. Die Folgen, die die Ereignisse der Jahre 1960/61 für die ÉT hatten, waren katastrophal. Nicht nur hatte das Wiedererstarken der Polemik der muslimischen Öffentlichkeit drastisch vor Augen geführt, wie fragil das bisher in der ökumenischen Debatte Erreichte war und wie mächtig die unverändert bestehenden Widerstände dagegen waren, sogar um die bloße Existenz der Vereinigung als formal unabhängiger Organisation schien es zu Beginn der sechziger Jahre geschehen. In Abwesenheit des in Iran weilenden MoÎammad TaqÐ QommÐ hatte sein Stellvertreter MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ bekanntlich schon die bereitwillige Verurteilung des Schahs für seinen diplomatischen Fauxpas durch die Azhar gutgeheißen. Während der „Affäre al-ÉabhÁn“ ging er noch einen Schritt weiter: Ein im ÝIrfÁn abgedrucktes Antwortschreiben auf eine Anfrage eines libanesischen Scheichs, wie es die ÉT mit dem Artikel aus RÁyat al-IslÁm halte, unterzeichnete er ausdrücklich als „Generalsekretär“ der Vereinigung, was auf eine zumindest vorüber53 gehende Entmachtung QommÐs hindeuten könnte. Der Tod ÀyatollÁh BorÙÊerdÐs bedeutete einen weiteren Rückschlag für die ÉT. Bis in die letzten Lebenstage hinein hatte er sich seinen Biographen zufolge für den ökumenischen Dialog eingesetzt und an QommÐ, dem eine Rückkehr nach Kairo angesichts der politischen Lage noch nicht möglich war, appelliert, schnellstmöglich wie54 der im Sinne der Annäherung tätig zu werden. 1961 erschien keine Ausgabe der RI, 51 MA 43/4 (Juni 1971), engl. Sektion, 14-16; vgl. Jomier: Congrès (wie oben, Anm. 31), 125f. 52 AbÙ Zahra: al-WaÎda al-islÁmÐya, 293-98, bes. 294. 53 Das Schreiben (in dem al-MadanÐ beteuerte, ŠaltÙt habe sich „offiziell“ [min al-ÊÁnib ar-ras-

mÐ] dieses Themas angenommen) ist abgedruckt in Irf 48/5-6 (Jan.-Febr. 1961), 619f. 54 Vgl. oben, S. 142f.

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was das ganze Ausmaß des Schadens deutlich machte, den die ÉT erlitten hatte, war die Zeitschrift doch nicht einmal in den unsicheren Jahren nach der Juli-Revolution von ihrer regelmäßigen Erscheinungsweise abgewichen. Eine vollständige Einstellung der RI, sogar eine Auflösung der ÉT nur gut ein Jahr, nachdem ihr ŠaltÙts FatwÁ den scheinbaren Durchbruch beschert hatte, erschien zu diesem Zeitpunkt als keineswegs unmöglich. Im Jahr darauf waren die größten organisatorischen Schwierigkeiten zumindest oberflächlich überwunden. QommÐ konnte nach Ägypten zurückkehren, und auch die Publikation der RI wurde wiederaufgenommen – ohne daß deren Chefredakteur alMadanÐ jedoch in seinem Editorial auch nur mit einer Silbe auf die anderthalbjährige 55 Zwangspause, geschweige denn die Gründe dafür eingegangen wäre. Wenngleich die ÉT einmal mehr beschlossen hatte, ihre Kritiker und deren Äußerungen stillschweigend zu übergehen und statt dessen weiterhin so zu tun, als hätten ökumenische Theologie und politische Realität nichts miteinander zu tun, so war doch nicht zu übersehen, daß sich die Voraussetzungen für die Arbeit der taqrÐb-Vereinigung grundlegend geändert hatten. Den schiitischen Publizisten waren die fruchtlose Diskussion um einen schiitischen Lehrstuhl an der Azhar, der offen zur Schau gestellte Opportunismus der ÉT bei der Verurteilung Irans sowie die mangelnde Bereitschaft der Azhar, von sich aus gegen al-ÉabhÁn und seinesgleichen Stellung zu beziehen, in frischer Erinnerung, und sie handelten danach. Von allen Autoren der Schia blieben nach 1961 nur noch MoÎammad TaqÐ QommÐ und MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya übrig; die anderen, die bisher an der Zeitschrift beteiligt gewesen waren, wandten sich ab, neue Kräfte kamen nicht hinzu. Doch auch die Zusammensetzung der sunnitischen Autorenschaft war nicht mehr dieselbe. Ausgerechnet einige der angesehensten und fleißigsten Schreiber verließen die Zeitschrift: MuÎammad al-Bahayy (24 Artikel zwischen 1951 und 1960), MuÎammad ÝArafa und MuÎammad AbÙ Zahra (jeweils 18 Aufsätze zwischen 1955 und 1960), wobei letzterer unter den sunnitischen Gelehrten gemeinhin als der unbestritten beste Kenner der Schia galt. Alle drei dürfte letztlich die Enttäuschung über die Erfolglosigkeit der taqrÐb-Bemühungen und ihre subjektive „Ernüchterung“ angesichts einer von ihnen als uneinsichtig empfundenen Haltung der Schia zu ihrem Schritt bewogen haben. Während ÝArafa direkt ins Lager der Gegner überwechselte und das freimütig eingestand, traten AbÙ Zahra und al-Bahayy nach 1960 zwar nicht mit offener Kritik an der Schia oder der taqrÐb-Bewegung hervor, trugen jedoch auch nicht mehr 56 zu ihrer Verteidigung bei. MuÎammad al-Bahayy erwähnte die ÉT in seiner Autobiographie nicht einmal mehr. Beide fanden in der Akademie für Islamische Studien alsbald eine neue publizistische Heimat, später beteiligten sie sich sogar an der Tätig57 keit der Islamischen Weltliga. Im Falle al-Bahayys, der im Mai 1962 zum Generaldirektor (mudÐr ÝÁmm) und noch im selben Jahr zum Minister für religiöse Stiftungen 55 RI 13/1962/3f.; QommÐ wurde nun wieder als Generalsekretär geführt, s. ibid., 19. 56 Gleiches gilt für MuÎammad al-ÇazzÁlÐ, der es in späteren Schriften sogar bei der Behandlung

pan-islamischer oder internationalistischer Themen ebenfalls vorzog, die Schia mit Schweigen zu übergehen; vgl. z.B. sein Buch MiÞat suÞÁl Ýan al-islÁm, Kairo 1404/1983, I/277-82 und II/28-34; 1988 wurde er mit dem König-FaiÒal-Preis ausgezeichnet, s. MA 61/7 (Febr. 1989), 848. 57 Schulze: Internationalismus, 357f.

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und Azhar-Angelegenheiten wurde, mag auch eine Rolle gespielt haben, daß es etwa zur gleichen Zeit zwischen ihm und ŠaltÙt zu einem tiefgreifenden und nicht mehr zu behebenden Zerwürfnis kam. Im Verlauf dieses Streits, bei dem es um die Frage der Kompetenzen bei der Verwirklichung der Azhar-Reform von 1961 ging, schrieb ŠaltÙt mehrere Protestbriefe an ÝAbd an-NÁÒir und an Premierminister ÝAlÐ ÑabrÐ, die aller59 dings beide den darin angebotenen Rücktritt des ŠaiÌ al-Azhar nicht annahmen. Mehrfach versuchte die ÉT, die Erinnerung an alte Zeiten wiederaufleben zu lassen. So druckte die RI zwei lange Auszüge aus dem Buch TaÆkirat al-fuqahÁÞ des be60 deutenden schiitischen Rechtsgelehrten al-ÝAllÁma al-ÍillÐ, und kurz darauf wurde der Zeitschrift eine Sonderbeilage beigefügt, die die offizielle englische Übersetzung von ŠaltÙts FatwÁ von 1959 enthielt sowie gleichfalls auf englisch einen Artikel des ŠaiÌ al-Azhar aus der RI, in dem er in einer kurzen Zusammenfassung die Geschichte 61 der ÉT wiedergab. In einer mehrteiligen Artikelserie schickte sich MuÎammad ÝAbdallÁh MuÎammad an, weitschweifig die Charakteristika einer ökumenischen Annäherung ins Gedächtnis zu rufen, wobei als einziges Ziel des taqrÐb nur noch der allgemeine Aufruf übrigblieb, die Feindschaft zwischen den einzelnen muslimischen Konfessionen zu bekämpfen. Da eine Untersuchung der Vergangenheit von diesem Unterfangen ablenken würde, solle man unter allen Umständen auf sie verzichten, schloß er in bekannter Manier und ließ damit zwischen den Zeilen erkennen, daß das ebenso für 62 die ÉT und ihre Verstrickung in die Politik zu gelten habe. Am anhaltenden Desinteresse der schiitischen ÝulamÁÞ änderten diese Avancen allerdings genausowenig wie die geradezu beschwörende Bemerkung MoÎammad TaqÐ QommÐs, die ÉT habe mit der Azhar schon immer höchstens indirekt etwas zu tun gehabt. Zwar seien von Anfang an AzharÐs in der Vereinigung aktiv gewesen, doch habe die offizielle Azhar auf die ÉT keinen Einfluß ausgeübt, im Gegenteil: Manchen ihrer Repräsentanten sei die Botschaft der Ökumene des öfteren (fÐ ka×Ðr min al-aÎyÁn) sogar ein Dorn im Auge gewesen: „Die offizielle Haltung der Azhar ist eine Sache, die Haltung ihrer ÝulamÁÞ eine 63 andere.“ In keinem Punkt wurde das Scheitern des Versuchs, die ÉT wieder zur früheren Bedeutung zu führen, derart offensichtlich wie bei dem Plan einer Sammlung der von Sunniten und Schiiten gleichermaßen anerkannten ÍadÐ×e, mit der sich QommÐ 1962 zurückgemeldet hatte. Beabsichtigt war mit diesem Projekt nicht etwa eine kritische Sichtung der islamischen Historiographie – das hätte bekanntlich dem Credo der ÉT beim Umgang mit der Geschichte widersprochen. Vielmehr sollte, wie QommÐ zu verstehen gab, den Muslimen „bewiesen“ werden, in wievielen Punkten sie in Wirklich58 al-Bahayy: ÍayÁtÐ fÐ riÎÁb al-Azhar, 66-87. 59 Vgl. dazu ausführlich ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/202-16; ferner Zebiri: ShaltÙt,

29f.; al-Bahayy selbst deutet den Konflikt in seiner Autobiographie nur vage an, ÍayÁtÐ, 64f. 60 Min ÆaÌÁÞir al-fikr al-islÁmÐ, RI 13/1962/364-98, 14/1963/155-69; vgl. ibid., 153f.; zum Autor s. oben, S. 18 Anm. 3. 61 Dar al-Taqreeb: Two Historical Documents; vgl. RI 14/1964/194-202. 62 MuÎammad: MaÝÁlim at-taqrÐb, RI 14/1964/203-11, hier 211; weitere Folgen: 15/1964/11-19; 15/1384h/58/131-40 (zur unklaren Datierung dieses Hefts s. oben, S. 108 Anm. 99); 16/1969/82-141 und 17/1972/78-86. 63 QommÐ in RI 14/1964/187-93, Zitate 192; wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 32-39.

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keit einig seien, nämlich – von Nebensächlichkeiten abgesehen – in allen wesentlichen 64 Vorschriften der Religion. Obwohl das Vorhaben sowohl in der RI (wo neben Qom65 mÐ auch MuÈnÐya werbend dafür eintrat) als auch im ÝIrfÁn groß angekündigt wur66 de, erfüllten sich die Hoffnungen der Initiatoren auf die Mitwirkung zahlreicher sunnitischer wie schiitischer Rechtsgelehrter nicht; nach ŠaltÙts Tod wurde die Arbeit daran allem Anschein nach eingestellt. 67 Das Ableben ŠaltÙts, der schon seit langem von schwerer Krankheit gezeichnet und am Ende nach seinem Streit mit al-Bahayy auch in seiner Autorität als ŠaiÌ al-Azhar in Frage gestellt war, hinterließ in der gesamten taqrÐb-Bewegung eine nicht mehr 68 zu schließende Lücke. Sein Nachfolger als Rektor der Azhar, Íasan MaÞmÙn, machte keine Anstalten, sich in ähnlicher Weise wie ŠaltÙt für den Fortgang der ökumeni69 schen Diskussion einsetzen zu wollen. Das im weitesten Sinne pan-islamisch oder auch nur international zu nennende Engagement der Azhar konzentrierte sich in den folgenden Jahren, wie oben dargelegt, auf die Konferenzen der Akademie, bei denen die Schia keine große Rolle spielte. Die ÉT trat nach ŠaltÙts Tod nur noch selten an die Öffentlichkeit. 1964 erschienen in unregelmäßiger Folge noch einmal vier Faszikel der RI, deren herausragendster Beitrag ein Artikel QommÐs war, der sich stellenweise 70 bereits wie eine Art Nachruf auf die taqrÐb-Organisation liest. Für etwas mehr Aufsehen sorgte 1966 MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ, als er auf Ersuchen des „Obersten Rats für Islamische Angelegenheiten“ einen Sammelband mit Aufsätzen aus der RI 71 herausgab. Von diesem Buch gingen jedoch ebensowenig neue Impulse für die ökumenische Diskussion aus wie von einem weiteren Heft der RI, das im Herbst 1969 publiziert wurde und für das nach dem Tod des langjährigen Chefredakteurs al-MadanÐ 72 der Publizist ÝAlÐ al-ÉundÐ die Schriftleitung übernommen hatte. Der eigentliche Hintergrund dieses Heftes dürfte weniger in dem Versuch einer Wiederbelebung der 64 QommÐ in RI 13/1962/243-50, bes. 249; ibid., 247 ging QommÐ am Rande auf al-ËaÔÐbs taÎrÐfVorwurf ein, indem er feststellte, die Muslime seien, was die Suren, Verse und den Wortlaut des Korans angehe, einer Meinung. 65 MuÈnÐya in RI 14/1964/224-30; wiederabgedruckt bei aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya, 32532. 66 RI 13/1962/218-21 und 14/1963/153; Irf 50/1 (Aug. 1962), 126-28. 67 Zebiri: ShaltÙt, 15. 68 Vgl. den Nachruf in RI 14/1964/337-39; daß an ŠaltÙts Beerdigung mit MuÎammad aš-ŠÐrÁzÐ und MuÎsin al-ÍakÐm auch zwei schiitische Gelehrte teilnahmen, wurde von QommÐ als historisches Ereignis gewürdigt; s. RI loc. cit., 192; vgl. auch MA 35/6 (Jan. 1964), 759f., 763. 69 Vgl. sein in MA 36/4 (Nov. 1964), 388-91 abgedrucktes Interview mit einem Journalisten des Deutschlandfunks, in dem er sich (S. 391) zwar optimistisch, aber zugleich sehr zurückhaltend über das Verhältnis Sunna - Schia äußerte und die ÉT völlig überging; zu MaÞmÙn (1894-1982) s. ÝAbd alÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/247-67. 70 QommÐ: RiÊÁl ÒadaqÙ, RI 14/1964/187-93. 71 al-MadanÐ (ed.): DaÝwat at-taqrÐb; Rezension in Irf 56/3 (Aug. 1968), 283; vgl. auch ÉumÝa: al-ÝAlÁqÁt a×-×aqÁfÐya, 338f.; Fleischhammer: DaÝwat at-taqrÐb, passim; bei dem genannten Rat (alMaÊlis al-aÝlÁ li-š-šuÞÙn al-islÁmÐya) handelt es sich um ein Gremium, das seinerzeit im Rahmen der 1954 gegründeten Islamischen Konferenz gebildet worden war und später unter die Kontrolle des ägyptischen auqÁf-Ministeriums gestellt wurde, vgl. Schulze: Internationalismus, 154, 169, 271f. 72 Vgl. oben, S. 108; MuÒÔafÁ MuÊÁhid ÝAbd ar-RaÎmÁn schildert in seinem Nachruf auf al-MadanÐ (MA 40/3 [Juni 1968], 236-38) diesen zwar als Weggefährten ŠaltÙts, erwähnt aber bezeichnenderweise nicht seine Tätigkeit für die ÉT.

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taqrÐb-Diskussion zu suchen sein als vielmehr in der allgemeinen Umtriebigkeit auf dem Gebiet des islamischen Internationalismus in jenen Wochen: Nach dem Brand in der Jerusalemer al-AqÒÁ-Moschee am 21. August wurde Ende September in Rabat eine islamische Konferenz einberufen, auf der einerseits Ägypten den saudi-arabischen Führungsanspruch anerkannte und andererseits Vorbereitungen für die Gründung einer islamischen Staatenorganisation (der sogenannten Organisation der Islamischen Kon73 ferenz) getroffen wurden. Wie wenig die schwache Stimme der ÉT unter diesen Umständen noch gehört wurde, belegt eine beiläufige Bemerkung in einer zwei Jahre später erschienenen Schrift eines schiitischen Autors, in der es sogar heißt, die Vereini74 gung sei mittlerweile aufgelöst worden. Bezeichnend für den Wandel des geistigen Klimas, der hinsichtlich schiitischer oder „schiitisierender“ Ansichten in den sechziger Jahren an der Azhar eingetreten war, ist die Reaktion auf MaÎmÙd AbÙ Rayyas umstrittenes Buch AÃwÁÞ ÝalÁ s-sunna 75 al-muÎammadÐya au difÁÝ Ýan al-ÎadÐ×. Während sich dieses Werk, „which, taken at 76 its face value, tore the tradition literature to pieces“, des Beifalls schiitischer Leser 77 erfreute, löste es unter zahlreichen sunnitischen Gelehrten heftige Proteste aus. Eine der Gegenschriften stammte von dem Azhar-Gelehrten ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙd, dem nachmaligen Generalsekretär der Akademie für Islamische Studien (1969/70) und 78 ŠaiÌ al-Azhar (1973-78). Obgleich das nur 90 Seiten schmale Büchlein, wie AbÙ Rayya selbst einräumte, sich nur zu etwa einem Drittel mit „einigen Dingen, die in den AÃwÁÞ vorkamen“ beschäftigte, nahm es der Kritisierte zum Anlaß eines wütenden und im Ton reichlich gehässigen Gegenangriffs. Sein 1969 verfaßtes Vorwort zur dritten Auflage eines weiteren umstrittenen Buches – nämlich seiner aus dem entsprechenden Kapitel der AÃwÁÞ hervorgegangenen Biographie des Prophetengefährten AbÙ Huraira, den er in einem äußerst kritischen Licht darstellte – geriet auf diese Weise zu einer 79 Abrechnung mit nahezu dem gesamten Azhar-Establishment. An MaÎmÙd im besonderen richtete er die Frage, warum er sich nicht weniger als neun Jahre Zeit gelassen habe, ehe er auf das 1958 publizierte Buch AbÙ Rayyas antwortete, und er wie alle übrigen Azhar-Gelehrten im allgemeinen mußten sich mehrfach den Vorwurf vollkom73 Schulze: Internationalismus, 272; auch al-ÉundÐ verwies in seinem Editorial auf den Anschlag von Jerusalem: RI 16/1969/3f. 74 al-ËÁqÁnÐ: MaÝa al-ËaÔÐb, 6, 11. 75 Kairo 1958, Tyros 21964, Kairo31967; s. dazu ausführlich Juynboll: The Authenticity of the Tradition Literature, 38-43 (mit einer Liste sunnitischer Gegenschriften); REI 29/1961/A. 1856f. (Nr. 219-23); zu AbÙ Rayya (1889-1970) s. ar-RaÃawÐ: ÀrÁÞ al-muÝÁÒirÐn, 10-16; idem: MaÝa riÊÁl al-fikr, 313-30. 76 Juynboll: The Authenticity of the Tradition Literature, 39. 77 Vgl. z.B. al-ÝÀmilÐ: ÝAqÐdat aš-šÐÝa, 9. 78 ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙd: as-Sunna fÐ tÁrÐÌihÁ wa-fÐ makÁnatihÁ, Kairo 1967; über den Autor (1910-1978) s. ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/289-460; MA 51/1 (Dez. 1978), 221-47 und 53/7 (Mai 1981), 1250-60; RaÞÙf ŠalabÐ: ŠaiÌ al-IslÁm ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙd. SÐratuhu wa-aÝmÁluhu, Kuwait 1402/1982; ferner seine Autobiographie al-Íamdu li-llÁh hÁÆihi ÎayÁtÐ, Kairo 31985. 79 AbÙ Rayya: ŠaiÌ al-maÃÐra AbÙ Huraira, 13-33 (obiges Zitat S. 14); zu diesem Buch vgl. Juynboll: The Authenticity of the Tradition Literature, 63-99 sowie Ende: Arabische Nation, 94-97; s. auch AbÙ Rayyas gleichnamigen Artikel in Irf 50/5 (Dez. 1962), 457-60; zum nicht ganz alltäglichen Beinamen maÃÐra („Sauermilchsuppe“) s. den entsprechenden Art. in der EI2 V/1010.

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mener Inkompetenz, ja geradezu schierer Dummheit in Sachen ÍadÐ× und frühislami80 sche Geschichte gefallen lassen. Neben ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙds Buch waren es vor allem zwei Kritiken, die den Zorn AbÙ Rayyas heraufbeschworen: Zum einen seien die Azhar-ÝulamÁÞ, zu profunder Kritik aus eigener Kraft unfähig, in der sunnitischen Gelehrtenwelt regelrecht hausieren gegangen, bis sie in dem Syrer MuÒÔafÁ as-SibÁÝÐ endlich jemanden gefunden hätten, der bereit gewesen sei, eine Polemik gegen die AÃwÁÞ zu verfassen. Von diesem Autor, der sich mit „umayyadischer Bosheit“ (ÃiÈn umawÐ) auf die „unbedeutenden Fehler“ (hanÁt) der ersten Auflage von AbÙ Rayyas Buch kapriziert und darauf sein Urteil der Lasterhaftigkeit (fisq) gegründet habe, hätten in der Folgezeit alle Kritiker aus den Reihen der Azhar abgeschrieben, ohne zur Kenntnis zu nehmen, daß eben 81 diese Fehler allesamt in den folgenden Auflagen korrigiert worden seien. Darin, so AbÙ Rayya, komme einmal mehr die an der Azhar verbreitete Autoritätsgläubigkeit und die blinde Nachahmung (taqlÐd) zum Ausdruck, mit der die AzharÐs unter Ausschließung jeglichen eigenständigen Denkens lediglich den vier (sunnitischen) Rechts82 schulen folgten, so daß es unter „diesen ŠaiÌs keinen einzigen muÊtahid“ gebe. Die zweite Zielscheibe von AbÙ Rayyas Ärger war eine ursprünglich in der MA veröffentlichte direkte Antwort auf die AÃwÁÞ von MuÎammad b. MuÎammad AbÙ Šuhba, ei83 nem Professor an der UÒÙl ad-dÐn-Fakultät der Azhar. Nahezu unvermeidlich waren an dieser Stelle die Vorwürfe gegen MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb, die vormals respektable Zeitschrift heruntergewirtschaftet zu haben, wobei sich AbÙ Rayya seinerseits das Verdienst zuschrieb, maßgeblich zu dessen Absetzung als Chefredakteur beigetragen 84 zu haben. Was AbÙ Rayya besonders erboste, war der Umstand, daß die Aufsatzserie, die er als die eigentliche offizielle Stellungnahme der Azhar zu seinen Thesen auffaßte, 1966 auf Beschluß der zweiten Konferenz der Akademie für Islamische Studien als selbständige Publikation auf Kosten der Azhar erneut erschien und in der islami85 schen Welt verbreitet wurde. Obgleich die Frage einer ökumenischen Annäherung im engeren Sinne in den Schriften AbÙ Rayyas keine besondere Rolle spielte (und die ÉT ihn trotz seiner der Schia nahestehenden Ansichten zur frühislamischen Geschichte wohlweislich mit Schweigen überging), ist sein Fall für die Beschreibung des Verhältnisses der Azhar zur taqrÐb-Bewegung in den sechziger Jahren von nicht unerheblicher Bedeutung. Ausschlaggebend dafür ist AbÙ Rayyas Umgang mit schiitischen Gelehrten: Frei von 80 AbÙ Rayya: ŠaiÌ al-maÃÐra AbÙ Huraira, z.B. 14, 24f., 27. 81 Ibid., 21f.; AbÙ Rayyas Kritik an as-SibÁÝÐ bezog sich auf dessen Buch as-Sunna wa-makÁna-

tuhÁ fÐ tašrÐÝ al-islÁmÐ, das zuerst 1961 in Kairo erschienen war; as-SibÁÝÐ gehörte zusammen mit MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb und SulaimÁn an-NadwÐ zu den Autoren eines weiteren Buches ähnlicher Tendenz: DifÁÝ Ýan al-ÎadÐ× an-nabawÐ wa-tafnÐd šubuhÁt ÌuÒÙmihi, MiÒr ca. 1960. 82 AbÙ Rayya, 26 Anm. 2. 83 AbÙ Šuhba: Naqd kitÁb „AÃwÁÞ ÝalÁ s-sunna al-muÎammadÐya“, MA 30/1-8 (Juli 1958 - Febr. 1959), 55-59, 146-51, 264-71, 321-29, 426-31, 522-27, 660-65. 84 AbÙ Rayya: ŠaiÌ al-maÃÐra AbÙ Huraira, 30; AbÙ Šuhbas Besprechung reichte nur bis Seite 131 der AÃwÁÞ, ehe sie im Februar 1959 – möglicherweise im Zusammenhang mit der Abberufung alËaÔÐbs als Chefredakteur der MA – abgebrochen wurde. 85 Ibid., 31; diese Schrift war mir nicht zugänglich; vgl. allgemein auch AbÙ Rayyas Vorworte zur zweiten und dritten Auflage der AÃwÁÞ, Kairo 1967, 29ff.

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Berührungsangst ließ er sich von ihnen die Richtigkeit seiner Theorien bestätigen und zitierte sie gerne als Kronzeugen gegen seine sunnitischen Kollegen. So stellte er der besagten dritten Auflage seines AbÙ-Huraira-Buches ein Vorwort des libanesischen schiitischen Gelehrten Ñadr ad-DÐn Šaraf ad-DÐn voran, in dem dieser AbÙ Rayya gegen die sunnitischen Angriffe (allen voran durch MuÒÔafÁ as-SibÁÝÐ), die er eine miÎna 86 nannte, in Schutz nahm. Nicht minder bemerkenswert ist seine selbstverständliche und ehrenvolle Bezugnahme auf ÝAbdallÁh as-SubaitÐ, jenen libanesischen Schiiten, der 1956 die Azhar und ihre Führung mit beißendem Spott überzogen hatte. AbÙ Rayya nannte ihn „einen großen Gelehrten von außerhalb Ägyptens“ und reservierte ihm 87 den schiitischen Ehrentitel al-ÝAllÁma („der Hochgelehrte“). Umgekehrt streute er in Beiträgen, die er seinerseits zu Büchern schiitischer Autoren (wie etwa MurtaÃÁ alÝAskarÐ) beisteuerte, immer wieder kritische Bemerkungen an die Adresse seiner sun88 nitischen Kritiker ein. Zumindest ein Teil der Ablehnung, die AbÙ Rayya von seiten der Azhar erfuhr, dürfte von diesen Beziehungen zu schiitischen Gelehrten, die ihrerseits den sunnitischen ÝulamÁÞ kritisch gegenüberstanden, herrühren. Dies gilt um so mehr, als sein Angriff auf die Azhar, was ihren Ton und ihre Wortwahl anbelangt, ebensogut von einem schiitischen Polemiker hätte stammen können. Zuletzt konnte auch die heftige Kritik an MuÒÔafÁ as-SibÁÝÐ, der bei der Legitimation des „islamischen Sozialismus“ eine derart große Rolle spielte, kaum die Zustimmung der Azhar finden. 89 Mit ihrer offenen Anfeindung der ÎadÐ×- und historiographiekritischen Bücher AbÙ Rayyas nahm die Azhar in den sechziger Jahren mehr oder weniger bewußt eine Brüskierung der schiitischen ÝulamÁÞ in Kauf, die eben jenen Thesen durchaus aufgeschlossen gegenüberstanden. Daß dieses Vorgehen nicht unbedingt im Sinne einer Annäherung der Konfessionen zu verstehen war, war für die Gelehrten der Kairiner Hochschule offensichtlich nur von untergeordneter Bedeutung. ∗∗∗ Nach dem Junikrieg von 1967 kam es zu einer allmählichen Wiederannäherung zwischen Ägypten und Iran. Noch zu ÝAbd an-NÁÒirs Lebzeiten wurden die seit 1960 unterbrochenen diplomatischen Beziehungen diskret wiederaufgenommen. Dieser 86 ŠaiÌ al-maÃÐra, 5f.; es sei an dieser Stelle daran erinnert, daß as-SibÁÝÐs Buch, dem diese Kritik galt, in der taqrÐb-Diskussion bereits einmal eine Rolle gespielt hatte, und zwar ausgerechnet in der Auseinandersetzung des Autors mit Ñadr ad-DÐns Vater ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn (s. oben, S. 186). Die Vermutung liegt nahe, daß mit dem Vorwort des Sohnes auch so etwas wie eine moralische Ehrenrettung seines Vaters verbunden sein sollte. 87 AbÙ Rayya: ŠaiÌ al-maÃÐra AbÙ Huraira, 278 bzw. 301; zu as-SubaitÐs Kritik an der Azhar s. oben, S. 205f. 88 Vgl. sein 1962 entstandenes Vorwort zu MurtaÃÁ al-ÝAskarÐs Naqš-e ÝÀÞiša, bes. 4f.; ferner arRaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 329f. (Kritik an AbÙ Zahra, den er auch in ŠaiÌ al-maÃÐra, 293-98 heftig angriff); mit dem irakischen Gelehrten MurtaÃÁ al-ÝAskarÐ (geb. 1914; s. MMI III/293f.; MošÁr VI/Sp. 142f.) scheint ihn eine Art Geistesverwandtschaft verbunden zu haben, s. das zitierte Vorwort, passim sowie ar-RaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 319-23; zu al-ÝAskarÐs (dezidiert schiitischem) Geschichtsbild in bezug auf die umstrittene Figur des ÝAbdallÁh b. SabaÞ vgl. Ende: Arabische Nation, 203-07, ferner RI 8/1956/441ff. 89 AbÙ Rayya belegte ihn mit dem aus der schiitischen Häresiographie stammenden Begriff nÁÒibÐ; ŠaiÌ al-maÃÐra AbÙ Huraira, 13.

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Kurs wurde von seinem Nachfolger Anwar as-SÁdÁt fortgesetzt, der im Herbst 1971 zu 90 einem Staatsbesuch nach Teheran reiste. Unter diesen abermals veränderten Umständen wurde es nun auch wieder für die Azhar möglich und wünschenswert, Kontakte zu schiitischen Gelehrten aufzunehmen. Man mag darin auch den Versuch der Regierung wie der Azhar sehen, die beiden Stränge des Pan-Islamismus, die in den zurückliegenden zehn Jahren so deutlich getrennt waren, wieder zusammenzuführen und das Gespräch unter Theologen verschiedener Konfession erneut in den politisch motivierten islamischen Internationalismus zu integrieren. Das Resultat war eines der bemerkenswertesten Ereignisse in der Geschichte der Beziehungen der Azhar zur Schia im 20. Jahrhundert überhaupt, nämlich der Besuch des seit 1969 amtierenden ŠaiÌ al-Azhar 91 MuÎammad MuÎammad al-FaÎÎÁm in Iran im Sommer 1971. Der neue Rektor hatte von Beginn seiner Amtszeit an betont, daß die Verwirklichung der islamischen Einheit auch für ihn ein Hauptanliegen darstelle, ohne dabei jedoch, wie seinerzeit ŠaltÙt, der Schia seine gesonderte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Statt dessen beschränkte er sich auf allgemeine Appelle, im Kampf gegen die gemeinsamen äußeren Feinde – früher die Kreuzfahrer, danach die Mongolen, heutzutage die Kolonialisten und insbesondere 92 Israel – die Reihen zu schließen. Gleichwohl leitete er höchstselbst eine Delegation, die im Juli 1971 zum ersten offiziellen Besuch eines Oberhaupts der Azhar nach Iran 93 aufbrach. Die Stationen der Reise umfaßten Teheran, Isfahan, Mašhad und vor allem Qom. Das eigentlich Erstaunliche an diesem Besuch ist, daß er innerhalb der islamischen Gelehrtenwelt, und zwar sowohl unter Sunniten als auch Schiiten, so gut wie überhaupt keine Beachtung fand und dementsprechend vollkommen folgenlos blieb. Zehn Jahre zuvor, auf dem Höhepunkt der ökumenischen Aktivitäten unter MaÎmÙd ŠaltÙt, hätte eine Iran-Reise des amtierenden ŠaiÌ al-Azhar zweifellos aufsehenerregend und 94 geradezu revolutionär gewirkt. Jetzt aber, da die ÝulamÁÞ beider Konfessionen wieder auf Distanz zueinander gegangen waren und allgemeine Ernüchterung Einzug gehalten hatte, stieß die Reise auf kein Interesse mehr. Der Azhar-Zeitschrift war sie nicht einmal eine Kurzmeldung wert. Nur durch die beiläufige Mitteilung in einem ganz anderen Zusammenhang, der ŠaiÌ al-Azhar habe sich „mit dem Schah von Iran während 90 Art. Arab-Iranian Relations in Modern Time, EIr II/220-24, bes. 221 (R.K. Ramazani); Ram: UAR-Iranian Propaganda War, 247; Àl ÝAlÐ: ÉawÁnib min aÒ-ÒilÁt a×-×aqÁfÐya, S. qff.; al-WardÁnÐ: MiÒr … ÏrÁn, 24-31, 181-83; ÝAbd al-ÝAlÐm al-MahdÐ: MÁÆÁ Ýan al-mubÁÎa×Át aš-ŠÁfiÝÐ fÐ ÏrÁn?, Minbar al-IslÁm 29/10 (Nov. 1971), 18-20; ferner Íasan ÍanafÐ: ad-DÐn wa-×-×aura fÐ MiÒr 1952-1981, Kairo 1988, III/173-82; eine stark antiiranische Darstellung findet sich bei al-MÙsawÐ: ÏrÁn fÐ rubÝ qarn, 52-56. 91 Über ihn (1894-1980) s. ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/271-86; KaÎÎÁla M/721; MA 41/6 (Okt. 1969), 404; MIDEO 11/1972/436-43. 92 MA 41/9 (Jan. 1970), 644f.; ferner 41/10 (Febr. 1970), 724-27; vgl. auch Minbar al-IslÁm 27/8 (Okt. 1969), 9-14; ar-RaÃawÐ: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, 60-64 und idem: al-BurhÁn, 335-37. 93 Die übrigen Mitglieder der Delegation waren ÝAÔiya Ñaqr, ÝAbd al-ËalÐl al-ÍuÒrÐ, AÎmad ašŠarabÁÒÐ sowie MuÎammad MuÎammad MuÎammad (sic!) al-FaÎÎÁm, der Sohn des ŠaiÌ al-Azhar. 94 Vgl. etwa die relativ ausführliche Berichterstattung der MA über die Südostasien-Reise ŠaltÙts Anfang 1961, die ihn nach Malaysia, Indonesien und den Philippinen führte: MA 32/9 (Febr. 1961), 1031-40 und 32/10 (März 1961), 1165-68; s. auch ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/191-93; es war ŠaltÙts einzige Auslandsreise als ŠaiÌ al-Azhar.

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seines Besuches daselbst über die Gründung einer islamischen Universität in Nigeria (!)“ unterhalten, war es für die Leser der MA überhaupt ersichtlich, daß sich al95 FaÎÎÁm in Iran aufgehalten hatte. Selbst ÝAlÐ ÝAbd al-ÝAÛÐm, der den Lebensweg wie auch die Amtsgeschäfte der Rektoren der Azhar im 20. Jahrhundert generell recht ausführlich dokumentiert, begnügt sich an dieser Stelle mit einem knappen, gerade viereinhalb Zeilen umfassenden Absatz, in dem es lediglich heißt, al-FaÎÎÁm sei von seinen iranischen Gastgebern – die ungenannt bleiben – seiner Stellung entsprechend freundlich empfangen worden, und man habe sich darauf geeinigt, weiter der Verwirk96 lichung der islamischen Einheit dienen zu wollen. Durchaus ungewöhnlich ist jedoch die Tatsache, daß auch die schiitischen Gelehrten sehr zurückhaltend auf al-FaÎÎÁms Visite reagierten. Im ÝIrfÁn etwa fand sich kein Hinweis darauf, und auch in später veröffentlichten Schriften ökumenisch gesinnter Autoren sucht man danach vergebens. Das dürfte in erster Linie am allgemeinen Charakter des Besuchs liegen, der angesichts des Tauwetters zwischen Kairo und Teheran deutlich politischen Charakter hatte und bei dem es die Gäste an lobenden Äußerungen 97 an die Adresse des Schahs nicht fehlen ließen. In einer Zeit, da die schiitische Opposition gegen den iranischen Herrscher entweder mundtot gemacht oder ins Exil gezwungen worden war, konnte die hier zur Schau gestellte Solidarität der Azhar mit der Teheraner Regierung ihren Eindruck auf die Schiiten außerhalb Irans nicht verfehlen. War zu Beginn des inneriranischen Aufruhrs das Vorgehen des Schahs gegen die ÝulamÁÞ von der Azhar noch scharf kritisiert worden, was wenigstens die theoretische Möglichkeit einer Unterstützung der Position ËomeinÐs offenließ, so wurde nun der Eindruck erweckt, als habe die Azhar im Gefolge der veränderten ägyptischen Außenpolitik erneut die Fronten gewechselt. Wie schon 1960, als sie die kurze Allianz mit den irakischen Schiiten aufkündigte, nahm die Azhar die nachträgliche Desavouierung eines wichtigen Teils der schiitischen Gelehrten in Kauf. Alles in allem hat es den Anschein, als sei die Reise nicht viel mehr als eine Art Begleitmusik zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern gewesen, mit dem Ziel einer wohlüberlegten Kontaktaufnahme mit der iranischen, und zwar der in Iran verbliebenen, Geistlichkeit und nicht dem Gespräch mit schiitischen Theologen im allgemeinen. Diese Haltung schlug sich in der Auswahl derjenigen Vertreter der Schia nieder, mit denen der ŠaiÌ al-Azhar zusammentraf. Die bedeutendsten von ihnen kamen aus den Reihen der quietistischen und apolitischen schiitischen Geistlichen, die die Herrschaft des Schahs zumindest tolerierten, anstatt wie der in NaÊaf im Exil lebende ÀyatollÁh ËomeinÐ offen gegen ihn zu agitieren. Zur Frage einer sunnitisch-schiitischen Annäherung hatten sie sich bisher so gut wie nicht geäußert und damit zu verstehen gegeben, daß die Frage einer Annäherung mit den Sunniten für sie zumindest keine Priorität besaß. Das gilt beispielsweise für ÀyatollÁh MoÎammad HÁdÐ MÐlÁnÐ, der

95 MA 43/5 (Aug. 1971), 505. 96 ÝAbd al-ÝAÛÐm: MašyaÌat al-Azhar, II/277. 97 Vgl. etwa den kurzen Artikel MoÊtabÁ KaiwÁns über den Aufenthalt der Azhar-Delegation in

Isfahan: YaÈmÁ (Teheran) 24/6 (Aug. 1971), 349f.

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zwar über zumindest sporadische Kontakte zu MoÎammad TaqÐ QommÐ verfügte, sich aber für Debatten, die über den Bereich der iranischen Schia hinausgingen, nicht 99 weiter interessiert zu haben scheint. Einzig und allein in Qom stieß al-FaÎÎÁms Besuch auf ein leidliches Echo, was 100 der Person ÀyatollÁh MoÎammad KÁÛem ŠarÐÝatmadÁrÐs zu verdanken ist. Obwohl 101 er während der Unruhen 1963 für kurze Zeit verhaftet worden war, und obwohl er 102 angeblich ËomeinÐ sogar das Leben gerettet haben soll, ist er in der Folgezeit kaum als Gegner des Regimes in Erscheinung getreten. Diese grundsätzliche Loyalität war es auch, die den Schah dazu veranlaßte, nach dem Tod des marÊaÝ at-taqlÐd MuÎsin alÍakÐm 1970 einen Versuch zu unternehmen, ŠarÐÝatmadÁrÐ als Nachfolger ins Gespräch zu bringen und auf diese Weise ËomeinÐs Aussichten zu schmälern. Als ŠarÐÝatmadÁrÐ das Ansinnen des Herrschers nicht rundweg ablehnte, trug ihm das nicht nur Protestdemonstrationen von Anhängern ËomeinÐs ein, sondern auch den heftigen 103 Widerspruch anderer schiitischer Gelehrter. Als nun ein Jahr später mit al-FaÎÎÁm einer der wichtigsten und ranghöchsten Repräsentanten des sunnitischen Islams nach Qom kam, war das für ŠarÐÝatmadÁrÐ sicherlich auch eine willkommene Gelegenheit, an internationaler Reputation zu gewinnen und aus dem beinahe übermächtigen Schatten ËomeinÐs herauszutreten. In diesem Sinne ist auch die Mitte der sechziger Jahre in Konkurrenz zu NaÊaf erfolgte Gründung seines Lehrinstituts DÁr at-tablÐÈ in Qom zu 104 interpretieren. Bei der Begegnung mit al-FaÎÎÁm präsentierte ŠarÐÝatmadÁrÐ das Institut gewissermaßen als schiitisches Gegenstück zur Azhar – und sich selbst als ein dem ŠaiÌ al-Azhar ebenbürtiger Gesprächspartner. So ist es denn auch verständlich, daß in der von der DÁr at-tablÐÈ herausgegebenen (arabischsprachigen) Zeitschrift alHÁdÐ in aller Ausführlichkeit von diesem Besuch berichtet wurde, während die übrige 105 muslimische Publizistik demonstrative Zurückhaltung übte. 98 Vgl. das Photo bei aš-ŠÐrÁzÐ: EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ, 240, das QommÐ zusammen mit MÐlÁnÐ und anderen ÝulamÁÞ in Mašhad zeigt; zu MÐlÁnÐ (1895-1975), der in Mašhad lehrte, s. GD VII/98-105; al-Mausim 20/1415 (1994)/143-63 und Momen: Introduction, 317; sein Treffen mit al-FaÎÎÁm wird kurz erwähnt im Art. IÒlÁÎ, ii: Iran in EI2 IV/165 (H. Algar). 99 Vgl. Akhavi: Religion and Politics, 102, 131. 100 Über ihn (1904/05-1986) s. GD II/12-30; RF II/744f.; MošÁr V/Sp. 22f.; ËiyÁbÁnÐ: ÝOlamÁ-ye moÝÁÒerÐn, 284-86; Momen: Introduction, 320; Keddie: Roots of Revolution, 208-10; Kurzbiographie in Orient 20/1979/4/5-8. 101 Akhavi: Religion and Politics, 103. 102 Keddie: Roots of Revolution, 208; Momen: Introduction, 254. 103 Algar: The Oppositional Role of the Ulama, 252; Menashri: Shi’ite Leadership, 122; zum Tode MuÎsin al-ÍakÐms und der gleichzeitigen Anerkennung al-ËÙÞÐs als neuen marÊaÝ at-taqlÐd s. Irf 58/3-4 (Juli-Aug. 1970), 435-43. 104 Vgl. Irf 52/5 (Nov. 1964), 568, Irf 53/7-8 (Jan.-Febr. 1966), 741-43 und Irf 54/9-10 (März-April 1967), 1167-69; das Institut ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Studienkreis, den der iranische Reformtheologe ŠarÐÝat SangalaÊÐ nach 1931 um sich geschart hatte, vgl. Y. Richard: SharÐÝat SangalajÐ: A Reformist Theologian of the RiÃÁ ShÁh Period, in: S.A. Arjomand (ed.): Authority and Political Culture in ShÐÝism, Albany 1988, 159-77, hier 164. 105 ŠaiÌ al-Azhar aš-šarÐf yazÙr al-ÊÁmiÝa al-islÁmÐya fÐ Qum ÏrÁn, al-HÁdÐ 1/1 (Sept. 1971), 13754; eine gleichfalls von der DÁr at-tablÐÈ herausgegebene Broschüre mit dem Titel GÁmÐ-ye dÐgar dar rÁh-e waÎdat-e eslÁmÐ. GozÁreš-e mašrÙÎ-e dÐdÁr-e šaiÌ ol-Azhar az Îouze-ye ÝelmÐ-ye Qom, Qom 1391/1971 war mir nicht zugänglich. Auch die Zeitschrift al-HÁdÐ bezog ihre Legitimation auf dem Gebiet der muslimischen Einheit vom Übervater des Pan-Islamismus, ÉamÁl ad-DÐn al-AfÈÁnÐ, s.

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al-FaÎÎÁms Besuch im Qom war anscheinend kurzfristig anberaumt worden und dauerte nur einen Tag. Vermittelt hatte das Treffen vermutlich der umtriebige MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya, der am 13. Juli 1971 in Qom ebenfalls zugegen war und die Be106 grüßungsansprache hielt. Mehr als der Austausch von unverbindlichen Absichtserklärungen und Höflichkeiten war von einer derart kurzen Begegnung selbstverständlich nicht zu erwarten. Dementsprechend beschränkten sich die Reden auf die Beschwörung der Einheit aller Muslime gegen die gemeinsamen Feinde Kolonialismus und Israel – ein altbekanntes Argument, das schon zu Hochzeiten der taqrÐb-Debatte eine wichtige identitätsstiftende Bedeutung gehabt hatte und jetzt, nach dem verlorenen Juni-Krieg, geradezu obsessive Züge annahm. Sogar die ehemals so wichtige Betonung gemeinsamer Glaubensgrundsätze trat demgegenüber in den Hintergrund. Von iranischer Seite war mehrfach der Wunsch nach intensiveren Kontakten mit sunnitischen ÝulamÁÞ im allgemeinen und gerade mit Vertretern der Azhar zu hören. Aufschlußreich für die Reaktion der Azhar-Gelehrten auf dieses Anliegen war indes die bereits an anderer Stelle referierte Frage, die MuÈnÐya an al-FaÎÎÁm richtete, nämlich, ob an der Azhar ÊaÝfaritisches Recht unterrichtet werde und ob es möglich sei, zu einer 107 Zusammenarbeit zwischen der Azhar und der DÁr at-tablÐÈ zu gelangen. Unter diesen Umständen mußten die Vorschläge ÝÏsÁ ÝAbd al-MaÊÐd al-ËÁqÁnÐs, eines Professors für arabische Literatur an der DÁr at-tablÐÈ, von vornherein ins Leere zielen. Unter der Überschrift ad-DaÝwa ilÁ t-taÃÁmun – eine bemerkenswerte Wortwahl, in der er den von König FaiÒal in die Diskussion gebrachten Begriff der Solidarität aufnahm und gleichzeitig das an sich für die ökumenische Debatte gebräuchliche Wort taqrÐb umging – hatte er drei Voraussetzungen für einen gedeihlichen Dialog der Konfessionen skizziert: Neben der Fortsetzung von Kontakten und Gesprächen zwischen Religionsgelehrten sowie der Schaffung eines „religiösen Zentrums zur Überwachung von Druckerzeugnissen und Veröffentlichungen“ forderte er, einen Ausschuß (laÊna) ins Leben zu rufen, dem Personen angehören sollten, „die im Bereich der Wissenschaft einen hohen Rang“ einnähmen. Aufgabe dieses Gremiums solle es sein, die „islamischen Tätigkeiten zu überwachen“ (al-išrÁf ÝalÁ l-aÝmÁl al-islÁmÐya) und so zu verhindern, daß diese sich in Einzelaktionen erschöpften. Denn mitunter, warnte al-ËÁqÁnÐ, seien individuelle (also unkoordinierte) Aktionen der Sache des Islams geradezu ab108 träglich. Die ÉT, deren Tätigkeit sich mit eben diesen Forderungen deckte, erwähnte er mit keiner Silbe. Der Besuch ihres Rektors al-FaÎÎÁm in Iran hinterließ an der Azhar keine Spuden Abdruck von dessen Artikel al-WaÎda al-islÁmÐya in Heft 1/3 (März 1972), 64-69. 106 al-HÁdÐ 1/1 (Sept. 1971), 138-41; ein Photo, das ihn zusammen mit al-FaÎÎÁm und ŠarÐÝatmadÁrÐ zeigt, ist abgedruckt in GD II/19, ein weiteres, auf dem er Arm in Arm mit al-FaÎÎÁm und AÎmad aš-ŠarabÁÒÐ zu sehen ist, findet sich in seiner Autobiographie TaÊÁrib MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya, 283 (und bei al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, [223]); allerdings ging MuÈnÐya darin nicht auf alFaÎÎÁms Qom-Besuch ein. MuÈnÐya unterrichtete später zwei Jahre lang an der DÁr at-tablÐÈ, diese enge Verbindung mit ŠarÐÝatmadÁrÐ war es auch, die ihn in seiner Gegnerschaft zu ËomeinÐs Theorie von der welÁyat-e faqÐh bestärkte, die er in seinem Buch Falsafat at-tauÎÐd wa-l-wilÁya, Beirut 1976/77 niederlegte; s. dazu Göbel: Moderne schiitische Politik, 128-37. 107 al-HÁdÐ 1/1 (Sept. 1971), 141; s. auch oben, S. 228. 108 ÝÏsÁ ÝAbd al-MaÊÐd al-ËÁqÁnÐ: ad-DaÝwa ilÁ t-taÃÁmun, al-HÁdÐ 1/1 (Sept. 1971), 45-55, hier 49f.; vgl. auch ibid., 145-48.

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ren – und scheint auch al-FaÎÎÁm selbst nur undeutlich im Gedächtnis geblieben zu sein: In einem Anfang November 1977 verfaßten Brief an den Teheraner Gelehrten 109 Íasan SaÝÐd, der ihn in Kairo besuchte, erinnerte er sich der „schönen Tage, die ich 110 1970 (sic!) in Teheran verbrachte.“ Abgesehen von gelegentlichen Briefen oder Te111 legrammen, etwa aus Anlaß religiöser Feiertage, scheint es in den folgenden Jahren weder während des Rektorats al-FaÎÎÁms noch unter seinem Nachfolger ÝAbd alÍalÐm MaÎmÙd weitergehende Kontakte zu schiitischen Gelehrten gegeben zu haben. MaÎmÙd, der uns vorhin bereits als Kritiker AbÙ Rayyas begegnete, machte aus seiner Skepsis gegenüber der Schia kein Hehl: In seiner FatwÁ-Sammlung war er nach einer zwar nicht polemischen, aber doch deutlich distanzierten Betrachtung des schiitischen Geschichtsbilds zu dem Schluß gekommen, bei der Schia handle es sich um eine (politische) Partei (Îizb), die aus diesem Grunde alles für Lüge erkläre, was der Stärkung ihrer Machtposition im Wege stehe und die in alles vernarrt sei, wovon sie sich einbilde, daß es ihr nütze. Ihre Interpretation der islamischen Geschichte erfolge analog zu diesen Vorlieben. Mit der Zeit aber, so gab er sich optimistisch, werde man die Schia 112 schon zur rechten Norm (as-sanan al-qawÐm) zurückführen. Daß er unter diesen Voraussetzungen den schiitischen Zusatz beim Gebetsruf für ungültig hielt oder bei einer Besprechung der muslimischen Rechtsschulen die Schia überging, fügt sich in die113 ses Bild. ÀyatollÁh ŠarÐÝatmadÁrÐ seinerseits versuchte in den folgenden Jahren, die Verbindung zu sunnitischen Gelehrten nicht völlig abreißen zu lassen und hieß an seiner DÁr at-tablÐÈ von Zeit zu Zeit sunnitische ÝulamÁÞ willkommen, darunter als wohl promi114 nentesten den syrischen GroßmuftÐ AÎmad KuftÁrÙ. Vereinzelt wandte er sich mit Proklamationen auch an die sunnitische Öffentlichkeit, so z.B. nach dem Oktober115 Krieg von 1973, als er zur Einheit der Muslime im Kampf gegen Israel aufrief. Das genügte zwar sunnitischen Polemikern, sein Lehrinstitut mit demselben Vorwurf zu 109 Über ihn s. GD IV/483; ein Brief ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙds an ihn aus demselben Jahr ist abgedruckt bei ar-RaÃawÐ: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, [6] sowie bei aÒ-Ñadr: aš-ŠÐÝa al-imÁmÐya, 4. 110 ar-RaÃawÐ: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, 63; ganz im Gegensatz dazu steht die beinahe überschwengliche Bewertung, die noch Jahre später in Qom kolportiert wurde. Dem Schriftsteller V.S. Naipaul, der sich im Sommer des Revolutionsjahres 1979 in Iran aufhielt, vertraute ein anonymer Leiter eines Lehrinstituts in Qom an, daß „the rector of Al Azhar University in Cairo (…) had been so impressed by what he had seen in Qom that he had declared that Qom students would be accepted without any downgrading by Al Azhar.“, V.S. Naipaul: Among the Believers. An Islamic Journey, London 1982, 50; al-ËÁqÁnÐ wiederum hatte den ägyptischen Gästen gegenüber allerdings ausdrücklich sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, daß deren Besuch in die Sommerferien fiel; al-HÁdÐ 1/1 (Sept. 1971), 147. 111 Vgl. z.B. die Telegramme al-FaÎÎÁms und ŠarÐÝatmadÁrÐs zum Fest des Fastenbrechens 1392/ 1972 in al-HÁdÐ 2/2 (Dez. 1972), 186. 112 ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙd: FatÁwÁ, I-II, Kairo 1981-82, I/100-15, bes. 114f. 113 Ibid., I/426; ŠalabÐ: ŠaiÌ al-IslÁm ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙd (wie oben, Anm. 78), 166-72; dabei ist allerdings anzumerken, daß die Praxis, den ÁÆÁn um den Halbsatz „ich bezeuge, daß ÝAlÐ der Freund Gottes ist“ zu verlängern, auch von manchen schiitischen Theologen mit eher gemischten Gefühlen gesehen wird, s. Falaturi: Die Zwölfer-Schia, 77f. sowie Ende: Erfolg und Scheitern, passim. 114 Vgl. GD II/20, 24 sowie al-HÁdÐ 2/4 (Aug. 1973), 182f.; zu KuftÁrÙ (geb. 1915) s. MMS 442. 115 al-HÁdÐ 3/1 (o.J., ca. 1974), 196-98; seine Ansprechpartner waren auch in diesem Fall der ŠaiÌ al-Azhar und der syrische GroßmuftÐ, zu den wechselseitigen Telegrammen und den Antworten MaÎmÙds und KuftÁrÙs s. ibid., 199f.

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belegen wie seinerzeit die ÉT, nämlich eine Propagandaorganisation der Schia zu sein, führte jedoch zu keiner neuerlichen Institutionalisierung des sunnitisch-schiitischen Dialogs. Ohnehin war ŠarÐÝatmadÁrÐs öffentliches Wirken kurz nach der Iranischen Revolution zu Ende, als es zwischen ihm und ËomeinÐ über die Frage der „richtigen“ islamischen Staatsform zum Zerwürfnis kam und ŠarÐÝatmadÁrÐ nach Ausschrei117 tungen seiner Anhänger unter Hausarrest gestellt wurde. ÝÏsÁ al-ËÁqÁnÐs Warnung vor dem zweifelhaften Nutzen von Einzelaktionen zum Trotz gelangte die ökumenische Diskussion in den siebziger Jahren über dieses Stadium nicht mehr hinaus. Ein Musterbeispiel für die Erschöpfung der Debatte ist der Beitrag ÀyatollÁh KamareÞÐs, dessen persönliche Annäherung mit der saudi-arabischen Politik und Gelehrtenwelt zuvor bereits zur Sprache kam. 1972 trat er erneut mit einem Buch an die Öffentlichkeit, in dem er sich des Verhältnisses zwischen Sunniten und Schiiten annahm. Unter dem Titel RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ – eine wohl kaum zufällige Anspielung auf die Islamische Weltliga – holte er zu einer langen Verteidigung desjenigen Zustands aus, den es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gab: Mehr als die Hälfte seines Werkes widmete er einem (undatierten) Schreiben, das er von einem gewissen ÝUmar FÁrÙq AÝÛam aus dem westa¿erbaiÊÁnischen MahÁbÁd erhalten habe. Darin hatte dieser die Einberufung einer Konferenz, bestehend aus ÝulamÁÞ der Azhar und aus Saudi-Arabien gefordert, deren Ziel es sein müsse, ŠaltÙts FatwÁ – jenes, wie er es nannte, von politischen Erwägun118 gen diktierte „Krebsgeschwür im Leib der Religion“ – schleunigst zu annullieren. 119 Im Zuge seiner über eine bloße Zurückweisung weit hinausgehenden Antwort nahm KamareÞÐ nicht nur mehrfach ŠaltÙt in Schutz, sondern wartete mit einem eigenen Vorschlag auf, wie die fortbestehenden Probleme zwischen den muslimischen Konfessionen am besten angegangen werden könnten. Eine internationale Konferenz von sunnitischen und schiitischen Gelehrten aus allen wichtigen islamischen Ländern zur Lösung der dringendsten Probleme habe die Aufgabe, einen ständigen Obersten Rat (haiÞa ÝulyÁ) einzurichten, der mit der Behandlung nachgeordneter Fragen befaßt 120 sein sollte. Zutritt zu diesem Komitee, das er MaÊmaÝ (oder auch maÊlis) aš-šÙrÁ bain al-maÆÁhib nannte, sollten ausschließlich diejenigen Gelehrten haben, die vier eng miteinander verwandte Bedingungen erfüllten: Ein jedes Mitglied sollte den Rang eines faqÐh muÊtahid bekleiden, in der Geschichte der islamischen Welt bewandert

116 al-ÇarÐb: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 136 nennt als weitere sunnitische Besucher den libanesischen MuftÐ Íasan ËÁlid sowie einen gewissen UstÁÆ ÑÁliÎ AbÙ RaqÐq. 117 Vgl. dazu ausf. Menashri: Shi’ite Leadership, passim; Akhavi: Religion and Politics, 172-80; Göbel: Moderne schiitische Politik, 128. Von seinen Gegnern wurden er und sein Institut DÁr at-tablÐÈ der Kollaboration mit dem berüchtigten Geheimdienst des Schahs SÁwÁk bezichtigt: ÍamÐd RÙÎÁnÐ: ŠarÐÝatmadÁrÐ dar dÁdgÁh-e tÁrÐÌ, Teheran 31361/1982, bes. 75ff.; im Zuge dessen wurde ŠarÐÝatmadÁrÐ vollends zur Unperson erklärt, indem ihm sämtliche theologische Würden formell aberkannt wurden; s. D. Menashri: Iran. A Decade of War and Revolution, New York, London 1990, 239f. 118 KamareÞÐ: RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ, 20f. 119 Ibid., 25-112. 120 Ibid., 39, 41f.

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und in den islamischen Ländern herumgekommen sein sowie über Kenntnisse auch 121 außerhalb der Grenzen der Theologie verfügen. Im Unterschied zu anderen, unverbindlich bleibenden Appellen an die islamische Einheit hatte KamareÞÐ eine klare Vorstellung von den Dingen, denen die Aufmerksamkeit der Gelehrten zuvorderst gelten sollte. Die neun „Vorschläge“, die er dem noch zu bildenden Rat unterbreitete, bezogen sich allesamt auf eine vertiefte Beschäftigung mit der frühislamischen Geschichte, insbesondere den sensiblen Punkten ÍadÐ× und Prophetengefährten und stellten damit ein in der ökumenischen Debatte, wie zu sehen war, durchaus ungewöhnliches Ansinnen dar. Betrachtet man die neun Punkte 122 im einzelnen, so wird allerdings ziemlich rasch deutlich, daß es ihm im Prinzip um eine Revision der islamischen Historiographie im Sinne der traditionellen schiitischen Auffassungen ging. Mit seinem ersten Anliegen – der Zusammenstellung derjenigen ÍadÐ×e, über die unter Sunniten und Schiiten Einigkeit bestehe – befand er sich noch auf sicherem taqrÐb-Boden, hatten doch schon ŠaltÙt und die ÉT ein derartiges Unternehmen in Angriff genommen (worauf sich KamareÞÐ ausdrücklich bezog). Bereits sein zweiter Punkt aber mußte ihn zwangsläufig in eine völlig konträre Position zur sunnitischen Interpretation der Geschichte bringen: Das Gelehrtengremium, forderte er, solle eine Sammlung von Biographien herausragender Prophetengefährten vorlegen, wobei auf die Aufnahme von Personen wie AbÙ Huraira, MuÝÁwiya b. AbÐ SufyÁn oder ÝAmr b. al-ÝÀÒ getrost verzichtet werden könne, da deren Lauterkeit und rechte Gesinnung bei den Muslimen nicht unumstritten sei. Nicht weniger problematisch war die Forderung, die Taten der vier ersten Kalifen einzuteilen in fortschrittliche und solche, die ein „Zurückweichen“ (taqahqur) des Islams zur Folge gehabt hätten, wobei letztere unbedingt zu vergessen seien und ihre Darstellung keinesfalls dem gemeinen Volk (ÝÁmma) zugemutet werden dürfe. Daß er schließlich die Geburtstage der Imame zu allgemeinen Feiertagen erklären und die Àl al-bait verherrlicht wissen wollte, hätten ihm sunnitische Leser, so es sie denn überhaupt in nennenswerter Anzahl gegeben haben sollte, ebenso unschwer als schiitische Propaganda auslegen können wie die Stichelei, mit der er zwar ËadÐÊa und Umm Salama (die fünfte Frau des Propheten) „Mütter der Gläubigen“ nannte, ÝÀÞiša aber zu erwähnen „vergaß“. KamareÞÐs Schrift und die in ihr enthaltenen Vorschläge einer Wiederbelebung der taqrÐb-Diskussion wurden weder von anderen Gelehrten noch von der im Stadium 123 fortgeschrittener Agonie befindlichen ÉT, auf die KamareÞÐ sich mehrfach berief, aufgegriffen. Angesichts des traditionell schiitischen Geschichtsbilds des Autors war es erst recht nicht verwunderlich, daß auch die saudi-arabischen ÝulamÁÞ, allen voran der GroßmuftÐ MuÎammad b. IbrÁhÐm Àl aš-ŠaiÌ und der Generalsekretär der Islamischen Weltliga, MuÎammad SurÙr aÒ-ÑabbÁn, die KamareÞÐ ausdrücklich lobend er-

121 Ibid., 68f. 122 Vgl. zum folgenden ibid., 72-77. 123 So z.B. ibid., 25, 34, 37f., 72.

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wähnt hatte, sich vom Titel des Buches wenig beeindruckt zeigten und sich für die ökumenischen Pläne des iranischen Gelehrten nicht erwärmen konnten. Mehr Resonanz war einem anderen Buch beschieden, das zwei Jahre nach KamareÞÐs Werk erschien. Unter dem Titel MaÝa riÊÁl al-fikr fÐ l-QÁhira legte MurtaÃÁ arRaÃawÐ al-KašmÐrÐ eine Sammlung von nicht weniger als 32 Protokollen von Gesprächen mit ägyptischen Gelehrten und Intellektuellen vor, mit denen er im Laufe der Jahre in Ägypten zusammengetroffen war. Der Autor, ein irakischer schiitischer Publi125 zist pakistanischer Herkunft, war auf dem Gebiet der ökumenischen Aktivitäten kein gänzlich Unbekannter. Ende der fünfziger Jahre hatte er sich zum ersten Mal in Kairo aufgehalten und die publizistischen Unternehmungen der ÉT tatkräftig unterstützt. Das bedeutendste Ergebnis der Zusammenarbeit mit MoÎammad TaqÐ QommÐ war 1957 die Edition des berühmten schiitischen Rechtskompendiums WasÁÞil aš-šÐÝa alÍurr al-ÝÀmilÐs und der von Íusain TaqÐ an-NÙrÐ aÔ-ÓabarsÐ dazu verfaßten Ergänzung 126 Mustadrak al-wasÁÞil. Gleichzeitig hatte er damit begonnen, in der Kairiner Niederlassung seiner ursprünglich in Bagdad beheimateten Druckerei MaÔbaÝat an-NaÊÁÎ auch die Schriften zeitgenössischer schiitischer Autoren zu verlegen und auf diese Weise der Forderung der taqrÐb-Bewegung nach besserer Unterrichtung der Sunniten 127 über die Schia nachzukommen. Zu den bekanntesten Werken, die auf diesem Wege der sunnitischen Öffentlichkeit nahegebracht werden sollten, zählten die zehnte Auflage von MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞs AÒl aš-šÐÝa wa-uÒÙluhÁ, die Anfang 1958 erschien, MuÎammad RiÃÁ al-MuÛaffars Apologetik ÝAqÁÞid al-imÁmÐya von 128 1961 sowie MurtaÃÁ al-ÝAskarÐs kritische Studie über ÝAbdallÁh b. SabaÞ von 129 1962. Die Vorworte zu diesen Ausgaben stammten nicht selten von sunnitischen Autoren, die allerdings nicht notwendigerweise als Theologen oder Religionswissenschaftler tätig waren: Im Falle von al-MuÛaffars Buch (wie auch in zahlreichen anderen Werken, die in ar-RaÃawÐs Verlag erschienen) war es der Literaturwissenschaftler ÍÁmid ÍifnÐ DÁwÙd, der betonte, wie wichtig es sei, die hier vorgelegten Schriften der 124 Ibid., 35; KamareÞÐ hatte die beiden genannten Personen als positive Ausnahmen von den übrigen saudischen ÝulamÁÞ gewürdigt, die nicht in demselben Maße wie die Azhar-Gelehrten auf das Wohl der Muslime bedacht und selbst aufgrund von Nichtigkeiten „wie Schießpulver entzündbar“ seien; zu MuÎammad b. IbrÁhÐm Àl aš-ŠaiÌ s.oben, S. 246 Anm. 139, zu aÒ-ÑabbÁn (1899-1972), der von 1962 bis zu seinem Tod an der Spitze der Weltliga stand, s. MaÈribÐ: AÝlÁm al-ÍiÊÁz, I/222-34; Schulze: Internationalismus, 129 und Index s.v. 125 Über ihn (geb. 1930) s. RF II/612; MMI III/293; NaqwÐ: Ta¿kere-ye ÝolamÁ-ye emÁmÐye-ye PÁkestÁn, 257; vgl. auch al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 126f. 126 Vgl. oben, S. 113. 127 Der erwähnte Verlag scheint nicht von ar-RaÃawÐ selbst gegründet worden zu sein: Auf dem Titelblatt der 1929 in Bagdad erschienenen Erstausgabe der Biographiensammlung AÎsan al-wadÐÝa fÐ tarÁÊim ašhar mašÁhÐr muÊtahidÐ š-šÐÝa von MuÎammad MahdÐ al-QazwÐnÐ al-KÁÛimÐ (zu ihm s. oben, S. 66 Anm. 32) wird als Direktor der NaÊÁÎ-Druckerei ÝAbd al-ÝAzÐz ad-DabbÁs genannt; ar-RaÃawÐ siedelte mit dem Verlag (1956?) nach NaÊaf über, s. RI 10/1958/217. Bei der Publikation der WasÁÞil aš-šÐÝa 1957 wurde die NaÊÁÎ-Druckerei noch nicht als Verlag genannt: ar-RaÃawÐ trat zwar als derjenige auf, der den Druck überwachte, das Werk erschien allerdings bei DÁr al-Ýahd al-ÊadÐd li-Ô-ÔibÁÝa. 128 Die erste Auflage war 1953/54 in NaÊaf erschienen (MMN 245). 129 Ebenfalls in zweiter Auflage (NaÊaf 11956; vgl. MMN 242); s. dazu Ende: Arabische Nation, 204; eine 27 Titel umfassende Liste von schiitischen Büchern, die auf ar-RaÃawÐs Veranlassung in Kairo gedruckt wurden, findet sich in: ar-RaÃawÐ: al-BurhÁn, 24f. Anm. 2; vgl. ferner idem: MaÝa riÊÁl al-fikr, 31.

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schiitischen Gelehrten selbst – und nicht immer nur die Bücher über sie – zu lesen, um 130 nicht die Fehler AÎmad AmÐns zu wiederholen. Auf der anderen Seite nutzte arRaÃawÐ seine Verbindungen zu sunnitischen ÝulamÁÞ dazu, in Einzelfällen auch den umgekehrten Weg zu beschreiten und sunnitische Werke in NaÊaf zu veröffentlichen, so geschehen beispielsweise mit dem Korankommentar des Azhar-Gelehrten 131 MuÎammad ÝAbd al-MunÝim al-ËafÁÊÐ. Während dieser ersten Etappe seines taqrÐb-Engagements beschränkte sich arRaÃawÐ auf die Tätigkeit des Verlegers, ohne selbst als Autor das Wort zu ergreifen. Das änderte sich erst in den siebziger Jahren mit dem erwähnten Buch über seine Begegnungen mit Vertretern des sunnitischen Islams in Kairo. Darin schilderte er die Gespräche, die er bei seinen Aufenthalten in Ägypten zwischen Ende 1957 und 1967 geführt hatte. Erst 1974 aber, also mit einer Verzögerung von sieben Jahren, schien es ihm aussichtsreich genug, mit seinen Aufzeichnungen – wiederum vermittels der Kairiner Dépendance der NaÊÁÎ-Druckerei – an die Öffentlichkeit zu treten, in der erklärten Absicht, der Annäherung zwischen Sunna und Schia wieder zu neuem Schwung zu 132 verhelfen. Bereitwillig druckte er zu diesem Zweck ein Vorwort von MurtaÃÁ al-ÍakamÐ ab, der das Buch und seinen Autor mit der Bemerkung feierte, hier finde der seinerzeit von ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn eingeleitete Dialog mit dem ŠaiÌ al-Azhar 133 seine Fortsetzung. Weder die Vertreter der ÉT – mit denen er früher immerhin zusammengearbeitet hatte – noch diejenigen herausragenden AzharÐs, die vor 1961 den Gang der taqrÐb-Ereignisse maßgeblich bestimmt hatten, traten in seinem Buch in Erscheinung. Zwar erwähnt er ganz am Ende beiläufig, er sei auch mit MaÎmÙd ŠaltÙt, MuÎammad MuÎammad al-MadanÐ, ÝAbd al-ÝAzÐz ÝÏsÁ und anderen in Kontakt gewe134 sen, doch teilt er über den Inhalt seiner Gespräche mit ihnen nichts mit. Einzig AÎmad Íasan al-BÁqÙrÐ und MuÎammad ÝAbd al-MunÝim al-ËafÁÊÐ können als Reprä135 sentanten der „klassischen“ taqrÐb-Bewegung der fünfziger Jahre gelten. Weniger als die Hälfte der 32 in dem Buch versammelten Personen waren Azhar-Gelehrte, wogegen er einen so wortgewaltigen Kritiker der Azhar wie MaÎmÙd AbÙ Rayya beinahe 136 zwanzig Seiten lang zu Wort kommen ließ. Die Unterredungen, die ar-RaÃawÐ wiedergab, kreisten hauptsächlich um die „richtige“ Beurteilung der Prophetengefährten und, damit eng verbunden, die sunnitische Haltung gegenüber den ahl al-bait. Von 137 wenigen Ausnahmen abgesehen erntete ar-RaÃawÐ bei seinen Gesprächspartnern 130 al-MuÛaffar: ÝAqÁÞid al-imÁmÐya, S. d; zu DÁwÙd (geb. 1918) s. ar-RaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 67-135 und idem: ÀrÁÞ al-muÝÁÒirÐn, 92-98. Sein Buch NaÛarÁt fÐ l-kutub al-ÌÁlida ist eine Sammlung von 13 derartigen Einleitungen, die er zu schiitischen Büchern verfaßte. 131 al-ËafÁÊÐ: TafsÐr al-qurÞÁn al-ÎakÐm, NaÊaf o.J. (ca. 1963); al-ËafÁÊÐ war seinerzeit auch an der Edition der WasÁÞil beteiligt gewesen. 132 Vgl. etwa die etwas umständliche Bemerkung auf dem Titelblatt, das Buch sei „ein freimütiger Dialog über verschiedene islamische Angelegenheiten, dessen Idee die Hauptfiguren dieses Buches aufgegriffen haben im Geist einer Objektivität, die auf Tiefe, Aufrichtigkeit und Annäherung abzielt.“ 133 ar-RaÃawÐ: MaÝa riÊÁl al-fikr, 21. 134 Ibid., 353. 135 Ibid., 51-56 (al-BÁqÙrÐ), 285-99 (al-ËafÁÊÐ). 136 Ibid., 311-30. 137 Vgl. z.B. das geradezu feindselige Gespräch mit einem Vertreter des TÐÊÁnÐya-Ordens, ÍÁfiÛ

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mehr oder minder deutliche Zustimmung für seine traditionalistische Haltung, mit der er das schiitische Geschichtsbild verteidigte, wenngleich er sein Ziel – öffentliche 138 Stellungnahmen in Form von Vorworten – nicht immer erreichte. In seinem Vorgehen, sich die „Richtigkeit“ der schiitischen Historiographie durch sunnitische Bestätiger vom Dienst beglaubigen zu lassen, war er seinem Vorbild Šaraf ad-DÐn in der Tat nicht unähnlich. ar-RaÃawÐs Buch erhielt durchaus freundliche Rezensionen in sunnitischen wie 139 schiitischen Zeitschriften. Dieses ermutigende Echo mag es auch gewesen sein, das ihn dazu veranlaßte, seine seit Jahren ruhenden Aktivitäten als Verleger schiitischer Werke in Kairo wiederaufzunehmen. Von den Büchern, die er in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre herausgab, verdient vor allem die (laut Titelblatt) zwanzigste Auflage der MurÁÊaÝÁt ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐns eine besondere Erwähnung; das Buch erschien als Nachdruck der Erstausgabe, um einen 40seitigen Vorspann mit zahlreichen Stellungnahmen sunnitischer und schiitischer Gelehrter erweitert, im Revolutionsjahr 1979. Neben der Abfassung eigener Schriften zum Thema islamische Einheit, in denen er auch der taqrÐb-Bewegung früherer Jahre, insbesondere der Rolle ŠaltÙts 140 und der Azhar breiteren Raum widmete, wandte er sich jetzt verstärkt derjenigen Literatur zu, die einer polemischen Widerlegung sunnitischer „Irrlehren“ in bezug auf die Schia gewidmet war. Ältere Bücher dieses Genres wie z.B. MuÎammad ÑÁdiq aÒ141 Ñadrs Antwort auf AÎmad AmÐn oder MuÎammad Íasan al-QazwÐnÐ al-ÍÁÞirÐs An142 griff auf die WahhÁbÐya, wurden neu aufgelegt. Trotz dieser antisunnitischen Tendenz scheint ar-RaÃawÐ in Kairo aber auch nach der Iranischen Revolution noch eine Weile aktiv gewesen zu sein – aÒ-Ñadrs Buch etwa erschien 1982 –, ehe er sich in den 143 achtziger Jahren in Teheran niederließ, wo er seine Publikationstätigkeit fortsetzte. at-TÐÊÁnÐ (141-45) oder seine Kritik an ÓÁhÁ Íusain, nachdem dieser die Bitte um ein Vorwort abgeschlagen hatte (169-80). 138 So etwa im Falle der bekannten Publizistin und Korankommentatorin ÝÀÞiša ÝAbd ar-RaÎmÁn „Bint aš-ŠÁÔiÞ“, die sich zwar zu der Bemerkung hinreißen ließ, eigentlich sei sie ja Schiitin und wolle ein Buch über ÝAlÐs Sohn Íusain verfassen, die ar-RaÃawÐs Bitte nach einem Vorwort zu dem Buch az-ZahrÁÞ von MuÎammad ÉamÁl al-HÁšimÐ aber mit der Begründung ablehnte, es enthalte Fehler und Zweifelhaftigkeiten; ibid., 182-84; zu ÝÀÞiša ÝAbd ar-RaÎmÁn, der Trägerin des FaiÒal-Literatur-Preises 1994, vgl. C. Kooij: Bint al-ShÁÔiÞ: a Suitable Case for Biography? in: Ibrahim A. El-Sheikh et al. (eds.): The Challenge of the Middle East, Amsterdam 1982, 67-72 sowie Jansen: Interpretation, 6876. 139 Vgl. Irf 62/9 (Nov. 1974), 1145; MA 48/1 (Jan. 1976), 113f. (wo als Erscheinungsort Teheran genannt wurde). 140 Vgl. v.a. FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya (Kairo31980); das Buch ÀrÁ al-muÝÁÒirÐn Îaul Á×Ár alimÁmÐya, Kairo 1979 ist inhaltlich wie formal eine Fortsetzung zu MaÝa riÊÁl al-fikr fÐ l-QÁhira. 141 aÒ-Ñadr: aš-ŠÐÝa al-imÁmÐya, Kairo 1982 (zuerst Bagdad 1933). 142 al-ÍÁÞirÐ: al-BarÁhÐn al-ÊalÐya fÐ raf Ý taškÐkÁt al-wahhÁbÐya, Kairo 1977 (zuerst NaÊaf 1346/ 1927-28, 21382/1962-63; s. MMN 106); einer Neuauflage (ca. 1990) gab ar-RaÃawÐ einen von ihm selbst verfaßten Anhang bei, bestehend aus einer Aufzählung von nicht weniger als 77 antiwahhabitischen Streitschriften; weitere Publikationen dieser Art sind die berühmten Polemiken DalÁÞil aÒ-Òidq von MuÎammad Íasan al-MuÛaffar (gegen den im 15. Jahrhundert lebenden sunnitischen Theologen FaÃlallÁh b. RÙzbihÁn al-ËunÊÐ; s. Ende: Arabische Nation, 114f. mit weiterer Literatur) oder ÝAbdallÁh as-SubaitÐs Streitschrift wider AÎmad AmÐn TaÎt rÁyat al-Îaqq, die beide am Ende des soeben zitierten Anhangs ar-RaÃawÐs zu al-ÍÁÞirÐs Buch angezeigt werden. 143 RF II/612; zu den in Teheran erschienenen NaÊÁÎ-Büchern gehören MuÎammad Íusain azZains aš-ŠÐÝa fÐ t-tÁrÐÌ (o.J.), ÝAbdallÁh as-SubaitÐs al-MubÁhala (1982; der Titel dieses Buches bezieht

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In den letzten Jahren scheint sich sein Wirkungskreis noch weiter vergrößert zu haben; seine Bücher erschienen nun in einem in Beirut und London ansässigen Verlag, in zum 144 Teil derselben äußeren Aufmachung wie die NaÊÁÎ-Bücher aus Kairo oder Teheran. An der ÉT gingen all diese Dinge vorüber, ohne ihren Niedergang verlangsamen, geschweige denn aufhalten zu können. Die beiden letzten Auftritte MoÎammad TaqÐ QommÐs in Kairo in den siebziger Jahren, aus Anlaß des 25- bzw. 30jährigen Gründungsjubiläums, waren der Versuch, von der Gesellschaft und ihrer Idee zu retten, was nicht mehr zu retten war. 1972 machte die verschiedentlich bereits totgesagte ÉT immerhin noch einmal publizistisch auf sich aufmerksam. Vermutlich unter dem Eindruck der Wiederannäherung zwischen Ägypten und Iran und als zumindest indirekte Folge von al-FaÎÎÁms Iran-Reise brach MoÎammad TaqÐ QommÐ im Mai 1972 nach Kairo auf, wo er am Flughafen von einer Abordnung von Azhar-ÝulamÁÞ empfangen 145 wurde. Das einzige greifbare Ergebnis seines Besuchs war das Erscheinen des – wie sich herausstellen sollte: letzten – Faszikels der RI, in dem nach bewährtem Muster nicht auf die Situation der ÉT oder der taqrÐb-Bewegung im allgemeinen eingegangen 146 wurde. Fünf Jahre später, im Frühjahr 1977, kam QommÐ noch einmal nach Kairo. Diesmal war zuvor eine gewisse publizistische Vorbereitung der Reise getroffen worden: In der Zwischenzeit waren nämlich, wenngleich außerhalb Ägyptens, zwei weitere umfangreiche Sammelbände mit Aufsätzen aus der RI erschienen. Ihr Herausgeber, der iranische Publizist ÝAbd al-KarÐm BÐ ÀzÁr ŠÐrÁzÐ, appellierte an die sunnitischen wie auch die (vor allem iranischen) schiitischen Gelehrten, wieder auf dem Gebiet der islamischen Ökumene aktiv zu werden. QommÐ selbst hielt sich im Hintergrund, nutzte jedoch in der persischen Version die Gelegenheit, in einem von ŠÐrÁzÐ geführten Interview an die ÉT und ihre angebliche Standfestigkeit gegenüber der Politik zu erin147 nern. Aus Anlaß seines Aufenthalts in Kairo gab der amtierende Minister für religiöse Stiftungen und Azhar-Angelegenheiten, MuÎammad MitwallÐ aš-ŠaÝrÁwÐ, zu Ehren des „Führers der schiitischen Muslime in Iran (!)“ einen Empfang, bei dem zahlreiche Azhargelehrte zugegen gewesen sein sollen. In seiner Dankesrede brachte QommÐ seine Hoffnung zum Ausdruck, daß die Mauern, mit denen sich die muslimischen Konfessionen umgeben hätten, niedergerissen werden könnten und die ÉT wieder zu sich auf den Koranvers 3/61, der für das schiitische Selbstverständnis von einiger Wichtigkeit ist; vgl. Momen: Introduction, 13f. sowie M.M. Ayoub: The QurÞan and its Interpreters. II: The House of Imran, Albany 1993, 188-202) sowie ein Büchlein mit vier Aufsätzen MuÎammad TaqÐ al-ÍakÐms mit dem Titel Fikrat at-taqrÐb bain al-maÆÁhib wa-buÎÙ× uÌrÁ (gleichfalls 1982). Ferner trat er 1987 als Herausgeber der sechsten Auflage von LuÔfallÁh aÒ-ÑÁfÐs Streitschrift MaÝa al-ËaÔÐb fÐ ÌuÔÙÔihi alÝarÐÃa auf. 144 Nämlich ÀrÁÞ ÝulamÁÞ al-muslimÐn und al-BurhÁn jeweils bei al-IršÁd li-Ô-ÔibÁÝa wa-n-našr. Eine 1987 unter dem Eindruck der Zusammenstöße bei der Pilgerfahrt verfaßte antiwahhabitische Polemik (ÑafÎa Ýan Àl SaÝÙd al-wahhÁbÐyÐn) war so scharf im Ton, daß er es vorzog, sie in Bombay herauszubringen; auf dem Rückendeckel seines ÀrÁÞ ÝulamÁÞ al-muslimÐn verweist ar-RaÃawÐ auf ein „Knowledge Center“ in Bombay. 145 al-HÁdÐ 1/4 (Juni 1972), 144f. (unter Berufung auf die ägyptische Tageszeitung al-AÌbÁr vom 15.5.1972). 146 Vgl. ÝAlÐ al-ÉundÐs Editorial zu RI 17/1972/3f. 147 aš-ŠÐrÁzÐ: al-WaÎda al-islÁmÐya,Beirut 1975 (21991) sowie idem: EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ, Teheran 1976 (bes. 24-32).

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neuem Leben erstehe. Besondere Aufmerksamkeit erregte dabei die Entscheidung 149 aš-ŠaÝrÁwÐs, der ÉT beizutreten und das auch noch öffentlich kundzutun. Tatsächlich verursachte dieser Besuch ein weitaus größeres Aufsehen als die meisten vorangegangenen taqrÐb-Initiativen und brachte die ÉT zum ersten Mal seit langem wieder in die Spalten der ägyptischen Presse, wenn auch nicht unbedingt im Sinne QommÐs. Denn unmittelbar nach aš-ŠaÝrÁwÐs Beitritt zur ÉT veröffentlichte die islamistische Zeitschrift al-IÝtiÒÁm eine scharfe Kritik am auqÁf-Minister, dem auf dem Titelblatt die Frage gestellt wurde, ob er die sunnitische Rechtsschule (!, maÆhab as-sunna wa-l-ÊamÁÝa) damit nun verlassen habe. Kernstück des Artikels war ein Brief des bereits weit über 80jährigen ehemaligen ägyptischen StaatsmuftÐs Íasanain MuÎammad MaÌlÙf, der seinen Schüler öffentlich über den „wahren“ Charakter der Schia aufklärte. Einmal mehr waren es die Streitfragen Imamat, MahdÐglaube und Bestreitung der Legitimität der ersten Kalifen durch die Schiiten, die im Mittelpunkt der Zurechtweisung standen. MaÌlÙf erinnerte daran, daß es den „Propagandisten der ÉT“ schon einmal beinahe gelungen wäre, in Verbindung mit ŠaltÙt und „einer Schar von Abweichlern“ ihre Forderung nach Unterrichtung des schiitischen Rechts an der Azhar durchzusetzen. Zwar seien die Schiiten als Muslime zu betrachten, da es gelte, mit ihnen eine gemeinsame Front gegen die Feinde des Islams aus den anderen Religionen zu bilden, das ändere allerdings nichts daran, daß ihre Ansichten nichtig (mubÔal) seien. aš-ŠaÝrÁwÐ sei es der Öffentlichkeit schuldig, seine Haltung gegenüber der Schia unmißverständlich zu erklären, da sonst die Schiiten aus der Beitrittserklärung aš-ŠaÝrÁwÐs zur ÉT Kapital 150 schlagen und ihn vor den Karren ihrer Propaganda spannen könnten. Der Angriff MaÌlÙfs war nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, als dieser in den fünfziger Jahren selbst als amtierender MuftÐ mit einer (allerdings einmaligen und eher 151 halbherzigen) Grußadresse in der Zeitschrift der ÉT vertreten gewesen war. Aufgrund seiner wahhÁbÐya-freundlichen Haltung, die ihn seit Mitte der fünfziger Jahre zu einer engen Zusammenarbeit mit den saudi-arabischen Religionsgelehrten führte (und ihm 1983 den von Saudi-Arabien gestifteten König-FaiÒal-Preis eintrug), kann in seinem Fall wohl kaum von einem ähnlichen „Ernüchterungseffekt“ wie bei manchen anderen taqrÐb-Aktivisten der frühen Jahre gesprochen werden. Von langer Dauer kann sein Zerwürfnis mit aš-ŠaÝrÁwÐ ohnedies nicht gewesen sein, da beide 1980 zu den Teilnehmern der konstituierenden Versammlung der von Anwar as-SÁdÁt geplanten 148 Dabei unterlief ihm der an sich unbedeutende, aber bezeichnende Lapsus, die Gründung der ÉT um zehn Jahre zurückzudatieren und ins Jahr 1937 zu verlegen; MA 49/5 (Juli 1977), 979f.; zu ašŠaÝrÁwÐ (geb. 1911) s. J.J.G. Jansen: The Preaching of ŠayÌ aš-ŠaÝrÁwÐ: Its Political Significance, in: A. Fodor (ed.): Proceedings of the 14th Congress of the Union Européenne des Arabisants et Islamisants, Part One (…), Budapest 1995, 51-59; zur Eröffnung eines iranischen Kulturzentrums in Kairo 1977, mit der QommÐs Besuch möglicherweise in Zusammenhang steht, vgl. ÉumÝa: al-ÝAlÁqÁt a××aqÁfÐya, 359. 149 al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, [228]. 150 Der Brief MaÌlÙfs aus der Juni-Ausgabe von al-IÝtiÒÁm ist abgedruckt bei al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 198-200; vgl. ibid., 156 und [227f.]; auch seine 1985 publizierte zweibändige FatwÁ-Sammlung FatÁwÁ šarÝÐya wa-buÎÙ× islÁmÐya erschien im Verlag DÁr al-iÝtiÒÁm. 151 Vgl. oben, S. 125; sein kurzer Artikel wurde in den beiden von ŠÐrÁzÐ herausgegebenen Sammelbänden von RI-Aufsätzen wiedergegeben.

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ÉÁmiÝat aš-šuÝÙb al-islÁmÐya al-ÝarabÐya zählten. Nichtsdestoweniger bewies die Heftigkeit der Anschuldigungen, mit denen sich aš-ŠaÝrÁwÐ konfrontiert sah, daß die Absicht, ein ökumenisches Forum unter Einschluß der Azhar wiederaufleben zu lassen, keineswegs auf einhellige Zustimmung unter den sunnitischen Würdenträgern in Ägypten rechnen konnte. Anderthalb Jahrzehnte nach ihrem faktischen Verschwinden aus der muslimischen Öffentlichkeit hatte QommÐs Vereinigung immer noch mit denselben Schwierigkeiten und derselben Opposition zu kämpfen wie bei ihrer Gründung. Wiewohl zwischen der Polemik MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐbs, der 1948 gegen die „DÁr at-taÌrÐb“ zu Felde gezo153 gen war und ihre Ausweisung nach Iran gefordert hatte, und dem Tadel MaÌlÙfs fast dreißig Jahre lagen, war der Bogen, der von ihnen gespannt wurde, dennoch kurz. Die ÉT hatte es nicht vermocht, an der Skepsis oder gar grundsätzlichen Ablehnung wichtiger Teile der sunnitischen Öffentlichkeit gegenüber der Schia und der innerislamischen Ökumene auf Dauer etwas zu ändern. Das gilt auch und erst recht für die Initiativen einzelner Gelehrter und Intellektueller oder für die Tätigkeit anderer Vereinigungen, die als Epigonen der ÉT auftraten und lediglich den antischiitischen Polemikern 154 einige bissige Bemerkungen wert waren. Die Islamische Revolution in Iran 1978/79 und der darauf folgende erneute Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Iran und Ägypten durchkreuzten QommÐs Pläne endgültig. Die ÉT wurde aufgelöst, QommÐ ging nach Paris ins Exil, 155 wo er im August 1990 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Die einzige isla152 Vgl. dazu Schulze: Internationalismus, 403f.; ungeachtet seiner Vorwürfe gegen die Schia wurde 1988, also noch zu Lebzeiten MaÌlÙfs, dessen linguistischer Korankommentar ins Persische übersetzt und in Mašhad veröffentlicht (u.d.T. TafsÐr wa touªÐÎ-e kalemÁt-e qorÞÁn, Mašhad 1367hš/ 1988); das Vorwort zu dieser Ausgabe stammte von dem nachmaligen Generalsekretär der 1990 gegründeten iranischen taqrÐb-Vereinigung MaÊmaÝ-e taqrÐb, MoÎammad WÁÝeÛ-ZÁdeh; vgl. auch das Vorwort AÎmad ÑÁdeqÐ ArdestÁnÐs zu seiner persischen Übersetzung von Šaraf ad-DÐns al-FuÒÙl almuhimma, 16, wo er als sunnitische Parteigänger der Annäherung neben anderen auch AÎmad AmÐn, AbÙ Zahra und eben MaÌlÙf erwähnt. 153 Vgl. oben, S. 197. 154 Vgl. AsÝad Sayyid AÎmad in seinem Vorwort zu MuÎammad MÁlallÁhs MaÔÁriq an-nÙr, einem MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb gewidmeten fiktiven Streitgespräch zwischen Ibn TaimÐya und al-ÝAllÁma al-ÍillÐ, 4f. über eine Organisation namens ÉamÝÐyat Àl al-bait; al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 16168, [224] behandelt diese Vereinigung, die 1973 in Kairo quasi als Fortsetzung der ÉT gegründet worden sei, gleichfalls. Als Spiritus rector nennt er einen irakischen Schiiten namens ÓÁlib ar-RifÁÝÐ, der bei der Beisetzung des Schah das Totengebet gesprochen habe; die Gesellschaft, die im Dezember 1979 verboten wurde, soll über Verbindungen zur Muslimbruderschaft verfügt und sogar schiitische Bücher (u.a. die MurÁÊaÝÁt) herausgegeben haben. In Anbetracht ihrer Distanzierung von allen muslimischen Rechtsschulen sieht sich sogar al-WardÁnÐ zu der Bemerkung genötigt, die ÉamÝÐyat Àl albait repräsentiere nicht „die“ Schia in Ägypten, sondern sei nur eine ihrer Aktivitäten; vgl. auch Ende: Sunni Polemical Writings, 225; RÙz al-YÙsuf Nr. 3339 (8.6.1992), 22ff. 155 ÝAbdallÁh al-QommÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 9; Al-Ahram Weekly, 3.-9. Sept. 1992, S. 2; al-WardÁnÐ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr, 155; QommÐs Beisetzung in Teheran löste angeblich regierungsfeindliche Demonstrationen aus (Mitteilung Prof. S.A. Arjomand). aš-ŠarqÐ: Naqš-e eslÁm, 539f. zitiert aus der, wie es heißt: letzten Proklamation, die die ÉT aus Anlaß der iranischen „Woche der Einheit“ (hafte-ye waÎdat) 1362hš/1982 herausgegeben habe, ohne jedoch eine dafür zuständige Person oder einen Ort anzugeben; MÁridÐnÐs 1986 aufgestellte Behauptung (a×-Õaura al-ÐrÁnÐya bain al-wÁqiÝ wa-l-usÔÙra, 95), die ÉT sei „bis heute“ immer noch in Kairo ansässig, dürfte dagegen eher auf einem Mißverständnis beruhen.

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mische Vereinigung des 20. Jahrhunderts, die für sich in Anspruch nehmen konnte, zumindest in den ersten knapp anderthalb Jahrzehnten ihres Bestehens die Perspektive einer Annäherung der beiden größten islamischen Konfessionsgruppen aufgezeigt zu haben, hörte in aller Stille – und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – zu existieren auf.

EPILOG Die Geschichte der – wie man sie nennen könnte – klassischen ökumenischen Bewegung innerhalb des modernen Islams, die Gegenstand dieser Untersuchung war, ging 1979 zu Ende. Die danach eingetretene Entwicklung, die hier nur noch im Überblick dargestellt werden soll, trägt nicht mehr in erster Linie die Züge einer theologisch-juristischen Diskussion unter Gelehrten und Intellektuellen – wie sehr diese ihrerseits auch immer von der Politik beeinflußt gewesen sein mochte. Das demonstrative Streben nach taqrÐb ist vielmehr selbst zum unmittelbaren und zentralen Bestandteil der Außenpolitik der beteiligten Staaten geworden. Natürlich kann keine Rede davon sein, daß der konfessionelle Streit seither in den Hintergrund getreten oder gar einer Lösung nahegebracht worden sei – eher das Gegenteil ist der Fall –, doch haben sich die Grundlagen, auf denen sich die Vertreter der beiden Glaubensgemeinschaften begegneten, seither radikal verändert. Nicht nur in der politischen Geschichte des Nahen Ostens, sondern auch in der Geistesgeschichte des Islams markiert das Jahr 1979 einen tiefen Einschnitt. Besonders für die Theologie der Zwölferschia bedeutete die Iranische Revolution den Höhepunkt und – jedenfalls vorläufigen – Abschluß einer grundlegenden inneren Umwälzung. ÀyatollÁh ËomeinÐs Theorie von der stellvertretenden Machtausübung der Rechtsgelehrten (welÁyat-e faqÐh) hatte aus den ÝulamÁÞ Politiker gemacht und aus jahrhundertealten religiösen Überzeugungen wichtige Säulen einer verfassungsmäßig 1 verankerten Staatslehre. So ist es denn keineswegs überraschend, daß die Ereignisse in Iran für das Verhältnis der muslimischen Theologen (und auch der Ideologen) untereinander von ebensogroßer Bedeutung waren wie auf dem Gebiet der internationalen Politik. Die beiden Bereiche waren (und sind) dabei nicht immer sauber voneinander zu trennen, mitunter sind sie sogar vollkommen deckungsgleich. In besonderem Maße trifft das auf die Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien zu, die beide nach der Revolution in einen heftigen Konkurrenzkampf um die Frage eintraten, wer den „wahren“ Islam repräsentiere. Einen zuverlässigen Gradmesser für die jeweils gerade eingetretenen Spannungen bildet die alljährliche Pilgerfahrt nach Mekka, bei der von versöhnlichen Gesten über verbale Angriffe bis hin zu blutigen Zusammenstößen sämtliche Facetten des konfessionellen Konflikts innerhalb des Islams im 20. Jahrhundert zu beobachten sind. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen im Sommer 1987, als bei gewaltsamen Demonstrationen etwa 400 iranische 2 Pilger von saudi-arabischen Polizei- und Militäreinheiten getötet wurden. In den dar1 Vgl. dazu Arjomand: Ideological Revolution, passim. 2 Kramer: Tragedy in Mecca, passim; idem: La Mecque, passim; zur Pilgerfahrt in den Jahren

nach der Iranischen Revolution im allgemeinen s. die ebenfalls von Martin Kramer verfaßten Artikel

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auffolgenden Jahren kam es zwar zu einer leichten Beruhigung der Situation, von einer allgemeinen Entspannung kann jedoch noch längst nicht gesprochen werden. Wie fragil das politische Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten nach wie vor ist, machten erst vor kurzem die Unruhen unter den Schiiten von BaÎrain deutlich, die sich gegen die sunnitischen Herrscher ihres Landes erhoben; sogleich wurde der Ver3 dacht geäußert, die iranische Regierung stehe hinter diesem Aufruhr. Das Echo auf die Revolution in Iran unter sunnitischen Muslimen außerhalb Saudi-Arabiens, auch von solchen, die zu den Regierungen in ihren eigenen Ländern in Opposition standen, war von Beginn an uneinheitlich. Vor allem die ägyptischen Muslimbrüder taten sich schwer, ihre anfängliche Begeisterung für ËomeinÐ aufrechtzuerhalten, je mehr die neuen Machthaber in Teheran ihre dezidiert schiitische Identi4 tät betonten und in der Verfassung festschrieben. Die schon nach relativ kurzer Zeit zu beobachtende Absetzbewegung von der Schia kleidete der damalige Führer der Muslimbruderschaft, ÝUmar at-TilimsÁnÐ, in die Worte: „The difference between the Shi’is and the Sunnis, the origin of which lies with the Shi’is and not the Sunnis, is very deep-rooted and serious. When Khomeini began his revolution we supported him and stood at his side despite the radical doctrinal differences that exist between the Shi’is and the Sunnis. (…) (F)rom a doctrinal point of view, Sunnism is one thing and 5 Shi’ism is another.“

Von vereinzelten Ausnahmen wie etwa dem Palästinenser FatÎÐ ÝAbd al-ÝAzÐz Ši6 qÁqÐ abgesehen behielten die weitaus meisten sunnitischen Islamisten die Distanz zur 7 Schia bei, ohne allerdings prinzipiell einen gelegentlichen Dialog abzulehnen. Gleichzeitig war, nicht zuletzt unter dem Eindruck des iranisch-irakischen Kriegs (1980-88) eine beachtliche Renaissance der sunnitischen Polemik zu konstatieren, die sich in ihrer Grundsätzlichkeit nicht allein gegen die gegenwärtige iranische Regierung richtete, sondern die Schia als Ganze ins Visier nahm. Gestützt auf Vorbilder wie MuÎammad RašÐd RiÃÁ, MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb oder IbrÁhÐm al-ÉabhÁn betrachten in MECS, bes. 6/1981-82/284-88, 301-03; 7/1982-83/249-51; 8/1983-84/175-77; 9/1984-85/161-64; 10/1986/149-51; 11/1987/172-76; 12/1988/183-85; 14/1990/189-91; 15/1991/191-93; 16/1992/21618; ferner J. Goldberg: Saudi Arabia and the Iranian Revolution. The Religious Dimension, in: D. Menashri (ed.): The Iranian Revolution and the Muslim World, Boulder 1990, 155-70. 3 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Febr. 1996, S. 3. 4 Matthee: The Egyptian Opposition, passim, v.a. 251-65; idem: Arab Commentaries on the Iranian Revolution, Iranian Studies 17/1984/303-12; J.J.G. Jansen: Echoes of the Iranian Revolution in the Writings of Egyptian Muslims, in: D. Menashri (ed.): The Iranian Revolution and the Muslim World, Boulder 1990, 207-18; Sivan: Sunni Radicalism, bes. 22-26; zur iranischen Verfassung s. S. Tellenbach: Untersuchungen zur Verfassung der Islamischen Republik Iran vom 15. November 1979, Berlin 1985. 5 Zit. nach Matthee: The Egyptian Opposition, 262f.; über at-TilimsÁnÐ (1903/06-1986) vgl. G. Kepel: The Prophet and Pharaoh. Muslim Extremism in Egypt, London 1985, 105f. sowie seine Autobiographie ÅikrayÁt lÁ muÆakkirÁt, Kairo 1985. 6 Dieser (geb. 1943) verfaßte bereits 1979 ein vielzitiertes Buch mit dem Titel al-ËumainÐ: alÎall al-islÁmÐ wa-l-badÐl und gab auch später seine pro-iranische Haltung nicht auf; vgl. auch A. Hottinger: Islamischer Fundamentalismus, Paderborn et al. 1993, 172; im Oktober 1995 fiel er auf Malta einem Mordanschlag zum Opfer, hinter dem vielfach der israelische Geheimdienst vermutet wurde. 7 MECS 14/1990/185; 15/1991/195-98.

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es die Autoren als ihre vornehmste Pflicht, ihren Lesern die Augen zu öffnen und sie vor der zeitgenössischen Schia zu warnen, die sogar noch gefährlicher sei als diejenige 8 der Vergangenheit. Neuauflagen altbekannter Streitschriften früherer Jahre – und 9 zwar von beiden Seiten – sind bis heute an der Tagesordnung. Daß es sich bei dieser Art der Auseinandersetzung beileibe nicht nur um eine akademische Debatte mit kritischen Untertönen handelt, macht das Schicksal des pakistanischen sunnitischen Publizisten IÎsÁn IlÁhÐ ÚahÐr deutlich: Die Heftigkeit und Beständigkeit, mit der er (vermutlich mit tatkräftiger Unterstützung durch Saudi-Arabien) anderthalb Jahrzehnte lang gegen die Schiiten zu Felde gezogen war und sie in immer neuen Variationen desselben Themas zu Häretikern erklärt hatte, war für seine Gegner Grund genug, ihn 1987 10 bei einem öffentlichen Auftritt buchstäblich in die Luft zu sprengen. In Anbetracht dieses allgemeinen Klimas des Mißtrauens und der Feindseligkeit waren – jedenfalls bisher – alle Ansätze einer Wiederbelebung einer islamischen Ökumene chancenlos, soweit diese Anstrengungen nicht von einer Regierungsorganisation 11 unternommen wurden. Denn an dem Argument, die Einheit des Islams sei das höchste Gut, das gegen die Verschwörungen der von außen kommenden Feinde der Religion zu verteidigen die Pflicht aller Muslime sei, hat auch die Iranische Revolution und das kontroverse Echo, das sie auslöste, nichts geändert. Im Falle regierungseigener Organisationen ist zwar eine weitaus größere öffentliche Resonanz gewiß, doch erhöht dies nicht unbedingt auch die Erfolgsaussichten bei den Muslimen der jeweils anderen Konfession. Saudi-Arabien beispielsweise verfolgte eine Doppelstrategie: Einerseits suchte es bewußt die Konfrontation mit Iran – etwa bei der Behandlung iranischer Pilger in Mekka oder über die Islamische Weltliga, die nun offen gegen die Schia auf12 13 trat –, andererseits ließ es durch die Organisation der Islamischen Konferenz die Bildung einer Akademie des Islamischen Rechts (MaÊmaÝ al-fiqh al-islÁmÐ) vorantrei8 So etwa ÇarÐb: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 7, 131, 142ff.; at-TurkumÁnÐ: TaÝrÐf bi-maÆhab aš-šÐÝa al-imÁmÐya, 5ff.; ÚahÐr: ar-Radd ÝalÁ d-duktÙr ÝAlÐ ÝAbd al-WÁÎid WÁfÐ, 11ff. und an-NaÊrÁmÐ: aš-ŠÐÝa fÐ l-mÐzÁn, 5ff. (der es sogar fertigbringt, die Kreuzzüge als Teil der schiitischen Verschwörung gegen den Islam zu interpretieren); sozusagen in der Verwandtschaft blieb die antischiitische Polemik MÁ yaÊib an yaÝrifahu al-muslim Ýan ÝaqÁÞid ar-rawÁfià al-imÁmÐya von AÎmad b. ÝAbd al-ÝAzÐz al-ÍamdÁn (Kairo 1994), der sich gleich zu Beginn als Neffe IbrÁhÐm al-ÉabhÁns zu erkennen gab (S. 5). 9 Stellvertretend sei an dieser Stelle nur verwiesen auf: ÉÁrallÁh: al-WašÐÝa, (1982), al-ËaÔÐb: alËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa (1982), al-QaÒÐmÐ: aÒ-ÑirÁÝ bain al-islÁm wa-l-wa×anÐya (1982), sowie seitens der Schia: MuÎsin al-AmÐn: al-ÍuÒÙn al-manÐÝa (1985), MuÈnÐya: HÁÆÐ hiya al-wahhÁbÐya (1987). 10 Vgl. den Nachruf in Islamic Studies 26/1987/2/230; s. auch allg. ÉawÐd ÉamÁl ÂaskawÐ: ÝAllÁme-ye EÎsÁn ElÁhÐ ÚahÐr, Lahore 1990; zu dieser Art von Literatur und ihren Autoren s. Ende: Sunni Polemical Writings, passim. 11 Meist handelte es sich dabei um mehr oder weniger konspirativ wirkende, z.T. einigermaßen obskure Gruppierungen: Neben der oben, S. 286 Anm. 154 bereits erwähnten ÉamÝÐyat Àl al-bait ist hier die ÉamÝÐyat kull muslim zu nennen, von deren Gründung die Azhar-Zeitschrift im Dezember 1980 berichtete; als Generalsekretär der Vereinigung, die die Errichtung von Zweigstellen „in allen Ländern der Welt“ (!) beabsichtigte, trat ein gewisser KÁmil al-BÙhÐ auf: MA 53/1 (Dez. 1980), 194; al-ÇarÐb: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs, 131f. erwähnt eine angeblich in Kuwait ansässige Organisation namens DÁr at-tauÎÐd, ohne jedoch näher auf sie einzugehen. 12 Schulze: Internationalismus, 359-62. 13 Zu dieser 1969 gegründeten Organisation (MunaÛÛamat al-muÞtamar al-islÁmÐ, meist entsprechend der englischen Bezeichnung Organization of the Islamic Conference OIC abgekürzt) s. Landau: Politics, 287-95 sowie OE III/260-66.

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ben. Ein Unterausschuß dieser 1983 entstandenen Organisation sollte ausdrücklich der 14 Frage einer Annäherung der Rechtsschulen gewidmet sein. Heftige Proteste von iranischer Seite waren die vorhersehbare Folge, und tatsächlich stellt sich die Frage, ob es sich bei dieser Gründung um mehr handelte als nur einen Versuch der saudischen Regierung, öffentlich ihren guten Willen zu einem innerislamischen Ausgleich zu betonen, um anschließend Iran um so leichter die Schuld am Zwist bei der Pilgerfahrt geben zu können. Auf der anderen Seite hat sich die Revolutionsregierung in Teheran gleichfalls und in noch stärkerem Maße auf dem Gebiet der pan-islamischen Organisationsformen zu profilieren versucht und die Propagierung der Einheit aller Muslime zu einem Eckpfei15 ler ihrer Politik gemacht. Ausgangspunkt dieser Aktivitäten war bezeichnenderweise ein konfessioneller Streit: Im November 1981 hatte der saudische Gelehrte ÝAbd al-ÝAzÐz b. BÁz, der wohl berühmteste und erbittertste Gegner der Schia im Königreich, ein FatwÁ erlassen, in dem er den weit verbreiteten Brauch, den Geburtstag des Propheten zu feiern, für eine häretische Neuerung erklärte. Iran nutzte die sich bietende Gelegenheit umgehend: Auf Veranlassung ÀyatollÁh MontaÛerÐs wurde im Januar 1982 erstmals die „Woche der Einheit“ (hafte-ye waÎdat) begangen, die demonstrativ auf die 16 Zeit um den maulid an-nabÐ gelegt wurde. In den folgenden Jahren berief man in Teheran eine Vielzahl von Kongressen ein, bei denen der Gedanke der islamischen Ein17 heit im Mittelpunkt stand. Nach ËomeinÐs Tod wurden die Anstrengungen sogar noch intensiviert, und im Anschluß an eine dieser Konferenzen, die ausschließlich dem Thema taqrÐb gewidmet war, wurde im Oktober 1990 auf Veranlassung seines Nachfolgers ÝAlÐ ËÁmeneÞÐ die Gründung einer eigenständigen Vereinigung zum Zweck einer innerislamischen Annäherung beschlossen. Die neue Gesellschaft trägt den beziehungsreichen Namen MaÊmaÝ at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya und gibt eine Zeitschrift mit dem nicht minder sprechenden Titel RisÁlat at-taqrÐb heraus. Zu ihrem Generalsekretär wurde ÍoÊÊat ol-EslÁm MoÎammad WÁÝeÛ ZÁdeh ËorÁsÁnÐ bestellt, und wie die Kairiner ÉT 18 verfügt auch die iranische Organisation über ein eigenes Institut. Auf diese Weise 14 MECS 7/1982-83/237f.; s. auch Schulze: Internationalismus, 301f. 15 An der Universität Bonn entsteht zur Zeit (1995/96) eine Dissertation von Wilfried Buchta zum

Thema der islamischen Einheit als Bestandteil der nachrevolutionären iranischen Regierungspolitik; vgl. vorläufig seinen Aufsatz Die inneriranische Diskussion über die islamische Einheit, Orient 35/ 1994/565-81; ferner Landau: Politics, 259f. 16 MECS 6/1981-82/290; Masih MuhÁjirÐ: Background of the Islamic Unity, Teheran 21408/ 1988, 6; zum Hintergrund vgl. A. Schimmel: Und Muhammad ist sein Prophet. Die Verehrung des Propheten in der islamischen Frömmigkeit, Düsseldorf, Köln 1981, 124-38 und G.E. von Grunebaum: Muhammadan Festivals, London 1976, 67-84. 17 Stellvertretend für diese Versammlungen, über die zumeist auch umfangreiche Sammelbände veröffentlicht werden, sei hier nur verwiesen auf den „Weltkongreß der Freitagsimame und Vorbeter“ (s. MECS 7/1982-83/239f.; 8/1983-84/168) sowie auf die „Internationale Konferenz der islamischen Einheit“ (zur sechsten Versammlung dieser Art s. Spektrum Iran 7/1994/1/65f.). 18 Zur „4. Konferenz der Islamischen Einheit“, aus der die Vereinigung hervorging, vgl. die umfangreiche Berichterstattung in KeyhÁn, 9. Okt. 1990, S. 3; 10. Okt. 1990, S. 6, 19, 23; 13. Okt. 1990, S. 3; ferner die Artikel von WÁÝeÛ ZÁdeh in der in Mašhad erscheinenden Zeitschrift MiškÁt 27/1990/ 1-23; 28/1990/1-15; 29/1990-91/1-10; 30/1991/1-12; 31/1991/4-26; ferner ibid. 32/1991/4; 35/1992/ 212f.; 38/1993/191f.; das Institut (mit Sitz in Qom) ist genannt in RÁhnemÁ-ye marÁkez-e farhangÐ-ye

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wird die Erinnerung an die ÉT bewußt wachgehalten, wenn auch nach Kräften vermieden wird, den Namen MoÎammad TaqÐ QommÐs öfter als unbedingt notwendig zu erwähnen. Doch ist dies nicht der einzige Bezugspunkt des iranischen taqrÐb-Strebens. Nicht nur, daß man sich auf weiter zurückliegende Initiativen schiitischer Gelehrter des 20. Jahrhunderts beruft – erinnert sei hier vor allem an die in Kapitel 3 zur Sprache gekommene „Entdeckung“ der Nützlichkeit des angeblichen Briefwechsels ÝAbd alÍusain Šaraf ad-DÐns mit SalÐm al-BišrÐ für diese Ziele. In dem Bemühen, die Lauterkeit der eigenen Absichten hervorzuheben, wird mitunter auch die weiter zurückliegende islamische Geschichte auf ökumenisch anmutende Erscheinungen hin unter20 sucht. Auf sunnitischer Seite sind die Avancen Irans bislang auf relativ wenig Gegenliebe gestoßen, zumal sie auch innerhalb der schiitischen Geistlichkeit nicht unumstritten 21 sind. Abgesehen von einzelnen schillernden Figuren wie etwa dem libanesischen Scheich SaÝÐd ŠaÝbÁn, einem zum sunnitischen Islam konvertierten Schiiten, der in den achtziger Jahren mehrfach mit Vermittlungsversuchen zwischen Iran und Saudi-Ara22 bien auf sich aufmerksam machte, reagierten die sunnitischen ÝulamÁÞ (auch außerhalb der Arabischen Halbinsel) zurückhaltend. Insbesondere die Azhar ließ bereits im September 1979 in der MA einen skeptischen Artikel über das Konzept einer islamischen Republik erscheinen, gefolgt von einer scharfen Kritik an ËomeinÐ und der schi23 itischen MahdÐ-Vorstellung im November 1980. Viereinhalb Jahre später antwortete ihr damaliger Rektor ÉÁd al-Íaqq ÝAlÐ ÉÁd al-Íaqq auf die Frage, was aus der ÉT geworden sei und ob die Azhar vorhabe, eine vergleichbare Institution einzurichten, folgendermaßen: „Diese Vereinigung (…) hat sich schon vor langer Zeit ausschließlich aus politischen Gründen aufgelöst. (…) Es handelte sich um eine Gesellschaft, die aus dem Volk entstanden war. Wenn es eine aus dem Volk kommende Neigung zu einer Neugründung gäbe, dann wür24 den wir als Institution al-Azhar ihr nicht beitreten.“ (…) šahrestÁn-e Qom, Qom 1991/92, 62; vgl. schließlich auch das Interview mit WÁÝeÛ ZÁdeh in TaqrÐb bain ma¿Áheb-e eslÁmÐ. Wеe-nÁme-ye panÊomÐn konferÁns-e waÎdat-e eslÁmÐ, šahrÐwar mÁh 1371 – rabÐÝ ol-awwal 1413, Teheran 1993, 7-17 (für die Bereitstellung der beiden zuletzt genannten Quellen danke ich Herrn Wilfried Buchta); s. auch MECS 16/1992/202f. 19 So erfolgte 1991 auf Anregung der Teheraner taqrÐb-Organisation ein Nachdruck sämtlicher Bände der RI; vgl. MiškÁt 33/1991/221. 20 Vgl. z.B. ÉawÁd MoÒÔafawÐ: EtteÎÁd wa hambastegÐ yÁ tafÁhom-e šÐÝe wa sonnÐ dar NahÊ olbalÁÈa, MiškÁt 2/1983/25-60; RasÙl ÉaÝfariyÁn: AndКe-ye tafÁhom-e ma¿habÐ dar qarn-e haftom wa haštom-e heÊrÐ, Qom 1371/1992 (dazu Spektrum Iran 6/1993/3/94). 21 Vgl. dazu Buchta: Die inneriranische Diskussion, passim; außerdem ist zu bedenken, daß die ökumenischen Äußerungen aus Teheran eindeutig außenpolitisch orientiert sind, die sunnitische Minderheit in Iran selbst ist von einer praktischen Gleichstellung weit entfernt, in der Hauptstadt scheint es noch nicht einmal eine sunnitische Moschee zu geben: Buchta, 570; vgl. auch HuwaidÐ: ÏrÁn min addÁÌil, 355, der berichtet, nach der Revolution sei in SanandÁÊ (im kurdischen Teil des Landes) eine sunnitische Îouze-ye ÝelmÐye namens MadÁris aš-ŠaiÌ MaÎmÙd ŠaltÙt (!) eingerichtet worden, allerdings mit einem Schiiten als Direktor. 22 MECS 9/1984-85/157; 11/1987/187; 12/1988/178; 15/1991/195. 23 MA 51/8 (Sept. 1979), 1887-95; Matthee: The Egyptian Opposition, 261. 24 Zit. bei Ende / Jacobsen: Über den Islam und seinen Weg, 7f.; über ÉÁd al-Íaqq (1917-1996), der von März 1982 bis zu seinem Tod an der Spitze der Azhar stand, vgl. Schulze: Internationalismus,

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Noch deutlicher wurde der damalige Generalsekretär des Obersten Rats für Islamische Angelegenheiten, ÉamÁl ad-DÐn MaÎmÙd. Gefragt, wie er die Entwicklungen in Iran beurteile, gab er freimütig zu Protokoll: „Ich glaube, daß der Iran kein islamisches Land in der wahren Bedeutung des Wortes ist, er ist ein schiitisches Land. (…) Die internen Reformen im Iran sind Äußerlichkeiten, die nicht mit dem Islam übereinstimmen, und sie bestätigen durchaus nicht, daß es sich um einen islamischen Staat handelt. Das Wort vom Islam ist kein Kleidungsstück, das man mit großer 25 Leichtigkeit anziehen oder ablegen kann.“

Entsprechend skeptisch beurteilten beide die Aussichten, den konfessionellen Streit im Islam beizulegen. MaÎmÙd hielt die Differenzen für völlig unüberwindlich, da es sich um „geistige Unterschiede“ handle, und warnte zugleich vor dem Versuch „einiger islamischer Sekten“ (gemeint war natürlich die Schia), ihre Vorstellungen an26 deren aufzuzwingen. ÉÁd al-Íaqq seinerseits ließ diplomatische Vorsicht walten und verbannte seinen Argwohn gewissermaßen zwischen die Zeilen: Seine Aussage, daß nach einer Lösung der politischen Unterschiede auch die Überwindung der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Rechtsschulen möglich sei, legt aber ungeachtet des versöhnlich klingenden Tons die Schlußfolgerung nahe, daß für die Azhar eine Verständigung zumindest mit dieser Schia, die in Iran an der Macht ist, nicht in Frage kommt. Denn die von ihm angesprochenen politischen Differenzen gründen sich maßgeblich auf die von ËomeinÐ entworfene Doktrin der welÁyat-e faqÐh, die auch den Tod ihres Erfinders überdauerte und unverändert die Legitimationsgrundlage der mo27 dernen politischen Geistlichkeit der Schia darstellt. An der Haltung der Azhar gegenüber dem Teheraner Regime änderte sich auch in 28 den Jahren, die den eben zitierten Interviews folgten, kaum etwas. Für Aufsehen über die Grenzen Ägyptens hinaus sorgte die Anfang März 1988 abgehaltene 11. Konferenz der zur Azhar gehörenden Akademie für Islamische Studien. In einem demonstrativen Schulterschluß mit der Islamischen Weltliga wurde die Bildung eines sogenannten „Islamischen Weltrates für DaÝwa und Hilfe“ beschlossen, der die internationalen Aktivitäten der Azhar, der Weltliga und von zwei Dutzend anderen sunnitischen Organisatio29 nen koordinieren sollte. In dem Bemühen, nach der jahrelangen Isolation innerhalb der islamischen Welt im Gefolge des Camp-David-Abkommens wieder an Respekta382 Anm. 252; MA 54/6 (März-April 1982), 933f.; Nachruf in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.3.1996; ferner Arabies Nr. 113 (Mai 1996), 5. 25 Ende / Jacobsen, 22; vgl. R. Wielandt: Zeitgenössische ägyptische Stimmen zur Säkularisierungsproblematik, WI 22/1982/117-33, bes. 125; zum Obersten Rat für Islamische Angelegenheiten vgl. oben, S. 270. 26 Ende / Jacobsen, 26. 27 Ibid., 8; vgl. auch die bei QindÐl: Abraha al-ÊadÐd, 48-51 zitierte Stellungnahme der Azhar zu den Vorfällen bei der Pilgerfahrt in Mekka 1987 (zum Titel dieser Polemik vgl. Koran, Sure 105 und Paret: Konkordanz, 522). 28 MECS 10/1986/135f.; 11/1987/159; al-WardÁnÐ: MiÒr … ÏrÁn, 71f. und 79f. übt seinerseits Kritik an den antischiitischen Bemerkungen des ŠaiÌ al-Azhar. 29 MECS 12/1988/179f.; 13/1989/185f.; vgl. auch MA 60/8 (April 1988), 1101-04 und 61/3 (Okt.-Nov. 1988), 356-70; Generalsekretär des al-MaÊlis al-islÁmÐ al-ÝÁlamÐ li-d-daÝwa wa-l-iÈÁ×a wurde KÁmil aš-ŠarÐf.

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bilität zu gewinnen, nahm es die Azhar bereitwillig in Kauf, sich mit derjenigen Institution zusammenzutun, die ein Vierteljahrhundert zuvor just als Gegenpol zur Kairiner Hochschule entstanden war. Als Brücke diente die gemeinsame Gegnerschaft zu Iran und die Furcht vor einem schiitischen Revolutionsexport. Die Opposition gegen Iran hinderte nun freilich weder den Rektor noch andere Vertreter der Azhar daran, selbst immer wieder die Einheit der Muslime zu beschwören. So äußerte sich ÉÁd al-Íaqq in mehreren Gesprächen, die in der Zeitschrift der Hochschule abgedruckt wurden, zu diesem Thema, tat dies aber in höchst allgemein gehaltenen Worten und ohne eine Bereitschaft zu einer ökumenischen (Wieder-)An30 näherung mit der Schia zu erkennen zu geben. Im Gegenteil: In einem Artikel über die Frage des „richtigen“ iÌtilÁf überging er die Schia völlig und widmete sich statt dessen den Ereignissen der saqÐfa, bei deren Schilderung er die Gültigkeit der Wahl 31 AbÙ Bakrs zum Kalifen in den Vordergrund stellte. Persönliche Begegnungen von ranghohen Mitgliedern der Azhar mit schiitischen Gesprächspartnern aus Iran sind dementsprechend bis heute die Ausnahme geblieben. Im Sommer 1990 etwa machte der iranische Abgesandte MoÎammad ÝAlÐ TasÌÐrÐ – als Präsident der im selben Jahr gegründeten Ahl al-bait-Liga selbst einer der Hauptdarsteller des iranischen Pan-Islamismus – ÉÁd al-Íaqq seine Aufwartung. Ihr Gespräch, das im Gefolge einer Außenministerkonferenz in Kairo zustande kam, drehte sich unter anderem zwar um die Frage einer Annäherung der islamischen Rechtsschulen, blieb jedoch ebenso ohne greifbares Ergebnis wie ein Treffen des ŠaiÌ al-Azhar mit dem iranischen Geschäftsträger 32 in Ägypten im Jahr darauf. Ob die Ernennung des bisherigen MuftÐs von Ägypten, MuÎammad Sayyid ÓanÔÁwÐ, zum Nachfolger des im März 1996 verstorbenen ÉÁd alÍaqq an diesem distanzierten Umgang mit der Schia etwas ändern wird, läßt sich gegenwärtig selbstverständlich noch nicht abschätzen, doch scheint Skepsis angebracht: Während seiner Amtszeit als MuftÐ hatte ÓanÔÁwÐ den Dreh- und Angelpunkt des schiitischen Geschichtsbilds – nämlich die Überzeugung, daß ÝAlÐ der eigentlich rechtmäßige direkte Nachfolger des Propheten gewesen sei – als eine Behauptung zurückgewiesen, die jeder Grundlage entbehre. Darüber hinaus hatte er die schiitische Praxis, derzufolge der Gläubige einem (lebenden) muÊtahid gegenüber taqlÐd zu üben habe, verworfen und seinerseits verlangt, daß derjenige Muslim, der selbst nicht über genügend Kenntnisse in religionsgesetzlichen Dingen verfüge, einem der vier Imame, eben 33 den Gründern der sunnitischen Rechtsschulen, anhänge. 30 MA 59/3 (Nov. 1986), 296-304, bes. 299ff.; 66/8 (Okt. 1993), 493-99, bes. 498ff.; in dem zuletzt genannten Interview bestätigte er aufs neue die enge Kooperation mit der Weltliga v.a. im Hinblick auf die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstandenen Staaten in Zentralasien und signalisierte damit unausgesprochen die fortbestehende Rivalität zu Iran, das diese Region bekanntlich ebenfalls als seinen Einflußbereich betrachtet. 31 Adab al-iÌtilÁf fÐ l-islÁm, MA 66/5 (Nov. 1993), 628-37; vgl. auch Ašraf ŠaÝbÁn: MuqawwimÁt al-waÎda al-islÁmÐya, MA 65/8 (Febr. 1993), 1179-83. 32 MA 63/2 (Sept. 1990), 240 (dazu al-WardÁnÐ: MiÒr … ÏrÁn, 38 Anm. 49) bzw. 63/12 (Juni 1991), 1428f.; zu TasÌÐrÐ und der im Mai 1990 gegründeten RÁbiÔat ahl al-bait s. MECS 14/1990/181 und 16/1992/202f. 33 RÙz al-YÙsuf Nr. 3339 (8.6.1992), 29. Mit diesem Urteil kommt ÓanÔÁwÐ der Auffassung der WahhÁbÐya bemerkenswert nahe: ÝAbd al-ÝAzÐz Ibn BÁz und MuÎammad b. ÑÁliÎ al-ÝU×aimÐn (der zuletzt Genannte ist Träger des „FaiÒal-Preises für die Verdienste um den Islam“ 1994; s. Arab News,

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Für kurze Zeit hatte es indes zu Beginn der neunziger Jahre den Anschein, als könnte es ungeachtet der widrigen Umstände doch wieder zur Etablierung eines ökumenischen Forums kommen. MoÎammad TaqÐ QommÐ sandte 1990 seinen (in Ägypten geborenen und aufgewachsenen) Sohn ÝAbdallÁh nach Kairo, um die Möglichkeiten für eine Wiederaufnahme der Tätigkeit der ÉT zu sondieren. Dieser setzte das Werk seines Vaters auch nach dessen Tod im August desselben Jahres fort und vermochte offensichtlich binnen kurzem, gute Kontakte zum Obersten Rat für Islamische Angelegenheiten zu knüpfen. In Verbindung mit dem Generalsekretär des Rates, ÝAbd aÒ-ÑabbÙr MarzÙq, gab er wenige Monate später einen Sammelband mit zahlreichen 34 Nachdrucken von Aufsätzen aus der RisÁlat al-IslÁm heraus. Auch eine zumindest rudimentäre Organisationsstruktur der ÉT scheint zu diesem Zeitpunkt wieder bestanden zu haben, denn in einem Vorwort zum genannten Buch trat MuÎammad ÝAbdallÁh MuÎammad (der schon in den sechziger Jahren zu den Autoren der RI gezählt hatte) 35 ausdrücklich als Präsident der Vereinigung in Erscheinung. Durch solche Anfangserfolge ermutigt, hielt ÝAbdallÁh al-QommÐ sich im Sommer 1992 erneut in Kairo auf 36 und verkündete offiziell die Wiedereröffnung der DÁr at-taqrÐb. Die Argumente waren seit den großen Zeiten der ÉT dieselben geblieben. Auch ÝAbdallÁh al-QommÐ hielt es für angebracht, potentielle Kritiker sogleich mit dem Hinweis zu beschwichtigen, es gehe ihm ausschließlich um eine Annäherung der Rechtsschulen, nicht um deren Verschmelzung oder Auslöschung. Ferner seien sich Sunna und Schia in den wesentlichen Punkten der Religion einig, Meinungsverschiedenheiten bestünden nur in nebensächlichen Fragen, der konfessionelle Streit sei mithin poli37 tischer und nicht religiöser Natur. Vor allem die zuletzt angeführte Erklärung hatte nichts von ihrem geradezu beschwörenden Charakter eingebüßt, mit dem bereits vierzig Jahre zuvor versucht worden war, die Abhängigkeit der ökumenischen Aktivitäten von den politischen Zeitumständen zu kaschieren. Es dürfte aber kaum zu hoch gegriffen sein, hinter Zeitpunkt und Umständen der Wiedereröffnung der ÉT erneut politisches Kalkül zu vermuten. Die Zusammenarbeit mit dem Obersten Rat für Islamische Angelegenheiten – der seinerseits dem auqÁf-Ministerium unterstellt ist – läßt das deutliche Wohlwollen der Regierung erkennen, der durch diese Aktion wohl in erster Linie daran gelegen war, der aufsehenerregenden iranischen Geschäftigkeit auf diesem Gebiet eine Antwort entgegenzusetzen. Der Sohn der Symbolfigur QommÐ, welcher seine Affinität zum Schah nie ganz hatte verbergen können und im Exil starb, schien der geeignetste Mann dafür zu sein. Einmal mehr war es die Politik, die die Geschicke der ÉT bestimmte – mit dem Unterschied allerdings, daß die Resonanz dieses Mal bei weitem geringer ausfiel als in vergangenen Tagen. In Iran reagierte man erwartungsge9.2.1994) hatten in einer 1990 in Kairo (!) erschienenen FatwÁ-Sammlung ein ausdrückliches und kategorisches Verbot ausgesprochen, der ImÁmÐya, ZaidÐya oder „ähnlichen ahl al-bidaÝ “ wie den ËÁriÊiten, der MuÝtazila oder der ÉahmÐya zu folgen; Ibn BÁz / al-ÝU×aimÐn: FatÁwÁ haiÞat kibÁr al-ÝulamÁÞ, Kairo 1990, I/136. 34 ÝAbdallÁh al-QommÐ: DaÝwat at-taqrÐb. TÁrÐÌ wa-wa×ÁÞiq, Kairo 1412/1991 (darin die beiden Vorworte, 5-9). 35 Ibid., 11-13. 36 Vgl. dazu Al-Ahram Weekly, 3.-9. Sept. 1992, S.2. 37 Ibid.; außerdem ÝAbdallÁh al-QommÐ: DaÝwat at-taqrÐb, 8f.

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mäß überhaupt nicht auf die Kairiner Initiative, gleiches gilt für die libanesische und 38 irakische Schia. Die Reihe der im Namen einer Annäherung der muslimischen Rechtsschulen erfolgten Gründungen in den neunziger Jahren war damit noch nicht zu Ende: 1994 trat in Beirut ein Verlagshaus mit der Bezeichnung DÁr at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya an die Öffentlichkeit, das mittlerweile zwei Bücher publizierte, die ebenfalls aus Nachdrucken von RI-Artikeln bestehen. Die Vorworte dazu stammen von dem libanesischen sunnitischen Gelehrten ÝAbdallÁh al-ÝAlÁyilÐ beziehungsweise dem früheren Dekan der theologischen Fakultät der Azhar, MaÎmÙd ÍamdÐ ZaqzÙq, der Anfang 39 1996 zum ägyptischen auqÁf-Minister ernannt wurde. Der Direktor des Verlages, TaÎsÐn ÑalÁÎ al-ËayyÁÔ, betonte jedoch ausdrücklich, weder mit der wiedereröffneten ÉT in Kairo noch mit irgendeiner anderen derartigen Institution in Verbindung zu stehen. Die Tätigkeit seines Hauses sei ausschließlich die eines Verlages, der die Erinne40 rung an die „klassische“ ÉT wiederbeleben wolle. ∗∗∗ Nach dem Gang durch ein Jahrhundert ökumenischer Aktivitäten im Islam ist ein eher pessimistisches Fazit zu ziehen. Weder die ÉT noch irgendein anderes Forum haben es bisher vermocht, Sunniten und Schiiten einander auf Dauer näherzubringen. Das organisatorische Scheitern der innerislamischen Ökumene trat nach 1960 offen zutage, die in jüngster Zeit unternommenen Versuche einer Neuauflage sind angesichts des persönlichen wie auch politischen Hintergrunds ihrer Initiatoren und deren Motive ebenfalls nicht allzu vielversprechend. Der Niedergang der ÉT als Institution im Gefolge der Affäre um die diplomatische Anerkennung Israels durch die iranische Regierung im Juli 1960, der noch verstärkt wurde durch den Tod der Galionsfiguren BorÙÊerdÐ und ŠaltÙt, war aber nur die äußere Seite. Daneben – und für das Verhältnis der muslimischen Konfessionen zueinander von erheblich größerer Bedeutung – ist auch ein weitgehendes inhaltliches Fehlschlagen der taqrÐb-Bemühungen zu konstatieren. Die Geschichte der islamischen Ökumene im 20. Jahrhundert läßt sich über weite Strecken lesen als eine Abfolge wechselseitiger Enttäuschungen. Ob es sich um die Gespräche ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐs mit MuÎammad MuÒÔafÁ al-MarÁÈÐ handelte, die nach kurzer Zeit im Sande verliefen, oder um die Debatte über einen Lehrstuhl für schiitisches Recht an der Azhar, um die Einsilbigkeit der schiitischen ÝulamÁÞ bei der Verurteilung des Schah 1960 oder um die Schweigsamkeit ihrer sunnitischen Gegenüber in dem Aufruhr um die Polemik IbrÁhÐm al-ÉabhÁns im Jahr darauf – stets ist die latente Spannung zu spüren, die den Fortgang der ökumenischen Kontakte begleitete. Daß der größte Erfolg der taqrÐb-Anstrengungen, nämlich das FatwÁ ŠaltÙts, beinahe 38 Vgl. auch MECS 16/1992/203f. 39 MasÞalat at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya. Usus wa-munÔalaqÁt bzw. NaÎwa muÊtamaÝ

islÁmÐ muwaÎÎad: al-WaÎda al-islÁmÐya – mÁ lahÁ wa-mÁ ÝalaihÁ, beide Beirut 1994; ein angekündigter dritter Band mit dem Titel MasÁÞil fiqhÐya Îaul at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya war mir nicht zugänglich. 40 Briefliche Mitteilung, Juli 1994; über eine etwaige Resonanz in der islamischen Gelehrtenwelt auf die Aktivitäten des Verlags ist mir nichts bekannt.

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nahtlos in den Zusammenbruch der ökumenischen Debatte überging, zeigt symbolhaft, wie nahe Verständigung und Polemik im sunnitisch-schiitischen Verhältnis im 20. Jahrhundert beieinander liegen. So gesehen ist auch die „Ernüchterung“ mancher früherer Parteigänger einer Annäherung, die sich dann in um so heftigeren Angriffen Bahn brach, Ausdruck für die großen Hoffnungen, die ursprünglich in diesen Dialog gesetzt worden waren. Letztlich scheiterte die ÉT jedoch nicht an der Polemik derer, die mit dem Eifer der Bekehrten die Seite wechselten, sondern vielmehr an den inneren Widersprüchen ihrer eigenen Argumentation. So wurde zwar immer wieder betont, wie wichtig es sei, die Überzeugungen der anderen Konfession kennenzulernen und ihre Schriften zu studieren – diejenigen Standpunkte aber, die gerade den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten ausmachten und an denen sich der Streit häufig entzündete (verwiesen sei hier auf die Bedeutung des Imamats, den schiitischen MahdÐ-Gedanken oder so heikle Punkte wie taqÐya oder mutÝa), wurden bewußt aus der Diskussion ausgeklammert oder bestenfalls am Rande und mit apologetischem Unterton gestreift. Nicht zu Unrecht fürchtete man, ihre bloße Erwähnung würde bereits zu neuerlichem Zwist führen. Statt dessen begnügte man sich damit, einander zu versichern, daß man in allen wesentlichen Grundlagen der Religion einig sei, der Dissens lediglich in einzelnen nachgeordneten Rechtsvorschriften bestehe. Über die Fragen wiederum, welche zweitrangigen Normen damit gemeint seien, wie mit diesen Meinungsverschiedenheiten umzugehen sei, welche Art der Einheit man anstreben solle, mit welchen Gruppen und Glaubensgemeinschaften überhaupt ein Dialog erstrebenswert und zulässig sei – über 41 all das bestand mitunter nicht einmal innerhalb der jeweiligen Konfession Einigkeit. Fast hat es den Anschein, als sei die ökumenische Debatte nur deshalb relativ lange auf Beachtung gestoßen, weil sie die Behandlung der eigentlich entscheidenden Themen unterließ. Sogar der Appell, die existierenden Vorurteile abzubauen und einander im Geiste der Toleranz zu begegnen, war nicht ohne Ambivalenz: Gleichsam als Ersatz dafür wurde der beständige Rekurs auf ein äußeres Feindbild zu einem wichtigen – vermutlich dem wichtigsten – gemeinschaftsstiftenden Faktor für die beteiligten Aktivisten. Seit den Tagen ÉamÁl ad-DÐn al-AfÈÁnÐs kam (und kommt bis heute) kaum ein Aufruf zur islamischen Einheit ohne einen Verweis auf die Machenschaften und Verschwörungen der „Feinde des Islams“ aus, unter denen wahlweise Freimaurer, Imperialisten, Kolonialisten, Kommunisten, Orientalisten, Zionisten oder mißliebige Gruppierungen innerhalb des Islams zusammengefaßt wurden. Die Existenzberechtigung des islamischen Ökumenismus leitete sich nicht so sehr von theologischen Motiven ab als vielmehr von einer durchaus politisch-ideologischen Frontstellung gegen einen wie auch immer definierten Gegner. Entsprechend widersprüchlich gestaltete sich denn auch das 41 Ohne auf das Verhältnis der christlichen Kirchen und Konfessionsgemeinschaften zueinander eingehen zu wollen, soll an dieser Stelle dennoch ausdrücklich betont werden, daß gerade dieser Punkt keineswegs eine Besonderheit des islamischen ökumenischen Denkens darstellt. Die christlichen Theologen sehen sich nicht minder der Schwierigkeit ausgesetzt, der „Vielfalt in der Einheit“ gerecht zu werden bzw. eine „Einheit in der Vielfalt“ zu schaffen; als Einführung in das nahezu unüberschaubare Gebiet der christlichen Ökumene sei hier verwiesen auf die Artikel Ökumene und Ökumenismus in: Theologische Realenzyklopädie, Band XXV (Berlin, New York 1995), 46-86.

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Verhältnis der ökumenisch argumentierenden Gelehrten zur Politik. Nach außen hin wurden sie nicht müde, demonstrativ zu bekunden, wie fern taqrÐb und Politik einander stünden und wie sehr es gelte, sich auf die Religion als solche zurückzubesinnen. Gleichzeitig jedoch wurden die ÝulamÁÞ selbst diesem Credo immer wieder untreu – zu denken ist etwa an al-MarÁÈÐs Kalifatspläne, QommÐs Kontakte zum Schah oder ŠaltÙts bereitwillige Unterstützung der ägyptischen Revolutionsregierung bei der Verstaatlichung der Azhar – und ließen es zu, daß die Anlässe und Ergebnisse der ökumenischen Diskussion im Islam alsbald mehr von den Beziehungen der Herrschenden zueinander abhingen als von denen der Gelehrten. Nur so ist schließlich auch die Bereitwilligkeit zu verstehen, mit der – bei allem zweifellos auch vorhandenen aufrichtigen Streben nach Verständigung – die ökumenischen Kontakte auf dem Altar politischer Nützlichkeitserwägungen geopfert wurden. Das gilt nicht zuletzt für die Azhar: Zu keinem Zeitpunkt im 20. Jahrhundert hatte eine Annäherung mit der Schia für die Kairiner Hochschule wirkliche Priorität. Stets reagierte sie lediglich auf Initiativen von außen, die bezeichnenderweise fast immer von schiitischen ÝulamÁÞ ausgingen, und das Interesse an einer Aufrechterhaltung der Kontakte erlahmte jedesmal rasch, wenn sich die Ziele der ägyptischen Außenpolitik änderten. Die Widersprüche, in denen der Dialog der beiden großen Konfessionen im Islam bis heute gefangen ist, machen es den Gegnern einer ökumenischen Annäherung, ja überhaupt eines Gesprächs mit der anderen Seite, leicht. Um die (jedenfalls in ihren Augen zweifelsfrei feststehende) Sinn- und Aussichtslosigkeit eines derartigen Unterfangens zu zeigen, brauchen sie nur auf die strittigen Themen zu verweisen, die von den taqrÐb-Partnern gemieden werden. Gerade die völlig unvereinbare Interpretation der frühislamischen Geschichte und das daraus abgeleitete Problem der rechtmäßigen Herrschaft im Islam stellt ein nach wie vor kaum zu lösendes Problem dar. Und solange die Angehörigen beider Konfessionen nicht nur ihre historische, sondern ebenso ihre gegenwärtige Identität an die Rechtfertigung beziehungsweise Verfluchung der ersten drei Kalifen knüpfen, dürfte sich daran auch nichts ändern. Daß es sich dabei in der Tat um mehr als einen Disput von Religionsgelehrten handelt, wird am Beispiel der iranischen Außenpolitik, der Unruhen in der Golfregion oder des seit Jahren 42 schwelenden Konflikts in Pakistan deutlich. Aber selbst wenn die kleine Gruppe derer, die für eine Revision der islamischen Geschichtsschreibung eintreten, mehr Gehör 43 finden sollte, muß das einer Annäherung der Konfessionen noch nicht automatisch den Weg ebnen. Zumindest den sunnitischen Polemikern bleibt in diesem Fall immer noch der Verweis auf die Praxis der taqÐya. ∗∗∗ Der bekannte französische Literat Paul Valéry (1871-1945), ein Mitglied der Académie française, hatte keine sonderlich gute Meinung über die Geschichte und ihre rechtfertigende Heranziehung für die vermeintlichen Bedürfnisse der Gegenwart. 42 Zum sunnitisch-schiitischen Verhältnis in Pakistan in jüngster Zeit vgl. A. Rieck: Sectarianism as a Political Problem in Pakistan: The Case of the Northern Areas, Orient 36/1995/429-48. 43 Buchta: Die inneriranische Diskussion, 571-76 zitiert den iranischen Philosophen ÝAbd olKarÐm SorÙš, der sich in diesem Sinne äußert.

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„L’Histoire est le produit le plus dangereux que la chimie de l’intellect ait élaboré. Ses propriétés sont bien connues. Il fait rêver, il enivre les peuples, leur engendre de faux souvenirs, exagère leurs réflexes, entretient leurs vieilles plaies, les tourmente dans leur repos, les conduit au délire des grandeurs ou à celui de la persécution, et rend les nations amères, superbes, insupportables et vaines. L’Histoire justifie ce que l’on veut. Elle n’enseigne rigoureusement rien, car elle contient tout, et donne des exemples de tout. (…) Dans l’état actuel du monde, le danger de se laisser séduire à l’Histoire est plus grand que 44 jamais il ne fut.“

Betrachtet man die trotz ökumenischer Aktivitäten nicht nachlassende Verbreitung und Wirkung konfessioneller Polemik und den Erfolg, dessen sich die Instrumentalisierung der Religion für die Zwecke der Politik in der islamischen Welt – und andernorts – heute mehr denn je erfreut, ist man geneigt, seinem harten und pessimistischen Urteil auch am Ende des 20. Jahrhunderts die Berechtigung nicht zu versagen.

44 Paul Valéry: De l’Histoire, in: Œuvres, Paris 1988, II/935.

Abkürzungsverzeichnis Zu den vollständigen Angaben der Buchtitel s. das Literaturverzeichnis. AAS AŠ BO BSOAS ÅTŠ EI1 EI2 EIr GAL GAS GD ÉT hq hš IJMES Irf IS JAOS JSAI JSS MA MDA MEA MECS MEJ MER MES MIDEO MMI MMN MMS MW OE OM RAAD REI

Asian and African Studies (Jerusalem) al-AmÐn: AÝyÁn aš-šÐÝa Bibliotheca Orientalis (Leiden) Bulletin of the School of Oriental and African Studies (London) aÔ-ÓehrÁnÐ: aÆ-ÅarÐÝa ilÁ taÒÁnÐf aš-šÐÝa Enzyklopädie des Islam Encyclopaedia of Islam Encyclopaedia Iranica Brockelmann: Geschichte der Arabischen Litteratur Sezgin: Geschichte des Arabischen Schrifttums ŠarÐf RÁzÐ: GanÊÐne-ye dÁnešmandÁn ÉamÁÝat at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya bei Jahreszahlen: hiÊrÐ qamarÐ bei Jahreszahlen: hiÊrÐ šamsÐ International Journal of Middle East Studies (Cambridge) al-ÝIrfÁn (Sidon) Iranian Studies (Ann Arbor) Journal of the American Oriental Society (New Haven) Jerusalem Studies in Arabic and Islam Journal of Semitic Studies (Manchester) MaÊallat al-Azhar (Kairo) DÁÈir: MaÒÁdir ad-dirÁsa al-adabÐya Middle Eastern Affairs (New York) Middle East Contemporary Survey Middle East Journal (Washington, D.C.) Middle East Record (Jerusalem) Middle Eastern Studies (London) Mélanges de l’Institut Dominicain d’Etudes Orientales du Caire ÝAwwÁd: MuÝÊam al-muÞallifÐn al-ÝirÁqÐyÐn al-AmÐnÐ: MuÝÊam al-maÔbÙÝÁt an-naÊafÐya ÝAyyÁš: MuÝÊam al-muÞallifÐn as-sÙrÐyÐn The Muslim World (Hartford, Conn.) Esposito (ed.): The Oxford Encyclopaedia of the Modern Islamic World Oriente Moderno (Rom) Revue de l’Académie Arabe de Damas Revue des Etudes Islamiques (Paris)

302 RF RI RMM SI ÓAŠ WI WZKM ZDMG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS al-AmÐnÐ: MuÝÊam riÊÁl al-fikr wa-l-adab fÐ n-NaÊaf RisÁlat al-IslÁm (Kairo) Revue du Monde Musulman (Paris) Studia Islamica (Paris) aÔ-ÓehrÁnÐ: ÓabaqÁt aÝlÁm aš-šÐÝa Die Welt des Islams (Berlin, Leipzig; ab 1951 Leiden) Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (Leipzig; seit 1945/50 Wiesbaden)

Literaturverzeichnis Weiterführende Literatur, die in einem speziellen Zusammenhang benutzt wurde, sowie Enzyklopädie-Artikel und Aufsätze aus den unten aufgeführten arabischen und persischen Zeitschriften werden nur in den Anmerkungen genannt. Der Bindestrich vor arabischen Verfassernamen vertritt den Artikel.

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LITERATURVERZEICHNIS

-ÝAlÁyilÐ, ÝAbdallÁh (Einl.): MasÞalat at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya. Usus wa-munÔalaqÁt, Beirut 1415/1994. ÝAlÐ, ÝAbbÁs: al-ImÁm Šaraf ad-DÐn. Íuzmat ÃauÞ ÝalÁ ÔarÐq al-fikr al-imÁmÐ, NaÊaf 1388/1968. -ÀlÙsÐ, MaÎmÙd ŠukrÐ: MuÌtaÒar at-tuÎfa al-i×nÁ ÝašarÐya, ed. MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb, Kairo 21387/ 1967. -ÝÀmilÐ, Íusain YÙsuf MakkÐ: ÝAqÐdat aš-šÐÝa fÐ l-imÁm aÒ-ÑÁdiq wa-sÁÞir al-aÞimma, Beirut 1963. AmÐn, AÎmad: FaÊr al-islÁm, Kairo 101965 (11929). idem: ÍayÁtÐ, Kairo 1950 (englische Übersetzung u.d.T. My Life. Translated from the Arabic with an Introduction by Issa J. Boullata, Leiden 1978; spanische Übersetzung von J. Castilla Brazales u.d.T. Mi vida, Madrid 1993). -AmÐn, MuÎsin: Naqà al-wašÐÝa. aš-ŠÐÝa bain al-ÎaqÁÞiq wa-l-auhÁm, ŠaqrÁÞ 21395/1975 (Beirut 11370/ 1951 u.d.T. Naqà al-wašÐÝa fÐ naqà ÝaqÁÞid aš-šÐÝa); s. auch ÉÁrallÁh. idem: al-ÍuÒÙn al-manÐÝa fÐ radd mÁ auradahu ÒÁÎib al-ManÁr fÐ Îaqq aš-šÐÝa, Beirut 1405/1985 (11909/10). idem: Kašf al-irtiyÁb fÐ atbÁÝ MuÎammad b. ÝAbd al-WahhÁb, o.O. ca. 1981 (Damaskus 11347/1928; persische Übersetzung u.d.T. TÁrÐ̦e wa naqd wa bar-rasÐ-ye ÝaqÁÞed wa aÝmÁl-e wahhÁbÐhÁ, Teheran 1365hš/ 1397hq). idem: RiÎalÁt as-sayyid MuÎsin al-AmÐn, Beirut o.J. (ca. 1974). idem: s. HÁšim ad-DaftardÁr al-MadanÐ. -AmÐnÐ, ÝAbd al-Íusain: al-ÇadÐr fÐ l-kitÁb wa-s-sunna wa-l-adab, I-XI, Beirut 51403/1983. -AmÐnÐ, NÙr ÝÀlam ËalÐl: aÒ-ÑaÎÁba wa-makÁnatuhum fÐ l-islÁm, Kairo 1409/1989. -AnÔÁkÐ, MuÎammad MarÝÐ al-AmÐn: Li-mÁÆÁ iÌtart maÆhab aš-šÐÝa, maÆhab ahl al-bait, Beirut ca. 1980. ÝArafa, MuÎammad: s. ÉÁrallÁh. ArdestÁnÐ, AÎmad ÑÁdeqÐ: s. Šaraf ad-DÐn: al-FuÒÙl al-muhimma. -ÀÒifÐ, MuÎammad MahdÐ: s. al-ÍakÐm. -ÝAskarÐ, MurtaÃÁ: MaÝÁlim al-madrasatain. BuÎÙ× mumahhada li-tauÎÐd kalimat al-muslimÐn, I-III, Beirut 1410/1990. idem: Naqš-e ÝÀÞiša dar tÁrÐÌ-e EslÁm, I-II, Teheran 1362hš/1983; Vorwort zu Band 1 von ÍÁmid ÍifnÐ DÁwÙd, zu Band 2 von MaÎmÙd AbÙ Rayya. -A×arÐ, MuÎammad BahÊat: al-IttiÊÁhÁt al-ÎadÐ×a fÐ l-islÁm, Kairo o.J. (ca. 1963). ÝAÔawÐ, FatÎÐya MuÒÔafÁ: at-TaqÐya fÐ l-fikr al-islÁmÐ aš-šÐÝÐ, Beirut 1414/1993. ÝAwwÁÊÐ, ÇalÐb b. ÝAlÐ (ed.): Firaq muÝÁÒira tantasib ilÁ l-islÁm wa-bayÁn mauqif al-islÁm minhÁ, I-II, DamanhÙr 1414/1993. -BahÁdilÐ, ÝAlÐ AÎmad: al-Íauza al-ÝilmÐya fÐ n-NaÊaf. MaÝÁlimuhÁ wa-ÎarakatuhÁ al-iÒlÁÎÐya 13391410 / 1920-1980, Beirut 1413/1993. -Bahayy, MuÎammad: ÍayÁtÐ fÐ riÎÁb al-Azhar. ÓÁlib .. wa-ustÁÆ .. wa-wazÐr, Kairo o.J. (nach 1982). BahÐya, MÙsÁ, SalmÁn al-ËÁqÁnÐ, MuÎammad ÑÁdiq ar-RÙÎÁnÐ: Naqd wa-taÝlÐq ÝalÁ risÁlat al-ÉabhÁn li-ŠaiÌ al-Azhar, o.O. (Ëorramšahr?), 2o.J. (1961). -BahnasÁwÐ, SalÐm ÝAlÐ: as-Sunna al-muftarÁ ÝalaihÁ, Kuwait 1979. idem: al-ÍaqÁÞiq al-ÈÁÞiba bain aš-šÐÝa wa-ahl as-sunna, Kairo 1409/1989. Bakhshayeshi, Aqiqi: Ten Decades of Ulama’s Struggle, Teheran 1405/1985. -BÁqÙrÐ, AÎmad Íasan: BaqÁyÁ Æ-ÆikrayÁt, Kairo 1408/1988. -BÁz, NiÝam: al-BÁqÙrÐ: ×ÁÞir taÎt al-ÝimÁma, Kairo 1988. Chirri, Mohamad Jawad: The Brother of the Prophet Mohammad (The Imam Ali). A Reconstruction of Islamic History and an Extensive Research of the Shi-ite and Sunnite Islamic Schools of Thought, Detroit 1982. idem: Inquiries about Islam, Detroit 1986. idem: s. auch ŠirrÐ. -Daftar, MuÎammad HÁdÐ: ÑafÎa min riÎlat al-imÁm az-ZanÊÁnÐ wa-ÌuÔabihi fÐ l-aqÔÁr al-ÝarabÐya wa-l-ÝawÁÒim al-islÁmÐya, NaÊaf 1366/1947.

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-ÅahabÐ, al-ÍÁfiÛ AbÙ ÝAbdallÁh MuÎammad b. ÝU×mÁn: al-MuntaqÁ min minhÁÊ al-iÝtidÁl fÐ naqà kalÁm ahl ar-rafà wa-l-iÝtizÁl wa-huwa muÌtaÒar minhÁÊ as-sunna taÞlÐf šaiÌ al-islÁm TaqÐ adDÐn AÎmad b. TaimÐya, ed. MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb, Kairo 1374/1954. -ÅahabÐ, MuÎammad Íusain: aš-ŠarÐÝa al-islÁmÐya. DirÁsa muqÁrina bain maÆÁhib ahl as-sunna wamaÆhab al-ÊaÝfarÐya, Kairo 21968. DaÎlÁn, AÎmad b. ZainÐ: RisÁla fÐ kaifÐyat al-munÁÛara maÝa aš-šÐÝa wa-r-radd ÝalaihÁ, Kairo 1323/ 1905. ÅÁkirÐ: s. ¾ÁkerÐ. -DÁlÐ, WaÎÐd: AsrÁr al-ÊÁmiÝa al-ÝarabÐya wa-ÝAbd ar-RaÎmÁn ÝAzzÁm, Kairo 1982. -Daqs, KÁmil SalÁma: al-IÝtidÁÞÁt al-bÁÔinÐya ÝalÁ l-muqaddasÁt al-islÁmÐya, Kairo 1409/1989. Dar al-Taqreeb: Two Historical Documents (…), Kairo 1383/1963-64. DarnÐqa, MuÎammad AÎmad: as-Sayyid MuÎammad RašÐd RiÃÁ. IÒlÁÎÁtuhu al-iÊtimÁÝÐya wa-ddÐnÐya, Tripoli, Beirut 1406/1986. DÁwÙd, ÍÁmid ÍifnÐ: NaÛarÁt fÐ l-kutub al-ÌÁlida, Kairo 1399/1979. idem: s. ÝAskarÐ: Naqš-e ÝÀÞiša. idem: s. aÒ-Ñadr: aš-ŠÐÝa al-imÁmÐya. DawwÁnÐ, ÝAlÐ: ZendegÁnÐ-ye zaÝÐm-e bozorg-e ÝÁlem-e tašayyoÝ, ÝallÁme-ye ÝÁlÐqadr-e Îaªrat-e ÀyatollÁh BorÙÊerdÐ, Teheran 1340hš/1961. idem: Nahªat-e rÙÎÁnÐyÙn-e ÏrÁn, I-X, Teheran 1981. FaÃlallÁh, HÁdÐ: MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya, fikr wa-iÒlÁÎ, Beirut 1413/1993. idem: RÁÞid al-fikr al-iÒlÁÎÐ – ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, Beirut o.J. (ca. 1988). FaÃlallÁh, MuÎammad Íusain: ÀfÁq islÁmÐya wa-mawÁÃÐÝ uÌrÁ, Beirut 1980. FaÎÒ, HÁnÐ: FÐ l-waÎda al-islÁmÐya wa-t-taÊziÞa, Beirut 1986. FaqÐhÐ, ÝAlÐ AÒÈar: WahhÁbÐyÁn. Bar-rasÐ wa taÎqÐq-e gÙneÞÐ dar-bÁre-ye ÝaqÁÞed wa tÁrÐÌ-e ferqe-ye wahhÁbÐ, Teheran 1352hš/1973. FaššÁhÐ, Hosain: s. KamareÞÐ: PayÁm-e ÏrÁn. FÙda, FaraÊ: ZawÁÊ al-mutÝa, Kairo 1993. -FukaikÐ, TaufÐq: al-MutÝa wa-a×aruhÁ fÐ l-iÒlÁÎ al-iÊtimÁÝÐ. FÐ r-radd ÝalÁ muftarayÁt MuÎammad ÕÁbit fÐ kitÁbihi „Éaula fÐ rubÙÝ aš-šarq al-adnÁ“ wa-ÝalÁ MÙsÁ ÉÁrallÁh b. FÁÔima at-TurkistÁnÐ fÐ kitÁbihi „al-WašÐÝa“, Kairo 2o.J. (ca. 1960; Sidon 11356/1937). FuraiÊ, ÝAlÐ ÝUmar: aš-ŠÐÝa fÐ t-taÒawwur al-islÁmÐ, Amman 1405/1985. ÉÁbir, Íusain b. MuÎammad b. ÝAlÐ: aÔ-ÓarÐq ilÁ ÊamÁÝat al-muslimÐn, al-ManÒÙra 1407/1987. -ÉabrÐ, ÝAbd al-MutaÝÁl: ÍiwÁr maÝa aš-šÐÝa Îaul al-ÌulafÁÞ ar-rÁšidÐn wa-banÐ Umayya, Kairo 1406/ 1985. idem: Li-mÁÆÁ uÈtÐla Íasan al-BannÁ?, Kairo 1397/1977. -ÇaffÁr, ÝAbd ar-RasÙl: Šubhat al-ÈulÙw Ýind aš-šÐÝa. DirÁsa taÎlÐlÐya Ýan našÞat al-ÈulÙw wa-asbÁbihi wa-mauqif ahl al-bait min al-ÈulÁt. Wa-daur az-zandaqa fÐ tarwÐÊ al-ÝaqÁÞid al-fÁsida, Beirut 1415/1995. ÉÁrallÁh, MÙsÁ: al-WašÐÝa fÐ naqà ÝaqÁÞid aš-šÐÝa, Kairo 1355/1936, Neuauflage 1982; Vorwort von MuÎammad ÝArafa; s. auch MuÎsin al-AmÐn, Šaraf ad-DÐn, al-FukaikÐ. -ÇarÐb, ÝAbdallÁh MuÎammad: Wa-ÊÁÞa daur al-maÊÙs. al-AbÝÁd at-tÁrÐÌÐya wa-l-ÝaqÁÞid as-siyÁsÐya li-×-×aura al-ÐrÁnÐya, Kairo 1983. -ÇazzÁlÐ, MuÎammad: ÚalÁm min al-Èarb, Kairo 21965 (11956). idem: DifÁÝ Ýan al-ÝaqÐda wa-š-šarÐÝa Ãidd maÔÁÝin al-mustašriqÐn, Kairo 21383/1963 (persische Übersetzung u.d.T. MoÎÁkame-ye GoldzÐher-e sihyÙnist, Teheran 1363hš/1984). ÉuÎÁ, MuÒÔafÁ: QÁmÙs Îarb ÝAlÐ wa-MuÝÁwiya wa-subÁÝÐyat ÓalÁl SalmÁn. Radd ÝalÁ maqÁlÁt al-ustÁÆ ÓalÁl SalmÁn fÐ ÊarÐdat „as-SafÐr“ (26, 27, 28, 29, 39 ÎazÐrÁn, 1, 2 tammÙz 1985) „daÝwa ilÁ linqÁÆ … bi-l-ÎiwÁr“, Beirut 1985. ÉumÝa, BadÐÝ MuÎammad: al-ÝAlÁqÁt a×-×aqÁfÐya bain al-Ýarab wa-ÏrÁn fÐ l-ÝaÒr al-ÎadÐ×, in: ÉamÁl ZakarÐya QÁsim / YunÁn LabÐb Rizq (eds.): al-ÝAlÁqÁt al-ÝarabÐya al-ÐrÁnÐya, Kairo 1993, 335-61.

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-ÉundÐ, ÝAbd al-ÍalÐm: al-ImÁm ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq, Kairo 1397/1977. -ÉundÐ, Anwar: TÁrÐÌ aÒ-ÒiÎÁfa al-islÁmÐya. I: al-ManÁr, MuÎammad RašÐd RiÃÁ (1315h/1898m – 1353h/1935m); II: al-FatÎ, MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb (1926-1948), Kairo o.J. idem: ŠahÁdat al-ÝaÒr wa-t-tÁrÐÌ. ËamsÙn ÝÁman ÝalÁ ÔarÐq ad-daÝwa al-islÁmÐya, Dschidda 1413/1993. -ËafÁÊÐ, MuÎammad ÝAbd al-MunÝim: al-Azhar fÐ alf ÝÁm, I-II, Kairo 1374/1954. -ÍÁÞirÐ, MuÎammad Íasan al-QazwÐnÐ: al-BarÁhÐn al-ÊalÐya fÐ raf Ý taškÐkÁt al-wahhÁbÐya, Kairo 3 1397/1977, Neuauflage ca. 1990 (zuerst NaÊaf 1346/1927-28, 21382/1962-63). -ÍakÐm, MuÎammad BÁqir / MuÎammad MahdÐ al-ÀÒifÐ: AsÁs wa-minhaÊ at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya, RisÁlat a×-×aqalain (Teheran) 1/1413 (1992)/1/105-18. -ÍakÐm, MuÎammad TaqÐ: al-UÒÙl al-ÝÁmma li-l-fiqh al-muqÁran, Beirut 21979 (11963). idem: QiÒÒat (auf Titelblatt: Fikrat) at-taqrÐb bain al-maÆÁhib wa-buÎÙ× uÌrÁ, Teheran 1982. -ÍakÐmÐ, MuÎammad RiÃÁ: BidÁyat al-firaq – nihÁyat al-mulÙk, Beirut 1410/1990. -ËÁliÒÐ, MuÎammad b. MuÎammad MahdÐ: IÎyÁÞ aš-šarÐÝa fÐ maÆhab aš-šÐÝa, Bd. 1: Bagdad 21965, Bd. 2 und 3: ibid. 1957. idem: at-TauÎÐd wa-l-waÎda. MuqtaÔafÁt muntaÌaba min ÌuÔab wa-durÙs samÁÎat al-imÁm al-muÊtahid al-akbar aš-šaiÌ MuÎammad al-ËÁliÒÐ, Bagdad o.J. (1954). idem: WaÒÐyatnÁme-ye ÝallÁme-ye ËÁleÒÐ. ÀyÁ ÐnÁn mosalmÁnand?, Qom 1344hš/1965. -ÍamdÁn, AÎmad b. ÝAbd al-ÝAzÐz: MÁ yaÊib an yaÝrifahu al-muslim Ýan ÝaqÁÞid ar-rawÁfià al-imÁmÐya, Kairo 1414/1994. ÍammÙ, al-HÁdÐ: AÃwÁÞ ÝalÁ š-šÐÝa, Tunis 1989. Íamza, MuÎammad: at-TaÞÁluf bain al-firaq al-islÁmÐya, Damaskus 1405/1985. -ËÁqÁnÐ, AbÙ MuÎammad: MaÝa al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa li-MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb, Qom 1971, Beirut 21972. -ËÁqÁnÐ, SalmÁn: aš-ŠÐÝa wa-s-sunna fÐ l-mÐzÁn, Beirut 1397/1977. idem: s. BahÐya: Naqd wa-taÝlÐq. Íasan, Íasan ÝAbbÁs: al-Fikr as-siyÁsÐ aš-šÐÝÐ: al-uÒÙl wa-l-mabÁdiÞ, o.O. 1988. -ÍasanÐ, HÁšim MaÝrÙf: UÒÙl at-tašayyuÝ. ÝArà wa-dirÁsa, Beirut o.J. -HÁšimÐ, MuÎammad KÁmil: ÝAqÁÞid aš-šÐÝa fÐ l-mÐzÁn, o.O. 1409/1988. -HÁšimÐ, NasÐm: aš-ŠÐÝa wa-t-taÎqÐq. Li-r-radd ÝalÁ kitÁb „aš-ŠÐÝa wa-t-taÒÎÐΓ, Beirut 1413/1993; s. auch MÙsÁ al-MÙsawÐ. -ËaÔÐb, MuÎibb ad-DÐn: al-ËuÔÙÔ al-ÝarÐÃa li-l-usus allatÐ qÁma ÝalaihÁ dÐn aš-šÐÝa al-imÁmÐya al-i×nÁ ÝašarÐya, Kairo 101982 (Dschidda 11961). idem: KalÁm ÒarÐÎ wa-kalÁm mubham Îaul ÌurÁfat at-taqrÐb bain al-maÆÁhib, al-FatÎ 18/1948/862/3-6. idem: Íamalat risÁlat al-islÁm al-awwalÙn wa-mÁ kÁnÙ Ýalaihi min al-maÎabba wa-t-taÝÁwun ÝalÁ lÎaqq wa-l-Ìair wa-kaifa šawwaha al-muÈriÃÙn ÊamÁl sÐratihim, Kairo ca. 1980. idem et al.: DirÁsÁt Ýan al-bahÁÞÐya wa-l-bÁbÐya. ÍarakÁt haddÁma, Beirut 1391/1971. idem: s. al-ÀlÙsÐ; aÆ-ÅahabÐ; as-SuwaidÐ. ÍawwÁ, SaÝÐd: al-ËumainÐya. ŠuÆÙÆ fÐ l-ÝaqÁÞid wa-šuÆÙÆ fÐ l-mawÁqif, o.O. 1407/1987. -Íilw, ÝÀmir: al-WaÎda al-islÁmÐya wa-mauqif ÝulamÁÞ al-imÁmÐya minhÁ, a×-ÕaqÁfa al-islÁmÐya (Damaskus) 12/1407 (1987)/161-73. -ËunaizÐ, ÝAbdallÁh ÝAlÐ: NasÐm wa-zaubaÝa, Kairo 1397/1977. -ËunaizÐ, AbÙ l-Íasan: ad-DaÝwa al-islÁmÐya ilÁ waÎdat ahl as-sunna wa-l-imÁmÐya, I-II, Beirut 1956; Vorwort zu Bd. 1: MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya; zu Bd. 2: SulaimÁn ÚÁhir. HuwaidÐ, FahmÐ: ÏrÁn min ad-dÁÌil, Kairo 1408/1987. Ïbiš, YÙsuf Íusain / YÙsuf QuzmÁ ËÙrÐ (eds.): MaqÁlÁt aš-šaiÌ RašÐd RiÃÁ as-siyÁsÐya, I-V, Beirut 1994. Ibn ÝÀšÙr, MuÎammad b. FÁÃil: al-WaÎda al-islÁmÐya au masÞalat at-taqÁrub bain al-muslimÐn, Tunis 1966. Ibn TaimÐya, TaqÐ ad-DÐn AÎmad: MinhÁÊ as-sunna, Einleitung von RašÁd SÁlim, Beirut 1962.

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IbrÁhÐm, ÝIzz ad-DÐn: as-Sunna wa-š-šÐÝa. ÂaÊÊa muftaÝala, Teheran 1405/1984-85 (deutsche Übersetzung u.d.T. Sunna gegen Schia: Ein erbärmlicher Aufschrei, ibid. 1407/1987; französische Übersetzung u.d.T. Le sunnisme et le chiisme: une querelle artificielle et une provocation perfide, o.O., o.J. idem: Mauqif ÝulamÁÞ al-muslimÐn min aš-šÐÝa wa-×-×aura al-islÁmÐya, Teheran 1406/1986. al-ImÁm as-sayyid ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn muÒliÎan wa-mufakkiran wa-adÐban. MuÞtamar takrÐm al-mufakkir al-islÁmÐ al-kabÐr as-sayyid ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, BairÙt 18-19 šubÁÔ 1993, Beirut 1993. -KafÁÞÐ, MuÎammad KÁÛim: Bain an-NaÊaf wa-l-Azhar, NaÊaf 1385/1965-66. KamareÞÐ, MÐrzÁ ËalÐl: PayÁm-e ÏrÁn be-NaÊd wa ÍeÊÁz wa MeÒr. EmÁm be-ÝaqÐde-ye mÁ šÐÝe-ye emÁmÐye nÁ-ÌodÁ-st na ÌodÁ. MobÁreze-ye rasÙl-e ÌodÁ (Ò) wa aÞemme-ye maÝÒÙmÐn (Ý) bÁ ÈolÁt wa ÝaÛamat-e nÁ-ÌodÁyÁn-e kaštÐ-ye naÊÁt, Teheran 21382/1962 (11955); Vorwort von Íosain FaššÁhÐ. idem: ManÁzil al-waÎy li-daur al-ÎayÁt al-ÊadÐda, o.O. 1385/1965. idem: RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ. Qabs min walÁÞ ÝAlÐ Ýalaihi s-salÁm, Qom 1392/1972. KÁšif al-ÇiÔÁÞ, MuÎammad al-Íusain Àl: AÒl aš-šÐÝa wa-uÒÙluhÁ, Kairo 101958 (Sidon 11932; englische Übersetzung u.d.T. The Origins of ShiÝite Islam and its Principles, Qom 1982; französische Übersetzung u.d.T. Le Chiisme. Origine et principes, Teheran 1990). idem: al-ËuÔba at-tÁrÐÌÐya allatÐ alqÁhÁ fÐ l-Êalsa a×-×ÁnÐya Ýašara min ÊalasÁt al-muÞtamar al-islÁmÐ al-ÝÁmm samÁÎat al-ÝallÁma al-ÊalÐl al-imÁm al-ÎuÊÊa al-muÊtahid aš-saiÌ MuÎammad al-Íusain Àl KÁšif al-ÇiÔÁÞ yaum al-i×nain 4 šaÝbÁn sanata 1350, Jerusalem o.J. (1350/1932). idem: MuÎÁwarat al-imÁm al-muÒliÎ KÁšif al-ÇiÔÁÞ aš-šaiÌ MuÎammad al-Íusain maÝa as-safÐrain albarÐÔÁnÐ wa-l-amÐrkÐ fÐ BaÈdÁd bi-munÁsabat ziyÁratihimÁ li-samÁÎatihi fÐ madrasatihi fÐ n-NaÊaf (…), NaÊaf 41373/1954. -Kau×arÐ, MuÎammad ZÁhid: MaqÁlÁt al-Kau×arÐ, Kairo 1994; Vorwort von MuÎammad AbÙ Zahra. -KawÁkibÐ, ÝAbd ar-RaÎmÁn: Umm al-qurÁ, in: idem: al-AÝmÁl al-kÁmila li-l-KawÁkibÐ, ed. MuÎammad ÉamÁl ÓaÎÎÁn, Beirut 1995, 265-411. -KÁÛimÐ, Badr ad-DÐn: as-Sayyid Badr ad-DÐn al-KÁÛimÐ ilÁ IbrÁhÐm al-ÉabhÁn. MunÁqaša ÝaqÁÞidÐya fÐ maqÁlÁtihi wa-našarÁtihi, Kuwait 1397/1977. Kurd ÝAlÐ, MuÎammad: MuÆakkirÁt, I-IV, Damaskus 1948-51. idem: ËiÔaÔ aš-ŠÁm, I-VI, Damaskus 1925-28. idem: al-MuÝÁÒirÙn, Beirut 21413/1993. -MadanÐ, HÁšim ad-DaftardÁr / MuÎammad ÝAlÐ az-ZuÝbÐ: al-IslÁm bain as-sunna wa-š-šÐÝa, I-II, Beirut 1950/51; Nachworte zu Bd. 1 von MuÎsin al-AmÐn, MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr, MaÎmÙd IbrÁhÐm ÓÐra und MuÎammad ËalÐl az-Zain, zu Bd. 2 von ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn und TaufÐq ÍammÁda. -MadanÐ, MuÎammad MuÎammad (ed.): DaÝwat at-taqrÐb min ÌilÁl „RisÁlat al-IslÁm“, Kairo 1966. MaÎmÙd, ÝAbd al-ÍalÐm: FatÁwÁ l-imÁm ÝAbd al-ÍalÐm MaÎmÙd, I-II, Kairo 1981-82. MaÎmÙd, ÝAbd al-QÁdir: al-ImÁm ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq. RÁÞid as-sunna wa-š-šÐÝa, Kairo 1970. MÁlallÁh, MuÎammad: aš-ŠÐÝa wa-taÎrÐf al-qurÞÁn, Amman 21405/1985 (11982). idem: MaÔÁriq an-nÙr tubaddid auhÁm aš-šÐÝa. MunÁqaša bain Ibn TaimÐya wa-Ibn al-MuÔahhar, Kairo o.J. (1979); Vorwort von AsÝad Sayyid AÎmad. idem: Mauqif aš-šÐÝa min ahl as-sunna, o.O., ca. 1985. -MallÁÎ, MaÎmÙd: an-NiÎla al-aÎmadÐya wa-ÌaÔaruhÁ ÝalÁ l-islÁm, Bagdad 1374/1955. idem: al-MuÊÐz ÝalÁ l-waÊÐz wa-mabÁÎi× uÌrÁ, Bagdad 1375/1956. idem: al-ÀrÁÞ aÒ-ÒarÐÎa li-binÁÞ qaumÐya ÒaÎÐÎa, Bagdad o.J. (ca. 1956). idem: TÁrÐÌunÁ l-qaumÐ bain as-salb wa-l-ÐÊÁb, Bagdad 1956. idem: al-BÁbÐya wa-l-bahÁÞÐya, Bagdad 1374/1955. -MarÁÈÐ, AbÙ l-WafÁ (ed.): aš-ŠaiÌ al-MarÁÈÐ bi-aqlÁm al-kuttÁb, Kairo 1376/1957. MÁridÐnÐ, Zuhair: a×-Õaura al-ÐrÁnÐya bain al-wÁqiÝ wa-l-usÔÙra, Beirut 1406/1986.

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LITERATURVERZEICHNIS

-MarrÁkušÐ, MuÎammad ÑÁliÎ: TafkÐr MuÎammad RašÐd RiÃÁ min ÌilÁl maÊallat „al-ManÁr“, 18981935, Tunis 1985. MazrÙÝa, MaÎmÙd MuÎammad: TÁrÐÌ al-firaq al-islÁmÐya, Kairo 1412/1991. -MÐlÁnÐ, ÝAlÐ al-ÍusainÐ: TašyÐd al-murÁÊaÝÁt wa-tafnÐd al-mukÁbarÁt, TurÁ×unÁ (Qom) 35-36 (RamaÃÁn 1414 / Febr.-März 1994), 128-53; 37 (ŠawwÁl 1414 / März-April 1994), 108-51; 38-39 (MuÎarram-ÉumÁdÁ II 1415 / Mai-Nov. 1994), 114-61. MuÈnÐya, MuÎammad ÉawÁd: MaÝa aš-šÐÝa al-imÁmÐya, Beirut 21956. idem: al-Fiqh ÝalÁ l-maÆÁhib al-Ìamsa: al-ÊaÝfarÐ, al-ÎanafÐ, al-mÁlikÐ, aš-šÁfiÝÐ, al-ÎanbalÐ, Beirut 6 1979 (11960). idem: aš-ŠÐÝa fÐ l-mÐzÁn, Beirut ca. 1974 (enthält die beiden Bücher aš-ŠÐÝa wa-t-tašayyuÝ, Beirut ca. 1965 und MaÝa aš-šÐÝa al-imÁmÐya, Beirut 1955). idem: aš-ŠÐÝa wa-l-ÎÁkimÙn, Beirut 71992 (11961). idem: HÁÆÐ hiya al-wahhÁbÐya, Teheran 31987 (Beirut 11964). idem: Min hunÁ wa-hunÁk, Beirut 1968. idem: TaÊÁrib MuÎammad ÉawÁd MuÈnÐya bi-qalamihi wa-aqlÁm al-ÁÌarÐn, ed. ÝAbd al-Íusain MuÈnÐya, Beirut 1400/1980. idem: FaÃÁÞil al-imÁm ÝAlÐ, Beirut 1962, Bagdad 21964. idem: MaÝa ÝulamÁÞ an-NaÊaf, Beirut 1984. idem: ÝAqlÐyÁt islÁmÐya. BaÎ× ÝaqlÁnÐ fÐ l-ulÙhÐya wa-n-nubÙwa wa-l-ÁÌira; al-imÁma, al-mahdÐ almuntaÛar wa-masÁÞil uÌrÁ, I-II, Beirut 1414/1993. idem: FalsafÁt islÁmÐya, Beirut 1993. idem: MaqÁlÁt, I-II, Beirut 21993. idem: s. al-ËunaizÐ. -Muhaddith, Muhammad Qurban-Ali: Conspiracies against Shi’ism harmful to Islamic Unity, Teheran 1409/1988. -MÙsawÐ, MÙsÁ: aš-ŠÐÝa wa-t-taÒÎÐÎ. aÒ-ÑirÁÝ bain aš-šÐÝa wa-t-tašayyuÝ, Kairo 1409/1989; s. auch NasÐm al-HÁšimÐ, ÝAlÁÞ ad-DÐn al-QazwÐnÐ, MuÎammad ÝAlÐ QuÔb. idem: ÏrÁn fÐ rubÝ qarn, Bagdad 1972. -MutaÝÁfÐ, RiÃwÁn ŠÁfiÝÐ: LaÊnat tauÎÐd al-maÆÁhib. Fiqh al-islÁm al-muyassar min al-maÆÁhib alislÁmÐya, Kairo 21961. MuwÁÝada, MuÎammad: MuÎammad al-ËiÃr Íusain. ÍayÁtuhu wa-Á×Áruhu 1873-1958, Tunis 1974. -MuÛaffar, MuÎammad RiÃÁ: as-SunnÐyÙn wa-š-šÐÝa wa-mauqifuhumÁ al-yaum, ar-RisÁla 3/1935/ 1612-14. idem: ÝAqÁÞid al-imÁmÐya, Kairo 21381/1961 (NaÊaf 11373/1953-54). -NadwÐ, AbÙ l-Íasan: ÑÙratÁn mutaÃÁdditÁn li-natÁÞiÊ ÊuhÙd ar-rasÙl (Ò) ad-daÝawÐya wa-t-tarbawÐya wa-sÐrat al-ÊÐl al-mi×ÁlÐ al-awwal Ýind ahl as-sunna wa-š-šÐÝa al-imÁmÐya, Kairo 1406/1985. NaÊÁt, ÝAbd ar-RaÎÐm: ÝAul wa taÝÒÐb. Dar bayÁn-e kaifÐyat-e taurг wa eÌtelÁfÁt-e ahl-e sonnat wa emÁmÐye dar masÁÞel-e er³. YÁ aÒ-ÒawÁb wa-t-taÒwÐb fÐ l-Ýaul wa-t-taÝÒÐb, Teheran 1343hš/1964. -NaÊrÁmÐ, MuÎammad YÙsuf: aš-ŠÐÝa fÐ l-mÐzÁn, Dschidda 1407/1987. Nasab, ReªÁ ÍosainÐ: Dar ÔarÐq-e waÎdat-e eslÁmÐ. PÁsoÌ be 35 porseš ke pÐrÁmÙn-e Ðn hadaf maÔrah mÐkardand, o.O. (Qom), o.J. (1366hš/1988). NÁÒir ad-DÐn ŠÁh: al-ÝAqÁÞid aš-šÐÝÐya. TaÝrÐf bi-l-firaq aš-šÐÝÐya wa-naqduhÁ, o.O. 1407/1988. NedÁÞÐ az sar-zamÐn-e bait ol-moqaddas wa negÁhÐ be-šahr-e bait ol-moqaddas, ed. HaiÞat-e ÝelmÐye-ye madÝÙwÐn-e ÏrÁn, Teheran 1379/1960. -NiÝma, ÝAbdallÁh: RÙÎ at-tašayyuÝ, Beirut 1405/1985. -Nimr, ÝAbd al-MunÝim: al-IÊtihÁd, Kairo 1406/1986. idem: al-MuÞÁmara ÝalÁ l-kaÝba min al-qarÁmiÔa ilÁ l-ËumainÐ. TÁrÐÌ wa-wa×ÁÞiq, Kairo 1988. -QafÁrÐ, NÁÒir b. ÝAbdallÁh b. ÝAlÐ: UÒÙl maÆhab aš-šÐÝa al-imÁmÐya al-i×nÁ ÝašarÐya. ÝArà wa-naqd, I-III, Riad 1414/1993.

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-QÁsim, AsÝad WaÎÐd: ÍaqÐqat aš-šÐÝa al-i×nÁ ÝašarÐya. BaÎ× yuÝÁliÊ masÞalat al-ÌilÁf bain as-sunna wa-š-šÐÝa min al-maÒÁdir al-muÝtabara Ýind ahl as-sunna wa-l-ÊamÁÝa, London 1412/1991. -QaÒÐmÐ, ÝAbdallÁh ÝAlÐ: aÒ-ÑirÁÝ bain al-islÁm wa-l-wa×anÐya, I-II, Kairo 1402/1982 (11938). -QazwÐnÐ, ÝAlÁÞ ad-DÐn as-Sayyid AmÐr MuÎammad: MaÝa ad-duktÙr MÙsÁ al-MÙsawÐ fÐ kitÁbihi „ašŠÐÝa wa-t-taÒÎÐΓ, Beirut 1415/1995. QindÐl, ÝAbd al-MunÝim: Abraha al-ÊadÐd. ar-RaÊul allaÆÐ istabÁÎa dimÁÞ al-muslimÐn wa-arÁda an yuÎriq al-kaÝba, Kairo o.J. (1987). QubaisÐ, AÎmad: ÍayÁt al-imÁm Šaraf ad-DÐn fÐ s-suÔÙr, Beirut 1980. -QummÐ, ÝAbdallÁh MuÎammad TaqÐ (ed.): DaÝwat at-taqrÐb. TÁrÐÌ wa-wa×ÁÞiq. Bi-aqlÁm riÊÁl attaqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya ÊamaÝahu wa-aÝaddahu wa-qaddamahu ilÁ l-MaÊlis al-AÝlÁ liš-ŠuÞÙn al-IslÁmÐya bi-n-niyÁba Ýan DÁr at-TaqrÐb ÝAbdallÁh MuÎammad TaqÐ al-QummÐ, Kairo 1412/1991. QurrÁÝa, SanÐya: TÁrÐÌ al-Azhar fÐ alf ÝÁm, Kairo 1968. QuÔb, MuÎammad ÝAlÐ: Min ÓihrÁn ilÁ KarbalÁÞ. QirÁÞa fÐ kitÁb „aš-ŠÐÝa wa-t-taÒÎÐΓ, Kairo 1992; s. auch MÙsÁ al-MÙsawÐ. -RaÃawÐ, MurtaÃÁ: MaÝa riÊÁl al-fikr fÐ l-QÁhira. ÍiwÁr ÒarÐÎ fÐ muÌtalif aš-šuÞÙn al-islÁmÐya (…), Kairo 1394/1974. idem: ÀrÁÞ al-muÝÁÒirÐn Îaul Á×Ár al-imÁmÐya, Kairo 1399/1979. idem: FÐ sabÐl al-waÎda al-islÁmÐya, Kairo 31400/1980. idem: ÑafÎa Ýan Àl SaÝÙd al-wahhÁbÐyÐn wa-ÁrÁÞ ÝulamÁÞ as-sunna fÐ l-wahhÁbÐya, o.O. (Bombay), o.J. (nach 1987). idem: ÀrÁÞ ÝulamÁÞ al-muslimÐn fÐ t-taqÐya wa-Ò-ÒaÎÁba wa-ÒiyÁnat al-qurÞÁn al-karÐm, Beirut, London 2 1411/1991 (11989). idem: al-BurhÁn ÝalÁ Ýadam taÎrÐf al-qurÞÁn, Beirut, London 1411/1991. -RÁfiÝÐ, MuÒÔafÁ: IslÁmunÁ fÐ t-taufÐq bain as-sunna wa-š-šÐÝa, Beirut 1984 (englische Übersetzung u.d.T. Our Islam. Translated from the Arabic by I.K.A. Howard, Northwood 1987). RiÃÁ, MuÎammad RašÐd: as-Sunna wa-š-šÐÝa au al-wahhÁbÐya wa-r-rÁfiÃa, Band 1: Kairo 1928, Band 2: ibid. 21947. idem: al-WaÎda al-islÁmÐya wa-l-uÌÙwa ad-dÐnÐya wa-tauÎÐd al-maÆÁhib, Damaskus, Beirut ca. 1980. idem: s. Ïbiš. Rizq, YunÁn LabÐb: al-ÝAlÁqÁt al-ÐrÁnÐya bi-MiÒr wa-l-ÝIrÁq ÝalÁ Ýahd al-usra al-bahlawÐya, 19251979, in: ÉamÁl ZakarÐya QÁsim / YunÁn LabÐb Rizq (eds.): al-ÝAlÁqÁt al-ÝarabÐya al-ÐrÁnÐya, Kairo 1993, 103-28. -RÙÎÁnÐ, MuÎammad ÑÁdiq: s. BahÐya: Naqd wa-taÝlÐq. -Ñadr, MuÎammad ÑÁdiq: aš-ŠÐÝa al-imÁmÐya. Naqd li-mÁ auradahu ÌuÒÙm aš-šÐÝa al-imÁmÐya fÐ kutubihim wa-Á×Árihim, Kairo 21402/1982 (Bagdad 11933); Vorwort von ÍÁmid ÍifnÐ DÁwÙd. idem: Qabs min ÎayÁt as-sayyid ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn, in: ÝAbd al-Íusain Šaraf ad-DÐn: alIÊtihÁd fÐ muqÁbil an-naÒÒ, 5-44. idem: s. AbÙ ÝAlam; HÁšim ad-DaftardÁr al-MadanÐ. -ÑaffÁr, Íasan: at-TaÝaddudÐya wa-l-ÎurrÐya fÐ l-islÁm. BaÎ× Îaul ÎurrÐyat al-muÝtaqid wa-taÝaddud almaÆÁhib, Beirut 1410/1990; Vorwort von MuÎammad FatÎÐ ÝU×mÁn. -ÑÁfÐ, LuÔfallÁh: MaÝa al-ËaÔÐb fÐ ÌuÔÙÔihi al-ÝarÐÃa, Teheran 61408/1987 (11382/1962). idem: Ñaut al-Îaqq wa-daÝwat aÒ-Òidq, Beirut o.J. (ca. 1977). idem: LamaÎÁt fÐ l-kitÁb wa-l-ÎadÐ× wa-l-maÆhab, Mašhad 1404/1984; Vorwort von ÉaÝfar SobÎÁnÐ. idem (i.e. Lutfallah al-Sâfî): La vraie nature des Ahlul-Bayt. Œuvrer au rapprochement, répondre aux calomnies, Firminy 1994. -ÑaÝÐdÐ, ÝAbd al-MutaÝÁl: TÁrÐÌ al-iÒlÁÎ fÐ l-Azhar wa-ÒafaÎÁt min al-ÊihÁd fÐ l-iÒlÁÎ. DirÁsa li-Îarakat al-iÒlÁÎ wa-qawÁnÐnihÁ wa-riÊÁlihÁ, Band 1: Kairo 1943, Band 2: ibid. ca. 1958. ŠaiÌ ar-RaÞÐs, AbÙ l-Íasan MÐrzÁ QÁÊÁr: EtteÎÁd-e EslÁm, Teheran 1363hš/1984. -ŠakÝa, MuÒÔafÁ: IslÁm bi-lÁ maÆÁhib, Kairo 61987 (11961).

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ŠalabÐ, AÎmad: ÍarakÁt fÁrisÐya mudammira Ãidd al-islÁm wa-l-muslimÐn Ýibra al-ÝuÒÙr, Kairo 1988. SalÁm, ÝÀÔif: al-WaÎda al-ÝaqÁÞidÐya Ýind as-sunna wa-š-šÐÝa, Beirut 1407/1987. SÁlim, RašÁd: s. Ibn TaimÐya. ŠaltÙt, MaÎmÙd: FatÁwÁ l-imÁm al-akbar MaÎmÙd ŠaltÙt, Beirut, Kairo 101403/1983. idem: al-IslÁm ÝaqÐda wa-šarÐÝa, Kairo 1959. idem / MuÎammad ÝAlÐ as-SÁyis: MuqÁranat al-maÆÁhib fÐ l-fiqh, Kairo 1953. -SÁlÙs, ÝAlÐ AÎmad: Bain aš-šÐÝa wa-s-sunna. DirÁsa muqÁrina fÐ t-tafsÐr wa-uÒÙlihi, Kairo 1989. idem: ÝAqÐdat al-imÁma Ýind aš-šÐÝa al-i×nÁ ÝašarÐya. DirÁsa fÐ ÃauÞ al-kitÁb wa-s-sunna. Hal kÁn ŠaiÌ al-Azhar al-BišrÐ šÐÝÐ?!, Kairo 1407/1987. idem: A×ar al-imÁma fÐ l-fiqh al-ÊaÝfarÐ wa-uÒÙlihi, Kairo 1402/1982. Šaraf ad-DÐn, ÝAbd al-Íusain: al-MurÁÊaÝÁt, Kairo 201979 (Nachdruck der Ausgabe Sidon 11936; weitere Auflagen u.a.: Bagdad 21365/1946; Sidon 31373/1953; Beirut 41377/1957-58; NaÊaf 61383/ 1963; Beirut 101391/1972; Kairo 171977 und 191978; Beirut 1979; Teheran o.J. [ca. 1984/85]). idem (i.e. Allama Sayyid Abdul Husayn Sharifuddeen): The Right Path. Translated by Muhammad Amir Haider Khan, Karachi 1983. idem: AÊwibat masÁÞil ÉÁrallÁh, Sidon 1355/1936, NaÊaf 31386/1966. idem: IlÁ l-MaÊmaÝ al-ÝilmÐ al-ÝarabÐ bi-Dimašq, Sidon 1370/1950. idem: BuÈyat ar-rÁÈibÐn fÐ silsilat Àl Šaraf ad-DÐn, I-II, Beirut 1411/1991. idem: al-FuÒÙl al-muhimma fÐ taÞlÐf al-umma, Beirut 81415/1995 (11909; persische Übersetzung u.d.T. MabÁÎe×-e ÝamÐqÐ dar Êehat-e waÎdat-e ommat-e eslÁmÐ, Qom 1362hš/1984; Übersetzung und Vorwort von AÎmad ÑÁdeqÐ ArdestÁnÐ). idem: MasÁÞil fiqhÐya bain ahl as-sunna wa-š-šÐÝa, Beirut 2ca. 1960. idem: al-IÊtihÁd fÐ muqÁbil an-naÒÒ, Beirut 101988 (NaÊaf 11956 u.d.T. an-NaÒÒ wa-l-iÊtihÁd); Einleitung von MuÎammad ÑÁdiq aÒ-Ñadr. idem: s. HÁšim ad-DaftardÁr al-MadanÐ. ŠarÐÝatÐ, ÝAlÐ: TašayyoÝ-e ÝalawÐ wa tašayyoÝ-e ÒafawÐ, Teheran 1980. ŠarqÐ, MoÎammad ÝAlÐ: Naqš-e eslÁm dar rÁh rasÐdan be-waÎdat, in: WaÎdat-e moslemÐn. GozÁreš-e šešom. NegarešÐ be-maqÁlÁt-e kongre-ye ÊahÁnÐ-ye aÞemme-ye ÊomÝe wa ÊamÁÝat, Qom o.J., 525-47. -SarrÁÊ, ÝAdnÁn IbrÁhÐm: al-ImÁm MuÎsin al-ÍakÐm 1889-1970m. DirÁsa tÁrÐÌÐya tabÎu× sÐratahu wamawÁqifahu wa-ÁrÁÞahu as-siyÁsÐya wa-l-iÒlÁÎÐya wa-a×arahÁ ÝalÁ l-muÊtamaÝ ad-duwalÐya fÐ lÝIrÁq, Beirut 1414/1993. ŠaÝt, AÎmad KamÁl: Min as-sÐra: al-FÁrÙq bain as-sunna wa-š-šÐÝa, Kairo 1990. idem: aÒ-ÑiddÐq bain as-sunna wa-š-šÐÝa, Kairo 1990. idem: aš-ŠÐÝa al-imÁmÐya: Falsafa … wa-tÁrÐÌ, Kairo 1988. -ŠawÁbika, AÎmad Fahd BarakÁt: MuÎammad RašÐd RiÃÁ wa-dauruhu fÐ l-ÎayÁt al-fikrÐya wa-s-siyÁsÐya, Amman 1409/1989. idem: Íarakat al-ÊÁmiÝa al-islÁmÐya, az-ZarqÁÞ 1404/1984. -ÑÁwÐ, ÑalÁÎ: at-TaÝaddudÐya as-siyÁsÐya fÐ d-daula al-islÁmÐya, Kairo 1992. idem: MadÌal ilÁ taršÐd al-Ýamal al-islÁmÐ, Kairo 1413/1993. -ÑawwÁf, MuÎammad MaÎmÙd: ÑafaÎÁt min tÁrÐÌ ad-daÝwa al-islÁmÐya fÐ l-ÝIrÁq, Kairo 1984. -SÁyis, MuÎammad ÝAlÐ: s. ŠaltÙt. -ÑayyÁdÐ, MuÌliÒ: al-Azhar wa-mašÁrÐÝ taÔwÐrihi 1289-1390h / 1872-1970, Beirut 1992. -SibÁÝÐ, MuÒÔafÁ: as-Sunna wa-makÁnatuhÁ fÐ t-tašrÐÝ al-islÁmÐ, Kairo o.J. (11961). -ŠÐrÁzÐ, ÝAbd al-KarÐm BÐ ÀzÁr (ed.): al-WaÎda al-islÁmÐya au at-taqrÐb bain al-maÆÁhib as-sabÝa, Beirut 1975, 21992. idem (ed.): EslÁm. ÀÞÐn-e hambastegÐ. MaqÁlÁt-e ÝelmÐ wa eÒlÁÎÐ-ye reÊÁl-e taqrÐb, Teheran 1354hš/ 1976.

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idem: TalÁš-e roÞasÁ-ye al-Azhar wa marÁÊeÝ-e šÐÝe dar rÁh-e waÎdat, in: WaÎdat-e moslemÐn. GozÁreš-e šešom. NegarešÐ be-maqÁlÁt-e kongre-ye ÊahÁnÐ-ye aÞemme-ye ÊomÝe wa ÊamÁÝat, Qom o.J., 603-15. -ŠÐrÁzÐ, ÝAbdallÁh b. MuÎammad: MonÁÛarÁt-e ÀyatollÁh ŠÐrÁzÐ dar Makke wa MadÐne, Teheran 1385/1966 (arabisches Original u.d.T. al-IÎtiÊÁÊÁt al-Ýašara, NaÊaf 21385/1959-60). ŠirrÐ, MuÎammad ÉawÁd: ŠÐÝe wa tohmathÁ-ye nÁ-rawÁ, Mašhad 1366hš/1987. idem: s. Chirri. SobÎÁnÐ, ÉaÝfar: s. aÒ-ÑÁfÐ. -SubaitÐ, ÝAbdallÁh: IlÁ mašyaÌat al-Azhar, Bagdad 1956. idem: al-MubÁhala, Bagdad 1947, Teheran 21402/1982. -SuwaidÐ, ÝAbdallÁh: MuÞtamar an-NaÊaf allaÆÐ intahÁ bi-ÌuÃÙÝ muÊtahidÐ š-šÐÝa al-imÁmÐya AbÐ Bakr wa-ÝUmar wa-iÝlÁnihim ÆÁlik ÝalÁ minbar al-KÙfa fÐ ÌuÔbat al-ÊumÝa allatÐ ÎaÃarahÁ NÁdir ŠÁh yaum 26 šawwÁl 1156h. MuqtaÔaf min muÆakkirÁt ÝallÁmat al-ÝIrÁq wa-ÝimÁd hÁÆÁ l-muÞtamar asSayyid ÝAbdallÁh b. al-Íusain as-SuwaidÐ al-ÝAbbÁsÐ al-maulÙd sanata 1104h wa-l-mutawaffÁ sanata 1174h, ed. MuÎibb ad-DÐn al-ËaÔÐb, Kairo 31973 (11947-48). ÓabÁÔabÁÞÐ, MoÎammad Íosain ÝAlawÐ: ËÁÔerÁt-e zendegÁnÐ-ye ÀyatollÁh ol-oÛmÁ ÀqÁ-ye BorÙÊerdÐ, Teheran 1341hš/1962. idem (i.e. MuÎammad Husayn [sic!] ÓabÁÔabÁÞÐ): ShiÝite Islam. Translated from the Persian and Edited with an Introduction and Notes by Seyyed Hossein Nasr, Albany 1975. ÓabÁÔabÁÞÐ, MoÒÔafÁ ÍosainÐ: RÁhÐ be-sÙ-ye waÎdat-e eslÁmÐ, o.O., o.J. ÕÁbit, MuÎammad SaÝÐd: al-WaÎda al-islÁmÐya au at-taqrÐb bain maÆÁhib al-muslimÐn wa-nuÒÙÒ muÒawwara min wa×ÁÞiqihÁ at-tÁrÐÌÐya allatÐ taÎaqqaqat ÌilÁl rubÝ qarn bi-ÊuhÙd al-ImÁm alakbar aš-ŠaiÌ ÝAbd al-KarÐm az-ZanÊÁnÐ an-NaÊafÐ, Bagdad 21965 (NaÊaf 11961). -Óair, MuÒÔafÁ MuÎammad al-ÍadÐdÐ: al-Qaul al-Îaqq fÐ l-bÁbÐya wa-l-bahÁÞÐya wa-l-qadyÁnÐya wa-lmahdÐ, Kairo 1406/1986. -TÐÊÁnÐ as-SamÁwÐ, MuÎammad: Õumma ihtadait, London o.J. (nach 1970; englische Übersetzung u.d.T. Then I was guided, Karachi 1991). idem: aš-ŠÐÝa hum ahl as-sunna, London 1413/1993. idem: MaÝa aÒ-ÒÁdiqÐn, Beirut 1410/1989. ÓÐra, MaÎmÙd IbrÁhÐm: s. HÁšim ad-DaftardÁr al-MadanÐ. ÓuÝaima, ÑÁbir: DirÁsÁt fÐ l-firaq, Riad 31987. idem: aš-ŠÐÝa muÝtaqadan wa-maÆhaban, Beirut 1408/1988. TuffÁÎa, AÎmad ZakÐ: al-MuslimÙn. DirÁsa muqÁrana wa-taÎlÐl, Beirut 1405/1985. -TurkumÁnÐ, MuÎammad AÎmad: TaÝrÐf bi-maÆhab aš-šÐÝa al-imÁmÐya, Amman 1403/1983. ÝU×mÁn, MuÎammad FatÎÐ: s. aÒ-ÑaffÁr. WÁfÐ, ÝAlÐ ÝAbd al-WÁÎid: Bain aš-šÐÝa wa-ahl as-sunna, Kairo 1984; s. auch ÚahÐr. -WardÁnÐ, ÑÁliÎ: aš-ŠÐÝa fÐ MiÒr min al-imÁm ÝAlÐ ÎattÁ l-imÁm al-ËumainÐ, Kairo 1414/1993. idem: MiÒr … ÏrÁn. ÑirÁÝ al-amn wa-s-siyÁsa, Kairo 1995. idem: ÝAqÁÞid as-sunna wa-ÝaqÁÞid aš-šÐÝa: at-taqÁrub wa-t-tabÁÝud, Kairo 1995. YaÝqÙb, AÎmad Íusain: al-ËiÔaÔ as-siyÁsÐya li-tauÎÐd al-umma al-islÁmÐya, Beirut 1415/1994. ÚahÐr, IÎsÁn IlÁhÐ: aš-ŠÐÝa wa-s-sunna, Kairo 1986 (11973; englische Übersetzung u.d.T. The ShÐÝites and the Sunna, Lahore 21984). idem: aš-ŠÐÝa wa-ahl al-bait, Lahore 1403/1982. idem: aš-ŠÐÝa wa-l-qurÞÁn, Lahore 31983. idem: Bain aš-šÐÝa wa-ahl as-sunna, Lahore 1985. idem: ar-Radd ÝalÁ d-duktÙr ÝAlÐ ÝAbd al-WÁÎid WÁfÐ fÐ kitÁbihi „Bain aš-šÐÝa wa-ahl as-sunna“, Lahore 1985. ÚÁhir, SulaimÁn: s. AbÙ l-Íasan al-ËunaizÐ. -Zain, MuÎammad ËalÐl: s. HÁšim ad-DaftardÁr al-MadanÐ. -Zain, MuÎammad Íusain: aš-ŠÐÝa fÐ t-tÁrÐÌ, Teheran 2 o.J. (Nachdruck der 1. Aufl. Sidon 1357/1938).

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Index In diesem Index sind alle in der Arbeit vorkommenden Personen (soweit es sich nicht um reine Literaturangaben handelt), Organisationen, Konfessionsgruppen und Presseerzeugnisse sowie die wichtigsten thematischen Verweise aufgenommen. Nicht berücksichtigt wurden Ortsnamen sowie allzu häufig vorkommende Begriffe wie z.B. (Zwölfer-) Schia, taqrÐb, Azhar, Pan-Islamismus oder die ÉamÁÝat at-taqrÐb und ihre Zeitschrift RisÁlat al-IslÁm. Der Bindestrich vor Personennamen vertritt den Artikel; A. = Anmerkung; MÎd. = MuÎammad. Aaron 7, 50 ÝAbd al-ÝAÛÐm, ÝAlÐ 104, 275 ÝAbd al-HÁdÐ, MÎd. 107A.96 ÝAbd al-ÍamÐd, MÎd. MuÎyÐ ad-DÐn 161f. ÝAbd al-Íusain (MollÁ-BÁšÐ) 21 ÝAbd al-IlÁh 104, 234 ÝAbd an-NÁÒir, ÉamÁl 92A.15, 115, 136, 138, 18992, 207, 210-15, 217A.9, 220, 222, 232, 23443, 246f., 250, 258f., 264, 266A.49, 269, 273 ÝAbd ar-RaÎmÁn b. MulÊam 9 ÝAbd ar-RaÎmÁn, ÝÀÞiša 266A.48, 283A.138 ÝAbd ar-RaÎmÁn, MuÒÔafÁ MuÊÁhid 227A.63, 270 A.72 ÝAbd ar-RÁziq, ÝAlÐ 34A.15, 62, 97, 190A.6 ÝAbd ar-RÁziq, MuÒÔafÁ 97, 99, 120, 145, 190, 191 A.11, 198 ÝAbd ar-RazzÁq, AbÙ Bakr 130 ÝAbdallÁh b. SabaÞ 119, 131, 181, 246, 248, 273A. 88, 281 ÝAbdallÁh b. az-Zubair 100A.59 ÝAbduh, MÎd. 24f., 27, 30, 33-35, 44, 57, 73, 77, 106, 122, 145, 156, 178, 183A.113, 189, 191A.10, 212 ÝAbdülÎamÐd II. 25, 29A.60, 39, 59, 115 ÝAbdülmecit II. 60 Abraham 7A.29, 11 AbÙ Bakr 6-8, 10, 12, 21f., 49f., 170, 253f. AbÙ Åarr al-ÇifÁrÐ 259A.8 AbÙ ÍanÐfa 176A.78, 177A.86, 178 AbÙ Huraira 41, 65A.30, 130A.99, 148A.211, 172 A.62, 186, 271, 280 AbÙ l-MaÊd, MÎd. 105A.88, 154, 240 AbÙ RaqÐq, ÑÁliÎ 279A.116 AbÙ Rayya, MaÎmÙd 130A.99, 172A.62, 186A. 131, 217A.9, 271-73, 278, 282 AbÙ Šuhba, MÎd. b. MÎd. 272 AbÙ Óalib 159, 209 AbÙ Zahra, MÎd. 126-30, 133, 152, 169, 174f., 182, 187, 214A.128, 224, 226A.57, 267f., 286A.152 AbÙ Zaid, NaÒr ÍÁmid 2 -AfÈÁnÐ, ÉamÁl ad-DÐn 24f., 27, 30, 73, 91, 106, 153, 156, 191A.10, 212, 277A.105, 297

ÀÈÁ ËÁn 83A.122, 224A.41 ÀÌir SÁÝa 225A.50 AÎmad b. Íanbal 178 AÎmad, AsÝad Sayyid 286A.154 AÎmadÐya 181A.108, 246 ÝÀÞiša 8, 12, 13A.58, 50, 280 Akademie für islamische Studien s. MaÊmaÝ al-buÎÙ× al-islÁmÐya Akhtar, WaÎÐd 233A.79 ÝAlawÐya 119, 138, 181, 244, 253 ÝAlÁya, MÎd. 221A.26 -ÝAlÁyilÐ, ÝAbdallÁh 296 ÝAlÐ b. AbÐ ÓÁlib 2, 6-12, 22, 49f., 72, 119, 159f., 167, 169-71, 180, 187, 195, 209, 251, 294 ÝAlÐ b. Íusain (haschimitischer Scherif) 61 ÝAlÐ Zain al-ÝÀbidÐn 62A.11 ÝAlÐ, ÝAbd al-ÝAzÐz 190 „alidische“ Rechtsschulen 224 ÝAllÙba, MÎd. ÝAlÐ 86, 98f., 100, 103, 105, 128A. 88, 135, 176, 186A.128 -ÀlÙsÐ, MaÎmÙd ŠukrÐ 65A.28, 69A.54, 200 -ÝÀmilÐ, BahÁÞ ad-DÐn „ŠaiÌ al-BahÁÞГ 180A.99 -ÝÀmilÐ, Íusain YÙsuf MakkÐ 129, 130A.99, 177A. 82, 187, 244 -ÝÀmilÐ, MÎd. b. ÝAlÐ al-MÙsawÐ 237A.98 AmÐn, AÎmad 66, 92, 130-34, 152, 159, 171, 175, 179, 182, 187, 205, 247, 282, 286A.152 -AmÐn, MuÎsin 39, 43-46, 65f., 67A.39, 71, 85A. 130, 95A.32, 119A.29&32, 120, 153, 166, 185, 200, 223, 245A.132 -AmÐnÐ an-NaÊafÐ, ÝAbd al-Íusain 6 ÝÁmma 46A.53, 280 ÝAmr b. al-ÝÀÒ 280 -ÝAmrÁnÐ, MÎd. b. IsmÁÝÐl 140A.158 -ÝAmrÐ, MÎd. b. ÝAbdallÁh 140A.158 anÊoman-e saÝÁdat 34 -AnÒÁrÐ, TaufÐq al-AyyÙbÐ 45A.50 -AnÔÁkÐ, AÎmad AmÐn 52f. -AnÔÁkÐ, MÎd. MarÝÐ al-AmÐn 52f., 175A.77, 231A. 72 -ÝAqqÁd, ÝAbbÁs MaÎmÙd 159A.10, 217 ÝArafa, MÎd. 121, 162, 186, 210, 245, 250f., 268

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INDEX

ÝArafÁt, YÁsÐr 136A.137 ÀrÁm, ÝAbbÁs 238A.101 ArdastÁnÐ, MÐr ÅÙ l-FiqÁr 253A.174 ArdestÁnÐ, AÎmad ÑÁdeqÐ 286A.152 ÝÀrif, ÝAbd as-SalÁm 234, 264 ArslÁn, ŠakÐb 65A.30, 194 -AÒÐl, IbrÁhÐm MÎd. 215 -ÝAskarÐ, MurtaÃÁ 273, 281 AškÙrÐ, MÎd. ÝAlÐ ÑadrÁÞÐ 144A.179 ÀštiyÁnÐ, MÎd. Íasan 199f. -A×arÐ, MÎd. BahÊat 69 Atatürk, Mustafa Kemal Pascha 60 ÝAyrÙÃ, AmÐn AllÁh 53A.83 AÝÛam, ÝUmar FÁrÙq 245A.129, 279 -AÝÛamÐ, ÝAbd al-Íaqq 28 -AÝÛamÐ, ÍamdÐ 116 ÝAzzÁm, ÝAbd ar-RaÎmÁn 85, 96 ÝAzzÁm, ÝAbd al-WahhÁb 92-94, 99A.51, 132A.108 BÁbÐya 28, 183A.114, 195, 253 -BaÈdÁdÐ, AdÐb at-TaqÐ 119A.29 Bagley, Frank 3 BahÁÞÐya 144A.180, 181, 183A.114, 195, 202, 246 -Bahayy, MÎd. 121, 191A.11, 210, 259, 268f., 270 BaÌÐt, ÝAbd al-ÍamÐd 209 -BaÌÐt, MÎd. 43, 45, 62 -BaÎÒilÐ, RašÐd 95A.29 -BakrÐ, AbÙ l-Íasan b. ÝAlÐ 55 BaktÁšÐya 202f. -BannÁ, ÝAbd al-ÉawÁd 104A.78 -BannÁ, Íasan 91, 98f., 135f., 138, 139A.151, 194, 196 -BÁqÙrÐ, AÎmad Íasan 112, 113A.128, 137f., 142, 148f., 190, 213, 225, 282 barÁÞa 13, 180 -BarbarÐ, MÎd. YÙsuf 151A.227, 202A.70 BawÁnÁtÐ, MÐrzÁ MÎd. BÁqer 27 -BawwÁbÐ, ÝAbd al-QÁdir 95A.29 BehbehÁnÐ, MÎd. BÁqer 79 BehbehÁnÐ, MÎd. MÙsawÐ 241f. -BišrÐ, SalÐm 37, 44f., 48-51, 53, 57, 130, 292 BorÙÊerdÐ, Íosain ÓabÁÔabÁÞÐ 54, 105A.88, 118, 141-44, 147A.205, 153, 155, 186A.128, 204, 211, 213, 220, 222, 239, 242, 257, 261, 263, 267, 296 -BÙhÐ, KÁmil 290A.11 -DabbÁs, ÝAbd al-ÝAzÐz 281A.127 -Daftar, MÎd. HÁdÐ 224 -ÅahabÐ, al-ÍÁfiÛ MÎd. b. ÝU×mÁn 201, 209 -ÅahabÐ, MÎd. Íusain 229A.68 DÁr al-aitÁm al-islÁmÐya 85A.129 DÁr al-inÒÁf 94f., 105A.87 DÁr al-iÝtiÒÁm 130, 285A.150 DÁr at-tablÐÈ 276-78, 279A.117 DÁr at-taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya 102f., 122, 136, 295 DÁr at-tauÎÐd 290A.11 DarÁz, ÝAbd al-LaÔÐf 69, 114A.3, 122, 157A.6, 193, 203, 240 DarÁz, MÎd. ÝAbdallÁh 121, 210

DÁwÙd, ÍÁmid ÍifnÐ 281f. -DiÊwÐ, YÙsuf 43A.40 -DihlawÐ, ŠÁh ÝAbd al-ÝAzÐz 200A.58 -DimašqÐ, Badr ad-DÐn 45A.50 Doºrul, Ömer Riza 116A.11 Drusen 181, 244 Edib, E¢ref 116 Ende, Werner 3 EÔÔelÁÝÁt 217 FaÃlallÁh, HÁdÐ 160A.17 FaÃlallÁh, MÎd. Íusain 55 -FaÎÎÁm, MÎd. MÎd. 228, 274-78, 284 -FaÎÎÁm, MÎd. MÎd. MÎd. 274A.93 FaiÒal II. (irakischer König) 234 FaiÒal b. ÝAbd al-ÝAzÐz 118, 196A.35, 255, 260-62, 277 FÁrÙq (ägyptischer König) 77, 82, 86f., 104, 190, 210 -FÁrÙqÐ, ÝAbd al-BÁqÐ al-ÝUmarÐ 203A.76 FaššÁhÐ, Íosain 180A.104 al-FatÎ 147, 154A.239, 194, 196f., 206, 256 FÁÔima 7, 11, 13A.58, 62A.11 FauzÐ, MaÎmÙd 238A.101 FauzÐya (ägyptische Prinzessin) 87f., 95 FayyÁÃ, MaÎmÙd 157, 162, 164, 213 FedÁÞÐyÁn-e EslÁm 136 -FiqÐ, MÎd. ÍÁmid 100A.60 Fleischhammer, Manfred 3A.12 FuÞÁd (ägyptischer König) 62, 77, 190A.6 -FukaikÐ, TaufÐq 129, 145, 169 -ÉaÝÁr, MÎd. AÎmad 105A.87 -ÉabartÐ, ÝAbd ar-RaÎmÁn 32 -ÉabhÁn, IbrÁhÐm 245-50, 255A.183, 268, 289, 290 A.8, 296 -ÉabrÐ, ÝAbd al-MutaÝÁl 23A.26 ÉÁd al-Íaqq, ÉÁd al-Íaqq ÝAlÐ 292-94 ÈadÐr Ëumm 6, 9f., 50 ÉaÝfar aÒ-ÑÁdiq 11, 21, 62A.11, 127, 129, 175, 177 A.86, 246, 249A.153 ÉahmÐya 295A.33 Èaiba 12 -ÇalÁyinÐ, MuÒÔafÁ 69 ÇÁlÐ, MÎd. MaÎmÙd 110A.109 ÉamÁÝa ÌairÐya islÁmÐya ÊaÝfarÐya 181 ÉamÁÝat anÒÁr as-sunna al-muÎammadÐya 100A. 60, 240, 244 ÉamÁÝat (haiÞat) kibÁr al-ÝulamÁÞ 34, 62, 97A.40, 202 ÉamÁÝat al-uÌÙwa al-islÁmÐya 92-94, 99A.51, 100 A.60, 107, 114, 146 ÉÁmiÝat ad-duwal al-ÝarabÐya 94 ÉÁmiÝat al-masÊid al-aqÒÁ al-islÁmÐya 76 ÉÁmiÝat aš-šuÝÙb al-ÝarabÐya al-islÁmÐya 286 ÉamÝÐyat Àl al-bait 286A.154, 290A.11 ÉamÝÐyat al-ÊihÁd al-islÁmÐ 191A.8 ÉamÝÐyat al-hidÁya al-islÁmÐya 76, 91, 95A.29, 191 A.8 ÉamÝÐyat ÌuddÁm ad-dÐn 94

INDEX ÉamÝÐyat al-iÌwÁn al-muslimÐn 91, 93A.21, 98, 114f., 130, 135-38, 146, 190-92, 194, 196f., 208, ÉamÝÐyat al-iÌwÁn al-muslimÐn (Forts.) 217, 240, 258, 286A.154, 289 ÉamÝÐyat KarÁtšÐ al-islÁmÐya 94 ÉamÝÐyat kull muslim 290A.11 ÉamÝÐyat muntadÁ n-našr 92, 212A.119 ÉamÝÐyat an-nahÃa al-ÝarabÐya 194 ÉamÝÐyat šabÁb al-ismÁÝÐlÐya 94 ÉamÝÐyat aš-šubbÁn al-muslimÐn 75, 86, 91, 93A. 21, 98, 191A.8, 193f., 198, 240 ÉamÝÐyat taÝlÐm al-muwaÎÎidÐn 26 ÉamÝÐyat al-uÌÙwa al-islÁmÐya 94A.25, 137, 139 ÉamÝÐyat al-waÎda al-ÝarabÐya 98A.45 ÉamÝÐyat al-waÎda al-islÁmÐya 94, 264A.36 ÉamÝÐyat al-wÁÝiÛÐn al-ÊaÝfarÐya 94 -ÇandÙr, ÝAbd al-QÁdir 95A.29 ÉÁrallÁh, MÙsÁ 16A.72, 41, 57, 85, 109A.106, 120, 129A.96, 145A.188, 249A.159, 250 Gasprinskij, IsmÁÝÐl 44 ÉauharÐ, ÓanÔÁwÐ 93f. ÉawÁd, MuÒÔafÁ 119A.29 -ÉawÁhirÐ, ÝAbd al-HÁdÐ Àl 72A.68 ÉÁwК, ÝAbd al-ÝAzÐz 75A.82, 194 -ÉazÁÞirÐ, ÝAbd al-KarÐm 237 -ÉazÁÞirÐ, ÓÁhir 194, 200 -ÇazzÁlÐ, AbÙ ÍÁmid 128, 165 -ÇazzÁlÐ, MÎd. 111, 137, 183, 202, 223f., 231, 268 A.56 -Éisr, Íusain 89A.1 -ÉÐzÁwÐ, AbÙ l-FaÃl 62 Göbel, Karl-Heinrich 4A.13 Goldziher, Ignaz 5, 22 Gräberkult 14, 61f., 66, 93, 117, 125, 152, 233A. 80, 244, 261 -ÉubbÁÝÐ, Zain ad-DÐn b. ÝAlÐ 55 ÈulÁt 73A.72, 120, 144, 180f., 185 -ÉundÐ, ÝAlÐ 108, 270 al-HÁdÐ 228, 276 ËadÐÊa 280 -ËafÁÊÐ, ÝAbd al-MunÝim 113, 154, 192A.15, 282 HaiÞat wÁdÐ n-NÐl al-ÝulyÁ li-inqÁÆ FilasÔÐn 98, 135 -ÍÁÞirÐ, ÝAbd al-KarÐm 58, 141 -ÍÁÞirÐ, MÎd. Íasan al-QazwÐnÐ 283 -ÍakamÐ, MurtaÃÁ 282 -ÍakÐm, MÎd. TaqÐ 51, 160A.17, 264A.34, 284A. 143 -ÍakÐm, MuÎsin 52, 145A.192, 235, 237, 241f., 248, 252, 263, 270A.68, 276 -ÍakÐm, TaufÐq 163A.30 ËalafallÁh, MÎd. AÎmad 209A.110 ËÁlid, ËÁlid MÎd. 151 ËÁlid, Íasan 279A.116 ËalÐl, AÎmad Bey 93 -ËÁliÒÐ, MÎd. 264A.34 -ËÁliÒÐ, MÎd. MahdÐ 147 -ËÁliÒÐ, MÎd. b. MÎd. MahdÐ 114A.3, 136f., 139f., 146f., 154, 165f., 203, 206-08, 219, 254, 264A. 34

323 ËÁmeneÞÐ, ÝAlÐ 55, 78A.101, 291 ÍanafÐya 4, 178, 202A.69, 239A.104 ÍanbalÐya 4, 194, 202, 239A.104 ËwÁnsÁrÐ, MÎd. TaqÐ 141 -ËÁqÁnÐ, AbÙ MÎd. 195A.35, 255, 262 -ËÁqÁnÐ, ÝÏsÁ ÝAbd al-MaÊÐd 277, 278A.110 -ËÁqÁnÐ, SalmÁn 247 Íarb, MÎd. ÑÁliÎ 98 ËÁriÊiten 9, 180, 295A.33 -ÍÁri×Ð, MÎd. FaÃlallÁh 209 Hartmann, Richard 5A.19 Íasan b. ÝAlÐ 9A.40, 62A.11 -Íasan al-ÝAskarÐ 12, 202 Íasan, SaÝd MÎd. 151A.227, 205, 208A.102 -ÍasanÐ, ÝAbd ar-RazzÁq 73, 145, 180A.102 ÌÁÒÒa 46A.53, 158 -ÍaÒÒÁn, ÝAbd ar-RazzÁq 71, 74 ÍassÙna, MÎd. 95A.29 -ËaÔÐb, ÝAbd al-KarÐm 229 -ËaÔÐb, ÝAbd ar-RasÙl 147A.202, 207A.96 -ËaÔÐb, Íusain 249A.158 -ËaÔÐb, MÎd. ÝAÊÊÁÊ 130A.99 -ËaÔÐb, MuÎibb ad-DÐn 13, 23, 53, 65A.30, 75A.82, 76A.84, 98, 129A.96, 135, 146f., 151, 153f., 185, 193-212, 215-17, 219, 244f., 247, 250, 252-56, 261-63, 272, 286, 289 -ÍaumÁnÐ, MÎd. ÝAlÐ 67A.39, 70A.58 -ÍaumÁnÐ, SalwÁ 132A.112 al-ÍayÁt 219 -ËayyÁÔ, TaÎsÐn ÑalÁÎ 296 -ËiÃr Íusain, MÎd. 76, 90, 190f., 193, 198, 202A. 69, 207 al-HilÁl 251A.167 -ËilÁlÐ, MÎd. b. ÝAbd al-QÁdir 66A.32 -ÍillÐ, AbÙ l-QÁsim ÉaÝfar b. al-Íasan „al-MuÎaqqiq“ 112, 148, 224, 237A.98 -ÍillÐ, al-Íasan b. YÙsuf b. al-MuÔahhar „al-ÝAllÁma“ 18, 20, 237A.98, 269, 286A.154 ËomeinÐ, RÙÎollÁh 12, 15, 55, 242, 257f., 275f., 277A.106, 279, 288f., 291-93 -HuÃaibÐ, Íasan 136f., 139 -ËÙÞÐ, AbÙ l-QÁsim 145, 169, 276A.103 -ËÙlÐ, AmÐn 93 -ËunÊÐ, FaÃlallÁh b. RÙzbihÁn 283A.142 ËÙnsÁrÐ, MoÒÔafÁ KÁšefÐ 144A.179 -ËurÁsÁnÐ, MÎd. KÁÛim 29f., 34, 38 -Íurr al-ÝÀmilÐ, MÎd. b. al-Íasan 113, 281 Íusain (jordanischer König) 239 Íusain b. ÝAlÐ (schiitischer Imam) 9, 13f., 41, 171, 283A.138 Íusain b. ÝAlÐ (haschimitischer Scherif) 61, 82 Íusain, ÓÁhÁ 76, 159A.10, 283A.137 -ÍusainÐ, MÎd. AmÐn 64, 69, 76, 86A.133, 114, 135, 138f., 261 -ÍuÒrÐ, ÝAbd al-ËalÐl 274A.93 HuwaidÐ, FahmÐ 48A.62 IbÁÃÐya 63 Ibn ÝAbd Rabbih 145 Ibn ÝAbd al-WahhÁb, MÎd. 117 Ibn al-ÝArabÐ, AbÙ Bakr 201

324

INDEX

Ibn ÝÀšÙr, MÎd. al-FÁÃil 260 Ibn BaÔÔÙÔa 18 Ibn BÁz, ÝAbd al-ÝAzÐz 291, 294A.33 Ibn ad-DÐn, ÝAbd al-Íusain 140, 176 Ibn ÉuhaimÁn, ÝAbd al-KarÐm 116f. Ibn ËaldÙn 145 Ibn Íazm 129A.96, 195 Ibn IbrÁhÐm, Íasan b. ÝAlÐ 140A.158 Ibn SaÝÙd, ÝAbd al-ÝAzÐz 38A.10, 61, 63A.20, 65, 82, 116f., 174 Ibn TaimÐya, TaqÐ ad-DÐn AÎmad 2A.6, 18, 129A. 96, 138A.148, 194f., 201, 253, 286A.154 IbrÁhÐm, AÎmad 226A.57 IbrÁhÐm, MuÝawwaà ÝAwaà 126, 225 iÊtihÁd 20, 26, 76, 80, 110, 122, 133, 145, 166-68, 176f., 179, 199, 243, 294 iÌtilÁf 177-79, 182, 185, 294 Imamat 11, 49f., 79f., 131, 140, 145, 150, 164, 167-71, 196, 226A.58, 285, 297 ImÁmÐ, Íasan „ImÁm al-ÉumÝa“ 105A.88 al-ÝIrfÁn 34f., 40, 47f., 52, 57A.98, 65, 66A.34, 67 A.39, 71, 84, 100, 107, 111A.121, 125, 133f., 153, 192A.15, 200, 206, 208, 218f., 228, 237, 242, 244, 247, 252, 261, 267, 270, 275 -IryÁnÐ, ÝAbd ar-RaÎmÁn b. YaÎyÁ 260 ÝÏsÁ, ÝAbd al-ÝAzÐz MÎd. 102A.69, 104A.78, 107, 121f., 282 ÝÏsÁ, MÎd. ÍilmÐ 157A.6 -IÒfahÁnÐ, AbÙ l-Íasan 39, 75, 85 IsÎÁqÐ, ÝIyÁà 67 The Islamic Review 231 Islamische Weltliga s. RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ ÝiÒma 11, 129, 170A.57, 171, 196f., 199, 244, 253, 256 IsmÁÝÐl (safawidischer Schah) 19 IsmÁÝÐl, ÍÁmid MaÎmÙd 250A.160 IsmÁÝÐlÐya 4, 83A.122, 180f., 224A.41, 244, 246, 253 al-IÝtiÒÁm 285 Jesus Christus 11, 180 -KafÁÞÐ, MÎd. KÁÛim 144A.182, 264 KaÎÎÁla, ÝUmar RiÃÁ 13A.58 KaisÁnÐya 180A.99 Kalifat 59-63, 79-82, 84-86, 140, 158, 166, 169-71, 226A.58 KamareÞÐ, ËalÐl 118A.18, 139, 143f., 222, 232, 261f., 279-81 -KÁšÁnÐ, AbÙ l-QÁsim 135f. KÁšif al-ÇiÔÁÞ, ÝAbd al-ÍalÐm 143A.175, 145, 182, 186 KÁšif al-ÇiÔÁÞ, ÝAbd ar-RasÙl 67A.39, 70A.58 KÁšif al-ÇiÔÁÞ, ÝAbdallÁh Àl 67A.39 KÁšif al-ÇiÔÁÞ, ÝAlÐ 262A.25, 264-66 KÁšif al-ÇiÔÁÞ, MÎd. al-Íusain Àl 16A.72, 43f., 52, 64, 66-75, 85, 89, 95, 96A.39, 131f., 133A.121, 144f., 147A.205, 153, 156A.3, 167f., 174f., 177 A.82, 186A.128, 218, 237, 256A.189, 264, 266 A.50, 281 -KašmÐrÐ, MuÎsin al-FÁnÐ 253A.174

KasrawÐ, AÎmad 23A.26, 136A.136 -KattÁnÐ, MÎd. ÝAbd al-Íayy b. ÝAbd al-KarÐm 45 -Kau×arÐ, MÎd. ZÁhid 197A.44 -KawÁkibÐ, ÝAbd ar-RaÎmÁn 26f., 31 -KÁÛimÐ, Badr ad-DÐn 249 -KÁÛimÐ, KÁÛim 131 -KÁÛimÐ, MÎd. MahdÐ al-QazwÐnÐ 66A.32, 281A. 127 Kennedy, John F. 255A.183 Kipling, Rudyard 13A.61 Koranfälschung s. taÎrÐf al-qurÞÁn Kramer, Martin 4, 233A.79 KubrawÐya 19 KuftÁrÙ, AÎmad 278 KÙhkamareÞÐ, ÍuÊÊat 141A.164 -KulainÐ, AbÙ ÉaÝfar MÎd. 169, 254 Kurd ÝAlÐ, MÎd. 41, 76A.86, 119f., 129A.96, 133, 182A.109, 185, 194 -KurdistÁnÐ, AbÙ l-WafÁ al-MuÝtamadÐ 244 -LabÁbÐdÐ, MaÎmÙd 199 LaÊnat at-taÞlÐf wa-t-tarÊama wa-n-našr 92 LaÊnat tauÎÐd al-maÆÁhib 94A.27 laÝn s. Verfluchung Landau, Jacob M. 4 LÁrÐÊÁnÐ, ÝAlÐ 55 Lemke, Wolf-Dieter 4A.13 Lewis, Bernard 2, 5 LuÔfÐ as-Sayyid, AÎmad 109 -MadanÐ, HÁšim ad-DaftardÁr 95, 132A.111 -MadanÐ, MÎd. MÎd. 52A.74, 104A.78, 107-09, 111, 117, 121, 122A.48, 123f., 143, 149, 157, 167, 170, 213, 216, 221A.26, 226f., 229, 236, 240, 244, 267f., 270, 282 MaÊallat al-Azhar (MA) 53, 83, 92A.15, 103, 107, 109, 121, 124, 125A.69, 146, 151, 154, 159, 191A.9, 193, 198-203, 206f., 209, 210A.113, 211, 215f., 217A.8&9, 218, 221, 222A.31, 224, 226, 229, 233-37, 239, 241-44, 249, 251f., 263, 266A.50, 272, 274f., 290A.11, 292, 294 Maºallat al-iÌwÁn al-muslimÐn 194A.29, 196 MaÊdpÙr, ÉalÁl 144A.179 al-MaÊlis al-aÝlÁ li-š-šuÞÙn al-islÁmÐya 270, 293, 295 MaÊlis islÁmÐ aÝlÁ 83f., 85f. al-MaÊlis al-islÁmÐ al-ÝÁlamÐ li-d-daÝwa wa-l-iÈÁ×a 293 al-MaÊlis al-islÁmÐ aš-šÐÝÐ al-aÝlÁ 55A.90, 265 MaÊlisÐ, MÎd. BÁqir 19 MaÊmaÝ al-buÎÙ× al-islÁmÐya 263-68, 270-72, 293 MaÊmaÝ al-fiqh al-islÁmÐ 290 MaÊmaÝ-e taqrÐb bain al-maÆÁhib al-islÁmÐya 54, 55A.90, 134A.127, 143A.174, 286A.152, 291f. -MaÈribÐ, ÝAbd al-QÁdir 118 al-MaÝhad 147f. MahdÐ, MahdÐglaube 12, 131, 133, 148, 159, 171, 197, 199, 253, 255, 285, 292, 297 MaÌlÙf, Íasanain MÎd. 125, 202, 239A.104, 285f. MaÎmÙd I. (osmanischer Sultan) 21 MaÎmÙd, ÝAbd al-ÍalÐm 271f., 278

INDEX MaÎmÙd, ÉamÁl ad-DÐn 293 MÁlallÁh, MÎd. 286A.154 MÁlik b. Anas 177A.86, 178 MÁlikÐya 4, 178, 239A.104 -MallÁÎ, MaÎmÙd 23, 41A.27, 53, 114A.3, 130, 134A.128, 146f., 150, 162A.24, 179A.98, 20305, 206A.92&94, 207, 219, 246A.134, 247 MÁmaqÁnÐ, AsadallÁh 34 MaÞmÙn, Íasan 270 al-ManÁr 27, 31A.66, 42, 64f., 66A.32, 71-73, 159, 166A.39, 182, 200A.53 MannÙn, ÝÏsÁ 239A.104 -ManÒÙr (abbasidischer Kalif) 178f. -MaqrÐzÐ, TaqÐ ad-DÐn 161 -MarÁÈÐ, AbÙ l-WafÁ 202 -MarÁÈÐ, MÎd. MuÒÔafÁ 76-90, 96, 120f., 124, 126, 145, 150, 166, 175f., 189, 191A.10&11, 224, 249A.159, 264, 296, 298 MarzÙq, ÝAbd aÒ-ÑabbÙr 295 al-MasÁÞ 217, 222 al-masÎ ÝalÁ l-Ìuffain 16, 28A.55, 68 -MasÝÙdÐ, AbÙ l-Íasan ÝAlÐ 7, 41 al-MaÔbaÝa as-salafÐya, 194, 200 MaÔbaÝat an-NaÊÁÎ 281f. -MÁwardÐ, AbÙ l-Íusain MÎd. 60 -MÁzandarÁnÐ, ÝAbdallÁh 29f., 38 -MÁzandarÁnÐ, MÎd. ÑÁliÎ al-ÍÁÞirÐ 140, 169-71, 224, 226A.58 MeÎmed V (osmanischer Sultan) 29 MidÎat Pa¢a, AÎmed 27A.48 -MÐlÁnÐ, ÝAlÐ 56 MÐlÁnÐ, MÎd. HÁdÐ 275f. Milosz, Czeslaw 22A.22 MiškÐ, MÎd. RafÐÝ 63 MoÎammad ReªÁ PahlawÐ (nicht immer namentlich genannt; des öfteren nur als „Schah“ bezeichnet) 87f., 95, 104f., 136, 143, 171, 197, 211, 212A.118, 237-43, 250f., 257f., 261, 267, 274-76, 279A.117, 286A.154, 295f., 298 MontaªerÐ, Íosain ÝAlÐ 291 MoÒaddeq, MÎd. 103, 239 Moses 7, 11 MoÔahharÐ, MortaªÁ 258A.5 MuÝÁwiya b. AbÐ SufyÁn 2, 9, 119, 160, 167A.47, 194, 280 -MuÞayyad, ÝAlÐ b. IsmÁÝÐl 140A.158 MuÈnÐya, AÎmad 249A.156 MuÈnÐya, MÎd. ÉawÁd 3, 39A.15, 84f., 120A.35, 126, 128f., 133f., 140, 149-53, 165-68, 170A. 57, 171-73, 175A.76, 176A.78, 177f., 180, 184, 199f., 202, 207f., 218, 225, 227-29, 247, 249A. 156&159, 254, 266A.50, 268, 270, 277 -MuhÁÊir, ÉaÝfar 55 MuÎammad ÝAlÐ 32 MuÎammad ÝAlÐ ŠÁh 29 MuÎammad al-BÁqir 62A.11 MuÎammad al-MahdÐ 12; s. auch s.v. MahdÐ Muhammad, Elijah 220A.23 MuÎammad, MÎd. ÝAbdallÁh 159, 269, 295 -MuÝizz li-DÐn AllÁh (Fatimidenkalif) 43A.35 al-MuqÔataf 35

325 MÙsÁ, MÎd. YÙsuf 121, 159A.9, 210 -MÙsawÐ, ÝAbbÁs AbÙ l-Íasan 184, 206A.92 Muslimbrüder s. ÉamÝÐyat al-iÌwÁn al-muslimÐn (Ägypten) bzw. ÉamÝÐyat al-uÌÙwa al-islÁmÐya (Irak) MuštaharÐ, ÝAbd al-LaÔÐf 244 mutÝa 16, 22, 64, 93, 137, 145A.188, 166f., 233A. 80, 266, 297 -MutaÝÁfÐ, RiÃwÁn aš-ŠÁfiÝÐ 94A.27 MuÝtazila 295A.33 MuwÁÝada, MÎd. 191A.11 -MuÛaffar, MÎd. Íasan 204, 283A.142 -MuÛaffar, MÎd. RiÃÁ 92, 132, 160, 212A.119, 243, 281 MuÛaffar ad-DÐn ŠÁh 26A.39, 29 NÁdir ŠÁh 20-23, 31, 174, 223 -NadwÐ, AbÙ l-Íasan ÝAlÐ 262 -NadwÐ, SulaimÁn 272A.81 NaÊaf-ÁbÁdÐ, NeÝmatollÁh ÑÁleÎÐ 231A.74 NaÊafÐ, IsmÁÝÐl 141A.162 -NaÊÊÁr, MÎd. ÝAlÐ 202 NaÊÐb, MÎd. 189, 210 NaÌÁwila 38 -NaÎÎÁs, MuÒÔafÁ 77 NÁÞÐnÐ, MÎd. Íusain 58 Naipaul, V.S. 278A.110 -NaqšbandÐ, MÎd. b. ÝAbdallÁh al-ËÁnÐ 45A.50 -NašÁšÐbÐ, MÎd. IsÝÁf 69-71, 74, 85, 206, 249A.159 nÁÒibÐ, nawÁÒib 57, 244, 261, 273A.89 NaÒÐf, ÝAbdallÁh b. ÝUmar 245A.130 NaÒÐf, MÎd. b. Íusain 245f., 250-52, 253A.176, 261 NÁÒir ad-DÐn ŠÁh 29A.58 Nasser s. ÝAbd an-NÁÒir NawwÁb-e ÑafawÐ 136 NÁÛim ad-DÐn 104 Neo-SalafÐya 90-92, 98f., 114-16, 135, 138, 190, 194, 198, 208, 212, 217, 240, 243, 258f. Niltalkomitee s. HaiÞat wadÐ n-NÐl NiÝma, ÝAbdallÁh 231f. Noah 11 Nöldeke, Theodor 196, 252 Nolte, Ernst 1 NÙÎ, KÁÛim Àl 131A.107 -NuÝmÁnÐ, ŠiblÐ 251 NÙr ad-DÐn, ÝAbd al-Íusain 71f., 187 NÙr al-Íasan, MÎd. 216A.5 NÙr al-IslÁm 191 NÙrÐ, FaªlallÁh 29 NuÒairÐya s. ÝAlawÐya -NuÒÙlÐ, AnÐs ZakarÐya 71A.60, 74 Oberster Islamischer Rat s. MaÊlis islÁmÐ aÝlÁ Oberster Rat für Islamische Angelegenheiten s. alMaÊlis al-aÝlÁ li-š-šuÞÙn al-islÁmÐya Oberster Schiitischer Rat s. al-MaÊlis al-islÁmÐ aššÐÝÐ al-aÝlÁ Prophetengefährten s. ÒaÎÁba

326

INDEX

-QÁdiyÁnÐ, MÐrzÁ ÇilÁm AÎmad 181A.106 QÁdiyÁnÐya 246 -QaÎÔÁnÐ, MÎd. 12A.55 Qarmaten 246 QÁsim, ÝAbd al-KarÐm 234-36, 238f. -QaÒÐmÐ, ÝAbdallÁh 245A.132 -QÁsimÐ, ÉamÁl ad-DÐn 65A.28, 153, 176 -QazwÐnÐ s. al-KÁÛimÐ al-Qibla 82A.118, 194 -QommÐ, ÝAbdallÁh 295 QommÐ, MÎd. TaqÐ 23A.25, 95-106, 113, 115, 117 A.16, 122, 134-36, 139-44, 148, 153-55, 159, 163, 167, 168A.49, 173, 176, 178, 181, 183, 186A.128, 196-98, 200A.55, 203f., 208, 210f., 223f., 226, 229, 240, 253, 257, 267-70, 276, 281, 284-86, 292, 295, 298 RÁbiÔat al-ÝÁlam al-islÁmÐ 130, 139, 255, 259-63, 279, 290, 293f. -RaÃawÐ, MurtaÃÁ 113, 129, 202A.67, 229, 281-84 rafà s. Verfluchung rÁfiÃÐ, rawÁfiÃ, RÁfiÃiten 13A.57, 18, 57, 66, 132A. 111, 181A.105, 261 -RÁfiÝÐ, MÎd. KÁmil 64A.26 -RÁfiÝÐ, MuÒÔafÁ 126A.74, 221A.26 -RÁfiÝÐ, MuÒÔafÁ ÑÁdiq 132A.111 -RÁÊiÎÐ, ÝAbd al-ÇanÐ ÝAwaà 125, 151A.230, 154 RašÐd, ÝAbd al-ÝAÛÐm 63 Ra³ÐfanÐ, ÉalÁl ad-DÐn 144A.179 -RaštÐ, ÝAbd al-Íusain 109, 144A.182 RÁyat al-IslÁm 245f., 248A.152, 249, 267 ReªÁ ŠÁh 63 RiÃÁ, AÎmad 67A.39, 72A.68, 119f., 200A.55 RiÃÁ, MÎd. RašÐd 27-29, 31A.66, 42f., 47A.55, 6466, 69, 70A.58, 71-74, 77A.90, 82A.118, 89f., 100A.60, 112, 159f., 167A.47, 176, 182, 185, 187, 194, 200A.53, 207A.99, 251, 289 RiÃwÁn, FatÎÐ 193 -RifÁÝÐ, ÓÁlib 286A.154 ar-RisÁla 92f., 121, 124, 160 RisÁlat at-taqrÐb 291 -RiyÁšÐ, LabÐb 77A.94 Rondot, Pierre 3 -RÙÎÁnÐ, MÎd. ÑÁdiq 247f., 249 RÙz al-YÙsuf 266 aš-ŠaÝb 217, 219 -ÑabÁÎ, ÝAbdallÁh as-SÁlim 248 ŠaÝbÁn, MÎd. Íasan 244 ŠaÝbÁn, SaÝÐd 292 sabb s. Verfluchung -ÑabbÁn, MÎd. SurÙr 117, 280 -ŠabÐbÐ, MÎd. RiÃÁ 103A.75, 118, 140, 145, 162, 184, 206 SÁbiq, as-Sayyid 137 ÑabrÐ, ÝAlÐ 269 SaÝd b. ÝUtÁba 7 -SÁdÁt, Anwar 104, 210f., 247, 274, 286 -SaÝdÁwÐ, NawÁl 266A.48 -ÑÁdiq, MÎd. 221A.26 -Ñadr, Íasan 38A.4

-Ñadr, MÎd. BÁqir 38A.4&10 -Ñadr, MÎd. Íusain 44f. -Ñadr, MÎd. ÑÁdiq 95A.32, 129, 133, 145, 158, 182, 283 Ñadr, MuÎsin 140 -Ñadr, MÙsÁ 38A.4, 55, 264, 265f. Ñadr, Ñadr ad-DÐn 141 ÑafawÐya 19f. -ÑÁfÐ, LuÔfallÁh 262f., 284A.143 -ŠÁfiÝÐ 178 ŠÁfiÝÐya 4, 178, 239A.104 -ÑaÈÐr, MÎd. Íusain 237A.98 ÒaÎÁba 12f., 22, 42A.33, 68, 120, 168, 171f., 187, 194f., 197, 256, 262, 280, 282; s. auch s.v. Verfluchung ŠahÐdÐ, ÉaÝfar 264A.34 -ŠahrastÁnÐ, Hibat ad-DÐn 30, 43A.37, 52, 145 SaÝÐd, ÝAbd al-ÍamÐd 75, 86, 98A.46, 194 SaÝÐd, Íasan 278 -SaÝÐd, NÙrÐ 234 -ŠaidÁÞÐ, MÎd. IqbÁl 114 -ÑaÝÐdÐ, ÝAbd al-MutaÝÁl 99, 121, 157A.6, 173, 179, 191, 214, 222f. -SÁÝidÐ, MÎd. 106A.91 -ŠaiÌ al-MufÐd 253A.176 -ŠaiÌ, ÝAbd al-LaÔÐf b. IbrÁhÐm Àl 246 -SÁÞiÎ, ÝAbd ar-RaÎmÁn 107A.96 -ŠaiÌ, Íasan b. ÝAbdallÁh Àl 261A.21 -ŠaiÌ, MÎd. b. IbrÁhÐm Àl 246, 280 ŠaiÌ ar-RaÞÐs, AbÙ l-Íasan MÐrzÁ 26, 174A.71 ŠaiÌÐya 246 SÁkit, ÓÁhÁ MÎd. 209, 250 ŠalabÐ, ÝAlÁÞ ad-DÐn 227 SalafÐya 13, 65A.28, 76, 183A.113, 253 ÑalÁÎ ad-DÐn al-AyyÙbÐ 43A.35 ÑÁliÎ b. MÎd. 249A.153 SalÐm, ÝAbd al-MaÊÐd 48A.62, 78, 96A.35, 97-100, 103, 108A.103, 112, 114A.3, 115, 117f., 123f., 142, 145f., 153, 155, 179, 181A.106, 190, 191 A.11, 192f., 198, 202A.69, 203, 216, 218-20, 230, 256 SÁlim, MÎd. RašÁd 160A.16 SalÐma, MaÎmÙd 219 ŠaltÙt, MaÎmÙd 3, 77, 81, 85, 97, 99A.52, 101, 108 A.103, 109, 112f., 120A.37, 124f., 142f., 147, 151f., 154, 170, 178, 192, 202A.69, 214-46, 249f., 252, 259, 261, 268-70, 274, 279f., 282f., 285, 296, 298 -SÁlÙs, ÝAlÐ AÎmad 53, 130 -SamalÙÔÐ, MÎd. 45 -SamÁwÐ s. at-TÐÊÁnÐ Šams ad-DÐn, MÎd. MahdÐ 55 -ÑanÝÁnÐ, ÝAbdallÁh al-ÉarÁfÐ 140A.158 SangalaÊÐ, ŠarÐÝat 276A.104 saqÐfa 7, 50, 251, 294 Ñaqr, ÝAÔiya 274A.93 -ŠarabÁÒÐ, AÎmad 266A.48, 274A.93, 277A.106 Šaraf ad-DÐn, ÝAbd al Íusain 37-58, 72A.67&68, 79f., 89, 95, 101, 113, 126, 130, 147-49, 153, 160, 172A.62, 174, 176, 182, 185A.122, 186,

INDEX 220A.23, 225, 231A.72, 265, 273A.86, 282f., 292 Šaraf ad-DÐn, ÝAbdallÁh 39A.16 Šaraf ad-DÐn, ÉaÝfar 54 Šaraf ad-DÐn, Ñadr ad-DÐn 149, 273 Šaraf ad-DÐn, YÙsuf 38 ŠarÁra, MuÎsin 34f., 39A.15 -ŠaÝrÁwÐ, MÎd. MitwallÐ 284-86 ŠarÐÝatÐ, ÝAlÐ 21A.16, 54A.85 ŠarÐÝatmadÁrÐ, MÎd. KÁÛem 276, 277A.106, 278f. -ŠarÐf, KÁmil 293A.29 -ŠarqÁwÐ, MaÎmÙd 236 SaÝÙd b. ÝAbd al-ÝAzÐz 115, 144A.180, 210-12, 248, 250 ŠawwÁf, ÝAbd al-WahhÁb 234 -ÑawwÁf, MÎd. MaÎmÙd 94A.25 -SÁyis, MÎd. ÝAlÐ 124, 151A.227, 202A.70 Schulze, Reinhard 4 Sebilürre¢ad 116 -SibÁÝÐ, MÎd. 255A.183 -SibÁÝÐ, MuÒÔafÁ 136A.138, 186f., 259A.7, 272f. as-SiÊill 203 ŠiqÁqÐ, FatÎÐ ÝAbd al-ÝAzÐz 289 -ŠÐrÁzÐ, ÝAbd al-HÁdÐ al-ÍusainÐ 237 -ŠÐrÁzÐ, ÝAbd al-KarÐm BÐ ÀzÁr 221, 284 -ŠÐrÁzÐ, MÐrzÁ Íasan 29A.58, 38 -ŠÐrÁzÐ, MÎd. 270A.68 -SirhindÐ, AÎmad al-FÁrÙqÐ 167A.47 ŠirrÐ, MÎd. ÉawÁd 220f. SorÙš, ÝAbd ol-KarÐm 231A.74, 298A.43 -SubaitÐ, ÝAbdallÁh 205f., 273, 283A.142, 284A. 143 -SubkÐ, ÝAbd al-LaÔÐf 151A.227, 186, 202f., 230A. 69, 239A.104, 250 -ŠuÌailÐ, ÝAbdallÁh 266A.50 SulaimÁn, FatÎ AllÁh 78 Sündlosigkeit (der Imame) s. ÝiÒma ŠuÝÙbÐya 246 -SuwaidÐ, ÝAbdallÁh 22f., 153, 197A.43 -SuyÙÔÐ, ÉalÁl ad-DÐn 165 -ÓabarsÐ, al-FaÃl b. al-Íasan 112, 159A.9, 218, 229 -ÓabarsÐ, Íusain b. MÎd. TaqÐ an-NÙrÐ 16f., 38A.7, 113, 171, 245, 252f., 255, 281 ÓabÁÔabÁÞÐ, MÎd. MoÎÐÔ 23A.25 ÓabÁÔabÁÞÐ, ©iyÁÞ ad-DÐn 67A.39, 70 ÕÁbit, MÎd. 92, 145A.188 -ÓabrisÐ s. aÔ-ÓabarsÐ TÁÊ, ÝAbd ar-RaÎmÁn 151, 191f., 202A.69, 203, 205, 209, 211, 215, 225 ÓÁhÁ, YÁsÐn Suwailim 217A.8 -ÓahÁwÐ, IbrÁhÐm 210 taÎrÐf al-qurÞÁn 16f., 168f., 171, 244f., 252f., 255f., 270A.64 ÓÁleqÁnÐ, MaÎmÙd 143f. ÓalÎa 8, 167 ÕÁnÐ, ÝAlÐ b. ÝAbdallÁh Àl 252 ÕÁnÐ, ËalÐfa Àl 255A.186 -ÓanÐÌÐ, MÎd. 239A.104 ÓanÔÁwÐ, MÎd. Sayyid 294

327 taqÐya 15, 21f., 120, 150, 165f., 172, 196, 203f., 246A.134, 253, 255, 297f. TasÌÐrÐ, MÎd. ÝAlÐ 294 de Tassy, Garcin 196 taÞwÐl 50 -ÓehrÁnÐ, ÀÈÁ Bozorg 34A.16, 43A.37, 46f., 113, 225A.48, 255f. -TÐÊÁnÐ, ÍÁfiÛ 283A.137 -TÐÊÁnÐ as-SamÁwÐ, MÎd. 7, 38A.10 -TilimsÁnÐ, ÝUmar 289 ÝUlaiš, ÝAbd ar-RaÎmÁn 43A.37 ÝUmar b. ÝAbd al-ËaÔÔÁb 7f., 12, 21f., 50, 72, 170, 251, 253f. ÝUmar Makram 32 ÝUmar, Íasan ÝUmar 244 Umm Salama 280 al-ÝUrwa al-wu×qÁ 24f., 31, 67, 107, 156f., 212 ÝUsairÁn, ÝÀdil 221 ÝUsairÁn, MunÐr 64f., 166A.39, 182A.111 -ÝU×aimÐn, MÎd. b. ÑÁliÎ 294A.33 ÝU×mÁn b. ÝAffÁn 8f., 12, 170 ÝU×mÁn, FatÎÐ 217, 230A.69 Valéry, Paul 298f. Verfluchung der Kalifen und anderer Prophetengefährten durch die Schia (sabb, laÝn, rafÃ) 13, 21, 129A.97, 145, 167, 187, 253f., 285, 298 Victoria (britische Königin) 27 WÁÝeÛ ZÁdeh, MÎd. 134A.127, 143A.174, 161A. 18, 286A.152, 291 WaÊdÐ, MÎd. FarÐd 83, 121f., 204A.80 WahhÁbÐya 14, 61f., 65f., 96, 116-18, 152, 160A. 14, 194, 243, 246, 252, 261, 283, 285 -WakÐl, ÝAbd ar-RaÎmÁn 244 -WaqfÐ, IbrÁhÐm 126, 154 WÁqifÐya 180A.99 -WardÁnÐ, ÑÁliÎ 286A.154 WÁÒil b. ÝAÔÁÞ 177A.86 welÁyat-e faqÐh 12, 277A.106, 288, 293 Wingate, Sir Reginald 82 YÁdgÁr 103A.71 YamÙr, ŠafÐq 221A.26 al-YaqÛa 217A.12 YÁsÐn, MÎd. Íasan Àl 117A.16 YÁsÐn, MurtaÃÁ Àl 38A.10, 57A.98 YazdÐ, AbÙ ÓÁlib 96 YazdÐ, MÎd. KÁÛim 30 YazÐd b. MuÝÁwiya 2, 9, 14, 41, 171A.61, 194 YazÐdÐya 180A.102 -ZahÁwÐ, AmÊad 94A.25, 137, 139A.151 ZÁhedÐ, FaªlallÁh 239 ÚahÐr, IÎsÁn IlÁhÐ 290 ÚÁhir, SulaimÁn 67A.39, 72A.68, 118f., 120 az-ZahrÁÞ 194 Zaid b. ÝAlÐ 177A.86 ZaidÁn, ÉurÊÐ 251

328

INDEX

ZaidÐya 4, 63, 101, 103A.71, 107, 125A.69, 140, 144, 149, 177A.86, 180f., 202, 224A.41, 225, 253, 294A.33 Zain, ÝAbd al-ÍalÐm 232 -Zain, AÎmad ÝÀrif 40A.22, 67A.39, 72A.68, 100, 111A.121, 112A.123, 125, 133, 146A.198, 15355, 175A.73, 206, 211, 218f., 225 -Zain, ÝAlÐ 35 -Zain, MÎd. Íusain 284A.143 -Zain, NizÁr 154A.239, 200, 218f. Zain ad-DÐn, MÎd. Íusain 133 ÚalÁm, SaÝd ÝAbd al-MaqÒÙd 266A.50

-ZanÊÁnÐ, ÝAbd al-KarÐm 74-87, 89, 91, 106, 120A. 35, 138, 150, 166, 176, 193, 224, 248f., 264, 296 -ZanÊÁnÐ, AbÙ ÝAbdallÁh 76A.84, 132 ZaqzÙq, MaÎmÙd ÍamdÐ 296 -ÚawÁhirÐ, MÎd. al-AÎmadÐ 77, 120, 124A.61, 191 -ZayyÁt, AÎmad Íasan 92A.15, 133, 198, 204A.80, 217, 259, 263 Zebiri, Kate 4A.13 Zeitehe s. mutÝa -ZiriklÐ, Ëair ad-DÐn 139 Zubair 8, 167 -ZuÝbÐ, MÎd. ÝAlÐ 23, 95, 132A.111, 153, 222, 231 -ZuhairÐ, MÎd. ÝAlÐ 133