Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung: Siedlungsdynamik im Großraum Susiana vom 5. bis 2. Jahrtausend vor unserer Zeit [1. Aufl.] 9783662623572, 9783662623589

Diese geoarchäologische Untersuchung zu den vor- und frühgeschichtlichen Siedlungen im Großraum Susiana (SW Iran) und ih

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German Pages XIV, 196 [207] Year 2020

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Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung: Siedlungsdynamik im Großraum Susiana vom 5. bis 2. Jahrtausend vor unserer Zeit [1. Aufl.]
 9783662623572, 9783662623589

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIV
Einleitung (Elnaz Rashidian)....Pages 1-32
Datengrundlage (Elnaz Rashidian)....Pages 33-87
Diskussion (Elnaz Rashidian)....Pages 89-120
Summary (Elnaz Rashidian)....Pages 121-124
Back Matter ....Pages 125-196

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Elnaz Rashidian

Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung Siedlungsdynamik im Großraum Susiana vom 5. bis 2. Jahrtausend vor unserer Zeit

Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung

Elnaz Rashidian

Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung Siedlungsdynamik im Großraum Susiana vom 5. bis 2. Jahrtausend vor unserer Zeit

Elnaz Rashidian Frankfurt am Main, Deutschland Diese Arbeit ist eine überarbeitete Version der Dissertationsschrift der Autorin an dem Fachbereich 09 der Goethe-Universität Frankfurt. Die Disputation fand im Dezember 2016 statt und wurde bestanden. Der Arbeitstitel der Dissertation lautete: „Städte im Wandel – vergleichende geoarchäologische Studien zu Prozessen von Urbanisierung und De-Urbanisierung der Flusslandschaft im Großraum Susiana (SW Iran)“. Die Arbeit basiert auf einem Promotionsprojekt, das im Rahmen des DFG finanzierten Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalenz“ (2013–2016) von der Autorin geplant, durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen wurde.

ISBN 978-3-662-62357-2 ISBN 978-3-662-62358-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-62358-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold J.B. Metzler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Meiner Mutter – Fahimeh Rashidian – gewidmet, in tiefster Dankbarkeit und Bewunderung

Vorwort

Es ist mir eine Freude, zu der vorliegenden Arbeit von Frau Rashidian ein Vorwort schreiben zu dürfen. Frau Rashidian kam mit ganz konkreten Vorstellungen über ihr Thema zu mir und bat mich um Betreuung. Nun steht der Iran nicht im Zentrum meiner wissenschaftlichen Forschung, aber es gab eine Schnittmenge: die Geoarchäologie, der Versuch einer Rekonstruktion antiker Landschaften. Ihr Thema schien mir geeignet als Projekt in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Graduiertenkolleg (GRK) „Wert und Äquivalent“. Hier liegt nun das Ergebnis vor. Auf der Basis exemplarischer Untersuchungen in ausgewählten Regionen der Susiana, hat Frau Rashidian ein übergreifendes Modell der wechselseitigen Beziehungen zwischen den geomorphologisch-hydrologischen Entwicklungen von Flusslandschaften einerseits und der frühurbanen Kulturentwicklung andererseits erarbeitet. Grundlagen der Arbeit sind 1.) die Zusammenführung aller aus den Grabungsberichten bekannten Geodaten, 2.) die Durchführung von Laboranalysen von Proben aus unterschiedlichen, ausgewählten archäologischen Plätzen und 3.) die Einfügung dieser Daten in ein GIS-Programm zum Erstellen einer geoarchäologischen Karte des Untersuchungsgebietes. In Verbindung mit den archäologischen Daten (Stratigrafie, Siedlungsentwicklung) und der keilschrifttextlichen Überlieferung ist dann die mögliche Abhängigkeit der historischen Entwicklung von den geomorphologisch-hydrologischen Veränderungen untersucht werden. Grundsätzlich sollen Prozesse, die mit der Gründung, Entwicklung und dem Untergang von Siedlungen in marginalen Gebieten – an der Grenze des Regenfeldbaus – zusammenhängen, beispielhaft aufgezeigt werden. Ergebnis ist eine umfangreiche, sehr detaillierte Studie. Diese Arbeit wird noch für lange Zeit ein Standardwerk für die Geoarchäologie der Susiana bleiben.

VII

VIII

Vorwort

Damit wird ein Beitrag zu einem vertieften Verständnis der Genese und frühen Geschichte urbaner Siedlungen im Vorderen Orient geleistet. Diese Arbeit war nicht möglich ohne umfangreiche Feldforschungen im Iran, die dann in Deutschland von ihr selbst aufgearbeitet wurden. Diese ausführliche geoarchäologische Untersuchung belegt, dass die Verfasserin nicht nur über umfangreiche praktische (Feldforschung) und theoretische (Modelle, Literaturkenntnis, statistische Auswertung) Erfahrungen in ihrem Fachgebiet verfügt, sondern diese auch gezielt für bestimmte Fragestellungen einsetzen kann. Es liegt eine bemerkenswerte Arbeit vor, die mit einem Anregungspotential und einer Informationsfülle ausgestattet ist und daher zweifellos Grundlagencharakter für geoarchäologische Arbeiten im Iran besitzt. Frankfurt August 2020

Jan-Waalke Meyer

Danksagung

Diese Arbeit ist eine veränderte Version der Dissertationsschrift der Autorin, die der Johan Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt vorgelegt und im Dezember 2016 verteidigt wurde. Die ursprüngliche Idee bezog sich auf die Entstehung der ersten Stadt-Staaten im Südwest Iran und die Rolle der Landschaft bei diesem Prozess. Genauere Beobachtung hat die Autorin auf die zeitlichen Parallelen zwischen den archäologisch-erwiesenen räumlichen Veränderungen der Siedlungen und der westlich-gerichteten Migration der Paläogewässern aufmerksam gemacht. Daher wurde die Frage gestellt, ob diese zwei Prozesse zusammenhingen oder gar einander direkt beeinflussten. Diese Fragestellung bedarf gezielter Datenerhebungen sowohl aus archäologischer als auch aus geomorphologischer Sicht. Geoarchäologische Methoden, wie Bodenprobenentnahme und Mikro-Morphologie, wurden von der Autorin anhand eigener Erfahrung als geeignet empfunden. Der fluviale Charakter des Untersuchungsgebiets wurde als der entscheidende Geofaktor für die Untersuchung des vermuteten Landschaftswandels ausgewählt. Da diese Region ab dem 2.Jt.v.u.Z. einen großflächigen anthropogenen Landschaftswandel erlebte, wurde der Zeitraum daran angepasst. Das Projekt wurde seitens der DFG im Rahmen eines Graduiertenkollegs an der Goethe-Universität Frankfurt von 2013 bis 2016 finanziert. Die geoarchäologische Geländebegehung wurde in zwei Kampagnen im Frühjahr und Herbst 2014 mit einer Genehmigung des ICHHTO (Kultusministerium) / ICAR (Iranian center for Archaeology) durchgeführt. Das Haft Tappeh Museum und Forschungszentrum hat logistische Unterstützung geleistet. Die Bodenproben wurden im Winter 2015 im bodenkundlichen Labor der Frankfurter Geothe-Universität von der Autorin untersucht. Die Datierung erfolgte im Frühling 2016 im OSL-Labor der Gießener Universität von Frau Dr. Johanna Lomax unter Anweisung von Prof. Dr. Markus Fuchs. Die Bodenproben wurden im Lager der Universität (Campus

IX

X

Danksagung

Riedberg) nach der DFG Norm der Wissenschaftsarbeit archiviert und bleiben bis 2030 zur Einsicht erhalten. In den letzten Jahren wurden einige Aspekte dieser Arbeit als Beiträge auf Englisch veröffentlicht. Bei dem Fallbeispiel Dehno wurde der urbane Raum der Siedlung für das 3.Jt.v.u.Z. anhand der erzeugten Geodaten näher untersucht. Bei den beiden Siedlungen Abu Chizan und Samirat im Ostkorridor wurde eine großräumige Landschaftsveränderung festgestellt und als mögliche Ursache der Siedlungsaufgaben in diesem Landschaftsraum vorgestellt. Die besondere Methodik dieser Studie wurde auf ihre mögliche Wirkung in der Untersuchung von urbanen Räumen und Wiedererkennung der schriftlich überlieferten Siedlungen aus Elam diskutiert. Weitere Beiträge sind in Bearbeitung. Das hier vorgestellte Konzept der hybriden Fließgewässer – Nahr – am Beispiel des Nahr-e Atiq, sowie die möglichen Feuchtgebiete im Großraum Susiana gehören dazu. Folgende Personen haben diese Arbeit in verschiedenen Weisen begleitet, denen die Autorin zu Dank verpflichtet ist: Prof. Dr. Jan-Waalke Meyer (Goethe-Universität Frankfurt), für sein Vertrauen, seine Rückendeckung, und seinen Humor. Prof. Dr. Dirk Wicke (Goethe-Universität Frankfurt) für die ständige Ermutigung, und seine kompetente Unterstützung. Prof. Dr. Andreas Müller-Karpe (Philipps-Universität Marburg) für seinen wertvollen Beitrag bei der Entstehung der ursprünglichen Idee, und seine konstruktive Kritik an der Dissertationsschrift. Prof. Dr. Heinrich Thiemeyer (Goethe-Universität Frankfurt) und seine Kollegen im bodenkundlichen Labor am Campus Riedberg für die technische Unterstützung und Bereitstellung der Gerätschaften in der Laborphase sowie die wertvolle fachliche Unterstützung. Prof. Dr. Marcus Fuchs und seine Kollegin Dr. Johanna Lomax für die hilfreiche Diskussion der Methodik, sowie die Durchführung der OSL-Datierung in Universitätslabor Gießen. Dr. Abbas Moghaddam (ICAR Teheran) für seine einmaligen Einblicke in die Chronologie des Untersuchungsgebiets, sowie seine administrative Unterstützung bei der Erteilung der Genehmigung für die Geländebegehung. Dr. Abbas Alizadeh (Oriental Institute, University of Chicago), Dr. Behzad Mofidi-Nasrabadi (Gutenberg-Universität Mainz), und Dr. Alireza Sardari (ICAR Teheran) für die Kommentare und Diskussionen bezüglich der jeweiligen Fundorte.

Danksagung

XI

Dr. Majid Naderi (Iranian National Institute of Oceanography, Teheran) und seine Kollegen für die Leihgabe des Bohrgeräts für die Bodenprobenentnahme, sowie die Hilfsbereitschaft bei dem Transport der Proben. Dr. Hamideh Chubak (damals Leiterin des ICAR) für die Erteilung der Genehmigung sowie für die administrative Unterstützung. Die Kollegen der lokalen Kulturbehörden im Khuzestan (Ahvaz, Behbahan, Dezful, Izeh, Shushtar) für ihre Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft. Die Kollegen am Haft Tappeh Museum und Chogha Zanbil Forschungszentrum für die Unterkunft und Verpflegung während der Geländebegehung 2014. Die Mitarbeiter der Geländebegehung (drei Arbeiter, ein Fahrer) für ihre Arbeitsmoral, und Einsatzbereitschaft. Selbstverständlich ist allein die Autorin für die Mängel und verbleibende Fehler in dieser Arbeit verantwortlich. Frankfurt am Main Juni 2020

Elnaz Rashidian

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Fragestellung und Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Paläoklima und Paläolandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Fernerkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Geländebegehung und Bodenprobenentnahme . . . . . . . . . . 1.4.3 Bodenkundliche Analyse der Sedimente . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4 Räumliche Analyse und Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5 Berechnungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.6 Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 4 18 19 20 21 23 26 27 31

2 Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Untersuchungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Allgemeine Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Hydraulik der Flusslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Der Persische Golf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die Karun Flusslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Die Dez Flusslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Die Karkheh Flusslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Manipulation und Migration der Gewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 34 38 39 40 41 57 72 85

3 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Überprüfung der Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das Interaktionsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 89 90 118

XIII

XIV

Inhaltsverzeichnis

4 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185

1

Einleitung

1.1

Fragestellung und Hypothese

Diese Arbeit befasst sich mit dem Landschaftswandel und seiner Rolle in der kulturellen Entwicklung des vorgeschichtlichen Vorderen Orients, in der schließlich die frühgeschichtlichen Hochkulturen entstanden. Diese Frage wird hier aus Sicht der Nischenkonstruktionstheorie (NCT)1 aufgegriffen und mittels geoarchäologischer Methodik angegangen. Dabei steht die Interaktion von Menschen und ihrer umliegenden Landschaft im Mittelpunkt der Untersuchung. Hier wird angenommen, dass sich Mensch und Landschaft stetig und gegenseitig beeinflussen und

1 Die

Theorie der Nischenkonstruktion hat ihren Ursprung in der Evolutionsbiologie, die in den 1980er Jahren eine theoretische Wende erlebte (siehe Odling-Smee – Laland – Feldman 2003). NCT fordert das neu-darwinistische Konzept heraus, laut dem der Hauptfaktor bei der Evolution von Lebewesen die Genentwicklung sei. Hingegen wird bei NCT dem Umfeld der Lebewesen (Nische), auch eine Rolle zugeschrieben. Demnach prägen die Lebewesen bei jeder Anpassungsmaßnahme an ihrem Umfeld, nicht nur ihre Umgebung, sondern tragen sie auch aktiv zu ihrer eigenen Entwicklung bei. In der Biologie wird NCT meistens von Anhänger der sogenannten Standard Evolutionstheorie bestritten (Scott-Phillips u. a. 2013, 1231). Die NCT geht davon aus, dass zwischen den Organismen und deren Habitat eine zweiseitige Beziehung besteht. Organismen passen sich an ihr unmittelbares Umfeld an und erschaffen wiederum durch ihre sukzessiven Eingriffe und Manipulationen in ihr Umfeld ihre eigene zum Erhalt ihrer Art perfekte Nische. Die Gegebenheiten dieser Nische verändern ebenso bestimmte Verhalten dieser Organismen. Solange die gegenseitigen Eingriffe von Organismen und Umfeld ineinander in Gleichgewicht bleibt, besteht die Nische fort. Hierbei ist die Interaktion der Organismen, in diesem Fall Menschen, und ihrem Habitat, in diesem Fall ihrer Landschaft, für die Fragestellung ausschlaggebend. So ein Modell der Interaktion wird hier im Fall von Siedlungen in der Flusslandschaft des Großraum Susiana angenommen. Somit wird © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Rashidian, Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62358-9_1

1

2

1

Einleitung

somit zu sukzessiven Veränderungen führen, die den weiteren Wandel beider prägen. Ferner wird vorausgesetzt, dass räumliche Analysen diesen Wandel erkunden und seine Entwicklung erkennen können. Das Untersuchungsgebiet besteht aus dem sogenannten Großraum Susiana im Südwesten des heutigen Iran. In dieser geologisch jungen Flusslandschaft wurde der Mensch mindestens seit dem 7.Jt.v.u.Z.2 sesshaft. Die kleinen Dörfer dieser Zeit wiesen eine direkte Abhängigkeit zu deren Landschaft auf3 . Eine Siedlungsdynamik ist für diese Zeit anhand der heutigen Datengrundlage nicht erkennbar. Eine bewusste kulturelle Differenzierung – in Form einer erkennbaren Hierarchiebildung – kann anhand der materiellen Kultur sowie der großräumigen Siedlungsverteilung erst im 5.Jt.v.u.Z. festgestellt werden4 . Aus archäologischer Sicht ist im Großraum Susiana von 5. bis 2.Jt.v.u.Z. eine räumliche Siedlungsverschiebung in die westliche Richtung festzustellen5 . Dieses Phänomen wurde lange Zeit hauptsächlich im direkten Zusammenhang mit dem Aufkommen der mesopotamischen Hochkulturen um diese Zeit erklärt. So wurde das südmesopotamische Land als ein kulturelles Zentrum betrachtet, die das benachbarte Umland – die sogenannte Peripherie – direkt beeinflusste – und die sogenannte „Uruk Expansion“ herbeirief6 . In der letzten Zeit wurde diese Sicht jedoch aufgrund neuerer Erkenntnisse – besonderes aus Nordsyrien, dem iranischen Hochland und der Türkei – zunehmend kritisiert. Daher hat obiger Erklärungsansatz für die westliche Siedlungsverschiebung im Großraum Susiana an Gewicht verloren7 . davon ausgegangen, dass sich die Menschen bei der Entstehung ihrer Siedlungen an Gegebenheiten der Flusslandschaft orientiert und angepasst haben. Im Laufe der hier gegebenen Zeit mussten sie auf Veränderungen dieser Landschaft reagieren und die unmittelbaren Fließgewässer zu ihren Gunsten manipulieren. Diese haben wiederum Reaktionen in der Landschaft hervorgerufen, auf die wieder reagiert werden musste. Diese Interaktion von Siedlungen und deren Flusslandschaft bestimmte den räumlichen Wandel dieser Siedlungen im Laufe deren Urbanisierung. War das aus dieser Interaktion entstandene System aus dem Gleichgewicht geraten, folgte sogar in einigen Fällen eine Phase der De-Urbanisierung. 2 Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung; gleichgesetzt wie vor Christi Geburt (v.Chr.) 3 Siehe Moghaddam 2012b, 512–530 für eine Zusammenfassung der archäologischen Datengrundlage 4 Siehe Adams 1961; Johnson 1973; Hole (Hrsg.) 1987 5 Diese räumliche Verschiebung ist sowohl innerhalb der bekannten Siedlungen wie Abu Fanduweh und Dar Khazineh als auch in der Region als Verschiebung der Zentralen Siedlung zum Beispiel von Chogha Mish zu Susa und von Abu Chizan zu Samirat zu erkennen. 6 Algaze 2005; Siehe Ur u. a. 2007, 585–586 für die Kritik zu diesem Punkt 7 Die Autorin vertritt die Sicht, die von einem Austausch auf Augenhöhe zwischen diesen Kulturräumen ausgeht. Somit werden die jeweiligen Prozesse wie das Aufkommen der

1.1 Fragestellung und Hypothese

3

Das besagte Phänomen wird hier im Zusammenhang mit der Kulturlandschaft diskutiert. Es gibt Grund zur Annahme, dass die Flusslandschaft im Großraum Susiana sich genau in dieser Zeitspanne einen drastischen Wandel unterzog8 . Es stellt sich die Frage, inwiefern dieser Landschaftswandel für die zeitgleiche und großräumige Siedlungsverschiebung verantwortlich sein kann. Hier wird vorausgesetzt, dass der Großraum Susiana von 5. bis 2.Jt.v.u.Z. einen endogenen Prozess der sozioökonomischen Entwicklung unterzog. Entgegen der erwähnten Idee der Verschiebung der Siedlungsstruktur nach der Uruk Expansion, wird in dieser Arbeit angenommen, dass die Flusslandschaft eine entscheidende Rolle bei der räumlichen Verschiebung dieser Siedlungen nach Westen gespielt haben könnte. Grund zu der Annahme geben einzelne Beobachtungen, die einen Landschaftswandel um diese Zeit vermuten lassen. Diese werden im Zuge dieser Arbeit diskutiert. Es stellt sich die Frage, inwiefern sich dieser Wandel in der Landschaft des Großraum Susiana nachweisen lässt. Ferner muss geklärt werden, ob dieser Wandel einen maßgeblichen Beitrag zu den bereits durch archäologische Befunde erwiesenen räumlichen Wandel der Siedlungen um diese Zeit geleistet haben könnte. Diese Frage wird hier interdisziplinär angegangen. Daher wird folgende Hypothese aufgestellt: ab dem 5.Jt.v.u.Z. ist ein Wandel in der Paläolandschaft des Untersuchungsgebiets zu beobachten, der unter anderem eine allmähliche Migration der vorhandenen Paläogewässer bis zum 2.Jt.v.u.Z. zur Folge hatte. Dieses Phänomen könnte durch die allmähliche Anlandung der Paläoküsten des Persischen Golfes sowie starke Veränderungen in der Sedimentfracht der Flussoberläufe aus der Zagros Gebirgskette verursacht worden sein. Ferner wird angenommen, dass die Flussläufe den räumlichen Aspekt der vorhandenen Siedlungsstrukturen maßgeblich geprägt haben. Darauf basierend wird vermutet, dass die archäologisch erwiesene westlich-orientierte Verschiebung der gesamten Siedlungsstruktur vorrangig mit dem Phänomen der großräumigen Flussmigration in diesem Zeitraum zusammenhängt.

sozialen Hierarchien und die Urbanisierung als intrinsische Vorgänge in den jeweiligen Regionen verstanden, die von diesem Austausch profitierten, aber in ihrer Entstehung nicht davon abhängig waren. Eine hierarchische Anordnung von Kernland und Umland, Zentrum und Kolonie u. ä. wird hier abgelehnt. Denn diese Hypothese ist inzwischen längst überholt. 8 Siehe zum Beispiel: Layard 1846; De Morgan 1895; Lees – Falcon 1952; Wenke 1975–76; Barthold 1984; Kirkby 1977; Ehlers 1980; Dittmann 1986; Hole (Hrsg.) 1987; Kouchoukos 1999; Wilkinson 2003; Alizadeh u. a. 2004; Gasche u. a. 2005; Walstra – Heyvaert – Verkinderen 2010; Verkinderen 2015

4

1

Einleitung

Die Hypothese besagt, dass eine Siedlung in jedem Zeitabschnitt ihres Bestehens vorrangig von dem nahgelegenen Fließgewässernetzwerk in ihrer räumlichen Entwicklung geprägt wird: bei der Siedlungsgründung, bei der Siedlungsentwicklung, und bei der Siedlungsaufgabe. Manchmal wiederholen sich die Phasen mehrmals bei einer Siedlung. Binnen dieser Phasen entsteht eine innerräumliche Dynamik der Siedlung. Auf der anderen Seite ändert die Siedlung ihre Landschaft einschließlich der Flusslandschaft. Infolgedessen reagiert das Fließgewässer mit bestimmten Veränderungen. Es kann seinen Fließlauf verlegen oder sogar sein aktives Bett verlassen und – plötzlich oder allmählich – ein neues Bett in der Landschaft eintiefen. Diese Änderungen bringen das bestehende Äquilibrium von Siedlung und Fluss aus dem Gleichgewicht. Dabei müssen die Siedlungsstrukturen auf diese Veränderungen hin angepasst werden. Falls sie sich z. B. dem neuen Flusslauf erfolgreich anpassen, besteht die Siedlung weiter, indem das Gleichgewicht wiederhergestellt wird. Im Falle eines Misserfolges wird die Siedlung in aller Regel aufgegeben. Die Hypothese wird in Kapitel drei diskutiert. Es handelt sich hier nicht um eine Landschaftsrekonstruktion des gesamten Großraum Susiana. Vielmehr geht es um eine Reihe punktueller Einblicke in den Unterboden der Flusslandschaft an vorbestimmten Orten, um die Lage und Natur der dort vorhandenen fluvialen Sedimente im Zusammenhang mit den Siedlungen und im Vergleich zu der heutigen Hydraulik der Region zu ermitteln.

1.2

Zeitraum und kultureller Hintergrund

Die Fragestellung dieser Arbeit stellt die Landschaft in den Vordergrund. Dennoch darf der kulturelle Hintergrund nicht vernachlässigt werden, da er den Rahmen dieser Frage darstellt. Der Zeitraum umfasst die gesamte mittel-Susiana Periode9 (Chalkolithikum) bis zur mittel-elamischer Zeit (Bronzezeit) in der allgemeinen Chronologie der Region10 . Dies beinhaltet die späte Dorfphase (Later Village Period) und Susa I bis IV und entspricht den Bakun B2 bis Kaftari Phasen in

9 Späte

Dorfphase (Later Village Period) besteht aus drei Phasen: Die Früh-Susiana oder Susiana a, die Mittel-Susiana oder Susiana b und c, die Spät-Susiana oder Susiana d und e. Siehe Moghaddam 2013 für eine aktuelle Zusammenfassung der materiellen Kultur und der Chronologie 10 Siehe Anhang 5.1. für die chronologische Tabelle

1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund

5

Fars. Aus mesopotamischer Sicht umfasst diese Zeit von Ubaid 4 bis zur neubabylonischen Periode11 . Zu der langen Besiedlungsgeschichte des Großraum Susiana sind schriftliche Quellen seit der Antike vorhanden12 . Seit dem 19.Jh. sind Spuren der vergangenen Siedlungen dieser Region in den Berichten der europäischen Orientbesucher zu finden13 . Seit dem Ende des 19.Jh. werden im Großraum Susiana archäologische Untersuchungen durchgeführt, die zu unserem Verständnis der Besiedlungsgeschichte dieser Region beitragen14 . Eine Zusammenfassung all dieser Quellen liegt bei anderen vor15 . Hier wird ausschließlich auf das Wesentliche eingegangen, um die geschilderte Fragestellung in Kontext zu stellen und die Hypothese begründen zu können. Im Großraum Susiana kennen wir seit dem 7.Jt.v.u.Z. Spuren einer Siedlungsstruktur16 . Beispiele liefern Chogha Bonut17 als ein Dorf der sesshaften Menschen und Tepe Tulai18 als eine saisonale Siedlung der nicht-sesshaften Gruppen aus dieser Zeit. Die Interaktion von diesen beiden Bevölkerungsgruppen ist sowohl in Susiana und Fars als auch in Nordmesopotamien19 ein entscheidender Faktor bezüglich des kulturellen Wandels, besonders bei der Entstehung der ersten politischen Einheiten20 . Chogha Bonut ist eine wichtige Siedlung, da sie die bisher ältesten Hinterlassenschaften der frühen Phasen der Landwirtschaft im Großraum Susiana bezeugt. In diesem Sinne ähnelt sie der Ali Kosh Siedlung im nordwestlichen 11 Siehe

Nissen 2012, 18 für verschiedenen mesopotamische Chronologien und deren Problematik 12 Eine kurze Zusammenfassung dieser Quellen findet sich bei Heyvaert – Verkinderen – Walstra 2012, 503–505 13 Am wichtigsten sind die Berichte von Rawlinson 1839; Layard 1846 14 Eine der ersten war das Projekt um die antike Susa, Siehe De Morgan 1895 15 Zum Beispiel: Potts (Hrsg.) 2012; Petrie (Hrsg.) 2013 16 Ältere Spuren finden sich in den westlichen Zagroshängen, besonders in der Izeh Region. Zu Paläolithikum des Großraum Susiana siehe Jayez u. a. 2019. Für das Paläolithikum im Iran siehe Heydari-Guran 2014 17 Kantor 1978; Kantor 1980; Alizadeh 2003 18 Hole 1974; Alizadeh 2006 19 Ähnliche Fundorte – wie der Friedhof von Abu Hamed in Nordsyrien – weisen auf einen Wandel der Lebensformen von nicht-sesshaften Familien zu den sesshaften Gruppen mit hierarchischen Strukturen im 3.Jt. hin. Siehe Meyer 2010; vgl. „Festing House“ von Tell Brak in Ur u. a. 2007, 594 für ein Beispiel aus der sesshaften Lebensform im Nordmesopotamien 20 Siehe Alizadeh 2006 für eine Hypothese diesbezüglich

6

1

Einleitung

Dehloran21 . Ferner ist die allmähliche Entwicklung von einer saisonal-sesshaften Gruppe von Viehzüchtern in der archaisch-Susiana-Zeit (Neolithikum) zu einer völlig sesshaften Gruppe mit Abhängigkeit zur Landwirtschaft in der mittelSusiana (Chalkolithikum) durch Grabung und materielle Kultur nachgewiesen22 . Zudem ist eine Entwicklung in der Verwaltung erkennbar, die von kleinen Tonobjekten in der archaisch-Susiana bis hin zu rechteckigen Tontafeln mit Gravur in der mittel-Susiana reicht23 . Interessanterweise wurde Chogha Bonut am Ende der archaisch-Susiana Zeit für etwa tausend Jahre verlassen. Die Ursachen dieser Siedlungsaufgabe sowie der Grund für eine Wiederbesiedlung in der Formativ-Susiana sind unklar. Chogha Bonut wurde im 5.Jt.v.u.Z. für immer verlassen. Es sind keine Hinweise auf Auseinandersetzungen mit anderen Bevölkerungsgruppen festgestellt worden. Die Siedlung hat allmählich an Größe (und Bedeutung?) verloren, bis sie völlig aufgegeben wurde. Daher ist ein Auslöser in der Landschaft denkbar. Aus diesem Grund ist das 5.Jt.v.u.Z. ein guter Ansatzpunkt zur Untersuchung des vermuteten Landschaftswandels im Großraum Susiana. Tepe Tulai (besiedelt zwischen 6.200 und 5.900 v.u.Z.)24 liegt – sowohl räumlich als auch chronologisch – zwischen Chogha Bonut und Ali Kosh und wurde als ein Lager der nicht sesshaften Gruppen identifiziert25 . Da die beiden benachbarten Fundstätten – Chogha Bonut und Tulai – zeitgleich in der Früh-Susiana-Zeit besiedelt waren, kann von einer sehr engen Interaktion zwischen beiden Gruppen ausgegangen werden. Die Keramikfunde aus Tulai bestehen sowohl aus typischen Dehloran als auch aus dem Susiana Repertoire26 . Tulai zeigt auch in ihrer materiellen Kultur die Koexistenz dieser zwei Lebensformen von 7. bis 5.Jt.v.u.Z. in derselben Landschaft im Großraum Susiana. Diese Situation hat sich ab dem 5.Jt.v.u.Z. geändert. Die Zeit vom spät-Chalkolithikum bis hin zur mittel-Bronzezeit ist eine Zeit der Entstehung und Entwicklung zentraler Orte im gesamten Vorderen Orient27 . Es ist die Zeit, in der aus isolierten Siedlungen allmählich Siedlungsgruppen

21 Hole

1962b 2003, 3 und 40 23 Siehe Alizadeh 2003, 85–91 24 Hole 1974, 219 25 Alizadeh 2003, 7; Hole 1974, 236 26 Hole 1974, 228 27 Nissen sieht die zunehmende Spezialisierung der einzelnen Handwerke als einer der Auslöser der Entstehung zentraler Orte in dieser Periode; siehe Nissen 2011, 48 22 Alizadeh

1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund

7

hervorkamen. In dieser Zeit entwickelten sich im Großraum Mesopotamien zentrale Orte mit kulturell und politisch regionsübergreifendem Einfluss, besonders unter den aufeinanderfolgenden Kulturen Ubaid und Uruk28 . Einige dieser zentralen Orte entwickelten sich zu Stadtstaaten im 3.Jt.v.u.Z.29 . Auch im Großraum Susiana kommen zentrale Siedlungen auf30 , die unter anderem auch im engen Kontakt mit den mesopotamischen Nachbarn standen. Die Herausbildung sozialer Hierarchien hat in dieser Zeit für einen kulturellen Wandel gesorgt, der bis hin zu der Entstehung erster politischer Einheiten gelangte.31 Chogha Mish im nördlichen Großraum Susiana ist ein prominentes Beispiel eines zentralen Ortes für eine im Laufe der 5.Jt.v.u.Z. entstandene Hierarchiebildung. Da Chogha Mish bereits ab dem 7.Jt.v.u.Z. besiedelt war, kann diese allmähliche Entwicklung schrittweise erkannt werden32 . Besonderes Augenmerk in Bezug auf diese Arbeit gilt folgender Tatsache: Während solche zentralen Siedlungen im Großraum Susiana große Unterschiede in deren räumlichen Verteilung (insbesondere deren Größe) mit den umliegenden Siedlungen zeigten, waren zentrale Orte im benachbarten Fars eher klein und bescheiden. Bakun ist als Pendant zu Chogha Mish um diese Zeit zu betrachten und zeigt genau dieses Phänomen33 . Trotz dieses Unterschiedes können Indizien einer interregionalen Handelsbeziehung sowie eines kulturellen Austausches in beiden Landschaftsräumen erkannt werden. Materielle Kultur aus diesen beiden Siedlungen bezeugt – bereits anfangs des 5.Jt.v.u.Z. – eine Gesellschaft mit sozialen Hierarchien und zentraler überregionaler Verwaltung. Es ist besonders auffällig, dass diese kulturelle Entwicklung in den beiden benachbarten Landschaftsräumen – Susiana und Fars – äußerst ähnlich abläuft, während sich deren räumliche Entwicklungen sehr unterschiedlich entfalten. Sollte die kulturelle Entwicklung die räumliche Entwicklung nicht vorschreiben, kann nur die Landschaft dies verursachen. Denn die Landschaft des Großraum Susiana und die von Fars sind sehr unterschiedlich. Dies ist ein weiterer Grund, sich auf eine Landschaft zu konzentrieren und diese in Bezug auf die genannte kulturelle Entwicklung zu untersuchen. 28 Siehe

zum Beispiel Adams – Nissen 1972 für die Urukzeit 1981, 60; Nissen 2011, 65 30 Nissen 2011, 39: „[6000 – 3200 BC] Susiana now found itself in a preliminary phase of the developmental stage of advanced urban civilization, with centers that stood at the head of multitiered settlement systems.“ 31 Nissen 2011; vgl. Beiträge in Rothman – Stein 1994, die diese Ansicht vertreten 32 Alizadeh 2003 33 Alizadeh 2006, 91 29 Adams

8

1

Einleitung

Die zentralen Großsiedlungen dieser Zeit waren nachweislich von kleineren Satellitensiedlungen umgeben34 . Dies weist auf ein mindestens zweistufiges Siedlungssystem bereits im 5.Jt.v.u.Z. hin35 , welches zu einer allmählichen Entstehung der ersten Städte bis zum einschließlich 2.Jt.v. führte. Zu dieser Zeit war der Großraum Susiana ein definierter Kulturraum36 , der hauptsächlich durch den Handel in einem regen Austausch mit den benachbarten Kulturräumen in Mesopotamien, Jazira, Anatolien, und Dehloran, sowie im iranischen Hochland, Fars, der Helmand Region, und dem südlichen Raum des Persischen Golfs stand37 . Die im Laufe der 7. bis 5.Jt.v.u.Z. entstandenen intraregionalen Beziehungen haben sich im Laufe des 5.Jt.v.u.Z. etabliert und zu den relativ raschen weiteren Entwicklungen geführt. 34 Adams

1962; Johnson 1976 Mish und Boneh Fazili im nördlichen Susianaraum; Siehe Moghaddam 2012a: 527: “Through the examination of several hundred mounded sites in the Susiana plain, scholars have detected a general hierarchical trend from the Susiana a to the Susa A phase (Le Breton’s 1957 chronology). This began with a small, centralized polity during the Susiana a phase leading to a pattern of autonomous units in the Susiana d phase and finally to a more dynamic pattern of centralization in the Susa A phase (Johnson 1973:89; Wright et al. 1975: 130; Wright 1977a : 387; Pollock 1983 : 375; cf. Kouchoukos 1998: 69 – 72). Between Susiana c and Susa A times, Chogha Mish, Chogha Dosar (KS 0004), and Susa were extensive sites. Similarly, Musiyan and Farukhabad in the Deh Luran plain, Tol Geser (Ghazir) and Sartoli in Ram Hormuz, Tepe Sohz in the Behbahan plain, and Chogha Sofl a in the Zuhreh Plain were all significantly larger than the other sites on those plains. Many earlier studies in the region sought to elucidate the early “ranked” societies represented by these settlement systems (Johnson 1973; Wright and Johnson 1975; Weiss and Young 1975; Wright et al. 1975; Nissen 1976; Wright 1981b, 1984; Pollock 1983, 1989; Hole 1983, 1984, 1990; Wright and Carter 2003). In the Deh Luran plain, where large settlements (e.g., Musiyan) were found, Neely and Wright suggested the existence of a three – level settlement hierarchy (Neely and Wright 1994: 168).” 36 Siehe Kristiansen 2018, 14 für die Definition dieses Begriffes. 37 Dieser Kulturraum ist mit dem in der Archäologie bekannten Begriff „Lowland Susiana“ gleichzusetzen, der sich geomorphologisch wie kulturell von dem „Highland Zagros“ und dem „Iranian Plateau“ unterscheidet. Die Handelsbeziehungen zwischen Susiana und deren benachbarten Räumen sind in einer Vielzahl von materieller Kultur sowie später in den Schriftquellen wiederzufinden; Siehe Alvarez-Mon 2012, 741–2: “In many ways Susiana can be considered boundary territory. From the Mesopotamian perspective, it was the gateway to the eastern Iranian highlands and the plateau beyond, indispensable for access to primary resources such as metals, timber, and stone. From the highland perspective, it was the gateway to a web of flourishing, riverine, Mesopotamian urban – based networks, manufactured luxury goods, and unmatched cultural and social complexity. A significant element in this network and one of the most important settlements in the prehistoric Near East was the city of Susa.” 35 Chogha

1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund

9

Der Großraum Mesopotamien hat in dieser Zeit auch prägende kulturelle Entwicklungen erlebt38 . Eine Ausdehnung der mesopotamisch-geprägten materiellen Kultur in die nördlichen und östlichen Richtungen lässt sich für diese Zeit nachweisen39 . Besonders das heutige Nordsyrien wurde in den Letzten Jahren ausgiebig untersucht40 . Diese Indizien der materiellen Kultur finden sich auch in verschiedenen Siedlungen im Großraum Susiana wieder. Auf der anderen Seite ergeben archäologische Geländebegehungen, dass sich die zentralen Orte innerhalb des Großraum Susiana im Laufe dieser Zeit verlagerten und in die westliche Richtung verschoben41 . Die Verlagerung der zentralen Orte von Chogha Mish nach Susa gilt als ein prominentes Beispiel dieses Phänomens für das 4.Jt.v.u.Z. und das Aufkommen von Haft Tappeh ist ein Beispiel aus dem 2.Jt.v.u.Z. Dieses Phänomen wurde – wie in der Einleitung erläutert – bereits aus sozialpolitischen wie kulturellen Aspekten untersucht. Der große kulturelle Einfluss des mesopotamischen Kulturraumes auf den Großraum Susiana um diese Zeit – besonders im 4.Jt.v. – ist archäologisch und philologisch erwiesen. Demnach wurde lange angenommen, dass die mesopotamischen Machtverhältnisse diese westlich-orientierte Verschiebung der großen Siedlungszentren im Susiana hervorbrachten. Der kulturelle Wandel am Ende des 4.Jt.v.u.Z. bis zum Anfang des 3.Jt.v.u.Z. wird als der Anfang einer sprunghaften Verwandlung der zentralen Orte in die ersten Städte gesehen, die wenig später in den nördlichen und östlichen Richtungen, also nach Jazira und Südwestiran „exportiert“ wurde – die sogenannte Uruk-Expansion, hauptsächlich vertreten von Algaze42 .

38 Nissen

2012; Potts (Hrsg.) 2012 Ur u. a. 2007 für eine kritische Betrachtung der Hypothese der Übertragung von Kulturen in diese Richtung. 40 Meyer 2010 41 Siehe z. B. Alizadeh 2003, 4 42 Diese Sicht wurde besonders durch die Theorie der „Uruk World System“ in den 80er Jahren artikuliert, wobei das südmesopotamische Land als Kern und die umliegenden Regionen als Umland, Kolonie oder Peripherie verstanden wurden, die in ihrer Urbanisierung völlig von Uruk abhängig waren. Basierend auf eine im Jahre 1974 veröffentlichte Idee von I. Wallerstein in seinem Beitrag namens “The Modern World System“ wurde die Theorie von „Uruk World System“ oder „Uruk Expansion“ von G. Algaze und seinen Kollegen entwickelt, um die archäologisch nachweisbare räumliche Reichweite der Uruk Kultur im gesamten Vorderen Orient im 4.Jt. zu erklären. Siehe Algaze u. a. 1989 39 Siehe

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Einleitung

Diese Hypothese wird seit ihrer Erstvorstellung kontrovers diskutiert43 . Laut dieser Hypothese haben sich die zentralen Siedlungen im Großraum Susiana aufgrund der starken kulturpolitischen Abhängigkeit zu den mesopotamischen Großmächten auch räumlich dem mesopotamischen Raum angenähert. So kam es zu Siedlungsaufgaben im östlichen Susiana und Verlagerungen der Siedlungszentren in die westlichen Gebiete. Diese Ansicht wird hier in Frage gestellt. Vor allem durch die Indizien, die einen Landschaftswandel um diese Zeit vermuten lassen. Es wurden zum Beispiel Veränderungen am Flussverlauf von Dez und Karkheh in der mittel-Susiana Phase festgestellt44 . Die obige Theorie wurde bis dato mehrmals revidiert und an die neuen Erkenntnisse angepasst45 . Dennoch scheitert sie an einer ganzheitlichen Erklärung vielerlei Phänomene, die in diesem Zeitraum in den benachbarten Landschaftsräumen zu Südmesopotamien aufkamen. Durch neue Grabungen mittels neuerer Methoden der Landschaftsarchäologie wurde diese Sicht stark herausgefördert und ist somit in Kritik geraten. Denn es fanden sich in diesen sogenannten Umlandregionen in Susiana und Fars sowie in Nordsyrien Siedlungen, die bereits Ende des 5.Jt.v.u.Z. bis Anfang des 4.Jt.v.u.Z. Indizien einer endogenen sozioökonomischen Entwicklung46 aufweisen. Besonders im heutigen Nordostsyrien sind derartige Entwicklungen nachweislich als indigen zu bezeichnen47 . Hinsichtlich der Herausbildung urbaner Räume hat Algaze seinen Vorschlag bereits zurückgezogen48 . Viele Autoren lehnen diese Idee vollständig ab49 . Mindestens zwei alternative Modelle wurden für dieses Phänomen vorgeschlagen: die sogenannten

43 Siehe

Algaze 2005; Algaze 2008; Vgl. Lamberg-Karlovsky 1996; Stein 1998 1999 45 Algaze 1993; Vgl. Algaze 2009 46 In diesem Fall das Aufkommen der ersten (proto-) urbanen Räume 47 Siehe zum Beispiel Meyer 2013, 81 für runde Siedlungen und ihre räumliche Entwicklung, und Ur u. a. 2007, und Ur 2014 für Tell Brak 48 Algaze 2001, 55: „available surveys of the mesopotamian alluvium and the Susiana plain show that process of urban growth in both areas through the Uruk period resulted in the creation of buffer zones between the emerging urban polities of the time. These uninhabited areas suggest competition and strife rather than an overarching political unity.“ 49 Ur 2010 u. a., 1: “Through this research, Tell Brak, in the Upper Khabur basin of northeastern Syria, can now be recognized as an indigenous city at least a half millennium before the Uruk expansion.”; Rothmann 2001, 356: “I therefore reject the world systems perspective that ‘the foundation unit of social change is the world system and not the society.’ And I think Algaze agrees with me on this!“ 44 Kouchoukos

1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund

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„trade-diaspora“ und “distanceparity”50 . Diese können jedoch keine ganzheitliche Erklärung für die kulturellen Entwicklung des gesamten Vorderen Orients darbieten und ignorieren die Landschaft in diesem Kontext. Daher werden sie hier nicht diskutiert. Hier wird das Phänomen der westlichen Siedlungsverschiebung im Großraum Susiana aus einem anderen Blickwinkel untersucht: aus der Sicht des Landschaftswandels. Aus dieser Sicht kann der Zeitraum vom 5. bis 2.Jt.v.u.Z. unter diesem Aspekt zusammengefasst werden: vor dieser Zeit – besonders seit dem Frühchalkolithikum – war der anthropogene Einfluss auf die Landschaft kleinräumlich und isoliert51 . Die bewusste Manipulation der Landschaft zum Zwecke der Siedlungsentwicklung war hingegen in der Zeit ab dem 2.Jt.v.u.Z. – besonders ab der Mittel-elamischen Zeit – dominant und großräumlich52 . In der Zeit zwischen diesen beiden Phasen hat die Interaktion von Siedlung und Landschaft einen sukzessiven Landschaftswandel sowie eine ungeplante räumliche Siedlungsdynamik hervorgebracht. Hier wird angenommen, dass der kulturelle Wandel dieser Zeit das Gesicht der Landschaft im Großraum Susiana nachhaltig veränderte. Am Anfang dieser Zeit standen einige Großsiedlungen mit ihren Satelliten in völliger Abhängigkeit von der sie umgebenden Landschaft und relativer Unabhängigkeit untereinander. Am Ende dieser Zeit waren diese Siedlungen Knotenpunkte in einem stark zusammengewachsenen Netzwerk aus Handel und kultureller Abhängigkeit, die einen großräumigen Landschaftswandel anstieß. Der kulturelle Austausch während dieser drei Jahrtausenden führte zu der Entstehung der ersten urbanen Räume.53

50 Stein

1999 B. Einzelne Wasserspeicher und Gräben sowie lokale Gewinnung von Rohstoffen aus der Landschaft 52 Z. B. großangelegte Stadtplanung, Bewässerungssysteme und Wasserverwaltungsnetzwerke wie Dämme und Kanäle, Terrassenbildung und Nivellierung sowie Rohstoffgewinnung und Landwirtschaft im großen Maße. 53 Dieser Begriff ist in der deutschsprachigen Archäologie umstritten. In dieser Arbeit ist ein urbaner Raum eine landschaftlich von deren Umgebung abgrenzbare Einheit mit folgenden Merkmalen: dieser Raum enthält ein mehrschichtiges Siedlungssystem. Dieses Siedlungssystem besteht aus einem zentralen Ort, und mehreren Satellitensiedlungen, die durch ein Netzwerk mit einander verbunden sind. Dieses Netzwerk besteht aus Siedlungen, Ressourcen, Routen und materieller Kultur. Es wird durch eine stetige Interaktion von Menschen und ihrer Landschaft gepflegt und fortentwickelt. Ein Landschaftsraum mit einer Anzahl an unterschiedlich-großen Siedlungen mit jeweils unterschiedlicher Funktion (Nahrungsherstellung, Rohstoffgewinnung, Verwaltung und Handel usw.), worin eine zentrale Siedlung und die anderen Siedlungen durch ein Netzwerk an Versorgungsrouten (Gewässer, Handelsrouten, 51 Z.

12

1

Einleitung

Die Entstehung der sozialen Hierarchien in dieser Zeit innerhalb der bestehenden Siedlungssystemen prägte die räumliche Struktur der Siedlungen maßgeblich. Dieses Phänomen lässt sich vor allem darin zeigen, dass einige bereits vorhandene Siedlungen zu Großsiedlungen wurden, an denen sich die umgebenden kleineren Siedlungen räumlich orientierten. Einzelne Siedlungen in jedem Landschaftsraum spezialisierten sich auf Herstellung einzelner Güter bzw. Aufbereitung einzelner Rohstoffe54 . Um diese Zeit wird im Großraum Susiana die Chogha Mish Siedlung aufgegeben, deren Rolle als Zentrum einer zentralen Gruppensiedlung nach einer kurzen Pause von Susa übernommen wurde. In dieser Pause spielt die Siedlung Qabr Sheykheyn die Rolle einer Übergangssiedlung. Eine alternative Hypothese besagt55 , dass die Kleinsiedlungen des Susiana keine kleinen, unbedeutenden Dörfer waren, sondern eine durchdachte Einheit mit einem einzigen architektonischen Bau (Khan’s houses), das Haus eines Landesherrn56 . Diese Sichtweise stellt die Notwendigkeit der zentralen Orte für die kulturelle Entwicklung des Großraum Susiana in Frage. Tatsächlich sind kleine und nahegelegene Siedlungen – vermutlich entlang eines Handelswegs auf Land oder Wasser – in der Landschaft des Großraum Susiana viel sinnvoller als große Siedlungen mit vielen abhängigen Satelliten. Denn die Ebenen und Fluren der Landschaft scheinen für solche Großsiedlungen nicht flach und weit genug zu sein. Daher ist davon auszugehen, dass solche „kleineren“ Siedlungen mit intraregionalen Beziehungen neben den „größeren“ Siedlungen – zentralen Orten – bestanden haben. Sharafabad ist in Verbindung mit Susa ein prominentes Beispiel für ein solches System. Das 4.Jt.v.u.Z. ist eine soziopolitisch entscheidende Zeit im Vorderen Orient. Viele archäologische Untersuchungen stellen dieses Jahrtausend in Bezug auf Siedlungsstrukturen in den Vordergrund57 . Die Großsiedlungen übernahmen im Verteidigungsposten usw.) untereinander verbunden sind und direkt auf einander wirken, kann als ein urbaner Raum verstanden werden. 54 Siehe Helwing 2012, 501–509 für eine Zusammenfassung dieser Zeit 55 Weiss 1972, 173; Hole 1987, 41 56 Eine ähnliche Einheit kennen wir aus Mesopotamien des 3. bis 1.Jt.v.u.Z. In seiner Untersuchung dieser Einheit fasst Koli´nski all die möglichen Bedeutungen des akkadischen Wortes „dimtu“ zusammen. Er kommt zu dem Schluss, dass dies eine alternative Siedlungsart zur Großstadt sein könnte, und zwar in den kleinen angeblich nicht urbanisierten Ebenen. Siehe Koli´nski 2001 57 Adams Geländebegehung im Nord-Susiana, sowie die Begehungen von Hole und Johnson und Wright definieren im Großraum Susiana mehrere Siedlungsgruppen und gliederten sie bei der geschätzten Gesamtfläche der zentralen Siedlung. Grundsätzlich bezieht sich

1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund

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Laufe des 4.Jt.v.u.Z. allmählich die zentrale Verwaltung des Handels und schlossen sich einem überregionalen Netzwerk aus dem gesamten Vorderen Orient an. Hinzu kam die Spezialisierung jeder Region auf die raffinierte Bearbeitung bestimmter Rohstoffe – Kupfer im zentral-Hochland, Lapislazuli im Nordosten, Halbedelsteine im Südosten, Obsidian im Westen und besondere Keramik in Südwesten58 . Die Spezialisierung spielte sich insbesondere in der Nahrungsproduktion ab. Für den Erhalt eines stabilen Nahrungsproduktionssystems war die enge Zusammenarbeit der Landwirtschaft und Viehzucht notwendig, die eine zentrale Regulierung zufolge hatte.59 Hierbei stoßen zwei Lebensformen aufeinander und beeinflussten die räumlichen Entwicklung der Siedlungen und ermöglichten den kulturellen Austausch zwischen Flachland und Hochland. Dadurch entstand ein großräumiger Kulturtransfer mit vielen Anreizen aus allen beteiligten Landschaftsräumen, die das Aufkommen einer Reihe von innovativen kulturellen Abläufen zur Folge hatte. Ausbau und Zentralverwaltung von Bewässerung prägte die Landwirtschaft und Nahrungsproduktion. Die Schrift setzte sich im Vergleich zu anderen Methoden des Informationstransfers als Standardwerkzeug durch. Die Motive auf Rollsiegeln wurden zunehmend als Mittel zum Ausdruck politischer Macht und kultureller Zusammengehörigkeit eingesetzt. Die Anzahl der Bevölkerung im 4.Jt.v.u.Z. scheint drastisch gestiegen zu sein60 . Hierbei muss beachtet werden, dass der Großraum Mesopotamien eine weit größere Bevölkerungsanzahl beherbergte als der Großraum Susiana61 . Im Großraum Susiana kann das Bevölkerungswachstum vom 5.Jt. bis zum 4.Jt.v.u.Z. als eine Sinuskurve verstanden werden, deren Höhepunkt in der Mitte des

diese Gliederung auf die Regel der räumlichen Dominanz (Wright – Johnson 1975, 270: “The paramount center in an area has dominance over all others”), welche die flächenhaft größte Siedlung ohne weiteres als der dominante Ort versteht. Der große Einfluss der damals neu ins Englische übersetzte und veröffentlichte CPT in solchen Untersuchungen deutlich. Dieser Ansatz geriet erst Jahrzehnte später in Kritik. Besonders nachdem einige dieser Siedlungen ausgegraben wurden, konnten viele Fehlschätzung bezüglich der Größe der Siedlung und sogar deren Besiedlungsphasen festgestellt werden (Siehe Moghaddam 2012b, 521 für einige Beispiele) 58 Helwing 2012, 511 59 Zeddr 1988, 6 60 Eine stetige Bevölkerungszunahme im Nord-Susiana ist bereits in der Gremliza Sammlung nachweisbar. Besonders in der mittel-Sussiana Phase wurden viele neue Siedlungen gegrüundet. Siehe Alizadeh – Gremliza 1992, 59 61 Wright 2013, 65

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1

Einleitung

4.Jt.v.u.Z. und etwas später als in der Früh-Urukzeit in Mesopotamien liegt62 . Dieses Hoch bricht jedoch nach der mittel-Uruk Zeit drastisch ab63 . Diese vermutliche Bevölkerungszunahme wurde bisher mit zwei Hypothesen zu erklären versucht: (1) Es wurde eine direkte Migration der mesopotamischen Bevölkerung Richtung Osten in den Großraum Susiana angenommen. Die Identität dieser Migranten ist jedoch umstritten. Es handelt sich hierbei entweder um gut etablierte Geschäftsleute oder auch um ärmere Bevölkerungsgruppen, die im Großraum Mesopotamien keinen Platz mehr fanden. Die Natur einer solchen Begegnung zwischen der einheimischen Bevölkerung des Susianaraums und den angeblich mesopotamischen Migranten ist weiterhin unklar, da Indizien sowohl für feindliche Auseinandersetzungen als auch für friedliches Zusammenleben vorhanden sind64 . (2) Es wurde vorgeschlagen, dass um diese Zeit viele nicht-sesshafte oder semi-sesshafte, bereits im Großraum Susiana einheimische, Bevölkerungsgruppen (einschl. Zagros Bewohnern) sesshaft wurden, und somit zu einer drastischen Zunahme der archäologisch-erfassbaren Bevölkerungszahl in den archäologischen Hinterlassenschaften geführt haben65 . Diese Ansicht kann das starke Vorkommen der mesopotamischen materiellen Kultur im 4.Jt.v.u.Z. im Großraum Susiana nicht erklären. Dennoch kann sie erklären, wie es zu solchen drastischen Schwankungen der Bevölkerungszahlen sowie der Siedlungsanzahl in dieser Zeitspanne kommen konnte. Zwei kulturelle Phänomene scheinen im 4.Jt.v.u.Z. das weitere Geschehen überwiegend dominiert zu haben: Das Uruk Phänomen66 und das Proto-elamische Phänomen, die nach den jüngsten Untersuchungen im Großraum Susiana eine parallellaufende Entwicklung erlebten67 . Demnach ist deutlich, dass der kulturelle Wandel des 4.Jt. im Großraum Susiana keinem externen Phänomen geschuldet war, sondern seine Wurzeln in den intrinsischen Prozessen des 6. und 5.Jt. hat68 . Während der Früh-Uruk Zeit sowie in der spät-Uruk wurden viele Siedlungen im Großraum Susiana aufgegeben oder haben an Siedlungsfläche verloren. Dies 62 Hopper – Wilkinson 2013, 45; Siehe Hopper 2007 für ausführliche Beschreibung der Datengrundlage 63 Basierend auf Funden aus Geländebegehungen aus den 1960er Jahren. Siehe Adams 1981, 63 64 Susa vgl. Godin 65 Alizadeh – Gremliza 1992, 60–61 66 Algaze 1999 vgl. Stein 1999 67 Carter – Stopler 1984; vgl. Alden 1973 68 Petrie 2013, 384: „The local dynamics in the mid- to late fourth millennium BC were derived from longer-term processes that developed during the earlier fourth millennium BC, the fifth, or even the sixth millennium BC“.

1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund

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kann auf einen dramatischen Bevölkerungsschwund oder aber eine Veränderung der Lebensformen (z. B. Wiederaufnahme der nicht-Sesshaftigkeit) hindeuten69 . Es wird vermutet, dass die ersten politischen Einheiten im Laufe des 4.Jt.v.u.Z. im Großraum Susiana den Handel mit dem iranischen Hochland perfektioniert und ihre eigenen Methoden durchgesetzt haben. Dazu gehören die proto-elamische Schrift70 und die frühen Verwaltungsobjekte sowie die Stadtplanung und urbane Elemente. Diese Annahme wird durch die kurze großräumige Besiedlungspause im gesamten Süd- und Zentraliran und die darauffolgende Wiederbesiedlung mit starken proto-elamischen Indizien in Siedlungen wie Sialk, Yahya und Malyan gestützt71 . Anfangs des 4.Jt.v.u.Z. wurde die Tradition der aufwendig-bemalten Keramik aufgegeben72 . Es scheint, dass die Keramikproduktion mit einem niedrigeren Energieverbrauch (weniger Verzierung und niedriger gebrannt) einen Schritt Richtung standardisierter Massenproduktion gemacht hat. Hinsichtlich der Landschaft in dieser Zeit gilt besonderes Augenmerk der Paläoküstenlinie des Persischen Golfes. Es gibt Grund zur Annahme, dass die südliche Region des Großraum Susiana bis zum 4.Jt.v.u.Z. noch hauptsächlich aus Dauerfeuchtgebieten und Sabkha bestand73 . Diese besondere Landschaft bringt mögliche Ressourcen und Herausforderungen mit sich, die bisher in der Interpretation der archäologischen Grundlage kaum Beachtung fanden74 . Ferner beeinflusst sie auch die kulturelle Entwicklung dieses Landschaftsraumes75 . In dieser Arbeit wird auf diese Annahme eingegangen. Das 3.Jt.v.u.Z. ist durch die mesopotamischen Stadt-Staaten geprägt76 . Im Laufe dieser Zeit spitzte sich die politische Auseinandersetzung im gesamten Vorderen Orient zu77 . Im heutigen Nordostsyrien sind Siedlungsnetzwerke mit drei- bis vier-stufigen Siedlungshierarchien bekannt, die getrennte Produktionsviertel mit einer intensiv ausgeprägten Wasserverwaltung aufweisen78 . Der 69 Siehe

Hole 2011, 5; vgl. Alizadeh 2004 u. Potts 2014 – Petrie – Potts 2013, 375 in Petrie (Hrsg.) 2013 71 Helwing 2012, 510 72 Helwing 2013, 96 73 Gasche 2005 74 Außer Pournelle 2003 75 Potts 2004 76 Siehe Garfinkle 2013 für eine detaillierte Beschreibung dieser Zeit und deren Archäologie; Siehe Meyer 2017 für ein vertieft untersuchtes Beispiel im heutigen Nordsyrien 77 Garfinkle argumentiert, dass die räumliche Nähe dieser Stadtstaaten zueinander zu ständigen Konkurrenzkämpfen – z. B. um Wasser und Rohstoff – führte, aber auch zu deren außergewöhnlichen kulturellen Entwicklung im 4.J.t. diente. Siehe 2013, 101 78 Meyer 2017, 242 70 Dahl

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1

Einleitung

Großraum Susiana sowie der südliche Teil des iranischen Hochlands wurden unter dem Namen Elam vereint79 . Die akkadischen und frühdynastischen Staaten im Großraum Mesopotamien konkurrierten um die Rohstoffe aus dem syrischen Hinterland80 . Der Seehandel wurde nachweislich intensiviert81 . Materielle Kultur aus der indischen Halbinsel in Susa des 3.Jt.82 sowie mesopotamische Schriftzeugnisse von Schiffverkehr zwischen Elam und Lagasch83 stützen diese Annahme. Die theokratischen Herrscher mussten um den Machterhalt ihrer Familien kämpfen. Infolgedessen wurde der Landschaftsraum von Monumentalbauten und Siedlungsneugründungen geprägt, durch die ein bestimmtes Herrscherbild vermittelt wurde. Solche Maßnahmen bestimmten ebenso die räumliche Struktur der vorhandenen Siedlungen und deren Gewässern. Die politische Geschichte des Vorderen Orients wurde in diesem Jahrtausend in umfassenden Archiven festgehalten84 . Um diese Zeit waren die neugegründeten Städte sehr eng mit ihren umliegenden ländlichen Satellitensiedlungen verbunden und konkurrierten mit anderen Städten um Land und Leute. Es kann eine drastische Zunahme an Schriften um diese Zeit festgestellt werden, die sich ausschließlich mit der Verwaltung großer Mengen an Handelsgütern und Kaufverträgen beschäftigten85 . Die zentralen Siedlungen erreichten beispiellose Dimensionen – Susa wuchs von 15 ha in der proto-elamischen Zeit zu 50 ha in der Susa III Periode86 . Keramik und andere Alltagswaren wurden in Überschuss produziert. Die beiden Phänomene Proto-Elam und Uruk brachen relativ rasch zusammen87 . Die größeren Siedlungszentren zeigen eine Phase der Umorientierung, in der die Bevölkerungszahl sinkt und keine neuen Bauten entstehen. Mitte des 3.Jt.v.u.Z. schlossen sich sowohl die Zentren im Westen und Südwesten als auch neue Zentren in Nordosten und Mittelhochland in ein umso größeres Handelsnetzwerk zusammen. 79 Potts

1999a; Potts 2012, 37; Carter – Stopler 1984; Finke 1993 2012, 535 81 Potts 2009 82 Amiet 1986 83 Lambert 1953 84 Siehe Richardson 2014 für Herausforderungen einer politischen Geschichte Mesopotamiens 85 Ur 2012, 549 86 Carter – Stopler 1984, 135 87 Thornton 210, 596 80 Ur

1.2 Zeitraum und kultureller Hintergrund

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Der bereits seit dem Neolithikum entwickelte Seehandel wurde im 3.Jt.v.u.Z. zu einem entscheidenden Faktor im kulturellen Austausch im Vorderen Orient.88 Geochemische Analysen der in der Seefahrt verwendeten Rohstoffe wie Bitumen89 zeigen das Ausmaß dieses Austausches im gesamten Raum des Persischen Golfes90 . Aufgrund von der Entwicklung der Kleinstaaten wie Dilmun und Magan im südlichen Raum des Persischen Golfes kann davon ausgegangen werden, dass der Seehandel um diese Zeit eine bevorzugte Rolle spielte, insbesondere ist die Fülle der schriftlichen Erwähnungen von Dilmun und Magan in mesopotamischen Quellen im 3.Jt.v.u.Z. zu erwähnen.91 Besonders durch die enge Zusammenarbeit von kleineren Stadtstaaten entlang des Persischen Golfes – wie Dilmun, Magan, Melluha – entstand eine Periode des kulturellen Austausches von Häfen aus den indischen Südküsten92 bis zu den östlichen Mittelmeerküsten. Durch den zunehmenden Bedarf an Rohstoffen gewannen weitere Handelszentren im iranischen Hochland an Bedeutung. Hierzu gehören Shahr-e Sokhta, Yahya und Shahdad. Shahr-e Sokhta im Südosten Irans war zu dieser Zeit weit stabiler und bedeutender als die Städte, die im Südmesopotamien immer noch mit dem Zerfall des akkadischen Reiches beschäftigt waren. Die Siedlung hat im 3.Jt.v.u.Z. – parallel zu der Frühdynastie sowie Susa IV – eine Größe bis zu 100 ha erreicht. Importierte Luxusgüter aus dem indischen und mesopotamischen Raum finden sich zwischen Grabbeigaben93 . Die materielle Kultur dieser Zeit findet sich in dem gesamten Vorderen Orient. Die entstandenen Städte passten sich individuell an die Gegebenheiten ihrer jeweiligen Landschaft an94 . Die enge Beziehung zwischen dem Großraum Susiana und der Fars Region – also zwischen den beiden Zagros-Hängen – nahm durch die politische Einheit Elam nachweislich im 2.Jt.v.u.Z. zu. Viele Siedlungen und Neugründungen dieser Zeit konnten bis in die achämenidische Periode bestehen95 . 88 Carter

– Crawford – Beech 2010; Crawford 1998 – Schwarz 2000 90 Carter u. a. 2005 91 Crawford 1998, 38 92 Siehe Possehl 2012 für einen Zusammenfassung der maritimen Beziehungen zwischen Indien und Mesopotamien, besonders im 3.Jt.v.u.Z. 93 Salvatori – Tosi 2005 94 Thornton 2012, 597; er vermeidet den Begriff „city“ und weist auf Diskussionen in diesem Sinne hin 95 Siehe Potts 2008 für eine Auflistung der möglichen Toponyme basierend auf Persepolis Tafeln 89 Hollander

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1

Einleitung

Ab dem 2.Jt.v.u.Z. kann eine zunehmend bewusste Manipulation der Landschaft in diesem Kulturraum festgestellt werden. Durch den Ausbau neuer Historischer Hydraulisher Systeme und Wasserführungssysteme sowie eine intensivere Landnutzung in der Umgebung der Großsiedlungen veränderte sich die Hydraulik der Flusslandschaften maßgeblich. Gegen Ende des 2.Jt.v.Z. ordnete sich der gesamte Raum des Vorderen Orients aufgrund von jahrhundertelangen Bevölkerungsbewegungen neu an. Die Zeit der Frühantike begann.

1.3

Paläoklima und Paläolandschaft

Die Paläolandschaft des Großraum Susiana war vom Zagrosgebirge und dem Persischen Golf geprägt. Diese beiden geologischen Akteure sind jung und dementsprechend sehr dynamisch. Das Zagrosgebirge verläuft in NW-SO-Richtung und trennt den Großraum Susiana von den benachbarten Ebenen in Fars und Dehloran sowie Bushehr. Die Gebirgskette hat eine durchschnittliche Höhe von 3000 m ü. M.96 , mit Bergspitzen bis zu 4500 m ü. M.97 . Der Großraum Susiana wird als Teil der IT2 (Irano-Turanischer Klimaraum98 ) verstanden, mit wärmeren Winter- und Sommertagen sowie kälteren Winternächten als im Mittelmeerraum99 . Ein besonders wichtiger Klimafaktor in diesem Raum ist die längere Trockenphase (Niederschlags-frei bis arm), die zwischen 5 und 7 Monaten im Jahr andauert. Dies prägt die Flora der Region maßgeblich. Zudem beeinflusste das Paläoklima auch die Paläoflussläufe und deren hydraulischen Regime100 . Allerdings ist nicht klar, inwiefern die Klimaevolution die Dynamik der Flüsse geprägt und geändert haben kann101 . Aufgrund der vorhandenen Klimadaten aus vier Inlandseen im Iran wird zurzeit angenommen, dass das Klima der Region seit dem Mittel-Holozän allmählich trockener geworden ist102 . Zudem umfasst der Zeitraum dieser Arbeit auch die zwei bekannten Klimaereignisse 5,2 kj und 4,2 kj, die nachweislich für Perioden 96 Mean

Sea-Level 1968 98 Zu diesem Teil gehört auch Nord-Mesopotamien. Das Süd-Mesopotamien gehört hingegen zu dem SS (Saharo-Sindischen) Raum, siehe Djamali u. a. 2012, 241 99 Siehe Djamali u. a. 2012, 240–241 und fig. 1 100 Siehe Wilkinson – Rayne – Jotheri 2015 für das benachbarte Mesopotamien 101 Siehe Vandenberghe 2002 für die Diskussion zu dem Thema 102 Petrie – Djamali – Jones in Álvarez-Mon – Basello – Wicks (Hrsg.) 2018 97 Fischer

1.4 Methodik

19

der extremen Dürre in der gesamten Region gesorgt und wahrscheinlich indirekt zu dem Untergang politischer Einheiten in Mesopotamien und Ägypten geführt haben103 . Obwohl die allgemeine Paläovegetation der Region noch nicht ermittelt wurde, kann eine grobe Zweiteilung der Flora festgestellt werden: die irano-turanische Flora, bestens bezeugt durch Wälder der Zagrosgebirge, und die saharo-sindische Flora, bestens bezeugt durch die Weide und Strauchlandschaft der Susiana Ebenen. Im Großraum Susiana treffen diese zwei aufeinander und sorgen für eine besondere Biodiversität104 . Der Großraum Susiana besteht aus alluvialen Sedimenten des Holozäns sowie einigen Überresten der pleistozänen Sedimente an den Höhenzügen. Die Alluvien sind hauptsächlich Folge der fluvialen Sedimente der vier sehr dynamischen und labilen Hauptflüsse. Die Paläolandschaft und die Paläoflussläufe konnten bis dato nicht ganzheitlich rekonstruiert werden. Einzelne ältere Flussläufe und Deltas sind bekannt105 . Die hier geschilderte kurze Zusammenfassung der vorhandenen Daten verdeutlicht die große Datenlücke in dieser Hinsicht. Die vorhandenen Daten zu Paläoklima und Paläolandschaft sind unsystematisch und variieren in ihrer Qualität. Diese Arbeit möchte den Rahmen für eine Neuordnung der Daten bieten, und einige dieser ermittelten Datenlücken schließen.

1.4

Methodik

Diese Studie befasst sich mit Daten aus zwei Ebenen. In der Mikro-Ebene werden die einzelnen Sedimente in ihren Eigenschaften studiert106 . In der Makro-Ebene verschafft das Geländehöhenmodel einen großräumigen Einblick über das ganze Gebiet in der Makro-Ebene. Diese zwei Daten-Ebenen werden durch die entnommenen Bodenproben aus Bohrungen und Bodenprofilen für ein vertieftes Verständnis der Datengrundlage miteinander verbunden. Zusammen ermöglichen diese Geodaten einen ganzheitlichen Blick auf die Paläolandschaft der Region, um großräumige Muster anhand von bestimmten punktuellen Veränderungen modellieren (darstellen/erkennen) zu können. 103 Sharifi

u. a. 2015 u. a. 2012, 248–249 105 Siehe z. B. Hansman 1967; Heyvaert – Baeteman 2007; Heyvaert – Verkinderen – Walstra 2012; Kirkby 1977; Kouchoukos 1999 106 Zu dieser Methode in der Geoarchäologie siehe Goldberg – Berna 2010, 56–62 104 Djamali

20

1

Einleitung

Folgende Methoden liefern die Daten für diese Maßnahme in dieser Reihenfolge: Fernerkundung (ArcGIS Kartenerstellung, Digitalisierung der analogen Luftbildaufnahmen und Karten, Vergleichsanalyse der Satellitenaufnahmen), Bodenprobenentnahme (mechanische Bohrung, Probenentnahme, Bodenprofildokumentation), mikroskopische Untersuchungen (ProScope Aufnahmen und Lichtmikroskop), bodenkundliche Laboranalyse (pH, elektrische Leitfähigkeit, organische Substanz, und Kalkgehalt), Sedimentologie (Korngrößenbestimmung, Typologie und Typbestimmung, Sortierungsgrad) und räumliche Analyse (ArcGIS Analysen mit den erzeugten Daten).

1.4.1

Fernerkundung

Diese Methode wird bereits seit den 1940er Jahren im Iran angewendet107 . Schmidts Luftbildaufnahmen108 aus den Jahren 1935–7 haben die Archäologie des iranischen Hochlands enorm beeinflusst, da sie eine völlig neue Perspektive von sichtbaren Hinterlassenschaften der Antike bieten konnten. Die seit den 1970ern verfügbaren Satellitenbilder109 können auch auf Hinterlassenschaften hinweisen, die auf der Oberfläche kaum sichtbar sind. Insgesamt wurden folgende Materialien zur Fernerkundung der vorliegenden Untersuchung verwendet: Google Earth Aufnahmen (2005–2012), Corona (1962–1968), Landsat (1950er), geologische Karten, digitale Höhengeländemodelle, Datenbanken mit Rasterdaten zu der Region, und ältere Luftbilder aus dem 19.–20.Jh. Zudem wurden Daten aus United States Geological Survey (USGS) und Geographical Survey of Iran (GSI) sowie World Soil Organization (ISRIC110 ) verwendet. Diese Daten sind frei verfügbar. Die Koordinaten wurden einheitlich im metrischen System111 bei der Projektion „WGS World Sphere“ aufbereitet. Google Earth erwies sich sowohl während

107 Für

eine Forschungsgeschichte der Fernerkundung in der Archäologie siehe Parcak 2009, 13–40; Siehe Ur 2003 für die Anwendung von CORONA Aufnahmen zur Erkundung eines Nordmesopotamischen Siedlungssystems 108 Zusammengestellt in Schmidt 1939 109 Zu den verschiedenen Satelliten und deren unterschiedlichen Bilder siehe Parcak 2009, 41 110 World Soil Information, legally registered as the International Soil Reference and Information Centre (ISRIC); siehe https://www.isric.org/about 111 Format (Grad, Minuten, Sekunden)

1.4 Methodik

21

der Geländebegehung als auch bei der Datenaufbereitung als unverzichtbar112 . Für die Corona Aufnahmen wurde die frei verfügbare Online-Datenbank der Universität Arkansas113 verwendet. Landsat Aufnahmen wurden der USGS-Datenbank114 entnommen. Für einige Regionen konnten der nationalen Kartographie Behörde in Teheran digitale Geländehöhenmodelle mit einer horizontalen Auflösung von etwa 5 m erworben werden, die in den 1990er Jahren durch den GSI erzeugt wurden. Auch analoge Karten der letzten 150 Jahren in unterschiedlichen Formaten und Maßstäben aus verschiedenen Landwirtschaftsprojekten sowie Brückenbau und Ölförderung wurden zusammengestellt und in die Datengrundlage integriert. Die erzeugten Geodaten bilden zusammen mit den archäologischen Daten die Grundlage dieser Untersuchung. Diese wurden in das ArcGIS115 Softwareprogramm eingetragen und analysiert. Auf dieser Weise wurden Anomalien erkannt und die Verhältnisse der Siedlungen und Flussläufen studiert. Beispiele dieser Analysen befinden sich in den nächsten Kapiteln.

1.4.2

Geländebegehung und Bodenprobenentnahme

Die durch Fernerkundung und primäre GIS-Analyse erkannten Anomalien wurden im Gelände untersucht. Es fanden zwei Geländebegehungen in Frühling und Herbst 2014 statt. Die erste Begehung diente zur Klärung der Anomalien im Untersuchungsrahmen und befasste sich mit dem gesamten Großraum Susiana116 . Die Örtlichkeiten wurden so ausgewählt, dass sie einen Gesamteinblick in die geographische Beschaffenheit des Untersuchungsrahmens gewährleisten konnten. Dabei wurde dem holistischen Konzept gefolgt, das besagt „we should start with the concept of the entire landsurface as an ‘artefact’“117 . Die Primäranalyse der Ergebnisse dieser Geländebegehung diente zur Auswahl der Punkte für die Bodenprobenentnahme während der zweiten Geländebegehung. Dabei wurde vom nationalen Institut der Ozeanologie Irans ein mechanisches 112 Für

eine Beschreibung der Google Earth Anwendung siehe Parcak 2009, 43–51; Walstra u. a. 2011, 556 113 http://corona.cast.uark.edu/index.html (Abrufdatum: November 2013) 114 https://www.usgs.gov/ (Abrufdatum: Dezember 2013) 115 Für diese Arbeit wurde die ArcGIS Desktop Version 10.2. mit Standardlizenz verwendet, die durch die Goethe-Universität Frankfurt zur Verfügung gestellt wurde. 116 Die hierbei besichtigten Orte sind im Anhang aufgelistet. 117 Bintliff 1996, 252

22

1

Einleitung

Bohrgerät (Modell Cobra) ausgeliehen, mit dem durch die Schlagdrill-Methode Bodenproben aus Bohrstangen verschiedener Durchmesser entnehmen werden können. So können die Sedimente beschrieben und ihre Textur und Beschaffenheit studiert und beprobt werden. Zu Untersuchungszwecken wurden die Bohrstangen als Bodenprofile aufgenommen und deren optische Beschaffenheit dokumentiert118 . Zur optischen Beschreibung der Sedimente wurden zusätzlich zu Fotos, Skizzen und schriftlichen Beschreibungen auch Aufnahmen mittels eines portablen Mikroskops (ProScope) von Sedimenten in situ gemacht. In diesem Fall wurde ein Objektiv mit 50-facher Vergrößerung und eingebautem Licht verwendet. Die Bohrpunkte orientierten sich an zehn ausgewählten119 Siedlungen, die im untersuchten Zeitraum archäologisch nachweisbare Spuren einer räumlichen Siedlungsentwicklung zeigen. Dabei agieren die Bohrungen sowohl für die Aufklärung der hydraulischen Verhältnisse im Umland der jeweiligen Siedlungen als auch für den Gesamteindruck der Beschaffenheit der Flusslandschaft. So wird zum Beispiel eine Bohrung im Umland der Sanjar Siedlung sowohl Antworten zu der Siedlungsaufgabe infolge einer Überschwemmung des Paläo-Karkheh Flusses liefern als auch die allmählich Flussmigration des Karkheh nach Westen bezeugen. Die Ergebnisse zu diesen Bohrpunkten sowie deren ganzheitliche Deutung werden im nächsten Kapitel behandelt. Die Proben wurden nach dem Konzept des „Stratified Sampling Survey“ entnommen120 , die in vielen geoarchäologischen Untersuchungen erfolgreich verwendet wurde121 . Dabei hat das Fallbeispiel Kazane Höyük in der Südost-Türkei als Leitfaden gedient122 . Dieser etwa 20 m hohe Hügel in der Urfa-Ebene weist eine beständige Besiedlung vom 6. bis 2.Jt.v.u.Z. auf. Kazane erlebte seine Blütezeit in der Frühbronzezeit mit einer Besiedlungsfläche von etwa 100 ha. Besonders spannend bei Kazane ist die beständige Besiedlung vom Chalkolithikum bis zur Bronzezeit, während andere zeitgleiche Siedlungen in dieser kurzen Phase eine Siedlungsunterbrechung erlebten. Daher galten die Methoden jener Studie als Vorbild dieser Untersuchung.

118 Für

eine allgemeine Methodenbeschreibung solcher Dokumentation siehe Collins – Molyneaux 2003, 51 u. 122 119 Die Auswahl fand auf Basis der Primäranalyse der ersten Geländebegehung statt. 120 Banning 2002, 115 – vgl. Stafford 1995 zur Methodik sowie Vor- und Nachteilen dieser Technik 121 Hansen 1953; Hansen u. a., 1993, 2. Bd.; Särndal u. a. 2003, 100–109 122 Rosen 1997, 397–398

1.4 Methodik

1.4.3

23

Bodenkundliche Analyse der Sedimente

Um die Sedimente einzuordnen, musste zuerst die Bodenart bestimmt werden. Dies wird anhand der Korngrößenverteilung der Probe möglich. Die Korngrößenbestimmung der Bodenproben erfolgte mittels der Laserbeugungsmethode (laser diffraction). Dabei werden 10 gr. Der Probe gewaschen und von Salz und durch einen Siebvorgang vom Skelletanteil befreit und al Lösung in das Laserbeugungsgerät die Rückstrahlungen der Suspensionsmasse (Probe in Wasserlösung) berechnet und die Größe der Partikeln bestimmt. Das Ergebnis ist der Anteil von Sand-, Schluff-, und Tonpartikeln in jeder Probe123 . Die Gesamtsumme ergibt 100 Prozent124 . Neben der Bestimmung der Bodenart gibt es weitere Bodenmerkmale, die bei einer geoarchäologischen Fragstellung von Interesse sind. Dazu gehören pHWert, Leitfähigkeit, Salz-, Kohlenstoff-, Kalk- und Humusgehalt. Diese Daten ermöglichen einen vertieften Einblick in die Sedimentstruktur und unterstützen somit die angestrebte Analyse der Landschaftsgenese und anschließenden Sedimentvergleich125 . Der pH-Wert eines Bodens ist ein chemisches Merkmal, welches unteranderem Aussagen über den aktuellen Zustand des Bodens hinsichtlich dessen Nähstoffgehalts und organischer Substanz ermöglichen kann. Dieser Wert – eine Zahl zwischen 0 und 14 – entsteht grundsätzlich durch eine Messung der Ionenreaktion der Bodenlösung bei einer bestimmten Temperatur126 . Dadurch ergibt sich der pH (aus dem lateinischen, potentia hydrogenii) oder die H-Konzentration einer Probe (ppm)127 . Allgemein gilt ein pH-Wert von 7 als neutral, während alles unter dieser Zahl als sauer, und alles darüber als alkalisch bezeichnet wird. Der pH-Wert wurde im Labor mittels eines Geräts elektrometrisch gemessen. Dafür wird nach DIN 19 684128 jeweils 10 gr. gemörserter Probe eine Menge von 25 ml. CaCl2 – Lösung hinzugefügt und etwa 30 Minuten ruhen gelassen. Anschließend erfolgte die Messung. Geoarchäologisch betrachtet, dient dieser Wert in erster Linie einer Sedimentklassifikation bezüglich der Acidität des Bodens129 . Dabei ist zu beachten, 123 Siehe

Tabelle im Anhang für die Korngrößenkategorien – Macphail 2006, 336–337 125 Goldberg – Macphail 2006, 336–342 126 Schaetzl – Anderson 2005, 775 127 Blume u. a. 2010, 109–110 128 Deutsches Institut für Normung 1977, Teil 1 129 French 2003, 11 124 Goldberg

24

1

Einleitung

dass der pH-Wert einen hoch dynamischen Charakter besitzt. Denn er wird von verschiedenen Umgebungsfaktoren wie dem Wassergehalt des Bodens und der jährlichen Bilanz der Bioturbation ständig beeinflusst130 . Außerdem sind Verwitterungsprozesse sowie Bodenerosion für Schwankungen des pH-Wertes bestehender Böden verantwortlich. Dieser Effekt sinkt mit der Bodentiefe, sodass normalerweise verwitterte Böden an der Oberfläche einen niedrigeren pH aufweisen als in der Tiefe; d. h. der pH-Wert nimmt mit der Bodentiefe zu. Dazu kommt die Tatsache, dass die Körnung pHWertveränderungen direkt beeinflusst, sodass Sandböden gegen diese Schwankungen den niedrigsten Widerstand leisten, während der pH-Wert bei tonhaltigen Böden am stabilsten bleibt131 . Auf der anderen Seite ist eine besondere pH-Veränderung innerhalb eines Bodens durch starke punktuelle Bioturbation, z. B. einen rezenten Ameisenhaufen, nicht auszuschließen132 . Deswegen darf eine Gliederung der Sedimente nicht ausschließlich über deren pH-Werte erfolgen. Der pH-Wert eines Bodens steht in direkter Abhängigkeit zu dessen Wassergehalt. Nach Einarbeitung der Ergebnisse ist folgendes zu berichten, der pH-Wert der gesamten Bodenproben ist homogen und liegt zwischen 7,4 und 8,7. Der Durchschnittswert fällt bei 7,8 unter der pH-Klasse „sehr schwach alkalisch“ (a1). Dabei entfallen zwei Proben dem sonst einheitlichen Mittelwert und zeigen einen alkalischen Charakter133 . Die elektrische Leitfähigkeit des Bodens (electric conductivity) ist ein chemisches Indiz für den Salzgehalt im Boden, da das Wasser die verschiedenen Salze im Boden löst, und so die elektrische Leitfähigkeit steigen lässt134 . Deswegen steht der EC-Wert des Bodens im direkten Zusammenhang mit dessen aktuellem Salzgehalt, je höher der Anteil an löslichen Salzen im Boden, desto höher steigt die EC135 . Dabei ist zu beachten, dass die EC ein äußerst wechselhaftes Bodenmerkmal ist, deren Wert sogar innerhalb eines Jahres mehrmals schwanken kann. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass die löslichen Salze innerhalb des gesamten Solums vertikal und horizontal mobil sind. Von daher wird ein EC-Mittelwert für ein gesamtes Bodenprofil empfohlen136 . 130 Blume

u. a. 2010, 110 – Anderson 2005, 11, Tab. 2.1 und 168–176 132 Schaetzl – Anderson 2005, 253 133 Dies sind Probe 105 (mäßig alkalisch) und Probe 36 (sehr stark alkalisch) 134 Blume u. a. 2010, 27 u. 111 135 Schaetzl – Anderson 2005, 119, Tab. 7.3. und 754 136 Blume u. a. 2010, 118 131 Schaetzl

1.4 Methodik

25

Für die Messung der EC wurden je 10 g Boden samt 50 ml destilliertem Wasser 24 Stunden in Intervallen geschüttelt. Danach wurden die Proben zentrifugiert und durch einen Filter gegossen. Die klare Flüssigkeit wurde anschließend mittels eines Elektrodengeräts bei 25°C gemessen137 . Die Auswertung der EC-Werte und deren Klassifizierung138 ergab, dass die geprobten Böden im Allgemeinen als nicht salzhaltig betrachtet werden können, da etwa die Hälfte aller Proben salzfrei und der Rest mäßig bis mittelsalzhaltig sind. Nur 7 % der Proben gelten als hoch bis sehr hoch salzhaltig. Der Humus ist die Summe an organischen Substanzen, die in einem Bodenhorizont angereichert wurden139 . Humifizierung ist ein bodenbildender Prozess, der im oberen Bereich des A-Horizonts stattfindet140 . Im Grunde ist die Humusbildung der allmähliche Zersetzungsprozess der bereits abgestorbenen organischen Substanz des O-Horizonts, währenddessen sich aus organischen Resten Huminstoffe im Boden bilden. Dieser Prozess findet im Oberboden jeder Landschaft anders statt, sodass jeweils verschiedene Formen von Humus gebildet werden. Der Humusgehalt entspricht dem prozentualen Vorkommen des organischen Kohlenstoffs (Corg ) im Boden. Dies wird in mehreren Stufen, von h0 bis h6, klassifiziert141 . Es gibt drei Methoden den Humusgehalt festzustellen: die Differenzmessung durch Glühverlust, die Schätzung durch Farbmessung, die Erfassung des Kohlenstoffgehalts142 . Hier wurde die dritte Methode angewandt. Dabei wird der organische Kohlenstoffgehalt einer Probe durch ein Spektralphotometer gemessen. Diese Messung ergibt den C-Gehalt der Probe. Die Zahl wird mit dem Faktor 1,724 multipliziert, um die organische Substanz in Prozent zu erhalten. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt eindeutig, dass etwa 95 % der Proben der h0 Klasse angehören. Von daher gelten sie als stellenweise humos, also eine übliche Klasse für Unterböden. Der Mittelwert für diese Klasse in dem geprobten Boden beträgt 0,30 %. Dazu kommen aber ein paar Proben, die einen höheren Humusgehalt zwischen 1 und 3,3 % aufweisen. Die Humusbestimmung der geprobten Böden ist hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit von großer Bedeutung. Denn es wurden hauptsächlich Proben aus den unteren Metern der Bohrstange ausgewählt, die in der heutigen Landschaft 137 Blume

u. a. 2010, 26 die hier verwendete Klassifikation siehe Blume u. a. 2010, 27 139 Blume u. a. 2010, 27 140 Siehe tab. 11.3: Schaetzl – Anderson 2005, 44 u. 322 141 Tab. 3.5.14: Blume u. a. 2010, 29 142 Blume u. a. 2010, 131 138 Für

26

1

Einleitung

des Untersuchungsgebiets als Unterboden gelten. Sollten aber einige Proben einen großen Humusgehalt aufweisen, wie es hier der Fall ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um fossile Oberböden handelt. Die Lokalisierung von Paläooberböden ist bei der Landschaftsrekonstruktion äußerst hilfreich, da sie die Obergrenze der damaligen Böden sowie die bisherige Sedimentfracht aufzeigen können. Dies ist ein übliches Merkmal um fossile Böden (Paläoboden) zu erkennen143 . Außer dem Humus wird bei dieser Laboranalyse auch der Anteil an Kalk gemessen. Kalk oder Kalziumkarbonat (CaCO3 ) ist ein leicht verwitterbares Mineral der Mineralgruppe Carbonate144 . Der Kalkgehalt eines Solums wird unteranderem zur Bestimmung des Ausgangsgesteins sowie der bodenbildenden Prozesse des Sedimentes verwendet145 . Der Sortierungsgrad der Sedimente ist ein sekundärer Wert, der anhand von Korngrößenbestimmungen ermittelt wird. Dieser dient einer Anordnung der Sedimente in ihrer Genese und wird im nächsten Abschnitt beschrieben.

1.4.4

Räumliche Analyse und Modellierung

Die Grundlage einer räumlichen Analyse der Geodaten bildete ein Höhengeländeprofil mit einer horizontalen Auflösung von etwa 5 m aus dem GSI, das mit Erlaubnis der nationalen Kartographie Behörde Irans 2014 erworben wurde. Die im Laufe der Geländebegehungen (Frühling und Herbst 2014) erzeugten Geodaten wurden mittels ArcGIS auf dieser Grundlage projiziert. Im zweiten Schritt wurden die Daten der Fernerkundung hinzugefügt. Daraufhin konnte der Landschaftsraum auf verschiedene Aspekte hin analysiert werden. Dazu gehören Gefälle, Erosionsfläche, Fließrichtung, Hanglage, und Textur. Die Ergebnisse wurden für das Interaktionsmodell verwendet. Das Modell (in ArcView mittels 3D-Werkzeug des ArcGIS) sieht zwei Variablen vor: Fluss und Siedlung. Hierbei wurde in einer Reihe von Versuchen, die Fließrichtung und das Wasservolumen quantitativ verändert, und die direkte Auswirkung auf die umliegenden Siedlungen bemessen und dokumentiert. Auf der anderen Seite konnten die Siedlungsgröße und die räumliche Aufteilung verändert

143 Scheffer

– Schachtschabel 2002, 347 C-Wert der Proben dieser Arbeit wurde mittels ERC-412 im bodenkundlichen Labor der Goethe-Universität Frankfurt gemessen 145 Blume u. a. 2010, 186–187 144 Der

1.4 Methodik

27

werden, um deren Einfluss auf die Flusslandschaft zu betrachten. Aus dieser Interaktion wurde das Modell entwickelt, welches jedes Fallbeispiel separat behandelt und Aufschlüsse zur Überprüfung der Hypothese bietet146 .

1.4.5

Berechnungsmethoden

Hier werden die angewandten Berechnungsmethoden für die Erstellung des Interaktionsmodells beschrieben: Erodierbarkeit, Sinuosität, Rousenumber, und Sortierungsgrad. Ein besonders ausschlaggebender Faktor beim Landschaftswandel ist die Erosion. Es gilt nun zu berechnen, inwieweit eine Flusslandschaft von der fluvialen Erosion betroffen ist. Das Ausmaß der Erosion entlang eines Flusslaufes kann mathematisch berechnet werden. Dafür wird von dem aktiven Flussbett ausgegangen. Die auf Satellitenaufnahmen erfassten früheren Flussläufe einschließlich Mäander, Altwasserarme usw. werden hinzugefügt. Eine dritte Dimension kommt durch die Berechnung des jährlichen Wasservolumens des aktuellen Flusses sowie dem Geländefeinprofil dazu. Die damit markierte Fläche wird als „erosionsgefährdete Flur“ (erodible corridor) bezeichnet. Der zweite Schritt ist eine chronologische Anordnung dieser vorhandenen Erosionsflächen zueinander. Bei einer Vielzahl der hier behandelten Siedlungen ist eine solche Erosion durch die unmittelbaren Fließgewässer vorhanden. In vielen dieser Orte gehen große Flächen des angehäuften und sedimentierten Kulturschuttes dadurch verloren. Daher kann die ursprüngliche Gesamtfläche der Siedlung kaum noch eingeschätzt werden. Die Berechnung der Erosion dient zu einer besseren Abschätzung der Gesamtfläche, da die erosionsgefährdete Flur und ihre chronologische wie räumliche Entwicklung zurückberechnet werden können147 . Ein anderer Faktor ist die Form des Flusslaufs. Dazu wird der Sinuosität-Index angewendet. Die Sinuosität (P)148 lässt sich mit folgender Formel errechnen: P=

L D

Dabei steht L für die gesamte Länge des Flusslaufes und D für die Länge des Landschaftsabschnittes, das der Flusslauf durchfließt149 . Dieser Index kann zur 146 Siehe

Abschnitt 3.2. u. a. 2005, 780 148 Sinuosität wird auch durch S abgekürzt, siehe Stølum 1996, 1710 149 Siehe Mueller 1968, 371; Ahnert 2009, 173 für eine Beschreibung dazu 147 Piégay

28

1

Einleitung

Gliederung der Fließgewässer aufgrund ihrer Mäanderformen dienen. Mäander können wiederum als indirekte Indikatoren des Alters eines Flusslaufes angesehen werden150 . Außerdem können aus älteren Mäandern Altwasser entstehen, die die Interaktion der Fließgewässer mit den umliegenden Siedlungen maßgeblich beeinflussen151 . Folgende Möglichkeiten ergeben sich in diesem Sinne: P=1 Ein völlig gradlinig laufendes Fließgewässer hat eine Sinuosität gleich eins. Ein künstlicher Kanal oder ein Teil des natürlichen Flusses, der durch einen Höhenzug fließt, haben eine Sinuosität nahe eins. Der Flussabschnitt von Karun-e Bozorg zwischen Band-e Ghir und Veys, sowie das aktuelle Flussbett von Shaur gehören hierzu. P>1 Ein sehr stark mäandrierter Flusslauf hat eine Sinuosität größer als eins. Normalerweise liegt diese Zahl zwischen eins und zwei. Der Oberlauf des Dez, der Mittellauf des Jarrahi, sowie Teile von Shoteit und Gargar gehören in dieser Kategorie. In seltenen Fällen erreicht ein Flussabschnitt eine Sinuosität größer als zwei. Dies ist nach den physikalischen Gesetzen der älteste noch aktive Flussabschnitt dieses Gewässers. Teile des Mittellaufes von Dez und Karkheh entsprechen diesem Bild. Dabei muss beachtet werden, dass die Sinuosität eines gesamten Flusses im Grunde keine Aussage über dessen Genese sowie Alter treffen kann. Von daher wurden hier die jeweilig relevante Sinuosität der Flussabschnitte berechnet. Die Flussabschnitte definieren sich durch die Eigenschaften ihrer Flusslandschaft. Da in dieser Arbeit der Fluss nicht als ein Kontinuum betrachtet wird, kann also nicht von EINER Sinuosität der Dez-Flusslandschaft die Rede sein. Die Sinuosität eines Flussabschnittes wird von dreierlei Faktoren beeinflusst: hydraulische (wie Wasservolumen und Sedimentfracht), lithologische (wie Korngröße und Geröllanteil) und topografische Faktoren (wie Gefälle und Landschaftsform)152 . Aktuelle Studien weisen einen direkten Zusammenhang von

150 Siehe

Ahnert 2009, 172–175 für eine ausführliche Beschreibung der Mäanderformen Morozova 2005 zu Fallbeispielen aus Südmesopotamien, wo Altwasser und Unterbrechung der Hauptflussarm die räumliche Entwicklung der Siedlungen prägten. 152 Mueller 1968, 371 151 Siehe

1.4 Methodik

29

Gefälle und Bodenwiderstand (in Form von Schluffgehalt und Vegetation) mit der Sinuosität eines Flussabschnittes nach153 . In der Geomorphologie werden Flussmäander als Reaktionen des Flusses auf eine hydraulische Veränderung der Landschaft gedeutet154 . Somit wird angenommen, dass der Flussmäander die Störung der Hydraulik nach einem bestimmten Ereignis überbrückt und somit den Fluss erneut in eine stabile Lage überleitet155 . Relevant für die vorliegende Arbeit sind sowohl anthropogen verursachte Störungen der Hydraulik als auch diejenigen Ereignisse, welche im Rahmen eines Landschaftswandels stattfinden. Demnach sind Mäander nicht nur selbst hydraulische Ereignisse. Flussmäander stellen zugleich indirekte Zeugnisse eines hydraulischen Ereignisses in Form einer früheren Störung dar. So sind sie für die Untersuchung der Siedlung-Fluss-Interaktion von großer Bedeutung. Einer der entscheidenden Faktoren beim Landschaftswandel im Großraum Susiana ist der Persische Golf, der hier als ein Geofaktor bezeichnet wird. Wie bereits erwähnt, wird hier von einer allmählichen (landwärts) Verschiebung der Paläo-Küstenlinien dieses Wasserkörpers ausgegangen. Diese Annahme wird auch von anderen Autoren diskutiert, sodass bereits mehrere Rekonstruktionen der ursprünglichen Küsten vorliegen156 . Zusammengefasst wurden die Paläoküsten des Persischen Golfes vor 10.000 Jahren etwa nahe der heutigen Ahvaz vermutet157 . Andere vermuten, dass um diese Zeit die Region zwischen der heutigen Küstenlinie und Ahvaz aus einer Gezeitenzone bestand158 . In Betracht der mangelnden Beweislage für eine solche Rekonstruktion wurde die Rousenumber hier angewendet, um diese Küstenverschiebung grob einschätzen zu können. Die Berechnungsmethode wird hier beschrieben: Die Rousenumber wird als ein Faktor definiert, der anhand von Körnung und Geschwindigkeit der Strömung die Art des Sedimenttransports bestimmt159 . Daher dient dieser Factor zur Abschätzung des möglichen Volumens der transportierten sowie der abgelagerten Sedimente bei einem Fließgewässer160 . 153 Lazarus

– Constantine 2013, 8848 1996, 1710 155 Figure 2: Stølum 1996, 1711 156 Siehe Rashidian 2019 für eine ausführliche Auflistung dieser Annahmen sowie eine Diskussion 157 Cooke 1987, 19 158 Gasche 2005, 8 159 Hearn 2008, 465 160 Dey 2014, 384 154 Stølum

30

1

Einleitung

Die Rousenumber (b)161 wird wie folgt berechnet: b=

Ws kU∗

Darin ist W die Sedimentationsgeschwindigkeit und U die Schubgeschwindigkeit. Dieser Parameter wird wie folgt interpretiert162 : b < 0, 8 0, 8 < b < 1, 2 1, 2 < b < 2, 5 b > 2, 5

völlige Abtragung der Sedimentfracht, keine Schwebstoffe 100 % Transport der Sedimente in Form von Schwebestoff 50 % Schwebestofftransport 100 % Sedimentation der Sedimentfracht vor Ort

Somit können die Durchschnittwerte der Sedimentfracht jeglicher Fließgewässer berechnet werden, die in Richtung des Persischen Golfes fließen und zu der Anlandung des nördlichen Paläoküsten beigetragen haben könnten. Diese grobe Schätzung kann mit der Menge verglichen werden, die benötigt wird, um die heutigen Küsten zu erreichen. Für die weitere Gruppierung der beprobten Sedimente wurde der Sortierungsgrad berechnet. Dieser ist bei fluvialen Sedimenten direkt von der Fließgeschwindigkeit und dem Wasservolumen abhängig und kann daher zum Vergleichen der verschiedenen Sedimente eines Fließgewässers an verschiedenen Punkten verwendet werden. Bei äolischen Sedimenten ist der Sortierungsgrad stark von Erosion sowie Windgeschwindigkeit abhängig. Umgelagerte Böden und anthropogen beeinflusste Horizonte (zum Beispiel Kulturschutt sowie Bearbeitungshorizonte) können an ihrem sehr schlechten Sortierungsgrad erkannt werden. Der Sortierungsgrad (So) bei Sedimenten wird wie folgt berechnet:  So =

Q 75 Q 25

Hierbei sind Q25 und Q75 das erste und dritte Quartil der Korngröße in Prozent. Die Korngrößenverteilung wurde nach Laserbeugungsmethode bestimmt163 . Der Sortierungsgrad wird folgendermaßen eingeteilt: 161 Die

Rousenumber wurde nach Hunter Rouse benannt und ist mit P oder auch Z auch kennzeichnet worden. 162 Allerdings liegen alternative Interpretationen vor. Siehe Dey 2014 vgl. Hearn 2008 163 Siehe Anhang 5.1. für die Laborergebnisse

1.4 Methodik

So ≤ 1, 2 1, 23 < So ≤ 1, 41 1, 41 < So ≤ 1, 74 1, 74 < So ≤ 2 So > 2

1.4.6

31

sehr gute Sortierung gute Sortierung mittelmäßige Sortierung schlechte Sortierung sehr schlechte Sortierung

Datierung

Sowohl relative als auch absolute Datierung wurden in dieser Arbeit verwendet. Bei der relativen Datierung werden einzelne Sedimente durch ihre Eigenschaften und deren Lage zu anderen Sedimenten datiert. Hinzu kommt auch indirekte Datierung einiger Sedimente durch sich darin befindliche materielle Kultur. In diesem Fall waren Keramik Fragmente sehr hilfreich164 . Für die absolute Datierung wurde die OSL-Methode angewandt. Hierbei wurden 10 Proben zur Datierung an das Geophysik-Labor der Universität Gießen übergeben und mittels Optisch Stimulierter (OSL) und Infrarot Stimulierter (IRSL) Lumineszenz analysiert165 . OSL ist eine Datierungsmethode für mineralische Substanzen, wie Quarz und Feldspat166 . Diese Methode eignet sich sehr gut für die Datierung fluvialer Sedimente167 . Durch ein aufwendiges Verfahren wird der Zeitpunkt berechnet, an dem ein Mineralkorn zuletzt dem Licht ausgesetzt war. Somit wird die letzte Interaktion zwischen der Strahlung und einem Festkörper auf einen sogenannten Nullabgleich in der Zeit zurückdatiert168 . Die Ergebnisse dieser Datierung erweisen eine Fehlerquote von ±10 % der gemessenen Zeit auf169 . Um diesen Fehler zu minimieren werden außer der Zielprobe auch andere Stellen in deren unmittelbaren Umgebung als Dosisleistungsproben (Control sample) entnommen. Der Anteil und die Wahl der Datierungsminerale wird auf Basis der Sedimenttypen entschieden. Für fluviale Sedimente ist Feldspat das am besten geeignete Mineral170 . 164 Siehe

Anhang 5.1. für die einzelnen Bohrungen und deren relative Datierung Johanna Lomax (Gießen) hat 2015 die Datierung an zehn Proben durchgeführt. 166 Für eine Zusammenfassung der früheren Forschungsgeschichte der OSL Methode siehe Chen – McKeever 1997, 237 167 Wallinga u. a. 2001 168 Chen – McKeever 1997, 238–247; Weiner 2010, 18–19 169 Weiner 2010, 22–23 170 Wallinga u. a. 2001 165 Dr.

32

1

Einleitung

Es gibt verschiedene Methoden der Probenentnahme für eine OSL Datierung. Am besten ist eine Zylinder-Entnahme dafür geeignet171 . Es ist unbedingt zu verhindern, dass die Sedimente bei der Probenentnahme belichtet werden. Hier wurde eine abweichende Methodik angewandt. Dafür wurden zylinderförmige Probedosen aus mattem Plastikmaterial mit einem drehbaren Deckel verwendet, die senkrecht in einem 90° Winkel zur dem Sedimentprofil in den Bohrkern gedrückt, sehr schnell versiegelt, in Aluminiumfolie und nichtdurchsichtiges Papier eingepackt und im Dunkeln transportiert wurden. Diese Methode erwies sich im Labor als erfolgreich und konnte somit genügend Material für Datierung liefern. Bei der Deutung der OSL-Datierungen muss beachtet werden, dass einige geomorphologische Prozesse die Datierung stark beeinflussen und die Sedimente älter vermuten lassen172 . Dazu gehören nicht vollständige Bleichung und Kontamination der Proben. Hier sind die Dosisleistungsproben zu berücksichtigen173 . Aber das geschätzte Alter der fluvialen Sedimente ist in diesem Zusammenhang im Rahmen von Jahrtausenden. Aus diesem Grund ist eine Abweichung um 2.Jh. tragbar. Denn es hat sich gezeigt, dass Veränderungen in der Hydraulik einer Region bis spätestens 3 Jh. nach dem Ereignis auftreten können174 .

171 Bei

der Entnahme dieser Proben wurden nicht die konventionellen Methoden verfolgt. Denn eine Zylinder-Probenentnahme en block war nicht genehmigt. Aus diesem Grunde mussten die einzelnen Sedimente extra geprobt werden. 172 Für eine Diskussion ähnlicher Sedimente aus der Region siehe Woodbridge 2013, 93 173 Siehe Anhang zu OSL-Datierungen im Rahmen dieser Arbeit 174 Morozova 2005

2

Datengrundlage

2.1

Untersuchungsgebiet

Die Flusslandschaft wird als ein geomorphologisch-definierbarer Landschaftsraum verstanden, worin die Fließbewegung des Wassers das Relief prägt. Eine Flusslandschaft besteht aus dem Flussbett, der Flussaue, der Flussterrasse und dem Flusstal. Im übertragenen Sinne beinhaltet eine Flusslandschaft alle Ökosysteme, die sich in diesem Raum befinden. Dem RCC (River Continuum Concept) folgend1 , werden Fließgewässer als dreidimensionale und offene Systeme verstanden. Sie sind kein Kontinuum, wie oft angenommen; sondern eine diskontinuierliche Reihenfolge vereinzelter Einheiten, die durch ihre Hydraulik und Geomorphologie sowie ihre fluvialen Eigenschaften geformt werden. Diese Besonderheit der Fließgewässer wurde durch das RES (Riverine Ecosystem Synthesis) Konzept2 erläutert. Demnach ist jedes Fließgewässer in all seinen vereinzelten Teilmengen zugleich ein „dynamisches Equilibrium“, welches aus einer stetigen Interaktion von fluvialen und anthropogenen Eingriffen gestaltet wird3 . Der Großraum Susiana ist ein solcher Landschaftsraum im Südwesten Irans4 : eine relativ flache Flusslandschaft mit einer Gesamtfläche von etwa 65,000 qkm

1 Vannote

u. a. 1980, 130–137 u. a. 2006, 124–125 3 Für die ausführliche Definition Siehe Thorp u. a. 2006, 125 4 Siehe Fisher 1968 für eine detaillierte Beschreibung des Iran aus geologischer und hydraulischer Sicht 2 Thorp

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Rashidian, Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62358-9_2

33

34

2

Datengrundlage

zwischen dem Zagros-Gebirge und dem Persischen Golf, und umfasst hauptsächlich die heutige Provinz Khuzestan5 . Ein Großteil der Oberflächennahen fluvialen Sedimente besteht aus jungem Alluvium aus dem Holozän. Drei in NW-SO verlaufende Höhenzüge (aus dem Pleistozän) teilen dieses Gebiet in kleinere Landschaften, die aus jungen Flussterrassen, älteren Flusstälern, und dazwischenliegenden Flussauen bestehen. Entsprechend schwankt die Reliefhöhe von etwa 250 Meter über Meeresspiegel am Fuße des Zagros bis zum 2 m.ü.M. an der heutigen Küste des Persischen Golfes. Vier Hauptflüsse (Karun, Karkheh, Dez und Jarrahi) bewässern dieses Gebiet. Sie haben ihre Quellen im Zagros und münden anschließend südlich von Ahvaz ineinander und dann in den Persischen Golf. Darüber hinaus finden sich mehrere Klein- und Nebengewässer, die den jeweiligen Flusssystemen dieser Hauptflüsse angehören und die Zwischenräume dieser Flusslandschaften versorgen. Dieses Gebiet wurde zu verschiedenen historischen Zeiten Khuzian und Arabistan genannt6 . Der Begriff Susiana hat sich inzwischen in der Archäologie durchgesetzt und wird auch hier verwendet. Diese Landschaft verfügt über bestimmte Eigenschaften, die sie als einen einheitlichen Landschaft- und Siedlungsraum definieren lassen. Auf diese Eigenschaften wird im Folgenden eingegangen.

2.1.1

Allgemeine Beschaffenheit

Der Großraum Susiana entstand durch eine geologische NW-SO Verwerfung des Zagros-Gebirges im Miozän (vor etwa 23 bis 5 Mio.)7 und wurde seitdem durch die Einbuchtung des Persischen Golfes von der Südseite und durch die starke Sedimentation der Hauptfließgewässern aus dem Zagros von der Nordostseite weitergeformt. Die heutige Oberfläche der Susiana Landschaft besteht aus überwiegend jungen alluvialen Sedimenten8 , die sich im Quartär (etwa 2,5 Mio. bis heute) akkumulierten und die älteren miozänen Sedimente bedeckten9 .

5 Siehe

Wilkinson 2012, 3–26 für eine allgemeine Beschreibung der Region und deren Hydraulik 6 Barthold 1984, 183 7 Fischer 1968, 33; Kouchoukos 1999, 90–91 8 Ehlers 1975, 7; Vennenbos 1958, 19 9 Geological Map of Iran, National Iranian Oil Company, 1957

2.1 Untersuchungsgebiet

35

Aus geologischer Sicht gehört Susiana zum sogenannten Persischen GolfBecken10 . Diese geologisch junge und aktive Flusslandschaft wurde oft als eine Verlängerung der mesopotamischen Ebene bezeichnet11 . Das Mesopotamien und der Großraum Susiana sind jedoch geologisch unterschiedlicher Natur und teilen keine grundlegenden geomorphologischen Gemeinsamkeiten. Charakteristisch für das ganze Gebiet ist ein hoher Grundwasserspiegel (im Durchschnitt 3 m unter der heutigen Oberfläche) und ein flaches bis leichtfallendes Gefälle (etwa 2° im Durchschnitt)12 . Diese Sedimente sind in ihrer Textur genauso unterschiedlich wie deren Ausgangsgestein. Hierbei wurden in den Bohrungen zwei verschiedene Gesteinssysteme festgestellt: das sogenannte Ausgangsgestein und das undurchlässige Deckgestein. Ferner sind zwei geologische Formationen vorhanden: Susa und Haft Tappeh, die zur Zagros-Hauptstörung gehören, und hauptsächlich aus alluvialen sowie fluvialen Sedimenten bestehen13 . Der Großraum Susiana wird als eine eigene Klimazone verstanden14 . Dazu gehören Eigenschaften wie absolute Frostfreiheit, hoher winterlicher Monatstemperaturdurchschnitt (>20°), fast ganzjährige Aridität und hohe Luftfeuchtigkeit15 , die bei bodenbildenden Prozessen entscheidend sind. Das Untersuchungsgebiet beinhaltet auch eine Reihe von Dünen, deren Gesamtfläche auf etwa 123 ha geschätzt wurde. Heute befindet sich die flächengrößte und höchste Sanddünengruppe in dem Raum zwischen Dezful und Ahvaz16 . In sedimentologischer Hinsicht besteht der Großraum Susiana aus zweierlei: (1) aus alluvialen Ablagerungen der vier Hauptflüsse, die am Gebirgsrand gröber und Richtung der Ebene feiner ausfallen; und (2) aus großen Mengen an Schluff und Ton der Flüsse Karun und Karkheh, die südwestlich von Ahvaz akkumuliert sind17 . Diese teils bis zu 2 m mächtige Schluffschicht in den Ebenen dieser Region wird als sichtbarer Beweis für die ständige Sedimentfracht des anthropogengeprägten Kanalsystems betrachtet, das seit mehr als sechstausend Jahren

10 Siehe

Woodbridge 2013, 5 für neuere Ergebnisse zu dieser geologischen Einheit entspringt dieser Irrtum aus Veenenbos 1958, 18 12 Veenenbos 1958, 15 13 Emami 2008, 32–33 14 Dewan – Famouri 1964, 21–23 15 Ehlers 1980, 81 16 Tab. 1: Paschai 1974, 69–70 17 Dewan – Famouri 1964, 25 11 Wahrscheinlich

36

2

Datengrundlage

in dieser Region aktiv ist18 . Unterhalb dieses Sediments sind Spuren der materiellen Kultur sowie fossile Pflughorizonte in situ zu finden19 . Diese Tatsache verdeutlicht das Ausmaß des Landschaftswandels in diesem Raum. Im Allgemeinen lassen sich verschiedene Böden im Großraum Susiana nachweisen. Unter anderem treten Salzböden und Braunerde auf20 . Der Salzboden (Solonchak)21 befindet sich an zwei Stellen: die südlichen Salzböden grenzen an der Küste des Persischen Golfes und können in ihrer Entstehung auf die Paläoküstenlinie dieses Wasserkörpers zurückgeführt werden. Die Böden im nördlichen Teil entstanden infolge nicht ausreichender Entwässerung bei landwirtschaftlichen Aktivitäten bzw. Bewässerung. Außerdem sind Salzböden in Ramhormoz und vom Ostufer des Karkheh mit hohem Salzgehalt in 2 m Tiefe bekannt22 . Sabkhaböden mit typischen Binsen23 sind auch in Shadegan vorhanden24 . Diese Böden bilden sich, wenn schlecht entwässerte Salzböden über einen hohen Grundwasserspiegel von etwa 0,5 m verfügen. In den meisten Fällen reicht das Wasser sogar bis an die Oberfläche und bildet somit ein Dauerfeuchtgebiet. Die Versalzung der Bodenoberfläche hat einen direkten Einfluss auf die räumlichen Verhältnisse der Siedlungen. Es wurde argumentiert, dass die ursprüngliche Landschaft der Region aus zwei verschiedenen Alluvial-Ebenen bestand. Eine Ebene war durch die Geröllschicht sehr gut entwässert und kaum versalzen. Diese Böden waren in Nordsusiana vorhanden. Die andere Alluviale Ebene war durch ihre Bodenbeschaffenheit stets an der Grenze zur Versalzung. Die Region um Ahvaz und die Dehloran Ebenen gehörten dazu. Dieser Unterschied spielte bei der Nahrungsproduktion und Siedlungsentwicklung eine große Rolle25 . Am häufigsten kommen in diesem Gebiet alluviale Böden vor. Salzböden sind ebenso im südlichen Khuzestan verbreitet26 . Die Braunerde findet sich vor allem in der Umgebung von Susa.27 Sie eignet sich für die Landwirtschaft, und ihre 18 Dewan

– Famouri 1964, 50 Beobachtung wurde von verschiedenen unabhängigen Quellen berichtet. Siehe Adams 1962; Dewan – Famouri 1964, 91; Krikby 1967; Lees – Falcon 1952; Wright 2003 20 Dewan – Famouri 1964 21 Auch „Shurzar“ von dem Persischen 22 Dewan – Famouri 1964, 108–109, Profil 50 u. Profil KK24 23 Juncus 24 Dewan – Famouri 1964, 126–128, Profil KS16 25 Hole u. a. 1969, 366–367 26 Für eine Auflistung der Bödenarten im Iran siehe Dewan – Famouri in Fisher 1968, 253–254 27 Dewan – Famouri 1964, 146, Profil B2 19 Diese

2.1 Untersuchungsgebiet

37

hauptsächlich landwirtschaftliche Nutzung in diesem Gebiet ist historisch belegt. So waren im Großraum Susiana bereits vor der intensiven Industrialisierung der Region (1960er), etwa 80 % dieser Böden unter aktiver landwirtschaftlicher Nutzung28 . Insgesamt lässt sich die Bodenbeschaffenheit des Großraum Susiana wie folgt zusammenfassen: Der Oberboden besteht größtenteils aus geologisch jungen fluvialen Sedimenten. Diese sind in Textur grobkörnig und stammen hauptsächlich aus den Gesteinen des Zagros. Sie sind kalkhaltig und schluffig. Die Oberböden sind reich an Mineralien und verfügen über relativ dünne Humusschichten. Die Oberfläche wird von starker Wind- und Wassererosion sowie hoher Evaporation geprägt. Diese Verhältnisse führen zu einer Konzentration von leichtlöslichen Salzen (Natrium, Calcium, Magnesium und Kalium) an bestimmten Stellen und einer Vergleyung der oberen 5 m des Solums. Mehr als die Hälfte der Böden ist salzfrei. Etwa 40 % sind mäßig salzhaltig und nur 7 % weisen einen hohen Wert an leichtlöslichen Salzen auf29 . Mehr als 90 % der Böden sind sehr schwach bis schwach alkalisch. Aufgrund ihres Ausgangsgesteins beinhalten die Böden im Großraum Susiana im Durchschnitt etwa 40 % Kalk. Der Gehalt an organischem Kohlenstoff in den Böden und Sedimenten ist sehr gering und beträgt etwa 0,3 %. Die Körnung ist lokal bedingt und schwankt meistens vom tonig-schluffigen Lehm bis zum Sand mit Geröll30 . Die jährliche Niederschlagsrate ist ein bedeutender Geofaktor. Der Großraum Susiana kann in diesem Sinne in drei Bereiche geteilt werden: (1) der nordöstliche Bereich am Fuße des Zagros mit etwa 350 mm jährlichem Niederschlag, der Regenfeldbaulandwirtschaft ermöglicht; (2) der mittlere Bereich mit etwa 250 mm jährlichen Niederschlag, in dem aufgrund ganzjähriger Flüsse auch Bewässerungslandwirtschaft betrieben wird; (3) der südwestliche Bereich mit hoher Versalzung und weniger als 200 mm jährlichem Niederschlag, der wegen seiner unmittelbaren Nähe zu den Küsten des Persischen Golfes andere Wirtschaftsformen – wie Weidenwirtschaft und Fischzucht in Dauerfeuchtgebieten – hervorruft. In wieweit diese Niederschlagsgrenze für die Siedlungsentwicklung der Region ausschlaggebend sein kann, wurde bereits von anderen diskutiert31 .

28 Dewan

– Famouri 1964, 218; Ehlers 1980, 31 Anhang für Laborergebnisse 30 Siehe Tabelle im Anhang 31 z. B. Nissen 2011, 9 29 Siehe

38

2.1.2

2

Datengrundlage

Hydraulik der Flusslandschaft

Inzwischen ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Paläolandschaft des Großraum Susiana sich maßgeblich von der heutigen Landschaft unterschied32 . Historische Überlieferungen können diese Annahme stützen. Bis zum 18.Jh. konnten die Flüsse Karun und Karkheh durch Boote befahren werden33 . Dieser Landschaftswandel reicht jedoch viel länger zurück. Unter anderem wird angenommen, dass starke tektonische Aktivitäten der Haft Tappeh- und Shaur-Höhenzüge im 1.Jt.v.u.Z. zu einer Vertiefung vorhandener Flussbetten führten34 . Dadurch veränderte sich die Hydraulik der Region sowie die damit zusammenhängende Sedimentfracht maßgeblich. Bereits im 19.Jh. wurde auf die sichtbaren und dadurch entstandenen Spuren früherer Flussläufe hingewiesen, die sich zwischen Karun und Dez befanden.35 Im 20.Jh. wurde bereits aufgrund dieser Spuren vermutet, dass Karun und Karkheh zwischen den 4. und 2.Jt.v.u.Z. ihre Flussbetten in westlicher Richtung verlagerten36 . Die Sedimentfracht trägt zum Wandel der Landschaftsoberfläche stark bei. Unter den Hauptflüssen des Großraum Susiana trägt der Karkheh die meiste Sedimentfracht, nämlich mehr als 62 Mio. t./Jahr. Der Karun ist mit etwa 52 Mio. t./Jahr an der zweiten Stelle. Am wenigsten verfrachtet der Dez mit 37 Mio. t./Jahr Sedimenten. Die Textur dieser Sedimente entscheidet darüber, wie lang und wohin sie vom Wasser transportiert werden. Ferner ist der Beitrag der Erosion für den Landschaftswandel entscheidend. Im Großraum Susiana führen starke Wind- und Wassererosion zu einem immensen Bodenverlust an der Oberfläche sowie zu ständiger Deflation und Dünen- wie Rinnenbildung. Diese Prozesse gestalten das Relief in der Landschaft um und beeinflussen die Fließrichtung des Wassers, die wiederum zu einem Wandel in der Flusslandschaft führen kann. Die intensive Landnutzung im Großraum Susiana ist der anthropogene Faktor, der zu dem Landschaftswandel beiträgt.37 Die Jahrtausende anhaltende Bewässerungslandwirtschaft sowie die Weidewirtschaft haben die Oberfläche und

32 Siehe

Vallat 1993; Verkinderen 2015; Rawlinson 1864 Strange 1873, 246 34 Vennenbos 1958, 32–33 35 Billerbeck 1893, 10 36 Cooke 1987, 22 37 Ehlers 1975; Ehlers 1980 33 Le

2.1 Untersuchungsgebiet

39

sogar die chemische Zusammensetzung der Böden stark verändert. Spuren dieser Eingriffe werden bis in etwa 15 m Tiefe in dieser Landschaft gefunden. Insgesamt lässt sich die Hydraulik der Flusslandschaft des Großraum Susiana als dynamisch und teilweise labil zusammenfassen. Sie ist von der Bodenbeschaffenheit und den bodenbildenden Prozessen einerseits und von den anthropogenen Eingriffen anderseits beeinflusst.

2.1.3

Der Persische Golf

Es gibt starke Hinweise auf einen drastischen Wandel der nördlichen Küsten des Persischen Golfs während des Holozän. Dies stellt uns vor einer Herausforderung bezüglich einer Landschaftsrekonstruktion. Da die jungen Flüsse der nördlichen Hälfte eine sehr hohe Sedimentfracht in die südliche Hälfte des Großraum Susiana transportieren, sind frühere Küstenlinien längst unter teilweise 5 m jungem Alluvium begraben. Sie sind mit konventionellen Methoden kaum zu erforschen. Bisher ist kein akzeptables Modell für die Evolution der Küstenlinien in den letzten Jahrtausenden veröffentlicht. Die vielen vorhandenen Rekonstruktionsvorschläge der Paläoküsten des Persischen Golfes vertreten kaum Gemeinsamkeiten38 . Dazu kommt, dass die meisten Rekonstruktionen nur auf Spekulationen basieren und die Geomorphologie sowie die Hydraulik der Region kaum in Betracht ziehen. Neben älteren Rekonstruktionen beziehen sich aktuelle Rekonstruktionen auf punktuelle Proben, die keineswegs für ein solches Modell ausreichen. Besonders kritisch ist die Tatsache, dass die Frage der Tektonik in diesem Zusammenhang noch nicht erforscht wurde. Die einzige Gemeinsamkeit aller Rekonstruktionen der Paläoküsten des Persischen Golfes ist die Verlandung der südlichen Hälfte des Großraum Susiana seit dem 6. bis 4.Jt.v.u.Z., welche zwar plausibel erscheint, aber noch nicht belegt wurde. Die Sedimentfracht der Hauptflüsse spielte zweifelsfrei eine ausschlaggebende Rolle bei der vermuteten Verlandung der Region südlich von Ahvaz. Diese wurde aber nie vermessen und damit nie bei in bisherigen Rekonstruktionen berücksichtigt.

38 Für eine schematische Darstellung ausgewählter Rekonstruktionen siehe Rashidian 2019, 154: Fig. 2

40

2

Datengrundlage

Keine der Rekonstruktionen der Paläoküsten des Persischen Golfes kann als Datengrundlage für die vorliegende Untersuchung dienen. Daher wird aufgrund eigener Untersuchung und Beobachtung folgendes angenommen: (1) Während der beiden geoarchäologischen Begehungen im Rahmen dieser Untersuchung fanden sich keine Anzeichen von mariner Sedimentation in dem Raum zwischen Abu Fanduweh und Ahvaz (in Tiefen von 2 bis 7 m). Die Haft Tappeh- und Shaur-Höhenzüge sind mindestens 15 m höher als die flache Ebene um Ahvaz und stellen eine natürliche Grenze dar. Bei einem relativen Anstieg des Meeresspeigels von 2 bis 3 m im 10.Jt.v.u.Z. könnte der Wasserkörper kaum soweit gedrungen sein. (2) Eine mathematische Berechnung des durch Sedimentfracht angesammelten Volumens39 ergibt nicht die Masse an Verlandung in den vorhandenen Modellen. Über die Berechnung der beiden Faktoren „Rousenumber“ und „transport ratio“ lässt sich schätzen, dass in den letzten sechs Jahrtausenden genug Sediment transportiert wurde, um ein Gebiet mit dem Volumen von etwa 15.000 qkm zu bedecken. (3) Das auf GIS Basis erzeugte Geländefeinprofil der Region zwischen dem Bandar-e Mahshar Hafen und der Khur Musa-Bucht ergibt ein sehr flaches marin-geprägtes Relief. Dieses lässt ein Dauerfeuchtgebiet in der Region um Shadegan bis zur heutigen Küstenlinien vermuten. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass sich der Paläogolf im 6.Jt.v.u.Z. etwa 50 km südlich vom heutigen Ahvaz befand, im Bereich der heutigen Mittelläufe von Jarrahi und Karkheh. Die Paläoküsten wandelten sich von 5. bis 4.Jt.v.u.Z. durch die Sedimentation der Hauptflüsse in eine Sabkha (ein Feuchtgebiet mit Brackwasser bzw. Salzwasser). Die heutige Küstenlinie bildete sich etwa zum Ende des 3.Jt.v.u.Z. Dies kann durch aktuelle Geodaten belegt werden.

2.2

Fallbeispiele

Der Großraum Susiana besteht aus vielen kleineren Landschaften, die jeweils besondere Geofaktoren besitzen. Hier werden drei der vier großen Flusslandschaften als Fallbeispiel gewählt. Die Flusslandschaft um den vierten Fluss, Jarrahi, kann in Bezug auf die Flussmigration und ihre Rolle bei der westlich gerichteten Siedlungsverschiebung dieser Region von 5. bis 2.J.t. nicht berücksichtigt

39 Das Volumen des vermuteten Gewässers wurde durch die ArcGIS-Tools Flow Accumulation und Basin berechnet.

2.2 Fallbeispiele

41

werden. Denn die Jarrahi Flusslandschaft ist in ihrer Entstehung und ihrem Landschaftswandel grundsätzlich verschieden40 . Die Flusslandschaften um Karun, Dez und Karkheh zeichnen sich als definierbare Landschaftsräume mit besonderen und einzigartigen Eigenschaften aus. Zudem ist ihre Siedlungsgeschichte durch die archäologische Datengrundlage weitestgehend zu rekonstruieren. Der Raum um Susa, sowie die Mianab-Ebene, und die Shaur-Region hatten im 5. bis 2.Jt.v.u.Z. ihre eigene soziokulturelle Dynamik. Daher wurden insgesamt zehn Siedlungen für diese Untersuchung ausgewählt, die im Kontext ihrer jeweiligen Flusslandschaft diskutiert werden.

2.2.1

Die Karun Flusslandschaft

Der Karun ist mit etwa 890 km Fließlauf der längste Fluss41 und das einzig noch schifffahrbare Fließgewässer Irans42 . Antike Quellen nennen dazu andere Flüsse, die bis zum 18.Jh. noch mit Schiffen und Booten befahren wurden.43 „Karun“ ist ein relativ neuer Name für diesen Fluss. In den mittelalterlichen Schriftquellen wird dieser Fluss Dujail genannt44 . Im 19.Jh. war der Fluss unter zwei Namen in Khuzestan bekannt. Die sesshafte Bevölkerung nannte ihn Karun, während die Nomaden ihn unter Kuran kannten45 . Es gibt Hinweise darauf, dass der heutige Unterlauf des Karun bis zum 4.Jt.v. an der heutigen Stelle der Ahvaz Dünen vorbei floss und direkt in den Persischen Golf mündete. Seitdem verlagerte sich sein Bett allmählich in Richtung des heutigen Arvand46 . Wahrscheinlich in der sassanidischen Zeit wurde ein Kanal zwischen Karun und Arvand ausgebaut, welcher die direkte Verbindung von Karun und dem Persischen Golf für immer unterbrach47 . Bisher wurden drei ehemalige Flussbetten für den unteren Lauf des Karun wiedererkannt48 . Sie wurden anhand der unmittelbaren angrenzenden Siedlungen

40 Heywaert

– Walstra – Verkinderen 2012 2011, 629 42 Billerbeck 1893, 8–10 43 Layard 1846, 31 44 Siehe Verkinderen 2015, 111 45 Layard 1846, 50 (Siehe Fußnote) 46 Alternativer Name: Shatt-al Arab 47 Rahimi-Laridjani 1988, 235 48 Heyvaert – Verkinderen – Walstra 2012,508 41 Borjian

42

2

Datengrundlage

relativ und indirekt datiert. Die Zweiteilung des Karun Flusses in Shoteit und Gargar im Shushtar Historischen Hydraulischen System49 und deren Zusammenfluss in Band-e Ghir ist der komplizierte Teil der Karun Flusslandschaft50 . In die Karun-Flusslandschaft gehören die heutigen Flüsse Karun, Shoteit, Gargar und Karun-e Bozorg, sowie viele saisonale Gewässer wie Dar Khazineh und Naft-e Sefid und die kleineren Darreh Gewässer im östlichen Raum des heutigen Gargar51 . Im östlichen Raum des Karun liegen Abu Chizan und Samirat. Zudem liegt Dar-Khazineh an der Mündung von saisonalen Gewässern in den Gargar. An der Mündung von Gargar und Shoteit liegt Band-e Ghir. Abu Chizan und Samirat liegen in dem Ödland Naft Sefid52 , östlich von Karun im hydraulischen Netzwerk der saisonalen Gewässer, die das Schmerzwasser vom Zagros in den Gargar führen und dadurch als eine Quelle für den Karun-e Bozorg gelten. Dieser schmale Landstreifen ist von diesen heute saisonalen Gewässern regelrecht durchzogen. Die Oberfläche ist durch ausgeprägte Rinnenerosion so stark beschädigt, dass sie ihre ursprüngliche Oberflächenform verloren hat. Dieses Ödland hat heute eine sehr geringe Bevölkerungsdichte. Es finden sich vereinzelt Dörfer mit weniger als 100 Einwohner in diesem Gebiet, das kaum über ausreichend Wasser für Mensch und Tier verfügt. Nur im Frühjahr führen die trockenen Gullys Wasser und verwandeln die Region in eine große Weide53 . Seit dem Mittelalter nutzen Nomaden diese Weiden für Ihre Viehwirtschaft. Diese Landschaftsnutzung ist historisch belegt54 . Bereits im 20.Jh. war der Wassermangel und die starke Erosion ein Thema für die Viehwirtschaft in dieser Region55 . 49 Das historische hydraulische System von Shushtar ist UNESCO Weltkulturerbe Nr. 1315. Es besteht aus Wassermühlen, Kanälen, wie Zisternen, und Aquädukten auf dem Karun Fluss. 50 Alizadeh u. a. 2004; Moghaddam 2012b 51 Siehe Anhang 5.1., Bohrungen AC1, AC2, BG1, BG2, DK1, DK2, DK3, DK4, DK5, SR1 52 Die neuere Geschichte dieser Region ist mit dem Öl verbunden. Entlang des Persischen Golfs befinden sich mindestens neun Stellen, an denen seit dem 19.Jh. Öl gefördert wird. Das Öl ist meistens zwischen Kalksteinhorizonten eingeschlossen. In der Region Naft Sefid wurde 1934 zum ersten Mal Öl gefördert. Der Name Naft Sefid bedeutet „das weiße (saubere) Öl“, da das Ölvorkommen in dieser Region sehr rein ist, und auch ohne Raffinieren für den Haushaltbedarf z. B. für traditionelle Öllampen verwendet werden kann. Siehe Fischer 1968, 175 u. 575 53 Moghaddam 2004, 54 54 Barthold 1984, 189–192 55 Field 1939, 18

2.2 Fallbeispiele

43

Bisher wurde der sogenannte Ostkorridor (eastern corridor) als eine Pufferzone für den ansteigenden Bevölkerungswachstum im 3.Jt.v.u.Z. sowie in der Spätantike betrachtet56 . Seit einer umfassenden Untersuchung wird diese Region als ein eigenständiger Siedlungsraum mit einem vielstufigen Siedlungssystem vom 5.Jt.v. bis 1.Jt.n.u.Z. erkannt57 . Es gibt Grund zur Annahme, dass diese Kulturnische im 10.Jh.n.u.Z. durch einen unvermeidbaren Landschaftswandel zusammenbrach und ihre Siedlungsstruktur dauerhaft verlor. Dieses Phänomen wurde anderorts ausführlich diskutiert58 . Diese Siedlungsstruktur blieb in der Zeit von 5. bis 2.Jt.v.u.Z. entlang einer vermutlichen Handelsroute erhalten. Archäologisch nachweisbar ist eine Blütezeit im 3.Jt.59 . Um diese Zeit sind mindestens zwei elamische Städte in diesem Landschaftraum bekannt. Abu Chizan60 (KS-1663) liegt am saisonalen Fluss Darreh61 Naft Sefid, etwa 50 km SO von Shushtar und 26 km östlich von Band-e Ghir im östlichen Großraum Susiana. Die Gesamtfläche von Abu Chizan wird auf 2 bis 8 ha geschätzt. Die Siedlung wird in die Spät-Mittel-Susiana bis Mittel-Uruk datiert62 . Abu Chizan ist ein Beweis für die besondere Entwicklung der Siedlungsdynamik im Ostkorridor. Diese Dynamik hängt mit Chogha-Mish zusammen und bezeugt die Blütezeit des Großraum Susiana bereits vor der Susa A-Periode63 . In Abu Chizan wurde eine lokale Tradition der Keramikherstellung festgestellt64 . Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Siedlung in der späten Dorfphase (Later Village Period65 ) sowie in der darauffolgenden Frühbronzezeit 56 Hole

(Hrsg.) 1987 – Miri 2007 58 Rashidian 2017 59 Moghaddam – Miri 2007 57 Moghaddam

60 61 “Darreh” bedeutet “Tal” und wird in der Region den saisonalen Flüssen zugeschrieben, die in einem Tal mit einem bereiten flachen Flussbett fließen. 62 Tab. 1: Moghaddam 2012a, 4; Moghaddam 2012a, 129 63 Moghaddam 2012, 138 64 Moghaddam 2012a, 88–112; Moghaddam 2012a, 151–158 65 Later village Period, entspricht laut Hole (1987) ca. 5.000 bis ca. 3.200 v.u.Z. Mogaddam (2012a, 3) definiert diese wie folgt: „The specific time span … stretches from the Late Middle Susiana to about the middle of the Uruk period (late 5th to mid-4th millennium B.C), the period that is here designated the “Later Village Period” (Hole 1987b: 55, table. 2). Chronologically, the Village Period extends from ca. 8000-4000 BC (Hole 1987b: 29), 6500-3800 B.C (Sumner 1991: 547) or 7000-4000 BCE (Kouchoukos and Hole 2003: 53).“

44

2

Datengrundlage

bis hin zu der Mittelbronzezeit ein aktiver Keramik- und Rohstofflieferant der Region war66 . In der Mittel-Susiana Phase sind große Ähnlichkeiten zwischen der Keramik von Abu Chizan und Chogha Mish erkennbar, hingegen tauchen in der Spät-Susiana Zeit in Abu Chizan Formen auf, die keine vergleichbaren in dem Großraum Susiana finden. Eine große Anzahl an urukzeitlichen Keramik in der Zone 6 der Siedlung zeigt die Beständigkeit der Besiedlung vom frühen bis zur Mitte des 4.Jt.v.u.Z.67 . Die Rolle bestimmter Rohstoffe in der Entwicklung der Technologie der Vormoderne und deren Beitrag zu der Entstehung und Weiterentwicklung komplexer Gesellschaftspraxen ist bereits erforscht68 . In Abu Chizan wurde aktiv Bitumen gewonnen. Der wertvolle Rohstoff wurde nachweislich in der gesamten Besiedlungsphase aus den lokalen Quellen extrahiert und wahrscheinlich bis nach Südmesopotamien sowie bis zur Farsregion transportiert. Die Tatsache, dass eine solche langfristige Besiedlung in einer eher von aktiven alluvialen Ablagerungen geprägten Landschaft besteht, kann auf die reichen Bitumen-Quellen sowie Steinbrüchen in der unmittelbaren Umgebung von Abu Chizan zurückgeführt werden69 . Es wurde diskutiert, dass eine Nahrungskrise aufgrund des Landschaftswandels die Siedlung im 3.Jt.v.u.Z. unbewohnbar machte70 . Besonders hervorzuheben ist die räumlich getrennte Lage des sogenannten Uruk-zeitlichen Siedlungsteiles (Zone 6) in Abu Chizan. Dieser Teil ist heute durch ein fossiles Fließgewässerbett von dem Rest der Siedlung getrennt und scheint bereits zu Siedlungszeit bestanden zu haben71 . Eine eigene Analyse der verschiedenen Grabungsschnitte72 und deren absoluten Höhe mit den existierenden Kulturhorizonten im ArcGIS legt eine leicht hüglige Landschaft mit kleinen natürlichen Gewässern zur Zeit der Besiedlung nahe. Der interessante Fund eines bereites großen Geröllbettes etwa 2 km von heutigen Naft Schwemmkegel73 sowie eines typischen Kanalfüllungssediments direkt südlich des Hügels bestätigt die Annahme einer völlig anderen Paläolandschaft als der heutigen in der Naft Region.

66 Alizadeh

2014, 247; Moghaddam – Miri 2007, 35 2012a, 138 68 Hole u. a. 1969, 21; Wright 1981, 268; Potts 1997, 100 69 Moghaddam 2012a, 139 70 Alizadeh u. a. 2004, 80; Moghaddam 2012a, 73–79 71 Moghaddam 2012a, 87 72 Siehe Moghaddam 2012a, 112–129 73 Moghaddam 2012a, 83 67 Moghaddam

2.2 Fallbeispiele

45

Archäobotanische Untersuchungen in Abu Chizan legen die Praktik der Überschwemmungs-landwirtschaft nahe74 . Grundsätzlich kann der Abu Chizan Siedlung eine zentrale Rolle bei Rohstoffgewinnung und Handel im 5. bis 2.Jt.v.u.Z. im Ostkorridor zugeschrieben werden, ähnlich wie bei Ahowan (Mehran Ebene), Musiyan (Dehloran), Chogha Mish (Großraum Susiana), Tol-e Gesser75 (Ramhormoz Ebene), Tape Sohz und Chogha Sofla (Behbahan)76 . Der Vergleich der Bohrungen in direkter Umgebung des Abu Chizan zeigt einen großen Unterschied bei der Sedimentation unmittelbar am AC Hügel. Während das Sedimentpaket bei Bohrung AC1 eine langsame Wasserführung mit zwei längeren Unterbrechungen zeigt, ist der Bohrung AC2 Zeuge von einer sehr starken Erosion, die den Oberboden komplett zerstört und den kompakten nährstoffarmen Unterboden hinterlassen hat. Mehrere Sedimentpakete in den westlichen Teilen des Hügels zeigen ein Netzwerk an kleinen aktiven Wasserrinnen, die später durch mangelnde Wasserführung allmählich zu sedimentiert wurden. Die räumliche Verteilung dieser charakteristischen „Füllung“ deutet auf hydraulische Strukturen (Kanälen) für Keramik und Rohstoffherstellung im Westen des Hügels hin. An zwei Stellen zeigt das Bodenprofil einen Anstieg des Corg -Wertes. Die könnte auf zwei Phasen der Humusbildung in einer sonst fluvialen Sedimentation hindeuten. Dies deutet auf zwei Phasen, an denen die untersuchten Gewässer kein Wasser führten. Der Grund kann eine Ableitung infolge weiterer Kanäle im Süden des Hügels sein. Alternativ könnten Phasen der längeren Dürrezeit zu einer Humusbildung der zeitweisen vertrockneten Gewässer geführt haben. Die aktuell starke Erosion und der enorme Bodenverlust im Ostkorridor hängen mit dem hydraulischen Wandel dieser Region zusammen. Vermutlich war der Ausbau des Shadarwan77 Kanals und die Zweiteilung des Alt-Karun Flusses die Hauptursache für diesen Wandel. Bisher wurde der Lauf des Shadarwan Kanals mit dem heutigen Gargarlauf gleichgesetzt78 . Hier wird diese Annahme jedoch abgelehnt. Historische Überlieferungen bieten umstrittene Datierungen für diesen vermutlichen Kanal79 . Aus hydraulischer 74 Appendix 2 von M. Tengberg, in: Moghaddam 2012a, 248–255; Siehe Alizadeh u. a. 2004, 77 für eine Erläuterung dieser Praktik mittels archäologischer Beweislage 75 Caldwell 1968; Alizadeh 2014 76 Moghaddam 2012a, 139 77 Siehe Verkinderen 2015, 118 für die sassanidische Namensgebung basierend auf mittelalterlichen Schriftquellen 78 Moghaddam 2012c, 43–45; Verkinderen 2015, 129 79 Zu einer ausführlichen Diskussion der sekundären Berichte aus dem Mittelalter siehe Verkinderen 2015, 130–131

46

2

Datengrundlage

Sicht kann das heutige Gargar-Flussbett nicht aus einem mittelalterlichen Kanal entstanden sein. Ferner werden bei den bisherigen Annahmen, der Gargar sei nur ein Kanal aus dem 1.Jt.v.u.Z., die östlich gelegenen saisonalen Gewässer ignoriert, die seit dem Holozän in diese Richtung fließen. Hier wird davon ausgegangen, dass die vielen saisonalen Gewässer des Ostkorridors, wie Naft und Khazineh, bereits seit dem Pleistozän Schmelz- und Regenwasser aus dem Zagros in einen älteren Nebenfluss des Karun führten, dessen Flussbett später – infolge des hydraulischen Zusammenbruches des antiken Kanals – von dem Wasseranteil des Kanals eingenommen und in ein mäandrierendes tiefes Bett verwandelt wurde. Angenommen, diese Hypothese stimmt, musste Abu Chizan von einem saisonalen Gewässer versorgt worden sein. Daher kann jede Veränderung in Niederschlag oder Sedimentfracht die Wasserversorgung gefährden. Etwa 7 km von Abu Chizan liegt Samirat80 , auf der östlichen Ebene des Großraum Susiana in der Naft Sefid Landschaft etwa 50 km SO von Shushtar. Der Samirat Hügel (KS-1643) erhebt sich etwa 8 m von der flachen Ebene der Naft Sefid Region und wurde auf 573 × 455 m, die Siedlungsgesamtfläche auf etwa 27 ha geschätzt81 . Anhand der Oberflächenkeramik kann von einer Siedlung von Proto-elamischer bis hin zu islamischer Zeit einschließlich elamischer und historischer Zeit ausgegangen werden82 . Der Hügel liegt am direkten Ufer der saisonalen Flusses Naft, und große Teile des Südhanges scheinen von den früheren Überschwemmungen des Flusses abgetragen worden zu sein. In einer ähnlichen Situation wie Abu Chizan, wird Samirat auch durch starken Wind und Wassererosion geprägt83 . Die größten Anteile der Oberflächenfunde gehören der elamischen und sassanidischen Zeit an84 . Samirat war der materiellen Kultur nach in der elamischen Zeit am dichtesten besiedelt. Anhand der Oberflächenfunde wurde zudem nördlich des Hügels eine sekundäre Siedlung85 aus dem frühen Mittelalter vermutet. Ein ähnliches Beispiel stellt der Hügel Hosniyeh (KS-1661) dar86 . Diese zwei relativ großen Siedlungen verbindet auch ihr Keramik-Ensemble sowie ihre Lage zum Naft Fluss. Dieser mündet etwa 12 km NO des Samirat in den Gargar. 80 81 Untersuchungen

bei Geländebegehungen von Moghaddam (2003 und 2005) 2: Moghaddam – Miri 2007, 30 83 Siehe Rashidian 2017 für eine Einschätzung des jährlichen Bodenverlustes dieser Region 84 Moghaddam – Miri 2007, 48 85 vermutlich Nomadenlager 86 Moghaddam – Miri 2007, 41 82 Tab.

2.2 Fallbeispiele

47

Es wird angenommen, dass der Gargar irgendwann im 7.Jh.n.u.Z. als Kanal ausgebaut wurde87 . Die bisher bekannten Siedlungen der früheren Phasen, besonders, die des 5. bis 2.Jt.v.u.Z. können aber diese Annahme nicht stützen. Weder die heutigen noch die meisten hypothetischen Fließgewässer88 passen in das lineare Siedlungsmuster dieser Region. Daher ist von einem hydraulischen Netzwerk auszugehen, welches an manchen Stellen dem heutigen und an anderen Stellen dem hypothetischen Wasserführungssystem entspricht. Der Gargar und seine Nebengewässer sind demnach Hybride der älteren natürlichen Gewässer und der anthropogenen Eingriffe in Form von Kanalbildung. Samirat gehört zu den größten Siedlungen in dem genannten Zeitraum, an einer Schnittstelle der Zagros- und Susiana-Bevölkerung89 . Aufgrund der physischen Lage und der Konzentration der Oberflächenfunde kann von einer Siedlungsfläche ausgegangen werden, die sich im Laufe der Zeit in nordöstliche Richtung verschoben und immer mehr Abstand zu dem Flusslauf gewonnen hat. Die frühesten Siedlungsphasen befanden sich wohl am Südhang, der später vom Fluss erodiert wurde. Samirat hat sich wohl anfangs des 4.Jt.v.u.Z. als eine kleine Siedlung am Naft-Ufer entwickelt, und wurde in der mittel-elamischen Zeit zu einer großen Siedlung mit einem ausgebauten Kanalsystem90 . Hier wird angenommen, dass der Naft Fluss zur Zeit der dichten Besiedlung der Naft-Landschaft kein saisonaler Fluss war91 . Bisher wurden keine Siedlungen aus alt-elamischer Zeit entlang des Naft gefunden92 . Hingegen wird in der Spät-Susiana 1 Phase eine Zunahme der Siedlungsanzahl in dem gesamten Gebiet festgestellt93 . Auf Basis der hier aufgestellten Hypothese hängen diese Bevölkerungsschwankungen mit dem hydraulischen Regime des Naft zusammen. Angenommen, die Siedlungen der Susa III erlebten einen Zusammenbruch der Hydraulik in der Region, konnte die Naft Landschaft in der alt-elamischen Phase nicht mehr dicht

87 Moghaddam

2012a, 55; Moghaddam 2012c, 37 z. B. Map 4.1.–4.10.: Moghaddam 2012a, 47–57 89 Moghaddam – Miri 2007, 52 90 Die sichtbaren Spuren dieser Kanäle liegen etwa 3 m unterhalb der sassanidischen Überreste der Siedlung und auf dem westlichen Siedlungshang. 91 Siehe Rashidian 2017 für eine ausführliche Erläuterung dieser Annahme 92 Moghaddam 2012a, 48–49 93 Moghaddam 2012a, 67 88 Siehe

48

2

Datengrundlage

besiedelt bleiben. Der extensive Ausbau von Kanälen in Samirat in der mittelelamischen Phase94 könnte daher eine Reaktion auf diese Situation gewesen sein. Diese Annahme setzt eine Flussmigration im 3.Jt.v.u.Z. voraus. Der indirekte Beweis für diese Annahme ist ein nachweislich abruptes klimatisches Ereignis um etwa 2.300 v.u.Z. und eine großräumige Dürrezeit95 . Der saisonale Naft-Fluss hat ein sehr bereites Bett mit einem tiefen Tal von 17 m. in diesem Profil sind mächtige Sedimentabfolgen von feinkörnigem rotem Mergel und braunem grobem Sand. Diese fluviale Abfolge findet sich auch in der Bohrung96 . Diese Abfolge bestätigt die Annahme, dass dieser Fluss und die anderen parallellaufenden Flüsse mindestens seit dem Anfang des Holozäns mit einem saisonalen Charakter das Schmelzwasser vom Zagros in die Karun-Flussnetzwerk transportieren. Andere Profile östlich von Samirat zeigen die Aufeinanderfolge von schmalen Kulturhorizonten97 und Überschwemmungshorizonten. Die starke Erosion der Gegend hat einige Bodenprofile in der Siedlung freigelegt. Eine in OW-Richtung ausgerichtete Wasserrinne zeigt eine Sedimentabfolge von 70 cm. Hier ist eine schmale Ascheschicht auf einer erodierten Lehmziegelreihe zu erkennen, die aufgrund der ähnlichen Befunde aus der publizierten Geländebegehung98 in das 1.Jt.v. datiert werden kann. Es finden sich Indizien für eine absichtliche Einebnung der Terrasse vor dem Bau dieser Struktur. Die spätere Siedlung kann am Nordosthang lokalisiert werden. Die frühsten Siedlungsspuren lassen sich aufgrund der Oberflächenfunde am Südwesthang vermuten. Zusammenfassend, scheint sich die Besiedlungsfläche in Samirat im Laufe des 1.Jt.v. vom Naft-Fluss entfernt zu haben. Die untersuchten Bodenprofile in der Umgebung von Abu Chizan und Samirat zeigen ein typisches fluviales Sedimentpaket, das auf die Wasserführung des Naft Flusses zurückzuführen ist. Dieses Sedimentpaket beinhaltet einen Wechsel von rotem Mergel und braunem Feinsand. Beide dieser Sedimente sind charakteristisch für die südwestliche Hanglage der Zagros-Gebirgskette. Da dieses Paket bis zu 11 Meter tief zu erkennen ist, kann der heutige Naft Fluss als einer der Paläogewässer dieser Region identifiziert werden, die mindestens seit dem Anfang des Holozäns das Schmelzwasser des Zagros an den Karun bringen. 94 indirekte Datierung durch Sedimenthöhe im Kontext des archäologisch datierbaren Kontextes 95 Staubwasser – Weiss 2006 96 Siehe SR1 im Anhang 5.1. 97 Mit Keramik aus dem 1.Jt.v. 98 Moghaddam – Miri 2007, 41

2.2 Fallbeispiele

49

Der Vergleich der Bodenprofile mit und ohne diesem Sedimentpaket sowie mit den heutigen Flussterrassen des Naft deutet auf eine Phase hin, die zu einem sehr starken (bis zu 4 m) und sehr raschen (ohne Humusbildung und mit eckigen und scharfen Sandpartikeln) Eintiefen des heutigen Flussbettes geführt hat. Dieses Ereignis konnte nicht datiert werden. Die Phase des Eintiefens liegt auf ungefährer Höhe des späteren Siedlungsfläche des Samirat. Der Sortierungsgrad der Sedimente ähnelt bekannten Hochwassersedimenten. Wie bereits erwähnt, befindet sich die spätere Siedlungsfläche in Nordwesten des alten Siedlungskerns. Die Bodenprofile zeigen eine bewusste Nivellierung der Oberfläche sowie einer Terrassenbildung und den Ausbau eines sehr geraden Kanals mit Spuren von mehrmaliger Kanalreinigung (abruptes Fehlen von Füllsedimenten in der Mitte des Kanals). Die Keramik aus dem 1.Jt.v.u.Z. kann diese spätere Fläche indirekt datieren. Daher kann davon ausgegangen werden, dass ein Ereignis des Naft-Flusses (vielleicht ein Hochwasser) die Siedlung zur Umorientierung und räumlicher Entwicklung in die entgegengerichtete Richtung des Flusses geführt haben könnte. Insgesamt scheint Samirat in einer ständigen Interaktion mit Naft gestanden zu haben, wobei jegliche Veränderungen des Fließgewässers direkte Folgen für die räumliche Ordnung der Siedlung haben konnten. Demnach war dieser Kanalbau eine Reaktion auf eine lange Dürrezeit im 3.Jt.v.u.Z., die eine fast 30 ha großen Siedlung im 2.Jt.v.u.Z. ermöglichte. Weiter westlich führen die erwähnten saisonalen Gewässer das Wasser aus dem Zagros in die Karun Ebene. In diesem Gebiet lagen diese Gewässer aufgrund des schwachen Gefälles eine enorme Menge an Sedimenten ab. Daher sind die Unterläufe dieser Gewässer höchst labil und erleben jährliche Überschwemmungen mit wiederholten Mäandermigrationen. In dieser hydraulischen Situation liegt Dar Khazineh. Dar Khazineh (KS-1626)99 liegt etwa 30 km SO der Stadt Shushtar direkt am saisonalen Gewässer Khazineh, das das Schmelzwasser vom Zagros in den Gargar bringt. Die Gegend ist von Erosion stark betroffen. An dieser Stelle sind Hinweise für tektonische Bewegungen der Bakhtiari Verwerfung im 5.Jt.v.u.Z. erkennbar100 . Hierzu ist eine 3 m mächtige Sedimentschicht über die Keramik in das 3. bis 1.Jt.v.u.Z. datiert worden101 .

99 100 Lees 101 fig.

– Falcon 1952, 32 5: Lees – Falcon 1952, 32; Larsen 1975, 51

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2

Datengrundlage

Dar Khazineh wird oft im Rahmen der Hypothese der nicht-sesshaften Gruppen aus dem 5.Jt.v.u.Z. in Zagros diskutiert102 . Aufgrund der Oberflächenfunde kann eine Besiedlung aus der spätdörflichen103 Phase festgestellt werden, die regelmäßig von periodischen fluvialen Ablagerungen gestört und später wiederbesiedelt wurde. Eine Untersuchung der tierischen Hinterlassenschaften ergab, dass die domestizierten Tiere im Frühling geschlachtet wurden104 . Daher ist an dieser Stelle von einer wiederkehrenden Besiedlung in der warmen Jahreszeit auszugehen. Zwar ist diese Interpretation umstritten105 , aber aufgrund von ähnlichen Beispielen vertretbar106 . Der Khazineh ist ein mäandrierender saisonaler Fluss, der seine Ufer stark erodiert. Neue OSL-Datierungen aus einer geomorphologischen Untersuchung lassen diese starke Erosion um die Dar Khazineh Siedlung in ein neues Licht erscheinen107 . Zwei Bodenproben aus den Sedimenten der unmittelbaren Nähe der Siedlung wurden mittels der OSL-Methode datiert. Sie liegen beide etwa 8 m oberhalb der aktuellen Flussoberfläche jeweils auf einer Seite des heutigen Flusslaufes. Die erste Probe108 liegt etwa 110 m NO einer Bohrung109 und datiert auf etwa 480 v.u.Z. Die zweite Probe110 liegt etwa 60 m nördlich dieser Bohrung auf der anderen Flussseite und datiert auf etwa 820 v.u.Z. Dieses Ergebnis zeigt, dass dieser saisonale Fluss in den letzten zwei Jahrtausenden mindestens zweimal seinen Prall- und Gleithand wechselte. Die Bohrungen in der direkten Umgebung von Dar Khazineh111 weisen auf eine periodische Besiedlung auf, die in regelmäßigen Höhenabständen von fluvialen Sedimenten abgedeckt wurde. Zudem sind die Besiedlungsschichten nicht

102 Alizadeh

2006, 21 Village Period 104 Alizadeh u. a. 2004, 73–75 105 Siehe Potts 2014: Er datiert die nomadische Lebensweise im Vorderen Orient als ein Phänomen aus dem Mittelalter und lehnt eine nicht-sesshafte Bevölkerung im 5.Jt. kategorisch ab. Vgl. Alizadeh – Gremliza 1992, 60: Alizadeh interpretiert die Gremliza Sammlung als einen Beweis für die bestehende Interaktion dieser beiden Gruppen im 5.–4.Jt. und der Zunahme an neuen Siedlungen in der mittel-Susiana Zeit 106 Siehe diverse Fallbeispiele bei Abdi 2003; Alizadeh 2003; Alizadeh 2009; Szuchman (Hrsg.) 2009 107 Table 2: Woodbridge u. a. 2016, 327 108 Probe DAKS05 Bed 2, genaue Datierung 480 ± 190 v.u.Z. 109 Siehe DK2 im Anhang 110 Probe DKLTFH Bed 10, genaue Datierung 820 ± 220 v.u.Z. 111 Siehe Bohrungen DK1 bis DK5 im Anhang 5.1. 103 Later

2.2 Fallbeispiele

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vertikal, sondern horizontal112 . Dieser Schichtabfolge zufolge, war Dar Khazineh vom 6. bis 4.Jt.v.u.Z. zwar öfters besiedelt, aber immer wieder von dem Fluss überschwemmt. Die Sedimentation eines Geröllbettes mit etwa 50 cm Mächtigkeit zeigt die Kraft eines Überschwemmungsereignisses nach dieser Zeit. Danach kommt eine Phase der stetigen Sandsedimentation, bis im 1.Jt.n.u.Z. die zweite Phase der Besiedlung in der arsakidischen und sassanidischen beginnt. Die Abwesenheit materieller Kultur aus der elamischen Zeit bei Dar Khazineh kann auf die Tatsache zurückgeführt werden, dass ein Drittel der vermutlich ursprünglichen Gesamtfläche vom Khazineh Fluss abgetragen wurde113 . Anhand der Bohrprofile um Dar Khazineh kann nachgewiesen werden, dass die nördliche Seite der Siedlung durch regelmäßige Überschwemmungen des Khazineh allmählich abgetragen wurde. Das auffällig weite Flussbett wurde im Grunde durch mehrere Mäander unterschiedlichen Alters verursacht. Bohrungen in diesem heute weiten Bett haben zwei Phasen der alljährlichen Wasserführung und viele Sedimente der saisonalen Wasserführung dokumentiert. Zwei getrennte Gleyhorizonte deuten auf eine Phase der ruhigen Wasserführung, wodurch möglicherweise Altwasser entstanden sein könnten. Durch den Vergleich der Sedimentpakete konnte eine relative Anordnung der Mäander zueinander und zu der Siedlung erarbeitet werden, die eine regelmäßige Überschwemmung der Siedlung bezeugt. Bodenprofile an dem abgetragenen Hang des Dar Khazineh zeigen eine mächtige Sicht (etwa 50 cm) aus Grobsand und Kies mit einem sehr schlechten Sortierungsgrad, die den Kulturhorizont aus dem 4.Jt.v.u.Z. bedeckt. Dies kann ein Hochwasserereignis gewesen sein. Die Mündung des Khazineh in den heutigen Gargar ist wahrscheinlich älter als der heutige Gargar-Fluss. Unmittelbar nach der Mündung fließt der Gargar in einem begradigten Kanal, der nicht datiert werden konnte. Weiter westlich auf der anderen Seite des Gargar konnten Sedimentpakete festgestellt werden, die mit denen der Mäander unmittelbar bei Dar Khazineh identisch waren. Diese wurden von einer drei Meter mächtigen Torf und Schilfbildung überdeckt. Das kann einem älteren Gargar-Mäander entsprechen, der durch ein hydraulisches Ereignis abgeschnitten und zu einem langsam fließenden Gewässer mit Torfbildung wurde. Dementsprechend wechselte der Zusammenfluss von Khazineh in den Gargar. An der Stelle einer der Bohrungen114 sind auf den Corona-Aufnahmen Spuren eines 112 Larsen

1975, 51; Alizadeh u. a. 2004, 73–75 finden sich unmittelbar unterhalb des Mäanders viele kleine Keramikstücke, die dem elamischen Ensemble ähnlich sind 114 Siehe DK3 im Anhang 113 Tatsächlich

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2

Datengrundlage

SO gelegenen Mäanders zu erkennen. Diese Mündung des Khazineh in Gargar scheint einem jüngeren Lauf des Khazineh zu entsprechen. Eine OSL datierte Bodenprobe115 etwa 600 m NO dieser Bohrung auf derselben Flussseite etwa 6 m oberhalb der aktuellen Flussoberfläche zeigt, dass die Sedimente an der südlichen Flussterrasse Mitte des 4.Jt.v.u.Z. akkumulierten116 . Ein humoser, nicht fluvialer Horizont kann überall in der Höhe 23 ü.M. (fast drei Meter unter dem heutigen Khazineh Bett) erkannt werden, der durch eine lange Trockenlegung dieser Gewässer entstehen konnte. Leider fanden sich in diesem Horizont keine datierbaren Proben. Daher kann der Zeitraum dieses Ereignisses nicht näher bestimmt werden. OSL-Datierung einer mächtigen Sandschicht von Gargar in 4. M Tiefe117 hat ein Alter von 500 bis 300 Jahre ergeben. Dies bedeutet, dass die etwa 4 m unter der heutigen Oberfläche liegenden fluvialen Sedimenten des Gargar etwa 400 Jahre alt sind. Diese Schicht liegt auf etwa 8 m ü.M. Daher kann von einer sehr starken Sedimentation von etwa 4 m in den letzten 500 Jahren in dieser Gegend ausgegangen werden. Der Gargar wird auch Do-Dangeh (zwei-sechstel) genannt. Hingegen heißt der Shoteit auch Chahar-Dangeh (vier-sechstel). Dies geht wohl auf die Wasserteilung des Karun Flusses in sechs Einheiten zurück, wobei zwei Einheiten in den östlichen Flussarm (Gargar) und die übrigen vier Einheiten in den westlichen (Shoteit) geleitet wurden. Diese Aufteilung wird immer noch eingehalten und durch die noch funktionierenden historischen Hydraulischen Systemen direkt an der heutigen Stadt Shushtar reguliert. Dazu gehören das Dariun-Bewässerungskanalsystem sowie zahlreiche große und kleine Damm-Brücken118 . Der Gargar Fluss war also laut historischen Quellen eine bewusste Zweiteilung des damaligen Karun Flusses Mitte des 3.Jh.n.u.Z., wie von A. Layard berichtet wurde: “The Abi Gargar is an artificial canal, and at the point of its separation from the main body of the river a large massive band, or dam, has been thrown across its entrance”119 . Angeblich wurde dieser als ein geradliniger Kanal von den Sassaniden künstlich angelegt, um die östliche Region des Karun – also die Shushtar, Mianab und Darreh Naft Ebenen – zu bewässern und die Landwirtschaft

HGWS05 Bed 7hgw, genaue Datierung 3670 ± 360 v.u.Z. 2: Woodbridge u. a. 2016, 327 117 Siehe DK4 im Anhang 118 Siehe Verkinderen 2015, 111–118 für ausführliche Beschreibungen dieser historischen Wasserregulierungsanlage 119 Layard 1846, 28 115 Probe 116 Table

2.2 Fallbeispiele

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wieder zu beleben120 . Dank diesem Kanal blühte diese Region wirtschaftlich auf und erlebte eine rasche urbane Entwicklung in der Spätantike. Doch die geomorphologische Beschaffenheit des Gargar und dessen Nebenflüsse wie Darreh Naft scheint viel komplexer zu sein. Aus geomorphologischer Sicht ist eine künstliche Anlage des Gargarbettes unmöglich. Viel mehr könnte dieser als ein bereits bestehender Flussarm des Karun in den vergangenen Jahrtausenden betrachtet werden, der um jene Zeit wiederbelebt und reguliert wurde. Ein weiterer Hinweis liefert die Stelle, an der der Dez Fluss heute mit Gargar und Shoteit zusammenfließt. An diese Stelle liegt Band-e Ghir. Band-e Ghir121 (KS-1623) besteht aus einem etwa 3 m hohen sehr flachen Hügel direkt östlich der Ahvaz-Shushtar Landstraße und wurde erst neulich wiederentdeckt122 . Dieser kleine Hügel liegt etwa 2 km südlich der mehr als 500 ha großen Stadt Askar Mokram aus dem Mittelalter123 . Der Hügel wurde 2001 im Rahmen einer Geländebegehung (Mianab Survey) erkannt und dokumentiert. Eine Untersuchung der Oberflächenkeramik ergab eine Besiedlungsdauer von Alt-elamisch, Mittel-elamisch, achämenidisch, arsakidisch, Früh-islamisch sowie Mittel-islamisch124 . Dies deutet auf eine beständige Besiedlung vom 3.Jt.v.u.Z. bis hin zum 15.Jh.n.u.Z. hin125 . Es wird vermutet, dass Band-e Ghir auf einer der zwei bekannten Haupthandelsrouten zwischen Mesopotamien und Zentral Susiana im 3.Jt.v.u.Z. bestand126 . Die Bohrungen lassen im Umkreis von etwa 100 m in der Umgebung des Hügels Kulturschutt-Horizonte finden, die sich auf Basis der Keramik in das 1.Jt.v.u.Z. datieren lassen. Sie sind in etwa 24 ü.M., ungefähr zwei Meter unter der heutigen Oberfläche zu finden. Dies kann auf eine weit größere Siedlung in jener Zeit hindeuten. Alternativ könnte sekundärer Kulturschutt der Grund für diesen Befund sein127 . Die unmittelbare Umgebung von Band-e Ghir verfügt über sehr trockene und kompakte Böden, denen es an Humus und fluvialen Spuren mangelt. Ab etwa 2 km SW der Siedlung ändert sich die Beschaffenheit der Böden. Es finden sich 120 Für

alternative Erklärungen siehe Alizadeh u. a. 2004, 80

121 122 Maghaddam

– Miri 2003: Site Number 123 dazu Bosworth 1987, 768; Le Strange 1873, 237; Layard 1846, 52 124 Table 1: Maghaddam – Miri 2003, 135 125 Weder aus der neu-elamischen Zeit noch aus der sassanidischen Periode wurden Oberflächenfunde dokumentiert 126 Carter 1971, 253 127 Siehe Anhang für die Beweislage 123 Siehe

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2

Datengrundlage

mächtige fluviale Sedimentpakete aus buntem Sand und Torf mit gelegentlichen Toneinschlüssen, die eine permanente Wasserführung bezeugen. An der Stelle des heutigen Altarms des Gargar kommen wiederholt fluviale Sandschichten mit nicht parallellaufenden Schichtgrenzen auf, die einer turbulenten Wasserführung entsprechen. Der Hügel liegt an einer geoarchäologisch spannenden Lage, an der Stelle des heutigen Zusammenflusses, Dez, Shoteit, und Gargar und damit an dem Oberlauf des daraus entstandenen Flusses, Karun-e Bozorg. Es ist wahrscheinlich, dass Band-e Ghir an einem aktiven Flussbett lag. Zwei Siedlungen in der Nähe128 zeigen Oberflächenkeramik aus der Susa III Zeit. Sie liegen beide an einem früheren Karun Flussbett. Dieses liegt am Oberlauf etwa 5 km östlich des heutigen Laufes129 . So kann ein früheres östlich gelegenes Bett für diesen Fluss datiert werden. Diese Tatsache passt mit der allgemeinen Annahme der allmählichen Flussmigration in westliche Richtung zusammen. Dieses Gebiet war laut archäologischem Befund in der Spät-Susiana Zeit von kleinen einphasigen Siedlungen in einer abhängigen Beziehung zu Wasserquellen geprägt, die sich allmählich bis zum Ende dieser Phase vergrößerten. Danach werden wohl viele dieser Siedlungen unmittelbar entlang des heutigen Karun Flusslaufes aufgegeben130 , während die östlichen Siedlungen weiter bestehen bleiben131 . Vermutlich steht Band-e Ghir als eine dieser verbliebenen Siedlungen in direktem Zusammenhang mit dem unteren Lauf des Karun, an der Mündung von Dez. Die Mündung des Dez in den Karun am Standort Band-e Ghir ist laut historischen Quellen in das 14.Jh.n.u.Z. zu datieren. Ab der arsakidischen Zeit bis zu diesem Datum floss Karun durch Shadarwan132 Kanal direkt nach Ahvaz133 . In diesem Sinne kann davon ausgegangen werden, dass Band-e Ghir in einem hydraulischen System integriert war, das ständigen anthropogenen Eingriffen unterlag. Im Laufe des 5. bis 2.Jt.v.u.Z. wurden mindestens drei Wasserläufe diesem System hinzugefügt, die die Sedimentation und die Flusslandschaft dementsprechend drastisch veränderten.

128 KS-1580

etwa 16 km südlich von Shushtar und KS-1558 etwa 10 km NW des Band-e Ghir 129 Siehe „Old Karun“ in Moghaddam 2012a, 47–48 130 Map. 4.1 u. 4.2 in Moghaddam 2012, 46–47 131 Moghaddam 2012, 69 132 Masruqan 133 Verkinderen 2015, 135

2.2 Fallbeispiele

55

Mindestens seit dem 1.Jt.v. führen drei Gewässer dieser Region in Band-e Ghir zusammen. Dies geschah wohl durch eine Umleitung und einen exzessiven Kanalausbau. Eine starke Zunahme der Siedlungsanzahl am westlichen Ufer des heutigen Gargar in der achämenidisch und arsakidischen Zeit134 deutet auf ein großangelegtes Fließgewässernetzwerkes hin. Vor diesem Ereignis führten Karun und Dez etwa 8 km weiter südwestlich von Band-e Ghir. Dennoch ist die Zusammenführung von Gargar in Karun (oder heutigem Shoteit) viel älter. Diese Annahme wird durch das hohe Siniousity-Index dieses Gewässers sowie die geomorphologischen Gegebenheiten der östlichen Karun Flusslandschaft verstärkt. Aufgrund der oben geschilderten Beweislage wird hier angenommen, dass Gargar in seiner früheren Form ein älteres Flussbett des Karun war, das immer noch bestand und das Wasser aus den östlichen Zagros-Hanggebieten aufsammelte, die in Form von periodischen Gewässer und an verschiedenen Stellen entlang des Gargar auftraten. Einige davon sind immer noch vorhanden und viele sind heute trockene, aber sehr große Flussbetten135 . Band-e Ghir war wohl in seiner Wasserversorgung von Alt-Gargar abhängig. Heute fließt Gargar in einem sehr tiefgegrabenen Bett mit hohen Terrassen, die auf 26 m ü.M. und damit etwa 5 m ü.M. hoher als der heutige Band-e Ghir Siedlung liegen. Angenommen, die Siedlung wurde mit einem heute noch erkennbaren Fließgewässer aus Gargar versorgt, könnte die temporäre Siedlungsaufgabe in der sassanidischen Zeit136 mit einem Ereignis der Eintiefung des Bettes zusammenhängen. In dem Raum zwischen Shoteit und Gargar wurde ein drastischer Anstieg der Siedlungsanzahl in der elamischen Phase festgestellt137 . Dies kann als ein Hinweis auf eine erfolgreiche Manipulation der Hydraulik im 3.Jt.v.u.Z. gedeutet werden. Eine Wiederbelebung des östlichen Karun Flussarmes (also den heutigen Gargar) könnte die Mianab Ebene bewohnbar gemacht haben. Zusammenfassend lassen sich mehrere hydraulische Ereignisse erkennen, die den für den heutigen Gargar Lauf gestalteten. Die Wasserregulierung am Oberlauf des Alt-Karun durch das historische hydraulische System in Shushtar war eine bewusste Manipulation und somit ein anthropogener Eingriff in die Karun Flusslandschaft. Jedoch geschahen aufgrund solcher Manipulationen auch Flussmigrationen, wie die die Umlagerung der Zusammenführung der drei Gewässer 134 Moghaddam

– Miri 2003, 105 Darreh-Naft, Dar Khazineh und Samirat 136 Maghaddam – Miri 2003, 135 137 Moghaddam – Miri 2003, 101–102 135 Siehe

56

2

Datengrundlage

zu Band-e Ghir. Dieses Ereignis konnte ein terminus post quem für die anderen Ereignisse liefern. Daher wurden die entsprechen Sedimente durch die OSL-Methode datiert. Dieses Ereignis lässt sich in das 10.Jh.n. datieren138 . Dieses eindeutige Ergebnis platziert die letzte Wasserführung dieses Flussbettes in dem Mittelalter. Das 10.Jh.n.u.Z. war eine Blütezeit der Region, währenddessen viele Wasserregulierungssysteme im Südwesten Irans errichtet wurden. Laut Quellen der historischen Geografie wurde um diese Zeit unter anderem ein Wasserkanal von Ahvaz Richtung des Persischen Golfs ausgebaut, welcher Karun und Arvand für die Schifffahrt verbinden konnte139 . Kann dieser Kanal Teil der Umlagerung der Flussmündung von Dez und Karun gewesen sein? Satellitenbilder zeigen mindestens drei frühere Stellen, an denen Dez und Karun zusammenführten. Da die Existenz des sogenannten Masruqan Kanals mindestens seit dem 1.Jt.n.u.Z. belegt wurde, muss die Zusammenführung von Shoteit und Gargar an der Stelle nahe Band-e Ghir mindestens 1.000 Jahre alt sein. Die Datierung der jüngsten Schichte des fluvialen Sediments bei der Bohrung BG3 zeigt dasselbe Alter. Dies deute darauf hin, dass der Dez vor dieser Zeit etwa 10 km SW der heutigen Stelle in den Karun floss. Irgendein hydraulisches Ereignis hat um diese Zeit eine Umlagerung der Flussmündung nach Band-e Ghir verursacht. Damit wird das Landschaftsbild um die BG Siedlung ein anderes gewesen sein, da diese bereits vor dieser Umlagerung bestand. Insgesamt kann hier von einem hydraulischen System ausgegangen werden, welches sich wiederholt infolge hinzugefügter Gewässer neu orientieren musste. Die Bohrungen können dementsprechend kaum unterschiedlicher sein. Denn sie erfassen die Hydraulik dieses Systems an verschiedenen Zeitpunkten seiner Geschichte. Die Natur des Gargar als Fließgewässer bleibt umstritten. Ist Gargar ein sassanidischer Kanal, welcher infolge eines Zusammenbruchs der historischen Wasserregulierungssysteme in Shushtar seine Funktion verändert und die Eigenschaften eines Flusses eingenommen hat? Ist er ein Nebenarm von Karun, dessen Wassermenge durch das historische hydraulische System in Shushtar seit der Antike reguliert wird? Oder war er ein alter fossiler Arm des Karun, der in einer der früheren Phase, vielleicht im 2.Jt., durch Umleitungen wiederbelebt und dem hydraulischen Netzwerk des Karun angeschlossen wurde? Viele haben sich mit

138 Siehe

Bohrungen BG1 bis 3 und OSL Ergebnisse im Anhang 1984, 192

139 Barthold

2.2 Fallbeispiele

57

einer Antwort zu dieser Frage versucht140 . Dennoch bleiben bei den jeweiligen Erklärungen viele Lücken offen. Hier wird vorgeschlagen, dass die Antwort in einer Kombination dieser Szenarien liegt. Gargar ist weder ein Kanal noch ein Nebenarm. Er ist beides. Die Auswertung der geoarchäologischen Daten stützt diese Annahme. Der heutige Gargar Fluss entspricht an einigen Stellen seines heutigen Laufs dem antiken Shadarwan Kanal. Besonders an seinem sehr geraden Unterlauf. An anderen Stellen ist dieser Kanal von der Oberfläche verswunden und zu sedimentiert. Beim Betrachten älterer Satellitenbilder kann der Lauf dieses Kanals zwischen den beiden Gewässern Shoteit und Gargar in einer geraden Linie von dunklen Sandschichten wiedererkannt werden.

2.2.2

Die Dez Flusslandschaft

Der Dez141 Fluss erhielt seinen aktuellen Namen von der Stadt Dezful142 . Das Wort „Dez“ bedeutet „Burg“ und der Name der Stadt heißt die Burgbrücke. Höchstwahrscheinlich ist damit die sassanidische Brücke aus Backstein und Mörtel gemeint143 , die immer noch die zwei Seiten der Stadt um den Dez Fluss verbindet. Der Dez Fluss wurde im 19.Jh. noch „Dizful river“ genannt144 . Er bildet sich durch das Zusammenkommen zwei weit auseinander entfernten Quellflüssen des Zagros145 . Der Dez fließt zwischen Karkheh und Karun, parallel zu Karkheh, bis er an Band-e Ghir seinen Lauf ändert und in Karun mündet. Daher wird er manchmal fälschlicherweise als einen Nebenfluss von Karun bezeichnet146 . Dies ist aber ein geologisch rezenter Fall. Der Dez ist in seiner Sedimentation mit Karkheh verwandt. Aus geologischer Sicht scheint der Dez heute in einem Flussbett zu fließen, welches als das allerältesten Karkheh Flussbett interpretiert werden kann147 . Dies bedeutet, dass die graduale Flussmigration in die westliche Richtung eine längere Zeit umfasst als bisher angenommen. 140 Rawlinson

1839, 60; Kirkby 1969, 78; Alizadeh u. a. 2004, 101; Verkinderen 2015, 135 141 Alternative Schreibformen: Diz, Ab-e Dez, Rud-e Dizful 142 Gaube 1982, 43 143 Eine frühere Beschreibung dieser Brücke findet sich bei Barthold 1984, 186–187 144 Layard 1846, 49 145 Rahimi-Laridjani 1988, 237 146 Billerbeck 1893, 9; Woodbridge 2013, 3 147 Veenenbos 1958, 33

58

2

Datengrundlage

In den geographischen Schriften der Ilkhanid-Zeit (16.Jh.) wird der Dez Fluss so beschreiben: „Ab-e Dezful ist ein großer Fluss, welcher in den Bergen von Lor-e Bozorg entspringt, an Dezful und Gondishapur vorbeifließt, bei Masruqan mit dem Ab-e Tostar zusammenfließt und südlich von Dezful bei Band-i Ghir in den Shatt al-Arab (Arvand) mündet“148 . Bereits in der Antike war dieser Fluss für die Bewässerung sehr beliebt. Die sassanidische Universitätsstadt Gondi-Shapur (Jundishaupur) wurde mit Wasserkanälen aus Dez versorgt149 . Seit den 1960er Jahren liegt die Flusslandschaft um den Dez unter einer intensiven Bewässerungs-landwirtschaft, bekannt als „Dez irrigation project“150 . Der Dez Fluss hat zurzeit folgende Nebenflüsse: Siah Mansour, Loreh, Shur und Kohnak. Der Loreh Fluss hat einen mäandrierten Charakter und als ein älteres Flussbett von Dez anzunehmen. Shur und Kohnak bilden das Gelal Fließnetzwerk, das einen Mehrbettcharakter hat. An 22 Stellen151 wurden im Zusammenhang mit der Dez Flusslandschaft Bohrungen durchgeführt. Der große terrassenförmige Dehno Hügel (KS-123) liegt im Norden des Großraum Susiana etwa 2 km östlich des heutigen Dez, wenige hundert Meter von einem heute aktiven Mäander des Loreh Nebenflusses. Dehno liegt etwa 8 km NO von Chogha Zanbil, auf der Gegenuferseite des Dez Flusses, und etwa 32 km SW von Susa sowie etwa 20 km östlich des Haft Tappeh und Abu Fanduweh. Der heutige Dehno Hügel beträgt eine Fläche um etwa 300 m × 180 m und erhebt sich etwa 20 m von der aktuellen Umgebung. Eine Entwässerungsrinne namens Ab-e Sur152 fließt nördlich des Hügels und mündet etwa 300 m südlich des Hügels in den Loreh. Ständige Abschwemmungsrinnenbildung durch Wassererosion, Einebnen des Hanges zum Zweck der Landwirtschaft, Müllanhäufung und Raubgrabung durch alljährliche Nomadenkamps stört den Befund stark. Die Existenz eines monumentalen Bauwerkes nach mittel-elamischer Tradition – ähnlich wie in Chogha Zanbil153 – wurde durch Oberflächenbefunde sowie 148 Kawulsky

1978, 346–356 1975, 81; Christensen 1993, 111–112 150 Veenenbos 1958 151 Bohrungen: BG3, CM1, CM2, CM3, CM4, CM5, CM6, CM7, CM8, DN1, DN2, DN3, DN4, DN5, DN6, SA1, SA2, SA3, SA4, SA5, SA6, SA7 152 nicht zu verwechseln mit einem Nebenfluss des Dez Flusses namens Shur weiter nördlich 153 Chogha Zanbil wurde in der mittel-elamischen Zeit gegründet. Die Monumentalbauten der Dur-Untash einschließlich des Ziggurats datieren in das Jahr 1250 v. vom König Untash-Gal, nach der allgemeinen Chronologie in der mittel-elamischen Zeit (1500 bis 1000 v.). Die Stadt wurde in ihrer sechs hundertjährigen Lebensdauer nie fertig gebaut. 149 Wenke

2.2 Fallbeispiele

59

Grabung bestätigt. Der Tempel kann dem elamischen Gott Manzat zugeschrieben werden154 . Die Grabungen bestätigten eine sehr lange Siedlungsdauer in Dehno von 4.Jt.v. bis in die 19.Jh. mit einigen Lücken. In Dehno ist von einer Großsiedlung in der mittel-elamischer Zeit, sowie ein bedeutendes Zentrum in arsakidischer sowie sassanidischer Zeit auszugehen155 . Der heutige Hügel bedeckt nur die elamische Altstadt mit den monumentalen Bauten, während die untere Stadt (nordwestlich des Hügels) mit den Wohngegenden und Werkstätten wahrscheinlich infolge intensiver Bodenabbau seit dem späten Mittelalter verloren gegangen ist156 . Dehno liegt sehr nah am Loreh Fluss. Der Loreh scheint ein älteres Flussbett von Dez zu sein157 , welches sich im Laufe der vermutlichen Flussmigration zu einem eigenständigen Gewässer entwickelte, sodass er heute als ein aktiver Nebenfluss des Dez gilt. Aber Loreh liegt etwa 15 m unterhalt von der bisher ältesten bekannten Siedlungsschicht von Dehno im 4.Jt.158 Da das Flusstal ein hohes geologisches Alter hat, kann die Wasserversorgung von Dehno durch Loreh ausgeschlossen werden. Aus den Satellitenbildern der 60er Jahren sind mindestens zwei rezente Mäander zu Loreh bekannt. Zudem kann ein Nahrsystem festgestellt werden, welches sich von Dez in Richtung Dehno wendet und in Loreh fließt. Einige Teile dieses alten Systems können heute noch auf dem Gelände im Bereich NW von Dehno wiedererkannt werden. Die Existenz eines Gewässers, das Dez und Loreh verbindet wurde bereits von Adams vermutet, da er vier Siedlungen entlang dieses heute verschwundenes Nahrs begehen konnte, die in die Mitte des 4.Jh.v. datiert werden konnten159 . Angenommen dieses Nahrsystem hat das Siedlungsmuster zwischen Dez und Loreh im 4.Jt.v.u.Z. geprägt, können die Beobachtungen von Wenke als ein Indiz für das Verschwinden dieses Gewässers gelten. Er konnte viele kleineren sassanidischen Siedlungen unmittelbar südlich des Dehno, direkt am östlichen Ufer

Der Bau von neuen Teilen und Tempeln in diesem Komplex dauerte bis zur neu-elamischen Zeit, und wurde um etwa 1000 v. allmählich aufgegeben. Nach neuesten Erkenntnissen war die Stadt während des Ashurbanipals Siegeszuges im Jahr 640 v. nicht mehr bewohnt. 154 Mofidi-Nasrabadi 2013, 92–93 155 Mofidi-Nasrabadi – Mirzayee 2013, 90; Mofidi-Nasrabadi 2010, 270 156 Siehe Rashidian 2018 für ausführliche Erläuterung 157 Veenenbos 1958, 33 158 Mofidi-Nasrabadi 2013, 91 159 fig. 3: Adams 1962, 113

60

2

Datengrundlage

des Dez feststellen, aber keine Siedlungen entlang des vermutlichen Nahrs160 . Aus dem von Wenke beobachteten Siedlungsmuster wird deutlich, dass dieses Nahrsystem in der sassanidischen Zeit nicht mehr existierte. Nach einer Interpretation der Oberflächenfunde, schrumpfte Dehno auch um diese Zeit von einer arsakidischen Kleinstadt zu einem großen Dorf. Hier wird angenommen, dass dieses Gewässer Dehno und die anderen Siedlungen zwischen Dez und Loreh mit Wasser versorgte. Eine starke Sedimentation musste das bestehende Gewässersystem ab dem 2.Jt.v.u.Z. beschädigt haben, sodass es nicht mehr genug oder beständig Wasser führte. Eine Mäandermigration des Loreh war die Folge, die die Verbindung von Dez und Loreh etwa 2 km nach Norden verlagerte. Das von Dez Richtung Dehno fließende Wasser konnte nicht mehr in einem Bett fließen und führte dadurch zu einer schlechten Entwässerung der Böden in diesem Bereich. Infolgedessen entstand das Phänomen des stark versalzten Bodens von Dehno. Der geringe Salzgehalt (gemessen anhand der elektrischen Leitfähigkeit) der unteren Bodenschichten im Vergleich zu den unüblich hohen Werten im oberen Bodenhorizont ist ein Beweis für diese Vermutung161 . Zusammengefasst weisen die Bohrungen162 auf ältere Mäander des Loreh Fließgewässers hin. Darin sind mindestens zwei Hochwasserereignisse erkennbar, die teilweise große Mengen an Geröll mitgebracht haben. Es sind zwei verschiedene fluviale Sedimente festzustellen: das grobe sandhaltige Sediment von einer turbulenten Wasserführung, und das Feintonsediment mit bester Sortierung und fast keine organischen Anteile als Indiz für ein langsames und stetiges Gewässer. Die elektrische Leitfähigkeit (ein Indiz für den Salzgehalt) der Böden sinkt mit zunehmender Tiefe im gesamten Bereich und zeigt, dass die Versalzung ein jüngeres Phänomen in dieser Gegend ist. Es kann auf die schlechte Entwässerung der Dehno Gegend seit dem Zusammenbruch von den älteren Dez Nebenarmen in der Spätantike zurückzuführen sein163 . In anderen Bohrungen164 sind zwei verschiedene Mäander oder Altflussarme des Dez erkennbar, die ein ähnliches Muster wie die obigen aufweisen, grob und fein. Zudem wird vermutet, dass das im DN4 erfassten Sediment dem typischen Boden dieser Gegend entspricht.

160 Plate

I: Wenke 1975 Anhang 5.1. für die Beschreibung der Bohrungen 162 DN1 und DN2 163 Siehe Rashidian 2018 für eine Diskussion in diesem Punkt 164 DN3 und DN4 161 Siehe

2.2 Fallbeispiele

61

Eine Besonderheit dieser Gegend ist die hohe Zahl der Keramikfragmente in den verschiedenen Teufen, die auf sekundäre Auffüllung von Nahrs und Bächen mit Kulturschutt aus den kleineren Hügeln in der unmittelbaren Umgebung hinweisen. Ein Vergleich der heutigen Satellitenaufnahmen mit Karten aus Wenkes Arbeit 1965 und Dez irrigation project von 1960er Jahren zeigt das Ausmaß dieses Phänomens. Die Bohrungen lassen Spuren eines heute verschwundenen Nahrs erkennen, die von Adams und Wenke noch berichtet wurde. Der durch die Bohrung wiedererkannte Nahr scheint etwa 7 km NW des DN vom Dez abzustammen an einer Stelle, an der heute der Odjirub in dem Dez mündet. Das Gefälle an dieser Entfernung beträgt etwa 2° und entspricht damit einem natürlichen Relief der Flusslandschaft. Daher kann dieses Gewässer einem früheren Bett des Odjirub Flusses in seinem Unterlauf entsprechen, welcher ursprünglich nicht an der heutigen Stelle (im Dorf Seyed-Ali), sondern unterhalb des DN Hügels den Dez erreichte. Da zwei weitere bekannte Siedlungen entlang dieses Gewässers entstanden, also Chogha Dosar etwa 11 km und Chogha Pahn etwa 14 km NW des DN, kann die Existenz dieses heute verschwundenen Gewässers in der Besiedlungszeit des Dehno indirekt bestätigt werden. Ferner konnte nachgewiesen werden165 , dass Loreh früher an einer Stelle etwa 2 km nördlich des heutigen Punkts in Dez mündete. Es kann also von einer Zusammenführung dreier Fließgewässer unmittelbar südlich des DN Hügels in der früheren Landschaft ausgegangen werden. Angenommen, der Manzat-Tempel lag samt anderen Großbauten und Verwaltungsstrukturen im Kern der Stadt – also am heutigen DN Hügel – und in Hinsicht auf die Lage des Loreh direkt am SO des Hügels, müssen die restlichen Räumlichkeiten der Stadt um diesen Punkt gelegen haben. Nach dem aktuellen Stand der Forschung sind keine Reste einer Siedlung aus der anderen Uferseite des Loreh bekannt. Dies liegt eine Erweiterung der Stadt in NW des Hügels nahe. Das entspricht der direkten Umgebung des hier vermuteten Gewässers, in einem Areal, das die zwei noch bestehenden Satellitenhügel des DN (a und b) miteinschließt. In diesem Raum wird hier die untere Siedlung vermutet, während die obere Siedlung den Kern und die Monumentalbauten beinhaltet166 . Einige Siedlungen in unmittelbarer Nähe des Dehno bezeugen eine dichte Besiedlung der Dez Uferseiten vom 4.Jt.v.u.Z. bis hin zur sassanidischen Zeit. Die meisten elamischen Schichten sind unterhalb mächtiger Flusssedimenten zu

165 Siehe

Anhang für DN1 Hypothese wurde in einem separaten Beitrag ausführlich dargelegt, Siehe Rashidian 2018

166 Diese

62

2

Datengrundlage

finden, wie das Beispiel von Horriyeh zeigt167 . Außerdem werden seit dem 1.Jt.v.u.Z. viele Überreste der Siedlungen vom 5. bis zum 2.Jt.v.u.Z. durch regelmäßige Überschwemmungen von Dez ab- und mitgetragen worden sein. Die westliche Uferseite des Dez ist in seinem Mittellauf sehr dynamisch168 . Daher konnte eine kulturell geprägte Siedlung wie Dehno nur in der östlichen Uferseite entstehen. Im Oberlauf des Dez Flusses ist die Situation anders. Sharafabad (KS-36)169 liegt etwa 1,5 km östlich des heutigen Dez, etwa 12 km SW von Dezful, und 15 km NO von Susa. Der in der Gartenlandschaft gut integrierte Hügel hat einen Umfang von mehr als 2 ha und erhebt sich etwa 11 m von der Umgebung. Die Oberfläche ist mit mehrjähriger Flora bedeckt und so von Wind- und Wassererosion geschützt170 . In unmittelbarer Nähe des Hügels befindet sich ein alter Kanal, der von Dez abstammt. Sharafabad wurde bereits als ein Dorf im 4.Jt.v. im nördlichen Susiana diskutiert171 und ausgegraben172 . Demnach war Sharafabad mindestens von mittel-Susiana bis proto-elamischer Zeit besiedelt. Danach folgt ein Intervall in der Besiedlung, welches sich durch eine 4 m mächtige natürliche Sedimentation kennzeichnet. In der elamischen Zeit wird der Hügel wiederbesiedelt173 . Zusammenfassend sind mindestens zwei getrennte Siedlungsphasen erkennbar: Phase 1, ununterbrochen von ca. 6000–2800 v.; Phase 2, eine kurze Blütenphase von ca. 1900–1300 v. Am stärksten vertreten waren die Perioden der spät-mittel-Susiana (etwa 4200 v.) sowie Uruk und alt-elamisch. Der Sharafabad Hügel ist vergleichsweise hoch. Aufgrund der Höhe der verschiedenen datierbaren Bauphasen sowie durchgeführten Bohrungen in der Umgebung wurde vermutet, dass die Siedlung zur Zeit der spät-Susiana Zeit bereits 9 m höher als die damalige Umgebung lag. Demnach wurde seit der UrukZeit etwa 4 m Sediment in der unmittelbaren Umgebung des Hügels akkumuliert, 167 Mofidi-Nasrabadi

2010, 272 an DN3 und DN4 haben die Annahme bestätigt, dass Dez sein Flussbett in den letzten Jahrtausenden öfters wechselte, siehe Anhang 169 Wright u. a. 1981 170 Am nördlichen Hang befindet sich ein privater Gemüsegarten mit Tomaten und Auberginen. Während der Geländebegehung stellte eine Bienenzüchter-Nomadengruppe aus dem Nordwesten Irans (Urmiyeh) Lager auf. Laut eigenen Angaben besuchen sie diesen Ort seit mehreren Jahrzenten jährlich vier Monate lang (Frühling bis Sommer) für die Bienenzucht. 171 Wright – Johnson 1975; Hole 1962a, 578 172 1971 wurde Sharafabad von der Universität Michigan unter der Leitung von H. T. Wright III ausgegraben; Siehe Schacht – Wright 2010; Wright – Bayani 1979 173 Schacht – Wright 2010 168 Bohrungen

2.2 Fallbeispiele

63

sodass die urukzeitliche Siedlung etwa 15 m höher als die damalige Umgebung lag174 . Die elamische Siedlung wird auf dem höchsten Punkt des Hügels in einem etwa 20 × 70 m gestreckten NS-OW Areal vermutet. Sharafabad war wohl ein Hauptlieferant der Nahrung für Susa und wurde von einem Landesherrn mit direkter Beziehung zu Susa aber mit gewisser Autonomie regiert175 . Der Fund verschiedener Siegel aus Sharafabad, die auch in Chogha Mish und Susa sowie in anderen urukzeitlichen Siedlungen vorgefunden wurden176 , lässt ein vielseitiges System der Handelsbeziehungen zwischen diesen Siedlungen vermuten177 . Architektonische Überreste auf dem Hügel deuten auf eine beständige Überbauung mit derselben Methodik hin: Erst wurde die Stelle zu einer Terrasse nivelliert, danach wurden Lehmmauern errichtet. Diese Hypothese wurde durch Befunde der früheren Bauphasen an der westlichen Seite unterstützt. Das heißt, vor dem Beginn jeder Bauphase fand eine Nivellierung statt. Das führt dazu, dass sich jede neue Bauphase über der vorherigen sowie auch westlich – d. h. näher an der Hügelspitze – errichtet. Unter dem Gemisch am verwendeten Baumaterial für das Fundament findet sich auch Geröll in reichlicher Menge. Hier wird vermutet, dass die unmittelbare Umgebung dieser Siedlung von starken Überschwemmungen des Dez betroffen war. Daher wurde die Siedlung in einer höheren Lage errichtet und das durch Überschwemmung vorhandene Geröll wurde als Baumaterial verwendet. Die optimale Lage der Siedlung in Bezug auf den fruchtbaren Schwemmkegel des Dez in diesem Gebiet sorgte damals wie heute für landwirtschaftliche Blüte. Die vier Bauphasen der Wiederbesiedlung von Sharafabad wurden durch C14 zwischen 1700 und 1400 v. datiert. Dabei sind wesentliche Veränderungen zwischen den zwei früheren Phasen (I und II) und den darauffolgenden Phasen (III und IV) in materieller Kultur vorzufinden. Anfangs der dritten Phase kommen Rollsiegel, Tontafeln, Metallobjekte, weibliche Plastikfiguren zum Vorschein. Außerdem nimmt in Phase IV die Anzahl der eleganten Keramik im Vergleich zu den vorhandenen alltäglichen Typen zu. Dies wird als Bevölkerungszuwachs und eine kulturelle Expansion der alt-elamischen Sukkalmakh Periode interpretiert, die von ihm als eine regionale Transformation verstanden wird178 . 174 Siehe

fig. 1: Schacht 1975 und Schacht – Wright 2010 für eine ausführliche Beweislage erkennbar durch individuell gestaltete Siegel; Siehe Wright 2013, 65–66 176 Für eine ausführliche Diskussion dieser Tatsache siehe Pittman 2013, 312 177 Ähnliche Wechselbeziehungen mit Farrokhabad, Jafarabad, Haft Tappeh werden angenommen; Siehe Pittman 2013 178 Schacht 1975, 307–329 175 Besonders

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2

Datengrundlage

Die Bohrungen in der umliegenden Landschaft von Sharafabad zeigen eine typische fluviale Sedimentfolge des Dez Flusses, eine turbulente Wasserführung in mehreren Betten gleichzeitig, mit regelmäßigen Hochwasserereignissen mit Geröll. Direkt nahe Sharafabad wurde ein älteres heute verschwundenes Dez Bett erkannt, welches in N-S-Richtung floss. Das westliche Ufer des Dez war laut Bohrungen von ständigen Hochwasserereignissen und Geröllbetten geprägt. Hingegen wurden im östlichen Ufer feine fluvialen Pakete zusedimentiert, die die Flussaue zu einem Buschwald machten und den Boden stabilisierten. Überraschenderweise wurde bei SA5 ein Altarm des Dez in der 5. Meter Tiefe gefunden, die dem bekannten Dez Sedimentpaket von SA2 und die dem DN3 und DN4 entsprechen konnte. Es scheint, dass dieses Altarm am Ende wenig Wasserführte (zunehmend feine Sedimente) und danach absichtlich mit Lehm gefüllt wurde. Insgesamt kann entweder von zwei zusammenhängenden Nahrsystemen ausgegangen werden, die sich an dem Hauptfluss von Dez angliederten; oder von einem Nahrsystem, welches das bestandene Bachnetzwerk von Dez in diesem Abschnitt erweiterte und ein Hybrid aus natürlichen und künstlichen Gewässern entstanden ließ. Zwei besondere Aspekte sind bei Sharafabad zu klären: erstens, die mächtige Sedimentation, die zu einem Intervall und einer Siedlungsaufgabe geführt haben muss179 ; zweitens, die vergleichsweise unbeachtliche Größe der Siedlung (etwa 2 ha) im Gegensatz zu der vielfältigen und qualitätsvollen materiellen Kultur, die die Integration dieser Siedlung in dem überregionalen Handel bestätigt180 . Es ist zu vermuten, dass diese zwei Aspekte zusammenhängen. Es ist anzunehmen, dass Sharafabad für die Wasserversorgung auf den Dez Fluss angewiesen war. Dabei ist der Oberlauf des Dez an dieser Stelle sehr dynamisch, sodass die Flussaue beidseitig von starken und regelmäßigen Überschwemmungen mit verehrenden Folgen betroffen. Historische Beweise für diese Verhaltensweise sind bereits überliefert181 . Trotz seiner langen und beständigen Besiedlung wurde Sharafabad nie größer als zwei ha. Dies ist eine bescheidene Größe im Vergleich zu der überregionalen Rolle dieser Siedlung sowie direkte Beziehung zu Susa und Chogha Mish. Nun stellt sich die Frage nach den möglichen Ursachen dieses Phänomens. Hierzu 179 In

Sharafabad soll von mindestens zwei Ereignissen der Siedlungsaufgabe auszugehen: erstens, die getrennte Sedimentation um etwa 2.800 v.u.Z.; zweitens, durch die Abwesenheit jüngerer Kulturschichten ab etwa 1.300 v.u.Z. 180 Schacht – Wright 2010; Wright – Bayani 1979, 12 181 Layard 1846, 49

2.2 Fallbeispiele

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muss darauf hingewiesen werden, dass der Siedlungsort zwar an einer unruhigen Stelle des Flussarmes liegt182 , aber über das optimale Gefälle für eine beständige Wasserversorgung bzw. Bewässerung verfügt183 . Zwei Bohrungen nahe Sharafabad zeigen zwei verschiedene Sedimentationen, eine beinhaltet Kulturschutt aus der Siedlung und die andere zeigt eine turbulente fluviale Umgebung mit eindeutigen Hinweisen auf regelmäßigen Überschwemmungsereignissen184 . Bei dem Vergleich der Tiefen von erfassten Sedimentationen in diesen beiden Bohrungen kann ein Gefälle von etwa 3° von der Siedlung in der westlichen Richtung angenommen werden. Die Umgebung von Sharafabad war bis zu Mitte des 20 Jh. Von vielen kleineren Bächen oder Nebenflüssen von Dez geprägt. Diese sind heute infolge intensiver Landwirtschaft verschwunden. Ihre Spuren finden sich auf den Corona Aufnahmen der 1960er Jahren185 sowie in den Bohrungen zwischen der Siedlung und dem heutigen Dez-Flusslauf. Aufgrund der Mächtigkeit der erfassten fluvialen Sedimentpakete mit Sand und Geröllbett kann davon ausgegangen werden, dass diese Nebenflüsse mindestens in der Zeit der zweiten Besiedlung von Sharafabad aktiv waren. Aus der historischen Zeit sind keine Siedlungen in der direkten Umgebung von Sharafabad bekannt186 . Daher scheint dieser Nebenfluss zu jener Zeit bereits verschwunden sein. Im Rahmen der Industrialisierung der Gegend in 1960er Jahren wurde dieser Nahr als ein Kanal wiederbelebt187 . Hier wird aufgrund der aufgestellten Hypothese angenommen, dass diese Beschaffenheit der Flusslandschaft der ausschlaggebende Grund zur Siedlungsortswahl darstellt. Die Sedimentation dieser Landschaft lässt einen turbulenten Dez Fluss und zwei ruhige und beständige Nebenflussarme bezeugen. Diese Zusammensetzung sorgte für regelmäßige Überschwemmung und beständige Bewässerung. Daher war die Gegend bestens für Landwirtschaft – aber zugleich – nicht für großräumige Siedlungen geeignet. Aus diesem Grund wurde Sharafabad in der ständigen Interaktion mit seiner Landschaft zu einem bedeutenden Nahrungslieferanten mit überregionalen Beziehungen und bemühte sich absichtlich nicht um eine räumliche Weiterentwicklung der Siedlung. 182 Siehe

die fluvialen Sedimente, die in den Bohrungen um Sharafabad erfasst wurden und eine turbulente Wasserführung des Dez Flusses an dieser Stelle in dem gesamten Zeitraum des Holozäns bezeugen. Siehe Anhang 183 Durch ein Geländehöhenprofil wurde dieses Gefälle mittels ArcGIS Werkzeug Slope analysiert. 184 Siehe SA1 und SA2 im Anhang 185 Siehe SA2 186 Wenke 1975, Map 16, 17, 20,21, 22. 187 Siehe SA5

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2

Datengrundlage

Der Hügelkomplex von Chogha Mish (KS-1)188 liegt heute etwa 15 km östlich des aktuellen Dez Flusses und etwa 28 km östlich von Susa. Der etwa 600 × 400 m große Haupthügel liegt zwischen zwei parallelfließenden Nebenflüssen des Dez, etwa 3 km von Siah Mansour in Westen und etwa 2 km von Kohnak im Osten der Siedlung. Aufgrund der langen Ausgrabungen in Chogha Mish189 konnte eine ständige Besiedlung von 6.Jt. bis 1.Jt.v.u.Z. nachgewiesen werden. Bereits im 5.Jt.v.u.Z. war Chogha Mish ein Siedlungszentrum190 mit Straßen, Abwasserkanälen und privaten wie öffentlichen Bauten191 . Diese war in zwei großen Stadtbereichen aufgeteilt: die Oberstadt – also der heutige Großhügel192 und die Unterstadt – also die untere Terrasse des Hügels. Eine alt-elamische Festung aus Lehmziegeln wurde auf dem Hochhügel nachgewiesen, der sich etwa 50 m gegen die Umgebung erhebt. Die massiven architektonischen Reste der alt-elamischen Festung sind heute noch im nördlichen Bereich zu erkennen. Auf der Oberfläche sind überall Reste von Lehmziegel sowie helle und bemalte feine Keramik auffindbar. Die Gesamtgröße der Siedlung zu dieser Zeit wurde auf 18 bis 35 ha geschätzt193 . Die ersten Spuren einer großräumigen Besiedlung in Chogha Mish lassen sich in archaisch-Susiana 1 datieren. Dennoch ist eine frühere Besiedlungsphase aus formative-Susiana bis archaisch-Susiana 0 aufgrund von Keramik und Lehmziegelfunden sehr wahrscheinlich194 . In der archaisch-Susiana Phase war Chogha Mish ein Dorf von etwa 2 ha und Lehmziegelarchitektur. Bereits um diese Zeit können verschiedene Wirtschaftsformen wie Landwirtschaft, Viehzucht und Töpferei in getrennten Räumlichkeiten in der Siedlung festgestellt werden195 . Besonders hervorzuheben ist die Vielfalt der domestizierten Flora und Fauna in dieser Siedlung196 . In der Früh-Susiana Phase verdoppelte sich die Besiedlungsfläche in Chogha Mish und erreichte eine Größe von etwa 4 ha. Danach ist eine sprunghafte Entwicklung der Siedlung bis zu 17 ha in der mitte-Susiana Zeit zu erkennen.

188 189 Delougaz

u. a. 1996; Alizadeh 2008 1962, 113 191 Alizadeh 2008, 13 192 “High mound“ im Grabungsbericht 193 Alizadeh 2008, xxii, 26; Delougaz u. a. 1996, 27 194 Kantor 1992, 5; Alizadeh 2008, 4–6 195 Alizadeh 2008, 7; Kantor 1992, 7 196 Siehe A. Woosly, Kapitel 13, in: Delougaz u. a. 1996, 307–320 190 Adams

2.2 Fallbeispiele

67

Im 5. und 4.Jt.v.u.Z. ist Chogha Mish ein großes Handelszentrum und die bisher größte bekannte Siedlung ihrer Zeit im östlichen Teil des Großraum Susiana. Aus dieser Zeit wurden in der unteren Terrasse mehrere sogenannte Wohnhäuser mit Entwässerungsrohren und Öfen entlang gerader Straßen ausgegraben197 . Eine direkte Handelsroute wird zwischen Susa und Chogha Mish anhand der vielen kleineren Siedlungen an dieser angeblichen Route und deren Keramik ist denkbar198 . Vermutlich musste Chogha Mish in der mitte-Susiana Phase infolge einer gewaltsamen Aktion aufgegeben werden199 . Eine Brandschicht200 bedeckt die ganze Schicht der östlichen Siedlung in dieser Zeit. Eine Verschlechterung der Ernte aufgrund Bodenübernutzung in den darauffolgenden Jahrhunderten wurde auch vermutet201 . Andere Faktoren (vermutlich sinkende Bevölkerungs- und Siedlungsanzahl zwischen Chogha Mish und Susa) deuten ebenso auf kriegerische Auseinandersetzung – wohl mit den Nomaden aus dem Zagros – in der spät-Uruk hin202 . Dies könnte zu einem Zusammenbruch dieses vermutlichen Handelsnetzwerkes geführt haben. Dadurch haben Susa und Chogha Mish an Größe verloren203 . Grabungen aus Chogha Dosar lassen vermuten, dass diese Siedlung wohl in der kurzen Phase der erneuten Siedlungsaufgabe in Chogha Mish anfangs des 5.Jt.v.u.Z. die zentrale verwaltungsrolle im östlichen Teil des Großraum Susiana annahm, bis Chogha Mish wieder besiedelt wurde204 . Chogha Mish blieb wohl im 3.Jt.v.u.Z. erneut für mehrere Jahrhunderte unbewohnt. Im 2.Jt.v.u.Z. wurde eine alt-elamische Siedlung an dieser Stelle gegründet205 . Eine massiv erbaute Festung am Hochhügel datiert in diese Zeit. Diese Festung mit teils bis zu 1 m erhaltenen Mauern wurde wohl direkt auf den Resten der frühgeschichtlichen Schichten erbaut. An manchen Stellen waren die Mauerläufe eine direkte Verlängerung der frühgeschichtlichen Mauern von einer nicht bekannten früheren Baustruktur.

197 Alizadeh

2008, 9–13; Delougaz u. a. 1996, 23–31 1973, 112 199 Alizadeh 2008, 14 200 Kantor 1992, 6 201 Helbaek 1969; Vgl. Alizadeh 2003, 2 für eine alternative Erklärung 202 Alizadeh 2008, 14 203 Johnson 1973, 145 204 Alizadeh 2008, 15 205 Kantor 1992, 7 198 Johnson

68

2

Datengrundlage

Ebenso wurden bei den elamischen Mauern verschiedene Bauphasen erkannt. Anstelle einer heutigen Abschwemmungsrinnenerosion wird der Haupteingang der vieleckigen Festung in der SW-Seite des Baus vermutet. Die innerhalb der Festung vorgefundenen Versieglungen lassen sie zweifellos in die Sukkalmakh Periode aus der alt-elamischen Phase datieren. Die Ausgräber interpretieren raison d’etre dieser Festung als Wache und Kontrolle für die Handelsroute zwischen Zagros-Hochland und Susa-Tiefland206 . Es sind noch keine neu-elamische Siedlungsspuren aus Chogha Mish bekannt. Die untere Terrasse wurde in der achämendischen Zeit erneut besiedelt. Aufgrund der vielen Bestattungen sowie die vielfältige Keramik-Repertoire wird hier ein größeres achämendisches Dorf vermutet. Eine Besonderheit dieser Zeit ist der Fund eines runden Backsteinbaus mit einem Durchmesser von 7,5 m und etwa 8 m tief in dem Boden, der wohl als Getreidespeicher benutzt wurde207 . In den späteren Phasen sind keine Besiedlungsspuren aus Chogha Mish bekannt, sondern einige Indizien auf Keramik Produktion (Ofen, Schlacken usw.) auf dem Hügel in der arsakidischen wie sassanidischen Phase. Aufgrund der Grabungsergebnisse kann bei dieser Siedlung von einer hügeligen Landschaft ausgegangen werden. Dies konnte nachgewiesen werden, da die ältesten Kulturschichten innerhalb verschiedener Grabungsschnitten in sehr unterschiedlichen Tiefen erreicht wurden. Ebenso konnte festgestellt werden, dass der älteste bekannte Kulturhorizont in Chogha Mish etwa 5 Meter niedriger liegt als der vergleichbare Kulturhorizont im Chogha Bonut, der etwa 5 km westlich von Chogha Mish liegt208 . Dies beweist, dass die Landschaft um Chogha Mish im Laufe der Besiedlung einer hohen Sedimentation unterzogen war. In Bezug auf die Wasserversorgung dieser Siedlung ist ein besonderer Befund zu erwähnen, der von den Ausgräbern als einen Brunnen gedeutet wurde209 . Diese – oval oder viereckigen – Grube wurde in Verbindung mit dem frühgeschichtlichen Wohnbereich gefunden. Diese Struktur wurde im Zusammenhang mit den unzähligen Entwässerungskanälen in diesem Bereich als ein Wasserspeicher für Regen- und Oberflächenwasser interpretiert210 . Außerdem sind mehrere Keramik-Öfen im Zusammenhang mit Entwässerungskanälen aus späterer Zeit auf der Oberfläche vorgefunden.

206 Delougaz

u. a. 1996, 20–24 1992, 8 208 Kantor 1978, 11; Alizadeh 2008, xxiii 209 Befund S18: 404 im Bereich R18:411, Delougaz u. a. 1996, 88 210 Delougaz u. a. 1996, 89 und Bd. 2, Pl. 14.B und Pl. 260 207 Kantor

2.2 Fallbeispiele

69

Etwa 3,5 km östlich von Chogha Mish liegt der Chogha Pahn Hügelkomplex auf der anderen Flussuferseite. Auf mehreren Erhebungen wurde materielle Kultur aus spät-Susiana bis zu mittel-elamischer Phase vorgefunden211 . Chogha Pahn ist von dem Odjirub Fluss, einem Nebenfluss des Dez, in westliche und östliche Bereiche zweigeteilt. Der Westhügel beinhaltet unter anderem einen elamischen Tempel aus dem 1.Jt.v. zum Ehren des Inshushinak. Die auf der Oberfläche vorgefundenen Backsteine wiesen Inschriften auf, die diese Datierung ermöglichen. Der Ost-Hügel ist eine Großsiedlung von 3. bis 2.Jt.v., deren Größe auf 10 bis 20 ha geschätzt wird. Chogha Pahn musste zu dieser Zeit eine der wichtigsten Siedlungen im Zentrum des Großraum Susiana gewesen sein. Es sind enge Kontakte mit Susa, Chogha Zanbil und Haft Tappeh zu vermuten. Aufgrund mehrerer Texte aus neubabylonischen Quellen und Parallelen zu Haft Tappeh wurde die Hypothese aufgestellt, dass Chogha Pahn die mittel-elamische Stadt Pit-Hulmi sein könnte212 . Auf Basis der materiellen Kultur konnte keine Beziehung zwischen den beiden Siedlungen auf den beiden Flussufern erkannt werden. Dies konnte den Odjirub Fluss als ein echtes Hindernis darstellen, indem ein Fluss zur Grenze zwei Kulturzonen wird. In etwa dem gleichen Abstand SO von Chogha Mish liegt Tepe Jaliyeh, eine sassanidische und frühislamische Kleinsiedlung213 . Auf den älteren Satellitenbildern kann eine Anomalie in Form einer dunklen geraden Linie erkannt werden, die sich von der SO Seite des Chogha Mish Hügels direkt auf die NW Seite des Jaliyeh Hügels zu erstrecken scheint. Dies ist typisch für wasserführende Sandschichten214 . Auf diese Anomalie wurde bereits hingewiesen und als sassanidischer Kanal gedeutet215 . Eine Raster-Analyse216 des selbst erzeugten Geländehöhenprofils hat gezeigt, dass diese Anomalie zu einem noch älteren Gewässer, also einem früheren Flussbett des Kohnak gehören könnte. Der vermutliche Paläo-Kohnak scheint etwa 2,7 km NO von Chogha Mish in die SW Richtung zu mäandrieren und an SO Seite des heutigen Hügels in die SO Richtung des heutigen Kohnak Flussbettes weiterzulaufen, um dann erneut in die SW Seite zu mäandrieren. Dies scheint bei Chogha Dosar ein kleines Delta geformt zu haben, und demnach in ein anderes 211 Biggs

– Stolper 1983, 161 6, in Biggs – Stolper 1983, 161 213 Adams 1969, 21 214 Parcak 2009, 43 215 Pl. IV: Wenke, 1975 216 mittels ArcGIS Werkzeugen Hillshade and Slope 212 Fußnote

70

2

Datengrundlage

Fließgewässer gemündet zu haben217 . Wahrscheinlich ist dieses ältere Kohnak in ein älteres Siah Mansour gemündet. Nach dieser Annahme lag Chogha Mish zu seiner Gründung nicht zwischen zwei Dez Flussnetzwerken, sondern direkt an einem Nebenfluss des Dez, der wohl bald sein Bett Richtung Osten verlegte. Diese Veränderungen könnten direkt mit der Siedlungsgeschichte von Chogha Mish und dessen Siedlungsaufgabe verbunden sein. Die Siedlungsgeschichte von Chogha Mish lässt sich nicht leicht zusammenfassen. Es liegen Hinweise auf mehrere Perioden der Siedlungsaufgabe vor218 . In Chogha Mish wird von mindestens zwei Großsiedlungen ausgegangen, die sich jeweils im 5. und 4.Jt.v.u.Z. an dieser Stelle befanden. Nun stellt sich die frage, ob diese als zwei separate Siedlungen betrachtet werden müssen, oder als eine Siedlung mit einer großen Lücke in ihrer Siedlungsgeschichte. Die zweite Besiedlungsphase von Chogha Mish im 4.Jt.v. wird aufgrund materieller Kultur aus Uruk unter dem direkten Einfluss Mesopotamiens interpretiert219 . Dabei wird ignoriert, dass viele später in Mesopotamien vorgefundenen Funde ihren Stereotypen in der ersten Besiedlung von Chogha Mish von 6.– 5.Jt.v.u.Z. haben. Dazu ist ein prominentes Beispiel bekannt. Die in Chogha Mish vorgefundenen Keramiköfen sind in Brandtechnik sowie Form und Bau eindeutige Vorgänger der späteren mesopotamischen Öfen aus dem ganzen Raum des Vorderen Orients, wie eine Studie zeigen konnte220 . Der etwa 3 km von Chogha Mish gelegene Chogha Dosar kann als eine seiner Satellitensiedlungen interpretiert werden. Die Lage dieser Siedlung hat zur Hypothese der Kommunikationsrouten beigetragen221 . Der Landschaftsraum zwischen Siah Mansour und Kohnak Gewässern war bereits seit dem 6.Jt.v.u.Z. besiedelt. Außerhalb von Chogha Mish wurden Spuren von Besiedlung in der archaisch-Susiana Zeit nur noch an der etwa 2,8 km NW gelegene Siedlung Boneh Fazlali erfasst, die ähnlich wie bei Chogha Mish etwa 4 m unter der heutigen Oberfläche liegen222 . Dies deutet auf eine gewaltige Sedimentation nach dem 6.Jt.v.u.Z. in dieser Gegend hin, sodass sich die jüngeren Kulturhorizonte – die aus dem 5. bis 2.Jt.v.u.Z. oberhalb dessen befinden. 217 Siehe

CM1 und CM2 im Anhang u. a. 1996, 51–71; Alizadeh 2008 219 Kantor 1990, 7 220 Alizadeh 1985b, 48 221 Alizadeh 2014, 9; Siehe Alizadeh – Mahfroozi 2004, 66 für den Grabungsbericht Chogha Dosar 222 Alizadeh 2008, 7 218 Delougaz

2.2 Fallbeispiele

71

Spuren von vorhandenen Kulturschuttschichten befinden sich in der gesamten Umgebung von Chogha Mish in einem Umfang von mindestens 500 m. Sie sind häufig von fluvialen Sandsedimenten begraben und lassen sich durch ihre Keramik indirekt datieren. So konnte festgestellt werden223 , dass die umgebenden Siedlungsbereiche um den zentralen Siedlungskern von Chogha Mish in einer stetigen Interaktion mit deren Fließgewässern standen und meistens mit heftigen Überschwemmungen zu kämpfen hatten. Der Bau einer elamischen Festung auf dem höchsten Punkte der Gegend war wohl auch als Schutz vor regelmäßigen Überschwemmungen gedacht. Die Ergebnisse der Bohrungen um Chogha Mish zeigen ein eindeutig anderes Landschaftsbild aus dem heutigen. Das durch Bohrungen wiedererkannte Fließgewässer224 scheint der Hauptwasserversorger der Siedlung gewesen zu sein. Die Datierung der tiefsten Schichten dieses Fließgewässers deuten auf eine langanhaltende Wasserführung seit alt-Holozän225 . Daher kann mit höchster Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dieses Gewässer zu Zeiten der Chogha Mish Siedlung wasserführte, da sich in diesem Sedimentpaket bis zu 8 m fluviale Sandschichten akkumulierten. Ob das Verschwinden dieses Gewässers mit der Siedlungsaufgabe bei Chogha Misch zusammenhängt, wird noch zu untersuchen sein. Die Hinweise lassen sich bereits in dieser Richtung interpretieren. Dez ist ein aktiver Fluss mit vielen Nebenflüssen, die ihn in einem Lauf erreichen. Dazu gehören Siah Mansur, Loreh, Shur, und Kupal. Das besondere an diesen Nebenflüssen ist die Tatsache, dass sie die Siedlungsstruktur der 5.–2.Jt.v. stark geprägt haben. So sind uns in der Susa II bis alt-elamische Phase viele Siedlungen in unmittelbar am Ufer dieser Nebenflüsse bekannt. Einige davon sind in dieser Arbeit untersucht: Dehno liegt am Loreh, und Chogha Mish zwischen Shur und Kupal. Der Dez fließt aktuell südlich von Band-e Ghir in den Karun. Es ist unklar, seit wann diese Zusammenführung besteht. Aber Spuren weiterer Zusammenführungen in der Vergangenheit sind heute noch erkennbar. Außerdem sind Indizien vorhanden, die eine Mündung von Shaur in Dez mindestens im 19.Jh. vermuten lassen226 . Aufgrund solcher Indizien kann davon ausgegangen werden, dass das Dez-Flusssystem sehr aktiv mit dem westlich gelegenen Karkheh- und dem östlichen Karun-System interagierte. 223 Anhand

der Beweise von Bohrungen CM6 und CM8. Siehe Anhang den Bohrungen CM1, CM2, CM4 und CM7. Siehe Anhang 225 Siehe Anhang 5.2. für die absolute Datierung 226 Figure 45: Verkinderen 2015, 231 224 bei

72

2.2.3

2

Datengrundlage

Die Karkheh Flusslandschaft

Mit insgesamt 755 km Fließlänge ist Karkheh der drittgrößte Fluss des Iran227 . Dieser Fluss ist aufgrund mehrerer Flusslaufveränderungen und seines reinen Wassers seit der Antike bekannt228 . Er stammt aus den Zagros-Gebirgen und fließt in einer SW Richtung, bis er heute den Hur-Al-Azim (= der große Stumpf) an der heutigen Iran-Irak-Grenze erreicht. Bevor er das Untersuchungsgebiet antritt, trägt er den Namen „Seymareh“. An Füssen der Zagros-Gebirge finden sich heute noch die Ruinen von einer antiken Dammkonstruktion namens Pay-e Pol (Am Fuß der Brücke), welche den Fluss in verschiedene Zweige regulierte229 . Dabei ist ein Kanal zu erkennen, der direkt durch die südlich-gelegene sassanidische Stadt Ivan-e Karkheh (Kark de Ledan) floss. In der Spätantike nahm der ganze Fluss diesen Namen an. Für Karkheh sind mindestens drei frühere Flussbetten bekannt230 . Er besitzt aufgrund der starken Sedimentierung seines Oberlaufes ein sehr labiles Flussbett. Allein aus der Antike sind uns mehrere großen Umläufe des Karkheh Flussbettes bekannt231 . Eines der fossilen Betten des Karkheh agierte wohl mit einem früheren Karun Flussbett232 . Demnach kann vermutet werden, dass Karkheh im Frühholozän (vor etwa 10.Jt.) ein Nebenfluss des Karun war. In das Karkheh-Flusssystem gehört auch der Shaur233 . Aus hydraulischer Sicht ist Shaur ein Nebenfluss des Karkheh234 . Jedoch ist er mindestens seit dem 1.Jt.v.Z. zu einem kleinen unabhängigen Fluss geworden. Dennoch fließt Shaur auf der Schwemmebene des Karkheh und bildet die Grenze dessen zu der Dez Schwemmebene235 . Es ist inzwischen nachgewiesen, dass der Shaur Fluss mindestens zwei Betten besaß. Laut historischen Quellen lief Shaur bis zum 19.Jh. im westlichen Bett und mündete anschließend in den Dez236 . Irgendwann hat er dieses Bett verlassen und den vermutlich sassanidischen Kanal in Richtung Dez als sein neues Bett 227 Ehlers

2011, 583 1893, 11 229 Siehe Verkinderen 2015, 230 für eine ausführliche Beschreibung 230 Walstra u. a. 2011 231 Siehe Verkinderen 2015, 228–230 für den aktuellen Stand der Forschung 232 Heyvaert – Verkinderen – Walstra 2012, 508–509 233 Alternative Schreibform: Ab-i Shawr, Siehe Barthold 1984, 183 234 Für eine Diskussion diesbezüglich siehe Kouchoukos 1999, 21 235 Veenenbos 1958, 23 236 Layard 1846, 56–57 228 Billerbeck

2.2 Fallbeispiele

73

eingenommen. Der Name Shaur kommt in den historischen Quellen gar nicht vor, Nahr-e Shush, Wadi-e Shush, Al-Hinduwan sind die dem Shaur am meisten zugeschriebenen Namen. Historische Quellen legen nahe, dass Shaur in unmittelbarer Umgebung von Daniels Grab mindestens einmal den Lauf wechselte237 . Für Karkheh sind auch aufgrund der historischen Überlieferungen mindestens drei antike Migrationen zu rekonstruieren238 . Zudem bewässern zwei kleine Nahrsysteme die Fläche der Karkheh Flusslandschaft. Um die vermutliche Flussmigration des Karkheh zu verfolgen, wurden an 18 ausgewählten Stellen239 im Zusammenhang mit den Siedlungen Abu Fanduweh, Haft Tappeh und Sanjar Bohrungen durchgeführt240 . Der Abu Fanduweh241 (KS-59) Hügel liegt etwa 1,5 km NW von Haft Tappeh und etwa 11 km südlich von Susa. Der 19 m hohe und etwa 300 × 300 m große Hügel liegt in einer Flusslandschaft zwischen Karkheh und Dez mit Abstand auf jeweils 8 km und etwa 3 km an der östlichen Flussseite von heutigem Shaur. Die Gesamtfläche der Siedlung wird auf 4 bis 15 ha geschätzt242 . Der Nahr-e Atiq fließt unmittelbar durch den Hügel und teilt ihn in zwei nördlichen und südlichen Bereichen auf. Dieses Fließwasser umarmt den großen Hügel vom nordösten und mündet abschließend etwa 5 km weiter südlich in den Shaur. Atiq243 wird als ein Teil des Harmushi-Kanalsystems interpretiert244 . Harmushi ist in historischen Überlieferungen als Hormosin (nach dem sassanidischen König Hormuz?) bekannt und wird als ein Kanal beschrieben, der an Pay-e Pol – nördlich von Susa – den Karkheh verlässt und parallel zu Shaur, in die südliche Richtung fließt und südlich von Haft Tappeh in den Shaur mündet245 . Zudem wurde dieses Nahrsystem durch die Datierung der Oberflächenfunde der umliegenden Siedlungen um 1500 v. datiert246 . 237 Siehe

Verkinderen 2015, 231–245 für ausführliche Diskussion 1977, 251–278 239 Bohrungen AF1, AF2, AF3, AF4, AF5, AF6, AF7, HT1, HT2, HT3, HT4, SJ1, SJ2, SJ3, SJ4, SJ5, SJ6, SJ7 240 Siehe Anhang für eine ausführliche Beschreibung der Bohrungen 238 Kirkby

241 242 Alizadeh

2008, 23 = sehr alt 244 Habibi – Karami 2008, 63; Alternativ wird er von Mofidi-Nasrabadi anhand der Keramik in mittel-elamische Zeit datiert (persönliches Gespräch, Mainz 2014). 245 Rawlinson 1839, 67 246 Adams 1962, 114 243 Atiq

74

2

Datengrundlage

Abu Fanduweh gilt als eine der Hauptfiguren in dem sogenannten protoelamischen Phänomen im Großraum Susiana des 5. und 4.Jt.v.u.Z. neben Chogha Mish und Susa247 . In der Terminal Susa A Periode gilt diese Siedlung zu einem der drei Siedlungszentren mit fünft Satellitensiedlungen248 . Dieses Siedlungsmuster wird als Ausgangsphase der Herausbildung eines Staates im 3.Jt.v.u.Z. interpretiert249 . Ältere Grabungen haben mehr als fünfzig Keramiköfen am Hang, sowie einen Friedhof und eine jüngere neu-elamische Besiedlungsphase festgestellt250 . Die Besiedlung in Abu Fanduweh im 4.Jt.v.u.Z. ist umstritten251 . Am nördlichen Hügelteil findet sich eine etwa 6 m mächtige kulturelle Schichtabfolge252 von bisher ältesten Siedlungsspuren aus spät-mittel-Susiana bis hin zu der frühgeschichtlichen Phase253 . Um diese Zeit ist Abu Fanduweh mit Susa vergleichbar, wobei die bekannten Satellitensiedlungen um Abu Fanduweh254 im Durchschnitt größer und näher als die um Susa zu sein scheinen255 . Wahrscheinlich verlor Abu Fanduweh von 4. bis 3.Jt.v.u.Z. an Siedlungsfläche von 15 auf etwa 6 ha256 . Dieses Phänomen wird auch in anderen Siedlungen im Großraum Susiana festgestellt und mit soziopolitischen Auseinandersetzungen in Verbindung gebracht257 . Zudem wurde eine großräumige Flussmigration des Karkheh um diese Zeit vermutet258 . Eine umstrittene Hypothese hält eine Kolonisierung dieser Region aus dem Mesopotamien für das Schrumpfen der Siedlungszentren verantwortlich259 . In Bezug auf Wasserversorgung ist der Nahr-e Atiq für Abu Fanduweh entscheidend. Ältere Corona Aufnahmen zeigen den ursprünglichen Stand dieses 247 Helwing

2013, 94 Satelitensiedlungen nach Johnson: KS-61, KS-64, KS-67, KS-94, KS-269; Siehe Johnson 1973, 87–89 249 Johnson 1973, 141 250 Negahban 1991, 7–11 251 Johnson 1973, 101; Vgl. Alizadeh 2008, 23 252 Alizadeh 2008, 14–15 253 proto-literate 254 Die Satellitensiedlungen nach Dittmann: KS-32, KS-61, KS-54, KS-98, KS-93 255 Dittmann 1986, Teil 1, 229 256 Alizadeh 2008, 25 257 Wright – Johnson 1975, 270 258 Kouchoukos 1999, 35 259 Für eine Diskussion dieser Hypothese siehe Algaze 2008; Vgl. Lamberg-Karlovsky 1996; Stein 1998 248 Die

2.2 Fallbeispiele

75

Nahres und schließen die Annahme aus, dass Atiq ein Kanal aus der neueren Zeit sein könnte. Zudem wurden im Zusammenhang mit Atiq keine sassanidischen Siedlungspuren festgestellt260 . Daher liegt nahe, dass Atiq bereits in der Besiedlungszeit von Abu Fanduweh bestand261 . Es gibt Grund zur Annahme, dass Atiq seinen Fließbett stark erodierte262 . Daher kann eine anthropogene Herkunft dieses Gewässers zurzeit weder ausgeschlossen noch bestätigt werden. Die zentrale Rolle von Abu Fanduweh in dem kulturellen Wandel des Großraum Susiana steht außer Frage. Abu Fanduweh besaß eine langanhaltende Tradition der Keramikherstellung und beteiligte sich in dem überregionalen Handel und Austausch der Keramik. Sogar wandernde Töpfer wurden vermutet. Eine aktuelle Untersuchung weist ebenso auf starke kulturelle Beziehungen zwischen Abu Fanduweh und Gesser in der Ramhormoz Region hin263 . Hier wird angenommen, dass Abu Fanduweh eine Vorgängersiedlung des Haft Tappeh sei. Die Siedlungslücke im 2.Jt.v.u.Z. kann dadurch erklärt werden, dass die Menschen um diese Zeit etwa zwischen den beiden von uns bekannten Siedlungskernen gewohnt haben könnten. Leider ist dieser Bereich heute Teil des Zuckerohranbaus und nicht zugänglich. Trotzdem sind viele dunkle Flecken und Anomalien dieser Zwischenlage bezeugen von möglichen Siedlungsphasen, welche durch andauernde Landwirtschaftsaktivitäten uns verborgen bleiben. Leider sind die aus den älteren Aufnahmen sichtbare Spuren der Nahrsysteme heute durch die intensive Landschaftsnutzung weitestgehend verschwunden. Die Hydraulik des Shaur wurde im Laufe des vergangenen Jahrhunderts gravierend verändert. Ein älterer Flussarm des Shaur und ein kleiner Zweig des Karkheh, der zu Shaur mundete, sind fast ausgetrocknet und verschwunden. Der letzte Schritt der Stilllage wurde zum Zweck der Landwirtschaft durch Menschen gemacht. Aber Untersuchungen zeigten, dass zu diesem Zeitpunkt beide Fließgewässer bereits seit längerem kaum Wasser leiteten. Ob dieser auch anthropogen verursacht wurde, oder Folge einer starken Sedimentation des oberen Laufes sei, kann hier nicht mit Sicherheit erläutert werden. Dennoch ist ein indirekter Einfluss des Menschen durch einen massiven Eingriff in den vergangenen Jahrtausenden sehr wahrscheinlich der Grund für die Veränderung. Möglich wäre zum Beispiel eine Veränderung der Sedimentfracht durch starke Umleitungen der sassanidischen hydraulischen Systeme.

260 Map

23: Wenke 1965 dieser Annahme siehe AF1 und AF4 im Anhang 262 Veenenbos 1958, 71 263 Alizadeh 2014, 257–272 261 Zu

76

2

Datengrundlage

Abu Fanduweh scheint mehr als Haft Tappeh von kleinen Wasserläufen umgeben zu sein. Einige könnten bereits zur der Siedlungszeit vorhanden sein, wie die beiden Nord-Süd verlaufenden Nahrsysteme westlich und östlich des Abu Fanduweh. Andere wiederum sind entweder in der letzten Siedlungsphase oder gleich danach errichtet worden. Hierzu gehört der West-Ost-Kanal des Nahr-e Atiq, welcher die Siedlung durchteilt. Es ist denkbar, dass dies eine Maßnahme war, um das hydraulische System unter Kontrolle zu halten, indem das überflüssige Wasser des Dez dadurch in Karkheh umgeleitet und so die Wassermenge reguliert wurde. Dies bleibt aber bis zu einer sicheren Datierung nur eine Spekulation. Das diagnostische Keramik-Fragment in der Bohrung AF2 ist in das 4.Jt.v.u.Z. zu datieren264 . Diese Tatsache bietet ein datum postquem für die oberhalb gelegener Nahr-Sedimente. Im Falle des Ost-West-Nahrs ist deswegen anzunehmen, dass der Nahr relativ kurz nach diesem Datum angelegt wurde. Da dieser Nahr den Abu Fanduweh Hügel durchschneidet, kann davon ausgegangen werden, dass er zu einem späteren Zeitpunkt die zwei parallel bestandenen NS Nahr-Systeme östlich und westlich des AF miteinander verband. Angenommen, die Wasserführung der beiden Nahrs verursacht etwa die gleiche Menge an Sedimenten, weist der etwa 6 m mächtige braune Lehm des HT1 im Vergleich zu dem oft unterbrochenen 3 m mächtigen braunen Lehm des AF2 auf ein höheres Alter des Nord-Süd Nahrs im Vergleich zum West-Ost Nahr hin. Also, es ist möglich, dass der WO Nahr während der AF Siedlung und nach der Siedlungsphase errichtet wurde, um Wasser des östlichen Nahrs durch die Siedlung in den westlichen Nahr zu führen. Abschließend ist anzumerken, dass unser Wissen bezüglich der internen Dynamik der Abu Fanduweh Siedlung sehr gering ist, da die einzelnen Grabungsberichte noch nicht publiziert wurden. Doch ist die entscheidende Rolle dieser Siedlung als ein Zentrum der Region bereits deutlich. Umso wichtiger ist die Lage des AF an der Kreuzung zweier Fließgewässersysteme, welche die beiden Flüsse von Karkheh und Dez durch Shaur verbinden. Die Sedimente erzählen von einer turbulenten Wasserführung, die irgendwann in ferner Vergangenheit unterbrochen wurde. Es ist möglich, dass die Wasserversorgung des AF dadurch geschädigt wurde. Dies könnte der Auslöser für die eventuelle Siedlungsverschiebung Richtung Südosten sein. Außerdem kann der Nahr-e Atiq zu diesem Zeitpunkt errichtet worden sein, um den Wasserhaushalt des beiden Fließgewässersysteme wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Doch die hohe elektrische Leitfähigkeit der oberen Nahr-Schichten deutet auf eine langsame Wasserführung hin und könnte der 264 Siehe

Habibi – Karami 2008, 75–78; Befundbeschreibung im Anhang

2.2 Fallbeispiele

77

Grund für eine weitere Verschiebung der Wohnfläche sein, und gleichermaßen die Aufgabe der bereits weniger besiedelten NW-Flächen (also der Siedlungskern Abu Fanduweh) Richtung Südosten (also der Haft Tappeh Kern) zufolge gehabt haben. Um diese Hypothese zu überprüfen, müssen die ältesten Siedlungsschichten des Haft Tappeh ausgegraben werden. Außerdem sind verschiedene Probegrabungsschnitte in dem Zwischenraum der beiden Siedlungen anzusetzen. Dazu muss die räumliche Verschiebung der Siedlungsfläche auf AF im Laufe der Siedlungsbeständigkeit durch Ergebnisse des Grabungsberichtes bestätigt werden. Bis dahin bleibt uns nur die Hydraulik, welche erstaunlich detaillierte Ergebnisse liefern kann, wie die oben beschriebenen Punkte zeigen. Es wird allgemein angenommen, dass Karkheh bis zu der sassanidischen Zeit in einem heute fossilen Bett zwischen Haft Tappeh- und Shaur-Höhenzug floss265 . Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Sinne auch der Shaur, welcher immer noch Spuren von mindestens zwei antiken Kanälen in NW-SO Richtung oberhalb des Shaur-Höhenzuges aufweist266 . Während der eine Kanal infolge eines rezenten Tunnelzusammenbruchs heute ausgetrocknet ist, wurde der andere Kanal in einem unbekannten Zeitpunkt teilweise zu dem neuen Bett des Shaur. Aktuell werden diese zwei Kanäle in die sassanidische Zeit datiert267 . Demnach ist der heutige Lauf des Shaur an manchen Stellen das Resultat einer Veränderung des Karkheh, welcher ursprünglich entlang des Haft Tappeh Höhenzugs in eine südöstliche Richtung in Dez mündete268 . Es wird aus der Beweislage deutlich, dass das heutige Flussbett von Shaur eine Mischung aus natürlichen und künstlichen Prozessen darstellt. Diese Teile auseinander zu unterscheiden erscheint höchst kompliziert. Hier wird die Vermutung aufgestellt, dass Shaur vor der sassanidischen Zeit ein Nebenarm des Karkheh war, welcher oberhalb des Haft Tappeh Höhenzuges in Dez mündete. Als im 2.Jh.n. unter anderem zwei Kanäle dazu gebaut wurden, verlies Shaur sein Bett wohl aufgrund einer hydraulischen Belastung und nahm sich den östlichen Kanal als neues Bett. So wurde die Verbindung von Shaur und Dez unterbrochen. Nach diesem Zeitpunkt brach der künstliche Tunnel des westlichen Kanals zusammen. Dieser Kanal verlor seine Verbindung zu Shaur und trocknete aus269 . 265 Verkinderen

2015, 245 2013, 191 267 Lees – Falcon 1952, 21; Woodbridge 2013, 206 268 Veenenbos 1958, 31–36 269 Siehe Proben Shaur 1 und 2 im Anhang für die Beweisgrundlage 266 Woodbridge

78

2

Datengrundlage

Der Haft Tappeh270 Hügelkomplex (KS-98)271 liegt heute in etwa dem gleichen Abstand von 10 km zwischen den Flüssen Karkheh und Dez sowie etwa 4 km östlich des parallel fließenden Shaur. Die Hügel erheben sich um etwa 20 m von der unmittelbaren Umgebung. Haft Tappeh liegt etwa 1,5 km SW des Abu Fanduweh. Der Nahr-e Atiq fließt parallel zu Shaur etwa 2,5 km westlich von Haft Tappeh, direkt bei Abu Fanduweh, und erreicht Shaur etwa 5 km südlich von Haft Tappeh. In diesem Abstand fällt die absolute Höhe der Bodenoberfläche von etwa 70 m ü.M. auf 50 m ü.M. und bildet ein Gefälle von etwa 0,9 %. Die Ruinen der mittel-elamischen Stadt Kabnak wurden in den 1950er Jahren zufällig bei Bauarbeiten in einer hügeligen Landschaft entdeckt. Haft Tappeh wurde in zwei Phase ausgegraben. Die erste Phase begann 1965 und dauerte in 14 Kampagnen272 . Trotz der langen und kontinuierlichen Untersuchungen und eine Flächengrabung von 15.000 qm konnte nur ein Bruchteil der großen Stadt aufgegraben werden. Es wurde angenommen, dass diese Stadt mit vielen Monumentalbauten in kurzer Zeit Mitte des 2.Jt.v. ausgebaut und nach einigen Jahrhunderten aufgegeben wurde273 . Mit einer Fortsetzung der Untersuchung in Haft Tappeh begann die zweite Phase der Ausgrabungen, die von 2001 bis 2013 andauerte274 . Eine geomagnetische Geländebegehung ergab einen ganzheitlichen Einblick in die Grundrisse der großen Stadt275 . Darin sind mächtige Mauerreste und Grundrisse von Monumentalbauten zu erkennen. Die erste Grabungskompagnie ermöglichte unter anderem Erkenntnisse über den sogenannten Zerstörungshorizont dieser Stadt mit Resten von verbrannten Häusern. Auch arsakidische und sassanidische Keramikgefäße fanden sich im nördlichen Areal. Dieses Areal weist auf eine beständige Besiedlung von der arsakidischen bis zur islamischen Zeit hin. Die Ruinen der elamischen Stadt waren im 1.Jt.v. wohl noch sichtbar, da die elamischen Mauer in der sassanidischen Zeit teilweise als Stütze für die Mülldeponie der Siedler verwendet wurden276 . In den zweiten und dritten Kompanien wurde der sogenannte Archivraum freigelegt, der zahlreiche Tontafel beherbergte277 . Dabei handelte sich wohl um eine 270 271 Früher

als Haft Chogha bekannt, Siehe Negahban 1999, xxxvii einen ausführlichen Bericht dieser Kompagnien siehe Negahban 1991 273 Negahban 2002, 526–529 274 Für einen Bericht der ersten Kompagnien siehe Mofidi-Nasrabadi u. a. 2010 275 Mofidi-Nasrabadi 2004, 235 276 Mofidi-Nasrabadi u. a. 2010, 17–50 277 Mofidi-Nasrabadi u. a. 2010, 44 272 Für

2.2 Fallbeispiele

79

„Kollektion von Verwaltungsurkunden in mittelbabylonischer Sprache“278 , sowie zahlreiche Inventurtexte und Personennamenlisten. Es wird angenommen, dass Kabnak eine Neugründung der mittel-elamischen Zeit war279 . Dennoch konnte dies durch schriftliche Überlieferung nicht bestätigt werden. In der letzten Grabungskampagne wurden Hinweise auf eine Besiedlung im 3.Jt.v. gefunden, die eine Besiedlung dieses Ortes vor der angeblichen Stadtgründung im 2.Jt.v.u.Z. nahelegen280 . Die C14 –Datierung der vier erkannten Bauschichten (I bis IV) zeigt eine intensive Massivbebauung von 17. bis 14.Jh.v.u.Z.281 . Hinzu kommt eine jüngere Schicht, die eine großflächige Zerstörung der Stadt sowie ein Massengrab mit mehreren Hundert Individuen aus allen Altersgruppen und beiden Geschlechtern beinhaltet282 . In dieser Schicht aus dem 13.Jh. finden sich Anzeichen für eine Behausung in den Stadtruinen und notdürftige Bestattungen. Die aller jüngste Schicht gehört in die arsakidische bis islamische Zeit und umfasst einfache und wohl dörfliche Bebauungen. Ältere Satellitenaufnahmen lassen zwei kleine Gewässer im südlichen Areal der Stadt vermuten. Ein funktionierendes Wasser- und Abwasserversorgungssystem innerhalb der im 2.Jt.v.u.Z. besiedelten Fläche wird durch zahlreiche Kanalüberreste und Keramikröhren bestätigt283 . In dem sogenannten Künstlerareal wurden kleine Wasserrinnen im Innenhof und den Räumen festgestellt284 , die als Oberflächenwasserführung innerhalb der Stadt interpretiert werden. Haft Tappeh gehört zu den aufschlussgebenden Orten der elamischen Zeit285 . Die antike Kabnak war ein soziopolitisches Zentrum, das von einer Elitefamilie über Jahrhunderte regiert wurde. Die in Haft Tappeh ansässige elamische Herrscherfamilie pflegte enge Beziehungen mit den Kassiten in Babylonien, sodass im Laufe des 2.Jt.v.u.Z. mehrere politische Ehen zwischen den elamischen Fürsten und kassitischen Fürstinnen belegt sind286 . Chemische Analysen bestätigen, dass 278 Prechel,

in: Mofidi-Nasrabadi u. a. 2010, 51 u. a. 2010, 3; Potts 2012, 49 280 Mofidi-Nasrabadi 2014, 73 u. 105, 110; Mofidi-Nasrabadi 2015, 27; Negahban 1969, 177 281 Tab. 5: Mofidi-Nasrabadi 2014, 105; Mofidi-Nasrabadi 2014, 101–110 282 Mofidi-Nasrabadi 2014, 73 283 Mofidi-Nasrabadi 2004, 231; Siehe Abb. 3, Tafel 67, Tafel 63: Mofidi-Nasrabadi u. a. 2010, 284 Mofidi-Nasrabadi u. a. 2010, 40 285 Potts 2012, 39 286 Für aktuelle Erkenntnisse dieser Belege aus Haft Tappeh siehe Paulus 2012, 444 279 Mofidi-Nasrabadi

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2

Datengrundlage

ein Großteil der Gebrauchskeramik in Haft Tappeh lokal hergestellt wurde287 . Kabnak war im 2.Jt.v.u.Z. in das überregionale Handelsnetzwerk des Großraum Susiana integriert. Nahr-e Atiq verbindet sich durch zwei parallele Gewässer mit Shaur. Eines dieser Verbindungsgewässer teilt den Abu Fanduweh Hügel und das zweite liegt direkt südlich des erkannten Stadtareals von Kabnak. Aufgrund der 80 Grad Winkel der Gewässer sowie der archäologischen Zusammensetzung der unmittelbaren Umgebung wird dieser Nahr als ein künstlicher Kanal aus dem 2.Jt.v.u.Z. interpretiert288 , während dieser angebliche Kanal mit keiner Siedlung aus der sassanidischen Zeit in Verbindung gebracht werden kann289 . Eine geomorphologische Untersuchung dieser Region versteht Atiq als ein künstlicher Kanal, der infolge starker Erosion der sandhaltigen Böden sein Fließbett so tief gegraben hat, dass die Spuren der Kanalkonstruktion verloren gingen290 . Hier wird die Hypothese aufgestellt, dass Abu Fanduweh und Haft Tappeh zwei Punkte in der räumlichen Entwicklung einer Siedlung sind, die vom 5.Jt.v. bis zu 1.Jt.n. andauerte. Hierbei wurde Abu Fanduweh am Paläo-Shaur gegründet, der ein Nebenfluss des Paläo-Karkheh war. Die Siedlung verschob sich im 4. bis 3.Jt.v.u.Z. in die südöstliche Richtung, und wurde dabei von Atiq versorgt. Im 2.Jt.v.u.Z. lag der Kern der Siedlung bereits im Nordareal des Haft Tappeh. Das vorhandene Gewässer wurde weiter manipuliert, um auch die Werkstätte in diesem Bereich zu versorgen. Um diese Zeit hatte Atiq seinen heutigen Lauf erhalten. Die Siedlung wurde infolge der politischen Auseinandersetzungen in Susa als der neue Herrschersitz der mittel-elamischen Elitefamilie291 ausgiebig ausgebaut. Monumentale Bauten und neue Satellitensiedlungen waren die Folge. In diesem Zeitraum wurde das Atiq Gewässer wohl auch innerhalb der Stadt Kabnak eingeleitet. Das allgemeine Gefälle der Gegend legt nahe, dass das Abwasser in die südöstliche Richtung die Stadt verlassen und durch mindestens zwei Kanäle wieder in den Shaur mündete. In diesem Sinne handelt es sich bei Abu Fanduweh und Haft Tappeh um einen Fall der allmählichen Siedlungsverschiebung mit sichtbaren Folgen für die

287 Emami

2008, 120–124 fig. 4: Adams 1962, 114 289 Siehe Plate IX: Wenke 1975 290 Veenenbos 1958, 43; Siehe Veenenbos 1958, 31–110 für eine Beschreibung dieser Region 291 Siehe Carter – Stolper 1984, 71 288 Siehe

2.2 Fallbeispiele

81

Hydraulik der Karkheh und Dez Gewässer. Dies entspricht vielen Beispielen aus anderen Regionen292 . Ein interessanter Vergleich der bei Haft Tappeh und Abu Fanduweh erfassten Sand- und Geröllschichten mit den heutigen Sedimenten des Shaur Flusses war aufgrund eines zufälligen Befundes möglich. Etwa 4,5 km SW von Haft Tappeh musste eine Öl-Pipeline des staatlichen Ölbetriebs direkt an einem Mäander des Shaur Flusses ausgegraben werden. Hierbei sind Sedimenten aus dem aktiven Flussbett bis zu 12 m Tiefe gebohrt. Unmittelbar an dieser Stelle sind zwei Bohrungen für diese Studie durchgeführt293 . Das Bohrprofil zeigt drei unterschiedliche Horizonte. Der oberste Horizont ist das aktive fluviale Sedimentpaket von Shaur. Diese schluffige und feine Sandschicht ist etwa 1,5 m mächtig. Darunter liegt eine mächtige Sandschicht mit Geröll, das als das aktuelle Flussbett von Shaur betrachtet werden kann. Dies ist der zweite Horizont. Diese Schicht wird in der 11 m Tiefe mit einem schluffigtonigen Lehm ersetzt. Dieser Lehm ist mindestens 1,5 m mächtig. Dieser dritte Horizont ist unerwartet und wirft Fragen bezüglich der Genese des heutigen Shaur Flusslaufes auf. Laboruntersuchungen294 zeigen deutliche Unterschiede in den Eigenschaften der oberen fluvialen Horizonte mit dem drittem nicht fluvialen Horizont. Besonders der unterschiedliche Kalkgehalt ist entscheidend, um die unterschiedliche Genese der zwei Schichten (fluvialer Sand und nicht fluvialer Lehm) zu vermuten. Alles in allem kann diese Situation wie folgt interpretiert werden: der Sand samt Geröll ist die typische fluviale Sedimentation des Shaur. Das Geröll gehört wahrscheinlich dem Paläo-Karkheh. Die Genese der Lehmschicht ist unbekannt. Es könnte sich um einen ehemaligen Boden vor der Entstehung dieses Fließgewässers handeln. In diesem Fall könnte die Tiefe dieses Horizontes über das Alter des Fließgewässers Auskunft geben. Dieses Sedimentpaket kann die Hypothese stützen, die der heutige Shaur als ein Nebenarm von Karkheh interpretiert295 . Folgende Argumente können aufgezählt werden: (1) das Gesamtprofil aus dem westlich vom Mittellauf des Karkheh bis hin zum östlichen Ufer des Nahr-e Atiq, in einer etwa 13 km WO Richtung zeigt, dass sich die heutigen Flüsse Karkheh und Shaur in einem großen Becken mit etwas weniger als 0,5 % Gefälle befinden, während das Gefälle Richtung Nahr-e Atiq wieder steigt. (2) der Oberlauf von Shaur entspringt auf 292 Siehe

Morozova 2005, fig. 5 AF4 und AF5 im Anhang 294 Siehe Proben 9 und 11 im Anhang 295 Kirkby 1967, 21 293 Siehe

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2

Datengrundlage

einer Ebene mit weniger als 2 % Gefälle, aus dem Boden heraus. Aus geomorphologischer Sicht könnte sich hierbei um eine unterirdische Karstlandschaft handeln, da der Oberlauf dieses Flusses aus einer Vielzahl an kleinen Quellen besteht. Aus hydrologischer Sicht kann von einer unterirdischen wasserführenden Verbindungsschicht ausgegangen werden, welche das Grundwasser in zwei Parallelrichtungen führt und damit sowohl Karkheh als auch Shaur versorgt. Der Sanjar296 Hügelkomplex liegt im nördlichen Großraum Susiana, etwa 20 km nördlich von Susa und etwa 4 km östlich des heutigen Karkheh Flusses. Ein Vergleich der heutigen Lage und älteren Corona Aufnahmen zeigt das Ausmaß der Zerstörung der Siedlungsfläche durch die Industrialisierung der Landwirtschaft. Heute besteht der Komplex aus einem runden Haupthügel (KS-7) mit einer Höhe von etwa 12 m von und einen Umfang von etwa 300 × 310 m sowie drei Kleinhügel, SO des Haupthügels. Sanjar wurde aufgrund seiner Oberflächenfunde als ein größeres Dorf in der Mittel-Uruk297 und als ein Siedlungszentrum in der elamischen Zeit interpretiert298 . Ferner wurde Sanjar als die aus den Schriften bekannte Stadt Madaktu oder sogar die Stadt Haltemas identifiziert299 . Diese Vorschläge sind umstritten300 . Die Identifikation von Karkheh als Eulaeus wird als ein starkes Argument für Sanjar als Madaktu verstanden301 . nach einer kurzen nicht veröffentlichten Sondierung302 im Jahr 1996 wurde der Sanjar Hügelkomplex in zwei Grabungskampagnen untersucht. Zudem wurden 33 Bodenprofile durch einen Handbohrer in der unmittelbaren Umgebung des Haupthügels angelegt303 . Die Ergebnisse zeigten, dass die Kulturschichten bis zu 200 m nördlich des Haupthügels sowie 150 m südlich davon verbreitet sind. Dies könnte einen ersten Einblick in die tatsächliche Größe der Siedlungen geben. Außerdem wurde bestätigt, dass der Haupthügel ursprünglich etwa 20 m hoch war. Die ältesten Schichten mit materieller Kultur in diesen Bohrungen datieren in die Spät-Susiana und liegen etwa 6 m unter der aktuellen Oberfläche der Umgebung. 296 297 Johnson

1973, 105 1971, 120 299 De Morgan 1895, 267; De Morgan 1896, 288; De Mecquenem – Michalon 1953, 10; Potts 2005, 171; Sardari 2012, 34; Siehe Sardari 2014 für eine Übersicht der Forschungsgeschichte 300 Ebenso umstritten ist die Identifizierung von Tepe Patak als Madaktu von Rowlinson 1839; Siehe De Miroschedji 1966, 211; Vgl. Billerbeck 1893, 18, 71 für Gegenargumente 301 Potts 2005, 169–175 302 Purbakhshandeh 1996 von ICHO 303 Sardari 1997 (nicht publizierter Vorbericht bei ICAR) 298 Carter

2.2 Fallbeispiele

83

Die räumliche Entwicklung der Siedlung ist offensichtlich horizontal. Die Spitze des Haupthügels beinhaltet Schichten aus Terminal Susa I bis Mittelelamischer Zeit. Am östlichen Hang konnten Bei Grabungen keine Kulturschichten erfasst werden. Die neu-elamische und arsakidische Zeit waren im Südhang sowie auf den Kleinhügel 4, etwa 200 m südlich des Haupthügels vertreten304 . Dabei waren einige Stellen der Siedlung während einigen Siedlungsphasen nicht besiedelt. Besonders waren Grabungsschnitte zwischen dem Haupthügel und den südlich gelegenen Kleinhügeln erfolglos. Dies muss bei der Einschätzung der Siedlungsgesamtfläche betrachtet werden. Der Kleinhügel Nr. 6, südöstlich des Haupthügels hat sich als eine arsakidische Töpferwerkstatt mit einem gut erhaltenen Keramikofen erwiesen305 . Sanjar war von spät-Susiana bis zur arsakidischen Zeit (ca. 250 n.u.Z.) ununterbrochen306 besiedelt. In der ältesten Besiedlungsphase war Sanjar etwa 1 ha groß. In der Terminal Susa I könnte es sich hier um ein etwa 2 ha großes Dorf handeln. Dieses umfasste die vorherige Siedlung und entwickelte sich räumlich Richtung NW. Die Susa II Phase ist in Sanjar mit etwa 9 m mächtigen Kulturschichten vertreten. Dabei sind große Abfallgruben, Bauten mit mächtigen Mauern aus Lehmziegel sowie Werkstätte erfasst. Die Siedlung entwickelte sich in die westliche Richtung und umfasste insgesamt etwa 3 ha307 . In der proto-elamischen Zeit waren wohl große Flächen der vorherigen Siedlung nicht mehr bewohnt. Dafür sind Funde aus dieser Phase, Bauten und Öfen, nach NW verlegt, sodass sie das Zentrum des heutigen Hügels befassen. Die Siedlungsfläche ging wohl auf 1 ha zurück. Sanjar umfasste in der alt-elamischen Zeit etwa 10 ha Siedlungsfläche mit einer stabilen Struktur. Einige der Lehmziegelbauten waren wohl über Jahrhunderte bewohnt und wurden stets restauriert. Küchen und Öfen aus diesen Zeiten geben einen seltenen Einblick in den alt-elamischen Alltag. Außerdem ist der Fund einer Grabstätte aus Backstein, ähnlich der von Susa um die Zeit der Awan-Dynastie von Bedeutung. Die Siedlung beinhaltete um diese Zeit die ganze vorherbesiedelte Fläche und wandelte räumlich immer noch nach NW308 . Die meisten Kulturschichten, sowie die meisten Gefäßbestattungen in Sanjar gehören der mittel-elamischen Phase an. Um diese Zeit ist die Siedlung 304 Sardari

2014, 172–178 1997, 12–13; Sardari 2014, 172–178 306 Mit einem etwa 300-jährigen noch nicht erfassten Intervall aus der mittel-elamischen Zeit, siehe Sardari 2014, 178–179; C14 Datierung der neu-elamischen HK: 730–690 v. 307 Sardari 2014, 175–176 308 Sardari 2014, 177–178 305 Sardari

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2

Datengrundlage

wohl etwa 16 ha groß und umfasst die ganze heutige Fläche des Sanjar Haupthügels. Der Fund einer Tontafel mit wirtschaftlichem Text zum Transfer vom Lebensmittel sowie eine 2 m mächtige Mauer lassen Sanjar eine wirtschaftliche Bedeutung zuschreiben. Es gibt keinen Zweifel, dass diese Siedlung in der Mitte des 2.Jt.v.u.Z. zu den größten Zentren der elamischen Welt zählte. In der neu-elamischen Zeit wurde die Siedlung auf dem Haupthügel anscheinend aufgegeben. Die auf etwa 2 ha geschätzte Siedlung dieser Phase befindet sich auf den Resthügeln südlich des Haupthügels. Sanjar griff in der neu-elamischen Zeit wieder auf die Keramikherstellung zurück. Die arsakidische Siedlung in Sanjar liegt ebenso auf den Resthügeln und umfasst etwa 10 ha. Sie beinhaltet mehrere Großbauten und Lehmziegelstrukturen sowie Werkstätte und Öfen309 . Beim Betrachten der älteren Satellitenaufnahmen wird deutlich, dass Sanjar früher an der Kreuzung mehrerer Fließgewässer lag, die das Wasser von Karkheh direkt sowie durch Shaur, um etwa 25 km zum Dez brachten und dabei eine Landschaft zwischen den beiden Flüssen versorgten. Bis vor 80 Jahren war Shaur noch direkt mit Karkheh verbunden und in diesem hydraulischen Netzwerk integriert. Dies könnte einen Hinweis auf die zwei Gewässer geben, die laut Potts Interpretation vom Sanachreeb Relief, die Stadt Madaktu umarmen310 . Die insgesamt ovale Fläche der Sanjar Siedlung um etwa 50 ha zeigt eine allmähliche Entwicklung, die sich dem jeweiligen Landschaftsbild anpasste. So ist aus einem kleinen Dorf in Spät-Susiana allmählich ein größeres Handelszentrum in der mittel-elamischen Zeit und eine Werkstattsiedlung in der arsakidischen Epoche geworden. Zu den typischen Eigenschaften solcher Siedlungen gehört die sinuskurvige Entwicklung der Siedlungsfläche im Laufe des allgemeinen Stieges. So wurde die Siedlung an den unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Geschichte räumlich in einem bestimmten Muster (siehe unten) geschrumpft, manche Flächen wurden aufgegeben und einige in abweichenden Funktionen verwendet311 . Basierend auf den Datierungen der materiellen Kultur in verschiedenen Schnitten in diesem großen Areal kann von zwei Siedlungskernen ausgegangen werden: der nördliche Teil, der Kulturhorizonte von spät-Susiana bis Mittel-Elamisch beinhaltet; und der südliche Teil, der Neu-Elamisch und arsakidische Horizonte

309 Sardari

2014, 174–178 1999b, 23–25 weist darauf hin, dass laut Finkelstein das akkadische Wort für Flussufer auch als Flussinsel übersetzt werden kann; Potts 2005, 187 311 Für die Einschätzung der jeweiligen Siedlungsperioden siehe Abb. 3,5,7,9,11,13: Sardari 2012, 184–187 310 Potts

2.3 Manipulation und Migration der Gewässer

85

umfasst. Diese beiden sukzessiven Kerne entwickelten sich im Laufe der Jahrtausende jeweils leicht in die NW Richtung. Der etwa 19 ha große Siedlungsraum im nördlichen Kern war vom 5. bis zum 2.Jt.v.u.Z. abweichend und heterogen besiedelt. Der untere 18 ha große Raum war im 1.Jt.v.u.Z. besiedelt. Der mittlere Teil beträgt etwa 8 ha. Diese Zwischenfläche wurde wohl vor längerer Zeit – zwecks Straßenbaus und Ackerbaus – eingeebnet und dadurch sind die Spuren der materiellen Kultur (besonders der fehlenden achämenidischen Zeit) verloren gegangen. Insgesamt kann von einer räumlichen Entwicklung der Siedlung in die NW Richtung ausgegangen werden312 . Die Bohrungen in der Umgebung von Sanjar geben Einblicke in eine sehr dynamische Landschaft. Bis zu etwa 1 km NW der Siedlung finden sich mächtige Kulturschuttschichten313 , während unmittelbar SO der Siedlung homogene Schichten von lehmigen Schluff aufkommen314 . Dies spricht für eine räumliche Entwicklung der Siedlung in eine Richtung. Dieser mächtige Kulturschutt findet sich in etwa 1,4 km Entfernung wieder315 . Diese Schicht befindet sich direkt oberhalb der Schluffschicht, die an einigen Punkten in einen Sand mit Geröll Horizont316 übergeht. Die Schluffschicht ist in fast allen Bohrungen und Profilen in der Tiefe zwischen 102 und 96 m ü.M. vorhanden. Dies kann der Sedimentation vor der zweiten Besiedlung von Sanjar im 1.Jt.v. entsprechen. Die erfassten Sandschichten, die ein Geröllbett übergehen317 , zeigen einen heute verschwundenen Nebenarm von Karkheh, der aufgrund der erfassten Tiefe während der Sanjar Besiedlung aktiv gewesen sein musste. An einigen Stellen wurde dieser ehemalige Nahr infolge der landwirtschaftlichen Industrialisierung in den 1960er Jahren als Kanal wiederbelebt.

2.3

Manipulation und Migration der Gewässer

Eines der zentralen Konzepte dieser Arbeit befasst sich mit der Genese der Fließgewässer. Ein Fließgewässer kann natürlich oder anthropogen entstehen. In beiden Fällen wird seine Form, besonders sein Fließbett, von der Bodenbeschaffenheit seiner Landschaft vorgegeben. Die fluviale Sedimentation jenes Gewässers kann 312 Siehe 313 Siehe 314 Siehe 315 Siehe 316 Siehe 317 Siehe

Bohrung SJ1 bis SJ7 im Anhang SJ2 im Anhang SJ3 im Anhang SJ7 im Anhang SJ5 und SJ7 im Anhang SJ5, SJ6, SJ7 im Anhang

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2

Datengrundlage

über verschiedene Phasen von seiner Entstehung bis hin zu seiner Stilllegung oder Wiederbelebung Aufschluss geben. Somit kann die Lebensgeschichte eines Gewässers großenteils erschlossen werden. Eine bodenkundliche Vergleichsanalyse der hier vorgestellten 51 Bohrungen der Flusslandschaft im Großraum Susiana hat ergeben, dass sich in der Tat solche Phasen in den untersuchten Gewässern definieren lassen318 . Das wichtigste Phänomen in Sinne der hier aufgestellten Hypothese ist der Nachweis, dass einige dieser Gewässer einen anthropogenen Direkteingriff im gegebenen Zeitraum aufweisen. Diese anthropogenen Eingriffe können sedimentologisch erkannt werden. Hierbei soll auf den wesentlichen Unterschied einzugehen, der zwischen natürlichen und künstlichen fluvialen Sedimenten besteht. Eine natürliche Sedimentation eines Gewässers weist eine klare Tendenz in der Korngrößenverteilungssummenkurve auf, die es bei einer anthropogen beeinflussten oder verursachten fluvialen Sedimentation fehlt319 . Anthropogene Eingriffe bei einem Gewässer schließen Wiederbelebung eines Altwasserarmes, Eintiefung eines künstlichen Wasserweges, und eine Kombination von den beiden ein. Dadurch wird eine bewusste Manipulation ausgewählter Gewässer zu einem bestimmten Zeitpunkt in dieser Landschaft nachgewiesen, die im Zusammenhang mit der bereits angedeuteten Siedlungsverschiebung im Rahmen der archäologischen Geschichte dieser Siedlungen Sinn ergeben kann. Diese manipulierten Gewässer werden hier unter dem Begriff „Nahr“ zusammengefasst. Mit einem Nahr ist ein kleiner und schmaler Wasserlauf gemeint, der aus der sukzessiven Interaktion von den Menschen und der Flusslandschaft entsteht. Der Ausgangspunkt eines Nahrs kann die Absicht sein, ein bereits bestehendes Fließgewässer zu begradigen oder das Wasser in eine gewünschte Richtung für die Siedlung umzuleiten. In manchen Fällen werden vorhandene Altflussarme oder Nebenflussläufe in eine gewünschte Richtung umorientiert. Der dadurch entstandene Nahr wird allmählich Teil des vorhandenen hydraulischen Systems. Es lassen sich dadurch Veränderungen der Sedimentation und Fließrichtung in dem Nahr feststellen.

318 Diese

Arbeit behauptet nicht, diese Lebensgeschichten aller untersuchten Gewässer rekonstruiert zu haben. Selbstverständlich kann die Lebensgeschichte eines Gewässers nicht durch einzelne Bohrungen vollständig rekonstruiert werden. Dazu werden mehrere Bohrungen benötigt, die ebenso durch absolute Datierung in einem zeitlichen Kontext gestellt werden sollten. 319 Siehe Anhang für die Bohrungen und Laboranalysen

2.3 Manipulation und Migration der Gewässer

87

Zusammengefasst wird der Nahr als ein Hybrid verstanden320 , der sich aus den anthropogenen Eingriffen in die Flusslandschaft und den Reaktionen der Flusslandschaft auf diese Eingriffe zusammenstellt321 . Hier werden Nahrs und ihre Merkmale aus sedimentologischer Sicht im Vergleich zu natürlichen Gewässern diskutiert. Diese Erläuterung soll als Grundlage zur Bestimmung von Sedimenten als mögliche Nahr-Sedimente für spätere Untersuchungen dienen. Das heißt, künftig festgestellte Nahrsedimente können als indirekte Indizien einer anthropogenen Manipulation und somit als Indizien einer kulturellen Praxis verstanden werden. Somit können Atiq, Shaur, und Gargar definitiv als ursprünglich natürliche Gewässer und Altflussarme verstanden werden, die durch Phasen anthropogener Eingriffe und bewusster Manipulation zu den heutigen Hybriden oder gar Artefakten wurden, die hier als Nahr definiert werden.

320 In

dieser Hinsicht folgt die Autorin Edgworth – Benjamin 2017, 166: „…rivers are complex entanglements of artificial and natural forces—hybrid forms that are neither natural nor cultural, neither human nor nonhuman, neither social nor material, but confluences or mixtures of all these.“ 321 Die Idee der verflochtenen Fließgewässer aus natürlichen und anthropogenen Genesen ist nicht neu. Bereits Hansman hat 1970 in seiner Dissertation über diesen Landschaftsraum darauf hingewiesen. Leider fanden diese Ideen weniger Gehör in der traditionellen Archäologie der Region.

3

Diskussion

Die Frage nach der räumlichen Entwicklung der Siedlungen in der Entstehungszeit erster urbaner Räume ist nicht neu. Doch der Diskurs scheitert an der vagen und komplexen Natur des Urbanen1 . Jedoch darf das Thema nicht einfach aufgrund seiner Komplexität vernachlässigt werden. Daher wurde hier nur ein Aspekt dieser Fragestellung aufgegriffen: der Landschafswandel der Flusslandschaft als der dominante Landschaftsraum in diesem Gebiet. Das Hauptaugenmerk der geoarchäologischen Untersuchung liegt auf diesen Landschaftsraum, da er sich räumlich klar definieren lässt. Dadurch können die darin enthaltenen Prozesse deutlich und messbar untersucht werden.

3.1

Überprüfung der Hypothese

Bei der Hypothese wurde angenommen, dass die allmähliche westliche Verlagerung der Siedlungsräume im Zeitraum vom 5. bis zum 2.Jt.v.u.Z. im Großraum Susiana mit der ebenso westlich-gerichteten Migration der Fließgewässer zusammenhängt2 . Zudem wurden die Veränderungen3 der Küstenlinien des Persischen 1 Siehe

Smith 2009 für Childe’chen Beschreibung und die zehn-Punkte-Definition sowie für die kulturellen Hintergründe dieses Diskurses; Siehe Zeder 1988 für den Stand der Fragestellung „Urbanisierung“ in der vorderasiatischen Archäologie bis hin zu den 1990er Jahren; Siehe Creekmore 2014 für eine theoretische Diskussion des urbanen Raumes im Obermesopotamien des 3.Jt.v.u.Z. 2 Die Interaktion von Siedlungen und deren Flusslandschaften im 3.Jt.v.u.Z. anhand geoarchäologischer Analyse wurde separat behandelt. Siehe Rashidian 2019 3 Ob diese allmählich oder drastisch stattfanden, bedarf weiterer Analysen, die dem Rahmen dieser Arbeit sprengen. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Rashidian, Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62358-9_3

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90

3

Diskussion

Golfes um jene Zeit als der direkte Auslöser der Nord-Süd-Aufbereitung der Siedlungsgruppen angenommen. Im Mittelpunkt der Hypothese steht die beidseitige Interaktion von Siedlung und Fließgewässer in einem von deren Gleichgewicht geprägten Landschaftraum zum gegebenen Zeitpunkt. Es gilt zu überprüfen, ob sich direkte Einflüsse dieser Interaktion zwischen den jeweiligen Siedlungen und deren umgebenden Flusslandschaft nachweisen lassen. Im ersten Kapitel wurde angenommen, dass diese Interaktion stets die räumliche Entwicklung der Siedlung prägt und zu messbaren Veränderungen in der Flusslandschaft beiträgt. Hier wurde argumentiert, dass in diesem Zeitraum die Prozesse der Siedlungsverschiebung und die der Flussmigration miteinander korrelieren und durch ihre sukzessive Interaktion den Fortbestand dieser Korrelation veranlassen. Dies erweist sich in den aufeinanderfolgenden Aktionen und Reaktionen der einzelnen Gewässer und der räumlichen Entwicklung der betroffenen Siedlungen. Um dies zu überprüfen, wurde ein Interaktionsmodell entwickelt, das diese Korrelation rekonstruiert und über mögliche Folgen Aufschluss bietet. Die Ergebnisse werden im Folgenden beschrieben.

3.2

Das Interaktionsmodell

Das hier aufgrund der Auswertung erzeugter Daten entstandene Interaktionsmodell basiert auf der Grundidee der Nischenkonstruktion4 und dem Konzept der Panarchie5 . 4 Siehe

Odling-Smee – Laland – Feldman 2003 Allen u. a. 2014, 127: „The concept of panarchy provides a framework that characterizes complex systems of people and nature as dynamically organized and structured within and across scales of space and time.“; Van de Noort 2013, 30; Siehe Table 1: Allen u. a. 2014 für die Hauptaspekte dieser Gegenwirkung. Seit ihrer Formulierung in den 70er Jahren (siehe Holling 1973) wurde die sogenannte „Theorie der Resilienz“ zu einem beliebten Konzept in der Deutung archäologischer Prozesse. Der große Vorteil dieses theoretischen Rahmens liegt an seiner Fähigkeit, höchst dynamische Verhältnisse – zum Beispiel die vielfältige Landschaftsnutzung frühgeschichtlicher Gesellschaften – über längere Zeit zu verdeutlichen (Adams 1978, 333). Diese Theorie kann demnach als ein Werkzeug in der Archäologie verwendet werden, um die materielle Kultur und ihren Wandel in Beziehung zu Menschengruppen in Form von sogenannten „adaptiven Zyklen“ darzustellen. Zusammengefasst gilt folgendes: jeder denkbare Prozess kann in einen adaptiven Zyklus veranschaulicht werden. Dazu sollen mindestens ein Parameter oder einen Faktor definiert werden, welcher sich über die ganze Zeitspanne 5 Siehe

3.2 Das Interaktionsmodell

91

Demnach ist jede räumliche Änderung der Siedlung – zum Beispiel die Verschiebung der Besiedlungsfläche in eine Richtung – entweder eine Reaktion auf die veränderte Flusslandschaft, oder sie verursacht wiederum eine Reaktion der Flusslandschaft. Dadurch ergibt sich insgesamt über längere Zeit eine Kettenreaktion, die sich in diesem Zusammenhang beobachten lässt. Die Summe dieser Kettenreaktionen führt zu einem Landschaftswandel, sodass die ursprüngliche Form der Flusslandschaft maßgeblich umgestaltet wird und eine neue Landschaft entstehen lässt. Dieses Interaktionsmodell erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zudem ist der Zeitraum dieser Interaktion auf drei Jahrtausende beschränkt. Vor dieser Zeit können wir aufgrund der heutigen Datengrundlage keinen großräumigen Landschaftswandel im Zusammenhang mit anthropogenen Eingriffen sowie keine räumlichen Muster der Siedlungsverschiebung feststellen6 . Die Zeit nach diesem Zeitraum ist jedoch von einer Reihe sehr komplexer kultureller wie landschaftlicher Wandel geprägt. Ab dem 2.Jt.v.u.Z. wird die räumliche Gestaltung von Wohnraum und Landschaft direkt durch zentrale Staaten umgesetzt. Daher kann dieses Interaktionsmodell nur die Zeit zwischen dem 5. und 2.Jt.v.u.Z. darstellen. Ferner ist zu beachten, dass dieses Modell ausschließlich mit den Daten der geomorphologischen Gegebenheiten des Großraum Susiana geprüft wurde. Auf eine Vergleichsanalyse mit dem benachbarten Südmesopotamien wurde bewusst verzichtet. Dies hat den sehr unterschiedlichen Landschaftscharakter der beiden Regionen zu Grunde7 . Die südmesopotamische Landschaft wird durch zwei große Hauptflüsse geprägt, welche eine sehr flache und niedrig gelegene8 Auenlandschaft in einem dieses Prozesses einheitlich quantifizieren lässt. Bei der Ableitung der folgenden Interaktionsmodelle in dieser Arbeit wird ein ähnliches Konzept vorgestellt. Hierbei wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, ob sich die Sedimentfracht in der Flusslandschaft als einen solchen Faktor eignen lässt. 6 Es ist aber anzunehmen, dass die neolithische Besiedlung im Untersuchungsgebiet zu entscheidenden Veränderungen in der Landschaft beigetragen hat. Hierzu kann Domestizierung von Flora und Fauna als Beispiel gelten. Für eine theoretische Diskussion hierzu siehe C. Witmore. The End of the Neolithic? At the emergence of the Anthropocene. In: S. Pilaar Birch (Hrsg.) Multispecies Archaeology. Routledge (London u. New York 2017): 26–46 7 So wie der Großraum Susiana in der kulturhistorischen Archäologie unter falschen Angaben mit seinem berühmten Nachbar – Mesopotamien – verglichen und mesopotamischen Konzepte auf diesen Raum projiziert wurden, so hat auch Mesopotamien im 19. Und 20.Jh. unter Fehlinterpretationen der Ägyptologen gelitten. Siehe Nissen 2012, 8 für eine kurze Diskussion dieser Tatsache. 8 Von −1 ü.M. bei Basrah bis 37 ü.M. bei Baghdad

92

3

Diskussion

Raum von etwa 120.000 qkm9 versorgen. Hingegen wird der Großraum Susiana von vier Hauptflüssen und zahlreichen Nebenflüssen wie kleineren Fließgewässern geprägt, welche eine deutlich höher gelegene10 Landschaft mit vielen Erhebungen und Vertiefungen durch pleistozäne Höhenzügen in einem Raum von etwa 65.000 qkm bewässern. Das Relief sowie die Bodenbeschaffenheit der beiden Regionen verhindern eine gemeinsame Basis von Geodaten für eine Vergleichsanalyse dieser Art. Hinzu kommt die in dieser Arbeit vertretene Ansicht, dass die beiden Regionen auch in ihren kulturellen Prozessen separate – wenn auch oft parallele – Wege gegangen sind11 . Daher wird von einer solchen Vergleichsanalyse abgesehen. Außerdem wird hier ein sozio-politischer sowie gesellschaftswirtschaftlicher Auslöser bei der genannten Siedlungsverschiebung ausgeschlossen. Selbstverständlich können individuelle und politisch-geprägte Motivationen der damaligen Entscheidungsträger für die räumliche Entwicklung der jeweiligen Siedlungen von Bedeutung gewesen sein. Dennoch konnten jene Entscheidungen nicht außerhalb der Gegebenheiten der Landschaft realisiert werden. Sogar eine bewusste Entscheidung zur Verlagerung eines Gewässers oder Verschiebung einer Siedlung aus politisch-motivierten Gründen konnten ausschließlich innerhalb des von der Landschaft vorgegebenen Rahmen bestehen. Daher steht ein landschaftsbezogenes Modell der Siedlungsverschiebung keineswegs einen solchen Einzelfall von bewusster großräumiger Manipulation entgegen. Des Weiteren wird hier keine Aussage bezüglich des ersten Auslösers der beiden Prozesse (d. h. Flussmigration und Siedlungsverschiebung) getroffen. Dies hat einen pragmatischen Grund. Durch die Beschränkung auf einen Zeitraum wird nicht die gesamte angenommene kausale Kette, sondern einen Teil davon betrachtet. Daher kann nicht von einem Ausgangspunkt oder einen ersten Auslöser die Rede sein. Ob die ursprüngliche Verschiebung der Gewässer die westlichgerichtete Siedlungsverschiebung angestoßen habe, bleibt nach dem heutigen Stand unklar. Daher wird hier auf eine solche Aussage verzichtet. Das Interaktionsmodell wurde auf Grundlage mehrerer Daten zusammengestellt. Hierzu gehören die Laborergebnisse aus den 525 erzeugten Bodenproben, die aus 51 Bohrungen von einer Tiefe von null (Oberfläche) bis elf Meter gesammelt wurden. 9 Diese

Zahl ergibt sich wie folgt: Abstand von Baghdad – Basrah und von Najaf – Amarah, also 445 km × 270 km 10 Von 18 ü.M. bei Ahvaz bis 150 ü.M. bei Dezful 11 Siehe Wilkinson – Rayne – Jotheri 2015 für eine ähnliche Vorgehensweise im mesopotamischen Landschaftsraum

3.2 Das Interaktionsmodell

93

Die Korngröße sowie die elektrische Leitfähigkeit waren ausschlaggebende Eigenschaften bei der Deutung und Genese der vorgefundenen Sedimente. Der Sortierungsgrad wurde als Parameter für eine Sedimentgenese verwendet. Das Relief sowie das Gefälle und das allgemeine Höhenmodell wurden durch Methoden der Fernerkundung für die jeweiligen Räumlichkeiten ermittelt. Satellitenaufnahmen, ältere Luftbildaufnahmen sowie erzeugte Feingeländeprofile vor Ort dienten einer Vervollständigung der Datengrundlage. Hiermit konnten die verschiedenen Aspekte der untersuchten Flusslandschaft herausgearbeitet werden, um einen soliden Rahmen für die Anwendung der Hypothese auf die archäologische Beweislage zu verschaffen. Um die Hypothese zu überprüfen, sind einzelne Fließgewässer in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Ein gutes Beispiel liefert das Fließgewässer Shaur. Hier ist bezüglich seiner Genese eine große Frage zu klären. Die umstrittene Genese dieses kleinen schmalen und sehr geraden Flusses wurde oft diskutiert. Hauptsächlich wird er für den Nachfolger eines künstlich angelegten Kanals vom sassanidischen König Shapur I gehalten. Dadurch wird er in das 3.Jh.n.u.Z. datiert. Dies bedeutet, Shaur sei aus hydraulischer Sicht ein sehr junger Fluss. Diese Annahme scheint dennoch sehr vereinfacht, wenn die komplizierte Hydraulik dieses Gewässers sowie dessen unzertrennliche Verbindung zu Karkheh und Dez mitbetrachtet werden. Bei einer genaueren Untersuchung der Landschaft entlang dieses Flusses werden Indizien für Vorläufer des heutigen Shaur gefunden. Etwa 2,5 km nördlich der heutigen Quelle des Shaur finden sich trotz der intensiven Landwirtschaft immer noch Spuren einer früheren mäandrierten Wasserführung. Zusätzlich zu den antiken, teils bekannten, Kanälen aus dem 1.Jt.v. bis zum 1.Jt.n.u.Z. finden sich auch mindestens zwei mäandrierte Bäche, welche mit vor- und frühgeschichtlichen Siedlungen in Verbindung gebracht werden können. Die nördlich von Susa gelegenen Fundorte12 am östlichen Ufer des heutigen Shaur weisen eine Besiedlung von Früh-Susiana bis zur arsakidischen Zeit auf. Die Auswertungen der Satellitenaufnahmen zeigen mehrere frühere Abweichungen des Flusslaufes in dieser Gegend. An der Stelle von zwei Fundorten13 kann ein früherer Flussarm beobachtet werden, durch den vermutlich die früheren Dezund Shaur-Gewässer in Verbindung standen. Die zwei künstlichen Kanäle einer früheren Wasserführung von Shaur durch den Shaur-Höhenzug etwa 14 km und 20 km SO von Haft Tappeh sind eindeutige Beweise für spätere Manipulationen des Gewässers in der Blütezeit der antiken Urbanisierung in dieser Region. Diese sassanidischen Historisches 12 Jowi, 13 von

Band-e Bal, Djaffarbabd Mohammad Agha bis Djaffarabad

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3

Diskussion

Hydraulisches Systeme beeinflussten aber nur Teile eines größeren Fließgewässers, die aus hydraulischer Sicht viel älter – und geomorphologisch reifer – zu sein scheint. Etwa 5 km SW von Haft Tappeh wurden nicht fluviale Sedimente unterhalb von 12 m Flusssedimenten dokumentiert, die für einen jahrtausendalten Flusslaufausriss (Avulsion) sprechen. Der Harmushi Nahr zweigt zweifellos bei Pay-e Pol von Karkheh ab und fließt parallel zu Shaur in Richtung SW. Er hat keine geomorphologischen Spuren auf dem Boden hinterlassen (zwischen Sanjar und Tel Siya). Dies spricht für ein sehr junges Alter dieses Gewässers. Hingegen können die fluvialen Sedimente von Shaur sehr gut auf Geländehöhenmodellen erkannt werden. Abgesehen von dem heutigen Flussbett sind auch fossile Spuren vorhanden, die nach dem Davis’schen Gesetz14 ein junges Alter für den heutigen Shaur ausschließen. Dabei ist bei der Auswertung der erzeugten Daten die Existenz von mindestens einem heute verschwundenen Gewässer zwischen Karkheh und Shaur nachgewiesen worden15 . Der Nahr-e Atiq wird im Allgemeinen auch als ein künstlich angelegter Kanal und ein Zweig des Harmushi verstanden. Diese Annahme ist umstritten. Aufschlussgebend dabei ist seine Lage nördlich von Haft Tappeh. Denn Atiq teilt die vorgeschichtliche Siedlung Abu Fanduweh in zwei Bereiche und fließt mit einem etwa 90 Grad Winkel in die südliche Richtung nach Haft Tappeh weiter. Die fluvialen Spuren dieser Wasserführung sind zwar sehr tief und auf dem Geländehöhenmodell erkennbar, sie unterscheiden sich jedoch von der von Shaur in ihrer Bodenbeschaffenheit. Im Gegensatz zu Shaur finden sich bei Atiq an keiner Stelle Geröllbettsedimente oder gar Grobsand binnen des fluvialen Sedimentpakets16 . Demnach wird hier für Atiq eine künstliche Genese angenommen, während Shaur von einer natürlichen und viel älteren Wasserführung herrührt. Bezüglich des Alters dieses Nahrs ist eine Besonderheit zu erwähnen: In Abu Fanduweh trennt dieser Nahr den Uruk-Bereich von der restlichen Siedlungsfläche. Die Ergebnisse der Untersuchungen zu Abu Fanduweh legen einen Ursprung um diese Zeit des 4.Jt.v.u.Z. nahe. Solche Wasserwege befinden sich interessanterweise auch bei anderen Siedlungen, die eine sogenannte urukzeitliche Besiedlung beinhalten, Zum Beispiel bei Abu Chizan im Ostkorridor. Ob dies eine typische räumliche Konstruktion damaliger Zeit war, oder durch die freien Flächen zwischen den urukzeitlichen Bereichen und den Rest der Siedlungsfläche in einer späteren Zeit entstanden ist, lässt sich hier nicht klären, bietet aber eine spannende Fragestellung für weitere Untersuchungen. 14 Butzer

1976, 9 nach Davis 1899 HT4 16 Vgl. HT1, AF2, AF3 mit HT3, AF4, AF5 15 Siehe

3.2 Das Interaktionsmodell

95

Die Datengrundlage ist nicht homogen. Die starke Erosion des östlichen Großraum Susiana verhindert eine Fernerkundung in der Umgebung von Abu Chizan und Samirat. Dieses heutige Ödland am Fuße des Zagros-Hanges im Ostkorridor war aber während des 5. bis 2.Jt.v.u.Z. zweifellos eine blühende Landschaft, welche einen Landschaftsraum mit großflächigen Siedlungen und funktionierenden Handelsrouten bildete. Diese wurde durch eine Auswertung der neulich publizierten Ergebnisse archäologischer Untersuchungen festgestellt. Dazu wurden die heute trockenen saisonalen Gewässer um diese Siedlungen auf ihre fluviale Geschichte untersucht. Die Bohrungen und Bodenprofile zeigen eindeutige Abweichungen in der Hydraulik von heute und damals, die sich in den Unterschieden der Sedimentpakete widerspiegeln17 . Demnach wird nahegelegt, dass der heutige trockene Naft damals als ein permanentes Hauptgewässer die Hydraulik dieser Landschaft vor ihrer Verödung prägte. Dazu können räumliche Erweiterungen und Siedlungsverschiebungen innerhalb dieser Flusslandschaft erkannt werden. Ein Kanal unmittelbar an Samirat und Spuren von einem anderen Kanal NO des Abu Chizan weisen auf eine Interaktion mit der damaligen Flusslandschaft hin. Demnach erlebte der Ostkorridor eine ähnliche sozioökonomische Entwicklung wie der westliche Raum von Susiana, bis die Landschaft nicht mehr dazu geeignet war. Was zu dieser Verödung geführt haben könnte, lässt sich bei aktuellem Stand der Forschung nur vermuten18 . Fakt ist, dass diese Landschaft – abgesehen von Phasen der Siedlungsrückentwicklung in Susa II und der achämendischen Zeit – eine stetige sozioökonomische Fortentwicklung durch das 5.Jt.v. bis hin zum Mittelalter erlebte. Die Rohstoffe wie Bitumen und Marmorstein in der unmittelbaren Umgebung sind dabei als bestimmende Faktoren der wirtschaftlichen Blütezeit der östlichen Flusslandschaft zu betrachten. Bei der Untersuchung der hydraulischen Gegebenheiten im vor- und frühgeschichtlichen Großraum Susiana muss beachtet werden, dass diese Region in den späteren Perioden – besonders im 1.Jt.n. – intensive Phasen der Siedlungsentwicklung und eine großräumige Wasserverwaltung erlebte. Daher sind Spuren dieser späteren Zeit noch sichtbar und verwischen die älteren Spuren bis zu einer völligen Unerkennbarkeit. Die übriggebliebenen Spuren lassen sich aufgrund der heftigen Sedimentation der jüngeren Zeit an manchen Stellen kaum noch nachvollziehen. Die Satellitenaufnahmen zeigen oft ein Labyrinth der fossilen Mäander, die sich ohne weiteres nicht chronologisch und geomorphologisch anordnen lassen. 17 Vgl.

AC1, AC2 und SR1 Rashidian 2017 für eine Diskussion dieser Annahme

18 Siehe

96

3

Diskussion

Eine Landschaftsrekonstruktion ist nur durch extensive Geländebegehungen und hunderten Datierungsproben möglich und bedarf einem jahrelangen Großprojekt. Viel wichtiger für diese Arbeit sind aber punktuelle Veränderungen in der Flusslandschaft, die sich als Einzelfälle relativ gut rekonstruieren lassen. Bei der Analyse dieser Punkte19 wird eine Besonderheit deutlich. Die damalige Landschaft scheint von vielen kleineren Bächen und Gewässern geprägt zu sein. Außerdem scheinen die drei Hauptflüsse im nördlichen Bereich des Großraum Susiana gleichzeitig in mehreren Flussbetten zu fließen. Von daher waren die Flussebenen rechts und links des heutigen Flussbettes teils unbesiedelt. Die Bohrungen an jenen Stellen zeigten Indizien von heftigen periodischen Überschwemmungen auf der gleichen Horizonthöhe wie die umliegenden Siedlungen20 . Anders ist es in der Naft-e Sefid Region, in der die heutige Landschaft von vielen Wasserrinnen geprägt ist. Hier wird vermutet, dass Abu Chizan und Samirat in deren Besiedlungszeit von einer völlig anderen Landschaft umgeben waren. Es wird mittels DGM und durch einen Vergleich der vorgefundenen Sedimentpakte an ausgewählten Stellen21 ein mögliches fossiles Bett für den Paläo-Naft-Gewässer vorgeschlagen22 . Dieses Beispiel bestätigt die Annahme, dass der Landschaftswandel in jedem definierten Landschaftsrum in dieser Region unterschiedlich und stark von der jeweiligen Flusslandschaft abhängig war. Die Hypothese wurde in dieser Hinsicht bestätigt, da die Anwesenheit mehrerer Kleinbäche in der unmittelbaren Umgebung jeder Siedlung festgestellt wurde. Diese konnte in meisten Fällen durch die Existenz oder Abwesenheit von einem Geröllbett als natürlicher Bach oder künstlich angelegter Kanal sortiert werden23 . Dennoch wurden diese Funde zum Zweck der Vereinheitlichung in der ganzen Arbeit als Nahr bezeichnet, der ein neutraler Begriff ist und die Genese des Gewässers nicht berücksichtigt. Die Untersuchungen zeigen, dass die Flusslandschaft der unterschiedlichen hier untersuchten Siedlungen in der Tat verschiedene Eigenschaften besitzt, sogar wenn es um zwei Stellen entlang desselben Flusses geht. Demnach kann der Fluss

19 Durch

Fernerkundung. Siehe dazu Kapitel 2 u. a. DK5 für Gargar, DN3 und DN4 und SA2 und SA3 für Dez, AF6 und AF7 für Shaur, BG3 für Karun, CM2 und CM4 für Shur, SJ5 und SJ7 für Karkheh 21 Bohrungen AC1, Ac2, BG1, BG2, BG3, DK5, SR1 22 Siehe Rashidian 2017 für eine ausführliche Erläuterung dieses Vorschlags 23 Siehe die Zusammenfassung der erwähnten Bohrungen bei den Siedlungen im Anhang 20 Siehe

3.2 Das Interaktionsmodell

97

im Großraum Susiana nicht nach dem Beispiel von RCC-Modell als ein Kontinuum24 mit allgemeinen Eigenschaften von Quelle zur Mündung verstanden. Hingegen wird der Fluss nach dem RES-Modell25 als ein System von mehreren kleineren eigenständigen Stellen betrachtet. Somit warden Flüsse wie folgt beschrieben: „Rivers are composed of patchy discontinua, where the community responds to local features of the fluvial landscape“26 . Diese sind die sogenannten Funktionszonen. Aus dieser Vorgehensweise kann für die Untersuchung der Siedlungsdynamik einer Flusslandschaft folgendes herausgearbeitet werden: Die Suche nach einer Siedlungsdynamik entlang eines Flusses ist vergebens. Denn nicht der Fluss als Hauptmerkmal ist für die Herausbildung einer Siedlungsdynamik ausschlaggebend, sondern die Flusslandschaft als ein ganzes System. Sie besteht aus dem Fluss im Kontext von deren Lage (Oberlauf, Mittellauf, Unterlauf, Nebenfluss), deren Geomorphologie (Flachland, Tal, Hochland, Höhenzug) und deren räumlichen Verbindung zu benachbarten Flussnetzwerken (Flussaltarm, Altwasser, Karstlandschaft27 ). Insgesamt kann nicht von einer Siedlungsdynamik entlang eines Flusses ausgegangen werden. Die jeweiligen Flussteile müssen in Bezug auf ihre Flusslandschaft behandelt werden. Hier wird eine Siedlungsdynamik der jeweiligen Flusslandschaft zugrunde gelegt, da Flüsse als solche nur einem Teil der Flusslandschaft als ein System entsprechen. Nachdem der Rahmen der Hypothese überprüft und dessen Gültigkeit bestätigt wurde, gilt es diesen Rahmen auf die jeweiligen Siedlungen zu projizieren und daraus ein individuelles Interaktionsmodell für jeden Fundort abzuleiten. Ein Vergleich dieser herausgearbeiteten Modelle kann zur Erkennung ganzheitlicher Muster in der Siedlungsdynamik dieser Region führen. Zur Berechnung der quantitativen Daten für das Interaktionsmodell wurden Methoden der Geomorphologie sowie der Hydraulik angewandt. Dazu gehören „erosionsgefährdeter Flur“ und Siniuosität28 . Im Folgenden werden die jeweiligen Fallbeispiele in ihrem Interaktionsmodell diskutiert.

24 Vannonte

1980 u. a. 2006 26 Thorp u. a. 2006, 125 27 Siehe Djamali u. a. 2018 zu der Karstlandschaft im Zagros und deren Einfluss auf die Siedlungsdynamik im Südiran 28 Siehe Anhang für nähere Informationen 25 Thorp

98

3

Diskussion

Abu Chizan Die etwa 8 ha große Siedlung von Abu Chizan war von spät-mittel-Susiana bis zu mittel-Uruk ununterbrochen besiedelt. Abu Chizan liegt im östlichen Raum des Großraum Susiana am Zagros-Hang in der ölreichen NaftSefid Region. Als die bisher größte bekannte Siedlung in dieser Region wird Abu Chizan einer ähnlichen zentralen Rolle wie Chogha Mish und Abu Fanduweh in diesem Zeitraum zugeschrieben. Sechs topographische Zonen der verschiedenen Besiedlungsflächen sind auf dem Hügel erkennbar. Dazu ist der sogenannte Uruk Bereich am SO dieser Siedlung und durch eine etwa 3,5 m tiefe und etwa 1,5 m breite Rinne von dem Rest der Fläche getrennt. Diese Rinne wird hier der „Ost-Nahr“ genannt. Es liegt nahe, dass das heutige trockene und stark erodierte Ödland um Abu Chizan die Folge eines späteren Landschaftswandels ist. Die Ursachen dieses späteren Landschaftswandels wurden anderswo vertieft diskutiert29 . Die archäologische Beweislage lässt dieses Ereignis im 1.Jt.n.u.Z. vermuten. Dementsprechend ist die umliegende Hydraulik anders zu betrachten. Heute liegt der Hügel am östlichen Flussufer von einem saisonalen Gewässer, welchen an einer NO-SW-Achse das Oberflächenwasser aus den Zagros-Gebirgen durch diese Landschaft bis hin zum heutigen Naft Fluss transportiert. Parallel zu diesem Gewässer fließt etwa 2,5 km östlich der Siedlung ein ähnliches größeres saisonales Gewässer. Die beiden Gewässer umrahmen die Siedlung von Osten und Westen. Der Naft fließt an dieser Stelle südlich der Siedlung und trägt die Sedimente und das Wasser der beiden Gewässer mit zum Gargar. Das hier aufgestellte Modell zeigt die allmähliche Migration dieser zwei Gewässer nach NW, während der Ost-Nahr als eine im 4.Jt.v.u.Z. künstlich angelegte Rinne in Verbindung mit dieser Hydraulik verstanden wird. Dabei zeigt sich eine allmähliche Verschiebung der Besiedlungsfläche nach SO, also weg vom Om Saleh und hin zu Hassan Shahi. Unter anderem weist der Fund eines fossilen Geröllbettes etwa 2 km nördlich der Siedlung auf diese Verschiebung hin. Dabei ist zu beachten, dass die ursprüngliche Form der beiden Gewässer aufgrund der starken Erosion der späteren Zeit nicht ermittelt werden kann. Dennoch können die in den Bohrungen erfassten fluvialen Sedimente das hohe Alter von Om Saleh bestätigen. Außerdem ist der Ost-Nahr als einen Zweig von Hassan Shahi zu verstehen. Demnach wird hier die spätere Erosion als die Genese dieser zwei Gewässerbetten ausgeschlossen. Selbstverständlich hat aber diese zu einer grundsätzlichen Veränderung deren Flussterrassen beigetragen, sodass heute keine hydraulischen 29 Rashidian

2017

3.2 Das Interaktionsmodell

99

Reliefs wie Terrassen oder klassische Flussufer entlang dieser zwei Gewässer zu erkennen sind. Hinsichtlich des Naft Flusses wird ebenso eine Flussmigration vermutet. Die bisherigen Geo-Daten reichen nicht, um diese vollständig zu erfassen. Dennoch liegt aus den folgenden Gründen eine allmähliche Verschiebung in NO Richtung innerhalb des Flussbettes nahe: (1) Das heutige Flussbett des Naft ist an dieser Stelle etwa 50 m breit, also zwölfmal breiter als das aktive Flussbett von dem heute größten Fluss im Susiana – Karun. Sogar wenn ein ähnliches Wasservolumen in Naft angenommen wird, kann dieses Bett nicht durch ein einziges Gewässer abgetragen worden sein. Eine allmähliche Abtragung des westlichen Flussufers ist also denkbar. (2) In den letzten Jahren hat der Naft Fluss mehrere qm Sediment von diesem Prallhang abgetragen. Dies lässt sich an mehreren Stellen entlang dieses Flussufers in den letzten Jahren feststellen. Die Richtung dieser allmählichen Erweiterung des Flussbettes kann daraus erkannt werden. Der Fund einer fossilen Kanalfüllung südlich des Hügels etwa 6 m unterhalb der heutigen Oberfläche zeigt das Ausmaß der starken Erosion dieser Gegend. Weitere Grabungen sind zu Datierung dieses Kanals nötig. Dennoch ist die Richtung dieser künstlichen Wasserführung hinsichtlich der Hydraulik der Gegend ausschlaggebend. Aus der archäologischen Beweislage wurde eine nach Südosten gerichtete Verschiebung der Besiedlungsfläche ermittelt. Demnach war der südliche Raum des Hügels im 4.Jt.v.u.Z. besiedelt. Der Kanal gehörte somit in ein innerräumliches hydraulisches Netzwerk, welches wohl direkt aus dem Ost-Nahr abgeleitet wurde. Die Existenz dieses vermuteten Kanalsystems im Zusammenhang mit dem östlichen Gewässer deutet darauf hin, dass die westliche Wasserführung langsam für die Siedlung ungünstig wurde. Der Grund für diese Annahme sind beobachtete Sedimentpakete fluvialer Natur innerhalb der Kulturschichten aus dem Ende des 5.Jt. westlich der Siedlung und das Fehlen solcher Sedimente aus den Schichten der 4.Jt.v.u.Z. östlich der Siedlung. Insgesamt scheint die Abu Chizan Siedlung in ihrer Interaktion mit den beiden Gewässern eine allmähliche Verschiebung weg von dem häufig überschwemmten Om Saleh hin zu dem stabileren und tiefer gelegenen Hassan Shahi erlebt zu haben. Die Bitumen-Werkstätte und Keramik-Töpfereien wurden durch das künstlich angelegte Kanalsystem in Verbindung mit diesem tief gelegenen Flussbett mit Wasser versorgt.

100

3

Diskussion

Nach diesem Modell ist eine Interaktion der Abu Chizan Siedlung mit deren damaligen Flusslandschaft in Form von ständiger Verschiebung der Besiedlungsfläche in sukzessivem Abstand zu dem gefährdeten Flussufer sowie der Manipulation der Wasserführung zum Erhalt der Wasserversorgung des WerkstättenBereichs deutlich erkennbar. Die Siedlung bleib durch eine Anpassung an die Flusslandschaft und zielgerichtete Manipulation erhalten. Zu der Siedlungsaufgabe in der mittel-Uruk Zeit liegen keine archäologischen Beweise vor. Die bisherigen archäologischen Erkenntnisse schließen eine gewaltsame Zerstörung der Siedlung aus. Die letzten Kulturschichten sind von einer mächtigen Sedimentation begraben. Dies liegt eine natürliche Ursache nahe. Die Sedimentfüllung der beiden im Profil erkannten Wasserkanäle zeigt eine deutliche Veränderung der Hydraulik. Hier sind gutsortierte mittelfeine Sandschichten von mächtigen Schlammschichten und sehr feinen Schichten aus rotem Mergel bedeckt. Die erste ist ein typisches Sediment eines Kanals mit ständiger Wasserführung, während die oberen Schichten einer wechselhaften Wasserführung mit weniger Wasservolumen entsprechen. Diese und andere Beobachtungen deuten darauf hin, dass ein Zusammenbruch im Oberlauf des Naft-Fließgewässernetzwerks eine stetige Wasserführung für die Siedlung verhinderte. Nach diesem Modell brachen an dieser Stelle auch das Gleichgewicht der Siedlung und der Flusslandschaft zusammen. Demnach wurden andere Orte näher an dem Naft Fluss besiedelt, um den Handel mit Bitumen fortzusetzen. Abu Fanduweh Diese etwa 12 ha große Siedlung im nördlichen Großraum Susiana war von spätSusiana bis zu spät-Uruk ununterbrochen besiedelt. Sie entwickelte sich in der Susa II Zeit zu einem zentralen Ort in dieser Region. Ende der 3.Jt.v.u.Z. wird die Siedlung aufgegeben. Abu Fanduweh liegt direkt an dem heutigen Nahr-e Atiq, welcher parallel zu Shaur in die südliche Richtung fließt, in einem Zweig den Hügel in zwei Teile durchtrennt und den Shaur erreicht, um dann weiter südlich in Dez zu münden. Abu Fanduweh ist in dieser Hinsicht in direkter Verbindung zu Atiq. Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell verschob sich die Besiedlungsfläche in Abu Fanduweh im 5. bis 4.Jt.v.u.Z. nach Südosten, sodass die Susiana Besiedlung im Norden und der Uruk Bereich am südlichen Hügel liegt. Die Besiedlung verschob sich bis zum Ende des 3.Jt.v.u.Z. weiter in dieselbe Richtung, bevor sie völlig aufgegeben wurde. Mitte des 2.Jt.v.u.Z. übernahm die SO

3.2 Das Interaktionsmodell

101

gelegene Haft Tappeh Siedlung statt Abu Fanduweh die zentrale Rolle in diesem Landschaftsraum. Hier wird vermutet, dass die beiden Siedlungen in ihrer Räumlichkeit eng zusammenhängen, oder gar zusammengehören30 . Hier wird Atiq nicht als ein völlig künstlich angelegter Kanal verstanden, sondern als ein Fließgewässer, welches irgendwann manipuliert und allmählich hin zu diesem heutigen Lauf begradigt wurde. Spuren von fossilen Mäandern direkt östlich dieses Gewässers sowie fluviale Sedimentpakete mit Geröllbett an einigen Schnittstellen von Atiq und diesen Mäanderspuren deuten darauf hin, dass der heutige Atiq das Nachkommen dieses Gewässers ist. Der Grund für diesen anthropogenen Eingriff kann in der dichten Besiedlung zum 5. bis 3.Jt. an dieser Stelle liegen, die eine verbesserte Kontrolle über die Wasserversorgung hervorbrachte. Die im 5.Jt.v.u.Z. besiedelte Satellitensiedlung KS-54 SO von Abu Fanduweh liefert eine relative Datierung für dieses frühere Fließgewässer. Es liegt nahe, dass die allmähliche Migration vom Karkheh Fluss in die westliche Richtung, diese graduale Manipulation ermöglichte. Demnach ist dieser Eingriff in dieses fossile Bett nach dem 5.Jt. zu datieren. Die Besiedlung scheint sich von 4. bis 3.Jt. an dem heutigen Lauf des Atiq orientiert zu haben. Die zu dieser Zeit entstandene kleine Siedlung an Mahi Tepe (KS-98) NW des Haft Tappeh entlang dieses Kanals stützt diese Annahme. Bodenproben weisen darauf hin, dass der OW Nahr31 später ausgebaut worden als der NS Nahr32 . Die turbulente Natur des unteren Shaur Laufes vor den zwei Mäanderphasen legt die Vermutung nahe, dass der Ausbau des Nahr-e Atiq der Regulierung der gesamten Wasserführung in dem Raum zwischen den Flussnetzwerken Karkheh und Dez diente. So konnten die zwei Fließgewässersysteme räumlich verbunden werden, um eventuelle Schwankungen im Wasservolumen zu kontrollieren. Solange der Grabungsbericht zu Abu Fanduweh noch nicht publiziert ist, bleiben viele Aspekte der innerräumlichen Dynamik dieser zentralen Siedlung unklar. Die hier erzeugten Daten haben eine direkte Verbindung zwischen der Besiedlungsverschiebung von Abu Fanduweh mit dem Shaur-Fließnetzwerk festgestellt. Die Siedlung verfolgte den Nahr-e Atiq und wurde vermutlich Ende des 3.Jt.v.u.Z. von der SO gelegenen Haft Tappeh ersetzt.

30 Leider kann diese Hypothese zurzeit nicht untersucht werden, da die Oberfläche der entsprechenden Bereiche durch den Straßenbau und die Infrastruktur des industriellen Zuckerrohr-Projekts völlig gestört oder äußerst starkt umgestaltet wurde. 31 Also der Nahr, welcher der Abu Fanduweh Hügel in zwei Bereiche teilt. 32 AF3 vgl. AF4

102

3

Diskussion

Was zu diesem Ereignis führte und ob das erkannte fossile Bett vom Atiq – westlich des heutigen Laufes – dazu beigetragen hatte, kann hier nur vermutet werden. Es steht fest, dass der Shaur südwestlich von Abu Fanduweh stark mäandrierte und seinem Lauf in der späteren Zeit mehrmals änderte. Abgesehen von der späteren Manipulation am Lauf des Shaur zu einem begradigten Kanal im 1.Jt.n.u.Z. wurde eine Veränderung in Sedimentfracht unterhalb dieses Mäanders festgestellt, die eine Veränderung in der damaligen Hydraulik vermuten lässt. Wie bereits erwähnt, entsprechen die Sedimenten nördlich dieser Stelle einer Zeit der turbulenten Wasserführung in Dez und einer langsamen und beständigen Wasserführung in Karkheh. Da Atiq vom Karkheh abzweigt, könnte diese Situation zeitweise zu einem geringeren Wasservolumen in Atiq geführt haben, infolgedessen der Nahr schneller zu sedimentierte und an seiner Funktion verhindert wurde. Hier wird nahegelegt, dass dieses Ereignis eine weitere Veränderung im Fließlauf von Atiq verursachte. Ohne absolute Datierung gilt diese Annahme nur als Vermutung. Aber diese Zeitspanne könnte eine logische Erklärung zu der Lücke in der Besiedlung zwischen Abu Fanduweh und Haft Tappeh bieten. Demnach dauerte es einige Jahrhunderte bis die Sedimentfracht bei Shaur und Karkheh nach diesem hydraulischen Ereignis viele Mäander verursachte und die Hydraulik deren zusammenhängenden Fließgewässer wie Atiq wieder stabilisierte. So erlebte die Region in der Mitte des 2.Jt.v.u.Z. durch die mittel-elamischen Bauten in Kabnak eine politische Wiederbelebung. Anthropogene Eingriffe zur Beseitigung der Sedimentfüllung am unteren Lauf von Atiq um diese Zeit sind denkbar. Danach ging Atiq eine Interaktion mit Haft Tappeh an. Die wohl künstlich angelegten Teile dieses Kanals, zum Beispiel angegrenzt an dem nördlichen Hügel in Abu Fanduweh, entwickelten sich durch die starke Wassererosion zu natürlichen Bächen und verloren ihre anthropogene Struktur. Aufgrund dessen wir Atiq in dieser Arbeit als Nahr bezeichnet33 . Band-e Ghir Die Region um Band-e Ghir ist bereits wegen ihrer besonderen Hydraulik öfters diskutiert worden. Denn an dieser Stelle münden die zwei heutigen Zweige von Karun, also Shoteit und Gargar, nach ihrer Zweiteilung durch das historische hydraulische System in Shushtar, erneut in ein Bett und treffen direkt mit dem Unterlauf von Dez zusammen. Zu dritt bilden sie den neuen Lauf des Karun, der ab dieser Stelle Karun-e Bozorg genannt wird. Erst seit den Geländebegehungen

33 Siehe

Abschnitt 2.3.

3.2 Das Interaktionsmodell

103

in 2000er Jahren wurde der etwa 2 ha kleine Hügel direkt an dieser Mündung archäologisch erfasst. Heute scheint diese alt-elamische bis mittel-islamische kleine Siedlung im direkten Zusammenhang mit dem Gargar Fluss zu stehen. Denn sie liegt mitten an einem der letzten Mäander dieses Flusses, bevor Gargar den Shoteit und Dez erreicht. Doch ist die historische Existenz der künstlichen Gargar, also des antiken Masruqan Kanals, ein Indiz dafür, dass diese Zusammenführung der drei Fließgewässer viel später als im hier diskutierten Zeitraum geschah. Historischen Quellen kann der spätere Werdegang dieses Kanalsystems im Mittelalter entnommen werden. Der heutige Lauf von Karun unter diesem Punkt ist wohl erst im 14.Jh.n. entstanden, nachdem allmählich viele Kanäle dieses hydraulischen Systems zusammenbrachten und sich der Flusslandschaft anschlossen34 . Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell entstand das Band-e Ghir Fließgewässer ursprünglich als eines der zahlreichen Gewässer, die das Schmelzwasser aus dem Zagros-Hang in den früheren Karun transportierten. Obwohl der aktuelle Landschaftswandel das Gesicht dieser Gegend völlig veränderte, sind Spuren dieses Gewässers unmittelbar östlich der Siedlung und an einigen Stellen an dem Ostufer von Gargar gut erkennbar. Es wird hier angenommen, dass der heutige Gargar an dieser Stelle teilweise in dem früheren Bett dieses Gewässers fließt. Dies ist als ein sekundäres Ereignis in der jüngeren Zeit zu verstehen. Demnach entwickelt sich die kleine Siedlung nach SW in die Richtung des früheren Karun Fließlaufes, der heute an dieser Stelle von dem Shoteit Fluss eingenommen wurde. Die Besiedlungsfläche verschiebt sich bis zum Ende des 1.Jt.v. in diese Richtung. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei der Siedlung DK weiter nördlich dieser Stelle zu erkennen. Band-e Ghir wurde noch nie ausgegraben. Die Oberflächenfunde deuten auf eine kurze Besiedlung bis zu islamischer Zeit. Die Errichtung des Kanalsystems im 1.Jt.v. hat die Sedimentation dieser Gegend maßgeblich verändert, sodass die Siedlung an dieser Mündung nicht weiterwachsen könnte. Weiter nördlich dieser Stelle gewann die sassanidische Stadt Rostaq Kavand (und später die islamische Stadt Askar Mokram) an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung35 . Diese Stadt entstand bekanntlich am Masruqan Kanal. Die Band-e Ghir Siedlung verlor wohl seine Bewohner an dieser etwa 2 km nordöstlich gelegener Großstadt, ohne dass sie sich soweit räumlich weiterentwickeln konnte. Die unstabile Hydraulik an dieser Stelle spielte durchaus eine Rolle bei diesem Vorgang. Diese Dynamik verhinderte die Siedlung an einer räumlichen Erweiterung, besonders nachdem die Mündung der drei Flüsse von 34 Siehe 35 Le

Verkinderen 2015, 233, 255 für die Deutung dieser Quellen bezüglich Band-e Qir Strange 1982, 237

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3

Diskussion

der ursprünglichen 10 km SW gelegene Stelle direkt an dieser Stelle umgelagert wurde. Bei diesem hydraulischen Ereignis verlas Dez seinen mäandrierten Unterlauf und floss direkt an einem seiner weiter nördlicheren Mäander direkt in Shoteit36 . Dieses Ereignis zwang Gargar den Lauf von an einem weiteren Gewässer einzunehmen, welches direkt bei der Siedlung lag. Heute fließt dieses unterhalb von Band-e Ghir etwa 25 km südlich immer noch in Masruqan Kanal, während der Lauf oberhalb von Band-e Ghir völlig mäandrierte und teilweise die bereit damals vorhandenen Gewässerbette aus dem Zagros einnahm. Da diese letzte Veränderung durch OSL in das 10.Jh.n. datiert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass diese Mündung viel später entstand und von daher nicht der damaligen Landschaft um Band-e Ghir entspricht. Die Tatsache, dass in der Antike ein solches historisches hydraulisches System hier erbaut wurde, spricht für eine unstabile Ausgangshydraulik. Band-e Ghir ist also ein Beispiel für Siedlungen, die sich aufgrund ihrer ungünstigen Lage hinsichtlich der Sedimentfracht deren Flusslandschaft nie weiter räumlich entwickeln konnten. So litt die unmittelbare Umgebung dieser Siedlung Jahrtausende lang unter unstabilen und höchst dynamischen hydraulischen Bedingungen, die trotz der neuen und sicheren Wasserführung eine Weiterentwicklung verhinderte. So musste Band-e Ghir aufgegeben werden, da das Gleichgewicht zwischen der Siedlung und ihrer Flusslandschaft nicht wiederhergestellt werden konnte. Chogha Mish Eine der zentralen Siedlungen im Großraum Susiana liegt heute an dem östlichen Raum der Dez-Flusslandschaft am Zusammenfluss der zwei Nebenflüsse von Dez. Chogha Mish wurde mindestens sieben Jahrtausende besiedelt. Eine umfassende Publikation der jahrelangen Ausgrabungen an diesem Ort liegt vor. Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell befand sich bereit vor der Besiedlung in Chogha Mish ein Fließgewässer zwischen dem heutigen Shur-Siah Mansour und dem heutigen Kohnak Flüssen. Diese wurde mittels OSL-Methode in die Holozän Epoche datiert37 . Hier wird er als ein Paläobett von Siah Mansour verstanden, der irgendwann durch die allgemeine westlich gerichtete Flussmigration im Großraum Susiana verlassen wurde. Unteranderem gilt die kleine

36 Eine weitere solche Flussmigration wurde weitere 20 km westlich erkannt, die älter als diese scheint. 37 Siehe Anhang 5.2. für die OSL-Datierung

3.2 Das Interaktionsmodell

105

Satellitensiedlung38 nördlich von Chogha Mish in der Zeit des spät-mittel-Susiana als ein Indiz für die Existenz dieses Fließgewässer. Insgesamt wird hier eine Besiedlungsverschiebung nach NW angenommen, wobei die elamische Siedlung an einem östlichen Kanal und die arsakidische Siedlung an einem westlichen Kanal angrenzte. Beide gelten hier als künstlich angelegte Fließgewässer, deren Spuren heute noch als zwei Nahrs in der Landschaft erkannt werden können. Auf die ungewöhnlich große Anzahl der sogenannten Entwässerungskanäle mit Keramik-Röhren in dem östlichen Bereich der Siedlung wurde bereits hingewiesen39 . Dies wird hier mit der vermuteten Kanalisierung dieser Siedlung aus dem östlichen künstlich angelegten Kanal in der frühgeschichtlichen Zeit in Verbindung gebracht. Demnach konnte sich die Siedlung vom östlichen Bereich in die westliche Richtung räumlich erweitern. Die ähnliche Datierung der Sedimentpakete südöstlich von Chogha Mish und der NW der Siedlung deutet auf einen Vorgänger dieses Kanals als später nach Westen migrierten einen Zweig des Shur Flusses. Eine bestimmte Anomalie auf dem Hügel und an seiner unmittelbaren Umgebung verdient hinsichtlich der Wasserversorgung an dieser Stelle besondere Erwähnung. Diese besteht aus zwei Komponenten: Es befindet sich eine runde Struktur auf der Oberfläche im SO Bereich des Hügels, deren Innenraum mit Backstein gebaut wurde40 . Außerdem lässt sich auf den älteren Satellitenaufnahmen eine etwa 3 km lange gerade Linie feststellen, die sich direkt von der SO Seite des Hügels bis zum alten Kohnak Fließgewässersystem erstreckt. Seine fluviale Natur wurde bereits diskutiert und durch Bodenproben nachgewiesen. Wenke nimmt für diese eine Funktion als sassanidischer Kanal an41 . Hier wird die Hypothese festgestellt, dass diese zwei Komponenten zusammengehören. Die Begehungen vor Ort zeigten eine völlige Übereinstimmung an deren Achsen, sodass mit höchster Zuversicht davon ausgegangen werden kann, dass die Linie unterhalb der runden Struktur endet. Über die Funktion des Kanals lässt sich zurzeit nur spekulieren. Diese hängt wesentlich von der Funktion der runden Struktur ab. Ist es ein arsakidischsassanidischer Keramik Ofen, kann diese einer Zusammenführung der Entwässerungskanäle entsprechen. Ist es ein Wassersprecher oder Brunnen, dann dient dieser der Kontrolle des Wasservolumens. 38 Boneh

Fazli u. a. 1996, 88 40 Pl. 260: Delougaz u. a. 1996 41 Pl. IV: Wenke 1975 39 Delougaz

106

3

Diskussion

Leider ist diese runde Backsteinstruktur in den letzten Jahren durch Erosion so stark beschädigt, dass sie großenteils zusammengebrochen ist. Daher konnten die Tiefe und die Form des unteren Teils vor Ort nicht erfasst werden. Die solid-gebaute Innenfassade aus Backstein ist für einen Ofen ungewöhnlich. Ähnliche Strukturen werden aus anderen Bereichen des Hügels als Wasserzisternen42 und Sickergruben43 bezeichnet. Hinzu kommt der hier identifizierte Wasserkanal. Die Wasserführung bei diesem Kanal konnte durch das Feingeländehöhenprofil bestimmt werden. Sie floss aus dem Hügel heraus in die südöstliche Richtung zu dem Kohnak Fließgewässernetzwerk. Bezüglich der Gesamtfunktion dieser Anomalie wird hier folgendes vorgeschlagen: Die Rundstruktur ist eines der Wasserspeicher der Siedlung im 4. und 3.Jt.v., die durch Regen- und Überflächenwasser gefüllt wird und durch einen Kanal mit dem Kohnak Fluss verbunden ist. Der Kanal liegt oberhalb eines fossilen Bettes der Shur Fließgewässer aus der Holozän. Durch die bereits vorhandene Sandschicht wurde der errichtete Kanal zu regulieren des Wasservolumens verwendet. Weitere Untersuchungen, besonders Grabungen entlang dieses Kanals, können über die weiteren Aktivitäten um die Richtung und Umgebung des Kanals Gewissheit verschaffen. Falls sich herausstellt, dass der SO Bereich des Chogha Mish Hügels um diese Zeit ebenso besiedelt war, müsste das hier aufgestellte Interaktionsmodell so vervollständigt werden, dass sich Chogha Mish in seiner zweiten Besiedlungsphase räumlich in beiden Richtungen um eine NW-SO-Achse erweitert hatte. Somit sollte neben dem Shur Fluss, auch der Kohnak Fluss in der Interaktion der Siedlung und Fluss bei Chogha Mish mit einbezogen werden. Dies bleibt allerdings bis auf Weiteres im Bereich der Spekulation. Dar Khazineh Etwa 30 km SO von Shushtar liegt die untypische Siedlung von Dar Khazineh (KS-1626) unmittelbar an einem saisonalen Fließgewässer mit einem sehr bereiten Bett und kaum Wasser. Der Siedlung unterliegt einer aktiven Hydraulik und einer rasanten Erosion durch häufige Überschwemmungen in der Regenzeit und hohe Temperaturen in der Trockenzeit, die zu einem großen Bodenverlust führen. Diese

42 Loci N9:1002 (Alizadeh 2008, Plate 15 A) und N9:1003 (Alizadeh 2008, Plate 4 A) als „elamite water cistern“ 43 Loci O9:301 und O9:302 (Delougaz u. a. 1996, Plate 10 C, D) als “proto-literate Cesspit”

3.2 Das Interaktionsmodell

107

Stelle ist seit den 1950er Jahren Gegenstand geomorphologischer und archäologischer Diskussionen. Eine Grabungskampagne wurde auch in den 2000er Jahren durchgeführt44 . Dar Khazineh scheint ein Ort zu sein, an den Menschen über Jahrtausende immer wieder zurückgekommen sind. Die Besiedlungsdauer ist von daher lang, aber nicht beständig. Die Siedlung liegt nahe dem Gargar Fluss. Dennoch darf dieser nicht als aktiver Fluss bei der Interaktion dieser Siedlung in deren Flusslandschaft zum ersten Teil deren Besiedlungszeit mitbetrachtet werden, da der heutige Gargar nachweislich jünger ist als die Siedlung. Dar Khazineh ist von dem gleichnamigen Fließgewässer in dessen unmittelbaren Nähe abhängig. Dieses führt das Regen- Schmelz- und Oberflächenwasser aus dem Zagros-Hang in die Susiana Ebenen und transportiert es samt einem großen Sedimentpaket aus Feinsand und Schluff in das Karun-Fließgewässernetzwerk. Durch das Feingeländehöhenprofil wurde festgestellt, dass diese Stelle das größte Wasservolumen unter den anderen ähnlichen Fließgewässern dieser Region bildet. Dies könnte der Hauptfaktor der Attraktivität dieser Stelle als Siedlung sein. Aufgrund dieser dynamischen Hydraulik konnte der saisonale Fluss kein tiefes Bett und keinen stabilen Lauf bilden. Besonders der Unterlauf des Flusses, genau an der Stelle von Dar Khazineh von ständigen Mäandern und Überschwemmungen betroffen, die mehrmals die ganze Besiedlungsfläche mit fluvialen Sedimenten zugedeckt haben. Spuren dieser Hydraulik sind heute noch erkennbar. Die kleine Menge der vorgefundenen materiellen Kultur an diesem Ort könnte dafürsprechen, dass diese Überschwemmungen in den regelmäßigen Besiedlungspausen geschahen. Die Identität der Bewohner und deren Lebensform wurde bereits von anderen diskutiert45 . Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell war dieser Ort aufgrund seiner günstigen Hydraulik in den niederschlagsarmen Zeiten seit dem spät-Susiana periodisch besiedelt. Die Lage der Besiedlungsfläche auf dem gesamten Areal wurde durch die Mäander bestimmt, die zur Zeit dieser Besiedlungsphase aktiv wasserführten. So kommt es dazu, dass sich die Besiedlung räumlich am ständig veränderten Flusslauf orientierte. Die Besiedlung wird durch die enorme Veränderung der Hydraulik dieser Region maßgeblich geprägt. So werden keine Spuren an materieller Kultur um die Zeit des 3. bis 2.Jt.v.u.Z. erfasst. Es kann davon ausgegangen werden46 , dass die Stelle nicht um diese Zeit wieder aufgesucht wurde. Alternativ kann auch die 44 Alizadeh

2003 Alizadeh u. a. 2004; Alizadeh 2009; Alizadeh 2010 46 Angenommen, dies ist nicht der Grabungsmethodik geschuldet. 45 Siehe

108

3

Diskussion

gesamte Besiedlung durch spätere Fluten des Khazineh Gewässers abgetragen und für immer verschwunden sein. Die Besiedlung im 1.Jt.v.u.Z. bis zu der sassanidischen Zeit liegt auf einer etwa 2 m mächtigen Sedimentpaket, was für eine Phase der veränderten Hydraulik spricht. Wie bereits erwähnt, befindet sich ein Fundort innerhalb des etwa 1,5 km SW der Dar Khazineh liegenden heutigen Dorfs mit arsakidischer Keramik an der Oberfläche. Ein qualitativer Vergleich der Oberflächenfunde kann zu der Chronologie der beiden arsakidischen Besiedlungen beitragen. Hier wird vermutet, dass diese beiden Kleinsiedlungen einen räumlichen Zusammenhang in Bezug auf den Khazineh Fluss aufweisen. So wird vorgeschlagen, dass die Siedlung in die SW Richtung erweitert wurde. Die jüngsten Spuren der Besiedlung an diesem Ort entsprechen der sassanidischen Zeit. Eine Burg aus dem 19.Jh. direkt neben dem arsakidischen Kleinhügel im heutigen Dorf weist eine weitere Besiedlung nach. Dehno Dehno (KS-120) steht im direkten Zusammenhang mit dem Loreh Fluss und gehört der Flusslandschaft des Shur Flusses an. Damit umrahmen zwei Nebenflüsse des Dez diese Siedlung von westlicher und östlicher Seite. Hier wird vermutet, dass der Dehno Hügel eine Großsiedlung im 4.Jt.v.u.Z. beinhaltete, die sich im Laufe der Zeit zu einer mittelgroßen Stadt in der elamischen Zeit entwickelte. Weitere Grabungen sind für eine vollständige Chronologie der Besiedlung an dieser Stelle notwendig. Die hier aufgestellte Hypothese bezieht sich auf die geoarchäologisch nachweisbare räumliche Entwicklung dieser Siedlung. Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell wird Dehno als eine zentrale Siedlung betrachtet, die sich im Laufe der Jahrtausende räumlich entlang eines heute verschwundenen Fließgewässers in die NW Richtung weiterentwickelte. Für eine natürliche Genese dieses Gewässers spricht das Feingeländehöhenprofil mit einem Gefälle von 2 Grad. Hier wird vermutet, dass dies einem fossilen Bett vom Odjirub Fluss entspricht. Demnach floss Odjirub im 4.Jt. nicht an der heutigen Stelle, sondern südlich von Dehno in Dez. Die Anwesenheit dieses Gewässers wurde durch stratigrafische Bodenproben bestätigt47 . Dieser Flusslauf entspricht ebenso die NW-SO-Achse der räumlichen Siedlungserweiterung. Von daher wird angenommen, dass sich Dehno und seine Satellitensiedlungen daran orientierten. Hinzu kommt die Tatsache, dass Loreh an dieser Stelle einen plötzlichen und merkwürdigen Mäander bildet. Nachweislich wurde dieser Altmäander sogar 47 Siehe

BOHRUNG DN5, DN6 und DN7

3.2 Das Interaktionsmodell

109

einmal verlegt. Nach dem hier in situ vorgefundenen Keramik sollte dies im 3.Jt.v.u.Z. geschehen sein. Aus hydraulischer Sicht ist dieser Mäander ein Indiz für eine Wasserzusammenführung unterhalb dieser Stelle, die für ein stellenweise verändertes Wasservolumen spricht. So kommt es zu Bildung dieses Mäanders, welcher durch eine spätere Veränderung erneut verlegt wurde. Diese Situation konnte durch eine langsamere Wasserführung dieses Gewässers entstanden sein. Um diese Siedlung sind weitere Fundorte zu erwähnen, die als Satellitensiedlungen betrachtet werden müssen. Dazu gehört eine Kleinsiedlung48 etwa 1,6 km SO von Dehno, auf der anderen Uferseite des Loreh mit Oberflächenfunden aus dem 3. bis 1.Jt.v.u.Z. Außerdem wurden zwei heute verschwundenen Fundorte etwa 1,3 km NW des Hochhügels durch die Geländebegehung erfasst. Die vorgefundene Keramik konnte in das 2.Jt.v.u.Z. datiert werden. Dies spricht für weitere Satellitensiedlungen um diese Zeit in der Umgebung von Dehno. Die Grenzen der Siedlung in der arsakidischen Zeit werden durch die zwei Hügeln etwa 500 m nordwestlich des Hochhügels durch Keramik in situ bestätigt. Es ist durchaus denkbar, dass die Siedlung sogar noch weitere 800 m in die westliche Richtung bestand. Dies muss aber durch Grabungen überprüft werden. Eine großflächige Grabung ist notwendig, um die innerräumliche Dynamik der großen Siedlung zu verdeutlichen. Dennoch kann einiges bereits vermutet werden. Die Grabungen aus 2003 bestätigten, dass ein Großteil des heutigen Hochhügels monumentale Bauten aus der elamischen Zeit beinhaltet. Darunter wurde der Manzat-Tempel bereits durch Oberflächenfunde identifiziert. Demnach muss dieser Teil der Altstadt entsprechen. Die arsakidischen Funde, als die letzte Besiedlungszeit der Siedlung, liegen etwa 500 m NW des Hochhügels. Spuren eines Fließgewässers genaue in diese Richtung um eine NW-SOAchse durch Bohrproben erfasst. Insgesamt ist eine räumliche Entwicklung dieser Siedlung in die NW Richtung zu vermuten. Horriyeh liegt etwa 7 km SW von Dehno. An dieser Stelle befindet sich unterhalb der heutigen Flussoberfläche eine kleine Siedlung aus der mittel- und neu-elamischer Zeit, die von einer größeren Siedlung in arsakidisch bis sassanidischer Zeit sowie einem kleinen frühislamischen Dorf überbaut wurde49 . Ein Vergleich der Sedimentpakete in Horriyeh am westlichen Ufer von Dez

48 Nr.

45 in: Mofidi-Nasrabadi 2010 2010, 266

49 Mofidi-Nasrabadi

110

3

Diskussion

und Dehno weiter östlich des Dez zeigt, wie stark die Sedimentfracht dieses Fließgewässers vom Gefälle geprägt wurde50 . Demnach verursachte die heute verschwundene Wasserführung zwischen Dez und Loreh eine regelmäßige Sedimentfracht östlich des Dez Flusses und sicherte die östliche Ebene von starken in dem westlichen Teil nachgewiesenen Überschwemmungen. Dies könnte ein Grund für die Weiterentwicklung der Dehno Siedlung um diese Zeit sein. Eine Veränderung in dieser Hydraulik könnte dafür verantwortlich sein, dass die arsakidische Siedlung von Dehno allmählich an Fläche verlor und später aufgegeben wurde. An der Stelle der vermutlichen Abzweigung des verschwundenen Gewässers, etwa 8 km NW der Siedlung sind heute noch die Spuren einer Phase vom stark mäandrierten Lauf von Dez erkennbar. Es wird hier vermutet, dass eine Mäanderform, das Gewässer um Dehno an dieser Stelle abschnitt. Dadurch verlangsamte sich die Wasserführung an diesem als Altwasserarm zurück gebliebenen Gewässer. Die Hauptwasserführung der Siedlung verfall somit in den darauffolgenden Jahrhunderten und verschwand allmählich. Da die Sedimentfracht in die SO Richtung nicht mehr den Loreh Fluss südlich von Dehno erreichen konnte, bildete sich der Mäander zurück und verlor seine Form zu Gunsten eines weniger runden Flusslaufes. So entstand der heutige Lauf von Loreh an dieser Stelle. Somit verlor die Dehno Siedlung ihr direktes Fließgewässer. Eine heftige Sedimentation westlich von Dez bedeckte diese Region in der post-sassanidischen Zeit. Die frühislamische Siedlung auf dem Hochhügel sowie die Burg aus dem 19.Jh. sind hydraulisch vom Loreh anhängig. Die Interaktion von Dehno und seinem Fließgewässer geriet wenige Jahrhunderte nachdem aus dem Gleichgewicht, als dieses zu einem Altwasserarm wurde. Ob es Versuche zur Wiederbelebung dieses Gewässers in der arsakidischsassanidischen Zeit gab, kann nur durch flächenhafte Grabung des Raumes unmittelbar um den Hochhügel bestätigt werden. Fakt ist, dass diese vermutlichen Versuche vergebens waren. Das Fließgewässer war nicht mehr vorhanden. Damit waren die Interaktion und die Siedlungsentwicklung nicht mehr möglich. Haft Tappeh Der Hügelkomplex etwa 13 km SO von Susa wurde bereits als die mittelelamische Stadt Kabnak identifiziert. Der Shaur Fluss liegt etwa 4,4 km westlich von dieser Siedlung. Shaur wird von den meisten Geographen des 19.Jh. als einen 50 Siehe

DN3 und DN4

3.2 Das Interaktionsmodell

111

Nebenfluss des Dez verstanden51 . Die Geomorphologen des 20.Jh. schreiben ihm des Karkheh Flusses zu52 . Der heutige Shaur ist kaum mit seinem Paläofluss vergleichbar. Historische Quellen berichten von einem künstlichen Kanal aus der Antike53 , wohl aus der Regierungszeit von dem sassanidischen König Shapur I, welcher als Teil eines hydraulisches Systems am Oberlauf des Karkheh – ähnlich wie das bekannte Karun Historische hydraulische System aus Shushtar – errichtet wurde. Obwohl die Schriftquellen keine genaue Rekonstruktion dieses hydraulischen Systems zulassen, kann davon ausgegangen werden, dass Shaur als ein bereits bestandener Nebenarm von Karkheh an der heutigen Stelle von Pay-e Pol reguliert, und an seinem Mittel- und Unterlauf in einen künstlichen Graben erzwungen wurde. In diesem Sinne war der Shaur Fluss zur Zeit der Haft Tappeh Besiedlung ein Fließgewässer, welches von Karkheh abzweigte,54 und in eine SO Richtung floss, wo er südlich von Haft Tappeh in den Dez mündete. So muss bei der Interaktion von Haft Tappeh und seiner Flusslandschaft diesen möglichen Flusslauf des Shaur in Betracht gezogen werden. Nach der hier aufgestellten Hypothese war Haft Tappeh im 3.Jt.v.u.Z. eine Satellitensiedlung von Abu Fanduweh oder gar ein Teil der späteren Abu Fanduweh Siedlung, die durch eine politische Entscheidung im 2.Jt.v.u.Z. zu einem königlichen Sitz umgebaut wurde. Demnach erweiterte sich die Siedlung in die SO Richtung und blieb nach ihrer politischen Zerstörung bis zur sassanidischen Zeit periodisch besiedelt. Shaur war wohl nicht das einzige Gewässer in dem Raum zwischen Karkheh und Dez zu Zeit von Haft Tappeh Siedlung. Ein fossiles Gewässer verband den Karkheh und Shaur Flüsse in einer NW-SO-Achse. Ihre Existenz wurde durch Bodenproben nachgewiesen55 . Nahr-e Atiq und ein parallel-laufendes Gewässer (Harmushi?) umrahmten die Stadt Kabnak aus westlicher und östlicher Seite56 . So kann davon ausgegangen werden, dass die Umgebung von der Stadt von vielen schmalen Bächen und Gewässern geprägt war. Eine Zerstörungsschicht zwischen der sogenannten Bauschicht IV und den jüngeren Bauschichten bezeugt von einer gewaltsamen Auseinandersetzung in der 51 Siehe

z. B. Barthold 1984, 185 1999; Lees – Falcon 1952; Veenenbos 1958 53 Siehe Verkinderen 2015, 234–236 54 Ein möglicher Punkt der Abzweigung von Paläo-Shaur kann dieser Punkt sein: 32°22 26,89 N und 48° 9 34,66 E 55 Siehe Bohrung HT4 56 Siehe Abu Fanduweh in diesem Abschnitt für das Interaktionsmodell 52 Kouchoukos

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3

Diskussion

Stadt wohl am Ende der mittel-elamischen Zeit. Die darauffolgenden Besiedlungsschichten sind bescheidener Natur und können nicht als eine Wiederbesiedlung der Stadt gelten. Somit stellt Haft Tappeh ein Beispiel dar, worin das Zentrum eines urbanen Raumes aus politischen Gründen und nicht aufgrund der Flusslandschaft verlegt wird. Die spätere Besiedlung bestätigt die Annahme, dass das Gelichgewicht der Flusslandschaft und dem Siedlungsort immer noch bestand. Außerdem weist die Tatsache, dass innerhalb von einer kurzen Zeit eine bestehende Siedlung zu einer Stadt umgebaut werden konnte, darauf hin, dass die Interaktion von der Siedlung und deren Flusslandschaft zu dieser Zeit bestand. Die Wahl dieser Siedlung und ihres Ausbaus zu einem politischen Sitz wurde bestimmt aufgrund dieser Tatsache getroffen. Samirat Die etwa 27 ha große Siedlung von Samirat (KS-1643) liegt zwischen den heute saisonalen Gewässern Naft und Sharif am Hang des Zagros im östlichen Teil des Großraum Susiana. Die Grabungen bezeugen eine Besiedlung von protoelamischer bis zu islamischer Zeit. Der stark erodierte Zustand der Landschaft um Samirat lässt keine geomorphologischen Untersuchungen durch Fernerkundung zu57 . Dennoch steht außer Zweifel, dass der Paläo-Naft Fluss die Siedlung mit Wasser versorgte. Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell wurde Samirat im 4.Jt.v.u.Z. am nördlichen Flussufer des Paläo-Naft gegründet. Die Siedlung entwickelte sich räumlich in die NO Richtung und entfernte sich somit von dem heutigen Naft Gewässer. Es wird vermutet, dass der Naft um diese Zeit sein Bett stark ein tiefte und durch unregelmäßige Fluten stets an seinem nördlichen Prallhang – direkt südlich der Samirat Siedlung – große Mengen an Sediment abgetragen haben muss. In diesem Sinne wird vermutet, dass bereits einen südlichen Teil der Siedlung von den Fluten abgetragen wurde. Die wohl künstliche bei der Geländebegehung erfasste Wasserrinne in einer SW-NO-Ausrichtung kann aufgrund dessen absoluten Höhe sowie der Keramik in die alt-elamische Zeit datiert werden. Der Ausgräber geht ebenso von einem massiven Ausbau der Siedlung um diese Zeit, sodass die etwa 27 ha große Besiedlungsfläche bereits in der mittel-elamischen Zeit erreicht wurden.

57 Siehe

auch Abu Chizan

3.2 Das Interaktionsmodell

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Hier wird diese Rinne als ein Kanal verstanden, der seine ursprüngliche Form teilweise durch die starke Erosion verloren hat. Er gehört somit in ein ausgeprägtes Wasserversorgungssystem, welches wohl bis zu der islamischen Zeit in dieser Siedlung in Benutzung war. Dieses System transportierte wohl Wasser aus dem parallel zu Naft fließenden Sharif nördlich von Samirat durch die Siedlung und mündete anschließend in den Naft Fluss. Somit konnte das Wasservolumen von Naft ebenso reguliert werden58 . Die erodierten Flugsandsedimente zwischen den Kulturhorizonten aus dem 3.Jt.v.u.Z. am bestehenden Bodenprofilen vor Ort59 deuten auf eine trockene Phase oder gar Dürrezeit hin. Hier wird vermutet, dass dieser Kanal aus Reaktion zu dieser trockenen Phase ausgebaut wurde und die Siedlung zu ihrer Blüte im 2.Jt.v.u.Z. brachte. Eine beständige Besiedlung in Samirat bis hin zum Mittelalter beweist die Funktionstüchtigkeit dieses Wasserversorgungssystems. Ähnlich wie bei Abu Chizan verliert dennoch diese Siedlung an Fläche und wird schließlich aufgegeben. Es wird ein hydraulisches Ereignis um diese Zeit in der Naft-e Sefid Region vermutet, welches zu einer starken und rasanten Sedimentation samt einem viel geringeren Wasservolumen in den Gewässern östlich vom Karun am Zagros-Hang führt. Das Ausmaß des Landschaftswandels war wohl zu groß, um mit herkömmlichen und punktuellen Maßnahmen reguliert zu werden. So bricht der ganze urbane Raum östlich von Karun zusammen. Durch das veränderte hydraulische Regime dieser Region konnte das Gleichgewicht in der Interaktion von Siedlungen und deren Fließgewässern bis heute nicht mehr wiederhergestellt werden. Seitdem beleibt ein erodiertes Ödland an dieser Stelle, an der jahrtausendlang besiedelten Städtchen und Dörfern entlang der Handelsroute von NO bis SO des Großraum Susiana ein Treffpunkt von sesshaften und Nomaden waren. Sanjar Dieser große Hügelkomplex etwa 20 km westlich der Stadt Dezful beherbergte wohl in der 3. bis 1.Jt.v.u.Z. eine Stadt. Sanjar war nachweislich seit dem spätSusiana besiedelt. Diese entwickelte sich allmählich zu einer zentralen Siedlung und blieb als solche bis ihre Aufgabe. Ihre Identifizierung als die antike Stadt

58 Der Abstand zwischen den beiden Gewässern beträgt etwa 2 km. Nach dem heutigen Stand des Höhenprofils fließt das Sharif Gewässer auf etwa 57 ü.M. und Naft auf etwa 46 ü.M., wobei das Gefälle etwa 1,5 % und 1° beträgt. 59 Siehe SR P3 und SR P4

114

3

Diskussion

Madaktu wurde bereits ausführlich diskutiert60 . Hier wird dieses Thema nicht behandelt. Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell befindet sich Sanjar in einer von Karkheh geprägten Flusslandschaft. Bei der Betrachtung seiner räumlichen Entwicklung wird festgestellt, dass es sich um zwei Siedlungskerne handelt. Demnach bereitete sich die Siedlung vom Anfang des 5. bis zum Anfang des 2.Jt.v.u.Z. im nördlichen Kern auf, also am heutigen Hochhügel. Nach einem etwa 300-jährigen Intervall Ende des alt-elamischen Zeit entwickelte sich der südliche Kern in der neu-elamischen Periode zum Zentrum der Siedlung. Dieser blieb bis zum 1.Jt.n.u.Z. erhalten. In dieser Zeit war die Gegend bereits dicht besiedelt. Der bisher unbekannte Befund aus der unmittelbaren Gegend etwa 2,5 km NW des Sanjar deutet darauf hin, dass in die Stadt in der 2. und 1.Jt.v.u.Z. von kleineren Satellitensiedlungen umgeben war61 . Die Siedlung scheint danach ihre Bewohner an die neu gegründete Stadt Ivan-e Karkheh direkt auf dem anderen Flussufer des Karkheh etwa 8 km SW von Sanjar verloren zu haben. Die Bevölkerungsverschiebung könnte aufgrund einer veränderten Hydraulik der unmittelbaren Umgebung von Sanjar infolge des Baus des antiken Systems Pay-e Pol etwa 7,5 km NW der Siedlung geschehen sein. Dieses hydraulische System wird Sassaniden zugeschrieben und datiert daher in der Spät-Antike. Dennoch ist es dennoch denkbar, dass der sassanidische Bau auf einer älteren Struktur aus dem 1.Jt.v.u.Z. steht. Dieses hydraulische System zweigte zwei Großkanäle aus dem Karkheh Fluss. Der westliche Zweig versorgte der neu gegründeten Stadt Ivan-e Karkheh, während der östliche unter dem Namen Harmushi die Siedlungen nördlich von Shaur versorgte. Das Wasserversorgungsnetzwerk östlich von Karkheh, also Harmushi samt seinen Zweigen Darius-Kanal und Nahr-e Atiq, scheint etwas älter als das westliche Netzwerk zu sein. Die wechselhafte Sedimentation dieser heute noch erhaltenen Gewässern dieser Gegend stärkt diese Annahme aus den folgenden Gründen: erstens, es sind mindestens zwei Pausen in der fluvialen Sedimentation zu erkennen. Zweitens, diese zwei können mit zwei unterschiedlichen Kulturhorizonten in Zusammenhang gebracht werden. Ob dieses Intervall in der Wasserversorgung mit dem archäologisch erfassten Intervall Mitte des 2.Jt.v.u.Z. zeitgleich ist, konnte nur durch absolute Datierung ermittelt werden. Dennoch liegt diese Annahme aufgrund eines Sedimentvergleiches und deren absoluten Höhe sehr nahe. Indizien eines früheren Gewässers vor 60 Siehe 61 Siehe

De Morgan 1895, 267; Carter 1971, 120; Potts 2005, 169–175 und Anhang 5 Bohrung SJ7 im Anhang 5

3.2 Das Interaktionsmodell

115

Harmushi finden sich südlich von Sanjar und nördlich von Shaur in Form von Anomalien auf Satellitenaufnahmen, die fossile Wasserwege aufzeichnen. Es ist vorstellbar, dass die Wasserversorgung nach der rasanten Bevölkerungszunahme der Stadt Ende des 3.Jt.v.u.Z. in Schwierigkeiten geriet, sodass einen Kanalausbau benötigt wurde. Dieser wurde wohl im 1.Jt. als Harmushi erneut erweitert. Dass sich die Siedlungskerne an der NW-SO Fließrichtung dieses Kanals orientierten und sich räumlich entlang dieser Linie erweiterten, kann kein Zufall sein. Demnach prägte diese Wasserrichtung der Siedlungsraum in seiner Entwicklung. Sharafabad Etwa 15 km NO von Susa liegt der Sharafabad (KS-36) Hügel an dem östlichen Flussufer von Dez. Seine geringe Besiedlungsfläche von etwa 2 ha steht nach dem üblichen Stand der Siedlungsdynamik des Großraum Susiana62 in Widerspruch zu den interregionalen Befunden und sonst reichen materiellen Kultur dieser Siedlung. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei diejenigen Funde, welche mit Großhandel und Verwaltung in Verbindung gebracht werden. Es liegt nahe, dass Sharafabad in seinen beiden Besiedlungsphasen als ein Hauptlieferant für landwirtschaftliche Güter nach den damaligen Großzentren des Großraum Susiana – wie Susa, Abu Fanduweh, Gesser – bis hin zu Mesopotamien, Dehloran und Fars galt. Nach dem hier aufgestellten Interaktionsmodell liegt Sharafabad im Zusammenhang mit dem Fluss Dez in einer unstabilen Flusslandschaft, die von periodischen Überschwemmungen mit groben Sedimenten geprägt ist. Archäologische Befunde lassen eine intensive Agrarlandschaft um die Siedlung vermuten. Sowohl historische Überlieferungen als auch aktuelle Beobachtungen vor Ort weisen eine höchst dynamische Hydraulik an dieser Stelle nach. Der Dez Fluss mäandriert nahe Sharafabad sehr stark und überschwemmt seine beiden Uferseiten bis einen Abstand von 2 km entlang des Flusslaufes63 . So konnte sich diese Siedlung räumlich nicht weiter in die westliche Richtung entwickeln.

62 Besonders das hierarchische Drei-Stufen System von Johnson, sowie die räumlichbasierte Siedlungsdynamik von Wright, Hole und Adams in diversen Publikationen 63 Siehe SA3 und SA4

116

3

Diskussion

Die Existenz einer weiteren möglichen Dez Altflussarm etwa 1,2 km Westlich von Sharafabad wurde ebenso nachgewiesen64 . So kann davon ausgegangen werden, dass die Fläche westliche von Sharafabad früher stärker als heute von der mäandrierten Eigenschaft des Dez Flusses geprägt wurde. Die Existenz eines weiteren Fließgewässers östlich von Sharafabad wurde ebenso durch Bodenproben erwiesen65 . In der letzten Zeit wurde dieses Gewässer absichtlich gefüllt, da die landwirtschaftliche Nutzung der unmittelbaren Region in nachgelassen hat. So war der östliche Raum von Sharafabad ebenso durch einen Nebenarm von Dez abgegrenzt. Hier wird vorgeschlagen, dass die Sharafabad Siedlung durch ihre aktive Landwirtschaft und regionalen Handelsbeziehungen trotz ihrer geringen Besiedlungsfläche eine große Rolle bei den soziokulturellen Bedingungen im 5. bis 2.Jt.v.u.Z. spielte. Diese Siedlung ist ein überzeugendes Beispiel dafür, dass die Siedlungsfläche vorrangig von den geomorphologischen und hydraulischen Gegebenheiten der Landschaft bestimmt wird. Hier wird die Vermutung aufgestellt, dass die umliegende Fläche um die Siedlung hauptsächlich der Landwirtschaft diente, um die vielen Kunden aus Susa und Chogha Mish zu beliefern. Sharafabad musste ständig um den Erhalt der Interaktion mit dem Dez Fluss kämpfen. So wurde immer wieder auf den Ruinen der früheren Kulturschichten auf dem Hügel gebaut und besiedelt, während die Umgebung von vielen kleinen Bächen66 sowie größeren Nebenarmen des Dez bewässert und beackert wurde. Diese labile Interaktion geriet wohl durch eine heftige Überschwemmung des Dez Flusses um 2.800 v.u.Z. aus dem Gleichgewicht. Die materielle Kultur zeigt ein Intervall von etwa 15 Jahrhunderten, bis um diese Stelle in der mittelelamischen Zeit erneut besiedelt wird. Welches Ereignis zu der Siedlungsaufgabe geführt haben muss, kann hier nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Dennoch lässt sich vermuten, dass eine Veränderung in der Hydraulik für eine labile Wasserführung an dieser Stelle sorgte. Von dieser angeblichen Störung in der Hydraulik hat sich die Flusslandschaft nach einer langen Zeit wieder erholt. So konnte im Zuge einer massiven Urbanisierung des gesamten Großraum Susiana in der mittel-elamischen Zeit diese Stelle erneut besiedelt werden. Ein Modell ist eine vereinfachte Darstellung, die auf Detail verzichtet und ausschließlich das Wesentliche wiedergibt. Daher dient ein solches Modell einem ganzheitlichen Überblick. Die Interaktion von einem Fließgewässer und einer 64 Siehe

Bohrung SA5 SA6 und SA7 66 Siehe Bohrung SA2 65 Siehe

3.2 Das Interaktionsmodell

117

Siedlung widerspiegelt sich ebenso in einem gegebenen Zeitraum. Hydraulische Ereignisse bezwingen Reaktionen in der Landschaft mit bis zu 200 Jahren Verzögerung. Insgesamt lässt sich das Interaktionsmodell als ein hervorragendes Werkzeug zur Erarbeitung weiterer vertiefter Fragestellungen behaupten. Das hier vorgestellte Modell kann durch weitere Fallbeispiele ergänzt werden. Hier werden zwei solche Beispiele genannt: Bormi und Sartoli (ungefähre Lage 31°14 47 N, 49°35 1 E) – Die zwei zusammenhängenden Fundorte in der Ramhormoz Ebene sind wahrscheinlich Überreste der elamischen Stadt Huhnuri von 3. bis 2.Jt.v.u.Z. Diese Siedlung wird neben Chogha Sofla, Sohz und Gesser als ein regionaler zentraler Ort des 4.Jt.v. verstanden67 . Der Sartoli Hügel liegt etwa 700 m nordwestlich von Bormi am südwestlichen Rand der Stadt Ramhormoz. Leider wurde dieser Hügel in das moderne Wohngebiet integriert. Eine Notgrabung im Auftrag der iranischen Kulturbehörde68 brachte Keramik und architektonische Reste aus dem 4. bis 2.Jt.v.u.Z. ans Licht69 . Unmittelbar östlich des Hügels fließt ein Nahr mit unklarem Ursprung. Der Fluss Allah ist heute einer der Nebenarme von dem Jarrahi Fluss. Allah fließt etwa 1 km nördlich dieser Siedlung. Erste Auswertungen der vorhandenen Geo-Daten weisen darauf hin, dass der Allah Fluss heute in einem früheren Flussbett vom Jarrahi fließt. Daher kann auch hier von einer Flussmigration ausgegangen werden. Dieses Ereignis kann die räumliche Entwicklung von diesem Siedlungskomplex (bestehend mindestens aus Bormi und Sartoli mit einigen nichtuntersuchten Erhebungen) beeinflusst haben. Angenommen diese Siedlung ist die elamische Huhnuri70 , kann diese Flussmigration das Aufkommen sowie den Untergang dieser Handels- und Kultstadt in den Schriftquellen erklären. Gesser Ein anderes solches Fallbeispiel stellt der Siedlungskomplex Gesser 71 dar. Diese große Siedlung liegt etwa 23 km nördlich von Bormi und gilt als der zentrale Siedlungsort in der Ramhormoz Ebene im 5. und 4.Jt.v.u.Z.

67 Moghaddam

2012b, 527 Niakan 2012 – nicht veröffentlicher Bericht im Archiv des ICAR (in Persisch) 69 Die Ergebnisse wurden leider bis dato nicht veröffentlicht. Der große Schnitt dieser Testgrabung ist heute noch auf dem Höhepunkt des Hügels erkennbar. Auf der ganzen Oberfläche des Hügels findet sich reichlich bemalte Keramik. 70 Bekannt aus den Schriftquellen der Ur III und Nuzi. Siehe Carter – Stolper 1984 71 Caldwell 1968 68 S.

118

3

Diskussion

Folgende interessante Eckdaten machen Gesser zu einem geeigneten Fallbeispiel: (1) Nach den neusten Grabungen72 wurde bestätigt, dass Siedlung über zwei Siedlungskerne verfügt. (2) Unmittelbar westlich von dieser Siedlung liegt ein heute trockenes Fließgewässer. (3) Es geben mindestens vier heute noch aktive Wasserquellen in der unmittelbaren Umgebung dieser Siedlung. (4) Gesser blieb von mindestens 5.Jt.v.u.Z. bis zum späten Mittelalter beständig besiedelt. Diese beständige Besiedlung kann nur im Zusammenhang mit einer funktionierenden Wasserführung bestehen. Die vielseitigen Wasserressourcen (Fluss und Wasserquellen) könnten diese langbestehende Besiedlung ermöglichen.

3.3

Schlusswort

Hier wurden zwei Themen behandelt: Der Landschaftswandel und die Siedlungsstruktur. Dabei beschränkte sich diese Behandlung auf den räumlichen Aspekt der beiden. Die hier dargestellten Daten bezeugen, dass dieser Wandel auf zwei Ebenen stattfand. Auf der Makro-Ebene regt die großräumige Flussmigration einen Landschaftswandel an, der die eisenzeitliche kulturelle Entwicklung in diesem Landschaftsraum hervorbrachte. Die ersten Staaten und deren – friedlichen sowie feindlichen – Auseinandersetzungen als politische Einheiten entstanden nach diesem Wandel. Auf der Mikro-Ebene hat dieser Wandel für innerräumliche Veränderungen jeweiliger Fließgewässer gesorgt, die teils den großräumigen Wandel zu verantworten hatten und teils als Reaktion auf diesen Wandel anthropogen eingesetzt wurden. Dazu zählen die Nahr-Bildung und Kanalisierung der Großsiedlungen. Auf der anderen Seite können Siedlungsverschiebungen sowohl großräumig als auch innerräumlich beobachtet werden. Eine Verlagerung der zentralen Orte im Großraum Susiana von Osten nach Westen bezeugt diesen Strukturwandel auf der Makro-Ebene. Innerräumliche Veränderungen in den bestandenen Siedlungen zeigen diesen Wandel in der Mikro-Ebene. Aus theoretischer Sicht sind zwei Ebenen zu betrachten: Raum (space) und Ort (place)73 . Der Raum wird durch physische und erfassbare Änderungen geschaffen. Der Ort entsteht durch das soziale Verhalten der Menschen in diesem Raum. Daher ist der Landschaftswandel mittels geoarchäologischer Methoden räumlich 72 Alizadeh 73 Siehe

2014 Fisher – Creekmore 2014, 33

3.3 Schlusswort

119

erkundbar; aber eine Erkundung der Siedlung und deren Umwandlung während der Siedlungsverschiebung ist mittels dieser Daten nicht möglich. Der Raum kann ein Objekt der geoarchäologischen Untersuchung sein, aber der Ort kann so nicht untersucht werden. Daher ist das Thema der Untersuchung in dieser Arbeit ausschließlich der Raum. Durch diese Arbeit zogen sich zwei Gedanken als roter Faden. Zum einen sollten die Siedlungsstrukturen im Großraum Susiana und in den mesopotamischen Ebenen nicht mit demselben Maßstab miteinander verglichen werden. Diese Siedlungsstrukturen sind von der Beschaffenheit deren jeweiligen sehr unterschiedlichen Landschaften geprägt. Räumliche Faktoren wie Siedlungsfläche und Bevölkerungsdichte stellen Beispiele für diesen sogenannten Maßstab dar74 . Dies bedeutet, dass Modelle und Konzepte zur Darstellung und Deutung dieser Faktoren von einem Landschaftsraum nicht auf den anderen projiziert werden dürfen. Zum anderen sind die kleineren Fließgewässer im Großraum Susiana von großer Bedeutung in der Deutung der räumlichen Siedlungsentwicklungen. In diesem Zeitraum können eine ganze Reihe an anthropogenen Eingriffen in diesen wichtigen Elementen der Flusslandschaft festgestellt werden. Sie stellen eine besonders agile Interaktion zwischen natürlichen fluvialen Abläufen (z. B. Sedimentation) auf einer Seite und menschen-gemachten Manipulationen (z. B. Eintiefung des Flussbettes) auf der anderen Seite dar. Die daraus entstandenen Gewässer werden hier als Hybride verstanden75 und „Nahr“ genannt76 . Diese Definition fügt der landschaftsarchäologischen Perspektive eine weitere Dimension hinzu und ermöglicht die Untersuchung der Mensch-Landschaft-Interaktion als ein Äquilibrium. Künftige Untersuchungen können weitere Anhaltspunkte zu diesen beiden übergeordneten Gedanken liefern und die darauf basierenden Modelle verfeinern. Diese Studie baute auf die Annahme, dass sowohl Siedlungen als auch Flusslandschaften in ihrer Gesamtheit als Artefakten verstanden werden können. Das 74 Die

Autorin ist nicht allein mit dieser Aussage. z. B. Hole 2011, 9: „Let me just reiterate a few points. First, Western Iran and Mesopotamia are vastly different geographic regions, despite being adjacent and sharing overall patterns of weather…. It is abundantly clear that throughout prehistory, each region followed a distinctly different path. Of the two regions, Western Iran is by far the most diverse, a fact owing largely to its topographic diversity and the nature of routes through the stair-case steps of the mountain ranges.“ 75 Mit dieser Idee ist die Autorin nicht allein. Siehe Edgeworth 2011 und 2014 für eine ausführliche Erklärung dieses Phänomens und seine Auswirkungen auf die archäologische Datengrundlage 76 Siehe Abschnitt 2.3. zur Erläuterung dieser Definition

120

3

Diskussion

Hauptziel war diese Artefakte im deren jeweiligen Zusammenhang zu untersuchen und deren Interaktion zu analysieren. Diese Analyse gelang durch Methoden der Geoarchäologie und wurde hier in drei Kapiteln wiedergegeben. In Kapitel eins wurde die Hypothese aufgestellt, dass die räumliche Entwicklung der untersuchten Siedlungen mit der Flussmigration der umliegenden Landschaft zusammenhängt. Diese Hypothese wurde anhand von Fallbeispielen in Kapitel zwei überprüft und das Interaktionsmodell wurde auf Basis der erzeugten Geodaten in Kapitel drei verfeinert. Diese Interaktion kann durch weitere Fallbeispiele in der Zukunft vertieft untersucht werden. Einige Fallbeispiele für künftige Untersuchungen wurden im letzten Abschnitt erwähnt. Eine ausführliche Darstellung der im Lauf dieser Arbeit erzeugten Daten findet sich im Anhang.

4

Summary

As stated by the title, this script presents a comparative study of the spatial dynamics of settlements and the changes in the paleo-landscape in the riverine landscape of the Greater Susiana in southwestern Iran between the fifth and second millennia BCE (before common era) by using geoarchaeological methods. This project was carried out by the author from 2013 to 2016 with the financial support of the DFG (German research foundation) and submitted as a Ph.D. thesis to the Goethe-university of Frankfurt, department of archaeology and cultural history of the Near East. The current study follows a holistic approach to the landscape and settlement history of an area of ca. 65000 km2 , situated between the Zagros Mountains and the Persian Gulf. The study area consists of four large river systems, namely the Karkheh, Dez, Karun, and Jarrahi—alongside a huge number of rivulets— which flow in between the Pleistocene anticlines of northeast-southwest-direction towards the Persian Gulf and accumulate a considerable amount of fluvial sediments in their courses. The Persian Gulf is a relatively young body of water, which has actively and successively reshaped the landscape of the Greater Susiana by processes of aggradation and degradation in the last ten millennia. There are also signs of a continuous faulting of the anticlines in this area. These geomorphological factors brought together a highly dynamic riverine landscape, which shows a long history of settlement. Obviously, the settlement dynamics were influenced immensely by their dynamic landscape. The first archaeologically attested sedentary settlements of the Greater Susiana date back to the seventh millennium BCE. Large centers consisting of a system of satellite settlements come to age in the beginning of the fifth millennium BCE. By the second millennium BCE. the whole riverine landscape of the Greater Susiana © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Rashidian, Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62358-9_4

121

122

4

Summary

is consisted of urban areas with populated cities and well-connected towns and villages, involved in an intraregional relationship with the other neighboring urban areas such as south and north Mesopotamia, north Syria, and the Iranian plateau. During the timespan between the fifth and second millennium BCE, the settlements of the Greater Susiana have shifted towards the west. This has occurred both in regards of central settlements and the inner evolution of single settlements. The former is evident in the shift from Chogha Mish to Susa in the fourth mill. and from Susa to Haft Tappeh in mid-second millennium. The later can be seen in the ten selected settlements in the present study. On the other hand, it has been suggested by different studies since the nineteenth century that in the same timespan a riverine migration has occurred in the Greater Susiana, resulting in a westwards shift of the great rivers Karun, Karkheh and Dez as well as their tributaries. The author assumes that these two spatial evolutions have influenced and interacted with each other in the setting of the dynamic landscape of the Greater Susiana. The hypothesis states that there exists a direct and constant spatial interaction between the settlement and its riverine landscape, specially the riverbed. In their interaction, both the settlement and the river system act and react to the spatial evolution of another and adjust to these changes in a steadily manner. This interaction guaranties the further spatial evolution of the settlement system, as long as both sides are in equilibrium. In the case of failing to maintain the balance, the interaction ceases, and the system falls apart. Such events can cause a momentarily abandonment of settlements. In some cases, the interaction functions again in a later time span following a long adjustment process of the riverine landscape to the new situation. Such settlements experience a re-settlement phase in a later period. To test this hypothesis, it is necessary to bring together events of hydrological adjustment with spatial changes of the settlement in the context of this process. First of all, the settlement history of the study area was investigated to identify the persistent places during the given time span. Persistent places are defined as spatial entities within the riverine landscape, which show a long settlement history situated along dynamic river systems. The currently available geodata was collected from satellite imagery and older maps to create a basic interactive map using the ArcGIS 10 software. A geoarchaeological investigation was then conducted in two seasons of field survey (spring and autumn 2014), to collect geodata from these persistent places in the environs of selected settlements. An extensive survey identified traces of past hydrological events in these areas. The most promising spots were then surveyed intensively via the stratified sampling survey method, using a coring drill

4

Summary

123

to reach subsurface sediments from 2 to 11 meters under the current horizon of the landscape. A total of 51 successful cores of different depth were documented in addition to 27 natural soil profiles of the river terraces in the study area. Their location was projected on the mentioned base map in order to interpret the data spatially. The soil samples of these documented sediments were subject to chemical and physical, as well as micro-morphological analysis by the author at the university laboratory of geosciences in Frankfurt. A total number of 153 soil samples were analysed to determine their particle size distribution (PSD), acidity (pH), electrical conductivity (EC), salinity, organic and inorganic carbon, among other characteristics. In addition, microscopic analyses were conducted for an optical observation of the sediment´s texture, sorting and substrate. Sediments were dated relatively, using their in-situ traces of material culture and depth. A number of 10 samples were dated also absolutely via the method of optically stimulated luminescence (OSL) at the university laboratory of Gießen (the dating process was conducted by Dr. Johanna Lomax in summer 2015). Afterwards, the sediments and their genesis were categorized based on the results of these analyses. The hydraulic setting of the environs of each of the investigated settlements was interpreted in hydraulic events such as river migration, changes in sediment load, branching, and meandering of the relevant water flows for each settlement. These events were then compared to the settlement history and the spatial evolution of the settlement. As a result, the interaction of these two sides was presented in a schematic interaction model. These models show how different hydraulic events changed the direction of the spatial growth of the settlement given during the given time span. They also elucidate the successive evolution of the action and reaction chain of the interaction between the settlement and its riverine landscape. This result confirms the hypothesis of the study and shows that this interaction was responsible for the spatial differences among the settlements during the course of urbanization within the geographical and cultural entity of the Greater Susiana. To serve the holistic approach of this study, the results were not only compared to each other, but also to a few case studies from the Mesopotamia, as well as Anatolia and Syria. This comparison attested that the spatial evolution of settlements is highly influenced by the landscape setting in every region, and river systems stimulate the evolution of their relevant settlements on a microlevel. In fact, it is not possible to identify a single spatial pattern of settlement evolution on a macro-level in the ancient Near East during this time span, as each

124

4

Summary

and every settlement was evolving towards the urbanization in an interaction with their relevant and unique riverine landscape. To summarize, a pattern of Mesopotamian settlement distribution cannot be implemented into any other landscape than the Mesopotamian one. Thus, the spatial patterns of the settlement systems, especially towards the urbanization, in the riverine landscape of the Greater Susiana were not dictated from the Mesopotamian side. These were evolved during a long evolutionary process in context of an interaction, unique to each settlement system and their relevant riverine system. The current project explores the huge potential of geoarchaeological investigations to study the landscape and settlement history of the ancient Near East via quantitative geodata as a means to conduct comparisons and enable interpretations of spatial dynamics of the ever changing interaction between humans and their landscape. Further investigations in this manner will provide us with a solid database in order to understand the archaeological data within its original context of past landscapes. The considerable amount of collected and produced data at a relatively low cost in the course of this short-term project offers a whole new level of remarkable possibilities to add another dimension to the current archaeological data using geoarchaeological methods.

Anhang

Beschreibung der Bohrungen Bohrung AC1 (10 m)

300 m westlich des Abu Chizan Hügels auf etwa 48 m ü. M. 31°39 54.19 N, 49° 9 53.97 E (8.11.2014)

0–180 cm

Ein hellbrauner Feinsand, der allmählich in einen lehmig-sandigen Schluff übergeht. Hohe Leitfähigkeit und kaum Humus (0,08 %). Allmählicher Übergang in einen schluffigen Lehm mit starker Bioturbation. Untere Hälfte dieser Lehmschicht ist gräulich und vergleyt.

Natürliche fluviale Sedimentation, nicht gestört.

180–510 cm

Ein sehr homogener brauner schluffiger Lehm mit Schluffeinschlüssen in regelmäßigen Abständen von etwa 20 cm. Kein Skelettanteil und weit mehr alkalisch (pH = 8,39) als der obere Bereich. Hohe Leitfähigkeit (EC = 4,17 mS).

Fluviales Sedimentpaket, Saisonale Wasserführung. Starke Erosion in der trockenen Phase.

510–550 cm

Aktueller Wasserstand. Eine schmale Schicht aus festem und kompaktem rotem Mergel, eine wasserstauende Schicht. Oxidation und Reduktion vorhanden.

Sekundäre bodenbildende Prozesse. Langsame Wasserführung, allmählich vertrocknetes Gewässer. Eine Phase der Trockenheit des Fließgewässers.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Rashidian, Landschaftswandel und Siedlungsverschiebung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62358-9

125

126

Anhang

550–790 cm

Wechselschicht aus gräulichem schluffigem Lehm und festem braunem schluffigem Ton mit regelmäßigen Abständen von etwa 30 cm. Allmähliche Vergrößerung der Abstände in etwa 70 cm. Elektrische Leitfähigkeit sinkt mit der Tiefe.

Fluviales Sedimentpaket, saisonale und ruhige Wasserführung, kein Geröllbett.

790–1000 cm

Eine sehr homogene Schicht aus dem braunen schluffigen Lehm.

Kein fluviales Sediment. Ehemaliger Boden vor der Entstehung des Fließgewässers an dieser Stelle.

Interpretation Eine Abfolge von Sedimentationsereignissen, die im Laufe der Jahrtausende durch eine langsame Wasserführung entstanden sind. Eine eindeutige trockene Phase in Tiefe 5 m erkennbar.

Bohrung AC2 (5 m)

In dergleichen Wasserrinne, 500 m westlich der Siedlung auf 50 m ü. M. 31°39 49.22 N, 49° 9 48.59 E (08.11.2014)

0–40 cm

Sehr poröser Boden, kaum humushaltig, hohe Leitfähigkeit, etwa 5 % Skelettanteil.

Stark erodierte Oberfläche.

40–240 cm

Ein lehmiger Sand, der allmählich in einen braunen Schluffigen Lehm übergeht.

Eine langsame Wasserführung in der jüngeren Zeit.

240–380 cm

Allmähliche Wassersättigung und alkalisches Sediment (pH = 8,16). Keine Spuren von Oxidation und Reduktion.

Ein homogenes und ungestörtes Sedimentpaket.

380–410 cm

Ein schmaler Toneinschluss, keine Spuren von Oxidation.

Eine längere trockene Phase.

410–500 cm

Sehr komprimierter schluffiger Lehm. Kein Indiz für sekundäre bodenbildende Prozesse.

Kein fluviales Sediment.

Interpretation Kein eindeutiges fluviales Sedimentpaket zu erkennen. Eine jüngere Erweiterung der Wasserrinne auf dem natürlichen Boden der Gegend.

Anhang

127

Bohrung AF1 (3 m)

Unmittelbar am Hang des südlichen Abu Fanduweh Hügels auf etwa 70 m ü. M., 32° 5 35.07 N, 48°18 55.94 E (28.10.2014)

0–90 cm

Erodiertes lockeres Sediment mit starker Bioturbation, materielle Kultur

Kulturschutt, sekundär sedimentiert.

90–190 cm

Ein schluffig-sandiger Lehm geht allmählich in einen schluffigen Lehm über. Tonablagerungen vorhanden. Sehr carbonatreich und hohe Leitfähigkeit.

Jüngeres Nahrsediment, ruhige Wasserführung mit Phasen der Trockenheit.

190–300 cm

Wassergesättigtes Sediment mit Vergleyung und Reduktion. Keramikscherben aus 5.Jt. (Alizadeh 2008, 21) und 4.Jt. vorhanden (Vgl. Nr. 4, 13, 17, 22, in Habibi – Karami 2008, 75–79).

Ein Fluviales Sediment mit Kulturschutt aus dem 4.Jt.v.u.Z. Wahrscheinlich das Nahrsediment.

Interpretation Eine sekundäre Sedimentation anthropogener Schichten, die der mit zunehmender Tiefe an Korngröße, Salzgehalt, und Sandgehalt verliert.

Bohrung AF2 (6 m)

300 m nördlich von AF1 am Knickpunkt des Nahrs auf etwa 63 m ü. M., 32° 5 43.57 N, 48°18 54.75 E (01.11.2014)

0–50 cm

Erodiertes lockeres Sediment mit starker Bioturbation, materielle Kultur vorhanden.

Kulturschutt, sekundär sedimentiert

50–240 cm

Ein blau-brauner Lehm mit starker Reduktion und Torfbildung. Wassergesättigt durch die untere wasserstauende Schicht.

Jüngeres fluviales Sediment

240–310 cm

Übergang in einen komprimierten Ton mit guter Sortierung.

Ältere Oberfläche, lange Trockenphase?

310–400 cm

Allmählicher Übergang zu einem schluffigen Lehm mit Einschlüssen aus Feinsand.

Älteres fluviales Sediment mit turbulenter Wasserführung.

400–510 cm

Ein toniger rostfarbiger Lehm mit KeramikKulturschutt, sekundär und Holzkohle, aus Spät-Uruk (Vgl. Nr. 20, in: sedimentiert und rasch Habibi – Karami 2008, 78), arm an mit oberen organischem Carbon Sedimenten bedeckt.

128

510–600 cm

Anhang

Ein sehr homogener schluffiger Lehm mit guter Kein fluviales Sortierung. Sediment, älterer Boden vor der Entstehung des Nahrs.

Interpretation Eine sekundäre Sedimentation anthropogener Schichten, die mit der Tiefe feinkörniger und homogener wird.

Bohrung AF3 (7 m)

an dem anderen Zweig des Nord-Süd-Nahrs etwa 2,4 km NO von Abu Fanduweh auf etwa 63 m ü. M., 32°06 35.0 N, 48°19 58.37 E (11.11.2014)

0–60 cm

ein humusreicher Lehm mit starker Bioturbation und schlechter Sortierung.

Junger Pflughorizont

60–290 cm

Ein brauner komprimierter schluffig-toniger Lehm, der allmählich in einen weichen schluffigen Lehm hellbrauner Farbe übergeht. Hohe Leitfähigkeit.

Turbulente Wasserführung, die allmählich trocknete und längere Zeit nur wenig Wasser führte.

290–400 cm

Blau-grauer Lehm mit starker Oxidation und Vergleyung.

Hinweis auf eine Änderung der hydraulischen Situation

400–700 cm

Ein schluffig-toniger Lehm, hellbraun, sehr homogen, Sandgehalt steigt mit der Tiefe.

Älteres fluviale Sediment, ruhige Wasserführung.

Interpretation Ein anderes fluviales Sediment als das im AF2 dokumentiertes Sedimentpaket. Ein Nahr, der nach einer Phase der Trockenlegung revitalisiert, aber in der jüngeren Vergangenheit zu Landwirtschaftlichen Zwecken aufgefüllt wurde.

Bohrung AF4 (5 m)

am Ufer des Shaur außerhalb des Shaur Dorfes auf 41 m ü. M., 32° 3 1.13 N, 48°17 48.25 E (11.11.2014)

0–40 cm

Humusreiche Oberfläche mit torfigem Charakter

Flussaue mit häufigen Überschwemmungen

60–250 cm

ein torfiger schluffiger Lehm mit Vergleyung, komprimiert

Jüngere Aue, mit regelmäßigen Schauwasserphasen

Anhang

129

250–280 cm

Schluffiger Feinsand, keine Reduktion, schlechte Sortierung

Ein fluviales Ereignis, turbulente Wasserführung

280–500 cm

Allmählicher Übergang zu einem Sand mit zunehmendem Geröll in regelmäßigen Abständen, sehr hoher Skelettanteil

Natürliches Flussbettsediment, Geröllbett und dynamische Wasserführung

Interpretation Ein natürliches Flussbett, die durch die allmähliche Migration des Shaur zu Flussaue geworden ist.

Bohrung AF5 (6 m)

etwa 400 m westlich des Shaur Ufers außerhalb des Dorfes auf 45 m ü. M., 32° 3 0.05 N, 48°17 34.49 E (12.11.2014)

0–90 cm

Ein brauner schluffiger Lehm, mit materieller Kultur unter einer dünnen Humusschicht

Jünger Oberboden, sekundär und absichtlich sedimentiert, Kein Kulturschutt

90–130 cm

Geröll, verschiedene Größen, schlechter Sortierung

Überschwemmungsereignis vor etwa 20 Jahren (sichtbar auf Satellitenaufnahmen)

130–320 cm

Ein schluffig-toniger Lehm mit Torfbildung und Reduktion und Oxidation in regelmäßigen Abständen, aktueller Wasserstand 250 cm

Natürliche Flussaue mit regelmäßigen Schauwasserphasen, ein Altarm

320–600 cm

Schwacher Sand mit Geröll, materielle Kultur (nicht identifizierbar)

Natürliches Flussbett, lange Phase der Wasserführung

Interpretation Ein natürliches kleineres Fließgewässer, das allmählich zu einer sehr langsamen und kaum vorhandenen Wasserführung wechselte und eine Aue bildete, die von einem Überschwemmungsereignis bedeckt wurde. Anthropogene Eingriffe (absichtliche Sedimentation von Kulturschutt auf dem Geröllbett) bildeten den jüngsten Boden für Landwirtschaftliche Nutzung.

130

Anhang

Bohrung AF6 (6 m)

etwa 700 m westlich des Shaur Ufers außerhalb des Dorfes, auf einem Maisfeld auf 45 m ü. M., 32° 3 0.48 N, 48°17 23.30 E (12.11.2014)

0–50 cm

ein humoser Lehm mit Vegetation

Jünger Boden, Pflughorizont

50–250 cm

ein blau-rostiger schluffiger Lehm mit starker Bioturbation, Schilfwurzel

Ältere Stauwasserschicht, schlechte Entwässerung, Schilf Vegetation

250–300 cm

ein brauner schluffig toniger Lehm mit Toneinschlüssen, aktueller Wasserstand in 300 cm

Flussaue mit Phasen der Trockenheit

300–600 cm

Schluffiger Sand mit Feinsand in regelmäßigen Abständen, allmählicher Übergang in ein Geröllbett, ab 600 cm pures Geröllbett

Natürliches Flussbett Sediment, lange und stabile Wasserführung mit Phasen der größeren Wassermengen

Interpretation Natürliches fluviales Sediment eines älteren größeren Shaur-Flussarmes, der allmählich durch die Flussmigration (Abbruch der Verbindung zum Hauptflussarm?) zu einer Flussaue geworden ist. Anthropogene Eingriffe in Nutzung als Ackerfläche in jüngerer Zeit haben die fluvialen Sedimente überdeckt.

Bohrung AF7 (5 m)

etwa 500 m westlich des AF6 zwischen Shaur und Karkheh auf 41 m ü. M., 32° 3 7.82 N, 48°17 3.59 E (12.11.2014)

0–30 cm

Humusreicher wassergesättigter Boden mit starker Bioturbation

Jüngere Schauwasserschicht, schlechte Entwässerung

30–200 cm

ein homogener brauner schluffiger Lehm, Grobkörniger mit zunehmender Tiefe

Allmählicher Übergang von aktivem fluvialem Horizont zur Flussaue mit schlechter Entwässerung

Anhang

131

200–370 cm

ein lehmiger Sand mit Geröll mit abwechselnden Einschlüssen von Ton und Grobsand endet mit einer Grobsand und Geröllschicht, hohe Leitfähigkeit

Turbulente Wasserführung mit regelmäßigen Trockenphasen und Überschwemmungen, Fließwasser mit hohem Salzgehalt

370–390 cm

Ein brauner Ton, komprimiert

Eine Trockenphase, Änderung im hydraulischen Regime

380–500 cm

Sand mit sehr schlechter Sortierung

Älteres fluviales Sediment, lange Wasserführung

Interpretation Natürliches fluviales Sediment mit zwei Phasen der Wasserführung, wahrscheinlich ein älteres Shaur-Flussbett, das nach einer Phase der Trockenheit in das Karkheh Fließnetz überging und durch jüngere anthropogene Manipulation an Karkheh zur Flussaue mit schlechter Entwässerung wurde.

Bohrung BG1 (3 m)

direkt westlich am Hang des Band-e Ghir Hügels auf 21,6 m ü. M., 31°39 25.94 N, 48°53 17.48 E (6.11.2014)

0–30 cm

Stark erodierte Oberfläche

Jünger Oberboden

30–260 cm

ein schluffiger Lehm mit materieller Kultur, Keramik aus 1.Jt.v. vorhanden (vgl. Fig. 1, W (Register Nr. 5–22) in Alizadeh 1985a, 190 und Figure 21.c: Alizadeh 2008, 254), Holzkohle und organische Substanz vorhanden

Kulturschutt, sekundär sedimentiert, 1.Jt.v.

260–300 cm

Ein brauner homogener schluffig-toniger Lehm, Verwitterter älterer sehr komprimiert, hohe Leitfähigkeit, Oberboden alkalischer Boden

Interpretation Natürlicher Oberboden wurde mit Kulturschutt aus dem 1.Jt. bedeckt.

132

Anhang

Bohrung BG2 (5 m)

etwa 1,2 km SW vom BG Hügel am östlichen Ufer des Shoteit auf 16 m ü. M., 31°39 14.88 N, 48°52 34.67 E (6.11.2014)

0–50 cm

ein brauner schluffiger Lehm

Trockengelegte Flussaue

50–200 cm

ein schluff-toniger Lehm mit starker Bioturbation, Schilfwurzeln und Torfbildung

Ältere Flussaue mit Vegetation und längeren Schauwasserphasen

200–300 cm

Aktueller Wasserstand, grau-blauer schluffiger Sand mit Reduktion und Torfbildung, hohe Leitfähigkeit

Fluviales Sediment mit Schauwasserphasen oder sehr langsamer Wasserführung

300–500 cm

Grau-blauer Sand, sehr homogen, niedrigere Leitfähigkeit, sehr wassergesättigt

Dynamisches fluviales Sediment, lange und stabile Wasserführung, aktives Flusssediment

Interpretation Ein fluvialer Horizont mit beständiger Wasserführung über längere Zeit. Ein natürliches Geröllbett ist zu vermuten.

Bohrung BG3 (6 m)

etwa 15 km SW vom BG Hügel an der älteren Zusammenführung der drei Flüsse auf 4,4 m ü. M., 31°33 19.03 N, 48°47 20.88 E (6.11.2014)

0–10 cm

Flache und wassergesättigte Oberfläche mit Salzkruste

Jüngere und erodierter Oberboden

10–100 cm

Aktueller Wasserstand in 50 cm, ein grünbrauner schluffiger Lehm, zweigeteilt in 50 cm durch einen Sandeinschluss

Jüngerer Schauwasserhorizont mit einem Überschwemmungsereignis

100–200 cm

Wassergesättigter Sand mit Reduktion, Fluviales Sediment mit hohe Leitfähigkeit, darunter ein schluffiger zwei Phasen der Lehm, sehr komprimiert Wasserführung (turbulent und ruhig), vielleicht zwei Flusssedimente

200–300 cm

Wiederholung des Sand-Lehm Paketes, höhere Leitfähigkeit, Oxidation in 300 cm

Fluviales Sediment mit zwei Phasen der Wasserführung (turbulent und ruhig), vielleicht zwei Flusssedimente, mit einer Dürrephase (Oxidation)?

Anhang

133

300–400 cm

Wiederholung des Sand-Lehm Paketes, Fluviales Sediment mit keine Reduktion, brauner Sand, alkalisches zwei Phasen der Sediment Wasserführung (turbulent und ruhig), vielleicht zwei Flusssedimente

400–520 cm

Wiederholung des Sand-Lehm Paketes mit Reduktion, sehr alkalisches Sediment

Fluviales Sediment mit zwei Phasen der Wasserführung (turbulent und ruhig), vielleicht zwei Flusssedimente

520–600 cm

Ein schluffig-toniger dunkelgrauer Lehm mit krümmer Oberkante, hohe Leitfähigkeit, komprimiert

Kein fluviales Sediment, älterer Oberboden oder eine lange Trockenphase?

Interpretation Die oberen Horizonte eines natürlichen fluvialen Horizonts, starke Indizien für eine Zusammenführung zwei Fließgewässer mit unterschiedlicher Sedimentfracht (nach OSL Datierung etwa 1100 Jahre alt), mindestens eine Dürrephase in der jüngeren Vergangenheit. Ein Geröllbett in tieferer Lage ist zu erwarten.

Bohrung CM1 (9 m)

am direkten SW-Terrassenrand des Choga Mish Hügels auf 74 m ü. M., 32°13 19.77 N, 48°33 11.21 E (5.11.2014)

0–10 cm

stark-erodierten Oberfläche

stark-erodierten Oberfläche

10–260 cm

ein brauner schluffiger Lehm, materielle Kultur (Keramik, Holzkohle, Asche)

Kulturschutt, sekundär sedimentiert

260–340 cm

Ein lehmiger Sand, gute Sortierung

Fluviales Sediment, ruhige Wasserführung über längere Zeit (ein Nahr erkennbar bei älteren Satellitenaufnahmen und berichten von Adams und Wenke)

340–400 cm

Schluffiger Lehm, komprimiert, mit Ton- und Ständiger Wechsel Schluffablagerungen in regelmäßigen Abständen von Trocken- und Feuchtphasen.

400–620 cm

Sandiger Schluff, aktueller Wasserstand in 580 cm, zunehmende Korngröße mit der Tiefe

Fluviales Sediment mit langer Wasserführung

134

Anhang

620–850 cm

Sand mit Geröllbett ab 800 cm, schlechte Sortierung, alkalisch

Flussbett

850–900 cm

Hellbrauner schluffiger Lehm, gute Sortierung, mit Oxidation

Älterer Unterboden vor der Entstehung des Flussbettes

Interpretation Ein natürliches Fließgewässer (nach OSL-Datierung mindestens 12000 Jahre alt) auf einem natürlichen Unterboden aus Pleistozän. Das Fließgewässer hat nach einer langen beständigen Wasserführung eine Phase der Wechsel aus Trocken- und Feuchtphasen erlebt und wahrscheinlich durch anthropogene Eingriffe in Dez (die Entstehung von Ojirub) zu einem kleinen Nahr geworden, der in jüngerer Vergangenheit mit Kulturschutt gefüllt wurde.

Bohrung CM2 (4 m)

etwa 500 m SO des Hügelrandes an einem Maisfeld auf 66,5 m ü. M., 32°13 5.51 N, 48°33 34.55 E (5.11.2014)

0–60 cm

Humusreicher sandiger Oberboden mit Vegetation, Pflughorizont Übergang zu einem dunklen Lehm

60–200 cm

Schluffiger Sand, sehr homogen, zunehmende Korngröße mit der Tiefe

Fluviales Sediment, längere beständige Wasserführung

200–400 cm

Sandiger Schluff, Übergang in ein Geröllbett, aktueller Wasserstand in 300 cm, alkalisch

Flussbett

Interpretation Natürliches fluviales Sediment eines kleineren Gewässers (auch in CM1 vorhanden), das infolge anthropogener Eingriffe langsam austrocknete. Jüngere Änderung in landwirtschaftliche Nutzung.

Bohrung CM3 (4 m)

am SW Hang des sassanidischen Hügels Jaliyeh (Pl. I in Wenke 1975) zwischen Loreh und Gelal Gewässer auf 63 m ü. M., 32°11 12.58 N, 48°34 45.11 E (5.11.2014)

0–90 cm

Humusreicher Oberboden, darunter ein Kulturschutt, graubrauner schluffiger Lehm mit Vergleyung und sekundär Bioturbation, materielle Kultur (helle Keramik und sedimentiert rostbrauner Bachstein), sehr hohe Leitfähigkeit

90–300 cm

ein brauner schluffiger Lehm, hohe Leitfähigkeit, alkalisch

Anthropogen geprägter Horizont, nicht homogen

Anhang

300–400 cm

135

Lehmiger Schluff mit starker Oxidation, Älterer zunehmende Sortierung mit der Tiefe, komprimiert Oberboden?

Interpretation Keine fluvialen Sedimente erkennbar, ein anthropogen geprägtes Profil, das mit der Tiefe an Leitfähigkeit verliert und homogener wird. Erhebliche Unterschiede mit den Sedimenten aus dem Westufer (CM1 und CM2) zu erkennen.

Bohrung CM4 (4 m)

etwa 2,5 km NW des CM Hügelrands an einem Kanal etwa 170 m östlich des Shur-Nahrs auf 67,5 m ü. M., 32°14 28.46 N, 48°32 4.44 E (15.11.2014)

0–110 cm

Sand und Geröll in regelmäßigen Abständen

Fluviales Sedimentpaket des aktiven Shur-Gewässers

110–190 cm

Dunkelbrauner schluffiger Lehm, Grobkörniger mit zunehmender Tiefe

Fluviales Nahr-Sediment, beständige und langsame Wasserführung

190–290 cm

Sandig-lehmiger Schluff mit Oxidation, hohe Leitfähigkeit

Fluviales Sediment, turbulente Wasserführung

290–400

Übergang in einen Sand mit Geröll

Flussbett

Interpretation Ein fluviales Paket mit mindestens drei hydraulischen Horizonten mit anthropogenem Einfluss: ein älteres Flussbett, das in einen Nahr übergeht und in der jüngeren Vergangenheit in das Kanalsystem eingebunden wird.

136

Anhang

Bohrung CM5 (7 m)

direkt am SO-Hang des CM Hügels auf 68 m ü. M., 32°13 16.52 N, 48°33 18.61 E (15.11.2014)

0–30 cm

Humoser Oberboden

Pflughorizont

30–250 cm

Brauner schluffiger Lehm, materielle Kultur (Keramik, Holzkohle, Asche), schlecht sortiert

Kulturschutt, Datierung unklar, auf der Höhe der Spät-Susiana-2 aus dem „East Area“ Grabungsschnitt mit dem verbrannten Bau (nach Alizadeh 2008, 71–73; Delougaz u. a. 1996, 168).

250–550 cm

Ein lehmiger Sand mit Schluff-Einschlüssen in regelmäßigen Tiefenabständen, aktueller Wasserstand in 400 cm

Fluviales Sediment, turbulente Wasserführung mit regelmäßigen (saisonalen?) Trocken- und Feuchtphasen

550–630 cm

Schluffiger Lehm, komprimiert, ähnliche Beschaffenheit mit dem Paket aus den oberen 200 cm, materielle Kultur, schlecht sortiert

Kulturschutt, Datierung unklar, auf der Höhe des Mittel-Susiana Kulturhorizonts wie aus den Grabungsschnitten XII, XXI und XXV (nach Alizadeh 2008, 20; fig. 39–fig. 44: Delougaz u. a. 1996, 281–287).

630–700 cm

Lehmiger Sand, wassergesättigt, gut sortiert

Fluviales Sediment, ruhige Wasserführung, kein Flussbett

Interpretation Zwei Kulturhorizonte, wahrscheinlich aus dem 5. und 4.Jt.v., die von drei Phasen der fluvialen Horizonte getrennt wurden. Ein Wechsel der Flächennutzung von Siedlung und Fluss in Interaktion.

Anhang

137

Bohrung CM6 (4 m)

etwa 300 m SO von dem Hügelrand des Chogha Mish auf 67 m ü. M., 32°13 12.24 N, 48°33 28.95 E (15.11.2014)

0–30 cm

Humoser Oberboden mit Bioturbation

Pflughorizont, Maisfeld

30–380 cm

rostbrauner schluffiger Lehm mit Bioturbation, schlecht sortiert, Oxidation, materielle Kultur (sehr kleine Keramik, Holzkohle, eckige Steine)

Kulturschutt, primär sedimentiert, keine weiteren Unterteilungen merklich.

380–400 cm

Toniger Lehm, komprimiert, sehr fein

älterer Oberboden?, Struktur aus Lehm?

Interpretation Ein Teil der Chogha Mish Siedlungskomplexes, ein Kulturhorizont, mit landwirtschaftlicher Nutzung in jüngerer Vergangenheit.

Bohrung CM7 (8 m)

etwa 170 m SW von CM2 entlang dem Nahr (50 cm Wassertiefe) auf 66 m ü. M., 32°13 0.14 N, 48°33 32.30 E (16.11.2014)

0–30 cm

Humoser Oberboden mit Vegetation, eine Schlecht entwässerter schmale Brandschicht mit Torfbildung in 30 cm, Pflughorizont mit Reduktion und Oxidation Indizien einer jüngeren Rodung des Ackers

30–130 cm

Ein hellbrauner Lehm

130–290 cm

Dunkler sandiger Schluff, alkalisch, Fluviales Sediment, zunehmender Sandanteil mit der Tiefe, aktueller ruhige Wasserstand in 230 cm Wasserführung

290–450 cm

Hellbrauner schluffiger Sand, Oxidation, vereinzelte erodierte Keramikscherben in der oberen Hälfte

Fluviales Sediment mit sekundärer Sedimentation von Kulturschutt aus CM, mindestens 10.000 Jahre altes Sediment (nach OSL Datierung)

450–610 cm

Sand mit Geröllschichten in 510 cm und 600 cm, sehr alkalisch, materielle Kultur (Keramik, eckige Steine)

Flussbett mit zwei Flussbetthorizonten

Oberboden entstanden nach der Trockenlegung des Gewässers

138

Anhang

610–740 cm

Schluff mit Sandeinschluss mit krummer Oberkante in 710 cm

Fluviales Sediment, turbulente Wasserführung

740–800 cm

Lehmiger Sand mit Vergleyung, wassergesättigt

Fluviales Sediment, ruhige Wasserführung

Interpretation Ein weiteres Profil von dem verschwundenen Fließgewässer in direkter Umgebung von CM mit mindestens zwei unterschiedlichen fluvialen Horizonten und einer Trockenphase.

Bohrung CM8 (5 m)

an einem Hügel (Delougaz u. a. 1996; Kantor 1978; Wenke 1975, 118: site no. 367) auf 68 m ü. M., 32°13 29.49 N, 48°32 59.89 E (16.11.2014)

0–20 cm

Komprimierte erodierte Oberfläche mit zahlreicher Keramik aus arsakidischer Zeit (Pl. 70, K – Pl. 71, M in Delougaz u. a. 1996)

Kulturschutt

20–240 cm

ein hellbrauner schluffiger Lehm mit Oxidation, Kulturschutt materielle Kultur (Keramik, Backstein) aus arsakidischer Zeit (Pl. 72, J in Delougaz u. a. 1996)

240–340 cm

Schluffiger brauner Sand, sehr gut sortiert

Fluviales Sediment, ruhige Wasserführung

340–500 cm

Schluffiger Lehm mit ähnlichem Charakter wie der oberen Schicht, materielle Kultur aus 4.Jt.v. (Pl.83, B: Delougaz u. a. 1996), zunehmende Feinkörnung mit der Tiefe, komprimiert

Kulturschutt

Interpretation Ein anthropogen geprägtes Profil mit Kulturhorizonten aus dem 4. und 1.Jt.v. getrennt von einem fluvialen Horizont anthropogener Natur (ein Nahr?)

Bohrung DK1 (6 m)

am südwestlichen Spitze der DK Siedlung, etwa 265 m von der Siedlungsmitte auf 33 m ü. M., 31°54 40.14 N, 48°59 20.62 E (7.11.2014)

0–20 cm

Wassergesättigte Oberfläche mit Salzkruste

Aktuelles Feuchtgebiet

20–40 cm

Eine schmale Torfschicht

Feuchtgebiet

Anhang

139

40–160 cm

sandig-lehmiger brauner Schluff, sehr alkalisch, hohe Leitfähigkeit, hoher Anteil an organischer Substanz, aktueller Wasserstand in 80 cm

Fluviales Sediment, Stauwasserschicht, hohe Evaporation

160–350 cm

Allmählicher Übergang in einen schluffig-lehmigen Sand mit Torfbildung in 210 cm und 300 cm, sinkende Leitfähigkeit, Grobkörniger mit der Tiefe, sehr alkalisch

Fluviales Sediment, sehr ruhige und beständige Wasserführung mit Phasen der Stauwasserhorizonte, sehr schlechte Entwässerung

350–600 cm

Allmählicher Übergang in einen braunen schluffigen Lehm, sehr alkalisch, hohe Leitfähigkeit, gut sortiert und komprimiert

Ältere Flussaue, anthropogen nicht beeinflusst

Interpretation Ein Feuchtgebiet am Rande des Khazineh Fließgewässer, das langsam von einem Mäander des Gewässers eingenommen wurde. Mindestens drei Phasen der Stauwasser sind merklich. Heute saisonale Wasserführung.

Bohrung DK2 (6 m)

etwa 200 m NO des DK1 direkt an einem heute aktiven Mäander von Khazineh auf 25 m ü. M., 31°54 44.00 N, 48°59 26.63 E (7.11.2014)

0–20 cm

Wassergesättigte Oberfläche mit Vegetation (Schilf)

Aktiver Altflussarm

20–310 cm

Ein brauner schluffiger Lehm, materielle Kultur (sehr poröse Keramik), aktueller Wasserstand in 150 cm, alkalisch, hohe Leitfähigkeit

Fluviales Sediment, ruhige Wasserführung, sekundär abgetragene Keramik aus der Siedlung

310–390 cm

Ein lehmiger Sand mit starker Bioturbation, hohe Leitfähigkeit, Schilfwurzeln, Vergleyung

Fluviales Sediment, vielleicht ein Überschwemmungsereignis, mit einer langen Trockenphase nach der Sedimentation

390–600 cm

Hellbrauner schluffiger Lehm, sehr homogen, mit Toneinschlüssen in regelmäßigen Tiefenabständen,

Fluviales Sediment, sehr ruhige und beständige Wasserführung mit Phasen der Trockenheit

Interpretation Fluviales Sedimentpaket eines aktiven Altflussarmes von Khazineh mit mindestens zwei Trockenphasen. Heute ganzjährige Wasserführung.

140

Anhang

Bohrung DK3 (5 m)

etwa 1 km SW von DK Siedlung an einem trockenen Fließbett entlang des Khazineh Gewässers auf 20 m ü. M., 31°54 25.42 N, 48°58 49.78 E (7.11.2014)

0–30 cm

Humose mit hohen Schilfpflanzen bedeckte Oberfläche

Junger Oberboden

30–310 cm

ein hellbrauner schluffiger Lehm, starke Bioturbation, Torfbildung und schwarze organogene Einschlüsse, aktueller Wasserstand in 120 cm, hoher Kalkgehalt

Älteres Feuchtgebiet, sehr ruhige Wasserführung, teilweise Stauwasser (saisonal?)

310–400 cm

hellbrauner homogener schluffiger Lehm

Ähnlichkeiten mit unteren Horizonten der DK1 (ab 350 cm) und DK2 (ab 390 cm)

400–450 cm

Lehmiger Sand, wenig organische Substanz

Ähnlichkeiten mit den Sandhorizonten aus DK1 (ab 180 cm) und DK2 (ab 310 cm)

450–500 cm

Schluffiger Lehm, Ähnlichkeiten mit Schicht in Ähnlichkeiten mit den 3 m Tiefe, sehr komprimiert Horizonten aus DK1 (ab 550 cm) und DK2 (ab 520 cm)

Interpretation Ein Profil mit zwei fluvialen Horizonten, einen unteren Horizont mit langsamer Wasserführung und einen oberen Horizont mit Stauwasser und Bioturbation, bedeckt von einem jungen Oberboden.

Bohrung DK4 (5 m)

etwa 11 km NW des DK am östlichen Ufer des Gargar nahe dem Dorf “Shalili-e Kuchak” auf 12 m ü. M., 31°57 54.47 N, 48°53 44.88 E (19.11.2014)

0–30 cm

Humose mit Vegetation bedeckte Oberfläche, mit schwarzen organogenen Einschlüssen, Holzkohle

Junger Oberboden, anthropogen beeinflusst durch Saisonale Rodung

30–200 cm

Wassergesättigter schluff-toniger Lehm, Aktueller Wasserstand in 50 cm, materielle Kultur (Keramik, Backstein), Zunehmender Komprimierung und feinere Körnung mit der Tiefe, hohe Leitfähigkeit, sehr alkalisch

Fluviales Sediment, sekundär abgelagerte materielle Kultur aus dem Oberlauf, sehr ruhige Wasserführung der Flussaue

Anhang

141

200–380 cm

Wiederkehrende Schichten von weichem schluff Fluviales und feinen Ton in regelmäßigen Sedimentpaket, Tiefenabständen, sehr hohe Leitfähigkeit Saisonale Wasserführung und Trockenphasen

380–440 cm

Schluffiger Sand mit schmalen Toneinschlüssen in regelmäßigen Tiefenabständen, hohe Leitfähigkeit, etwa 400 Jahre alt (nach OSL Datierung, siehe Proben OSL21 und OSL22)

Anderes fluviales Sedimentpaket, saisonale Wasserführung, größere Wassermengen und viel kürzere Trockenphasen

440–500 cm

Übergang in einen sandig-lehmigen Schluff, sehr weich und homogen, hohe Leitfähigkeit und hoher Kalkgehalt, einzelne Vergleyungsspuren

Ein weiteres fluviales Sedimentpaket, beständige Wasserführung,

Interpretation Ein Profil mit mindestens drei fluvialen Horizonten, die den allmählichen Übergang von einem ganzjährigen Gewässer zu einem saisonal-wasserführenden Nebenfluss mit gelegentlichen stauwasserschichten und kurzen Trockenphasen bis hin zu einer jungen Flussterrasse beinhaltet.

Bohrung DK5 (7 m)

etwa 8,5 km südlich von DK auf einer jungen Terrasse von Gargar nahe Dorf „Sabzi“ auf 20 m ü. M., 31°50 10.36 N, 48°59 37.47 E (19.11.2014)

0–70 cm

Mit hohem Gras und Alhagi-Baum bedeckte Oberfläche, schlechte Entwässerung, aktueller Wasserstand in 80 cm

Junge Flussterrasse, naturbelassene Flussaue

70–330 cm

Blaugrauer schwach lehmiger Schluff, stark reduziert, Torfbildung, Toneinschluss in 200 cm und 250 cm

Fluviales Sedimentpaket aus beständiger Wasserführung mit zwei kurzen Trockenphasen

330–600 cm

Wiederkehrende Schichten von braunem schluffigem Sand mit Vergleyung und wassergesättigtem schluffig-lehmigem Sand in regelmäßigen Tiefenabständen

Fluviales Sedimentpaket, periodische Wasserführung

142

600–700 cm

Anhang

graublauer Sand mit starker Reduktion, zunehmender Sandanteil mit der Tiefe

Fluviales Sediment, natürliche Fließgewässer

Interpretation Ein älterer Flussarm von Gargar mit Indizien einer veränderten hydraulischen Situation von einer beständigen Wasserführung im unteren Horizont zu einer saisonalen Wasserführung im oberen Horizont

Bohrung DN1 (4 m)

etwa 700 m SO des DN am Ufer des aktiven Loreh-Mäanders auf 41 m ü. M., 32° 3 45.40 N, 48°34 14.42 E (29.10.2014)

0–30 cm

Mit Vegetation bedeckte Oberfläche, humusarm Jünger Oberboden, und stark erodiert saisonale Vegetation

30–120 cm

Ein schluffiger Lehm mit starker Reduktion und Oxidation, geringe Bioturbation, sehr alkalisch, aktueller Wasserstand in 120 cm

Aktuelle Flussaue

120–260 cm

Hellbrauner sandiger-Schluff mit Toneinschlüssen und Vergleyung, leicht alkalisch, vereinzelte Stellen der Torfbildung

Älterer Stauwasserhorizont

290–340 cm

Graublauer Sand, stark reduziert, wiederkehrende Einschlüsse von feinem und grobem Sand in regelmäßigen Tiefenabständen, einzelne erodierte Keramik

Fluviales Sedimentpaket infolge der Zusammenführung der zwei Flüssen (Dez und Loreh) an dieser Stelle, abgelagerte materielle Kultur durch Gewässer

340–400 cm

Sand, sehr schlecht sortiert, Vergleyung und Torfbildung

Fluviales Sediment, beständige und turbulente Wasserführung

Interpretation Eine allmähliche Veränderung von einem aktiven Flusssediment zu einer Flussaue infolge der veränderten hydraulischen Situation in jüngerer Vergangenheit

Anhang

143

Bohrung DN2 (2 m)

etwa 1,5 km NO von DN an einem weiteren Loreh-Mäander auf 41 m ü. M., 32° 4 36.10 N, 48°34 53.98 E (29.10.2014)

0–20 cm

Stark erodierte und trockene Oberfläche

Jünger Oberboden, saisonale Vegetation

30–80 cm

Schluffiger Ton, gebleicht und mineralarm, sehr schlecht sortiert

Älterer Pflughorizont

80–140 cm

Schluffig-toniger Lehm mit starker Oxidation

Ältere Flussterrasse

140–200 cm

Hellbrauner schluffiger Ton, horizontal geschichtet mit Toneinschlüssen, komprimiert, gut sortiert

Ältere Flussaue von Lohreh Fluss

Interpretation Ein sehr feines Profil aus einer trockenen Flussterrasse auf einem älteren Horizont der Flussaue.

Bohrung DN3 (6 m)

etwa 4 km SW von DN an einem älteren Mäander von Dez auf 48 m ü. M., 32° 3 26.93 N, 48°31 43.98 E (30.10.2014)

0–20 cm

Erodierte flache Oberfläche mit einzelnen Bäumen

Junger Oberboden

20–100 cm

Schluffiger Lehm mit Oxidation und Versalzung, sehr hohe Leitfähigkeit

Jüngerer Boden, saisonale Vegetation, nicht fluvial

100–300 cm

Übergang in einen blaugrünen schluffig-tonigen Lehm, Flora und Fauna Reste, überdurchschnittliche organische Substanz, alkalisch, aktueller Wasserstand in 230 cm

Trockener Fluss, gelegentlich Stauwasser, viel Vegetation, Weide (?)

300–400 cm

Allmählicher Übergang in eine wiederholende Schicht vom rostbraunen schluffigen Lehm und blaugrauem schluffigem Lehm

Fluviales Sediment, saisonale Unterschiede (?)

400–600 cm

Übergang in einen blaugrauen lehmigen Sand mit Geröll, gröbere Körnung mit der Tiefe, Geröllbett in 560 cm

Älteres Flussbett von Dez

Interpretation Ein älterer Mäander von Dez Fluss, der durch die Flussmigration allmählich vertrocknete und in der jüngeren Vergangenheit als Acker und Weide umgenutzt wurde.

144

Anhang

Bohrung DN4 (5 m)

etwa 3 km SW von DN an einem weiteren älteren Mäander von Dez auf 44 m ü. M., 32° 2 36.23 N, 48°33 19.54 E (30.10.2014)

0–20 cm

Erodierte flache Oberfläche mit einzelnen Bäumen

Junger Oberboden

20–90 cm

Brauner sandig-lehmiger Schluff mit horizontal Junge Flussaue geschichteten Toneinschlüssen und Versalzung, hohe Leitfähigkeit, leicht alkalisch

90–300 cm

Wiederkehrende Schichten aus dunkelbraunem schluffigem Sand mit schmalen Toneinschlüssen in regelmäßigen Tiefenabständen und schluffig- sandigem Lehm mit Vergleyung und einzelnen Sandeinschlüssen, hohe Leitfähigkeit

Fluviales Sedimentpacket mit einer periodischen und sehr langsamen Wasserführung

300–440 cm

Allmählicher Übergang in einen lehmigen grauen Sand, reduziert, hohe Leitfähigkeit, alkalisch

Fluviales Sediment, beständige Wasserführung

440–500 cm

Allmählicher Übergang in einen schluffig-tonigen Lehm, komprimiert und reduziert, sehr hoher Tongehalt, überdurchschnittliche organische Substanz

Fluviales Sediment, ältere Flussaue mit Vegetation

Interpretation Eine Abfolge von einem älteren Dez-Mäander mit mindestens zwei Horizonten der aktiven Wasserführung (weniger turbulent als der Mäander bei DN3) und älteren Flussauen dazwischen.

Bohrung DN5 (5 m)

etwa 860 m NW von DN auf einem Feld auf 37 m ü. M., 32° 4 29.32 N, 48°33 46.72 E (13.11.2014)

0–30 cm

Humose Oberfläche mit Bioturbation, schlecht sortiert

Pflughorizont

30–300 cm

Hellgrauer schluffiger Lehm mit Reduktion und vereinzelt Oxidation, niedrige organische Substanz, schlecht sortiert und komprimiert, aktueller Wasserstand in 300 cm

Natürlicher Lehmhorizont mit schlechter Entwässerung

300–400 cm

Wassergesättigter schluffig-toniger Lehm

Feinere Bodenschicht infolge einer Trockenphase (?)

Anhang

400–500 cm

145

Schluffiger Lehm, gut sortiert, Torfbildung, komprimiert, ähnliche Zusammensetzung wie obere Lehmschicht

Wiederholung des natürlichen Lehmhorizonts

Interpretation Ein nicht fluviales Bodenprofil mit dem lokalen B-Horizont, kein Kulturschutt merklich.

Bohrung DN6 (2 m)

etwa 500 m NW von DN zwischen den beiden Erhebungen a und b auf einem Feld auf 35 m ü. M., 32° 4 17.57 N, 48°33 49.29 E (13.11.2014)

0–30 cm

Stark erodierte Oberfläche, materielle Kultur (große Keramik) aus der neo-elamischen Zeit (siehe (D.N. 12-1282-514), Tafel 13: Mofidi-Nasrabadi 2013, 111)

Anthropogener Boden, sekundär sedimentiert

30–180 cm

Trockener schluffiger Lehm mit materieller Kulturschutt Kultur (Keramik) aus dem 14.Jh.v. (siehe (D.N. 12-1228-511), Tafel 4; Mofidi-Nasrabadi 2013, 103) und Holzkohle

180–200 cm

Toniger Lehm, sehr komprimiert, trocken, mit Oxidation

Ältere Oberfläche (?)

Interpretation Ein stark anthropogen- beeinflusstes Profil. Kein fluviales Sediment merklich.

Bohrung DN7 (4 m)

etwa 1,2 km NW von DN, auf den erkennbaren Spuren eines Gewässers auf Corona-Aufnahmen auf 37 m ü. M., 32° 4 34.47 N, 48°33 40.23 E (13.11.2014)

0–30 cm

Wassergesättigte torfige Oberfläche mit Schilfvegetation, stark reduziert

Junge Kanalfüllung, sekundär sedimentiert

30–280 cm

ein dunkelgrauer schluffiger Lehm mit materieller Kultur (Keramik, Holzkohle), starke Bioturbation, Oxidation und Reduktion, eine Torfschicht in 90 cm, aktueller Wasserstand 80 cm

Kulturschutt, sekundär sedimentiert, um den Kanal zu befüllen, Torfschicht entstanden durch den Stillstand des Kanals in 1965

280–400 cm

Allmählicher Übergang in einen oxidierten Kulturschutt, sekundär schliffigen Lehm, materieller Kultur (Keramik), sedimentiert zunehmende Feinkörnung und Komprimierung mit der Tiefe, überdurchschnittliche organische Substanz

146

Anhang

Interpretation Ein anthropogen geprägtes Profil von sekundär abgelagertem Schutt zur Befüllung eines älteren Kanals zur Flächengewinnung.

Bohrung HT1 (6 m)

etwa 1,5 km westlich des HT am östlichen Ufer des heutigen Nahr-e Atiq auf 54,4 m ü. M., 32° 5 2.07 N, 48°18 45.67 E (21.11.2014)

0–30 cm

Torfige Oberfläche mit Schilfvegetation

Junges Nahr Ufer

30–80 cm

ein vergleyter schluffiger Lehm, mit Reduktion und Oxidation im Wechsel

Ufersediment, Stauwasser, saisonaler Wassergehalt

80–100 cm

Eine Geröllschicht mit schlechter Sortierung, aktueller Wasserstand in 100 cm

Überschwemmungsereignis der Flussquelle, wahrscheinlich Hochwasserereignis in den 1970er

100–200 cm

Wiederholung von vergleytem schluffigem Ufersediment, Stauwasser, Lehm mit Reduktion und Oxidation saisonaler Wassergehalt

200–490 cm

Brauner schluffiger Lehm, ein Toneinschluss in 310 cm

Sediment ohne fluviale Einflüsse, eine kurze Trockenphase in 310 cm

490–540 cm

Sandiger Schluff, schlecht sortiert, mit Keramik aus dem 4.Jt.v. (siehe Nr. 15: Habibi – Karami 2008, 77)

Ein Überschwemmungsereignis, sekundär sedimentierte materielle Kultur aus dem 4.Jt.v. aus Abu Fanduweh, Sedimentquelle anders als das obige Ereignis

540–600 cm

Schluffiger Lehm mit hohem Schluffanteil, homogen, mit Oxidation

Sediment ohne fluviale Einflüsse

Interpretation Ein Profil aus zwei Teilen, einem Boden vor dem Nahr und eine Nahr-Sedimentation mit mindestens zwei unterschiedlichen Überschwemmungsereignissen sowie mindestens eine Trockenphase. Aufgrund des Kalkgehalts zugehörig zu Shaur-Schwemmebene und nicht aus dem Karkheh-Alluvium.

Anhang

147

Bohrung HT2 (7 m)

etwa 2 km westlich von HT am westlichen Ufer von Nahr-e Atiq auf 52,2 m ü. M., 32° 4 49.58 N, 48°18 33.60 E (22.11.2014)

0–30 cm

Oberfläche mit Schilfvegetation und mehreren Schichten der Torfbildung, Keramik

Junges Nahr-Sediment, sekundär sedimentiere Keramik

30–150 cm

ein vergleyter schluffiger Lehm, mit Reduktion und Oxidation im Wechsel, starke Bioturbation

Fluviales Sediment, ruhige und saisonale Wasserführung

150–700 cm

Brauner schluffiger Lehm, ähnlich wie in HT1 ab 200 cm, mit Einschlüssen aus Ton und Sand in regelmäßigen Tiefenabständen, eine schmale Sandschicht mit Keramik aus 2.Jt.v. aus HT (siehe Mofidi-Nasrabadi u. a. 2010, Tafel 5; Tafel 11–13) in 250 cm, eine weitere Sandschicht in 600 cm

Eine ruhige und beständige Wasserführung mit saisonalem Charakter, mit mindestens zwei Überschwemmungsereignissen in 250 cm und 600 cm aus verschiedenen Quellen

Interpretation Ein homogenes Profil eines künstlichen Kanals, der in das hydraulische Netzwerk eingebunden ist. Mindestens zwei Überschwemmungsereignisse aus unterschiedlichen Quellen sind merklich. Die obere Sedimentation ähnelt der obere Horizont aus HT1, ein Indiz auf gemeinsame Wasserführung. Durch die sehr tiefreichende beständige Sedimentation ist der Nahr wohl mindestens 6000 Jahre alt.

Bohrung HT3 (3 m)

etwa 5 km NW von HT am östlichen Ufer des heutigen Shaur-Flusses auf 52,2 m ü. M., 32° 5 12.97 N, 48°16 37.41 E (22.11.2014)

0–20 cm

Oberfläche mit Vegetation

Junges Ufersediment

20–100 cm

ein rostfarbener schluffiger Sand, einzelne Geröllsteine, Keramik, alkalisch, mit Oxidation, hohe Leitfähigkeit

Fluviales Sediment mit sekundär sedimentierter Keramik, turbulente Wasserführung

100–300 cm

Sand mit Geröll, Geröllbett mit bis zu 5 cm Durchmesser ab 250 cm, schlecht sortiert, alkalisch

Flussbett

Interpretation Ein Profil der natürlichen Sedimentation von Shaur

148

Anhang

Bohrung HT4 (4 m)

etwa 7 km NW von HAT an einem Verbindungskanal zwischen Shaur und Karkheh auf 52,2 m ü. M., 32° 5 40.54 N, 48°15 20.48 E (22.11.2014)

0–30 cm

Oberfläche mit Vegetation

Trockengelegte Kanaloberfläche

30–150 cm

Lehmiger Schluff, schlecht sortiert, aktueller Wasserstand in 150 cm

Jüngeres Kanalsediment mit Phasen der Trockenlegung

150–200 cm

Sand mit einem Geröllbett ab 180 cm, vergleyt

Fluviales Sediment, Folge eines Überschwemmungsereignis ähnlich wie in HT1 ab 80 cm

200–260 cm

Schluffig-toniger Lehm

Eine trockene Phase, älterer Oberboden

260–400 cm

Sand mit einzelnen Geröllsteinen, schlecht Fluviales Sediment, sortiert, leicht alkalisch, Geröllbett ab Nahr-Sediment, Flussbett 380 mit etwa 4 cm Durchmesser

Interpretation Ein Profil mit zwei fluvialen Horizonten, dem obigen von einem Kanal mit saisonaler Trockenlegung, und dem unteren Nahr-Sediment, getrennt von einem älteren Oberboden aus einer trockenen Phase. Ein Beispiel für eine Wiederbelebung eines älteren Nahr-Laufes in der jungen Vergangenheit.

Bohrung SR1 (3 m)

etwa 300 m südlich von SR mittig am trockenen Flussbett von Naft auf 29 m ü. M., 31°41 30.59 N, 49° 5 41.36 E (9.11.2014)

0–20 cm

Wassergesättigte Oberfläche, flach

Jüngstes Flusssediment

20–180 cm

Sedimentpaket aus allmählichem Übergang vom braunen Schluff in einen roten Mergel

Fluviales Sedimentpaket aus einem saisonalen Fluss

180–300 cm

Wiederholung des obigen Sedimentpaket mit Reduktion

Wiederholung des obigen Sedimentpaket

Interpretation Eine natürliche Sedimentabfolge eines saisonalen Flusses mit Schmelzwasser aus Zagros (Rotmergel), ähnliche Sedimentation wie in AC2

Anhang

149

Bohrung SJ1 (4 m)

etwa 1 km NO von SJ am Kanal auf 100 m ü. M., 32°22 11.43 N, 48°12 35.81 E (2.11.2014)

0–30 cm

Humose Oberfläche

Junger Oberboden

20–280 cm

ein schluffiger Lehm mit vielen Tonablagerungen und erodierter Keramik, eckigen Steinen und Schneckengehäusen, Torfbildung in 30 cm

Beständige Wasserführung, sekundär sedimentierte materielle Kultur, Phasen der Stauwasser

280–300 cm

Schluffiger Sand mit Torfbildung

Fluviales Sediment mit Phasen vom Stauwasser

300–360 cm

Schluffig-sandiger Lehm, homogen

eine trockene Phase?

360–400 cm

Sandiger Lehm, leicht alkalisch, allmähliche Zunehmend komprimiert

Älterer Oberboden? Oder Reste aus Sedimentation Paleo-Karkheh?

Interpretation Ein junger Kanal auf einem älteren Oberboden, der aus Sedimenten von viel älteren Fließgewässern entstanden ist.

Bohrung SJ2 (5 m)

etwa 1,1 km NW von SJ am Rande eines Maisfeldes auf 105,5 m ü. M., 32°22 08.56 N, 48°11 12.69 E (2.11.2014)

0–30 cm

Humose Oberfläche mit Vegetation

Pflughorizont

30–150 cm

Ein schluffiger Lehm mit materieller Kultur (erodierter Keramik), hoher Kalkgehalt, geringe Leitfähigkeit

Kulturschutt, absichtlich abgelagert und sekundär sedimentiert

150–180 cm

Eine weiche Schluffschicht, homogen

Indiz auf ein Überschwemmungsereignis?

180–500 cm

Wiederholung von obigem schluffigem Lehm, mit Keramik und Oxidation

Kulturschutt, absichtlich abgelagert und sekundär sedimentiert

Interpretation Ein anthropogenes Profil aus Kulturschutt aus mehreren Phasen, wahrscheinlich in Verbindung zu Sanjar

150

Anhang

Bohrung SJ3 (2 m)

etwa 15 m von SJ2 etwa 1,1 km NW von SJ am Rande eines Maisfeldes auf 101,5 m ü. M., 32°22 08.17 N, 48°11 13.05 E (2.11.2014)

0–30 cm

Humose Oberfläche mit Vegetation

Pflughorizont

30–200 cm

ein brauner lehmiger Schluff, in 160 cm mit Oxidation, allmählich zunehmend komprimiert

nicht fluvialer Boden, kein Kulturschutt

Interpretation Ein natürliches Profil aus der Umgebung von Sanjar

Bohrung SJ4 (5 m)

etwa 3 km NO von SJ am trocknen 3 m tiefen Nahr-Bett aus Karkheh auf 102,2 m ü. M., 32°23 23.78 N, 48°12 48.59 E (2.11.2014)

0–30 cm

Eine schmale humose Schicht mit einer Torfschicht in 30 cm

Junger Oberboden über einem lokalen Tümpel (auf Google Earth Aufnahmen sichtbar zwischen 2007 und 2014)

30–380 cm

Hellbrauner lehmiger Schluff mit Oxidation, geringe Leitfähigkeit, aktueller Wasserstand in 140 cm, eine Schicht aus eckigen Steinen in 280 cm

Junges Kanalsediment mit einer Phase der Füllung

380–500 cm

reduzierter hellbrauner schluffiger Lehm, weich und homogen

Älterer Oberboden?

Interpretation Ein Kanal auf der Stelle eines älteren Gewässers (sichtbar an der Kanalwand mit Geröll und Sand in regelmäßigen Tiefenabständen). Ein Beispiel für die Wiederbelebung ältere Nahr-Gewässer in jüngerer Vergangenheit.

Bohrung SJ5 (3 m)

etwa 2,5 km W von SJ am Ufer des Nahrs 1,5 km O von Karkheh auf 96,3 m ü. M., 32°21 30.29 N, 48°10 29.42 E (18.11.2014)

0–20 cm

Humose Oberfläche mit Vegetation

Junger Oberboden

20–170 cm

Ein brauner schluffiger Lehm, überdurchschnittliche organische Substanz, Torfbildung in 120 cm und 150 cm mit eckigen Steinen, aktueller Wasserstand in 140 cm

Nahr-Sediment, ruhige und beständige Wasserführung mit zwei Stauwasserphasen und Torfbildung

Anhang

151

170–230 cm

ein dunkelgrauer schluffig-lehmiger Sand, mit Oxidation und Reduktion, Tonablagerungen in regelmäßigen Tiefenabständen

Natürliches fluviales Sediment, turbulente Wasserführung aus zwei fluvialen Quellen

230–300 cm

Allmählicher Übergang in einen lehmigen Sand Fluviales Sediment mit einem Geröllbett ab 280 cm, schlecht und Flussbett sortiert

Interpretation Ein kleiner Nebenflussarm als Zusammenfluss von Karkheh und Shaur mit zwei Stauwasserphasen in jüngerer Vergangenheit

Bohrung SJ6 (5 m)

etwa 2,5 km NW von SJ an der Zusammenführung vom Nahr (aus SJ1) zu Kanal auf 96 m ü. M., 32°23 8.55 N, 48°11 21.38 E (18.11.2014)

0–20 cm

Komprimierte humose Oberfläche

Junger Oberboden

20–100 cm

ein lehmiger Schluff mit Reduktion und Torfbildung in mehreren Tiefenabständen, starke Bioturbation

Fluviales Sediment, ruhige Wasserführung mit Stauwasserphasen

100–200 cm

Allmählicher Übergang in einen rostfarbenen lehmigen Schluff, erodierte Keramik und Steine

Fluviales Sediment, sekundär sedimentierte materielle Kultur abgetragen aus SJ

200–310 cm

Lehmiger Sand mit Tonablagerungen in regelmäßigen Tiefenabständen, Oxidation

Fluviales Sedimentpaket, beständige Wasserführung, saisonale Trockenphasen

310–500 cm

Sand mit Geröll, zunehmend gröbere Körnung mit der Tiefe, aktueller Wasserstand in 370 cm, Geröllbett ab 470 cm

Fluviales Sediment, Flussbett

Interpretation Ein fluviales Profil mit zwei Horizonten, einem natürlichen Flussbett mit grober Körnung und einem darüber entstandenen feinkörnigen Nahr mit Phasen vom Stauwasser

152

Anhang

Bohrung SJ7 (5 m)

etwa 3 km NW von SJ auf dem Maisfeld SJ5 nahe SJ2 und SJ3 auf 102,5 m ü. M., 32°22 36.18 N, 48°10 26.37 E (18.11.2014)

0–20 cm

Erodierte Oberfläche mit materieller Kultur, Schneckengehäusen und Süßwassermuscheln

Kulturschutt, sekundär sedimentiert

20–300 cm

Ein brauner schluffiger Lehm mit materieller Kulturschutt aus Kultur, schlecht sortiert, Oxidation, türkis dem 1.Jt.v., in situ glasierte Keramik aus dem 1.Jt.v. (siehe Fig. 1: sedimentiert Alizadeh 1985a, 16: Register Nr. Y-39-75 („light yellow, turquoise glaze inside and outside“))

300–440 cm

Lehmiger Schluff, alkalisch, schlecht sortiert, mit Oxidation

Fluviales Sediment, turbulente und flache Wasserführung

440–500 cm

Sand mit Geröllbett, schlecht sortiert

Natürliches fluviales Sediment, Flussbett

Interpretation Ein Profil mit zwei Horizonten, einer natürlichen langsam ausgetrockneten Fließwassersedimentation und einem Kulturhorizont, wohl Reste einer frühantiken Siedlung (Arsakidisch), die in der jüngsten Vergangenheit eingeebnet wurdea . a Der

Grundstückbesitzer hat vor 25 Jahren das Grundstück geerbt und für landwirtschaftliche Zwecke ohne Genehmigung der Kulturbehörde eingeebnet

Bohrung SA1 (2 m)

am SW Hang von SA auf 78 m ü. M., 32°17 6.35 N, 48°21 55.49 E (31.10.2014)

0–20 cm

Oberfläche mit Vegetation

Junger Oberboden

20–200 cm

Dunkelbrauner schluffig-toniger Lehm mit materieller Kultur (Keramik und Backsteine), sehr komprimiert, überdurchschnittliche organische Substanz

Kulturschutt, primär sedimentiert

Interpretation Anthropogen geprägtes Profil zugehörig zu SA. Die berichteten 4 m Sedimentation seit dem 4.Jt.a konnten aufgrund der komprimierten Schichten weder bestätigt noch widerlegt werden (in SA2 fanden sich diese Schichten. Daher sind sie hier auch anzunehmen). a Wright

u. a. 1981

Anhang

153

Bohrung SA2 (6 m)

Etwa 110 SW von SA auf 85,3 m ü. M., 32°17 6.00 N, 48°21 53.15 E (31.10.2014)

0–20 cm

Oberfläche mit Vegetation

Oberboden

20–110 cm

Toniger Lehm, komprimiert

Jüngere Sedimentation, nicht fluvial

110–220 cm

Schluffiger Lehm, ein Sandeinschluss in 150 cm, eine Torfschicht in 200 cm

Eine Phase mit turbulenter fluvialer Sedimentation, einem Überschwemmungsereignis und einer Stauwasserphase

220–410 cm

Schluffig-toniger Lehm, ähnliche Eigenschaften wie die Schicht in SA1 ab 20 cm, aktueller Wasserstand in 390 cm

Die sogenannte Sedimentation seit dem 4.Jt.v.

410–430 cm

Toniger Lehm, komprimiert

Eine trockene Phase?

430–570 cm

Lehmiger Sand mit einzelnen Geröllsteinen, gut sortiert

Ein Überschwemmungsereignis? oder ein fluviales Sediment über eine längere Phase?

570–600 cm

Schluffig-toniger Lehm, ähnlich wie die obige Schicht ab 220 cm

Ältere Sedimentation, nicht fluvial

Interpretation

Der ältere Boden wurde von einem Überschwemmungsereignis bedeckt. die darauf folgende Trockenphase wird von der bekannten Sedimentation seit dem 4.Jt. überdeckt. Durch eine weitere Änderung in dem hydraulischen System wurde das Gebiet erneut von einer kurzen Phase der fluvialen Ereignisse geprägt. Jüngerer Boden ist anthropogen und zeigt lange landwirtschaftliche Aktivität bis zum heutigen Tag.

Bohrung SA3 (2 m)

Am östlichen Ufer von Dez auf einem aktiven Mäander auf 80,3 m ü. M., 32°16 36.64 N, 48°20 28.37 E (1.11.2014)

0–20 cm

flache und sandige Oberfläche

Junges fluviales Sediment

20–200 cm

Sand mit Geröll mit Durchmesser von 5 bis 6 cm, Geröllbett ab 160 cm, zunehmend alkalisch und schlechter sortiert mit der Tiefe

Aktives fluviales Sediment, turbulente Wasserführung, Flussbett

Interpretation Ein typisches Profil für die aktiven Dez-Mäander

154

Anhang

Bohrung SA4 (2 m)

Am westlichen Ufer von Dez auf einem aktiven Mäander auf 86 m ü. M., 32°16 17.05 N, 48°19 17.60 E (1.11.2014)

0–20 cm

flache und sandige Oberfläche

Junges fluviales Sediment

20–200 cm

Lehmiger Schluff mit Geröllschichten in regelmäßigen Tiefenabständen, Geröllbett ab 170 cm, zunehmend alkalisch und schlechter sortiert mit der Tiefe, hohe Leitfähigkeit

Aktives fluviales Sediment, turbulente Wasserführung, Flussbett

Interpretation Ein Profil für die aktiven Dez-Mäander mit saisonalen Phasen der Überschwemmung und ruhigen Wasserführung (ein Prallhang von Dez)

Bohrung SA5 (6 m)

etwa 1.100 m NW von SA auf einem Gartengrundstück auf 82,9 m ü. M., 32°17 18.96 N, 48°21 14.04 E (14.11.2014)

0–30 cm

Oberfläche mit Vegetation

Pflughorizont

30–450 cm

Eine wiederholende Sedimentabfolge von lehmigem Sand und Sand in unregelmäßigen Tiefenabständen, schlecht bis sehr schlecht sortiert, Bioturbation (Wurzeln und Schneckengehäusen), Sandschichten in 110, 180, 270, 330 und 430 cm mit krummen Oberkanten, aktueller Wasserstand in 450 cm

Fluviales Sedimentpaket, beständige Abfolge von ruhigen und turbulenten Wasserführungsphasen

450–600 cm

Lehmiger Sand, schlecht sortiert, Geröllschichten in 450 und 550 cm, Geröllbett ab 570 cm

Fluviales Sedimentpaket, beständige Wasserführung, Flussbett

Interpretation Das Profil eines heute verschwundenen kleinen Nebenflusses von Dez, das in älterer Vergangenheit infolge einer fluvialen Veränderung langsam austrocknete. Wahrscheinlich ein weiterer Punkt in dem in SA2 dokumentierten Nahr.

Anhang

155

Bohrung SA6 (2 m)

etwa 700 m O von SA an einem Feldweg auf 81 m ü. M., 32°17 8.10 N, 48°22 25.90 E (14.11.2014)

0–20 cm

Erodierte trockene Oberfläche, stark erodierte jüngere Keramik

Junger Oberboden, aufgelockert mit Haushaltsabfall

20–200 cm

Schluffig-toniger Lehm mit Keramik und Wurzeln, geringe organische Substanz, sehr komprimiert

Kulturschutt, sekundär sedimentiert

Interpretation Ein anthropogen geprägtes Profil von junger Sedimentation östlich von SA.

Bohrung SA7 (4 m)

etwa 1300 m NO von SA auf dem gefüllten „Nahr-e Sham’un“ auf 91 m ü. M., 32°17 24.53 N, 48°22 40.61 E (14.11.2014)

0–40 cm

Humose Oberfläche mit Vegetation

Junger Oberboden auf der Kanalfüllung

40–310 cm

Schluffiger Lehm mit Keramik und eckigen Steinen, mit Torfbildung in 50, 110, und 150 cm, starke Bioturbation

Absichtliche Kanalfüllung mit Kulturschutt, sekundär sedimentiert (aufgrund des Alters des Baumbestands ist die absichtliche Kanalfüllung mindestens 30 Jahre alt)

310–350 cm

ein schluffig-toniger Lehm mit einer Oxidationsschicht in 310 cm

350–400 cm

Toniger Lehm, komprimiert

Ältere fluviale Sedimentation des Kanals

Interpretation Ein anthropogen geprägtes Profil von einem künstlich angelegten Kanal, der in der jüngeren Vergangenheit absichtlich aufgefüllt wurde.

156

Schematische Darstellung der Bohrungen

Anhang

Anhang

157

158

Anhang

Anhang

159

160

Anhang

Anhang

161

162

Anhang

Tabellen und Tafeln Chronologietabelle

Zeit

Großraum Susiana

Südwest BehbahanGroßraum Iran ZohrehMesopotamien Ramhormoz

1000 mittel-elamisch elamisch Elamisch

neu babylonisch

1200

Kassitisch

1400

Iranisches Hochland

Fars

Dehloran

Eisenzeit I

Shogha

elamisch

Qaleh Spätbronze

1600 alt-elamisch

Kaftari

Alt-babylonisch

1800

Mittelbronze

2000

Isin-Larsa / Ur III

2200

Akkad

2400

Susa IV

Intervall?

2600 proto-elamisch 2800

Susa III

3000

Früh dynastisch

Gesser V

Jamdat Nasr?

Uruk

Spät-Uruk

3200 Susa II

Susa II

Mitte-Uruk

3400

Later Village Period

Früh Uruk

3600 3800 4000 Terminal Susa I

Chogha Sofla

Terminal Ubaid

4200 Susa I

Spät Sohz

Ubaid 4

4400

Sohz II

4600 spät-Susiana

Sohz I

4800

Dotulun

5000

Intervall Frühbronze Spät Banesh Früh Banesh

Früh dynastisch

Uruk

Spät Plateau Lapui Bakun A

Sargarab Susa I Farrokh

Bakun B2

Bayat Mehmeh Khazineh

Korngrößenklassen in Übersicht a Kornfraktion

Korngröße

Feinaufteilung

Blöcke

>200 mm



Steine

200–63 mm



Kies

63–2 mm



Anhang

163

Sand

2–0,063 mm

2–0,63 mm = Grobsand; 0,63–0,2 mm = Mittelsand; 0,2–0,063 mm = Feinsand

Schluff

63–2 µm

63–20 µm = Grobschluff; 20–6,3 µm = Mittelschluff; 6,3–2 µm = Feinschluff

Ton