Korruption ohne Reue?: Die tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht unter besonderer Betrachtung der Korruptionsdelikte §§ 299, 299a und 299b StGB [1 ed.] 9783428585649, 9783428185641

Sowohl § 299 StGB (Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr) als auch §§ 299a und 299b StGB (Bestechung

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Korruption ohne Reue?: Die tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht unter besonderer Betrachtung der Korruptionsdelikte §§ 299, 299a und 299b StGB [1 ed.]
 9783428585649, 9783428185641

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Schriften zum Strafrecht Band 399

Korruption ohne Reue? Die tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht unter besonderer Betrachtung der Korruptionsdelikte §§ 299, 299a und 299b StGB

Von

Simone Breit

Duncker & Humblot · Berlin

SIMONE BREIT

Korruption ohne Reue?

Schriften zum Strafrecht Band 399

Korruption ohne Reue? Die tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht unter besonderer Betrachtung der Korruptionsdelikte §§ 299, 299a und 299b StGB

Von

Simone Breit

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18564-1 (Print) ISBN 978-3-428-58564-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im April 2021 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechte angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Jan Zopfs und meiner Tätigkeit als Rechtsanwältin. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Anfang März 2021 berücksichtigt werden. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Jan Zopfs, der mich in diesem Vorhaben stets unterstützt hat. Auch wenn die zugleich ausgeübte anwaltliche Tätigkeit oftmals mit schnelleren Erfolgen und etwas mehr Spannung lockte, hat er mich stetig und mit viel Verständnis an die wissenschaftliche Tätigkeit erinnert. Dadurch hat er wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Dankbar bin ich aber nicht nur ihm, sondern dem gesamten Lehrstuhl, wissenschaftlichen Mitarbeitern wie Sekretariat, für die gute und herzliche Zusammenarbeit. Darüber hinaus möchte ich mich bei Herrn Rechtsanwalt Thomas C. Knierim bedanken. Er hat mir während der Tätigkeit in seiner – nunmehr unserer – Kanzlei die notwendigen Freiräume zur Fertigstellung dieser Arbeit gelassen. Herrn Prof. Dr. Volker Erb danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und eine hervorragende Auswahl seiner Mitarbeiter. Mit Sebastian, Sören, Jana, Beryll, Christoph und Marcus habe ich nicht nur Diskussionspartner für juristische Fragestellungen, sondern Freunde gefunden. Besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Sören Lichtenthäler für das kritische Lektorat und die anregenden Diskussionen. Auch allen anderen Kollegen und Kolleginnen hinter und vor der Feuerschutztür danke ich für die schöne gemeinsame Zeit an der Johannes GutenbergUniversität Mainz. Bei der Lang-Hinrichsen-Stiftung bedanke ich mich für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Mein größter Dank gilt allerdings meiner Familie, sie stand und steht mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Insbesondere möchte ich an dieser Stelle von Herzen meinen Eltern danken. Sie haben mir alles ermöglicht und mich bedingungslos gefördert. Größte Unterstützung während der langjährigen und oft mühsamen Arbeit an diesem Werk war mir mein Ehemann Hanns-Christian. Er hat mit viel Liebe und Geduld Korrektur gelesen und die zeitlichen Einschränkungen, die ein solches Vorhaben berufsbegleitend mit sich bringt, tapfer ertragen. Meiner Familie ist diese Arbeit gewidmet. Mainz, 27. 06. 2022

Simone Breit

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

1. Teil Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

27

1. Abschnitt Definition des Wirtschaftsstrafrechts

27

A. Strafprozessuale Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Kriminologische Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Täterbezogene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. „White collar crime“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Tatbezogene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. „Occupational crime“ und „corporate crime“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Edelhertz’ tatbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Abgrenzung nach den Auswirkungen der Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Kritik an den kriminologischen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Strafrechtsdogmatische Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Definition des Rechtsguts als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Ein das Wirtschaftsstrafrecht einendes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Vertrauen als Kollektivrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Wirtschaft als Kollektivrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Soziale Marktwirtschaft als Kollektivrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

10

Inhaltsverzeichnis 2. Abschnitt

Umfang des Wirtschaftsstrafrechts 43 A. Korruptionsdelikte als Wirtschaftsstraftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. § 299 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Vermögen und Chancengleichheit der Mitbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 c) Andere Individuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 d) Nichtkäuflichkeit von Entscheidungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 e) Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 f) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Schutz des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. §§ 299a und 299b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Integrität heilberuflicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Schutz des Mitbewerbers, der Krankenkassen und der Patienten . . . . . . . . . . 54 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 B. Wirtschaftsstrafrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Untersuchungsumfang der Regelungen zur tätigen Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Regelungen der tätigen Reue im Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Regelungen einer tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) § 149 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Vorbereitung zur Geldfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Vorbereitung zur Fälschung von Wertzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 cc) Vorbereitung zur Fälschung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) § 261 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Divergierende Ansichten zu einem einheitlichen Rechtsgut . . . . . . . . . 64 bb) Differenzierung nach den verschiedenen Absätzen des § 261 StGB . . 65 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) § 264 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Vermögen als geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Planungs- und Dispositionsfreiheit als geschütztes Rechtsgut . . . . . . . 70

Inhaltsverzeichnis cc) Funktionsfähigkeit des Subventionswesens als geschütztes Rechtsgut

11 71

dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 d) 264a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Vermögen der Kapitalanleger als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Kapitalmarkt als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 e) § 265b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Vermögen als geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Funktionieren des Kreditwesens als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 f) § 266a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Rechtsgut der Absätze 1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (1) Sozialversicherungsaufkommen als geschütztes Rechtsgut . . . . . . 82 (2) Vermögen als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (3) Wettbewerb als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Rechtsgut des Absatzes 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 g) § 298 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Freier, fairer und funktionierender Wettbewerb als Rechtsgut . . . . . . . 86 bb) Vermögen als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 h) § 370 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Steueraufkommen als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Vermögen als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Besteuerungssystem als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 dd) Gleichmäßige Lastenverteilung als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 ee) Bestand des Steueranspruchs als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 ff) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

12

Inhaltsverzeichnis 2. Teil Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

95

1. Abschnitt Vergleichskriterien 96 A. Erfolgs- und Tätigkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 B. Gefährdungs- und Verletzungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 C. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

2. Abschnitt Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts mit Regelung einer tätigen Reue

100

A. § 149 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. § 261 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. § 264 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 D. § 264a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 E. § 265b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 F. § 266a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 G. § 298 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 H. § 370 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Inhaltsverzeichnis

13

I. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Zur Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Zu Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Kurzes Versuchsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Lange Beendigungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

3. Abschnitt Nachtatverhalten

123

A. Strafbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Wesen der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Strafzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Absolute Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Relative Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Vereinigungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Stellungnahme und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B. Privilegierendes Nachtatverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Anwendungsbereich Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Grund der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Theorien mit einer isolierten Begründung der Straffreiheit . . . . . . . . . . . . 132 aa) Theorie der goldenen Brücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Prämientheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Theorien mit Bezug zum Strafgrund des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Rechtstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Einheitstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Schulderfüllungstheorie nach Herzberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 dd) Gefährdungsumkehr nach Jäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 ee) Strafzwecktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Voraussetzung des § 24 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) § 24 Abs. 1 S. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) § 24 Abs. 1 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4. Folgen der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

14

Inhaltsverzeichnis II. Auf Strafzumessungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Folgen der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Anwendungsbereich der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Voraussetzung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Folgen der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Hilfe zur Aufklärung schwerer Straftaten, § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Anwendungsbereich der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Voraussetzungen der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Folgen der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Prozessuale Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. § 153a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Anwendungsbereich der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Voraussetzungen der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Folgen der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 IV. Nachtatverhalten und Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Gemeinsame Voraussetzungen des Nachtatverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Gründe der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Meinungsbild zur Einwirkung auf die Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Ausschließliche Präventionsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (2) Unmittelbare Einwirkung auf die Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (3) Mittelbare Wirkung auf die Schuld (Indizkonstruktion) . . . . . . . . . 158 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Prinzip der Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Mindestmaß an Strafzumessungsschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Auswirkungen des Nachtatverhaltens auf die präventiven Strafzwecke . . . 167 aa) Negative Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Positive Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 cc) Negative Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 dd) Positive Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Fehlende Strafwürdigkeit aufgrund des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Ein Fall der Schuldunterschreitung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Anknüpfung an das Maß der Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Unterschiedliche Ausgestaltung des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens 179 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Inhaltsverzeichnis

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V. Tätige Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Rechtsfolgen der tätigen Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Anknüpfung an ein gemindertes Maß von Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Unrecht der abstrakten Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Strafgrund der abstrakten Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Theorie der generellen Gefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Präsumtionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Tätige Reue und Strafzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Regelungen der tätigen Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen (§ 149 StGB) 194 bb) Geldwäsche (§ 261 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Subventionsbetrug (§ 264 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 dd) Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 ee) Kreditbetrug (§ 265b StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 ff) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) . . . . 197 gg) Wettbewerbsbeschränkende Absprachen (§ 298 StGB) . . . . . . . . . . . . 197 hh) Steuerhinterziehung (§ 370 AO), Selbstanzeige § 371 AO . . . . . . . . . . 198 b) Wirkungen auf Ebene der Strafzumessungsschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Analyse der einzelnen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Prinzip der Gefährdungsumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Wirkungen auf Ebene der Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Negative Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Positive Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 cc) Negative Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 dd) Positive Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Zusammenfassung zur Wirkung auf Strafzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Konstitutive Voraussetzungen tätiger Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) In der Literatur benannte Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Nichteintritt eines erheblichen Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Aktives Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Reueerfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 dd) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Aus der Untersuchung folgende Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Anwendungsbereich der Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Erforderliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (1) Anforderungen an die Gefährdungsumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (2) Anforderung hinsichtlich präventiver Strafzwecke . . . . . . . . . . . . . 218

16

Inhaltsverzeichnis c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

3. Teil Korruptionsdelikte und tätige Reue

222

1. Abschnitt Darstellung und Analyse der Vorschriften 222 A. Darstellung der tatbestandlichen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB

223

II. Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 299a und 299b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Fordern, Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen (§§ 299 Abs. 1 und 299a StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Anbieten, Versprechen und Gewähren (§§ 299 Abs. 2 und 299b StGB) . . . . . 227 B. Deliktsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. §§ 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. §§ 299a und 299b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C. Versuch/Vollendung/Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

2. Abschnitt Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

234

A. Rechtslage de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Erforderlichkeit einer Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Erforderlichkeit einer tätigen Reue aufgrund des Schuldprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Vereinbarkeit der geltenden Rechtslage mit dem Schuldprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Vereinbarkeit mit dem Schuldgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Erforderlichkeit einer tätigen Reue aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes . . . 243 3. Erforderlichkeit einer tätigen Reue aufgrund von Opferschutz . . . . . . . . . . . . 245 4. Erforderlichkeit aus praxisrelevanten Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Inhaltsverzeichnis

17

IV. Regelungslücke vorübergehend durch Analogie zu schließen? . . . . . . . . . . . . . . 247 B. Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Regelung im Allgemeinen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II. Regelung im Besonderen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Tätige Reue im Rahmen der Gesetzgebung zu § 299 StGB . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Bewertung der Gesetzesentwürfe des Bundesrats und des Freistaats Bayern 252 III. Entwurf einer gesetzlichen Regelung für §§ 299, 299a und 299b StGB . . . . . . . 253 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Konstitutives Kriterium der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Repressive Anforderungen an die Reuehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Einseitige Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Fordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) Anbieten und Versprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Zweiseitige Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 aa) Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Gewähren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 5. Präventive Anforderungen an die Reuehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Negative Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Positive Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 6. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Generelle Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Realisierbarkeit der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

4. Teil Thesenartige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

269

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. Abschn. a. F. AG AktG Alt. Anm. AnwK-StGB AO Art. Ärzte-ZV AT Aufl. BÄO BayObLG BB Bd. BeckOK BeckRS begr. BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BR BR-Drs. b. s. F. bspw. BT BT-Drs. BtMG BVerfG BVerfGE bzw. CCZ ders. d. h. Dr. DStR

andere(r) Ansicht Absatz Abschnitt alte(r) Fassung Amtsgericht Aktiengesetz Alternative Anmerkung AnwaltKommentar StGB Abgabeordnung Artikel Zulassungsverordnung für Vertragsärzte Allgemeiner Teil Auflage Bundesärzteordnung Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Band Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung begründet Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesrat Bundesratsdrucksachen besonders schwerer Fall beispielsweise Besonderer Teil Bundestagsdrucksachen Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Corporate Compliance Zeitschrift derselbe das heißt Doktor Deutsches Steuerrecht

Abkürzungsverzeichnis dt. Einl. EnWG erw. etc. f., ff. Fn. fortg. Frankfurt a. M. GA

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deutschen Einleitung Energiewirtschaftsgesetz erweitert (e) et cetera folgend(e) Fußnote fortgesetzt Frankfurt am Main Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (von 1934 – 1944 erschienen unter dem Titel Deutsches Strafrecht)/Gesamtausgabe GenG Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GS Der Gerichtssaal (Zeitschrift) GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWG Geldwäschegesetz Halbs. Halbsatz HdWW Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft HGB Handelsgesetzbuch HK Steuerrecht Heidelberger Kommentar zum Steuerstrafrecht h. M. herrschende Meinung HRRS Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Hrsg.; hrsg. HerausgeberIn; herausgegeben i. V. m. in Verbindung mit JA Juristische Arbeitsblätter JR Juristische Rundschau Jura Juristische Ausbildung jurisPR-Compl juris PraxisReport Compliance & Investigations JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel krit. kritisch KritV Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft LG Landgericht LK StGB Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch LR StPO Löwe/Rosenberg Strafprozessordnung m. mit MBO (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 – in der Fassung der Beschlüsse des 121. Deutschen Ärztetages 2018 in Erfurt, geändert durch Beschluss des Vorstandes der Bundesärztekammer am 14. 12. 2018 MDR Monatsschrift für Deutsches Recht medstra Zeitschrift für Medizinstrafrecht MMR Multi-Media und Recht

20 MPR MSchrK msF MüKO StGB m. w. N. NJW NJW-RR NK NK StGB NK-WSS Nr. NStZ NStZ-RR NZWiSt ÖAnwBl OLG ÖStGB OWiG preußStGB RGSt RiStBV Rn. RReg. Rspr. RStGB s. S. SchVG SK StGB sog. SSW-StGB StGB StPO StraFo StrafR BT StV StVollzG SubvG u. a. u. v. m. UWG v. Var. vgl. Vorbm. VVG VW

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift Medizin Produkte Recht Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform minder schwerer Fall Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Neue Kriminalpolitik Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch Nomos-Kommentar Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht Österreichisches Anwaltsblatt Oberlandesgericht Strafgesetzbuch Österreich Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten vom 14. April 1851 Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Randnummer Revisionsregister in Strafsachen Rechtsprechung Reichsstrafgesetzbuch siehe Seite/Satz Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen/Schuldverschreibungsgesetz Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch sogenannt Satzger/Schluckebier/Widmaier-Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger Forum Strafrecht Besonderer Teil Strafverteidiger (Zeitschrift) Strafvollzugsgesetz Subventionsgesetz unter anderem und vieles mehr Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von/vom Variante vergleiche Vorbemerkungen Versicherungsvertragsgesetz Volkswagen

Abkürzungsverzeichnis WiKG wistra z. B. ZIS ZRP ZStW

Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht zum Beispiel Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

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Einleitung und Gang der Untersuchung Seit 1997 ist die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in § 299 StGB geregelt. 2016 wurden die Bestechung und die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen in den §§ 299a und 299b ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Alle drei Normen sehen keine Regelung einer tätigen Reue vor. Dies ist auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, denn Regelungen zur tätigen Reue finden sich im Strafgesetzbuch nur vereinzelt. Nach allgemeiner Meinung folgt die Normierung tätiger Reue keiner Systematik.1 Teilweise wird dem Gesetzgeber bei der Regelung sogar bloße Willkür2 unterstellt. Diese Vermutung wird durch folgende Beispielsfälle gestützt: Unternehmen X erbringt Bauleistungen und braucht dringend Einnahmen. Geschäftsführer A möchte daher unbedingt den Zuschlag in einem Ausschreibungsverfahren erhalten. Deshalb geht er auf seinen Wettbewerber B zu. Beide werden sich einig, dass im konkreten Verfahren A für X den Auftrag erhalten solle, dafür solle A dem B dann aber bei einem anderen Ausschreibungsverfahren den Vorzug lassen und bewusst ein schlechteres Angebot abgeben. Wenige Stunden nach Abgabe des Angebots plagt A das schlechte Gewissen. Er hat Angst, dass die Absprache auffällt und setzt sich dafür ein, dass der Ausschreibende das Angebot schließlich nicht annimmt. In vorliegendem Beispiel hätte der A zunächst den Straftatbestand der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 Abs. 1 StGB) verwirklicht. Durch das Verhindern der Angebotsannahme hat A tätige Reue im Sinne des § 298 Abs. 3 StGB geübt und wird daher nicht bestraft. Von einem mitverwirklichten versuchten Betrug ist er ebenfalls strafbefreiend zurückgetreten. Völlig anders liegt der Fall allerdings, wenn A sich zur Besserung der Lage seines Unternehmens im Wettbewerb entschließt, nicht an den B, sondern auch an den C, einen Angestellten der ausschreibenden privaten Firma, heranzutreten. In einer EMail bietet A dem C schließlich an, ihm „zum Nulltarif“ eine Garage an sein neues Einfamilienhaus zu bauen, wenn er den Auftrag bekomme. C erhält die Nachricht, reagiert auf die E-Mail aber nicht. Wenige Stunden nach dem Gespräch plagt A wieder das schlechte Gewissen. Er kann nicht einschätzen, ob C das Angebot annehmen oder nicht doch eher Strafanzeige erstatten wird. 1

Krack, NStZ 2001, 505, 510; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 116 (Zufall); Zaczyk, in: NK StGB, § 24 Rn. 132 (kein inneres Prinzip); Bottke, Methodik, S. 342, 689 f. (offenes System); Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001, 2003 (keineswegs einleuchtende Bevorzugung/unverständlich); Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 230 (gewisse Unübersichtlichkeit und fehlende Systematik). 2 Krack, NStZ 2001, 505, 510.

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Einleitung und Gang der Untersuchung

Diese Angst des A vor einer Strafanzeige ist nicht unbegründet. Denn durch die zunehmende öffentliche und unternehmensinterne Aufklärung zum Thema Korruption ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich C gut überlegt, wie er mit dem Angebot des A umgehen wird. Mittlerweile verfügen selbst kleinere Unternehmen über Handlungsanweisungen und Richtlinien für den Umgang mit solchen Angeboten. Mitarbeiter werden geschult, die interne Kontrolle wird durch ComplianceSysteme und einen Compliance-Beauftragten gestärkt. So ist es auch zu erklären, dass 8 % der Verfahren wegen Korruption ihren Ursprung in Hinweisen der nicht tatgeneigten Nehmer haben.3 Aber nicht nur im Verhältnis Geber und Nehmer steigt die Entdeckungsgefahr für die Beteiligten der Bestechung und Bestechlichkeit. Mit der Einführung von Whistleblower-Hotlines oder Ombudsmännern können auch Unbeteiligte anonym Sachverhalte zur Aufklärung bringen, ohne sich auf der Polizeidienststelle einzufinden. Das Bundeslagebild Korruption4 zeigt, dass 24 % der Ermittlungsverfahren im Bereich Korruption durch bekannte oder anonyme Hinweisgeber eingeleitet werden.5 Der Bericht nimmt als Ursache des Anstiegs die Compliance-Strukturen in Unternehmen an.6 Zurück zum Fall: Kann A – all diesen Tatsachen Rechnung tragend – auch im zweiten Fallbeispiel von seinem Entschluss Abstand nehmen? Wirkt auch hier der freiwillige Anruf bei C strafbefreiend? Dem ist nicht so. A hat vielmehr durch sein Angebot eine Bestechung gemäß § 299 Abs. 2 StGB verwirklicht und kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren bestraft werden. Dies hinterlässt ein Störgefühl. Es stellt sich die Frage, warum § 299 StGB sowie die diesem nachgebildeten §§ 299a und 299b StGB keine tätige Reue kennen. Liegt ein Fehler des Gesetzgebers vor oder verfügen die Normen nicht über die erforderlichen Anknüpfungspunkte? Könnte eine tätige Reue hier nicht ähnlich wie bei § 298 StGB ausgestaltet werden? Ist ihre Regelung nicht sinnvoll oder aus Gleichheitsgesichtspunkten sogar geboten? Versucht man diese Fragen zu beantworten, entstehen stetig weitere neue Fragen. Die Voraussetzungen, Wirkweise und Rechtsfolgen tätiger Reue sind bisher nicht umfassend systematisch aufgearbeitet.7 Die vorliegende Arbeit möchte diese Lücke für das Wirtschaftsstrafrecht schließen. 3

Bundeskriminalamt, Bundeslagebild zur Korruption 2019, S. 26. Dieser befasst sich mit sämtlichen Korruptionsdelikten, also auch mit solchen im Amt. Korruption wird dabei definiert als Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats zugunsten eines anderen, auf dessen Veranlassung oder Eigeninitiative, zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten, mit Eintritt oder in Erwartung des Eintritts eines Schadens oder Nachteils für die Allgemeinheit (in amtlicher oder politischer Funktion) oder für ein Unternehmen (betreffend Täter als Funktionsträger in der Wirtschaft), Bundeskriminalamt, Bundeslagebild zur Korruption 2019, S. 4. 5 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild zur Korruption 2019, S. 26. 6 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild zur Korruption 2019, S. 28. 7 Zwar lieferte Blöcker mit seiner Monographie zur tätigen Reue erste Anhaltspunkte für eine Definition. Fortgesetzt wurden diese Überlegungen von Ceffinato und Härtl-Meißner, 4

Einleitung und Gang der Untersuchung

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Die §§ 299, 299a und 299b StGB werden dazu mit anderen Regelungen des Wirtschaftsstrafrechts, die eine tätige Reue vorsehen, verglichen. Mit dem Abgrenzungskriterium „Wirtschaftsstrafrecht“ geht aber gleich die nächste Frage einher: Was umfasst das sog. Wirtschaftsstrafrecht? Der erste Teil dieser Arbeit nähert sich daher einer Definition des Wirtschaftsstrafrechts anhand verschiedener Ansätze. Diese werden auf ihre Tauglichkeit hinsichtlich des vorliegenden Erkenntnisziels betrachtet. Nachdem eine für die vorliegende Untersuchung praktikable Definition des Wirtschaftsstrafrechts gefunden und damit der Untersuchungsgegenstand begrenzt ist, werden die Delikte ermittelt, die als Wirtschaftsstraftaten einzuordnen sind und zugleich eine tätige Reue kennen. Die auf diese Weise bestimmten Delikte bilden den Untersuchungsumfang für den zweiten Teil der Arbeit. Ihr Vergleich verspricht Aufschluss über Anknüpfungspunkte für eine Regelung der tätigen Reue. Immer wieder finden sich in der Literatur Hinweise darauf, dass tätige Reue im Zusammenhang mit der Deliktsart oder aber dem Zeitpunkt der Vollendung steht.8 Daher werden diese Kategorien dem Vergleich der Delikte zugrunde gelegt. Dabei wird hinsichtlich der Deliktsart formal in Erfolgsund Tätigkeitsdelikte sowie materiell in Gefährdungs- oder Verletzungsdelikte unterschieden. Als wesentlich bei der Zuordnung als auch der Analyse wird sich das geschützte Rechtsgut der Normen erweisen, dass damit nicht nur für die Bestimmung als Wirtschaftsstraftat relevant wird. Nachdem mögliche Anknüpfungspunkte für die tätige Reue gefunden wurden, gilt es, die Wirkung tätiger Reue zu analysieren. Bei den Regelungen des Wirtschaftsstrafrechts folgt auf die tätige Reue regelmäßig Straffreiheit. Doch wie legitimiert sich diese Rechtsfolge? Gibt es bei anderen Normen, die eine strafbefreiende oder strafmildernde Wirkung von Nachtatverhalten vorsehen, Hinweise auf eine verallgemeinerungsfähige privilegierende Wirkweise dieses Verhaltens? Dem widmet sich der dritte Abschnitt des zweiten Teils, der sich zunächst mit jeglichem privilegierenden Nachtatverhalten auseinandersetzt. Solches findet sich an zahlreichen anderen Stellen im Strafgesetzbuch. Bei der versuchten Tat kann mit dem Rücktritt einem umkehrenden Willensentschluss des Täters Rechnung getragen werden. Nach Vollendung der Tat finden sich Regelungen bei der Strafzumessung, sei es als allgemeine Strafzumessungsregel (§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB), im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB) oder bei der sog. Kronzeugenregelung (§ 46b StGB). Auch im Verfahrensrecht gibt es mit § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 5 StPO die Möglichkeit, aufgrund eines wiedergutmachenden Nachtatverhaltens des Täters das Verfahren zu beenden. All diese auf den ersten Blick doch sehr verschiedenen Formen des privilegierenden Nachtatverhaltens werden auf einen gemeinsamen Grundsatz hin untersucht. deren Arbeiten nach dem Beginn der Untersuchung veröffentlicht wurden. Ihre Ergebnisse wurden aufgenommen. 8 Exemplarisch hier Rengier, AT § 39 Rn. 1 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 1098; Jahn/ Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 224; Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 85.

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Einleitung und Gang der Untersuchung

Mit der Frage nach dem Ursprung der privilegierenden Wirkung sind grundlegende Überlegungen verbunden, die letztlich auf die Strafzwecke abzielen. Im Zuge einer strafzweckorientierten Betrachtung muss die Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens geklärt werden. Im Anschluss daran ist die spezial- und generalpräventive Wirksamkeit des privilegierenden Nachtatverhaltens genauer zu betrachten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann auf die tätige Reue übertragen werden und helfen, ein Verständnis für diese zu entwickeln. Denn obgleich das Rechtsinstitut bereits im Strafgesetzbuch von 1871 geregelt wurde, gibt es bislang keine allgemeingültige Definition.9 Einigkeit besteht lediglich dahingehend, dass tätige Reue als strafrechtlicher Begriff keine „echte“ Reue im Sinne eines Gefühls von Unzufriedenheit, Abscheu, Schmerz oder Bedauern erfordert,10 sondern viel eher der Beschreibung eines dem verwirklichten Unrecht entgegenzusetzenden Verhaltens nach Vollendung der Tat dient.11 Die bisher gewonnenen Erkenntnisse zum Rechtsinstitut der tätigen Reue von Blöcker und Ceffinato werden dabei auf die Probe gestellt. Anknüpfend an Blöcker, der in seiner Monographie anhand einer Gesamtschau der Regelungen tätiger Reue konstitutive Kriterien einer solchen entwickelte,12 und fortgesetzt mit den Überlegungen von Ceffinato, der die tätige Reue als Gefährdungsumkehr klassifizierte,13 wird eine Definition tätiger Reue entwickelt. Im dritten Teil werden dann die Korruptionsdelikte wieder in den Blick genommen. Zentral ist dabei die Frage, ob diese die Anknüpfungspunkte für eine Regelung einer tätigen Reue erfüllen. In Vorausschau auf die im folgenden Teil zu entwickelnde Regelung einer tätigen Reue, werden auch die Tathandlungen der §§ 299, 299a und 299b StGB genauer betrachtet. Nachdem eine Vergleichbarkeit mit den übrigen Normen, die privilegierendes Nachtatverhalten regeln, bejaht wurde, findet sich im vierten Teil schließlich die Auseinandersetzung mit einer spezifischen Regelung der tätigen Reue bei §§ 299, 299a und 299b StGB. Dies erfordert zum einen, dass über die oben dargestellte praktische Relevanz hinausgehend ein Bedürfnis zur gesetzlichen Regelung besteht. Zum anderen muss eine solche Regelung der tätigen Reue unter Berücksichtigung der entwickelten Grundsätze umsetzbar sein. Eine solche Umsetzung wird in dem anschließenden Entwurf eines Gesetzesvorschlags versucht. Dieser hat den Anspruch, die Störung des Rechtsgefühls, die obiger Beispielsfall verursacht, zu beheben. Im vierten und letzten Teil werden die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchung in zwölf Punkte.

9

Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 223 f. Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek, JR 2014, 462, 464. 11 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309. 12 Blöcker, Tätige Reue, S. 82 ff. 13 Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 228, 257 f. 10

1. Teil

Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht Regelungen zur tätigen Reue finden sich in mehr als dreißig Vorschriften im Strafgesetzbuch.1 Eine Untersuchung eines jeden Delikts würde allerdings den Umfang der vorliegenden Arbeit sprengen, sodass eine Einschränkung des Untersuchungsgegenstands erfolgt. Primär befasst sich diese Arbeit mit der Frage nach der Erforderlichkeit einer Regelung der tätigen Reue bei den §§ 299, 299a und 299b StGB. Um etwaige Anknüpfungspunkte für eine solche Regelung zu ermitteln, bietet sich ein Vergleich mit § 298 StGB an, der eine tätige Reue vorsieht. Eine einzelne Regelung ist aber zur Ermittlung eines allgemeinen Prinzips tätiger Reue ungeeignet. Um dieses sekundäre Erkenntnisziel zu erreichen, ist der Vergleichsmaßstab weiter zu fassen. Die Korruption steht spezifisch im Zusammenhang mit den Wettbewerbsstrukturen in der Wirtschaft. Für eine solche auf die Wirtschaft ausgerichtete Kriminalität hat sich die Bezeichnung „Wirtschaftsstraftat“ und für die diese Verstöße sanktionierenden Normen der Begriff „Wirtschaftsstrafrecht“ eingebürgert.2 Auf Regelungen der tätigen Reue in diesem Deliktsfeld wird sich die vorliegende Untersuchung fokussieren. 1. Abschnitt

Definition des Wirtschaftsstrafrechts Zunächst ist zu fragen, was unter dem geläufigen Begriff des Wirtschaftsstrafrechts zu verstehen ist. Gedacht wird dabei häufig an verschiedenste kriminelle Vorgänge in der Wirtschaft, etwa den VW-Abgasskandal, die Prozesse gegen die Vorstände, Berater oder Aufsichtsräte verschiedener Banken oder jüngst den Wirecard-Skandal. Eine einheitliche und allgemeingültige Definition, Bestimmung und Abgrenzung des Wirtschaftsstrafrechts vom allgemeinen Strafrecht lässt sich allerdings nicht ausmachen.3 Ob dies nun dem zersplitterten Charakter des Wirt1 Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81; Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 223. 2 Müller-Gugenberger, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 2; Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 2 Rn. 1. 3 Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 1 Rn. 3; Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 5; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 8; Müller-Gu-

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

schaftsstrafrechts mit Regelungen nicht nur im Strafgesetzbuch, sondern auch in Nebengesetzen oder Verordnungen,4 oder aber den unterschiedlich geprägten Herangehensweisen der einzelnen, aus den verschiedensten Wissenschaftsbereichen stammenden, Bearbeitern geschuldet ist, kann nicht abschließend geklärt werden. Auf der Suche nach einer Definition des Wirtschaftsstrafrechts bietet das Gesetz als solches zunächst keine große Hilfestellung. Zwar findet sich in § 30 Abs. 6 Nr. 5b AO der Begriff der Wirtschaftsstraftat, eine Definition enthält die Norm allerdings nicht. Ansatzpunkte bietet aber § 74c GVG, der die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammern regelt. Der an dieser Norm anknüpfende Ansatz zur Bestimmung des Wirtschaftsstrafrechts wird als strafprozessualer Ansatz bezeichnet. Darüber hinaus werden im Wesentlichen zwei weitere Definitionsversuche aus kriminologischer und strafrechtsdogmatischer Sicht unternommen, die jeweils dem Erkenntnisinteresse der eigenen Disziplin folgen.5

A. Strafprozessuale Definition Der strafprozessuale Definitionsansatz sieht das kennzeichnende Element des Wirtschaftsstrafrechts in der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeit, die mit der Aufklärung und Bekämpfung dieser Art der Kriminalität verbunden ist.6 Anknüpfungspunkt der Abgrenzung ist daher die Zuständigkeitsregelung des § 74c GVG, der die funktionelle Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammern normiert. Nach § 74c GVG ist die Wirtschaftsstrafkammer zuständig, sobald eine der in Abs. 1 Nr. 1 – 5a genannten Taten betroffen ist. Damit sind durch die Norm zunächst Taten erfasst, die ausschließlich im Wirtschaftsverkehr begangen werden können, wie etwa Vergehen nach dem Gesetz über das Bank-, Depot-, Börsen- und Kreditwesen oder solche nach dem Wertpapierhandelsgesetz. Eine Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer ergibt sich aber auch bei den in Nr. 6 genannten Delikten des allgemeinen Strafrechts, wie etwa bei dem Betrug oder der Bestechung, wenn zur Beurteilung des Falls besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind. Hintergedanke der Regelung ist eine sachgerechte Verfolgung von Taten mit einem spezifischen Wirtschaftsbezug. Die hierfür erforderliche besondere Sachkenntnis soll konzentriert werden, um so eine zumindest weitgehend einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen.7 Wie bei anderen Zuständigkeitsregelungen steht

genberger, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 2; Achenbach, StV 2008, 324, Bottke, wistra 1991, 1, 2. 4 Müller-Gugenberger, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 10. 5 Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 2 Rn. 2. 6 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 11 m. w. N. 7 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 33; Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/ Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 125, 126a.

1. Abschn.: Definition des Wirtschaftsstrafrechts

29

hinter § 74c GVG ein organisatorischer Charakter.8 Nach dem strafprozessualen Ansatz sollen Wirtschaftsstraftaten daher primär als Vermögensdelikte mit besonderen prozessualen Schwierigkeiten, etwa auf Ebene der Beweisführung, verstanden werden. Wirtschaftskriminalität als Phänomen kennzeichnet das Erfordernis besonderer organisatorischer, personeller und sachlicher Mittel.9 Ein augenscheinlicher Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass er besonders praktikabel ist und damit in der Praxis eine einfache Abgrenzung ermöglicht.10 Inhaltlich wurden gegen eine solche Abgrenzung aber Bedenken geäußert. So wird der strafprozessuale Ansatz zum Teil für unbrauchbar gehalten, da er die besondere Sozialschädlichkeit der Wirtschaftskriminalität nicht hinreichend berücksichtige11 und die Orientierung des deutschen Strafrechts am Rechtsgutsgedanken verkenne.12 Durch ein bloßes Abstellen auf die mit der Aufklärung und Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität verbundenen Schwierigkeiten – unter Referenz auf den Katalog des § 74c GVG – werde der Unrechtskern der Wirtschaftsstraftaten nicht herausgearbeitet. Es werde nur anhand von Tatmodalitäten deskriptiv erfasst, wie Wirtschaftsstraftaten begangen werden können, eine inhaltliche Klassifizierung und damit eine Aussage darüber, was Wirtschaftsstraftaten sind, werde aber nicht getroffen.13

B. Kriminologische Definitionen Ihrem Namen gemäß nimmt die kriminologische Definition eine Bestimmung des Wirtschaftsstrafrechts aus dem Blickwinkel der Kriminologie, der „Lehre vom Verbrechen“,14 vor. Anders als bei dem vorbenannten Definitionsansatz geht die Kriminologie den Ursachen und Erscheinungsformen von Kriminalität auf den Grund. Definitionsversuche werden von verschiedenen Ausgangspunkten kriminologischer Betrachtung vorgenommen.

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Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 33. Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 33 f.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 11. 10 So auch Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 6. 11 Otto, ZStW 96 (1984), 339, 341 ff.; Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 8b; Park, NK 2005, 147, 147. 12 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 24; Heinz, in: Gropp, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht, S. 20; Kaiser/Kinzig, in: Kaiser/Schöch/Kinzig, Kriminologie, 9 Rn. 9. 13 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 13; Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 33. 14 Bock, Einl. Rn. 1. 9

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

I. Täterbezogene Ansätze Im Fokus der Kriminologie steht primär der Täter als Person.15 So ist nicht verwunderlich, dass erste Definitionsversuche bereits Ende des 19. Jahrhunderts16 von diesem Standpunkt aus unternommen wurden. So wurde versucht, anhand des „Tätertypen“ eine taugliche Abgrenzung zum allgemeinen Strafrecht zu formulieren. 1. „White collar crime“ Sutherland beschreibt Wirtschaftskriminalität als sog. „white collar crime“.17 Erfasst seien Taten, die von Personen mit großem Ansehen und hohem sozialen Status im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit begangen werden.18 Diese stünden im Gegensatz zu Taten der Arbeiterklasse, sog. „blue-collar-crime“. 2. Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit Ebenfalls täterbezogen definiert Göppinger Wirtschaftskriminalität als Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit.19 Der Täter im Wirtschaftsstrafrecht sei anhand seines Auftretens nicht als solcher erkennbar. Auch gehe mit seiner Kriminalität kein Einbruch im Leistungsbereich, also etwa ein berufliches Versagen, einher.20 Er habe vielmehr Zugang zu legitimen Erwerbsmöglichkeiten und repräsentiere einen bestimmten Berufsstand.21 Dies charakterisiere ihn und seine Taten.

II. Tatbezogene Ansätze In der kriminologischen Forschung wurde immer wieder betont, dass Taten mit wirtschaftlichem Bezug nicht nur auf der obersten Führungsebene eines Unternehmens begangen werden.22 Daher erschien das bloße Abstellen auf einen hohen so-

15

Bock, Einl. Rn. 1. Vgl. Lampe, in: Hirsch/Hofmanski/Plywaczewski/Roxin, Neue Erscheinungsformen der Kriminalität in ihrer Auswirkung auf das Straf- und Strafprozeßrecht, S. 95 ff. 17 Sutherland, White-Collar Criminality, S. 1 ff. 18 Als Gegenbegriff zu „white collar crime delinquent“ ist damit der Begriff „blue collar worker“ zu verstehen, also der Fabrikarbeiter mit seinem „Blaumann“, vgl. Göppinger/Bock, Kriminologie § 25 Rn. 5 f. 19 Göppinger/Bock, Kriminologie § 25 B Rn. 9; vgl. Schwind, Kriminologie § 21 Rn. 17. 20 Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 13. 21 Göppinger/Bock, Kriminologie § 25 B Rn. 9; Schneider, NStZ 2007, 555, 558 m. w. N. 22 Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 2 Rn. 3. 16

1. Abschn.: Definition des Wirtschaftsstrafrechts

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zialen Status und die damit verbundene personale Orientierung des Begriffs23 nicht sachgerecht. 1. „Occupational crime“ und „corporate crime“ Aus diesem Grund hat sich der Begriff des „occupational crime“,24 der die gesamte Berufskriminalität umfasst, verbreitet. Begrifflich enthalten sind damit alle im Interesse des Täters unter Ausnutzung seiner beruflichen Position begangenen Taten.25 Da von dem Kriterium des „weißen Kragens“ Abstand genommen wurde, wurden nun alle berufsbezogenen Taten verschiedenster Berufsgruppen in den Anwendungsbereich einbezogen.26 Durch diese am Täter orientierte Begriffsbestimmung werden allerdings auch die klassischen Eigentums- und Vermögendelikte erfasst, die in keinem spezifischen Bezug zur Wirtschaft stehen.27 Andere Vertreter des kriminologischen Ansatzes prägten in diesem Kontext den Begriff „corporate crime“, Verbandskriminalität, also solche Taten, die typischerweise im Umfeld von Unternehmen begangen werden.28 Erfasst werden damit sämtliche im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens begangene Straftaten.29 2. Edelhertz’ tatbezogener Ansatz Neben dieser täterorientierten Betrachtung gab es in der Kriminologie mit der Definition des Wirtschaftsstrafrechts durch Edelhertz tatbezogene Ansätze. Dieser Definition folgend liegt die Besonderheit des Wirtschaftsstrafrechts darin, dass der Erfolg ohne die unmittelbare Einwirkung des Täters eintritt.30 Der mittelbar verursachte Erfolg sei zudem meist auf das Vermögen gerichtet.31

23

Boers, MSchrK 2001, 335, 338. Clinard/Quinney/Wildemann, Criminal Behavior Systems: A Typology, S. 17; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 355. 25 Clinard/Quinney/Wildemann, Criminal Behavior Systems: ATypology, S. 17; Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 16. 26 Kaiser, Kriminologie, S. 845 f.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 78. 27 Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 2 Rn. 3. 28 Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 6b; Clinard/Quinney/Wildemann, Criminal Behavior Systems S. 17. 29 Clinard/Quinney/Wildemann, Criminal Behavior Systems, S. 17; Schneider, in: Brettel/ Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 16. 30 Edelhertz, White-Collar Crime, S. 3 f. 31 Edelhertz, White-Collar Crime, S. 3 f. 24

32

1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

3. Abgrenzung nach den Auswirkungen der Delikte Ein weiterer kriminologischer Ansatz, welcher nicht ausschließlich auf den Täter abstellt, nimmt die Auswirkungen von Wirtschaftsdelikten in den Blick.32 Im Rahmen dieses Ansatzes erhält der Vertrauensmissbrauch eine Schlüsselstellung und wird als das spezifisch bei der Wirtschaftsstraftat hinzutretende Abgrenzungskriterium benannt.33 Gegen ein solches Kriterium als Abgrenzungsmerkmal spricht allerdings bereits seine Ungenauigkeit.34

III. Kritik an den kriminologischen Ansätzen Die zunächst nur auf den Täter fokussierten kriminologischen Ansätze scheinen aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch. Das deutsche Strafrecht knüpft, wie sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt, nicht primär an die Person und die Eigenschaften des Täters an,35 sondern verlangt, dass eine gesetzlich bestimmte Tat vorliegt. Nur diese Tat begründet die Strafbarkeit, während die Täterpersönlichkeit hierbei außer Acht bleibt.36 Eine ausschließlich auf den Täter bezogene Definition entspricht dem deutschen Tatstrafrecht37 damit nicht.38 Im Weiteren bedingt eine an die Person des Täters anknüpfende Definition erhebliche Schwierigkeiten bei der Kategorisierung und Erfassung der Wirtschaftskriminalität. Allein aus dem Zugriff auf die amtlichen Kriminalstatistiken könnte keine verlässliche Aussage über die Verbreitung von Wirtschaftskriminalität getroffen werden. Die zur Einordnung – etwa nach der Theorie der Kriminalität trotz sozialer Unauffälligkeit – erforderlichen kriminologisch relevanten Daten werden nicht in den Verzeichnissen erfasst.39 Würde eine solche Erfassung vorgenommen, so 32

Kaiser, Kriminologie, S. 841. Kaiser, Kriminologie, S. 841; ablehnend Opp, Soziologie und Wirtschaftskriminalität, S. 40; Mannheim, Vergleichende Kriminologie, S. 570 ff. 34 Zur Ungeeignetheit des Vertrauens als Abgrenzungskriterium siehe in diesem Abschnitt unter D. II. 2. b). 35 Eine Ausnahme hierzu bilden die sog. Sonderdelikte, die die Strafbarkeit an eine besondere Eigenschaft des Täters knüpfen, vgl. Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 14. Im Nebenstrafrecht ist eine solche Anknüpfung an Eigenschaften des Täters häufig anzutreffen, während sie im Kernstrafrecht seltener ist. Hier sind etwa der Arbeitgeber (§ 266a StGB) als auch der Kaufmann (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 – 7 StGB) sonderpflichtig. 36 Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 13 Rn. 3; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 79; Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 7a. 37 Der Gegenbegriff zum Tatstrafrecht ist das sog. Täterstrafrecht, bei dem die Persönlichkeit des Täters im Fokus steht, vgl. zum Begriff Joecks/Erb, in: MüKo StGB, Einl. Rn. 45 f. m. w. N. 38 Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 2 Rn. 3, eine Ausnahme hiervon bilden die Sonderdelikte. 39 Göppinger/Bock, Kriminologie § 25 B Rn. 6. 33

1. Abschn.: Definition des Wirtschaftsstrafrechts

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wäre damit ein erheblicher Mehraufwand bei der Erstellung der Statistiken verbunden, weshalb eine solche Definition aus praktischer Sichtweise wenig brauchbar scheint. Die Brauchbarkeit der täterbezogenen Abgrenzungskriterien wird zudem durch die fortschreitende Schichtnivellierung und das Wegbrechen der Arbeiterklasse vermindert.40 In einer durchlässigen und modernen Gesellschaft sollte es keine Abgrenzung einzelner Gesellschaftsschichten anhand des „weißen Kragens“ geben. Auch den beiden mehr an der Ausübung der Tat orientierten Begriffen des „occupational crime“ und des „corporate crime“ muss entgegengehalten werden, dass sie zu weit bzw. zu eng gefasst sind. So erfasst erste Definition, ebenso wie der Begriff „white collar crime“, alle von einer bestimmten Personengruppe begangenen Taten. Es werden also ungefiltert Taten einer Person erfasst, unabhängig davon, welchen Bezug diese Taten zum wirtschaftlichen Geschehen aufweisen.41 Der zweite Begriff des „corporate crime“ grenzt dies zwar weiter ein, jedoch erscheint auch diese Eingrenzung zu kurz gegriffen. So werden Taten im Zusammenhang mit juristischen Personen und deren Organen erfasst.42 Straftaten, die außerhalb des Unternehmens begangen werden können, wie etwa die Steuerhinterziehung, bleiben hingegen unberücksichtigt, obwohl sie durchaus geeignet sind, die Wirtschaft zu tangieren. Das wirtschaftsschädigende Potential verschiedenster Delikte wird damit nicht vollständig abgebildet. Der Ansatz deckt nur einen Teilaspekt der Wirtschaftskriminalität ab43 und kann daher nicht überzeugen. Eine Abgrenzung des Wirtschaftsstrafrechts nach dem Kriterium Edelhertz’, welches darauf abstellt, dass bei Wirtschaftsstraftaten eine unmittelbare Mitwirkung des Täters am Erfolg fehle, kann ebenfalls nicht überzeugen. Ohnehin wäre der Anwendungsbereich auf Delikte beschränkt, die einen solchen Taterfolg – gemeint ist hier der Vermögensschaden – vorsehen. Bei anderen Delikten, Tätigkeitsdelikten oder Gefährdungsdelikten, ist die Anwendung schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Insbesondere für die hier zu untersuchenden Korruptionsdelikte, die in den §§ 299, 299a und 299b StGB als Tätigkeitsdelikte ausgestaltet sind, ist er untauglich. Zudem existieren Delikte, die nach der Definition Edelhertz’ dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen wären, augenscheinlich aber mit der Wirtschaft wenig Berührungspunkte aufweisen. So wäre die Erpressung, § 253 StGB, per se dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen, da sie einen Vermögensnachteil verlangt, der regelmäßig keine unmittelbare Beteiligung des Täters an der vom Genötigten vorgenommenen Handlung, Duldung oder Unterlassung erfordert. Ein spezifisches und damit aussagekräftiges Abgrenzungskriterium kann so nicht gewährleistet werden.

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Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 12. So wären dann Verkehrsstraftaten der Täter mit hohem sozialem Status erfasst, die in keinerlei Zusammenhang mit der Wirtschaft stehen. 42 Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 7. 43 Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 17. 41

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

C. Strafrechtsdogmatische Definition Der strafrechtsdogmatische Definitionsansatz nimmt eine Begriffsbestimmung anhand des spezifischen Unrechts vor. Er befasst sich daher mit den Auswirkungen der Tat auf die Rechtsgüter.44 Kennzeichnend für die Normen des Wirtschaftsstrafrechts soll demnach sein, dass diese nicht nur Individualrechtsgüter, sondern darüber hinaus auch überindividuelle Rechtsgüter schützen.45 Individualrechtsgüter sind dabei solche, die allein einer einzelnen Person zuzuordnen sind, deren Interessen schützen und über die diese disponieren darf.46 Kollektivrechtsgüter hingegen betreffen die Interessen der Allgemeinheit, der Einzelne kann über sie nicht disponieren.47 Von einer Wirtschaftsstraftat könne daher nur gesprochen werden, wenn neben dem wirtschaftlichen Individualinteresse eine abstrakte Gefährdung eines überindividuellen Rechtsguts eintrete. Liege bloß die Gefährdung eines Individualrechtsguts vor, könne die Tat nicht dem Wirtschaftsstrafrecht zugeordnet werden.48

I. Definition des Rechtsguts als Abgrenzungskriterium Mit dieser Feststellung ist nun im Weiteren das Rechtsgut zu betrachten. Bei der Bestimmung ist das Rechtsgut von dem durch die konkrete Tat betroffenen Angriffsund Handlungsobjekt abzugrenzen.49 Mit dem Angriffs- und Handlungsobjekt wird lediglich der konkrete Gegenstand bezeichnet, an dem die nachteilige Veränderung

44 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 26; Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 2 Rn. 5; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 342 ff.; Lindemann, Gibt es ein eigenes Wirtschaftsstrafrecht?, S. 13; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 16. 45 Lindemann, Gibt es ein eigenes Wirtschaftsstrafrecht?, S. 14 ff.; Heinz, in: Gropp, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht, S. 31; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 345 f.; Tiedemann, GA 1969, 71, 80 ff., Montenbruck/Kuhlmey/Enderlein, JuS 1987, 713, 716. 46 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 19; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 27 f.; Marx, Zur Definition des Begriffs Rechtsgut, S. 81 ff.; Otto, Rechtsgutsbegriff, S. 9. 47 Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 27 f.; Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 34; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 81; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 19; zwar wird den Kollektivrechtsgütern auch Kritik entgegengebracht, so werden sie teilweise als „wolkige“ (Hassemer, Anm. zu BayObLG, Beschluss vom 15. 02. 1990 – RReg. 2 St 398/89, JuS 1990, 850) bis zu „frei erfunden(e) Gebilde(n)“ bezeichnet (Weigend, in: Festschrift Triffterer, S. 695, 699), vgl. auch Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 34. Diese Kritik an dem Begriff des kollektiven Rechtsguts ist aufgrund der mit einem solchen Verständnis einhergehenden Möglichkeit zur weitreichenden Inkriminierung von Verhaltensweisen nachvollziehbar. Da es vorliegend aber nicht um die Frage der Strafbarkeit eines Verhaltens, sondern um die Kategorisierung positiven Rechts geht, bedarf es keiner vertieften Auseinandersetzung mit ihr. 48 Bottke, wistra 1991, 1, 4; Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 10; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 252, Individualrechtsgüter können nur Bedeutung erlangen, sofern sie Teilbereiche der Wirtschaftsordnung betreffen. 49 Vgl. hierzu Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 20 m. w. N.

1. Abschn.: Definition des Wirtschaftsstrafrechts

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eintritt.50 Zur Kategorisierung der Delikte ist das Angriffs- und Handlungsobjekt aber unbrauchbar. Hier ist alleine das Rechtsgut entscheidend und auf die durch die tatbestandlich erfassten Verhaltensweisen tangierten Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit51 abzustellen. Wie genau der Begriff Rechtsgut52 zu bestimmen ist, ist in der Literatur derzeit nicht annährend geklärt, vielmehr herrscht eine pluralistische Meinungswelt.53 Verschiedene Ansichten beschreiben das Rechtsgut als „werthafte Zustände“54, als „sozial wertvoll erkannte Lebensgüter“55 oder als „Rechtswert“ und „Rechtsinteresse“.56 Welzel, der das Rechtsgut als den vom normwidrigen Verhalten des Täters abgelösten Sachverhaltswert sieht, umschreibt Rechtsgüter als „elementare Werte des Gemeinschaftslebens“.57 In diese Richtung geht auch die Beschreibung Lampes, der Rechtsgüter als „kulturelle Werte, auf deren Bestand die Allgemeinheit vertraut und zu deren Schutz sie den Einsatz von Zwang für erforderlich hält“ erfasst.58 Andere Definitionen werden von teleologischen Erwägungen geprägt.59 Demnach sei Zweck der Strafgesetze der Schutz der Gemeinschaftswerte und das Rechtsgut nur „diejenige kategoriale Synthese, mit welcher juristisches Denken Sinn und Zweck der einzelnen Strafrechtssätze in komprimierter Form zu erfassen bestrebt (ist)“, also der „in den Strafrechtssätzen anerkannte Zweck in seiner kürzesten Formel“.60 50

Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 26 m. w. N. Da ansonsten etwa auch die Ermordung eines Geschäftsführers oder das Einschlagen der Scheiben eines Kaufhauses, welche die Schließung des Geschäfts oder eine zumindest geringere Wirtschaftlichkeit dieses bedingen würden, wohlmöglich dem Wirtschaftsstrafrecht zuzurechnen wären, Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 16. 52 Der Begriff des Rechtsguts wurde erstmals von Johann Michael Franz Birnbaum verwendet (Birnbaum, Archiv des Criminalrechts 1834, S. 149, 175 f.) und später dann von Karl Binding (Binding, Normen I, S. 353 ff.) und Honig (Honig, Einwilligung, S. 70 ff.) aufgegriffen. Zur Entwicklung des Begriffs vgl. Sina, Die Dogmengeschichte des Begriffs „Rechtsgut“. 53 Vgl. Rudolphi, in: Festschrift Honig, S. 151, 151; Stratenwerth, in: Festschrift Lenckner, S. 377, 388; Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 31 ff.; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 8 ff.; Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 2 ff.; es scheint schwierig, eine allgemein gültige, für alle Tatbestände passende, Definition zu finden, vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT I § 2 Rn. 2 ff.; Rönnau, JuS 2009, 209, 210 f. 54 Rudolphi, in: Festschrift Honig, S. 162 ff. 55 Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 9. 56 von Liszt, ZStW 6 (1886), 663, 674; Welzel, Strafrecht, § 1 I S. 1 ff.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 19. 57 Welzel, Strafrecht, § 1 I S. 1 ff. 58 Lampe, in: Festschrift Welzel, S. 164. 59 Der sog. teleologische Rechtsgutsbegriff Honigs (Honig, Einwilligung, S. 70 ff.), vgl. hierzu auch Amelung, Rechtgüterschutz, S.130 ff. 60 Honig, Einwilligung, S. 94. In diese Richtung geht auch die Annahme Roxins, der das Rechtsgut als „Gegebenheit(en) oder Zwecksetzung(en), die dem einzelnen und seiner freien Entfaltung im Rahmen eines auf dieser Zielvorstellung aufbauenden Gesamtsystems oder dem Funktionieren dieses Systems selbst nützlich (ist)“ bezeichnet (Roxin/Greco, AT I § 2 Rn. 7). 51

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

Diese vielzähligen Definitionen zeigen die Komplexität der Materie. Eine einheitliche Definition des Begriffs Rechtsgut ist schwierig.61 Sicher ist aber, dass das Rechtsgut vorpositiv zu bestimmen ist.62 Gesetze wirken somit nicht konstituierend für das Rechtsgut an sich, sie schützen das bereits Existente.63 Mit dieser Feststellung einher geht die Erkenntnis, dass der Rechtsgutsbegriff der Strafrechtswissenschaft in zweierlei Weise dienlich sein kann.64 Zum einen hilft er bei der Legitimation strafrechtlicher Normen (sog. systemkritischer Rechtsgutsbegriff),65 zum anderen ermöglicht er die Klassifikation von Deliktsgruppen und determiniert die teleologische Auslegung (sog. systemimmanenter Rechtsgutsbegriff).66 Gegenstand der folgenden Untersuchung sind bereits bestehende Gesetze. Diese sollen anhand der von ihnen geschützten Rechtsgüter dem Wirtschaftsstrafrecht zugeordnet und schließlich genauer betrachtet werden. Dabei wird nicht in Frage gestellt, dass die durch das positive Recht geschützten Güter schützenswert sind und ihre Benennung als Rechtsgüter zutreffend ist. Die systemkritische Funktion des Rechtsgutsbegriffs ist daher zu vernachlässigen. Es steht vielmehr das Rechtsgut als taugliches systemimmanentes Abgrenzungskriterium im Fokus.67 Auf die Diskussion der Anforderungen an ein Rechtsgut und dessen Schutzwürdigkeit, ebenso wie auf eine dezidierte Auseinandersetzung mit den vorbenannten Definitionen kann verzichtet werden. Es ist für diese Untersuchung ausreichend, das Rechtsgut als den objektiven Wert des geschützten Gutes bzw. die gedankliche Zusammenfassung dessen, was der Tatbestand im Ganzen ausmacht,68 zu begreifen. Es kennzeichnet den materiellen Kern der strafbaren Handlung.69 Das Rechtsgut ist damit das Gut, was durch das Verbrechen nachhaltig beeinträchtigt, abstrakt oder konkret gefährdet wird.70 61 Rönnau, JuS 2009, 209, 210 f.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 1 ff.; Frisch, in: Hefendehl/von Hirsch/Wohlers, Die Rechtsgutstheorie, S. 216. 62 So der liberale Rechtsgutsbegriff; zu Differenzierung zum sog. methodisch-teleologischen Rechtsgutsbegriff, der ein rein formaler Rechtsgutsbegriff ist und sich damit am positiven Recht orientiert, vgl. Lampe, in: Festschrift Welzel, S. 164. 63 Marx, Zur Definition des Begriffs Rechtsgut, S. 17; Frisch, in: Hefendehl/von Hirsch/ Wohlers, Die Rechtsgutstheorie, S. 215, 219 ff. 64 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 43; Rönnau, JuS 2009, 209, 211. 65 Hassemer, Theorie, S. 41 ff.; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 13 Rn. 10; Hassemer/Neumann, in: NK StGB, Vor § 1 Rn. 113, Rudolphi, in: Festschrift Honig, S. 151 ff. 66 Hassemer, Theorie, S. 27 ff., 41 ff.; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 13 Rn. 10; Hassemer/Neumann, in: NK StGB, Vor § 1 Rn. 113. 67 Sofern erforderlich, soll hierauf bei den einzelnen Vorschriften eingegangen werden. Denn der Rechtsgutsbegriff hat sich im Besonderen Teil zu bewähren, vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT I § 2 Rn. 10. 68 Reischel, Wirtschaftskriminalität und Rechtsgut, S. 9. 69 Marx, Zur Definition des Begriffs Rechtsgut, S. 8. 70 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 19 ff.; Binding, Normen I, S. 340 ff.; Welzel, Strafrecht, § 11 Rn. II, S. 62.

1. Abschn.: Definition des Wirtschaftsstrafrechts

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II. Ein das Wirtschaftsstrafrecht einendes Rechtsgut Dem strafrechtsdogmatischen Ansatz folgend müsste nun das geschützte Rechtsgut definiert werden. Erste Anhaltspunkte bieten regelmäßig die Überschriften der Abschnitte im Strafgesetzbuch. Diese beziehen sich oftmals auf das durch die folgenden Tatbestände geschützte Rechtsgut. Im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts hilft die Abschnittsüberschrift im Strafgesetzbuch aber wenig,71 da auch im Nebenstrafrecht relevante Normen zu finden sind. Zudem wird dieser Ansatz im Strafgesetzbuch bereits nicht konsequent durchgehalten. Insbesondere bei den Eigentums- und Vermögensdelikten werden nur die Delikte als solche in den Abschnittsüberschriften genannt und kein Rechtsgut bezeichnet. Es bestehen damit Schwierigkeiten, ein das Wirtschaftsstrafrecht kategorisierendes überindividuelles Rechtsgut zu bestimmen. Eine zumindest ansatzweise Erfassung und eine Umgrenzung des Rechtsguts sind allerdings erforderlich.72 Eine Definition, die auf der Verletzung überindividueller Rechtsgüter beruht, ist nur tauglich, wenn auch ein solches überindividuelles Rechtsgut ausgemacht werden kann.73 1. Vertrauen als Kollektivrechtsgut Vielfach diskutiert wird, ob nicht das Vertrauen das eigentliche übergreifende Rechtsgut der Wirtschaftsstraftaten sei.74 Dabei wird zwischen dem interpersonalen Vertrauen und dem sog. Systemvertrauen75 unterschieden. Für die Bestimmung des Wirtschaftsstrafrechts relevant soll nur Letzteres, das Vertrauen in die geltende Wirtschaftsordnung insgesamt, sein.76 So müsse sich die Öffentlichkeit etwa bei Bilanzen darauf verlassen können, dass diese regelgerecht erstellt wurden. Die Öffentlichkeit vertraue damit auf diese Systembedingung.77 Zwar findet sich der Gedanke des Missbrauchs von Systemvertrauen in vielen strafrechtlichen Tatbeständen. Die Anerkennung als Rechtsgut wird aber überwiegend bestritten. Wie Beckemper zutreffend erkennt, sei es für den Täter schwierig, dieses Rechtsgut zu verletzen.78 Es handele sich letztlich um eine Leerformel, die 71

Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 47. So auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 29. 73 So auch Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 31. 74 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 56 ff.; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 343 f.; kritisch zur Anerkennung des Vertrauens in die Funktionsfähigkeit der Märkte als Rechtsgut Beckemper, ZIS 2011, 318 ff. 75 Zur Unterscheidung Beckemper, ZIS 2011, 318 ff.; zum Systemvertrauen Kaiser, Kriminologie, S. 841 f., 856 ff.; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 343 ff. 76 Otto, ZStW 96 (1984), 339, 346; das Vertrauen in den Wirtschaftsverkehr ist Teil des Rechtsguts, vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 255 ff.; ders., JZ 2004, 18, 21 f. 77 Vgl. Hefendehl, JZ 2004, 18, 20. 78 Beckemper, ZIS 2011, 318, 323. 72

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

jeglicher Konturen entbehre und daher keiner Abgrenzung dienlich sei.79 Ein Alleinstellungsmerkmal des Wirtschaftsstrafrechts könne in diesem darüber hinaus nicht erblickt werden.80 So beinhalte jeder Rechtsmissbrauch einen Vertrauensverlust in die Beständigkeit des Rechts. Vertrauen existiere damit nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern auch in anderen Teilen der Gesellschaft. Dem Vertrauen komme daher – wenn überhaupt – nachrangige Bedeutung zu.81 Die vorgenannte Kritik trägt insoweit, als das eine Abgrenzung des Wirtschaftsstrafrechts anhand des Rechtsguts „Vertrauen“ nicht möglich ist. Viele Delikte, auch außerhalb des Wirtschaftsstrafrechts, setzen ein Vertrauen in Systeme voraus, wie etwa § 206 StGB, die Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses. Hier soll nach herrschender Ansicht das Vertrauen der Allgemeinheit in das ordnungsgemäße Funktionieren des Post- und Fernmeldeverkehrs geschützt werden.82 Vertrauen ist daher ein allgemeines Element des Rechtsgüterschutzes und nicht kennzeichnend für einen bestimmten Bereich des Strafrechts.83 2. Wirtschaft als Kollektivrechtsgut Als Rechtsgut der Wirtschaftsstraftaten käme zudem das Institut „Wirtschaft“ in Betracht. Unter dem Begriff Wirtschaft wird gemeinhin das ökonomische System einer Gesellschaft, die Gesamtheit ihrer Institutionen und Handlungen mit dem Ziel eines rational geprägten und damit besteffizienten Einsatzes der vorhandenen begrenzten Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse verstanden.84 Die Wirtschaft gibt keine Ge- und Verbote vor. Wertmaßstäbe und Regeln enthält sie nicht. Ihr Ziel besteht alleine in der Herstellung eines Marktes, in dem Angebot und Nachfrage kongruent sind.85 Der Begriff der Wirtschaft ist sehr weit gefasst und ist damit nicht nur für eine strafrechtliche Betrachtung, sondern auch für eine Abgrenzung unbrauchbar. Unter Zugrundelegung eines solchen Rechtsguts würde jedes Verhalten, das einen Güteraustausch – egal welcher Art – beeinträchtigt,86 als potentiell straf79

Volk, JZ 1982, 85, 86; Berckhauer, ZStW 87 (1975), 788, 817. Volk, JZ 1982, 85, 86; Berckhauer, ZStW 87 (1975), 788, 817. 81 So sei das Vertrauen von Kleinfirmen bei unzulässigen Kartellabsprachen nicht übermächtig beeinträchtigt, da sie mit diesem Phänomen rechnen und sie auf die Preisgestaltung ohnehin wenig Einfluss nehmen können, so Kaiser/Kinzig, in: Kaiser/Schöch/Kinzig, Kriminologie, 9. Rn. 12. 82 BT-Drs. 13/8453, S. 12. 83 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 59. Das Vertrauen in den Wirtschaftsverkehr ist Teil des Rechtsguts, vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 124 ff., 255 ff.; ders., JZ 2004, 18, 21. 84 Bottke, wistra 1997, 241, 242, darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Definitionsansätze. 85 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 48. 86 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 48 f.; Lindemann, Gibt es ein eigenes Wirtschaftsstrafrecht?, S. 13 ff. 80

1. Abschn.: Definition des Wirtschaftsstrafrechts

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rechtlich relevant erfasst. Dies würde vielzählige Diskussionen auf der Ebene der Erheblichkeit der Rechtsgutsverletzung bedingen. Darüber hinaus kann eine Bestimmung, die an einem solch vagen und allgegenwärtigen Rechtsgut orientiert ist, keinen weiteren Beitrag zur Abgrenzung des Wirtschaftsstrafrechts vom allgemeinen Strafrecht liefern. Zuzustimmen ist daher der Annahme,87 dass nicht die Wirtschaft als solche das relevante Schutzgut sein kann. 3. Soziale Marktwirtschaft als Kollektivrechtsgut Das einende Rechtsgut muss daher viel eher in dem Wirtschaftssystem, in der konkreten Wirtschaftsordnung,88 der sozialen Marktwirtschaft und ihren konstitutiven Prinzipien und Elementen, gesehen werden.89 Nicht nur das Wirtschaften an sich, sondern ein solches in der grundgesetzlich zugelassenen Form der sozialen Marktwirtschaft wird geschützt. So finden sich im Grundgesetz eine Vielzahl von Bestimmungen, die eine Bevorzugung des Prinzips der sozialen Marktwirtschaft erkennen lassen, etwa Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 bis 3, 5 Abs. 1, 9 Abs. 3, 11, 12, 14, 20, 28, 109 GG.90 Das System der sozialen Marktwirtschaft ist damit Ausfluss verschiedenster grundrechtlich geschützter Güter. Es beinhaltet zum einen den Gedanken des freien und sich durch Angebot und Nachfrage regulierenden Marktes. Dieser freie Markt ist Folge des grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das sich nach überwiegender Ansicht auch auf das wirtschaftliche Handeln erstreckt.91 Art. 2 Abs. 1 GG ist damit in Zusammenschau mit den anderen genannten Grundrechten Grundlage der Wettbewerbs- und der Vertragsfreiheit.92 Dem wirtschaftlichen Handeln sind allerdings durch die Idee des Sozialstaates (Art. 20 GG) Grenzen gesetzt. Die Marktwirtschaft darf daher nicht frei von einem solchen Sozialgedanken 87 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 47; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 253. 88 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, Bd. 1 S. 50 ff.; ders., JuS 1989, 689, 691; Schneider, JZ 1972, 461, 463; hierbei sind grundsätzlich das System der Planwirtschaft, welches eine zentrale Verwaltung vorsieht, und das dezentrale System, das durch die Abstimmung von Angebot und Nachfrage charakterisiert wird, zu unterscheiden. Zwischen diesen beiden konträren Formen existiert eine Vielzahl an Mischformen, so auch die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 50. 89 Bottke, wistra 1991, 1, 4; Tiedemann, GA 1969, 71, 81 f.; ders., JuS 1989, 689, 691. 90 Vgl. hierzu Bottke, wistra 1991, 1, 3; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 31 ff., sieht bei der Ausgestaltung des Wirtschaftssystems einen Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers; Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 62, geht unter Bezugnahme auf BVerfGE 4, 7, 17 f. davon aus, dass das Grundgesetz kein bestimmtes Wirtschaftssystem gewährleiste, jedoch Schranken bei der Wahl vorgebe, sodass die soziale Marktwirtschaft nicht das einzig mögliche Wirtschaftssystem darstelle. 91 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 32 f. 92 BVerfGE 32, 311, 316; BVerwG, NJW 1958, 1551, 1552; BGH, GRUR 1957, 365, 367.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

sein.93 Exemplarisch sei auf Art. 15 GG oder das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG verwiesen, dass durch Art. 14 Abs. 2 GG sozial gebunden ist. In beiden grundgesetzlichen Regelungen wird wirtschaftliches Handeln durch den Sozialgedanken beschränkt. Dies lässt sich auch auf die Wirtschaftsordnung übertragen. Die Idee des Sozialstaates bindet auch hier die Wirtschaft, indem Systeme geschaffen werden, die eine Umverteilung ermöglichen, wie etwa das Steuersystem oder das Subventionswesen. Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses der sozialen Marktwirtschaft als überindividuelles Rechtsgut soll damit die Summe der Strafgesetze, die dem Schutzobjekt der Gesamtwirtschaftsordnung dienen,94 vom Wirtschaftsstrafrecht erfasst werden. Da die Wirtschaftsordnung als abstraktes Gut durch einzelne Verstöße nicht bereits gefährdet wird, müssen auch solche wesentlichen Teilbereiche, Funktionsmechanismen und Institute, die das Bestehen der Wirtschaftsordnung sicherstellen, als Rechtsgutsobjekte geschützt werden.95 Relevant sind alle Wirtschaftsobjekte und -subjekte.96 4. Zusammenfassung Zur Kategorisierung des Wirtschaftsstrafrechts sind im Rahmen der strafrechtsdogmatischen Definition im Ergebnis die Wirtschaft an sich und das Vertrauen als Kollektivrechtsgut unbrauchbar.97 Kennzeichnend für das Wirtschaftsstrafrecht muss 93 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 31 ff.; Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 63. 94 Lindemann, Gibt es ein eigenes Wirtschaftsstrafrecht?, S. 19. 95 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 40. 96 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 65. 97 Über diese Ansichten hinaus werden verschiedene Variationen einer rechtsgutsbezogenen Abgrenzung vertreten. So wird versucht, die Sozialschädlichkeit als Abgrenzungskriterium zu etablieren (vgl. zu diesem Kriterium allgemein Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 350 ff.; Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 29) und eine Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht allein von einer solchen abhängig zu machen (Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/ Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 9). Teilweise wird neben einer Beeinträchtigung eines Kollektivrechtsguts auch eine bestimmte typische modifizierte Begehungsweise gefordert, damit die Tat dem Wirtschaftsstrafrecht zugeordnet werden könne. So verlangt Tiedemann ergänzend, dass der Schaden auf einem Missbrauch der Instrumente des Wirtschaftslebens beruhen müsse (Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, Bd. 1 S. 53 f.). Gemeint ist hiermit etwa der Missbrauch von Bilanzen (vgl. § 331 ff. HGB), der EDV (§§ 202a, 263a, 269, 303a und b StGB), von Kreditkarten (§ 266b StGB) oder anderer Mittel des unbaren Zahlungsverkehrs (Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 1 Rn. 82; zustimmend Heinz, in: Gropp, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht, S. 18). Gegen die Annahme der Sozialschädlichkeit als Abgrenzungskriterium lassen sich die bereits gegen das „Vertrauen“ erhobenen Einwände der Unbestimmtheit und Vagheit erheben. Unklar ist, was sich hinter dem Begriff der besonderen Sozialschädlichkeit verbergen soll und wann eine solche anzunehmen ist. Sie scheint daher ebenso wenig geeignet, eine Abgrenzung zu konturieren. Auch der Definitionsansatz Tiedemanns leistet insoweit kaum Abhilfe, er verlagert die Frage nur vor, da

1. Abschn.: Definition des Wirtschaftsstrafrechts

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viel eher sein, dass die Tat als Wirtschaftsstraftat Auswirkungen auf das System der sozialen Marktwirtschaft als geschütztes Rechtsgut hat.98 Unter Zugrundelegung der strafrechtsdogmatischen Definition sind daher Strafnormen unter den Begriff des Wirtschaftsstrafrechts zu fassen, die die Wirtschaftsordnung und ihr Funktionieren sichern sollen. Es geht also um Verstöße gegen Normen, die die Wirtschaft lenken oder die Herstellung, Verteilung und Erzeugung von Wirtschaftsprodukten regeln.99 Es sind Delikte erfasst, die dem Schutz des nationalen Wirtschaftsverkehrs, den konstitutiven Elementen und Instrumenten der staatlichen Finanzwirtschaft sowie der Volkswirtschaft dienen.100 Geschützt sind diese Einzelausprägungen des Wirtschaftsverkehrs101 im Rahmen der geltenden Wirtschaftsordnung, dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft.

D. Ergebnis Eine allgemeingültige oder über jeden Zweifel erhabene Definition des Wirtschaftsstrafrechts lässt sich nicht feststellen. Alle benannten Definitionsansätze haben ihre Schwächen und Stärken. Zur Begriffsbestimmung kommt es damit auf die fachspezifische Herangehensweise und die konkrete Fragestellung an. Vorliegend dient die Definition des Wirtschaftsstrafrechts dazu, einen Rahmen für die Untersuchung der Vorschriften über die tätige Reue zu bilden. Es bedarf daher eines validen Kriteriums zur abstrakten Abgrenzung des positiven Rechts. Vor diesem Hintergrund scheidet eine strafprozessual-taktische Abgrenzung anhand des Katalogs von § 74c GVG aus, da dieser bei den unter Nr. 6 genannten Vorschriften einen besonderen Fallbezug verlangt. So fallen die dort genannten Delikte nur dann in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsstrafkammer, wenn zu deren Beurteilung besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind. Unter Nr. 6 fallen auch das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und die Vorteilsannahme sowie Bestechlichkeit, um deren Untersuchung es im Folgenden gehen soll. Ohne die jeweilige spezifische Fallgestaltung kann damit keine abstrakte Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht erfolgen, sodass die Definition zu einer rein abstrakten Abgrenzung untauglich erscheint. Im Übrigen dient die Vorschrift der Gerichtsorganisation und ermöglicht damit zwar eine an den Bedürfnissen der Praxis vorerst bestimmt werden müsste, welche Instrumente denn solche des Wirtschaftslebens seien sollen. 98 Bottke, wistra 1991, 1 ff.; Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 45 ff. 99 Tiedemann, GA 1969, 71, 80 ff.; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 138; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 342. 100 Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 10a f.; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 350 ff. 101 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 253.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

orientierte schnelle Abgrenzung der Delikte, den eigentlichen Charakter der Wirtschaftskriminalität vermag sie allerdings nicht abzubilden. Auch die kriminologische Definition kann das Wirtschaftsstrafrecht als Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit nicht tauglich abgrenzen.102 Zum einen kann die Anknüpfung an den Täter der Straftat vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund nicht überzeugen. Art. 103 Abs. 2 GG knüpft die Strafe nicht an die Person und die Eigenschaften des Täters an, sondern verlangt, dass eine gesetzlich bestimmte Tat vorliegt. Zum anderen ist der an den Täter anknüpfende Ansatz zu weit. So werden nicht nur Taten erfasst, die in einem Bezug zur Wirtschaft stehen. Als Wirtschaftsstraftaten zu klassifizieren wären alle Delikte, die häufig von sozial höher gestellten Personen begangen werden, also etwa auch Verkehrsstraftaten.103 Darüber hinaus würde eine solche Abgrenzung anhand der Eigenschaften des Täters eine Vielzahl empirischer Daten erfordern. Bereits aus diesem Grund ist sie vorliegend unbrauchbar. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Strafrechts ist eine Abgrenzung anhand der Rechtsgüter vorzugswürdig. Das Strafrecht dient dem Schutz bestimmter Rechtsgüter.104 Nur anhand der beeinträchtigten Rechtsgüter können Wirtschaftsstraftaten daher in ihren Modalitäten erfasst, ihr spezielle Unrechtsgehalt bestimmt und schließlich von anderen Straftaten abgegrenzt werden.105 Gegen eine von der Betrachtung des Rechtsguts geleitete Abgrenzung wird angebracht, dass diese mit dem Abstellen auf ein überindividuelles Rechtsgut des Wirtschaftsstrafrechts, ein solches neu konstruiere. Damit werde dem Gesetzgeber ermöglicht, unter dem Deckmantel abstrakter und unscharfer Begriffe Verhaltensweisen zu kriminalisieren.106 Es herrsche damit eine gefährliche Unbestimmtheit. Diese Kritik kann nicht von der Hand gewiesen werden. Dennoch ist anhand der Funktion des kollektiven Rechtsguts zu differenzieren. Obiger Einwand trifft das kollektive Rechtsgut in seiner Funktion, die Grenzen eines strafrechtlichen Schutzes auszuloten (systemkritischer Rechtsgutsbegriff), nicht aber als kategorisierendes zusammenfassendes Merkmal (systemimmanenter Rechtsgutsbegriff). Hier kann der Einwand insoweit nicht durchgreifen, da nur die systemimmanente Funktion des Rechtsgutsbegriffs zum Tragen kommt. Die beanstandete Unschärfe des Begriffs Rechtsguts wirkt sich bei dieser Frage nicht aus. Im Weiteren wird eingewandt, dass wirtschaftliche Verstöße zu Gunsten oder zu Lasten von Betrieben, die kein über betriebliche Belange hinausgehendes Rechtsgut abstrakt gefährden, nicht erfasst werden.107 Auch wenn dieser Kritikpunkt im Kern 102

Vgl. auch Bottke, wistra 1991, 1, 2. Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 7. 104 Zur Schutzfunktion des Strafrechts vgl. BVerfGE 39, 47; Günther, JuS 1978, 8, 11; Roxin, ZStW 81 (1969), 613, 622; Rudolphi, in: Festschrift Honig, S. 151. 105 Otto, ZStW 96 (1984), 339, 342; ders., Jura 1989, 24, 26. 106 Schneider, in: Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 9. 107 Lampe, HdWW, S. 311. 103

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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zutreffen mag, so offenbart er jedoch keinen Mangel der strafrechtsdogmatischen Definition. Der Unrechtsgehalt einer Tat wird nicht tangiert, wenn statt der Vermögensmasse einer Person letztendlich das Vermögen eines Unternehmens geschädigt wird.108 Die Unternehmensbetroffenheit vermag weder eine besondere Straf- noch eine besondere Schutzwürdigkeit zu begründen.109 Die Brauchbarkeit eines kollektiven Rechtsguts als Abgrenzungskriterium kann sie daher nicht berühren. Da der Fokus dieser Untersuchung auf bereits existente Normen gerichtet ist und sich mit der Frage einer Kategorisierung dieser befassen soll, kommen die Argumente gegen die strafrechtsdogmatische Begriffsbestimmung nicht zum Tragen. Eine rechtsgutsbezogene Zuordnung der Delikte zum Wirtschaftsstrafrecht steht im Einklang mit der Systematik des Strafgesetzbuchs. Auch der Gesetzgeber stellt bei der Einordnung der Delikte grundsätzlich auf die durch die Straftaten beeinträchtigten Rechtsgüter ab, wie u. a. durch die Überschriften im Strafgesetzbuch110 deutlich wird. Daher liegt es nahe, auf dieses bereits als zur Abgrenzung tauglich befundene Merkmal der Kategorisierung abzustellen, auch wenn der Gesetzgeber selbst diese nicht stringent durchhält. Darüber hinaus verspricht eine Abgrenzung auf Grundlage des Rechtsguts bei positivem Recht handhabbare Ergebnisse. Relevantes Rechtsgut kann bei den Wirtschaftsstraftaten nur ein kollektives Rechtsgut sein. Da sowohl das Vertrauen als auch die Wirtschaft selbst wegen ihrer Unbestimmtheit als Rechtsgut ausscheiden, muss dieses Rechtsgut konkreter gefasst sein. Die konkrete Wirtschaftsordnung in Form der sozialen Marktwirtschaft ist demnach das vorzugswürdige Rechtsgut. Alle Tatbestände des Wirtschaftsstrafrechts müssen dieses in einer seiner Facetten schützen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll daher eine Abgrenzung anhand des strafrechtsdogmatischen Ansatzes unter Zugrundelegung des kollektiven Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft, ihrer Institutionen und Prinzipien vorgenommen werden. 2. Abschnitt

Umfang des Wirtschaftsstrafrechts Im Anschluss an die Definition des Wirtschaftsstrafrechts ist nun zu klären, ob die zu Beginn der Arbeit benannten Korruptionsdelikte (§§ 299, 299a und 299b StGB) unter der entwickelten strafrechtsdogmatischen Definition dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen sind. Nur dann kann die strafrechtsdogmatische Definition Grundlage dieser Arbeit sein. 108

Otto, ZStW 96 (1984), 339, 343 f.; ders., Jura 1989, 24, 27. Otto, ZStW 96 (1984), 339, 345 f.; ders., Jura 1989, 24, 27. 110 Vgl. etwa 13. Abschnitt, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder 16. Abschnitt, Straftaten gegen das Leben. 109

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

A. Korruptionsdelikte als Wirtschaftsstraftaten Damit die Korruptionsdelikte als Wirtschaftsstraftaten gelten, müssen die durch §§ 299, 299a und 299b StGB geschützten Rechtsgüter dem Schutz der sozialen Marktwirtschaft dienen. Dabei ist zwischen der Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) einerseits und der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a und 299b StGB) andererseits zu differenzieren.

I. § 299 StGB Für ein Verständnis des Rechtsguts von § 299 StGB ist eine kurze Zusammenfassung der Historie dienlich. § 299 StGB ist durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13. 8. 1997111 in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Die Norm entspricht weitestgehend dem aufgehobenen § 12 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 7. 6. 1909,112 welches geschaffen wurde, um dem „Schmiergeldunwesen“ Einhalt zu gebieten.113 Durch die Aufnahme ins Strafgesetzbuch sollte der Stellenwert der früheren UWG-Vorschriften unterstrichen werden.114 Erst viele Jahre später wurde 2015 das sog. Geschäftsherrenmodell115 in § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB eingeführt, nach dem auch das Handeln ohne Zustimmung des Unternehmens pflichtwidrig und damit strafbar sein kann. Bei der nun anschließenden Rechtsgutsanalyse müssen die Wettbewerbsvariante in § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB sowie die Geschäftsherrenvariante in § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB damit bereits aufgrund des historischen Kontexts getrennt voneinander betrachtet werden. Für beide Tatbestandsvarianten werden unterschiedliche Rechtsgüter diskutiert. 1. § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB Die sog. Wettbewerbsvariante erfasst das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen eines Vorteils (Abs. 1 Nr. 1) sowie das spiegelbildlich dazu ausgestaltete Anbieten, Versprechen und Gewähren eines Vorteils (Abs. 2 Nr. 1) beim Bezug von Waren im inländischen oder ausländischen Wettbewerb als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung.

111 112 113 114 115

BGBl. 1997 I, S. 2038. RGBl. 1909 Nr. 31, S. 499. Vgl. RGSt 63, 426, 428. BT-Drs. 13/5584, S. 15. Vgl. hierzu BT-Drs. 18/4350, S. 21; so auch Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 3.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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a) Wettbewerb Geschütztes Rechtsgut der Wettbewerbsvariante ist nach überwiegender Ansicht der lautere Wettbewerb, wobei der Fokus auf das Institut des Wettbewerbs gelegt wird.116 Differenzierend wird in Anlehnung an die Verteilung der Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vertreten, dass bei § 299 StGB, wie im UWG, der Schutz der Lauterkeit ebendieses Wettbewerbs im Vordergrund stehe und nicht das Institut Wettbewerb an sich primär geschützt sei. Ziel der Vorschrift sei damit, ein faires Verhalten der Wettbewerber untereinander zu erreichen.117 Die Institution des Wettbewerbs sei dagegen ausreichend über das GWB geschützt, da hier die Funktion als Steuerungs- und Verteilungsmoment im Vordergrund stehe.118 b) Vermögen und Chancengleichheit der Mitbewerber Nach überwiegender Ansicht sollen mit dem Wettbewerbsschutz auch die Vermögensinteressen und die Chancengleichheit der Mitbewerber als Rechtsgut geschützt sein.119 Denn durch die korrupte Handlung werden die Mitbewerber in ihrer Chancengleichheit und in unbestimmbarer Weise in ihrem Vermögensinteresse beeinträchtigt.120 Grundlage finde diese Annahme ebenfalls im UWG, das in seiner ursprünglichen Form die Mitbewerber als vordergründiges Schutzobjekt ansah. Bereits aber mit der Richtlinie 84/450 EWG vom 19. 09. 1984 sei dann das Allgemeinrechtsgut in den Fokus genommen worden.121 Der Schutz der Mitbewerber gehe seitdem, so die allgemeine Ansicht, mit dem Schutz eines lauteren Wettbewerbes einher.122 In den Schutzbereich fallen damit die Geschäftsinteressen der Mitbewerber seitens des Auftraggebers sowie auf Seite des Auftragnehmers.123 Ein alleiniger Schutz des Rechtsguts der Mitbewerber wird überwiegend nicht angenommen.124 Dagegen spreche auch, dass das Strafrecht das Vermögen nur in seinem Bestand 116 BT-Drs. 13/5584, 9, 12; BGHSt 10, 358, 367; BGHSt 31, 207, 210; BGHSt 49, 214, 229; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 15; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 5; Fischer, § 299 Rn. 2. 117 Tiedemann, in: LK StGB, vor § 298 Rn. 1; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 3; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 9. 118 Tiedemann, in: LK StGB, vor § 298 Rn. 2; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 9. 119 Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 1; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 3. 120 Vgl. BGHSt 2, 396, 402; Ransiek, StV 1996, 446, 453. 121 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. 09. 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über irreführende Werbung. 122 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 9. Für einen mittelbaren Schutz Rosenau, in: SSWStGB § 299 Rn. 5; Fischer, § 299 Rn. 2; für einen vorrangigen oder den alleinigen Schutz der Mitbewerber Maurach/Schröder/Maiwald, BT 2 § 68 Rn. 2; BGH, NJW 1968, 1572, 1574. 123 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 2; RGSt 48, 291, 295; 66, 81, 82. 124 Für einen ausschließlichen Vermögensschutz jedoch: Maurach/Schröder/Maiwald, BT 2 § 68 Rn. 2; Pieth, ZStW 109 (1997), 756, 773 f.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

schütze und lediglich erwartete Einnahmen grundsätzlich nicht vom Schutzbereich erfasst werden.125 Denn welcher andere Mitbewerber im lauteren Wettbewerb zum Zuge gekommen wäre, wird regelmäßig schwer zu klären sein.126 c) Andere Individuen Teilweise wird auch der Schutz der anderen Marktteilnehmer über die Wettbewerber hinausgehend als Rechtsgut betrachtet.127 Korruptes Verhalten führe auf Dauer dazu, dass das allgemeine Qualitätsniveau sinke und der Preis steige.128 Es bestehe daher ein schutzwürdiges Interesse des Einzelnen an einem angemessenen Preis, einem guten Produkt und einer kompetenten Beratung.129 Nicht geschützt werde aber der Geschäftsherr des Bestechenden,130 da dessen Entscheidungsfindung von der Vorteilszuwendung nicht beeinflusst werde.131 Lange Zeit unklar war der Schutzbereich bezüglich der Vermögensinteressen des Geschäftsherrn des Bestochenen.132 Die früher kontrovers geführte Diskussion hat mit der Einführung des Geschäftsherrenmodells an Brisanz verloren, da nun der Schutz des Geschäftsherrn in § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB festgeschrieben ist. d) Nichtkäuflichkeit von Entscheidungsmacht Abgesehen von diesen Rechtsgütern werden darüber hinaus vereinzelt andere Konzepte vertreten. So geht Pragel davon aus, dass das relevante Rechtsgut in der Nichtkäuflichkeit übertragener oder sonst besonders fremdverantwortlicher Entscheidungsmacht sowie diesbezüglich bestehenden Vertrauens liege.133 Ähnlich formuliert es Roxin, indem er das Rechtsgut als „die Nichtkäuflichkeit von Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs im Wettbewerb“ bezeichnet.134 e) Organisationsstrukturen Jaques sieht das geschützte Rechtsgut in den Organisationsstrukturen zur Übertragung von Aufgaben im wirtschaftlichen Bereich als eine unabdingbare 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134

Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 16 ff. m. w. N. Pragel, ZIS 2006, 63, 66; Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 17. Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 2; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 3. Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 15; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 14 m. w. N. Pragel, ZIS 2006, 63, 66; Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 17. So aber für einen Einzelfall BGH, NJW 1968, 1572, 1574. Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 15. Schmidt, wistra 2011, 321, 323; Walter, wistra 2001, 321, 323. Pragel, ZIS 2006, 63, 75. Roxin, in: Festschrift Rössner, S. 892, 909.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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Voraussetzung der Funktionsfähigkeit der Wirtschaftsordnung, da eine solche Übertragung zwangsläufig erfolge.135 Sie sei für ein Funktionieren der Unternehmen erforderlich, da der Geschäftsherr nicht alle Aufgaben selbst übernehmen könne. Die mit der Pflichtenübertragung einhergehende Beziehung beanspruche über den zivilrechtlichen Schutz hinaus auch einen strafrechtlichen Schutz. f) Stellungnahme Im Ergebnis überzeugt ein doppelter Rechtsgutsbezug, der aus dem Rechtsgut Wettbewerb und dem dahinterstehenden Schutz des Individualrechtsguts der Mitbewerber besteht. Die Rechtsgutskonzeptionen Pragels und Jaques sehen sich hingegen zurecht der Kritik ausgesetzt. Beide greifen mit ihren Formulierungen des Rechtsguts nur einen Teilaspekt auf und differenzieren nicht ausreichend. Sie sind daher nicht in der Lage, das tatbestandliche Unrecht vollständig zu erfassen. Gegen das von Pragel proklamierte Rechtsgut der „Nichtkäuflichkeit von Entscheidungen“ spricht, dass diese Umschreibung nur einen Teilaspekt des geschützten Verhaltens abbildet und den Willen des Gesetzgebers nicht berücksichtigt.136 Dieser hat gerade keinen allgemeinen Tatbestand der Nichtkäuflichkeit von Entscheidungen geschaffen, sondern zwischen den §§ 299, 331 ff., 108b und 108e StGB und § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG, § 152 GenG und § 23 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SchVG differenziert, denen unterschiedliche Gründe der Nichtkäuflichkeit zugrunde liegen.137 Jaques Verständnis einer zu schützenden Organisationsstruktur als Rechtsgut übersieht, dass diese spezifische Art der Pflichtverletzung bereits von der Untreue erfasst wird. § 266 StGB präzisiert die Anforderungen an die Pflichtverletzung und setzt darüber hinaus den Eintritt eines Vermögensschadens voraus.138 Damit kann die Verletzung der Loyalitätspflicht nicht auch hier – unter anderen Umständen – eine Strafbarkeit begründen. Die Übernahme des Geschäftsherrenmodells zeigt zudem, dass die Verletzung der Treuepflicht nur eine Variante korrupten Verhaltens ist und damit nicht das Rechtsgut aller tatbestandlichen Ausprägungen definieren kann. Auch diese Konzeption ist damit nicht tragfähig. Letztlich spricht bereits die Historie des § 299 StGB, als ein ursprünglich aus dem UWG stammender Tatbestand, für das Rechtsgut des Wettbewerbs. Nach § 1 UWG ist Sinn und Zweck des Gesetzes der Schutz des Interesses der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb.139 Der Wettbewerbsschutz spiegelt sich sodann aber 135 Jaques, Bestechungstatbestände, S. 91, 116; so ähnlich auch Szebrowski, Kick-Back, S. 156 ff., 161, der in der Bestechung einen Angriff auf die Pflichten- und Loyalitätsbeziehung zum Geschäftsherren sieht. 136 Vasilikou, in: Festschrift Imme Roxin, S. 359, 371. 137 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 12. 138 Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 18. 139 Vasilikou, in: Festschrift Imme Roxin, S. 359, 364; Tiedemann, in: LK StGB, vor § 298 Rn. 2.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

auch in der Einordnung des Tatbestandes im 26. Abschnitt des Strafgesetzbuches unter der Überschrift „Straftaten gegen den Wettbewerb“ wieder. Hier verankert der Gesetzgeber das Rechtsgut.140 Nicht überzeugen kann in diesem Zusammenhang die vorgeschlagene Aufspaltung zwischen dem Wettbewerb und dessen Lauterkeit. Diese entspricht nicht dem damals mit der Einführung des § 12 UWG verfolgten Ziel, das „Schmiergeldunwesen“ in jeder Form zu bekämpfen. Eine Begrenzung des Schutzes auf die Interessen der Mitbewerber durch die Erklärung der Lauterkeit des Wettbewerbs zum alleinigen Rechtsgut ist weder mit der Entstehungsgeschichte noch mit dem Ziel der Norm zu vereinbaren.141 Sie widerspricht auch der Ausgestaltung des Tatbestandes.142 Dieser verknüpft das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen des Vorteils mit der Bevorzugung. So hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige strafbar sein soll, der seine Entscheidung im Wettbewerb nicht von dem Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern von dem Vorteil abhängig mache. Auf diese Weise hat er die Wettbewerbsschädigung inkorporiert.143 Einwände, die unter dem Gesichtspunkt der Unbestimmtheit gegen dieses Rechtsgut erhoben werden,144 kommen dabei nicht zum Tragen.145 Der Wettbewerb, in welchem jedem Teilnehmer die wirtschaftliche Entfaltung gewährt wird, ist als Ordnungssystem zu greifen.146 Der Tatbestand umschreibt die verletzende Handlung und damit den Angriff auf das Rechtsgut hinreichend.147 Neben dem Wettbewerb an sich sind außerdem die Teilnehmer des Wettbewerbs in ihren Vermögensinteressen und dem Interesse an Chancengleichheit mitgeschützt.148 Diese Individualinteressen sorgen für eine weitere Konturierung des Kollektivrechtsguts.149 Die Mitbewerber vertrauen darauf, dass die Verteilung von Aufträgen auf Rationalität und Transparenz und damit auf dem Leitungsprinzip basiert.150 Zudem tritt spiegelbildlich zur Bevorzugung eine Benachteiligung ein, sodass sich jeder Verstoß gegen diesen Tatbestand zugleich gegen die Individualinteressen der Mitbewerber richtet.151 Dass der 140

So auch Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 14. Vasilikou, in: Festschrift Imme Roxin, S. 359, 363. 142 Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 14 f.; Heuking/von Coelln, BB 2016, 323, 324. 143 Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 15. 144 So etwa Lüderssen, StV 1997, 320. 145 So auch Corsten, Einwilligung, S. 289. 146 So auch Corsten, Einwilligung, S. 289. 147 Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 20. 148 Vgl. BGHSt 2, 396, 402; Ransiek, StV 1996, 446, 453. 149 Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 15. 150 Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 14 f. 151 Walter, wistra 2001, 321, 323; sofern hier von Szebrowski (Kick-Back, S. 177) vertreten wird, dass der Schutz der Mitbewerber nur vom zweiten Absatz erfasst sei, kann dies nicht überzeugen. Zwischen beiden Absätzen des § 299 StGB besteht insoweit kein Unterschied, da beide spiegelbildlich ausgestaltet sind und die zugrunde liegende Situation die gleiche ist, vgl. hierzu Corsten, Einwilligung, S. 298 f. 141

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Gesetzgeber zugleich den Individualschutz gewährleisten will, wird auch an dem Strafantragsrecht des Verletzten deutlich.152 Eine Ausweitung des Rechtsguts auf andere Marktteilnehmer, die nicht in einem direkten Wettbewerb mit dem Täter stehen, kann nicht überzeugen.153 Eine solche Erweiterung führt zu Problemen bei der Nachweisbarkeit. Der Schutz der genannten Interessen wird darüber hinaus mit zivilrechtlichen Mitteln gewährleistet, weshalb es des Strafrechts als Ultima Ratio nicht bedarf.154 2. § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB Die sog. Geschäftsherrenalternative erfasst das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen eines Vorteils (Abs. 1 Nr. 2) sowie das spiegelbildlich dazu ausgestaltete Anbieten, Versprechen und Gewähren eines Vorteils (Abs. 2 Nr. 2) beim Bezug von Waren für eine unlautere Bevorzugung. Durch dieses Handeln oder durch Unterlassen müssen die Pflichten gegenüber dem Unternehmen – also dem Geschäftsherrn – verletzt werden. a) Schutz des Geschäftsherrn Nahezu unbestritten und bereits an der Formulierung des § 299 Abs. 1 Nr. 2 und des Abs. 2 Nr. 2 StGB erkennbar, dienen diese beiden Varianten dem Schutz des Geschäftsherrn.155 In der Gesetzesbegründung wurde für § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB das Interesse des Geschäftsherrn an einer loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten als Schutzzweck benannt.156 Der Schutz des Geschäftsherren erfasst auch den Schutz seines Vermögens.157 Teilweise wird neben dem Schutz des Geschäftsherrn158 ein weiteres Rechtsgut – etwa der Wettbewerb – als geschützt begriffen.159

152

Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 12. Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 15; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 14 m. w. N. 154 Vasilikou, in: Festschrift Imme Roxin, S. 359, 368. 155 BT-Drs. 18/4350, S. 21; BT-Drs. 16/6558, S. 13 f. 156 BT-Drs. 18/4350, S. 21. 157 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 16; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 7. 158 Für einen alleinigen Schutz des Geschäftsherrns: Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 16; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 16; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 7; Krack, ZIS 2016, 83, 86 f. 159 Gaede, NZWiSt 2014, 281, 289; Hoven, NStZ 2015, 553, 559; Dannecker/Schröder, ZRP 2015, 48; Kubiciel, ZIS 2014, 667, 670 f., der in der Norm ein abstraktes ausschließliches Gefährdungsdelikt zum Schutz des Wettbewerbs sieht. 153

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

b) Wettbewerb Seit der Einführung der Geschäftsherrenvariante besteht Diskussion darüber, ob diese neben dem Geschäftsherrn auch den Wettbewerb als geschütztes Rechtsgut erfasst.160 Für einen solchen Schutz spreche, dass die vom Gesetzgeber in den Gesetzgebungsmaterialien gebrauchte Formulierung durch Art. 7 und 8 des EuroparatÜbereinkommens sowie nach Art. 2 des EU-Rahmenbeschlusses angeregt wurde. Sinn und Zweck dieses Übereinkommens sei der Schutz vor unlauteren Wettbewerbsverzerrungen und die Förderung einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung, weshalb vorliegend auch der Wettbewerb geschützt werden müsse.161 Der Schutz des Wettbewerbs finde sich, so die Befürworter, zudem auch in der tatbestandlichen Ausgestaltung wieder. So knüpfe diese an den geschäftlichen Aufgabenbereich an und verlange ein Handeln im geschäftlichen Verkehr.162 c) Stellungnahme Die Geschäftsherrenalternative wurde ausdrücklich eingeführt, um erkaufte Pflichtverletzungen des Angestellten oder Beauftragten außerhalb von Wettbewerbslagen zu erfassen.163 In der Gesetzesbegründung wird dargelegt, dass die Strafbarkeit keinen Wettbewerbsbezug erfordere.164 Entscheidend ist nur eine Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen.165 Bereits vom Sinn und Zweck sowie der Historie der Norm kommend ist der Wettbewerb damit nicht vom Schutzbereich erfasst.166 Dem stehen auch europarechtliche Regelungen nicht entgegen. In Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor wird die Pflichtverletzung definiert. Diese Definition sieht keine Einschränkung auf wettbewerbsrechtliche Treuepflichten vor, sodass ein solcher Bezug nicht notwendig ist.167 Diesem Ergebnis steht auch nicht die Einordnung in den 26. Abschnitt des Strafgesetzbuchs „Straftaten gegen den Wettbewerb“ entgegen. Diese Systematik hat nur eine Indizwirkung. Dem Gesetzgeber steht es frei, Hybridtatbestände zu schaffen, die er zwangsläufig in einen – für eines der Rechtsgüter gegebenenfalls nicht passenden – Abschnitt einordnen muss.168 Nicht zuletzt spricht auch die For160 Für einen solchen Schutz Kubiciel, ZIS 2014, 667, 670; dagegen letztlich Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 18; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 16. 161 9. Erwägungsgrund Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor; Gaede, NZWiSt 2014, 281, 288 f. 162 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 16. 163 BT-Drs. 18/4350, S. 21; BT-Drs. 16/6558, S. 13 f. 164 BT-Drs. 18/4350, S. 21. 165 BT-Drs. 18/4350, S. 21. 166 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 16; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 16. 167 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 16. 168 Krack, ZIS 2016, 83, 87.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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mulierung des Tatbestandes gegen die Annahme eines kollektiven Rechtsguts. Der Tatbestand des § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt nämlich voraus, dass ein Handeln ohne Einwilligung vorliegt. Willigt das Unternehmen ein, fehlt es an einer Strafbarkeit. Eine Einwilligung kann aber nur dort Wirksamkeit entfalten, wo es primär um Individualrechtsgüter geht.169 Kollektive Rechtsgüter stehen nicht zur Disposition des Einzelnen. Die Einwilligung hat nach allgemeiner Ansicht daher auch keinen Einfluss auf eine Strafbarkeit nach den bereits oben dargestellten Varianten des Absatzes 1 Nr. 1 und Absatzes 2 Nr. 1, die ein kollektives Rechtsgut schützen.170 Wird aber ihre tatbestandsausschließende Wirkung für Absatz 1 Nr. 2 und Absatz 2 Nr. 2 bejaht, muss hier ein anderes, nicht der Allgemeinheit zustehendes, Rechtsgut geschützt werden. Einem solchen Rechtsgutsverständnis, das einzig auf den Schutz des Individualrechtsguts ausgerichtet ist, entspricht auch das fehlende Strafantragsrecht der Verbände, Mitbewerber und Kammern, welches in § 301 für § 299 Absatz 1 Nr. 1 und Absatz 2 Nr. 1 StGB existiert.171 3. Zwischenergebnis Die Geschäftsherrenvariante dient primär einem Individualrechtsgut, dem Schutz des Geschäftsherrn und dessen Vermögen. Sie ist daher nicht dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen. Es bleibt damit festzustellen, dass lediglich die erste Variante beider Absätze des § 299 StGB das kollektive Rechtsgut Wettbewerb schützen. Der Wettbewerb ist für das Funktionieren des Wirtschaftssystems der sozialen Marktwirtschaft elementar;172 er stellt das Leistungsprinzip sicher173 und lenkt das Angebot von Waren und Dienstleistungen am Markt nach der Nachfrage der Käufer.174 Der Wettbewerb dient der optimalen und – durch Regeln eingegrenzt – auch fairen Ressourcenverteilung.175 Zudem garantiert er Chancengleichheit.176 Der Wettbewerb ist daher einer der Grundpfeiler der sozialen Markwirtschaft, deren Aufgabe es ist, die Freiheit des Wettbewerbs mit sozialer Gerechtigkeit zu vereinen.177 Damit kann die Wettbewerbsvariante des § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB unter die im ersten Teil benannte Definition des Wirtschaftsstrafrechts subsumiert werden. 169

So auch Krack, ZIS 2016, 83, 87. LG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2015, 215, 216. Seit dem sog. Korkengeldfall geht die Rspr. und mit ihr die h. M. davon aus, dass die Zustimmung des Geschäftsinhabers die Strafbarkeit nach § 299 StGB nicht entfallen lasse (vgl. Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, § 299 Rn. 45 f. m. w. N.). Diese Ansicht hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Nr. 2 in Absatz 1 und Absatz 2 bekräftigt, vgl. BT-Drs. 18/6389, S. 14 f. 171 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 16. 172 Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 12; Fischer, Vor § 298 Rn. 6. 173 Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 11. 174 Dannecker/Schröder, in: Kubiciel/Hoven, Korruption im Gesundheitswesen, S. 43, 45. 175 Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 11. 176 Dannecker/Schröder, in: Kubiciel/Hoven, Korruption im Gesundheitswesen, S. 43, 45. 177 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 52. 170

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

II. §§ 299a und 299b StGB Bei den erst 2016 ins Strafgesetzbuch eingeführten §§ 299a und 299b StGB178 bietet ein Blick in die Gesetzgebungsgeschichte Aufschluss über das geschützte Rechtsgut. Zuvor herrschten unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Strafbarkeit der Korruption im Gesundheitswesen.179 Als Ausgangspunkt der verschiedenen Ansichten gilt die Feststellung Pragels,180 dass der Vertragsarzt Beauftragter der Krankenkasse im geschäftlichen Verkehr sei. Er könne daher selbst Täter im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB sein oder bestochen werden.181 Mit dem sog. Vertragsarztbeschluss des Großen Senats für Strafsachen182 entschied der BGH jedoch, dass der niedergelassene Vertragsarzt nicht Beauftragter der Krankenkasse sei.183 Durch diesen Beschluss wurde eine Strafbarkeit nach den geltenden Normen ausgeschlossen.184 Es blieben lediglich honorar-, vertragsarzt- und berufsrechtliche Nebenfolgen. Eine solche Sanktionierung wurde aber der herrschenden Interessenlage nicht gerecht. Der Vertragsarzt ist, bedingt durch seine exponierte Stellung, die sich aus einer Lenkungsfunktion von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung ableitet, für Werbeversuche – insbesondere der Pharmaunternehmen – besonders attraktiv. Er hat eine große Anzahl an Patienten, deren Behandlung er unmittelbar bei den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen kann. Ihm kommt daher auch eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung zu.185 Nachdem mit dieser Begründung bereits in der 17. Legislaturperiode versucht wurde, eine Regelung einzuführen,186 folgte am 04. 02. 2015 der Referentenentwurf des BMJV.187 Ihre heutige Form fanden §§ 299a und 299b StGB dann in den par178

BGBl. 2016 I, S. 1254. Für die Anwendbarkeit des § 299 StGB: OLG Braunschweig, NStZ 2010, 392; LG Hamburg, MPR 2011, 56; gegen die Anwendung des § 299 exemplarisch LG Stade, BeckRS 2011, 18495. 180 Dannecker/Schröder, in: Kubiciel/Hoven, Korruption im Gesundheitswesen, S. 43, 46; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 2. 181 Pragel, NStZ 2005, 133, 134. 182 BGHSt 57, 202. 183 BGHSt 57, 202 ff. Zudem sollen sie nicht unter den Amtsträgerbegriff des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB fallen und damit Beauftragte sein. 184 Aufgrund der Stellung des niedergelassenen Vertragsarztes war auch eine Strafbarkeit wegen § 263 StGB oder § 266 StGB zulasten des Leistungserbringers nicht möglich. BGHSt 57, 202; vgl. ausführlich Sahan/Urban, ZIS 2011, 23 ff. 185 BT- Drs. 18/6446, S. 11 f. 186 Vgl. etwa BT-Drs. 17/14575. 187 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Bekaempfung_ Korruption_Gesundheitswesen.pdf, zuletzt abgerufen am 31. 03. 2021. Dieser Entwurf enthielt noch zwei alternative Arten der Unrechtsvereinbarung: eine, die als Gegenleistung für den 179

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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lamentarischen Beratungen.188 Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens wurden verschiedene Rechtsgüter der neu zu schaffenden Tatbestände diskutiert. So wurde zum einen der Schutz des Leistungswettbewerbs, zum anderen die Sachlichkeit und Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen sowie der Schutz des Vertrauens in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen benannt.189 Noch heute spiegelt sich diese Diversität in der Diskussion zum geschützten Rechtsgut wider. 1. Wettbewerb Aus den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich weitestgehend unbestritten auf das Rechtsgut Wettbewerb schließen.190 So wurde die Notwendigkeit der Regelung damit begründet, dass ohne den Schutz eines fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen nicht anhand der marktüblichen Kriterien Qualität und Preis entschieden werden würde.191 Maßgebend sei die unlautere Bevorzugung, was zu einem Vertrauensverlust und sinkender Qualität der medizinischen Versorgung führe.192 Wegen des Wettbewerbsschutzes seien die Tatbestände im 26. Abschnitt des Strafgesetzbuch, der mit „Straftaten gegen den Wettbewerb“ überschrieben ist, richtig verortet.193 Die strukturelle Vergleichbarkeit des Tatbestandes zu den übrigen Korruptionsdelikten spreche ebenso für den Schutz des Wettbewerbs.194

Vorteil eine unlautere Bevorzugung im inländischen und ausländischen Wettbewerb vorsah, und eine andere, die die Verletzung einer beruflichen Pflicht forderte. Nach erheblicher Kritik an der Reichweite und der Bestimmtheit des Entwurfs (Gaede/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 145 ff., 151 ff.; Taschke/Zapf, medstra 2015, 332, 336; Aldenhoff/Valluet, medstra 2015, 195, 196 ff.) wurde in dem eingebrachten Regierungsentwurf durch die Beschränkung der Berufspflichtverletzung auf solche Pflichten, die der Warnung der heilberuflichen Unabhängigkeit dienen, versucht, eine größere Bestimmtheit zu erreichen (vgl. BT-Drs. 18/6446, S. 1, 12 f., 16 f.), im Übrigen blieb der Referentenentwurf weitestgehend unverändert. 188 BT-Drs. 18/8106. Aus Gründen der Bestimmtheit wurde hier die zweite Alternative der Unrechtsvereinbarung durch die Verletzung der Pflichten zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verworfen und die konkret erfassten Verhaltensweisen eingeschränkt (BTDrs. 18/8106, S. 13 f., 15 f.). 189 BR-Drs. 16/15, S. 11; BT-Drs. 18/6446, S. 1, 12, 13, 16; BT-Drs. 18/8106, S. 17; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 8. 190 BT-Drs. 18/6446, S. 16. 191 BR-Drs. 16/15, S. 16 f.; BT-Drs. 18/6446, S. 12. 192 BT-Drs. 18/6446, S. 12. 193 BR-Drs. 16/15, S. 16 f.; Grzesiek/Sauerwein, NZWiSt 2016, 369. 194 BT-Drs. 18/6446, S. 16; BR-Drs. 181/16, S. 1; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 30.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

2. Integrität heilberuflicher Entscheidungen Neben dem Wettbewerb soll die Integrität heilberuflicher Entscheidungen geschützt werden.195 Der doppelte Rechtsgüterschutz entspringt ebenfalls den Gesetzesvorschlägen, die noch eine weitere Variante strafbaren Verhaltens unter Strafe stellten. Ursprünglich sollte eine Verletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit (Vertrauensbruchvariante) sanktioniert werden.196 Da jedoch verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich dieser Tatbestandsvariante bestanden, verzichtete der Gesetzgeber schließlich auf sie.197 Berufsrechtlich seien Ärzte aber verpflichtet – so die Vertreter eines doppelten Rechtsgutsbezugs –, heilberufliche Entscheidungen alleine im Interesse der Patienten zu treffen.198 Erfolge die ärztliche Leistung nun als Gegenleistung für eine Bevorzugung, bestehe eine unzulässige Einschränkung der ärztlichen Entscheidungsfreiheit. Wirtschaftliche Interessen des Arztes treten in sachwidriger Konkurrenz zu dem Wohl des Patienten.199 Das bestehende Vertrauensverhältnis werde beeinträchtigt.200 Damit stellt die Beeinträchtigung der heilberuflichen Integrität den Unrechtskern der Korruption im Gesundheitswesen dar.201 3. Schutz des Mitbewerbers, der Krankenkassen und der Patienten Teilweise wird der Schutz des Mitbewerbers, der gesetzlichen Krankenkassen und auch der Patienten, als Rechtsgut der Tatbestände erfasst.202 Damit werden Vermögensinteressen einbezogen.203 Dies gelte auch für die Vermögensinteressen des Konkurrenten, die darin zu erblicken sind, dass der korrupte Arzt durch seine Bestechlichkeit Mittel erhalte, mit denen er seine Behandlungsoptionen und Untersu-

195 Fischer, § 299a Rn. 3; Geiger, CCZ 2016, 172, 174: doppelter Rechtsgüterschutz bestehe fort und sei gleichsam im Wettbewerbsmodell aufgehoben; Dannecker/Schröder, in: Kubiciel/Hoven, Korruption im Gesundheitswesen, S. 43, 61; Kubiciel, in: Kubiciel/Hoven, Korruption im Gesundheitswesen, S. 69; 70 f.; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 29. 196 BT-Drs. 18/6446, S. 12 f.; Heger, in: Lackner/Kühl, § 299a Rn. 1. 197 Siehe dazu Wortprotokoll der 77. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Protokoll-Nr. 18/77, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/ausschuesse18/a06/ anhoerungen/Archiv/12-02-gesundheitswesen/396604, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. 198 Vgl. hierzu § 31 Abs. 1 MBO, der es Ärzten verbietet für Abgabe-, Verordnungs- und Zuweisungsentscheidungen Vorteile zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen. 199 BR-Drs. 16/15, S. 12; BT-Drs. 18/8106, S. 2. 200 BR-Drs. 16/15, S. 12; BT-Drs. 18/8106, S. 2. 201 BT-Drs. 18/6446, S. 12; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 33. 202 Heger, in: Lackner/Kühl, § 299a Rn. 1; Rosenau, in: SSW-StGB § 299a Rn. 2; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 30; Gaede, in: NK-WSS § 299a Rn. 10. 203 Heger, in: Lackner/Kühl, § 299a Rn. 1; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 8.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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chungsräume verbessern könne und damit für Patienten attraktiver sein werde als seine Mitbewerber.204 4. Stellungnahme Die Tatbestände der Korruption im Gesundheitswesen schützen zum einen den freien Wettbewerb, zum anderen die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Diese Rechtsgutskonzeption bestätigt sich bei einem Blick auf den Ursprung der Normen, der Herkunft der Korruptionsdelikte aus dem UWG.205 Aus § 1 UWG ergibt sich, dass Sinn und Zweck des Gesetzes nicht nur der Schutz des Interesses der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb ist, sondern auch der Schutz der Verbraucher, welche im Gesundheitswesen die Patienten sind.206 Bereits hier war damit ein doppelter Rechtsgüterschutz angelegt. Dem Rechtsgut des Wettbewerbs stehen auch keine tragenden Argumente entgegen. Zwar wurde eingewandt, dass nach partiell vertretener Meinung im Gesundheitswesen überhaupt kein freier Wettbewerb existiere.207 Wirtschaftliches Handeln sei in diesem Bereich in hohem Maße reglementiert.208 Grundsätzlich widerspricht aber das Vorhandensein von Regelungen dem Rechtsgut des Wettbewerbs nicht. Auch der Wettbewerb außerhalb des Gesundheitssystems unterliegt bestimmten Regeln und ist keineswegs frei von einem System.209 So kann der Wettbewerb in Deutschland nur im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft existieren und wird durch Regelungen limitiert, die zur Bewahrung sozialer Belange dienen.210 Die Regeln im Gesundheitswesen beschränken in ähnlicher Weise den Wettbewerb, verhindern ihn jedoch nicht. Es liegen vielmehr beide für den Wettbewerb charakteristischen und elementaren Eigenschaften vor: Es existiert ein Markt211 mit mindestens zwei Anbietern, hier zumeist Pharmaunternehmen, welche sich hinsichtlich eines Ziels antagonistisch verhalten.212 Darüber hinaus besteht ein „variierende(s) Spannungsverhältnis, bei dem ein höherer Zielerreichungsgrad des einen zu einem geringeren Zielerreichungsgrad des anderen führt“.213 204

BT-Drs. 18/6446, S. 12, 17; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 47. Geiger, CCZ 2016, 172, 174. 206 Geiger, CCZ 2016, 172, 174. 207 Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 31; Brettel/Duttge/Schur, JZ 2015, 929, 933; Dannecker/Schröder, in: Kubiciel/Hoven, Korruption im Gesundheitswesen, S. 43, 63 f. 208 Vgl. hierzu Gerlinger, in: Manzei/Schmiede, Wettbewerb im Gesundheitswesen, S. 35, 55 ff. 209 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 85 ff. 210 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 51. 211 Gaede/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 145. 212 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 54; Olten, Wettbewerbstheorie, S. 13 ff. 213 Koepsel, Bestechlichkeit, S. 36; Olten, Wettbewerbstheorie, S. 14. 205

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

Neben dem Rechtsgut des Wettbewerbs sieht sich auch das Rechtsgut der Integrität der heilberuflichen Entscheidung der Kritik ausgesetzt. So wird argumentiert, dass diese nur Grund für den Erlass dieses Sondertatbestandes sei, nicht aber geschütztes Rechtsgut.214 Dem steht jedoch entgegen, dass korruptionsartige Kooperationen zwischen Angehörigen des Heilberufs und Dritten stets geeignet sind, die Sachlichkeit und Unabhängigkeit der medizinischen Behandlung in Frage zu stellen.215 Damit haben diese Handlungen Auswirkungen auf die Integrität der heilberuflichen Entscheidung. Auch ohne die Normierung der Vertrauensbruchvariante besteht eine abstrakte Gefahr für die heilberufliche Integrität. Dies hat auch der Gesetzgeber gesehen, da er die Tatbestände als Offizialdelikt ausgestaltet und diese Ausgestaltung mit dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen begründet hat.216 Der doppelte Rechtsgüterschutz überzeugt, weil die Integrität der heilberuflichen Entscheidung nicht automatisch vom Wettbewerb miterfasst wird. Es ist nicht die entscheidende Funktion des Wettbewerbs, eine frei von finanziellen Interessen getroffene ärztliche Entscheidung zu erreichen.217 Nur die Zusammenschau von Wettbewerbsschutz und Beeinträchtigung berufsrechtlicher Regelungen erfasst den gesamten Unrechtsgehalt der Korruption im Gesundheitswesen vollständig.218 Mittelbar geschützt sind die Krankenkassen, Patienten und Mitbewerber. 5. Zwischenergebnis Der Wettbewerb ist Element des deutschen Wirtschaftssystems, der sozialen Marktwirtschaft. Dies gilt unabhängig von dem Segment, in dem der Wettbewerb stattfindet. Im Gesundheitswesen haben die Folgen der Korruption eine potentiell erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung, da sich die Gesamtausgaben im Gesundheitswesen im Jahr 2012 auf über 300 Milliarden Euro beliefen.219 Die Angehörigen der Heilberufe sind die „gatekeeper“ dieses Marktes und haben dementsprechend eine Schlüsselstellung inne.220 Ihre Beeinflussung hemmt den Markt und verhindert eine auf Preis und Qualität der Produkte beruhende Entscheidung und führt zur Benachteiligung der Mitbewerber. Der freie Wettbewerb wird verhindert und durch die unlautere Bevorzugung steigen die Kosten der Gesundheitsvorsorge.221 214

Heger, in: Lackner/Kühl, § 299a Rn. 1; Rosenau, in: SSW-StGB § 299a Rn. 2; Gaede, in: NK-WSS § 299 Rn. 8; Kölbel, medstra 2016, 193; Kubiciel, jurisPR-Compl 3/2016 Anm. 1; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132 f: dualistisches Rechtsgutskonzept nicht mehr überzeugend. 215 BR-Drs. 16/15, S. 12; BT-Drs. 18/8106, S. 2. 216 BT-Drs. 18/8106, S. 17. 217 Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 34. 218 BT-Drs. 18/6446, S. 12 f.; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 36. 219 BT-Drs. 18/6446, S. 11. 220 BT-Drs. 18/6446, S. 11. 221 BT-Drs. 18/6446, S. 12.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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Die Delikte der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen verhindern dies. Sie schützen ein spezifisches Segment des Marktes und damit auch das Wirtschaftssystem, sodass §§ 299a und 299b StGB dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen sind.

III. Ergebnis Sowohl die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr als auch diejenigen der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen schützen den Wettbewerb als ein wesentliches Element des Wirtschaftssystems der sozialen Marktwirtschaft. Bei § 299 StGB gilt dies aber unter Zugrundelegung obiger Rechtsgutskonzeption nur für die Wettbewerbsvariante. Bei der Geschäftsherrenvariante stehen die Individualrechtsgüter im Vordergrund. Auch bei der Wettbewerbsvariante werden neben dem Kollektivrechtsgut die Individualinteressen der Wettbewerber geschützt. Im Hinblick auf die Korruption im Gesundheitswesen ergibt sich ebenfalls ein doppelter Rechtsgutsbezug, da hier die Integrität der heilberuflichen Entscheidung ebenfalls gewahrt werden soll. Eine solche doppelte Rechtsgutsdefinition steht der Zuordnung der Tatbestände zum Wirtschaftsstrafrecht nicht entgegen. Aus diesem Grund können die §§ 299 Abs. 1 Nr. 1, 299 Abs. 2 Nr. 1, 299a und 299b StGB nach der strafrechtsdogmatischen Definition dem Wirtschaftsstrafrecht zugeordnet werden. Die Definition hat sich damit zugleich als tauglich zur Bestimmung typisch wirtschaftsstrafrechtlicher Delikte erwiesen.

B. Wirtschaftsstrafrechtliche Regelungen Im Folgenden ist nun die Gruppe an Delikten zu bestimmen, mit der §§ 299, 299a und 299b StGB verglichen werden soll. Dafür sind zunächst alle Delikte zu ermitteln, die eine tätige Reue vorsehen. Aus diesen Delikten sind dann solche zu extrahieren, die einen Bezug zur sozialen Marktwirtschaft vermuten lassen. Sie sind sodann hinsichtlich des durch sie geschützten Rechtsguts zu untersuchen.

I. Untersuchungsumfang der Regelungen zur tätigen Reue Der Untersuchungsumfang „Wirtschaftsstrafrecht“ als Vergleichsmaßstab für die Korruptionsdelikte ist weit gefasst, da nicht nur Straftaten, sondern auch Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich erfasst werden.222 Ahndung und Strafe stehen häufig nebeneinander.223 Insbesondere im Nebenstrafrecht wurden vermehrt Tatbe222

Müller-Gugenberger, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 12. In vielen Fällen kann durch das Hinzutreten weiterer Umstände aus einer Ordnungswidrigkeit eine Straftat werden. Dies ist beispielsweise bei der Wiederholung verschiedener 223

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

stände geschaffen, die statt einer Strafe eine Geldbuße als Folge einer Zuwiderhandlung vorsehen.224 Erkennbar lässt sich Wirtschaftsstrafrecht daher nicht auf das Strafgesetzbuch beschränken, sondern umfasst auch spezielle Straf- und Bußgeldvorschriften in den – dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnenden nebenstrafrechtlichen – Gesetzen.225 Im Hinblick auf das Erkenntnisziel der Arbeit kann aber im ersten Schritt eine Einschränkung bezüglich der Ordnungswidrigkeiten erfolgen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht wird unter Hinweis auf den sog. Opportunitätsgrundsatz für Regelungen der tätigen Reue kein Bedarf gesehen.226 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet gleichwohl die leichtfertige Steuerverkürzung. Für sie existiert mit § 378 Abs. 3 AO die Möglichkeit der Selbstanzeige und damit verbunden der Verzicht auf die Verhängung einer Geldbuße. Insgesamt können die Ordnungswidrigkeiten aber wegen der weitreichenden Einstellungsmöglichkeiten für diese Untersuchung außer Betracht bleiben. Zudem soll sich die Arbeit auf das Kernstrafrecht fokussieren. Daher wird der Untersuchungsgegenstand im zweiten Schritt auf die Normen des Strafgesetzbuchs begrenzt. Aufgrund ihrer Praxisrelevanz soll darüber hinaus die Regelung der Steuerhinterziehung in § 370 AO mit der Regelung der Selbstanzeige in § 371 AO genauer betrachtet werden. Innerhalb dieses Untersuchungsumfangs sind alle Normen zu betrachten, die dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen sind und bereits eine Regelung der tätigen Reue vorsehen. 1. Regelungen der tätigen Reue im Strafgesetzbuch Eine Regelung zur tätigen Reue sehen im Besonderen Teil des Strafgesetzbuch folgende Paragraphen vor: §§ 83a, 84 Abs. 5, 85 Abs. 3, 87 Abs. 3, 89a Abs. 7, 89c Abs. 7, 98 Abs. 2, 99 Abs. 3, 129 Abs. 7, 129a Abs. 7, 139 Abs. 4, 142 Abs. 4, 149 Abs. 2 und 3, 152a Abs. 5, 152b Abs. 5, 158, 161 Abs. 2, 202c Abs. 2, 239a Abs. 4, 239b Abs. 2, 261 Abs. 9, 263a Abs. 4, 264 Abs. 6, 264a Abs. 3, 265b Abs. 2, 266a Abs. 6, 298 Abs. 3, 303a Abs. 3, 303b Abs. 5, 306e, 314a, 320, 330b StGB. Einige der genannten Normen scheiden aufgrund einer am Kollektivrechtsgut der sozialen Marktwirtschaft orientierten Abgrenzung bereits augenscheinlich aus dem Bereich des Wirtschaftsstrafrechts aus. So etwa die Regelungen der tätigen Reue gemäß § 83a StGB, bei dem Hochverrat gegen den Bund (§ 81 StGB) oder gegen ein Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 148 Nr. 1 GewO) der Fall, Müller-Gugenberger, in: MüllerGugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 13. 224 Beispiele für besonders hohe Geldbußen finden sich in § 81c Abs. 2 S. 2 GWB, hier ist eine Geldbuße möglich, die sich am Vorjahresumsatz des Unternehmens orientiert und dabei „10 Prozent des in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung nicht übersteigen (darf)“ sowie in § 56 Abs. 3 GWG oder in § 95 Abs. 2 EnWG, nach dem die Geldbuße „bis zur dreifachen Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses“ betragen kann. 225 Müller-Gugenberger, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn. 11. 226 Coen, in: BeckOK OWiG § 13 Rn. 4.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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Land (§ 82 StGB), § 84 Abs. 5 StGB bei der Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei, § 85 Abs. 3 StGB bei dem Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot und § 87 Abs. 3 StGB, bei einer Agententätigkeit zu Sabotagezwecken. Auch § 89a Abs. 7 StGB, die tätige Reue bei der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, § 98 Abs. 2 und § 99 Abs. 3 StGB, die tätige Reue bei der landesverräterischen und geheimdienstlichen Agententätigkeit und § 129 Abs. 7 StGB sowie § 129a Abs. 7 StGB, die tätige Reue bei der Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung haben keinen Bezug zur sozialen Marktwirtschaft. Offensichtlich nicht die soziale Marktwirtschaft schützen § 139 Abs. 4 StGB, die tätige Reue bei der Nichtanzeige geplanter Straftaten, § 142 Abs. 4 StGB, die tätige Reue bei der Unfallflucht, § 158 StGB, das Berichtigen einer falschen Angabe, und § 161 StGB, die Berichtigung bei dem fahrlässigen Falscheid und der fahrlässigen falschen Versicherung an Eides statt. Gleiches gilt für § 202c Abs. 2 StGB, der die tätige Reue beim Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten regelt, sowie für § 303a Abs. 3 StGB, die tätige Reue bei der Datenveränderung, und für § 303b Abs. 5 StGB, die tätige Reue bei der Computersabotage, die alle dem Datenschutz dienen. Ebenfalls nicht dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen sind § 239a Abs. 4, der die tätige Reue bei dem Erpresserischen Menschenraub regelt, und § 306e StGB, der die tätige Reue zu den Brandstiftungsdelikten erfasst. Dies gilt in gleicher Weise für § 314a StGB, der eine Regelung zur tätigen Reue bei dem Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie (§ 307 StGB), dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB), dem Missbrauch ionisierender Strahlung (§ 309 StGB), dem Vorbereiten eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens (§ 310 StGB), dem Freisetzen ionisierender Strahlen (§ 311 StGB) und dem fehlerhaften Herstellen einer kerntechnischen Anlage (§ 312 StGB) trifft. Ebenso ohne Berührungspunkte zu dem Kollektivrechtsgut der sozialen Marktwirtschaft ist die Regelung der tätigen Reue in § 320 StGB. Dort wird eine Strafmilderung in bestimmten Fällen des Gefährlichen Eingriffs in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (§ 315 StGB), des Gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr (§ 315b StGB), der Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c StGB), der Beschädigung wichtiger Anlagen (§ 318 StGB) und der Baugefährdung (§ 319 StGB) vorgesehen. § 330b StGB regelt eine tätige Reue in Fällen des Verursachens von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierender Strahlen (§ 325a Abs. 2 StGB), dem unerlaubten Umgang mit Abfällen (§ 326 Abs. 1 – 3 StGB), dem unerlaubten Umgang mit radioaktiven und anderen gefährlichen Stoffen und Gütern (§ 328 Abs. 1 – 3 StGB) und der schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften (§ 330a Abs. 1, 3 und 4 StGB). Auch diese Regelung weist keinen Schutz der sozialen Marktwirtschaft auf.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

2. Regelungen einer tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht Bei § 89c Abs. 7 StGB, der tätigen Reue bei der Terrorismusfinanzierung, kann ein Bezug zur Wirtschaftsordnung zumindest nicht auf den ersten Blick ausgeschlossen werden, da es hier um Vermögenswerte geht. Die Tathandlung erfasst das Sammeln, Entgegennehmen und Zur-Verfügung-Stellen von Vermögenswerten in dem Wissen oder der Absicht, dass diese von einer anderen Person zur Begehung einer Katalogtat genutzt werden. Damit soll primär die Begehung der im Katalog genannten schweren Straftaten verhindert werden und so der Bestand sowie die innere und äußere Sicherheit des Staates geschützt werden.227 Diese Rechtsgutsbestimmung ermöglicht keine Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht. Konkreter zu betrachten ist damit zunächst § 149 Abs. 2 StGB, der eine tätige Reue bei der Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen vorsieht. Hier liegt ein Bezug zur Wirtschaftsordnung nahe. In demselben Kontext stehen § 152a StGB, die Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln, und § 152b StGB, die Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks. Da die beiden letztgenannten Normen bei der Regelung der tätigen Reue ausschließlich auf § 149 StGB verweisen und keine eigenständige Reueregelung formulieren, bieten sie für die vorliegende Untersuchung keinen Mehrwert. Es wird hier nur § 149 StGB betrachtet. Ebenfalls genauer zu untersuchen ist die Regelung der tätigen Reue bei der Geldwäsche in § 261 Abs. 9 StGB. Gleiches gilt für die Vorfeldtatbestände des Betrugs. So ist die tätige Reue beim Subventionsbetrug in § 264 Abs. 6 StGB, beim Kapitalanlagebetrug in § 264a Abs. 3 StGB und beim Kreditbetrug in § 265b Abs. 2 StGB zu analysieren. Ohne bereits die Rechtsgutsbestimmung vorweg zu nehmen, ist bei diesen Delikten ein Zusammenhang mit einer funktionierenden Wirtschaft und damit auch der Wirtschaftsordnung, der sozialen Marktwirtschaft, naheliegend. Eine Ausnahme bei den betrugsähnlichen Delikten bildet aber § 263a StGB. Dieser wurde eingeführt, um Täuschungen in EDV-Systemen zu erfassen.228 Nach überwiegender Ansicht ist damit primär das Vermögen geschützt. Darüber hinaus wird der Schutz der Datenvereinbarung229 als kollektives Rechtsgut diskutiert, welches aber keinen Bezug zur sozialen Marktwirtschaft aufweist. Eine Einordnung als Wirtschaftsstraftat kann unter oben benannter Definition daher nicht stattfinden. Auf den ersten Blick lassen aber § 266a Abs. 6 StGB, die tätige Reue bei dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitnehmerentgelten, und die Regelung der tätigen Reue bei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, § 298 Abs. 3 StGB, eine Bedeutung für die Wirtschaftsordnung vermuten. Von den exemplarisch herangezogenen Vorschriften des Nebenstrafrechts wird nur § 371 AO genauere Betrachtung finden. 227 228 229

Schäfer, in: MüKo StGB, § 89c Rn. 2. Fischer, § 263a StGB Rn. 2. Vgl. zum Ganzen Kindhäuser, in: NK StGB, § 263a Rn. 2 m. w. N.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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Im Folgenden soll daher zunächst eine Darstellung der für die benannten Normen diskutierten Rechtsgüter erfolgen und schließlich das durch die Norm geschützte Rechtsgut ermittelt werden. Anhand des Rechtsguts wird dann unter Zugrundelegung der strafrechtsdogmatischen Definition die Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht untersucht. Dabei ist zu fragen, ob die benannten Delikte das kollektive Rechtsgut der sozialen Marktwirtschaft schützen. a) § 149 StGB § 149 StGB stellt besondere Vorbereitungshandlungen zur Geld-, Wertzeichenund, über die Verweisung des § 151 StGB, auch solche zur Wertpapierfälschung unter Strafe.230 In ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsverkehr divergieren Geld und Wertzeichen erheblich, weshalb beide Varianten des Tatbestandes und auch die über die Verweisung erfasste Wertpapierfälschung separat betrachtet werden. aa) Vorbereitung zur Geldfälschung Geld im Sinne der §§ 146 ff. StGB ist jedes vom Staat oder von einer durch ihn ermächtigten Stelle als Wertträger beglaubigte, zum Umlauf im öffentlichen Verkehr bestimmte Zahlungsmittel ohne Rücksicht auf einen allgemeinen Annahmezwang.231 Durch § 149 StGB wird diese Funktion als Zahlungsmittel und damit das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Verkehrs mit Geld232 geschützt. Dahinter steht der Schutz des Geldmonopols,233 welches beim Staat liegt. Dieses soll allerdings nur nachrangig geschützt werden.234 Der Schutz dient damit primär dem Kollektiv und nicht dem Einzelnen.235 Bei dem Geldmonopol handelt es sich um ein prägendes Element des Wirtschaftskreislaufs. Die soziale Marktwirtschaft garantiert den freien Wettbewerb, sie garantiert aber auch, dass sich dieser nicht völlig unbegrenzt entfaltet. Bestimmte Grenzen sollen eingehalten werden.236 Die Teilnehmer dürfen daher nicht selbst Zahlungsmittel unbegrenzt herstellen. Die gehäufte Fälschung von Geld kann den 230 Kritisch dazu Erb, in: MüKo StGB, § 149 Rn. 1, der die Strafbarkeit für die Vorbereitungshandlungen der Wertpapierfälschung für überzogen hält. 231 RGSt 58, 255, 256; BGHSt 12, 344, 345; 23, 229, 231; 32, 198. 232 BGHSt 31, 380; Weidemann, in: BeckOK StGB, § 146 Rn. 2; Wittig, in: SSW-StGB § 149 Rn. 2; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 113, als Rechtsgut käme ansonsten auch nur das Rechtsgut Vermögen in Betracht, so auch Puppe/Schumann, in: NK StGB, Vor §§ 146 Rn. 2; gegen dieses Rechtsgut aber Schmidt, ZStW 111 (1999), 388, 389, sowie BGHSt 31, 380, 381. 233 Puppe/Schumann, in: NK StGB, Vor §§ 146 Rn. 3; Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 2. 234 BGHSt 42, 169; Erb, in: MüKo StGB, Vorbm. zu § 146 Rn. 2. 235 Hefendehl, JR 1996, 353, 354. 236 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 85.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

Zusammenbruch der Währung und des Marktes zur Folge haben.237 Denn von der vorhandenen Geldmenge hängt die Bestimmung des Geldwertes unmittelbar ab.238 Ein Überangebot an Geldzeichen würde den Markt, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, aus dem Gleichgewicht bringen.239 Die mit dem Wettbewerb verbundene Allokationsfunktion des Marktes würde bei einer Störung dieses Gleichgewichts beeinträchtigt und das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft tangiert. Ein funktionierendes Geldwesen und eine gewisse Stabilität der ausgegebenen Zahlungsmittel sind für den Wirtschaftsverkehr auch von besonderer Bedeutung.240 Nur so ist die weitere Funktionsfähigkeit des Systems, der Wirtschaftsordnung, sichergestellt. Erst durch die Annahme dieses kollektiven Rechtsguts lässt sich auch erklären, dass die Weitergabe von Falschgeld unter Eingeweihten strafbar ist.241 Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist hier alleine die abstrakte Gefährlichkeit242 für den Markt und damit das System der sozialen Marktwirtschaft. Somit kann § 149 StGB zumindest insoweit, wie durch ihn Vorbereitungshandlungen der Fälschung von Geld sanktioniert werden, nach der hiesigen strafrechtsdogmatischen Definition dem Wirtschaftsstrafrecht zugeordnet werden. bb) Vorbereitung zur Fälschung von Wertzeichen Unter amtlichen Wertzeichen sind solche Marken oder ähnliche Zeichen zu verstehen, die vom Staat, von Gebiets- oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts unter Verkörperung eines bestimmten Geldwertes ausgegeben werden, um die Zahlung von Abgaben, Beiträgen, Gebühren, Steuern etc. zu vereinfachen bzw. zu erleichtern und nachzuweisen.243 Wertzeichen haben heute weder eine mit Geld vergleichbare gesamtwirtschaftliche Bedeutung noch eine Umlauffunktion.244 Unabhängig von ihrer Verbreitung, besteht ein Sicherungsbedürfnis des Kollektivs, das in der spezifischen Funktion der Wertzeichen begründet ist.245 Wertzeichen sichern die Standardisierung und Vereinfachung von Zahlungsvorgängen im Interesse einer effizienten Verwaltung und öffentlichen Daseinsvorsorge.246 Dies rechtfertigt 237

Puppe/Schumann, in: NK StGB, Vor § 146 Rn. 3 ff. Puppe/Schumann, in: NK StGB, Vor § 146 Rn. 3. 239 Puppe/Schumann, in: NK StGB, Vor § 146 Rn. 3. 240 Erb, in: MüKo StGB, § 149 Rn. 1. 241 Puppe/Schumann, in: NK StGB, Vor §§ 146 ff. Rn. 2. 242 Erb, in: MüKo StGB, § 149 Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder StGB, § 149 Rn. 1; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 38; Puppe/Schuhmann, in: NK StGB, Vor §§ 146 Rn. 2. 243 BGHSt 32, 68, 75; Erb, in: MüKo StGB, § 148 Rn. 2; Weidemann, in: BeckOK StGB, § 148 Rn. 3. 244 So auch Puppe/Schumann, in: NK StGB, § 148 Rn. 4; Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 4; Ruß, in: LK StGB, § 148 Rn. 1a. 245 Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 4. 246 Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 4. 238

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ein Rechtsgut der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Wertzeichen.247 Ob darüber hinaus bei den amtlichen Wertzeichen ein spezifisches Rechtsgut der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Wertzeichen angenommen werden kann, ist umstritten.248 Für die Frage der Einordnung als Wirtschaftsstraftat bleibt aber festzustellen, dass die Fälschung von amtlichen Wertzeichen nicht im gleichen Maße Einfluss auf den Wirtschaftskreislauf nehmen kann, wie die Fälschung von Geld. Zwar werden Wertzeichen ebenso wie Geld von staatlichen Stellen ausgegeben, eine Fälschung dieser kann aber den Wirtschaftskreislauf aufgrund ihrer geringen Verbreitung nicht im gleichen Maße gefährden und damit das Kollektivrechtsgut der sozialen Marktwirtschaft letztlich nicht beeinträchtigen.249 Vorbereitungshandlungen, die die Fälschung von amtlichen Wertzeichen betreffen, können damit nicht dem Wirtschaftsstrafrecht zugeordnet werden. cc) Vorbereitung zur Fälschung von Wertpapieren Über die Verweisung in § 151 StGB sind auch Wertpapiere und die Vorbereitungshandlungen zu deren Fälschung von § 149 StGB erfasst. Wertpapiere im Sinne der §§ 149 ff. StGB sind in § 151 StGB legaldefiniert und damit solche Papiere, die abschließend in dem Katalog in den Nummern 1 – 5 genannt und deren Druck und Papierart gegen Nachahmung besonders geschützt sind. Dies verlangt über den bei Urkunden üblicherweise vorhandenen Schutz hinausgehende Vorkehrungen.250 Ein spezifisches Schutzgut der Zuverlässigkeit und Sicherheit des Verkehrs mit Wertpapieren ist aber zu bezweifeln.251 Die im Börsenverkehr der Bundesrepublik Deutschland gehandelten Wertpapiere entsprechen im Allgemeinen den besonderen Voraussetzungen der Sicherung gegen Fälschungen und sind damit als Wertpapiere im Sinne der Norm zu begreifen.252 § 151 StGB erfasst aber nur eine körperliche Verbreitung der Papiere im Wirtschaftskreislauf. Eine solche kommt aber nicht mehr gehäuft vor; die Übertragung erfolgt mittlerweile regelmäßig digital und damit papierlos.253 Die Geldfälschungsdelikte erfassen nur die Fälschung in Papierform. 247

Weidemann, in: BeckOK StGB, § 148 Rn. 2; Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 4, § 148 Rn. 1; Fischer, § 148 Rn. 1; Ruß, in: LK StGB, § 148 Rn. 1. 248 Für ein solches: Weidemann, in: BeckOK StGB, § 148 Rn. 2; Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 4, § 148 Rn. 1; Ruß, in: LK StGB, § 148 Rn. 1; a. A.: Puppe/Schumann, in: NK StGB, § 148 Rn. 4. 249 Puppe/Schumann, in: NK StGB, § 148 Rn. 4. 250 Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder StGB, § 151 Rn. 2; Weidemann, in: BeckOK StGB, § 151 Rn. 2 – 3 m. w. N.; Erb, in: MüKo StGB, § 151 Rn. 5. 251 Für ein solches, da wegen ihres massenhaften Vorkommens und ihrer dem Papiergeld ähnlichen Ausstattung ebenso wie bei Geld ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen wird, Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder StGB, § 151 Rn. 1; Zielinski, JZ 1973, 193; a. A. Erb, in: MüKo StGB, § 151 Rn. 1; Puppe/Schumann, in: NK StGB, § 151 Rn. 2, die den Schutz durch Betrugs- und Urkundendelikte für ausreichend erachten. 252 Vgl. BT-Drs. 7/550, S. 231. 253 Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 5.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

Deren gehäufter Fälschung kann keine den Markt erheblich manipulierende Wirkung zugeschrieben werden. Aus diesem Grunde kann das Schutzbedürfnis, welches sich aus der Erforderlichkeit einer schnellen Prüfung des in Papierform übergebenen Dokuments ergibt, nicht in gleicher Weise wie bei Geld bejaht werden.254 Vielmehr würde eine Übergabe eines verkörperten Wertpapiers mangels Üblichkeit ein besonderes Prüfungsinteresse bedingen.255 Die damit zwar grundsätzliche Relevanz des geschützten Rechtsguts für den Wirtschaftskreislauf und die soziale Marktwirtschaft ist mit dem technischen Fortschritt entfallen. dd) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann daher § 149 StGB nur insoweit als Delikt des Wirtschaftsstrafrechts gesehen werden, als durch den Tatbestand die Fälschung von Geld sanktioniert wird. Ausschließlich bei dieser wird das Geldmonopol des Staates als Wirtschaftselement abstrakt gefährdet. b) § 261 StGB Der Tatbestand der Geldwäsche gehört nach zahlreichen Modifikationen aufgrund von Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) zu einem der unübersichtlichsten Tatbestände, die das deutsche Strafgesetzbuch zu bieten hat.256 Im Grunde vereint § 261 StGB drei eigenständige Tatbestände, den Verschleierungstatbestand (Abs. 1 Var. 1 und 2), den Vereitelungsund Gefährdungstatbestand (Abs. 1 Var. 3 und 4) und den Isolierungstatbestand (Abs. 2).257 Eine einheitliche, den gesamten Tatbestand umfassende Bestimmung des geschützten Rechtsguts gestaltet sich daher schwierig. Ob dies im gleichen Maß für eine Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht gilt, ist nachfolgend zu klären. aa) Divergierende Ansichten zu einem einheitlichen Rechtsgut Durch die verschiedenen Tatbestandsvarianten werden alle denkbaren vermögensrelevanten Verhaltensweisen erfasst, die geeignet sind, sich auf das Ermittlungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden auszuwirken.258 Diese Verhaltensweisen beeinträchtigen oder gefährden die „Papierspur“, die den Behörden gerade den Weg zum bemakelten Vermögen weist und den Zugriff auf die kriminelle Organi254

Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 5; Puppe/Schumann, in: NK StGB, § 151 Rn. 2. Erb, in: MüKo StGB, Vor § 146 Rn. 5. 256 Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, § 261. 257 Diese Einteilung der Tatbestandsvarianten steht in Übereinstimmung mit einer solchen wie sie von Barton, StV 1993, 156, 159; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 44 f., 53, 129 ff.; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 11 und Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, § 261 Rn. 3, vorgenommen wird. 258 Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 51 ff. 255

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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sation ermöglicht.259 Als geschütztes Rechtsgut ist nach herrschender Meinung daher die Funktionsfähigkeit der inländischen Strafrechtspflege zu begreifen.260 In Überdehnung dieses Ansatzpunktes wird teilweise auch auf die Schaffung möglichst vieler polizeilicher Ermittlungsansätze abgestellt.261 Eine andere Ansicht sieht als relevantes Rechtsgut des § 261 StGB den allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkreislauf an, der von den Geldern der organisierten Kriminalität reingehalten werden soll.262 Zur weiteren Erläuterung wird hierbei auf die Gesetzesbegründung verwiesen. Bereits bei der Einführung des § 261 StGB spreche der Gesetzgeber davon, dass der legale Finanzkreislauf durch inkriminiertes Vermögen beeinträchtigt werde und eines Schutzes bedürfe.263 Unter Zugrundelegung dieser Ansicht wird daher primär die Wirtschaft geschützt, die vor einer Korrumpierung ihrer Finanzinstitute bewahrt werden soll.264 bb) Differenzierung nach den verschiedenen Absätzen des § 261 StGB Gestaltet sich die Bestimmung eines einheitlich geschützten Rechtsguts bereits schwierig, werden neben den genannten Ansichten noch Differenzierungen hinsichtlich der einzelnen Absätze getroffen. So sieht eine Ansicht den staatlichen Anspruch auf Einziehung als ein von Absatz 1 S. 1 Alt. 2 geschütztes Rechtsgut an.265

259 BR-Drs. 507/92, S. 24; Barton, StV 1993, 156, 159; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 51 ff.; Bottke, wistra 1995, 121, 123. 260 BGH, NJW 2009, 1618; OLG Karlsruhe, NJW 2005, 767, 768; Schmidt/Krause, in: LK StGB, § 261 Rn. 4; Hetzer, wistra 2000, 281, 283; Petropoulos, wistra 2007, 241; Lampe, JZ 1994, 123, 125; Eschelbach, in: Graf/Jäger/Wittig, § 261 Rn. 8; Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, § 261 Rn. 6; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 7; Barton, StV 1993, 156, 159; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 51 ff.; a. A.: Salditt, StraFo 1992, 121, 122; Schittenhelm, in: Festschrift Lenckner S. 520, 527 f. Teilweise wird aber angenommen, dass alleine durch den Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand (Abs. 1 Var. 3 und 4) die Rechtspflege als solche geschützt werde, da in diesem der staatliche Verfalls-, Einziehungs- und Sicherstellungsanspruch sowie die Aufklärung der Taten im Zentrum stehen, vgl. Barton, StV 1993, 156, 160. 261 Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 52; teilweise wird auch auf den durch eine funktionierende Rechtspflege geschaffenen Zustand der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgestellt, hierzu eingehend Burr, Geldwäsche, S. 14 ff. 262 Findeisen, wistra 1997, 121; Lampe, JZ 1994, 123, 125; Schittenhelm, in: Festschrift Lenckner, S. 519, 528; Bottke, wistra 1995, 121, 124. 263 BT-Drs. 12/989, S. 27; 12/3533, S. 12. 264 Teilweise soll dieser Schutz aber auch nur mittelbar durch den Tatbestand bewirkt werden, hauptsächlich sei die inländische Strafrechtspflege geschützt, so Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 9. 265 Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 7 ff.; Arzt, JZ 1993, 913, 914; mittlerweile hat sich die Auffassung wohl eher zu einem erweiterten Konzept gewandelt, vgl. Arzt/Weber/Heinrich/ Hilgendorf, § 29 Rn. 4 – 8, 20 – 29.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

Begründet wird dies mit der ausdrücklichen Nennung der Einziehung und Sicherstellung in § 261 StGB.266 Andere Ansichten sehen die Rechtsgüter der Vortaten als geschützt an. So soll nach Meinung derselben der zweite Absatz alleine die durch die Vortaten geschützten Rechtsgüter schützen.267 Teilweise wird in den Rechtsgütern der Vortaten aber auch nur ein sekundäres Rechtsgut des Geldwäschetatbestandes erblickt, welches § 261 Abs. 2 StGB mitschützt.268 Wieder andere sehen nicht das konkrete, durch die Vortat geschützte Rechtsgut als umfasst an, sondern stellen auf alle durch die Katalogtaten gesicherten Rechtsgüter ab.269 Begründet wird die Erweiterung des Schutzes auf die Rechtsgüter der Vortaten damit, dass nur ein zusätzlich geschütztes Rechtsgut den weiten Anwendungsbereich des Abs. 2 legitimieren könne, der bereits bei einer abstrakten Gefährdung der Ermittlungstätigkeiten einschlägig sei.270 Teilweise wird für die Frage des Rechtsguts auch nicht nach den einzelnen Absätzen, sondern nach den verschiedenen Tatbestandsvarianten differenziert und angenommen, dass zusätzlich in § 261 Abs. 1 Var. 1, 2 und Abs. 2 StGB die innere Sicherheit aller Staaten vor der organisierten Kriminalität geschützt werde.271 Dieser vorverlagerte Schutz der inneren Sicherheit werde durch die pönalisierten Handlungen, die sich durch arbeitsteiliges und auf Gewinn ausgerichtetes Verhalten auszeichnen, tangiert. Es werde die Gefahr begründet, dass die Gesellschaft durch die organisierte Kriminalität unterwandert werden würde.272 cc) Stellungnahme Ein alleiniger Schutz der durch die Vortaten erfassten Rechtsgüter überzeugt nicht.273 Der Unrechtsgehalt des § 261 StGB erschöpft sich nicht in der besonderen 266

Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 12. Salditt, StraFo 1992, 121, 122; Burr, Geldwäsche, S. 26, 27, 29; Hoyer, in: SK StGB, § 261 Rn. 1 f.; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 14. 268 BT-Drs. 12/989, S. 27; OLG Hamburg, NJW 2000, 673, 674; Dietmeier, in: Matt/ Renzikowski, § 261 Rn. 2; Jahn, in: SSW-StGB § 261 Rn. 11 f.; Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, § 261 Rn. 2; Jahn/Ebner, JuS 2009, 597; Petropoulos, wistra 2007, 241, 242; a. A.: Otto, StrafR BT § 96 Rn. 28; ders., Jura 1993, 331; Barton, StV 1993, 160; AG Berlin-Mitte, MMR 2016, 391; Wessels/Hillenkamp/Schuhr Rn. 891; Rengier, BT I, § 23 Rn. 4. 269 Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 13; vgl. auch Altenhain, der davon ausgeht, dass § 261 StGB die generalpräventive Funktion der Vortatbestände unterstützt, Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 14; so ähnlich auch Hoyer, in: SK StGB, § 261 Rn. 1 f., sieht als weiteren Schutzzweck die Prävention gegenüber neuen Straftaten der organisierten Kriminalität. 270 Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 12. 271 Barton, StV 1993, 156, 160; zu einem allgemeinen Rechtsgut der inneren Sicherheit vgl. Burr, Geldwäsche, S. 14 ff. 272 Barton, StV 1993, 156, 160; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 7 ff. 273 So aber Salditt, StraFo 1992, 122; Burr, Geldwäsche, S. 26, 27, 29, so auch für § 261 Abs. 2 StGB; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 14. 267

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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Beteiligung an der Vortat.274 Über die Vortaten hinaus soll das durch die Vortat erlangte Vermögen mit einem wirtschaftlichen Bann belegt275 und der Vortäter isoliert werden.276 Dieser Gedanke spiegelt sich in allen Absätzen des Tatbestandes wider. Alleine unter Bezugnahme der Rechtsgüter der Vortaten kann ein solcher Schutz nicht gerechtfertigt werden. § 261 StGB enthält daher einen weitergehenden eigenständigen Unrechtsgehalt,277 der in einem kollektiven Rechtsgut zu finden ist.278 Die öffentliche Sicherheit und der Schutz vor organisierter Kriminalität können allerdings nicht als solche Rechtsgüter definiert werden. Ihnen fehlt die Kontur und damit die verfassungsrechtliche Bestimmtheit.279 Für das Verständnis der öffentlichen Sicherheit bringt auch eine Anlehnung der Definition an den aus dem Polizeirecht bekannten Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung keine Besserung. Ein spezifisches Schutzgut des § 261 StGB kann er nicht konkretisieren.280 Dem Rechtsgut steht damit die Subsidiarität des Strafrechts als Ultima Ratio sowie das Prinzip des überwiegenden Interesses entgegen.281 Zudem stimmt der Schutz vor organisierter Kriminalität nicht mit dem Wortlaut des Verleitungs- und Gefährdungstatbestands überein, der keinen Bezug zur organisierten Kriminalität verlangt. Dies gilt in gleicher Weise für den Vortatenkatalog des § 261 StGB. Er erfasst alle Verbrechen, unabhängig von ihrer (organisierten) Begehungsweise.282 Ebenfalls nicht überzeugen kann die Annahme, der Verschleierungstatbestand schütze allein den Anspruch auf Einziehung. Der Anwendungsbereich des § 261 StGB stimmt nicht mit dem der §§ 73 ff. StGB überein,283 es werden also Verhaltensweisen erfasst, die die Einziehung abstrakt nicht gefährden. Das Rechtsgut muss damit weiter gefasst sein. Der Schwerpunkt des § 261 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB liegt auf Handlungen, die strafprozessuale Ermittlungen beeinträchtigen, nicht aber auf den materiell-rechtlichen Folgen.284 Der Anspruch auf Einziehung ist daher nur als rechtsgutsunabhängiger Schutzreflex mitgeschützt.285

274

BGHSt 43, 149, 152; 43, 158, 163; 50, 347. Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 12. 276 BGH, NStZ 2001, 535. 277 BGHSt 50, 347. 278 Helmers, ZStW 121 (2009), 524; Otto, StrafR BT § 96 Rn. 28. 279 Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 11; Bottke, wistra 1995, 121, 124. 280 Zu einem solchen Rechtsgut ausführlich Burr, Geldwäsche, S. 14 ff. 281 Burr, Geldwäsche, S. 20; Bottke, wistra 1995, 121, 124. 282 Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 48 f.; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 11. 283 Arzt, JZ 1993, 913, 914; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 50 f.; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 11. 284 Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 10. 285 Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 52; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 10; Petropoulos, wistra 2007, 241, 242. 275

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

Die besondere Gefahr der Geldwäsche liegt viel eher in der Wiedereinschleusung bemakelten Geldes in den Finanzkreislauf und der damit verbundenen Gefährdung der Wirtschaft.286 Das deliktisch erlangte Geld korrumpiert die Finanzinstitute.287 Bereits bei der Einführung der Norm in das Strafgesetzbuch hat der Gesetzgeber diese den Finanzkreislauf beeinträchtigende Wirkung der Geldwäsche erkannt.288 Die Intention, den Wirtschafts- und Finanzkreislauf zu schützen, tritt umso deutlicher aus der letzten Reform des Tatbestandes mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption289 hervor. So formuliert der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zur Änderung des Abs. 9 S. 3, dass diese insbesondere dem Schutz der Integrität des Finanz- und Wirtschaftskreislaufs sowie dem wirtschaftlichen Wettbewerb diene.290 Mit der Einführung einer Strafbarkeit der Selbstgeldwäsche – für den Fall, dass der Vortäter einen Gegenstand, der aus einer der in Absatz 1 Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, in den Verkehr bringt und dabei die rechtswidrige Herkunft des Gegenstandes verschleiert – bezieht der Gesetzgeber in der Rechtsgutsfrage Stellung. Nahezu keines der oben genannten Rechtsgüter kann eine Strafbarkeit der Selbstgeldwäsche legitimieren. Lediglich unter Annahme eines Rechtsguts des Wirtschafts- und Finanzkreislaufs kann es keine entscheidende Bedeutung haben, ob die Einschleusung inkriminierten Vermögens durch Vortatbeteiligte oder durch Dritte erfolgt. Denn in beiden Fällen wird durch die Handlung das Rechtsgut tangiert und der Selbstgeldwäschehandlungen kommt ein eigener spezifischer Unrechtsgehalt zu. Absatzübergreifend tritt daneben der Schutz der inländischen Rechtspflege. Zwar sieht sich dieses Rechtsgut, wie andere kollektive Rechtsgüter auch, dem Einwand ausgesetzt, dass es zu unbestimmt sei,291 dennoch erscheint es vorzugswürdig. Die Annahme des Rechtsguts der inländischen staatlichen Rechtspflege entspricht dem Willen des Gesetzgebers292 und steht mit der Entstehungsgeschichte des § 261 StGB im Einklang. Der Tatbestand der Geldwäsche wurde in das Strafgesetzbuch eingeführt, um solche Handlungen zu pönalisieren, die die Rechtspflege beeinträchtigen.293 Bereits mit der Einführung der Norm wurde daher der Schutz der Rechtspflege ins Zentrum des Tatbestandes gestellt.

286

Lampe, JZ 1994, 123, 126; Findeisen, wistra 1997, 121. Lampe, JZ 1994, 123, 126; a. A. Burr, Geldwäsche, S. 27 m. w. N. 288 BT-Drs. 12/989, 27; 12/3533, 12. 289 BGBl. 2015 I, S. 2025. 290 BT-Drs. 18/6389, S. 13. 291 Salditt, StraFo 1992, 121, 122; Fahl, Jura 2004, 160, 166 f., Gleiches gilt für ein Rechtsgut des Schutzes vor organisierter Kriminalität, Helmers, ZStW 121 (2009), 509. 292 BT-Drs. 12/989, S. 27. 293 Petropoulos, wistra 2007, 241. 287

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

69

dd) Zwischenergebnis Der Tatbestand schützt das Wirtschaftssystem und damit die soziale Marktwirtschaft. § 261 StGB nimmt dem Täter jegliche straffreie Möglichkeit, das deliktisch erlangte Gut weiter zu verwenden und es damit in den Wirtschafts- und Finanzkreislauf zu bringen.294 So wird der legale marktwirtschaftliche Leistungswettbewerb geschützt.295 Denn es wird verhindert, dass durch angehäufte illegitime Vermögenswerte ein Machtgefälle entsteht, das einen chancengleichen und sozialen Wettbewerb unmöglich macht.296 Dieser freie Wettbewerb ist Grundlage des Systems der sozialen Marktwirtschaft.297 Zudem ist der Wirtschafts- und Finanzkreislauf selbst für eine funktionierende Wirtschaftsordnung zentral. Als Rechtsgut des Geldwäschetatbestandes ergibt sich somit die Sicherung der essentialia der sozialen Marktwirtschaft.298 Neben dieses Rechtsgut tritt der Schutz der inländischen Rechtspflege, deren Arbeit durch die Inkriminierung nahezu jeglichen Umgangs mit der Tatbeute erleichtert wird. Letztlich dient der Tatbestand der Abwendung besonderer Gefahren für die Volkswirtschaft und den Staat.299 § 261 StGB kann aufgrund der hier maßgeblichen Definition dem Wirtschaftsstrafrecht zugeordnet werden. c) § 264 StGB § 264 StGB erfasst Täuschungen im Rahmen des Subventionsverfahrens sowie die missbräuchliche Verwendung rechtmäßig erlangter Subventionen. Die Norm wurde im Zuge des Ersten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (1. WiKG) vom 29. 7. 1976 eingeführt.300 Im Vorfeld des Betrugs sollte der Subventionsbetrug einem kriminalpolitischen Strafbedürfnis gerecht werden, welches sich aus Beweisschwierigkeiten301 und erheblichen Problemen bei der Schadensberechnung des Betrugs unter Zugrundelegung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs ergab.302 Bereits im Gesetzgebungsverfahren war kein klares Rechtsgut erkennbar,303 es erstaunt daher nicht, dass auch noch heute das durch § 264 StGB geschützte Rechtsgut unklar ist.304 294

Salditt, StraFo 1992, 121, 122; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 55 f. Bottke, wistra 1995, 121, 124; Findeisen, wistra 1997, 121. 296 Bottke, wistra 1995, 121, 124. 297 Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 52. 298 Bottke, wistra 1995, 121, 124. 299 BGHSt 50, 347. 300 Vgl. BGBl. 1976 I, S. 2034. 301 Fischer, § 264 Rn. 2 m. w. N. 302 Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 5; Hellmann, in: NK StGB, § 264 Rn. 3 ff.; Hoyer, in: SK StGB, § 264 Rn. 1; a. A. Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 1, der den Unrechtsgehalt der Erschleichung von öffentlichen Fördergeldern für nicht sachgerecht von § 263 StGB erfasst sieht und damit das Bedürfnis eines spezielleren Tatbestands begründet. 303 Vgl. BT-Drs. 7/3441, S. 15 ff.; Fischer, § 264 Rn. 2; Saliger, in: SSW StGB § 264 Rn. 1. 295

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

aa) Vermögen als geschütztes Rechtsgut Vielfach wird auf das Vermögen des Subventionsgebers als Rechtsgut abgestellt. Dabei ist allerdings umstritten, ob das Vermögen als alleiniges, primäres- oder mitgeschütztes Rechtsgut gelten soll.305 Besonders häufig wird wegen der Parallelität zu § 263 StGB das Vermögen des Subventionsgebers als (alleiniges) geschütztes Rechtsgut diskutiert.306 Bei der Begründung wird auf die Entstehungsgeschichte des § 264 StGB und seinen Bezug zu § 263 StGB verwiesen.307 Im Gesetzgebungsverfahren sei es einzig darum gegangen, einen weitergehenden Vermögensschutz über die Grenzen des § 263 StGB hinaus zu normieren.308 Neben dem Vermögen sollen – so verschiedene Auffassungen – dann weitere Rechtsgüter, wie das Allgemeininteresse an einer wirksamen staatlichen Lenkung, als auch sonstige durch Subventionen verfolgte Ziele geschützt sein.309 bb) Planungs- und Dispositionsfreiheit als geschütztes Rechtsgut Teilweise wird vertreten, dass primäres Schutzgut des § 264 StGB nur die staatliche Planungs- und Dispositionsfreiheit sein könne.310 Kennzeichnend für das Unrecht des Tatbestands sei im Vergleich zum Betrug nur das Element der Täu-

304

Rn. 4.

Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 1 ff.; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264

305 Allein das Vermögen als geschütztes Rechtsgut sehen Hoyer, in: SK StGB, § 264 Rn. 10 ff.; Ranft, NJW 1986, 3162, 3165; ders., JuS 1986, 445 ff.; Maiwald, ZStW 96 (1984), 66, 77 f.; Benthin, KritV 2010, 288, 296; Hellmann, in: NK StGB, § 264 Rn. 10; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 375; Fischer, § 264 Rn. 2b, mittelbar mitgeschützt soll dabei aber das Allgemeininteresse an einer planungskonformen und gerechten Verteilung der öffentlichen Mittel sein. 306 Einen doppelten Rechtsgutsbezug sehen BGHZ 106, 204, 207; Perron, in: Schönke/ Schröder StGB, § 264 Rn. 4; Krack, NStZ 2001, 505, 506; Wessels/Hillenkamp/Schuhr Rn. 684; Saliger, in: SSW-StGB § 264 Rn. 1; Gercke/Hembach, in: AnwK StGB § 264 Rn. 3; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB § 264 Rn. 7; Straßer, in: Graf/Jäger/Wittig, § 264 Rn. 3; Lüttger, in: Festschrift Jescheck, S. 176; ablehnend dagegen Blei, JA 1976, 741, 744; wohl auch BGHSt 32, 203, 206; BGH, NJW 1987, 2093; gegen den Schutz des Rechtsguts Vermögen auch Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 40. 307 Hellmann, in: NK StGB, § 264 Rn. 10. 308 Hoyer, in: SK StGB, § 264 Rn. 2 ff.; Ranft, NJW 1986, 3162, 3165; ders., JuS 1986, 445 ff.; Maiwald, ZStW 96 (1984), 66, 77 f.; Benthin, KritV 2010, 288, 296; Hellmann, in: NK StGB, § 264 Rn. 10; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 375; Fischer, § 264 Rn. 2b. 309 Für einen doppelten Schutz Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 4; Momsen/ Laudien, in: BeckOK StGB § 264 Rn. 7 für gleich geordnete Schutzgüter. 310 OLG Hamm, BeckRS 2012, 15313; OLG Hamburg, NStZ 1984, 218; OLG Karlsruhe, MDR 1981, 159; Schmidt-Hieber, NJW 1980, 323 ff.; Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 23 ff., 26, der das Rechtsgut als „öffentliche Vermögensplanungshoheit“ beschreibt.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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schung der öffentlichen Hand.311 Einzig das besonders schutzbedürftige Treueverhältnis zwischen Subventionsnehmer und Staat312 rechtfertige den vorgelagerten Tatbestand.313 Das Vermögen hingegen sei nicht schutzwürdig, da es sowieso zur Ausgabe bestimmt sei.314 cc) Funktionsfähigkeit des Subventionswesens als geschütztes Rechtsgut Teilweise wird als relevantes Rechtsgut das gesamthänderische Interesse an der Funktionsfähigkeit der für das Subventionswesen relevanten Zusammenhänge beschrieben,315 das aus dem Bedürfnis eines Schutzes des Allgemeininteresses an staatlicher Lenkung resultiert.316 Das Subventionswesen als Ordnungsrahmen sorge dafür, dass die Wirtschaftsordnung als sozial ausdifferenziertes System funktioniere.317 Sein Schutz ist existentiell, damit ein geordnetes Wirtschaften möglich ist.318 In Abwandlung dessen wird vertreten, dass der Tatbestand des Subventionsbetrugs allein die Förderung der Wirtschaft schützen soll.319 dd) Stellungnahme Der alleinige Vermögensschutz kann bereits unter Betrachtung der in Bezug genommenen Gesetzesgenese nicht überzeugen.320 Die Einführung des Tatbestandes in das Strafgesetzbuch diente dazu, den Beweisschwierigkeiten und den Problemen mit dem Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens bei § 263 StGB zu begegnen.321 Der Gesetzgeber hat daher bewusst auf das Merkmal des Vermögensschadens verzichtet und Verhaltensweisen inkriminiert, die nach dem Tatbestand des § 263 StGB nicht einmal im Versuch strafbar wären. Nunmehr bei der Rechtsgutsfrage 311 OLG Hamm, BeckRS 2012, 15313; OLG Hamburg, NStZ 1984, 218; OLG Karlsruhe, MDR 1981, 159; Schmidt-Hieber, NJW 1980, 323 ff.; Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 23 ff., 26. 312 Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 23 f. 313 Vgl. ausführlich hierzu unter dd) dieses Abschnitts. 314 Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 23 f. 315 Zum Interesse an Wirtschaftsförderung: Otto, Jura 1989, 24, 29; zum Subventionswesen: Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 8 ff.; Blei, JA 1976, 741, 744; Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 23; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 4; so ähnlich auch Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 250. 316 Vgl. Ceffinato, in: MüKo StGB § 264 Rn. 8 ff.; Blei, JA 1976, 741, 744; Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 23; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 4. So letztendlich auch Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 250. 317 Ceffinato, in: MüKo StGB § 264 Rn. 8 ff. 318 Ceffinato, in: MüKo StGB § 264 Rn. 8. 319 So etwa Lüttger, in: Festschrift Jescheck, S. 176. 320 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 3 f. 321 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 3 f.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

ausschließlich auf den Vermögensschutz abzustellen, erscheint daher verfehlt.322 Darüber hinaus können die Vorverlagerung der Strafbarkeit und die Bestrafung auch bei einer leichtfertigen Begehung nicht ausschließlich mit dem Rechtsgut Vermögen begründet werden.323 Bei § 264 StGB würde dann die bloße abstrakte Vermögensgefährdung eine mit § 263 StGB vergleichbare Strafe legitimieren, obwohl weder das Handlungsunrecht noch die Schwere des Gefährdungs- und des Schädigungsunrechts vergleichbar mit dem des Betrugs sind.324 Der im Vergleich zum privaten Vermögen intensivere Schutz des öffentlichen Vermögens kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn neben das Vermögen ein weiteres Rechtsgut tritt.325 Dies gilt umso mehr, weil es hierbei um Finanzmittel geht, die ohnehin zur Ausgabe bestimmt waren.326 Dies bestätigen auch der Blick auf den Strafzweck und der Ultima Ratio-Gedanke. Zwar schafft das Subventionsverfahren mit seiner Gegenleistungsfreiheit und dem Zuteilungsverfahren besondere Tatanreize. Diese besondere Schutzbedürftigkeit rechtfertigt aber nur einen vorgelagerten und keinen alleinigen Vermögensschutz.327 Der Staat ist schutzwürdiger Rechtsgutsträger, er hat aber selbst die Regelung der Vergabe von Subventionen in der Hand. Demnach wäre es ihm durch eine andere Ausgestaltung des Subventionsverfahrens möglich, das zweckwidrige Beantragen von Subventionen zu verhindern oder zu erschweren.328 Eine ganzheitliche Betrachtung erfordert, dass man die wirtschaftspolitische Motivation zur Schaffung ebendieser Gefährdungslage, ebenso wie das Allgemeininteresse an der Einhaltung der Regeln dieses Systems, also kollektive Rechtsgüter, als mitgeschützt begreift.329 Daher muss, um eine Strafbarkeit des Verhaltens rechtsstaatlich zu legitimieren, ein anderes strafwürdiges Unrecht begründendes Rechtsgut neben das Rechtsgut Vermögen treten.330 Somit kann der alleinige Schutz des Vermögens als Rechtsgut des Subventionsbetrugs nicht überzeugen. Dies gilt ebenso für einen primären Schutz der Planungs- und Dispositionsfreiheit. Gegen einen solchen spricht zunächst, dass unter Berücksichtigung der Normbindung des staatlichen Handelns nicht von einer freien 322 So aber Gaede, in: Matt/Renzikowski, § 264 Rn. 4; Hellmann, in: NK StGB, § 264 Rn. 10; Ranft, JuS 1986, 445 ff. 323 So auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 377; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 6; Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 162 f.; vgl. auch Hoyer, in: SK StGB, § 264 Rn. 12 ff., der den intensivieren Vermögensschutz mit dem Einsatzzweck des öffentlichen Vermögens zum Allgemeinwohl begründet. 324 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 245. 325 Schmidt-Hieber, NJW 1980, 322, 324. 326 So auch Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 23. 327 Fischer, § 264 Rn. 2b. 328 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 376. 329 So auch Fischer, § 264 Rn. 2b. 330 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 3 ff.

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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Entscheidung des Subventionsgebers gesprochen werden kann.331 Die Planung und Disposition dient immer weiteren Zwecken.332 Unabhängig davon ist die Entschließungs- und Dispositionsfreiheit bereits nicht schutzwürdig. Bei ähnlich gelagerten Problematiken im Rahmen des einfachen Betrugs im Sinne des § 263 StGB ist sie nicht vom strafrechtlichen Vermögensbegriff erfasst.333 Eine wie auch immer geartete besondere Treue- oder Sonderpflicht des Subventionsnehmers vermag dies nicht zu ändern. Eine solche Begründung übersieht, dass jedermann, nicht nur der Subventionsnehmer, Täter sein kann.334 Es bleibt damit das Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des Subventionswesens. Dies wird der Bedeutung des Subventionswesens als einer wichtigen Institution der staatlichen Wirtschaftslenkung335 gerecht, weshalb das benannte Rechtsgut vorzugswürdig erscheint. Zwar werden gegen ein solches Rechtsgut verschiedenste Argumente erhoben, in der Sache können diese allerdings nicht durchgreifen. So wird eingewandt, dass es an einer beeinträchtigungsfähigen Institution fehle.336 Dieser Einwand übersieht allerdings, dass das Angriffsobjekt der im Rahmen des Subventionsbetrugs gemachten unvollständigen oder unrichtigen Angaben das Verwaltungsverfahren und damit die Subventionsvergabe selbst ist.337 Eine beeinträchtigte Institution und damit ein das Rechtsgut verkörperndes Angriffsobjekt liegt also durchaus vor. Auch der Einwand, dass bei einem geschützten Rechtsgut, das in dem Schutz des Subventionswesens liege, eine Strafbarkeit des die Subventionen gewährenden Subventionsgebers vorgesehen sein müsse,338 trägt nicht. Nicht zwangsläufig müssen alle an einem wirtschaftlichen Vorgang Beteiligten strafbar sein.339 Eine Sanktionierung steht vielmehr im Ermessen des Gesetzgebers. Dem Verständnis der Norm als einer solchen zum Schutz und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit bestimmter Teilbereiche der Wirtschaftsordnung widerspricht es daher nicht, dass die zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel auf Seiten des Subventionsgebers straflos ist. Um aber dem Einwand zu begegnen, dass unter Zugrundelegung einer solchen Rechtsgutskonzeption nicht zu erklären sei, warum nur die für den Subventionsnehmer vorteilhaften Angaben eine Strafbarkeit begründen und nicht jedwede fal-

331

Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 1. Maiwald, ZStW 96 (1984), 66, 77; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 375. 333 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 375. 334 Benthin, KritV 2010, 288, 296. 335 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 9; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 4. 336 Sannwald, Rechtsgut und Subventionsbegriff, S. 65. 337 Sannwald, Rechtsgut und Subventionsbegriff, S. 61. 338 Hellmann, in: NK StGB, 1. Auflage, § 264 Rn. 14. 339 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 7. 332

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

sche Angabe zu einer solchen führe,340 kann auf den doppelten Rechtsgutsbezug verwiesen werden. Ein sekundärer Schutz des Vermögens ist zumindest vor dem Hintergrund etwaiger Schadenersatzansprüche des Fiskus aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem dann als Schutzgesetz geltenden § 264 StGB von Bedeutung. So kann bei Kapitalgesellschaften mit beschränkter Haftung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch wenig erfolgversprechend sein und eine zivilrechtliche Inanspruchnahme der am Subventionsbetrug beteiligten Personen nur über § 823 Abs. 2 BGB gelingen.341 ee) Zwischenergebnis Für die Einordnung des Subventionsbetrugs als Wirtschaftsstraftat ist nach der strafrechtsdogmatischen Definition der Charakter des primär geschützten kollektiven Rechtsguts ausschlaggebend. Vorzugswürdig ist ein Rechtsgut, das als Interesse an der Funktionsfähigkeit der für das Subventionswesen relevanten Zusammenhänge beschrieben werden kann.342 Der Subventionsbetrug kann unter Zugrundelegung dieses Rechtsguts als zum Wirtschaftsstrafrecht gehörend angesehen werden.343 Mit einem solchen Rechtsgut wird der soziale Aspekt der sozialen Marktwirtschaft betont und in den Schutzbereich der Norm integriert. Subventionen werden zur Förderung gewährt, wenn aus gesellschaftlichen oder politischen Gründen ein Interesse an der Tätigkeit des Unternehmens und dessen Erhaltung besteht. Letztendlich wird damit das grundrechtlich verankerte System der sozialen Marktwirtschaft geschützt. Der Tatbestand des Subventionsbetrugs schützt aber nicht alleine die Förderung der Wirtschaft.344 Dies könnte vor dem Hintergrund des Abs. 7 S. 1 Nr. 2 ohnehin nicht vollends überzeugen, da die durch diesen einbezogenen nach EG-Recht gewährten Subventionen nicht der Förderung der Wirtschaft dienen müssen.345 Neben dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Subventionswesens steht der Vermögensschutz. Ein solcher doppelter Rechtsgutsbezug scheint in sich stimmig und geeignet, die Strafbarkeit und den damit zugrundeliegenden Unrechtsgehalt der unter § 264 StGB zu fassenden Tathandlungen zu erklären.

340

Hoyer, in: SK StGB, § 264 Rn. 8. BGHZ 106, 204; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 727; Wündisch, BB 2009, 679, 683; Ceffinato, in: MüKo StGB § 264 Rn. 2. 342 So letztendlich auch Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 250. 343 So auch Sannwald, Rechtsgut und Subventionsbegriff, S. 65. 344 So etwa Lüttger, in: Festschrift Jescheck, S. 176. 345 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 1; Hoyer, in: SK StGB, § 264 Rn. 5. 341

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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d) 264a StGB Der Kapitalanlagebetrug wurde durch das zweite WiKG vom 15. 5. 1986 in das StGB eingeführt, welches am 1. 8. 1986 in Kraft trat. Der Tatbestand erfasst falsche Darstellungen im Zusammenhang mit Wertpapieren. Mit seiner Einführung sollte den Beweisschwierigkeiten des Betrugstatbestandes und dem zu dieser Zeit stetig wachsenden Anlagevolumen im Kapitalmarkt Rechnung getragen werden.346 Bei der Frage des geschützten Rechtsguts herrscht auch bei § 264a StGB Unstimmigkeit. Neben dem Individualrechtsgut des Vermögens wird hier das kollektive Rechtsgut des Kapitalmarkts diskutiert. aa) Vermögen der Kapitalanleger als Rechtsgut Für den Vermögensschutz der Kapitalanleger347 spreche die Einordnung in den 22. Abschnitt des Strafgesetzbuchs, der mit Betrug und Untreue überschrieben ist.348 § 264a StGB wurde eingeführt, um den Schutz der meist unerfahrenen Anleger vor trügerischen Angeboten zu bewirken und so im Vorfeld des Betrugs eine Strafbarkeit auch dieser Verhaltensweisen zu statuieren.349 Hier greife § 263 StGB regelmäßig nicht ein, weil es an dem erforderlichen Nachweis einer vorsätzlichen Täuschung oder des hierauf kausal beruhenden Vermögensschaden fehle.350 Der Schutz des Kapitalmarkts sei im Verhältnis dazu nur sekundäre Folge des Vermögensschutzes und kein eigenes Rechtsgut.351 bb) Kapitalmarkt als Rechtsgut Nach überwiegender Meinung schützt der Kapitalanlagebetrug aber primär den Kapitalmarkt.352 Teilweise wird dabei zwischen der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als Institution353 und dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Redlichkeit

346 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 1; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 1; Fischer, § 264a Rn. 1 m. w. N. 347 Fischer, § 264a Rn. 2; Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 9 f.; Hoyer, in: SK StGB, § 264a Rn. 6 ff., 10; vgl. auch Joecks, wistra 1986, 143, 144; Worms, Anlegerschutz, S. 314. 348 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 9 f. 349 BT-Drs. 10/318, S. 12, 22. 350 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 2. 351 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 9 f. 352 BT-Drs. 10/318, S. 22; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 2; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 1; Otto, Jura 1989, 24, 31; Jaath, in: Festschrift Dünnebier, S. 583, 607; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 267 ff., 212; Weber, NStZ 1986, 481, 486; Bottke, wistra 1991, 8; Knauth, NJW 1987, 28. 353 Bottke, wistra 1991, 1, 8; Tiedemann/Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 22, 26; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 1.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

des Kapitalmarktes354 differenziert. Es wird zudem danach unterschieden, ob das Kollektivinteresse als nur mitgeschützt,355 vorrangig356 oder ausschließlich geschützt gelten soll.357 Da das Vertrauen in den Kapitalmarkt schwer zu bestimmen ist und eine Beeinträchtigung von Vertrauen kaum nachvollziehbar dargelegt werden kann,358 sei ein solches Rechtsgut abzulehnen.359 Es bleibt nur der Kapitalmarkt an sich als geschütztes Rechtsgut. Ein Schutz dieses kollektiven Rechtsguts stehe im Einklang mit der Gesetzesbegründung360 und dem Ziel des Zweiten WiKG.361 cc) Stellungnahme Wie bereits beim Subventionsbetrug kann die Begründung des Rechtsguts „Vermögen“ unter Bezugnahme auf die Historie nicht überzeugen. Auch bei der Einführung des Kapitalanlagebetrugs wurde bewusst auf einen Vermögensschaden als Tatbestandsmerkmal verzichtet. In der Gesetzesbegründung heißt es sogar, dass die Norm „nicht nur“ dem „Schutz des individuellen Vermögens“ dienen soll.362 Diese gesetzgeberische Intention zeigt sich auch in der Formulierung des Tatbestandes.363 Die Individualtäuschung wurde bewusst aus dem Anwendungsbereich des Tatbestandes ausgeschlossen.364 Nur Täuschungen gegenüber einem größeren Personenkreis werden erfasst.365 Die auf eine quantitativ häufige Tatbegehung gerich-

354 BGHZ 116, 7, 13 f.; Achenbach, NJW 1986, 1835, 1839; Otto, Jura 1989, 24, 31; Weber, NStZ 1986, 481, 486. 355 Mutter, NStZ 1991, 421, 422; Tiedemann, JZ 1986, 865, 872; BGHZ 116, 7, 13; OLG Braunschweig, wistra 1993, 31, 33; OLG Köln, NJW 2000, 598, 599; Cerny, MDR 1987, 271, 272; Weber, NStZ 1986, 481, 486; Jaath, in: Festschrift Dünnebier, S. 583, 607; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 267 ff.; Tiedemann/Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 22; Schröder/ Bergmann, in: Matt/Renzikowski, § 264a Rn. 1; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, §264a Rn. 1. 356 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 1. 357 Bottke, wistra 1991, 8; Knauth, NJW 1987, 28. 358 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 5, es soll nur das eigentliche Rechtsgut des Kapitalmarktes geschützt werden. 359 Vgl. hierzu im 1. Abschnitt des gleichen Teils, C. II. 1. 360 BT-Drs. 10/318, S. 22; § 264a StGB diene „nicht nur dem Schutz des individuellen Vermögens“. 361 Kolz, wistra 1982, 167, 169. 362 BT-Drs. 10/318, S. 12, 22. 363 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 205. 364 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 204 ff.; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 3; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 1; a. A.: Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 10. 365 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 3; Achenbach, NJW 1986, 1835, 1839; Weber, NStZ 1986, 481, 486; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 267; Tiedemann/ Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 25; Wessels/Hillenkamp/Schuhr Rn. 696; a. A. Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 10.

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teten Tatmittel sowie das Erfordernis, die Tat gegenüber einem großen Kreis an Personen zu begehen, sprechen daher gegen das Individualrechtsgut Vermögen.366 Dieses Ergebnis wird getragen durch eine systematische Betrachtung: Unter Zugrundelegung alleine des Rechtsguts Vermögen wäre der Anwendungsbereich des Tatbestands auf abstrakte Vermögensgefährdungen zum Nachteil des Anlegers beschränkt.367 Eine solche punktuelle Besserstellung des Kapitalanlegers im Gesamtsystem des strafrechtlichen Vermögensschutzes ist nicht mit dem Rechtsgut Vermögen zu rechtfertigen. Es läge hierin eine gegen Art. 3 GG verstoßende willkürliche Ungleichbehandlung im Wesentlichen gleicher Sachverhalte.368 Eine solche ist nur unter Einbeziehung des Rechtsguts Kapitalmarkt zu rechtfertigen. Die gegen dieses Rechtsgut erhobenen Einwände tragen nicht. Der immer wieder formulierte Kritikpunkt, dass der Tatbestand unter Zugrundelegung eines Schutzes des Kapitalmarkts auch die Störungen durch Anleger erfassen müsse, überzeugt nicht.369 Dem ist bereits entgegenzuhalten, dass das Strafrecht nur facettenhaft ausgestaltet ist und nicht alle an einem Rechtsgeschäft beteiligten Parteien strafrechtlich verfolgt werden müssen.370 Darüber hinaus beziehen sich die typischen Täuschungen auf die mit der Anlage zu erwirtschaftenden Gewinne,371 sodass eine bloße strafrechtliche Inanspruchnahme des Anbieters gerechtfertigt erscheint. Auch der im Weiteren erhobene Vorwurf einer Unbestimmtheit des Rechtsguts372 kann nicht durchgreifen. Der Kapitalmarkt ist nur in bestimmten Ausprägungen geschützt, die Tathandlung, Tatmittel und der geschützte Kreis der Personen bleiben bestimmbar.373 Damit stehen dem kollektiven Rechtsgut keine wesentlichen Argumente entgegen. Für ein solches Rechtsgut spricht zudem die Parallelität von §§ 264, 265 und 265b StGB.374 Notwendigerweise ist von diesem Schutz sekundär der Schutz des Vermögens der am Kapitalmarkt beteiligten Personen umfasst. Ohne Anleger kann ein Kapitalmarkt nicht existieren, weder institutionell noch privat.375 Dem entspricht die Einordnung des § 264a StGB als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 StGB376 und der gesetzgeberische Wille. So heißt es wörtlich, dass es bei § 264a StGB „auch um den Schutz dieses überindividuellen Rechtsguts“ gehe.377 Es bleiben daher als 366

Otto, Jura 1989, 24, 31. Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 205. 368 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 3; a. A.: Hoyer, in: SK StGB, § 264a Rn. 7 ff. 369 Worms, Anlegerschutz, S. 315. 370 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 206 f., 214, 235, 322; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 7. 371 Otto, Jura 1989, 24, 31. 372 So etwa Joecks, wistra 1986, 142, 144. 373 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 8. 374 Cerny, MDR 1987, 271, 272. 375 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 2. 376 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 4. 377 BT-Drs. 10/318, S. 22, Hervorhebung durch Verfasserin. 367

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geschützte Rechtsgüter das Kollektivrechtsgut des Kapitalmarktes und das Individualrechtsgut des Vermögens. So ergibt sich auch für dieses im Vorfeld des Betrugs anzusiedelnde Delikt ein doppelter Rechtsgüterschutz. dd) Zwischenergebnis Aus dem Schutz des Kapitalmarktes folgt schließlich die Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht. Das optimale und effiziente Funktionieren des Kapitalanlagemarktes ist eine Grundbedingung der Marktwirtschaft.378 Im Markt soll es dem Anleger möglich sein, binnen kürzester Zeit, ohne eine kostenintensive Prüfung, Entscheidungen zu treffen.379 So wird sichergestellt, dass es zu schnellen und unproblematischen Abschlüssen von Geschäften mit Kapitaleinlagen kommen kann.380 Ein funktionierender Kapitalmarkt ist Voraussetzung für eine Entfaltung und Nutzung wirtschaftlicher Produktivkräfte.381 Durch die Vorspiegelung inexistenter Gewinnaussichten wird allerdings die Kapitalverteilung verfälscht und somit letztlich das Wirtschaftssystem beeinträchtigt.382 e) § 265b StGB Der Kreditbetrug wurde durch das Erste WiKG am 01. 09. 1976 in das Strafgesetzbuch eingeführt. Der Gesetzgeber stellt mit diesem die Täuschung in Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung, Belassung oder Veränderung der Bedingungen eines Kredits für einen Betrieb oder ein Unternehmen unter Strafe.383 Wie auch beim Kapitalanlagebetrug soll damit Beweisschwierigkeiten begegnet werden, die eine sachgerechte Erfassung als Betrug vereitelten.384 Die Frage nach dem von § 265b StGB geschützten Rechtsgut ist vergleichbar mit der beim Kapitalanlagebetrug geführten Diskussion. So sieht auch hier eine Ansicht allein das individuelle Vermögen der Kreditgeber als primär geschützt an385 und betrachtet den Schutz des Kreditwesens als bloßen Schutzreflex.386 Andere hingegen

378 379 380 381 382 383 384 385

Rn. 5. 386

Bottke, wistra 1991, 1, 8. Bottke, wistra 1991, 1, 8. Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 9. Jaath, in: Festschrift Dünnebier, S. 583, 607. Hoyer, in: SK StGB, § 264a Rn. 7. Otto, Jura 1989, 24, 29. BT-Drs. 7/3441, S. 18. BGHSt 36, 130 ff.; Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 9; Hoyer, in: SK StGB, § 265b Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 9.

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heben auf das Kollektivrechtsgut ab und sehen das Vermögen als nur mitgeschütztes Gut.387 aa) Vermögen als geschütztes Rechtsgut Neben dem Verweis auf die Historie wird für das Vermögens als geschütztes Rechtsgut damit argumentiert, dass ein kollektives Rechtsgut die Festsetzung einer bestimmten Kredithöhe erfordern würde, bei kleinen Krediten könne ein solches nicht tangiert werden.388 Mit dieser Begründung sehen allerdings nur Teile der Literatur und Rechtsprechung allein das Vermögen des Kreditgebers als geschütztes Rechtsgut des Tatbestandes an.389 bb) Funktionieren des Kreditwesens als Rechtsgut Analog zum Kapitalanlagebetrug wird von der herrschenden Auffassung vertreten, dass neben dem Individualrechtsgut des Vermögens, das kollektive Rechtsgut des Kreditwesens geschützt sei.390 Teilweise werden beide Rechtsgüter für gleichrangig,391 teilweise aber auch das kollektive Rechtsgut für vorrangig gehalten.392 Begründet wird dieses Rechtsgut mit der gesetzgeberischen Intention und der Ausgestaltung des Tatbestandes.393 cc) Stellungnahme Gegen den alleinigen Schutz des Rechtsguts Vermögen spricht auch hier, dass der Tatbestand bereits durch Verhaltensweisen verwirklicht wird, die nicht einmal eine Vermögensgefährdung bewirken. Ein solch vorgelagerter Schutz lässt sich nicht alleine mit dem Rechtsgut Vermögen rechtfertigen, da ansonsten eine Besserstellung 387

Vgl. etwa OLG Stuttgart, NStZ 1993, 545; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 265b StGB Rn. 3; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 3; Saliger, in: SSW-StGB, § 265b Rn. 1; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 10 ff. 388 Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 9. 389 BGHSt 36, 130 ff.; Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 9; Hoyer, in: SK StGB, § 265b Rn. 5; Kasiske, in: MüKo StGB § 265b Rn. 1 f. 390 OLG Stuttgart, NStZ 1993, 545; Bottke, wistra 91, 1, 7; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 265b StGB Rn. 3; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 3; Saliger, in: SSWStGB § 265b Rn. 1; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 10 ff.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 236; Schröder/Bergmann, in: Matt/Renzikowski §265b Rn. 1; Wiedner, in: Graf/Jäger/Wittig, § 265b Rn. 4; Lampe, Kreditbetrug, S. 37 ff.; zweifelnd Mitsch, BT II, S. 454 f. 391 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 265b StGB Rn. 3; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 3; BT-Drs. 7/5291, 14; BGH, NStZ 2015, 342, 343, BGHSt 60, 15; Wessels/ Hillenkamp/Schuhr Rn. 699; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 10 ff. 392 OLG Stuttgart, NStZ 1993, 545; Lampe, Kreditbetrug, S. 37 ff. 393 BT-Drs. 7/5291, S. 14.

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des Kreditgebers im Verhältnis zu anderen durch Vermögensdelikte geschädigten Personen erfolgt und sich damit eine Ungleichbehandlung manifestiert.394 Auch bei der Rechtfertigung der konkreten Ausgestaltung des Tatbestandes gelangt das Rechtsgut Vermögen an seine Grenzen. Dieser ist auf Kredite von und an Betriebe bzw. Unternehmen beschränkt. Eine Teilung und Klassifizierung des Vermögens in schutzwürdiges Vermögen von institutionellen Kreditgebern und weniger schutzwürdiges Vermögen von Privathaushalten bleibt ohne Zugrundelegung eines weiteren Rechtsguts unverständlich.395 Dies gilt umso mehr, als der unerfahrene Private im Wirtschaftsverkehr schutzwürdiger erscheint als Betriebe und Unternehmen. Gerechtfertigt ist die Unterscheidung nur, wenn man die Auswirkungen der Kredite miteinbezieht. Im Vergleich zu privaten Krediten haben Betriebs- und Unternehmenskredite aber rein tatsächlich eine größere Auswirkung auf die Wirtschaft. Das hat auch der Gesetzgeber gesehen, indem er darauf hingewiesen hat, dass Kreditbetrügereien größeren Ausmaßes nicht nur die Existenz des Kreditgebers, sondern auch die Kreditwirtschaft insgesamt gefährden.396 Neben dem Kreditgeber selbst können Gläubiger, sowohl des Kreditgebers als auch des Kreditnehmers, in Schwierigkeiten geraten.397 Dem trägt der Tatbestand mit dem Schutz des Kollektivrechtsguts Rechnung. Dieser Argumentation könnte entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber dann aber einen Mindestkreditbetrag hätte festschreiben müssen.398 Sein Verzicht darauf spreche gegen das Rechtsgut des Kreditwesens. Dieser Einwand übersieht, dass mit der Beschränkung auf Kredite von und an Unternehmen und Betriebe in mittelbarer Weise die Kredithöhe in Bezug genommen wird.399 Für kleine Beträge werden in diesem Umfeld regelmäßig keine Kredite beansprucht. Eine im Gesetz formulierte Mindestkredithöhe ist daher entbehrlich. In ihrem Fehlen kann kein tragender Einwand gegen das Rechtsgut Kreditwesen gesehen werden. Dies gilt ebenso für die Einbeziehung des einseitigen Schutzes des Kreditgebers als Argument gegen das kollektive Rechtsgut.400 Auch hier ist auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts401 zu verweisen, sodass der Einwand nicht überzeugt.402 Damit spricht

394 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 337, vgl. bereits unter B. I. 2. d) cc) des gleichen Abschnitts zum Kapitalanlagebetrug. 395 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 235. 396 BT-Drs. 7/5291, S. 14. 397 BT-Drs. 7/5291, S. 14. 398 Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 9. 399 BT-Drs. 7/5291, S. 15. 400 Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 9; BGHSt 36, 130, 131. 401 Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 2; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 3. 402 Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 3.

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die Ausgestaltung des Tatbestandes für den Schutz eines über das individuelle Vermögen hinausgehenden kollektiven Rechtsguts des Kreditwesens.403 dd) Zwischenergebnis Geschütztes Rechtsgut des Kreditbetrugs ist mit der herrschenden Auffassung das Funktionieren des Kreditwesens sowie daneben das Vermögen des Kreditgebers.404 Das Funktionieren der Kreditvergabe ist ein essentieller Teil der sozialen Marktwirtschaft.405 Die Kapitalversorgung der Volkswirtschaft hängt wesentlich von einem funktionsfähigen Kreditwesen ab.406 Im Wirtschaftsverkehr werden Geschäfte oftmals durch Kredite finanziert. Es existieren vielfache Abhängigkeiten der Marktakteure untereinander. Eine Täuschung in diesem durch Kredite miteinander verflochtenen Netz kann erhebliche Auswirkungen auf eine Vielzahl von Personen und damit auf die Wirtschaft haben. Zudem hat ein sich wiederholendes täuschendes Verhalten Einfluss auf das Vertrauen in das Kreditwesen.407 Aufgrund dieser Rechtsgutsbestimmung ist auch der Kreditbetrug nach der strafrechtsdogmatischen Definition dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen. f) § 266a StGB Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB ist, wie die vorherigen Delikte auch, zunächst auf das geschützte Rechtsgut hin zu untersuchen. Die Norm hat im Jahr 1986 Eingang ins Strafgesetzbuch gefunden408 und setzt sich in ihrer aktuellen Fassung aus drei Tatbeständen zusammen. In Abs. 1 ist das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung, in Abs. 2 das Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, das allerdings über die schlichte Nichtzahlung hinausgehende Unrechtselemente verlangt, und in Abs. 3 das Veruntreuen von Arbeitsentgelt geregelt. Die in den Absätzen vorgenommene Differenzierung spiegelt sich auch bei der Frage nach dem geschützten Rechtsgut wider.409

403

So auch Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 2; Schröder/Bergmann, in: Matt/Renzikowski § 265b Rn. 1; vgl. auch BT-Drs. 7/3441, S. 30; Mitsch, BT II S. 454. 404 Otto, Jura 1989, S. 24, 29; Lampe, Kreditbetrug, S. 37 ff. 405 So auch Lampe, Kreditbetrug, S. 37 ff. 406 Hoyer, in: SK StGB, § 265b Rn. 3; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 336. 407 Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 2. 408 Einführung des § 266a StGB am 01. 08. 1986 durch „Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG)“ v. 15. 05. 1986, BGBl. I 1986, S. 721, 723. 409 Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 3; Otto, Jura 1989, 24, 32; Tag, in: NK StGB, § 266a Rn. 6 ff.; Saliger, in: SSW-StGB § 266a Rn. 1 f.; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 2.

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aa) Rechtsgut der Absätze 1 und 2 Beide Absätze sanktionieren die Beitragsvorenthaltung durch den Arbeitgeber. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass hier ein unterschiedliches Rechtsgut geschützt werden soll. Deshalb kann hier eine gemeinsame Betrachtung erfolgen. (1) Sozialversicherungsaufkommen als geschütztes Rechtsgut Die ersten beiden Absätze dienen nach überwiegender Ansicht einzig dem Schutz eines kollektiven Rechtsguts, dem Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten an der Sicherstellung des nationalen Sozialversicherungsaufkommens.410 Durch das Nichtabführen von Beiträgen zur Sozialversicherung entstünden der Versichertengemeinschaft hohe Schäden.411 Auf Dauer würde ein solches missbräuchliches Verhalten den Zusammenbruch des Sozialversicherungssystems bedingen. Dieses soll damit geschützt werden. (2) Vermögen als Rechtsgut Unter Bezugnahme des Interesses der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des nationalen Sozialversicherungsaufkommens wird in der Literatur das Vermögen als geschütztes Rechtsgut des § 266a StGB legitimiert.412 Dabei wird angenommen, dass sich das Interesse in dem Vermögen der Sozialversicherungsträger manifestiere und damit dieses Vermögen das geschützte Rechtsgut sei.413 Rechtsinhaber seien damit die Sozialversicherungsträger, da die geschuldeten Beiträge rechtlich ihrem Vermögen zuzuordnen sein.414 Dieses Verständnis des Rechtsgutsinhabers ist allerdings nicht unumstritten. So wird teilweise argumentiert, dass die Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge dem Vermögensbereich des Arbeitnehmers zugewiesen sind, also sein Vermögen geschützt sei.415 Begründet wird dies mit § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV, der festlegt, dass die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gilt. Durch die Nichterbringung werde dieser Vermögensbestand des Arbeitnehmers tangiert.416 410

BT-Drs. 10/5058, S. 31; BT-Drs. 15/2573, S. 28; BVerfG, NJW 2003, 961; BGH, NJW 2000, 2993, 2994; BGH, NStZ 2006, 227, 228; OLG Celle, NJW 1992, 190; OLG Köln, NStZRR 2003, 212, 213; BGH, NStZ 2010, 216; Bittmann, DStR 2001, 855, 858; Weber, NStZ 1986, 481, 488; Saliger, in: SSW-StGB, § 266a Rn. 2; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 2; Tag, in: NK StGB, § 266a Rn. 7; Fischer, § 266a Rn. 2; differenzierter Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 8 und 11. 411 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 365 f.; Weber, NStZ 1986, 481, 488. 412 Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 4; Hoyer, in: SK StGB, § 266a Rn. 4. 413 Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 4; Hoyer, in: SK StGB, § 266a Rn. 4. 414 Hoyer, in: SK StGB, § 266a Rn. 4. 415 Tag, in: NK StGB, § 266a Rn. 8 ff.; Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 10. 416 Tag, in: NK StGB, § 266a Rn. 8.

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(3) Wettbewerb als Rechtsgut Neben diesen beiden Rechtsgütern wird der Wettbewerb als Rechtsgut des § 266a StGB diskutiert. So nimmt etwa Weber einen Tatbestand mit Schutzwirkung zugunsten der Wettbewerbsordnung an.417 Grundannahme hierfür sei, dass sich der Arbeitgeber durch das Nichtabführen von Beiträgen zur Sozialversicherung unlauter einen billigen Kredit verschaffe.418 Im Gegensatz zum gesetzmäßig handelnden Arbeitgeber sei er aufgrund der „eingesparten“ Gelder privilegiert und der faire Wettbewerb werde beeinträchtigt.419 Zudem täusche der Arbeitgeber andere über seine Kreditwürdigkeit, sodass für eine Vielzahl von Personen die Gefahr wirtschaftlicher Schäden bestehe.420 Dieses Rechtsgut stehe jedenfalls im Einklang mit der gesetzgeberischen Intention.421 (4) Stellungnahme Ein auf das Vermögen ausgerichtetes Rechtsgut kann nicht überzeugen. Sowohl der Vermögensschutz zu Gunsten der Sozialversicherungsträger als auch derjenige der Arbeitnehmer greift zu kurz. Denn Sinn und Zweck des Vermögensschutzes ist bei § 266a StGB alleine der Schutz einer Vielzahl hinter dem Versicherungsträger stehender Arbeitnehmer.422 Auf die Stellung der Sozialversicherer und deren Vermögen kommt es nur mittelbar an. Es soll vielmehr die potentielle Vermögensgefährdung der Versicherten verhindert werden, indem die Funktion des Sozialversicherungssystems abgesichert wird. Nur so wird der soziale Ausgleich gewährleistet.423 Der Schutz des Vermögens der Sozialversicherungsträger ist daher viel eher notwendiges Zwischenziel als geschütztes Rechtsgut der Norm. Auch das Vermögen des einzelnen Arbeitnehmers kann nicht das Rechtsgut sein. Denn der Arbeitnehmer erfährt in seinen persönlichen Belangen keinen Nachteil. Die Entstehung der sozialund versicherungsrechtlichen Ansprüche ist an das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses geknüpft.424 § 203 SGB VI besagt, dass als Beschäftigungszeit auch eine solche Zeit anerkannt wird, für die der Arbeitnehmer eine versicherungspflichtige Beschäftigung glaubhaft macht und darlegt, dass ihm die Versicherungsleistung von seinem Gehalt abgezogen wurde. Die 417

Weber, NStZ 1986, 481, 488; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 2 (Schutzreflexcharakter). 418 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 365 f. 419 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 365 f.; Weber, NStZ 1986, 481, 488. 420 BT-Drs. 10/318, S. 26. 421 BT-Drs. 10/318, S. 28. 422 BVerfG, NJW 2003, 961; BGH, NStZ 2006, 227, 228; OLG Celle, NJW 1992, 190; OLG Köln, NStZ-RR 2003, 212, 213; Bittmann, DStR 2001, 855, 858; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 2. 423 Looschelders, in: Langheid/Wandt, VVG § 1 Rn. 99. 424 BGHZ 144, 311, 320; OLG Köln, NStZ-RR 2003, 212; Radtke, in: MüKo StGB § 266a Rn. 4. Zur Rentenversicherung vgl. ebenda sowie Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 9 f.

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wirksame Beitragsentrichtung ist für den einzelnen Arbeitnehmer damit irrelevant.425 Dem Tatbestand kann es damit nicht um die Person des einzelnen Arbeitnehmers gehen. Viel eher steht die Gesamtheit der in die Sozialversicherung einzahlenden Arbeitnehmer im Blickpunkt der Norm.426 Dem stehen auch die gegen dieses Rechtsgut erhobenen Einwände nicht entgegen. So kann der Einwand, das Sozialversicherungssystem könne nicht geschützt werden, weil die genauso schutzbedürftigen Arbeitgeberanteile weitestgehend vom strafrechtlichen Schutz ausgenommen seien,427 nicht durchgreifen. Grundsätzlich kommt der Nichterfüllung einer eigenen Schuld kein Strafcharakter zu,428 weshalb die fehlende Strafbarkeit bei der Hinterziehung der Arbeitgeberanteile nachvollziehbar ist.429 Im Übrigen sei an den bereits mehrfach genannten fragmentarischen Charakter des Strafrechts erinnert. Durch die Einführung des zweiten Absatzes, der die Abführung von Arbeitgeberanteilen nur dann mit Strafe belegt, wenn das Nichtabführen auf Täuschung beruht, zeigt der Gesetzgeber viel eher, dass es ihm prinzipiell um die Sicherung des Beitragsaufkommens und nicht um das Vermögen des einzelnen Arbeitnehmers oder der Sozialversicherungen geht.430 Die Sozialversicherung ist zwar, anders als die Finanzverfassung, nicht im Grundgesetz genannt, sie stellt aber eine vom Verfassungsgeber vorgefundene und akzeptierte Institution dar,431 die eines Schutzes bedarf. Sie ist damit als geschütztes Rechtsgut zu betrachten. Daneben tritt das Rechtsgut des Wettbewerbs. bb) Rechtsgut des Absatzes 3 § 266a Abs. 3 StGB dient nach einhelliger Auffassung dem Schutzinteresse der Arbeitnehmer an der treuhänderischen Verwaltung von Teilen ihres Arbeitseinkommens.432 Geschütztes Rechtsgut ist damit nahezu unstrittig das individuelle Vermögensinteresse der Arbeitnehmer.433 425 Zwar verbleibt das Restrisiko des Arbeitnehmers, dass die erforderliche Glaubhaftmachung nicht gelingt, diese Fallkonstellation dürfte aber einen seltenen Ausnahmefall darstellen, sodass darüber kein Tatbestand begründet werden kann. Daher ist der Schutz lediglich als Reflex zu begreifen, so auch Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 75. 426 So auch Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 75. 427 Bittmann, DStR 2001, 855, 858, der hierin eine Inkonsequenz sieht, die bis zu einer Novellierung des Tatbestandes hinzunehmen sei. 428 Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 33 ff. 429 Laitenberger, NJW 2004, 2703; Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 4. 430 Laitenberger, NJW 2004, 2703; Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 4. Das Vermögen der Sozialversicherungen wäre auch betroffen, wenn der Beitrag aus anderen Gründen als aus Täuschung vorenthalten würde. 431 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 366; Osterloh, NJW 1982, 1617, 1619 f. 432 OLG Celle, NJW 1992, 190; Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 6; Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 11; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 2; Fischer, § 266a Rn. 2; Wiedner, in: Graf/Jäger/Wittig, § 266a Rn. 3; Bittmann, wistra 1999, 441, 446.

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cc) Zwischenergebnis Für die ersten beiden Absätze ergibt sich damit ein kollektives Rechtsgut, das der sozialen Marktwirtschaft zuzuordnen ist. Die Sicherung des Sozialversicherungsaufkommens dient dem Schutz des Sozialversicherungssystems als Element der sozialen Marktwirtschaft. Die Sozialversicherung erreicht eine Umverteilung der Vermögenswerte. Die versicherten Risiken, wie etwa Krankheit, Mutterschaft, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Erwerbsminderung u. v. m., werden ausgeglichen, da diese im Fall ihres Eintretens gemeinsam von allen Versicherten getragen werden. Es wird ein Element der sozial gerechten Verteilung geschaffen. Durch einen solchen Verteilungsmechanismus wird sichergestellt, dass der Erfolg wirtschaftlich nicht bloß dem größten Gewinn des Einzelnen dient. So werden auch die aufgrund der benannten Risiken nicht mehr konkurrenzfähigen Arbeitnehmer abgesichert. Die Marktwirtschaft und der Wettbewerb bleiben demnach sozial. Damit schützen die ersten beiden Absätze mit dem Sozialversicherungssystem einen wichtigen Teil der sozialen Marktwirtschaft. Zudem ist der lautere Wettbewerber434 und in der Folge auch das kollektive Rechtsgut des Wettbewerbs geschützt,435 sodass eine Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht über beide Rechtsgüter als zentrale Elemente des Wirtschaftssystems erfolgen kann.436 Dies gilt aber nicht für Abs. 3, der alleine die individuellen Vermögensinteressen der Arbeitnehmer und damit kein Kollektivrechtsgut erfasst. g) § 298 StGB § 298 StGB wurde wie der gesamte 26. Abschnitt zu den Straftaten gegen den Wettbewerb durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. 8. 1997437 ins Strafgesetzbuch eingeführt. Ausschlaggebend waren mehrere größere Fälle von Submissionsabsprachen, bei denen es sich problematisch gestaltete, den Vermögensschaden nachzuweisen.438 Auch hier stellt sich die – in diesem Fall weniger problematische – Frage nach dem Rechtsgut und der damit verbundenen Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht.

433 BT-Drs. 10/5058, S. 31; Radtke, in: MüKo StGB § 266a Rn. 1; Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 11; Fischer, § 266a Rn. 2; BAG, NJW 2005, 3740. 434 BT-Drs. 10/318, S. 28. 435 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 365 f., geht von einem Schutz des staatlichen Kontingents aus; a. A.: Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 76 m. w. N. 436 So auch Otto, Jura 1989, 24, 32. 437 BGBl. 1997 I, S. 2038. 438 BT-Drs. 13/5584, S. 13; BT-Drs. 13/3353, S. 8 f.

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aa) Freier, fairer und funktionierender Wettbewerb als Rechtsgut Geschütztes Rechtsgut des § 298 StGB ist nach allgemeiner Meinung der freie, faire und funktionierende Wettbewerb,439 wie er sich in seiner derzeitig gebilligten Form aus dem Grundgesetz ergibt.440 Durch § 298 StGB soll verhindert werden, dass in bestimmten Vergabeverfahren wettbewerbswidrige Absprachen den freien Wettbewerb beeinträchtigen.441 Die Konzentration übermäßiger wirtschaftlicher Macht solle vermieden und der Leistungsfähigkeit des Einzelnen Raum gegeben werden.442 Letztlich werde mit dem Wettbewerb auch das System der sozialen Marktwirtschaft geschützt.443 bb) Vermögen als Rechtsgut Über den Wettbewerb hinaus soll auch das Individualrechtsgut des Vermögens geschützt sein.444 Durch das wettbewerbswidrige Verhalten werde das Vermögen der lauteren Mitbewerber445 sowie das Vermögen der Veranstalter von Ausschreibungen446 tangiert, da ihnen Aufträge vorenthalten bleiben. Teilweise wird dieser mit dem Wettbewerbsschutz einhergehende Vermögensschutz jedoch nur als Schutzreflex und nicht als eigenständiges Rechtsgut betrachtet, da ein Schutz des Kollektivrechtsguts nicht ohne den Vermögensschutz möglich sei.447 cc) Stellungnahme Bei § 298 StGB herrscht weitgehende Einigkeit zur Frage des geschützten Rechtsguts. Lediglich in einzelnen Ausdifferenzierungen bestehen minimale Divergenzen zwischen einzelnen Ansichten. Unstreitig ist das Rechtsgut des Wettbe439 BT-Drs. 13/5584, S. 13; BGH, NJW 2014, 1252; Dölling, ZStW 112 (2000), 334, 348; König, JR 1997, 397, 402; Korte, NStZ 1997, 513, 516; Otto, wistra 1999, 41; Pasewaldt, ZIS 2008, 84; Fischer, Vor § 298 Rn. 6; Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 11; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 298 Rn. 1; Bosch, in: SSW-StGB § 298 Rn. 1; Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 1. 440 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 298 Rn. 3. 441 Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 298 Rn. 1. 442 Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 298 Rn. 4 ff. 443 Otto, wistra 1999, 41, 42. 444 BT-Drs. 13/5584, S. 13; Dölling, ZStW 112 (2000), 334, 348; Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 7; BGH, NStZ 2013, 41. 445 Dölling, ZStW 112 (2000), 334, 348; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 298 Rn. 3; Rogall, in: SK StGB, § 298 Rn. 4. 446 BT-Drs. 13/5584, S. 14; Dölling, ZStW 112 (2000), 334, 348; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor §§ 298 Rn. 3; Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 7; Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 2; a. A.: Rogall, in: SK StGB, § 298 Rn. 4; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 278; Eschelbach/Böse, in: Graf/Jäger/Wittig, § 298 Rn. 1. 447 Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 13; Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 5, jeweils m. w. N.

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werbs geschützt. Für dieses spricht bereits die Überschrift des 26. Abschnitts des Strafgesetzbuchs (Straftaten gegen den Wettbewerb).448 Zur Begründung kann im Weiteren auf das Tatbestandsmerkmal „rechtswidrige Absprache“ Bezug genommen werden. Dieses entstammt dem GWB, welches insgesamt dem institutionellen Wettbewerbsschutz dient.449 Durch die inhaltliche Verknüpfung liegt auch bei § 298 StGB der Schutz des Wettbewerbs nahe. Auch aus dem Regierungsentwurf zu § 298 StGB geht der Wettbewerb als geschütztes Rechtsgut hervor,450 sodass dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht. In Teilen wird aber eine Modifikation des Rechtsguts dahingehend getroffen, dass das Vertrauen in diesen Wettbewerb das vorzugswürdige Rechtsgut sei.451 Auch Hefendehl kombiniert insoweit beide Aspekte, indem er zunächst den fairen Wettbewerb und dann das dahingehende Vertrauen für geschützt hält.452 Dem steht entgegen, dass Vertrauen stets an die Einzelperson gebunden ist.453 Darüber hinaus muss auf die bereits gegen das Vertrauen als Rechtsgut formulierten Argumente, ein solches Rechtsgut sei inhaltsleer, entbehre jeglicher Konturen und ermögliche keine Abgrenzung, verwiesen werden.454 Ein besonderer, als Rechtsgut zu erfassender, Vertrauensschutz ist daher zu verneinen. Damit bleibt noch die Frage, ob neben den Wettbewerb ein weiteres Rechtsgut tritt. Gegen einen darüberhinausgehenden Vermögensschutz spricht, dass Auswirkungen auf das individuelle Vermögen der Anbieter – etwa durch die Auftragsvergabe an einen Bieter – zur Erfüllung des Tatbestandes nicht erforderlich sind.455 Auch verlangt der Tatbestand keinen Vermögensschaden des Veranstalters, sondern nur dessen Gefährdung. Die inkriminierten Verhaltensweisen haben damit nur sekundäre Auswirkungen auf das individuelle Vermögen, welche zunächst subjektiv nicht wahrnehmbar und nachweisbar sind.456 Ihr Schutz ist damit Folge der Pönalisierung der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen.457

448

Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 12; Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 6. Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 2; Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 6. 450 BT-Drs. 13/5584, S. 13. 451 Hohmann, in: MüKo StGB § 298 Rn. 1, der alleine das Vertrauen für geschützt hält, da die Verletzung der Wirtschaftsordnung keinen naturwissenschaftlichen messbaren Schaden zur Folge habe. Dabei bleibt allerdings unbeachtet, dass auch der Vertrauensverlust als solcher wohl kaum messbar oder nachweisbar sein wird. 452 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 252, 279 f., 388. 453 Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 1. 454 Vgl. zu den gegen ein Rechtsgut des Vertrauens sprechenden gewichtigen Einwänden den 1. Abschnitt des 1. Teils unter D. II. 1. 455 Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 4; Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 13. 456 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 298 Rn. 3. 457 Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 14; Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 6; a. A.: Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor §§ 298 Rn. 3; Otto, wistra 1999, 41; König, JR 1997, 397, 402. 449

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

cc) Zwischenergebnis Primär geschützt ist damit das Rechtsgut des Wettbewerbs. Dieses ist auch für die Zuordnung unter der Definition des Wirtschaftsstrafrechts entscheidend, der zweitrangige Schutz der Vermögensinteressen kann zurückstehen. Der Wettbewerb ist Teil des die Wirtschaftsstraftaten einenden Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft. Der Tatbestand des § 298 StGB ist damit dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen. h) § 370 AO Der Tatbestand des § 370 AO stellt die Hinterziehung von Steuern unter Strafe und erfasst unter diesem Oberbegriff mehrere Tathandlungen, die entweder den Erfolg einer Steuerverkürzung herbeiführen oder zur Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils führen. Auch dieser Tatbestand könnte dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen sein. Dazu ist zunächst auch hier das geschützte Rechtsgut zu ermitteln, welches dann auch bei der Einordnung der Deliktsart relevant wird. Da sich aus der Historie eine eindeutige Rechtsgutsbestimmung nicht ergibt,458 herrscht hierzu ein weites Meinungsspektrum. aa) Steueraufkommen als Rechtsgut Überwiegend wird die Ansicht vertreten, dass das durch die Steuerhinterziehung verletzte Rechtsgut das öffentliche Interesse am rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommen jeder einzelnen Steuerart ist.459 Teilweise wird als Rechtsgut auch der durch § 370 AO garantierte staatliche Anspruch auf den vollen Ertrag und die rechtzeitige Festsetzung der Steuer bezeichnet,460 womit gleiches gemeint sein dürfte.461 In der Folge stellt sich allerdings die Frage, ob mit dem garantierten staatlichen Anspruch auf den vollen Ertrag der einzelne Anspruch im Sinne des § 38 AO gemeint ist. Bei einer solchen Annahme wären aber Sachverhalte, bei denen ein existenter Steuerpflichtiger aufgrund erfundener Tatsachen Steuervergünstigungen geltend macht462 oder nicht existente Personen Steuervorteile erhalten,463 nicht von § 370 AO erfasst. Der konkrete Ertrag aus dem Steueranspruch wird in diesen Fällen nicht beeinträchtigt, da der Anspruch tatsächlich nicht entstanden ist.464 Diese Fälle 458

Vgl. dazu Lemmer, Hinterziehung rechtswidriger Steuern, S. 148 f. BGHSt 53, 71; Jäger, in: Klein AO, § 370 Rn. 2. 460 BGHSt 36, 100, 102; 40, 109, 111; Bülte, in: Graf/Jäger/Wittig, § 370 AO, Rn. 352; Hadamitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, § 370 AO, Rn. 2 m. w. N. 461 So auch Lemmer, Hinterziehung rechtswidriger Steuern, S. 152, 155. 462 So aber BGHSt 36, 100. 463 So aber BGHSt 40, 109; 51, 356. 464 So aber BGHSt 36, 100. 459

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müssten dann durch das allgemeine Strafrecht erfasst werden. Das kann nicht überzeugen. Dagegen spricht neben der Verankerung der Gesamtvorgänge im Steuerrecht auch die Tatsache, dass sonst Nebensächlichkeiten entscheidend für die rechtliche Einordnung wären.465 Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen muss daher ein Rechtsgut definiert werden, dass auch diese Fälle erfasst.466 Es kann daher nur das Interesse am staatlichen Steueraufkommen insgesamt und nicht der einzelne Anspruch gemeint sein. bb) Vermögen als Rechtsgut Teilweise wird aus der erstgenannten Ansicht hergeleitet, dass auch das Vermögen des Staates als Rechtsgut geschützt sei. Es wird dabei auf den die Steuerverkürzung oder den Steuervorteil Bezug genommen.467 Das Rechtsgut könne daher nicht das Interesse an dem entstehenden bzw. entstandenen Steueranspruch sein. Viel eher sei das Staatsvermögen erfasst, sofern es sich aus dem Steueraufkommen generiert.468 cc) Besteuerungssystem als Rechtsgut Über das Rechtsgut des Interesses an der Sicherung des staatlichen Steueranspruchs hinaus sieht Dannecker das Besteuerungssystem als geschützt an.469 Denn nur seine Bewahrung garantiere letztendlich die Sicherung des materiellen Steueraufkommens.470 Zudem seien mit der Eintreibung der Steuern weitere nicht fiskalische Ziele intendiert. Die Besteuerung werde dazu eingesetzt, den Bürger zu bestimmtem Verhalten zu veranlassen. Diese Lenkungswirkung werde nur erfasst, wenn man das Besteuerungssystem insgesamt als geschützt ansehe.471 dd) Gleichmäßige Lastenverteilung als Rechtsgut Salditt sieht das Rechtsgut des § 370 AO in der Gewährleistung der gleichmäßigen und gerechten Lastenverteilung nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit.472 Durch den Tatbestand des § 370 AO solle primär eine Gleichbehandlung der Bürger gewährleistet werden.473 Damit sei in erster Linie ein Individualrechtsgut geschützt, das mit dem Vermögen oder aber dem Eigentum vergleichbar sei.474 465 466 467 468 469 470 471 472 473

BGHSt 36, 100. BGHSt 36, 100. Joecks/Jäger/Randt, Einl. Rn. 8. Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO, Rn. 6 ff.; Samson, in: Festgabe BGH, S. 675. Dannecker, Steuerhinterziehung, S. 174 f. So auch Dannecker, Steuerhinterziehung, S. 175. Dannecker, Steuerhinterziehung, S. 147. Salditt, in: Festschrift Tipke, S. 475, 479. Salditt, in: Festschrift Tipke, S. 475, 480.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

ee) Bestand des Steueranspruchs als Rechtsgut Backes sieht den äußeren Bestand des Steueranspruchs als Rechtsgut des § 370 AO an.475 Er argumentiert mit einer Parallelität zwischen Diebstahl und Steuerhinterziehung. Bei der Steuerhinterziehung werde dem Staat ähnlich einer Wegnahme ein ganz bestimmter Vermögensbestandteil entzogen. Das staatliche Interesse sei gerade auf die freie Verfügung über diesen Steueranspruch gerichtet.476 ff) Stellungnahme Insbesondere den zuletzt benannten Ansichten stehen Einwände entgegen. Die Annahme Backes kann bereits aufgrund ihrer Herleitung nicht überzeugen. Der Charakter von Tatobjekt und Tathandlung des Diebstahls und der Steuerhinterziehung sind nicht miteinander vergleichbar. Bei der Steuerhinterziehung geht es gerade nicht um die Wegnahme, sondern um die fehlerhafte Sachverhaltswiedergabe.477 Die Ansicht übersieht im Weiteren, dass der Steueranspruch erst mit der Steuererklärung des Steuerschuldners entsteht. Sein äußerer Bestand kann nicht bereits vorher geschützt sein. Die Rechtsgutsbeschreibung Backes ist damit nicht fähig, die Natur des Delikts zu erfassen, sie kann lediglich deskriptiv die Folge des deliktischen Handelns feststellen.478 Der Ansicht Salditts ist entgegenzuhalten, dass der Schutz einer gleichmäßigen Lastenverteilung zu Widersprüchen zwischen Straf- und Steuerrecht führen kann. Wird eine Steuer erhoben, die als ungerecht zu begreifen ist, dürfte deren Verkürzung strafrechtlich nicht verfolgt werden. Zwar soll § 370 AO keinen ungerecht wirkenden Steueranspruch schützen, jedoch kann eine Einschätzung über gerechte oder ungerechte Steuerfestsetzung nicht vom Tatbestand geleistet werden.479 Die gleichmäßige Lastenverteilung ist als Rechtsgut zudem nicht ausreichend zu konkretisieren und damit abzulehnen. Im Anschluss an die vorherrschende Ansicht dient § 370 AO damit der Sicherung des Steueraufkommens. Dieses Rechtsgut ist in der Lage, den Tatbestand und sein Regelungssystem zu beschreiben und eine sinnvolle Auslegung zu gewährleisten. Vielfach wird einhergehend mit diesem Rechtsgut der Schutz des staatlichen Vermögens, soweit es sich aus dem Steueraufkommen ergebe, als Zweck der Norm angenommen. Dabei bleibt aber unbeachtet, dass § 370 Abs. 4 S. 3 AO mit dem Kompensationsverbot nicht zwangsläufig einen Schaden am Staatsvermögen verlangt. Häufig wird eine Relevanz für das staatliche Vermögen zwar nicht zu verneinen sein, dennoch kann das Rechtsgut Vermögen bereits unter diesem Gesichtspunkt nicht überzeugen. Das staatliche Vermögen kann zudem nicht um seiner 474 475 476 477 478 479

Salditt, in: Festschrift Tipke, S. 475, 480. So aber Backes, Abgrenzung, S. 149 f. Backes, Abgrenzung, S. 149 f. Lemmer, Hinterziehung rechtswidriger Steuern, S. 166. Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 Rn. 3. BGH, wistra 2002, 64, 65; a. A.: Kohlmann, wistra 1998, 161, 166.

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selbst willen geschützt werden. Anders als privates Vermögen soll staatliches Vermögen zu bestimmten Zwecken eingesetzt werden. Mit den steuerlichen Einnahmen finanzieren der Bund, die Länder und die Gemeinden die ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben.480 Nur diese potentielle Verwendung für andere öffentliche Aufgaben rechtfertigt die Existenz des Vermögens. Hinter dem staatlichen Steueraufkommen steht daher viel eher das Besteuerungssystem als Rechtsgut, das dieses garantiert. Mit diesem Rechtsgut können alle dem Tatbestand unterfallenden Sachverhalte erklärt werden.481 Zwar wird gegen das Besteuerungssystem als Rechtsgut eingewandt, dass es nur das Angriffsobjekt, nicht aber das geschützte Rechtsgut sei.482 Dem bleibt entgegenzuhalten, dass das Besteuerungssystem, das Instrument der Verfolgung politischer Ziele, letztlich selbst mitgeschützt werden muss.483 Nur durch seine Existenz wird die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sichergestellt. Allerdings kann ein bloßer von dem staatlichen Steueranspruch losgelöster Schutz des Besteuerungssystems als Institution nicht überzeugen. Der alleinige Ungehorsam gegen ein gesetzlich fingiertes System ohne höheren Zweck ähnelt bloßem Verwaltungsunrecht.484 Abschließend bleibt daher festzustellen, dass mit dem Besteuerungssystem zugleich das Interesse am rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommen geschütztes Rechtsgut ist. Dies überzeugt auch in der Gesamtschau der Delikte. Mit Blick auf die Delikte des Subventionsbetrugs, bei welchem nahezu einhellig das Subventionssystem geschützt wird, oder aber des Kreditbetrugs, welcher das Kreditwesen schützt, kann konsequenterweise bei der Steuerhinterziehung das Besteuerungssystem Schutz beanspruchen. Hinter diesem steht der Schutz des materiellen Steueranspruchs, das Interesse an der rechtzeitigen und vollständigen Steuererhebung.

480

Joecks/Jäger/Randt, Einl. Rn. 10. Dies gilt auch für den von Joecks gebildeten Beispielsfall bezogen auf das Kompensationsverbot: „Der Täter, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wird, gibt (…) eine ESt-Erklärung mit einem zu niedrigen Gewinn ab und lässt zugleich Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in nämlicher Höhe weg. Er hätte hier – existierte § 370 Abs. 4 S. 3 AO nicht – zwar die Tathandlung (Täuschung über steuerlich erhebliche Tatsachen) begangen, jedoch keine Steuerverkürzung verursacht. Beantragt er später, den Steuerbescheid nach § 164 II AO zu ändern und seine Werbungskosten zu berücksichtigen, dann begeht er schon keine Tathandlung; den Verkürzungserfolg führt er jedoch durch Komplettierung des Tatablaufs herbei.“, vgl. Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 104. Zwar wird von Schmitz/ Wulf anhand dieses Falls angenommen, dass das staatliche Vermögen gegen abstrakte Gefahren geschützt werden solle, im Hinblick auf die gegen dieses Rechtsgut erhobenen Einwände erscheint es aber gerade im Hinblick auf solche Fälle treffender von einem Rechtsgut des Besteuerungssystems zu sprechen. 482 Bülte, in: Graf/Jäger/Wittig, § 370 AO, Rn. 352. 483 So auch Dannecker, Steuerhinterziehung, S. 175. 484 Salditt, in: Festschrift Tipke, S. 475, 482; BGHSt 11, 263, 264. 481

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

gg) Zwischenergebnis Es stellt sich in der Folge die Frage, ob diese Rechtsgutsbestimmung eine Zuordnung zum Wirtschaftsstrafrecht rechtfertigt. Steuern sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 AO Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden. Für ein funktionierendes und faires gesellschaftliches System sind die finanziellen Ressourcen und deren Generierung durch ein funktionierendes Besteuerungssystem unabdingbar. Die Steuerlast wird nach dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verteilt.485 Sie soll dem Gebot der Steuergerechtigkeit folgend den Steuerschuldnern nach deren personeller Leistungsfähigkeit angemessen auferlegt werden.486 Im Interesse des rechtstreuen Steuerschuldners muss gewährleistet werden, dass eine solche gleichmäßige Besteuerung eingehalten wird. Denn derjenige Marktteilnehmer, der weniger Steuern zahlt, schafft sich einen unbilligen Vorteil. Der Steueranspruch muss daher auch im Sinne eines fairen Wettbewerbs und einer chancengleichen Marktwirtschaft geschützt werden. Im Wesentlichen schützen der Steueranspruch und das Besteuerungssystem aber einen sozialen Aspekt. Die soziale Sicherheit kann durch eine Vielzahl an Handlungen garantiert werden, so etwa durch eine sich gegen Monopole richtende Politik, oder aber durch einen Einkommensausgleich,487 der sich in den verschiedenen Steuersätzen widerspiegelt. So wird eine Umverteilung von Vermögen bewirkt, die auf eine Kompensation von marktwirtschaftlichen Nachteilen hinarbeitet. Durch das Besteuerungssystem wird damit auch die Marktwirtschaft insbesondere in ihrer sozialen Komponente geschützt. Darüber hinaus kann durch den gezielten Einsatz der Steuern das Verhalten der Bürger gelenkt und im Sinne der sozialen Marktwirtschaft unerwünschtes Verhalten unterbunden werden. Das Besteuerungssystem garantiert, sofern es von allen Marktteilnehmern eingehalten wird, eine durch Angebot und Nachfrage regulierte Preisbildung im Rahmen eines sozialen Systems. Der Tatbestand ist dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen.488 3. Ergebnis Zusammenfassend bleibt daher festzustellen, dass diejenigen Delikte, die bereits aufgrund ihrer Ausgestaltung einen Bezug zur Wirtschaft vermuten ließen, sich auch nach einer genaueren Betrachtung als Wirtschaftsstraftaten nach der oben aufgestellten Definition begreifen lassen. Da die geltende Wirtschaftsordnung der sozialen 485

BVerfGE 9, 3, 9; 93, 121; 110, 94. Joecks/Jäger/Randt, Einl. Rn. 10. 487 Vgl. hierzu Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 59 m. w. N. 488 Zur Einordnung der Steuerstraftaten als white-collar-Delikte auch Tiedemann, ZStW 82 (1970), 969, 979. 486

2. Abschn.: Umfang des Wirtschaftsstrafrechts

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Marktwirtschaft als abstraktes Gut durch einzelne Verstöße nicht bereits gefährdet wird, müssen auch die ihren Bestand und ihr Funktionieren sichernden Teilbereiche, Funktionsmechanismen und Institute vom Schutz erfasst werden. Im Kern sind damit alle Delikte als Wirtschaftsstraftaten zu verstehen, die die Wirtschaft lenken oder die Herstellung, Verteilung und Erzeugung von Wirtschaftsprodukten regeln. Zudem sind solche Normen dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen, die die soziale Komponente der Marktwirtschaft sichern. Zur Sicherung der Existenz der sozialen Marktwirtschaft ist zunächst der Wettbewerb als solcher notwendig, sodass die den Wettbewerb schützende Norm des § 298 StGB als Wirtschaftsstraftat zu begreifen ist. Ohne die Koordinations- und Verteilungsfunktion des Wettbewerbs ist eine Marktwirtschaft undenkbar. Wettbewerb selbst ist aber nur möglich, wenn es ein allgemeingültiges Zahlungsmittel gibt, welches nicht durch Fälschungen und die mit dieser verbundenen unkontrollierten Ausgabe von Kopien beeinträchtigt werden kann. Damit sind auch die Geldfälschungsdelikte (hier: § 149 Abs. 1 StGB) dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen. Wichtig ist auch, dass dieser Geldmarkt und damit der Wirtschafts- und Finanzkreislauf nicht durch bemakelte Gelder beeinträchtigt oder verzerrt wird, sodass auch der Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) dem Schutz der Wirtschaftsordnung in ihrem Kern dient. Die einzelnen Institute, der Kapitalmarkt (§ 264a StGB) und der Kreditmarkt (§ 265b StGB), sind ebenfalls als Teilbereiche des Wirtschaftssystems und damit als Ausprägung der Wirtschaftsordnung geschützt. Ihre Verzerrung durch unwahre Angaben und damit auch eine Beeinträchtigung des gleichen Wettbewerbs muss verhindert werden.489 Die soziale Komponente der Marktwirtschaft wird durch verschiedene Systeme geschützt. Zum einen existiert mit dem Sozialversicherungssystem eine Risikoabsicherung für Arbeitnehmer, die bewirkt, dass der an dem Erfolg der Marktwirtschaft durch seine Arbeitskraft partizipierende Arbeitnehmer auch dann noch geschützt wird, wenn er aus diesem System ungewollt ausscheidet. Das Sozialversicherungssystem als Umverteilungssystem ist mit § 266a StGB als Ausprägung der Wirtschaftsordnung erfasst. Auch das Subventionssystem (§ 264 StGB) dient der Umverteilung von Vermögen und wirtschaftlichem Potential. Es werden so gesellschaftspolitisch gewollte Ziele gefördert, die ausschließlich unter ökonomischer Betrachtung wenig erfolgreich wären. Gleiches gilt für das Besteuerungssystem. Denn auch dieses dient der Umverteilung von Vermögen und der Sicherungen des sozialen Charakters der Marktwirtschaft. Auch das durch § 370 AO geschützte Interesse der Allgemeinheit an einem funktionierenden Besteuerungssystem ist damit dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen. Diese Systeme sind staatliche Eingriffe in das 489

Nöckel, Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, Rn. 65; Bottke, wistra 1991, 1, 7; vgl. auch Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 1 Rn. 10a; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 253; zu der Zuordnung einzelner Delikte zum Wirtschaftsstrafrecht vgl. den 1. Abschnitt des gleichen Teils, kritisch zum Schutz des Kreditmarkts als überindividuelles Rechtsgut, Schubarth, ZStW 92 (1980), 80, 91.

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1. Teil: Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht

marktwirtschaftliche Geschehen, die der Förderung gesellschaftspolitischer Zwecke dienen. Einschränkungen sind aber bezüglich einzelner Absätze der Delikte zu machen, so ist § 149 StGB nur insoweit erfasst, wie die Fälschung von Geld unter Strafe steht. §§ 264, 264a, 265, 298 StGB und 370 AO lassen sich insgesamt dem Wirtschaftsstrafrecht zuordnen. § 266a Abs. 3 StGB dient hingegen dem Schutzinteresse der Arbeitnehmer an der treuhänderischen Verwaltung von Teilen ihres Arbeitseinkommens, ist also nicht an dem Wirtschaftssystem orientiert, während die ersten beiden Absätze auch das Kollektivinteresse an der Sicherstellung des nationalen Sozialversicherungsaufkommens und damit den sozialen Aspekt der Marktwirtschaft schützen, also auch zum Wirtschaftsstrafrecht gehören. Mit Ausnahme dieser dargelegten Einschränkungen handelt es sich damit bei den benannten Delikten um solche des Wirtschaftsstrafrechts. Allesamt kennzeichnet, dass sie das Rechtsgut der sozialen Marktwirtschaft schützen, welches als kollektives Interesse über den einzelnen Institutionen des Marktes steht. Daneben wird häufig ein weiteres Rechtsgut in den Blick genommen, sodass oft ein doppelter Rechtsgüterschutz gegeben ist.

2. Teil

Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht Der zweite Teil der Arbeit widmet sich im Rahmen des bereits definierten Untersuchungsumfangs der tätigen Reue. Diese bei den konkreten Tatbeständen aufgenommenen Regelungen honorieren wiedergutmachendes Nachtatverhalten bezogen auf die konkrete Tat. Auch wenn der Gesetzgeber den Begriff der tätigen Reue in den amtlichen Überschriften zum StGB verwendet, gibt es keine Legaldefinition.1 Zwar hat die Wissenschaft vereinzelt Definitionen entwickelt, von denen jedoch keine Allgemeingültigkeit erlangte. In ihrem kleinsten gemeinsamen Nenner stellen diese darauf ab, dass es sich bei tätiger Reue um eine Sonderregelung handele, die bei der Abwendung bestimmter Tatfolgen nach Eintritt der Deliktsvollendung eine Privilegierung des Täters vorsieht.2 Diese Definition ist weit gefasst und erfasst sämtliches Verhalten nach der Deliktsvollendung.3 Über die Voraussetzungen oder Wirkungen der tätigen Reue sagt diese Beschreibung nichts aus. Dem Rechtsinstitut wird sich im folgenden Teil auf zweierlei Weise angenähert: Zum einen werden durch einen Vergleich der Delikte des Wirtschaftsstrafrechts, die bereits eine tätige Reue vorsehen, Anknüpfungspunkte für die Normierung einer solchen ermittelt. Zum anderen wird im Rahmen eines weiteren Vergleichs verschiedener Normen, die – wie tätige Reue auch – das Nachtatverhalten des Täters privilegieren, eine allgemeine Wirkweise privilegierenden Nachtatverhaltens entwickelt. Ziel des Teils ist eine Definition tätiger Reue. Erst im Anschluss daran kann dann in den letzten beiden Teilen die Frage beantwortet werden, ob bei den §§ 299, 299a und 299b StGB eine tätige Reue zu regeln ist.

1

Blöcker, Tätige Reue, S. 42. Brauns, Wiedergutmachung, S. 109; Blöcker, Tätige Reue, S. 42; Bottke, Methodik, S. 1 ff. 3 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 308. 2

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

1. Abschnitt

Vergleichskriterien Wie eingangs dargestellt, werden als kleinster gemeinsamer Nenner der Vorschriften mit tätiger Reue häufig eine frühe Vollendung4 sowie ihre Zughörigkeit zu Tätigkeits- und abstrakten Gefährdungsdelikten beschrieben.5 Daher sollen diese drei Vergleichskriterien genauer untersucht werden: Zunächst wird demnach der jeweilige Deliktstyp bestimmt. Dafür wird das Delikt erstens nach einer formalen Betrachtung den Erfolgs- oder Tätigkeitsdelikten zugeordnet. Zweitens wird anhand einer materiellen Betrachtung in Gefährdungs- und Verletzungsdelikt differenziert. Drittens und letztens wird herausgearbeitet, wann die Delikte versucht, vollendet und beendet sind. Sollten sich Gemeinsamkeiten hinsichtlich eines oder mehrerer untersuchter Kriterien ergeben, können diese als Anknüpfungspunkte einer tätigen Reue begriffen werden. Um Klarheit bezüglich der genannten Kriterien zu erreichen, werden diese vorab kurz abgegrenzt.

A. Erfolgs- und Tätigkeitsdelikt Der Einteilung in Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte liegt eine allein formale Betrachtung zu Grunde.6 Als Erfolgsdelikte werden Delikte qualifiziert, die außer der in dem Deliktstatbestand beschriebenen Handlung noch einen von dieser zeitlichkausal abgrenzbaren Erfolg mit Wirkung für die Außenwelt vorsehen.7 Dieser Erfolg kann sowohl in der Schädigung des Objekts liegen als auch nach ganz herrschender Auffassung in dessen konkreter Gefährdung.8 Kein nach außen wirkender Erfolg ist die abstrakte Gefährdung.9 Schlichte Tätigkeitsdelikte sehen im Gegensatz zu den Erfolgsdelikten keine strukturelle Gliederung in Handlung, Kausalität und Erfolgseintritt vor. Sie bestrafen 4

Vgl. hierzu Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 85 f.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 1098. Exemplarisch hier Rengier, AT § 39 Rn. 1 ff.; Jahn/Ebner, in: Festschrift von HeintschelHeinegg, S. 221, 224; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 1098. 6 Rönnau, JuS 2010, 961, 962; Hölzel, Tätigkeitsdelikte, S. 49. 7 Rönnau, JuS 2010, 961, 962; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 37; Rengier, AT § 10 Rn. 3; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 8. Eine eingehende Diskussion des Erfolgsbegriffs ist für die vorliegende Untersuchung entbehrlich, auf dessen dogmatische Leistungsfähigkeit kommt es hier nicht an. 8 Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 7, 11 – 14, 30; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 24 m. w. N.; anders wohl auch zunächst der BGH in: BGHSt 26, 176, 181, der dann aber in BGHSt 48, 119 davon spricht, dass es einen „tatbestandlichen Erfolg“ des § 315b StGB gebe und „Gefährdungshandlungen und Gefährdungserfolg in besonderer Weise kausal miteinander verbunden sein müssen“. 9 Rönnau, JuS 2010, 961, 962; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 20 ff., 28, 30; vgl. zum Ganzen auch Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 22 f., 108 f. m. w. N. 5

1. Abschn.: Vergleichskriterien

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allein die Vornahme einer Handlung, ohne dass ein über diese hinausgehender Erfolg verlangt wird.10 Beim Tätigkeitsdelikt bildet die Handlung selbst den tatbestandsmäßigen Schlusspunkt.11 Bereits mit der Vornahme der Handlung tritt Vollendung ein.12 Darüber hinaus gibt es sog. Kombinationsdelikte, die bezüglich bestimmter Rechtsgüter einen Erfolg verlangen, bezüglich anderer nur ein Tätigwerden. So erfordern etwa die Brandstiftungsdelikte hinsichtlich des Eigentums einen Verletzungserfolg, bei den übrigen geschützten Rechtsgütern genügt die schon in der Handlung der Brandstiftung selbst liegende abstrakte Gefährdung.13 Beide Deliktsarten, sowohl das Erfolgs- als auch das Tätigkeitsdelikt, weisen Handlungs- und Erfolgsunrecht auf. Das Erfolgsunrecht des Tätigkeitsdelikts ist aber im Vergleich zu dem des Erfolgsdelikts erheblich reduziert, da dieses eben gerade keinen Unrechtserfolg und damit keinen Rechtsgutsschaden oder eine Rechtsgutsgefährdung voraussetzt.14 Die tätige Reue soll sich gerade bei Tätigkeitsdelikten vermehrt finden.15

B. Gefährdungs- und Verletzungsdelikte Anders als die rein formale Abgrenzung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten bezieht sich die Einteilung in Gefährdungs- und Verletzungsdelikte auf die materielle Ebene. Entscheidend für die Unterteilung ist der Grad der Beeinträchtigung des Rechtsgutsobjekts16 und damit die Wirkung der Straftat für das jeweilige Rechtsgut.17 Differenziert wird danach, ob das Rechtsgut und das dieses im Tatbestand repräsentierende Rechtsgutsobjekt verletzt oder abstrakt bzw. konkret gefährdet wird.18 Das Rechtsgutsobjekt ist dabei zu unterscheiden von dem Handlungs- und An-

10 Rönnau, JuS 2010, 961, 962; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 39; Rengier, AT § 10 Rn. 7; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 13 ff. Rn. 130. Teilweise wird gegen diese Ansicht eingewandt, dass auch bei den Tätigkeitsdelikten ein Erfolgseintritt erforderlich sei, da auch bei diesen regelmäßig Außenwelterfolge eintreten, die auf die Tathandlung zurückzuführen seien. Damit sei auch bei dieser Form der Delikte von einem Erfolg zu sprechen, so etwa T. Walter, in: Festschrift Beulke, S. 327. 11 Maurach/Zipf, AT 1, § 20 Rn. 27. 12 Rengier, AT § 10 Rn. 7; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 39. 13 Vgl. hierzu Radtke, in: MüKo StGB, § 306 Rn. 8 ff. 14 Hohn, JuS 2008, 494, 495. 15 Zu den Unternehmensdelikten Creifelds, Rechtswörterbuch, Unternehmensdelikte; Rengier, AT § 39 Rn. 2; Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 186 ff. 16 Hölzel, Tätigkeitsdelikte, S. 49. 17 Rönnau, JuS 2010, 961, 962; Rengier, AT § 10 Rn. 8; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 36 ff. 18 Rönnau, JuS 2010, 961, 962.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

griffsobjekt im konkreten Fall.19 Denkbar ist dabei, dass Rechtsgut, Rechtsgutsobjekt und Angriffsobjekt zusammenfallen (etwa bei dem Vermögen im Sinne des § 263 StGB), Rechtsgut und Rechtsguts- bzw. Angriffsobjekt auseinanderfallen (etwa bei § 267 StGB: Rechtsgut ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden20, während Rechtsguts- und Angriffsobjekt die konkrete Urkunde ist) oder alle drei Kategorien auseinanderfallen: So wird durch den Tatbestand der Schweren Brandstiftung, § 306a StGB, das Rechtsgut Leben21 geschützt, welches durch das Rechtsgutsobjekt Mensch repräsentiert wird, und nicht identisch mit dem Angriffsobjekt Gebäude ist.22 Bei Verletzungsdelikten wird eine tatsächliche Schädigung des Rechtsgutsobjekts verlangt, während bei Gefährdungsdelikten der Eintritt einer solchen nicht erforderlich ist. Für diese genügt, wenn das Rechtsgutsobjekt aufgrund der vorgenommenen Handlung in die Gefahr einer Verletzung gebracht wird.23 Nach dem Ausmaß der Gefährdung wird zwischen abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten unterschieden. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten ist keine konkrete Gefahrensituation und damit keine tatsächliche Gefährdung des Rechtsguts erforderlich.24 Nach herrschender Meinung ergibt sich die Schutzbedürftigkeit aber daraus, dass bestimmte Verhaltensweisen erfahrungsgemäß für das benannte Rechtsgut gefährlich sind.25 Konkrete Gefährdungsdelikte zeichnen sich im Gegensatz hierzu dadurch aus, dass in Folge der Tathandlung eine Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutsobjekts kurz bevorstand und die Verletzung des Rechtsguts nur noch vom Zufall abhing.26 Maßgeblich für die Einordnung ist daher die Nähe der Handlung zum eigentlichen Rechtsgut. Dies bedeutet zugleich, dass die materielle Bestimmung als Verletzungs-, konkretes oder abstraktes Gefährdungsdelikt nicht zwangsweise deckungsgleich mit der formalen Einteilung in Erfolgs- oder Tätigkeitsdelikt sein muss.27 So ist es 19 Rönnau, JuS 2010, 961, 962. Nur bei einem Abstellen auf das Rechtsgut kann eine Abgrenzung der Deliktskategorien gelingen, vgl. hierzu Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 36 ff. 20 Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder StGB, § 267 Rn. 1 m. w. N. 21 Radtke, in: MüKo StGB, § 306a Rn. 1; Heine/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 306a Rn. 1; a. A. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 277 ff. 22 Rönnau, JuS 2010, 961, 962. 23 Rönnau, JuS 2010, 961, 962; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 24; Wessels/ Beulke/Satzger, Rn. 40 ff. 24 Rengier, AT § 10 Rn. 11; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 44. 25 Rengier, AT § 10 Rn. 11; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 40a f.; zum Ganzen vertiefend Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 107 ff., die auch zu Untergruppen der abstrakten Gefährdungsdelikte, Eignungs- und potentielle Gefährdungsdelikte, Stellung nimmt. Vergleiche eingehend zum Strafgrund der abstrakten Gefährdung den 3. Abschnitt im 2. Teil unter B. V. 1. a). 26 Rengier, AT § 10 Rn. 10; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 43; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 161 ff.; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 25 m. w. N. 27 Rönnau, JuS 2010, 961, 962.

1. Abschn.: Vergleichskriterien

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durchaus möglich, dass ein abstraktes Gefährdungsdelikt als Erfolgsdelikt ausgestaltet ist, wenn der Erfolg nicht rechtsgutsbezogen bestimmt wird.28 Nachfolgend wird daher neben der formalen Einordung die Vermutung überprüft, dass die tätige Reue dort als Ausgleich geregelt wird, wo der Gesetzgeber eine Strafbarkeit bereits im Stadium einer abstrakten Gefährdung geregelt hat.29

C. Versuch/Vollendung/Beendigung Mit einer frühen Vollendung, die charakteristisch für die Delikte sein soll,30 die eine tätige Reue kennen, können formal abstrakt zwei Folgen einhergehen. Diese ergeben sich aus dem zeitlichen Ablauf der vorsätzlichen Tat. Sie beginnt in der Regel mit der zunächst straflosen Vorbereitungsphase,31 geht dann mit dem Überschreiten der Schwelle des § 22 StGB in das gegebenenfalls strafbare Versuchsstadium über.32 Der Versuch mündet bei ununterbrochenem Geschehensverlauf schließlich in die Vollendung des Delikts, mit der alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Norm verwirklicht sind.33 Über die Vollendung hinaus besitzen einige Delikte eine Beendigungsphase.34 Erst mit der Beendigung ist das Tatgeschehen tatsächlich abgeschlossen und die weitere Rechtsgutsbeeinträchtigung ausgeschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die Beeinträchtigung des Rechtsguts auch nach Tatvollendung intensiviert werden.35 Da der Erfolgseintritt und auch der tatsächliche Abschluss des Tatgeschehens oftmals zusammenfallen, kommt der Beendigungsphase nur bei ausgewählten Delikten Bedeutung zu.36 Für die Normen, die eine tätige Reue vorsehen, könnte die Vorverlagerung der Vollendung nun formal zur Folge haben, dass zum einen das vorhergehende Versuchsstadium verkürzt ist, zum anderen könnte sich eine lange Beendigungsphase ergeben. Dies soll im Fol28

Rönnau, JuS 2010, 961, 962. Rengier, AT § 10 Rn. 14, § 39 Rn. 4; Wessels/Beulke/Satzger 1098. 30 Rengier, AT § 10 Rn. 14, § 39 Rn. 4; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 1098; Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 180. 31 Rengier, AT § 33 Rn. 7 f.; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 62. 32 BGHSt 3, 40, 43; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 22 Rn. 1; Rengier, AT § 33 Rn. 10; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 63. Durch die Rechtsprechung geprägt wurde die Formel, dass unmittelbar ansetzt, wer subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetzt, sodass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (BGHSt 26, 201, 203; 28, 162, 163; 36, 249, 250; BGH, NStZ 2014, 633). 33 BGHSt 3, 40, 43; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 22 Rn. 2; Rengier, AT § 33 Rn. 10; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 64. 34 Rengier, AT § 33 Rn. 13; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 65. 35 BGH, NJW 1985, 814. 36 Rengier, AT § 33 Rn. 13; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 65. Exemplarisch sind solche Delikte zu nennen, bei denen eine überschießende Innentendenz vorliegt, oder solche, bei dem die den Tatbestand vollendende Handlung und die tatsächliche Beeinträchtigung des Rechtsguts weit auseinander liegen (Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 22 Rn. 5 ff.). 29

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

genden geprüft werden. Von der vorliegenden formalen Frage nach Dauer des Versuchsstadiums und der Beendigungsphase getrennt zu betrachten ist diejenige, ob das formal als Vollendungstatbestand ausgestaltete Verhalten materielles Versuchsoder Vorbereitungsunrecht erfasst. Dem wird im dritten Abschnitt dieses Teils unter B. V. 2. nachgegangen, wenn das Unrecht der abstrakten Gefährdung analysiert wird. 2. Abschnitt

Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts mit Regelung einer tätigen Reue Für jedes der zuvor ermittelten Delikte des Wirtschaftsstrafrechts, welches über eine Regelung der tätigen Reue verfügt, soll die Deliktsart sowie der Zeitpunkt der Vollendung und Beendigung untersucht werden. Darüber hinaus wird festgestellt, ob die Normen einen strafbaren Versuch vorsehen. Aus den Ergebnissen wird dann ein Schluss auf eine vorhandene oder nicht vorhandene Systematik der Regelungen von tätiger Reue ermöglicht.

A. § 149 StGB I. Deliktsart Wie bereits erörtert, schützt § 149 StGB – die Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen – in der Variante der Geldfälschung auch das hiesige Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft.37 Erfasst werden Handlungen, die den Täter in die Lage versetzen, eine große Anzahl von Fälschungen in guter Qualität herzustellen.38 Die Tathandlungen sind dabei aber eindeutig im Vorbereitungsstadium des § 146 StGB angesiedelt, sodass ihre Begehung niemals den Versuch des späteren Fälschungsdelikts begründen kann.39 Bei § 149 StGB handelt es sich nach einhelliger Meinung damit um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.40 Da bereits durch die Vornahme der meisten im Tatbestand beschriebenen Handlungen die Strafbarkeit eintritt und kein darüber hinausgehender Außenwelterfolg erforderlich ist, handelt es sich bei dem Feilhalten, Verwahren oder Überlassen an einen anderen um Tätig-

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1. Teil, 2. Abschnitt, B. I. 2. a). Erb, in: MüKo StGB, § 149 Rn. 1; Hefendehl, JR 1996, 353, 357. 39 Erb, in: MüKo StGB, Vor § 149 Rn. 1. 40 Weidemann, in: BeckOK StGB, § 149 Rn. 3; Puppe/Schumann, in: NK StGB, § 149 Rn. 2; Fischer, § 149 Rn. 2; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder StGB, § 149 Rn. 1 ff. 38

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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keitsdelikte nach oben benannter Definition. Nur hinsichtlich des Herstellens und des Sich-Verschaffens bzw. des Dritt-Verschaffens wird ein Erfolg verlangt.41

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Der Versuch der Vorbereitung zur Geldfälschung ist nicht mit Strafe bedroht. Die Tat ist vollendet, wenn ein gebrauchsfertiger Gegenstand im Sinne von Nr. 1 oder 2 hergestellt, sich oder einem anderen verschafft, feilgehalten oder verwahrt oder einem anderen überlassen wurde.42 Unerheblich ist, ob der Täter sein Werk für gelungen hält.43 Zugleich mit der Vollendung der Tat tritt auch deren Beendigung ein, da die Vorbereitungsphase mit dem Herstellen, Verschaffen, Feilhalten, Verwahren oder Überlassen abgeschlossen ist. Es ergibt sich hier also keine Beendigungsphase.

B. § 261 StGB I. Deliktsart Bei der Einordnung der Deliktsart ist bei § 261 StGB nach den drei eigenständigen Tatbeständen, dem Verschleierungstatbestand (Abs. 1 Var. 1 und 2), dem Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand (Abs. 1 Var. 3 und 4) und dem Isolierungstatbestand (Abs. 2), zu differenzieren.44 Der Verschleierungstatbestand (Abs. 1 Var. 1 und 2) umfasst mit dem Verbergen und Verschleiern Verhaltensweisen mit manipulativer Tendenz,45 die das geschützte Rechtsgut, die Sicherung der essentialia der sozialen Marktwirtschaft, abstrakt gefährden.46 Es handelt sich damit bei den ersten beiden Varianten um abstrakte Gefährdungsdelikte.47 Sie sind als Tätigkeitsdelikte ausgestaltet, da sie keinen von der 41 Für das Herstellen wird gefordert, dass die Sache tatsächlich fertiggestellt wird, also verwendungsfähig ist (Erb, in: MüKo StGB, § 149 Rn. 10). Das sich oder einem anderen Verschaffen verlangt, dass der Täter alleine oder mit einem anderen die Verfügungsgewalt über die Sache erlangt (Puppe/Schumann, in: NK StGB, § 146 Rn. 20). 42 RGSt 55, 283, 284; 69, 305, 306; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder StGB, § 149 Rn. 9/10. 43 Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder StGB, § 149 Rn. 9/10. 44 Dies ist umstritten, teilweise werden auch nur zwei Tatbestände anerkannt, vgl. hierzu Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 15. 45 BVerfG, NJW 2015, 2949, 2953. 46 El-Ghazi, in: Herzog, GWG § 261 Rn. 7; Bülte, in: Criminal Compliance, § 29 Rn. 17. 47 Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 65; Müther, Jura 2001, 318, 323; str., vgl. Fischer, § 261 Rn. 35a; Arzt, JZ 1993, 913; für ein konkretes Gefährdungsdelikt sprechen sich Krack, Anm. zu BGH, JR 1999, 471, 474; Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, § 261 Rn. 14, aus. Diese Ansichten gehen dann auch bei den ersten beiden Varianten von einem Erfolgsdelikt aus, vgl. auch Krack, Anm. zu BGH, JR 1999, 471, 474.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Tathandlung unabhängigen Taterfolg fordern. Der Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand (Abs. 1 Var. 3 und 4) umfasst Verhaltensweisen, die den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf den inkriminierten Gegenstand behindern. Bezüglich des Vereitelns ist der Tatbestand als Erfolgs-48 und Verletzungsdelikt ausgestaltet.49 Der ebenfalls als Erfolgsdelikt einzuordnende50 Gefährdungstatbestand erfordert zwar lediglich den Eintritt eines konkreten Gefahrerfolgs,51die bloße Eignung, die Ermittlungen zu erschweren, genügt aber nicht.52 Der Isolierungstatbestand (Abs. 2) betrifft das Verschaffen, Verwahren oder Verwenden bemakelter Gegenstände. Diese Handlungen gefährden die Strafverfolgungstätigkeit sowie die Marktwirtschaft generell. Es handelt sich daher um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, welches als Tätigkeitsdelikt ausgestaltet ist.53 Damit ergibt sich bei der Geldwäsche kein einheitliches Bild. Es findet sich ein Verletzungs-, ein konkretes Gefährdungsdelikt sowie mehrere abstrakte Gefährdungsdelikte. Auch die Einordnung in Tätigkeits- und Erfolgsdelikte kann nicht einheitlich getroffen werden.

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Der Verschleierungstatbestand (Abs. 1 Var. 1 und 2) ist mit der Handlung des Täters vollendet und zugleich beendet. Der Vereitelungstatbestand (Abs. 1 Var. 3) ist vollendet, wenn die genannten Maßnahmen der Strafverfolgungsorgane nicht nur verzögert, sondern zumindest teilweise verhindert werden.54 Der Gefährdungstat48

BT-Drs. 12/989, 27; Fischer, § 261 Rn. 36; Eschelbach, in: Graf/Jäger/Wittig, § 261 Rn. 45; Schmidt/Krause, in: LK StGB, § 261 Rn. 17; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 15. 49 Bülte, in: Criminal Compliance, § 29 Rn. 18. 50 So wohl auch BGH, NJW 1999, 436. 51 BGH, NJW 1999, 436, 437; Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, § 261 Rn. 15. Dieser Gefährdungserfolg lässt sich allerdings erst im Nachhinein feststellen (BGH, NJW 1999, 436, 437; NStZ 2016, 538; OLG Hamm, wistra 2004, 73, 74; Goeckenjan, wistra 2008, 128, 134; Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, § 261 Rn. 15). Im Zeitpunkt der Tathandlung steht noch nicht fest, ob die Strafverfolgungsorgane den Gegenstand auffinden, seine Herkunft ermitteln oder den Verfall etc. anordnen werden und das Verhalten des Täters dies tatsächlich gefährdet. Damit gibt es anders als bei dem Regelfall des konkreten Gefährdungsdelikts kein bereits vorhandenes Gut, dass durch das Verhalten des Täters gefährdet wird, dieses muss erst von den Ermittlungsbehörden aufgefunden werden (Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 94). Für die Einordnung als konkretes Gefährdungsdelikt: BT-Drs. 12/989, 27; Schmidt/Krause, in: LK StGB, § 261 Rn. 17; Eschelbach, in: Graf/Jäger/Wittig, § 261 Rn. 45; Fischer, § 261 Rn. 36; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 15; a. A.: Müther, Jura 2001, 318, 323, der auch hier ein abstraktes Gefährdungsdelikt annehmen möchte. 52 Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 94. 53 BGH, NStZ-RR 2013, 253; BGH, wistra 2015, 18; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 72; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 111; Fischer, § 261 Rn. 37; El-Ghazi, in: Herzog, GWG § 261 Rn. 6. 54 Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 70.

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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bestand des Abs. 1 Alt. 4 ist vollendet, wenn das Auffinden der durch die Straftat erlangten Güter durch die Handlung des Täters konkret gefährdet ist.55 Der Vereitelungs- und der Gefährdungstatbestand (Abs. 1 Var. 3 und 4) sind mit dem Eintritt des Verleitungs- und Gefährdungserfolgs ebenfalls zugleich beendet. Der Isolierungstatbestand (Abs. 2) ist mit dem Verschaffen, Verwahren und Verwenden eines inkriminierten Gegenstands als Tätigkeitsdelikt vollendet und auch beendet.56 Zusammenfassend ergibt sich daher für die einzelnen Absätze und Varianten des Geldwäschetatbestandes faktisch keine Beendigungsphase. Für einen Versuch von Abs. 1 und 2 sieht der Gesetzgeber einen praktischen Anwendungsbereich, welcher mit Strafe bedroht ist.

C. § 264 StGB I. Deliktsart Der Subventionsbetrug verlangt tatbestandlich keinen Erfolg, die Vergabe oder die Bewilligung der Subvention sind nicht erforderlich. Vorausgesetzt werden nur Handlungen, die geeignet sind, zutreffende Entscheidungen bei der wirtschaftslenkenden Vergabe der Subvention zu verhindern und das Vermögen57 und damit abstrakt auch das staatliche Subventionswesen zu gefährden. Der Subventionsbetrug ist daher als abstraktes Gefährdungs-58 und Tätigkeitsdelikt59 zu begreifen.

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Bei der Frage der Vollendung ist nach den einzelnen Nummern zu unterscheiden. Vollendet ist Abs. 1 Nr. 1, der unrichtige oder unvollständige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen unter Strafe stellt, mit dem Zugang der unrichtigen Angaben beim Subventionsgeber.60 Nr. 4, das Gebrauchen der durch diese Angaben erlangten Bescheinigung, ist mit dem Zugänglichmachen der Bescheinigung voll-

55

Schmidt/Krause, in: LK StGB, § 261 Rn. 41. El-Ghazi, in: Herzog, GWG, 261 Rn. 5 f.; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 72. 57 Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 29. 58 OLG München, NStZ 2006, 630, 631; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 66; Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 27; Saliger, in: SSW-StGB § 265b Rn. 2; teilweise wird statt einem abstrakten ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt angenommen, vgl. hierzu Ranft, JuS 1986, 445, 449. 59 OLG München, NStZ 2006, 630; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 11. 60 Fischer, § 264 Rn. 38a; BGHSt 34, 265, 267 f.; BGH, NStZ 2010, 327, 392; BGH, NStZ 2007, 578, 579; Müller-Emmert/Maier, NJW 1976, 1657, 1660. 56

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

endet.61 Das Verwenden der Subvention entgegen der Verwendungsbeschränkungen (Abs. 1 Nr. 2), ist mit der erstmaligen beschränkungswidrigen Verwendung vollendet.62 Der Tatbestand des Unterlassungsdelikts von Abs. 1 Nr. 3, welcher vorliegt, wenn der Subventionsgeber entgegen den Rechtsvorschriften für die Subventionsvergabe über subventionserhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird, ist mit dem Untätigbleiben nach Entstehen der Mitteilungspflicht vollendet.63 In der Summe tritt daher die Vollendung des Subventionsbetrugs bereits mit Nicht-Erfüllung der Mitteilungspflicht oder mit der der Vornahme der Tathandlung ein. Praktischer Anwendungsbereich für einen Versuch bleibt daher ausschließlich bei dem Verwenden entgegen von Beschränkungen. Dieser ist daher auch nur für § 264 Abs. 1 Nr. 2 gemäß § 264 Abs. 4 StGB mit Strafe bedroht. Wann die Tat beendet ist, ist für alle Tathandlungen gleichermaßen umstritten. Teilweise wird für die Beendigung auf das Gewähren, Belassen der letzten Subventionsleistung oder das endgültige Versagen der Subvention abgestellt.64 Andere gehen davon aus, dass Beendigung und Vollendung zusammenfallen, da § 264 StGB keinen Schadenseintritt verlange.65 Dem ist nicht zuzustimmen. Zwar setzt der Tatbestand nicht den Eintritt des Vermögensschadens voraus, dennoch hat der Antragsteller sein eigentliches Ziel noch nicht erreicht, solange die Subvention nicht ausgezahlt wurde.66 Durch die Auszahlung wird im Weiteren das bereits geschaffene Unrecht noch vertieft. Für die Annahme einer Beendigung erst zu diesem Zeitpunkt spricht auch der Vergleich zwischen Abs. 5 und Abs. 1 Nr. 3, aus dem sich ergibt, dass die Handlungspflicht nach der Vollendung fortdauert.67 Zwischen der Vollendung und Beendigung des Delikts ist somit eine lange Beendigungsphase möglich.

61 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 114; Fischer, § 264 Rn. 38a; BGHSt 34, 265, 267 f.; BGH, NStZ 2010, 327, 392; BGH, NStZ 2007, 578, 579; Müller-Emmert/Maier, NJW 1976, 1657, 1660. 62 Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 66; Fischer, § 264 Rn. 38a. 63 Die benannte Mitteilungspflicht ergibt sich aus § 3 SubvG, bei dem Abs. 1 die unverzügliche, also ohne schuldhaftes Zögern stattfindende, Offenbarung und Abs. 2 die rechtzeitige Anzeige der Tatsachen verlangt. Damit ist keine sofortige Offenbarung erforderlich, dem Täter verbleibt nach Eintritt der Veränderung eine angemessene Zeit innerhalb der er den Tatbestand noch nicht erfüllt (BT-Drs. 7/5291, S. 9). 64 BGH, NStZ 2007, 578, 579; NStZ-RR 2008, 240; OLG Rostock, NZWiSt 2012, 387 m. Anm. Reimers, NZWiSt 2012, 389; Fischer, § 264 Rn. 38b. 65 OLG Köln, NJW 2000, 598, 600; OLG München, NStZ 2006, 630, 631; Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 238. 66 BGH, NStZ 2007, 578, 579. 67 Fischer, § 264 Rn. 38b; gegen diese Ansicht Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 333, die diese Begründung für dogmatisch wenig überzeugend halten.

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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D. § 264a StGB I. Deliktsart Beim Kapitalanlagebetrug ist die Einordnung der Deliktsart umstritten. Nach allgemeiner Ansicht handelt es sich bei § 264a StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.68 Vereinzelte Stimmen wollen im Gegensatz dazu die Vorschrift als Verletzungsdelikt verstehen, da die Informationseffizienz durch die fehlerhaften Angaben in Prospekten beeinträchtigt werde.69 Dies lässt unberücksichtigt, dass die Störung der Informationspflicht des Kapitalmarkts kein Tatbestandsmerkmal des § 264a StGB ist. Auch im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut kann die Annahme nicht überzeugen.70 Vielmehr sprechen die besseren Argumente für eine Einordung als abstraktes Gefährdungsdelikt. Allein unrichtige vorteilhafte Angaben oder das Verschweigen nachteiliger Tatsachen reichen für die Tatbestandsverwirklichung aus. Auf Seiten des Anlageopfers wird weder ein Irrtum noch eine Vermögensverfügung oder ein Vermögensschaden verlangt. Eine Verletzung oder konkrete Gefährdung des Kapitalmarkts wird damit nicht vorausgesetzt.71 Da das abstrakte Gefährdungsdelikt durch die Tathandlung verwirklicht wird, ist der Kapitalanlagebetrug als Tätigkeitsdelikt zu verstehen.72

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Tatbestandlich vorausgesetzt werden unrichtige oder unvollständige Angaben in Prospekten, Darstellungen oder Übersichten gegenüber einem größeren Kreis von Personen. Der Tatbestand ist vollendet, sobald die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch einen solchen größeren Personenkreis eröffnet wird,73 das Tatmittel also dem potenziellen Anleger zumindest zugegangen ist.74 Ob dieser die Angabe zur Kenntnis genommen hat oder nicht, ist für die Vollendung unbeachtlich.75 Die damit früh 68 BGH, NJW 1992, 241,243; OLG Köln, NJW 2000, 598, 599; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 3; Achenbach, NJW 1986, 1835, 1839; Cerny, MDR 1987, 271, 272; Knauth, NJW 1987, 28; Weber, NStZ 1986, 481, 485; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 11; Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 332. 69 Tiedemann/Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 28. 70 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 11. 71 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 3; teilweise wird das Delikt als Kumulationsdelikt eingestuft, so Wohlers/Mühlbauer, in: MüKo2 StGB, § 264a Rn. 12. 72 Tiedemann/Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 28. 73 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 73; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 84; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 37; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB § 264a Rn. 17; Tiedemann/Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 84. 74 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 73; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 84; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 37. 75 Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 37.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

eintretende Vollendung macht die Versuchsstrafbarkeit entbehrlich. Der Versuch ist nicht mit Strafe bedroht. Die Beendigung tritt erst mit der Erbringung der vereinbarten Leistung durch den Anleger ein.76 Teilweise wird für eine mit der Vollendung gleichzeitig eintretende Beendigung plädiert.77 Argumentiert wird auch hier damit, dass der Tatbestand weder einen Irrtum noch einen Vermögensschaden voraussetze und es deshalb nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme, der Anlageentscheidung oder gar der Zahlung ankommen könne.78 Dem ist allerdings zu widersprechen. Voraussetzung für die Beendigung ist nämlich, dass die Leistung in die Verfügungsgewalt des Täters gelangt ist; woran es zum Vollendungszeitpunkt fehlt.79 Erst in dem Moment der Erbringung der Leistung durch den Anleger ist eine Steigerung des Unrechts nicht mehr möglich, sodass erst ab diesem Zeitpunkt von der Beendigung der Tat gesprochen werden kann. Somit ist auch hier eine ausgedehnte Beendigungsphase möglich.

E. § 265b StGB I. Deliktsart Nach überwiegender Ansicht handelt es sich beim Kreditbetrug um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.80 Hoyer möchte in Abweichung dazu ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt annehmen. Der Tatbestand stelle seiner Auffassung nach zum einen auf die abstrakte Entscheidungserheblichkeit der Angaben ab und setzte zum anderen aber voraus, dass sich im Einzelfall daraus eine konkrete Gefahr eines Vermögensschadens ergeben habe, bzw. vom Antragssteller nicht ausgeschlossen wurde.81 Dies trägt nicht. Eine konkrete Vermögensgefährdung wird tatbestandlich gerade nicht verlangt. Die Formulierung des § 265b StGB erfordert vielmehr nur

76

Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 73. Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 84; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 17; OLG Köln, NJW 2000, 598, 600; für die Beendigung mit Vornahme der tatbestandlichen Handlung OLG München, NStZ 2006, 630, 631; Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 334. Begründet wird dies damit, dass das Subventionsverfahren regelmäßig lange andauere und damit eine extrem lange Verjährungszeit der Delikte bestehen würde, welche bezogen auf das Bestimmtheitsgebot problematisch sei. Zudem verlange der Tatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht den Eintritt eines Erfolges, weshalb dies auch nicht zu dessen Beendigung erforderlich sein könne. 78 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 101; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 17. 79 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 73. 80 BGHSt 36, 130, 131; BGH, NStZ 2015, 342; Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 10; Heger, in: Lackner/Kühl, § 265b Rn. 1; Saliger, in: SSW-StGB, § 265b Rn. 2; Lampe, Kreditbetrug, S. 41 ff.; vgl. auch Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 13. 81 Hoyer, in: SK StGB § 265b Rn. 10. 77

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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generell, dass die Angaben für den Kreditnehmer vorteilhaft sein müssen.82 Weder das Rechtsgut des Kreditwesens als Ausprägung des Marktwirtschaftssystems noch das Individualvermögen müssen durch das Handeln des Täters konkret gefährdet werden.83 Das abstrakte Gefährdungsdelikt wird durch das bloße Tätigwerden verwirklicht, sodass ein Tätigkeitsdelikt vorliegt.

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Der Versuch des Kreditbetruges ist nicht strafbar. Er ist allerdings auch mit dem Zugang der unrichtigen Unterlagen bzw. Angaben beim Kreditgeber bereits vollendet. Zu einer Irrtumserregung braucht es nicht gekommen zu sein, auch die Kreditgewährung ist nicht erforderlich.84 Die Beendigung der Tat tritt mit der Erbringung der beantragten Leistung ein,85 da erst mit der Auszahlung das Vermögen unwiederbringlich beeinträchtigt wurde.86 Der Zeitpunkt der Leistungserbringung bestimmt sich nach den zivilrechtlichen Gegebenheiten des jeweiligen Kreditgeschäfts.87 So ist die Tat bei Gelddarlehen, dem entgeltlichen Erwerb von Forderungen, mit der Auszahlung oder Überweisung des Betrags beendet.88

F. § 266a StGB I. Deliktsart Vielfach wird das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 und 2 StGB als Erfolgsdelikt betrachtet.89 Hierfür spricht bei Absatz 1, dass bereits sprachlich durch das Wort „vorenthalten“ ein Erfolg vorausgesetzt wird.90 Bei Absatz 2 ergibt sich die Einordnung als Erfolgsdelikt aus der Normstruktur des 82

Ceffinato, in: MüKo StGB § 265b Rn. 3. So ähnlich auch Heger, in: Lackner/Kühl, § 265b Rn. 1. 84 Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 49; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 265b StGB Rn. 26; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 87. 85 BGH, wistra 2010, 219; Hellman, in: NK StGB, § 265b Rn. 65; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 104. 86 BGH, wistra 2010, 219; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 49; Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 65; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 104. 87 Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 65; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 105. 88 BGHSt 6, 116 f.; Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 65; Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 105. 89 Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 3; Wiedner, in: Graf/Jäger/Wittig, § 266a Rn. 2, 30, 35; Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323 f.; Bittmann, wistra 1999, 441, 450; Hoyer, in: SK StGB, § 266a Rn. 14; zweifelnd dagegen Dehne-Niemann, GA 2009, 150, 167, der ein reines Untätigkeitsdelikt sieht. 90 Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323. 83

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Tatbestandes.91 Die Kausalitätsbeziehung, die mit der Anforderung „dadurch“ tatbestandlich verankert wurde, ist spezifisch für Erfolgsdelikte.92 Dem stimmt die Rechtsprechung allerdings nur für § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB zu.93 Für § 266a Abs.1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB nimmt sie ein echtes Unterlassungsdelikt94 und damit ein Untätigkeitsdelikt an.95 Dem ist nicht zuzustimmen: die besseren Argumente sprechen für die Annahme eines Erfolgsdelikts. Ein Vorenthalten ist nach allgemeinem Verständnis erst gegeben, wenn der vorenthaltene Gegenstand die Person nicht erreicht. Es ist also ein Vorenthaltungserfolg vonnöten.96 Für die Einordnung als Erfolgsdelikt spricht bei Absatz 2 auch die strukturelle Vergleichbarkeit zur Steuerhinterziehung97 und die hohe Strafandrohung, die nur bei der Verwirklichung von Erfolgsunrecht gerechtfertigt ist.98 Bezogen auf die vorab festgestellten Rechtsgüter kann § 266a StGB nur als abstraktes Gefährdungsdelikt99 begriffen werden. Durch das Vorenthalten der Beiträge in einzelnen Fällen wird weder das Sozialversicherungssystem noch der Wettbewerb konkret gefährdet noch werden sie verletzt. Erst die mehrfache Wiederholung führt zu einer konkreten Gefährdung.

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Das versuchte Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist straflos. Bei der Vollendung ist zwischen den einzelnen Absätzen zu differenzieren. In den Fällen der Absätze 1 und 2100 tritt Vollendung ein, wenn die Beiträge zur Sozialversicherung 91

Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323. Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323. 93 BGH, NStZ 2012, 510; BGH, NJW 2020, 3469; NStZ 2020, 159. 94 BGHSt 47, 318, 320; OLG Celle, NStZ 1998, 303 f.; Fischer, § 266a Rn. 14. 95 Der BGH trifft die Einordnung stets mit einer erfolgsbezogenen Betrachtung, sodass mit dem Unterlassungsdelikt die Einordnung als Tätigkeitsdelikt einhergeht, vgl. hierzu Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 78 ff. 96 Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323. 97 Vgl. zur bewussten gesetzgeberischen Annäherung BT-Drs. 15/2573, S. 28; BRDrs. 155/04, S. 75. 98 Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323. 99 Vgl. Rönnau, NJW 2004, 976, 980, der ein erfolgsgelöstes abstraktes Unterlassungsgefährdungsdelikt annimmt. Dem ist unter Beachtung der obigen Argumente nur hinsichtlich der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt zuzustimmen. A. A. Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 142, die ein Verletzungsdelikt annimmt, da das Vermögen des Arbeitnehmers geschädigt werde. 100 Absatz 3 wurde in der vorherigen Betrachtung wegen des durch diesen geschützten Rechtsguts, dem Interesse der Arbeitnehmer an der treuhändischen Verwaltung ihres Vermögens bereits aus den Wirtschaftsstraftaten ausgeklammert. Der Vollständigkeit wegen soll deshalb nur kurz festgestellt werden, dass bei Absatz 3, dem Einbehalten sonstiger Teile des Arbeitsentgelts und der Nichtzahlung an Dritte trotz entsprechender Verpflichtung, Vollendung 92

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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und Arbeitsförderung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht an die zuständige Einzugsstelle abgeführt worden sind.101 Umstritten ist die Frage der Beendigung. Bei Absatz 2 Nr. 1 StGB, dem Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben, tritt die Beendigung mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes ein.102 Bei der zweiten Alternative des Absatzes 2 (In-Unkenntnis-Lassen der für den Einzug zuständigen Stelle) und dem ersten Absatz (Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge) soll die Beendigung erst vorliegen, sobald die Pflicht zum Handeln, also zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge, endgültig entfällt.103 Die Beitragsabführungspflicht erlischt allerdings erst dreißig Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Die Delikte wären unter Zugrundelegung dieser Ansicht auch erst mit Ablauf dieser Frist beendet.104 Diese obergerichtliche Rechtsprechung wurde zu Recht aufgegeben,105 verlangt wird nunmehr, dass Vollendung und Beendigung zusammen eintreten müssen.106 Durch weiteres Zuwarten bis zum Erlöschen der Beitragspflicht kann das Unrecht nicht mehr vertieft werden.107 Der Unrechtskern des Tatbestandes besteht im Vorenthalten der Beiträge zur Sozialversicherung, welches mit Vollendung vorliegt.108 Das Weiterlaufen einer Pflicht steht der Annahme einer früheren Tatbeendigung auch nicht entgegen, wie die Steuerhinterziehung zeigt. Auch der staatliche Steueranspruch besteht nach dem Beendigungszeitpunkt fort.109 Eine frühere Beendigung der Tat beseitigt damit viel eher bestehende Friktionen zu einer oftmals gleichzeitig vorliegenden Verwirklieintritt, wenn die Unterrichtung des Arbeitnehmers nicht bei Fälligkeit oder unverzüglich danach erfolgt ist (Wittig, in: BeckOK StGB § 266a Rn. 33; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 19; Radtke, in: MüKo StGB § 266a Rn. 115). Die Beendigung der Tat tritt ein, sobald die Pflicht zum Handeln, also zur Unterrichtung in Abs. 3, endgültig entfällt. Bei Abs. 3 ist dies mit dem Erlöschen der Mitteilungspflicht der Fall (Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 31; Radtke, in: MüKo StGB § 266a Rn. 116). 101 BGH, NStZ 1990, 588; wistra 2010, 408, 409; NZWiSt 2013, 64. 102 BGH, BeckRS 2019, 34412; Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 86. 103 BGH, NStZ 2012, 510; BGHSt 28, 371, 380; etwa durch Verjährung oder Wegfall des Beitragsschuldners, vgl. OLG Jena, NStZ-RR 2006, 170; Fischer, § 266a Rn. 18a; Saliger, in: SSW-StGB § 266a Rn. 30; krit. Merz, NStZ-RR 2013, 297. 104 BGH, NZWiSt 2013, 64 m. Anm. Hüls, ZWH 2012, 233; wistra 2010, 408, 409; OLG Dresden, NStZ 2011, 163; OLG Düsseldorf, MDR 1985, 342; OLG Thüringen, NStZ-RR 2006, 170; s. auch Hüls/Reichling, StraFo 2011, 305, 307; Bachmann, in: Festschrift Samson, S. 233, 238. 105 BGH, NStZ 2020, 159; zuvor: Anfragebeschluss des 1. Strafsenats, BGH, NStZ 2020, 15; Anschluss des 5. Strafsenat (NZWiSt 2020, 288), 3. Strafsenats (BGH, BeckRS 2020, 3029), des 4. Strafsenats (BGH, BeckRS 2020, 17188) und des 2. Strafsenats (BeckRS 2020, 19829). 106 Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 342; Bachmann, in: Festschrift Samson, S. 233, 238; Krug/Skoupil, wistra 2016, 137 ff.; Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 165 ff.; BGH, NStZ 2020, 159. 107 BGH, NStZ 2020, 159. 108 Krug/Skoupil, wistra 2016, 137, 138. 109 BGH, NStZ 2020, 159.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

chung des § 370 AO.110 Sie befindet sich im Einklang mit der Deliktsnatur111 und entspricht der Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts.112 Insofern ist für die Beendigung einheitlich auf das Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes abzustellen.

G. § 298 StGB I. Deliktsart Bei § 298 StGB herrscht in der Frage nach der Deliktsart weitestgehend Einigkeit. Gemeinhin wird der Tatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt zulasten des Wettbewerbs gesehen.113 Durch die rechtswidrige Absprache werde das Ausschreibungsverfahren tangiert und damit der Wettbewerb abstrakt gefährdet.114 Vereinzelt wird bezweifelt, dass der Wettbewerb verletzt werden könne.115 Vielmehr werde durch die wettbewerbsbeschränkende Absprache der konkrete Wettbewerbsbzw. Preisbildungsvorgang beeinträchtigt. Es sei daher von einem Verletzungsdelikt auszugehen,116 in dem Zugang des Angebots liege der erforderliche Erfolg des Delikts.117 Dies überzeugt insbesondere unter Berücksichtigung der oben angestellten Rechtsgutsbetrachtung nicht. Bei einer Gesamtbetrachtung kann nicht der einzelne Vorgang der Wettbewerbs- und Preisbildung als geschütztes Rechtsgut angesehen werden. Dieser ist viel eher als das konkretisierte Angriffsobjekt zu verstehen, hinter dem das Rechtsgut Wettbewerb steht. Die Annahme, dass eine Verletzung nicht möglich sei, verkennt die Konzeption des Delikts. Zwar ist die 110 BGH, NStZ 2020, 159; Krug/Skoupil, wistra 2016, 137, 141; Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 188 f. 111 Loose, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 154. Der BGH begründet dies für § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB aufgrund der von ihm angenommenen Deliktsart und Rechtsgutskonzeption naturgemäß anders und nimmt darauf Bezug, dass die Rechtsgutsverletzung durch die Nichtzahlung bei Fälligkeit durch weiteres Untätigbleiben nicht weiter vertieft werde (BGH, NStZ 2020, 159, 160 f.). 112 Hüls/Reichling, StraFo 2011, 305, 308. 113 Fischer, § 298 Rn. 3; Hohmann, NStZ 2001, 566, 571; König, JR 1997, 397, 402; Wolters, JuS 1998, 1100, 1102; der Regierungsentwurf sprach lediglich von einem Gefährdungsdelikt, BT-Drs. 13/5584, S. 13 f. 114 Rotsch, ZIS 2014, 579, 582. 115 Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 9. 116 Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 9; so wohl auch BGHSt 49, 201, 209 und Walter, GA 2001, 131, 140, indem dort von einem „verfahrensgebundenen Delikt“ gesprochen wird. Hohmann, in: MüKo StGB § 298 Rn. 6 ff. möchte auch ein Verletzungsdelikt annehmen, er sieht als verletztes Gut allerdings das bestätigte Vertrauen des Einzelnen in die Funktionsfähigkeit des freien und fairen Wettbewerbs. Auch dies ist mit der hier vertretenen Rechtsgutskonzeption nicht zu vereinbaren. Gegen das Rechtsgut Vertrauen gibt es vielfältige Einwände (vgl. im 1. Teil, 1. Abschnitt unter D. II. 1.). Demnach kann auch eine Kategorisierung, die gerade auf diesem Rechtsgut aufbaut, nicht überzeugen. 117 Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 6 ff.; Walter, GA 2001, 131, 134; ebenso Böse, in: Graf/Jäger/Wittig, § 298 Rn. 2.

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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einzelne Tat nicht geeignet, das kollektive Rechtsgut zu verletzen. Jedoch können unzählige Wiederholungen diese Verletzung herbeiführen.118 Weder ein Verletzungserfolg noch ein konkret gefährlicher Zustand werden damit tatbestandlich vorausgesetzt,119 sodass § 298 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt zu begreifen ist. Auch die Struktur des Delikts spricht für ein abstraktes Gefährdungsdelikt.120 Im Einklang mit der Qualifizierung als abstraktes Gefährdungsdelikt wird überwiegend ein Tätigkeitsdelikt angenommen und ein besonderer Aktunwert bejaht.121

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Der Tatbestand des § 298 StGB setzt voraus, dass bei einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen ein Angebot abgegeben wird, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht. Mit der vollständigen Abgabe des Angebots ist die Tat vollendet. Dies ist der Fall, wenn der Zugang beim Veranstalter dergestalt vorliegt, dass das Angebot bei ordnungsgemäßem Ablauf im Ausschreibungsverfahren berücksichtigt werden kann.122 Der Versuch der Tat ist nicht mit Strafe bedroht. Umstritten ist, wann das Delikt beendet ist. Teilweise wird angenommen, dass die Tat zugleich mit der Abgabe des Angebots beendet ist, weil der Tatbestand die Annahme des Angebots und die Erbringung von Leistungen durch den Veranstalter nicht voraussetze.123 Durch eine solche zeitlich frühe Annahme der Beendigung wird allerdings der Raum für eine sukzessive Beteiligung erheblich beschnitten.124 Eine vermittelnde Ansicht nimmt die Beendigung daher an, wenn der Zuschlag erteilt wird.125 Erst mit diesem könne keine weitere Beeinträchtigung durch Handlungen des Täters erfolgen.126 Nach zutreffender überwiegender Ansicht soll die Beendi118

Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 18. BGH, NStZ 2003, 549. 120 Rotsch, ZIS 2014, 579, 582, der zwar zwischen der Deliktsart hinsichtlich des Wettbewerbsschutzes und des Vermögens differenziert, letztlich aber für beide ein abstraktes Gefährdungsdelikt annimmt. 121 Fischer, § 298 Rn. 3; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 298 Rn. 2; Momsen/ Laudien, in: BeckOK StGB, § 298 Rn. 17; a. A.: Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 9 ff.; Walter, GA 2001, 131, 134; ebenfalls zweifelnd Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 10. 122 Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 94; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 298 Rn. 27; Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 100. 123 Hohmann, in: MüKo StGB, § 298 Rn. 94; Heger, in: Lackner/Kühl, § 298 Rn. 7. 124 Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 110. 125 Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 57; Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 110; Böse, in: Graf/Jäger/Wittig, § 298 Rn. 33; dieser Ansicht wird vorgehalten, sie verkenne, dass es sich bei dem § 298 StGB um ein Erfolgsdelikt handele und dieser bereits mit dem vollständigen Abschluss der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung eintritt (Hohmann, in: MüKo StGB § 298 Rn. 97). Dieser Kritik kann allerdings nicht zugestimmt werden, da die Annahme, es handele sich um ein Erfolgsdelikt, bereits zuvor abgelehnt wurde. 126 Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 110; Tiedemann, in: LK StGB, § 298 Rn. 57; Böse, in: Graf/Jäger/Wittig, § 298 Rn. 33. 119

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gung erst mit der letzten Leistung des Auftraggebers eintreten.127 Diese Auffassung stimmt mit der Struktur des Tatbestandes überein. Hierfür spricht zudem die Parallelität zu §§ 263 und 264 StGB.128 Eine andere Auslegung wäre auch im Hinblick auf die Regelung einer tätigen Reue in Abs. 3, die die Verhinderung der Leistung fordert, zu hinterfragen.129 Würde man den Zugang des Angebots oder den Zuschlag als relevant für die Beendigung erachten, wäre eine tätige Reue noch bis zu einem weit nach der Tatbeendigung liegenden Zeitpunkt möglich.130

H. § 370 AO I. Deliktsart Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO kann durch unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber den zuständigen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Bezug auf ein konkretes Steuerschuldverhältnis oder durch das pflichtwidrige In-Unkenntnis-Lassen der Finanzbehörden über derartige Tatsachen sowie das pflichtwidrige Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstempeln verwirklicht werden, wenn dadurch Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile für sich oder einen anderen erlangt werden. § 370 AO ist in jeder dieser Varianten nach überwiegender Ansicht ein Erfolgsdelikt,131 da jeweils einer der beiden tatbestandsmäßigen Erfolge, Steuerverkürzung oder Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils, eintreten muss.132 Trotz dieser Einordnung als Erfolgsdelikt ist die Steuerhinterziehung nach herrschender Ansicht ein abstraktes Gefährdungsdelikt.133 Die Gefährdung bestehe im Besteuerungsverfahren kraft gesetzlicher Definition dann, wenn die Steuerfestsetzung nicht rechtzeitig oder nicht in voller Höhe erfolge, unabhängig von einer eintretenden Verletzung des Rechtsguts (vgl. § 370 Abs. 4 S. 3 AO). Die Gegenansicht nimmt ein Verletzungsdelikt an. Begründet wird dies unter Bezugnahme des Vermögens,134 welches notwendig verletzt werden müsse, und mit der Vergleich127

Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 298 Rn. 27; Fischer, § 298 Rn. 15b; König, JR 1997, 397, 402; Gruhl, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 58 Rn. 17. 128 Fischer, § 298 Rn. 15b. 129 Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 298 Rn. 27; Fischer, § 298 Rn. 15b. 130 Fischer, § 298 Rn. 15b. 131 BGHSt 53, 99, 106; OLG München, wistra 2002, 34, 35; Rolletschke, in: Graf/Jäger/ Wittig, § 370 AO Rn. 7; Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 11; Joecks, in: Joecks/ Jäger/Randt, § 370 Rn. 27; Schott, in: HK Steuerrecht, § 370 Rn. 148. 132 Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 11. 133 Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 27; Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 12; so wohl auch BGH, wistra 2013, 199, 201; Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 370 AO Rn. 8. 134 Hellmann, in: DStJG 2015, 53, 67.

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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barkeit zum Betrug.135 Diese Annahme passt aber bereits mit Blick auf die vorliegend angenommene Rechtsgutskonzeption nicht. Darüber hinaus steht eine solche Annahme im Widerspruch zu dem in Absatz 4 normierten Kompensationsverbot. Nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO kommt eine Steuerhinterziehung auch in Betracht, wenn der Steuerpflichtige bei korrekter Steuererklärung eine Steuererstattung erhalten hätte und damit keine konkrete Gefährdung des steuerlichen Ertrags eingetreten wäre.136 In Fällen, in denen die Steuerfestsetzung zwar nicht ihrer Art nach, sondern im Ergebnis richtig ist, kann keine weitere konkrete Gefährdung oder Verletzung des Vermögens eintreten.137 Die Annahme eines Verletzungsdelikts ist daher bereits unter Zugrundelegung des Rechtsguts Vermögen verfehlt. Dies gilt auch, weil in Fällen, in denen der Täter gar kein wirtschaftliches Vermögen hat, der Anspruch von vorneherein wertlos ist.138 Die Annahme eines Verletzungsdelikts verwechselt daher das Angriffsund Tatobjekt.139 Rechtsgut des Tatbestandes ist, wie festgestellt, der materielle Steueranspruch und das Besteuerungssystem. In Hinblick auf diese beiden Rechtsgüter kann es sich nur um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handeln.

II. Versuch/Vollendung/Beendigung Bei der Steuerhinterziehung ist bezüglich der Vollendung und Beendigung zwischen den einzelnen Steuerarten, Veranlagungssteuern und Anmeldesteuern, zu differenzieren. Zudem beschreibt § 370 AO zwei verschiedene Erfolge, die Steuerverkürzung und das Erlangen von Steuervorteilen. Die Steuerverkürzung soll vorliegen, wenn die Ist-Festsetzung hinter der Soll-Festsetzung zurückbleibt.140 Steuervorteile sind nach überwiegender Ansicht gemäß § 370 Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 AO erlangt, soweit sie gewährt oder belassen werden.141 Dies soll allerdings bereits dann der Fall sein, wenn der Steuerbescheid bekannt gegeben wurde, nicht erst mit

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Gaede, Steuerbetrug S. 521 ff. Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 11; Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 27. Dem wird zwar entgegengehalten, dass der Gesetzgeber mit der Normierung von Absatz 4 nur ausdrücken wollte, dass eine Gefährdung auch als Schaden eingeordnet werden könne wie etwa bei der Vermögensgefährdung bei § 263 StGB, vgl. Beckemper, NStZ 2002, 518, 520; ausdrücklich dagegen BGH, NZWiSt 2014, 157, 159: Auch Peters will grundsätzlich ein Verletzungsdelikt annehmen, da stets ein Steuerschaden eintrete, Peters, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 370 AO Rn. 36. 137 Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 11. 138 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 370 AO Rn. 9 f. 139 Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 27; Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 12. 140 Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 Rn. 80. 141 Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 146. 136

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dem Zufluss des Vorteils.142 Die wirksame Verfügung der Finanzbehörde ist Grundlage für den tatsächlichen Eintritt des Vorteils, ebenso wie die Festsetzung der Steuer die Grundlage für deren Vollstreckung ist.143 Für eine solche Sichtweise spricht zudem die schwierige Abgrenzung zwischen beiden Erfolgen.144 Bei Veranlagungssteuern, also solchen Steuern, die durch das Finanzamt festgesetzt werden, wie etwa der Erbschaftssteuer oder der Gewerbesteuer, soll die Bekanntgabe eines unzutreffenden Festsetzungsbescheids für die Vollendung maßgeblich sein. Bereits dann bestehe eine konkrete Gefahr für das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut.145 Dabei kann nach überwiegender Ansicht für die Bestimmung des Bekanntgabezeitpunkts auf die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden.146 Ein Versuch liegt vor, wenn die eingereichte Steuererklärung unrichtige oder unvollständige Angaben enthält.147 Bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist für die Vollendung maßgeblich, wann der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre; dies ist erst mit dem allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten der Fall.148 Bei der Erbschaftssteuer oder der Schenkungssteuer, bei denen kein Veranlagungszeitraum besteht, wird die Vollendung vier Monate nach dem Anfall der Steuer angenommen.149 Bis zu diesem Zeitpunkt ist auch bei unbekannten Steuerpflichtigen mit der Möglichkeit eines Schätzungsbescheides zu rechnen. 142 Peters, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 370 AO Rn. 304 ff.; a. A.: Joecks, in: Joecks/ Jäger/Randt, § 370 Rn. 15; Jäger, in: Klein, AO § 376 Rn. 24; Rolletschke, in: Anm. zu BGH, NZWiSt 2013, 358. 143 Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 146; anders aber BGH, wistra 1983, 70; BGH, NZWiSt 2013, 358. 144 Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 146. 145 RGSt 60, 309; 76, 334; BGHSt 7, 336, 348; Hadamitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, § 370 AO Rn. 73; Jäger, in: Klein, AO § 370 Rn. 90. 146 Jäger, in: Klein, AO § 370 Rn. 90; Schott, in: HK Steuerrecht, § 370 Rn. 181; zum Streitstand vgl. Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB § 370 Rn. 93. 147 Hadamitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, § 370 AO Rn. 73. 148 BGH, MDR 1977, 600; BGH, NStZ-RR 1999, 218; NJW 1991, 2844, 2846; BGH, wistra 2002, 64; Jäger, in: Klein, AO § 370 Rn. 92a; krit. Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 543 ff. m. w. N. In einer Entscheidung aus 2011 war der BGH von einer Bearbeitungsdauer von längstens einem Jahr ausgegangen (BGH, wistra 2012, 484). Teilweise wird für die Bestimmung des Zeitpunkts zwar verlangt, dass der Steuerpflichtige so zu stellen sei, als ob er der Erste gewesen wäre, der veranlagt worden sei (vgl. OLG Hamm, wistra 2001, 474). Damit käme eine frühe Vollendung und Beendigung der Tat in Betracht. Diese hypothetische Betrachtung kann allerdings nicht überzeugen. Bei einem Abstellen auf das allgemeine Ende der Veranlagungsarbeiten gibt es keine Zweifel bezüglich des tatsächlichen Zeitpunkts, während diese alternative Betrachtung zu Unsicherheiten führt. Um einen Referenzzeitraum zu erhalten, müsste festgestellt werden, wann der erste Steuerpflichtige veranlagt wurde. Dies kann im Nachhinein schwer bestimmt werden. Aus diesem Grund ist der Abschluss der Veranlagungsarbeiten vorzuziehen. 149 BGHSt 56, 298, 313; Schott, in: HK Steuerrecht, § 370 Rn. 50.

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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Bei Anmeldungssteuern kommt es in den Fällen des §§ 167 Abs. 1 S. 1, 168 S. 1 AO zu keiner gesonderten Festsetzung der Finanzbehörde. Unter diese Steuerart fallen etwa die Umsatzsteuer oder Lohnsteuer. Bei dieser Steuerart steht die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Deshalb fallen der Eintritt in den Versuch und die Vollendung tatsächlich oftmals zusammen.150 Der Versuch beginnt, sobald der Steuerpflichtige die Steuererklärung auf den Weg bringt.151 Mit dem Eingang der Erklärung bei der Finanzbehörde ist die Tat dann aber bereits vollendet und auch beendet, da es zu keiner gesonderten Festsetzung mehr kommt.152 Für den Fall, dass mit einer falschen Steueranmeldung die Herabsetzung bereits entrichteter Steuervergütung erstrebt wird, tritt Vollendung und Beendigung erst mit Zustimmung der Finanzbehörde nach § 168 S. 2 AO ein.153 Die Steuerhinterziehung von Anmeldungssteuern durch Unterlassen bei Nichtabgabe einer Steueranmeldung ist mit Ablauf der Erklärungsfrist vollendet.154 Dies ist der Fall, wenn bis zum Fälligkeitstermin keine Vorauszahlungserklärung eingereicht worden ist155 oder wenn die Erklärung nicht, falsch oder unvollständig erfolgt.156 Zugleich tritt mit der Vollendung regelmäßig die Beendigung ein, denn die Steueranmeldung steht der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 S. 1 AO).157 Lediglich bei der Umsatzsteuerhinterziehung ist eine Beendigung nicht mit Abgabe einer unrichtigen Voranmeldung anzunehmen, denn die Vorteile der Tat sichert sich der Täter dauerhaft erst durch die jährliche Veranlagung.158 Bei den verschiedenen Varianten der Steuerhinterziehung ergibt sich damit zumeist keine andauernde Beendigungsphase, da die Beendigung regelmäßig mit der Vollendung zusammenfällt. Liegt der Taterfolg in der Steuerverkürzung, tritt die Beendigung gleichzeitig mit der Vollendung ein, sobald die Steuer zu niedrig festgesetzt und dies dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wurde.159 Die Beendigung der Steuerhinterziehung durch Unterlassen soll ebenfalls mit Abschluss der Veran-

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BGH, wistra 1988, 355; BayObLG, JR 1970, 273, 274. Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 370 AO Rn. 256. 152 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 370 AO Rn. 256. 153 BGHSt 53, 221, 227 f.; BGH, wistra 2007, 116, 117; BGH, wistra 1988, 355; Muhler, wistra 2009, 1, 2. 154 Schott, in: HK Steuerrecht, § 370 Rn. 191; a. A. Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 6, er will auf den hypothetischen Leistungszeitpunkt abstellen und berücksichtigen, ob ein Vollstreckungsverfahren erwartet wird. 155 Ferschl, wistra 1990, 177; BGH, wistra 2012, 484. 156 RGSt 60, 185; BGH, NJW 1953, 1841; BayObLG, NJW 1964, 2171; OLG Hamburg, NJW 1970, 1835 mit Anm. Herdemerten; OLG Koblenz, BB 1973, 1244; Bilsdorfer, BB 1982, 670. 157 Jäger, in: Klein, AO § 370 Rn. 203. 158 Jäger, in: Klein, AO § 370 Rn. 203; BGH, NZWiSt 2018, 304. 159 BGH, wistra 1984, 142; Schott, in: HK Steuerrecht, § 370 Rn. 188. 151

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

lagungsarbeiten eintreten.160 Besteht der Taterfolg hingegen in einer Steuervorteilserlangung im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 2 1. Halbsatz AO, so tritt die Tatbeendigung mit Vorteilserlangung ein.161

I. Ergebnis Das Ergebnis des Vergleichs der Delikte anhand der Deliktsart und der Bestimmung von Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt wird nun vor dem Hintergrund der zuvor festgestellten Rechtsgüter betrachtet. Dabei soll festgestellt werden, ob die Deliktsart und/oder aber die Vollendung oder Beendigung des Delikts als Anknüpfungspunkt für die Regelung einer tätigen Reue betrachtet werden können. Um den beschriebenen Zusammenhang zwischen den untersuchten Kriterien und der Regelung der tätigen Reue zu definieren, wird danach gefragt, ob die untersuchte Kategorie eine hinreichende Bedingung oder notwendige Voraussetzung einer Regelung der tätigen Reue ist. Eine hinreichende Bedingung für die Regelung einer tätigen Reue liegt vor, wenn alle Delikte, die diese Bedingung erfüllen, eine tätige Reue regeln. Ausgeschlossen ist damit nicht, dass Delikte ohne diese Voraussetzung eine tätige Reue regeln. Von einer notwendigen Voraussetzung für eine Regelung der tätigen Reue ist hingegen zu sprechen, wenn jeder Tatbestand, der eine tätige Reue regelt, diese Voraussetzung aufweisen muss.

I. Zur Deliktsart Bei einer materiellen Bestimmung der Deliktsart zeigt sich bei den untersuchten Delikten ein nahezu einheitliches Bild. Mit Ausnahme des § 261 Abs. 1 Var. 3 und Var. 4 StGB handelt es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte.162 Unter Berücksichtigung des durch die Tatbestände geschützten Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft ist diese Feststellung allerdings nicht überraschend. Geschützt wird die soziale Marktwirtschaft in ihren verschiedenen Ausprägungen und Formen, in ihren Institutionen oder ihren Umverteilungssystemen. Als Institutionen unterstützen und garantieren das Subventionswesen, der Kapitalmarkt und das Kreditwesen die Marktwirtschaft, während Umverteilungssysteme, also das Sozialversicherungssystem oder das Besteuerungssystem, den sozialen Charakter der Marktwirtschaft sichern. Auch der Wettbewerb selbst ist ebenso wie das Geldmonopol Teil der sozialen Marktwirtschaft. All diese Ausprägungen stellen Teile eines kollektiven Rechtsguts dar. 160

BGH, wistra 2002, 64, 66. BGH, NZWiSt 2013, 358. 162 Bei § 261 Abs. 1 Var. 3 und 4 StGB handelt es sich um ein Verletzungsdelikt (Var. 3) sowie um ein konkretes Gefährdungsdelikt (Var. 4). 161

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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Diese benannten Bestandteile des Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft können durch das Handeln des Einzelnen allerdings nicht verletzt oder konkret gefährdet werden. Nur wenn man sich die tatbestandliche Handlung in vielfacher Wiederholung vorstellt, wird das kollektive Rechtsgut beeinträchtigt. Allein das Kollektiv ist damit in der Lage, das ihm zustehende Allgemeingut konkret zu gefährden oder zu verletzen. Die Vielzahl von Handlungen gleicher Art führt letztlich zum Zusammenbruch der geschützten Institutionen und zum Einbruch des Systems „Soziale Marktwirtschaft“. In der Literatur werden so konzipierte Delikte als Unterfall der abstrakten Gefährdungsdelikte begriffen und als Kumulationsdelikte bezeichnet.163 Eine Ausnahme in diesem Zusammenhang stellt § 149 StGB dar, der als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht die Handlung unter Strafe stellt, die den Beitrag zum Zusammenbruch des Systems liefern kann. Der eigentliche Kumulationsbeitrag wird von § 146 StGB bestraft, während § 149 StGB nur die Vorbereitung hierzu erfasst. Aus dem Ergebnis der Untersuchung lässt sich zumindest hinsichtlich der materiellen Deliktsart die Folgerung ziehen, dass die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt für die Normierung einer tätigen Reue spricht. Eine hinreichende Bedingung für die Normierung einer tätigen Reue ist sie gleichwohl nicht. Es gibt auch solche Delikte des Wirtschaftsstrafrechts, die als abstrakte Gefährdungsdelikte einzuordnen sind, dennoch aber über keine Regelung der tätigen Reue verfügen.164 Die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt kann auf den ersten Blick auch nicht als notwendige Voraussetzung einer tätigen Reue angesehen werden. Denn dies wäre nur der Fall, wenn eine solche im Wirtschaftsstrafrecht ausschließlich bei Delikten zu finden wäre, die als abstrakte Gefährdungsdelikte einzuordnen sind. Diesem Ergebnis steht aber scheinbar die Analyse des Vereitelungs- und Gefährdungstatbestandes der Geldwäsche entgegen, bei welchem es sich um ein Verletzungsdelikt (Var. 3) oder ein konkretes Gefährdungsdelikt (Var. 4) handelt. Zu bedenken ist dabei aber, dass die Geldwäsche einen doppelten Rechtsgutsbezug aufweist. Neben den Schutz der sozialen Marktwirtschaft tritt der Schutz der inländischen Rechtspflege. Bei der 3. und 4. Variante des Tatbestands, die keine abstrakten Gefährdungsdelikte sind, kommt gerade dieses Rechtsgut zum Tragen. Die Auswirkungen auf die inländische Rechtspflege können mit dem Vereiteln oder Gefährden der Einziehung oder Sicherstellung genau beschrieben werden, sodass die Rechtsgutsverletzung bezüglich dieses Guts konkretisiert werden kann. Klammert man den doppelten Rechtsgutsbezug aus, lässt sich zumindest die abstrakte Gefährdung des kollektiven Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft als notwendige Voraussetzung für die Regelung einer tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht verstehen.

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Kuhlen, ZStW 105 (1993), 697, 716; Wohlers, Deliktstypen, S. 309. So etwa der Versicherungsmissbrauch in § 265 StGB. Hier wurde aber bereits überlegt, ob eine tätige Reue erforderlich ist (Weinert, Vorbereitungsdelikte und tätige Reue, passim). 164

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Daran anknüpfend ist die formale Betrachtung der Deliktsart im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Regelung einer tätigen Reue einzuordnen. Aus der Analyse der Delikte ließ sich allerdings keine stringente Systematik erkennen. Bei den untersuchten Delikten des Wirtschaftsstrafrechts wird die strafbare abstrakte Gefährdung des Rechtsguts zwar häufig mit der im Tatbestand genannten Tätigkeit erreicht. So sind als Tätigkeitsdelikte §§ 149 Abs. 1 Var. 3, 4, und 5, 261 Abs. 1 Var. 1 und 2 sowie Abs. 2, 264, 264a, 265b, 298 StGB zu begreifen. Bei den das Sozialversicherungssystem und das Besteuerungssystem betreffenden § 266a StGB und § 370 AO wird aber ein darüberhinausgehender Erfolg verlangt. Dies gilt auch für § 149 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB, das Herstellen und Sich- oder einem anderen Verschaffen als Tathandlungen der Vorbereitung zur Geld- und Wertzeichenfälschung und die § 261 Abs. 1 Var. 3 und 4165 sowie Abs. 2 Nr. 1 StGB. Notwendige Voraussetzung für die Regelung einer tätigen Reue ist die Einordnung als Tätigkeitsdelikt damit nicht. Es existieren mehrere Erfolgsdelikte, die eine tätige Reue regeln. In der Einordnung als Tätigkeitsdelikt kann auch keine hinreichende Bedingung zur Regelung einer tätigen Reue gesehen werden, da durchaus Tätigkeitsdelikte existieren, die keine tätige Reue regeln.166 Dennoch lässt sich feststellen, dass mit der Kategorisierung als abstraktes Gefährdungsdelikt oftmals die Ausgestaltung der Delikte als Tätigkeitsdelikt einhergeht. Es wird daher teilweise gefolgert, dass bei abstrakten Gefährdungsdelikten die Einordnung als Tätigkeitsdelikt zwingend erforderlich sei.167 Dies erscheint aber bereits unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vorliegenden Untersuchung nicht treffend zu sein. Dieser Folgerung steht zudem das zu Beginn erläuterte Verständnis der Verletzungs- und Gefährdungsdelikte sowie der Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte entgegen. Die Einordnung als Verletzungs-, konkretes oder abstraktes Gefährdungsdelikt trifft eine Aussage über die Nähe der Tätigkeit oder des hervorgerufenen Erfolgs zum geschützten Rechtsgut.168 Dahingegen beschreibt die Einordnung als Tätigkeitsdelikt oder als Erfolgsdelikt die Art und Weise der Deliktsverwirklichung und bezieht sich auf das konkrete Angriffs- bzw. Handlungsobjekt. Dieses muss nicht zwangsläufig mit dem Rechtsgut bzw. dem Rechtsgutsobjekt identisch sein. An dieser Stelle wirkt sich damit die eingangs im ersten Teil unter dem ersten Abschnitt mit Gliederungspunkt C. I. angesprochene Differenzierung zwischen dem Rechtsgut und Angriffs- bzw. Handlungsobjekt aus. Erfolgsdelikte können auch abstrakte Gefährdungsdelikte sein, wenn der Erfolg nicht auf das Rechtsgut bezogen ist. Mit dem Eintritt des Erfolgs geht dann nicht notwendigerweise eine Rechtsgutsgefährdung bzw. Rechtsgutsverletzung einher.169 Alternativ können auch mehrere geschützte Rechtsgüter ein Auseinanderfallen von formaler und materieller Deliktsart bedingen. 165

Diese Varianten der Geldwäsche sind aber bereits keine abstrakten Gefährdungsdelikte. Zu denken ist etwa an § 283b StGB (Verletzung der Buchführungspflicht). 167 So etwa Geidies, NJW 1989, 821; Satzger, NStZ 1998, 112, 114 f.; a. A.: Rönnau, JuS 2010, 961, 962. 168 So auch Kuhlen, ZStW 105 (1993), 697, 713. 169 Rönnau, JuS 2010, 961, 962. 166

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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Der Erfolg der Steuerverkürzung oder der Erlangung von Steuervorteilen (§ 370 AO) berührt das Handlungsobjekt, den konkreten Steueranspruch. Ebenso bezieht sich der Erfolg des Vorenthaltens von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen (§ 266a StGB) auf das Handlungsobjekt, die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge durch den Arbeitgeber. Die abstrakte Gefährdung hingegen betrifft jeweils das dahinterstehende System, das Besteuerungs- bzw. das Sozialversicherungssystem. Eine zwangsweise Kongruenz ist damit nicht gegeben.170 Dies gilt ebenso für die bei der Vorbereitung zur Geld- und Wertzeichenfälschung als Erfolgsdelikte qualifizierten Varianten. Sowohl das Herstellen als auch das Sich- oder einem anderen Verschaffen besitzen keine unmittelbare Rechtsgutsrelevanz. Auch bei der Geldwäsche haben die bezeichneten Erfolgsdelikte keine direkten unmittelbar verletzenden Einwirkungen auf das Rechtsgut der sozialen Marktwirtschaft. Somit existiert zwar häufig eine Parallele zwischen der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt und derjenigen als Tätigkeitsdelikt. Diese ist aber, wie obige Beispiele dieser Untersuchung zeigen, nicht zwingend. Abschließend bleibt damit festzustellen, dass der Unterscheidung der Deliktsart in formaler Weise in Tätigkeits- und Erfolgsdelikte nur beschränkte Bedeutung hinsichtlich einer Systematik der tätigen Reue zugeschrieben werden kann. Dies gilt zum einen aufgrund des nicht eindeutig festzustellenden Zusammenhangs dieses Kriteriums zur Regelung einer tätigen Reue, zum anderen aufgrund der begrenzten Aussagekraft der formalen Einordnung. Ihr liegt kein Rechtsgutsbezug zugrunde. Das Rechtsgut ist aber zum Verständnis der Delikte wesentlich, weshalb der materiellen Differenzierung in abstrakte und konkrete Gefährdungs- sowie Verletzungsdelikte größere Bedeutung zukommt. Die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz der sozialen Marktwirtschaft ist notwendige Voraussetzung der tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht.

II. Zu Versuch/Vollendung/Beendigung Kongruenz besteht lediglich zwischen der Einordnung der Delikte als Tätigkeitsdelikte und der Frage nach der Vollendung der Delikte. Tätigkeitsdelikte beschreiben nur den Vollzug einer Handlung und sind daher mit diesem vollendet. Die früh eintretende Vollendung des Delikts kann im Hinblick auf die verschiedenen Deliktsstadien von der Vorbereitung bis zur Beendigung formal zwei Folgen haben: Zum einen kann sich das Versuchsstadium verkürzen. In Teilen geht dies so weit, dass faktisch kein Anwendungsbereich mehr für einen Versuch verbleibt. Zum anderen kann aus der frühen Vollendung eine lange Beendigungsphase folgen. Erst mit der Beendigung ist die Tat vollständig abgeschlossen. Die Beschreibung als Versuchs-

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So auch Rönnau, JuS 2010, 961, 962.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

oder Vorbereitungshandlung ist damit grundsätzlich eine formale, da sie von der Definition der Vollendung abhängig ist.171 1. Kurzes Versuchsstadium Für einen strafbaren Versuch bleibt bei den Delikten §§ 149 Abs. 1 Var. 3 und 4, 264, 264a, 265b, 266a und 298 StGB kaum ein praktisch relevanter Raum. Unmittelbar mit Beginn der Tätigkeit tritt das Stadium der Vollendung ein. Für einen Versuch könnte man daher nur eine juristische Sekunde lang auf ebendiesen Beginn der Tätigkeit abstellen. Dabei wäre allerdings vollkommen unklar, wann das Versuchsstadium enden sollte. Vielmehr wären die Übergänge fließend. Eine solches Versuchsstadium wäre nicht abgrenzbar und damit vollkommen unbestimmt. Es würde eine künstliche Aufspaltung einer einheitlichen Tätigkeit herbeigeführt, was nicht überzeugen kann. Daher ist der Versuch dieser Delikte schwer möglich und nur in Ausnahmefällen (§ 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB) mit Strafe bedroht. Auch bei § 266a StGB gibt es trotz der erfolgsbezogenen Betrachtung zeitlich keinen Anwendungsbereich für den Versuch. Mit Verstreichen des Fälligkeitszeitpunkts tritt sogleich Vollendung ein. Mit dem Versuch entfällt aber die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts, obwohl bei diesen Delikten hinsichtlich des Rechtsguts noch kein unaufhebbarer Schaden eingetreten ist. In den Kommentierungen der einzelnen Delikte wird darin ein wesentlicher Grund gesehen, warum die Delikte über die Regelung einer tätigen Reue verfügen.172 Auch der Gesetzgeber hat bei den genannten Delikten die Einführung der tätigen Reue mit der Vorverlagerung und dem nicht existenten Versuchsstadium begründet.173 Im Vergleich mit den übrigen Delikten, die eine tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht regeln, kann diese Begründung für sich gesehen aber nicht überzeugen. Denn bei vielen gibt es ein denkbares Versuchsstadium, wenn es auch in einigen Fällen nicht mit Strafe bedroht ist. So etwa für den erfolgsbezogenen § 149 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB. Eine Versuchsphase könnte hier ab dem Zeitpunkt angenommen werden, an dem der Täter mit dem Herstellen beginnt. Enden würde sie mit dem Abschluss des Herstellungsvorgangs. Gleiches gilt bei dem Sich- oder einem anderen Verschaffen.174 171

Jakobs, ZStW 97 (1985), 751. Vgl. exemplarisch für § 149 StGB Weidemann, in: BeckOK StGB, § 149 Rn. 13; für § 264 StGB: Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264 Rn. 43; für § 264a StGB: Momsen/ Laudien, in: BeckOK StGB, § 264a Rn. 17; für § 265b: Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 63; für § 298: Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 94. 173 Vgl. exemplarisch für § 149 StGB: BT-Drs. 7/550, S. 229; für § 264 StGB: BT-Drs. 7/ 5291, S. 8; für § 264a StGB: BT-Drs. 10/318, S. 25; für § 265b: BT-Drs. 7/5291, S. 16; für § 298: BT-Drs. 13/5584, S. 14 f. 174 Ein solcher Versuch wäre aber für das geschützte Rechtsgut, das Geldmonopol, von nur marginaler Bedeutung. Zudem würde die Strafbarkeit extrem vorgelagert, indem dann der 172

2. Abschn.: Anwendung der Kriterien auf die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts

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Werden § 261 StGB und § 370 AO in die Betrachtung mit einbezogen, wird weiter deutlich, dass in dem kurzen Versuchsstadium keine notwendige Bedingung einer tätigen Reue liegen kann. Bei den beiden Normen besteht ein denkbarer Anwendungsbereich für den Versuch. § 261 Abs. 3 StGB normiert zudem ebenso wie § 370 Abs. 2 AO die Strafbarkeit des Versuchs. Ob das kurze Versuchsstadium nicht gleichwohl eine hinreichende Bedingung darstellt, kann in dieser Arbeit allerdings nicht abschließend beantwortet werden. Dafür wären sämtliche Delikte des Wirtschaftsstrafrechts hinsichtlich ihres Vollendungszeitpunkts zu untersuchen. Dann wäre zu verifizieren, ob nur bei den vorliegend untersuchten Delikten ein kurzes Versuchsstadium vorliegt, das nicht strafbar ist. 2. Lange Beendigungsphase Eine frühe Vollendung kann auch dazu führen, dass die Beendigungsphase, also der Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung, länger wird. Dies trifft etwa auf die Steuerhinterziehung in der Form der Erlangung eines Steuervorteils zu. Hier tritt die Beendigung erst ein, wenn der Betrag ausgezahlt wird. Im Weiteren gibt es bei den Delikten im Vorfeld des Betrugs (§§ 264, 264a und 265b StGB) einen langen Zeitraum zwischen der Vollendung und der Beendigung. Die Beendigung tritt bei diesen Delikten erst mit der Auszahlung der Subvention, des Kredits oder der Erbringung der Leistung durch die Anleger ein. Dies gilt ebenso bei § 298 StGB, der bereits sehr früh vollendet werden kann, aber erst mit der Auszahlung der letzten Leistung des Auftraggebers beendet ist. Durch eine gegebenenfalls über mehrere Jahre andauernde Beendigungsphase verbleibt dem Täter ausreichend Zeit, sein Handeln zu überdenken und gegebenenfalls zu bereuen. Auf den ersten Blick spricht daher eine besondere Länge der Beendigungsphase dafür, dem Täter innerhalb dieser Zeit eine honorierbare Umkehrleistung zu ermöglichen. Denn möchte der Täter die Verfestigung des Unrechts in der Beendigung verhindern, und gelingt ihm dies, erscheint es unbillig, dies nur auf Ebene der Strafzumessung zu berücksichtigen. Betrachtet man ein konkretes Beispiel beim Subventionsbetrug wird dies deutlich: Kann der Täter durch Aufklärung und Anstrengung verhindern, dass eine durch einen Subventionsbetrug zugesagte Subvention ausgezahlt wird, wird er gegenwärtig aufgrund der Regelung der tätigen Reue straflos. Dies erscheint nicht nur im Hinblick auf sein umkehrendes Verhalten, sondern auch unter Berücksichtigung der frühen Vollendung des Delikts angemessen. Mitursächlich dafür, dass der Täter sein Umkehrverhalten nicht vor der Vollendung der Tat im Rahmen eines Rücktritts vom Versuch ausüben kann, ist die Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit. Diese kann bei den genannten betrugsähnlichen Delikten bereits durch Handlungen verwirkt sein, die unter dem Gesichtspunkt eines einfachen Betrugs gerade einmal eine versuchte Tat darstellten. Beginn einer Handlung zur Vorbereitung einer Geldfälschung strafbar wäre. Deswegen ist der Versuch auch hier treffenderweise straflos.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Damit bedarf es hier auch einer Regelung der tätigen Reue, weil es ansonsten zu Widersprüchen mit dem Betrugstatbestand käme. Von einem Betrugsversuch könnte der Täter strafbefreiend zurücktreten, während dies ohne tätige Reue beim bereits vollendeten Subventionsbetrug nicht möglich wäre.175 Dies würde gelten, obwohl der Täter die abstrakte Gefährdung für das kollektive Rechtsgut des Subventionswesens ebenso wie die abstrakte Vermögensgefährdung durch die Verhinderung der Auszahlung beseitigen kann. Eine notwendige Voraussetzung zur Regelung einer tätigen Reue ist die lange Beendigungsphase jedoch nicht. Eine lange Beendigungsphase dürfte es dann nur bei den vorliegend untersuchten Delikten geben. Es gibt Delikte des Wirtschaftsstrafrechts, wie etwa § 149 und § 261 StGB, die eine solche nicht haben und trotzdem eine tätige Reue regeln. Auch von einer hinreichenden Bedingung zur Regelung einer tätigen Reue kann aufgrund der vorliegenden Untersuchung nicht gesprochen werde. Dafür wäre erforderlich, dass alle Delikte des Wirtschaftsstrafrechts – und nicht nur solche, die eine tätige Reue kennen – hinsichtlich ihrer Beendigungsphase untersucht würden.

III. Zusammenfassung Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass kein formales Kriterium zuverlässige Auskunft über eine Systematik der tätigen Reue gibt. Die Einordnung als Erfolgs- oder Tätigkeitsdelikt ließ sich nicht für alle untersuchten Delikte gleichmäßig treffen. Zudem konnte weder einheitlich festgestellt werden, dass eine Vorverlagerung der Strafbarkeit in der Weise erfolgt, dass der Versuch des Delikts entfällt, noch ergab sich bei allen Delikten eine lange Phase zwischen Vollendung und Beendigung der Tat. Festzustellen bleibt lediglich, dass mit der Qualifizierung als Tätigkeitsdelikte notwendigerweise eine frühe Vollendung einhergeht. Tätige Reue charakterisieren können die formalen Kriterien daher nicht, sie besitzen nur indizielle Wirkung. Lediglich die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt kann aufgrund ihrer Rechtsgutsrelevanz den Weg zu einer Begründung der tätigen Reue ebnen. Von dieser Einordnung und der Bestimmung des Rechtsguts ist die formale Ausgestaltung der Delikte abhängig. Formale Kriterien geben damit nur Argumente, die ein Bedürfnis für eine tätige Reue begründen könnten. Insbesondere sollen Wertungswidersprüche zu anderen Straftatbeständen verhindert werden. Darauf beruft sich der Gesetzgeber selbst, wenn er in der Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit einen Grund für die Notwendigkeit einer tätigen Reue sieht. Im weiteren Verlauf der Untersuchung soll nun zunächst der dogmatische Hintergrund der tätigen Reue untersucht werden. Nachdem als Anknüpfungspunkt für eine Regelung die abstrakte Gefährdung ausgemacht wurde, muss nun die Wirkung 175

BT-Drs. 7/5291, S. 8 f.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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der tätigen Reue im Kontext sonstigen privilegierenden Nachtatverhaltens analysiert werden. 3. Abschnitt

Nachtatverhalten In diesem Abschnitt steht das Institut der tätigen Reue im Vordergrund. Nachdem zuvor das abstrakte Gefährdungsdelikt als hinreichende Bedingung der tätigen Reue ausgemacht wurde, soll nun untersucht werden, ob bei den einzelnen Tatbeständen der tätigen Reue ein gemeinsamer Gedanke zugrunde liegt. Dieser könnte sich dann auf andere Normen, hier §§ 299, 299a und 299b StGB, übertragen lassen. Da die tätige Reue selbst nicht ausreichend definiert ist, wird sich ihrem Grundgedanken über die Analyse sämtlicher Regelungen angenähert, die das Nachtatverhalten des Täters privilegieren. Zentrale Frage ist dabei, wie dieses Verhalten die Straffreiheit oder Strafmilderung begründet. Voraussetzung für diese Überlegungen ist aber zunächst ein Verständnis davon, was Strafe ist und wozu Strafe dient. Nur darauf aufbauend kann schließlich ergründet werden, warum ein Handeln im Anschluss an ein strafbar erkanntes Verhalten eine mildere Bestrafung oder gar Straffreiheit rechtfertigt. Auf die im Folgenden angestellten Überlegungen zu Strafzwecken wird daher später nochmals zurückzukommen sein.

A. Strafbedürfnis I. Wesen der Strafe Untrennbar mit den Fragen nach dem Zweck und der Aufgabe von Strafe verbunden, ist diejenige nach ihrer Definition. Allein diese wäre vermutlich geeignet, eigenständige Dissertationen zu füllen. So gibt es unterschiedliche juristische, theologische oder philosophische Ansichten darüber, was der abstrakte Begriff Strafe bedeutet. Vorliegend soll zur Begriffsbestimmung nur auf das System Strafrecht und das diesem immanente Verständnis in der gebotenen Kürze Bezug genommen werden. Dabei werden auch die Strafzwecke erläutert. Die Strafe ist Folge des Normensystems Strafrecht. Das Strafrecht und die Strafe sichern die elementaren Grundwerte unserer Gesellschaft.176 Ihre Aufgabe ist der Rechtsgüterschutz.177 Zudem dient die Strafe dem Geltungsanspruch der Normen, 176

Wessels/Beulke/Satzger Rn. 9; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, Vor §§ 38 ff. Rn. 1. Wessels/Beulke/Satzger Rn. 9; Joecks/Erb, in: MüKo StGB, Einl. Rn. 28; Hassemer/ Neumann; in: NK StGB, Vor § 1 Rn. 109; Walter, in: LK StGB, Vor § 13 Rn. 8; Jäger, in: SK StGB, Vor § 1 Rn. 1; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 1 III 1; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 177

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

indem sie Verstöße gegen diese sanktioniert.178 Strafen tragen damit letztlich auch zum Gemeinwohl und zur Wahrung des Rechtsfriedens bei.179 Dennoch sind diese Eigenschaften der Strafe keine Alleinstellungsmerkmale. So werden auch im Ziviloder Polizeirecht bestimmte Rechtsgüter und die mit deren Inhaberschaft einhergehenden Rechte durch die Formulierung von Eingriffs- oder Abwehransprüchen geschützt.180 Zivilrechtliche Urteile tragen ebenso zum Rechtsfrieden bei und zeigen den Betroffenen Konsequenzen ihres Handelns auf, wenn etwa die Herausgabe bestimmter Gegenstände oder aber die Zahlung bestimmter Beträge ausgeurteilt wird. Von anderen Rechtsfolgen unterscheidet die Strafe allerdings, dass sie Freiheits- oder Eigentumsverlust mit einem spezifischen „Unwerturteil“ verbindet.181 Durch die Strafe wird die sozialethische Vorwerfbarkeit des Verhaltens ausgedrückt. Diese Anbindung an das Schuldprinzip,182 welches die Subjektstellung des Täters und damit dessen Menschenwürde sichert, kennzeichnet die Strafe.183 Strafe als solche ist damit nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts ein „mit staatlicher Autorität versehene(s) sozialethische(s) Unwerturteil“,184 das auf die Begehung der schuldhaften Tat folgt. Dabei wird Strafe definiert als „eine repressive Übelszufügung als Reaktion auf schuldhaftes Verhalten“185 bzw. „Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit“.186 Durch die benannten Formulierungen wird bereits deutlich, dass mit dem Strafurteil eine „intrinsische Verbindung“ zwischen dem Strafzweck und der legitimen Inanspruchnahme des Täters hergestellt werden soll.187 Viele Definitionen beschreiben Strafe final unter Berücksichtigung des durch sie zu erreichenden Ziels. So auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es auf den Geltungsanspruch der Norm, also auf an die Gesellschaft gerichteten, (positiv-)generalpräventiven Folgen, oder aber auf die vergeltende Gerechtigkeit und damit die

§ 2 Rn. 7; Neumann, in: Festschrift Jakobs, S. 435, 447; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 5 ff. Zur Problematik des Rechtsgutsbegriffs vgl. im 1. Abschnitt des 1. Teils unter C. I. 178 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 8 I; Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 3; Neumann, in: Festschrift Jakobs, S. 435, 442 ff.; Köhler, Strafrecht AT, S. 48 ff. 179 Wessels/Beulke/Satzger Rn. 9; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 7. 180 Kubiciel, Die Wissenschaft Strafrecht BT, S. 136. 181 BVerfGE 123, 267, 413, siehe ferner BVerfGE 92, 277, 329; 90, 145, 172; 88, 203, 258. 182 BVerfGE 123, 267, 413; 105, 135, 153; BVerfG, NJW 2005, 2140, 2141; vgl. auch Landau, NStZ 2011, 537, 539 f.; Neumann, in: Festschrift Jakobs, S. 435, 441 f. 183 Kubiciel, Die Wissenschaft Strafrecht BT, S. 137; zum Schulderfordernis Frisch, GA 2009, 385, 390; Radtke, GA 2011, 638, 640 ff.; Neumann, in: Festschrift Jakobs, S. 435, 442, jeweils m. w. N. 184 BVerfGE 123, 267, 413; 92, 277, 329, 333; 90, 145, 172; 88, 203, 258. 185 BVerfGE 109, 133, 173 ff.; BVerfG, StV 2006, 574, 575; BVerfG, NJW 2005, 2140, 2141. 186 BVerfGE 109, 133, 168. 187 Hörnle, Straftheorien, S. 45.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Unrechtskompensation abstellt.188 Damit ist der Zweck der Strafe meist Teil der Versuche, ihr Wesen zu definieren.

II. Strafzwecke Die oben genannten Definitionen zeigen bereits zwei Zwecke der Strafe, die Vergeltung des verwirklichten Unrechts und die Generalprävention, die jeweils zwei unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Straftheorien zuzuordnen sind. Differenziert wird hier zwischen den sog. absoluten Theorien, die die Vergeltung der Tat in den Fokus nehmen, und den relativen Straftheorien, die sich mit der Wirkung der Strafe für die Zukunft befassen. 1. Absolute Straftheorien Der Vergeltungsgedanke im deutschen Strafrecht und die auf diesem fußenden absoluten Straftheorien gehen auf den deutschen Idealismus und dessen Vertreter Immanuel Kant und Georg Friedrich Wilhelm Hegel zurück. Sie haben insbesondere das Ende des 18. und den Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt.189 Das Bedürfnis nach Strafe wird innerhalb der absoluten Straftheorien damit begründet, dass Strafe als eine repressive Reaktion auf das verwirklichte Unrecht erforderlich sei.190 Unter Berücksichtigung des Talionsprinzips müsse auf das Unrecht der Tat eine in Dauer, Härte und nach Kant auch der Art nach,191 bei Hegel dem Wert nach, gleiche Strafe folgen.192 Nur so könne die Schuld ausgeglichen und Gerechtigkeit wiederhergestellt werden. Gerechtfertigt wird die Bestrafung damit durch die begangene Tat, zukünftige Wirkungen bleiben außer Betracht.193 2. Relative Straftheorien Mit dem Fortschritt der Naturwissenschaften und dem Aufkommen des Positivismus wurden zum Ende des 18. und mit Beginn des 19. Jahrhundert strafrechts188 Zum Verhältnis von Strafzweck und Rechtfertigung von Strafe vgl. auch Sobota, Die Nebenfolge, S. 27. 189 Bock, Kriminologie, Rn. 12. 190 Kubiciel, Die Wissenschaft Strafrecht BT, S. 159 ff.; Frisch, in: Festschrift Müller-Dietz, S. 253 f.; Neumann, in: Festschrift Jakobs, S. 435, 448; Köhler, Strafrecht AT, S. 48 ff.; Renzikowski, GA 2007, 561, 568; Zaczyk, in: Festschrift Eser, S. 209, 215 ff.; Kühl, in: Festschrift Lampe, S. 460 f.; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 2. 191 Kant, Rechtslehre, S. 15 f. 192 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 97 f. 193 Kubiciel, Die Wissenschaft Strafrecht BT, S. 159 ff., 169 ff.; Köhler, Strafrecht AT, S. 48 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, § 1 Rn. 4; Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 17; Hassemer/Neumann, in: NK StGB, Vor § 1 Rn. 107.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

theoretisch die Präventionstheorien populär.194 Im Gegensatz zu den absoluten Straftheorien nehmen die relativen Theorien allein die möglichen präventiven Wirkungen der Strafe in den Blick. Sie sehen den Zweck der Strafe darin, die Begehung weiterer Taten zu verhindern.195 Die präventiven Theorien werden bezüglich der Ausrichtung ihrer Wirkung zwischen Generalprävention, also einer Wirkung für die Allgemeinheit, und Spezialprävention, einer Wirkung für den Täter selbst, unterschieden.196 Innerhalb der verschiedenen Strafzwecke wird dann weiter danach differenziert, ob die Generalprävention oder die Spezialprävention positiv (rechtsstärkend oder -bewahrend) oder negativ (abschreckend) wirkt. a) Generalprävention Mit der Generalprävention sind ganz allgemein die Wirkungen der Strafe für die Allgemeinheit gemeint. Unter der negativen Generalprävention wird die Abschreckungswirkung der Strafe für die Gesellschaft verstanden.197 Sie geht gedanklich im Wesentlichen auf Paul Johann Anselm von Feuerbach zurück,198 der stets eine klare und scharfe Fassung der Tatbestände forderte, damit bereits durch Strafandrohung im Gesetz der Antrieb zur Tat gemindert oder gar aufgehoben werde. Nach der Theorie der positiven Generalprävention sollen die normtreuen Bürger angesprochen und deren Normbewusstsein gestärkt werden.199 Es wird dabei davon ausgegangen, dass deren Vertrauen in die Normenordnung und ihr Glaube an deren Verbindlichkeit und Geltungskraft durch ungesühnte Rechtsbrüche beeinträchtigt werde.200 Dem sei durch die Bestrafung des Rechtsbrüchigen entgegenzuwirken.201 b) Spezialprävention Die Spezialprävention als Strafzweck wurde wesentlich geprägt durch Franz von Liszt, der – getragen von den Ideen des Positivismus – in der Prävention zukünftiger Straftaten des Täters den eigentlichen Zweck der Strafe sah.202 Die Spezialprävention sieht in der Tat lediglich den Anlass zur Strafe, aber nicht ihren Grund.203 Das 194

Bock, Kriminologie, Rn. 32 ff. Rengier, AT § 3 Rn. 14; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 23b; Ebert, Strafrecht AT, S. 232 f. 196 Rengier, AT § 3 Rn. 14; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 23b; Ebert, Strafrecht AT, S. 232 f. 197 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 22 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 24; Rengier, AT § 3 Rn. 15. 198 Vgl. Feuerbach, Lehrbuch, § 16 ff. 199 Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 2 ff.; Hörnle, Straftheorien, S. 25; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 26; Ebert, Strafrecht AT, S. 234. 200 Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 10 f.; Hörnle, Straftheorien, S. 25 f. 201 Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 10 f.; Hörnle, Straftheorien, S. 25 f. 202 von Liszt, ZStW 3 (1882), 1 ff. 203 Kubiciel, Die Wissenschaft Strafrecht BT, S. 140; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 11. 195

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Anliegen der Spezialprävention ist es vielmehr, das zukünftige Legalverhalten des Täters zu beeinflussen.204 von Liszt differenzierte in seinem sog. Marburger Programm anhand verschiedener Tätertypen die Ausgestaltung der Spezialprävention.205 So könne diese zum einen darin liegen, dass die Allgemeinheit vor einem nicht besserungsfähigen Täter geschützt werde (sog. negative Spezialprävention).206 Der sog. Gelegenheitstäter, der keiner Besserung bedürfe, müsse von weiteren Taten abgeschreckt werden.207 Eine positive Spezialprävention erfolge, indem der besserungsfähige Straftäter durch geeignete Maßnahmen beeinflusst und wieder in die Gesellschaft eingeführt werde.208 Durch eine gezielte therapeutische Intervention solle auf den Täter eingewirkt werden.209 3. Vereinigungslehre Die heute herrschende Vereinigungslehre nimmt bei der Legitimation von Strafe sowohl auf den Vergeltungsgedanken als auch auf den Präventionsgedanken Bezug210 und bringt beide Theorien, die absolute und die relative Straftheorie, in Einklang. Vergeltung und präventive Strafzwecke schließen sich demnach nicht aus, sondern ergänzen sich. Die Vereinigungstheorie sieht in der Strafe zunächst eine repressive Übelszufügung, deren Maß die individuelle Schuld bildet. Die Schuld als limitierender Faktor sei zwingend notwendig, da in jedem Rechtsstaat gewährleistet sein müsse, dass der Einzelne vor einem überbordenden Zugriff des strafenden Staats geschützt werde.211 In diesem dem Schuldausgleich dienenden Rahmen werden dann präventive Zwecke berücksichtigt.212 Sie dürfen aber die durch die Schuld gesetzte Grenze des Strafmaßes nicht überschreiten.213

204

Kubiciel, Die Wissenschaft Strafrecht BT, S. 140; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 11. 205 von Liszt, ZStW 3 (1882), 1, 35 ff. 206 von Liszt, ZStW 3 (1882), 1, 36. 207 von Liszt, ZStW 3 (1882), 1, 36. 208 von Liszt, ZStW 3 (1882), 1, 36. 209 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 11 f. 210 BVerfGE 45, 187, 253; BGHSt 28, 318, 326; zur Entscheidung für eine solche auch Frisch, GA 2009, 385, 390 f. 211 Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 35. 212 Vgl. BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266 f.; 24, 132, 133 f.; Streng, in: NK StGB, § 46 Rn. 97 ff.; Radtke, in: MüKo StGB, § 38 Rn. 60; Streng, in: Festschrift Müller-Dietz, S. 874 ff. 213 Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, § 4 Rn. 21.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

4. Stellungnahme und Ergebnis Die Frage nach dem Strafzweck kann unter Geltung des heutigen Strafgesetzbuchs, das sowohl auf den Ausgleich der Tatschuld als auch auf die Prävention weiterer Taten Bezug nimmt, nicht einseitig zugunsten präventiver oder repressiver Strafzwecke beantwortet werden. Vielmehr sind die geltenden Strafzwecke mit der Vereinigungstheorie in Einklang zu bringen. Die Schuld als persönliche Vorwerfbarkeit des rechtswidrigen Verhaltens ist eine notwendige Voraussetzung für die Legitimation staatlichen Strafens und im Gesetz mehrfach verankert.214 Ihr Erfordernis als Grundlage der Strafzumessung ergibt sich bereits aus den Grundrechten des Betroffenen, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, und dem Rechtsstaatsprinzip.215 Die ausschließliche Berücksichtigung präventiver Strafzwecke würde dazu führen, dass die Strafe letztlich außer Verhältnis zu der sozialen Gewichtigkeit der Tat gerät.216 Dies birgt unweigerlich die Gefahr, dass der Täter bloßes Objekt präventiver Zielsetzungen wird und elementare Grundrechte beeinträchtigt werden.217 Darüber hinaus wäre eine allein präventive Betrachtung nicht geeignet, ein mit Art. 3 GG zu vereinbarendes Agieren des Staates zu gewährleisten. Denn präventive Strafzwecke erlauben, dass Täter für gleiches Unrecht aufgrund von außerhalb der Taten liegender Umstände unterschiedlich bestraft werden. So würde ein Ladendieb zu einer Zeit, in der es besonders viele Ladendiebstähle gebe, der Abschreckung wegen mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe bestraft, während in Zeiten weniger Ladendiebstähle eine viel geringere Strafe anzusetzen wäre. Nicht zuletzt fordert deshalb das Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass die Strafe durch die verwirklichte Schuld begrenzt wird.218 Dennoch dürfen präventive Erwägungen nicht außer Acht gelassen werden. Die Wirkung, die die Ausurteilung der Strafe für den Täter und auch die gesamte Gesellschaft hat, sind bei der Legitimation und Bemessung der Strafe miteinzubeziehen. Ein entsprechender Anspruch des Täters auf Resozialisierung ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG.219 Auch die Rechtsprechung hat immer wieder die besondere Bedeutung der Spezialprävention betont.220 Bereits im Jahr 1975 hat der Gesetzgeber dies erkannt und die Resozialisierung als Vollzugsziel in § 2 StVollzG aufgenommen. Auch im heutigen Strafgesetzbuch lässt sich diese Kombination der Strafzwecke wiederfinden. So findet sich seit 1969 neben der Vergeltung in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB der Gedanke der Spezialprävention etwa in § 46 Abs. 1 S. 2 StGB, der vorschreibt, dass die Wirkungen der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu beachten sind. Der Gedanke der Generalprävention hat 214 215 216 217 218 219 220

Vgl. § 46 Abs. 1, S. 1 StGB. BVerfGE 110, 1, 13; 109, 133, 171; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 35. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 34. BVerfGE 110, 1, 13; 109, 133, 171. Götting, Schadenswiedergutmachung, S. 10. BVerfGE 45, 187, 239. BVerfGE 45, 187, 239; 98, 169, 201.

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sich im geltenden Recht vor allem in dem Begriff der „Verteidigung der Rechtsordnung“ etwa in §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3 StGB niedergeschlagen. Bei der heute praktizierten Strafzumessung kommen damit sowohl absolute als auch relative Strafzwecke zur Geltung. Die Schuldangemessenheit der Strafe und ihre präventive Wirkung bilden zudem untrennbare Synergieeffekte,221 sodass bei der Frage nach dem Zweck der Strafe weder der eine noch der andere Aspekt ausgeklammert werden kann. Eine schuldinadäquate Strafe wird von der Gesellschaft als gegen das Rechtsgefühl verstoßend erkannt und kann damit deren Vertrauen in die Rechtsordnung nicht stärken.222 Nur eine schuldangemessene Strafe kann das generalpräventive Bedürfnis befriedigen.223 Auch der Bestrafte wird eine nach seinem Empfinden gerechte und schuldangemessene Strafe eher annehmen, sich mit dem ihm auferlegten Übel auseinandersetzen und sich so bessern. Eine von ihm als ungerecht erkannte Strafe würde im Gegensatz dazu wohl eher die Ablehnung des Systems und ein Besinnen auf eigene Wertvorstellungen zur Folge haben. Die Schuldangemessenheit der Strafe ist für die Resozialisierung des Täters224 entscheidend. Daher kann die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lauten, bestraft wird, um schuldangemessen zu vergelten und innerhalb dieses Rahmens präventiv die Begehung weiterer Taten der Allgemeinheit und des konkreten Täters zu verhindern.

B. Privilegierendes Nachtatverhalten Die repressiven und präventiven Strafzwecke begründen allgemein das Erfordernis von Strafe. Ihre Wirksamkeit ist aber nicht auf diese Ebene beschränkt. Auch bei der Strafzumessung im konkreten Fall sind die Strafzwecke zu berücksichtigen.225 Es stellt sich die Frage, wie das Nachtatverhalten und die Strafzwecke zusammenhängen. Denn vielfach folgt in den gesetzlichen Regelungen auf das Nachtatverhalten eine Strafmilderung oder gar Straffreiheit. Betrachtet werden soll, in Anlehnung an die tätige Reue, nur solches Nachtatverhalten, dass eine den Täter begünstigende, also privilegierende, Wirkung hat. Maßgebend soll dabei die Suche nach einem hinter der Privilegierung stehenden Grundgedanken sein, der sich auf die tätige Reue übertragen lässt. Als Nachtatverhalten im Rahmen dieser Untersuchung ist jedes Verhalten zu verstehen, dass nach der Verwirklichung strafbaren Unrechts vorgenommen wird. Nachtatverhalten kann daher bereits im Anschluss an verwirklichtes Handlungs221

Vgl. dazu Dölling, ZStW 102 (1990), 5, 15. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 34. 223 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 53. 224 Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 34. 225 Vgl. zu den Ebenen der Wirksamkeit von Strafzwecken Radtke, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 22 f. 222

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unrecht vorliegen. Nach diesem Begriffsverständnis ist damit zunächst der Rücktritt von der Vollendung des Delikts als Nachtatverhalten erfasst. Nachtatverhalten kann aber auch im Anschluss an die vollendete Tat erfolgen und bei der Strafzumessung oder der tätigen Reue Berücksichtigung finden. Denkbar ist Nachtatverhalten darüber hinaus auch erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Rahmen der Aufklärung einer Tat oder ihrer prozessualen Aufbereitung. Das Strafgesetzbuch berücksichtigt Nachtatverhalten bei den Strafvoraussetzungen und bei der Strafzumessung. Auch in der Strafprozessordnung kann Nachtatverhalten privilegiert werden. Dazu im Einzelnen wie folgt: Bereits 1871 – mit der Trennung der Vorschriften von Versuch und Rücktritt – erhielt das wiedergutmachende Nachtatverhalten eine eigenständige gesetzliche Normierung. Im Anschluss daran wurden weitere Normen eingeführt, die privilegierendes Nachtatverhalten, wenn auch nicht als Hauptanliegen, aufgriffen. So wurde 1969 § 46 StGB ins Strafgesetzbuch aufgenommen, der die Strafzumessung regelt und wiedergutmachendes Verhalten auf dieser Ebene als berücksichtigenswert erkannte. Kurz darauf fand 1974 mit § 153a eine Norm Eingang in die Strafprozessordnung, die bei wiedergutmachendem Verhalten ein Absehen von der weiteren Verfolgung der Tat ermöglichte. Vor rund 30 Jahren wurden dann die Regelungen auf Strafzumessungsebene durch den Täter-Opfer-Ausgleich ergänzt. Nur wenige Jahre später, im Jahr 1999, wurde § 153a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO eingeführt, um dessen verfahrensrechtliche Verankerung zu stärken.226 2009 wurden diese Regelungen schließlich durch die Einführung der sog. Kronzeugenregelung in § 46a StGB komplettiert. Der Zusammenhang zwischen privilegiertem Nachtatverhalten und den Strafzwecken wird beim Rücktritt umfassend diskutiert. Die herrschende Strafzwecktheorie sieht in der spezial- und generalpräventiven Wirkung des Rücktritts den wesentlichen Grund für die Straffreiheit. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Begründung überzeugt. Neben dem Rücktritt wird auf die Regelungen der Strafzumessung und des formellen Strafrechts eingegangen. Sofern auch hier Wirkungen der Normen hinsichtlich der Strafzwecke diskutiert werden, findet sich dies unter dem Punkt „Folgen der Anwendung“ bei der jeweiligen Norm.

I. Rücktritt Mit der Regelung des § 24 StGB kann der Täter durch ein Verhalten, das an die versuchte vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Tat anschließt, obligatorisch Straffreiheit erlangen. Bezogen auf das Versuchsunrecht ist der Rücktritt Nachtat-

226 § 46a StGB wurde durch das „Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs und zur Änderung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen“ vom 20. 12. 1999 eingeführt, BGBl. 1999 I, S. 2491.

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verhalten.227 Wie dieses zu Straffreiheit führende Verhalten zu qualifizieren ist, hängt von der Begründung ab. So wird teilweise ein Schuldaufhebungs-, ein Strafbefreiungs- oder ein Strafaufhebungsgrund angenommen.228 Um den Rücktritt zu erklären, nehmen einige Ansichten Bezug auf den Strafgrund des Versuchs und argumentieren basierend auf diesem. Daher muss, bevor auf die Theorien zur Straflosigkeit des Rücktritts eingegangen wird, der Strafgrund des Versuchs in den Fokus genommen werden. In der Folge sollen dann die Theorien zum Grund des Rücktritts differenziert dargestellt werden. 1. Anwendungsbereich Versuch Der Rücktritt greift nur bei der versuchten Tat, also der Tat, die sich zwischen dem Deliktsstadium des unmittelbaren Ansetzens und der Vollendung befindet. Das sich in der versuchten Tat manifestierende Handlungsunrecht kann nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch ohne Eintritt des Erfolgsunrechts eine Strafbarkeit rechtfertigen, wenn der Tatentschluss zur Begehung einer Straftat vorliegt und der Täter zu dieser bereits unmittelbar angesetzt hat. Als Begründung hierfür wird von der herrschenden gemischt objektiv-subjektiven Theorie darauf verwiesen, dass das Unrecht des Versuchs in dem nach außen manifestierten rechtsfeindlichen Willen liege.229 Da diese Bestimmung des Strafgrundes der versuchten Tat aber, u. a. wegen der allgemein anerkannten Straflosigkeit des sog. Wahndelikts, überwiegend für unzureichend gehalten wird, wird versucht, diese Theorie auf verschiedene Arten zu ergänzen. So wird ein zusätzliches, eigenständiges unrechtskonstituierendes Element gefordert.230 Dieses soll nach der herrschenden Ansicht in dem Erfordernis eines rechtserschütternden Eindrucks liegen, den das Handeln bei der Allgemeinheit hinterlassen hat.231 Ihre Grundlage findet die heute herrschende Ansicht zum einen in der sog. objektiven Theorie, die auf Feuerbach zurückgeht,232 zum anderen in einer ausschließlich subjektiven Theorie, die ebenfalls ihren Ursprung in den Schriften 227

Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 31. Schuldaufhebungsgrund: Lang-Hinrichsen, in: Festschrift Engisch, S. 353, 370 ff.; ders., JR 1968, 27; Zaczyk, in: NK StGB, § 24 Rn. 5; Strafbefreiungsgrund: Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 126 f.; Strafaufhebungsgrund: RGSt 72, 349, 350; ebenso BGHSt 7, 299; BGH, StV 1982, 1; Rengier, AT § 37 Rn. 1; Eser/Bosch, in: Schönke/ Schröder StGB, § 24 Rn. 4; Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 8 ff.; Bürger, ZJS 2015, 23. 229 BGHSt 11, 324, 327; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 931; Rengier, AT § 33 Rn. 4; Fischer, § 22 Rn. 40; Ebert, Strafrecht AT, S. 116; Haas, ZStW 123 (2011), 226. 230 Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 604, 612; Roxin, JuS 1979, 1; Radtke, JuS 1996, 878, 880. 231 Wessels/Beulke/Satzger Rn. 931; Rengier, AT § 33 Rn. 4; Fischer, § 22 Rn. 40; Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 604, 612; Roxin, JuS 1979, 1; Radtke, JuS 1996, 878, 880. 232 Feuerbach, Lehrbuch, § 42, 43. 228

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Feuerbachs hat,233 dann aber durch von Buri weiterverbreitet wurde.234 Beide Theorien für sich genommen, können den Versuch als solchen nicht ausreichend erklären. Die objektive Theorie, nach der in der objektiven Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts der Strafgrund des Versuchs liegt,235 steht nicht in Einklang mit dem Gesetz. Sie kann den gemäß § 23 Abs. 3 StGB als strafbar erkannten grob unverständigen Versuch und den mit einem Erst-Recht-Schluss nach allgemeiner Ansicht ebenfalls strafbaren untauglichen Versuch nicht erklären.236 Die subjektive Theorie, die den Strafgrund in dem rechtsfeindlichen Willen sieht, der mit dem Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung bereits manifestiert werde,237 überzeugt für sich genommen auch nicht. Sie erfasst auch per se ungefährliche Handlungen, die zwar den Rechtsfrieden tangieren, aber das Rechtsgut nicht verletzen können. Probleme stellen sich zudem bei dem Kriterium des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung eines gesetzlichen und nicht nur vorgestellten Tatbestandes. Eine ausschließlich subjektive Bestimmung gerät in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und lässt die notwendige Rechtssicherheit vermissen.238 Letztlich erscheint die herrschende gemischt objektiv-subjektive Theorie de lege lata vorzugswürdig, weil lediglich diese Theorie ein im Einklang mit dem Gesetz stehendes Verständnis des Versuchsunrechts ermöglicht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, mit welcher Begründung dieses objektive und subjektive Handlungsunrecht schließlich durch ein Nachtatverhalten des Täters kompensiert werden kann, sodass eine Bestrafung unter Anwendung der Vorschriften des Rücktritts ausbleibt. 2. Grund der Privilegierung Die Gründe, die für eine Straflosigkeit nach einem Rücktritt vom Versuch sprechen, werden im Folgenden genauer betrachtet. Dabei können die einzelnen Meinungen in dieser heftig umstrittenen Frage nur in ihren Ansätzen beleuchtet werden. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die Darstellung damit nicht. a) Theorien mit einer isolierten Begründung der Straffreiheit Zunächst soll auf solche Ansichten eingegangen werden, die eine Straffreiheit isoliert vom Strafgrund des Versuchs begründen.

233

Feuerbach, Lehrbuch, § 42. Buri, ZStW 1 (1881), S. 185 ff. 235 Spendel, NJW 1965, 1881 ff.; in diese Richtung auch Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 22 Rn. 12 ff. m. w. N. 236 Zaczyk, in: NK StGB, § 22 Rn. 9; Cornelius, in: BeckOK StGB, § 22 Rn. 2. 237 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 22 Rn. 11 m. w. N. 238 Spendel, NJW 1965, 1881, 1883 f. So wäre bei einer solchen Betrachtung auch das Wahndelikt strafbares Unrecht, was heute allgemein verneint wird. 234

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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aa) Theorie der goldenen Brücke Zu Zeiten des Reichsgerichts wurde darauf abgestellt, dass der Rücktrittsregelung die Funktion einer „goldenen Brücke“ zur Rückkehr in die Legalität zukomme.239 Die Entscheidung für das Rechtsgut und gegen die Vollendung solle nicht durch eine bestehenbleibende Versuchsstrafbarkeit behindert werden, weshalb der Täter straffrei werden müsse.240 Auch in den Beratungen vor der Verabschiedung des zweiten Strafrechtsreformgesetzes wurde vor allem die kriminalpolitische Theorie der goldenen Brücke thematisiert.241 Zurück geht diese Theorie auf Feuerbach, der bereits annahm, dass durch die Möglichkeit der Straffreiheit der Täter zur Umkehr bewegt werde.242 In der heutigen Rechtsprechung steht das vom gleichen kriminalpolitischen Gedanken getragene Motiv des Opferschutzes als entscheidender Grund der Privilegierung im Vordergrund.243 bb) Prämientheorie Die auf Bockelmann zurückzuführende244 sog. Prämientheorie – oder auch Gnadentheorie genannt – betrachtet die Wirkung des Rücktritts aus anderer Perspektive. Begründet wird die Straflosigkeit hierbei damit, dass der Täter die Schuld der Tat durch sein verdienstliches Handeln in gewissem Umfang aufwiege, die Straffreiheit infolge des Rücktritts also als eine Belohnung dieses Verhalten des Täters honoriere.245 cc) Zwischenergebnis Vorweggenommen ist festzustellen, dass die Ansicht Bockelmanns sich ausschließlich auf das Ziel bezieht: die Belohnung des Täters. Sie liefert aber keine Begründung dafür, warum diese erfolgen muss.246 Es handelt sich daher vielmehr um eine Beschreibung der Wirkungen der Straffreiheit und deren Voraussetzungen247 als um deren Begründung.248 Gleiches trifft auf die Theorie der goldenen Brücke zu. Sie reduziert den Rücktritt auf seine Folge und nimmt damit nicht ausreichend Bezug auf 239

RGSt 6, 341, 342; 63, 157, 159; 73, 52, 60. Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfe zu einem Gesetzbuche für die ChurPfalz-Bayrischen Staaten, S. 102. 241 Haas, ZStW 123 (2011), 226, 232. 242 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfe zu einem Gesetzbuche für die ChurPfalz-Bayrischen Staaten, S. 102. 243 BGHSt 35, 184, 185 ff.; 39, 221, 232. 244 Bockelmann, NJW 1955, 1417, 1420. 245 Bockelmann, NJW 1955, 1417, 1420. 246 Murmann, in: LK StGB, § 24 Rn. 12. 247 Murmann, in: LK StGB, § 24 Rn. 12; Bülte, ZStW 122 (2010), 550, 567. 248 Murmann, in: LK StGB, § 24 Rn. 12. 240

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

seinen Grund.249 Beide Ansichten sind bereits deshalb nicht in der Lage, den Rücktritt vollumfänglich zu erklären. Über diese grundsätzlichen Feststellungen hinausgehend lassen sich aber weitere gegen diese Ansichten sprechenden Argumente finden, die nicht zu entkräften sind: So konnte in der Praxis bisher auch nicht bewiesen werden, dass die Vorschrift des § 24 StGB regelmäßig zu einem effektiveren Schutz des Opfers führte.250 Ein Täter, der rational geleitet das Für und Wider seiner weiteren Handlung abwägt, ist realitätsfern. Zwar darf eine Kenntnis der strafmildernden Wirkung von Wiedergutmachungshandlungen als sozialmoralisch verankert gelten,251 dennoch kann dies nicht mit einer Kenntnis der vollständigen Straflosigkeit gleichgesetzt werden.252 Die Wirkung eines „Anreizes“ zur Umkehrleistung durch den Strafaufhebungsgrund ist nicht belegt. Die Prämientheorie und die Theorie der goldenen Brücke können die gesetzlichen Voraussetzungen des Rücktritts eigenständig nicht erklären. Bei der allein durch den Opferschutz motivierten Theorie der goldenen Brücke wird nicht verständlich, warum es bei dem Rücktritt auf eine freiwillige Handlung ankommt. Die Prämientheorie gerät in Schwierigkeiten, wenn es um die Erklärung von § 24 Abs. 1 S. 2 StGB geht, der ein ernsthaftes Bemühen ausreichen lässt. Darüber hinaus unterstellt sie dem Täter per se „edle“ Absichten und berücksichtigt nicht, dass die Freiwilligkeit nur einen autonomen Entschluss verlangt.253 Durch ihre generalisierende Betrachtung stehen beide Theorien im Gegensatz zur tatsächlichen Ausgestaltung des Rücktritts.254 b) Theorien mit Bezug zum Strafgrund des Versuchs Die bereits genannten Theorien sehen den Rücktritt isoliert vom Strafgrund des Versuchs. Die nun folgenden Theorien sehen einen Zusammenhang zwischen Versuch und Rücktritt. aa) Rechtstheorien Heute nicht mehr vertreten werden die früher zur Begründung der Straffreiheit herangezogenen „Rechtstheorien“. Unter anderem betrachtete Binding Rücktritt und Versuch als Ganzes und nahm an, dass durch den Rücktritt die Ursache des schäd249

Bülte, ZStW 122 (2010), 550, 565. Bülte, ZStW 122 (2010), 550, 566. 251 Greeve, Zielerreichung im Eventualversuch und andere Rücktrittsformen, S. 186 f., vgl. auch BGHSt 9, 48, 52. 252 Bülte, ZStW 122 (2010), 550, 565; a. A.: Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 24. 253 Roxin, in: Festschrift Heinitz, S. 251, 254. 254 Greeve, Zielerreichung im Eventualversuch und andere Rücktrittsformen, S. 188. 250

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lichen Erfolgs nicht nachweisbar sei.255 Im Rücktritt liege damit eine Annullierung des sich in der Übertretung des Strafgesetzes manifestierenden bösen Willens und der Rechtswidrigkeit der Handlung. Es entfalle das tatbestandsmäßige Unrecht. Der Bestrafung stehe damit ein zwingendes rechtliches Hindernis entgegen.256 Die „Rechtstheorien“ sind nicht nur deshalb abzulehnen, weil ihnen zufolge der Rücktritt die Tat generell aufheben müsste – d. h. auch mit Wirkung für einen etwaigen Beteiligten –,257 sondern auch, weil sie das tatsächliche Geschehen leugnen, indem sie seine Annullierung annehmen.258 bb) Einheitstheorien Erhalten bleibt die Strafbarkeit des Teilnehmers bei den sog. Einheitstheorien, die den Rücktritt auf der Ebene der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit berücksichtigen und diese nachträglich entfallen lassen.259 Dabei wird der Rücktritt und der Versuch als Gesamtheit betrachtet und diese normative Einheit als nicht strafwürdig bewertet. Der Rücktritt sei damit ein persönlicher Schuldaufhebungsgrund.260 Das überzeugt allerdings nicht. Die Situation des zurücktretenden Täters ist nicht vergleichbar mit derjenigen eines ohne Schuld Handelnden. Denn anders als in diesem Fall liegt mit dem Versuch bereits Unrecht vor und der Strafanspruch ist entstanden.261 Der Umstand, der später zur Nichtbestrafung führt, ist zu diesem Zeitpunkt – anders als bei anderen die Schuld tangierenden Umständen – noch nicht vorhanden.262 Nun ex post zu behaupten, der Strafanspruch sei gar nicht erst entstanden, ist bloße Fiktion.263 Es bleibt daher unklar, warum auf die einheitliche Betrachtung eine Straffreiheit folgt.264 Durch eine so ausgestaltete gesamtheitliche Betrachtung verwässern zudem die Konturen des Straftatbegriffs.265

255

Binding, GS, 1, 23 ff. Bspw. Zachariä, Die Lehre vom Versuche der Verbrechen. 2. Teil, S. 239. 257 Rudolphi, ZStW 85 (1973), 104, 120; Lang-Hinrichsen, JR 1968, 279; ders., in: Festschrift Engisch, S. 353, 370. 258 Bockelmann, NJW 1955, 1417, 1420. 259 Lang-Hinrichsen, JR 1968, 279. 260 Lang-Hinrichsen, in: Festschrift Engisch, S. 353, 370 ff.; ders., JR 1968, 27; Zaczyk, in: NK StGB, § 24 Rn. 5. 261 Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 4 f.; Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 5. 262 Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 3. 263 Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 4; Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 5. 264 Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 4. 265 Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 5. 256

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

cc) Schulderfüllungstheorie nach Herzberg Herzberg begründet die Straffreiheit nach einem erfolgten Rücktritt damit, dass der staatliche Anspruch primär auf den Schutz der Rechtsgüter gerichtet sei. Erst der staatliche Sekundäranspruch habe die Bestrafung des Täters zum Ziel, über welchen der Täter aber durch den Rücktritt disponieren könne.266 Mit dem Rücktritt erledige sich die bereits durch den Täter verwirklichte Schuld; der Täter erfülle seine Rechtspflicht, die mit Beginn des Versuchs geschaffene Schuld zu beseitigen.267 Unerklärt lässt Herzberg hierbei aber, warum sich die Schuld erledige. Hinter der Theorie lässt sich jedoch der Kompensationsgedanke vermuten,268 wobei die Primärschuld bei dieser Ansicht außer Betracht bleibt.269 Eine versuchsspezifische Erklärung liegt damit auch hier nicht vor. Viel eher werden letztlich die Strafzwecktheorien herangezogen, indem die Grenzen des Rücktrittsprivilegs durch Präventionsgesichtspunkte bestimmt werden.270 dd) Gefährdungsumkehr nach Jäger Jäger, der den Rücktritt als die dem Täter zurechenbare Gefährdungsumkehr sieht, orientiert sich bei der Ratio der Strafbefreiung am Kompensationsgedanken. Unrecht und Schuld des Versuchs bleiben nach seinem Verständnis vom Rücktritt unberührt.271 Der Täter müsse aber durch sein Verhalten die durch ihn geschaffene Gefährdung zurücknehmen.272 Könne er sie nicht zurücknehmen, weil die Gefährdung nach der letzten Ausführungshandlung objektiv nicht bestehe, müsse er die Umkehr versuchen.273 Diese Gefährdungsumkehr rechtfertige letztlich die Straffreiheit, der Rücktritt sei mithin als Strafbefreiungsgrund zu bezeichnen.274 Auch wenn der Gedanke der Gefährdungsumkehr im Grunde überzeugt, zeigen sich bei der uneingeschränkten Anwendung nach Jäger Widersprüche zum Gesetz. Für einen Rücktritt aufgrund eines ernsthaften Bemühens genügt gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 StGB, wenn der Erfolg nach dem ernsthaften Bemühen aus anderen Gründen nicht eintritt.275 Jäger stellt zur Beurteilung aber allein auf die letzte Ausführungshandlung ab. Ist die Gefahrrealisierung zu diesem Zeitpunkt noch möglich, kann ein ernsthaftes 266

Herzberg, NJW 1991, 1633, 1634; ders., NStZ 1990, 172. Herzberg, NJW 1991, 1633, 1634; ders., NStZ 1990, 172. 268 Haas, ZStW 123 (2011), 226, 238. 269 Bergmann, ZStW 100 (1988), 329, 337; Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 8. 270 Bergmann, ZStW 100 (1988), 329, 337; Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 8. 271 Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 126 f. 272 Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 62 ff. 273 Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 65 f. 274 Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 126 f. 275 Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 43 mit einem Beispiel. 267

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Bemühen nicht genügen, auch wenn die Gefahr später aus anderen Gründen ausbleibt. Dies entspricht nicht dem Wortlaut des Gesetzes. Zudem gerät Jägers Theorie in Konflikt mit der Strafbarkeit der konkreten und abstrakten Gefährdung. Bei den Gefährdungsdelikten tritt bereits mit der abstrakten oder konkreten Gefährdung die Vollendung ein. Legt man die Theorie Jägers zugrunde, könnte der Täter bei den Gefährdungsdelikten auch noch nach Vollendung zurücktreten. Damit müssten alle abstrakten Gefährdungsdelikte eine tätige Reue regeln.276 Dies steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht im Einklang mit den geltenden Normen. ee) Strafzwecktheorie Die wohl herrschende Meinung begründet die Straffreiheit des Täters bei einem Rücktritt mit den Strafzwecken.277 Im Falle eines Rücktritts sei eine Strafbarkeit des Täters nicht mehr über die Zwecke der Strafe zu rechtfertigen.278 Der Rücktritt sei daher als ein persönlicher Strafaufhebungsgrund einzuordnen.279 Die Begründung der Straffreiheit erfolgt dabei primär unter Bezugnahme präventiver Strafzwecke. Es entfalle sowohl generalpräventiv als auch spezialpräventiv das Bedürfnis, eine Strafe zu verhängen. Einige Vertreter stellen generalpräventive Aspekte in den Vordergrund und begründen die Straffreiheit hauptsächlich mit der Wirkung eines Rücktritts für die Allgemeinheit.280 Durch die Verhinderung des Erfolgsunrechts oder das Bemühen um eine solche, mache der Täter einen im Einklang mit dem Recht stehenden Willen gerade deutlich.281 Der sich durch den Versuch manifestierende rechtserschütternde Eindruck werde kompensiert. Der Rücktritt bestätige die Geltung der Strafnorm, sodass die Notwendigkeit der Strafe entfalle.282 Andere nehmen vorrangig spezialpräventive Erwägungen in den Blick283 und stellen darauf ab, dass der Täter sich selbst von der Tat distanziere, indem er freiwillig die Gefährdung des Rechtsguts beseitige.284 Durch sein Verhalten zeige der Täter eher sein besonderes Vertrauen in die Geltungskraft der Norm.285 Der Anspruch auf 276

Haas, ZStW 123 (2011), 226, 238. BGHSt 9, 48, 52; 14, 75, 80; Bottke, Methodik, S. 350; Eser/Bosch, in: Schönke/ Schröder StGB, § 24 Rn. 2b ff. 278 BGHSt 9, 48, 52; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 2b. 279 RGSt 72, 349, 350; ebenso BGHSt 7, 299; BGH, StV 1982, 1; Rengier, AT § 37 Rn. 1; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 4; Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 8 ff.; Bürger, ZJS 2015, 23. 280 Bergmann, ZStW 100 (1988), 329, 335; Bottke, Methodik, S. 568, 595 f. 281 Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 218. 282 Bottke, Methodik, S. 568. 283 Vgl. Bülte, ZStW 122 (2010), 550, 568 ff. 284 Vgl. dazu Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 6 m. w. N. 285 BGHSt 9, 48, 52; 14, 75, 80; Ceffinato, JR 2016, 620. 277

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Normgeltung sei daher in der Person des Täters und auch für die Gesamtgesellschaft wiederhergestellt.286 Gegen die auf präventiven Strafzwecken fußende Theorie werden verschiedene Argumente vorgebracht, die aber im Ergebnis nicht überzeugen können. So wird eingewandt, dass sie unter Bezugnahme ausschließlich präventiver Zwecksetzung nicht erklären könne, warum der Täter straflos werde, wenn er die weitere Ausführung der Tat nur verschiebe.287 Dieser Einwand verkennt aber, dass der Rücktritt an die konkrete Tat gebunden ist und daher ein Vorbehalt bezüglich künftiger Taten nicht entscheidend sein kann.288 Bereits die Distanzierung von der konkreten Tat führt zu einer generalpräventiven Wirkung. Auf den inneren – meist unspezifischen – Vorbehalt des Täters kann es nicht entscheidend ankommen. Dies gilt vor allem, weil der Täter zu der vorbehaltenen Tat noch nicht unmittelbar angesetzt hat, für die Allgemeinheit sein weiterführender Wille also gar nicht erkennbar ist. Des Weiteren wird dem Rücktritt die spezialpräventive Wirkung abgesprochen, da sich in ihm nicht notwendigerweise die Einstellung des Täters zur Tat zeige. Der Wille des Täters im Zeitpunkt des Versuchs sei ebenso stark, wie der Wille zu einer vollendeten Tat. Der Rücktritt werde oft nur durch zufällige äußere Umstände bedingt und könne von sehr unterschiedlichen Motiven getragen sein. Eine Besserung des Täters sei wegen eines Rücktritts daher nicht zu erkennen.289 Dabei wird aber übersehen, dass letztlich der Entschluss des Täters für das Ausbleiben des Erfolgs entscheidend ist.290 Er muss sich also entweder, trotz der Möglichkeit weiter zu handeln, von seiner Tat distanzieren und sie aufgeben, oder aber deren Vollendung verhindern, bzw. sich um die Verhinderung der Vollendung bemühen. Der Willensentschluss des Täters ist damit das entscheidende Kriterium. Letztlich erscheint es daher konsequent, die Straffreiheit des Täters spiegelbildlich zur Strafbegründung des Versuchs herzuleiten.291 Dafür sind die insoweit meist präventiv fokussierten Strafzwecktheorien aber zu ergänzen. Denn unter Zugrundelegung der heute herrschenden Vereinigungslehre sind sowohl präventive als auch repressive Strafzwecke zur Begründung der Strafe maßgeblich, gleiches muss daher für die Straffreiheit gelten. Im Gegensatz zu den präventiven Auswirkungen des Nachtatverhaltens werden die Folgen für den Vergeltungszweck der Strafe innerhalb dieser Ansicht nicht umfassend diskutiert und bleiben weitestgehend unklar. So stellen einige darauf ab, dass der absolute Strafzweck entfalle, weil in dem

286 BGHSt 9, 48, 52; 14, 75, 80; Kühl, StrafR AT, § 16 Rn. 5; Mitsch, in: Baumann/Weber/ Mitsch, § 27 Rn. 8. 287 Haas, ZStW 123 (2011), 226, 236. 288 Haas, ZStW 123 (2011), 226, 236. 289 Vgl. Jäger, Rücktritt als zurechenbare Gefährdungsumkehr, S. 6; Jeschek/Weigend, Strafrecht AT, § 51 I 4. 290 Lilie/Albrecht, in: LK12 StGB, § 24 Rn. 21 f. 291 Bottke, JZ 1994, 71, 73.

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Rücktritt der Ausgleich des verwirklichten Unrechts liege.292 Der vorherige Normbruch des Täters erscheine daher weniger dramatisch,293 oder wie Roxin es ausdrückt, in einem milderen Licht.294 Auch Murmann sieht seine Begründung der Straffreiheit primär auf absoluter Ebene.295 Er verlangt, dass der Täter eine personale Erklärung zum Bestand des Rechtsverhältnisses abgebe, die zur Wiederherstellung des Rechtszustands geeignet sei.296 Der Täter kehre mit der Aufgabe oder der Verhinderung der Vollendung dem Entschluss zum Unrecht den Rücken und trete somit wieder auf die Seite des Rechts.297 Unter Bezugnahme der absoluten Straftheorien kann auch ohne Probleme erklärt werden, warum, wie allgemein anerkannt,298 der Täter straflos wird, wenn er die weitere Ausführung der Tat nur verschiebt. Wie sich das Nachtatverhalten im Einzelnen auf das mit der Strafe verbundene Vergeltungsbedürfnis auswirkt, wird an späterer Stelle zu klären sein (vgl. im gleichen Abschnitt IV. 2. a)). Zunächst genügt hier die Feststellung, dass neben den präventiven Strafzwecken auch auf die repressiven Strafzwecke abzustellen ist, wenn es um die Begründung der strafbefreienden Wirkung des Rücktritts geht. Nur unter Bezugnahme aller Strafzwecke kann so die Straffreiheit systemkohärent erklärt werden. c) Ergebnis Isolierte Betrachtungen von Versuch und Rücktritt stellen lediglich eine Folgenbetrachtung dar, können aber den Grund der Privilegierung nicht erläutern. Letztlich spricht vieles dafür, Versuch und Rücktritt in einer Zusammenschau zu betrachten. Es muss stets präsent bleiben, warum der Versuch als solcher zu bestrafen ist. Dies wird von der vorzugswürdigen Strafzwecktheorie gewährleistet, gegen die sich keine tragenden Argumente finden lassen. Die Strafzwecktheorie kann den Versuch und den Rücktritt einheitlich und konsistent erklären. Bereits die Begründung der Strafbarkeit des Versuchs hat sowohl eine Vergeltungs- als auch eine Präventionsebene und zielt damit auf Strafzwecke ab. So ist Strafgrund des Versuchs nach der objektiv-subjektiven Theorie die äußere Manifestation des rechtsfeindlichen Willens sowie der mit diesem verbundene rechtserschütternde Eindruck. Der Definitionsansatz stellt zum einen mit der äußeren Manifestation des rechtsfeindlichen Willens auf das verwirklichte Unrecht ab, zum anderen nimmt er mit der Inbezugnahme des rechtserschütternden Eindrucks präventive Strafzwecke in den

292 293 294 295 296 297 298

Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 27 Rn. 8. Streng, ZStW 101 (1989), 273, 326. Roxin, Strafrecht AT II, § 30 Rn. 29. Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 28, 32. Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 28, 32. Köhler, Strafrecht AT, S. 469 f.; Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 28, 32. Vgl. etwa Cornelius, in: BeckOK StGB, § 24 Rn. 45.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Blick. Mit der Strafe soll dieses beschriebene Unrecht kompensiert und generalsowie spezialpräventiv auf den Täter eingewirkt werden. Die Strafzwecktheorie greift diese Komponenten für die Erklärung des Rücktritts auf und erarbeitet auf ihnen fußend eine Begründung. Durch den Rücktritt werden die Strafzwecke des Versuchs dergestalt umgekehrt,299 dass eine Bestrafung nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Dies gilt sowohl für die general- und spezialpräventiven als auch die repressiven Strafzwecke. Die Strafzwecktheorie steht im Einklang mit der übrigen Dogmatik; Friktionen zur lediglich limitiert akzessorischen Teilnahmestrafbarkeit, wie bei den „Rechtstheorien“, bestehen nicht. Im Gegensatz zu den Einheitstheorien steht sie im Einklang mit dem heutigen Begriff der Straftat. Auch die gegen die Theorien von Herzberg oder Jäger erhobenen Einwände tangieren sie nicht. Vielmehr liefert sie eine schlüssige Erklärung des Rücktrittsprivilegs. Neben den Strafzwecken spielt der Opferschutz als Ziel des Rücktritts eine wesentliche Rolle. Mit dem Opferschutzgedanken kann zwar isoliert keine Begründung des Rücktrittsprivilegs gefunden werden, wohl aber in Zusammenschau mit anderen Kriterien. Die Strafzwecktheorie ist um diesen Aspekt zu ergänzen. Wirksamkeit findet der Opferschutz auf präventiver Ebene. 3. Voraussetzung des § 24 StGB § 24 Abs. 1 StGB regelt die Voraussetzungen des Rücktritts des Einzeltäters, während Abs. 2 den Rücktritt bei mehreren Beteiligten regelt. Dieser soll vorliegend aber außer Betracht gelassen werden. Die Regelungen der tätigen Reue erfassen regelmäßig nur den Einzeltäter, sodass dem Rücktritt bei mehreren Beteiligten keine vergleichbare Bedeutung in dieser Hinsicht zukommt. Der Rücktritt des Einzeltäters kann in drei Formen gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 1. Alt und 2. Alt sowie Abs. 1 S. 2 StGB erfolgen. Voraussetzung aller Varianten ist, dass der Versuch als solcher nach Vorstellung des Täters nicht bereits fehlgeschlagen ist, denn alle Varianten des Rücktritts setzen voraus, dass der Täter die Vollendung der Tat noch für möglich hält.300 a) § 24 Abs. 1 S. 1 StGB Bei einem Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB differenziert der Gesetzgeber danach, ob der Täter die versuchte Tat für beendet oder unbeendet hält. Ein unbeendeter Versuch liegt nach allgemeiner Meinung vor, wenn der Täter davon ausgeht, noch keine Ausführungshandlung vorgenommen zu haben, die dazu geeignet ist, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen.301 Aus Sicht des Täters wird es daher nicht zur Tatbestandsverwirklichung kommen, sodass bereits die Aufgabe der Tat als 299

So auch Streng, ZStW 101 (1989), S. 273, 323. Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 52. 301 BGHSt 4, 180, 181; 14, 75, 79; 22, 176, 177, 330, 331; 31, 46, 48, 170, 171; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 13 m. w. N. 300

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honorierbare Rücktrittsleistung anzuerkennen ist. Bei einem beendeten Versuch geht der Täter davon aus, dass er bereits alles Erforderliche getan hat, damit der Erfolg eintreten kann. Aus diesem Grunde ist als Umkehrleistung ein bewusstes und gewolltes Unterbrechen der in Gang gesetzten Kausalkette erforderlich.302 Der Nichteintritt des Vollendungserfolgs muss gerade durch das aktive Handeln des Täters hervorgerufen werden.303 Dafür muss der Täter das aus seiner Sicht zur Erfolgsabwendung Erforderliche tun.304 Die strafausschließende Wirkung des Rücktritts, sowohl vom beendeten als auch vom unbeendeten Versuch, ist von der Freiwilligkeit der Rücktrittshandlung abhängig. Die Freiwilligkeit wird nach herrschender Auffassung „psychologisch“305 betrachtet. Sie soll solange vorhanden sein, wie der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ ist und die Erfüllung seines Verbrechensplans noch für möglich hält,306 die Entscheidung gegen die weitere Ausführung der Tat also nicht durch äußere Umstände bedingt oder situationsabhängig gewesen ist.307 Freiwilligkeit liegt nicht vor, wenn die Vollendung der Tat dem Täter objektiv oder subjektiv nicht mehr möglich ist.308 b) § 24 Abs. 1 S. 2 StGB Bleibt die Tat ohne Zutun des Täters unvollendet, weil ihr Versuch ohnehin objektiv untauglich oder fehlgeschlagen war oder weil andere Retter die Vollendung verhindern, so kann der Täter, wenn er dies nicht erkennt, durch freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung Straffreiheit erlangen (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB). Voraussetzung ist damit, dass der Erfolg nicht oder nicht in dem Täter zurechenbarer Weise eingetreten ist und der Täter sich um Erfolgsverhinderung bemüht hat, also ein nach seiner Vorstellung zur Verhinderung taugliches Verhalten geübt hat.309 Es genügt nicht jedes irgendwie geartete Bemühen.310 Dieses Verhalten 302

BGH, NJW 1989, 2068 m. w. N. Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 59 ff. 304 Vgl. etwa Zaczyk, in: NK StGB, § 24 Rn. 61; Fischer, § 24 Rn. 35. Ob darüber hinaus das beste Mittel und damit die optimalen Rettungsmöglichkeiten entfaltet werden müssen, ist umstritten, vgl. zum Streitstand Zaczyk, in: NK StGB, § 24 Rn. 58 ff.; Fischer, § 24 Rn. 32 ff. sowie Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 126 ff. 305 BGHSt 7, 296; 9, 48; 21, 216; 35, 184; BGH, JZ 88, 518 f. Im Weiteren wird noch eine normativierende Betrachtung vertreten, die darauf abstellt, dass der Rücktritt Ausdruck des Willens zur Normbefolgung sein müsse und der Täter so seine Abkehr von der Verbrechervernunft zeigen solle, so etwa Roxin, in: Festschrift Heinitz, S. 251 ff., 266, vgl. auch Bockelmann, NJW 1955, 1417, 1421. 306 BGHSt 7, 296, 299; 21, 216; BGH, NStZ 1998, 510; NStZ 2005, 151. 307 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 44. 308 BGHSt 7, 296, 299; 35, 184, 186; BGH, NStZ 2007, 399, 400; NStZ 1999, 395; NStZ 1993, 279. 309 BayObLG, NStZ-RR 1997, 6. 310 BGHSt 33, 295, 302; 31, 46, 50. 303

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muss subjektiv freiwillig und ernsthaft311 sein. Bei der Freiwilligkeit ist auch hier zu beachten, dass diese regelmäßig nur solange vorliegt, wie der Täter noch an die Vollendbarkeit seines Versuchs glaubt.312 4. Folgen der Anwendung Liegt ein Rücktrittsverhalten des Täters vor, das den Voraussetzungen des § 24 StGB genügt, so wird der Täter wegen der versuchten Tat nicht bestraft. Aus dem Wortlaut der Norm folgt daher bereits, dass die durch den Versuch dem Grunde nach entstandene Strafbarkeit endet.313 Nach herrschender Strafzwecktheorie ist der Rücktritt als persönlicher Strafaufhebungsgrund zu begreifen.314 Der Rücktritt hat dabei eine spezial- und generalpräventive Wirkung und tangiert das Vergeltungsbedürfnis der Strafe. Dem Grunde nach handelt es sich daher um eine Strafbemessungsvorschrift, die einen Spezialfall zu § 46 StGB darstellt.315

II. Auf Strafzumessungsebene Auf Strafzumessungsebene kann das Verhalten des Täters unmittelbar nach der Vollendung der Tat in verschiedener Weise Berücksichtigung finden. Im Folgenden soll nur auf solche Vorschriften eingegangen werden, die ausdrücklich auf das tatsächliche Verhalten nach der Tat Bezug nehmen. Die Normen, die lediglich eine Prognose über etwaiges Nachtatverhalten verlangen,316 bleiben außer Betracht. Bei diesen Normen steht ein zukünftiges Verhalten im Fokus, das keinen wiedergutmachenden, auf die konkrete Tat bezogenen Umkehrcharakter hat. Für das Zwischenziel der Untersuchung, die Beschreibung der tätigen Reue, ist dieses zu prognostizierende Verhalten irrelevant. Zentral ist damit, wie bereits erläutert, § 46 Abs. 2 S. 2 StGB, der die Grundsätze der Strafzumessung regelt. Erfolgt das Verhalten des Täters nicht unmittelbar nach der Tat, sondern in einem zeitlich größeren Abstand zu dieser, kann es vor der Eröffnung der Hauptverhandlung im Rahmen von § 46b StGB, als Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten, erfasst werden. Bis zum Abschluss der 311

Vgl. zur Ernsthaftigkeit BGH, NStZ 2012, 28, NStZ-RR 2010, 276 f. Vgl. BGH, NJW 1969, 1073. 313 Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 6 f. 314 RGSt 72, 349, 350; ebenso BGHSt 7, 299; BGH, StV 1982, 1; Rengier, AT § 37 Rn. 1; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 4; Bürger, ZJS 2015, 23. 315 Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 6 f. 316 Gemeint sind solche Normen, die auf einer Prognose hinsichtlich des Verhaltens des Täters beruhen und dieses nicht als sicher voraussetzen. So etwa § 56 StGB, der voraussetzt, dass der Täter sich die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Auch hier wird auf Nachtatverhalten abgestellt, dieses ist aber indes noch nicht sicher. 312

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Hauptverhandlung in gleicher Sache ist an den Täter-Opfer-Ausgleich, § 46a StGB, zu denken. 1. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB Die Strafzumessung, die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat durch den Richter,317 wurde erst 1969 gesetzlich geregelt,318 zuvor war die Strafzumessungspraxis von Maßstäben der einzelnen Richter und Zufälligkeiten geprägt.319 Dieser Zustand wurde durch die Bestimmung von Strafzumessungsfaktoren behoben, sodass Rechtsfolgen vergleichbarer ausfallen können. Grundlage für die Strafzumessung ist die Schwere der Tat, die persönliche Schuld des Täters sowie die Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung.320 Einzelne Strafzumessungsfaktoren werden im Katalog in Abs. 2 S. 2 genannt, welcher allerdings nicht abschließend ist. Ausdrücklich findet sich hier auch die Einbeziehung des Nachtatverhaltens als relevante Strafzumessungserwägung. Auch im Zeitraum vor der gesetzlichen Regelung wurde das Nachtatverhalten bereits als Milderungsgrund anerkannt.321 a) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Norm § 46 Abs. 2 S. 2 StGB erfasst sämtliches Verhalten von der Vollendung der Tat bis zum Ende der Hauptverhandlung.322 Einfluss auf die Strafzumessung kann daher auch das Prozessverhalten des Täters haben. So soll berücksichtigt werden, wenn der Täter dem Opfer eine Aussage vor Gericht durch ein vollumfängliches Geständnis erspart.323 Nachtatverhalten kann, nach dem Gesetzeswortlaut, insbesondere für die Strafzumessung relevant werden, wenn sich der Täter bemüht, den eingetretenen materiellen oder immateriellen Schaden wiedergutzumachen, oder einen Ausgleich mit dem Verletzten sucht. Es genügt hier bereits ein Versuch um eine Wiedergutmachung, ihr Erfolg ist nicht zwingende Voraussetzung für die Berücksichtigung bei der Strafzumessung.324 Voraussetzung ist allerdings, dass der Schadensausgleich freiwillig erfolgt.325

317

von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, § 46 Rn. 1. BGBl. 1969 I, S. 645 ff. 319 Vgl. hierzu Streng, in: NK StGB, § 46 Rn. 2 ff. 320 BGH, NStZ 1981, 389. 321 OLG Köln, NJW 1958, 2078, 2079. 322 Fischer, § 46 Rn. 47 ff. 323 Fischer, § 46 Rn. 50; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46 Rn. 41b; Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 317 f.; Meier, GA 2015, 443, 451. 324 Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 322. 325 Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46 Rn. 40. 318

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

b) Folgen der Anwendung § 46 Abs. 2 S. 2 StGB ist als Milderungsgrund zu verstehen, durch den sich ein Bekenntnis zur Rechtsordnung zeigt, sodass die Tat in ersichtlicher Weise nicht auf permanenter Rechtsfeindschaft beruht.326 Aus diesem Grund wirkt sich die Wiedergutmachung hier in jedem Fall auf die präventiven Strafzwecke aus.327 Ob darüber hinaus auch die Schuld des Täters tangiert wird, wird nicht einstimmig beantwortet. Vertreten wird zum Teil die Ansicht, dass die wiedergutmachende Handlung zumindest Schlüsse auf die Person des Täters und seine persönliche Schuld zulasse.328 2. Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a StGB § 46a StGB ist erst im Jahr 1994 in Kraft getreten,329 um einen dem Rechtsfrieden dienenden Ausgleich zwischen Täter und Opfer zu fördern.330 Prägend für den TäterOpfer-Ausgleich ist dessen interpersoneller Interaktionszusammenhang, der den Konflikt zwischen Täter und Opfer vermitteln soll.331 Die Norm regelt zwei auf Strafzumessungsebene nebeneinanderstehende Fallgruppen, den Täter-Opfer-Ausgleich (Nr. 1) und die Schadenswiedergutmachung (Nr. 2). Das Verhältnis der beiden Alternativen ist ebenso wie ihr jeweiliger Anwendungsbereich noch nicht abschließend geklärt.332 a) Anwendungsbereich der Norm Da die Norm einen Ausgleich mit dem Verletzten bzw. eine Wiedergutmachung des Schadens fordert, liegt es nahe, dass sie nur bei vollendeten Delikten Anwendung findet. Dennoch kann auch die versuchte Tat die persönliche Integrität des Opfers tangieren und immaterielle Schäden anrichten.333 Daher wird überwiegend angenommen, dass auch diese einem Täter-Opfer-Ausgleich zugänglich ist, sofern es eine materielle oder immaterielle Schadensfolge gibt.334 Auch eine Anwendungsbeschränkung der einzelnen Absätze hinsichtlich bestimmter Deliktsarten überzeugt nicht. So wird teilweise vertreten, dass Nr. 1 Anwendung bei Delikten gegen die 326

Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 208. Schäfer/Sander/van Gemmeren, in: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 641. 328 Streng, ZStW 101 (1989), 273, 326 f.; Meier, GA 2015, 443, 446 f.; Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 200; BGHSt 1, 105, 106; BGH, MDR 1954, 693. 329 BGBl. 2014 I, S. 3186. 330 BT-Drs. 12/6853, S. 21. 331 Kilchling, NStZ 1996, 309, 310. 332 Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46a Rn. 1; Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 10; Schneider, in: LK StGB, § 46a Rn. 19. 333 Schneider, in: LK StGB, § 46a Rn. 11. 334 Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 7; Schneider, in: LK StGB, § 46a Rn. 15 m. w. N. 327

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Person findet, während Nr. 2 bei den Vermögens- oder Eigentumsdelikten in Betracht kommt.335 Eine solche Einteilung ergibt sich allerdings weder aus dem Gesetz – noch ist sie frei von Widersprüchen. Ansonsten könnte stets bei den regelmäßig schwerwiegenderen Taten gegen die Person ein Bemühen zum Ausgleich ausreichen, während bei den im Unrecht typischerweise weniger schwerwiegenden Delikten gegen Eigentum und Vermögen eine vollendete Wiedergutmachung zu fordern wäre.336 Darüber hinaus ist der personelle Anwendungsbereich in verschiedener Hinsicht umstritten. Weniger relevant für die vorliegende Untersuchung ist der Streit um die Anwendbarkeit von Nr. 1 in Fällen, in denen juristische Personen Geschädigte sind.337 Ein genereller Ausschluss der Anwendbarkeit unter Hinweis auf den an die natürliche Person gebundenen Kommunikationsprozess kann aber vor dem Hintergrund einer unbilligen Schlechterstellung des Täters nicht erfolgen.338 Für diese Arbeit wesentlicher ist die Frage, inwiefern § 46a StGB bei Taten gegen Kollektivrechtsgüter, wie sie das Wirtschaftsstrafrecht kennzeichnen, anwendbar ist. Mit Verweis auf den erforderlichen Kommunikationsprozess wird dies für Nr. 1 allgemein verneint.339 Auch Nr. 2 wird bei Kollektivrechtsgütern überwiegend für nicht anwendbar gehalten. Die bei solchen Taten verwirklichte Gefährdung der Allgemeinheit könne nicht mehr ausgeglichen werden.340 Daher könne nur eine symbolische Wiedergutmachung stattfinden.341 Dies sei konstruiert und könne mit Verweis auf § 46 Abs. 2 StGB nicht überzeugen.342 Insoweit ist der herrschenden Ansicht zuzustimmen. Ihr zufolge soll die Anwendbarkeit von § 46a StGB aber auch ausgeschlossen sein, wenn die Tat gleichzeitig Individualrechtsgüter verletzt habe.343 Gegen eine gänzliche Herausnahme der gegen die Allgemeinheit gerichteten Delikte 335 BGH, NJW 2013, 483, 484; NStZ 1995, 492; BVerfG, NJW 2003, 740; Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 3; Schädler, NStZ 2005, 366, 367. 336 BGH, NJW 2001, 2557; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46a Rn. 1. 337 BGH, NStZ 2015, 263; Streng, in: NK StGB, § 46a Rn. 36; Kinzig, in: Schönke/ Schröder StGB, § 46a Rn. 4a; Fischer, § 46a Rn. 8; König, Anm. zu BGH v. 25. 5. 2001 – 2 StR 78/01, JR 2002, 251, 254; Meier, JuS 1996, 436, 440; a. A.: Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 6, der von einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung ausgeht, wenn juristische Personen nicht in den Anwendungsbereich der Regelung fallen würden. Weitergehend auch BGH, NStZ 2000, 205. Jedenfalls im Fall der Steuerhinterziehung kann dies nicht überzeugen. Hier wird die Schlechterstellung durch die Anwendung der Selbstanzeige vermieden (BGH, NStZ 2001, 201). 338 Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 6. 339 BGH, NJW 2015, 500; Meier, JuS 1996, 436, 439 f.; Streng, in: NK StGB, § 46a Rn. 10. 340 Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 3. 341 Dölling, JZ 1992, 493, 499, der diese für ausreichend und die Norm damit auch bei Kollektivrechtsgütern für anwendbar hält. 342 Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 3; BGH, NStZ 2015, 263; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, § 46a Rn. 14 f.; a. A. BGH, NStZ 2000, 205; Theune, in: LK12 StGB, § 46 Rn. 26 ff. m. w. N. 343 Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 3.

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aus dem Anwendungsbereich des Täter-Opfer-Ausgleichs lassen sich aber Friktionen bei der Verwirklichung mehrerer Gesetzesverstöße anführen.344 Es erscheint unbillig, einem Täter, der neben dem Individualrechtsgut ein Kollektivrechtsgut tangiert, den Weg über den Täter-Opfer-Ausgleich zu versagen. Der Täter-OpferAusgleich bzw. die Schadenswiedergutmachung ist immer dann zuzulassen, wenn neben der abstrakten Gefährdung für ein Kollektivrechtsgut eine konkrete Gefährdung oder Verletzung des Individualrechtsguts bestand. b) Voraussetzung der Norm Nr. 1 verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt. Nr. 2 greift hingegen, wenn der Täter in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt. Beide Alternativen der Norm müssen freiwillig erfüllt werden, eine zwangsweise erfolgte Wiedergutmachung genügt nicht.345 Dies bedeutet, dass der Täter eine eigene Entscheidung zum Aktiv-Werden treffen muss.346 c) Folgen der Anwendung Ist § 46a StGB einschlägig, führt der vertypte Milderungsgrund zur Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB oder bei einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer gleichwertigen Geldstrafe zu einem Absehen von der Strafe. Wird die Strafe gemäß §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB gemildert, kann bis zur Grenze des Doppelverwertungsverbots aus § 46 Abs. 3 StGB die Wiedergutmachungsleistung nochmals strafmildernd wirken.347 Als Begründung für die Strafmilderung bzw. das Absehen von Strafe werden in der Hauptsache präventive Gründe bemüht.348 Dabei wird insbesondere die spezialpräventive Einwirkung auf den Täter in den Vordergrund gestellt. Ihm werde durch den Täter-Opfer Ausgleich das Unrecht seiner Tat vor Augen geführt und so die Neutralisierung und Verdrängung der Tat verhindert.349 Zudem wird die 344 Theune, in: LK12 StGB, § 46 Rn. 29, der aber zugibt, dass widersprüchliche Ergebnisse in der Regel durch die Flexibilität des Strafzumessungsrechts (Annahme eines msF oder b. s. F.) oder aber die Einstellungsmöglichkeiten der § 153/§153a StPO vermieden werden können. Schneider, LK StGB, § 46 Rn. 12, erkennt dies zwar, hält die Lösung aber nicht für mit dem gesetzgeberischen Konzept vereinbar. 345 Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46a Rn. 1. 346 Streng, in: NK StGB, § 46a Rn. 11. 347 Streng, in: NK StGB, § 46a Rn. 21 f. 348 Dölling, JZ 1992, 493, 494. 349 Dölling, JZ 1992, 493, 494.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Schuldrelevanz des Verhaltens diskutiert, weil der Täter durch die Wiedergutmachung Verantwortung übernimmt und einen Ausgleich der Unrechtsfolgen erbringt.350 3. Hilfe zur Aufklärung schwerer Straftaten, § 46b StGB § 46b StGB wurde im Jahr 2009 in das StGB aufgenommen.351 Ziel dieser sog. Kronzeugenregelung ist es, einen Anreiz für Straftäter zur Kooperation zu schaffen, und auf diese Weise die Aufklärung (Abs. 1 Nr. 1) oder Prävention (Abs. 1 Nr. 2) weiterer Katalogtaten des § 100a Abs. 2 StPO zu ermöglichen. Die Aufnahme der Norm ins Strafgesetzbuch dient der Aufgabe des Staates, schwere Straftaten aufzuklären und zu verhindern. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Norm das Aufbrechen abgeschotteter Strukturen ermöglichen, eine Wissensoffenbarung erleichtern und durch das mit dieser verbundene Entdeckungsrisiko eine abschreckende Wirkung erzielen.352 a) Anwendungsbereich der Norm Anwendbar ist die Vorschrift vor der Eröffnung des Hauptverfahrens353 gegen den Täter, § 46b Abs. 3 StGB. Mit der Kenntnis der Eröffnung des Hauptverfahrens, welche regelmäßig durch die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses eintritt, ist die Anwendung der Vorschrift präkludiert.354 Ein danach erfolgtes Verhalten kann aber im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) Berücksichtigung finden.355 Sowohl Nr. 1, die Aufklärungshilfe, als auch die Nr. 2, die Präventionshilfe, setzen voraus, dass dem Täter eine Straftat vorgeworfen wird, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Ausgenommen vom Anwendungsbereich der Norm sind daher Taten der einfachen Kriminalität, bei denen dann auf die allgemeine Regelung des § 46 Abs. 2 StGB oder §§ 153 ff. StPO zurückzugreifen ist.356 Für die Feststellung des erhöhten Mindestmaßes werden dem Gesetzeswortlaut nach Schärfungen für besonders schwere Fälle berücksichtigt, nicht aber Milderungen.

350

Dölling, JZ 1992, 493, 494. BGBl. 2009 I, S. 2288. 352 BT-Drs. 16/6268, S. 11. 353 BGH, NJW 2011, 2529; Fischer, StGB, § 46b Rn. 21 ff.; krit. BT-Drucks. 16/6268, S. 19. 354 Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46b Rn. 20. 355 BGHSt 56, 191, BGH, NStZ-RR 2016, 143; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46b Rn. 21. 356 BT-Drs. 16/6268, S. 10. 351

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

b) Voraussetzungen der Norm Zur Leistung von Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB ist erforderlich, dass der Täter durch freiwilliges Offenbaren von Wissen wesentlich zur Aufdeckung der Tat beigetragen hat.357 Für die Präventionshilfe wird vorausgesetzt, dass der Täter sein Wissen freiwillig so rechtzeitig offenbart hat, dass eine entsprechende Tat noch verhindert werden kann; ob die Verhinderung der Tat letztlich gelingt, ist unerheblich.358 Die aufzuklärende oder zu verhindernde Tat muss mit dieser Tat des Täters im Zusammenhang stehen, also dem gleichen kriminellen Gesamtgeschehen entspringen,359 und aus dem Katalog des § 100a Abs. 2 StPO entstammen. An die geforderte Freiwilligkeit der Aufklärungs- oder Präventionshilfe sind angesichts der typischen Zwangslage unter der Drohung bevorstehender Bestrafung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.360 c) Folgen der Anwendung Rechtsfolge der Anwendung ist entweder eine fakultative Strafmilderung oder das Absehen von Strafe.361 Das Gericht kann von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts. Im Gegensatz zu den übrigen Normen, die Nachtatverhalten privilegieren, wird hier vorrangig die Schuldrelevanz der Norm diskutiert. Durch die Regelung soll die schuldangemessene Strafe unterschritten werden können.362 Dies wird damit gerechtfertigt, dass durch die Voraussetzung des Zusammenhangs zwischen der Tat des Täters und der aufzuklärenden oder zu verhindernden Tat die Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens gegeben sei und das Maß des Vorwurfs reduziert werde.363

III. Prozessuale Berücksichtigung Die Berücksichtigung der wiedergutmachenden Leistung auf der prozessualen Ebene sehen §§ 153, 153a StPO vor. Sie ermöglichen, das Verfahren im Anschluss an eine solche wiedergutmachende Leistung einzustellen. Ausdrücklich wird die 357 Streng, in: NK StGB, § 46b Rn. 8 f.; Maier, in: MüKo StGB, § 46b Rn. 12 ff.; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46b Rn. 9 ff. 358 Streng, in: NK StGB, § 46b Rn. 10; Maier, in: MüKo StGB, § 46b Rn. 135 ff.; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46b Rn. 15. 359 Streng, in: NK StGB, § 46b Rn. 8. 360 Streng, in: NK StGB, § 46b Rn. 8; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46b Rn. 11. 361 Bedenken zu dieser Ausgestaltung bei Salditt, StV 2009, 375, 376. 362 BGH, BeckRS 2014, 10212 unter Hinweis auf BT-Drs. 17/9695, S. 6. 363 BT-Drs. 17/9695, S. 6; BGH, BeckRS 2014, 10212.

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Wiedergutmachungsleistung bei § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 5 StPO durch die Schadenswiedergutmachung und die Auflage, sich ernsthaft um einen Ausgleich mit dem Verletzten zu bemühen, im Gesetzestext genannt. Deshalb soll nur auf diese Norm eingegangen werden. 1. § 153a StPO § 153a StPO wurde 1974 in die Strafprozessordnung eingeführt364 und steht für einen damals neuartigen Verfahrenstyp, der die traditionellen Begrenzungen des Legalitätsprinzips ergänzt.365 Sinn und Zweck der Vorschrift war es ursprünglich, eine Möglichkeit zu schaffen, von der Verfolgung im Bagatellbereich abzusehen und so Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden für die mittlere und schwere Kriminalität zu schaffen.366 a) Anwendungsbereich der Norm Lediglich bei Vergehen kann das Erfordernis zu strafen durch eine Auflage oder Weisung im Sinne des § 153a StPO entfallen. Zudem darf die Schwere der Schuld der Anwendung nicht entgegenstehen. § 153a StPO verlangt anders als § 153 StPO nicht, dass die Schuld als gering anzusehen ist, sodass auch gewichtigere Fälle von Vergehen für eine Anwendung der Norm in Betracht kommen.367 Damit wird die Vorschrift in Fällen der mittleren Kriminalität angewandt, wobei ihre zunehmende Anwendung im Wirtschaftsstrafrecht zu beobachten ist.368 Typische Fälle sind nicht allzu schwerwiegende Eigentums- und Vermögensdelikte.369 Grenze der Anwendbarkeit ist die nicht mehr bewährungsfähige Strafe.370 b) Voraussetzungen der Norm Voraussetzung der Vorschrift ist zunächst der hinreichende Tatverdacht für ein Vergehen. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit der Verurteilung – die Anklagereife der Tat – bestehen.371 Aufgrund dieses Verdachts ist die hypothetische Schuld zu bestimmen. Diese darf der Anwendung nicht entgegenstehen. Mit der Schuld im Sinne der Norm kann nach herrschender Meinung nur die Strafzumessungsschuld 364 365 366 367

Rn. 7. 368 369 370 371

BT-Drs. 7, S. 550 f. Mavany, in: LR StPO, § 153a Rn. 1. Mavany, in: LR StPO, § 153a Rn. 3. Peters, in: MüKo StPO, § 153a, Rn. 12; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, § 153a Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, § 153a Rn. 1. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, § 153a Rn. 7. Scheinfeld, in: Festschrift Herzberg, S. 841, 852. Peters, in: MüKo StPO, § 153 Rn. 8.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

gemeint sein,372 da es bei der Feststellung der Schwere der Schuld um eine Graduierung von Schuld geht.373 Ihrer Bemessung sind die aus § 46 StGB bekannten Kriterien zugrunde zu legen.374 Durch das Nachtatverhalten in Form der Erfüllung von Auflagen und Weisungen muss das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt werden können. Das öffentliche Interesse ist zu bejahen, wenn aus spezial- oder generalpräventiven Gründen eine Fortsetzung des Verfahrens unabdingbar ist.375 Damit erfasst das öffentliche Interesse unstreitig die präventiven Strafzwecke.376 Erfolgt die Einstellung gegen Auflagen und Weisungen vor der Eröffnung des Hauptverfahrens auf Initiative der Staatsanwaltschaft, ist die Zustimmung des Beschuldigten und auch die des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts erforderlich. Wird nach Erhebung der Anklage eine Einstellung gemäß § 153a StPO erwogen, so kann das Gericht diese unter Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten durchführen. c) Folgen der Anwendung Mit der Auferlegung der Auflagen oder Weisungen stellt die Staatsanwaltschaft oder nach Erhebung der öffentlichen Klage das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig ein.377 Damit entsteht ein bedingtes Verfahrenshindernis. Dieses hindert die Fortsetzung des Verfahrens und die Einleitung eines anderen Verfahrens gegen denselben Beschuldigten wegen derselben Tat, sofern nicht der Vorwurf eines Verbrechens begründet ist. Sobald der Beschuldigte die ihm auferlegten Pflichten vollständig erfüllt hat, entsteht ein endgültiges Verfahrenshindernis. Die Anwendung der Vorschrift lässt die Unschuldsvermutung unberührt.378 Nach dem Wortlaut der Vorschrift führt die Erfüllung der Auflagen und Weisungen dazu, dass das öffentliche Interesse an der Verfolgung der Tat entfällt. Es soll dabei darauf abgestellt werden, dass eine Kompensation in gleicher Weise erfolgt, wie sie auch beim regulären Verfahrensgang eingetreten wäre.379 Die Vorschrift antizipiert damit die komplexe Abwägung und umfassende Bewertung präventiver

372 Mavany, in: LR StPO, § 153 Rn. 25; Peters, in: MüKo StPO, § 153 Rn. 18; Fezer, ZStW 106 (1994), 1, 28; vgl. zur Unterscheidung von Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld im gleichen Abschnitt, B. IV. 2. a). 373 Brauns, Wiedergutmachung, S. 120. 374 Mavany, in: LR StPO, § 153 Rn. 25; Peters, in: MüKo, § 153, Rn. 18. 375 Mavany, in: LR StPO, § 153 Rn. 29 f. m. w. N. 376 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, § 153a Rn. 13. 377 Beukelmann, in: BeckOK StPO, § 153a Rn. 54. 378 BVerfG, MDR 1991, 891; NStZ-RR 1996, 168; OLG Frankfurt, NJW 1996, 3353, 3354. 379 Peters, in: MüKo StPO, § 153a Rn. 10.

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Gesichtspunkte, die ansonsten auf Ebene der Strafzumessung erfolgen würde.380 Im Weiteren stellt sich aber die Frage, inwiefern die Erfüllung von Auflagen und Weisungen den Vergeltungszweck der Strafe berührt. Denn legt man zugrunde, dass die Begehung der Tat überwiegend wahrscheinlich ist, wie es der hinreichende Tatverdacht verlangt, scheint ein bloßes Abstellen auf präventive Gesichtspunkte nicht ausreichend. Wird mit der herrschenden Meinung davon ausgegangen, dass § 153a StPO mit der Schuld die Strafzumessungsschuld meint, scheint eine Auswirkung, so Brauns, nicht unwahrscheinlich.381

IV. Nachtatverhalten und Strafe Die Untersuchung der Normen zeigt Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten der Regelungen des Nachtatverhaltens auf. Bevor im Folgenden die Wirkung der einzelnen Normen unter Berücksichtigung der Strafzwecke genauer betrachtet wird, soll der Frage nachgegangen werden, ob sich allgemeingültige Voraussetzungen für privilegierendes Nachtatverhalten definieren lassen. 1. Gemeinsame Voraussetzungen des Nachtatverhaltens Zunächst ist festzustellen, dass zwischen den Voraussetzungen der §§ 46, 46a StGB und des § 153a StPO große Ähnlichkeit besteht. Maßgeblich hierfür ist sicherlich die historische Entwicklung der Regelungen. § 46a StGB greift die bereits seit 1987382 in seiner jetzigen Form in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB verankerten allgemeinen Grundsätze auf und spezifiziert damit die Möglichkeit der Berücksichtigung des Nachtatverhaltens bei der Strafzumessung. § 153a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO verfolgt das Ziel, den Täter-Opfer-Ausgleichs im Strafverfahren zu stärken. Alle drei Normen haben zwei Komponenten, die Schadenswiedergutmachung und den Ausgleich mit dem Verletzten, die teilweise etwas anders formuliert oder bei § 46a Nr. 2 StGB hinsichtlich der Schadenswiedergutmachung eingeschränkt sind. Über die benannten Normen hinausgehend lassen sich aber bei der Formulierung des objektiv erforderlichen Nachtatverhaltens keine weiteren Gemeinsamkeiten feststellen. Beim Rücktritt wird keine Wiedergutmachung oder Schadensausgleich gefordert, hier kann der Täter vor Vollendung noch auf den Erfolg einwirken. Außer der Reihe erscheinen auch die Voraussetzungen des § 46b StGB, da dieser die Aufklärung oder Prävention einer anderen als der eigenen Tat des Handelnden 380

Brauns, Wiedergutmachung, S. 117. Brauns, Wiedergutmachung, S. 119. 382 Eingeführt wurde der nun im Gesetz verankerte Wortlaut durch das „Erste(s) Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz)“ vom 18. 12. 1986, BGBl. 1986 I, S. 2496. Durch dieses Gesetz wurde neben der Schadenswiedergutmachung auch das Bemühen des Täters, einen Aufgleich mit dem Verletzten zu finden, als strafzumessungsrelevant erkannt. 381

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

fordert. Damit wird keine Schadenswiedergutmachung bezogen auf die eigene Tat verlangt oder ein Ausgleich mit dem konkret durch diese Tat Verletzten angestrebt. Vielmehr wird eine mit dieser im Zusammenhang stehende Tat in den Blick genommen. Trotz der ansonsten unterschiedlichen Ausgestaltung der Normen sind aber drei wesentliche Gemeinsamkeiten auszumachen. Auffälligste Gemeinsamkeit ist, dass bei den untersuchten Normen die Motivation des Handelns, der eigene autonome Willensentschluss, überwiegend für wesentlich gehalten wird. Er spiegelt sich in dem Merkmal der Freiwilligkeit wider. Bei §§ 24 und 46b StGB wird die Freiwilligkeit ausdrücklich genannt; bei § 46a StGB kommt der Freiwilligkeit zwar keine ausschlaggebende Bedeutung zu, der Gesetzestext verlangt aber, dass der Täter sich bemüht bzw. persönlich verzichtet, womit eine eigene Entscheidung zum Tätigwerden getroffen werden muss.383 Damit kommt auch hier der autonome Willensentschluss zum Tragen. Nur bei § 153a StPO werden die Auflagen und Weisungen nicht von dem Beschuldigten selbst bestimmt und beruhen damit nicht auf seinem autonomen freiwilligen Entschluss. Ausgangspunkt des Handelns ist damit in diesem Fall nicht der Täter selbst, obgleich er im Weiteren die Zustimmung zu dieser Verfahrensweise erklärt, diese folglich freiwillig erfolgt. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Regelungen auf der prozessualen und der Strafzumessungsebene eine Wirkung hinsichtlich des Erfolgs der Tat für die Privilegierung verlangen. Die bereits auf früherer Ebene wirkende Regelung des Rücktritts von der versuchten Tat, bei dem es an einem Erfolg mangelt, verlangt die Verhinderung des Erfolgseintritts bzw. das ernsthafte Bemühen um diese. Bei § 46b StGB ist dieses Handeln nicht auf den Erfolg der eigenen Tat, sondern auf die Aufklärung oder Verhinderung anderer Katalogtaten bezogen. Zumindest soweit die Verhinderung weiterer Taten betroffen ist, liegt auch hier ein Erfolgsbezug vor – wenn auch bei anderen Taten. Zuletzt lässt sich verallgemeinernd formulieren, dass Voraussetzung der Privilegierung, die der Täter des wiedergutzumachenden Verhaltens erfährt, grundsätzlich ein Handeln des Täters ist. Lediglich beim unbeendeten Versuch genügt das bloße Abstandnehmen von der Tat. Dies beruht allerdings auch auf einer Entscheidung des Täters und einem ihm zurechenbaren Unterlassen der weiteren Tatausführung. Diese Überlegungen zu den gemeinsamen Voraussetzungen privilegierenden Nachtatverhaltens werden später nochmals relevant, wenn es darum geht, konstitutive Voraussetzungen einer tätigen Reue zu definieren.384

383 384

Streng, in: NK StGB, § 46a Rn. 11. Vgl. im 2. Teil, 3. Abschnitt, B. V. 4.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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2. Gründe der Privilegierung Die Analyse der Vorschriften hat gezeigt, dass stets zwei Begründungen für die Privilegierung des Täters diskutiert werden. Obwohl sich keine allgemeingültige Privilegierungshandlung definieren lässt, ist damit zu vermuten, dass man eine vergleichbare Wirkweise aller Normen unter Betrachtung der Strafzwecke herausarbeiten kann. Die erfolgswirksamen Ausgleichshandlungen des Täters tangieren die Frage der Strafzumessungsschuld, sodass zum einen die Schuldrelevanz des Verhaltens zu problematisieren ist. Zum anderen wird der Wegfall bzw. die Erfüllung präventiver Strafzwecke diskutiert, worauf ebenfalls einzugehen ist. a) Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens Bei allen Regelungen, die ein wiedergutmachendes Verhalten honorieren, wird die Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens diskutiert. Es stellt sich damit die Frage, inwiefern sich ein nachträgliches Verhalten überhaupt auf die durch die Tat verwirklichte Schuld auswirken kann. Um hier ein valides Ergebnis zu erzielen, ist zunächst Klarheit über den Begriff der in diesem Zusammenhang relevanten Schuld zu schaffen. Dabei kann im Rahmen der hiesigen Untersuchung nicht der Schuldbegriff an sich diskutiert werden,385 sondern lediglich zwischen den hier relevanten Arten der Schuld differenziert werden. Die Schuld soll dabei von präventiven Zwecken getrennt betrachtet werden und nicht als deren Derivat angesehen werden.386 Schuld meint generell die Vorwerfbarkeit des verwirklichten Unrechts.387 Zu differenzieren ist zwischen Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld.388 Die sog. Strafbegründungsschuld ist als die persönliche Zurechnung der rechtswidrigen Tat zum Täter, also die ihm konkret zu machende Vorwerfbarkeit, zu verstehen.389 Sie begründet nach positivem Recht die Verhängung der Strafe gegenüber dem Täter390 und setzt voraus, dass dieser das Unrecht der Tat einsehen (Einsichtsfähigkeit) und nach dieser Einsicht handeln (Steuerungsfähigkeit) konnte.391 Die Strafbegrün385

Vgl. zum Schuldbegriff Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 11 ff. Dieser sog. funktionale Schuldbegriff führt letztlich dazu, dass die Schuld ihre eigenständige Bedeutung verliert, sodass die durch sie gewährleistete Begrenzungsfunktion in Frage gestellt würde. Dies ist nicht nur aus Gründen der Bestimmtheit, sondern auch aufgrund des verfassungsrechtlichen Menschenbildes fraglich, vgl. Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 88; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 13 Rn. 117; Maurach/Zipf, AT 1, § 7 Rn. 16 f.; so wohl aber Jakobs, AT 1, 17. Abschn. Rn. 18 ff. 387 Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46 Rn. 9a; Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 31; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 522. 388 Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 31; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 527; Bottke, Methodik, S. 583. 389 BGHSt 2, 194 ff., 200 f.; Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, § 9 Rn. 47. 390 Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, Vor § 13 Rn. 111. 391 Schlehofer, in: MüKo StGB, Vor § 32 Rn. 290. 386

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dungsschuld als solche ist qualitativ,392 beantwortet demnach die Frage des „Ob“ der Strafe. Die Frage, ob strafbegründendes, dem Täter vorwerfbares Unrecht vorliegt, kann nach dem Eintritt in das strafbare Versuchsstadium, spätestens aber mit der Vollendung der Tat, nicht mehr korrigiert werden.393 Die Strafbegründungsschuld steht mit Vollendung der Tat fest.394 Ein danach ausgeführtes Verhalten tangiert das Ob nicht mehr, es kann höchstens das Maß der Vorwerfbarkeit berühren.395 Das Nachtatverhalten kann auf die Strafbegründungsschuld damit keinen Einfluss mehr haben.396 Von ihr wird im Folgenden bei der Verwendung der Begriffe Schuld oder schuldrelevant nicht gesprochen. Daneben existiert die Strafzumessungsschuld, die sich mit der Gewichtung der Vorwerfbarkeit befasst und ein Maß dafür bildet, wie schwer die Schuld des Täters wiegt.397 Sie ist komparativ und begrenzt das Strafmaß.398 Die für die Feststellung der Strafzumessungsschuld relevanten Kriterien sind weiter gefasst als diejenigen für die Strafbegründungsschuld,399 wie bereits der Katalog des § 46 StGB zeigt. Es sind also auch außerhalb der eigentlichen Tatausführung liegende Umstände erfasst, sofern sie in einer inneren Beziehung zu dem zu beurteilenden schuldhaften Verhalten stehen.400 Damit kann es nicht überzeugen, die Strafzumessungsschuld allein als quantifizierende Ausprägung der Strafbegründungsschuld zu verstehen.401 Ihr liegt vielmehr eine weitergehende Bewertungsbasis zugrunde.402 Aus dieser Umschreibung wird deutlich, dass für die Beurteilung des verwirklichten Maßes an Strafzumessungsschuld neben anderen Faktoren auch das vorwerfbar verwirklichte Tatunrecht eine Rolle spielt.403 Denn das Quantum an verwirklichtem Unrecht bestimmt den Umfang des Schuldvorwurfs mit.404 Bei dem verwirklichten Unrecht wird anerkanntermaßen zwischen dem Handlungsunrecht

392

Bottke, Methodik, S. 583. Murmann, in: Festschrift Frisch, S. 1131, 1140. Dies gilt zumindest unter der hier zugrundeliegenden Strafzwecktheorie, vgl. Bottke, Methodik, S. 583. 394 Brauns, Wiedergutmachung, S. 175; Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 379. 395 Brauns, Wiedergutmachung, S. 175; Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 379. 396 Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 379; Murmann, in: Festschrift Frisch, S. 1131, 1140. 397 Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, § 9 Rn. 47. 398 Bottke, Methodik, S. 583. 399 Murmann, in: Festschrift Frisch, S. 1131, 1140; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 527; a. A.: Frisch, in: Festschrift Müller-Dietz, S. 237, 257. 400 Statt vieler Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 81; Brauns, Wiedergutmachung, S. 175. 401 Streng, in: NK StGB, § 46 Rn. 22. 402 Streng, in: NK StGB, § 46 Rn. 22. 403 Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 119; Fischer, § 46 Rn. 5; Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 380; Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 63 Rn. 19. 404 Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 32 f.; Streng, in: NK StGB, § 46 Rn. 22. 393

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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und dem Erfolgsunrecht unterschieden.405 Ebenso setzt sich die Strafzumessungsschuld aus einer Handlungs- und Erfolgskomponente zusammen und erfasst damit das Maß der Vorwerfbarkeit bezüglich des Handelns und auch bezüglich des verwirklichten Erfolgs.406 aa) Meinungsbild zur Einwirkung auf die Schuld Es stellt sich die Frage, ob und wie das Nachtatverhalten auf diese Komponenten der Schuld einwirkt. Die Antworten fallen kontrovers aus, da nach der Form der Einwirkung (mittelbar oder unmittelbar) als auch zwischen den beiden Komponenten (Erfolgs- oder Handlungskomponente) differenziert wird. Zudem wird eine Schuldrelevanz sogar vereinzelt bestritten. (1) Ausschließliche Präventionsrelevanz Ausschließliche Präventionsrelevanz des Nachtatverhaltens und damit keine Einwirkung auf die Schuld wird von einer Minderheitenmeinung angenommen,407 der nicht zuzustimmen ist. Denn dass eine Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens als solche nicht abzustreiten ist, zeigen die zuvor untersuchten Normen, die wiedergutmachendes Nachtatverhalten erfassen. Für die Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens spricht vor allem die Betrachtung der §§ 46a und 46b StGB als auch des Rücktritts und des § 153a StPO. Kein Argument für die Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens liefert hingegen § 46 StGB. Im Rahmen von § 46 StGB ist die Wiedergutmachung nach der Tat nur ein Abwägungsfaktor unter vielen; in welcher Gewichtung dabei die Faktoren im Rahmen der Schuld zum Tragen kommen, kann der Norm daher nicht entnommen werden. Bei §§ 46a und 46b StGB wirkt das wiedergutmachende Nachtatverhalten fakultativ strafmildernd oder gar als Grund, von Strafe abzusehen. Das Gericht kann folglich nach eigenem Ermessen entscheiden, ob es aufgrund des Verhaltens die Strafe gemäß § 49 Abs. 1 StGB mildert. Im äußersten Fall kann es im Rahmen des § 46a StGB zu einer Straffreiheit kommen, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten hat, bei § 46b StGB ist dies bei der Erwartung von drei Jahren Freiheitsstrafe der Fall. Durch eine Milderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB wird der Ausgangsstrafrahmen der Norm reduziert. Der Strafrahmen der Norm ist nach allgemeinem Verständnis die 405 Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 32 f.; Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 63 Rn. 19; Schäfer/Sander/van Gemmeren, in: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 577. 406 Schäfer/Sander/van Gemmeren, in: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 577 ff.; Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 63 Rn. 19, 52. 407 Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 107, das Nachtatverhalten sei lediglich für die Generalprävention relevant, gegenüber der Schuld aber indifferent; Dölling, in: Festschrift Frisch, S. 1181, 1184 f.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Umsetzung des Schuldmaßes eines Deliktes in ein in Einheiten bemessenes System, das die Bedeutung der Verletzung innerhalb der Sozialordnung kennzeichnen soll.408 Der Strafrahmen ist damit die Vorbewertung der Schwere der in dem jeweiligen Tatbestand normierten Unrechtsmaterie durch den Gesetzgeber.409 Er steht immer im Verhältnis zur Tatschwere und dem Maß der verwirklichten Schuld.410 Dies gilt auch für den Strafrahmen nach einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB.411 Systemtreu kann die Strafrahmenverschiebung bei §§ 46a und 46b StGB damit nur durch eine Schuldminderung begründet werden.412 Durch den niedrigeren Strafrahmen wird somit eine niedrigere Strafzumessungsschuld zum Ausdruck gebracht und die Schuldrelevanz von Nachtatverhalten konstatiert. Eine Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens ergibt sich auch bei der Analyse des § 153a StPO. Bei diesem wird die verwirklichte Strafzumessungsschuld zunächst relevant, weil sie in ihrer Schwere der Einstellung unter Auflagen und Weisungen nicht entgegenstehen darf. Die Norm spricht im Weiteren davon, dass durch die Auflagen und Weisungen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt wird. Unstrittig ist, dass das öffentliche Interesse die general- und spezialpräventiven Elemente der Strafe erfasst.413 Darüber hinaus wird vertreten, dass das öffentliche Interesse in einer (Wechsel-)Wirkung mit der Strafzumessungsschuld stehe und diese durch die Erfüllung der Auflagen und Weisungen ebenfalls beeinflusst werde.414 Dafür wird angeführt, dass § 153a StPO a. F. – wie jetzt nur noch § 153 StPO – von einer „geringen Schuld“ sprach. Trotz gleicher Begrifflichkeit sei aber bei der Anwendung des § 153a StPO grundsätzlich ein höheres Schuldquantum zugrunde gelegt worden.415 Es wurde daher bei der Anwendung unterstellt, dass Auflagen und Weisungen das höhere Schuldquantum beeinflussen könnten.416 Durch die Anpassung des Wortlauts wurde dieser Gedanke deutlicher herausgestellt. Für eine solche Wechselwirkung spricht darüber hinaus die Definition des öffentlichen Interesses. So wird in Nr. 86 RiStBV, der den Maßstab für das öffentliche Interesse bei Delikten, die der Privatklage zugänglich sind, dargelegt. Demnach wird für das öffentliche Interesse darauf abgestellt, dass dieses in der Regel vorliegt, wenn 408

Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 39. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 173. 410 BGHSt 24, 175. 411 Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 39. 412 Teilweise wird die Vorschrift des § 46b StGB allerdings auch als nicht systemgerecht kritisiert und als Bruch mit dem Schuldprinzip verstanden, da dieses durch eine nicht tatadäquate Bestrafung verletzt werde, vgl. dazu die Stellungnahme des BR in: BT-Drs. 16/6268, S. 18; König, StV 2012, 113 f.; Salditt, StV 2009, 375, 376. Zur gesammelten Kritik an § 46b StGB vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46b Rn. 1 f. Unter dieser Prämisse liegen sicherlich auch andere Erklärungsansätze nicht fern. 413 Mavany, in: LR StPO, § 153a Rn. 34 ff. m. w. N. 414 Brauns, Wiedergutmachung, S. 123. 415 Mavany, in: LR StPO, § 153a Rn. 34 ff. m. w. N. 416 Mavany, in: LR StPO, § 153a Rn. 34 m. w. N. 409

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z. B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung oder wegen der Rohheit oder Gefährlichkeit der Tat. Damit fließen bei der Bewertung des öffentlichen Interesses Gründe mit ein, die sich auch bei der Quantifizierung der Strafzumessungsschuld auswirken. Somit ist auch aus § 153a StPO eine Schuldrelevanz abzuleiten. Auch im Rahmen des Rücktritts (§ 24 StGB) lässt sich die Schuldrelevanz der wiedergutmachenden Handlung feststellen. Grund der Straflosigkeit ist nach herrschender Strafzwecktheorie die Verbindung einer geminderten Schuld mit dem Wegfall präventiver Gründe. Die Untersuchung der Normen, die privilegierendes Nachtatverhalten regeln, zeigt, dass eine ausschließliche Berücksichtigung des Nachtatverhaltens auf Ebene der Prävention verfehlt ist. Das Nachtatverhalten wirkt sich auch im Rahmen der Schuld aus. (2) Unmittelbare Einwirkung auf die Schuld Teilweise wird angenommen, dass das Nachtatverhalten unmittelbar schuldrelevant sei.417 Diese Ansicht legt der Bewertung der Schuld einen erweiterten Tatbegriff zugrunde und geht davon aus, dass bis zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung vorgenommene Handlungen die erkennbare Bedeutung der Tat für die Rechtsgemeinschaft beeinflussen können und damit Relevanz entfalte.418 Nachtatverhalten könne den Unrechtserfolg abmildern oder ihm positive Leistungen entgegensetzen, die Strafzumessungsschuld damit verändern oder aber die Notwendigkeit präventiver Einwirkung in einem anderen Licht erscheinen lassen.419 Entscheidend für die Einwirkung auf die Schwere der verwirklichten Schuld sei solches Verhalten des Täters, das sich auf das ihm vorgeworfene Unrecht beziehe und dieses verändere.420 Dabei wird dem Nachtatverhalten überwiegend eine Minderung des Erfolgsunrechts zugeschrieben, da der Täter durch seine Ausgleichsbemühungen auf den Unrechtserfolg einwirke.421 Eine Einwirkung auf die Handlungskomponente sei unter Zugrundelegung des allgemeinen Verständnisses des Verhaltensunwerts ausgeschlossen, da diese mit Vollendung der Tat abgeschlossen sei.422 Der Hand417 Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 527 ff.; Streng, ZStW 101 (1989), 273, 326 f.; Meier, GA 2015, 443, 446. 418 Streng, ZStW 101 (1989), 273, 326 f.; Meier, GA 2015, 443, 446. 419 Meier, GA 2015, 443, 452. 420 Meier, GA 2015, 443, 452. 421 Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 63 Rn. 52, 55 ff.; Brauns, Wiedergutmachung, S. 177; Murmann, in: Festschrift Frisch, S. 1131, 1140. 422 Murmann, in: Festschrift Frisch, S. 1131, 1140; Brauns, Wiedergutmachung, S. 204; Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 63 Rn. 54; anders Bottke, Methodik, S. 683, der nicht zwischen Handlungskomponente und Erfolgskomponente unterscheidet.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

lungsunwert erfasse etwa die Willenskomponente beim Vorsatz, bestimmte Gesinnungs- oder Absichtsmerkmale oder die Art der Ausführung, die alle zweifelsohne bereits bei der tatbestandsverwirklichenden Handlung vorliegen müssen, sodass hierauf die Wiedergutmachung nicht einwirken könne.423 (3) Mittelbare Wirkung auf die Schuld (Indizkonstruktion) Nach herrschender Meinung soll das wiedergutmachende Nachtatverhalten den Unrechtsgehalt und die Schuld der Tat hingegen nicht unmittelbar beeinflussen können.424 Denn durch das Nachtatverhalten werde weder der Motivationsappell des Normtatbestands, sich von Anfang an pflichtgetreu zu verhalten, tangiert, noch das Unwerturteil der vollendeten oder versuchten Tat berührt.425 Das Nachtatverhalten könne sich aber trotzdem auf die Ebene der Strafzumessungsschuld auswirken, indem ihm für die verwirklichte Schuld indizielle Bedeutung zukomme.426 Demnach sind außerhalb der Tatausführung liegende Umstände allenfalls mittelbar relevant, soweit sie Rückschlüsse auf den Schuldgehalt der unmittelbaren Tatausführung zulassen,427 sich also Indizien für die Gefährlichkeit und die Einstellung des Täters zum Zeitpunkt der Tat sowie für das Maß der Schuld ergeben (sog. doppelspurige Indizkonstruktion). Nachtatverhalten kann damit ein Indiz für die Schuld bieten und ist nach herrschender Meinung darüber hinaus präventionsrelevant.428 Nach den Auswirkungen auf die Handlungs- und Erfolgskomponente wird dabei nicht differenziert, sondern nur auf die Bedeutung des Nachtatverhaltens für die Strafzumessung allgemein abgehoben und betont, dass das Nachtatverhalten dort indizielle Bedeutung habe und damit Aufschluss über die Persönlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Tat geben könne.429 bb) Stellungnahme Die Meinungen zur Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens unterscheiden sich grundlegend. Im Gegensatz zu den beiden zuletzt genannten Ansichten, verneint erstgenannte die Relevanz des Nachtatverhaltens für die Schuld und vertritt eine 423 Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 63 Rn. 54; Brauns, Wiedergutmachung, S. 205. 424 BGH, 1991, 106, 107; NStZ 2001, 87, 88; NStZ-RR 2001, 295; Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 300; Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 31 f.; Bottke, Methodik, S. 631 f.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, in: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 641; Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 189. 425 Bottke, Methodik, S. 632. 426 Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 189 ff. 427 BGH, StV 1982, 567 f.; 1991, 106, 107; NStZ 2001, 87, 88; NStZ-RR 2001, 295. 428 BGH, NJW 1954, 1416; NStZ 1981, 257; 1985, 545, NStZ-RR 1997, 196; Murmann, in: Festschrift Frisch, S. 1131, 1142; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46 Rn. 9 f.; Dölling, in: Festschrift Frisch, S. 1181, 1183; Meier, GA 2015, 443 ff. 429 Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S.189 ff.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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alleinige Berücksichtigung auf Präventionsebene. Dies steht in einem offensichtlichen Widerspruch zu den untersuchten gesetzlichen Regelungen, die eine Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens zeigen, und vermag daher nicht zu überzeugen. Wird die Schuldrelevanz bejaht, stellt sich die Frage, wie das Nachtatverhalten wirkt. Die beiden letztgenannten Ansichten gehen bereits von einem unterschiedlichen Verständnis des Begriffs Strafzumessungsschuld aus. Versteht die Lehre von der Indizkonstruktion unter der Strafzumessungsschuld nichts anderes als Tatschuld430 und verwendet beide Begriffe synonym, differenziert hingegen die Ansicht der unmittelbaren Einwirkung zwischen den Begrifflichkeiten.431 Für sie ist die Basis der Strafzumessungsschuld weiter zu fassen als die der Tatschuld.432 Gemein ist beiden aber das Verständnis, dass die Tatschuld mit der Beendigung der Tat feststeht.433 Da für die Lehre von der Indizkonstruktion damit gleichbedeutend die Strafzumessungsschuld feststeht, muss sie sich mit dem Rückschluss auf die Tatschuld weiterhelfen, um das Nachtatverhalten zu erfassen. Dieses Verständnis ist jedoch mit den untersuchten Normen unvereinbar. Neben einer generellen Schuldrelevanz des Nachtatverhaltens lassen die untersuchten Normen auch erkennen, wie auf die Schuld eingewirkt wird. Insbesondere unter Betrachtung des § 46b StGB ist die Indizkonstruktion nicht aufrechtzuerhalten.434 Zwar gilt die Norm durch das nachträglich eingeführte Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen der aufzuklärenden oder zu verhindernden Tat und der Tat des Täters nun zwar überwiegend als vereinbar mit dem Schuldprinzip.435 Dennoch wirft sie die begründete Frage auf, wie eine Präventionsoder Aufklärungshilfe gegebenenfalls mehrere Jahre nach der Tat mittelbar Auskunft über das zum Tatzeitpunkt vorhandene Unrecht und damit die Strafzumessungsschuld geben soll. Eine Erklärung hierfür bleibt die Lehre von der Indizkonstruktion schuldig. Auch der Gesetzgeber hat an der Wirkung des benannten Verhaltens auf die Schuld und damit auch an der Indizkonstruktion begründete Zweifel. So statuiert er 430

Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 119, 189 ff. Die Verwendung des Begriffs Tatschuld synonym für den Begriff Strafzumessungsschuld erscheint begrifflich insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung von Nachtatverhalten schwierig. 431 So auch Brauns, Wiedergutmachung, S. 175; wohl auch Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 383. Einige Autoren verwenden den Begriff der Tatschuld auch dafür, um auf Ebene der Strafzumessungsschuld zwischen der Strafzumessungsschuld die Tat (Tatschuld) und den Täter (Täterschuld) zu differenzieren. Durch den Begriff Tatschuld soll von der Charakter- oder Lebensschuld abgegrenzt werden, Streng, in: NK StGB, § 46 Rn. 22, vgl. Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 119. 432 Brauns, Wiedergutmachung, S. 175; Frisch, ZStW 99 (1987), 751, 780; Meier, GA 2015, 443, 445. 433 Brauns, Wiedergutmachung, S. 175; Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 119, 189 ff. 434 So auch Meier, GA 2015, 443, 445. 435 Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46b Rn. 7 f.; Maier, in: MüKo StGB, § 46b Rn. 44.

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im Gesetzesentwurf, dass „die Offenbarung von Tatsachen nach § 46b StGB-E an Tatschuld und Tatunrecht unmittelbar nichts ändert und diese – wenn überhaupt – allenfalls mittelbar beeinflussen kann“.436 Weiter heißt es, dass „die unmittelbare Tatschuld (…) durch solche Angaben nämlich nicht berührt …“437 wird. Damit steht fest, dass nach dem Verständnis des Gesetzgebers bei der Einführung der Norm das nachtatliche Verhalten zum einen die ursprüngliche, auf den Zeitpunkt der Tat bezogene Tatschuld nicht unmittelbar tangieren kann, zum anderen erscheint eine mittelbare Wirksamkeit mehr als fraglich. An der bereits mit der Einführung fraglichen Einwirkung auf die Tatschuld ändert auch das im Nachhinein eingeführte Kriterium des Zusammenhangs zwischen der aufzuklärenden oder der zu verhindernden Tat und der Tat des Täters nichts. Vielmehr positionierte sich der Gesetzgeber bei der Einführung des Kriteriums noch restriktiver und übt weitere Kritik an der Indizkonstruktion: „Ob sich aus solchen Angaben – wie dies bei anderem positiven Nachtatverhalten (…) angenommen wird – wirklich hinreichende Rückschlüsse auf die innere Einstellung zur eigenen Tat (…) ergeben können, wird aber nicht selten fraglich und im Hinblick auf die Einstellung des Täters allenfalls unter Anwendung des Zweifelsatzes zu unterstellen sein.“438 Diesen Zweifeln des Gesetzgebers an der Lehre von der Indizkonstruktion ist zuzustimmen. Das Erfolgsunrecht wird durch die Täterpersönlichkeit nicht beeinflusst.439 Auch das Handlungsunrecht beruht nicht auf der Persönlichkeit des Täters, sondern darauf, dass die Person tatsächlich in gefährlicher Weise vorgegangen ist.440 Entscheidend ist für die Tatschuld damit alleine die in der Tat hervortretende Einstellung.441 Diese zeigt sich zum Zeitpunkt der Tat; allgemeine, die Schuld erhöhende Charaktereigenschaften, die auch zu einem späteren Zeitpunkt festzustellen wären, sind nicht relevant.442 Bereits aus diesem Grund besitzt ein nachträgliches Verhalten keine indizielle Wirkung. Eine mittelbare Wirkung des Nachtatverhaltens ist darüber hinaus empirisch nicht zu belegen.443 Ausschlaggebend für die letztlich erfolgende Strafrahmenverschiebung bei § 46b StGB, die die Unrechtsminderung zum Ausdruck bringt, ist ein Verhalten, das vor Eröffnung des Hauptverfahrens stattfinden muss. Ein solches kann gerade in Fällen der mittleren bis schweren Kriminalität, auf die § 46b StGB Anwendung findet, mehrere Jahre nach der Tat liegen. Der Täter trifft die Entscheidung damit zum einem gegebenenfalls in einem vollkommen anderen Zustand und zum 436

BT-Drs. 16/6268, S. 13. BT-Drs. 17/9695, S. 6. 438 BT-Drs. 17/9695, S. 6. 439 Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 383. 440 Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 383. 441 Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 384. 442 Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 384. 443 Frisch, ZStW 99 (1987), 751, 780; ders., in: Festgabe BGH, S. 269, 293, spricht davon, dass die Indizkonstruktion „empirisch völlig unabgesichert“ sei. 437

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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anderen aufgrund anderer nicht mit der Tat in Verbindung stehender Erwägungen. Der Rückschluss aus einem solchen Verhalten auf das zum Zeitpunkt der Tat vorliegende Unrecht und damit die Strafzumessungsschuld scheinen konstruiert.444 Dies ändert sich durch auch das Kriterium des Zusammenhangs zwischen der aufzuklärenden oder der zu verhindernden Tat und der Tat des Täters nichts. Dies erfordert lediglich, dass ein kriminelles Gesamtgeschehen vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass vorgeworfene und aufgeklärte Tat unter dieselbe Tat im prozessualen Sinne fallen oder dass Tateinheit besteht.445 Auch unter Einbeziehung des Kriteriums ist damit eine mittelbare Auswirkung auf das verwirklichte Unrecht nicht zwingend, sondern fernliegend. Ein Konnex, welcher es erlaubt, eine Aussage über das bei der Tat verwirklichte Unrecht aufgrund des Nachtatverhaltens zu treffen, liegt nicht vor. Auch die gegenwärtige Anwendung von § 46a StGB spricht gegen eine Indizwirkung auf das zuvor verwirklichte vorwerfbare Unrecht. Denn hier soll auch die unter dem Druck des Verfahrens erfolgte Wiedergutmachung Berücksichtigung finden.446 Eine solche beruht allerdings auf einem neuen Entschluss, welcher gegebenenfalls allein aus taktischen Gründen getroffen wird. Auskunft über die Einstellung des Täters zur Tatzeit und damit mittelbar über das verwirklichte Unrecht vermag dieser dann nicht mehr zu geben.447 Gleiches muss auch für die Erfüllung von Auflagen und Weisungen im Rahmen des § 153a StPO gelten. Denn auch die Einstellung gemäß § 153a StPO kann unter Umständen in jahrelanger Entfernung zur eigentlichen Tat liegen. Sie kann erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, sogar in der Revision, und damit noch später als die Regelung des § 46b StGB erfolgen, was eine mittelbare Wirkung realitätsfern werden lässt. Im Weiteren muss man die Motivation der Lehre von der Indizkonstruktion berücksichtigen. Sie grenzt die Tatschuld strikt ab, um nicht in die Versuchung zu gelangen, eine Charakter- oder Lebensführungsschuld anzunehmen.448 Durch die Hintertür führt sie aber mit der zwischen der Tat und dem Nachtatverhalten geknüpften Indizienkette eine solche wieder ein und verbindet beide zu einer einheitlichen Charakterbetrachtung. Das kann nicht überzeugen, weshalb mit der zweiten Ansicht eine Trennung der Begrifflichkeiten von Strafzumessungs- und Tatschuld anzunehmen ist. Die Strafzumessungsschuld als solche ist weitergefasst als die Tatschuld, die nur Teil dieser ist. Die Strafzumessungsschuld ist also nicht mit Vornahme der Tat abgeschlossen.

444

Frisch, ZStW 99 (1987), 780; ders., in: Festgabe BGH, S. 269, 293. Maier, in: MüKo StGB, § 46b Rn. 45. 446 Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 95. 447 Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 95 f. 448 Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 192. Die Annahme einer Lebensführungsschuld ist nach allgemeiner Ansicht abzulehnen, da eine solche forensisch nicht feststellbar ist, gegen den nullum-crimen-Satz verstößt und nicht deutlich vom bloßen Schicksal abzugrenzen ist, vgl. Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 381. 445

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Teilweise wird die Strafzumessungsschuld erweitert, indem die Tat im Sinne der Strafzumessung, so etwa bei Lang-Hinrichsen, als das gesamte verbrecherische Verhalten begriffen wird.449 Gegen die Annahme eines solch weiten Tatbegriffs im Strafzumessungsrecht spricht, dass es zu einer Verwässerung des Tatbegriffs kommt, welche nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang steht.450 So differenziert § 46 Abs. 2 S. 2 StGB zwischen den Begriffen der Tat und dem Nachtatverhalten und macht damit deutlich, dass der Tatbegriff gerade nicht das Nachtatverhalten meint und damit enger gefasst ist.451 In Konflikt gerät ein solches Verständnis auch mit dem Bestimmtheitsverbot, welches tangiert würde, wenn der für die Strafzumessung relevante Sachverhalt weder zeitlich noch nach dem Verhalten feststeht und gänzlich dem Ermessen des Richters unterliegt.452 Ein solches Verständnis ist daher abzulehnen. Will man nicht nach Streng das Schuldurteil als Produkt der Rechtsfriedensstörung zum Zeitpunkt der Entscheidung sehen,453 muss man daher mit Meier und Brauns eine Anrechnung der nachträglichen wiedergutmachenden Handlung im Rahmen der Strafzumessungsschuld zulassen.454 Nachtatverhalten wird in einem die Tatschuld überschreitenden Rahmen der Strafzumessungsschuld berücksichtigt. Es wird nicht berücksichtigt, weil es die Tatschuld tangieren oder minimieren kann.455 Beide Autoren differenzieren die bei der Tat feststehende Tatschuld von der Strafzumessungsschuld. Die Berücksichtigung des Nachtatverhaltens findet allein aufgrund des Verhaltens – Handlungskomponente – sowie dessen Auswirkungen auf die Erfolgskomponente statt. Dass auch nach der Tat eintretende Geschehnisse Auswirkungen auf die Strafzumessungsschuld haben können, zeigt der folgende Beispielfall: In Fällen, in denen der Täter nach dem vollendeten Diebstahl eine Sache zurückgibt, bleibt von dem eingetretenen Schaden nur noch ein vorübergehender Nutzungsentzug.456 So wirkt sich in diesem Fall das Verhalten des Täters auch auf die Erfolgskomponente aus; der Täter setzt dem verwirklichten Unwert einen Wert entgegen.457 Bliebe dies unberücksichtigt, würde das gesamte Geschehen unzutreffend erfasst werden. In eine zum Urteilszeitpunkt stattfindende Betrachtung muss

449

Lang-Hinrichsen, Begriff der Tat, S. 359 ff. In diese Richtung auch Dölling, in: Festschrift Frisch, S. 1181, 1186. 451 Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 97. 452 Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 97. 453 Streng, ZStW 101 (1989), 273, 327. 454 Meier, GA 2015, 443, 445; Brauns, Wiedergutmachung, S. 121 f.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 421. 455 Meier, GA 2015, 443, 445. 456 Brauns, Wiedergutmachung, S. 178. 457 Brauns, Wiedergutmachung, S. 178. 450

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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daher auch das Nachtatverhalten einbezogen werden, sofern dieses den eingetretenen Erfolg tangiert, wenn etwa ein Schaden zurückgezahlt wird.458 Nimmt man allerdings nur eine Einwirkung des Nachtatverhaltens auf die Erfolgskomponente der Strafzumessungsschuld an, weil die Handlungskomponente bereits durch die Charakteristika der Täterpersönlichkeit und des Verhaltens zu diesem Zeitpunkt feststehe, könnten die Art und Weise, in welcher der Täter sein nachtatliches Verhalten ausführt, keine Berücksichtigung finden.459 Dies kann vor dem Hintergrund, dass das Gesetz selbst das Bemühen um die Wiedergutmachung für berücksichtigungswert hält, nicht überzeugen.460 Eine ganzheitliche Bewertung des Nachtatverhaltens muss auch seine Modalität erfassen.461 Nur eine solche vollständige Berücksichtigung des Nachtatverhaltens steht im Einklang mit der strafbefreienden Wirkung des Rücktritts, da es bei diesem keine Erfolgskomponente der Strafzumessungsschuld gibt, auf die die nachtatliche Handlung des Täters einwirken könnte. Festzustellen ist damit, dass das Nachtatverhalten auf die Erfolgs- und Handlungskomponente einwirkt. Es ist als eine eigene, gegen die Tatschuld zu verrechnende strafmildernde Leistung zu verstehen und so in Ansatz zu bringen.462 Die Strafzumessungsschuld ist damit letztlich als Summe des durch die Begehung der Tat verwirklichten Unrechts verrechnet mit dem durch das Nachtatverhalten verwirklichten Quantum an rechtmäßigem Verhalten. Beide Positionen sind dabei in ihrer Existenz eigenständig und besitzen regelmäßig eine Handlungs- und Erfolgskomponente. Dem entspricht auch die Änderung des Strafrahmens, die sich durch eine Subtraktion des wiedergutmachenden Quantums von der ursprünglichen Schuld begründen lässt. cc) Prinzip der Verrechnung Dieses Prinzip der Verrechnung lässt sich auf alle Formen des Nachtatverhalten übertragen. Auf diese Weise kann dogmatisch einheitlich die Privilegierung des Nachtatverhaltens erklärt werden. Für den Rücktritt steht diese Erkenntnis im Einklang mit der herrschenden Ansicht, die annimmt, dass durch den Rücktritt die Schuld der versuchten Tat nicht beseitigt werden kann.463 Das Unrecht des Versuchs als solches ist durch das Ver458

Murmann, in: Festschrift Frisch, S. 1131, 1140. Vgl. mit einem Beispiel zu der Aussagekraft der Ausführungsmodalität des Verhaltens, Brauns, Wiedergutmachung, S. 210. 460 Brauns, Wiedergutmachung, S. 211. 461 Brauns, Wiedergutmachung, S. 211. 462 Meier, GA 2015, 443, 445; Brauns, Wiedergutmachung, S. 121 f.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 421. 463 RGSt 72, 349, 350; BGHSt 7, 299; Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 24 Rn. 6 f.; Fischer, § 24 Rn. 2; Murmann, in: LK StGB, § 24 Rn. 50; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, 459

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

halten des Täters nicht mehr abänderbar, wie das Verständnis als persönlicher Strafaufhebungsgrund zeigt.464 Dennoch lässt das wiedergutmachende Verhalten die weitergehende Strafzumessungsschuld nicht unbeeinflusst. Hier wird damit positives Verhalten nach der Tat dem verwirklichten Unrecht entgegengestellt und verrechnet. Bei einem Rücktritt wird durch die Aufgabe oder Verhinderung der Vollendung ein objektives Gegengewicht zum sich im unmittelbaren Ansetzen manifestierenden Versuchsunrecht geschaffen. Durch den Rücktrittsentschluss bzw. das Bemühen wird ein Gegengewicht zu dem verwirklichten subjektiven Handlungsunrecht in Form des Tatentschlusses geschaffen. Das Maß, in dem Vergeltung zu fordern ist, wird durch die Anrechnung gemindert. Die Normen §§ 46 Abs. 2 Nr. 6 und 46a StGB setzen grundsätzlich die Verwirklichung von Erfolgsunwert voraus, da ein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen oder aber einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erzielen, verlangt wird. Damit wird ein Verletzungserfolg vorausgesetzt; der Täter muss bereits einen Schaden oder eine Verletzung des Opfers bewirkt haben. Primär wirken beide Normen daher auf der Ebene der Erfolgskomponente. Der Täter gleicht seine Tat aus, macht sie ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut.465 Diesem wird im Wege der Anrechnung das Handeln des Täters nach der Tat entgegengesetzt. Da beide Normen zudem auch ein freiwilliges Verhalten verlangen, wird auch dieses auf das bereits vorwerfbar verwirklichte Handlungsunrecht angerechnet. Eine ebensolche Wirkung auf die Handlungskomponente erfüllt auch die in beiden Normen genannte Variante des Bemühens um den Ausgleich mit dem Verletzten und die Wiedergutmachung des Schadens unter den Voraussetzungen der §§ 46 Abs. 2 Nr. 6 und 46a StGB. Es ist daher bei beiden Normen eine Anrechnung sowohl auf Ebene der Handlungs- als auch der Erfolgskomponente möglich. Diese bedingt dann die fakultative Strafmilderung bzw. den Ansatz eines geringeren Eingangsstrafrahmens, in welchem dann präventive Gründe zu berücksichtigen sind. Auch auf Strafzumessungsebene, aber mit anderen Voraussetzungen, wirkt § 46b StGB. Zwar setzt die Anwendung der Norm nicht zwingend den Eintritt des Erfolgsunrechts voraus, sodass die Vorschrift prinzipiell auch bei der bloßen Verwirklichung von Handlungsunrecht denkbar ist. Eine auf Handlungsebene verrechenbare Größe wird durch das Erfordernis des freiwilligen Handelns geschaffen. Die Aufklärungs- und Präventionshilfe des Täters müsste darüber hinaus auch einen auf die Erfolgskomponente der Strafzumessungsschuld verrechenbaren Faktor § 11 Rn. 71; in diese Richtung auch Bottke, Methodik, S. 603 ff. Andere schreiben dem Rücktritt eine Schuldrelevanz und damit Auswirkung auf das bereits realisierte Unrecht zu und sehen im Rücktritt einen Schuldtilgungsgrund, so Streng, ZStW 101 (1989), 322 ff., oder aber einen Schuldaufhebungsgrund, Zaczyk, in: NK StGB, § 24 Rn. 5 bzw. Schuldausschließungsgrund, Roxin, in: Festschrift Heinitz, S. 251, 273 f. 464 Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 31. 465 Dennoch ist die Anwendung der Norm auf Versuchsfälle nicht von vorneherein ausgeschlossen, da auch nicht vom Tatbestand erfasste materielle oder immaterielle Schadensfolgen denkbar sind, vgl. Maier, in: MüKo StGB, § 46a Rn. 7.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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darstellen. Daran könnte zunächst unter Bezugnahme der obigen Argumentation hinsichtlich der mittelbaren Wirkung eines Aufklärungs- oder Präventionsverhaltens mehrere Jahre nach der Tat gezweifelt werden. Dies würde aber den Unterschied des Prinzips der Verrechnung zur Lehre von der Indizkonstruktion verkennen. Während die Lehre der Indizkonstruktion aus dem weit nach der Tat liegenden Zeitpunkt einen Rückschluss auf die Zeit der Tat zulassen will, betrachtet das Prinzip der Verrechnung beide Handlungen eigenständig. Erst bei der Festlegung der Strafzumessungsschuld als Eingangsstrafrahmen für die Strafzumessung werden beide Positionen verrechnet. Damit dies aber nicht auf eine sog. Lebensführungsschuld hinausläuft, bei der alle positiven und negativen Handlungen des Täters ohne Bezug zur Tat miteinander verrechnet werden, ist hier das Kriterium des Zusammenhangs der aufgedeckten oder verhinderten Tat zur Tat des Kronzeugen relevant. Für diese Aufgabe ist das Kriterium auch wesentlich geeigneter als dafür, einen Rückschluss auf die in der Vergangenheit liegende Tat zu ermöglichen. Es setzt voraus, dass zwischen der Anlasstat und der offenbarten Tat ein innerer und verbindender Bezug besteht, der es erlaubt, die offenbarte Tat konkret zu einer oder mehreren Einzeltaten des Kronzeugen und der dadurch verwirklichten Schuld in Beziehung zu setzen.466 Es genügt hierfür nach allgemeiner Ansicht, dass die eigene und die offenbarte Tat Teile eines kriminellen Gesamtgeschehens sind.467 Liegt ein Zusammenhang vor, kann im Rahmen der Erfolgskomponente der Strafzumessungsschuld eine Verrechnung erfolgen. Auch bei § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 5 wirkt die Erfüllung von Auflagen und Weisungen auf die Strafzumessungsschuld.468 Mit Erfüllung der Auflagen und Weisungen wird – ebenso wie bei § 46a StGB – ein auf die Strafzumessungsschuld wirkendes Gegengewicht geschaffen, das letztlich das Absehen von der Verfolgung rechtfertigt, wenn auch präventive Strafzwecke erfüllt werden. Dies gilt solange wie keine Umstände bekannt werden, die ein wesentlich größeres Unrecht wegen der Annahme eines Verbrechens nahelegen. Die untersuchten Normen zeigen damit, dass die Strafzumessungsschuld einer Verrechnung zugänglich ist. Auf ihre Erfolgs- und Handlungskomponente werden die durch das Nachtatverhalten bewirkten Quanten verrechnet, sofern sich ein Zusammenhang zur verübten Tat ergibt. Bei dieser Verrechnung wird das Nachtatverhalten als eigenständiges Quantum der feststehenden Tatschuld entgegengesetzt. Die Strafzumessungsschuld ist damit die zusammenfassende Betrachtung beider Beträge.

466 467 468

BGH, NJW 1987, 2882. So schon BT-Drs. 17/9695, 8; BGH, NStZ 1991, 290. Brauns, Wiedergutmachung, S. 123 m. w. N.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dd) Mindestmaß an Strafzumessungsschuld Der mathematische Gedanke der Verrechnung findet seine Grenze jedoch darin, dass die Tatschuld als Teil der Strafzumessungsschuld feststeht. Die Tatschuld als Komponente der Strafzumessungsschuld wird bei der Verrechnung nicht aufgehoben, sondern durch das Nachtatverhalten nur in seiner Bedeutung gemindert. Die mit der Verwirklichung der Tatschuld einhergehende Störung des Rechtsfriedens kann nicht rückgängig gemacht werden. Die Frage, ob strafbegründendes, dem Täter vorwerfbares Unrecht vorliegt, kann nicht mehr negiert werden. Das Nachtatverhalten kann daher kein Schuldaufhebungsgrund sein.469 Dies erfordert nicht zuletzt die Rechtssicherheit als auch die dogmatische Handhabbarkeit.470 Der durch die Tatschuld determinierte Strafrahmen kann daher bei der Gesamtbetrachtung im Sinne der Strafzumessungsschuld nicht aufgehoben werden. Der Strafzweck der Vergeltung fordert eine Strafe. Die Tatschuld als Teil der Rechtsfriedensstörung ist weiterhin vorhanden und kann dem Täter angelastet und vorgeworfen werden.471 Unter Verrechnung mit dem Nachtatverhalten erscheint sie aber in einem milderen Licht. Dennoch sehen die benannten Normen, die wiedergutmachendes Nachtatverhalten privilegieren, nicht nur eine Strafminderung, sondern teilweise auch ein Absehen von Strafe vor, wenn das wiedergutmachende Nachtatverhalten vorliegt. So geben die §§ 46a und 46b StGB neben der fakultativen Strafmilderung die Möglichkeit, von der Strafe abzusehen. Straflosigkeit ist die zwingende Folge des Rücktritts nach § 24 StGB. Auf Ebene der Verfolgung wirkt sich § 153a StPO aus, der ein Verfahrenshindernis zugunsten des Täters für Vergehen im Rahmen der gleichen prozessualen Tat begründet. Ungeachtet einer vollkommen anderen Wirkweise, ergibt sich ein vergleichbares Bild. Hier führt damit die Erreichung präventiver Strafzwecke durch die Auflagen und Weisungen und der damit verbundene Wegfall des öffentlichen Interesses zur Beendigung des Verfahrens ohne Ausurteilung einer Strafe, obwohl Schuld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegt.472 Da dies nicht mit der Strafzumessungsschuld und damit dem Vergeltungszweck der Strafe zu begründen ist, müssen im Folgenden die Auswirkung des Nachtatverhaltens auf die präventiven Strafzwecke untersucht werden. Nach der heute allgemein herrschenden Vereinigungstheorie (dazu im gleichen Abschnitt unter A. II. 3.) liegt die Begründung der Strafe zum einem in der Vergeltung des begangenen Unrechts, zum anderen in der Verfolgung präventiver Strafzwecke. Die Schuld, als persönliche Vorwerfbarkeit des rechtswidrigen Verhaltens, ist eine notwendige Voraussetzung für die Legitimation staatlichen Strafens und bildet die Grundlage der Strafzumessung. Dennoch dürfen präventive Erwägungen nicht außer Acht gelassen 469 470 471 472

3354.

So auch Streng, ZStW 101 (1989), 273, 327. Streng, ZStW 101 (1989), 273, 327. Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 388. BVerfG, MDR 1991, 891; NStZ-RR 1996, 168; OLG Frankfurt a. M., NJW 1996, 3353,

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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werden. Sie werden im durch die Schuld gesetzten Rahmens wirksam und setzen letztlich die konkrete Strafe fest. Ausschlaggebend für die Straflosigkeit des Nachtatverhaltens können trotz vorhandener, aber geminderter Schuld damit präventive Strafzumessungsgründe sein. b) Auswirkungen des Nachtatverhaltens auf die präventiven Strafzwecke Nachdem die Wirkung des Nachtatverhaltens auf die Strafzumessungsschuld analysiert wurde, sollen nun die präventiven Strafzwecke in den Blick genommen werden. Vielfach wird die Wirkung des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens hinsichtlich dieser vorschnell bejaht.473 Dies zeigt auch die vorhergehende Darstellung. So wird oft angenommen, dass die Relevanz des Nachtatverhaltens damit zusammenhänge, dass der Täter einen Beitrag zur Wiederherstellung des Rechts leiste.474 Dieser pauschalen Annahme fehlt es aber an einer Differenzierung. Bei der Frage nach den Auswirkungen auf präventiver Ebene ist nach den bekannten präventiven Strafzwecken zu unterscheiden. Daher sollen die dargestellten Normen nun nochmals spezifisch hinsichtlich ihrer general- und spezialpräventiven Wirksamkeit untersucht werden. Die Privilegierung des Nachtatverhaltens dürfte die negative general- und spezialpräventive Wirkung der Strafe nicht tangieren, müsste aber in gleicher Weise zur Erfüllung positiv general- und spezialpräventiver Zwecke geeignet sein. aa) Negative Generalprävention Die negative Generalprävention meint – wie eingangs beschrieben (vgl. im gleichen Abschnitt unter A. II. 2. a)) – die Abschreckungswirkung der Strafe für die Gesellschaft. Da das Nachtatverhalten regelmäßig zu einer milderen oder gar keiner Bestrafung führt, müsste die Bevölkerung trotzdem von Straftaten abgeschreckt werden, damit die negativ generalpräventive Wirkung der Strafe erhalten bliebe. Durch empirische Versuche475 wurde die grundsätzliche Wirksamkeit der negativen Generalprävention bestätigt. Allerdings wurde auch festgestellt, dass die konkrete Sanktionshöhe für die Wirkung weitestgehend unbeachtlich ist.476 Ausschlaggebend für die abschreckende Wirkung ist vielmehr die generelle Wahr-

473

Brauns, Wiedergutmachung, S. 172. Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 30. 475 Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68; Götting, Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren, S. 17; Dölling, ZStW 102 (1990), 5 f. m. w. N.; krit. hierzu Bock, Kriminologie, Rn. 880 ff., 883 ff., der grundsätzliche Bedenken gegen diese Art der Forschung erhebt, indem er auf verschiedene intervenierende Variablen Bezug nimmt und ihr allenfalls deskriptive Relevanz zuschreibt. 476 Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68; Götting, Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren, S. 17; Dölling, ZStW 102 (1990), 5 f. m. w. N. 474

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

scheinlichkeit, entdeckt und verfolgt zu werden.477 Damit stellt sich die Frage, inwiefern die einzelnen Normen des Nachtatverhaltens diesen Strafverfolgungsdruck mindern und damit die Abschreckungswirkung der Strafe tangieren. Durch die Normierung einer zwingenden Straffreiheit bei dem Rücktritt vom Versuch wird die negative Generalprävention nicht beeinträchtigt. Hier existieren bei den Voraussetzungen Unwägbarkeiten für den Täter. Der nicht juristisch Gebildete wird kaum unterscheiden können, welche Delikte bereits mit der Vornahme der Handlung vollendet sind, bis wann und unter welchen Voraussetzungen ein Rücktritt möglich ist. Er kann daher auch nicht abschätzen, inwieweit eine Verfolgung der Tat droht. Dies gilt umso mehr, als dass auch die im ersten Zugriff zuständigen Polizeibeamten eine solche Einschätzung nicht treffen könnten und würden. Im gesellschaftlichen Verständnis besteht damit nicht die Einschätzung, dass die Tat versucht werden könne, weil es ja den Rücktritt gebe. Die abschreckende Wirkung der Strafe bleibt damit bestehen. Vielmehr soll bei dem Rücktritt die abschreckende Wirkung der Strafe den Täter gerade motivieren, von weiterem Handeln abzusehen und auf die Herbeiführung des eigentlich gewollten Erfolgs zu verzichten bzw. sich um dessen Ausbleiben zu bemühen. Dadurch wird der sozial verankerten Kenntnis, dass es im letzten Moment vor der Verwirklichung des Erfolgsunrecht eine Möglichkeit gibt, wieder in die Straffreiheit zurückzuschreiten, Genüge getan. Handelt ein Täter entsprechend und zeigt Respekt vor der Bestrafung, stärkt das die abschreckende Wirkung der Strafe.478 § 46 StGB berücksichtigt das wiedergutmachende Verhalten erst auf der Ebene der Strafzumessung, wenn demnach das Hauptverfahren kurz vor seinem Abschluss steht und der Täter sich im Regelfall bereits der öffentlichen Hauptverhandlung stellen musste. Er wurde daher wegen der Tat bereits verfolgt, musste das Strafverfahren durchleben und sieht sich nun mit einer Strafe konfrontiert. In der Öffentlichkeit wird dies auch so wahrgenommen. Die Möglichkeit der Berücksichtigung wiedergutmachenden Verhaltens auf dieser Ebene berührt daher weder die Verfolgung der Tat noch die damit Abschreckungswirkung also die negative Generalprävention. Etwas schwieriger gestaltet sich die Frage bei dem Täter-Opfer-Ausgleich, § 46a StGB, und der sog. Kronzeugenregelung gemäß § 46b StGB, die beide neben der Möglichkeit einer fakultativen Strafmilderung auch das Absehen von Strafe ermöglichen. § 46b StGB greift zudem auf einer früheren Ebene, da seine Anwendung nach der Eröffnung des Hauptverfahrens präkludiert ist. Beide Vorschriften stellen ihre Rechtsfolge aber in das Ermessen des Gerichts. So hängt die letztliche Privilegierung des Nachtatverhaltens zum einen davon ab, ob das Gericht das Verhalten des Täters als solches anerkennt, und zum anderen davon, dass es dieses als ausreichend für die Privilegierung erachtet. Damit bestehen gleich zwei 477 Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68; Götting, Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren, S. 17; Dölling, ZStW 102 (1990), 6 m. w. N. 478 So wohl auch Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 151.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Unabwägbarkeiten, die dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit der Strafverfolgung und Bestrafung für den Täter unberechenbar wird.479 Die abschreckende Wirkung der Strafe kann daher nicht tangiert werden.480 Insofern berührt dieses wiedergutmachende Nachtatverhalten die negative Generalprävention nicht. Auch § 153a StPO kann die abschreckende Wirkung der Strafe nicht tangieren, da ein Vorgehen nach dieser Norm nicht im Einwirkungsbereich des Täters liegt. Viel eher erfolgt dieses auf Initiative der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die nach eigenem Ermessen über die Anwendung der Norm entscheiden können. Es kann damit auch hier kein allgemeines Vertrauen auf eine fehlende Verfolgung oder Sanktionierung bestehen. Dies führt dazu, dass die abschreckende Wirkung der Strafe durch die Rechtsfolge nicht beeinträchtigt wird. Letztlich bleibt damit festzuhalten, dass die hier untersuchten Normen wiedergutmachenden Nachtatverhaltens die abschreckende Wirkung der Strafnormen nicht beeinträchtigen. Einer Privilegierung des Nachtatverhaltens steht der Strafzweck damit nicht entgegen. Vielmehr bleibt die abschreckende Wirkung weiterhin bestehen, sodass Strafe durch eine Privilegierung des Nachtatverhaltens ersetzt werden kann. bb) Positive Generalprävention Wird durch die Straftat zunächst das Allgemeinempfinden und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung gestört, soll die darauffolgende Bestrafung deren Beständigkeit erweisen und die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.481 Die positive Generalprävention spricht die gesetzestreuen Bürger an und stärkt deren Normbewusstsein. Auch hier stellt sich damit die Frage, ob das wiedergutmachende Nachtatverhalten diese Funktion ebenso, wenn nicht sogar besser als die Strafe erfüllen kann. Beim Rücktritt vom Versuch entkräftet der Täter den begangenen Vertrauensbruch durch seine Distanzierung von der Tat und den Versuch der Verhinderung des Erfolgseintritts. Er distanziert sich von der Tat und erkennt die Rechtsordnung an, ebenso wird seine Umkehrleistung von der Rechtsordnung anerkannt.482 Die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft begreifen die Distanzierung des Täters von dem bereits verwirklichten Unrecht als Neubegründung des verletzten Vertrauens. Dem Verhalten des Täters kommt die Bedeutung einer Stellungnahme zum begangenen Unrecht zu, kraft derer er das Recht selbst wiederherstellt.483 Durch dieses Verhalten zeigt der Täter, dass er den Normbefehl annimmt. Die generalpräventive Wirkung wird gewahrt. 479 480 481 482 483

Für § 46a StGB: Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 68. Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68; Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 68. Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 26. Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 28 ff. Murmann, Versuchsunrecht und Rücktritt, S. 28 ff.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Bei den Normen § 46 Abs. 2 S. 2 und § 46a StGB wird mit dem wiedergutmachenden Nachtatverhalten das konkrete Opfer der vorherigen Tat bedacht. Der Täter setzt sich mit seiner konkreten Tat auseinander und versucht, deren Folgen auszugleichen. Anders als bei der Strafe, bei welcher der staatliche Zwang abstrakt versucht, einen Ausgleich zu erreichen, befasst sich der Täter hier selbst mit den Folgen seines Handelns.484 Er setzt sich damit in Widerspruch zu seinem ursprünglichen Handeln, revidiert dieses und verschafft so der verletzten Norm erneute Anerkennung. Der Konflikt mit dem Täter ist befriedet und sein Vorgehen kann als Vorbild für eine angemessene Reaktion auf Konflikte gelten.485 Aus der viktimiologischen Forschung486 lässt sich dementsprechend auf eine große Akzeptanz des Täter-OpferAusgleichs in der Bevölkerung schließen.487 Die Wiedergutmachung und der Schadensausgleich sorgen für eine Wiederherstellung des Rechtsfriedens und verfügen über eine das Rechtsbewusstsein stärkende Komponente.488 Die positiv generalpräventive Wirkung ist damit zumindest als mit der Strafe gleichwertig anzusehen. Dies gilt in gleicher Weise für § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 5 StPO. Im Rahmen des § 46b StGB trägt der Täter durch die Präventions- oder Aufklärungshilfe freiwillig dazu bei, dass andere Taten aufgeklärt oder verhindert werden. Er demonstriert damit seine Erkenntnis, dass normbrüchiges Verhalten falsch ist und erbringt als ausgleichende Handlung für seinen Normbruch eine Leistung zum Wohl der Allgemeinheit. So stärkt er das Rechtsbewusstsein, sodass seine Handlung positiv generalpräventive Wirksamkeit entfaltet. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass durch das Nachtatverhalten der Gesellschaft die Geltungskraft der Norm symbolisiert wird, indem der Täter sie selbst anerkennt. Denn auch der an sich rechtstreue Bürger befolgt die Norm nicht um jeden Preis, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sie auch im Übrigen akzeptiert und normgemäßes Verhalten honoriert wird.489 Das wiedergutmachende Nachtatverhalten kann daher ebenso wie die Strafe normstabilisierende Wirkung entfalten und genügt der positiven Generalprävention. Das Verhalten des Täters macht eine Strafe damit aus diesem Strafzweck entbehrlich.490 cc) Negative Spezialprävention Nach der eingangs dargestellten Tätertypendifferenzierung von von Liszt divergiert die Bedeutung des Strafzwecks der negativen Spezialprävention hinsichtlich 484 485 486 487 488 489

S. 16. 490

Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 48. Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68 f. Vgl. auch Bemmann, JR 2003, 226, 228 m. w. N. Kilchling, NStZ 1996, 309, 315; Bemmann, JR 2003, 226, 228. Brauns, Wiedergutmachung, S. 172. Dölling, ZStW 102 (1990), 17; Götting, Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren, Bottke, Methodik, S. 614.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

171

der Tätertypen. Bei dem nicht besserungsfähigen Täter bedeutet sie die Sicherung der Allgemeinheit. Bezogen auf den sog. Gelegenheitstäter beinhaltet die negative Spezialprävention die Abschreckung vor der Begehung weiterer Taten, während der besserungsfähige Straftäter wieder in die Gesellschaft eingefügt werden soll.491 Eine mit der Strafe vergleichbare Sicherungswirkung kann keine der untersuchten Normen beanspruchen, da alle eine mildere Strafe oder ein Absehen von Strafe vorsehen.492 Dies ist aber für die Beurteilung des Nachtatverhaltens hinsichtlich des Strafzwecks der negativen Spezialprävention nicht ausschlaggebend. Der Täter zeigt mit der Vornahme des Nachtatverhaltens seine Besserungsfähigkeit und geringe Gefährlichkeit. Er stellt so unter Beweis, dass er nicht bzw. nicht mehr zu dem nicht besserungsfähigen Tätertypen zählt. Der Sicherungsgedanke kann daher für diesen Täter zurückstehen, sodass dieser Strafzweck nicht zu erfüllen ist. Für die abschreckende Wirkung gegenüber dem Einzelnen gilt das bereits bei der negativen Generalprävention Gesagte entsprechend. Diese wird durch die Möglichkeit der Ermessensentscheidung und die späte Anwendbarkeit der Vorschriften nicht berührt. Für den Täter gibt es keine Möglichkeit, formelhaft zu berechnen, wie sich sein Verhalten letztlich auswirkt, oder im Vorfeld abzusehen, inwieweit es zu einer Berücksichtigung kommt.493 Bei dem Rücktritt vom Versuch wird der Täter durch die Möglichkeit, doch noch Straffreiheit zu erlangen, motiviert, diese zu verhindern und die Abschreckung wird nur noch verstärkt. Für den besserungsfähigen Straftäter, der einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zugänglich ist, stellt die Wiedergutmachung im Vergleich zur Strafe die bessere Möglichkeit der Integration dar.494 Denn das wiedergutmachende Nachtatverhalten hat, anders als die Strafe, keine entsozialisierende Wirkung.495 Durch die Auseinandersetzung mit dem konkreten Opfer wird ein sozialer Lernprozess in Gang gesetzt, der sich nicht nur auf die Person des Täters auswirkt, sondern auch die gesellschaftliche Anerkennung der Täterleistung zur Folge hat.496 Die wiedergutmachende Leistung kann damit auch bei der negativen Spezialprävention zumindest gleiche, wenn nicht bessere Ergebnisse erzielen und steht der Strafe in nichts nach. Aus negativ spezialpräventiver Sicht ist die Strafe nach Nachtatverhalten daher entbehrlich.

491

Vgl. im gleichen Abschnitt unter A. II. 2. b). Für § 46a StGB: Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 75. 493 So auch Reh, Die Wiedergutmachung, S. 105; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 423; Götting, Schadenswiedergutmachung, S. 13 ff. 494 Götting, Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren, S. 13. 495 Götting, Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren, S. 13. 496 Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 70. 492

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dd) Positive Spezialprävention Mit der positiven Spezialprävention ist die Besserung des Täters gemeint. Damit ist der Frage nachzugehen, inwiefern das wiedergutmachende Nachtatverhalten der positiv spezialpräventiven Wirkung von Strafe nachsteht, oder ob es nicht gleich oder sogar besser spezialpräventiv wirkt. Durch die schuldangemessene Bestrafung soll der Täter gezwungen werden, sich mit seiner Tat auseinanderzusetzen, und das Unrecht seiner Tat einzusehen. So soll Neutralisierungsprozessen entgegengewirkt werden, bei denen der Täter das Tatunrecht und seine Verantwortlichkeit verharmlost.497 § 46 Abs. 2 S. 2 StGB verlangt ebenso wie der Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a StGB, dass der Täter sich bemüht, den Schaden wiedergutzumachen bzw. dies ernsthaft erstrebt oder aber das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. In beiden Fällen ist der Täter damit gezwungen, sich mit den Folgen seiner Tat auseinanderzusetzen. Er muss sich zunächst damit befassen, welcher Schaden bei dem Opfer eingetreten ist und sich dann um die Wiedergutmachung des Schadens bemühen. Dem Ausgleich mit dem Verletzten liegt ebenfalls ein zweistufiger Vorgang zugrunde. Der Täter muss sich um die Herstellung einer Ausgleichsverabredung bemühen und anschließend um die Erfüllung der verabredeten Leistung.498 Anders als bei einer Strafe, bei der der Täter nicht selbst in die Festlegung des Maßes einbezogen ist, wird bei dieser Vorgehensweise dem Täter die Folge seines Handelns und deren Ausmaß bewusster vor Augen geführt. Gleiches gilt auch für die Auflagen im Sinne des § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 5 StPO. Der Täter ist im Rahmen des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens daher gezwungen, sich mit dem konkreten Opfer und den tatsächlichen Folgen seiner Tat auseinanderzusetzen, während dies ansonsten nur innerhalb der Hauptverhandlung und da auch nur aus der Distanz erfolgen kann.499 Das Opfer der Tat wird durch das wiedergutmachende Nachtatverhalten weniger abstrakt und anonym.500 Für den Täter ergibt sich die Möglichkeit zur Empathie, er kann Mitgefühl entwickeln und sich sowie sein Verhalten selbst reflektieren.501 Die Auferlegung der Leistung kann vom Täter daher als sinnvoll und gerecht empfunden werden,502 ihr kommt damit eine andere Qualität als der Strafe zu.503 Beim Rücktritt von der Tat fasst der Täter selbst den Entschluss, seine Tat trotz der vorhandenen Möglichkeit nicht zu Ende zu bringen. Er distanziert sich von dieser, indem er entweder die weitere Ausführung aufgibt oder aber die in Gang gesetzte 497 498 499 500 501 502 503

Dölling, JZ 1992, 493, 494. Streng, in: NK StGB, § 46a Rn. 12. Reh, Die Wiedergutmachung, S. 102. Roxin, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 37, 50. Reh, Die Wiedergutmachung, S. 102 m. w. N. Roxin, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 37, 50. So auch Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 72.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Kausalkette unterbricht bzw. sich um deren Unterbrechung bemüht. Gleiche Distanzierung erbringt der Täter bei der Aufklärungs- und Präventionshilfe im Rahmen des § 46b StGB. Denn durch die Angaben zu einer Tat, die im Zusammenhang mit der eigenen steht, zeigt der Täter, dass er sich aus dem kriminellen Umfeld lösen will.504 Das Abstandnehmen von der eigenen Tat bedeutet, dass der Täter bereits eine Besserung erfahren hat und die Erfüllung positiv spezialpräventiver Strafzwecke nicht mehr möglich ist. Spezialpräventiv kann auf Strafe verzichtet werden, da der Täter sein Fehlverhalten eigenständig eingesehen und korrigiert hat und damit keine Maßnahme zur Einwirkung auf ihn erforderlich ist.505 Das wiedergutmachende Nachtatverhalten ist damit unter dem Blickpunkt der positiven Spezialprävention zumindest gleichermaßen geeignet wie Strafe, um die Besserung des Täters zu erreichen. Durch eine andere qualitative Auseinandersetzung mit dem verwirklichten Unrecht liegt es sogar nahe, das wiedergutmachende Verhalten für geeigneter zu halten als die Strafe.506 Zudem hinterlässt Nachtatverhalten keine Stigmatisierung des Täters, sodass sich keine Hindernisse für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft stellen.507 ee) Ergebnis Bei der Analyse des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens bezüglich seiner präventiven Wirkung ergibt sich keine geringere Eignung zur Erreichung präventiver Strafzwecke als bei der Strafe.508 Sowohl die negativ generalpräventive als auch die negativ spezialpräventive Wirkung bleibt erhalten. Die Strafzwecke der positiven General- und Spezialprävention können durch wiedergutmachendes Nachtatverhalten sogar qualitativ besser verfolgt werden: Wiedergutmachung im Rahmen des Nachtatverhaltens berührt die negative Generalprävention und bestimmte Aspekte der negativen Spezialprävention nicht. Die abschreckende Wirkung des Verstoßes gegen die strafbewehrten Verhaltensnormen sowohl für den Täter als auch für die Allgemeinheit wird nicht tangiert, da die Anwendung der Vorschriften zur Privilegierung nach Vollendung der Tat im Ermessen steht. Der Täter kann es also nie als sicher ansehen, dass ihm die Privilegierung gewährt wird. Eine Berücksichtigung der Privilegierung aufgrund des wiedergutmachenden Verhaltens im Rahmen der Tatplanung ist daher nicht möglich. Dies gilt umso mehr, als die Voraussetzungen der Normen dem Täter im Einzelnen unklar sein werden. Bei dem wiedergutmachenden Verhalten vor Vollendung der Tat, in der Form des Rücktritts, wird die abschreckende Wirkung im Weiteren dadurch gewahrt, dass der Normbefehl hochgehalten und dem Täter vor Augen geführt wird, 504 505 506 507 508

BT-Drs. 17/9695, S. 6. Bottke, Methodik, S. 614. Für mindestens aber gleich geeignet Reh, Die Wiedergutmachung, S. 101 ff. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 423; Reh, Die Wiedergutmachung, S. 103. Reh, Die Wiedergutmachung, S. 112.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dass nun die letzte Möglichkeit gegeben ist, um eine Strafbarkeit zu verhindern. Zudem ist auch hier der Eintritt der Rechtsfolge für den Täter nicht berechenbar. Die Strafzwecke der positiven General- und Spezialprävention können das wiedergutmachende Nachtatverhalten qualitativ besser befriedigen als die Institution der Strafe.509 Denn anders als bei der Strafe wird der Täter mit den konkreten Folgen seiner Tat konfrontiert und bemüht sich um deren Verhinderung bzw. deren Aufarbeitung. Dies bedeutet nicht nur für ihn eine vertiefte Auseinandersetzung mit seiner Tat, sondern demonstriert diese auch der Allgemeinheit, die die intrinsische Motivation des Täters um die Verhinderung bzw. den Ausgleich der Folgen höher bewertet als die durch ein Strafurteil oktroyierte. Wiedergutmachendes Nachtatverhalten ist damit unter Betrachtung präventiver Strafzwecke geeignet, Strafe zu ersetzen oder zu ergänzen. 3. Fehlende Strafwürdigkeit aufgrund des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens Die Untersuchung des Nachtatverhaltens hinsichtlich der präventiven Strafzwecke hat gezeigt, dass wiedergutmachendes Nachtatverhalten prinzipiell geeignet ist, Strafe zu ersetzen. Mit dieser Erkenntnis geht die Frage einher, ob in den präventiven Strafzwecken der Grund für die Straflosigkeit des Nachtatverhaltens in bestimmten Fällen liegen kann. Die herrschende Vereinigungstheorie wird aber nicht nur von präventiven Strafzwecken getragen, sondern auch vom Vergeltungsgedanken. Kann demnach die aufgrund des Nachtatverhaltens geminderte Strafzumessungsschuld trotz Kompensation präventiver Gründe eine Strafe fordern? Auf den ersten Blick ist diese Frage zu bejahen, da die im Rahmen der Strafzumessungsschuld in Anschlag gebrachte Tatschuld nicht aufgehoben werden kann. Ihr kann zwar das Nachtatverhalten entgegengehalten werden, was in einer Zusammenschau zu dem geminderten Maß an Strafzumessungsschuld führt. Die vorhandene Tatschuld bedingt aber ein Mindestmaß an Strafzumessungsschuld. Da die Normen aber in verschiedenen Fällen Straffreiheit vorsehen, müsste dieses geringe Quantum bei der Bestrafung aber schließlich unberücksichtigt bleiben. Dazu muss zunächst geklärt werden, ob dies generell zulässig ist. In einem weiteren Schritt ist dann zu fragen, an welches Maß von Schuld Nachtatverhalten anknüpfen kann, damit die Folge das Absehen von Strafe ist. So lässt sich letztlich das Maß an Strafzumessungsschuld bestimmen, bei dem der Gesetzgeber davon ausgeht, dass bei Erfüllung aller präventiven Strafzwecke eine vergeltende Strafe entbehrlich ist.

509 Schäfer/Sander/van Gemmeren, in: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 641.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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a) Ein Fall der Schuldunterschreitung? Die Frage nach der Zulässigkeit der Schuldunterschreitung kann nicht pauschal beantwortet werden, vielmehr ist danach zu differenzieren, ob die Schuldunterschreitung bei der Zumessung der konkreten Einzelstrafe erfolgen soll, oder aber das Absehen von Strafe gesetzlich geregelt ist.510 Bei der Bemessung der konkreten Einzelstrafe wird eine Schuldunterschreitung grundsätzlich für unzulässig gehalten. Die herrschende Spielraumtheorie geht davon aus, dass die Schuld bei der Bemessung der Einzelstrafe einen Rahmen für die Strafzumessung nach oben und nach unten absteckt,511 eine Schuldunterschreitung soll daher nicht möglich sein.512 In Erweiterung dieser Ansicht gehen Lackner513 und Roxin514 davon aus, dass der Richter die schuldangemessene Strafe wohl unterschreiten dürfe, wenn zwingende Gründe der Spezial- oder der Integrationsprävention dies erfordern. Diese Theorien betreffen allerdings nur die Zumessung der konkreten Einzelstrafe. Von der Frage der Schuldunterschreitung bei dieser ist die hier relevante Frage der Unterschreitung der Strafzumessungsschuld durch gesetzliche Vorgaben zu differenzieren.515 Eine solche wird überwiegend für zulässig gehalten.516 Der grundsätzlich erhobene Einwand, bei einer Schuldunterschreitung liege ein Widerspruch zu § 46 Abs. 1 S. 1 StGB vor, da die Schuld dann nicht mehr Grundlage der Strafe sei, trägt hierbei nicht. Der Gesetzgeber ist im Rahmen seines legislativen Ermessens nicht an die einfachgesetzlichen Regelungen gebunden. Die gesetzlichen Regelungen, welche eine Unterschreitung der Strafzumessungsschuld erlauben, sind eine Abwägung verschiedenster mit der Strafe zu erreichender Zwecke, die vom einzelnen Richter so nicht zu treffen sind. Sie werden ihm deshalb als vorgegebener gesetzlicher Maßstab an die Hand gegeben. Erst innerhalb dieses durch den Gesetzgeber konkretisierten abstrakten Strafrahmens kann der Richter dann unter Zugrundelegung der Spielraumtheorie die konkrete Strafe 510

Radtke, in: MüKo StGB, Vor § 38 Rn. 55 f. Radtke, in: MüKo StGB, Vor § 38 Rn. 55 f. m. w. N.; so sieht es auch die sog. Stellenwerttheorie bzw. Stufentheorie, die davon ausgeht, dass die Schuld bei der konkreten Strafzumessung grundsätzlich nicht unterschritten werden kann. Diese Ansicht stellt darauf ab, dass die Strafhöhe alleine anhand der Schuld zu bestimmen ist und präventive Gesichtspunkte nur bei der Frage nach der Art der Strafe Wirkung haben können. Die Stellenwerttheorie ist aber mit dem Gesetzeswortlaut, der bei § 46 Abs. 1 S. 2 StGB den Richter ausdrücklich auffordert, schon bei der Strafzumessung die Wirkungen der Strafe für das zukünftige Leben des Täters zu berücksichtigen, nicht in Einklang zu bringen und deshalb abzulehnen (vgl. zum Ganzen Horn, in: SK-StGB, § 46 Rn. 33 ff.). 512 Schäfer/Sander/van Gemmeren, in: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 832. 513 Lackner, in: Lackner/Kühl, § 46 Rn. 30. 514 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 54. 515 So auch Radtke, in: MüKo StGB, Vor § 38 Rn. 55 ff. 516 Radtke, in: MüKo StGB, Vor § 38 Rn. 55 f.; Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, § 46 Rn. 5; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 54. 511

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

bestimmen. Diese Wertung des Gesetzgebers ergibt sich aus verschiedenen gesetzlichen Regelungen. So sieht § 60 StGB ein Absehen von der Strafe vor, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre und der Täter für die Tat eine Strafe von nicht mehr als einem Jahr verwirkt hat. In diesen Fällen kommt lediglich ein Schuldausspruch ohne Strafausspruch in Betracht. Auch hier zeigt sich, dass in Fällen, in denen sämtliche präventive Strafzwecke517 nicht mehr erfüllt werden können, eine Bestrafung trotz vorhandener Schuld nach dem Willen des Gesetzgebers unterbleibt. Das gleiche Bild ergibt sich bei der Betrachtung von § 59 StGB, der Verwarnung mit Strafvorbehalt. Dieser ermöglicht einen Verzicht auf Strafe, obwohl eine schuldhaft begangene Tat vorliegt.518 Dieses Bild bestätigt die obige Untersuchung des privilegierenden Nachtatverhaltens. Sie zeigt, dass bei dem normierten Verhalten des Nachtatverhaltens auf die Schuld eingewirkt wird, sie aber nicht vollständig aufgehoben werden kann. Erst der Wegfall der präventiven Strafzwecke bedingt dann das Absehen von Strafe. Die Schuld löst damit nur dann eine Strafbarkeit aus, wenn dies aus sozialen Gesichtspunkten erforderlich ist. Schuld ist zwar notwendige Bedingung der Strafe, nicht aber hinreichende.519 Die Bestrafung schuldhaften Verhaltens kann aus präventiven oder auch kriminalpolitischen Gründen nicht notwendig sein. Darüber hinaus kann sie auch aus anderen rechtspolitischen Gründen unpraktikabel sein.520 So hat bereits Roxin festgestellt, dass der Staat zur Verhängung einer präventiv nicht erforderlichen Strafe nicht ermächtigt ist.521 Strafe als einschneidender staatlicher Eingriff bedarf stets einer juristischen Rechtfertigung, die über die metaphysische Idee der zu vergeltenden Schuld hinaus geeignet und erforderlich sein muss.522 Ein Absehen von Strafe kann daher zulässig sein, wenn zwar vom Schuldgesichtspunkt eine Sanktionierung erforderlich wäre, aus präventiven Gründen aber auf Strafe verzichtet werden kann, weil ihre Funktionen bereits durch das Nachtatverhalten erreicht wurden. Friktionen zur konkreten Bemessung der Einzelstrafe durch den Strafrichter und dem in diesem Zusammenhang geltenden Verbot der Schuldunterschreitung

517

Vgl. hierzu Groß, in: MüKo StPO, § 60 Rn. 18 ff. Zur Regelung vgl. ausführlich Brauns, Wiedergutmachung, S. 82 ff. 519 Müller-Dietz, Grundfragen, S. 25. 520 Roxin/Greco, Strafrecht AT, § 23 Rn. 47. 521 Roxin/Greco, Strafrecht AT, § 3 Rn. 60. 522 Roxin/Greco, Strafrecht AT, § 3 Rn. 60. Roxin zieht aus dieser Erkenntnis aber einen andern Schluss und nimmt eine Schuldausschluss an. Denn wenn kein Anlass bestehe eine Sanktion zu verhängen, stelle das Täterverhalten als solches kein schuldhaftes Strafunrecht da (Roxin, in: Festschrift Heinitz, S. 251, 273 f.). Diese Ansicht trennt damit nicht ausreichend zwischen denen die Strafe rechtfertigenden Zwecken der Vergeltung und der Prävention, indem sie letztlich eine Wechselwirkung zwischen Vergeltungs- und Präventionszweck annimmt. Auch für den Fall des Wegfalls präventiver Strafgründe ist anzunehmen, dass eine Schuld in diesem Fall die Strafbarkeit nicht auslösen kann. 518

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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bestehen unter Zugrundelegung dieser Ansicht nicht.523 Sie bezieht sich auf gesetzlich vorgegebene Strafzumessungserwägungen und nicht auf die konkrete Einzelstrafe. b) Anknüpfung an das Maß der Schuld Die benannten Normen, die wiedergutmachendes Nachtatverhalten privilegieren, führen stets zu einer Strafminderung, überwiegend auch zu einem Absehen von Strafe, wenn das wiedergutmachende Nachtatverhalten vorliegt. Nachdem nun die grundlegende Frage der Wirkung des Nachtatverhaltens geklärt ist, muss das Maß der Schuld bestimmt werden, bei dem das Absehen von Strafe gesetzlich vorgegeben werden kann. Keine Relevanz hat hierbei die zuvor ebenfalls betrachtete Strafzumessungsregel des § 46 Abs. 2 StGB, die keine Vorgaben zum Strafrahmen macht, sondern die Grundsätze der Strafzumessung darlegt. Die übrigen untersuchten Normen sind im Wesentlichen in zwei Fallgruppen zu gliedern. Die erste Fallgruppe bezieht sich auf die Höhe der Strafzumessungsschuld im konkreten Fall, während die zweite Fallgruppe Normen erfasst, die aus abstrakten Gründen in der Strafzumessungsschuld beschränkt sind. §§ 46a und 46b StGB knüpfen für das Absehen von Strafe an die hypothetische Straferwartung im konkreten Einzelfall an. Mit der strikten Grenze beziehen sich die Normen auf die Strafe nach Berücksichtigung des Nachtatverhaltens.524 Bei einem Täter-Opfer-Ausgleich kann von Strafe abgesehen werden, wenn die hypothetische Straferwartung bei einem Jahr Freiheitsstrafe oder 360 Tagessätzen liegt. Bei der Aufklärungs- und Präventionshilfe liegt die Grenze bei einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren. §§ 46a und 46b StGB erlauben hier eine „Unterschreitung“ der Strafzumessungsschuld aus präventiven Gründen und ermöglichen so eine vollständige Berücksichtigung dieser Strafzwecke. 523 Jedoch spricht auch bei der Bestimmung der konkreten Einzelstrafe vieles dafür, eine Schuldunterschreitung zuzulassen. Dass ein nach der Tat liegendes Verhalten für die Strafzumessungsschuld Relevanz zukommen kann, zeigt nicht zuletzt die Rechtsprechung des zum Lockspitzeleinsatz (Lackner, in: Lackner/Kühl, § 46 Rn. 30 m. w. N.). Der vom BGH vertretene Grundsatz, dass die schuldangemessene Strafe nicht unterschritten werden darf, gilt nach der Gesetzeslage eben nicht uneingeschränkt und wird vom BGH auch selbst nicht konsequent angewendet (Theune, in: LK12 StGB, § 46a Rn. 8). 524 Eschelbach, in: SSW-StGB, § 46a Rn. 43; OLG Bamberg, NStZ-RR 2013, 109. Eine andere Ansicht hält die Annahme, es handele sich um die Strafzumessungsschuld, für zirkelschlüssig, da damit zunächst eine hypothetische schuldangemessene und präventiv erforderliche Strafe ermittelt, und dann aber wieder verworfen werde. Deshalb könne es nur auf das verschuldete Unrecht ankommen, so: Streng, in: NK StGB, § 46a Rn. 24; Wolters, in: SK StGB, Vor § 46a Rn. 10 f. Dem ist nicht zuzustimmen. Die nach der Tat feststehende Tatschuld begrenzt die Strafzumessungsschuld und damit den Strafrahmen nach unten. Auch wenn präventive Gründe keine Strafe erfordern, darf dieser Rahmen dem Strafzweck der Vergeltung folgend nicht ohne gesetzliche Regelung unterschritten werden. Somit findet durch die gesetzliche Normierung keine doppelte Berücksichtigung präventiver Gründe statt, sondern eine vollständige, nicht durch die Tatschuld gehemmte.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Eine fallunabhängige Anknüpfung nimmt § 24 StGB vor. Bei § 24 StGB ist der Anknüpfungspunkt die versuchte Tat. Der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts ist anwendbar, wenn das Erfolgsunrecht noch nicht eingetreten ist. Verwirklicht ist zu diesem Zeitpunkt allein das Handlungsunrecht. Das Handlungsunrecht stört den Rechtsfrieden regelmäßig weniger als Erfolgsunrecht, es ist zudem weniger verfestigt. Bereits aus diesem Grund erscheint es angemessen, die Strafzumessungsschuld regelmäßig geringer anzusetzen. Dennoch wird diskutiert, ob sich das Fehlen des Erfolgsunrechts bei dem Maß der Strafzumessungsschuld auswirkt oder ob es lediglich bei der Frage des Strafbedürfnisses Relevanz hat.525 Zwar widerspricht einem Schuldbezug zunächst, dass der Versuch an sich nur fakultativ milder bestraft werden kann. Bei einem Blick in die Historie des Rücktritts bestätigt sich jedoch der Schuldbezug, weshalb das Abstellen auf das fehlende Strafbedürfnis verkürzt ist. Bis 1939 war in § 44 Abs. 1 StGB a. F. für den Versuch eine obligatorische Strafmilderung („ist milder zu bestrafen“) vorgesehen. Erst mit der Neufassung wurde dies in eine fakultative Milderung geändert.526 Durch diese Änderungen sollte verhindert werden, dass zufällige Privilegierungen des Täters zwangsweisen zu einem Absehen von Strafe führen.527 Zudem wurde Einzelfällen Rechnung getragen, in denen eine per se niedrigere Strafe im Vergleich zur vollendeten Tat nicht überzeugen konnte.528 Mit der Gesetzesänderung sollte aber nicht dem fehlenden Erfolgsunrecht seine generell die Schuld mindernde Wirkung abgesprochen werden.529 Auch in der Literatur wird auch nach der Gesetzesänderung darauf hingewiesen, dass eine an der Schwere der Tat orientierte Strafe beim Versuch stets niedriger ausfallen müsste.530 Dass der Erfolgsunwert Auswirkungen auf die Schuld haben muss, zeigen zudem auch andere Normen des geltenden Rechts. So nutzt der Gesetzgeber selbst den Erfolgseintritt, um bei den Strafrahmen zu differenzieren.531 Während die Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, führt der Eintritt einer Konkretisierung dieser abstrakten Gefahr in Form der Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert zu einer Straferhöhung auf eine Maximalstrafe von bis zu fünf Jahren. Eine Bedeutung des Erfolgsunwerts kann damit nicht negiert werden. 525

Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 23 Rn. 6. Die Änderung wurde durch § 4 der Gewaltverbrecherverordnung vom 5. 12. 1939, RGBl. I S. 2378 ins Gesetz eingebracht. 527 Entwurf eines Strafgesetzbuches, E 1962, BT-Drs. IV/650, S. 143. 528 Entwurf eines Strafgesetzbuches, E 1962, BT-Drs. IV/650, S. 143. 529 Entwurf eines Strafgesetzbuches, E 1962, BT-Drs. IV/650, S. 143. 530 Zaczyk, in: NK StGB, § 23 Rn. 4; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 23 Rn. 9; Hoffmann-Holland, in: MüKo StGB, § 23 Rn. 23 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 50; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 49 Abs. V 2; OLG Köln, StV 1997, 244; für obligatorische Strafmilderung beim unbeendeten Versuch Kaufmann, ZStW 80 (1968), 34 ff., 51 f.; allgemein für eine obligatorische Milderung Köhler, Strafrecht AT, S. 485; kritisch zu dieser Position Hillenkamp, in: LK StGB, § 23 Rn. 19 ff.; Heger, in: Lackner/Kühl, § 23 Rn. 2; Jäger, in: SK StGB, § 23 Rn. 3. 531 Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 129. 526

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Handlungs- und Erfolgsunwert stehen damit gleichrangig nebeneinander, fehlt einer der beiden, hat dies Auswirkungen auf die Strafzumessungsschuld. Für die Strafzumessungsschuld hat dies zur Folge, dass auf Seiten der Tatschuld nur eine Handlungskomponente einzubringen ist. In der erforderlichen Zusammenschau von Tatschuld und dem entgegengesetzten Beitrag der Rücktrittshandlung hat dieser daher größeres Gewicht. Es verbleibt lediglich ein kleines Quantum an Strafzumessungsschuld. § 153a StPO vereint beide Fallgruppen, indem sowohl an ein abstraktes Maß, die Begrenzung der Anwendung auf Vergehen, als auch auf ein konkretes Maß, die nicht entgegenstehende Schwere der Schuld im Einzelfall, Bezug genommen wird. Für die Beurteilung dieser ist eine kursorische Bewertung der Tat anzustellen.532 Angenommen wurde die nicht entgegenstehende Schuld bei Taten, für die im Falle einer Verurteilung Freiheitsstrafe mit Bewährung bis zu einem Jahr zu verhängen wären,533 teilweise aber auch bis zu zwei Jahren.534 Ein allgemeingültiges Maß an Strafzumessungsschuld, an das das privilegierende Nachtatverhalten geknüpft ist, lässt sich demnach nicht feststellen. Geben die Regelungen auf Strafzumessungsebene einen hypothetischen Strafrahmen von einem bis drei Jahren vor, findet sich bei § 153a StPO in der Literatur ein Anwendungsbereich von einer hypothetischen Straferwartung von bis zu zwei Jahren. Für den Rücktritt ist ein solcher Rahmen nicht auszumachen, er schließt an die bloße Verwirklichung von Handlungsunrecht an. Es bleibt daher als Grundsatz festzuhalten, dass das privilegierende Nachtatverhalten mit der Folge der Straflosigkeit an ein gemindertes, von der Voll- bzw. Höchstschuld abweichendes Quantum an Strafzumessungsschuld anknüpft. Diese Minderung kann bereits in der Art des verwirklichten Unrechts liegen, ebenso aber in einer geringen hypothetischen Straferwartung. Das heißt also: Erst wenn das Maß der Schuld nicht besonders schwer ist, können präventive Erwägungen über den durch die Strafzumessungsschuld gesetzten Rahmen hinaus den Ausschlag für eine Straffreiheit geben. Letztlich ausschlaggebend für die Strafunwürdigkeit ist damit die präventive Wirkung des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens. 4. Unterschiedliche Ausgestaltung des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens Vorliegend wurde für alle Arten des privilegierten Nachtatverhaltens eine gemeinsame Wirkweise festgestellt. Diese steht im Einklang mit der Vereinigungslehre, die für die Begründung der Strafe herangezogen wurde. Mit ihrer Umkehrung lässt sich auch die Strafunwürdigkeit belegen. Das beschriebene Verhalten mindert die Strafzumessungsschuld und wirkt auf präventiver Ebene. Sieht die Norm vor, 532 533 534

BVerfG, NStZ-RR 1996, 168 m. w. N.; Mavany, in: LR StPO, § 153a Rn. 46. Beukelmann, in: BeckOK StPO, § 153a Rn. 13. Peters, in: MüKo StPO, § 153 Rn. 12.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dass keine Strafe gegen den Täter verhängt wird, ist Anknüpfungspunkt hier ein gemindertes Maß an Schuld. Dieses Maß an Schuld wird entweder anhand des konkreten Einzelfalls oder aber abstrakt, anhand spezifischer Deliktseigenschaften, bestimmt. Die untersuchten Normen sind in ihrer Auswirkung aber verschieden ausgestaltet. So wirkt der Rücktritt als persönlicher Strafaufhebungsgrund, während die §§ 46, 46a und 46b StGB auf Strafzumessungsebene ansetzen und § 153a StPO prozessuale Wirkung entfaltet. Betrachtet man in diesem Zusammenhang erneut die Voraussetzungen der Normen, wird deutlich, warum eine unterschiedliche Ausgestaltung desselben Grundgedankens erfolgte. Denn neben einer vergleichbaren Wirkweise, finden sich bei den untersuchten Normen auch wesentliche Unterschiede. Durch die Regelung des Rücktritts wird der Täter am umfangreichsten privilegiert, ihr folgt ein persönlicher Strafaufhebungsgrund, der Täter kann wegen der versuchten Tat nicht mehr bestraft werden. Diese weitgehende Privilegierung rechtfertigt sich sowohl durch die Wirkung des Verhaltens als auch durch die dem Verhalten zugrundeliegende Situation. Grundlage der Strafzumessungsschuld ist einzig das Handlungsunrecht, auf das dann auch noch im Wege der Verrechnung mindernd eingewirkt wird. Bereits die Quantität des Unrechts ist damit gering. Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich des Rücktritts begrenzt, er ist nur zwischen dem Stadium des Versuchs und der Vollendung möglich. Der Täter muss also in der Situation der Tat selbst freiwillig den Entschluss zum Abstandnehmen von dieser treffen. Dass ein solcher Entschluss gewichtiger zu beurteilen ist als ein solcher nach der Tat, kann nicht infrage gestellt werden. Damit ist auch die Qualität des Nachtatverhaltens gewichtiger zu bewerten als bei den im Folgenden aufgezählten Normen. Diese setzen zwar auch – mit Ausnahme von § 153a StPO – den freiwilligen Entschluss des Täters zur Vornahme des Nachtatverhaltens voraus, ihr Anwendungsbereich erfasst diesen Entschluss aber in einem anderen, vom ursprünglichen Entschluss zur Tat weiter entfernten Stadium. Gemein ist den benannten Regelungen auf Strafzumessungsebene, dass sie im Gegensatz zum Rücktritt im Regelfall nach einer bereits eingetretenen Verletzung oder einem Schaden Anwendung finden. Da bei den Normen regelmäßig ein vollendetes Delikt und damit Erfolgsunrecht zugrunde liegt, ist bereits grundsätzlich quantitativ mehr Schuld als bei der Ausgangssituation eines Rücktritts vorhanden. Eine Anwendung der §§ 46 Abs. 2 Nr. 6 oder 46a StGB im Bereich des Versuchs, bei dem wenigstens ein außertatbestandlicher Schaden oder Verletzungserfolg verlangt wird, kann aber nur erfolgen, wenn das den Täter privilegierende Verhalten zuvor als nicht ausreichend für einen Rücktritt betrachtet wurde, etwa weil der Entschluss oder dessen Umsetzung den restriktiveren Maßstäben des § 24 StGB nicht genügt. Damit ist das anzurechnende Rettungsverhalten qualitativ bereits minderwertiger als das, was zu dem persönlichen Strafaufhebungsgrund führt. Denn der Zeitpunkt, in dem der Täter den Entschluss zur Umsetzung der privilegierenden Handlung fasst, ist oftmals ein anderer als bei dem Rücktritt. Er erfolgt zu einem

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Zeitpunkt, zu dem die Tat als solche schon abgeschlossen ist, meist auch erst nach begonnenem Verfahren. Ein solcher viel späterer Entschluss ist qualitativ weniger gewichtig als der während der Verwirklichung der Tat und kann damit nicht das Gleiche zur Folge haben. Auch bei § 46b StGB wird der Entschluss zum privilegierenden Verhalten zwingend erst nach der Tatausführung gefasst, sodass auch darin als Verrechnungsgröße ein minderes Gewicht der anrechnenden Handlung liegt. Die Normierung des privilegierenden Nachtatverhaltens auf prozessualer Ebene wirkt in ihrem Grundgedanken wie die übrigen das Nachtatverhalten privilegierenden Vorschriften. Anwendungsbereiche der Vorschrift können versuchte und auch vollendete Taten sein. Aufschlussreich ist die Betrachtung der Anwendung und damit die Frage nach der Qualität des wiedergutmachenden Verhaltens. Bei der Anwendung des § 153a StPO ist der Täter bereits mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, wenn nicht bereits der erhobenen Anklage konfrontiert. Der Vorschlag einer Beendigung des Verfahrens im Wege der Einstellung gegen Auflagen oder Weisungen wird nur sehr selten vonseiten des Angeklagten zu erwarten sein. Üblicherweise erfolgt die Anregung zur Verfahrenseinstellung, mit Ausnahme von gut verteidigten Angeklagten, von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht. Zudem hängt von der Erfüllung der Auflage die Verfahrensbeendigung ab, sodass eine gewisse Zwangswirkung anzunehmen ist. Es liegt nahe, dass aus diesem Grund die Aussagekraft einer dann erfüllten Auflage als weniger gewichtig im Vergleich zu der bereits verwirklichten Schuld beurteilt wird, sodass nur ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung als Vergehen folgt. So wird zudem auch den nicht abgeschlossenen Ermittlungen Rechnung getragen. 5. Ergebnis Das wiedergutmachende Nachtatverhalten zeigt in der Gesamtschau zwei Punkte, die eine gesetzliche Privilegierung begründen. Zum einen führt das Nachtatverhalten selbst zu einer Schuldmilderung. Die ursprünglich vorliegende Tatschuld wird als begründender und maßgebender Faktor der Strafzumessungsschuld mit anderen Faktoren, u. a. dem Nachtatverhalten, verrechnet. Zum anderen erfüllt das wiedergutmachende Nachtatverhalten die präventiven Strafzwecke ebenso gut wie die Strafe. Damit entfällt letztlich die präventive Legitimation der Strafe. Dies rechtfertigt die Strafmilderung. Ist die Strafzumessungsschuld bereits nicht besonders groß, kann diese anhand der gesetzlichen Normierung unterschritten werden und es kommt zu einem Absehen von Strafe. Allerdings hat sich gezeigt, dass trotz des gleichen Grundgedankens die Anwendung der verschiedenen Normen zu unterschiedlichen Ergebnissen führt: So kann ein Verfahrenshindernis begründet werden, ein persönlicher Strafaufhebungsgrund vorliegen oder aber eine Strafzumessungserwägung folgen. Betrachtet man hierzu den quantitativ zu bemessenden Ausgangspunkt, von dem das Nach-

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

tatverhalten wirkt, erscheint diese vom Gesetzgeber gewählte unterschiedliche Ausgestaltung nachvollziehbar. Im Folgenden wird daher zu prüfen sein, ob sich der bei den übrigen Formen des privilegierenden Nachtatverhaltens gefundene Grundsatz nun auch bei dem zu untersuchenden Nachtatverhalten der tätigen Reue wiederfindet.

V. Tätige Reue Neben den bereits ausgeführten Normen, die das Nachtatverhalten des Täters privilegieren, gibt es im Strafgesetzbuch bei zahlreichen Vorschriften, die wiedergutmachendes Nachtatverhalten bezogen auf die konkrete Tat honorieren: die Regelungen der tätigen Reue. Diese Regelungen sind im Gegensatz zu den bereits untersuchten Normen des Nachtatverhaltens nicht allgemeingültig. Unklarheit herrscht darüber, welche Voraussetzungen den Gesetzgeber veranlassen, eine tätige Reue zu regeln. Vielfach wird kritisiert, dass die Regelungen der tätigen Reue keine erkennbare Systematik aufweisen.535 Diese These soll im Folgenden anhand der Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts, die eine tätige Reue vorsehen, überprüft werden. Naheliegend ist, dass auch hier das Nachtatverhalten auf der Ebene der Schuld und Prävention wirkt. Für diese Annahme spricht nicht nur, dass diese Punkte bei allen untersuchten Formen der Privilegierung von Nachtatverhalten vorlagen, sondern darüber hinaus die besondere Nähe des Rücktritts zu den Regelungen der tätigen Reue. Diese ergibt sich aus zwei Tatsachen. Zum einen sind die Regelungen der tätigen Reue in ihrer Ausgestaltung häufig an die Regelung des § 24 StGB angelehnt (vgl. dazu sogleich B. V. 3. a) dieses Abschnitts), sodass hier eine gewisse Ähnlichkeit besteht. Des Weiteren ist die Verbindung der tätigen Reue zum Rücktritt in einer historischen Perspektive zu sehen. So waren Versuch und Rücktritt zunächst in § 31 preußStGB geregelt. Erst im Jahr 1871 trennte der Gesetzgeber Versuch und Rücktritt. Der neue § 46 Nr. 1 RStGB regelte den Rücktritt vom unbeendeten Versuch, während § 46 Nr. 2 RStGB die Möglichkeit tätiger Reue vom beendeten Versuch vorsah. Als tätige Reue wurde demnach hier nicht nur, wie unter heutigem Verständnis anzunehmen, das Nachtatverhalten nach Vollendung des Delikts, sondern auch der Rücktritt vom beendeten Versuch verstanden.536 Damit hatte der Begriff der tätigen Reue eine weitergehende Bedeutung. Die Begriffsbestimmung änderte sich erst im Laufe der Zeit. Der Rücktritt vom beendeten Versuch wird nunmehr als solcher und nur noch in Ausnahmefällen als tätige Reue bezeichnet. Der Blick auf die Begriffsentwicklung bis hin zu unserem heutigen Begriff von tätiger Reue, welcher nur noch die wiedergutmachende Handlung nach Vollendung der Tat

535 536

So auch schon Schröder, in: Schönke/Schröder StGB, 14. Auflage 1968, § 46 Rn. 15a. Schröder, in: Schönke/Schröder StGB, 14. Auflage 1968, § 46 Rn. 5.

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erfasst, legt nahe, dass eine Aufarbeitung von Versuch und Rücktritt für das Verständnis der tätigen Reue wesentlich ist. Diese Ähnlichkeit zum Rücktritt und anderen Formen des Nachtatverhaltens gilt es nun, anhand der einzelnen Regelungen der tätigen Reue zu untersuchen.537 Dafür soll zunächst überprüft werden, ob die oben benannten Kriterien, welche das Nachtatverhalten charakterisieren – Schuldminderung und Auswirkung auf die präventiven Strafzwecke – auch hier vorliegen. Grundsätzlich müsste zudem an ein nicht besonders gewichtiges Maß von Schuld angeknüpft werden, wenn die Regelungen der tätigen Reue ein Absehen von Strafe vorsehen. 1. Rechtsfolgen der tätigen Reue Vorangestellt werden soll der Untersuchung der Vorschriften daher eine kurze Betrachtung der Rechtsfolgen tätiger Reue. Nicht nur die tätige Reue an sich, sondern auch ihre Rechtsfolgen wurden in der Literatur vielfach als nicht einheitlich kritisiert.538 So wurde teilweise sogar angenommen, dass hier „bewusste Willkür“539 herrsche und Rechtsgleichheit und Gerechtigkeit nicht mehr gewährleistet würden.540 Zumindest für die hier im Folgenden zu untersuchenden Regelungen der tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht lässt sich diese These aber nicht bestätigen. Als Rechtsfolge der tätigen Reue tritt hier überwiegend Straffreiheit ein. So sehen die Regelungen zur tätigen Reue in den §§ 149 Abs. 2, 261 Abs. 9, 264 Abs. 6, 264a Abs. 3, 265b Abs. 2 und § 298 Abs. 3 StGB vor, dass der Täter jeweils hinsichtlich des verwirklichten Tatbestands zwingend straffrei wird, wenn er die im Einzelnen noch unter B. V. 3. a) dieses Abschnitts zu erläuternden Voraussetzungen erfüllt. § 371 Abs. 1 AO sieht für den Anzeigenden ebenfalls eine obligatorische Straffreiheit bezüglich Taten im Sinne des § 370 AO vor. Straffreiheit tritt allerdings nur hinsichtlich derjenigen Steuerarten ein, auf die sich die Selbstanzeige bezieht. Andere Steuerstraftaten und allgemeine Straftaten, die mit Steuerstraftaten in Tateinheit 537

Für eine Übertragung der Strafzwecktheorie auf die präventive tätige Reue spricht sich Härtl-Meißner aus. Nicht überzeugend sei dies aber für die kompensatorische tätige Reue, da der Täter hier bereits eine Rechtsgutsverletzung herbeigeführt habe, vgl. Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 80 ff. Dies differenziert aber nicht ausreichend bezüglich der einzelnen Rechtsgüter. Denn auch wenn bei kompensatorischer tätiger Reue schon ein Rechtsgut verletzt wurde, bedeutet dies nicht, dass die bereits eingetretene Rechtgutsverletzung den Deliktscharakter wesentlich prägt. Wird diese Rechtsgutsverletzung durch andere Tatbestände erfasst, kann der dem Delikt innewohnende besondere Unwertgehalt einer abstrakten Gefährdung eines anderen Rechtsguts weiterhin zurückgenommen werden. Die darüberhinausgehende Frage, inwieweit durch ein Verhalten nach Rechtsgutsverletzung noch präventive Strafzwecke erfüllt werden können, muss für jede Norm separat betrachtet werden. 538 Vgl. Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 216 f., 228. 539 Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 89. 540 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, § 24 Rn. 117.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

oder Tatmehrheit stehen, bleiben strafbar.541 Eine Ausnahme im Hinblick auf die Rechtsfolge bildet lediglich § 266a StGB, der zunächst nur ein fakultatives Absehen von Strafe vorsieht. § 266a Abs. 6 StGB erlaubt, für die Fälle der Absätze 1 und 2 und über Satz 3 auch für Absatz 3 nach pflichtgemäßem Ermessen von Strafe abzusehen (S. 1), wenn die Mitteilung über die vorenthaltenen Beträge und den Grund der nicht fristgerechten Zahlung erfolgt.542 Erst wenn die Beiträge in einer von der Einzugsstelle gesetzten Frist nachentrichtet werden, tritt ein zwingender persönlicher Strafaufhebungsgrund und damit zwingend Straffreiheit ein (S. 2). Mit der daher fast einheitlichen Rechtsfolge des Absehens von Strafe liegt es unter Berücksichtigung der Analyse des privilegierenden Nachtatverhaltens nahe, dass auch bei der tätigen Reue ein Maß an Schuld vorliegt, dass in bestimmter Weise gemindert ist. 2. Anknüpfung an ein gemindertes Maß von Schuld Die einzelnen Normen machen keine Angaben zu einem konkreten Strafmaß im Einzelfall, ab dem ein Absehen von Strafe möglich ist. Aus diesem Grund muss hier an eine spezifische Deliktseigenschaft angeknüpft werden, die als Ausgangspunkt für die letztlich strafbefreiende Wirkung des Nachtatverhaltens gelten kann. Die Betrachtung der verschiedenen Kriterien im zweiten Teil ergab, dass nur bei einem Kriterium, der Einordung als abstrakte Gefährdungsdelikte, eine Übereinstimmung nahezu aller untersuchten Delikte vorlag. Damit stellt sich die Frage, ob mit der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt bereits ein Maß an Schuld verbunden ist, dass der Verrechnung besonders zugänglich ist. Voraussetzung dafür wäre, dass der Unrechtsgehalt der abstrakten Gefährdungsdelikte beschränkt ist. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen abstrakter Gefährdung und tätiger Reue stellte sich bereits Zieschang, als er problematisierte, ob mit der Einordnung als (potenzielles) abstraktes Gefährdungsdelikt bereits notwendigerweise die Regelung einer tätigen Reue einhergehen müsse.543 Auch Ceffinato greift diesen Gedanken auf, wenn er tätige Reue als Gefährdungsumkehr bezeichnet.544 Um die Relevanz der materiellen Deliktsart genauer zu untersuchen, muss zunächst der Strafgrund und das Unrecht der abstrakten Gefährdung betrachtet werden. Nur nach einer solchen Untersuchung ist letztlich festzustellen, ob mit der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt stets ein minderes Maß an Unrecht einhergeht.

541

BVerfG, NJW 2005, 352; BGHSt 12, 100; 49, 136, 143; Hüls/Reichling, in: HK Steuerrecht, § 371 Rn. 269. 542 Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 102; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 25; Krack, NStZ 2001, 505, 510. 543 Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 152. 544 Ceffinato, Vollendungsumkehr, passim.

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a) Unrecht der abstrakten Gefährdung Die abstrakten Gefährdungsdelikte werden stets negativ definiert, indem auf das Fehlen der Verletzung oder der konkreten Gefährdung des geschützten Rechtsguts abgestellt wird.545 Eine positive Definition des verwirklichten Unrechts erscheint daher auf den ersten Blick schwierig. Allerdings kann sich eine Definition des Unrechts nicht darin erschöpfen, dass ein Schaden oder eine konkrete Gefährdung fehlt.546 Es drängt sich somit die Frage auf, was genau die abstrakten Gefährdungsdelikte bestrafen und warum es hier überhaupt einer Strafe bedarf. In der Folge muss dieses Unrecht dann in Relation zu dem Unrecht des vorsätzlichen vollendeten Erfolgsdelikts gesetzt werden. Die bereits vielfach diskutierte und grundlegende Frage nach dem Strafgrund der abstrakten Gefährdungsdelikte kann vorliegend allerdings nur in Grundzügen angerissen werden. Einer vertieften Darstellung bedarf es zur Beantwortung der oben genannten Frage indes ebenfalls nicht. Betrachtet werden sollen hierbei nur die für die Untersuchung relevanten Delikte des Wirtschaftsstrafrechts. aa) Strafgrund der abstrakten Gefährdung Für die in dieser Untersuchung behandelten Delikte gilt, dass sie sich durch den Schutz des Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft auszeichnen, welches sie als Wirtschaftsstraftaten eint. Kollektive Rechtsgüter sind aber anders als Individualrechtsgüter nicht untrennbar mit dem Individuum verbunden und werden auch nicht durch bestimmte Sachen verkörpert. Ihre Verletzung ist empirisch nicht nachprüfbar. Aufgrund ihrer fehlenden Verkörperung ist eine Beeinträchtigung nicht fassbar.547 Unter der Annahme der Kumulationsdelikte ist erst ein sog. „Megaverstoß“, also eine vielfache Wiederholung der gleichgelagerten das kollektive Rechtsgut gefährdenden Handlungen geeignet, eine Verletzung herbeizuführen.548 Folge dieser Feststellung ist, dass konkrete Gefährdungsdelikte ebenso wie Verletzungsdelikte zum Schutz kollektiver Rechtsgüter nicht geeignet sind.549 Die Verbindung des Schutzes kollektiver Rechtsgüter mit der Institution des abstrakten Gefährdungsdelikts ist damit logische Konsequenz. Um eine Summierung der Handlungen zu einer tatsächlich eintretenden Rechtsgutsverletzung zu verhindern, muss aber bereits die einzelne Handlung unter Strafe gestellt werden.550 Es liegt somit nahe, dass sich das Unrecht der Gefährdung nicht in der letztlich eintretenden Verletzung findet, sondern in der 545 Wohlers, Deliktstypen, S. 284; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 140; Wolters, in: SK StGB, Vor §§ 306 ff. Rn. 16. 546 Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 127. 547 Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 59. 548 Wohlers, Deliktstypen, S. 308. 549 Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 60; Wohlers, Deliktstypen, S. 308; Hefendehl, JR 1996, 353, 354. 550 Wohlers, Deliktstypen, S. 308.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Handlung selbst.551 Die abstrakten Gefährdungsdelikte bestrafen damit Handlungsunrecht.552 Umstritten ist dabei, wie sich die Strafbarkeit dieser Handlung legitimiert. Hierzu werden grundsätzlich zwei Ansichten vertreten. So nimmt eine Ansicht auf die generelle Gefährlichkeit der Handlung Bezug und begründet so das Strafbedürfnis.553 Die andere Ansicht geht davon aus, dass die Strafbarkeit der abstrakt gefährlichen Handlung auf der Vermutung des Gesetzgebers beruht, dass diese das Rechtsgut beeinträchtige (sog. Präsumtionstheorie).554 (1) Theorie der generellen Gefährlichkeit Nach der Theorie der generellen Gefährlichkeit sieht der Gesetzgeber den Strafgrund der abstrakten Gefährdungsdelikte darin, dass gerade solche Verhaltensweisen untersagt werden müssen, die typischerweise gefährlich sind und zur Beeinträchtigung eines Rechtsguts führen.555 Es wird damit nicht die einzelne Handlung als solche betrachtet, sondern aus der Erfahrung geschlossen, dass Handlungen wie die ausgeführte regelmäßig zu Rechtsgutsbeeinträchtigungen führen.556 Es sei damit die bloße Zugehörigkeit zu einer definierten Gruppe von Handlungen entscheidend.557 Dabei sei aber nicht erforderlich, dass sich die Gefahr tatsächlich in der überwiegenden Anzahl der Fälle realisiere, vielmehr genüge, wenn die Beeinträchtigung des Rechtsguts häufig oder in vielen Fällen eintrete.558 Das abstrakte Gefährdungsdelikt sanktioniere demnach bestimmte typisch oder generell gefährliche Handlungen. (2) Präsumtionstheorie Nach den Präsumtionstheorien setzt die Strafbarkeit der Handlung stets eine Rechtsgutsbeeinträchtigung voraus, die demnach auch bei den abstrakten Gefährdungsdelikten erforderlich ist.559 Die Rechtsgutsbeeinträchtigung sei notwendig, um die Strafe auch für diese Delikte zu legitimieren. Anders als die erstbenannte Theorie der generellen Gefährlichkeit, die in Kauf nimmt, dass der Erfolg in Form der konkreten Gefährdung oder Verletzung im Einzelfall ausbleibe, wohl aber oftmals eintrete, kann dies der Präsumtionstheorie nicht genügen. In den Fällen, in denen 551

Kindhäuser, Gefährdung, S. 238 ff.; Blöcker, Tätige Reue, S. 119 f. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 63 ff. m. w. N. 553 Zu einem Überblick auf den Meinungsstand vgl. Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S 144 ff.; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 66 jeweils m. w. N. 554 Baumann/Weber/Mitsch, AT, §, 8 Rn. 43; Maurach/Zipf, AT I, § 20 Rn. 31. 555 Binding, Normen I, S. 379 f.; Schünemann, JA 1975, S. 793, 797. 556 Kindhäuser, Gefährdung, S. 238 ff.; Blöcker, Tätige Reue, S. 119 f. 557 Binding, Normen I, S. 379 ff.; Kindhäuser, Gefährdung, S. 230 ff. 558 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 150; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 68. 559 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 8 Rn. 43; Maurach/Zipf, AT I, § 20 Rn. 31. 552

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kein konkreter Gefahrenerfolg eintreten kann, also ein für die Rechtsgüter unbedeutendes Verhalten vorliegt, muss nach der Präsumtionstheorie eine Strafbarkeit ausbleiben.560 Ihr zufolge ist darauf abzustellen, dass ein Verhalten, das zwar in dem Moment seiner Ausführung keinen sichtbaren Gefährdungserfolg hervorbringt, einen solchen jedoch noch herbeiführen werde. Sie vermutet daher den Gefahrerfolg in Form der konkreten Gefährdung im Einzelfall.561 Zur Konstruktion der Rechtsgutsbeeinträchtigung wird diese Vermutung (Präsumtion) zugrunde gelegt.562 Diese Präsumtion des Gesetzgebers bedürfe keines Beweises im Prozess.563 bb) Stellungnahme Die Präsumtionstheorien können zunächst im Hinblick auf die allgemein anerkannte Differenzierung zwischen abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten564 nicht überzeugen. Denn im Ergebnis wird nach den Präsumtionstheorien auch bei den abstrakten Gefährdungsdelikten ein konkreter Gefährdungserfolg verlangt und damit letztlich auch wegen eines konkreten Gefährdungsdelikts bestraft.565 Ein Abstellen auf die reale Rechtsgutsbeeinträchtigung steht damit im Widerspruch zu dem allgemeinen Verständnis des abstrakten Gefährdungsdeliktes, das nach diesem gerade solche Handlungen unter Strafe stellt, die eine Beeinträchtigung nicht voraussetzen, bei denen eine solche sogar von vorne herein gleich ausgeschlossen ist.566 Von einem Strafgrund für die abstrakte Gefährdung kann daher im Grunde nicht gesprochen werden, vielmehr wird die Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Gefährdung nivelliert. Aus diesem Grund erscheint es vorzugswürdig, die abstrakten Gefährdungsdelikte nicht allein unter Bezugnahme auf die vermutete Rechtsgutsverletzung, sondern anhand des spezifischen Unwertgehalts des durch sie sanktionierten Verhaltens – also nach der Theorie der generellen Gefährlichkeit – zu bestimmen.567 Im Weiteren entständen unter Zugrundelegung der Präsumtionstheorien Friktionen zum Rechtsstaatsprinzip, wenn die als Voraussetzung für das Unrecht der Tat begriffene konkrete Gefährdung bloß vermutet, nicht aber bewiesen wird.568 Mit dem herrschenden Schuldstrafrecht, nach welchem dem Täter die schuldhafte Verwirk560

Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 219. Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151. 562 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 8 Rn. 43; Maurach/Zipf, AT I, § 20 Rn. 31. 563 Maurach/Zipf, AT I, § 20 Rn. 31. 564 Vgl. etwa Zieschang, Gefährdungsdelikte, S. 15; Wohlers, Deliktstypen, S. 281; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 108. 565 Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 66. 566 Wohlers, Deliktstypen, S. 291 f. 567 Wohlers, Deliktstypen, S. 292; Kindhäuser, Gefährdung, S. 227. 568 Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 67; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 354 f. 561

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

lichung nachgewiesen werden muss, ist dies nicht zu vereinbaren.569 Indes besteht auch keine Notwendigkeit einer solchen Vermutung. Zwar setzt die Strafbarkeit regelmäßig den Eintritt des Erfolgs voraus, dieser ist aber nicht zwingend, wie die Strafbarkeit des Versuchs zeigt. Aus diesem Grund ist es nicht erforderlich, mit den Präsumtionstheorien zwingend eine Rechtsgutsbeeinträchtigung zu vermuten; es muss genügen, wenn eine solche durch die Handlung eintreten kann. Diese abstrakte Gefahr und damit das Unrecht der Handlung wird durch die abstrakten Gefährdungsdelikte bestraft. Mit Blick auf das heutige Strafrecht, in dem Vermutungen kaum noch rechtliche oder dogmatische Bedeutung zuerkannt wird, müssen die Präsumtionstheorien daher als veraltet gelten.570 Gegen die zur Erklärung des Unrechts der abstrakten Gefährdung vorgebrachte Theorie der generellen Gefährlichkeit werden allerdings ebenfalls verschiedene Argumente vorgebracht. So wird häufig eingewandt, dass sich diese alleine auf eine statistische Betrachtung zurückziehe und keine Angaben über die im Einzelfall vorliegende Handlung treffe.571 Dies führe dazu, dass bestimmte Handlungen erfasst werden, bei denen im Einzelfall eine konkrete Gefährdung oder Verletzung gar nicht möglich sei.572 Diese Kritik ist zwar zutreffend, sie kann aber trotzdem nicht durchgreifen. Der Gesetzgeber hat sich auch in anderen Fällen bewusst dazu entschieden, Handlungen unter Strafe zu stellen, die für sich genommen den Erfolg nicht herbeiführen können, zu denken sei nur an den grob unverständigen oder untauglichen Versuch. Ausschlaggebend für die Strafbarkeit ist hier der in der Handlung liegende missbilligte Unwert. Einer Strafbarkeit der Handlung steht die im Einzelfall ausbleibende Gefährdung damit nicht entgegen. Dennoch kann die Theorie der generellen Gefährlichkeit bei den vorliegend untersuchten Delikten, die primär dem Schutz des kollektiven Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft dienen, nicht überzeugen. Legt man diese Ansicht zugrunde, müsste für die hier untersuchten Delikte festzustellen sein, dass die Vornahme der bezeichneten Handlung zumindest regelmäßig zu einer Beeinträchtigung des Rechtsguts führe. Eine solche Feststellung kann aber für die vorliegenden Delikte nicht getroffen werden, da eine solche unter Zugrundelegung des Modells der Kumulationsdelikte erst bei einer vielfachen Wiederholung ähnlicher Handlungen eintritt. Zu einer solchen Wiederholung ist es aber tatsächlich bisher nicht gekommen, sodass eine statistische Eignung der Handlung zur Verletzung empirisch niemals festgestellt, sondern nur aufgrund logischer Annahmen geschlossen werden kann. Letztlich kann keine der bereits benannten Theorien für die hier relevante Deliktsgruppe absolute Geltung beanspruchen. Damit bedarf es zur Darlegung der 569

Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 11 f.; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 67. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 67. 571 Wohlers, Deliktstypen, S. 286; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 80. 572 Wohlers, Deliktstypen, S. 286; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 171; Schünemann, JA 1975, 787, 797; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 80. 570

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abstrakten Gefährdung bei der hier einschlägigen Fallgruppe einer von den genannten Theorien abweichenden Begründung. Aus diesem Grund wurde bereits davon gesprochen, dass die Kategorie der abstrakten Gefährdungsdelikte für Verstöße gegen kollektive Rechtsgüter nicht passe.573 Der für das Schuldstrafrecht relevante Zusammenhang zwischen der Handlung und der Rechtsgutsbeeinträchtigung574 könne nicht ohne weiteres hergestellt werden.575 So wurde sogar angenommen, Kumulationsdelikte verstießen gegen das Schuldprinzip und begründen eine Haftung ex iniuria tertii.576 Dem bleibt aber entgegenzuhalten, dass die Handlungen Dritter auch beim Kumulationsdelikt nicht die Strafbarkeit begründen, vielmehr ist die Handlung des Einzelnen ursächlich für seine Bestrafung.577 Die Bestrafung erfolgt aufgrund des in der Handlung angelegten Unwerts, der sich aber erst in Zusammenschau mit der Vielzahl anderer gleichgelagerter Handlungen zeigt. Die vorbezeichnete Fallgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass einzelne Verstöße nicht geeignet sind, das geschützte System der sozialen Marktwirtschaft zu verletzen, denn sie tangieren die äußere Schutzsphäre des Gutes nur peripher. Sog. Kumulationsdelikte scheinen daher auf den ersten Blick rechtsgutsindifferent, das geschützte Rechtsgut ist zunächst immun gegen die in seine Richtung verübten Angriffe.578 Auf die Gefährdung folgt nicht die Verletzung des Rechtsguts.579 Dieser in der Handlung liegende Unwert ist allerdings nicht mit den oben ausgeführten Theorien zu fassen. Die genannten Theorien bedürfen daher einer weiteren Spezifizierung und Modifikation, sodass auch die Kumulationsdelikte mit ihrer Hilfe erklärbar werden. Eine für alle abstrakten Gefährdungsdelikte passende Begründung der Strafbarkeit ist nicht auszumachen. Dies hat bereits Binding erkannt, als er in seinen „Normen“ die Gefährdungsdelikte in drei Gruppen unterteilte und für jede eine differenzierte Begründung der Strafbarkeit anführte.580 Unter die erste Gruppe ordnete Binding Tatbestände ein, bei welchen der Eintritt der konkreten Gefährdung möglich sei, wenn sich die Handlung fortentwickele.581 In diesen Fällen hänge der Eintritt des Erfolgs von Zufälligkeiten ab, sodass bereits die Vornahme der Handlung ohne Abwarten des Erfolgs unter Strafe gestellt werden könne.582 Die zweite Gruppe der Kategorisierung Bindings erfasst Delikte, bei denen der Gesetzgeber nicht das 573

Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 220 f. Kuhlen, GA 1986, 389, 403 ff.; ders., ZStW 105 (1992), 697, 717. 575 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 182. 576 Seelmann, NJW 1990, 1257, 1259. 577 Kuhlen, ZStW 105 (1992), 697, 71; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 189; BVerfG, NJW, 1577, 1586, abweichende Meinung Graßhof. 578 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 190 f. 579 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 220 f. 580 Binding, Normen I, S. 384 ff. 581 Binding, Normen I, S. 390. 582 Binding, Normen I, S. 390 f. 574

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

einzelne Angriffsobjekt geschützt wissen wolle, sondern ein dahinterstehendes übergreifendes (kollektives) Rechtsgut erfassen möchte.583 Die letztbenannte Gruppe Bindings soll solche Delikte erfassen, die als Delikte des „einfachen Ungehorsams“ zu begreifen wären.584 Diese Delikte sollen nur strafbar sein, weil durch diese Handlungen der Ungehorsam gegenüber Normen gezeigt werde.585 Auch ein ursprünglich auf Schünemann zurückgehender Ansatz differenziert bei den abstrakten Gefährdungsdelikten in ähnlicher Weise.586 Nach Schünemann gebe es eine Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte,587 die vergeistigte Rechtsgüter schützt.588 Daneben gebe es andere abstrakte Gefährdungsdelikte, bei denen Massenhandlungen aus lerntheoretischen Gründen sanktioniert werden müssten.589 In der dritten Kategorie seien Delikte einzuordnen, die weder unter die erste noch unter die zweite fielen.590 Auch Wohlers, der die Differenzierung Bindings aufgreift, unterscheidet bei den abstrakten Gefährdungsdelikten nach den verschiedenen Typen der Risikoschaffung und möchte anhand dieser bestimmen, was Strafgrund der Tatbestände ist.591 Wohlers differenziert hierbei zwischen den Delikten, die Interessen unmittelbar beeinträchtigen, und solchen, die erst durch die Summierung mehrerer, unabhängig voneinander erbrachter Einzelbeiträge eine Rechtsgutsbeeinträchtigung hervorrufen.592 Zwar unterscheiden sich die von den genannten Ansätzen gebildeten Gruppen, sie machen aber deutlich, dass die vorliegende Deliktsgruppe unter Zugrundelegung dieser Kategorisierungen spezifisch zu betrachten ist. Sie ist als Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte zu begreifen. Sie kennzeichnet sich dadurch, dass ein kollektives Rechtsgut geschützt wird, welches erst bei der Summierung mehrerer Einzelbeiträge verletzt werden kann. Problematisch bei dieser Deliktsgruppe ist allerdings, dass die Annahme, mit der Ausführung der Handlung gehe Unrecht einher, für die konkrete Handlung nicht bewiesen werden kann. Anders als bei der Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter ist hier nicht erkennbar, was die möglichen Folgen der Handlung sind und welche Auswirkungen die Handlung auf das kollektive Gut hat oder haben kann. Vorausgesetzt wird allerdings, dass bei Verstößen aller Normadressaten gegen die strafbewehrte Verhaltenspflicht eine Verletzung des Guts droht.593 Aufgrund der Strafbarkeit der Handlung tritt diese große 583 584 585 586 587 588 589 590 591 592 593

Binding, Normen I, S. 392. Binding, Normen I, S. 397. Binding, Normen I, S. 397 f. Schünemann, JA 1975, 787, 798. Schünemann, JA 1975, 787, 798. Schünemann, JA 1975, 787, 798; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 161. Schünemann, JA 1975, 787, 798; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 160. Schünemann, JA 1975, 787, 798; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 162. Wohlers, Deliktstypen, S. 296 ff. Wohlers, Deliktstypen, S. 307. Wohlers, Deliktstypen, S. 308.

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Zahl an Wiederholungen tatsächlich aber nicht ein, sodass die Rechtsgutsbeeinträchtigung als solche empirisch nicht belegt und bloß vermutet werden kann.594 Es ist nicht erwiesen, ob es zu einer solchen tatsächlich käme.595 Die hier tragende Vermutung ist damit: „Wenn es alle täten, dann wäre es ganz furchtbar.“596 Diese Vermutung der Rechtsgutsbeeinträchtigung trägt die weitere Annahme, dass die konkrete Handlung ursächlich für eine solche Rechtsgutsbeeinträchtigung im Zusammentreffen mit gleichgelagerten Handlungen sein werde und einen Handlungsunwert inkludiert. Damit kann die Ursächlichkeit der Handlung für die vermutete Rechtsgutsbeeinträchtigung ebenfalls nur vermutet werden. Diese Vermutung unterscheidet sich von der von den Präsumtionstheorien aufgestellten Vermutung. Es wird nicht die konkrete Rechtsgutgefährdung im Einzelfall, sondern eine Eignung einer unzählbaren Vielzahl an Wiederholungen zur Rechtsgutsbeeinträchtigung unterstellt. Diese Prognose beruht auf menschlichem Verhalten und ist, anders als die Annahme der Präsumtionstheorien, dem Beweis zumindest theoretisch zugänglich. Zur Begründung der Strafbarkeit sind somit zwei Schlüsse anzustellen: die Eignung der Vielzahl an Wiederholungen zur Beeinträchtigung des Guts und die damit verknüpfte Ursächlichkeit der Einzelhandlung für diese.597 Einschränkend müssen nach überwiegender Ansicht598 zwei Voraussetzungen vorliegen. Zum einen ist eine Beschränkung auf realistisch zu erwartende Kumulationseffekte zu fordern. Wann Kumulationsdelikte zulasten kollektiver Rechtsgüter realistisch sind, setzt die Ermittlung einer die Deliktsbegehung bedingenden Motivationslage voraus.599 Danach ist zu bestimmen, inwiefern ein die kollektiven Rechtsgüter respektierendes Verhalten mit den Zielen der Individuen in Einklang zu bringen ist, oder ob hier Interessenskonflikte bestehen, die die Verletzung der Kollektivrechtsgüter wahrscheinlich werden lassen.600 Zum anderen besteht Einigkeit darin, dass dem Beitrag selbst ein zumindest minimales Eigengewicht zukommen muss, damit die Strafbarkeit legitimiert werden kann.601 Ein solches minimales Eigengewicht lässt sich nicht absolut bestimmen, hier ist für jedes Delikt eine Bagatell- bzw. Geringfügig-

594

Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 174. Wohlers, Deliktstypen, S. 308. 596 Samson, nach Perron, ZStW 99 (1987), 637, 663. 597 Wohlers, Deliktstypen, S. 323. 598 Vgl. etwa Wohlers, Deliktstypen, S. 324; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 186 f.; Kuhlen, GA 1986, 389, 407 f. 599 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 185. 600 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 186 f. Dies ist etwa der Fall, wenn ein wirtschaftliches Interesse des Einzelnen an der Begehung des Delikts besteht. Profitiert der Täter durch die Fälschung von Geld und Wertzeichen finanziell, gerät dieses egoistische Ziel zwangsweise in Konflikt mit dem Allgemeinrechtsgut. 601 Wohlers, Deliktstypen, S. 324; Kuhlen, GA 1986, 389, 407 f.; ders., ZStW 105 (1993), 697, 717. 595

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

keitsgrenze zu diskutieren.602 Können diese beiden Voraussetzungen bejaht werden, soll von einer die Strafbarkeit legitimierenden abstrakten Gefahr für das Rechtsgut ausgegangen werden.603 Insbesondere gering ist dieses Eigengewicht des Beitrags, wenn er selbst noch nicht einmal als Kumulationsbeitrag anzusehen ist. So ist bei § 149 StGB eine bloße Vorbereitungshandlung zum eigentlichen Kumulationsbeitrag unter Strafe gestellt. Zwar besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sich an die Tathandlungen des § 149 StGB eine Geld- oder Wertzeichenfälschung anfügt, da die hergestellten Fälschungsmittel nicht oder selten zu legalen Zwecken einzusetzen sind. Die Tathandlungen selbst gefährden das Rechtsgut der sozialen Marktwirtschaft aber noch nicht in der Art, dass bei einer vielfachen Wiederholung eine Verletzung möglich wäre. Ohne ein nachfolgendes und seinerseits deliktisches Verhalten wird das Rechtsgut nur deutlich eingeschränkt gefährdet.604 Bei § 149 StGB liegt damit eine weitere Unterart der abstrakte Gefährdungsdelikte vor, deren Unrecht noch weniger gewichtig ist, als das der Kumulationsdelikte.605 b) Ergebnis Die Kumulationsdelikte stellen damit eine besonders niedrigschwellige Form der abstrakten Gefährdungsdelikte dar. Von einer Verletzung des Rechtsguts und dem mit dieser Verletzung einhergehenden Unrecht sind die einzelnen Handlungen weit entfernt.606 Sie gelangen nur an eine äußerste Sphäre mit abstrakter Nähe zum Rechtsgut, sind aber nicht geeignet, diese zu durchdringen. Erst eine Vielzahl der gleichgelagerten Handlungen kann in der Summe die äußerste Sphäre überwinden und in den Bereich der konkreten Gefährdung gelangen, der schließlich mit einer letzten Handlung überwunden wird und zu einer merkbaren Verletzung des Rechtsguts führt. So ist das Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft wehrhaft gegen einzelne Angriffe, erst eine Vielzahl von Handlungen kann es konkret gefährden und eine letzte führt dann zum Zusammenbruch. Die konkreten Folgen der Handlung liegen, wie bei abstrakten Gefährdungsdelikten regelmäßig, außerhalb des Einwirkungsbereichs des Täters. Jede einzelne tatbestandsmäßige Handlung ist potenziell geeignet, die letzte Handlung zu sein, die zum Kollaps des Rechtsguts führt. Ob sie tatsächlich an diese Stelle tritt, ist jedoch vom Zeitpunkt und den 602

Über die Kriterien zur Bemessung des minimalen Eigengewichts herrschen bereits Diskussionen. So wird teilweise eine quantifizierende Betrachtung (Grenzwerte) zugrunde gelegt, während andere die Handlungen nach der Eignung zur Schädigung beurteilen wollen. Letzteres würde aber wieder eine Annäherung der abstrakten Gefährdung an die konkrete Gefährdung bedeuten, vgl. dazu Wohlers, Deliktstypen, S. 324 ff. 603 Wohlers, Deliktstypen, S. 324; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 186 f. 604 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 769. 605 Vgl. hierzu allgemein Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 769 f. 606 So auch Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 24; Schünemann, JA 1975, 787, 798; Roxin/ Greco, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 161.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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Umständen ihrer Ausführung abhängig. Regelmäßig „kratzt“ sie jedoch nur an der äußeren Hülle des Rechtsguts. Dennoch wohnt ihr ein spezifischer geringer Unwert inne, der ihre Strafbarkeit begründet. Aufgrund dieses besonders geringen Unrechtsgehalts stehen jedoch die Strafbarkeit der Kumulationsdelikte und die Legitimität des Schutzes kollektiver Rechtgüter durch das Strafrecht immer wieder in Frage.607 Auch verfassungsrechtlich drängt sich die Frage auf, ob die Strafandrohung noch verhältnismäßig ist oder ob gegen das Übermaßverbot verstoßen wird, wenn Grundrechte unter der Prämisse der Kumulationsdelikte eingeschränkt werden. Grundsätzlich ist gegen die Normierung abstrakter Gefährdungsdelikte verfassungsrechtlich allerdings nichts einzuwenden.608 Dem Gesetzgeber obliegt hier ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum.609 Bereits die verfassungsrechtliche Überprüfung erstreckt sich nur darauf, ob der Gesetzgeber die Faktoren ausreichend berücksichtigt und seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat.610 Diese mit der Einführung der Delikte geschaffene Wertung des Gesetzgebers soll hier nicht infrage gestellt werden. Die Diskussion zeigt, dass der Unrechtsgehalt der Kumulationsdelikte als gering anzusehen ist. Noch weniger gewichtig ist das Unrecht bei solchen Delikten, die bloße Vorbereitungshandlungen zum Kumulationsbeitrag unter Strafe stellen, wie es § 149 StGB tut. Da bei den Kumulationsdelikten in jedem Fall kein Erfolgsunrecht und nur Handlungsunrecht verwirklicht wird, liegt eine Vergleichbarkeit mit dem Versuchsunrecht vor. Aus diesem Grund ist zu vermuten, dass ein Nachtatverhalten hier in ähnlicher Weise auf die Strafzumessungsschuld wirkt. Es müssten aber auch die bei den anderen Formen der Privilegierung von Nachtatverhalten entdeckten Gemeinsamkeiten vorliegen. 3. Tätige Reue und Strafzwecke In der Folge werden die einzelnen Reueregelungen der bereits oben untersuchten Delikte des Wirtschaftsstrafrechts genauer betrachtet. Dabei soll geprüft werden, ob sich die bei dem bereits analysierten Nachtatverhalten herauskristallisierten Punkte, die Einwirkung auf die Schuld und die Auswirkungen des umschriebenen Verhaltens auf spezial- und generalpräventive Strafzwecke, hier ebenfalls wiederfinden. a) Regelungen der tätigen Reue Diese Analyse setzt die Kenntnis der Voraussetzungen der einzelnen Reueregelungen voraus, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

607 608 609 610

So auch Wohlers, Deliktstypen, S. 318. BVerfGE 90, 145, 205. BVerfGE 90, 145, 205. BVerfGE 88, 203, 262.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

aa) Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen (§ 149 StGB) Für das Absehen von Strafe wird in § 149 Abs. 2 StGB verlangt, dass der Täter die weitere Ausführung der Tat aufgibt, sofern ihre Fortsetzung ohne sein Zutun ausgeschlossen ist. Hat der Täter bereits die Gefahr verursacht, dass andere die Tat vorbereiten oder ausführen können, dann muss er diese Gefahr beseitigen. Hierfür genügt, wenn er die Vollendung des Vorbereitungsdelikts verhindert. Die Regelung setzt zudem voraus, dass der Täter sämtliche Gefahren, die er durch die produzierten Fälschungsmittel geschaffen hat, beseitigt. Damit geht sie weiter als ein Rücktritt nach § 24 StGB.611 Um dies zu gewährleisten, muss der Täter nach § 149 Abs. 2 Nr. 2 StGB noch vorhandene und zur Fälschung brauchbare Fälschungsmittel vernichten oder unbrauchbar machen und ihr Vorhandensein einer beliebigen Behörde anzeigen oder diese dort abliefern. Nach Absatz 3 genügt das freiwillige und ernsthafte Bemühen, das Ziel der Nr. 1 zu erreichen, wenn ohne das Zutun des Täters die Gefahr weiterer Vorbereitung oder Ausführung abgewendet oder die Vollendung der schon versuchten Tat verhindert wird. Auch hier muss der Täter allerdings die Voraussetzungen von Abs. 2 Nr. 2 verwirklichen.612 bb) Geldwäsche (§ 261 StGB) Nach § 261 Abs. 9 StGB wird bei einer vollendeten Tat nach den Absätzen 1 bis 5 nicht bestraft, wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst und die Sicherstellung des Gegenstands bewirkt, auf den sich die Straftat bezieht. Ein bloßes Bemühen genügt hier nicht.613 Das Bewirken der Sicherstellung ist allerdings nur bei vorsätzlichem Handeln erforderlich, bei leichtfertigem Handeln genügt Anzeige.614 Die tätige Reue bei der Geldwäsche setzt zudem voraus, dass die Geldwäsche zum Zeitpunkt der Anzeige noch nicht ganz oder auch nur zum Teil entdeckt worden war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit hätte rechnen müssen.615 Die erstattete Anzeige muss eine konkrete Tat zum Gegenstand haben, eine pau611

Ruß, in: LK StGB, § 149 Rn. 8. Ruß, in: LK StGB, § 149 Rn. 10; Erb, in: MüKo StGB, § 149 Rn. 14; a. A.: Puppe/ Schumann, in: NK StGB, § 149 Rn. 19. 613 Schmidt/Krause, in: LK StGB, § 261 Rn. 48; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 119; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 155. 614 BT-Drs. 12/989, S. 28. Dieser Unterschied findet seine Ursache darin, dass bei Leichtfertigkeit die Option der Straffreiheit weiterhin bestehen soll, wenn sich bei längeren Geschäftsbeziehungen erst nach der Weiterverfügung des Geldes der Verdacht der Geldwäsche ergibt (BT-Drs. 12/989, S. 28; Schmidt/Krause, in: LK StGB, § 261 Rn. 48; Altenhain, in: NK StGB, § 261 Rn. 155; Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 120). 615 Die Entdeckung der Tat liegt vor, wenn seitens der Ermittlungsbehörden mehr als ein bloßer Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO besteht, die Tat also wahrscheinlich ohne weitere Mitwirkung des Anzeigenden aufgeklärt werden kann (vgl. Neuheuser, in: MüKo StGB, § 261 Rn. 118; Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, § 261 Rn. 34). 612

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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schale Anzeige einer Vielzahl von Geldwäschehandlungen genügt nicht.616 Zudem muss die Anzeige freiwillig erfolgen.617 cc) Subventionsbetrug (§ 264 StGB) Die Regelung der tätigen Reue beim Subventionsbetrug (§ 264 Abs. 6 StGB) gilt für alle Fälle des § 264 StGB.618 Für die Straflosigkeit muss der Täter freiwillig verhindern, dass auf Grund der Tat die Subventionen gewährt werden. Durch welche Handlung der Täter den Verhinderungserfolg herbeiführt, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Handlung die Kausalität seiner Tathandlung beseitigt.619 Wenn weitere Handlungen zur Subventionsgewährung erforderlich wären, genügt das Unterlassen dieser.620 Wurde das Handeln des Täters nicht kausal für die Nichtgewährung der Subvention, reicht das freiwillige und ernsthafte Bemühen, das Gewähren der Subvention zu verhindern.621 Zeitliche Grenze für die tätige Reue ist die Gewährung der Subvention.622 Danach ist sie ausgeschlossen.

616

Schmidt/Krause, in: LK StGB, § 261 Rn. 48. Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, § 261 Rn. 34. 618 Grundsätzlich wird die Regelung der tätigen Reue auf alle Fälle des § 264 Abs. 1 StGB für anwendbar gehalten (Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 153). Jedoch wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren infrage gestellt, ob bei den Fällen, in denen der Täter Pflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 SubvG verletzt (§ 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB), überhaupt ein Bedürfnis für die tätige Reue bestehe. Durch die gesetzlichen Regelungen im SubvG werde dem Subventionsnehmer erlaubt, Angaben unverzüglich und rechtzeitig zu tätigen, ihm werde damit bereits ein ausreichender Zeitraum zur Mitteilung oder Anzeige eingeräumt. In Fällen, in denen der Subventionsnehmer Angaben vor der Gewährung der Subvention unterlasse, bestehe daher nach herrschender Ansicht keine Notwendigkeit einer tätigen Reue. Der Tatbestand werde erst spät vollendet, sodass den Bedürfnissen des Subventionsnehmers ausreichend Rechnung getragen werde (Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 154; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 264 Rn. 43 m. w. N.). Unter der getroffenen Einschätzung zur Beendigung des Subventionsbetrugs, kann dies aber nicht überzeugen. Wird der Subventionsbetrug erst mit der Gewährung der Subvention beendet, können auch bis zu diesem Zeitpunkt Angaben diese Gewährung verhindern. Nicht zwangsläufig deckungsgleich muss diese Verhinderungshandlung aber mit einer unverzüglichen Mitteilung der Tatsachen sein, sodass ein Anwendungsbereich für die tätige Reue verbleibt. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs erscheint daher nicht geboten (so wohl auch OLG Stuttgart, wistra 1992, 232) und wird auch vom Wortlaut nicht vorgesehen. 619 Fischer, § 264 Rn. 41. 620 OLG Stuttgart, MDR 1992, 788; Fischer, § 264 Rn. 41; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 67; Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 156; Hellmann, in: NK StGB, § 264 Rn. 163. 621 BGH, NStZ 2010, 327, 329. 622 Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264 Rn. 67; Tiedemann, in: LK StGB, § 264 Rn. 149; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264 Rn. 118. 617

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dd) Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) Nach § 264a Abs. 3 StGB wird straffrei, wer freiwillig verhindert, dass die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung aufgrund der Tat erbracht wird, die Leistung also dem Täter zur Verfügung steht.623 § 264a Abs. 3 S. 1 StGB verlangt für die Reue die Unterbrechung der in Gang gesetzten Kausalkette. Erfasst sind damit neben aktiven Handlungen auch solche Fälle, in denen der Täter durch bloßes Nichtweiterhandeln den Erfolg verhindern kann.624 Die Strafbarkeit entfällt auch, sofern der Täter die Kausalität beseitigt, der Anleger sich aber gleichwohl für eine Anlage entscheidet.625 Der erfolgreichen Verhinderung der Leistung wird das freiwillige und ernsthafte Bemühen um deren Verhinderung gleichgestellt.626 Diese Freiwilligkeit entspricht der Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch.627 Anwendungsbereich der tätigen Reue ist der Zeitraum zwischen der Vollendung – also Möglichkeit der Kenntnisnahme der fehlerhaften Äußerungen für einen größeren Personenkreis – und der materiellen Beendigung der Tat, der Leistungserbringung durch die Anleger.628 ee) Kreditbetrug (§ 265b StGB) In ihrer Ausgestaltung ist die Regelung des § 265b Abs. 2 StGB mit den Regelungen zur tätigen Reue beim Subventionsbetrug und beim Kapitalanlagebetrug vergleichbar.629 Gemäß Absatz 2 Satz 1 Alt. 1 muss der Täter freiwillig verhindern, dass der Kreditgeber die beantragte Leistung erbringt. Auch hier ist es ausreichend, wenn der Täter die Kausalität seiner Angaben für die Entscheidung des Kreditgebers beseitigt. Die erforderliche Korrektur muss anders als die Tatbestandsverwirklichung nicht schriftlich erfolgen, sodass auch mündliche oder fernmündliche Bemühungen ausreichen.630 Es kann aber auch ein Unterlassen genügen, wenn weitere Handlungen des Täters erforderlich wären.631 Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, reicht es aus, dass er sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Erbrin623

Tiedemann/Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 96. Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 76; Tiedemann/Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 97. 625 Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 106; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 264a Rn. 40. 626 Joecks, wistra 1986, 142, 148; Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 76; Tiedemann/ Vogel, in: LK StGB, § 264a Rn. 98. 627 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 76. 628 Hellmann, in: NK StGB, § 264a Rn. 75; Ceffinato, in: MüKo StGB, § 264a Rn. 86. 629 Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 49; Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 67; Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 47. 630 Tiedemann, in: LK StGB, § 265b Rn. 104; Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 49 m. w. N. 631 Hellmann, in: NK StGB, § 265b Rn. 67; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 265b Rn. 49; Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 49. 624

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gung der Leistung zu verhindern. Insoweit gelten die zu § 24 Abs. 1 StGB entwickelten Grundsätze.632 ff) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) Die Regelung der tätigen Reue in § 266a Abs. 6 S. 1 StGB knüpft an die Unmöglichkeit der Beitragszahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit an.633 Das Gericht kann von Strafe absehen, wenn der Arbeitgeber der Einzugsstelle spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt, und darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich war. Die Zahlung der Beiträge ist dem Arbeitgeber trotz ernsthaftem Bemühen nicht möglich, wenn er alle aus seiner Sicht bestehenden und ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Beseitigung der Zwangslage genutzt hat.634 Ernsthaft handelt dabei, wer sich nicht nur zum Schein bemüht, alles zu tun, was erforderlich ist.635 Die Anzeige muss spätestens zum Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach, also ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen. Dem Täter steht dabei allerdings regelmäßig eine angemessene Überlegungsfrist zu.636 Liegen die Voraussetzungen vor und zahlt der Täter die Beiträge innerhalb einer von der Einzugsstelle gesetzten Frist nach, ist zwingend Straffreiheit die Folge. gg) Wettbewerbsbeschränkende Absprachen (§ 298 StGB) Nach § 298 Abs. 3 StGB ist eine tätige Reue möglich, wenn noch keine Annahme des Angebots vorliegt oder die Leistung noch nicht erbracht wurde.637 Der Täter wird straflos, wenn er freiwillig die Angebotsannahme oder die spätere Leistungser632

Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 46. Tag, in: NK StGB, § 266a Rn. 129. Da die physisch reale Unmöglichkeit der Pflichterfüllung allerdings die tatbestandliche Verwirklichung des Unterlassungsdelikts ausschließt, ist der Anwendungsbereich des Satzes 1 auf Fälle beschränkt, in denen vor der Handlungsunfähigkeit eine Handlungsmöglichkeit des Arbeitgebers bestand, die er pflichtwidrig beseitigt hat. Der Arbeitgeber haftet also für die selbstverschuldete begründete Handlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistung (Wittig, in: BeckOK StGB, § 266a Rn. 39; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 23; Tag, in: NK StGB, § 266a Rn. 129; Fischer, § 266a StGB Rn. 31; Möhrenschlager, in: LK StGB, § 266a Rn. 98). A. A.: Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 119, der sich für eine weite Auslegung ausspricht und demnach auch Fälle erfasst wissen will, in denen normgemäßes Verhalten in der konkreten Situation zwar möglich und zumutbar war, ihm dies jedoch im Hinblick auf andere berechtigte und nachvollziehbare Interessen, wie die Erhaltung des Betriebes und die Sicherung von Arbeitsplätzen, erheblich erschwert war. 634 Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 122; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 23; Wittig, in: BeckOK StGB, § 266a Rn. 45. 635 Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 23; Wittig, in: BeckOK StGB, § 266a Rn. 45. 636 Tag, in: NK StGB, § 266a Rn. 128. 637 BT-Drs. 13/5584, S. 14; Heger, in: Lackner/Kühl, § 298 Rn. 8. 633

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bringung durch den Veranstalter verhindert. Dabei kann der Verhinderung der Angebotsannahme nur dann Bedeutung zukommen, wenn es zu einer anschließenden Leistung nicht kommt.638 Bleibt die Annahme des Angebots oder der Erbringung der Leistung aus anderen Gründen aus, so kann der Täter bei freiwilligem und ernsthaftem Bemühen um die Verhinderung der Angebotsannahme oder der Leistungserbringung straffrei werden (§ 298 Abs. 3 S. 2 StGB). Für die Freiwilligkeit gelten auch hier die von § 24 StGB bekannten Grundsätze.639 hh) Steuerhinterziehung (§ 370 AO), Selbstanzeige § 371 AO Im Gegensatz zu den bereits dargestellten Normen findet sich die Regelung eines wiedergutmachenden Verhaltens bei der Steuerhinterziehung nicht in einem der Absätze des § 370 AO, sondern in einem separaten Tatbestand, § 371 AO. Die Selbstanzeige gilt als mit der Regelung der tätigen Reue vergleichbar.640 Außer Betracht bleiben soll Absatz 4. Die sog. „Fremdanzeige“ bei Berichtigung im Sinne des § 153 AO, trägt nicht der Handlung des Reuigen Rechnung, sondern soll allein dazu dienen, Gewissenskonflikte der anzeigenden Person zu verhindern, wenn durch ihre Anzeige Dritte betroffen sind.641 Es handelt sich damit nicht um eine Honorierung von Nachtatverhalten. Durch die Selbstanzeige kann jeder Tatbeteiligte nach Vollendung der Tat Straffreiheit erlangen.642 Es handelt sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund.643 Die steuerliche Selbstanzeige erfordert sowohl positive (§ 371 Abs. 1 und 3 AO) als auch negative (§ 371 Abs. 2 AO) Wirksamkeitsvoraussetzungen. Für die wirksame Selbstanzeige wird positiv verlangt, dass der Selbstanzeigeerstatter die un-

638 Fischer, § 298 Rn. 21. Grundsätzlich wären daher auch Fälle erfasst, in denen der Veranstalter bereits Teilzahlungen erbracht hat, die Gesamtleistung aber noch offen steht, der Täter aber die Erbringung der Gesamtleistung verhindert (Fischer, § 298 Rn. 21). Eine einschränkende Auslegung der Regelung verlangt, dass diese Fälle ausgeschlossen werden. Der Täter soll die Leistungserbringung durch den Veranstalter vollständig verhindern müssen, da sonst eine Schädigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (Dannecker, in: NK StGB, § 298 Rn. 94; Böse, in: Graf/Jäger/Wittig, § 298 Rn. 38; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 298 Rn. 34). 639 Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 298 Rn. 28. 640 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 3. Vergleiche ziehen auch Hüls/ Reichling, in: HK Steuerrecht, § 371 Rn. 25. 641 BT-Drs. 6/1982, S. 195. 642 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 3; Hadamitzky/Senge, in: Erbs/ Kohlhaas, § 371 AO Rn. 4; Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 371 Rn. 44. 643 Brauns, Wiedergutmachung, S. 136 m. w. N. Dies gilt allerdings nicht für den hier nicht berücksichtigten Abs. 4 (Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 3; Jäger, in: Klein, AO, § 371 Rn. 241).

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richtigen, unvollständigen oder fehlenden Angaben durch zutreffende ersetzt.644 Wurde die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen, tritt Straffreiheit bei Selbstanzeigen nur in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachgeholt hat (§ 371 Abs. 2a AO). Ist die Steuerverkürzung bereits eingetreten oder der Steuervorteil schon erlangt, genügt nach § 371 Abs. 3 AO die bloße Selbstanzeige nicht. Zur Offenlegung der Hinterziehung muss die Nachentrichtung der hinterzogenen, zu veranlagenden oder vorauszuzahlenden, von der Finanzbehörde in einem Festsetzungs- oder Haftungsbescheid festgesetzten Steuern innerhalb einer von der Finanzbehörde bestimmten angemessenen Frist erfolgen.645 Die sog. negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen bzw. Sperrtatbestände führen zu einer umfassenden Selbstanzeigesperre für sämtliche Steuerarten.646 Das Gesetz versagt dem Verhalten des Täters die strafbefreiende Wirkung, wenn bei dem Anzeigeerstatter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist oder wenn ihm die Anordnung einer Außenprüfung oder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekanntgegeben worden ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 AO). Zudem scheidet eine Straffreiheit aus, wenn die Tat bereits entdeckt ist und der Anzeigeerstatter dies wusste oder damit rechnen musste (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO). Die befreiende Wirkung wird auch versagt, wenn der erlangte, nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000 Euro überschreitet; dies gilt ebenso beim Vorliegen eines besonders schweren Falls (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 und 4). Diese Ausschlussgründe der Nummer 1 und Nummer 2 sind als generalisierende und objektivierende Beschreibungen einer typisierten Unfreiwilligkeit zu verstehen.647 Diese im Gesetz genannten Ausschließungsgründe sind abschließend; es ist nicht erforderlich, dass der Täter freiwillig handelt.648 Die Motive für die Selbstanzeige sind daher, soweit kein Ausschlussgrund erfüllt ist, unerheblich.649

644 BGH, wistra 1993, 66, 68; Jäger, in: Klein, AO, § 371 Rn. 50; Hadamitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, § 371 AO Rn. 13 f. 645 Hadamitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, § 371 AO Rn. 18; Joecks, in: Joecks/Jäger/ Randt, § 371 Rn. 140 ff. 646 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 55k; Jäger, in: Klein, AO, § 371 Rn. 110; Zanzinger, DStR 2011, 1397, 1398. 647 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 30; Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 371 Rn. 202; Rübenstahl, WiJ 2014, 190, 198. 648 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 30; Hüls/Reichling, in: HK Steuerrecht, § 371 Rn. 97. 649 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 29; Hadamitzky/Senge, in: Erbs/ Kohlhaas, § 371 AO Rn. 1; Hüls/Reichling, in: HK Steuerrecht, § 371 Rn. 28.

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b) Wirkungen auf Ebene der Strafzumessungsschuld Die einzelnen Regelungen der tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht lassen allesamt eine Einwirkung auf die Schuld erkennen, indem der Täter durch sein an die Vollendung der Tat anschließendes Verhalten einen mit der verwirklichten Schuld verrechenbaren Posten schafft und so die Strafzumessungsschuld minimiert. aa) Analyse der einzelnen Regelungen Grundlage dieser Betrachtung ist die Zusammenschau der durch die Delikte geschützten Rechtsgüter in Verbindung mit der Einordnung als abstrakte Gefährdungsdelikte in der Form der Kumulationsdelikte bzw. der Vorbereitung hierzu: Bei § 149 StGB besteht die Tathandlung darin, dass der Täter eine Vorbereitungshandlung zur Geldfälschung erbringt, Gegenstände oder Materialien, die hierfür erforderlich sind, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt. Der Gegenstand oder das für die Geldfälschung nutzbare Material gefährden das Geldsystem nicht durch deren seine bloße Existenz, viel eher liegt das Unrecht in der potentiellen Verwendung dieser Mittel zur letztendlichen Fälschung. Die von der Vorbereitungshandlung ausgehende Gefahr wird durch die beschriebene Handlung der tätigen Reue gebannt, weil der Täter verhindert, dass die Tat weiter vorbereitet, ausgeführt oder vollendet wird. Auch die mit dem brauchbaren Fälschungsmittel geschaffene Gefahr einer weiteren Verwendung wird beseitigt. Durch das Aufgeben der Tat oder das Beseitigen der Gefahr ihrer weiteren Begehung wird der den späteren Kumulationsbeitrag vermutlich bedingenden Handlung ihre Wirkung genommen. Die für das Allgemeinrechtsgut in Form des Geldsystems gesetzte Gefahr wird neutralisiert. Die das Unrecht begründenden Vermutungen können nicht mehr erfüllt werden. Zwar kann weiterhin eine Vielzahl an Wiederholungen der nach § 149 Abs. 1 StGB strafbaren Handlungen und die in der Folge höchst wahrscheinlich eintretende Fälschungshandlung das Rechtsgut des § 149 StGB – das Geldsystem und damit die soziale Marktwirtschaft – gefährden. Die konkrete Handlung ist dafür als solche aber nicht mehr vermutlich ursächlich. Dadurch, dass die Norm darüber hinaus ein freiwilliges Handeln verlangt, wird im Weiteren eine dem subjektiven Handlungsunrecht entgegenzusetzende Größe geschaffen. Fehlt bereits die objektive Ursächlichkeit, ist mit dem Bemühen nur ein mit dem subjektiven Handlungsunrecht verrechenbarer Beitrag erforderlich. Bei der Geldwäsche wird durch die freiwillige Anzeige der eigenen Tat und die bei der vollendeten Tat erforderliche Sicherstellung die durch die Tathandlungen der Geldwäsche geschaffene Gefährdung des Wirtschaftskreislaufs beseitigt. So nimmt auch hier der Täter dem mit seiner Handlung geschaffenen Kumulationsbeitrag die Wirksamkeit. Dessen Ursächlichkeit für einen Zusammenbruch des Wirtschaftskreislaufs kann nicht mehr vermutet werden. Auch der aus der Vortat herrührende Gegenstand wird durch die Reuehandlung dem Wirtschaftskreislauf entzogen und

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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kann diesen nicht mehr beeinträchtigen. Durch die Anzeige der Tat gegenüber der zuständigen Behörde wird zudem der Effektivität der Strafverfolgung und damit dem zweiten Rechtsgut gedient. Auch auf Handlungsebene wird hier Freiwilligkeit verlangt, sodass es ebenfalls einen weiteren subjektiv verrechenbaren Posten gibt. Eine vergleichbare Wirkung auf Schuldebene haben die Regelungen der tätigen Reue beim Subventions-, Kapitalanlage- und Kreditbetrug. Bei allen drei Delikten wird verlangt, dass der Täter die in Gang gesetzte Kausalkette unterbricht, indem er letztlich die Erbringung der Subvention oder Leistung verhindert. Sollte die Kausalität ohne seine Kenntnis bereits unterbrochen sein, genügt zur Straflosigkeit das ernsthafte Bemühen um die Verhinderung der Leistungserbringung oder Subventionsgewährung. Durch die beschriebenen Handlungen wird damit die abstrakte Gefährdung für das geschützte Rechtsgut als Teil der sozialen Marktwirtschaft beseitigt. Der durch die Tathandlung geschaffene Kumulationsbeitrag kann nicht mehr seine potenzielle Wirksamkeit entfalten. Der Täter negiert so die Vermutung, seine Tat könne mitursächlich für einen Zusammenbruch des Subventionssystems, des Kapitalmarktes oder des Kreditwesens sein. Mit der Verhinderung der Leistungserbringung bei §§ 264, 264a und 265b StGB wird nicht nur jegliche Gefährdung des betroffenen kollektiven Rechtsguts ausgeschlossen, sondern auch verhindert, dass ein Schaden am Individualrechtsgut Vermögen eintritt. Durch die Freiwilligkeit der Handlung wird zudem ein weiterer, im Rahmen der Strafzumessungsschuld zu verrechnender Faktor geschaffen. Die tätige Reue bei § 266a StGB gliedert sich in zwei Fälle, die unterschiedlich zu deuten sind. § 266a Abs. 6 S. 1 StGB sieht ein fakultatives Absehen von Strafe vor. Durch die im Rahmen der Anzeige dargelegten Gründe kann gezeigt werden, dass das Unrecht bereits zum Zeitpunkt der Tat vermindert war, weil berechtigte und nachvollziehbare Interessen dem normgemäßen Verhalten entgegenstanden. Einem solchen durch Darlegung der Gründe offenbar gewordenen geminderten Unrecht wird dann das Verhalten des Täters, die Anzeige der Tat bei der Einzugsstelle, entgegengesetzt. War die Strafzumessungsschuld aufgrund der Bedrängnis des Täters bereits gering, kann dies dann zur Straffreiheit führen. Die Entscheidung über das Absehen von Strafe steht im Ermessen des Gerichts, da bei der Entscheidung das Ausmaß der Bedrängnis des Täters sowie die Intensität der Bemühungen des Täters nur in einer Einzelfallbetrachtung zu bewerten sind.650 Wie bei anderem Nachtatverhalten auch knüpft die tätige Reue hier nicht allein an die aufgrund der Deliktsart nicht besonders hohe Strafzumessungsschuld, sondern kann aufgrund der sich aus dem Einzelfall ergebenden beschränkten Strafzumessungsschuld strafbefreiend wirken. Obligatorische Straffreiheit erlangt der Täter nur, wenn er unter Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 6 S. 1 dann auch den geschuldeten Betrag innerhalb einer durch die Einzugsstelle zu bestimmenden Frist nachentrichtet. Durch dieses Verhalten wird die Ursächlichkeit des Kumulationsbeitrags für einen Zusammen-

650

Radtke, in: MüKo StGB, § 266a Rn. 124.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

bruch des Versicherungssystems vollständig zurückgenommen. Der Solidargemeinschaft entsteht dann kein Schaden.651 Die tätige Reue bei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen (§ 298 Abs. 3 StGB) verlangt, dass der Täter sein Ziel, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, aufgibt und gerade diese Angebotsannahme oder aber die Erbringung der Leistung verhindert. Das geforderte Verhalten führt dazu, dass die Ursächlichkeit des durch die Tathandlung geschaffenen Kumulationsbeitrags für eine Verletzung des Wettbewerbs nicht mehr vermutet werden kann. Die auf diesem gründende abstrakte Gefährlichkeit wird beseitigt. Dadurch, dass das beschriebene Verhalten freiwillig erfolgen muss, wird eine dem Handlungsunrecht entgegenzusetzende Größe geschaffen. Anders als die Anzeige im Rahmen des § 266a StGB setzt die Selbstanzeige bei der Steuerhinterziehung nach § 371 AO nicht voraus, dass die Gründe für die zunächst unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben offengelegt werden. Diese und damit ein gemindertes Unrecht sind keine Voraussetzungen der tätigen Reue.652 Zudem findet sich bei der Selbstanzeige zur Steuerhinterziehung, anders als bei den vorherigen Regelungen der tätigen Reue, kein Erfordernis freiwilligen Handelns. Die Regelung schließt nur in bestimmten Fällen der normierten Unfreiwilligkeit eine Anwendung aus. Jedenfalls erbringt der Täter auch bei der Selbstanzeige einen mit dem verwirklichten Unrecht zu verrechnenden Gegenwert, wenn er die Angaben gegenüber der Finanzbehörde korrigiert. Durch diese Korrektur wird die sonst schwer aufzudeckende Steuerquelle gefunden und Steuern können gefordert werden. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt worden, müssen diese erstattet werden. So wird der ursprüngliche Beitrag zur Verletzung des Besteuerungssystems zurückgenommen. Hinter der Normierung stehen damit nicht ausschließlich fiskalische Erwägungen, wie auch die normierten Fälle unfreiwilligen Verhaltens zeigen.653 bb) Prinzip der Gefährdungsumkehr Zusammenfassend kann man nicht nur sagen, dass die untersuchten Delikte einen mit der verwirklichten Strafzumessungsschuld zu verrechnenden Faktor schaffen, sondern auch zeigen, wie dieser ausgestaltet sein muss: Die vorliegend untersuchten Delikte dienen alle dem Schutz kollektiver Rechtsgüter. Ihr Unrecht beruht auf der Vermutung, dass eine unzählig wiederholte Ausführung der Handlung zu einer Verletzung des Rechtsguts führt, für welche dann im Rahmen einer zweiten Vermutung die tatbestandliche Handlung als mitursächlich erkannt wird. Es erscheint daher konsequent, dass der Täter diesen vermuteten Kausalzusammenhang unterbrechen muss, um Straffreiheit zu erlangen. Widerleg651 652 653

BT-Drs. 10/318, S. 31. Brauns, Wiedergutmachung, S. 137. Bottke, Methodik, S. 627.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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bar ist dem Täter aber nur der zweite Schritt der Vermutung, der die Ursächlichkeit seines eigenen Verhaltens betrifft. Der erste Teil der Vermutung, der die Zahl und Wirkung der wiederholten Handlung betrifft, ist seiner Einwirkung entzogen. Der Täter muss daher den durch ihn geschaffenen Beitrag zur Rechtsgutsverletzung neutralisieren, ihm seine Wirkung nehmen, damit er nicht mit weiteren Beiträgen in ihrer Gesamtheit das Rechtsgut verletzen kann. Er muss die vorwerfbar geschaffene Gefährdung umkehren, um einen mit der Schuld verrechenbaren Faktor zu schaffen. So beschrieb bereits Amelung das Prinzip der Gefährdungsumkehr und sah die „Notwendigkeit einer Gefahr beseitigenden Korrektur Gefahr verursachenden Vorverhaltens“.654 Dieser Gedanke sei nicht nur bei dem strafrechtlich relevanten Verhalten zu finden, sondern als allgemeiner Rechtsgedanke auch im Zivilrecht und Verwaltungsrecht integriert.655 Derjenige, der eine Gefahr schaffe, müsse Gegenmaßnahmen ergreifen oder zumindest die gefährliche Handlung abbrechen, um seine Verantwortlichkeit und mit dieser verbundene Sanktionen zu beheben.656 Diesen Grundgedanken tätiger Reue erkennt auch Ceffinato, der fordert, dass der Täter durch das zurechenbare Umkehrverhalten die Gefahrrealisierung verhindern müsse.657 Der Täter müsse seiner Handlung die ihr immanente Gefährlichkeit nehmen und sie damit als Teil der Rechtsgutsverletzung untauglich machen.658 Ähnlichkeiten bestehen hier zu der von Jäger bei der Begründung des Rücktritts herangezogenen Theorie der Gefährdungsumkehr. Die Anforderung an die Reuehandlung ist daher aus Schuldgesichtspunkten wie folgt zu formulieren: Der Täter muss die geschaffene Gefahr und somit seinen potentiellen Beitrag zur letztlichen Rechtsgutsverletzung unschädlich machen. Dies geschieht, indem er objektiv eine Handlung vornimmt, welche die zuvor geschaffene Gefahr beseitigt, und subjektiv – dies ist fast allen Delikten gemein –, indem der diese Handlung freiwillig vornimmt. Eine Ausnahme hinsichtlich der Freiwilligkeit bilden § 266a StGB und § 371 AO, die nur faktisch ein Erfordernis der Freiwilligkeit normieren. Dem verwirklichten Handlungsunrecht wird durch die bewusst die Gefahr schaffende Handlung damit eine freiwillig die Gefahrrealisierung verhindernde Handlung entgegengesetzt, die das Maß der Strafzumessungsschuld mindert. In die Analyse der anderen Normen des Nachtatverhaltens einfügend bedeutet dies zugleich, dass durch das die Gefahr umkehrende Verhalten eine mit der Schuld verrechenbare Größe geschaffen wird. Aufgrund dieses gegenzurechnenden Beitrags kann bereits vermutet werden, dass aus Schuldgesichtspunkten eine Bestrafung nach

654 655 656 657 658

Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 216. Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 216. Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 220. Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 101. Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 102; Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 216.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Ausführung der Reuehandlung unangemessen erscheint.659 Eine vollständige Kompensation bereits verwirklichter Strafzumessungsschuld ist, wie auch beim Rücktritt, zu verneinen,660 da ein geringes Kontingent an nicht zu kompensierender Tatschuld bestehen bliebt. Dies zeigt auch hier die Ausgestaltung als persönlicher Strafaufhebungsgrund. Es bleibt letztendlich ein gemindertes Maß an Strafzumessungsschuld. c) Wirkungen auf Ebene der Prävention Nachdem nun eine Schuldrelevanz des Verhaltens ermittelt werden konnte, müssten im Weiteren präventive Strafzwecke nach Ausführung der Reuehandlung keine Strafe mehr fordern, damit die gesetzlich vorgesehene Folge der Straffreiheit systemkohärent ist. Angesichts der ermittelten Wirkung von anderen Formen des Nachtatverhaltens ist zu vermuten, dass auch eine Auswirkung der tätigen Reue auf die präventiven Strafzwecke besteht, die der Strafe nicht nachsteht. aa) Negative Generalprävention Bei der negativen Generalprävention ist darauf abzustellen, inwiefern das Nachtatverhalten die Abschreckungswirkung der Strafe beeinträchtigt.661 Vorliegend wird dem Täter nach allen Regelungen der tätigen Reue Straffreiheit nur unter restriktiven Voraussetzungen gewährt. Denn selbst wenn der Täter beispielsweise im Rahmen des § 149 Abs. 2 StGB die Fälschungsmittel zerstört, bleibt die von ihm geschaffene Gefahr, dass andere die Tat weiter vorbereiten oder ausführen, welche er dann noch abwenden muss. Gleiches gilt bei § 261 StGB, bei dem nicht bloß die Sicherstellung des Gegenstands genügt, sondern auch eine Anzeige der Tat erforderlich ist. Auch bei den §§ 264, 264a, 265b oder 298 StGB legt das Gesetz dem Täter auf, die Gewährung der Leistung zu verhindern. Er trägt damit das Erfolgsabwendungsrisiko ebenso wie beim Rücktritt. Denn mit der Vornahme der gefährdenden Handlung hat er bereits eine seiner Einwirkung entzogene Möglichkeit geschaffen, dass sich diese doch in der Leistungserbringung manifestiert. Kann er diese durch seine Vorbereitungshandlung gesetzte Kausalität nicht beseitigen, bleibt der Täter strafbar. Diese Ungewissheit führt dazu, dass die Abschreckungswirkung der Strafe erhalten bleibt.662 Dem steht auch nicht entgegen, dass die Normen eine Straffreiheit auch für solche Fälle vorsehen, in denen der Erfolg aus anderen Gründen ausbleibt. Denn auch dann muss sein Verhalten als ernsthaftes Bemühen bewertet werden, was ein weiteres nicht kalkulierbares Ermessen beinhaltet. Die Einschätzung dazu, ob 659

So Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 148, der davon ausgeht, dass es nach der Ausführung der Reuehandlung nichts zu vergelten gebe und es damit keiner Strafe bedürfe. Ansonsten werde gegen das Ultima Ratio-Prinzip des Strafrechts verstoßen. 660 Roxin, Strafrecht AT II, § 30 Rn. 29. 661 Vgl. dazu im 2. Teil den 3. Abschnitt unter A. II. 2. a). 662 Für § 46a StGB: Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 68.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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eine tätige Reue vorliegt oder nicht, erfordert eine juristisch fundierte Prüfung, die dem Täter und auch den polizeilichen Ermittlungspersonen nicht zwingend gelingt. Trotz der Vornahme der Reuehandlung bleibt damit das Risiko, der Strafverfolgung ausgesetzt zu sein. Da der Täter damit niemals sicher kalkulieren kann, wie sich sein Verhalten letztlich auswirkt, wird die Abschreckungswirkung der Strafe nicht berührt. Die generalpräventive Wirkung der Strafe bleibt bestehen. bb) Positive Generalprävention Die positiv generalpräventive Wirkung der Strafe führt bei dem normtreuen Bürger zu einer Stärkung des Normbewusstseins.663 Durch die in der Regelung der tätigen Reue beschriebenen Verhaltensweisen setzt sich der Täter in Widerspruch zu seinem vorherigen Verhalten. Indem er die ursprünglich geschaffene Gefahr beseitigt und bei § 149 StGB die geschaffenen Fälschungsmittel zerstört, verschafft er der ursprünglichen Norm Anerkennung. Ebenso zeigt er bei den Delikten der §§ 264, 264a, 265a und 298 StGB, indem er das ursprünglich angestrebte Ziel verhindert, dass er sich nunmehr für das Recht entschieden hat. Auch die Angaben im Sinne des § 266a StGB und des § 370 AO und das damit verbundene Eingeständnis eines fehlerhaften Verhaltens zeigen den nun auf die Einhaltung der Verhaltensvorschriften gerichteten Willen. Gleiches gilt bei der Anzeige der Taten im Rahmen des § 261 StGB. Durch die Angabe des Täters, er habe den Verhaltenspflichten dieser Normen nicht Genüge getan, tut er sein Fehlverhalten öffentlich kund und distanziert sich von diesem. Es wird dem Übel so die gesamtgesellschaftliche Dimension genommen. Anders als bei der Strafe ist der Täter bei der tätigen Reue zudem gezwungen, sich mit den Folgen seines Handelns in der deliktsspezifischen Form zu befassen und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Die Vornahme der Reuehandlung ist damit als Anerkennung des Achtungs- und Geltungsanspruchs der spezifischen Norm zu verstehen.664 Durch dieses Verhalten hat der Reuige den Normbruch nach außen korrigiert, weshalb aus Gründen der positiven Generalprävention keine Bestrafung mehr erforderlich ist.665 Die Anerkenntnis der Norm schafft eine befriedende Wirkung.666 Das kollektive Rechtsgefühl sieht den Konflikt mit dem Täter als erledigt an.667 Eine Bestrafung des Reuigen würde viel eher zu einem Missverständnis in der Bevölkerung führen, da der Reuige die Strafe als solche nicht verdient hat.668

663 664 665 666 667 668

Vgl. dazu im 2. Teil den 3. Abschnitt unter A. II. 2. a). Blöcker, Tätige Reue, S. 159; Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 148. Blöcker, Tätige Reue, S. 159. Vgl. hierzu Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68. Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68. Blöcker, Tätige Reue, S. 159.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

cc) Negative Spezialprävention Die negative Spezialprävention erfasst die Sicherung des Täters und dessen Abschreckung vor der Begehung weiterer Taten.669 Hier gelten die Erkenntnisse, die bei der negativen Generalprävention erlangt wurden, entsprechend. Durch die restriktive Ausgestaltung der Normen zur tätigen Reue kann der Täter ihre Anwendung nicht kalkulieren. Er kann nicht sicher voraussagen, ob er Straffreiheit erlangt. Denn selbst wenn die Fälschungsmittel des § 149 Abs. 2 StGB zerstört werden, bleibt die von ihm geschaffene Gefahr, dass andere die Tat weiter vorbereiten oder ausführen. Gleiches gilt, wenn die Zahlung der Leistung trotz seines Bemühens, diese zu verhindern, erfolgt. Dann ist der Täter darauf angewiesen, dass sein Bemühen als ernsthaft erkannt wird. Diese Wertungsspielräume und Unwägbarkeiten lassen den Täter nicht voraussehen, wie sich sein Verhalten letztlich auswirkt. Indem ihm damit letztlich das Risiko aufgebürdet wird, dass er es nicht schafft, die Tat zu verhindern, behält die Strafnorm ihre abschreckende Wirkung.670 Durch die Vornahme der Reuehandlung zeigt der Täter zudem, dass er besserungsfähig ist, sodass der Sicherungsgedanke der negativen Spezialprävention zurückstehen kann. dd) Positive Spezialprävention Die positive Spezialprävention erfasst die Besserung des Täters.671 Vorliegend muss der Täter sich für die Privilegierung unter dem Gesichtspunkt der tätigen Reue mit seiner Tat auseinandersetzen und die geschaffene Wirkung negieren. Der Täter ist daher gezwungen, sich mit den konkreten Folgen seines Handelns zu befassen, die dadurch weniger abstrakt für ihn werden. Die durch die Norm der tätigen Reue auferlegte Handlung kann daher vom Täter viel eher als sinnvoll und gerecht empfunden werden,672 ihr kommt damit eine andere Qualität als der Strafe zu.673 Durch die Auseinandersetzung mit der konkreten Tat wird ein sozialer Lernprozess in Gang gesetzt,674 der zu einer Besserung des Täters führt. Er fasst den Entschluss, die vorbereitete Tat trotz der vorhandenen Möglichkeit nicht zu Ende zu bringen und andere von dieser abzuhalten. Er distanziert sich, indem er die in Gang gesetzte Kausalkette unterbricht bzw. sich um deren Unterbrechung bemüht, falls sie bereits nicht mehr eintreten kann. Dieses Abstandnehmen von der eigenen Tat zeigt diese Besserung. Der Reuige hat durch sein Verhalten die Rückkehr in die Legalität unter Beweis gestellt, er hat sich damit nicht als unverbesserlich gezeigt.675 Auch spe669

Vgl. dazu im 2. Teil den 3. Abschnitt unter A. II. 2. b). Vgl. hierzu auch Reh, Die Wiedergutmachung, S. 105; Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 68 ff., zur Wiedergutmachung allgemein. 671 Vgl. hierzu im 2. Teil den 3. Abschnitt unter A. II. 2. b). 672 Vgl. allgemein hierzu: Roxin, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 37, 50. 673 Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle, S. 72, im Kontext des Täter-Opfer-Ausgleichs. 674 Vgl. zur Wiedergutmachung: Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 70. 675 Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 148. 670

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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zialpräventiv kann von einer Strafe abgesehen werden.676 Für den besserungsfähigen Straftäter stellt die tätige Reue im Vergleich zur Strafe die bessere Möglichkeit dar, da mit ihr keine entsozialisierende Wirkung einhergeht. d) Zusammenfassung zur Wirkung auf Strafzwecke Nach der Betrachtung der Regelungen von tätiger Reue lässt sich auch bei dieser gesetzlichen Normierung der Privilegierung von wiedergutmachenden Nachtatverhalten das bereits bei den anderen Normen erkannte Wirkmuster nachweisen. Auch hier wird eine mit der verwirklichten Tatschuld verrechenbare Größe durch das Handeln des Täters geschaffen. Die Tatschuld beinhaltet nur besonders niedrigschwelliges Handlungsunrecht in Form des Kumulationsbeitrags. In der Zusammenschau der Strafzumessungsschuld ist die verwirklichte Tatschuld daher der Verrechnung mit dem Nachtatverhalten besonders zugänglich, es verbleibt nur eine geringe Strafzumessungsschuld. Schließlich erfüllt das Handeln des Täters präventive Strafzwecke ebenso gut wie Strafe. Die Bestrafung des Reuigen ist daher unter Betrachtung der herrschenden Vereinigungslehre entbehrlich. In welchem Umfang die Strafzumessungsschuld nach Ausübung der Reuehandlung noch fortbesteht, kann aufgrund des spezifischen Bezugs zum jeweiligen Delikt abstrakt nicht geklärt werden. Dafür wäre zunächst die konkrete Tatschuld zu ermitteln, dann eine Bewertung des Nachtatverhaltens vorzunehmen und beide Positionen zu verrechnen. Sicher ist aber, dass eine solche im Rahmen der Zusammenschau festgelegte Strafzumessungsschuld gering ist. Der Gesetzgeber erlaubt daher, von Strafe abzusehen, und nimmt die Strafzumessungserwägungen vorweg. Wenn Blöcker und Ceffinato hingegen davon ausgehen, dass es durch das reuige Verhalten zu einer Kompensation der Schuld kommt und daher bereits das Strafbedürfnis entfalle677 oder ein Schuldausschluss vorliege,678 kann dem nicht zugestimmt werden. Denn auch nach Vornahme der Reuehandlung muss gelten, dass die Tatschuld ihrer Natur nach einer vollständigen Kompensation der Schuld entgegensteht. Die mit der Tatschuld implizierte Störung des Rechtsfriedens kann nicht rückgängig gemacht werden.679 Alleine mit der repressiven Wirkung des Nachtatverhaltens ist die Straffreiheit nach Vornahme des Nachtatverhaltens also nicht zu erklären. Auch Ceffinato lässt die präventiven Strafzwecke nicht außer Acht, wenn er dann davon ausgeht, dass auch unter Beachtung aller „erdenklichen Strafzweck(e)“ die Strafe entbehrlich sei.680 Einer solchen aus dem Blickwinkel der Straftheorien 676 677 678 679 680

Blöcker, Tätige Reue, S. 159. Blöcker, Tätige Reue, S. 160. Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 125 ff., 148. So auch Streng, ZStW 101 (1989), 273, 327. Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 147 ff.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

ganzheitlichen Betrachtung ist zuzustimmen. Analog zur herrschenden Vereinigungstheorie und vergleichbar mit den übrigen Regelungen zum Nachtatverhalten müssen auch hier die repressiven und präventiven Strafzwecke gemeinsam betrachtet werden. Dies folgt nicht zuletzt aus der oben bereits festgestellten präventiven Wirksamkeit des normierten Verhaltens. Denn betrachtet man die einzelnen Regelungen, so dienen ihre Voraussetzungen, wie etwa die Anzeige im Rahmen der §§ 261, 266a StGB und § 370 AO, auch zu wesentlichen Teilen den präventiven Interessen. Durch die Bekanntmachung der Tat und die Umkehrhandlung wird nicht nur das gesamtgesellschaftliche Vertrauen in die Rechtsordnung wiederhergestellt, sondern auch der Täter selbst gebessert. Dies gilt ebenso für die Anzeige und das Unbrauchbarmachen von Fälschungsmitteln, dem eine vergleichbare präventive Wirkung zukommt. Auch bei den § 264, 264a, 265a und 298 StGB hat das Verhalten des Täters präventive Wirkung: So manifestiert sich in einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung nicht nur die Geltungswirkung der Norm durch sein nach außen getragenes Umkehrverhalten, sondern auch der Täter selbst erfährt durch die Auseinandersetzung mit der konkreten Tat eine Besserung. Diese festgestellte präventive Wirksamkeit der tätigen Reue ist auch im Hinblick auf die durch die Normen geschützten Rechtsgüter nicht entbehrlich. Bei diesen Delikten stehen durch die Tat Rechtsgüter in Frage, deren Vorhandensein elementar für die soziale Marktwirtschaft ist. Für den Schutz dieser Rechtsgüter ist das Vertrauen der Bevölkerung in diese wesentlich, sodass die Strafzwecke der positiven und negativen Generalprävention nicht unberücksichtigt bleiben können. In Anlehnung an die bisherige Untersuchung ergeben sich daher durch die Vornahme der Reuehandlungen Wirkungen auf allen Ebene der Strafzwecke. 4. Konstitutive Voraussetzungen tätiger Reue Nachdem nun die Wirkung der Regelungen von tätiger Reue betrachtet wurde, stellt sich die Frage, ob die Regelungen neben einer gleichen Wirkweise auch gemeinsame Voraussetzungen haben. Bereits auf den ersten Blick weisen die hier benannten Regelungen zur tätigen Reue trotz der Verortung bei den einzelnen Delikten des Besonderen Teils Ähnlichkeiten auf. Dies gilt insbesondere für den Anwendungsbereich der Normen, die Formulierung des erforderlichen Verhaltens und die Beschreibung der Motivationslage. Es bleibt zu prüfen, ob diese Voraussetzungen als konstitutive Voraussetzungen der tätigen Reue681 begriffen werden können. Im folgenden Abschnitt sollen daher die dem Anschein nach vergleichbaren Kriterien genauer analysiert werden.

681

Vgl. hierzu Blöcker, Tätige Reue, S. 81 ff.

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a) In der Literatur benannte Kriterien In der Literatur wurde bereits der Versuch unternommen, konstitutive und allgemeingültige Voraussetzungen einer tätigen Reue herauszuarbeiten. So hat Blöcker bei seiner Untersuchung der tätigen Reue682 vier konstitutive Voraussetzungen der tätigen Reue ermittelt: Die Freiwilligkeit der Reuehandlung, das aktive Tätigwerden des Reuigen, der Eintritt des Erfolgs der Reuehandlung als auch der Nichteintritt eines erheblichen Schadens sollen demnach Grundvoraussetzungen der tätigen Reue sein.683 aa) Nichteintritt eines erheblichen Schadens Bei den vorliegend untersuchten Delikten des Wirtschaftsstrafrechts scheidet aber bereits dem Wortlaut nach das Kriterium des Nichteintritts eines erheblichen Schadens als konstitutives Kriterium aus. Dieses Kriterium findet nur bei einer der hier relevanten Regelungen von tätiger Reue Erwähnung. Lediglich bei der Selbstanzeige der Steuerhinterziehung, die als abstraktes Gefährdungsdelikt mit Erfolgskomponente eingestuft wurde, spiegelt sich in dem Ausschlussgrund des § 371 Abs. 1 Nr. 3 AO eine Beschränkung hinsichtlich des Ausmaßes des Schadens wider. Bei dem strukturgleichen § 266a StGB wurde eine solche Einschränkung nicht getroffen. Die übrigen Delikte wurden mit Ausnahme von § 261 Abs. 1 Var. 3 und 4 StGB als abstrakte Gefährdungs- und Tätigkeitsdelikte eingeordnet, sodass ihre Verwirklichung keinen Schaden voraussetzt. Zwar tritt infolge der abstrakten Gefährdung eines kollektiven Rechtsguts dann häufig die Verletzung eines Individualrechtsguts ein, diese ist aber tatbestandlich nicht erfasst. Die Erbringung der Leistung und der damit bei §§ 264a und 265b StGB einhergehende Vermögensschaden zieht nur eine Grenze für den Anwendungsbereich der tätigen Reue. Eine Quantifizierung des Schadens auf ein nicht erhebliches Maß wird damit aber nicht vorgenommen. Auch bei den anderen hier untersuchten Normen hängt die Möglichkeit der privilegierenden Reuehandlung nicht von einem quantifizierten Schaden ab. So kommt es bei § 149 StGB auf das Stadium der Tat, bei § 261 StGB auf die Entdeckung, bei § 264 StGB auf die Gewährung der Subvention und bei § 298 StGB auf die Leistung an. Bei der Leistungsgewährung soll nach teilweise vertretener Ansicht tätige Reue sogar bis zur Zahlung der letzten Teilleistung möglich sein,684 sodass der Schaden unter Zugrundelegung dieser Ansicht bereits zum überwiegenden Teil eingetreten ist. Ein nicht erheblicher Schaden kann daher keine konstitutive Voraussetzung tätiger Reue sein. 682

Blöcker, Tätige Reue, S. 81 ff. Auch Härtl-Meißner findet ähnliche Kriterien. Bei ihr sollen die Voraussetzungen der tätigen Reue die Vollendung, die schadensvermeidende oder schadenswiedergutmachende Handlung – hierunter subsumiert sie auch das Kriterium des Reueerfolgs –, die Freiwilligkeit und die Rechtzeitigkeit sein, vgl. Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 162 ff. 684 Fischer, § 298 Rn. 21. 683

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

bb) Aktives Tätigwerden Eine weitere ebendieser von Blöcker benannten „Grundvoraussetzungen“ betrifft das Verhalten des Täters. Seiner Auffassung nach werde stets ein aktives Tätigwerden verlangt.685 Zwar verlangen fast alle Delikte – zumindest auf den ersten Blick – ein aktives Tun,686 jedoch kann auch diese Voraussetzung hinsichtlich der untersuchten Regelungen nicht als allgemeingültiges Kriterium überzeugen. Denn dabei wird für die Delikte, die ein Verhindern des zunächst angestrebten Verhaltens des Opfers fordern, übersehen, dass der Verhinderungserfolg in vielfacher Weise, u. a. auch durch ein Unterlassen, zu verwirklichen ist. Dies gilt etwa bei einem Kreditbetrug, wenn weitere angeforderte Unterlagen nicht eingereicht werden und daher die Gewährung des Kredits unterbleibt687 oder beim Subventionsbetrug, wenn durch das Unterlassen einer Mitteilung, die notwendige Voraussetzung der (Weiter-)Gewährung ist, Zahlungen verhindert werden.688 Da somit auch das Unterlassen weiterer zum Erfolgseintritt erforderlichen Handlungen bei den Vorfelddelikten zum Betrug für ein Verhindern der ursprünglich angestrebten Leistungsgewährung ausreicht, lässt sich jedenfalls das Verhalten nicht als grundsätzlich aktives Tätigwerden beschreiben. Eine konstitutive Voraussetzung der tätigen Reue ist im aktiven Tätigwerden damit nicht zu sehen. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Untersuchung des übrigen Nachtatverhaltens. Auch hier wurde festgestellt, dass sowohl Handeln als auch ein Unterlassen Anknüpfungspunkt sein kann. cc) Reueerfolg Auch die benannte Voraussetzung des Reueerfolgs lässt sich nicht als durchgängig vorhanden und damit konstitutiv begreifen. So ist ein Erfolg der Reuehandlung nicht zwingend notwendig, wie die §§ 264, 264a, 265b und 298 StGB zeigen. Bei diesen Normen soll auch bei einem ernsthaften Bemühen eine Straffreiheit folgen. Ein Erfolg dieses Bemühens wird nicht vorausgesetzt. Es fehlt damit an der Verhinderungskausalität und einem dem Handelnden zurechenbaren Erfolg der Tätigkeit. Dass der zunächst intendierte Taterfolg ausbleibt, liegt vielmehr außerhalb des Einwirkungsbereichs des Handelnden. Das Kriterium eines Reueerfolgs kann daher nicht als allgemeingültig verstanden werden.

685 Blöcker, Tätige Reue, S. 82. Auch Härtl-Meißner verlangt eine in der Regel freiwillige und rechtszeitige Vornahme einer schadensvermeidenden oder schadenswiedergutmachenden Handlung, vgl. Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 161, 163 ff. 686 Dies gilt auch für § 149 StGB, der neben der bloßen Aufgabe der Tat auch hinsichtlich brauchbarer Fälschungsmittel fordert, dass diese vernichtet, unbrauchbar gemacht, ihr Vorhandensein einer Behörde angezeigt oder sie dort abgeliefert werden. 687 Vgl. hierzu Kasiske, in: MüKo StGB, § 265b Rn. 49. 688 Heger, in: Lackner/Kühl, § 264 Rn. 28.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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dd) Freiwilligkeit Fast alle untersuchten Regelungen der tätigen Reue verlangen ein freiwilliges Handeln des Täters.689 Bei dem Kriterium der Freiwilligkeit wirkt sich die ursprüngliche Parallelität zum Rücktritt aus. Aus diesem Grund ist die Freiwilligkeit bei der tätigen Reue ebenso wie die Freiwilligkeit des Rücktritts zu verstehen690 und eine psychologische Betrachtungsweise zugrunde zu legen.691 Freiwilligkeit meint demnach auch hier das Beruhen auf autonomen Motiven, es kommt damit darauf an, dass der Täter noch Herr seiner Entschlüsse ist. Dem Täter muss die weitere Ausführung seines Plans noch möglich sein.692 Ausdrücklich ist dies in den §§ 149, 261, 264, 264a, 265b und 298 StGB vorgesehen. Nicht ausdrücklich verlangt wird die Freiwilligkeit bei der Selbstanzeige im Steuerrecht und dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Bei der Steuerhinterziehung finden sich aber unter den Ausschlussgründen des Abs. 2 solche, die eine Strafbefreiung in Fällen versagen, in denen die Umkehrleistung des Steuerstraftäters nach Ansicht des Gesetzgebers nicht mehr ausreichend ist, was unter anderem auch durch einen Mangel an Freiwilligkeit bedingt sein kann.693 Somit findet sich auch hier das Merkmal der Freiwilligkeit insofern wieder, als bestimmten unfreiwilligen Verhaltensweisen die Privilegierung versagt wird. Lediglich bei § 266a StGB ist keine entsprechende Regelung vorgesehen. Dennoch fallen unfreiwillige Mitteilungen aufgrund der Ausgestaltung der Norm meist nicht in den Anwendungsbereich. Faktisch wird die unfreiwillige Mitteilung nämlich durch die Frist des Abs. 6 S. 1 ausgeschlossen, wonach eine Mitteilung nur bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach erfolgen kann. Durch diese Regelungen werden Mitteilungen, die erst nach der Entdeckung der Tat erfolgen, bereits zeitlich aus dem Anwendungsbereich entnommen. Die Freiwilligkeit der Reuehandlung ist damit zumindest grundsätzlich bei allen Regelungen der tätigen Reue relevant. Es liegt damit nahe, in diesem Kriterium ein für die Regelung einer tätigen Reue konstitutives Kriterium zu sehen. Die Freiwilligkeit des Handelns ist im Hinblick auf die Strafzwecke relevant. Wesentlich ist freiwilliges Handeln für die Verrechnung auf Ebene der Schuld, da durch dieses ein dem Handlungsunrecht entgegenzusetzender Beitrag geschaffen wird. Objektiv wird 689 Auch Härtl-Meißner sieht in dem Kriterium der Freiwilligkeit in der Regel eine Voraussetzung der tätigen Reue, Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 161. 690 Blöcker, Tätige Reue, S. 86; a. A. Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 170 f., die das Kriterium anders verstehen will, weil es viel eher auf die Perspektive des Rechtsgutsträgers ankommen müsse, damit die Gedanken des effektiven Rechtsgüterschutzes und des Opferschutzes gewahrt werden. Dies erschließt sich insbesondere im Hinblick auf die spezial- und generalpräventive Wirksamkeit der tätigen Reue nicht. 691 Blöcker, Tätige Reue, S. 86. 692 Vgl. unter B. I. 3. a) im 3. Abschnitt des 2. Teils. 693 Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, § 371 AO Rn. 30; Hüls/Reichling, in: HK Steuerrecht, § 371 Rn. 97.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

dem Kumulationsbeitrag seine Wirksamkeit genommen und damit die Vermutung der Gefährdung entkräftet. Erfolgt diese umkehrende Handlung aber nicht freiwillig, bliebe das subjektiv verwirklichte Handlungsunrecht ohne entgegenzurechnenden Faktor bestehen. Bereits aus Schuldgesichtspunkten stände dies einer obligatorischen Straffreiheit entgegen. Bei dem Merkmal der Freiwilligkeit steht demnach die Schuldverrechnung im Vordergrund.694 Das Erfordernis der Freiwilligkeit ist daher die notwendige Trennung zwischen strafrechtlich erheblicher und unerheblicher Gefährdungsumkehr.695 Darüber hinaus wirkt die Freiwilligkeit auch auf der Ebene der präventiven Strafzwecke. In der freiwilligen Handlung kommt die Übernahme von Verantwortung zum Ausdruck.696 Der Täter stellt sich unaufgefordert der begangenen Tat und setzt sich mit ihr und den Folgen auseinander. So tritt eine vom Täter selbst initiierte und damit besonders werthaltige Änderung des Täters hin zu einem normkongruenten Verhalten ein. Neben dieser spezialpräventiven Wirksamkeit tritt bei der Freiwilligkeit auch eine generalpräventive Wirkung ein. Der Täter zeigt, dass ihn der Appell der Norm noch erreicht. Dieser nach außen kundgegebene Entschluss des Täters zur Normbefolgung erscheint geeignet, eine normstabilisierende Wirkung zu entfachen.697 Erst die Freiwilligkeit des Verhaltens macht daher die Strafe entbehrlich.698 ee) Zwischenergebnis Letztlich scheinen die von Blöcker benannten Grundvoraussetzungen tätiger Reue mit Ausnahme des Erfordernisses freiwilligen Handelns keine Allgemeingültigkeit zu besitzen. Sie haben sich anhand der hier untersuchten Delikte nicht bestätigt und sollen daher nicht weiterverfolgt werden. Einzig das Kriterium der Freiwilligkeit lässt sich zumindest im Kern bei allen untersuchten Regelungen wiederfinden. Auch im Hinblick auf seine Wirkung für die Strafzwecke ist die Freiwilligkeit notwendiger Bestandteil der Regelung einer tätigen Reue. Sie trägt neben der Rücknahme des Kumulationsbeitrags im Wesentlichen dazu bei, dass eine mit der Tatschuld zu verrechnende Größe geschaffen wird. Zudem stärkt die Freiwilligkeit die präventive Wirkung des Reueverhaltens. b) Aus der Untersuchung folgende Kriterien Zwar ließen sich die von Blöcker gefundenen Kriterien nicht bestätigen, wohl aber ergeben sich bei den untersuchten Delikten Ähnlichkeiten in anderer Weise. Ähn694 695 696 697 698

Reh, Die Wiedergutmachung, S. 50. Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 218. Reh, Die Wiedergutmachung, S. 57. Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 219. Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 218.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

213

lichkeit in der Weise meint, dass sich gegebenenfalls für den Anwendungszeitraum tätiger Reue eine Präzisierung ergibt. Darüber hinaus soll untersucht werden, ob sich aus dem Prinzip der Gefährdungsumkehr Anforderungen an das Verhalten tätiger Reue ergeben. aa) Anwendungsbereich der Vorschriften Alle vorliegend untersuchten Regelungen der tätigen Reue grenzen ihren Anwendungsbereich zeitlich ein. Nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt soll die Ausübung des privilegierenden Verhaltens möglich sein. Ist dieser Zeitpunkt überschritten, kann keine Berücksichtigung mehr nach der spezialgesetzlichen Regelung erfolgen, sodass lediglich eine Anwendung der allgemeinen Strafzumessungsregelungen eröffnet ist. Die Regelungen der tätigen Reue erfassen damit stets nur einen begrenzten zeitlichen Anwendungsbereich. So wird in der Literatur teilweise auch das Kriterium der Rechtzeitigkeit der Reuehandlung als Voraussetzung diskutiert.699 Die tätige Reue zur Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen soll nur solange einer Privilegierung über die Norm des § 149 Abs. 2 StGB zugänglich sein, wie der Taterfolg der vorbereiteten Tat noch verhindert werden kann, sich diese also noch im Stadium des Versuchs befindet. Die zeitliche Grenze der tätigen Reue bei der Geldwäsche ist die Entdeckung der Tat oder Teile dieser. Wenn also der Täter von der Entdeckung der Tat wusste oder bei verständiger Würdigung damit hätte rechnen müssen, kann sein Verhalten keine Privilegierung nach der spezialgesetzlichen Regelung des § 261 Abs. 9 StGB mehr erfahren. Nach den bereits festgestellten Zeitpunkten von Vollendung und Beendigung der Normen ist daher tätige Reue bei diesen beiden Normen auch noch nach Beendigung der Tat bis zur Ausführung der vorbereiteten Tat (§ 149 StGB) oder aber bis zur Entdeckung der Tat (§ 261 StGB) möglich. Bei den Delikten im Vorfeld des Betrugs ist die tätige Reue bis zur Gewährung der Subvention (§ 264 StGB) oder der Erbringung der Leistung (§§ 264a und 265b StGB) möglich. Gleiches gilt für § 298 StGB, bei dem eine tätige Reue entweder bis zur Angebotsannahme oder der Leistungserbringung des Veranstalters gesetzlich vorgesehen ist. Mit der Vornahme der beschriebenen Handlung tritt die Beendigung der Tat ein. Danach kann das wiedergutmachende Verhalten des Täters nicht mehr zur Straffreiheit nach den Regelungen der tätigen Reue führen. Bei diesen Delikten zeigt sich daher die Beendigung als maßgebliche Grenze der tätigen Reue. Anwendungsbereich der tätigen Reue ist damit der Zeitraum zwischen Vornahme der Tathandlung und damit eintretender Vollendung bis hin zur Beendigung der Tat, der sog. Beendigungsphase. Da zwischen der Vornahme der Tathandlung und der die Tat beendenden Leistungserbringung eine zeitliche Differenz liegt, bleibt dem Täter eine längere Zeitspanne, um die Reuehandlung vorzunehmen.

699

Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 174 ff.

214

2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Eine zeitliche Grenze findet sich auch bei den Reueregelungen des § 266a StGB und § 371 AO. § 266a StGB setzt mit der Fälligkeit oder unverzüglich danach eine Frist zur Erstattung der Anzeige und damit zur Ausübung der tätigen Reue. Ebenso sieht die Selbstanzeige bei der Steuerhinterziehung in Form der Ausschlussgründe im Absatz 2 Nr. 1a-2 eine zeitliche Grenze vor, die auch mit der Möglichkeit der Entdeckung der Tat einhergeht und so die Honorierbarkeit des Verhaltens ausschließt, wenn dies auch nach dem ursprünglichen Tatplan sinnlos wäre.700 Bei diesen Delikten ist der Zeitraum, in welchem tätige Reue geübt werden kann, zeitlich genauer definiert. Bei § 266a StGB ist damit der Zeitraum für eine tätige Reue knapp bemessen, während die Selbstanzeige bei der Steuerhinterziehung durchaus noch lange Zeit möglich ist. Aus den benannten Begrenzungen der Anwendungsbereiche ist ein für alle Vorschriften gleich zu bestimmender Anwendungsbereich nicht ersichtlich. Weder lässt sich die Beendigung noch die Vollendung des Delikts als Ausschlusszeitpunkt einer strafbefreienden tätigen Reue statuieren. Auch unter Berücksichtigung der geschützten Rechtsgüter lässt sich kein allgemeingültiges Kriterium finden, dass die Begrenzung des Anwendungsbereichs beschränkt. Lediglich im Hinblick auf die Vorfelddelikte zum Betrug lässt sich feststellen, dass mit der Verletzung des Individualrechtsguts die tätige Reue ausgeschlossen ist. Eine andere, den Anwendungsbereich begrenzende Gemeinsamkeit lässt sich jedoch nicht erkennen. Dennoch wurde in der Literatur versucht, eine Abgrenzung der tätigen Reue von anderem Nachtatverhalten anhand des Anwendungsbereichs vorzunehmen und danach eine Definition zu bilden. So stellten Matt/Saliger fest, dass es drei verschiedene Begriffe tätiger Reue gebe, die nach dem Anwendungsbereich der tätigen Reue differenzieren.701 Eine enge Verwendung des Begriffs begrenze die tätige Reue auf den Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung.702 Ein etwas weitergehender Begriff erfasse die Handlungen zwischen Vollendung und Entdeckung der Tat, während der weiteste Begriff Handlungen erfasse, die nach Vollendung des Delikts vorgenommen werden, ohne eine zeitliche Grenze zu setzen.703 Will man jedenfalls die Regelungen § 149 Abs. 2 StGB und § 261 Abs. 9 StGB ebenfalls als Regelungen einer tätigen Reue begreifen, wofür nicht nur deren Ausgestaltung, sondern auch deren Formulierung spricht, kann nicht der Zeitpunkt der Beendigung maßgebliche Grenze einer tätigen Reue sein. Eine enge Verwendung des Begriffs, die lediglich auf den Zeitraum zwischen formaler Vollendung und materieller Beendigung der Tat abstellt,704 vermag daher hinsichtlich der vorliegend untersuchten Delikte nicht zu überzeugen. Das ebenfalls benannte weite Verständnis der tätigen Reue erfasst sämtliches Handeln nach der formalen Tatvollendung und 700 701 702 703 704

Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, § 371 Rn. 200. Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307 ff. Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309. Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309; Bottke, Methodik, S. 1 ff. Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 308.

3. Abschn.: Nachtatverhalten

215

differenziert nicht ausreichend zwischen anderen Formen des Nachtatverhaltens etwa auf Strafzumessungsebene.705 Damit kann unter Zugrundelegung dieses Begriffs keine klare Abgrenzung erzielt werden. Letztlich verbleibt die vermittelnde Ansicht, die den Anwendungsbereich nach der formalen Vollendung bis zur Entdeckung der Tat durch die jeweiligen Behörden als tätige Reue begreift.706 Dies zieht zumindest eine Grenze zu der prozessualen Berücksichtigung der Wiedergutmachung im Sinne des § 153a StPO. Dennoch entsteht durch diese Definition keine Abgrenzbarkeit zu dem übrigen Nachtatverhalten in Form der §§ 46, 46a und 46b StGB. Das für die Anwendung dieser Vorschriften maßgebliche Verhalten kann vor der Entdeckung der Tat liegen. Ein zeitlich exklusiver Anwendungsbereich tätiger Reue existiert damit nicht. Sie kann zwischen Vollendung und Entdeckung der Tat erfolgen. bb) Erforderliches Verhalten Die Regelungen der tätigen Reue sind alle deliktsspezifisch formuliert, sodass sich eine allgemeingültige Beschreibung eines Reueverhaltens für alle Tatbestände nicht treffen lässt. Unter Einbeziehung des geschützten Rechtsguts und der Wirkung des tatbestandlichen Verhaltens werden die Regelungen aber verständlicher. So lassen sich Anforderungen an die Reuehandlungen anhand der hier untersuchten Delikte sowohl aus Schuld- als auch Präventionsgesichtspunkten formulieren. (1) Anforderungen an die Gefährdungsumkehr Wie diese die Gefährdung umkehrende Handlung zu bestimmen ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Delikts ab. Die hier untersuchten Delikte lassen sich in drei Gruppen unterschiedlicher Regelungen tätiger Reue gliedern. Die erste Gruppe besteht aus Normen, deren Regelung der tätigen Reue präventiv ausgerichtet sind. In diese Gruppe fallen §§ 264, 264a, 265b und 298 StGB.707 Die benannten Normen schützen primär das kollektive Rechtsgut der sozialen Marktwirtschaft, zweitrangig dienen sie aber dem Schutz des Individualrechtsguts Vermögen.708 Der Schutz des kollektiven Rechtsguts ist vorgelagert, erst mit Eintritt der Beendigung der Tat wird das Individualrechtsgut verletzt. Durch den die Gefährdung umkehrenden Beitrag wird zum einen die Ursächlichkeit des eigenen Handelns für eine bei vielzähligen Wiederholungen vermutlich eintretende Verletzung des kollektiven Rechtsguts beseitigt, zum anderen wird die Verletzung des Vermögens verhindert.

705

Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309; Bottke, Methodik, S. 1 ff. Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309. 707 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309; Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 94. 708 Vgl. hierzu im 1. Teil den 2. Abschnitt unter B. I. 3. 706

216

2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Aufgrund dieser präventiven Orientierung der Normen sind deren Anforderungen nahezu deckungsgleich an die des Rücktritts angelehnt. Bei den Taten aus dem Vorfeld des Betrugs (§§ 264, 264a und 265b StGB) muss der Täter die Leistungserbringung durch den Getäuschten, sei es in Form der Gewährung der Subvention (§ 264 StGB), des Erwerbs oder der Erhöhung der Anteile (§ 264a StGB) oder aber die Leistung des Kreditgebers (§ 265b StGB) verhindern. Wie der Täter diesen Verhinderungserfolg herbeiführt, ob er aktiv eingreift oder weitere erforderliche Angaben unterlässt, ist gleichgültig. Auch bei den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen im Sinne des § 298 StGB muss der Täter die Angebotsannahme durch den Veranstalter oder die spätere Leistungserbringung durch den Auftraggeber verhindern. Kann er den Verhinderungserfolg bei diesen Vorschriften nicht mehr erreichen, weil dieser bereits aus anderen Gründen nicht eintritt, so genügt ein ernsthaftes Bemühen um die Verhinderung. Für diese Delikte steht damit die Verhinderung des zunächst angestrebten Opferverhaltens im Vordergrund. Hier bestehen offensichtlich große Ähnlichkeiten zu der Regelung des Rücktritts in § 24 StGB. § 24 Abs. 1 S. 1 StGB verlangt vom Täter, dass er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Kann der Täter bei einem Rücktritt den eintretenden Erfolg nicht verhindern, weil die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wird, genügt für seine Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen. Auch bei den benannten Regelungen der tätigen Reue genügt das freiwillige und ernsthafte Bemühen, die Erbringung der Leistung bzw. bei § 298 StGB auch die Angebotsannahme zu verhindern. Neben der allein präventiv wirksamen tätigen Reue gibt es eine zweite Gruppe mit Regelungen, die erst eingreifen, wenn sich der Kumulationsbeitrag bereits verfestigt hat, also seine ihm eigentümliche Gefährdung manifestiert wurde. Bei § 266a StGB und § 370 AO, die als Erfolgsdelikte ausgestaltet sind, ist neben dem Handlungsunwert der eingetretene Erfolg zu kompensieren. Zwar ist dieser Erfolg im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut kein Verletzungserfolg und ist diesbezüglich indifferent. Durch den Eintritt des Erfolgs wird aber das Angriffsobjekt verletzt und der Kumulationsbeitrags „zementiert“. Es besteht damit bereits eine konkretere und allein vom Zufall abhängende Möglichkeit, dass die Sozialkassen ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können709 oder das Steuersystem kollabiert. Nur durch die Nachentrichtung kann nun die kausal auf diesen Beitrag zurückzuführende Rechtsgutsverletzung noch verhindert werden.710 Es muss daher nicht nur die ursprüngliche Handlung umgekehrt, sondern auch die Folge dieser Handlung und die mit dieser einhergehende sich manifestierende Gefahr beseitigt werden.711 Denn nur,

709

So auch Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 86. Blöcker, Tätige Reue, S. 194. 711 Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 165, stellt ebenfalls fest, dass der Täter bei der Steuerhinterziehung bei Eintritt des Gefährdungserfolgs der Steuerverkürzung diesen nicht mehr abwenden kann, weshalb er die zum Schutz des dahinterstehenden Rechtsguts notwendigen Abwehrmaßnahmen treffen muss. Abgestellt wird hier aber auf die konkrete Gefährdung 710

3. Abschn.: Nachtatverhalten

217

wenn die verkürzten Steuern und die vorenthaltenen Beträge ausgeglichen werden, kann die Vermutung entkräftet werden, dass der zuvor eingetretene Erfolg für den Zusammenbruch des Steuer- oder Sozialversicherungssystems im Zusammentreffen mit einer Vielzahl gleichgelagerter Handlungen wirksam werden wird. Die tätige Reue kann daher bei diesen Delikten nicht allein präventiv ausgerichtet sein, sie erfordert vielmehr einen ausgleichenden und damit kompensatorischen Charakter.712 Bei den vorliegenden Delikten ergibt sich ferner eine dritte abgrenzbare Gruppe, für die die Normen §§ 149 und 261 StGB ein Beispiel geben. Die jeweiligen Regelungen der tätigen Reue beider Delikte stellen eine Kombination aus präventiver und kompensatorischer tätiger Reue dar. § 149 Abs. 2 StGB verlangt zunächst, dass der Täter die Ausführung der vorbereiteten Tat aufgibt und eine von ihm verursachte Gefahr, dass andere die Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder die Vollendung der Tat verhindert. Bei § 149 StGB geht es nach dem ermittelten Rechtsgut um den Schutz des Geldmonopols als Teil des Wirtschaftssystems.713 Dieses ist noch nicht beeinträchtigt, der rechtsgutsgefährdende Kumulationsbeitrag bzw. dessen Vorbereitungshandlung kann noch zurückgenommen werden. Die Anforderungen entsprechen damit einer präventiven tätigen Reue. Vergleichbar verlangt § 261 Abs. 9 StGB, dass der Täter zunächst präventiv ausgerichtet die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt wurde und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Bei § 261 StGB steht der Schutz des Wirtschafts- und Finanzkreislaufs sowie der der inländischen Strafrechtspflege im Fokus.714 Im Weiteren muss der Täter bei § 261 Abs. 9 StGB aber dann die Sicherstellung des Gegenstandes bewirken, auf den sich die Straftat bezieht. Auch die tätige Reue des § 149 Abs. 2 StGB verlangt, dass der Täter die Fälschungsmittel, soweit sie noch vorhanden und zur Fälschung brauchbar sind, vernichtet oder unbrauchbar macht, ihr Vorhandensein einer Behörde anzeigt oder sie dort abliefert. Bei beiden Normen wird die Gefährdung für die geschützten Rechtsgüter in den Tatobjekten verkörpert. eines Vermögensschadens, welche die Erfüllung der ursprünglichen Pflicht, also die Leistung der Steuerschuld, verlange. 712 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307 differenzieren ebenfalls zwischen einer präventiven und einer kompensatorischen tätigen Reue. Ihrer Differenzierung gemäß ist die präventive tätige Reue zwischen Tatvollendung und Beendigung einschlägig und auf die Verhinderung des Schadens oder der Schadensintensivierung gerichtet. Die kompensatorische tätige Reue soll hingegen nach der Beendigung der Tat bis hin zur Tatentdeckung einschlägig sein. Eine gleiche Unterscheidung trifft auch Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 83. Zudem nimmt auch Härtl-Meißner auf diese Kategorien Bezug. Sie sieht zudem eine präventivkompensatorische Reue bei der die Schadensvermeidung zwar dominiert, aber auch kompensatorische Erwägungen eine Rolle spielen (Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 28 f.). 713 Vgl. hierzu im 1. Teil den 2. Abschnitt unter B. I. 2. a). 714 Vgl. hierzu im 1. Teil den 2. Abschnitt unter B. I. 2. b).

218

2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

Sowohl der Gegenstand, der aus der Vortat herrührt (§ 261 StGB), als auch vorhandene brauchbare Fälschungsmittel (§ 149 StGB) beinhalten die Rechtsgutsgefährdung. Aus diesem Grund ist erforderlich, dass diese Gegenstände, denen die Gefährdung innewohnt, sichergestellt oder auch unbrauchbar gemacht werden. Ergibt sich die Gefahr für das Rechtsgut aus einem Gegenstand, so lässt sich aus diesen beiden Normen zumindest folgern, dass ein solcher grundsätzlich zu sichern ist, indem er in staatliche Obhut verbracht oder aber die ihm innewohnende Gefährdung beseitigt wird. Die tätige Reue hat damit hier auch einen wiedergutmachenden und damit kompensatorischen Faktor. Aus Schuldgesichtspunkten ist damit zu fragen, inwieweit sich der mit der Tathandlung geschaffene Kumulationsbeitrag bereits verfestigt hat. Danach ist zu bestimmen, welche Anforderungen an die Regelung der tätigen Reue zu stellen sind. (2) Anforderung hinsichtlich präventiver Strafzwecke Der Vollständigkeit halber sollen auch die Voraussetzungen auf präventiver Ebene nochmals zusammengefasst werden. Die Regelung der tätigen Reue darf die Abschreckungswirkung der Strafe nicht tangieren, um die negativ general- und spezialpräventive Wirkung der Strafe nicht zu beeinträchtigen. Dies wird gewährleistet durch restriktive Voraussetzungen, die dem Täter das Erfolgsabwendungsrisiko aufbürden und einen Bewertungsspielraum, wie etwa beim ernsthaften Bemühen, vorsehen. Um die positive generalpräventive Wirkung sicherzustellen, ist erforderlich, dass der Täter seinen ursprünglich anvisierten Erfolg aufgibt und sich konträr zu diesem verhält. Es muss nach außen erkennbar sein, dass er die Norm nunmehr respektiert. Auf positiv spezialpräventiver Ebene ist als Zeichen der Besserung eine Auseinandersetzung mit den konkreten Folgen der Tat erforderlich. c) Zwischenergebnis In der Gesamtschau lässt sich bei den hier untersuchten Delikten des Wirtschaftsstrafrechts mit Ausnahme der subjektiven Anforderungen an das Handeln des Täters kein verallgemeinerungsfähiges Kriterium ausmachen, das als konstitutiv für die Regelung der tätigen Reue gelten kann. Die bereits in der Literatur diskutierten Kriterien haben sich nicht als brauchbar erwiesen, zudem ließ sich auch bei den in der Folge untersuchten Kriterien keine zwingende Voraussetzung der tätigen Reue ermitteln. Weder wird der Anwendungsbereich der Normen einheitlich bestimmt noch entsprechen sich die zur Privilegierung führenden Verhaltensweisen in den vorliegend untersuchten Delikten vollumfänglich. Es lässt sich also auch kein allgemeingültiges Reueverhalten benennen. Unter Berücksichtigung der Regelungstechnik der tätigen Reue, die spezifisch bei den einzelnen Delikten normiert wurde, und ihrer festgestellten Wirkweise waren normenübergreifende Merkmale aber auch nicht zu erwarten. Wohl aber ergaben sich aus der Untersuchung der Vorschriften

3. Abschn.: Nachtatverhalten

219

Grundprinzipien einer tätigen Reue, die sich zumindest bei den vorliegenden Delikten wiederfanden. Zum einen ließen sich Grundprinzipien für die Ausgestaltung des objektiv erforderlichen Verhaltens feststellen. Grundsätzlich muss das Verhalten geeignet sein, den geschaffenen Kumulationsbeitrag auszugleichen und so die Gefahrrealisierung zu verhindern. Abhängig von der Ausgestaltung der Strafnorm kann das erforderliche Reueverhalten dabei kompensatorisch und/oder präventiv ausgerichtet sein. Diese konkrete Ausgestaltung ist von dem unter Strafe stehenden Verhalten, seiner Verfestigung im System und den mit diesem verwirklichten weiteren Gefährdungspotentialen für das Rechtsgut abhängig. Erforderlich ist allerdings, dass der Kumulationsbeitrag vollumfänglich beseitigt wird und die zurechenbare Gefahrrealisierung entfällt. Wesentlich sowohl im Hinblick auf die Schuldrelevanz als auch für die präventive Wirksamkeit ließ sich die Freiwilligkeit der Reuehandlung als subjektives Kriterium bestimmen. Diese kann – wie in der überwiegenden Zahl der hier untersuchten Delikte geschehen – als Anforderung ausdrücklich normiert oder aber implizit verlangt werden, indem wie bei der Selbstanzeige im Rahmen der Steuerhinterziehung oder der tätigen Reue beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt das unfreiwillige Handeln faktisch von der Privilegierung ausgeschlossen wird.

5. Ergebnis Nach der vorliegenden Untersuchung lässt sich die tätige Reue als privilegierendes Nachtatverhalten nunmehr konkreter beschreiben. Tätige Reue muss unter Zugrundelegung der Vereinigungstheorie geeignet sein, sowohl auf die Strafzumessungsschuld als auch auf die bestehenden Präventionsbedürfnisse einzuwirken. Damit der Täter aufgrund des Nachtatverhaltens straflos gestellt werden kann, muss das nach der Einwirkung auf die Strafzumessungsschuld verbleibende Maß an Schuld gering sein. Voraussetzung für die Straflosigkeit ist demnach zunächst ein gemindertes der Verrechnung mit dem Nachtatverhalten besonders zugängliches Maß an verwirklichter Schuld. Dieses relativ geringe Quantum an Schuld ergibt sich für die tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht aus der Deliktsart, nämlich der Einordnung als besondere Form des abstrakten Gefährdungsdelikts und zwar des Kumulationsdelikts. Diese Feststellung korreliert mit der Annahme, dass eine Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt notwendige Bedingung tätiger Reue im Wirtschaftsstrafrecht ist.715 Das Kumulationsdelikt dient dem Schutz kollektiver Rechtsgüter, welche durch die alleinstehende Handlung des Einzelnen nicht verletzt werden können. Erst in der Zusammenschau der Einzelhandlung mit unzähligen Wiederholungen dieser 715

Vgl. im 2. Teil, 2. Abschnitt, I. III.

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2. Teil: Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht

gleichgelagerten Handlungen ergibt sich die Rechtgutsverletzung. Diese Rechtgutsverletzung ist zwar empirischen Beweisen theoretisch zugänglich, dennoch beruht ihre Annahme bis dato auf einer Vermutung. Diese Vermutung der Rechtgutsverletzung trägt die weitere Vermutung, dass das Handeln des Täters als Einzelhandlung für diese ursächlich ist. Das verwirklichte Unrecht ist daher als besonders niedrigschwellig zu bewerten. Auf Schuldebene ist eine Voraussetzung des Nachtatverhaltens, dass der Täter einen Gegenwert zum verwirklichten Unwert schafft. Dies geschieht, indem er die Realisierung der geschaffenen Gefahr verhindert. Da die Einwirkung auf andere gleichgelagerte Handlungen seinem Einwirkungsbereich entzogen ist, muss er die – unter der Prämisse eines Megaverstoßes – angenommene Ursächlichkeit seiner Handlung beseitigen. Dies kann dadurch erfolgen, dass er zumindest präventiv das Wirksamwerden des Beitrags verhindert, indem er seine Handlung abbricht und ihren potentiellen Folgen entgegenwirkt. Hat sich der durch ihn geschaffene Beitrag demgegenüber bereits verfestigt, sei es dadurch, dass die abstrakte Gefährlichkeit sich in einem Objekt manifestiert oder aber sein Beitrag bereits systemrelevant erfolgswirksam geworden ist, muss er zur Sicherung dieses Objekts oder zum Ausgleich seines Beitrags kompensatorisch tätig werden. Dieses Tätigwerden muss freiwillig erfolgen. Für die Wirksamkeit seines Verhaltens hinsichtlich der präventiven Strafzwecke ist darüber hinaus erforderlich, dass das Nachtatverhalten sowohl für den Täter selbst eine Besserung und Abschreckung vor weiteren Taten bewirkt als auch die Gesellschaft vor weiteren Taten abschreckt und das Vertrauen in die Normgeltung gestärkt wird. Aus diesem Grund muss das Verhalten des Täters eine Außenwirkung haben, die entweder darin bestehen kann, das ursprünglich Gewollte zu verhindern bzw. ernsthaft zu versuchen, die Gefahr verkörpernden Gegenstände zu zerstören, deren Existenz oder die Tat zu offenbaren und eingetretene Schäden zu kompensieren. Das so umschriebene reuige Verhalten muss der Täter zwischen der Vollendung und der Entdeckung der Tat ausführen. Nur von einer solchen vermittelnden Definition des Anwendungsbereichs sind sämtliche Verhaltensweisen erfasst. Ist die Tat entdeckt, kommt einem solchen Verhalten nicht die gleiche Wirksamkeit zu, es verbietet sich ein obligatorischer Strafausschluss. Zu vermuten ist aufgrund der Vorfelddelikte zum Betrug zudem, dass tätige Reue ausgeschlossen ist, wenn ein Individualrechtsgut verletzt wurde. Ohne Regelung einer tätigen Reue wäre dem Täter auch vor Verletzung des Individualrechtsguts kein Rücktritt mehr möglich, da durch die Erbringung des Kumulationsbeitrags Vollendung eingetreten ist. Dies ließe unbeachtet, dass die abstrakte Gefährlichkeit und die sie begründende Vermutung bis zum Eintritt der Individualrechtsgutsverletzung, in der sich die Gefahr schließlich manifestiert, bei den hier vorliegenden Delikten durch den Täter selbst behoben werden kann. Wäre es ihm nicht möglich, strafbefreiend eine Umkehrhandlung vorzunehmen, begründet dies Wertungswidersprüche, die durch die Regelung der

3. Abschn.: Nachtatverhalten

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tätigen Reue verhindert werden sollen. Insbesondere entständen Friktionen zu den Vermögensdelikten. Denn nähme der Täter eine – unterstellt nicht privilegierte – Umkehrhandlung vor, würde nach dem Wegfall der Gefährdung des Kollektivrechtsguts alleine der Vermögensschutz die Strafbarkeit begründen. Dies bedeutete eine extreme Vorverlagerung, die im Widerspruch zu der anerkannten Schadensdogmatik stünde.716 Verhindert der Täter die Beeinträchtigung des Individualrechtsguts und entzieht dem Kumulationsbeitrag so seine Wirksamkeit, muss er straflos werden. Zusammenfassend ist daher im hiesigen Kontext unter tätiger Reue ein Nachtatverhalten zu verstehen, das den Kumulationsbeitrag vor Eintritt einer Verletzung eines Individualrechtsguts oder der Entdeckung der Tat vollständig beseitigt, und so auf die Strafzumessungsschuld und zugleich auf präventiver Ebene wirkt. Es verbleibt nach der Verrechnung nur ein gemindertes Maß an Strafzumessungsschuld, sodass die Bestrafung sowohl aus Vergeltungs- als auch aus Präventionsgesichtspunkten entbehrlich ist bzw. – mit Blick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip – sich diese sogar verbietet. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Kumulationsdelikten um solche handelt, bei denen die Strafbarkeit weit vorverlagert ist. Die tätige Reue verhindert daher systemimmanente Wertungswidersprüche, wie sie sonst etwa zwischen dem Subventions-, dem Kapital- oder Kreditbetrug bestehen würden.

716

Vgl. hierzu im 1. Teil den 2. Abschnitt unter I. III.

3. Teil

Korruptionsdelikte und tätige Reue Nachdem nun die tätige Reue als privilegierendes Nachtatverhalten umschrieben und ihre Anknüpfungspunkte ebenso herausgearbeitet wurden wie ihre Wirkweise, stellt sich die Frage, ob sich unter Zugrundelegung dieser Kriterien überhaupt die Möglichkeit einer Regelung der tätigen Reue bei den Delikten der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen ergibt. Dafür werden die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) sowie die Bestechlichkeit (§ 299a StGB) und Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299b StGB) in ihren Voraussetzungen genauer betrachtet und analysiert. 1. Abschnitt

Darstellung und Analyse der Vorschriften Zunächst erfolgt eine Darstellung der Vorschriften. Der weitergehenden Untersuchung werden dann die Kriterien zugrunde gelegt, die zuvor bei den anderen Regelungen des Wirtschaftsstrafrechts, die eine tätige Reue kennen, herausgearbeitet wurden. Insbesondere muss daher untersucht werden, ob es sich bei den Normen um abstrakte Gefährdungsdelikte in der Form des Kumulationsdelikts handelt. Nur dann liegt die notwendige Voraussetzung für die Anknüpfung einer Regelung der tätigen Reue vor. Zudem sind die formalen Kriterien, wie die Deliktsart und der Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt, in den Blick zu nehmen. Diese sind entsprechend der obigen Erkenntnisse zwar für sich genommen nicht geeignet, eine Begründung tätiger Reue zu liefern, geben wohl aber ein Indiz für deren Notwendigkeit. Da bereits festgestellt wurde, dass die Geschäftsherrenvariante nach § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht den Wettbewerb, und damit kein Teilelement der sozialen Marktwirtschaft schützt, wird diese bei der Betrachtung ausgeklammert.

A. Darstellung der tatbestandlichen Voraussetzungen Damit die Vergleichskriterien des zweiten Teils auch bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen zuverlässig ermittelt werden können, ist zunächst das Wissen um die Tatbestandsvoraussetzungen erforderlich. Auch im folgenden zweiten Abschnitt bei der Frage nach Erforder-

1. Abschn.: Darstellung und Analyse der Vorschriften

223

lichkeit der Normierung tätiger Reue kann die im Fallbeispiel angedeutete Vergleichbarkeit zu § 298 StGB nur mit Kenntnis der tatbestandlichen Voraussetzungen abschließend beurteilt werden. Diese Kenntnis ist zudem Grundlage für die Beurteilung, ob und in welcher Weise ein die Gefährdung umkehrendes Verhalten ausgestaltet werden kann. Die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen setzen gleiche Tathandlungen nur in unterschiedlichem Kontext voraus. § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 299a StGB verlangen das Fordern, SichVersprechen-Lassen oder die Annahme eines Vorteils, während § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB ebenso wie § 299b StGB das Anbieten, Versprechen oder Gewähren des Vorteils erfordern. Der besseren Übersicht geschuldet, werden daher zunächst die gemeinsamen Voraussetzungen der Tatbestände und dann die Tathandlungen dargestellt.

I. Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB § 299 Abs. 1 StGB regelt die passive Bestechlichkeit, während § 299 Abs. 2 StGB die aktive Bestechung normiert. Beide Absätze haben vier gemeinsame Voraussetzungen. Erstens setzen sie ein Handeln im geschäftlichen Verkehr voraus, womit alle Handlungen erfasst sind, die der Förderung eines beliebigen legalen Geschäftszwecks dienen.1 Zudem muss ein Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens (zweite Voraussetzung) einen Vorteil (dritte Voraussetzung) fordern, sich-versprechen-lassen oder annehmen, bzw. ein anderer muss ihm den Vorteil anbieten, versprechen oder gewähren (vgl. zu den Tathandlungen unten III.). Vierte und letzte gemeinsame Voraussetzung ist der Abschluss einer Unrechtsvereinbarung bzw. ein entsprechender Wille.2 Ein Unternehmen im Sinne der Vorschrift ist jede auf gewisse Dauer betriebene Tätigkeit im Wirtschaftsleben, die den Austausch von Leistungen und Gegenleistungen beinhaltet.3 Angestellter eines solchen Unternehmens ist, wer zumindest in einem faktischen Dienstverhältnis zum Geschäftsherrn steht und dessen Weisungen

1 BGH, GRUR 1953, 293, 294; 1956, 216, 217; 1960, 384, 386; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 54. 2 BGHSt 15, 239; 33, 336, 339; Fischer, § 299 Rn. 22; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 68. 3 BGHSt 10, 358, 366; Fischer, § 299 Rn. 5; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 17; Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 19. Eine Gewinnerzielung wird nicht vorausgesetzt (BGHSt 2, 396, 401; Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 56 ff.; Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 19 m. w. N.). Auch öffentliche Behörden können bei erwerbswirtschaftlichfiskalischem Handeln, bei dem Wettbewerb entsteht, als Unternehmen verstanden werden. (Wollschläger, Der Täterkreis des § 299 StGB, S. 60; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 43).

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

unterworfen ist.4 Wer nicht Angestellter oder Inhaber des geschäftlichen Betriebs ist, kann Beauftragter sein, wenn er befugtermaßen geschäftlich tätig wird.5 Eine besondere Pflichtenstellung ist hierfür nicht erforderlich, es genügt, wenn er Entscheidungen beeinflussen kann.6 Der Angestellte oder Beauftrage muss sich entweder aktiv um einen Vorteil, also eine Leistung, auf die er keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert,7 bemühen, oder passiv einen solchen Vorteil zugedacht bekommen. Der Vorteil kann dabei für den Empfänger selbst oder für einen Dritten gedacht sein.8 Zur Tatbestandsverwirklichung muss dieser Vorteil mit einer künftigen unlauteren Bevorzugung bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen verknüpft sein (sog. Unrechtsvereinbarung). Bei den Tatvarianten des Forderns, Anbietens und Sich-Versprechen-Lassens genügt der Wille zum Abschluss der Unrechtsvereinbarung. Bereits dadurch, dass die Vorteilsgewährung im Raum steht und bei der Entscheidung Berücksichtigung finden kann, wird die Gefahr einer Bevorzugung und Umgehung der Regelungen des Wettbewerbs begründet.9 Bei den übrigen Tatvarianten ist der Abschluss einer Unrechtsvereinbarung erforderlich. Dies setzt zumindest eine stillschweigende Übereinkunft darüber voraus,10 dass die Vorteilszuwendung auch auf Grund der angestrebten Bevorzugung erfolgt.11 Damit wird inzident ein Konkurrenzverhältnis verlangt, sodass mindestens ein weiterer Mitbewerber vorhanden sein muss.12 Die Bevorzugung ist unlauter,

4 Fischer, § 299 Rn. 11 ff.; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 21; Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 11. 5 BayObLG, NJW 1996, 268, 270; Fischer, § 299 Rn. 15; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 34; Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 16. 6 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 94. Im Zuge der neu eingeführten Nr. 2 der Absätze 1 und 2 und der damit verbundenen Verankerung des Geschäftsherrenmodells im Tatbestand wurde überlegt, ob eine der Untreue ähnliche Pflichtenstellung des Angestellten oder Beauftragten zu verlangen ist. Dies würde die Korruption aber zu einem Sonderfall der Untreue machen, was mit Blick auf die unterschiedlichen geschützten Rechtsgüter beider Tatbestände nicht zu überzeugen vermag. Zudem ist eine restriktive Auslegung der Pflichten geboten. Nur in diesen Fällen ist eine Verletzung der Pflichten geeignet, den Leistungswettbewerb zu beeinflussen (Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 44; Brand/Wostry, WRP 2008, 637, 644 f.). 7 BGH, NStZ-RR 2015, 278, 279; NStZ 2005, 334, 335; NJW 2001, 2558; Fischer, § 299 Rn. 8. 8 Fischer, § 299 Rn. 17. 9 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 80. 10 BGHSt 15, 239, 242. 11 BGH, NStZ-RR 2007, 309, 310; NStZ 2008, 216, 217. 12 Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 28; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 68.

1. Abschn.: Darstellung und Analyse der Vorschriften

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wenn sie gegen die Grundsätze eines redlichen Geschäftsverkehrs verstößt13 und auf der intendierten Vorteilsgewährung beruht.14 Nicht ausreichend für die Unrechtsvereinbarung ist eine Zuwendung zur Herbeiführung eines allgemeinen Wohlwollens ohne Bezug zu einer Bevorzugung15 oder eine Zuwendung für eine Bevorzugung in der Vergangenheit.16 Es muss allerdings kein konkretes Leistungs- und Gegenleistungsverhältnis bestehen.17

II. Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 299a und 299b StGB Die Tatbestände der §§ 299a und 299b StGB erfassen die Bestechlichkeit von Heilberufsangehörigen.18 Da beide Tatbestände spiegelbildlich ausgestaltet sind, gibt es auch hier gemeinsame Merkmale. Sowohl § 299a StGB als auch § 299b StGB verlangen die Beteiligung eines Heilberufsangehörigen auf Nehmerseite. § 299a StGB ist ein Sonderdelikt und erfasst nur Handlungen von Angehörigen eines Heilberufs, die in Zusammenhang mit der Berufsausführung tätig werden.19 § 299b StGB ist hingegen ein durch Jedermann zu verwirklichendes Delikt, erfasst aber Handlungen gegenüber einem Angehörigen eines Heilberufs.20 Angehörige eines Heilberufs sind solche Berufsträger, deren Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert.21 Neben Ärzten sind auch die Gesundheitsfachberufe wie Krankenpfleger, Hebammen oder Physio- und Ergotherapeuten erfasst.22 13

RGSt 48, 291, 295; 58, 429; 66, 16, 17; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 77; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 76 f. Nicht gleichzusetzen ist die Unlauterkeit mit der Pflichtwidrigkeit des Angestellten oder Beauftragten gegenüber dem Geschäftsherrn, da diese in Nr. 2 der beiden Absätze besonders unter Strafe gestellt ist. Dafür spricht auch die Strafbarkeit bei sog. entschleierten Schmiergeldern, also solchen, die gegenüber dem Geschäftsherrn offengelegt wurden. Gegenüber seinen Mitbewerbern treffen den Angestellten oder Beauftragten keine Pflichten. Zudem hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm ausdrücklich auf das Merkmal der Pflichtwidrigkeit verzichtet und sich für die Unlauterkeit entschieden, vgl. zum Ganzen Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 40 f. m. w. N. 14 RGSt 66, 16, 17; 66, 81, 83; BGHSt 2, 396, 401; BGH, NJW 2003, 2996, 2997; Bach, wistra 2008, 47, 49; Park, wistra 2010, 321, 322; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 80 m. w. N. 15 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 68; Fischer, § 299 Rn. 22. 16 RGSt 68, 70, 76; BGH, wistra 2010, 447, 449; OLG Düsseldorf, NJW 1974, 417; BayObLG, NJW 1996, 268, 272; Wittig, wistra 1998, 7, 8; Fischer, § 299 Rn. 22. 17 Fischer, § 299 Rn. 22. 18 Grzesiek/Sauerwein, NZWiSt 2016, 369, 370. 19 Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 92; Hohmann, in: MüKo StGB, § 299a Rn. 12. 20 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299b Rn. 3. 21 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 13; Hohmann, in: MüKo StGB, § 299a Rn. 12.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Zudem verlangen beide Tatbestände – wie § 299 StGB auch – den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung oder aber den Willen zum Abschluss einer solchen.23 Es muss die Beeinflussung einer in den Nummern 1 – 3 genannten Handlung – wie bei § 299 StGB – zumindest intendiert sein.24 Die in den Nummern 1 – 3 genannten Handlungen erfassen besonders schutzwürdige Vorgänge im Gesundheitswesen25 wie die Verordnung oder den Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten sowie die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial. Die Bevorzugung bei diesen Handlungen muss – wie bei § 299 StGB – unlauter, also sachwidrig, erfolgen.26 Damit geht die Beeinträchtigung des Wettbewerbs und die Schädigung der Mitbewerber einher.27

III. Tathandlungen Die Tathandlung der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen sind identisch formuliert. Deshalb können sie gemeinsam dargestellt werden. 1. Fordern, Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen (§§ 299 Abs. 1 und 299a StGB) §§ 299 Abs. 1 und 299a StGB sind als Sonderdelikte ausgestaltet und können nur von einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens (§ 299 Abs. 1 StGB) oder einem Angehörigen eines Heilberufs (§ 299a StGB) verwirklicht werden. Die Tathandlungen sind dreistufig formuliert. Es gibt eine einseitige Tathandlung, das Fordern, sowie zwei Handlungen, die eine Übereinkunft erfordern: das Sich-Versprechen-Lassen und die Annahme eines Vorteils. Insbesondere die erste Alternative, die lediglich die Anbahnung einer Unrechtsvereinbarung fordert, rückt die Strafbarkeit weit ins Vorfeld.28 Das Fordern setzt eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters voraus, die auf den Vorteil bezogen und auf den Abschluss der

22

BT-Drs. 18/6446, S. 18; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 14; Hohmann, in: MüKo StGB, § 299a Rn. 13. 23 Auch hier ist zwischen den Tathandlungen zu differenzieren. Die einseitigen Tathandlungen des Forderns, Anbietens und Versprechens verlangen keinen Abschluss der Unrechtsvereinbarung (vgl. dazu oben unter I.). 24 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 19. 25 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 20; Hohmann, in: MüKo StGB, § 299a Rn. 35. 26 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 27; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 149, 151. 27 Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 151. 28 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 39; Fischer, § 299 StGB Rn. 30.

1. Abschn.: Darstellung und Analyse der Vorschriften

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Unrechtsvereinbarung gerichtet ist.29 Die Forderung muss nicht erfolgreich sein, auch von vornherein untaugliche Anbahnungsbemühungen werden erfasst. Ausschlaggebend ist lediglich, dass die Forderung dem Vorteilsgeber zugeht.30 Demgegenüber erfordert das Sich-Versprechen-Lassen, dass das Angebot, einen Vorteil künftig zu erbringen, angenommen wird. Hier wird eine Mitwirkung des Vorteilsgebers verlangt,31 sodass eine Einigung über Inhalt und Zweck des Vorteils stattfinden muss, wobei konkludentes Handeln ausreicht.32 Es muss lediglich Einvernehmen darüber bestehen, dass die Leistung für eine wettbewerbswidrige Bevorzugung gewährt wird.33 Ein Austausch des Vorteils ist letztlich nicht erforderlich, es ist ausreichend, dass der Täter den Vorteil annehmen möchte und dies zusagt. Die Steigerung dessen erfasst die dritte Variante, das Annehmen. Hier wird der Vorteil tatsächlich entgegengenommen.34 Der Tatbestand setzt ebenfalls eine Willensübereinkunft von Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer voraus. Die Entgegennahme des Vorteils muss zu eigenen Zwecken erfolgen.35 Eine bloße Annahme zum Schein genügt allerdings nicht.36 2. Anbieten, Versprechen und Gewähren (§§ 299 Abs. 2 und 299b StGB) Spiegelbildlich zur passiven Bestechlichkeit regeln §§ 299 Abs. 2 und 299b StGB die aktive Bestechung, sodass die Tathandlungen jeweils das Gegenstück zu den §§ 299 Abs. 1 und 299a StGB genannten Handlungen darstellen. Anders als dort sind aber zwei einseitige Handlungen, das Anbieten und Versprechen, sowie eine zweiseitige Handlung, das Gewähren eines Vorteils, vorgesehen. Täter kann hier jeder sein, der im geschäftlichen Verkehr oder im Gesundheitswesen handelt, also nicht nur Angestellte oder Beauftragte bzw. Angehörige des Heilberufs.37 Anbieten ist das In-Aussicht-stellen eines künftigen Vorteils.38 Da es sich um eine einseitige Erklärung des Vorteilsgebers handelt, ist es ausreichend, wenn diese dem anderen Beteiligten zur Kenntnis gelangt, eine Übereinkunft der Parteien ist nicht 29

BGHSt 15, 88, 97. Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 32. 31 BGHSt 10, 237, 241; BGH, JR 1989, 430, 431; Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, § 299 Rn. 27. 32 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 40. 33 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 53. 34 BGHSt 14, 123, 127; 15, 88, 97. 35 BGHSt 14, 123, 127; 15, 88, 97. 36 BGHSt 15, 88, 97; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 53; Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, § 299 Rn. 28; Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 48. 37 Bürger, wistra 2003, 130, 131; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 43; Fischer, § 299 Rn. 31; Fischer, § 299b Rn. 2. 38 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 42; Fischer, § 299 Rn. 32. 30

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

erforderlich.39 Die Erklärung kann konkludent erfolgen, sie darf aber nicht nur zum Schein abgegeben werden, sondern muss tatsächlich auf den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung abzielen.40 Das Versprechen meint die Zusage eines Vorteils.41 Hier handelt es sich um eine einseitige Handlung, auch wenn teilweise eine Willensübereinkunft der Beteiligten gefordert wird.42 Argumentiert wird vor allem mit der Struktur der Tathandlungen von Abs. 1 und 2. Dabei wird übersehen, dass das Versprechen im Gegensatz zum Sich-Versprechen-Lassen dem Wortlaut gemäß gerade nicht voraussetzt, dass der andere Teil zustimmt.43 Deshalb kann eine solche Mitwirkung auch nicht in Form der Unrechtsvereinbarung eingeführt werden. Mit dem Gewähren wird der Vorteil dann tatsächlich verschafft,44 also dem Vorteilsnehmer die Verfügungsgewalt eingeräumt.45 Die Unrechtsvereinbarung muss hier – zumindest stillschweigend – zustande gekommen sein.46

B. Deliktsart Sowohl die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr als auch im Gesundheitswesen sehen damit einseitige und zweiseitige Tathandlungen vor und sind insoweit identisch ausgestaltet. Nun ist ihre materielle und formale Deliktsart zu bestimmen. Bei der materiellen Bestimmung der Deliktsart zeigte sich bei den untersuchten Delikten des Wirtschaftsstrafrechts mit Regelung einer tätigen Reue ein nahezu einheitliches Bild. Alle untersuchten Delikte waren als abstrakte Gefährdungsdelikte hinsichtlich des Rechtsguts der sozialen Marktwirtschaft ausgestaltet. Dies müsste auch auf die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen zutreffen. Daran anknüpfend ist die formale Betrachtung der Deliktsart vorzunehmen.

39 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 43; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 97; Fischer, § 299 Rn. 32. 40 Fischer, § 331 Rn. 32. 41 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 42; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 97; Fischer, § 299 Rn. 32. 42 Für ein solches Erfordernis Fischer, § 333 Rn. 4; dagegen Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 97; Momsen/Laudien, in: BeckOK-StGB, § 299 Rn. 43; BGHSt 15, 88, 102. 43 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 97. 44 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 42; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 46; Krick, in: MüKo StGB, §299 Rn. 98; Fischer, § 299 Rn. 32. 45 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 108; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 98. 46 Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 46.

1. Abschn.: Darstellung und Analyse der Vorschriften

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I. §§ 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB Nach zutreffender herrschender Ansicht handelt es sich bei § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.47 Ob es infolge der Tat tatsächlich zu einer wettbewerbswidrigen Bevorzugung kommt, ist für die Verwirklichung der Norm damit letztlich unerheblich.48 Dagegen wird von einer Mindermeinung eingewandt, dass eine konkrete Gefahr bei dem Rechtsgut des Wettbewerbs zwar nicht feststellbar sei, wohl aber vorliege. Angemessener sei es daher, das Delikt als Verletzungsdelikt zu fassen.49 Dies übersieht aber, dass der Vorteil auch zu einem Zeitpunkt angeboten, versprochen oder gewährt werden kann, in dem noch keine Wettbewerbssituation besteht. Eine solche muss erst bei der Auftragsvergabe vorliegen.50 Aus diesem Grund ist die Erfassung als abstraktes Gefährdungsdelikt im Hinblick auf das Rechtsgut passender.51 Mit der Vornahme der tatbestandlich beschriebenen Handlung wird ein Beitrag geschaffen, der in der Zusammenschau mit mehreren gleichgelagerten Beiträgen geeignet ist, den Wettbewerb als Instrument der Marktwirtschaft zu verletzen und letztlich zu zerstören. Es handelt sich also um ein Kumulationsdelikt, das mit dem Tätigwerden verwirklicht wird.

II. §§ 299a und 299b StGB Nach wohl überwiegender Ansicht handelt es sich bei der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen ebenfalls um abstrakte Gefährdungsdelikte, da der Wettbewerb im Gesundheitswesen gefährdet werde.52 Daneben wird teilweise eine Einordnung als Verletzungsdelikt hinsichtlich der Integrität der heilberuflichen Entscheidung vorgenommen.53 Dem zugrunde liegt eine dualistische Rechtsgutsauffassung, die von dem Schutz sowohl des Wettbewerbs als auch des Vertrauens in die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens54 bzw. der Integrität heilberuflicher Entscheidungen55 ausgeht. Vor dem Hintergrund des vorliegenden Verständnisses kann dies allerdings nicht überzeugen. Sowohl das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens als auch die Integrität heilberuflicher Entscheidungen sind kollektive Rechtsgüter. Dem Gesetzgeber geht es nicht um die einzelne 47

Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 10; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 21; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 17. 48 BGH, NJW 2006, 3290, 3298; NStZ 2012, 35, 38; Krack, NStZ 2001, 505, 507. 49 Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 7. 50 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 21. 51 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 10.1. 52 Gaede, in: NK-WSS, § 299a Rn. 16; Heger, in: Lackner/Kühl, § 299a Rn. 1; Rosenau, in: SSW-StGB, § 299a Rn. 1. 53 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 8; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 83. 54 Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 8. 55 Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 83.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Entscheidung an sich, sondern um ein gesamtgesellschaftliches System, wenn er von dem Vertrauensverlust in die gesundheitliche Vorsorge spricht.56 Zwar können bereits einzelne Fälle von Korruption im Gesundheitswesen zu einer Beeinträchtigung des gesamtgesellschaftlichen Vertrauens führen, das Erfordernis einer solchen Verletzung besteht allerdings nicht. Vielmehr wird durch die einzelne Handlung zunächst eine abstrakte Gefährdung geschaffen, die sich dann gegebenenfalls zu einer Verletzung verdichten kann, wenn etwa weitere Fälle hinzukommen. Alleine die Bestechlichkeit oder Bestechung eines einzelnen Arztes kann nur das Vertrauen seiner Patienten in diesen konkreten Arzt erschüttern, nicht aber in das gesamte Gesundheitssystem. Da der Tatbestand mit der Vornahme der Tathandlung erfüllt ist, liegt ein Tätigkeitsdelikt vor.57 Ein darüberhinausgehender Erfolg wird nicht verlangt.58

III. Zwischenergebnis Sowohl die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr als auch im Gesundheitswesen sind als abstrakte Gefährdungs- und Tätigkeitsdelikte ausgestaltet. Ebenso wie die bereits im zweiten Abschnitt des zweiten Teils untersuchten Delikte wird hier ein kollektives Rechtsgut, der Wettbewerb als Teil der sozialen Marktwirtschaft, geschützt, der durch die einzelne Handlung nicht verletzt, sondern nur bei einer vielfachen Wiederholung gleicher Handlungen beeinträchtigt werden kann. Lediglich die einzelne korrupte Handlung kann den Wettbewerb als Instrument des Wirtschaftslebens nicht tangieren, eine Verletzung ist nicht möglich. Erst wenn mehrere wettbewerbsschädigende Handlungen zusammentreffen, sind diese in ihrer Gesamtheit geeignet, den Wettbewerb zum Erliegen zu bringen. In einem solchen Zusammentreffen entfaltet dann jede einzelne schädliche Handlung ihre Wirksamkeit und bedingt damit den Zusammenbruch des Systems. Es handelt sich bei der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen – ebenso wie bei den zuvor untersuchten Delikten – um Kumulationsdelikte, eine besondere Form des abstrakten Gefährdungsdelikts. Die für eine Normierung tätiger Reue notwendige Voraussetzung liegt damit vor.

56

BT-Drs. 18/6446, S. 11 ff. Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299a Rn. 11; Rosenau, in: SSW-StGB, § 299a Rn. 11. 58 Anders sieht dies wohl Hohmann, in: MüKo StGB, § 299a Rn. 3, der davon ausgeht, dass ein Erfolgsdelikt vorliege, welches die Verletzung eines wie auch immer bestätigten Vertrauens des Einzelnen in die Funktionsfähigkeit des freien und fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen verlange. Fraglich ist aber hierbei nicht nur, wie eine solche Vertrauensverletzung festgestellt werden soll, sondern wie der Erfolg bei Situationen eintreten soll, bei denen zum Zeitpunkt der Tathandlung noch kein Wettbewerb bestand. 57

1. Abschn.: Darstellung und Analyse der Vorschriften

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C. Versuch/Vollendung/Beendigung Neben der Deliktsart wurde bei den übrigen Delikten im Wirtschaftsstrafrecht, die eine tätige Reue vorsehen, der Zeitpunkt der Vollendung und Beendigung der Delikte genauer untersucht. Festgestellt wurde dabei, dass zwischen der Einordnung der Delikte als Tätigkeitsdelikte und der Frage nach der Vollendung der Delikte Kongruenz besteht. Der Gesetzgeber bezieht sich auch bei der Begründung von Vorschriften zur tätigen Reue häufig auf die Vorverlagerung und das nicht existente Versuchsstadium. Ob diese Kriterien, die als Indizien für die Erforderlichkeit der Regelung einer tätigen Reue gelten können,59 auch bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen vorliegen, soll nun geprüft werden. Darüber hinaus ist die Bestimmung der Zeitpunkte von Vollendung und Beendigung wesentlich, um einen möglichen Anwendungsbereich tätiger Reue zu ermitteln. Aufgrund der identischen Tathandlungen sind die Zeitpunkte der Vollendung sowie der Beendigung der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen identisch. Sie werden daher gemeinsam dargestellt. Die Vollendung tritt bei dem Anbieten, Versprechen und Fordern mit Vornahme der Tathandlungen ein. Ein weitergehender Erfolg, etwa die tatsächliche Bevorzugung des Täters, ist nicht nötig.60 Die Vollendung dieser Varianten tritt mit der Kenntnisnahme des Aufgeforderten – dem Zugang der Erklärung bei diesem – ein.61 Eine Unrechtsvereinbarung muss zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegen.62 Das Sich-Versprechen-Lassen, Annehmen und Gewähren erfordert hingegen die Zustimmung der anderen Partei und damit das Zustandekommen einer Unrechtsvereinbarung63 zur Vollendung. Dementsprechend verlangt das Sich-VersprechenLassen die nach außen erkennbare Zustimmung.64 Bei dem Annehmen muss die Entgegennahme des Vorteils hinzukommen.65 Auch das Gewähren erfordert eine

59

Vgl. dazu im 2. Teil, 2. Abschnitt unter I. III. BGH, NJW 2004, 3129, 3133; 2006, 3290, 3298; Fischer, § 299 Rn. 37; Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 133; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 51 und Tiedemann, in: LK StGB, § 299 Rn. 50 verlangen auch für das Versprechen den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung. 61 Zum Fordern: BGHSt 10, 237, 241, 243; 47, 22, 29; BGH, NJW 2008, 3076, 3077; Helmrich, wistra 2009, 10, 12; zum Anbieten: BGH, NJW 2008, 3076, 3077; zum Anbieten und Versprechen: BGHSt 15, 88, 102; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 97. Siehe auch BT-Drs. 7/ 550, S. 276. 62 Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299a Rn. 204. 63 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 209, Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 43; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 46; a. A.: Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 116. 64 BGHSt 10, 237, 241; 15, 88, 94; 239, 242; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 116. 65 BGHSt 47, 22, 29. 60

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Annahmeerklärung des Vorteilsnehmers.66 Erst diese gegenseitige Übereinkunft vollendet die genannten Tathandlungen. Beendet ist die Tat mit der Annahme des Vorteils durch den Vorteilsnehmer.67 Die Beendigung der Tat liegt erst vor, wenn das Tatunrecht insgesamt verwirklicht ist.68 Damit sind Absatz 1 und 2 beendet, wenn die letzte Handlung zur Erfüllung der Vereinbarung vorgenommen wurde.69 Kommt es nicht zu einer Umsetzung der Unrechtsvereinbarung, gilt die Tat als beendet, sobald die Forderung oder deren Erfüllung endgültig als fehlgeschlagen gelten.70 Der Tatbestand sieht keine Versuchsstrafbarkeit vor, da schon der einseitige Versuch einer Bestechung oder der Bestechlichkeit als vollendetes Anbieten oder Fordern strafbar ist.71 Die früh eintretende Vollendung des Delikts hat hier formal zwei Folgen: Es wird das Versuchsstadium verkürzt, sodass faktisch kein Anwendungsbereich mehr für einen Versuch verbleibt. Darüber hinaus kann eine lange Beendigungsphase folgen, da die vollständige Umsetzung der Unrechtsvereinbarung erforderlich ist. Diese beiden Voraussetzungen besitzen zumindest indizielle Wirkung für die Notwendigkeit der Normierung einer tätigen Reue.

D. Ergebnis Die Untersuchung der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen offenbart sowohl bei der materiellen Deliktsart als auch hinsichtlich des Zeitpunkts von Vollendung und Beendigung Ähnlichkeiten zu den bereits untersuchten Delikten des Wirtschaftsstrafrechts, die eine tätige Reue regeln. Unter Betrachtung dieser Ähnlichkeiten erscheint eine Regelung der tätigen Reue auch bei der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen möglich. 66 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 116, genügt es, dass bei dem Gewähren eine Annahmeerklärung abgeben wird, diese braucht aber nicht auch auf die Unrechtsvereinbarung gerichtet sein. Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 108 hingegen möchte die Übergabe mit dem Willen, dass die Verfügungsgewalt auf den Vorteilnehmer übergeht, also eine zumindest stillschweigend zustande kommende Unrechtsvereinbarung. 67 Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 117; Dannecker/Schröder, in: NK StGB, § 299 Rn. 135; Momsen/Laudien, in: BeckOK-StGB, § 299 Rn. 68. 68 BGHSt 52, 300, 303; BGH, NStZ 2012, 511, 513 m. Anm. Neiske, NZWiSt 2012, 233; a. A. Böttger, in: Festschrift Mehle, S. 77, 80 ff. 69 BGH, NJW 1998, 2373; NJW 2006, 925, 927; BGH, wistra 2011, 308, 309. Die Gegenansicht, Helmrich, wistra 2009, 10, 13, nach welcher zu Beendigung des Abs. 2 beim Versprechen der Abschluss der Unrechtsvereinbarung und beim Gewähren das Gewähren des Vorteils ausreicht, sieht allerdings nicht, dass durch die sachwidrige Bevorzugung noch eine Vertiefung des materiellen Unrechts eintritt, die die Erfassung unter den Tatbestand erfordert, Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 117. 70 BGH, NJW 2003, 2996, 2997; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 299 Rn. 51. 71 Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 136.

1. Abschn.: Darstellung und Analyse der Vorschriften

233

Wesentlich für diese Annahme ist die Einordnung der Delikte als abstrakte Gefährdungsdelikte, die als notwendige Voraussetzung der tätigen Reue gilt und die Anknüpfung für eine Verrechnung im Wege der Strafzumessungsschuld bietet. Die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt korreliert mit der Bestimmung des geschützten Rechtsguts. Durch die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie im Gesundheitswesen wird das kollektive Rechtsgut des Wettbewerbs als Teil der sozialen Marktwirtschaft geschützt. Dieses Rechtsgut wird nicht durch die einzelne Handlung, sondern erst durch deren vielfache Wiederholung verletzt. Die einzelne Handlung schafft damit einen potentiell ursächlichen Beitrag für die bei einem „Megaverstoß“ eintretende Verletzung. Es handelt es sich daher ebenso wie bei den zuvor untersuchten Delikten um Kumulationsdelikte. Das durch diese Deliktsart verwirklichte Unrecht ist als Handlungsunrecht der Verrechnung mit Nachtatverhalten besonders zugänglich und bietet daher einen Anknüpfungspunkt für die Regelung einer tätigen Reue. Die mit der Einordnung der Deliktsart verknüpfte formale Voraussetzung der frühen Vollendung und Vorverlagerung der Strafbarkeit indiziert ebenso die Möglichkeit einer Regelung tätiger Reue. Auch wenn diese Voraussetzung nicht als notwendige oder hinreichende Bedingung tätiger Reue qualifiziert werden kann, dient sie als Argument zur Begründung der Erforderlichkeit einer Regelung (vgl. hierzu im zweiten Abschnitt dieses Teils unter A. II. 1.). Die Untersuchung hat weiter gezeigt, dass bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen die Tathandlungen zum Teil als einseitige Handlungen (Fordern, Anbieten und Versprechen) oder als zweiseitige Handlungen (Sich-Versprechen-Lassen, Annehmen und Gewähren) ausgestaltet sind. Zudem handelt es sich auf Nehmerseite um Sonderdelikte. Sollte eine Regelung der tätigen Reue im folgenden Teil für erforderlich befunden werden, wäre auf diese Unterschiede bei der Ausgestaltung der Regelung zurückzukommen. Darüber hinaus ergibt sich aus der Analyse der Normen auch ein Anwendungsbereich für eine Regelung tätiger Reue. Grundsätzlich ist die tätige Reue, wie im zweiten Teil, dritter Abschnitt, B. V. 4. b) aa) festgestellt, von der Vollendung der Tat bis zu deren Entdeckung möglich. Jedoch wurde bei der Untersuchung anderer Normen des Wirtschaftsstrafrechts, die eine tätige Reue regeln, festgestellt, dass ab der Beeinträchtigung von Individualrechtsgütern die Regelung einer tätigen Reue ausscheidet. Neben dem kollektiven Rechtsgut des Wettbewerbs schützen die Tatbestände §§ 299, 299a und 299b StGB aber auch Individualrechtsgüter. So nimmt § 299 StGB die Chancengleichheit und die Vermögensinteressen der Mitbewerber in Bezug, während die §§ 299a und 299b StGB neben dem weiteren kollektiven Rechtsgut der Integrität heilberuflicher Entscheidungen noch die Mitbewerber und Krankenkassen schützen. Es stellt sich nunmehr die Frage, wann die geschützten Individualrechtsgüter tangiert werden. Offensichtlich keine Beeinträchtigung der Individualrechtsgüter liegt vor, solange das Handeln bloß einseitig ist, es also zu keiner Unrechtsverein-

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

barung kommt. Die einseitigen Handlungen sind für sich genommen nicht geeignet, die Individualrechtsgüter zu verletzen, da ihr Erfolg hinsichtlich der Bevorzugung noch vollkommen unklar ist. Dies ist bei dem Fordern, Anbieten und Versprechen der Fall. Dies ändert sich allerdings mit dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung. Beim Sich-Versprechen-Lassen, der Annahme und dem Gewähren wird bereits eine Absprache zu Lasten der übrigen Mitbewerber getroffen. Ihr Unrechtsgehalt ist damit höher zu bewerten. Manifestiert sich diese Übereinkunft dann in der unlauteren Bevorzugung, werden tatsächlich die Rechte der Mitbewerber beschnitten. Damit ist eine tätige Reue jedenfalls abzulehnen, sobald die Bevorzugung erfolgt ist. Da die Unrechtsvereinbarung vor dem Eintritt der Bevorzugung nicht bindend ist, und noch keine tatsächliche Einbuße bei den Mitbewerbern eintritt, steht diese der Regelung einer tätigen Reue nicht zwangsläufig entgegen. Es besteht zwischen der Vollendung und dem Eintritt der Bevorzugung ein Anwendungsbereich zur Regelung einer tätiger Reue. Abschließend ist daher festzuhalten, dass die Normen der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen mit der Einordnung als abstrakte Gefährdungsdelikte über die notwendige Voraussetzung zur Regelung einer tätigen Reue verfügen. Zudem findet sich auch ein grundsätzlich denkbarer Anwendungsbereich für eine Regelung tätiger Reue. 2. Abschnitt

Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten Nachdem nun festgestellt wurde, dass eine Regelung tätiger Reue bei den vorliegend untersuchten Delikten der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen möglich ist, stellt sich die Frage, ob ihre Regelung auch geboten ist. Das eingangs mit dem Fallbeispiel aufgekommene Störgefühl muss rechtlich verortet werden. Dafür ist erstens zu klären, wie das Nachtatverhalten im Anschluss an die benannten Delikte de lege lata erfasst wird. Im zweiten Schritt ist dann nach der Erforderlichkeit einer Regelung zu fragen. Sollte die Erforderlichkeit bejaht werden, ist drittens und letztens zu untersuchen, wie eine solche Regelung unter Berücksichtigung der ermittelten Grundsätze auszugestalten wäre.

A. Rechtslage de lege lata Zunächst müsste ein Bedürfnis für die Regelung einer tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

235

bestehen. Voraussetzung dafür wäre, dass die Fälle eines umkehrenden und damit wiedergutmachenden Nachtatverhaltens unmittelbar anschließend an die Tathandlung de lege lata nicht ausreichend erfasst werden, also eine Regelungslücke vorliegt.

I. Regelungslücke Entschließt sich der Täter im Anschluss an die hier untersuchten Handlungen nach §§ 299, 299a und 299b StGB durch ein noch zu bestimmendes Verhalten dazu, Abstand von der Tat zu nehmen und die Wirksamkeit des eigenen Kumulationsbeitrags zu beseitigen, stellt sich die Frage, wie ein solches Verhalten gegenwärtig berücksichtigt wird. Da eine spezialgesetzliche Regelung nicht existiert, kommt nur die Erfassung durch die allgemeinen Regelungen des privilegierenden Nachtatverhaltens in Betracht. Aufgrund der frühen Vollendung findet sich in den §§ 299, 299a und 299b StGB keine Versuchsstrafbarkeit. Durch die weite Formulierung der Varianten des Forderns und Anbietens dürfte aber nahezu jeder einseitige Versuch einer Bestechung als vollendete Tat erfasst sein.72 Raum für einen Rücktritt nach § 24 StGB als persönlichen Strafaufhebungsgrund gibt es daher sowohl bei der Bestechlichkeit als auch der Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen nicht. Auf Strafzumessungsebene sehen die §§ 46a und 46b StGB spezielle Möglichkeiten zur Privilegierung von Nachtatverhalten vor, die der Grundregel des § 46 StGB vorgehen. Der Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a StGB verlangt ein Bemühen des Täters, um einen Ausgleich mit dem Verletzten bzw. das Bemühen den Schaden wiedergutzumachen. Bereits im dritten Abschnitt des zweiten Teils unter B. II. 2. b) wurde die Norm auf ihre Anwendbarkeit hinsichtlich Kollektivrechtsgütern untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass eine solche nur bei gleichzeitiger Verletzung oder konkreter Gefährdung eines Individualrechtsguts möglich ist. Die Verletzung von Individualrechtsgütern ist bei den vorliegenden Delikten aber keineswegs zwingend. Vielmehr wird es in den meisten Fällen, in denen ein gefahrumkehrendes Verhalten denkbar ist, nicht zu einer solchen gekommen sein. Die unlautere Bevorzugung und die damit einhergehende Schädigung der Mitbewerber wird tatbestandlich nicht vorausgesetzt, sodass nicht in jedem Fall der Vollendung auch ein individueller Schaden vorliegt, der erfasst und privilegiert werden kann. Dieser Feststellung steht auch nicht entgegen, dass der tatsächlichen Schädigung bereits mit dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung der Weg geebnet wird. Denn den Abschluss der Vereinbarung bereits als Vermögensgefährdung der Mitbewerber zu verstehen, kann nicht überzeugen. Die Unrechtsvereinbarung ist offensichtlich illegal und beinhaltet, anders als ein betrügerisch abgeschlossener Vertrag, keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Ausführung. Entschließt sich einer der Teilnehmer der Vereinbarung dazu, von dieser Abstand zu nehmen, kann der andere Teil ihn nicht unter 72

Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 136.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Androhung rechtlicher Schritte dazu zwingen. Ein schadensgleicher Zustand ist daher mit dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung noch nicht eingetreten. Bis zum Eintritt der Bevorzugung bleibt es damit alleine bei der Beeinträchtigung des kollektiven Rechtsguts, sodass eine Schadenswiedergutmachung ausscheidet. Vor der Verletzung der Individualrechtsgüter fehlt es an einem personalisierbaren Opfer bzw. einem Schaden, dessen Abmilderung oder Wiedergutmachung möglich wäre. Für Fälle, in denen eine Bevorzugung noch nicht erfolgt ist, kann damit keine Privilegierung des Nachtatverhaltens im Rahmen des § 46a StGB erfolgen. Neben § 46a StGB verbleibt als spezielle Normierung auf Strafzumessungsebene noch die sog. Kronzeugenregelung mit einem möglichen Anwendungsbereich für die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen. Sowohl § 46b Nr. 1 StGB, die Aufklärungshilfe, als auch Nr. 2, die Präventionshilfe, setzen voraus, dass dem Täter eine Straftat vorgeworfen wird, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Für die Feststellung des Mindestmaßes werden nach dem Gesetz Schärfungen für besonders schwere Fälle berücksichtigt. Die Regelungen zur Korruption im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB, und zur Korruption im Gesundheitswesen, §§ 299a und 299b StGB, fallen daher nur in den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 300 S. 2 StGB vorliegt, also die Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht oder der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. Eine generelle Regelung zur Berücksichtigung des Nachtatverhaltens bei der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr oder im Gesundheitswesen stellt § 46b StGB daher nicht dar. Erforderlich ist für § 46b StGB zudem, dass der Täter eine Tat, die dem gleichen kriminellen Gesamtgeschehen entspringt, aufdeckt oder verhindert. Wegen des Verweises auf § 100a StPO findet die Aufdeckung oder Verhinderung von Bestechung und Bestechlichkeit nur eine Privilegierung, wenn § 299 StGB unter den bereits benannten Voraussetzungen des § 300 S. 2 StGB steht. Nicht anwendbar ist die Regelung bei der Aufdeckung von Taten nach §§ 299a und 299b StGB, da diese nicht im Katalog des § 100a StPO genannt sind. Damit kann eine Privilegierung im Rahmen der Kronzeugenregelung nur für die Aufklärungs- und Präventionshilfe bei besonders schweren Fällen der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr erfolgen. Denkbar ist in diesen Fällen primär die Aufklärungshilfe insoweit, als die Beteiligung des anderen Parts an der Unrechtsvereinbarung und damit dessen Strafbarkeit offengelegt werden kann. Eine Präventionshilfe wird sich bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen schwer verwirklichen lassen, da die Strafbarkeit beider Seiten, Geber- und Nehmerseite, mit dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung schon eingetreten ist. Nur bei den zunächst einseitigen Varianten kommt ein Verhindern der Unrechtsvereinbarung und damit einhergehend ein Verhindern der Straftat des anderen Teils in Betracht. Dabei wäre aber zu unterstellen, dass der Gegenpart die angebotene oder versprochene Bevorzugung annimmt und die geforderte Bevorzugung erbringt. Dies

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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wird sich aber vor einer etwaigen Positionierung des Gegenübers nur vermuten lassen. Die Erfassung eines die Gefährdung umkehrenden Verhaltens als Präventionshilfe erscheint daher praktisch schwierig. Es zeigt sich damit nur eine partielle Erfassung des wiedergutmachenden Nachtatverhaltens auf Strafzumessungsebene. Dies beruht zum einen auf der nur beschränkten Anwendbarkeit des § 46b StGB für besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, zum anderen auf der auf Individualrechtsgüter ausgerichteten Formulierung des § 46a StGB, der ein noch zu bestimmendes, die Gefährdung umkehrendes Verhalten nicht sachgerecht erfassen kann. Grundsätzlich kann jedes Nachtatverhalten im Rahmen der Strafzumessung, also bei § 46 StGB, Berücksichtigung finden, sodass dies auch für ein Handeln im Nachgang der Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen gelten muss. Ausdrücklich sind in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB das Bemühen des Täters, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen um einen Ausgleich mit dem Verletzten als zu berücksichtigendes Nachtatverhalten genannt. Beide genannten Alternativen sind von dem Täter einer Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie im Gesundheitswesen aber selten zu verwirklichen, weil es an einem individuellen Schadenseintritt fehlen wird. Die unlautere Bevorzugung und die damit einhergehende Schädigung der Mitbewerber wird tatbestandlich nicht vorausgesetzt, sodass nicht in jedem Fall der Vollendung auch ein individueller Schaden vorliegt, der durch ein bereits gesetzlich normiertes Nachtatverhalten erfasst und privilegiert werden kann. Da die in § 46 Abs. 2 StGB genannten Umstände nicht abschließend sind, kann auch weiteres Nachtatverhalten im Rahmen des Grundsatzes von § 46 Abs. 1 StGB privilegierend berücksichtigt werden. Auch wenn kein Individualrechtsgut beeinträchtigt wird, ist damit eine Privilegierung des gefahrumkehrenden Nachtatverhaltens bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen möglich. Neben der allgemeinen Strafzumessungsregel bleibt zur Honorierung eines wiedergutmachenden Nachtatverhaltens nach der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr bzw. im Gesundheitswesen noch eine prozessuale Berücksichtigung im Rahmen des § 153a StPO. Auch bei der Anwendung des § 153a StPO scheiden die kompensatorisch formulierten Auflagen und Weisungen aus, da eine Wiedergutmachung vor Eintritt des Schadens bei den vorliegenden Kumulationsdelikten nicht in Betracht kommt. Da aber auch der Katalog des § 153a StPO nicht abschließend formuliert ist,73 kann dennoch eine Berücksichtigung von Nachtatverhalten in dieser Form möglich sein. § 153a StPO sieht allerdings nur ein Verfahrenshindernis vor. Die Norm wirkt damit erst, nachdem ein Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet wurde. Unmittelbar nach der Tat stattfindendes Nachtatverhalten erfasst die Rege73

Beukelmann, in: BeckOK StPO, § 153a Rn. 20.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

lung daher nicht explizit. Sie kommt lediglich dann zum Tragen, wenn die Staatsanwaltschaft, je nach Verfahrensstand mit Zustimmung des Gerichts, nach Erfüllung der Auflagen oder Weisungen von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen möchte. Der Situation, dass ein Täter unmittelbar nach der Tat die durch seine Handlung geschaffene Gefahr für das kollektive Rechtsgut umkehrt, wird diese Regelung damit nicht gerecht. Zudem ist die Anwendung der Norm nicht zwingend. Sie steht im Ermessen der Justiz. Eine generelle Berücksichtigung des reuigen Verhaltens vermag sie daher nicht sicherzustellen.74 Abschließend bleibt damit festzustellen, dass die bereits vorhandenen Normen den Fall, dass sich der Täter der Bestechlichkeit oder Bestechung unmittelbar nach der Tathandlung um eine Entkräftung des geschaffenen Kumulationsbeitrags bemüht, nicht ausreichend erfassen. Wurde bereits ein Individualrechtsgut tangiert, kann eine Wiedergutmachung bzw. ein Schadensausgleich im Rahmen des TäterOpfer-Ausgleichs oder, sofern ein besonders schwerer Fall vorliegt, bei der sog. Kronzeugenregelung erfolgen. Ist die Bevorzugung noch nicht erfolgt, mithin nur das Kollektivrechtsgut betroffen, verbleibt für die Berücksichtigung unmittelbar an die Tat anschließenden Verhaltens nur die allgemeine Strafzumessungsregel des § 46 Abs. 1 StGB. Dies bedeutet für den Angeklagten eine eingeschränkte revisionsrechtliche Überprüfbarkeit der Honorierung seiner Wiedergutmachungsleistung. Strafzumessungserwägungen selbst sind nur eingeschränkt überprüfbar.75 Gleiches gilt auch für die mit einer materiell-rechtlichen Regelung nicht vergleichbare prozessuale Lösung. Der Gesetzgeber würde bei einem solchen Vorgehen die Entscheidung über die Beschränkung von Grundrechten und deren Voraussetzungen der rechtsprechenden Gewalt überlassen, was mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen schwer vereinbar wäre.76 Zudem ist die Entscheidung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Die Vereinbarkeit dieser Lösung mit Art. 19 Abs. 4 GG ist daher fraglich. Letztlich lässt sich damit eine Regelungslücke ausmachen, die bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen Raum für die Regelung einer tätigen Reue lässt. Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob es auch ein tatsächliches Bedürfnis für eine solche Regelung gibt.

II. Erforderlichkeit einer Regelung Dem Gesetzgeber steht bei der Normierung tätiger Reue als Ausnahmevorschrift grundsätzlich ein weitgefasster Gestaltungsspielraum zu.77 Jedoch kann sich aus bestimmten verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Grundsätzen eine Grenze des 74 75 76 77

Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 231. Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 230. Vgl. hierzu Sondervotum Sommer, BVerfGE 90, 145, 224 f. m. w. N. BVerfGE 50, 142, 162; 71, 66, 77; 77, 84, 104; 80, 182, 186; 120, 224, 240; 121, 317, 356.

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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Ermessensspielraums ergeben.78 Vorliegend können sich im Hinblick auf die ermittelte Wirksamkeit der Regelungen tätige Reue aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen Indizien für eine sachgerechte Ausübung des Handlungsspielraums ergeben. So könnten das Schuldprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, welche beide aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 GG (Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen) und dem Rechtsstaatsprinzip folgen, aufzeigen, dass eine Regelung der tätigen Reue ratsam ist.79 Darüber hinaus gibt das eingangs dargestellte Fallbeispiel Anlass über Art. 3 GG und damit die Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes nachzudenken. 1. Erforderlichkeit einer tätigen Reue aufgrund des Schuldprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass die Regelungen der tätigen Reue ein Verhalten erfordern, das einen mit dieser Strafzumessungsschuld zu verrechnenden Beitrag schafft, der im Weiteren auch auf der Ebene der Prävention wirkt. Grund für die Straflosigkeit nach der Ausführung des Nachtatverhaltens ist ein zuvor verwirklichtes Maß an Schuld, das allein der Verrechnung mit dem Nachtatverhalten aufgrund seiner Ausgestaltung als Handlungsunrecht besonders zugänglich ist. Es verbleibt damit ein geringes Maß an Strafzumessungsschuld, das durch gesetzliche Regeln unterschritten werden kann. Wäre auch bei §§ 299, 299a und 299b StGB ein Verhalten denkbar, dass die geschaffene Gefährdung umkehrt und in dieser Weise auf die verwirklichte Strafzumessungsschuld und präventiven Strafzwecke wirkt, könnte die Regelung einer tätigen Reue mit der Rechtsfolge des Absehens von Strafe aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlich sein. Eine schuldangemessene Bestrafung wäre dann unter Berücksichtigung einer unterstellten präventiven Wirksamkeit des Verhaltens unverhältnismäßig. Das Schuldprinzip und das Verhältnismäßigkeitsprinzip scheinen daher in Konflikt zu geraten. Die Beziehung zwischen dem Schuld- und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist gänzlich umstritten.80 Über Verhältnismäßigkeitserwägungen hinaus geht der Schuldgrundsatz jedenfalls insoweit, wie er festlegt, dass nicht bestraft werden darf, wer ohne Schuld gehandelt hat.81 Wenn der Schuldgrundsatz darüber hinaus fordert, dass eine Strafe nach Art und Maß nicht schlechthin unangemessen sein darf,82 wirkt sich dies auch im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips beim sog. „Übermaßverbot“ und dem „Untermaßverbot“ aus.83 Insoweit ergibt sich eine überwiegende Deckungsgleichheit.84 78 79 80 81 82 83

Jahn/Brodowski, JZ 2016, 969, 973. BVerfGE 20, 323, 331; 25, 269, 286; 27, 18, 29. Frisch, NStZ 2013, 249. So auch Frisch, NStZ 2013, 249, 250. BVerfGE 90, 145, 173; 45, 187, 228. Frisch, NStZ 2013, 249, 250.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Um die Vereinbarkeit sowohl mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als auch mit dem Schuldprinzip zu prüfen, sind zwei grundlegende Überlegungen anzustellen: Führt die Bestrafung des Täters trotz unterstellter Reuehandlung nach den §§ 299, 299a und 299b StGB zu einer schuldunangemessenen und unverhältnismäßigen Rechtsfolge? Kann das Hinzudenken einer strafbefreienden tätigen Reue im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit diesen Prinzipien ein besseres Ergebnis liefern? a) Vereinbarkeit der geltenden Rechtslage mit dem Schuldprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Nach dem Ergebnis der Untersuchung steht die Bestrafung des Täters nicht im Widerspruch zum Schuldgrundsatz, da auch der die tätige Reue Ausübende nicht ohne Schuld handelt. Die feststehende Tatschuld kann nicht kompensiert, sondern nur relativiert werden. Einer über die Schuld hinausgehenden Bestrafung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Strafrahmen der §§ 299, 299a und 299b StGB nicht nach unten beschränkt ist. Grundsätzlich kann demnach die Mindeststrafe angesetzt werden, welche wegen der verbleibenden Tatschuld auch die Strafzumessungsschuld angemessen erfasst und in Einklang mit dem Schuldgrundsatz steht. Weniger deutlich ist die Vereinbarkeit der geltenden Rechtslage mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dieses erfordert, dass das staatliche Verhalten zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Bei der Frage, ob das Mittel, hier die Strafnorm, geeignet und erforderlich ist, um das Ziel, die Verhütung weiterer Taten, zu erreichen, hat das BVerfG dem Gesetzgeber einen Beurteilungsspielraum zuerkannt.85 Bei der Geeignetheit ist somit nur danach zu fragen, ob die Maßnahme objektiv unzweckmäßig ist,86 was vorliegend zu verneinen ist. Denn auch wenn das Nachtatverhalten die generalpräventiven Zwecke erfüllt bzw. nicht tangiert, kann Strafe diese ebenso erfüllen. Schwieriger ist die Frage nach der Erforderlichkeit der Kriminalstrafe zu beantworten. Diese ist zu verneinen, wenn feststeht, dass das als alternative Rechtsfolge vorgesehene Absehen von Strafe bei Vornahme der tätigen Reue den Zweck sachlich gleichwertig erreicht und die Grundrechte des Betroffenen weniger stark einschränkt.87 Durch die Strafe wird in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingegriffen.88 Die Vornahme der tätigen Reue 84

BVerfGE 90, 145, 203; 92, 277, 327; so auch Frisch, NStZ 2013, 249, 256. BVerfGE 77, 170, 215; 88, 203, 262; 90, 145, 173. 86 BVerfGE 30, 292, 316; 63, 88, 115; 67, 157, 173, 176. 87 BVerfGE 30, 292, 316; 63, 88, 115; 67, 157, 173, 176. 88 Jahn/Brodowski, JZ 2016, 969, 979 sehen sogar eine spezifische Ausgestaltung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Freiheit von Sanktionierung, was strengere Maßstäbe bei Rechtfertigung der Sanktionierung auf Ebene der Erforderlichkeit und Angemessenheit bedinge. 85

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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ist in jedem Fall weniger einschneidend in die Grundrechte des Betroffenen, da mit ihrer Rechtsfolge keine Sanktionswirkung verbunden ist. Damit stellt sich die Frage, ob die Strafe als Ultima Ratio gerechtfertigt ist. Dies ließe sich jedenfalls verneinen, wenn durch die Ausübung tätiger Reue die Möglichkeit bestehen würde, eine mit Strafe vergleichbare auf die verwirklichte Schuld und die präventiven Strafzwecke wirkende Maßnahme zum Schutz der benannten Rechtgüter zu schaffen. Eine solche wäre dann gleichgeeignet und würde die Strafe nicht mehr als erforderliche Rechtsfolge erscheinen lassen. Unstreitig ließe sich eine vergleichbare Wirksamkeit im Hinblick auf die präventiven Strafzwecke herstellen. Problematisch erweist sich aber der Strafzweck der Vergeltung. Tätige Reue führt gerade nicht zu einer Sanktion und kann damit diesem Strafzweck nicht in gleicher Weise dienen. Zwar könnte unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Untersuchung eine Handlung normiert werden, die dem Kumulationsbeitrag seine Wirksamkeit nimmt, die ursprüngliche Tatschuld bliebe aber erhalten. Insofern ist eine gleiche Eignung zu verneinen. Die Bestrafung ist weiterhin aus Vergeltungsgesichtspunkten erforderlich. Die Bestrafung nach Ausübung eines den Anforderungen an eine Reuehandlung entsprechenden Verhaltens müsste aber auch angemessen im engeren Sinne sein. Dafür muss „(d)er Gesetzgeber das Individualinteresse, das durch einen Grundrechtseingriff beschnitten wird, den Allgemeininteressen, denen der Eingriff dient, angemessen zu(zu)ordnen. Die Prüfung an diesem Maßstab kann dazu führen, dass ein Mittel nicht zur Durchsetzung von Allgemeininteressen angewandt werden darf, weil die davon ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen schwerer wiegen als die durchzusetzenden Belange“.89 Bereits festgestellt wurde, dass reuiges Verhalten die präventiven Strafzwecke kompensieren kann. Damit würde die Strafe nach einem noch näher zu bezeichnenden reuigen Verhalten nur dem repressiven Strafzweck dienen. Nach Ausführung der Reuehandlung ist das Maß, in dem Vergeltung zu fordern ist, allerdings gering. Dies liegt bereits darin begründet, dass bei den untersuchten Korruptionsdelikten ein weit vorgelagerter Rechtsgutsschutz eines kollektiven Rechtsguts erfolgt. Die die Strafbarkeit begründende abstrakte Gefährdung in Form des Kumulationsdelikts stellt bereits eine besonders niedrigschwellige Form des Unrechts dar. Dem Kumulationsbeitrag müsste dann – unter Zugrundelegung obiger Ausführungen – durch die Reuehandlung seine potentielle rechtsgutsverletzende Kraft genommen werden. Nach der Verrechnung verbliebe letztlich nur ein kleines Quantum an Strafzumessungsschuld. Dieser, eine vergeltende Gerechtigkeit fordernde, Beitrag stünde dem Individualinteresse des die Gefahrrealisierung verhindernden Täters gegenüber. Durch die Androhung von Strafe wird in das Persönlichkeitsrecht und die Handlungsfreiheit des Verurteilten eingegriffen.90 Das geschützte Grundrecht ist ein so hohes Rechtsgut, dass nur aus besonders gewichtigen Gründen eingegriffen werden darf.91 Solche Gründe 89 90 91

BVerfGE 120, 274, 322. BVerfGE 90, 145; 27, 18, 29; 45, 187, 253. BVerfGE 88, 203, 254 ff.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

sind nach Vornahme einer Reuehandlung aber gerade nicht mehr ersichtlich. Beseitigt der Täter die mit seinem Handeln ursprünglich geschaffene Gefährdung für das kollektive Rechtsgut und ist eine Verletzung des Individualrechtsguts noch nicht eingetreten, kann ihm schwerlich der Vorwurf gemacht werden, er habe „elementare Werte des Gemeinschaftslebens“92 verletzt, welche das sozialethische Unwerturteil rechtfertigen. Bei der Abwägung dieser Interessen scheint eine Bestrafung im Hinblick auf die betroffenen Rechtsgüter daher unangemessen. Tatbestand und Rechtsfolge sind nicht mehr sachgerecht aufeinander abgestimmt. b) Vereinbarkeit mit dem Schuldgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip de lege ferenda Denkt man sich nun eine nach den in dieser Arbeit entwickelten Grundsätzen tätiger Reue formulierte Regelung mit der Rechtsfolge eines Absehens von Strafe hinzu, wird die Verhältnismäßigkeit gewahrt. Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen das sog. Untermaßverbot vor. Nach dem Untermaßverbot hat der Staat dafür Sorge zu tragen, dass Rechtsgüter ausreichend geschützt werden. Dies kann gebieten, dass auf Strafe nicht verzichtet werden kann, also ein Mindestmaß an Strafe zu verhängen ist.93 Strafe soll aber nur als Ultima Ratio des Rechtsgüterschutzes eingesetzt werden, wenn ein Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist.94 Die Strafe ist damit nicht das primäre Mittel rechtlichen Schutzes. Kann der Staat auch auf andere Art seiner Schutzpflicht genügen und gewährleisten, dass ein – unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter – angemessener und wirksamer Schutz erreicht wird, bedarf es der Strafe nicht.95 Vorliegend würde mit der Regelung der tätigen Reue das geschützte Rechtsgut nicht preisgegeben, die grundsätzliche Strafbarkeit bliebe erhalten. Nur in bestimmten Fällen, in denen präventive Strafzwecke in anderer Weise gewahrt sind, und die Strafzumessungsschuld nicht schwer wiegt, würde von Strafe abgesehen. Da die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts Sache des Gesetzgebers ist,96 liegt eine solche Entscheidung in seinem Ermessensspielraum. Aus diesem Grund liegt bei einem Absehen von Strafe trotz vorhandener Schuld auch kein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz vor.97

92 93 94 95 96 97

BVerfGE 45, 187, 253; 90, 145, 172; 92, 277, 326. BVerfGE 88, 203, 254 ff. BVerfGE 88, 203 ff. BVerfGE 88, 203 ff. BVerfGE 88, 203, 254 ff. Vgl. im 2. Teil, 3. Abschnitt, B. IV. 3. a).

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

243

2. Erforderlichkeit einer tätigen Reue aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes Nach der Betrachtung der Normen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie im Gesundheitswesen könnte man die Erforderlichkeit einer Regelung auch aus dem Gleichheitsgrundsatz herleiten. Dieser verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln.98 Grundsätzlich ist es dabei Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft.99 Der Gesetzgeber muss allerdings eine Auswahl sachgerecht treffen.100 Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen die Regelungen des Wirtschaftsstrafrechts, welche eine tätige Reue normieren, in mehreren Punkten mit der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen vergleichbar erscheinen. So handelt es sich bei allen Delikten um abstrakte Gefährdungsdelikte, die ein kollektives Rechtsgut, das System der sozialen Marktwirtschaft, schützen. Es liegt zudem mit der Einordnung als Kumulationsdelikt eine besondere geminderte Form des Unrechts vor. Zumindest im Hinblick auf die in der vorliegenden Arbeit ermittelten Grundsätze für die Anknüpfung einer Regelung der tätigen Reue scheint kein sachgerechter Grund ersichtlich, bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen eine Regelung nicht vorzunehmen.101 Offenbar wird dies vor allem im Hinblick auf die im Fallbeispiel zu Beginn bemühte Regelung des § 298 StGB,102 die den Normen der Bestechlichkeit und Bestechung in mehreren Punkten gleicht.103 Zwar wird gegen die Vergleichbarkeit der Interessenlage eingewandt, dass die Tatsituation des § 298 StGB eine andere

98

BVerfGE 90, 145, 195. BVerfGE 90, 145, 195. 100 BVerfGE 53, 313, 329. 101 Im Ergebnis so auch: Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Strafrechtsausschuss zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption“, Stand: 19. 09. 2006, S. 9; ebenso Krack, NStZ 2001, 501, 508; Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001, 2003 f. sieht in der Regelung der Selbstanzeige eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Steuerhinterziehers im Vergleich zu anderen Wirtschaftsstraftätern, da es in Wirtschaftsstrafverfahren üblich sei, dass der Täter die Tat einräume und Reue übe. 102 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, S. 9. Auch hier wurde darauf abgestellt, dass der Wettbewerb als primär geschütztes Rechtsgut noch nicht beeinträchtigt werde, wenn lediglich Vorteile angeboten oder versprochen werden. Vielmehr werde der Wettbewerb erst tangiert, wenn die Unrechtsvereinbarung vollzogen werde. Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 69, gehen davon ausgehen, dass sich der durch die abstrakte Gefährdung eingetretene Eindruck bei § 299 StGB schwerer korrigieren lasse als bei § 298 StGB, sodass zum Ausgleich präventiver Strafzwecke mehr verlangt werden müsse. Sie fordern zunächst eine analoge Anwendung von § 298 Abs. 3 StGB. 103 Krack, NStZ 2001, 501, 507. 99

244

3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

sei.104 Der eigentliche Schaden könne bei § 298 StGB durch die Aufklärung des Auftraggebers noch abgewendet werden, während bei § 299 StGB die Gefährdung des Wettbewerbs mit der Vorteilsgewährung bereits eingetreten sei.105 Dem ist unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vorliegenden Untersuchung nicht zuzustimmen. Bei einer solchen Betrachtung wird vernachlässigt, dass beide Delikte als Kumulationsdelikte ausgestaltet sind. Mit der Vornahme der Tathandlung hat sich jeweils der Beitrag zu einer Verletzung des Rechtsguts im System festgesetzt, im Zusammentreffen mit weiteren gleichgelagerten Handlungen kann sich seine verletzende Wirkung damit, sowohl bei § 298 StGB als auch bei § 299 StGB entfalten. Eine Gefährdung des Wettbewerbs ist bei beiden Delikten daher mit der Vornahme der Tathandlung eingetreten. Sie hat sich allerdings noch nicht in einer Rechtsgutsverletzung manifestiert. Diese tritt bei § 298 StGB erst mit der Annahme des Angebots, bei § 299 StGB mit der unlauteren Bevorzugung ein. Beide Erfolge sind zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich, auch insoweit ist die Situation daher vergleichbar. Sowohl § 298 StGB als auch die §§ 299, 299a und 299b StGB sind bereits früh – § 298 StGB mit dem Zugang des Angebots und §§ 299, 299a und 299b StGB bei den einseitigen Tathandlungen des Anbietens, Versprechens und Forderns mit der Kenntnisnahme des anderen Teils – vollendet und erst mit der Erbringung der Leistung bzw. der Annahme oder dem Gewähren des Vorteils beendet. Die Strafbarkeit ist bei den Delikten also in einen Bereich vorverlagert, in dem nur eine abstrakte Gefährdung des kollektiven Rechtsguts vorliegt und das Individualrechtsgut noch nicht tangiert wird. Damit besteht eine vergleichbare Struktur der Delikte. Dies gilt insbesondere für die einseitigen Tathandlungen der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Gesundheitswesen, die auch vom Unrechtsgehalt der einseitigen Tathandlung des § 298 StGB gleichen. Denn anders als bei den zweiseitigen Tathandlungen wäre hier, ebenso wie bei § 298 StGB, nur die präventive Rücknahme des geschaffenen Kumulationsbeitrags erforderlich. Dennoch sieht ausschließlich § 298 StGB eine tätige Reue vor, obwohl eine solche nach dem sie tragenden Grundgedanken auch bei § 299 StGB möglich wäre. Ein diesen Unterschied rechtfertigenden wesentlich divergierenden Unrechtsgehalt ergibt sich nicht. Vielmehr sind die Delikte dahingehend und auch strukturell vergleichbar. Zudem könnte sich eine Ungleichbehandlung aus dem Vergleich zum Versuch und der Möglichkeit eines Rücktritts ergeben. So hat Krack angemerkt, dass die bei § 299 StGB mit Vollendungsstrafe belegten Handlungen bei materieller Betrachtung der Versuchsphase eines Erfolgsdelikts entsprechen, der materielle Erfolg der Tat liege erst in der unlauteren Bevorzugung.106 Ein Erfolgsunrecht sei noch nicht eingetreten, es handele sich daher um ein mit dem Versuchsunrecht vergleichbares Unrecht,107 welches wegen des kriminalpolitischen Interesses unter Strafe gestellt 104

Schmidl, wistra 2006, 286, 290. Schmidl, wistra 2006, 286, 290. 106 Krack, NStZ 2001, 501, 507. 107 Krack, NStZ 2001, 501, 507; Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 142; Blöcker, Tätige Reue, S. 41 ff.; Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek, JR 2014, 462, 463. 105

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

245

worden sei.108 Da die Vorverlagerung in einen Bereich erfolge, indem weder das Kollektiv- noch das Individualrechtsgut verletzt werde, sei entsprechend des Rücktritts (§ 24 StGB), die Regelung eines die Abkehr von der Tatausführung honorierenden Strafaufhebungsgrundes aus Sicht des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderlich.109 Dem ist unter Berücksichtigung des in der vorliegenden Arbeit ermittelten Unrechtsgehalts der abstrakten Gefährdung zuzustimmen. Bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen wird im wesentlichen Handlungsunrecht bestraft. Dieses gründet auf der Vermutung, dass eine Vielzahl von mit der vorgenommenen Handlung gleichgelagerten Handlungen dazu führen, dass das geschützte Rechtsgut verletzt wird, also die einzelne Handlung für diese Verletzung bereits ursächlich werden kann.110 Dieses Unrecht ist mit dem bei einem Versuch verwirklichten Unrecht vergleichbar und nicht graduell höher anzusiedeln. Das sich ergebende Bedürfnis steht allerdings unter der Prämisse, dass auch bei §§ 299, 299a und 299b StGB ein Nachtatverhalten bestimmt werden kann, das eine Verrechnung mit der Schuld ermöglicht und spezial- und generalpräventiv ebenso wie die Strafe wirkt. Dann kann der Täter auch hier die vermutete spätere Ursächlichkeit seines Beitrags für die Rechtsgutsverletzung und damit die Gefährlichkeit, ebenso wie bei dem Versuch, zurücknehmen, indem er das Wirksamwerden des Kumulationsbeitrags verhindert. 3. Erforderlichkeit einer tätigen Reue aufgrund von Opferschutz Durch die Regelung einer tätigen Reue wäre dem Individualrechtsgut sowohl der Mitbewerber bei §§ 299, 299a und 299b StGB als auch der Patienten und Krankenkasse bei §§ 299a und 299b StGB gedient. Bei den Tatvarianten des Forderns, Anbietens oder Versprechens ist eine Willensübereinkunft der Parteien nach vorliegendem Verständnis nicht erforderlich, sodass nicht feststeht, ob der andere Teil die Unrechtsvereinbarung annimmt und die Individualrechtsgüter gefährdet werden. Bei dem Sich-Versprechen-Lassen, Annehmen und Gewähren sind durch die Unrechtsvereinbarung die Folgen für die Individualrechtsgüter bereits konkretisiert. Eine Verletzung der Individualrechtsgüter tritt allerdings bei allen Varianten erst mit der Vornahme der unlauteren Bevorzugung ein, sodass eine solche durch die Abkehr des Täters vom deliktischen Verhalten vor einer Beeinträchtigung verhindert werden könnte. Müsste der Täter für die Straffreiheit, ähnlich wie bei den Delikten im Vorfeld des Betrugs oder bei § 298 StGB, die Bevorzugung verhindern, würden die

108 Krack, NStZ 2001, 501, 507; Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 142; Blöcker, Tätige Reue, S. 41 f. 109 Krack, NStZ 2001, 501, 507. 110 Vgl. hierzu im 2. Teil, 3. Abschnitt, B. V. 2. a) bb).

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

genannten Individualrechtsgüter also nicht verletzt.111 Es bliebe bei der abstrakten Gefährdung des Wettbewerbs. Aus Opferschutzgesichtspunkten wäre es daher wünschenswert, den Täter zu motivieren, sein Verhalten umzukehren und eine Verletzung der Individualrechtsgüter zu verhindern. Unter Betrachtung des Kumulationsdelikts würde die Verhinderung der tatsächlichen Bevorzugung zudem bedingen, dass sich der Kumulationsbeitrag nicht im System verfestigt. Auch das Kollektiv als Rechtsgutsinhaber des Allgemeinrechtsguts könnte so geschützt werden. Der Opferschutz streitet damit für eine Regelung der tätigen Reue auch bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie im Gesundheitswesen. 4. Erforderlichkeit aus praxisrelevanten Gründen Argumentiert wird für eine Regelung der tätigen Reue häufig auch mit der durch eine solche entstehenden Kostenersparnis und Entlastung der Justiz.112 Ob eine Justizentlastung aber tatsächlich eintreten würde, kann durchaus bezweifelt werden.113 Exemplarisch sei auf die empirische Untersuchung von Reh verwiesen, die gezeigt hat, dass mit der Einführung des Täter-Opfer-Ausgleichs, der anfänglich auch eine Justizentlastung versprach, eine höhere Belastung einherging.114 Auch Jahn/Ebner sprechen sich kritisch hinsichtlich einer Entlastung der Justiz durch die Regelung einer tätigen Reue aus.115 Denn eine solche könne nur eintreten, wenn die Norm ausreichende Planungssicherheit vorsehe, was konträr zu einer mit dieser beabsichtigten Anwendungsflexibilität stehe.116

III. Ergebnis Gegenwärtig kann unmittelbar im Anschluss an die Tathandlung vorgenommenes, die Gefährdung umkehrendes Verhalten bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen über § 46 StGB berücksichtigt werden. Nur partiell ist, für besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, eine Erfassung über die sog. Kronzeugenregelung des § 46b StGB und nach erfolgter Bevorzugung eine Anwendung des § 46a StGB denkbar. Außerhalb der Strafzumessungsebene erscheint eine Erfassung des Verhaltens schwierig. Ein Rücktritt vom Versuch scheidet wegen der frühen Vollendung der Tat aus. Nicht passend erscheint auch die prozessuale Regelung des 111 112 113 114 115 116

So auch Krack, NStZ 2001, 501, 507; Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 378. Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001, 2004. Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 310. Reh, Die Wiedergutmachung, S. 234 f., 268 f. Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 233. Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 233.

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

247

§ 153a StPO, die auf ein Verhalten während des Ermittlungs- und Strafverfahrens ausgerichtet ist. Es zeigt sich damit eine nur facettenhafte Erfassung eines die Gefährdung umkehrenden Verhaltens durch die bereits vorhandenen Normen privilegierenden Nachtatverhaltens. Dieser Regelungslücke tritt die Erforderlichkeit einer Regelung der tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr bei. Diese ergibt sich zum einen aus dem Gleichheitsgrundsatz, zum anderen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Kann durch ein zu normierendes Verhalten den mit der Strafe verfolgten präventiven Zwecken in gleicher Weise gedient werden, ist die Bestrafung hinsichtlich dieser nicht mehr geboten. Einzig aus repressiven Gründen wäre sie zu fordern. Da aber mit der Vornahme einer die Gefährdung umkehrenden Handlung auch auf die Strafzumessungsschuld eingewirkt wird – ein mit der ursprünglichen Schuld zu verrechnender Beitrag geschaffen wird – ist das verbleibende Maß gering. Unter Abwägung der durch die Strafe betroffenen Grundrechte des Täters ist die Strafe daher letztlich nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Vielmehr ist bei einem im Anschluss an die Tat vorgenommenen Verhalten, das sowohl präventive Strafbedürfnisse erfüllt als auch die Gefährdung umkehrt, das Absehen von Strafe und damit die Regelung einer tätigen Reue geboten. Im Hinblick auf die Untersuchung der übrigen Delikte des Wirtschaftsstrafrechts, die eine Regelung der tätigen Reue vorsehen, fordert nicht zuletzt der Gleichheitsgrundsatz eine solche Regelung unter Berücksichtigung des Rücktritts und der übrigen Delikte, die eine tätige Reue vorsehen. Nicht beurteilt werden kann, ob eine Regelung der tätigen Reue tatsächlich eine Entlastung der Justiz oder eine Schonung der Kosten mit sich bringen würde. Dafür wären weitergehende empirische Untersuchungen notwendig. Wohl aber spricht der Opferschutz für eine Regelung der tätigen Reue. Kann durch eine Regelung der tätigen Reue der Täter umgestimmt und die Verletzung der Individualrechtsgüter noch verhindert werden, wäre den Mitbewerbern sowie den Krankenkassen und Patienten gedient. Unter der Prämisse, dass die tätige Reue auch bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen eine mit der Strafe vergleichbare Wirksamkeit auf Ebene der Strafzwecke erfüllen kann, spricht damit vieles für eine solche Regelung.

IV. Regelungslücke vorübergehend durch Analogie zu schließen? Um einen dem Verhältnismäßigkeits- und Gleichheitsgrundsatz genügenden Zustand herzustellen, wird teilweise vorgeschlagen, die Regelung der tätigen Reue aus § 298 Abs. 3 StGB analog auf § 299 StGB anzuwenden.117 Begründet wird dieser 117 Krack, NStZ 2001, 501, 507; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 69; allgemein eine analoge Anwendung der Regelungen tätiger Reue bei einem subjektiven Bezug zur Rechtsgutsverletzung bejahend Fedders, Tatvorsatz und tätige Reue bei Vorfelddelikten, S. 50 ff., 112. Grundsätzlich gegen eine analoge Anwendung: BGHSt 14, 213, 217.

248

3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Gedanke mit der strukturellen Vergleichbarkeit der Delikte.118 Grundsätzlich liegt mit der oben bereits festgestellten Regelungslücke eine Voraussetzung der analogen Anwendung vor. Gegen eine Analogie spricht aber, dass dem Gesetzgeber aufgrund zweier Gesetzesentwürfe und Diskussionen in der Literatur und Praxis die vergleichbare Interessenlage durchaus bekannt sein dürfte, er aber trotzdem keine Regelung der tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen vorgesehen hat. Die Regelungslücke kann deshalb wohl nicht als planwidrig verstanden werden.119 Damit würde es bereits an den Voraussetzungen einer Analogie fehlen. Auch der BGH hat sich in der Vergangenheit bereits gegen eine analoge Anwendung der Vorschriften zur tätigen Reue auf andere Delikte ausgesprochen120 und auf den Willen des Gesetzgebers verwiesen, der die Honorierung des Nachtatverhaltens nur in bestimmten Fällen vorgenommen hat.121 Eine Analogie widerspricht damit dem „expliziten Willen oder aber dem beredeten Schweigen des Gesetzgebers“.122 Letztlich bietet die Analogie damit keine Alternative zur Notwendigkeit einer kriminalpolitischen Initiative.123 Durch eine Analogie entstände zudem Rechtsunsicherheit, da der Anwendungsbereich der tätigen Reue für den Normunterworfenen unklar wird.124 Dies gilt insbesondere, da die Regelungen deliktsspezifisch ausgestaltet sind und ihre Übertragbarkeit begrenzt ist. Selbst als „Ersatzvornahme“125 und damit nur Interimslösung überzeugt sie nicht.

B. Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung Da nunmehr die Erforderlichkeit einer Regelung der tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen begründet wurde, sollen im Folgenden Überlegungen angestellt werden, wie diesem Erfordernis Rechnung getragen werden kann. In diesem Zusammenhang wird eine Regelung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs angedacht, wie sie vergleichbar für einige Eigentums- und Vermögensdelikte in Österreich existiert.126 Zudem wurde bei § 12 UWG im Rahmen der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung der

118

Heuking/v. Coelln, BB 2016, 323, 330. Dannecker, in: NK StGB, § 299 Rn. 136; Krick, in: MüKo StGB, § 299 Rn. 119; Matt/ Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309; Schmidl, wistra 2006, 286, 290; Heuking/v. Coelln, BB 2016, 323, 330; Bottke, Methodik, S. 340 ff.; Blöcker, Tätige Reue, S. 200 f.; Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 89. 120 BGH, NJW 1961, 83; BGHSt 14, 217. 121 BGH, NJW 1961, 83. 122 Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 89. 123 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309. 124 Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 88. 125 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309. 126 Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 234. 119

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

249

Korruption vom 13. 8. 1997127 eine gesetzliche Regelung der tätigen Reue diskutiert. Auch dieser Entwurf soll unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vorliegenden Untersuchung betrachtet werden.

I. Regelung im Allgemeinen Teil Im sog. Alternativentwurf zum Strafgesetzbuch wurde eine Regelung der tätigen Reue im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs analog § 167 ÖStGB angedacht.128 § 167 ÖStGB sieht eine Regelung der tätigen Reue im allgemeinen Teil für Vermögens- und Eigentumsdelikte vor, deren Rechtsfolge Straffreiheit ist. Anknüpfungspunkt ist hier die Schadenswiedergutmachung bzw. die vertragliche Verpflichtung hierzu. Zudem ist die Möglichkeit der Selbstanzeige und eine Straffreiheit bei ernstlichem Bemühen vorgesehen. Die zunächst in Betracht gezogene Regelung wurde dann aber mit Verweis auf die Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen als zu weitgehend abgelehnt.129 Auch in der Literatur wurde eine Regelung der tätigen Reue im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs für die Eigentums- und Vermögensdelikte gefordert.130 Sofern der Täter die Tat ohne Androhung von Gewalt gegen eine Person begangen habe, müsse bei einer vollständigen Schadenswiedergutmachung oder der vertraglichen Verpflichtung hierzu, eine Rückkehr zur Straflosigkeit allein aufgrund einer Gleichbehandlung mit dem Täter der Steuerhinterziehung erfolgen.131 Hintergrund dieser Überlegung waren die Strafzwecke, da in einem Fall der Wiedergutmachung sowohl aus Sicht des Opfers als auch aus Sicht der Allgemeinheit eine Strafe unterbleiben könne.132 Problematisch an einer Regelung im Allgemeinen Teil dürfte sein, dass der Anwendungsbereich explizit beschränkt werden müsste,133 weil eine solche Regelung nur bei abstrakten Gefährdungsdelikten in Betracht komme. Ansonsten würde eine pauschale Gleichbehandlung aller Sachverhalte erfolgen, die so nicht gerechtfertigt erscheint.134 Einer Regelung im Allgemeinen Teil steht zudem entgegen, dass die Gefährdungsumkehr, wie Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek135 zutreffend erkennen, stets tatbestandsbezogen ist. Dem entspricht auch das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung. Nach der vorliegend ermittelten Wirkweise tätiger Reue als Um127

BGBl. 1997 I, S. 2038. Baumann/Brauneck/Burgstaller, AE WGM, S. 13 f. 129 Baumann/Brauneck/Burgstaller, AE WGM, S. 13 f. 130 Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001, 2004; Jahn/Ebner, in: Festschrift von HeintschelHeinegg, S. 221, 233; Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 309. 131 Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001, 2004. 132 Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 222. 133 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307, 310. 134 Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 150, 229; Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 94; Brauns, Wiedergutmachung, S. 169. 135 Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek, JR 2014, 462, 464. 128

250

3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

kehrung der durch die Handlung geschaffenen Gefährdung mit schuldmindernder und präventiver Wirkung, scheidet eine Regelung im Allgemeinen Teil aus. Eine Handlung muss an den vorliegenden Tatbestand des Besonderen Teils angepasst werden und die dort genannten Tathandlungen umkehren, indem dem durch sie geschaffenen Kumulationsbeitrag seine potentielle Wirksamkeit entzogen wird.136 Zudem muss der Tathandlung ein präventiv wirksames Verhalten entgegengesetzt werden, welches ebenfalls tatbestandsspezifisch ausgestaltet werden muss. Es erscheint daher insoweit unmöglich, eine Regelung zu formulieren, die Allgemeingültigkeit besitzt. Aus diesem Grund lässt sich rein tatsächlich keine Regelung einer deliktsübergreifenden tätigen Reue vor die Klammer ziehen,137 obwohl der Gedanke der tätigen Reue charakteristisch im Allgemeinen Teil zu verorten wäre.138 Eine allgemeine Vorschrift tätiger Reue wäre, wie Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek139 es ausdrücken, zum Scheitern verurteilt.

II. Regelung im Besonderen Teil Die vorliegende Untersuchung der tätigen Reue zeigt, dass die Regelung einer solchen aufgrund ihrer deliktsorientierten Gestaltung nur bei den einzelnen Vorschriften möglich ist. Aus diesem Grund wäre eine Regelung deliktsspezifisch in den §§ 299, 299a und 299b StGB vorzusehen. Auch in der Gesetzgebungsgeschichte ist die Idee einer tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr nicht unerörtert geblieben. 1. Tätige Reue im Rahmen der Gesetzgebung zu § 299 StGB Bereits im Rahmen der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13. 8. 1997140 ist eine Regelung der tätigen Reue bei § 12 UWG – der Vorgängernorm des § 299 StGB – diskutiert worden. Ausgangspunkt dieser Überlegung war ein Gleichklang mit der ebenfalls geplanten Regelung einer tätigen Reue bei der Amtsträgerbestechung und -bestechlichkeit. Im Gesetzesantrag des Freistaats Bayern und im Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 18. 12. 1995 war in Absatz 5 eine Regelung der tätigen Reue vorgesehen.141 Die in der Bundesratsdrucksache142 vorgeschlagene Regelung sah folgende Formulierung vor: 136

So auch Ceffinato, Vollendungsumkehr, S. 150, 229. Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek, JR 2014, 462, 464; für die kompensatorische tätige Reue ebenfalls bejahend Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 376. 138 Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek, JR 2014, 462, 464, Fn. 18; Härtl-Meißner, Die tätige Reue, S. 376. 139 Og˘ lakcıog˘ lu/Kulhanek, JR 2014, 462, 464. 140 BGBl. 1997 I, S. 2038. 141 BT-Drs. 13/3353, S. 7; BR-Drs. 571/95, S. 6. 142 BR-Drs. 571/95, S. 6. 137

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

251

„Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) oder in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 von Strafe absehen, wenn der Täter 1. durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer zuständigen Behörde offenbart, daß Straftaten nach Absatz 3 oder §§ 332, 334 des Strafgesetzbuches, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden können.“

Die Formulierung des Bundesrates wich nur geringfügig ab.143 Begründet wurde der Gesetzesentwurf mit dem hohen Maß an konspirativer Energie, die die Korruptionskriminalität präge.144 Da es in diesem Deliktsfeld keine Opfer gebe, werde die Aufklärung erschwert. Ein unauffälliges Eindringen der Ermittler in das über einen längeren Zeitraum hin aufgebaute Beziehungsgeflecht sei zudem kaum möglich, eine Aufklärung damit gar unmöglich. Die Unrechtsvereinbarung werde im Regelfall nur mündlich getroffen, sodass ihre Feststellung oftmals nur bei einem Geständnis des Beschuldigten möglich sei.145 Die Strafverfolgungsbehörden seien daher zur Aufklärung von Korruptionstaten auf die Mitwirkung der Täter angewiesen, die häufig nicht erfolge.146 Zahlreiche Taten wären in der Vergangenheit mangels Tatverdachts bereits einzustellen gewesen.147 Das hohe gesamtgesellschaftliche Interesse daran, die Korruption zu bekämpfen, rechtfertige die Honorierung des Verhaltens des reuigen Beschuldigten.148 Es sei daher angezeigt, dem Beschuldigten einen Anreiz zu bieten, bei der Aufdeckung von Straftaten mitzuhelfen und weitere zu verhindern.149 Durch die Privilegierung werde eine Signalwirkung für den Täter erzielt, ähnlich wie bei § 31 BtMG.150 Die Regelung dieser – im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens als „kleine Kronzeugenregelung“ bezeichneten – Lösung geriet in den Beratungen zum Gesetzesentwurf in vielfache Kritik. Zum einen wurde die Einführung von Kronzeugen bereits selbst als bedenklich eingestuft, zum anderen wurde diese insbesondere bei § 12 UWG, dem heutigen § 299 StGB, für nicht passend gehalten. Argumentiert wurde damit, dass nach jahrelangen korrupten Absprachen keine Privilegierung erfolgen könne.151 Letztlich wurden beide Entwürfe abgelehnt und von einer Regelung gänzlich abgesehen.

143 144 145 146 147 148 149 150 151

BT-Drs. 13/3353, S. 7. BT-Drs. 13/3353, S. 7; BR-Drs. 571/95, S. 11 f. BT-Drs. 13/3353, S. 14. BT-Drs. 13/3353, S. 12. BT-Drs. 13/3353, S. 14. BR-Drs. 571/95, S. 11. BR-Drs. 571/95, S. 10 f. BR-Drs. 571/95, S. 11. Vgl. hierzu 1. Beratung des dt. Bundestages, BT-PlPr 13, 125, S. 11208 ff.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

2. Bewertung der Gesetzesentwürfe des Bundesrats und des Freistaats Bayern Die Gesetzesvorschläge waren primär von dem kriminalpolitischen Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von Bestechungstaten geprägt. Sie sahen eine mit dem heutigen § 46b StGB vergleichbare Regelung vor. Deren Voraussetzungen fügen sich dabei nicht in die, bei anderen Regelungen der tätigen Reue herausgearbeitete, Systematik ein. Denn die untersuchten Regelungen sehen alle vor, dass dem die Gefahr verursachenden Vorverhalten ein die Gefahr des Kumulationsbeitrags neutralisierendes Verhalten entgegengesetzt wird. Derjenige, der die Gefahr schafft, muss in der Folge eine Gegenmaßnahme ergreifen oder zumindest die gefährliche Handlung abbrechen, um seine Verantwortlichkeit für die spätere Realisierung der Gefahr zu beseitigen. Diesen herausgearbeiteten Grundgedanken berücksichtigen die Gesetzesvorschläge des Bundesrats und des Freistaats Bayern nicht. Nach den Gesetzesvorschlägen sollte der Täter privilegiert werden, der Aufklärungshilfe leistet. Folglich also ermöglicht er, dass die Tat über den eigenen Beitrag hinaus aufgeklärt wird. Zudem sollte die Präventionshilfe strafmildernd berücksichtigt werden, der Täter demnach eine Privilegierung erfahren, wenn er die Tat so rechtzeitig anzeigt, dass sie noch verhindert werden kann. Die erste Alternative nimmt damit zwar Bezug auf die konkrete Tat, verlangt aber kein die Gefahrrealisierung verhinderndes Verhalten, sondern lediglich ein solches, das dazu führt, dass der staatliche Strafanspruch verwirklicht werden kann. Durch ein solches Verhalten schafft der Täter zwar einen mit der Schuld zu verrechnenden Gegenwert und bedingt auch eine präventive Wirksamkeit seines Verhaltens, der geschaffene Kumulationsbeitrag wird aber in seiner potentiellen Gefährlichkeit für das kollektive Rechtsgut nicht gemindert. Das Potential der den Kumulationsbeitrag verursachenden Handlung, das Rechtsgut zu gefährden, bleibt damit bestehen. Der Kumulationsbeitrag kann im Zusammentreffen mit anderen gleichgelagerten Handlungen wirksam werden. Auch bei der angedachten Präventionshilfe muss der Täter nicht das Wirksamwerden der eigenen Handlung verhindern, sondern ganz allgemein Straftaten nach § 12 Abs. 3 UWG, dem heutigen § 299 StGB, oder §§ 332, 334 StGB. Das geforderte Verhalten weist damit, anders als bei den bereits im Gesetz vorhandenen Regelungen der tätigen Reue, keinen konkreten Bezug zur Tathandlung auf. Unter Zugrundelegung der oben gewonnenen Definition wäre es daher nicht als solche, sondern als allgemein privilegierendes Nachtatverhalten zu verstehen. Diesen Gedanken der Aufklärungs- und Präventionshilfe hat der Gesetzgeber in der Folge im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuch als allgemeine Kronzeugenregelung inkorporiert. Für die Katalogtaten des § 100a StPO findet sich damit eine Regelung in § 46b StGB, welche zum Zeitpunkt des Gesetzesentwurfs noch nicht existierte. Die Regelung macht deutlich, dass die erschwerte Aufklärbarkeit von Taten, die die Entwürfe des Bundesrats und des Freistaats Bayern motiviert hat, sich so auch im Rahmen anderer Delikte findet. Die Regelung erfasst allerdings nur

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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schwere Fälle der Bestechung und Bestechlichkeit. Eine Ausweitung dieses Gedankens auf die einfache Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr würde der Begründung des § 46b StGB widersprechen, die keine Notwendigkeit für die Erfassung der einfachen Kriminalität sah, weil es dort einer Strafrahmenverschiebung nicht bedürfe.152 Das durch den Gesetzesentwurf offenbar gewordene Bedürfnis nach einer spezifischen Regelung im Rahmen der Bestechung und Bestechlichkeit kann damit als weiterhin existent betrachtet werden.

III. Entwurf einer gesetzlichen Regelung für §§ 299, 299a und 299b StGB Vorzugswürdig ist eine deliktsspezifische Regelung tätiger Reue im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs. Sie ist anknüpfend an die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 299, 299a und 299b StGB zu entwickeln. Die Regelung sollte ein das Wirksamwerden des Kumulationsbeitrags verhinderndes Verhalten normieren und so einen verrechenbaren Posten auf Ebene der Schuld schaffen. Das beschriebene Verhalten müsste darüber hinaus auch die präventiven Strafzwecke erfüllen bzw. dürfte diesen nicht im Wege stehen. In der Folge soll daher unter Zugrundelegung der vorangegangenen Erkenntnisse der Untersuchung ein Entwurf einer Regelung der tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen erarbeitet werden. 1. Anwendungsbereich Sowohl bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr als auch bei einer solchen im Gesundheitswesen kann die Regelung einer tätigen Reue zur Gefährdungsumkehr nur dann anwendbar sein, wenn ein Individualrechtsgut noch nicht verletzt wurde. Sowohl § 299 StGB als auch §§ 299a und 299b StGB sehen eine Verletzung von Individualrechtsgütern erst mit der Vornahme der unlauteren Bevorzugung vor.153 Aus diesem Grund ist mit der unlauteren Bevorzugung und dem Eintritt des Schadens bei Mitbewerbern, Krankenkassen und Patienten die Ausübung einer tätigen Reue ausgeschlossen. Anwendungsbereich der tätigen Reue muss daher der Zeitraum zwischen der Vollendung der Tat und der Gewährung der unlauteren Bevorzugung sein. Damit der Täter tätige Reue üben kann, sollte er bei allen Tatvarianten die unlautere Bevorzugung verhindern.

152 153

BT-Drs. 16/6268, S. 10. Vgl. oben im 3. Teil, 1. Abschnitt, D.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

2. Konstitutives Kriterium der Freiwilligkeit Wie im dritten Abschnitt des zweiten Teils unter V. 7. festgestellt wurde, ist die Freiwilligkeit der Reuehandlung wesentlich sowohl im Hinblick auf die Schuldrelevanz als auch für die präventive Wirksamkeit. Diese muss daher auch für die vorliegend zu entwerfenden Regelungen der tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen als erforderlich gelten und normiert werden. 3. Rechtsfolge Legt man die Prämisse zugrunde, dass bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr ein Verhalten bestimmt werden kann, das die geschaffene Gefährdung für das Kollektivrechtsgut beseitigt und die präventiven Strafbedürfnisse erfüllt, wäre als Rechtsfolge das Absehen von Strafe vorzusehen. Dies folgt aus der Deliktsart: Bei den Regelungen der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen handelt es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte in der Form von Kumulationsdelikten, die verwirklichte Tatschuld ist bereits gering und der Verrechnung besonders zugänglich. 4. Repressive Anforderungen an die Reuehandlung Unter Zugrundelegung des Ergebnisses der hiesigen Untersuchung müsste ein mit der durch die Tathandlung geschaffene Strafzumessungsschuld verrechenbarer Beitrag geschaffen werden. Dazu müsste der Täter die das Unrecht der Gefährdung tragende Vermutung, sein Beitrag werde im Zusammentreffen mit anderen gleichgelagerten Handlungen zu einer Verletzung des kollektiven Rechtsguts führen, entkräften. Es ist ein diese Gefährdung umkehrendes Verhalten erforderlich. Ein solches Verhalten soll in einem ersten Schritt bestimmt werden. Erst in dem zweiten Schritt wird die insoweit entworfene Reueregelung auf ihre Tauglichkeit hinsichtlich präventiver Strafzwecke geprüft und gegebenenfalls modifiziert. Die Tathandlungen von §§ 299, 299a und 299b StGB sind identisch, lediglich die Art und Weise der Bevorzugung, einmal bei dem Bezug von Waren und Dienstleistungen, das andere Mal bei der Verschaffung oder Zugänglichmachung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, von Medizinprodukten (Nr. 1 und 2) sowie von Patienten und Untersuchungsmaterialien (Nr. 3), ist unterschiedlich. Für die Frage, wie ein die Wirksamkeit des Kumulationsbeitrags beseitigendes und damit die Gefährdung umkehrendes Verhalten ausgestaltet werden soll, spielt diese Unterscheidung allerdings keine Rolle. Es kommt lediglich auf die formulierte Tathandlung an. Zu differenzieren ist allerdings zwischen den verschiedenen Tathandlungen. Jede für sich genommen muss – sofern möglich – eine Umkehrung erfahren.

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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Zunächst sind daher die Handlungen zu betrachten, die nur ein Verhalten des Täters erfordern. Bei diesen dürften die Anforderungen an eine Umkehr geringer sein als bei einem Handeln, auf das bereits reagiert wurde. Keine Unrechtsvereinbarung setzen nach dem Ergebnis der vorliegenden Untersuchung das Fordern, Anbieten und Versprechen voraus. Zweiseitige Erklärungen im Sinne einer Unrechtsvereinbarung verlangen das Sich-Versprechen-Lassen, die Annahme und das Gewähren. a) Einseitige Tathandlungen Bei den einseitigen Tathandlungen hat der Täter allein seinen auf die unlautere Bevorzugung zielenden Willen geäußert. Bei dem Fordern muss der Täter einen Vorteil für diese Bevorzugung verlangen, während beim Anbieten ein solcher seitens des Bestechenden angeboten und beim Versprechen zugesagt wird. Hier ist jeweils nur erforderlich, dass die Erklärung der anderen Partei zugeht. Durch dieses Handeln wird der Kumulationsbeitrag gesetzt, der sich dann in der Annahme der Unrechtsvereinbarung und letztlich der Bevorzugung verfestigt. Um eine solche Verfestigung zu verhindern, muss der Täter den Eintritt der unlauteren Bevorzugung verhindern. Er muss sich von der Tathandlung distanzieren und die geschaffene Gefahr, dass der andere Teil die Unrechtsvereinbarung annimmt, beseitigen. Bei den einseitigen Tathandlungen genügt zur Gefährdungsumkehr daher die Ausgestaltung einer präventiven, auf Verhinderung der Gefahrrealisierung gerichteten, tätigen Reue. aa) Fordern Das Fordern erfasst die am weitesten ins Vorfeld verlagerte Tathandlung154 auf Nehmerseite mit dem geringsten abstrakten Gefährdungspotential für das Rechtsgut des Wettbewerbs. Zum Zeitpunkt der Forderung ist vollkommen unklar, ob der andere Teil dieser nachkommt oder ablehnend reagiert. Dennoch hat der Täter durch das Aussprechen der Forderung den anderen Teil bereits zum Abschluss der Unrechtsvereinbarung angeregt. Auf die Forderung kann direkt die Gewährung des Vorteils erfolgen, ohne dass der Täter weitere Handlungen vornimmt. Der Täter muss daher verhindern, dass der andere die Unrechtsvereinbarung annimmt, unmittelbar vollzieht und so den Kumulationsbeitrag verfestigt. Dies ist nur möglich, indem er die Vorteilsgewährung verhindert. Die Situation ist vergleichbar mit der des § 298 Abs. 1 StGB, in der der Täter ein Angebot abgegeben hat, welches auf einer rechtswidrigen Absprache beruht und dann die Annahme oder die Leistungserbringung verhindern muss. Neben der Verhinderung der Vorteilsgewährung muss zur Kompensation des Kumulationsbeitrags gewährleistet werden, dass der Täter die Bevorzugung auch nicht ohne Erhalt des geforderten Vorteils vornimmt. Daran wäre zu denken, wenn der Täter – etwa weil der Angesprochene nicht reagiert – bewusst in Vorleistung geht, er also seine zunächst gestellte Forderung zurücknimmt und dann 154

Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 299 Rn. 39.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

aber die Bevorzugung vornimmt, um sich so das Wohlwollen der anderen Seite zu sichern. Auch eine solche Bevorzugung würde die Individualrechtsgüter der Wettbewerber tangieren und damit eine tätige Reue unmöglich machen. Analog hierzu könnte eine Regelung der tätigen Reue hinsichtlich der Tathandlung des Forderns daher lauten: „Nach Absatz 1 Nr. 1 Var. 1155 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass der andere den Vorteil erbringt, und selbst die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb unterlässt.“

Durch ein solches Tätigwerden wird die durch die Tathandlung geschaffene Gefahr, dass der Wettbewerb durch eine Vielzahl gleichgelagerter Handlungen letztlich verletzt wird, beseitigt. Der Tathandlung wird ihre Wirksamkeit genommen. Zudem wird die unlautere Bevorzugung und damit der Eintritt einer Individualrechtsgutsverletzung verhindert. Analog zum Rücktritt und vergleichbar mit den untersuchten Regelungen zur tätigen Reue sollte auch der Fall eine Regelung erfahren, in dem der vom Täter geschaffene Kumulationsbeitrag aufgrund anderer Umstände, die außerhalb seines Wirkbereiches liegen, keine Realisierung erfahren kann. In diesen Fällen ist die vermutete Gefährlichkeit seines Handelns bereits zu verneinen, sodass es nur der subjektiven Umkehr des verwirklichten Unrechts bedarf. Auch hier muss Voraussetzung sein, dass die Bevorzugung unterlassen wird. Reagiert der andere Teil nicht auf die Forderung, nimmt der Täter aber in der Erwartung künftiger Geschäfte dennoch eine Bevorzugung vor, kann das unter Berücksichtigung des Kumulationsbeitrags keine Straffreiheit rechtfertigen. Zu denken wäre zudem an Fälle, in denen sich der Täter auf einen weit in der Ferne liegenden oder nicht wirtschaftlich abgrenzbaren Vorteil bezieht. Würde hier lediglich ein ernsthaftes Bemühen zur Verhinderung der Vorteilsgewährung ausreichen, wäre dem Einlassungsgeschick des Täters, der die Bevorzugung erbracht und damit den Kumulationsbeitrag gesetzt hat, Tür und Tor geöffnet. Es wäre daher ergänzend zu formulieren: „Wird der geforderte Vorteil ohne Zutun des Täters nicht erbracht, wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Erbringung des Vorteils zu verhindern, und er die unlautere Bevorzugung unterlässt.“

bb) Anbieten und Versprechen Das Anbieten und das Versprechen beschreiben die einseitigen Tathandlungen auf Geberseite. Bei dem Anbieten und dem Versprechen hat der Täter mit dem Aussprechen und dem Zugang seines Angebots bzw. seines Versprechens zwar die Möglichkeit eröffnet, dass der andere die Unrechtsvereinbarung annimmt, die Vorteilsgewährung liegt aber weiter in seiner Hand. Es genügt daher, wenn er sich 155 Bei § 299a StGB müsste es hier lediglich heißen: „Nach Absatz 1 Var. 1 wird nicht bestraft, …“.

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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von dem Angebot und Versprechen lossagt und die durch den Vorteil motivierte unlautere Bevorzugung verhindert. Durch dieses Handlung wird dann der Vollzug der Unrechtsvereinbarung abgewendet und verhindert, dass der Kumulationsbeitrag seine Wirksamkeit entfalten kann. Eine Kausalitätsbeziehung zwischen der Handlung und der Verhinderung der Bevorzugung ist indes nicht erforderlich, da eine Privilegierung der Rücknahme des Angebots und der Lösung vom Versprechen nach gescheiterter Bevorzugung durch das Merkmal der Freiwilligkeit ausgeschlossen wird. Die Regelung könnte daher hier lauten: „Nach Absatz 2 Nr. 1 Var. 1 und 2156 wird nicht bestraft, wer freiwillig sein Angebot zurücknimmt oder sich von seinem Versprechen löst und die unlautere Bevorzugung verhindert.“

Einer Regelung des Falls, dass der Täter sich ernsthaft um die Verhinderung der Vorteilsgewährung bemüht, bedarf es nicht, da der Täter diese selbst in der Hand hat. b) Zweiseitige Tathandlungen Bei den zweiseitigen Tathandlungen hat der Täter bereits eine Unrechtsvereinbarung, also eine zumindest stillschweigende Übereinkunft mit dem anderen Teil geschlossen, sodass die Vorteilszuwendung zum Zweck der angestrebten Bevorzugung erfolgt. Es liegen daher zwei übereinstimmende auf die unlautere Bevorzugung gerichtete Willenserklärungen vor. Da der Täter bei diesen Handlungen bereits eine andere Person in die Tat miteinbezogen hat, kann die einfache Loslösung von der eigenen Handlung nicht genügen, um die Wirksamkeit des Kumulationsbeitrags zu beseitigen. Dieser hat sich in der Handlung der anderen Person bereits fortgesetzt. Der Täter muss eine über die eigentliche Handlung hinausgehende Umkehrhandlung erbringen, die verhindert, dass sich der durch ihn gesetzte Kumulationsbeitrag fortsetzt. Bei den zweiseitigen Tathandlungen kann daher eine allein präventiv ausgerichtete tätige Reue zumeist nicht genügen. Die Regelung der tätigen Reue müsste darüber hinaus einen kompensatorischen Charakter aufweisen. Da noch kein quantifizierbarer Schaden eingetreten ist, liegt es daher nahe, sich bei der Formulierung an den beiden in der Untersuchung als Mischformen präventiver und kompensatorischer tätiger Reue qualifizierten Regelungen der §§ 149 Abs. 2 und 261 Abs. 9 StGB zu orientieren. Beide Regelungen sehen als kompensatorisches Element eine Anzeigepflicht, einmal bezogen auf die Fälschungsmittel (§ 149 StGB), das andere Mal bezogen auf die Tat (§ 261 StGB), vor.

156 Für § 299b StGB müsste es hier heißen: „Nach Absatz 1 Var. 1 und 2 wird nicht bestraft, …“.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

aa) Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen Das Sich-Versprechen-Lassen und das Annehmen beschreiben die zweiseitigen Tathandlungen auf Nehmerseite. Das Sich-Versprechen-Lassen ist die Annahme des Angebots, künftig einen Vorteil zu erbringen.157 Das Annehmen meint die tatsächliche Entgegennahme eines Vorteils durch den Täter oder einen Dritten.158 In beiden Fällen wird die Mitwirkung des ebenfalls an der Unrechtsvereinbarung beteiligten anderen Parts erforderlich. Beim Sich-Versprechen-Lassen ist die Vorteilsgewährung nur zugesagt, aber noch nicht erfolgt, sodass der Täter die Annahme des Vorteils noch verhindern und so präventiv die Verfestigung des Kumulationsbeitrags aufhalten kann. Wurde der Vorteil hingegen bereits angenommen, muss der Täter kompensatorisch tätig werden. Der inkriminierte Vorteil, der als solcher aus der Tat stammt, muss sichergestellt werden. Der Täter darf nicht von der Tat profitieren noch kann eine Rückgabe des Vorteils an den ebenfalls wegen Bestechung strafbaren Vorteilsgeber als Kompensation genügen. Da zu diesem Zeitpunkt noch kein Schaden am Individualrechtsgut eingetreten ist, bleibt als kompensatorische Handlung nur die Anzeige der Tat und die Sicherstellung des erlangten Vorteils. Präventiv muss darüber hinaus noch die unlautere Bevorzugung und damit die Verletzung der Individualrechtsgüter verhindert werden. Diese muss aus autonomen Motiven und daher freiwillig unterbleiben, damit ein Gegengewicht zum subjektiv verwirklichten Handlungsunrecht geschaffen wird. Eine Regelung der tätigen Reue für diese Varianten könnte daher lauten: „Nach Absatz 1 Nr. 1 Var. 2 und Var. 3159 wird nicht bestraft, wer freiwillig die unlautere Bevorzugung unterlässt und die Annahme des Vorteils verweigert oder vor Entdeckung der Tat die Annahme des Vorteils der zuständigen Behörde anzeigt und die Sicherstellung eines angenommenen Vorteils bewirkt.“

bb) Gewähren Mit dem Gewähren wird die zweiseitige Handlung der Geberseite beschrieben.160 Ein Gewähren liegt dann vor, wenn der Vorteil tatsächlich verschafft, also dem Vorteilsnehmer die Verfügungsgewalt eingeräumt wurde. Die Unrechtsvereinbarung muss hier, zumindest stillschweigend, zustande gekommen sein.161 Da der Vorteil mit dem Gewähren bereits auf der Nehmerseite angelangt ist, erfordert die Tathandlung hier auch ein kompensatorisches Tätigwerden und damit eine Anzeige, um das Wirksamwerden des Kumulationsbeitrags zu verhindern. Zudem muss präventiv die 157

Vgl. hierzu im 3. Teil, 1. Abschnitt unter A. III. 2. Vgl. hierzu im 3. Teil, 1. Abschnitt unter A. III. 2. 159 Für § 299a StGB müsste es heißen: „Nach Absatz 1 Var. 2 und Var. 3 wird nicht bestraft, …“. 160 Vgl. hierzu im 3. Teil, 1. Abschnitt unter A. III. 2. 161 Vgl. hierzu im 3. Teil, 1. Abschnitt A. I. 158

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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unlautere Bevorzugung und damit die Verletzung von Individualrechtsgütern verhindert werden. „Nach Absatz 2 Nr. 1 Var. 3162 wird nicht bestraft, wer das Gewähren des Vorteils vor der Entdeckung der Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt und die unlautere Bevorzugung verhindert.“

Da die unlautere Bevorzugung von der Nehmerseite aus erfolgt und damit nicht im Einwirkungsbereich des Täters liegt, muss es auch hier genügen, dass der Täter sich subjektiv ernsthaft bemüht. Analog zum Rücktritt sollte daher auch der Fall eine Regelung erfahren, dass sich der Kumulationsbeitrag aus anderen Umständen, die außerhalb des Wirkbereichs des Täters liegen, nicht in der unlauteren Bevorzugung verwirklicht. Eine Regelung könnte daher lauten: „Wird ohne Zutun des Täters die unlautere Bevorzugung nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er das Gewähren des Vorteils vor der Entdeckung der Tat freiwillig anzeigt und sich und ernsthaft bemüht, die unlautere Bevorzugung zu verhindern.“

5. Präventive Anforderungen an die Reuehandlung Bei den vorgeschlagenen Formulierungen wurde vergleichbar mit den untersuchten Regelungen der tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht als Rechtsfolge Straffreiheit vorgesehen. Straffreiheit soll unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vorliegenden Untersuchung nur dann zulässige Rechtsfolge nach tätiger Reue sein, wenn die Regelung der tätigen Reue die präventiven Strafzwecke ebenso erfüllen kann wie Strafe bzw. diese nicht beeinträchtigt. Daher werden die angedachten Regelungen nun hinsichtlich der präventiven Strafzwecke betrachtet. a) Negative Generalprävention Trotz der Regelungen der tätigen Reue müsste eine ausreichende Abschreckungswirkung für die Allgemeinheit bestehen bleiben. Zu differenzieren ist auch hier nach den verschiedenen Tathandlungen. Unter Zugrundelegung der obigen Entwürfe von Reueregelungen für die Tathandlungen auf Geberseite kann eine weiterhin bestehende abschreckende Wirkung angenommen werden. Denn die Reuehandlungen zu den Varianten des Anbietens, Versprechens und Gewährens sehen vor, dass der Täter trotz seiner die Gefährdung umkehrenden Handlung das Erfolgsabwendungsrisiko trägt. Für eine Straflosigkeit ist neben der Rücknahme des Angebots, des Versprechens und der Anzeige des gewährten Vorteils erforderlich, dass die unlautere Bevorzugung unterbleibt. Dies liegt außerhalb des Einwirkungsbereichs des Täters. Der Täter kann diese Folge nicht einkalkulieren, diese Unwägbarkeit führt dazu, dass die negativ generalpräventive Wirksamkeit der

162

Für § 299b StGB müsste es heißen: „Nach Absatz 2 Var. 3 wird nicht bestraft, …“.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Strafnorm bestehen bleibt.163 Sicherlich abschreckend wirkt zudem das Anzeigeerfordernis, welches die entworfene Regelung einer tätigen Reue nach dem Gewähren des Vorteils vorsieht. Das Erfordernis, die Gewährung des Vorteils anzuzeigen, in der Ungewissheit, ob die Anforderungen der tätigen Reue tatsächlich erfüllt sind, generiert eine abschreckende Wirkung und lässt damit die negativ-generalpräventive Wirksamkeit der Norm nicht entfallen. Auf Nehmerseite muss der Täter nach der entworfenen Regelung der tätigen Reue für die Tathandlung des Forderns die Erbringung des Vorteils verhindern. Damit muss der Täter auf den Bestechenden einwirken und trägt auch hier das Erfolgsabwendungsrisiko. Somit liegt der Eintritt des Erfolgs außerhalb der Einwirkung des Täters, die Abschreckungswirkung bleibt erhalten. Bei der tätigen Reue nach der Annahme des Vorteils ist, ebenso wie bei dem Gewähren, eine Anzeigepflicht vorgesehen, die die negative Generalprävention stärkt. Lediglich fraglich bleibt die abschreckende Wirkung hinsichtlich der entworfenen Regelung zum Sich-Versprechen-Lassen, da hier nur gefordert wird, dass der Täter den Vorteil verweigert. Bei dieser Variante hat der Täter die Vornahme der unlauteren Bevorzugung selbst in der Hand und kann durch das bloße Ablehnen des Vorteils Straffreiheit erlangen. Unwägbarkeiten bestehen für den Täter nicht. Er könnte sich also zunächst einen Vorteil versprechen lassen, sich dann aber vor der Gewährung ohne große Mühe davon lösen, ohne eine Bestrafung zu riskieren. Dies tangiert die Abschreckungswirkung der Strafe. Unter dem Gesichtspunkt der negativen Generalprävention wäre daher das Anzeigeerfordernis auch auf den vorliegenden Fall zu erweitern und die oben entworfene Regelung der tätigen Reue wie folgt zu modifizieren: „Nach Absatz 1 Nr. 1 Var. 2 und Var. 3164 wird nicht bestraft, wer die unlautere Bevorzugung unterlässt, und die Annahme des Vorteils verweigert oder und freiwillig vor Entdeckung der Tat das Versprechen oder die Annahme des Vorteils der zuständigen Behörde anzeigt und die Sicherstellung eines angenommenen Vorteils bewirkt.“

b) Positive Generalprävention Durch die Regelungen müsste auch der positiven Generalprävention genüge getan werden. Dies setzt voraus, dass das in den Entwürfen angedachte Verhalten das Normbewusstsein der Bevölkerung ebenso stärkt wie die Strafe. Auf Nehmerseite verlangen die entworfenen Regelungen zur tätigen Reue, dass bei einem geforderten Vorteil dessen Erbringung verhindert wird. Bei dem SichVersprechen-Lassen muss die Annahme des Vorteils verweigert und unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Modifikation angezeigt werden. Bei der Annahme muss der Täter zur Erfüllung der Voraussetzung der tätigen Reue die Annahme des 163

Vgl. oben im 2. Teil, 3. Abschnitt, B. IV. 2. b) aa). Für § 299a StGB müsste es heißen: „Nach Absatz 1 Var. 2 und Var. 3 wird nicht bestraft, …“. 164

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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Vorteils anzeigen und die Sicherstellung bewirken. Durch die genannten Handlungen setzt sich der Täter erkennbar in Widerspruch zu seiner Tathandlung. Er kehrt die konkreten Folgen seiner Tathandlung um und verdeutlicht so, dass er die in der Strafnorm kodifizierte Verhaltensanweisung nunmehr respektiert. Der positiven Generalprävention wird damit ebenso gedient wie mit der Strafe. Auf Geberseite sehen die obigen Entwürfe einer tätigen Reue bei dem Anbieten und dem Versprechen vor, dass der Täter sein Angebot zurücknimmt und sich von seinem Versprechen löst. Wie eine solche Zurücknahme des Angebots oder Lösung von dem Versprechen erfolgen soll, beschreibt die entworfene Vorschrift nicht. Es wäre daher durchaus denkbar, dass der Täter sein Angebot im Stillen zurücknimmt oder sich lediglich mental von seinem Versprechen löst. Einer solchen heimlichen Distanzierung von der Tat käme dann aber keine normstabilisierende Wirkung zu. Aus diesem Grund muss für eine positiv generalpräventive Wirksamkeit eine Erklärung dieser Absicht erfolgen. Adressat der Erklärung müsste der Empfänger des Angebots bzw. des Versprechens sein, also entweder der Angestellte oder Beauftragte des Unternehmens (§ 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder der Angehörige des Heilberufs (§ 299b StGB). Die entworfene Regelung wäre daher wie folgt zu ergänzen: „Nach Absatz 2 Nr. 1 Var. 1 und 2165 wird nicht bestraft, wer freiwillig durch Erklärung gegenüber dem Angestellten oder Beauftragten des Unternehmens166 sein Angebot zurücknimmt oder sich von seinem Versprechen löst und die unlautere Bevorzugung verhindert.“

c) Spezialprävention Für die Wirkung der entworfenen Regelung einer tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen gilt das zuvor bei den anderen untersuchten Regelungen Festgestellte entsprechend. Durch die restriktive Ausgestaltung der Normen kann der Täter ihre Anwendung nicht kalkulieren und die Strafnormen behalten ihre abschreckende Wirkung, die negative Spezialprävention bleibt gewahrt. Auch positiv spezialpräventiv stehen die entworfenen Regelungen den übrigen Regelungen der tätigen Reue in nichts nach. Der Täter muss sich für die Privilegierung mit seiner Tat auseinandersetzen und die geschaffene Wirkung negieren. Durch die Auseinandersetzung mit der konkreten Tat kommt der Umkehrleistung, die von den Regelungen der tätigen Reue verlangt wird, eine andere Bedeutung zu. Sie kann viel eher als sinnvoll und gerecht empfunden werden. Es wird ein sozialer Lernprozess in Gang gesetzt, der zu einer Besserung des Täters führen kann.

165 Für § 299b StGB müsste es hier heißen: „Nach Absatz 1 Var. 1 und 2 wird nicht bestraft, …“. 166 Für § 299b StGB müsste es hier heißen: „gegenüber dem Angehörigen des Heilberufs“.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

d) Zwischenergebnis Die vorgeschlagenen Regelungen einer tätigen Reue können damit die präventiven Strafwecke ebenso erfüllen wie die Strafe bzw. stehen diesen nicht entgegen. Sowohl die abschreckende als auch die normstabilisierende Wirkung für die Allgemeinheit sind mit der Strafe vergleichbar, die Regelungen sind also insoweit zur Erfüllung der generalpräventiven Strafzwecke gleich geeignet. Auf Ebene der Spezialprävention ergibt sich ebenfalls eine gleiche, wenn nicht bedingt durch die konkretere Auseinandersetzung mit der eigenen Tat, eine noch bessere Verwirklichung der Strafzwecke. Aus diesem Ergebnis folgt die Unverhältnismäßigkeit der Strafe als Rechtsfolge. Die Androhung von Strafe ist mit einer erheblichen sittlichen Missbilligung verbunden und führt zu einer schweren Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts und der Handlungsfreiheit des Betroffenen.167 Deshalb ist sie nicht das primäre Mittel rechtlichen Schutzes, der Einsatz von Strafe ist vielmehr Ultima Ratio.168 Erforderlich ist die Strafe als Reaktion auf abstrakt gefährliche Handlungen daher nur, wenn diese nicht mit anderen, weniger einschneidenden Mitteln verhindert werden können.169 Gerade dies ist aber unter dem vorliegenden Ergebnis zu verneinen. Die Regelung einer tätigen Reue erscheint zumindest vom Blickwinkel der Strafzwecke als milderes und weniger eingriffsintensives Mittel. Auf die Ausführung der Reuehandlung sollte Straffreiheit folgen. Im Hinblick auf den Opferschutzgedanken wäre eine Straffreiheit zudem wohl der beste Anreiz für ein Umkehrverhalten.170 6. Anzeigepflicht Die Anzeigepflicht besticht durch ihre präventive Wirkung. Aus diesem Grund könnte sie bei allen Varianten der Bestechung und Bestechlichkeit vorgesehen werden, um einen maximal präventiv wirkenden Beitrag zu gewährleisten. Im Hinblick auf die negative und positive Spezialprävention ist die öffentliche Anzeige des Fehlverhaltens in jedem Fall wirksamer als eine nicht an Dritte gerichtete entgegenwirkende Handlung. Auch positiv generalpräventiv wird durch eine Anzeige die Bekenntnis des Täters zur Rechtsordnung offenbar und so das Vertrauen in die Rechtsordnung gestärkt. Zudem sorgt die Anzeige für eine Verfolgung, ihr Erfordernis erhöht die Anforderungen an den Täter und steigert damit letztlich auch die negativ generalpräventive Abschreckungswirkung.

167 168 169 170

BVerfGE 90, 145, 200. BVerfGE 90, 145, 201; BVerfGE 88, 203, 258. BVerfGE 90, 145, 205. Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 81, 95.

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

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a) Generelle Anzeigepflicht Eine generelle Anzeigepflicht ist aber bereits unter Schuldgesichtspunkten für die Tathandlungen des Forderns, Anbietens und Versprechens nicht geboten. Diese drei Varianten setzen keine Unrechtsvereinbarung voraus, sie sind lediglich auf ihren Abschluss ausgerichtet. Aufgrund ihrer Einseitigkeit hat sich der Kumulationsbeitrag noch nicht verfestigt. Damit ein mit dem die Strafbarkeit begründenden Verhalten verrechenbarer Wert geschaffen wird, genügt es, die Realisierung des Kumulationsbeitrags zu verhindern, indem ihm die Wirksamkeit genommen wird. Dadurch, dass der Täter nach dem Fordern die Erbringung des Vorteils verhindert, das Angebot zurücknimmt oder sich von seinem Versprechen löst, wird die Gefahrrealisierung verhindert und der ursprüngliche Beitrag neutralisiert. Ein weitergehender kompensatorischer Beitrag ist bei diesen Handlungen nicht zu fordern. Es genügt eine präventive Reue. Auch unter Berücksichtigung präventiver Gesichtspunkte wiegt das Verhalten des Anbietens und Versprechens nicht so schwer, als dass in jedem Fall eine Anzeige erforderlich ist. Denn nimmt der Bestechende sein Angebot oder Versprechen zurück bevor der andere auf das Angebot und das Versprechen, einen Vorteil für die Bevorzugung zu erlangen, eingeht, hat bereits die Rücknahme des Angebots bzw. das Lösen vom Versprechen eine ausreichende präventive Wirkung. Das Vertrauen in den Wettbewerb und die Integrität der heilberuflichen Entscheidung wird bereits durch das Nichtzustandekommen der Unrechtsvereinbarung gewahrt. Näher läge es daher, in der Variante des Forderns eine Anzeigepflicht zu bejahen. Denn hier handelt der Angestellte oder Beauftragte bzw. der Angehörige eines Heilberufs, sodass das zur Wahrung der geschützten Rechtsgüter erforderliche Vertrauen eher tangiert wäre. Jedoch stehen einer Anzeigepflicht auch hier tragende Argumente entgegen. Das Fordern einer Gegenleistung für die unlautere Bevorzugung ist qualitativ die Handlung der hier untersuchten Delikte, die die geringste Intensität aufweist. Denn erfasst werden auch untaugliche Anbahnungsbestrebungen. Gerade hier eine Anzeigepflicht vorzusehen, wäre damit unverhältnismäßig. So wird bereits durch die hier angedachte Regelung der tätigen Reue vom Täter mehr verlangt als die bloße Rücknahme seines Beitrags. Er muss sich nicht nur von der Forderung lossagen, sondern verhindern, dass der Vorteil erbracht wird. Zudem würde der tätigen Reue mit einer Anzeigepflicht in diesem Fall sicherlich die Anreizwirkung genommen. Denn wer nur mündlich eine Gegenleistung für die Bevorzugung fordert, aber zum Ausgleich des Gesagten dann eine Selbstanzeige bei einer Behörde vornehmen muss, wird eher darauf hoffen, unentdeckt zu bleiben. Eine generelle Anzeigepflicht ist mithin abzulehnen. b) Realisierbarkeit der Anzeigepflicht Insbesondere bei den zweiseitigen Tathandlungen und der in diesem Zusammenhang stehenden erforderlichen Kombination der Reuehandlung aus präventiver

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

Verhinderung der unlauteren Bevorzugung und kompensatorischer Anzeige der Tat, stellt sich damit die Frage der praktischen Realisierbarkeit. Denn anders als der Täter der Geldwäsche oder der Geld- und Wertzeichenfälschung zeichnet sich der Täter der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen durch seine besondere Stellung aus. Auf Nehmerseite steht bei § 299 StGB ein Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens, bei § 299a StGB ein Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung abgelegt hat. Aus dieser Stellung ergibt sich ein Konflikt mit einer Anzeigepflicht der eigenen Tat. Virulent wird dieses Problem bei den Tathandlungen des Sich-Versprechen-Lassens und der Annahme, bei denen nach den obenstehenden Entwürfen einer Regelung der tätigen Reue eine Anzeige des Versprechens oder der Annahme des Vorteils erforderlich ist. Sowohl der Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens als auch der Angehörige eines Heilberufs sehen sich bei der geforderten Selbstanzeige in einem Dilemma. Für den Angestellten oder Beauftragten wird die Anzeige des versprochenen oder angenommenen Vorteils arbeitsrechtliche Schritte bedeuten und zugleich Fragen einer persönlichen zivilrechtlichen Haftung für eingetretene Schäden des Unternehmens begründen.171 Zudem birgt die Anzeige die Gefahr, dass das hinter ihm stehende Unternehmen in der Folge wegen einer Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 OWiG sanktioniert wird. Mit der Anzeigepflicht wird dem Täter daher zwar eine Möglichkeit der Gefährdungsumkehr aufgezeigt, ob diese aber wegen der mit ihr verbundenen massiv belastenden wirtschaftlichen Folgen eine Anreizwirkung hat, darf bezweifelt werden. Gleiches gilt auch bei der Offenbarung der Vorteilsannahme durch den Angehörigen des Heilberufs. Durch die Anzeige der Vorteilsannahme drohen ihm immense berufsrechtliche Folgen. So kann die Approbation gemäß § 5 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO widerrufen werden und damit die kassenärztliche Zulassung entfallen (§ 7c) Ärzte-ZV). Daneben stellt sich auch hier die Frage zivilrechtlicher Ansprüche von Patienten und Krankenkassen. Zudem ist an das zwischen dem Arzt und seinen Patienten bestehende Vertrauensverhältnis zu denken, das durch ein Offenbaren der Bestechlichkeit nachhaltig beeinträchtigt würde. Jedenfalls für die Tathandlungen des Sich-Versprechen-Lassens und der Annahme scheint daher eine Regelung der tätigen Reue allein mit einer Normierung im Strafgesetzbuch nicht ausreichend, um einen Anreiz für den Täter zu bieten, sich von der Tat loszusagen und im Interesse des Rechtsgüterschutzes seinem Kumulationsbeitrag die Wirksamkeit zu nehmen. Zwar profitiert der Täter auch in den anderen Verfahren von der wiedergutmachenden Leistung, die er erbracht hat. Gesetzlich normiert ist dies aber nicht. Viel eher scheint es sich dann zu lohnen, darauf zu vertrauen, dass die Tat nicht entdeckt wird. Um das Anzeigedilemma zu beheben, müssten – sofern möglich – weitere gesetzliche Regelungen folgen. 171

Jahn/Ebner, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 221, 232.

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

265

Keine Bedenken dieser Art bestehen bei der Tathandlung des Gewährens eines Vorteils. Hier kann jedermann handeln. Es handelt sich nicht um ein Sonderdelikt. Sieht man aber aufgrund der benannten Erwägungen von einer tätigen Reue bei den übrigen zweiseitigen Tathandlungen ab, erscheint es im Hinblick auf dem Gleichheitsgrundsatz unangemessen für das Gewähren eine Regelung der tätigen Reue vorzusehen.

C. Ergebnis Nachdem die Regelung der tätigen Reue in den vorherigen Abschnitten dieses Teils für erforderlich befunden wurde, wurden nun anhand der zuvor systematisierten Wirkungsweise Regelungen für die Tathandlungen der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen entwickelt. Basierend auf dem Gedanken, dass der mit der Tathandlung geschaffene Kumulationsbeitrag unwirksam gemacht werden muss, wurde eine die vermutete Ursächlichkeit dieses Beitrags beseitigende Handlung vorgeschlagen, die zugleich präventiven Strafzwecken in einer mit der Kriminalstrafe entsprechenden Weise dient. Probleme zeigen sich allerdings bei der praktischen Anwendbarkeit der zunächst strikt unter der vorher herausgearbeiteten Systematik entwickelten Normen. Das Erfordernis der Anzeige der Tat, wie es bei anderen Regelungen der tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht üblich ist, birgt aufgrund der Sonderstellung der Täter von §§ 299 und 299b StGB ein besonderes Hindernis und wird in der Praxis dazu führen, dass die Vorschriften der tätigen Reue, die Tathandlung des Sich-VersprechenLassens und die Annahme betreffend, ins Leere laufen. Aus diesem Grund liegt die Überlegung nahe, für diese Fälle von einer Regelung abzusehen. Dies würde allerdings dazu führen, dass der Bestochene schlechter gestellt würde als der Bestechende, und könnte in diesem Zusammenhang den nicht fernliegenden Vorwurf einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung provozieren. Systematisch korrekter erscheint daher eine Abstufung nach dem Unrechtsgehalt vorzunehmen. Bereits im ersten Abschnitt des dritten Teils wurde unter D. angesprochen, dass die verschiedenen Tathandlungen zwar alle ein geringes Unrecht verkörpern, diesem geringen Maß aber unterschiedliche Schweregrade innewohnen. Die einseitigen Tathandlungen sind im Hinblick auf ihre Wirkung weniger gewichtig als die zweiseitigen Tathandlungen, bei denen sich der Kumulationsbeitrag durch die Willensübereinkunft bereits verfestigt hat. Die Tathandlungen des Forderns, Anbietens und Versprechens liegen weit im Vorfeld und stellen Versuchshandlungen dar, die als Vollendungstaten bestraft werden.172 Die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie im Gesundheitswesen beinhaltet damit „Quasi-Versuche“.173 Je weiter die verbotenen 172 173

BGHSt 10, 358, 367; Og˘ lakcıog˘ lu, HRRS 2011, 275, 276. Pragel, ZIS 2006, 63, 77; Schmidl, wistra 2006, 286, 290.

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

abstrakt gefährlichen Handlungen im Vorfeld der eigentlichen Verletzungshandlung liegen, desto mehr können die oben benannten verfassungsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Ungleichbehandlung hinsichtlich des Versuchs Geltung beanspruchen. Auch im Hinblick auf die Vergleichbarkeit zu § 298 StGB wird gerade bei den einseitigen Varianten die Gleichbehandlung unerlässlich. § 298 StGB ist ebenso wie die Tathandlungen des Forderns, Versprechens und Anbietens einseitig ausgestaltet, sodass sich die Ungleichbehandlung im Unrecht vergleichbarer Sachverhalt hier deutlicher zeigt. Insbesondere bei diesen Handlungen erscheint die Strafe als denkbar schwerwiegendster Eingriff bei der alternativen Möglichkeit der Regelung einer tätigen Reue damit unpassend. Dem Gesetzgeber kommt bei der Frage, ob ein milderes Mittel anwendbar ist, ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums zu, den er vertretbar nutzen kann.174 Im Hinblick auf Verhältnismäßigkeit, Gleichbehandlung und Opferschutz scheint das vollständige Unterlassen einer gesetzlichen Regelung der tätigen Reue bei § 299 StGB sowie §§ 299a und 299b StGB schwer vertretbar. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Regelung einer tätigen Reue kann vertretbar eine Begrenzung auf die einseitigen Handlungen erfolgen, da bei diesen das verwirklichte Unrecht gering und die Argumente, die Verhältnismäßigkeit und die Ungleichbehandlung betreffend größeres Gewicht haben. Zudem konnte hier ein Regelungsentwurf gefunden werden, der auch praktikabel ist. Eine differenzierende Betrachtung, die damit das unterschiedliche Gefährdungspotential berücksichtigt, scheint daher ein vertretbarer Kompromiss zwischen dem artikulierten Bedürfnis und einer praktischen Durchführbarkeit. Auf den vorigen Erwägungen aufbauend sollte § 299 StGB de lege ferenda um zwei neue Absätze ergänzt werden und wie folgt lauten: „§ 299 Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens 1. einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder 2. ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze. (2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens 1. einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder 174

BVerfGE 88, 203, 262.

2. Abschn.: Die Regelung einer tätigen Reue bei den Korruptionsdelikten

267

2. ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze. (3) Nach Absatz 1 Nr. 1 Var. 1 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass der andere den Vorteil erbringt und selbst die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb unterlässt. Wird der geforderte Vorteil ohne Zutun des Täters nicht erbracht, wird er straflos, wenn sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Erbringung des Vorteils zu verhindern und er die unlautere Bevorzugung unterlässt. (4) Nach Absatz 2 Nr. 1 Var. 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig durch Erklärung gegenüber dem Angestellten oder Beauftragten des Unternehmens sein Angebot zurücknimmt oder sich von seinem Versprechen löst und die unlautere Bevorzugung verhindert.“

§ 299a StGB müsste um einen weiteren Absatz ergänzt werden und dann lauten: „§ 299a Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 Var. 1 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass der andere den Vorteil erbringt und selbst die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb unterlässt. Wird der geforderte Vorteil ohne Zutun des Täters nicht erbracht, wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Erbringung des Vorteils zu verhindern und er die unlautere Bevorzugung unterlässt.“

§ 299b StGB müsste entsprechend auch um einen Absatz ergänzt werden und lauten: „§ 299b Bestechung im Gesundheitswesen (1) Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

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3. Teil: Korruptionsdelikte und tätige Reue

ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 Var. 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig durch Erklärung gegenüber dem Angehörigen des Heilberufs im Sinne des § 299a StGB sein Angebot zurücknimmt oder sich von seinem Versprechen löst und die unlautere Bevorzugung verhindert.“

4. Teil

Thesenartige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen sich in den folgenden zwölf Punkten zusammenfassen: 1. Die Normen des Wirtschaftsstrafrechts eint das durch sie geschützte kollektive Rechtsgut der sozialen Marktwirtschaft. Unter Zugrundelegung dieses lässt sich mithilfe der strafrechtsdogmatischen Definition der Untersuchungsgegenstand Wirtschaftsstrafrecht bestimmen. Erfasst sind damit § 149 StGB (nur hinsichtlich der Vorbereitung der Geldfälschung), § 261 StGB (Geldwäsche), § 264 StGB (Subventionsbetrug), § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug), § 265b StGB (Kreditbetrug), § 266a Abs. 1 und 2 StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt), § 298 StGB (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen) und § 370 AO (Steuerhinterziehung). Alle genannten Normen schützen einen Aspekt der sozialen Marktwirtschaft. Neben dieses Rechtsgut treten mitgeschützte Individualrechtsgüter, wie etwa das Vermögen. 2. Die benannten Normen weisen Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Deliktsart und des Vollendungszeitpunkts auf. So handelt es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte in Form des sog. Kumulationsdelikts. Diese Einordnung kann als notwendige Voraussetzung für die Normierung einer tätigen Reue angesehen werden. Formale Kriterien, wie die Vorverlagerung der Vollendung, sind von dieser Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt abhängig und haben für die Regelung der tätigen Reue daher keine eigenständige, sondern nur indizielle Bedeutung. 3. Die Privilegierung von Nachtatverhalten findet sich ausgestaltet als persönlicher Strafaufhebungsgrund (§ 24 StGB), als Strafzumessungsregel (§§ 46, 46a und 46b StGB) und als Verfahrensvorschrift (§ 153a StPO). Sämtliche Normen, die Nachtatverhalten privilegieren, weisen zwei diese Privilegierung rechtfertigende Punkte auf: Zum einen wirkt das Verhalten auf das präventive Strafbedürfnis. Das Nachtatverhalten tangiert darüber hinaus die negative Spezial- und Generalprävention nicht. Die positive Spezial- und Generalprävention werden ebenso gut wie durch Strafe erfüllt. Zum anderen wird durch das Nachtatverhalten auf die Strafzumessungsschuld eingewirkt. 4. Die Strafzumessungsschuld ist dabei von der Tatschuld zu unterscheiden, da sie auf eine weitergehende Bewertungsgrundlage zurückgreift. Nachtatverhalten schafft ein Gegengewicht zum verwirklichten Maß an Tatschuld und wird im Rahmen der

270

4. Teil: Thesenartige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

Strafzumessungsschuld mit diesem verrechnet. Dies führt dazu, dass letztlich nur ein geringes Quantum an Strafzumessungsschuld verbleibt. Es steht dafür, dass Tatschuld verwirklicht wurde. Das Ob der verwirklichten Tatschuld kann nicht verrechnet werden. Dieses Mindestmaß an Strafzumessungsschuld kann nur durch gesetzliche Regelungen unterschritten werden. 5. Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht knüpft bereits an ein nicht besonders schwerwiegendes Maß an verwirklichter Schuld an. Dies ergibt sich aus der materiellen Deliktsart, dem Kumulationsdelikt. Diese Delikte sind einer Verrechnung mit dem Nachtatverhalten besonders zugänglich. Es ist nur Handlungsunrecht verwirklicht. Werden durch das Verhalten zudem präventive Strafzwecke erreicht, ist ein Absehen von Strafe als Rechtsfolge aus Verhältnismäßigkeitserwägungen geboten. 6. Bei tätiger Reue im Wirtschaftsstrafrecht muss das Nachtatverhalten aus Schuldgesichtspunkten so ausgestaltet sein, dass der Täter die Realisierung der mit dem Kumulationsbeitrag geschaffenen Gefahr verhindert. So schafft er einen Gegenwert zum verwirklichten Unwert. Da die Einwirkung auf andere gleichgelagerte Handlungen seinem Einwirkungsbereich entzogen ist, muss er hierfür die Ursächlichkeit seiner Handlung für den sog. „Megaverstoß“ beseitigen. Um einen auf das subjektive Handlungsunrecht zu verrechnenden Beitrag zu schaffen, muss der Täter freiwillig handeln. 7. Unter tätiger Reue im Wirtschaftsstrafrecht ist damit ein Nachtatverhalten zu verstehen, dass an ein durch ein Kumulationsdelikt verwirklichtes relativ geringes Quantum von Schuld anknüpft, diesen Kumulationsbeitrag durch ein Verhalten des Täters vor Eintritt der Verletzung eines Individualrechtsguts oder der Entdeckung der Tat untauglich und darüber hinaus die Bestrafung aus Präventionsgesichtspunkten entbehrlich macht. Sofern noch ein Mindestmaß an Strafzumessungsschuld verbleibt, kann dieses unterschritten werden. 8. Die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen sind aufgrund des durch sie geschützten kollektiven Rechtsguts – mit Ausnahme der Geschäftsherrenvariante in § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB – dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen. Die Delikte schützen den Wettbewerb als Teil der sozialen Marktwirtschaft. Sie entsprechen darüber hinaus sowohl in ihrer Deliktsart als auch in ihrer Ausgestaltung hinsichtlich des Vollendungszeitpunkts den übrigen Delikten, die eine tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht regeln. 9. Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen zur Privilegierung von Nachtatverhalten, die unmittelbar an die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen anschließendes Verhalten des Täters erfassen, das die Wirksamkeit des geschaffenen Kumulationsbeitrags beseitigt, sind nicht ausreichend.

4. Teil: Thesenartige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

271

10. Die Erforderlichkeit der Regelung einer tätigen Reue bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Gedanken des Opferschutzes. Eine Ungleichbehandlung zeigt sich insbesondere im Vergleich mit dem Versuchsunrecht und dem § 298 StGB. Aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten stellt die Regelung einer tätigen Reue ein geeignetes Mittel zur Erfüllung der repressiven und präventiven Strafzwecke dar. Sie ist wegen ihrer geringeren Eingriffsintensivität ein milderes Mittel als die Kriminalstrafe. 11. Die Regelungslücke ist nicht – auch nicht vorübergehend – durch eine Analogie des § 298 Abs. 3 StGB zu schließen. Das Konzept einer Regelung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs kann nicht überzeugen, da die tätige Reue stets darauf gerichtet seien muss, den Kumulationsbeitrag unwirksam zu machen und daher die konkrete Tathandlung der Norm umkehren muss. Es kommt daher nur eine deliktsspezifische Regelung bei §§ 299, 299a und 299b StGB in Betracht. 12. Die zweiseitigen Tathandlungen auf Nehmerseite erfordern aus Schuldgesichtspunkten für die Reuehandlung eine Anzeige der Tat. Eine solche Anzeigepflicht ist aufgrund der Sonderstellung des Täters auf Nehmerseite praktisch nicht realisierbar. Insbesondere bei den einseitigen Tathandlungen des Anbietens, Versprechens und Forderns entfalten die Argumente fußend auf dem Gleichheitsgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip besonderes Gewicht. Aus diesem Grund sollte die Regelung einer tätigen Reue in jedem Fall bei den einseitigen Tathandlungen erfolgen, um die Ultima Ratio-Funktion der Strafe zu wahren.

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Stichwortverzeichnis Anzeigepflicht 257, 262 ff. Approbation 264 Besteuerungssystem

89 ff., 118 ff.

Compliance 24 Corporate crime 31 Freiwilligkeit 201 ff.

134, 141 ff., 152,

Gefährdungsumkehr 136 ff., 203 f., 215 Generalprävention 126, 167 ff., 204 ff., 259 ff. Geschäftsherr 50 f., 53, 56 Heilberufliche Integrität 253, 263 Indizkonstruktion

54, 56, 229,

158 ff.

Kapitalmarkt 75 ff., 93, 201 Kollektivrechtsgut 37 ff., 59, 283 Legalitätsprinzip Mitbewerber

133, 149, 206

45 f., 54 f., 233 ff., 245 f.

Occupational crime 31 Opferschutz 133, 140, 245 Präsumtionstheorie Rechtsgut 34 f. Reueerfolg 210

186 ff.

Schuldgrundsatz 239 ff., 242 Schuldunterschreitung 175 Selbstanzeige 198 ff., 209, 264 Selbstgeldwäsche 68 Soziale Marktwirtschaft 39 Spezialprävention 126 ff., 137 ff., 167, 170 ff., 206 ff., 261 ff. Steueranspruch 90 f. Strafzumessungsschuld 153 ff., 166 f., 174 ff., 200 ff., 239, 247 Strafzwecke 123, 125 ff., 137 ff., 153 ff., 167 ff., 173 ff., 193 ff., 207 ff. Subventionssystem 93, 201 Systemimmanenter Rechtsgutsbegriff 36, 42 Systemkritischer Rechtsgutsbegriff 36, 42 Tatschuld

159 ff., 166, 174, 207 f.

Ungleichbehandlung 77, 239, 244, 265 f. Unrechtsvereinbarung 223 ff., 255 f. Unschuldsvermutung 150 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 239 ff., 242 f. Vermögen 45, 70, 75, 78, 82, 86, 89 Verrechnung 163 ff. Vertragsarztbeschluss 52 Vertrauen 37 f. Wertpapier 63 Wertzeichen 63 Wettbewerb 47 White collar crime 30 Wirtschaft 38 f., 43