Konsum und Nation: Zur Geschichte nationalisierender Inszenierungen in der Produktkommunikation [1. Aufl.] 9783839419540

Ob durch Reiseführer, Whisky-Inserate oder »Buy-National«-Kampagnen: Über eine Vielzahl an Medien transportierte die Pro

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Konsum und Nation: Zur Geschichte nationalisierender Inszenierungen in der Produktkommunikation [1. Aufl.]
 9783839419540

Table of contents :
Inhalt
Einleitung. Konsum und Nation
GESCHICHTE, TRADITION, TERRITORIUM
Schweizer Schokolade. Zum Verhältnis von Identität, Alterität und der Genese eines nationalen Symbols um 1900
Fashioning a Fashionable Canada. Redeeming Whisky and Popularizing the Nation in Seagram’s Advertisements
Narratives of Heritage and Modernity. National Production and Consumption in Greek Adver tising
MOBILITÄT, MODERNITÄT, NATIONALITÄT
Motorization and Nationalization. Small cars in Western Europe, 1950-1970
Automobilisierung auf Österreichisch. Zwei Anläufe einer Nationalisierung von Kleinwagen
PATRIOTISMUS, ABWEICHUNG, VERRAT
Variations on a Global Theme? A Comparative Perspective on Nationalism and Consumerism in Modern China
Luxuskonsum als Herausforderung. Nationalisierung im Japan der frühen Nachkriegszeit
DIE ANDEREN, IHRE PRODUKTE, ›UNSERE‹ NATION
Spaghetti im Film. Medialisierung und Italianisierung des Nahrungskonsums in der Bundesrepublik Deutschland
Aping the West in Hungary. ›Fridge Socialism‹ and the Making of the ›Teenager‹
Autoren und Autorinnen

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Oliver Kühschelm, Franz X. Eder, Hannes Siegrist (Hg.) Konsum und Nation

Histoire | Band 31

Oliver Kühschelm, Franz X. Eder, Hannes Siegrist (Hg.)

Konsum und Nation Zur Geschichte nationalisierender Inszenierungen in der Produktkommunikation

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Wien, sowie der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Plakat der Arbeitsgemeinschaft »Kauft österreichische Waren«, ca. 1931. Email-Schild für Tell-Schokolade des deutschen Unternehmens Hartwig & Vogel, 1901. Werbung der griechischen Bierbrauerei Fix, 1954. Lektorat: Oliver Kühschelm, Franz X. Eder, Hannes Siegrist Korrektorat der englischsprachigen Texte: Matthias Müller Satz: Katharina Lang, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1954-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung Konsum und Nation Oliver Kühschelm, Franz X. Eder, Hannes Siegrist | 7

G ESCHICHTE , T RADITION , T ERRITORIUM

| 45

Schweizer Schokolade Zum Verhältnis von Identität, Alterität und der Genese eines nationalen Symbols um 1900 Roman Rossfeld | 47

Fashioning a Fashionable Canada Redeeming Whisky and Popularizing the Nation in Seagram’s Advertisements Lisa Sumner | 81

Narratives of Heritage and Modernity National Production and Consumption in Greek Advertising Artemis Yagou | 109

M OBILITÄT , M ODERNITÄT , N ATIONALITÄT | 135 Motorization and Nationalization Small cars in Western Europe, 1950-1970 Manuel Schramm | 137

Automobilisierung auf Österreichisch Zwei Anläufe einer Nationalisierung von Kleinwagen Oliver Kühschelm | 163

P ATRIOTISMUS , A BWEICHUNG , V ERRAT

| 195

Variations on a Global Theme? A Comparative Perspective on Nationalism and Consumerism in Modern China Karl Gerth | 197

Luxuskonsum als Herausforderung Nationalisierung im Japan der frühen Nachkriegszeit Katrin Gengenbach | 223

D IE A NDEREN , IHRE P RODUK TE , › UNSERE ‹ N ATION Spaghetti im Film Medialisierung und Italianisierung des Nahrungskonsums in der Bundesrepublik Deutschland Maren Möhring | 255

Aping the West in Hungary ›Fridge Socialism‹ and the Making of the ›Teenager‹ Sándor Horváth | 279

Autoren und Autorinnen | 303

| 253

Einleitung Konsum und Nation Oliver Kühschelm, Franz X. Eder, Hannes Siegrist

Der vorliegende Band1 behandelt das Verhältnis zwischen zwei Leitbegriffen, welche die moderne Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur maßgeblich prägen: Konsum und Nation. Untersucht wird, wie Prozesse der Nationalisierung und Entwicklungen in der Konsumkultur ineinandergreifen. Produzenten, Händler, Kulturexperten, Politiker und Konsumenten schufen im 20. Jahrhundert sehr unterschiedliche Konnexe zwischen Nation und Konsum, wie einige Beispiele zeigen können: Der Schweizer Schokoladeproduzent Tobler pries 1915 auf einem Plakat seine Schokolade als den »höchsten Gipfel der Vollkommenheit« und erhob damit nicht nur einen Qualitätsanspruch, sondern verband das ursprünglich exotische Produkt mit der Vorstellung einer alpinen Schweiz. In Kanada begann Samuel Bronfman, der 1927 die Seagram Brennerei erworben hatte, seinen Whisky als Inkarnation eines eigenständigen, doch dem englischen Erbe treuen Kanada zu positionieren. Als einen »Euphemismus für Erpresserbanden« bezeichnete 1929 der US-Konsul in der südchinesischen Küstenstadt Fuzhou das National Product Movement, das die chinesischen Konsumenten und Händler in die patriotische Pflicht nehmen wollte. Im Japan der 1950er Jahre befürchtete eine Modejournalistin, dass die Amerikanisierung die Tradition japanischer 1 | Die Beiträge gehen auf eine von den Herausgebern veranstaltete Tagung zurück, die unter dem Titel Product Communication and the Nationalization of Consumption von 1.-3. Oktober 2009 in Wien stattfand. Für die Finanzierung der Tagung danken wir: Gerda Henkel Stiftung, BM für Wissenschaft und Forschung (Wien), Kulturabteilung der Stadt Wien, Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien.

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Eleganz bedrohte. Ihre paradox klingende Alternative lautete: Die Orientierung an der französischen Kultur hilft, den japanischen Sinn für Eleganz zu stärken. Ein 1957 erschienener Sprachreiseführer bereitete seine deutschen Leser auf einen entscheidenden Moment ihrer Italienreise, eine kulinarische »Feuerprobe«, so vor: »Wenn Sie jetzt daran gehen, die Spaghetti zu zerschneiden, dann ist es besser, Sie fahren gleich zum Brenner zurück.« Ein österreichischer Motorjournalist warb ebenfalls 1957 für den neuen Steyr Puch 500 mit dem Argument: »Weil wir Österreicher zu arm sind, um etwas Billiges kaufen zu können, entstand ein Qualitätsmotor, auf den selbst dreimal so dicke Wagen […] aus den anderen europäischen Ländern eifersüchtig sind.« Den Franzosen wurde Ende der 1950er Jahre der 2CV von Citroën als »Descartes mit Bolzen« angepriesen. Alfa Romeo verlangte 1968 von den Italienern, italienische Autos den ausländischen vorzuziehen. Den Konsumangeboten des Gulaschkommunismus unter Kádár setzten rebellische Jugendliche die Orientierung an kapitalistischer Popkultur oder Konsumverweigerung entgegen, beides mit nationalistischen Untertönen. Die Splitter vermitteln einen ersten Eindruck vom Spektrum der in diesem Band behandelten Themen, Quellen, Länder und Zeiträume. Sie verweisen auf Differenzierungs- und Distinktionsstrategien, zeigen, wie Unternehmen, Interessenverbände, staatliche Organisationen und Massenmedien in der Konsumkultur mithilfe von Images kommunizierten. Die Autoren und Autorinnen des Bandes analysieren Texte, Bilder und Filme. Zum einen entstanden diese im Rahmen von Marketing-, Werbe- und Brandingstrategien, die in Inserate, Werbeplakate, Schilder und Produktverpackungen umgesetzt wurden. Die zweite dominante Quellengattung ist die journalistische Auseinandersetzung mit Produkten und Konsumpraktiken. Alle hier versammelten Forschungen legen ihren Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert, insbesondere auf die Zeit zwischen 1920 und 1970. Fallstudien über Kanada, China und Japan ergänzen den Blick auf die europäischen Nationen. Allgegenwärtig ist die ›amerikanische Herausforderung‹.2 2 | Dazu existiert eine Fülle an Literatur, z.B. Reinhold Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg, Wien 1991; Alf Lüdtke/Inge Marßolek/Adelheid von Saldern, Hg., Amerikanisierung: Traum und Alptraum im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1996; Victoria De Grazia, Irresistible Empire: America’s Advance Through Twentieth-Century Europe, Cambridge, Mass./London 2005 (dt.: Das unwiderstehliche Imperium. Amerikas Siegeszug im Europa des 20. Jahrhun-

E INLEITUNG

G ESCHICHTE DES K ONSUMS UND G ESCHICHTE DER N ATION Die Konsumgeschichte hat sich seit den 1980er Jahren zu einer fruchtbaren historischen Subdisziplin entwickelt, zunächst im angelsächsischen Raum,3 dann in der deutschsprachigen Forschung.4 Die Verräumlichung konsumbezogener materieller, symbolischer und sozialer Ordnungen und insbesondere das Nationalisierungspotential des Konsums sind allerdings bis heute weniger gut erforscht.5 Der vorliegende Band stößt in diese Lücke vor und reiht sich so in eine noch überschaubare Zahl von derts, Stuttgart 2010); Lars Koch, Hg., Modernisierung als Amerikanisierung? Entwicklungslinien der westdeutschen Kultur 1945-1960, Bielefeld 2007. 3 | Bspw. Neil McKendrick/John Brewer/John Harold Plumb, The Birth of a Consumer Society: the Commercialization of Eighteenth-Century England, Bloomington 1982; Roland Marchand, Advertising the American Dream: Making Way for Modernity, 1920-1940, Berkeley 1985. 4 | Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Michael Wildt, Am Beginn der »Konsumgesellschaft«. Mangelerfahrung, Lebenshaltung, Wohlstandshoffnung in Westdeutschland in den fünfziger Jahren, Hamburg 1994; Hannes Siegrist/Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka, Hg., Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschaftsund Kulturgeschichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt a.M./ New York 1997; Jakob Tanner u.a., Hg., Geschichte der Konsumgesellschaft. Märkte, Kultur und Identität (15.-20. Jahrhundert) 1998; Wolfgang König, Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000; Heinz-Gerhard Haupt, Konsum und Handel. Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2002; Susanne Breuss/Franz X. Eder, Hg., Konsumieren in Österreich. 19. und 20. Jahrhundert, Innsbruck/Wien u.a. 2006; Christian Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, Göttingen 2008; Claudius Torp/Heinz-Gerhard Haupt, Hg., Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890-1990. Ein Handbuch, Frankfurt a.M. 2009; eine frühe Studie: Roman Sandgruber, Die Anfänge der Konsumgesellschaft. Konsumgüterverbrauch, Lebensstandard und Alltagskultur in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, Wien 1982. 5 | Vgl. Oliver Kühschelm, Die Nation im Alltag. Nationalisierende Potenziale von Produktkommunikation, in: ders., Hg., Nationalisierende Produktkommunikation (= Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 21/2), Innsbruck/ Wien/Bozen 2010, 5-18; Maren Möhring, Neue Bücher für den Einkaufszettel. Die Nationalisierung und Ethnisierung des Konsums, in: Neue Politische Literatur 56/1 (2011), 5-35, hier 5f.; Hannes Siegrist/Manuel Schramm, Hg., Regionali-

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Publikationen ein, die eine international vergleichende, transfer- und verflechtungsgeschichtliche Perspektive eröffnen. Er untersucht das Verhältnis von Konsum und Nation insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Produktkommunikation und auf der Grundlage massenmedialer Dokumente der Inszenierung von Konsumgütern. Es geht um die diskursive Nationalisierung von Objekten. Andere Bereiche des Konsumierens, namentlich Dienstleistungen, insbesondere Fremdenverkehrs-, Kultur- und Medienangebote bleiben weitgehend unberücksichtigt.6 Unter Konsumieren sei hier das Erwerben von Gütern im Rahmen von Marktbeziehungen, der anschließende Ge- und Verbrauch, aber auch die dem Kauf vorangegangene Auseinandersetzung mit dem Produkt verstanden.7 »Consumption is a ritual process whose primary function is to make sense of the inchoate flux of events«, hielten Mary Douglas und Baron Isherwood in ihrer wegweisenden Studie The World of Goods fest.8 Konsumgüter und -muster sind in die kulturellen Handlungs- und Konfliktformen zwischen Menschen eingebettet. Sie dienen als »nonverbal medium for the human creative faculty«9 . Die Bedeutung eines Konsumguts lässt sich keinesfalls auf seinen Gebrauchswert oder Grundnutzen reduzieren, auf eine instrumentelle Größe abseits kultureller Repräsentationen. Mit Konsumgütern wird stets sowohl gehandelt als auch kommuniziert. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Der Band untersucht Phänomene und Prozesse der Produktkommunikation, verstanden nicht als Einwegkommunikation des Unternehmens an die Konsumenten, sondern als ein Bündel von sozialen und diskursiven sierung europäischer Konsumkulturen im 20. Jahrhundert, Leipzig 2003 (mit Fallstudien zur Regionalisierung und Nationalisierung des Konsums). 6 | Siehe Hasso Spode, Raum, Zeit, Tourismus. Touristischer Konsum zwischen Regionalisierung, Nationalisierung und Europäisierung im langen 19. Jahrhundert, in: Winfried Eberhard/Christian Lübke, Hg., Die Vielfalt Europas. Identitäten und Räume, Leipzig 2009, 251-264. 7 | Hannes Siegrist, Konsum, Kultur und Gesellschaft im modernen Europa, in: ders./Kaelble/Kocka, Europäische Konsumgeschichte, 13-48; Franz X. Eder, Konsumieren und Verbrauchen, in: Markus Cerman u.a., Hg., Wirtschaft und Gesellschaft, Europa 1000-2000, Wien 2011, 279-304. 8 | Mary Douglas/Baron Isherwood, The World of Goods: Towards an Anthropology of Consumption, London/New York 1996 [1979], 43. 9 | Ebd.

E INLEITUNG

Praktiken, die um Produkte kreisen.10 Diese Praktiken begründen Beziehungen von Subjekten und Dingen, ebenso aber von Subjekten untereinander. Konsumgüter erhalten im Austausch zwischen sozialen Subjekten ihre Bedeutungen, so wie umgekehrt Subjekte sich mittels der Konsumgüter gegenüber anderen Subjekten positionieren, Zugehörigkeit zu Gruppen ausdrücken. Hier interessiert vor allem die nationale Großgruppe. Die Vorstellung der Nation hat seit dem späten 18. Jahrhundert überkommene Herrschafts- und Vergesellschaftungsformen transformiert, neue Staaten und Formen der Vergemeinschaftung begründet und stabilisiert. In Verbindung mit dem Staat erweist sich die Nation als eine Verwaltungsrealität, eine politische und ökonomische Größe von erheblicher Dauer. Ihr kulturelles Korrelat, die Vorstellung von Gemeinschaft,11 lässt sich viel weniger leicht als stabile Essenz begreifen, sondern ist immer ein vorübergehendes Ergebnis im Schnittpunkt von Prozessen der Nationalisierung und Entnationalisierung. Die Gestalt der imagined community Nation und ihre Eindringlichkeit hängen von der Bereitschaft der vielen ab, die eigene Lebenswelt12 und die über diese hinausreichenden sozialen Verknüpfungen entlang nationaler Deutungsmuster zu verstehen. Die Nation wird mithin immer wieder neu hergestellt. Großetiketten wie die Nation haben den Vorteil, dass sie als Instrumente umfassender Weltdeutung eingesetzt werden können. Für Nationalisten verweist alles und jedes auf die Nation. Zeichentheoretisch gesprochen kommt der Nation die Rolle eines privilegierten Signifikanten zu, der in einer kontingenten Welt für eine (scheinbare) Fixierung der stets gleitenden und uns dadurch entgleitenden Signifikate sorgt. Dieser Status hat jedoch einen Preis: Privilegierte Signifikanten sind leer.13 Um zu sozialer Wirksamkeit zu gelangen, muss aber auch das Etikett Nation mit kon10 | Vgl. Rainer Gries, Produktkommunikation. Geschichte und Theorie, Wien 2008. 11 | Benedict Anderson, Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983. 12 | Alfred Schütz/Thomas Luckmann, Strukturen der Lebenswelt, Konstanz 2003. 13 | Philipp Sarasin, Die Wirklichkeit der Fiktion. Zum Konzept der »imagined communities«, in: ders., Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt a.M. 2003, 150-176; Ernesto Laclau, Emanzipation und Differenz, Wien 2002, 65-70.

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kreten Inhalten gefüllt werden,14 selbst wenn diese aufgrund der Fallhöhe, die mit dem Anspruch eines privilegierten Signifikanten einhergeht, stets prekär und banal erscheinen. In modernen Gesellschaften konstituieren sich die Lebenswelten maßgeblich im Umgang mit den zahllosen Konsumgütern, die daher auch in die nationale Selbstvergewisserung eingebracht werden. Konsumgüter mögen von einem weihevollen Nationsverständnis himmelweit entfernt sein, können der Nation aber als handhabbare, sichtbare Dinge Evidenz borgen. Eine vielzitierte Beobachtung von Benedict Anderson ist unmittelbar für unser engeres Thema von Belang: »Indem der Zeitungsleser beobachtet, wie exakte Duplikate seiner Zeitung in der U-Bahn, beim Friseur, in seiner Nachbarschaft konsumiert werden, erhält er ununterbrochen die Gewissheit, dass die vorgestellte Welt sichtbar im Alltagsleben verwurzelt ist.«15 Anderson weist damit auf einen zentralen Aspekt des Beitrags von Konsumgütern zur Nationalisierung hin, nämlich die von Marketingexperten als »Ubiquität« oder »Verkehrsgeltung« bezeichnete Präsenz immer gleicher Artefakte in allen Teilen des in Volkswirtschaft und Binnenmarkt umgemünzten nationalen Territoriums. Einen zweiten Aspekt müssen wir hinzufügen: die nationalisierenden Bedeutungen, mit denen die konnotative Aura von Produkten aufgeladen werden kann. In der historischen Forschung über die Nationalisierung von Konsum dominierten bisher wirtschafts- und politikgeschichtliche Ansätze, die sich etwa auf die Schließung eines Konsumraums durch protektionistische Wirtschaftspolitik bzw. damit verbundene Strategien der politischen Mobilisierung und Regulierung konzentrieren. Der vorliegende Band untersucht das Verhältnis von Konsum und Nation hingegen stärker unter kulturwissenschaftlichen Gesichtspunkten, indem er die Integration von Konsumgütern in ein Netz von nationalen Symbolen behandelt. Der Fokus liegt auf einzelnen prestigeträchtigen Produkten als Symbolen des Nationalen und auf der Frage, wie sehr die Produktkommunikation insgesamt durch Referenzen auf die Nation bestimmt ist. 14 | Vgl. Wolfgang Kaschuba, Die Nation als Körper. Zur symbolischen Konstruktion ›nationaler‹ Alltagswelt, in: Étienne François/Hannes Siegrist/Jakob Vogel, Hg., Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich, 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995, 291-299. 15 | Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines erfolgreichen Konzepts, Frankfurt a.M. u.a. 1993, 40f.

E INLEITUNG

Die beiden umrissenen Zugänge bzw. Forschungsfelder überschneiden einander vielfach, sind aber nicht kongruent. Eine Schutzzollpolitik, die das Warenangebot auf im Inland hergestellte Produkte begrenzen will, muss nicht deren symbolische Aufladung als Verkörperungen der Nation betreiben, da diese ohnehin von Arbeitskräften und Firmen des eigenen Landes hergestellt worden sind. Das kann genügen. Wenn andererseits ein Produkt durch die rhetorische oder symbolische Verbindung mit typischen Landschaften oder Mentalitäten nationalisiert wird, so muss eine solche Inszenierung nicht mit der Forderung nach einer systematischen Bevorzugung aller heimischen Produkte einhergehen. Brücken sind aber leicht zu schlagen. Die geschichtswissenschaftliche Forschung zur Nation hat sich lange Zeit kaum für Konsumgüter als Medien der Nationalisierung interessiert. Die Welt des Konsums galt als Bereich des Alltags, der in der traditionellen Nationalgeschichte nicht im Vordergrund stand.16 Die lebensweltliche Plausibilität, die der Nation durch ihre Integration in den Alltag zuwächst, stellt aber Ressourcen für die Mobilisierung im Ausnahmefall zur Verfügung. »Banaler Nationalismus«17 kann schnell in Gewalt umschlagen. In der Geschichte hat sich die Nation aber weder als so harmlos erwiesen, wie es viele nationale Symbole in Produktform, von der Kräuterlimonade zur Milchschokolade, suggerieren, noch war und ist sie jederzeit eine Hetzgemeinschaft zur Ausgrenzung der Anderen. Die meiste Zeit fungiert sie als ein Raster zur sozialen und diskursiven Ordnung des Alltags. Die Beiträge des Bandes weisen allerdings auch immer wieder darauf hin, dass nationale Konsumgüter, Deutungen und Praktiken bei aller realen oder vermeintlichen Besonderheit im Rahmen inter- und transnationaler Verflechtungen zu begreifen sind.18 Jede Nation möchte eine Welt für 16 | Vgl. Tim Edensor, National Identity, Popular Culture and Everyday Life, Oxford/New York 2002, 1-23. 17 | Michael Billig, Banal Nationalism, London/Thousand Oaks, Calif./New Dehli 1999. 18 | Zur transnationalen Dimension der Konsumgeschichte siehe Manuel Schramm, Hg., Vergleich und Transfer in der Konsumgeschichte (= Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung 19/6), Leipzig 2009; John Brewer/Frank Trentmann, Hg., Consuming Cultures, Global Perspectives. Historical Trajectories, Transnational Exchanges, Oxford u.a. 2006.

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sich sein. Doch sind Nationen auch in mannigfaltige globale Beziehungen mit politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und konsumkulturellen Dimensionen eingespannt. Ihre Identität konstituiert sich über diese Relationen, im Zusammenspiel von Fremd- und Selbstbildern, in Abwehr, Nachahmung und Konkurrenz.

A K TEURE DER N ATIONALISIERUNG : S TA AT, U NTERNEHMEN , K ONSUME XPERTEN , K ONSUMENTEN Vier Akteure treiben hauptsächlich die Nationalisierung des Konsums voran: der Staat, die Unternehmen, Konsumexperten und Konsumenten. Staatliche Institutionen und Einrichtungen können die Nationalisierung des Konsums durch politische und administrative Maßnahmen fördern: durch hohe Zölle, Kontingente, Einfuhrsperren sowie durch eine Vielfalt von Gesetzen und Verordnungen, die den einheimischen Produzenten Vorteile verschaffen. In der neomerkantilistischen Phase seit dem späten 19. Jahrhundert wurde dieses Repertoire verstärkt angewendet, in der Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre noch vertieft. Mit der Neuordnung der internationalen Handelsbeziehungen durch die Verträge von Bretton Woods, in Europa durch Montanunion und Wirtschaftsgemeinschaft, global durch die Verhandlungen im Rahmen von GATT und später WTO nahm die Entwicklung wieder eine gegenteilige Richtung. Ob Staat oder Unternehmen als die first mover einer konkreten Nationalisierungsbemühung gelten müssen, ist oft nicht leicht auszumachen. Als 1927 in Österreich nach schweizerischem und britischem Vorbild die Kampagne »Kauft österreichische Waren« aus der Taufe gehoben wurde, war dem eine Anregung des Handelsministeriums vorausgegangen, die von der Wiener Handelskammer und dem Hauptverband der Industrie aufgegriffen wurde. So lautete einerseits die Darstellung gegenüber anderen Interessenverbänden, die man zum Mittun bewegen wollte. Andererseits entsprach die Kampagne offensichtlich den Anliegen von wesentlichen Teilen der Industrie, die im Handelsministerium stets ein offenes Ohr fand.19 19 | Vgl. Oliver Kühschelm, Implicit Boycott: The Call for Patriotic Consumption in Austria in the Interwar Period, in: Management & Organizational History 5/2 (2010), 165-195.

E INLEITUNG

Schutzmaßnahmen werden häufig auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten, die als nationale Champions auftreten. Die italienischen Kraftfahrzeugzölle erfüllten bis in die 1960er Jahre hinein Wünsche von Fiat,20 im Österreich der 1930er Jahre genoss der Schutz von Steyr-Daimler-Puch, seit 1934 mittelbar in Staatsbesitz, gegenüber der ausländischen Konkurrenz Priorität, auch wenn hohe Fahrzeugpreise die angestrebte Automobilisierung behinderten.21 Die Grenzen zwischen dem Staat und den großen Unternehmen sind häufig unscharf – aufgrund der Verflechtung der Eliten, der Einflussnahme von Lobbyorganisationen, der Eigentümerstruktur oder der Einbindung der Unternehmen in großangelegte, von staatlichen Stellen gesteuerte Wirtschaftspläne, wie es etwa das japanische MITI eindrucksvoll vorführte. Um die Förderung der großen Konzerne zu legitimieren, wird mit Arbeitsplätzen oder dem eigenen Weg zu einer zukunftsträchtigen Technik argumentiert, aber auch die Anbindung an nationale imagery gesucht. Wenn man nicht auf einen administrativen Protektionismus zugreifen kann oder will, so bieten sich Kampagnen an, die ein patriotisches Kaufverhalten propagieren. Oft standen diese in einem Substitutionsverhältnis zur Hochzollpolitik: Großbritannien hatte im 19. Jahrhundert den Freihandel zur nationalen Ideologie erhoben und noch als die imperiale Überlegenheit zu schwinden begann, blieben protektionistische Maßnahmen lange unvorstellbar. Stattdessen wurde 1926 das Empire Marketing Board geschaffen, eine Abteilung des Kolonialministeriums. Unter Einsatz der damals neuesten Marketingmethoden wollte man die Konsumenten zur Bevorzugung von Produkten aus dem britischen Herrschaftsbereich bewegen. Als die Regierung 1932 die Kehrtwendung zu Schutzzöllen vollzog, wurde das Empire Marketing Board aufgelöst. Zölle sollten nun ein Verhalten erzwingen, zu dem Kampagnen die Konsumenten bisher nur hatten überreden können. Die Propaganda aber hatte beigetragen, die protektionistische Abkehr von Free Trade akzeptabel zu machen.22

20 | Vgl. Francesca Fauri, The Role of Fiat in the Development of the Italian Car Industry in the 1950’s, in: Business History Review 70 (1996), 167-206. 21 | Vgl. den Beitrag von Oliver Kühschelm in diesem Band. 22 | Vgl. Stephen Constantine, Bringing the Empire Alive: The Empire Marketing Board and Imperial Propaganda, 1926-33, in: John M. MacKenzie, Hg., Imperialism and Popular Culture, Manchester 1998, 192-231; Frank Trentmann, Free

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Bei der nationalen Aufladung des Konsums und einzelner Konsumgüter griff der Staat allerorten auf Instrumentarien zurück, wie sie Unternehmen bei ihren Marketinganstrengungen einsetzten. Vor allem in der Außendarstellung ist längst auch die Nation selbst zum Produkt und zur Marke geworden. Im Zuge der Professionalisierung der Image-Kommunikation, ob zur Hebung des Fremdenverkehrs, zur Exportförderung oder um Auslandsinvestitionen anzuziehen, hat sich nation branding als gängige Praxis etabliert.23 Nicht immer jedoch ist der Staat der natürliche Freund einer Nationalisierung des Konsums. Innerhalb eines imperialen Gefüges kann sie das Zusammenspiel von Zentrum und Peripherie stören. Im Britischen Empire wurden immer wieder Konsumentenboykotte im Rahmen nationalen Aufbegehrens organisiert. In der von hohen Zollmauern umgrenzten Habsburgermonarchie wurde die Einheit des Binnenmarkts von den Tschechen mit dem Aufruf »Svůj k svému« (Jeder zu den Seinen) und durch die ungarische »Tulpenbewegung« unterlaufen.24 Letztere richtete sich gegen Waren aus der österreichischen Reichshälfte und besaß immerhin eine gewisse Rückendeckung in den Eliten des ungarischen Teilstaats. Kein Interesse an einer nationalen Codierung des Konsums ließ hingegen später das Kádár-Regime erkennen, obwohl in der Außenwahrnehmung vom Gulaschkommunismus als einer ungarisch-spezifischen Variante die Rede war. Der magyarische Nationalismus beruhte seit der Revolution 1956 zu sehr auf antikommunistischen und antisowjetischen Haltungen. Welche Unternehmen betreiben typischerweise eine Nationalisierung des Konsums oder einzelner Produkte, ihrer eigenen selbstredend? Industrieunternehmen, oft mittelständischen Formats, die ihre Ware vordringTrade Nation. Commerce, Consumption, and Civil Society in Modern Britain, Oxford 2008. 23 | Siehe z.B. Keith Dinnie, Nation Branding. Concepts, Issues, Practice, Oxford 2007. 24 | Siehe Christoph Boyer, Die Erfindung der tschechischen Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert, in: Jacques Le Rider/Moritz Csáky/Monika Sommer, Hg., Transnationale Gedächtnisorte in Zentraleuropa, Innsbruck 2002, 53-66; Ágnes Pogány, Wirtschaftsnationalismus in Ungarn im 19. und 20. Jahrhundert, in: dies./Eduard Kubu˚/Jan Kofman, Hg., Für eine nationale Wirtschaft. Ungarn, die Tschechoslowakei und Polen vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, Berlin, 2006, 11-71.

E INLEITUNG

lich auf einem mit dem Nationalstaat deckungsgleichen Binnenmarkt vertreiben, können die nationale Aufladung ihrer Erzeugnisse als Mittel gegen ausländische Konkurrenz einsetzen. In vielen Ländern hielten lokale Hersteller Coca Cola eigene Softdrinks oder gar Cola-Getränke entgegen, wie die längst wieder vom Markt verschwundene Austro-Cola oder die iranische Zam Zam Cola, die sich als muslimische Alternative zu den USMarken Pepsi und Coca Cola gut verkauft. Wie nationalisierende Signale dem Zuschnitt von Absatzmärkten und -zielen folgen, zeigt das Beispiel des Tiroler Swarovski-Konzerns. Als sich das Unternehmen nicht mehr mit seiner Nische als Erzeuger von Schmucksteinen begnügen, sondern weltweit als Markenartikelhersteller auftreten wollte, gab man das angestammte Firmenlogo auf. Anstelle des Edelweiß, der Tiroler Alpenblume schlechthin, verwendet Swarovski seither einen stilisierten Schwan als Symbol von Eleganz ohne Lokalkolorit.25 Vielfach nützen Unternehmen aber gerade im Export den Country-of-Origin-Effekt26, d.h. die Verbindung aus Produkt- und Landesimage. Stereotype wie die deutsche Gründlichkeit werden für deutsche Industrieprodukte kapitalisiert, das Alpenimage für die Schweizer Schokolade27. Andererseits setzen international agierende Konzerne auch darauf, in Auslandsmärkten durch eine selektive Nationalisierung als einheimisches Unternehmen wahrgenommen zu werden. Der britisch-niederländische Unilever-Konzern erwarb weltweit gleichartige Produktionsstätten, um Produkte für den jeweiligen Binnenmarkt herzustellen, die unter je eigenen Markenbezeichnungen vertrieben wurden (und immer noch werden).28 Im Fall von Ford waren es die Produktionsstätten in Dagenham und Köln, die das Unternehmen in Deutschland respektive Großbritannien als nationalen Erzeuger akzeptabel machten. Die europäischen Ableger des US-Konzerns boten bis in die 1960er Jahre eigenständige Produktlinien

25 | Vgl. Oliver Kühschelm, Swarovski. Österreichischer »Multi« und Tiroler »Weltmarke«, in: Emil Brix/Ernst Bruckmüller/Hannes Stekl, Hg., Memoria Austriae III. Unternehmer, Firmen, Produkte, Wien 2005, 131-168. 26 | Keith Dinnie, Country-of-Origin 1965-2004: A Literature Review, in: Journal of Customer Behaviour 3/2 (2004), 165-213. 27 | Vgl. den Beitrag von Roman Rossfeld in diesem Band. 28 | Vgl. Geoffrey Jones, Renewing Unilever: Transformation and Tradition, Oxford u.a. 2005.

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an.29 Selbst Coca Cola, die Ikone des American Way of Life, war bemüht, nationale Gefühle nicht zu verletzen. Mit dem Zweiten Weltkrieg verband sich ein Schub an globaler Präsenz, der das Unternehmen mit lokalen Abfüllern und einer Anpassung der Werbung an den jeweiligen nationalen Kontext die Spitze zu nehmen suchte. Ab den 1980er Jahren schwenkte die Coca Cola Company auf mehr Zentralismus um, bis man zur Jahrtausendwende wieder verstärkt glokalisierend zu kommunizieren begann.30 Auch McDonald’s, ein weiteres Paradesymbol der US-Konsumkultur und eben darum Zielscheibe von Kritik, Boykottaktionen und selbst terroristischen Anschlägen, nimmt im jeweiligen Gastland nationalisierende Elemente in seine Kommunikation auf. So ließ MacDonald’s 2009 in Österreich auf Plakaten eine Kuh mit Trachtenhut verkünden: »I’m from Austria.« Der Slogan spielte auf den gleichnamigen Hit eines AustropopSängers an, der in seinem Lied der ganzen Welt – daher auf Englisch – stolz seine nationale Herkunft verkündet. Bis zur Schlachtung soll die Anthropomorphisierung der Kuh indes nicht weitergedacht werden. Auch in der Schweiz warb McDonalds mit dem heimischen Ursprung des Burgerfleisches, wobei dem Unternehmen jedoch ein Fauxpas unterlief: Die plakatierte Kuh wurde aufgrund der Marke im Ohr bald als Österreicherin enttarnt.31 Der McItaly wiederum, den McDonald’s 2010 in Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium für den italienischen Markt kreierte, enthielt nur italienische Ingredienzien. »Il gusto McDonald’s parla Italiano«, lautete der Slogan. In Frankreich ließ man zur selben Zeit Asterix im McDonald’s Restaurant ein Gelage feiern. In Internetforen erntete diese Aneignung französischer Populärkultur jedoch einigen Protest, wie auch der McItaly nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß.32 McDonald’s spielt mit nationalen Images, zugleich ist der Verweis auf den nationalen Ur-

29 | Stefan Bauernschmidt, Ford im Zwischenkriegs-Berlin. Notizen zur Benennung von Ford als amerikanische Gefahr, in: Kühschelm, Nationalisierende Produktkommunikation, 173-187; Hubert Bonin/Yannick Lung/Steven Tolliday, Hg., Ford, 1903-2003: The European History, 2 Bände, Paris 2003; siehe auch den Beitrag von Manuel Schramm in diesem Band. 30 | Vgl. Robert John Foster, Coca-Globalization: Following Soft Drinks from New York to New Guinea, New York/Bastingstoke 2008. 31 | Neue Zürcher Zeitung vom 20. Juli 2009. 32 | Reuters vom 5. Februar 2010; Süddeutsche Zeitung vom 21. August 2010.

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sprung der Rohstoffe ein wesentliches Argument, das der nationalisierenden Rhetorik ökonomische Glaubwürdigkeit verleihen soll. Unternehmen, die als Akteure von Nationalisierung auftreten, ergreifen eine Marketingstrategie, die ihre Führung für vielversprechend hält. Soviel scheint klar. Doch die Zuspitzung auf die Gewinnaussicht ist auch eine Reduktion, denn Unternehmen sind komplexe Institutionen, die sich nicht nur auf ökonomischen Märkten bewegen, sondern sozialen, politischen, kulturellen Ansprüchen gerecht werden sollen, und selbst der Unternehmer ist nicht nur homo oeconomicus. Wenn sich Seagram für den Heimmarkt prononciert kanadisch gab, so war es Samuel Bronfman nicht nur um Absatzsicherung zu tun. Es ging ihm ebenso um soziales und kulturelles Kapital. Als jüdischer Unternehmer, der mit Alkoholschmuggel in die USA Geld gemacht hatte, diente ihm sein ostentativer Patriotismus als Mittel, um von der britisch-kanadischen Elite akzeptiert zu werden. Lisa Sumner betont, Bronfmans Nationalismus sei »sincere«, also nicht vorgeschützt gewesen. Damit ist die Frage angerissen, an welchen Punkten das soziologische Decouvrieren von Interessen hinter dem Diskurs, das diesen zur bloßen Oberfläche macht, angebracht ist und wo es den Blick auf ein komplexes Ineinandergreifen von sozialen und diskursiven Praktiken verstellt. Zwischen die Unternehmen und die Konsumenten trat im Laufe des 20. Jahrhunderts eine immer größere Zahl an Mittlern. Solche technicians of general ideas33 beanspruchten Expertenwissen, aber auch die Fähigkeit, dieses an Laien zu kommunizieren und das Einzelne in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Dazu gehören Werbe- und Marketingfachleute, die, egal, ob sie sich selbst als Manipulatoren der Massen oder als ehrliche Makler begreifen, de facto den Unternehmern als ihren Auftraggebern verpflichtet sind.34 Zu den Mittlern gehören aber auch die Experten 33 | Vgl. Sibylle Brändli, Der Supermarkt im Kopf. Konsumkultur und Wohlstand in der Schweiz nach 1945, Wien u.a. 2000, 24-26, die den Begriff von Paul Rabinow aufgreift. 34 | Zur ambivalenten Position von Werbetreibenden siehe Rainer Gries/Volker Ilgen/Dirk Schindelbeck, »Ins Gehirn der Masse kriechen«. Werbung und Mentalitätsgeschichte, Darmstadt 1995; Rainer Gries/Stefan Schwarzkopf, Hg., Ernest Dichter – Doyen der Verführer. Zum 100. Geburtstag des Vaters der Motivforschung, Wien 2007; Jackson Lears, Fables of Abundance: A Cultural History of Advertising in America, New York 1994; Marchand, Advertising.

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des Verbraucherschutzes, der sich in Genossenschaften und Hausfrauenvereinen, Interessenverbänden der Arbeitnehmer und staatlicher Verwaltung zu eigenständigen Institutionen mit entsprechenden publizistischen Organen entwickelte.35 Hinzu kommen Journalisten in der Tagespresse, später auch im Radio und Fernsehen, außerdem die Journalisten der Special-Interest-Zeitschriften, etwa für Mode, Möbel und Wohnen, Motorräder und Autos. Gegenüber den einfachen Konsumenten und Laien beanspruchen die Konsumexperten eine höhere Kompetenz und Autorität; sie wollen beeinflussen, beraten, informieren. Für viele dieser Mittler bildet die Nation als imagined community und qua Nationalstaat eine wichtige Referenz. Benedict Anderson hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die überregionalen Tageszeitungen als Katalysatoren der Nationalisierung fungieren. Was sie aufgreifen, wird in ein nationales Raster eingeordnet. Konsumentenschützer wiederum betreiben Lobbying für Regulierungen, die sie vom Staat erwarten. Bei der Fachpresse aber, die sich bestimmten Produktkategorien widmet, ist häufig die Verbindung zu den Erzeugern und Händlern eng, insbesondere zu den heimischen. Der Wechsel zwischen Automobiljournalismus und Mitarbeit in PR und Marketing eines Herstellers oder Händlers war stets rasch vollzogen. Selbst wenn die europäischen Fahrzeughersteller im Verkäufermarkt der frühen 1950er Jahre auf national eingefärbte Werbekampagnen für ihre Kleinwagen verzichteten, bedeutete das keineswegs, dass Autos in der Öffentlichkeit nicht unter nationalen Gesichtspunkten dargestellt worden wären. An Automobilen herrschte ein breites, durch die nationalen Lobbys der Touring-, Rennsport- und Automobilvereine seit dem frühen 20. Jahrhundert geschürtes, vom Staat seit der Zwischenkriegszeit vielfach gestütztes Interesse.36 Dieses drückte sich in den zahlreichen dem Thema gewidmeten Zeitschriften aus, dazu traten die Motorseiten und -beilagen, ohne die Tageszeitungen längst nicht mehr auskamen. Technikmuseen stellten die Entwicklung des Automobils dar, und zwar als nationale Erfolgsgeschichten. Über Prioritätsfragen rund um die Erfindung des 35 | Siehe Brändli, Supermarkt im Kopf; Martin J. Daunton/Matthew Hilton, Hg., The Politics of Consumption. Material Culture and Citizenship in Europe and America, Oxford u.a. 2001. 36 | Vgl. Christoph Maria Merki, Der holprige Siegeszug des Automobils 18951930: Zur Motorisierung des Straßenverkehrs in Frankreich, Deutschland und der Schweiz, Wien u.a. 2002.

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Automobils konnte endlos und mit erheblicher öffentlicher Anteilnahme gestritten werden.37 In Österreich, Deutschland und Frankreich erhoben Technikhistoriker gleichermaßen den Anspruch, dass ihre Nation das erste Automobil hervorgebracht hatte, aber auch anderswo machten es sich Spezialisten und interessierte Laien zur Aufgabe, den besonderen Anteil ihres Landes am Automobilbau hervorzuheben. Wenn also in den 1950er Jahren ein neues Auto für den Massenmarkt lanciert wurde, musste eine Anknüpfung an die Nation nicht erst geschaffen werden – diese war in der Konfiguration des Mobilitäts- und Motorisierungsdiskurses bereits angelegt.38 Vielfach erfolgte die Nationalisierung des Konsums im Zusammenspiel verschiedener Eliten.39 Ein eindrucksvolles Beispiel liefern die Kampagnen für die Elektrifizierung des Haushalts, die Modernisierung von Küchen und die Hebung der Wohnkultur, wie sie in den westeuropäischen Nachkriegsgesellschaften, aber ebenso in Japan geführt wurden. Politische Entscheidungsträger, Industrie- und Handelsunternehmen, Energieerzeuger, Verbraucherorganisationen (oft noch als Vereine von Hausfrauen konstituiert) und die Medien (längst nicht nur die Frauenzeitschriften) erklärten die Neuausstattung der Haushalte zum gemeinsamen nationalen Ziel. In Japan wurden staatliche Propaganda und Wirtschaftswerbung auch durch eine Steuerpolitik flankiert, die dauerhafte Konsumgüter gegenüber flüchtigeren Formen des Konsums begünstigte.40 Die Frage, welche Botschaften und Zuschreibungen von den Konsumenten aufgenommen wurden oder auch von ihnen selbst ausgingen, lässt sich auf Basis der massenmedial verhandelten Semantiken nur schwer bestimmen, zumal im historischen Rückblick. Die meisten der verfügbaren 37 | Siehe Karen Königsberger, Ein »nicht-arischer« Erfinder im Zentrum einer Prioritätsdiskussion: Siegfried Marcus und sein Automobil, in: Elisabeth Vaupel/ Stefan L. Wolff, Hg., Das Deutsche Museum in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Bestandsaufnahme, Göttingen 2010, 497-534. 38 | Siehe Gregor M. Rinn, Das Automobil als nationales Identifikationssymbol. Zur politischen Bedeutungsprägung des Kraftfahrzeugs in Modernitätskonzeptionen des »Dritten Reichs« und der Bundesrepublik, phil. Diss. Berlin 2008. 39 | Anhand von Schweden: Mikael Hard, The Good Apartment: The Social (Democratic) Construction of Swedish Homes, in: Home Cultures 7/2 (2010), 117-133. 40 | Vgl. den Beitrag von Katrin Gengenbach in diesem Band.

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Quellen erlauben den direkten Zugriff nur auf die Identitätsangebote und lassen allenfalls mittelbar und mit großer Vorsicht Rückschlüsse auf deren Aneignung durch die Konsumenten zu. Verhaltens- und Sichtweisen der Konsumenten sind oft nur ganz partikulär in versprengten Selbstzeugnissen und Korrespondenzen dokumentiert, gefiltert in Leserbriefen zugänglich, hoch aggregiert in Absatzzahlen oder als empirisches Material, das durch den Zugriff der Marktforschung formatiert ist. Wenn etwa die Bereitschaft zum patriotischen Einkauf erhoben wird,41 so deklarieren die Konsumenten nur eine Absicht, und häufig sind die Ergebnisse solcher Befragungen zudem isolierte Äußerungen, deren Relevanz sich schwer bestimmen lässt. Und ist einmal aus Verkaufszahlen abzulesen, dass heimische Produkte gekauft werden, so lässt das nicht unbedingt den Schluss zu, dass aus Nationalbewusstsein gehandelt wurde. Für die Nationalisierung des Konsums gilt somit, was auf die Konsumgeschichte insgesamt zutrifft. Sie repräsentiert vielfach weniger die Sicht und das Handeln der Konsumenten als Absichten und Deutungen derjenigen, die das Angebot erstellen, kommunizieren, regeln und kommentieren. Der Konsument selbst kommt als das Bild in den Blick, das sich die Konsumexperten von ihm machen, und unter der Annahme, dass über die Rückkopplungen von Kommunikationskreisläufen Identitätsangebote, wie sie die Werbung formuliert, für die Konsumenten anschlussfähig sind.42 Viele der Beiträge des Bandes gehen, mit guten Gründen und spannenden Ergebnissen, von massenmedialen Inszenierungen des Konsums aus. In der Beschäftigung mit visuellen und verbalen Darstellungen ist nach wie vor Roland Barthes bzw. der von ihm geprägte semiotische Zugang eine zentrale Referenz.43 Im theoretischen Teil seiner Mythologies stellt Barthes ein Modell der Mythosproduktion vor, das auf dem Wechsel von einer primären zu einer sekundären semiologischen Ebene beruht. 41 | Siehe Mahesh N. Shankarmahesh, Consumer Ethnocentrism: An Integrative Review of its Antecedents and Consequences, in: International Marketing Review 23/2 (2006), 146-172. 42 | In letztere Richtung argumentiert Gries, Produktkommunikation. 43 | Als Klassiker der semiotischen Analyse von Werbung siehe Judith Williamson, Decoding Advertisements: Ideology and Meaning in Advertising, Ideas in Progress, London 1978; kritisch dazu Elizabeth Rose McFall, Advertising: A Cultural Economy, Culture, Representation, and Identities, London/Thousand Oaks, Calif. 2004, 9-34.

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Wie sich dieser Übergang vollzieht, bleibt jedoch unklar, wenn man die im Marxismus angelegten ideologischen Gewissheiten abzieht. Jüngere Theorien aus dem Umfeld von Linguistik und Kognitionswissenschaft, namentlich zur konzeptuellen Metapher oder dem cognitive blending,44 gehen einige Schritte weiter.45 Barthes’ Essays aber sind die anlassbezogenen Beobachtungen eines wachen Zeitgenossen – Zeitgenossenschaft wiederum ist das selbstverständliche Verfügen über Kontextwissen. Um den Sinn von Aussagen dingfest zu machen, um auf Performanz zu schließen und damit die Brücke zu den Handlungen zu schlagen, bedarf es zwar zum einen der Dekonstruktion des einzelnen textuellen Artefakts und der Aufmerksamkeit für Häufungen und Regelmäßigkeiten in einem größeren Korpus; zum anderen aber müssen möglichst präzise die ökonomischen, politischen, kulturellen Verknüpfungen nachgezeichnet werden, die vom Artefakt, ob Ding, Bild oder verbaler Text, ausgehen oder zu diesem hinführen.46 Daher ist die Forschung über Nationalisierung des Konsums, soweit sie deren Rezeption und Effekte bei den Konsumenten betrifft, meist darauf angewiesen, kultursemiotische und diskursanalytische Verfahren mit einer sozial-, wirtschafts- und unternehmensgeschichtlichen Einhegung von Rahmenbedingungen zu kombinieren. Welche Konsumenten in die Nationalisierung des Konsums vordringlich einbezogen sind, hängt u.a. von den Produkten ab. Die Verbindung von Automobilisierung und Nationalisierung wurde insbesondere von männlichen Experten und Laien hergestellt. Im Fall der Mode oder von Möbeln war die Forderung nach einer nationalen Geschmackskultur eher an ein weibliches Publikum bürgerlichen Zuschnitts adressiert.47 Die BuyNational-Kampagnen des 19. und 20. Jahrhunderts richteten sich schwer44 | Gilles Fauconnier/Mark Turner, The Way We Think. Conceptual Blending and the Mind’s Hidden Complexities, New York 2003; George Lakoff/Mark Johnson, Metaphors We Live By, Chicago u.a. 2003 [1980]. 45 | Vgl. Oliver Kühschelm, Konsumgüter und Nation. Theoretische und methodische Überlegungen, in: ders., Nationalisierende Produktkommunikation, 19-49, hier 34-44. 46 | Siehe Hans Peter Hahn, Materielle Kultur. Eine Einführung, Berlin 2005; Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2010. 47 | Vgl. Leora Auslander, Taste and Power: Furnishing Modern France, Berkeley/ London 1996; Erica Carter, How German Is She? Postwar West German Reconstruction and the Consuming Woman, Ann Arbor, Mich. 1997.

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punktmäßig an Konsumentinnen, die als Hausfrauen angesprochen wurden. Zu den Gewissheiten, auf denen solche Initiativen aufbauten, gehörte die als statistisches Faktum gehandelte Information, dass 80 % der Einkäufe von Hausfrauen getätigt würden. Die Besorgung der alltäglichen Dinge wurde in der Publizistik, die sich den Aufgaben der Hausfrau widmete, als Liebesdienst an Ehemann und Kindern propagiert.48 Auch in dieser Hinsicht führte also die metaphorische Übertragung von der Familie zur Großgruppe Nation, getreu der Vorstellung von der Familie als deren Keimzelle. Die Stilisierung des Einkaufs zum Lackmustest für eine nationalistische Moral zielte auf die aufrechte Patriotin. Da aber Frauen auch als besonders anfällig für die Manipulation durch Werbung galten, als verführbar durch importierten Luxus, drohte ebenso der Vorwurf des Verrats. Männer hingegen waren die Heroen der Produktion, deren Arbeitsplätze es zu schützen galt und deren Leistung es durch den Kauf zu würdigen hieß. Während die Erwachsenen die Gegenwart des nationalen Konsums repräsentierten, wurden Kinder und wiederum vor allem die Mädchen von Buy-National-Kampagnen als die künftigen Konsumenten und Konsumentinnen ins Visier genommen bzw. auch in der Hoffnung, dass sie die Kaufentscheidungen ihrer Eltern beeinflussen würden. Ins Auge sticht die Ambivalenz des Konsums und der Figur der Konsumentin.49 Die Gleichsetzung von Freiheit mit der Möglichkeit, zwischen den Waren wählen zu können, ist schon von der Kritischen Theorie als Schimäre angeprangert worden. Tatsächlich sollte bürgerliche Freiheit nicht auf die freie Konsumwahl verkürzt werden.50 Andererseits bot die Rolle als Konsumentin Frauen im 19. und frühen 20. Jahrhundert einen Einstieg in ihnen ansonsten oft noch verwehrte Sphären der Öffentlichkeit, und der Aktivismus rund um Verbraucherschutzanliegen besaß emanzipatorisches Potenzial.51 Lizabeth Cohen hat die Figur des citizen48 | Vgl. Daniel Miller, A Theory of Shopping, Cambridge 1998. 49 | Sheldon Garon/Patricia L. MacLachlan, Introduction, in: Sheldon Garon, Hg., The Ambivalent Consumer. Questioning Consumption in East Asia and the West, Ithaca, NY 2006, 1-15. 50 | Vgl. Kaela Jubas, Conceptual Confusion in Democratic Societies: Understandings and Limitations of Consumer-Citizenship, in: Journal of Consumer Culture 7 (2007), 231-254. 51 | Vgl. Victoria DeGrazia/Ellen Furlough, Hg., The Sex of Things: Gender and Consumption in Historical Perspective, Berkeley 1996; Susan Strasser/Charles

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consumer jener des purchaser-consumer gegenübergestellt, die auf staatsbürgerliche Partizipation drängende Konsumentin der zum Wohle der Nation kaufenden, die sich mit Teilhabe am Wohlstand anstelle von Mitsprache bescheidet. Während die Depression der 1930er Jahre Spielräume im Sinne des citizen-consumer aufmachte, sei in der Nachkriegsgesellschaft der purchaser-consumer forciert worden.52 Ähnliche Konstellationen eines Changierens zwischen Partizipation und Zumutung fanden sich in vielen anderen Ländern.

THEMEN DER NATIONALISIERENDEN P RODUK TKOMMUNIK ATION Diskursive Nationalisierung von Produkten geht mit einer immer wiederkehrenden Problematisierung der Merkmale einher, an denen man das nationale Produkt erkennt. Das chinesische National Product Movement setzte vier Kriterien an: Die Rohstoffe sollten aus China stammen, Arbeitskräfte und Unternehmer sollten Chinesen sein und das Betriebskapital sich in chinesischer Hand befinden.53 Ähnlich nüchterne Definitionen legten auch andere Buy-National-Kampagnen an. Welche Produkte als national durchgehen dürfen, wie viele Kriterien und welche erfüllt sein müssen, war dennoch ein Quell steter Diskussion, vor allem wenn die lokalen Niederlassungen ausländischer Firmen ›heimische‹ Produkte anboten. Der nationale Charakter von Waren ließ sich angesichts der internationalen Arbeitsteilung und grenzüberschreitender Güterflüsse leicht in Zweifel ziehen. Als Aral zu Beginn der 1930er Jahre als »Deutscher Kraftstoff« beworben wurde, reagierte die Konkurrenz mit dem Hinweis, dass die Marke Esso genauso viele Anteile deutschen und importierten Rohstoffs enthalte, was in der rhetorischen Frage kulminierte: »Welcher Betriebsstoff ist nun nationaler?«54 McGovern/Matthias Judt, Hg., Getting and Spending: European and American Consumer Societies in the Twentieth Century, Cambridge/New York/Oakleigh 1998. 52 | Vgl. Lizabeth Cohen, A Consumers’ Republic: The Politics of Mass Consumption in Postwar America, New York 2004. 53 | Vgl. den Beitrag von Karl Gerth in diesem Band. 54 | Joachim Kleinmanns, Super, voll! Kleine Kulturgeschichte der Tankstelle, Marburg 2002, 24f.

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Für eine volkswirtschaftlich orientierte Definition des nationalen Produkts mag der Bezug auf nationale Erinnerungsorte vorderhand keine Rolle spielen. Von einer Bestimmung des Nationalen, die primär auf die Akteure und den Ort der Erzeugung abhebt, führt jedoch ein kurzer Weg zur Behauptung national distinktiver Qualitäten. Hier stellt sich bald wieder die Frage nach ihrem Realitätsgehalt. Die romantisierende Rückwendung auf Folklore und Gewerbetraditionen kreierte im 19. und frühen 20. Jahrhundert nationale Stile, etwa die vielen Varianten des Jugendstils, die ungarischen, finnischen, polnischen, schottischen Möbeln und Alltagsgegenständen ihre nationale Form gaben. Zwischen Wiederaufnahme, Adaption und ›Erfindung‹55 kann dabei oft nicht trennscharf unterschieden werden. Durch die Standardisierung im Rahmen von industrieller Massenfertigung und durch die Internationalisierung der Warenflüsse wurden die Produkte einander ähnlicher. Gerade deshalb intensivierten Designer, Imageexperten und die Unternehmen ihre Anstrengungen, die Gestaltung und die Inszenierung der Güter national einzufärben, um diese unterscheidbar zu machen. Aus dem diffusen nationalen Appell wurde ein professionell eingesetztes Marketingtool.56 Beim Versuch, die häufigsten Varianten von symbolischer Nationalisierung zu systematisieren,57 beginnt man am besten mit dem Namen der Nation und Insignien, von der Fahne bis zum Wappen. Orte, Bauwerke und Landschaften, die von den Angehörigen der nationalen Gemeinschaft als heimisch oder eigene erkannt werden oder gar als wichtige Sehenswürdigkeiten gelten, ergänzen das Spektrum der Symbolisierungen. Die touristische Vermarktung von Landschaften und Städten greift seit dem 19. Jahrhundert häufiger auf nationale »Besänftigungslandschaften«58 zurück, um Verlustgefühle und Unbehagen in der industriellen und urbanen 55 | Eric J. Hobsbawm/Stewart Ranger, Hg., The Invention of Tradition, Cambridge u.a. 1984. 56 | Vgl. Marc Schalenberg, Finnish Design. Zur Genese eines Werbediskurses zwischen nationaler Selbstbehauptung und globalem Markt, in: Kühschelm, Nationalisierende Produktkommunikation, 130-151. 57 | Vgl. Oliver Kühschelm, Konsumieren und die diskursive Konstruktion nationaler Gemeinschaft, in: Eder/Breuss, Konsumieren in Österreich, 189-211. 58 | Hermann Bausinger, Heimat in einer offenen Gesellschaft. Begriffsgeschichte als Problemgeschichte, in: Heimat. Analysen, Themen, Perspektiven, Bonn 1990, 76-90, hier 80, zitiert nach Rainer Gries, Produkte als Medien. Kul-

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Kultur zu überdecken. Damit einher geht seit der Romantik eine Sehnsucht nach der angeblichen historischen Ursprünglichkeit und Freiheit des Lebens in und mit der Natur. Hochkultur, Folklore und längst auch die Populärkultur lassen sich ebenso zur Nationalisierung des Konsums einsetzen wie die Vorstellung vom Charakter oder der Mentalität des nationalen Menschen. Als Reservoir von Bezugspunkten, das dem Produkt eine patriotische Aura verleihen kann, dient außerdem die Geschichte der Nation. Werbung versucht oft das Produkt anachronistisch mit einer ruhmreichen Vergangenheit zu verschmelzen. Eine vergleichsweise starke Rolle spielte das im weniger industrialisierten Griechenland, wo die Anrufung des antiken Erbes zum werblichen Standardrepertoire gehörte. Das jeweils in Rede stehende Produkt kann aber auch selbst tatsächlicher Teil der werblich beschworenen Vergangenheit gewesen sein, im besten Fall sogar ein markantes Element derselben. Die Verknüpfung von Volkswagen mit dem Nationalsozialismus wurde allerdings nach 1945 zu einer Last, von der sich die Firma wieder befreien wollte. Diese – längst nicht vollständige – Auflistung von Varianten, ein Konsumgut symbolisch in einem nationalen Deutungsrahmen oder Kontext zu verankern, lässt erahnen, wie vielfältig das Netz nationaler Identifikationsfiguren ist. Neben dem staatlich kontrollierten Ensemble offizieller Symbole – von der Fahne bis zur Nationalhymne – verfügt jede Nation über ein breites, bei allem Wunsch nach Kontinuität sich ständig veränderndes und potentiell fast unendliches Repertoire an nationalen Symbolen. Eindrucksvoll wurde das von Pierre Nora und den Mitautoren des vielbändigen Werks Lieux de Mémoire vorgeführt.59 Nora definierte Erinnerungsorte letztlich als »toute unité significative, d’ordre matériel ou idéel, dont la volonté des hommes ou le travail du temps a fait un élément symbolique du patrimoine mémoriel d’une quelconque communauté«60. Eine Herausforderung für alle Gesellschaften, die einen Weg nachholender Entwicklung versuchten, war die Beschreibung eines eigenständigen Weges zu Modernität. Diesem Zweck kann auch der schon turgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR, Leipzig 2003, 31; bei Gries auch zu »Produkten als Heimatspender«, 28-32. 59 | Pierre Nora, Les Lieux de Mémoire, I. La République, II. La Nation, III. Les France, 7 Bände, Paris 1984-1992. 60 | Pierre Nora, Comment écrire l’histoire de France?, in: Les Lieux de Mémoire, III. Les Frances, 1. Conflits et Partages, hg. von dems., Paris 1992, 20.

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erwähnte Bezug auf Handwerkstraditionen dienen. Indem griechische Industrieunternehmen immer wieder auf eine bis in die Antike zurückreichende griechische Geschichte von Textilherstellung und Holzverarbeitung verwiesen, behaupteten sie eine spezifische nationale Qualität ihrer Produkte. Ein wesentlicher Zweck solcher Produkterzählungen ist es, die Anerkennung durch die fortschrittlichsten und mächtigsten Länder zu behaupten. In einer Werbung aus dem Jahr 1948 präsentiert der tsolias, die Personifikation Griechenlands, mit großer Geste einen Benzinkocher und erklärt den nationalen Allegorien Deutschlands, der USA, Großbritanniens und Frankreichs, sie mit diesem Produkt übertroffen zu haben.61 Der von den Massenmedien der Produktkommunikation nahegelegte Akt des patriotischen Konsums schließt den Stolz des Erzeugers ein. Die Rollen des Produzenten und des Konsumenten gehen ineinander über, und so meint der nationale Konsument die Früchte der eigenen Arbeit zu genießen, wie irreal das in einer funktional differenzierten Gesellschaft auch sein mag. Die metonymische Erweiterung, die den Einzelnen sich mit der Nation identifizieren lässt, erstreckt sich auch auf das nationale Konsumgut bzw. wird sie durch dieses hervorgerufen. Daher darf man das von Konationalen hervorgebrachte Produkt mit dem Stolz betrachten, zu dem eigene Leistung berechtigt. Der Patriotismus des Kaufs soll zur Selbstbestätigung geraten, zu einem Akt der individuellen wie nationalen Authentizität. Eng ist die Verwandtschaft zwischen Nationalisierung und Regionalisierung des Konsums.62 In beiden Fällen dienen Konsumgüter als Vehikel der Selbstvergewisserung einer das Lokale weit übersteigenden, aber territorial gebundenen Gemeinschaft. Ob man es mit einer Region oder einer Nation zu tun hat, ist mitunter Ansichtssache. Die Verfechter der Eigenständigkeit Kataloniens und die Anhänger des spanischen Nationalismus sind sich darüber bis heute nicht einig. Auch in der Welt des Konsums konstituiert sich das Verhältnis zwischen dem Nationalen und dem Regionalen in der Spannung zwischen teils konvergierenden, teils divergierenden Erfahrungen, Erwartungen und Loyalitäten. Die Inszenie61 | Vgl. den Beitrag von Artemis Yagou in diesem Band. 62 | Vgl. Hannes Siegrist, Regionalisierung im Medium des Konsums, in: Comparativ 11/1 (2001), 7-26; Siegrist/Schramm, Regionalisierung europäischer Konsumkulturen.

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rung von Landschaft dient als Bezugspunkt für die Regionalisierung wie Nationalisierung des Konsums. Insbesondere Nahrungsmittel sind oft Medien eines regionalisierenden Diskurses, der gegenüber der Nation und dem Nationalstaat Autonomie und primäre Deutungsmacht beansprucht. Zumindest in der von Tourismusimages geprägten Außenwahrnehmung werden sie aber auch wieder für die Nation vereinnahmt. Welche Produkte eignen sich besonders, um durch ihre Nationalisierung zu Wahrzeichen der Nation zu werden? Ein wichtiger Faktor ist das Prestige des Produkts, das aus der schwierigen Herstellung, seiner durch Seltenheit bedingten Kostbarkeit, seiner Position im Zentrum national konfigurierter Projekte (z.B. »Motorisierung« oder »Wiederaufbau«) resultieren kann. Eine Rolle spielt auch die Sichtbarkeit des Produkts. Das Auto, das den öffentlichen Raum beherrscht, kommuniziert deshalb auch nationale Botschaften besonders effektiv. Ein in sich abgeschlossenes Ganzes (wie das Auto) hat außerdem eine höhere Chance, national gedeutet zu werden als ein Teil oder Zubehör (wie der Reifen). So symbolisieren der Citroën DS oder der Renault 4 gleichermaßen, jedoch mit unterschiedlichen Akzentuierungen, das modernisierungswillige Frankreich der Nachkriegszeit, und das wohl prominenter als der Michelin Reifen,63 obwohl sein Hersteller von Beginn an aufwändige nationalisierende Werbeanstrengungen unternahm. Produkte, aus denen sich nationale Symbole zimmern lassen, entsprechen häufig dem, was die kognitive Linguistik als basic level category64 beschreibt, d.h. die höchste gedankliche Ebene, auf der die gesamte Kategorie durch ein einzelnes mentales Bild repräsentiert werden kann. Wir haben es mit einer Ebene zwischen dem Detail und einer nicht mehr unmittelbar erlebbaren Allgemeinheit zu tun. Die Voraussetzung für das mentale Bild ist Körperhaftigkeit; diese ist auch in anderer Hinsicht ein die Nationalisierung begünstigendes Attribut, weil sie die Anthropomorphisierung erlaubt. Der PKW und der Kühlschrank wurden in der Nachkriegszeit zu ›Mitgliedern‹ der Familie und, als solche, nicht selten zu Objekten von Zuneigung. Sie konnten dadurch aber auch als ›Angehörige‹ der Nation auftreten, die von den konationalen Konsumenten den Kauf 63 | Stephen L. Harp, Marketing Michelin: Advertising & Cultural Identity in Twentieth-Century France, Baltimore, Md. u.a. 2001. 64 | Siehe dazu Eleanor Rosch, Principles of Categorization, in: dies./Barbara Lloyd, Hg., Cognition and Categorization, Hillsdale, NJ 1978, 27-48.

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als Zeichen der Solidarität fordern durften. Da die Nation ein Konstrukt ist, das aus dem Leib des Individuums die metonymische Erweiterung zum ›Volkskörper‹ gewinnt, lässt sich die Einverleibung von Nahrung auch als deren Nationalisierung verstehen. Aus diesem Grund finden sich unter den konsumierbaren Symbolen der Nation viele Nahrungsmittel: sei es in Form von landestypischen Speisen als Bestandteile von Nationalküchen;65 sei es als Rohstoff, der aus der nationalen Erde stammt und deshalb Ansprüche auf gastronomische Einzigartigkeit gestattet, wie sie der in Südeuropa kultivierten Vorstellung des terroir innewohnen;66 sei es als Produktkategorie mit geschützter Herkunftsbezeichnung67 oder als einzelnes Markenprodukt wie die Manner Schnitte, das »süße Wahrzeichen Wiens«68. Ein Missverständnis wäre es, die Frage nach typischerweise nationalisierten Produkten auf eine Suche nach dem Objekt immanenten Eigenschaften zu verkürzen, denn die Dinge sind nicht verständlich, ohne den sozialen und kulturellen Gebrauch, der von ihnen gemacht wird. Insofern gibt es keine Produkte, die als solche eine Nationalisierung erzwingen, sondern je spezifische gesellschaftliche Zusammenhänge erlauben es ihnen, Grundwerte so zu repräsentieren, dass sie deren Abbreviaturen werden. Es handelt sich stets um zeitlich, örtlich, sozial fixierbare Konstellationen. So können sich in der ›Biographie‹ eines Markenprodukts die ihm durch Werbung und Gebrauch zugewachsenen Konnotationen mit 65 | Peter Scholliers, Hg., Food, Drink and Identity: Cooking, Eating and Drinking in Europe since the Middle Ages, Oxford/New York 2001; Maren Möhring, Ethnizität und Konsum, in: Heinz-Gerhard Haupt/Claudius Torp, Hg., Die Konsumgesellschaft in Deutschland, 1890-1990: Ein Handbuch, Frankfurt a.M./New York 2009, 172-189. 66 | Vgl. Rengenier Rittersma, »Ces pitoyables truffes d’Italie«. Die französischitalienische Rivalität auf dem europäischen Trüffelmarkt seit 1700. Zu einer Geschichte des Gastrochauvinismus und des Terroir, in: Kühschelm, Nationalisierende Produktkommunikation, 80-104. 67 | Exemplarisch Schaumwein zwischen Sekt und Champagner: Gries, Produkte als Medien, 289-304; Kolleen M. Guy, When Champagne Became French: Wine and the Making of a National Identity, Baltimore 2003. 68 | Oliver Kühschelm, Manner. »Die Schnitte der Patrioten«, in: Emil Brix/Ernst Bruckmüller/Hannes Stekl, Hg., Memoria Austriae III. Unternehmer, Firmen, Produkte, Wien 2005, 97-130.

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Beunruhigungen und Sehnsüchten treffen, welche die Nation in großer Intensität umtreiben. Der österreichische Reifenhersteller Semperit hatte stets nationalisierend kommuniziert. Schon in der Zwischenkriegszeit empfahl die Firma den Konsumenten »für Alpenstraßen den Alpenreifen«. Als 1957 der Steyr Puch 500 lanciert wurde, lautete der als Feststellung verkleidete Appell: »der österreichische Wagen auf österreichischen Reifen«. Doch war der Reifen hier nur Beiwerk zur eigentlichen nationalen Sensation, dem Automobil. Als jedoch in den 1990er Jahren der deutsche Continental-Konzern, seit 1985 Eigentümer des Unternehmens, ankündigte, die Fertigung nach Tschechien zu verlagern, wurden die Reifen für einen Moment zum Symbol des durch die Globalisierung bedrohten Österreich. In einer so viel beachteten wie geschmähten Aktion montierte der Wirtschaftsminister Reifen der Marke Semperit auf seinen Dienstwagen; Gewerkschaft und Arbeiterkammer drohten Continental mit einem Boykott. Die intensivierte Nationalisierung des Produkts stand den aktuellen Interessen des Eigentümers entgegen – häufiger ist freilich das Gegenteil. Vom Nischenprodukt zu einem nationalen Symbol brachte es in den USA während der 1950er und 1960er Jahre der Whisky aus dem Hause Jack Daniel’s. Assoziiert mit dem Mythos des Grenzlands (frontier) und der Wehrhaftigkeit des Pioniers, galt er als ein Getränk des echten Amerika, das im Kalten Krieg erneut männlicher Stärke bedurfte. Als Produkt von Small-Town-America symbolisierte es zugleich Bodenständigkeit als Kontrast zum modernen Leben in den expandierenden Vorstädten, wie es den Alltag von immer mehr Menschen prägte.69 Voraussetzung dieser mit der Nation verbundenen ikonischen Qualität war die Abkehr von der Prohibition, die in den 1920er Jahren Alkohol nur als Sinnbild dubioser Moral zugelassen hatte. Parallel verlief im nördlichen Nachbarland Kanada die Biographie des Whisky von Seagram, der in einen britisch-kanadischen Deutungsrahmen gestellt wurde. Den Mitte des 20. Jahrhunderts erreichten Status als Symbol des Kanadischen büßte das Getränk allerdings wieder ein. In der Gegenwart haftet kanadischem Whisky der Touch des Altmodischen an. Die moralisch begründete Ablehnung des frühen 20. Jahrhunderts ist, nach einer zwischenzeitlichen kulturnationalen Auf69 | Vgl. Douglas B. Holt, Jack Daniel’s America: Iconic Brands as Ideological Parasites and Proselytizers, in: Journal of Consumer Culture 6/3 (2006), 355-377.

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wertung, durch eine ästhetisch motivierte Marginalisierung abgelöst worden.70 Die Nationalisierung des Konsums ist ein Modus der Moralisierung individuellen Handelns und der soziokulturellen Beziehungen. Den Ausgangspunkt bildet vielfach die symbolische Ausstattung des Produkts. Attribuierungen, die den hegemonialen Vorstellungen zuwiderlaufen, werden beiseite gedrängt. Das Kraftfahrzeug, vor allem in den Händen von Jugendlichen, war ein Quell steter moralischer Beunruhigung. Im Nachkriegseuropa lag zwar der PKW – anders als zur selben Zeit in den USA – noch in vielen Ländern außerhalb der Reichweite von Jugendlichen, nicht aber das Kraftrad. In Schweden entwickelte sich in den 1950er und 1960er Jahren rund um das Herrichten und Fahren von US-Straßenkreuzern eine Subkultur jugendlicher Arbeiter. Die Fahrzeuge repräsentierten im chromblitzenden Exzess des Traumwagenstils das genaue Gegenteil der schwedischen Konsumkultur des Volksheims. Diese fand ihren Ausdruck auf vier Rädern in der Marke Volvo. Sie signalisierte Sicherheit, nüchterne Seriosität und die Zugehörigkeit zur breiten Mittelklasse.71 Im Norwegen der Nachkriegsjahre sollte das Auto ein männliches puritanisches Ethos der Vernunft transportieren. Gleichzeitig wurde befürchtet, dass es Frauen zur Überschreitung traditioneller Rollenmuster verleitete.72 Bezeichnenderweise betonte die nationalisierende Kommunikation rund um Klein- und Mittelklassewagen schon seit den 1930er Jahren, dass die Autos eine Hülle rund um die Kernfamilie bilden sollten. Die Wagen verhießen ein Refugium außerhalb des Eigenheims, das ebensolche Sicherheit wie dieses bot. Eine Konkurrenz zwischen Konsumbedürfnissen inszenierte 1957 ein Inserat des Vereins für soziale Wohnkultur in der Österreich-Ausgabe von Reader’s Digest. Die Aufforderung lautete: »Zuerst ein behagliches Heim – dann erst das Auto!«73 Die Priorisierung des Wohnens entsprach einer sozialdemokratischen Reserve gegenüber dem PKW, die allerdings zunehmend aufgegeben wurde; sie spiegelte aber ebenso eine Domestizierung des Konsums entlang den Vorgaben einer patriarchalischen Moral. 70 | Vgl. den Beitrag von Lisa Sumner in diesem Band. 71 | Vgl. Tom O’Dell, Culture Unbound: Americanization and Everyday Life in Sweden, Lund 1997. 72 | Vgl. Pauline Garvey, Driving, Dinking and Daring in Norway, in: Daniel Miller, Hg., Car Cultures, Oxford/New York 2001, 133-152. 73 | Reader’s Digest von März 1957, 109.

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Haushaltsgeräten und Möbeln als Befestigung des Haushalts sollte der Vorzug gegeben werden vor einem Artefakt, das Beweglichkeit erlaubte. Im Kontext einer konservativen Geschlechterpolitik gewannen auch in Japan Küchengeräte ihren Status als Symbole für nationale Modernisierung und disziplinierten Konsum. In die patriarchalische Struktur des Haushalts eingefügt, erschienen sie als moralisch unbedenklich, ja sogar als ein probates Mittel zur Moralisierung des Alltagslebens. Das Küchengerät wurde als wertvolles Kulturgut betrachtet; dass es made in Japan sein sollte, verstand sich von selbst.74 Die Anschaffung von Küchengeräten sollte zum ›guten‹ Konsumieren gehören. Kritisiert wurde hingegen, wenn erwerbstätige Frauen von ihrem eigenen Einkommen modische Kleidung kauften. Luxuskonsum wurde als Untugend verfemt, die man einer kosmopolitischen Oberschicht und ihren Nachahmern, den Neureichen mit ihrem dubios erworbenen Vermögen und schlechten Geschmack, zuschrieb. Luxus erschien somit als der Nation fremd, zumal in Japan, wo lange Zeit nicht das Konsumieren, sondern der Konsumverzicht als nationale Tugend propagiert worden war. Mit seinen Kampagnen für Sparsamkeit wurde Japan zum Vorbild für andere Länder Asiens, die – früher oder später – ebenfalls eine Strategie nachholender Entwicklung versuchten.75 Die Nationalisierung des Konsumverzichts ist aber ebenso aus Europa bekannt, namentlich aus den Kriegswirtschaften des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Der Verzicht muss jedoch kompensiert werden: durch Versprechen von künftigem Konsum und die propagandistische Zuspitzung auf einzelne Flaggschiffprodukte. So sollten die Volksprodukte des NS-Regimes oder Sekt und Kaviar in der stalinistischen Sowjetunion als Massenprodukte für eine neue Mittelklasse bzw. die Nomenklatura von den Defiziten in der allgemeinen Versorgungslage ablenken.76 Im Rahmen von Strategien nachholender Entwicklung entschädigt wiederum die Aus74 | Vgl. Gengenbach in diesem Band. 75 | Vgl. Garon/MacLachlan, Introduction, 4; Laura C. Nelson, Measured Excess: Status, Gender, and Consumer Nationalism in South Korea, New York 2000. 76 | Vgl. Hartmut Berghoff, Träume und Alpträume. Konsumpolitik im Nationalsozialistischen Deutschland, in: Haupt/Torp, Konsumgesellschaft in Deutschland, 268-288; Wolfgang König, Das Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft. »Volksprodukte« in Politik, Propaganda und Gesellschaft des »Dritten Reiches«, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 48 (2003), 131-163; Luise Althanns, McLenin. Die Konsumrevolution in Russland, Bielefeld 2009,

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sicht auf den künftigen entwickelten Zustand. Man kann außerdem, wie in Kuba seit über fünf Jahrzehnten, auf die Rhetorik nationaler Souveränität gegenüber der imperialistischen Bedrohung durch die USA setzen. Die Vision der Fülle und die Bewältigung des Mangels zeigen sich jeweils als zwei Seiten einer Medaille, parallel oder in unterschiedlicher zeitlicher Abfolge. Im boomenden Argentinien der zweiten Hälfte der 1940er Jahre wurde das Recht der Konsumenten auf einen würdigen Lebensstandard propagiert. Als das Wirtschaftsmodell, das auf Deviseneinnahmen aus dem Agrarexport beruhte, ins Straucheln kam, folgte eine Wendung zu Kampagnen gegen Verschwendung. Nun war es an der Hausfrau, die Würde der Nation durch Sparsamkeit zu wahren.77

R EICHWEITE UND E RGEBNISSE DER N ATIONALISIERUNG DES K ONSUMS Je nachdem ob man sich auf einzelne Produkte oder eine umfassende BuyNational-Strategie bezieht, gestalten sich die Voraussetzungen und Ergebnisse einer erfolgreichen Nationalisierung unterschiedlich. Nationalisierende Zuschreibungen an ein bestimmtes Produkt stehen immer neben, manchmal in Konkurrenz oder Gegensatz zu anderen Attribuierungen, mit denen die Ware von den diversen Akteuren der Produktkommunikation, vom Hersteller bis zum Konsumenten, ausgestattet wird. Die größtmögliche Intensität einer solchen Nationalisierung ist erreicht, wenn die nationale Herkunft Teil der Kernbotschaft geworden ist; so als Coca Cola den GIs an allen Fronten als ein Stück Heimat serviert wurde, oder der Whisky von Seagram sich als Canada’s Finest präsentierte. Die Annäherung an die Nation lässt ein Produkt mitunter zum eigenständigen Symbol derselben werden. Zeit ist hierbei in mehrfacher Hinsicht ein gewichtiger Faktor. Trivialerweise steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumgüter als allgemein verständliche nationale Symbole fungieren, je mehr das Konsumieren als Ge- und Verbrauch von Markenprodukten alle Bereiche des täglichen Lebens durchzieht. Manchmal avancieren 174; vgl. auch Jukka Gronow, Caviar with Champagne: Common Luxury and the Ideals of the Good Life in Stalin’s Russia, Oxford/New York 2003. 77 | Vgl. Eduardo Elena, Dignifying Argentina: Peronism, Citizenship, and Mass Consumption, Pittsburgh 2011.

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Produkte sogar erst dann zu nationalen Ikonen, wenn sie nicht mehr Teil des aktuellen Warenangebots sind, sondern im nostalgischen Rückblick ein bestimmtes Lebensgefühl oder eine Etappe der Geschichte evozieren. Die Kleinwagen der Wirtschaftswunderzeit sind auf diese Weise in vielen Ländern zu nationalen Erinnerungsorten geworden. In der saturierten Konsumgesellschaft, in der schon mehrere Generationen mit Markenprodukten aufgewachsen sind, haben insbesondere diejenigen Marken, die – real oder vermeintlich – schon immer da waren, gute Chancen als genuine Repräsentanten dessen verstanden zu werden, was die Nation ausmacht. Sie sind dann nicht mehr Symbole zweiter Ordnung, die sich nur aus einem Reservoir an erstrangigen nationalen Images bedienen, sondern entfalten aus sich selbst heraus nationalisierende Wirkung auf die Kontexte, in die sie eingebettet sind. Beispiele dafür sind Coca Cola, der VW-Käfer, IKEA-Möbel und französischer Champagner. Eine vollkommene Nationalisierung auf protektionistischer Linie ist erreicht, wenn sich der Konsum durchgängig auf Waren beschränkt, die mit nationalem Kapital, von nationalen Firmen und nationalen Arbeitnehmern hergestellt wurden. Dieses Ziel verfolgte nicht nur das National Products Movement im China der 1920er und 1930er Jahre. Zur selben Zeit sollten sich die Österreicher »vom Automobil bis zum Zahnbürster« mit heimischen Produkten versorgen, wurden die Briten dazu aufgerufen, nur britisch zu kaufen, und huldigten das faschistische Italien wie das nationalsozialistische Deutschland der Vision einer autarken Gesellschaft. Diese war allerdings trotz aller Abschottungsbemühungen nicht erreichbar bzw. stand die Zielvorstellung in notwendigem Zusammenhang mit einer Eroberungspolitik, die auf eine Großraumwirtschaft hinauslaufen sollte. Die lückenlose Nationalisierung ist immer wieder Thema wirtschaftspatriotischer Inszenierungen, in begrenzten Räumen freilich, die mit dem Alltag des Kaufens nur bedingt zu tun haben. Die National Products Exhibition in Shanghai 1928 mochte den Besucher kurzzeitig in eine rein chinesische Produktwelt versetzen, doch damit war es vorbei, sobald man dieses Theater des Nationalen wieder verließ. Wenn im Rahmen der »Schweizer Woche«78 viele Schaufenster ausschließlich mit Schweizer Ware ausgestattet 78 | Siehe Mario König, Von der wahren Nationalität der Waren. Schweizerische Wirtschaftspropaganda im 20. Jahrhundert, in: Elio Pellin, Hg., Weiss auf Rot. Das Schweizer Kreuz zwischen nationaler Identität und Corporate Identity, Zürich 2004, 129-140.

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wurden, so war das eine auf einige Tage beschränkte Verengung des Warenangebots in einer ansonsten vielfältig differenzierten Konsumkultur. Kein Laden konnte sich das auf Dauer leisten. Genauso wenig konnte sich die Ernährung der Briten auf den Empire Christmas Pudding beschränken, für den die Hausfrau auf Ingredienzien zugreifen sollte, die aus allen Teilen des Reichs stammten.79 In wirtschafts- und konsumnationalen Strategien sind die Größe des Binnenmarkts und die außenwirtschaftliche Position entscheidende Faktoren. Anders gesagt, es ist für die Gestaltung des Zusammenhangs von Konsum und Nation wesentlich, welche Position die national mobilisierte Gesellschaft im Rahmen der globalen Arbeitsteilung bzw. Herrschaftsund Abhängigkeitsverhältnisse einnimmt. Darauf verweist die im Lateinamerika der 1950er Jahre formulierte Dependenztheorie.80 Als kultureller Ausdruck der Abhängigkeit galt u.a., dass die Oberschichten der jungen Republiken im 19. Jahrhundert ihre Distinktionsbedürfnisse durch europäische Luxusgüter befriedigten. Im 20. Jahrhundert kennzeichneten sich die lateinamerikanischen Produktlandschaften durch eine enorme Präsenz europäischer, immer mehr aber US-amerikanischer Marken. Dazu trugen paradoxerweise nationalpopulistische Regime erheblich bei. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in vielen Ländern, vom Mexiko unter Lázaro Cárdenas über das peronistische Argentinien bis zum Brasilien des Getulio Vargas, die Entwicklungsstrategie der importsubstituierenden Industrialisierung verfolgt.81 Diese sah zwar die Verstaatlichung, die nacionalización, von Grundstoffindustrien vor, ermutigte zugleich aber ausländische Firmen, Kapital in Lateinamerika zu investieren. Automobilhersteller wie Ford oder Volkswagen errichteten Fabriken. Die von den Regimes betriebene Umverteilungspolitik integrierte die städtische Arbeiterschaft und die Landbevölkerung in die Konsumgesellschaft, erweiterte die Mittel79 | Vgl. Constantine, Bringing the Empire Alive, 205f., 209; Kaori O’Connor, The King’s Christmas Pudding: Globalization, Recipes, and the Commodities of Empire, in: Journal of Global History 4 (2009), 127-155. 80 | Siehe Robert A. Packenham, The Dependency Movement: Scholarship and Politics in Development Studies, Cambridge, Mass. u.a. 1992. 81 | Zu dieser Entwicklungsstrategie, die Konsum- in Wirtschaftsnationalismus einfügt, siehe Eric Helleiner/Andreas Pickel, Hg., Economic Nationalism in a Globalizing World, Ithaca, NY/London 2005; Henryk Szlajfer, Hg., Economic Nationalism in East-Central-Europe and South America, 1918-1939, Genf 1990.

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schichten und machte die Märkte aufnahmefähiger – auch für die ausländischen Markenprodukte.82 Auf den ersten Blick ist die Nationalisierung des Warenangebots in großen Volkswirtschaften ein plausibleres Projekt als in kleinen Staaten. Nicht zufällig sind die USA mit ihrem riesigen Binnenmarkt das Paradebeispiel für alle Dimensionen der Nationalisierung von Konsum, von den BuyNational-Kampagnen und dem Boykott des Imports über die in der Figur des citizen-consumer fokussierte staatsbürgerliche Variante bis hin zur Stilisierung von Konsumgütern zu Wahrzeichen der Nation.83 Andererseits befanden sich kleine Staaten schon seit dem 19. Jahrhundert in einer Situation, die seit den wirtschaftlichen Konzentrations- und Globalisierungsschüben der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch die großen betrifft: Nationalstaat und Markt sind immer weniger deckungsgleiche Räume.84 Außerdem war gerade im Einwanderungsland USA die Nationalisierung des Konsums stets ein Prozess, der nicht nur auf die Abgrenzung gegenüber den Anderen, sondern ebenso auf die Integration des Fremden hinauslief.85 Umgekehrt ist festzuhalten, dass aus demselben Grund noch in den kleinsten Ländern der Konsum in Prozesse der Nationalisierung eingespannt werden kann.86 Die globale Projektion der US-Konsumnation, die sich schon im frühen 20. Jahrhundert abzeichnete, wurde oft als Beseitigung von nationalen Besonderheiten und Herstellung von Uniformität interpretiert. Die Forschung hat inzwischen aber die Vorstellung einer 82 | Vgl. Arnold J. Bauer, Goods, Power, History. Latin America’s Material Culture, Cambridge u.a. 2001, 165-178. 83 | Dana Frank, Buy American: The Untold Story of Economic Nationalism, Boston, Mass. 2000; Cohen, Consumers’ Republic; Charles McGovern, Sold American. Consumption and Citizenship, 1890-1945, Chapel Hill, NC 2006. 84 | Vgl. Margrit Müller, Introduction, in: dies./Timo Myllyntaus, Hg., Pathbreakers: Small European Countries Responding to Globalisation and Deglobalisation, Bern/Wien u.a. 2008, 11-35, hier 12. 85 | Vgl. Kristin L. Hoganson, Consumers’ Imperium. The Global Production of American Domesticity, 1865-1920, Chapel Hill, NC 2007. 86 | Als Beispiele: Sebastian Reddeker, Dee Secret vu Lëtzebuerg. Ein interdiskursanalytischer Blick auf die Werbung in Luxemburg, in: Kühschelm, Nationalisierende Produktkommunikation, 50-80; für Slowenien: Irena Vida/James Reardon, Domestic Consumption: Rational, Affective or Normative Choice?, in: Journal of Consumer Marketing 25/1 (2008), 34-44.

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Einbahnstraße der Amerikanisierung relativiert. Sie hat zudem gezeigt, dass der amerikanische Konsum(kultur)import immer wieder als Moment der Hybridisierung,87 d.h. als Kombination des Fremden mit eigenen Anliegen, oder als Glokalisierung,88 d.h. als Verbindung des Globalen mit dem jeweils Lokalen, begriffen werden muss. Nationale Identitätsangebote müssen sich somit nicht nur an heimischen Produkten aufrichten. Nicht selten werden Importprodukte zu Symbolen einer Neuorientierung der Nation, die diese nicht oder noch nicht aus dem Eigenen schöpfen kann. In Phasen rapider Veränderung treten solche Konstellationen regelmäßig auf: z.B. in den postfaschistischen Wirtschaftswunder-Gesellschaften wie Deutschland oder Österreich, aber auch dem Frankreich der Vierten Republik, zu dessen Vorgeschichte die Kollaboration des Vichy-Regimes gehörte. Die Herausforderung durch die Coca-Colonisation war auch die einer Umorientierung vom Blut-und-Boden-Nationalismus zu den Werten einer demokratischen Gesellschaft.89 In den 1990er Jahren bedienten sich wiederum die Transformationsgesellschaften des ehemaligen sowjetischen Herrschaftsbereichs der Westprodukte als Marker einer neuen Identität. Diese wurden in Estland nicht nur gegenüber Produkten aus anderen Teilen der einstigen Sowjetunion bevorzugt, sondern auch gegenüber manchen heimischen Erzeugnissen, die noch als ›sowjetisch‹ galten. Mit der Vorstellung eines neuen westlichen Estland hatten diese Erzeugnisse weniger zu schaffen als die Importware, die anzeigte, wo der Weg hinführen sollte.90 Als sich Bürger und Konsumenten der DDR für die Wiedervereinigung entschieden, votier-

87 | Néstor García Canclini, Hybrid Cultures: Strategies for Entering and Leaving Modernity, Minneapolis, Minn. u.a. 1995. Eine parallele Begriffsbildung ist jene der Kreolisierung: Ulf Hannerz, Transnational Connections: Culture, People, Places, London/New York 1996. 88 | Roland Robertson, Glokalisierung. Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit, in: Ulrich Beck, Hg., Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt a.M. 1998, 192-220. 89 | Vgl. Wagnleitner, Coca-Colonisation. 90 | Vgl. Sigrid Rausing, History, Memory, and Identity in Post-Soviet Estonia: The End of a Collective Farm, Oxford/New York 2004, 70-78; zu Russland vgl. Althanns, McLenin.

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ten sie auch für die »Produktverfassung« der BRD.91 Einige Jahre später drückten freilich ehemalige DDR-Bürger mit Ostalgie-Produkten das Unbehagen über ihre Position im vereinigten Deutschland aus.92 Vergleichsweise stark ausgeprägt waren die Nationalisierung des Konsums und ein konsumbasiertes Nationalbewusstsein in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan und Westeuropa. Nationalisierungsimpulse waren sowohl durch die Abgrenzungsbestrebungen gegen den universellen und hegemonialen Anspruch der amerikanischen Konsumkultur als auch durch die Aneignung nationaler Deutungsmuster aus der US-amerikanischen Konsumkultur motiviert. Massive Produktivitäts- und Wohlstandszuwächse ermöglichten eine zuvor nicht gekannte Breite und Qualität des Konsumierens. Das fordistische Produktionsregime erweiterte sich auch zu einem Konsumregime.93 Im Vergleich zur Vorkriegszeit öffneten sich das Warenspektrum und die damit möglichen Bedeutungszuschreibungen beträchtlich, obwohl die Akteure weiterhin gerne auf traditionelle symbolische Strategien zurückgriffen. Aus gegenwärtiger Perspektive stellt sich die fordistische Ära hingegen als eine Zeit dar, in der am Markt eine begrenzte Vielfalt von standardisierten Industriegütern dominierte. Eine solche Übersichtlichkeit war der nationalen Vergemeinschaftung mittels Konsumgütern förderlich, zumal in Kombination mit stark abgeschotteten Binnenmärkten. Solange zudem die Nachfrage nach einem Produkt das Angebot weit überstieg, waren besondere Anstrengungen für die nationale Inszenierung mitunter gar nicht erforderlich. Das traf auf das Auto in der Periode der Massenmotorisierung bis um 1970 zu, wie Manuel Schramm pointiert anmerkt: »Until the late sixties there was no need to choose between economy and patriotism, because the car markets were largely na91 | Gries, Produkte als Medien, 16; vgl. auch Hartmut Berghoff, Konsumregulierung im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Forschungsansätze und Leitfragen, in: ders., Hg., Konsumpolitik. Die Regulierung des privaten Verbrauchs im 20. Jahrhundert, Göttingen 1999, 7-21, hier 9. 92 | Vgl. Hannes Siegrist, Konsum und Alltagskultur in den neuen Bundesländern, in: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e. V., Hg., Ungeschehene Geschichte. Bilanz nach zehn Jahren deutscher Einheit, Schkeuditz 2001, 91-109. 93 | Siehe Adelheid von Saldern/Rüdiger Hachtmann, Das fordistische Jahrhundert: Eine Einleitung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe (2009) www.zeithistorische-forschungen.de/ site/40208942/Default.aspx (5.10.2011).

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tional anyway.«94 Fiat dominierte auf italienischen Straßen. Volkswagen beherrschte die deutschen, zumindest wenn es um die (untere) Mittelklasse ging. In einer – ihrem Anspruch nach – nivellierten Mittelschichtsgesellschaft war aber die für soziale Aufsteiger zugängliche Mittelklasse ein Produktfeld, das für die Nation und die Repräsentation ihrer integrativen Kraft besondere Bedeutung besaß. Hingegen verdankten exklusive Fahrzeuge der Premiumklasse wie Porsche und Jaguar ihren damaligen Erfolg der frühzeitigen Internationalisierung dieses Marktsegments und wurden erst später vermehrt mit nationalen Eigenschaften wie »deutsche Technik« bzw. »Britishness« beworben.95 In Westeuropa wurden die nationalen und internationalen Beziehungen durch den Massenkonsum bei aller Dynamik und trotz mannigfaltiger Warnungen vor Kulturverlust oder Entfremdung eher stabilisiert. In den sozialistischen Ländern Ostmittel- und Osteuropas dagegen sorgten zuerst die De-nationalisierung des Konsums, dann die Re-nationalisierung des Konsums ständig für Unruhe. Die Befriedigung von Konsumwünschen war in den frühen 1950er Jahren weder im nationalen noch internationalen Maßstab eine Priorität sozialistischer Regime, deren Wirtschaftspolitik auf eine nachholende Entwicklung, auf den Ausbau von Grundstoff- und Produktionsgüterindustrien zielte. Das änderte sich erst, als es Proteste und Aufstände notwendig machten, auf Konsumhoffnungen der Bevölkerung einzugehen – ob das nun die DDR war, Polen unter Gomulka oder Ungarn unter Kádár.96 Die Glaubwürdigkeit einer sozialistischen Konsumgesellschaft litt auf längere Sicht unter unbefriedigenden Quantitäten und Qualitäten. In Ungarn trugen die Zweifel am Konsumangebot des Regimes auch ein nationalistisches Gewand. Die Revolution von 1956 drohte das Land aus dem sozialistischen Verband herauszulösen und wollte den Anspruch auf umfassende nationale Souveränität stärken. Der fridzsider94 | Schramm in diesem Band. 95 | Sonja Landenberger, Internationalisierung und Kulturtransfer von Marken, in: Schramm, Vergleich, 33-49. 96 | Vgl. Annette Kaminsky, Wohlstand, Schönheit, Glück. Kleine Konsumgeschichte der DDR, München 2001; Stephan Merl, Staat und Konsum in der Zentralverwaltungswirtschaft. Rußland und die ostmitteleuropäischen Länder, in: Siegrist/Kaelble/Kocka, Europäische Konsumgeschichte, 205-241; Merl betont allerdings, die Änderung der Konsumpolitik sei nicht durch das Aufbegehren der Bevölkerung erzwungen worden: 209f.

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szocializmus, der Kühlschranksozialismus, unter dem Kádár-Regime erfüllte einige der Konsumwünsche, mied allerdings die Verknüpfung mit nationalem Sentiment. Die Produkte des fridzsiderszocializmus galten vielen Ungarn als bloßer Ersatz für das, was das Regime den Bürgern vorenthielt. Das sozialistische Konsumangebot erschien unter dieser Prämisse weniger als ›ungarisch‹ denn als Ausdruck der Verweigerung des Zugangs zur westlichen Produktlandschaft, die man aus den Medien kannte. Diese Spannung wies bereits in Richtung der Implosion des Gulaschkommunismus Ende der 1980er Jahre.97

E PILOG : K ONSUMIEREN IN EINER POSTNATIONALEN G EGENWART ? »Hungarians insist that when the Magyars arrived from the east in the tenth century, the place [Romania] was essentially empty, with Romanians coming later. For what it is worth, both sides are probably in error. Meanwhile, the Dacia motorworks in 2000 was still manufacturing a Romanian car – the Dacia 1300 – familiar to middle-aged Frenchmen as the Renault 12 (first appearance: 1969). The Hungarians have nothing remotely so ancient with which to compete.« 98

Die mit nationalem Stolz aufgeladene rumänische Automarke, das veraltete PKW-Modell und der Hinweis auf dessen ausländische Ursprünge sind hier Ingredienzien der Ironisierung von Nationalismus. Die Passage entstammt einem zuerst 2001 in der New York Review of Books erschienenen Text von Tony Judt, der sich kritisch mit Rumänien auseinandersetzt, und zwar scharfzüngig noch in den Fußnoten. Einer solchen ist das zitierte Aperçu entnommen.99 97 | Vgl. den Beitrag von Sándor Horváth in diesem Band; vgl. außerdem Sebastian M. Herrmann u.a., Hg., Ambivalent Americanizations: Popular and Consumer Culture in Central and Eastern Europe, Heidelberg 2008. 98 | Tony Judt, Romania Between History and Europe, in: ders., Reappraisals, London 2008, 250-267, hier 265. 99 | Das Verhältnis zwischen Ungarn und Rumänien zeichnet Judt als asymmetrisch. In Punkto Personenwagen war es das tatsächlich, denn das sozialistische Ungarn produzierte anders als sein Bruderstaat keinen PKW. Ganz ohne Kraftfahrzeug als Objekt kollektiven Stolzes ging es aber auch nicht: Diese Aufgabe

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»Ostmark eben, nur altes Bundesland von uns. Kein Staat. Keine Sprache. Keine Geschichte. ›Nicht einmal Autos können die bauen, Kinder!‹«, erinnert sich der deutsche Schriftsteller Peter Roos an sommerliche Urlaubsreisen, vom Vater nach Österreich geführt, in die alpine »FerienFiliale für die BRD«. Der 2008 in der Sonntagsbeilage der Wiener Zeitung Der Standard erschienene Essay Schmerzgrenze kreist um die ewige Beleidigtheit der Österreicher über die vermeintliche oder wirkliche Missachtung, die ihnen der große Bruder Deutschland zuteil werden lässt.100 Auch hier führt die Ironisierung der Nation über das Automobil, denn dieses ist fester Bestandteil unseres Alltags, ein nach wie vor so begehrtes wie prestigeträchtiges Konsumgut. Eine Nation ohne Geschichte sollte also wenigstens Autos bauen, und wenn sie andererseits »nicht einmal« Autos baut, wird sie auch keine Geschichte haben. In nationalistischen Diskursen spielt die Vorstellung einer durch Alter gesicherten Substanz eine zentrale Rolle. Die Vergangenheit der Massenkonsumgesellschaft und ihrer Artefakte ist indes vergleichsweise kurz; immerhin lang genug, um Objekte nationalen Stolzes zu liefern. Dass es auch in der Gegenwart leicht fällt, die Nation mit Konsumgütern als ihren Symbolen zusammenzudenken, belegen die Passagen von Judt und Roos eindrücklich. Doch sind diese nationalen Identifikationsfiguren mindestens in der Außensicht auch besonders leicht als konstruiert zu erkennen. Wo Marketing und Werbung, oft im Paarlauf mit politischer Propaganda, für die symbolische Aufrüstung sorgen, erwartet man sich Konstruktionen in einem ungewissen Verhältnis zum Sein des konsumierten Dings, das sich, darin stimmen marxistische und konservative Kritiker des Konsumismus seit jeher überein, vom Schein der Ware unterscheidet. Dacia als Verkörperung der Würde der Nation – soll man das ernst nehmen? Nein, signalisiert Judt, so wenig aber wie andere solche Ansprüche auch. Und wie ist das Zitat zu verstehen, das Roos seinem Vater in den Mund legt? Die Antwort hängt davon ab, auf wen man die Frage beziehen will, auf Roos oder dessen Vater. Jedenfalls funktioniert Ironie nur, wenn sie sich erfüllten für Ungarn die Busse der Marke Ikarus, die ein vertrautes Bild auf den Straßen der sozialistischen Länder waren. Vgl. Zsombor Bódy, Der Ikarus-Bus als ungarische und sozialistische Ikone. Die symbolische Aufladung alltäglicher Objekte mit politischen Bedeutungen, in: Kühschelm, Nationalisierende Produktkommunikation, 152-172. 100 | Der Standard vom 7. Juni 2008, Album A8.

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vor einem Hintergrund der Ernsthaftigkeit aufrichtet.101 Die Nation aber ist bis heute eine ernste Sache und der Stolz auf das Automobil ebenso. Nach dem Absturz der Weltwirtschaft im Gefolge der Finanzkrise 2008 musste die Autoindustrie in den USA und in Europa aufgefangen werden, indem mit cash for clunkers oder Verschrottungsprämien für Nachfrage gesorgt wurde. Die Automobilindustrie als Schlüsselbranche des 20. Jahrhunderts nimmt auch zu Beginn des 21. einen wichtigen Platz im Wirtschaftsgefüge ein und ist in einigen Ländern ein Fixstern am nationalen Firmament geblieben, obwohl gerade in der Autobranche die globale Vernetzung der Produktion weit fortgeschritten ist. Auch die Idee des umfassenden buy-national hat in der globalen Wirtschaftskrise ein Comeback erlebt. Mit wenigen Wochen Abstand stellten sich 2009 in der Financial Times Deutschland und im New Yorker Journalistinnen die Frage nach der Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit eines exklusiv auf deutsche bzw. USamerikanische Produkte beschränkten Einkaufsverhaltens.102 Beide Reportagen sind mit einem kosmopolitischen Augenzwinkern geschrieben, doch reagieren sie auf die gänzlich ironiefreie Konjunktur, die seit einigen Jahren der Aufruf erlebt, einheimische Waren zu bevorzugen. Konsumgüter werden oft als Vehikel der Globalisierung betrachtet, in der Postmoderne zu einem beliebigen Spiel der Zeichen freigesetzt, das nationale Grenzen unterläuft oder schlicht ignoriert.103 In der Tat ging die Übersichtlichkeit der Nachkriegsjahrzehnte mit der Öffnung und Fragmentierung der Märkte verloren. Die prononcierte Ausdifferenzierung von Erlebnismilieus104 wirkt seither einer identitären Überwölbung durch nationale Zuschreibungen entgegen. Andererseits hat sich mit der auch nicht

101 | Vgl. die Auseinandersetzung mit der von Richard Rorty beanspruchten Position ironischer Intellektualität in Billig, Banal Nationalism, 154-173; zu den Bedeutungen der Ironie vgl. Linda Hutcheon, Irony’s Edge: The Theory and Politics of Irony, London u.a. 1994. 102 | Financial Times Deutschland vom 13. Februar 2009, 29; Patricia Marx, Made in USA. Buying American is a Shopping Challenge, in: The New Yorker vom 16. März 2009, 64-69. 103 | Vgl. Mike Featherstone, Consumer Culture and Postmodernism, London/ Thousand Oaks, Calif./New Dehli 1991. 104 | Vgl. Gerhard Schulze, Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt a.M. u.a. 1995.

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mehr ganz so neuen »neuen Unübersichtlichkeit«105 , die Habermas in den 1980er Jahren diagnostizierte, keineswegs das Bedürfnis nach integrativen Vorstellungen erledigt. Ob aber in unseren Breiten die Europäische Union zu einem primären Bezugspunkt kollektiver Identitäten werden kann oder sich eine Renationalisierung vollziehen wird, ist keine ausgemachte Sache, sondern eine offene Frage. Das durch den Staat gestützte Symbolinventar der Nation steht immer noch zur Verfügung, die entsprechenden Bilder sind schnell bei der Hand. Da die Zäune zwischen der Hoch-, Populär- und Massenkultur nun einmal eingerissen sind, versteht es sich inzwischen von selbst, dass sich die Nation konsumieren lässt, als touristische Dienstleistung oder als Strauß von Konsumgütern. Gerade durch die steigende Zahl von internationalen Konkurrenzprodukten auf ›heimischen‹ Märkten gewinnen die prononciert nationalen Güter wieder an distinktivem Wert.106 Als 2009 die den österreichischen Medienmarkt dominierende Kronenzeitung eine »kurze Heimat-Hymne« anstimmte, wurde diese vom Bild einer Schneekugel begleitet: Sie war prall gefüllt mit als österreichisch erkennbaren Objekten des Konsums.107

105 | Jürgen Habermas, Die neue Unübersichtlichkeit, Frankfurt a.M. 1985. 106 | Vgl. Hartmut Kaelble, Sozialgeschichte Europas: 1945 bis zur Gegenwart, München 2007, 110; Landenberger, Internationalisierung. 107 | Kühschelm, Konsumgüter und Nation, 19.

Geschichte, Tradition, Territorium Alpenglühen in den Schweizer Bergen, das Ägäische Meer und die endlosen Wälder Kanadas – geschichtsträchtige Landschaften bzw. deren Images dienten im 20. Jahrhundert immer wieder dazu, Konsumprodukte im Terroir, in der Heimat und in der ›natürlichen‹ Lebenswelt der Menschen zu verankern. An deren Geschichte/n und Bildern ›klebten‹ Sehnsüchte nach einer heroischen Vergangenheit, nach dem vormalig ›besseren Leben‹, nach einer verflossenen Zeit des Echten, Wahren und Schönen sowie der Geruch und Geschmack der Kindheit. Regionale und nationale Konnotationen und Assoziationen fanden sich typischerweise gerade bei industriell produzierten Nahrungsmitteln, die zumeist keine lokale Verankerung (mehr) besaßen. Schweizer Schokolade und Kanadischer Whisky stehen stellvertretend für solche ›modern-vormodernen‹ Produkte, die der ›anonymen‹ internationalen Massenproduktion entstammen und mit nationalen Geschichten und Landschaften kurzgeschlossen werden. Wobei der Zeitpfeil auch weiter zurück reichen kann und dann die Glorie der griechischen Antike auf einen Armsessel aus einer Athener Fabrik fällt. Insgesamt ermöglichte es die Verbindung von Milchschokolade und Alpenglühen der im internationalen Vergleich noch jungen Industrie eine zumindest symbolisch weit zurückreichende Tradition und ein spezifisch nationales Image zu verleihen. With the Canada’s Finest series of advertisements, Seagram both endorsed the Anglo federalist narrative of Canadian history and diffused nationalist symbols while weaving Seagram into that history and emerging Canadian iconography. »Incomparable – the Glory of Greece … the Brilliance of Metaxa.« (Inserat, 1965)

Schweizer Schokolade Zum Verhältnis von Identität, Alterität und der Genese eines nationalen Symbols um 1900 Roman Rossfeld

Schokolade besitzt in der Schweiz bis heute einen Stellenwert, den nur noch wenige andere Produkte, wie zum Beispiel Uhren oder Käse, erreichen, und obwohl der wichtigste Grundstoff Kakao aus fernen Ländern stammt, ist die Schokolade zu einem Symbol für die Schweiz und einem bedeutenden Faktor der nationalen Identität geworden. Gemäß einer repräsentativen Umfrage in der Europäischen Union dachten 1997 fast 80 Prozent der Befragten, wenn sie das Wort »Schweiz« hörten, zuerst an das Klischee von einem »Land der Berge, Uhren und der Schokolade«1 . Seit Jahrzehnten steht das Land weltweit an der Spitze des Pro-Kopf-Konsums von Schokolade, und da der Importanteil traditionell klein ist, kann auch gesagt werden, dass hier vor allem Schweizer Schokolade gegessen wird. 2009 waren es 11,7 kg pro Kopf2 – Schokolade ist ein wichtiges Element der nationalen Identität; das gute Image und die hohe Bedeutung 1 | Vgl. Hanspeter Stamm, Postkartenimage oder hässliche Schweizer? Eine Umfrage in Europa, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 18./19. Oktober 1997 (Nr. 242), 17. 2 | Vgl. www.chocosuisse.ch (03.06.2011). Die Statistik umfasst auch den Konsum von Grenzgängern und Touristen. Der Importanteil der in der Schweiz konsumierten Schokolade lag zwischen 1970 und 1994 zwischen 7,4 und 17,4 Prozent. Chocosuisse, Verband Schweizerischer Schokoladefabrikanten, Jahresbericht 1995, Bern 1995, Teil 3, 31. Für die Jahre zwischen 1910 und 1913 lag er noch bedeutend tiefer und bewegte sich konstant zwischen 3 und 4 Prozent. Vgl. Fran-

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des Produktes erstaunen allerdings, wenn man bedenkt, dass die Schweiz historisch betrachtet lange nicht zu den traditionsreichen europäischen Schokoladeproduzenten gehörte, sondern wie Deutschland in diesem Sektor erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewann.3 Bis 1880 fehlt die Schweiz in Statistiken zu den Schokolade produzierenden Ländern, und von den bis zum 19. Jahrhundert wichtigsten Produzenten Spanien, Frankreich, England und den Niederlanden galt Frankreich bis gegen Ende des Jahrhunderts als bedeutendster sowohl in Bezug auf die Menge als auch die Qualität der hergestellten Ware. Im Vergleich zu den großen ausländischen Unternehmen wie Menier und Poulain in Frankreich, Cadbury, Fry und Rowntree in England, Stollwerck und Hartwig & Vogel in Deutschland, van Houten in den Niederlanden oder Baker in den USA, handelte es sich in der Schweiz zunächst durchgehend um kleinere Unternehmen. Zur Einordnung in den internationalen Kontext schreibt Chiapparino: »Until the late nineteenth century […] chocolate could be regarded as French, cocoa powder as Dutch, the artisan specialities were Spanish, Belgian or at most Italian, whereas Great Britain, or later America and Germany, brought to mind large industrial productions, but no section of the branch could be recognized as typically Swiss.«4 Wie aber konnte diese Industrie innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer der bedeutendsten Industrien der Schweiz aufsteigen und aus einem – vom Grundstoff her – exotischen Produkt ein Symbol und Werbeträger für die ganze Schweiz cesco Chiapparino, L’industria del cioccolato in Italia, Germania e Svizzera. Consumi, mercati e imprese tra ›800 e prima guerra mondiale, Bologna 1997, 289. 3 | Die folgenden Ausführungen beruhen auf Nikita Harwich, Histoire du chocolat, Paris 1992, 171f.; Francesco Chiapparino, Milk and Fondant Chocolate and the Emergence of the Swiss Chocolate Industrie at the Turn of the Twentieth Century, in: Martin R. Schärer/Alexander Fenton, Hg., Food and Material Culture. Proceedings of the Fourth Symposium of the International Commission for Research into European Food History, Vevey 1998, 330-344, hier 331f.; Alfred Gutzwiller, Die schweizerische Schokoladenindustrie und die Weltkakaowirtschaft. Eine volkswirtschaftliche Studie, Liestal 1932, 80 u. 165; Theodor van Hout, Entwicklung und volkswirtschaftliche Bedeutung der schweizerischen SchokoladeIndustrie, Herzogenbusch 1933, 32f.; Karl Oetiker, Die Standorte der schweizerischen Industrien der Lebens- und Genussmittel, in: Zeitschrift für schweizerische Statistik 51 (1915), 143-176, hier 150. 4 | Chiapparino, Milk, 332.

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werden? Wie und warum wurde aus Schokolade »Schweizer Schokolade«, obwohl es sich um unterschiedliche Produkte verschiedener Hersteller handelt, und was bedeutet und beinhaltet dieser Begriff genau? Zur Beantwortung dieser Fragen sollen im Folgenden zwei Untersuchungsperspektiven – Ernährungsgeschichte als Kulturgeschichte und Unternehmensgeschichte als Marketinggeschichte – miteinander verbunden und der »Produktion von Sinn beim Konsum der Dinge« nachgegangen werden.5

N AHRUNG , E RNÄHRUNG UND NATIONALE I DENTITÄT UM 1900 Ernährungsgeschichte als Kulturgeschichte meint, dass die Geschichte der Ernährung nicht nur die ›Natur‹ der Nahrung, sondern auch die ›Kultur‹ des Essens und Trinkens untersuchen soll. Hinter der Annahme, dass Essen und Trinken immer auch soziokulturell geprägt sind, steht die Erkenntnis, »dass das Bedürfnis nach Nahrung zwar zu den […] physischen Grundbedürfnissen gehört, aber zwischen dem individuellen biologischen Bedürfnis – Hunger und Durst – und seiner Befriedigung – Essen und Trinken – stets die vermittelnde Instanz der kulinarischen Kultur mit ihren höchst unterschiedlichen Ausprägungen steht«6. Dies betrifft so5 | Zur Produktion von Sinn beim Konsum der Dinge und einem Verständnis von Konsum (und der Zirkulation von Gütern) als einer Form von Kommunikation, bei welcher der Konsument nicht passiv ist, sondern »gerade im Akt des Konsumierens zu einem eigenständigen Produzenten« wird, vgl. ausführlicher David Sabean, Die Produktion von Sinn beim Konsum der Dinge, in: Wolfgang Ruppert, Hg., Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge, Frankfurt a.M. 1993, 37-51, hier 37f. u. 48-50. 6 | Eva Barlösius/Trude Ehlert/Gerhard Neumann, Leitgedanken zum 2. Internationalen Kolloquium zur Kulturwissenschaft des Essens vom 21.–25. März 1994 im Wissenschaftszentrum Thurnau: Essen und kulturelle Identität – europäische Perspektiven, in: Internationaler Arbeitskreis für Kulturforschung des Essen, Mitteilungen 1 (1995), 15-20, hier 13f. Die folgenden Ausführungen beruhen auf Hans-Jürgen Teuteberg, Homo edens. Reflexionen zu einer neuen Kulturgeschichte des Essens, in: Historische Zeitschrift 265 (1997), 1-28, hier 1-12; Eva Barlösius/Gerhard Neumann/Hans-Jürgen Teuteberg, Leitgedanken über die Zusammenhänge von Identität und kulinarischer Kultur im Europa der Regionen, in:

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wohl den Konsum der Produkte als auch ihre Auswahl, denn nicht alles »was biologisch verzehrbar erscheint, wird auch tatsächlich gegessen«7. Stephen Mennell hat dies »die Kultivierung des Appetits« genannt; Mahlzeiten dienen nicht nur der Befriedigung des physiologischen Bedürfnisses nach Nahrung, sondern sind immer auch als Teile umfassender gesellschaftlicher Verhaltensnormen zu verstehen. Im Folgenden soll gerade »das Kulturphänomen [Essen] und […] die kulturelle und soziokommunikative Bedeutung des Essens«8 im Zentrum des Interesses stehen und die Nahrung als symbolische Form der Kommunikation verstanden werden, mit deren Hilfe man sich auch über kulturelle Werte verständigen kann.9 In das Essen und Trinken schreiben sich häufig alters-, geschlechts- und schichtspezifisch differenzierte »kulturelle Muster« und »emotionale Strukturen« ein; in ihnen manifestiert sich eine »kulinarische Grammatik« die – auch und besonders für die historische Analyse – einer »Linguistik des Essens«10 bedarf. Esskultur setzt sich dabei »aus Objekten, Handlungen, sozialen Beziehungen und Wertsystemen zusammen« und reicht über die Zubereitung Hans-Jürgen Teuteberg/Gerhard Neumann/Alois Wierlacher, Hg., Essen und kulturelle Identität: europäische Perspektiven, Berlin 1997, 13-23; Der internationale Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens. Aufgaben und Ziele, in: Internationaler Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens, Mitteilungen 1 (1995), 2-7. Zum »Paradox der doppelten Zugehörigkeit« des Essens zur Natur und Kultur des Menschen und der »natürlichen Künstlichkeit« der Ernährung vgl. ausführlicher Eva Barlösius, Soziologie des Essens. Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung, München 1999, 28-40. 7 | Teuteberg, Homo edens, 4. 8 | Arbeitskreis, Aufgaben, 2. 9 | Zur Betrachtung der Ernährung als »soziales Totalphänomen« vgl. Otto Bayer/ Thomas Kutsch/H. Peter Ohly, Ernährung und Gesellschaft. Forschungsstand und Problembereiche, Opladen 1999, 19-21. Zur Forderung einer mehr kulturgeschichtlich ausgerichteten Ernährungs- bzw. Genussmittelgeschichte Teuteberg, Homo edens, 1-12 und speziell zur Geschichte der Genussmittel den programmatischen Artikel von Thomas Hengartner/Christoph Maria Merki, Für eine Geschichte der Genussmittel, in: dies., Hg., Genussmittel. Ein kulturgeschichtliches Handbuch, Frankfurt a.M. 1999, 7-21. 10 | Jakob Tanner, Fabrikmahlzeit. Ernährungswissenschaft, Industriearbeit und Volksernährung in der Schweiz 1890-1950, Zürich 1999, 47.

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bis in die Materialität und Gestaltung der Waren, ihre Form, Farbe oder Konsistenz hinein. Nahrungs- und Genussmittel können immer wieder an spezifische Bedürfnisse einzelner Konsumentengruppen angepasst werden; Kakaopulver oder Tafelschokolade sind ganz unterschiedliche Produkte mit eigener Symbolik und Konsumkultur. Im Prozess der Aneignung von Waren eröffnet sich ein großer Handlungsspielraum und liegen vielfältige Variationsmöglichkeiten – mit dem Nahrungsverzehr wird auch »eine Art Information konstituiert«, Nahrung »summiert und transmittiert, was mit ihrem originären Zweck nichts zu tun hat«11 . Erst die Untersuchung der kulturellen Praktiken des Essens und Trinkens macht deutlich, dass Speisen, Getränke und Mahlzeiten »regelmäßig zur Abgrenzung gesellschaftlicher Gruppen und Schichten sowie ethnischer und religiöser Minoritäten, aber ebensosehr zur Differenzierung von Siedlungsräumen, Landschaften und Nationalstaaten […] dienen«12 , und dass gerade der Esskultur, um noch einmal Eva Barlösius zu zitieren, auch eine spezifische symbolische Ortsbezogenheit innewohnt: »Immer wieder haben die Menschen bis heute Anstrengungen unternommen, sich über bestimmte Kostnormen soziokulturell zu definieren und durch diese Identifikation eine Orientierung in dieser Welt zu erlangen.«13 Betrachtet man Ernährung als soziokulturell geprägtes Phänomen, wird deutlich, wie aus einem ursprünglich als exotisch wahrgenommenen Produkt ein zentrales Element der schweizerischen Identität werden konnte. Erst ein kulturgeschichtlicher Zugang macht verständlich, dass der Konsum von Schokolade mehr sein kann als eine nur notwendige, physiologisch erklärbare Nahrungsaufnahme – ein Beitrag zur Etablierung eines »nationalen Gedächtnisses« beziehungsweise die Inkorporation nationaler Identität (und Alterität). Diese soziokulturelle und symbolische Dimension des Essens und Trinkens wurde durch die Industrialisierung der Ernährung und die Entstehung der Konsumgesellschaft noch verstärkt. Hans-Jürgen Teuteberg hat betont, dass die zunehmende Massenproduktion nicht nur zur einer »immer größer werdenden Internationalisierung und Homogenisierung der Nahrungsmittel«, sondern gleichzeitig auch zu einer, nur auf den ers11 | Teuteberg, Homo edens, 6. 12 | Barlösius, Leitgedanken, 13f. 13 | Ebd.; zur Bedeutung des Konsums als »marker« vgl. Heinz-Gerhard Haupt, Konsum und Handel. Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2003, 93-109.

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ten Blick paradox erscheinenden, »sich verstärkenden Ausdifferenzierung der Märkte mit einer gleichzeitigen Revitalisierung der Landesküchen«14 geführt hat. Gerade durch die industrielle Massenproduktion und ihre zunehmende Austauschbarkeit wurden Lebensmittel zu sozialen Artefakten, und damit wurde auch die Entwicklung eines unverwechselbaren Images, die Differenzierung (oder Nationalisierung) der Produkte, zu einem wichtigen Element unternehmerischen Erfolges. Mit Hilfe der Werbung – und der zunehmenden Bedeutung des Marketings in den Unternehmen – wurde eine eigene Identität für die immer abstrakteren, industriell verarbeiteten Produkte geschaffen.15 Um im zunehmenden Wettbewerb bestehen zu können, wurde die Kennzeichnung der Waren zu einer Notwendigkeit; die Vielfalt der Produkte erforderte ihre Unterscheidung. Markenprodukte wie die 1901 von Suchard lancierte Milchschokolade Milka oder die 1908 von Tobler entwickelte Toblerone werden damit zu einem interessanten Untersuchungsgegenstand. Rainer Gries hat die Bedeutung der »Produktkommunikation« bei Markenartikeln betont und die Untersuchung der spezifischen Semantik von Markenartikeln, von eigentlichen »Produktbiographien« und ihrer kommunikativen Funktion im Markt gefordert.16 Aufgabe des Marketings ist es aus dieser Perspektive, »semantische Netze zielgerichtet und absatzorientiert zu erweitern«17; Produkte als Medien ver-

14 | Teuteberg, Homo edens, 27f. 15 | Zur Bedeutung des Marketings für eine moderne (kulturgeschichtlich ausgerichtete) Unternehmensgeschichte vgl. ausführlicher Roman Rossfeld, Unternehmensgeschichte als Marketinggeschichte. Zu einer Erweiterung traditioneller Ansätze in der Unternehmensgeschichtsschreibung, in: Christian Kleinschmidt/ Florian Triebel, Hg., Marketing. Historische Aspekte der Wettbewerbs- und Absatzpolitik (Bochumer Schriften zur Unternehmens- und Industriegeschichte, Band 13), Essen 2004, 17-39 sowie Hartmut Berghoff, Marketing im 20. Jahrhundert. Absatzinstrument – Managementphilosophie – universelle Sozialtechnik, in: ders., Hg., Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt a.M. 2007, 11-59. 16 | Vgl. ausführlicher Rainer Gries, Produkte als Medien. Kulturgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR, Leipzig 2003, 53-147. 17 | Rainer Gries, Produktkommunikation. Geschichte und Theorie, Wien 2008, 43.

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mögen »nicht nur zu integrieren, sondern sie segregieren, segmentieren und fragmentieren zugleich«18. Schließlich ließ die Entstehung der Konsumgesellschaft, in der über mehr und andere Nahrung verfügt werden konnte, als zur Deckung der Grundbedürfnisse notwendig war, die Frage der Ernährung vermehrt zu einer Frage der Lebensführung respektive des Lebensstils werden. Zentral wurden nun der mediale Charakter der Produkte und ihre Funktion innerhalb gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Dies bedeutet aber auch, dass die Frage nach dem Erfolg der Schweizer Schokoladeindustrie nicht von der Ausbildung eines bestimmten Images zu trennen ist. Bereits 1914 bezeichnete Theodor Tobler die Reklameschaffenden als »geistige Werterzeuger«19; Schokolade wurde nun zu einer Projektionsfläche für die Ausbildung und das Erleben von (nationaler) Identität.20 Insbesondere bei Genussmitteln, die bis heute nicht als Grundnahrungsmittel verwendet werden, sind die kulturellen Zuschreibungen und Bewertungen, »das 18 | Ebd., 61. 19 | Theodor Tobler, Kakao, Chocolade und Schweizerische Chocolade-Industrie. Auszugsweise Wiedergabe eines Vortrages, gehalten von Herrn Direktor Th. Tobler, den 27. März 1914 im Schosse des »Bernischer Verein für Handel und Industrie« in Bern, Bern o.J., 48. 20 | Gemäß Ferdinand Fellmann werden die zur Ausbildung von Identität notwendigen Identifikationsmuster »durch die Kultur bereitgestellt, welche den Rahmen abgibt, in dem sich die Prozesse der Selbstidentifikation vollziehen«. Zum Begriff der Identität vgl. ausführlicher Ferdinand Fellmann, Kulturelle und personale Identität, in: Hans-Jürgen Teuteberg/Gerhard Neumann/Alois Wierlacher, Hg., Essen und kulturelle Identität: europäische Perspektiven, Berlin 1997, 27-36, hier 33. Zum Verhältnis von Konsumgütern und Nation bzw. Konsumgeschichte und (nationaler) Identität vgl. mit zahlreichen weiteren Beispielen – und über die Ernährungsgeschichte hinausgehend – auch Oliver Kühschelm, Konsumgüter und Nation. Theoretische und methodische Überlegungen, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 21/2 (2010), 19-49 sowie Oliver Kühschelm, Konsumieren und die diskursive Konstruktion nationaler Gemeinschaft, in: Susanne Breuss/Franz X. Eder, Hg., Konsumieren in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert, Innsbruck 2006, 189-211. Zum Begriff der nationalen Identität vgl. mit Blick auf die Schweiz auch Georg Kreis, Die Frage der nationalen Identität, in: Paul Hugger, Hg., Handbuch der schweizerischen Volkskultur, Band 2, Zürich 1992, 781-799.

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Ambiente, die kleinen und großen Zeremonien des Zubereitens und des Zu-Sich-Nehmens, aber auch das Wissen um ihre lange Geschichte«21, von zentraler Bedeutung. Als Erklärung für den zunehmenden Konsum von Schokolade kann nicht primär der Nährwert dienen, sondern müssen »die sozialen Formen des Genusses, die symbolische Dimension der Waren, die soziale Konkurrenz und [… der] Eigensinn der Verbraucher«22 untersucht werden. Schokolade war und ist ein emotionales Produkt, dessen Konsum seit seiner Einführung in Europa stark soziokulturell geprägt war und noch heute nur zum Teil von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen – wie der Analyse des Nährwertes – geleitet wird. Versteht man die Küche »als eine verdichtete symbolische Konstruktion«, über die es möglich ist, »Identität herzustellen oder anderen zuzuschreiben«23 , erlaubt ein kulturgeschichtlicher Blick auf die Ernährung auch zu untersuchen, was für einen Beitrag sie zur Ausbildung und Eingrenzung von Identität liefern kann, »wie kulturelle Identifikation durch Nahrungsverwendung erzeugt wird«.24 Für den vorliegenden Beitrag heißt dies, insbesondere auf das Zusammenspiel von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen, daraus resultierenden Identitätskrisen und der Ausbildung oder Umgestaltung von Identifikationsmustern zu achten, die bei der Entwicklung eines spezifischen Images der Schweizer Schokolade eine wichtige Rolle spielten. Die Ausbildung dieses Images muss stets vor dem Hintergrund mentaler Dispositionen und epochenspezifischer Entwicklungen wie der zunehmenden Bedeutung der Milch als Nahrungsmittel, dem Problem der Lebensmittelverfälschungen und den Fortschritten in der Lebensmitteltechnologie oder der Ausgestaltung nationaler Identität nach der Gründung des Bundesstaates von 1848 verstanden werden.

21 | Hengartner, Geschichte, 7. 22 | Claus Füllberg-Stolberg/Peter Kriedte/Volker Wünderich, Hg., Kolonialwaren für Europa. Zur Sozialgeschichte der Genussmittel (Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Band 34), Berlin 1994, 9. 23 | Barlösius, Leitgedanken, 17. 24 | Ebd., 21f.; zur Nation als System kultureller Repräsentationen vgl. allg. auch Ruth Wodak u.a., Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität, Frankfurt a.M. 1998, 38f.

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A USL ÄNDISCHE »P R ACHT« UND »V ÖLLERE Y«: S CHOKOL ADE ALS L UXUSGUT IM 18. J AHRHUNDERT Noch im 18. Jahrhundert galt Schokolade als ein fremdes – geradezu unschweizerisches – und exotisches Importprodukt, das der traditionellen Ernährung widersprach und dessen Konsum eng mit der ständischen Gesellschaftsordnung verbunden war.25 Der Konsum von Genussmitteln diente wie das Beherrschen von Tischsitten oder die Verwendung teuren Geschirrs auch zur Inszenierung von Standesunterschieden; aus wirtschaftlicher Sicht war der Import teurer Luxusgüter und der damit verbundene Abfluss von Geld ins Ausland allerdings umstritten. Ihre Einfuhr widersprach der merkantilistischen Wirtschaftspolitik dieser Jahre, die zur Erhöhung der Staatseinnahmen die Förderung des inländischen Gewerbes und die Erzielung einer positiven Handelsbilanz anstrebte. Beispielhaft seien hier die Überlegungen von Isaac Iselin (1728-1782) über die Üppigkeit und Niclaus Emanuel Tscharner (1727-1794) über die Nothwendigkeit der Prachtgesetze in einem Freystaate von 1769 angeführt. Tscharner, bernischer Obervogt auf dem Schenkenberg im Aargau, war unter anderem Präsident der 1759 gegründeten Ökonomischen Gesellschaft und der seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts bestehenden, patriotisch ausgerichteten Helvetischen Gesellschaft, die sich für eine Reform und Verbesserung der öffentlichen Zustände in den verschiedensten Bereichen einsetzte. Pracht und Üppigkeit richteten sich für ihn gegen Tugend, Fleiß, Häuslichkeit und Freiheit, waren ein »Verbrechen gegen die Gesellschaft« und eine »dro-

25 | Vgl. ausführlicher Sonja Kreiner, Kontroversen um Kaffee und Kaffeehäuser im 18. Jahrhundert, in: Roman Rossfeld, Hg., Genuss und Nüchternheit. Geschichte des Kaffees in der Schweiz vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Baden 2002, 150-166; Rudolf Braun, Das ausgehende Ancien Régime in der Schweiz. Aufriss einer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1984, 81-90; Michael Stolleis, Luxusverbote und Luxussteuern in der frühen Neuzeit, in: Michael Stolleis, Pecunia Nervus Rerum. Zur Staatsfinanzierung der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1983, 9-61 und Rainer Wirtz, Kontroversen über den Luxus im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Heinz Reif, Hg., Nahrungsmittel und ihre Märkte im 19. und 20. Jahrhundert (Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Band 36), Berlin 1996, 165-175.

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hende und gefährliche Seuche«26. Tscharner richtete sich sowohl gegen die »Ausschweifungen der Üppigkeit« – war die Völlerei doch eine der sieben Todsünden im Christentum – als auch gegen die »Verschwendung im Aufwand«, zu der er auch die »Lüsternheit nach ausländischer Kleidung und Nahrung« zählte.27 Für den Basler Ratsschreiber, Juristen und Philosophen Isaac Iselin, ebenfalls eine treibende Kraft in der Helvetischen Gesellschaft und 1777 Gründer der aufklärerischen Basler Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, waren »die traurigen Früchte der Üppigkeit, welche der Unverstand so hoch schätzt«28, Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Die Üppigkeit war für ihn sowohl »ein sittliches Übel, weil sie die Seele des Menschen schwächet, und weil sie dessen Charakter erniedriget«, als auch »ein politisches Übel, weil entkräftete und erniedrigte Menschen keine guten Bürger seyn können; und weil die unordentlichen Begierden eines üppigen Menschen zu ihrer Befriedigung die Armuth, und die Unterdrückung tausend anderer nothwendig machen.«29 Typisch für den Luxusdiskurs im 18. Jahrhundert fand jedoch auch Iselin die »Üppigkeit des gemeinen Mannes« noch »unendlich verderblicher für den Staat« als diejenige des Reichen, trug sie für ihn doch »weit mehr zur Vertheuerung der Producte«30 bei. Aus merkantilistischer Sicht befürchtete er, »die Ausfuhr des einheimischen Geldes für überflüßige fremde Waaren« würde den Staat »schwach machen«, schädlich für den Staat seien aber auch »die Dürftigkeit« und der »Fall der Bürger und der Familien«, welche »der Eitelkeit und den Lüsten ihre größern und dauerhaftern Vortheile aufopfern«31 würden. Die Einfuhr und der Verbrauch fremder Waren, »für welche allzuviel Geldes aus dem Lande gehen dürfte«, sollte des-

26 | Niclaus Emanuel Tscharner, Ueber die Nothwendigkeit der Prachtgesetze in einem Freystaate, Zürich 1769, 10 u. 14. 27 | Ebd., 29. 28 | Isaac Iselin, Palämon, oder von der Üppigkeit, in: Niclaus Emanuel Tscharner, Ueber die Nothwendigkeit der Prachtgesetze in einem Freystaate, Zürich 1769, 45-82, hier 47. 29 | Ebd., 48f. 30 | Ebd., 61. 31 | Ebd., 57.

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halb »mit aller Sorgfalt« – um nicht der »innerlichen Gewerbsamkeit« zu schaden – entweder verboten oder »mit starken Zöllen beladen«32 werden. Besorgt war 1791 auch Christoph Meiners, Professor für Philosophie in Göttingen, der in seinen Briefen über die Schweiz mit Blick auf das Berner Oberland festhielt: »Auch hier hörte ich den Widerhall der Klagen, die in allen gebirgigen Gegenden der Schweiz erschallen, dass ausländische Pracht, und besonders überhandnehmende Völlerey, die alte Unschuld und Einfalt verdrängen, wodurch die Bewohner des Thals vormals so glücklich waren. Der Missbrauch hitziger Getränke verdirbt hier nicht bloss die Sitten, sondern viel schneller, als anderswo, den Cörper«.33 Der Konsum von Kaffee, Tee und Schokolade widersprach nicht nur bei Meiners einer seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzenden Alpen- und Schweizbegeisterung, die sich in einer Flut von Reiseberichten spiegelte. Verbunden mit einer antiaristokratischen, gegen Opulenz und Völlerei gerichteten Idealisierung des Hirtenlebens und der Schweizer als einem Volk von Hirten, »reinen, freiheitsliebenden, starken, harmonischen und gesunden Alpenbewohnern«, trug dieses Bild später dazu bei, »ein schweizerisches Nationalbewusstsein als ideologische Basis für die Gründung des Bundesstaates zu schaffen«.34 Fremdländische Genussmittel hatten hier keinen Platz; ihr steigender Konsum und ihre weitere Verbreitung galten als Ausdruck eines fortschreitenden Verlustes schweizerischer Identität – ein be32 | Ebd., 73. 33 | Meiners, Briefe, Band 2, 42f., zit.n. Kreiner, Kontroversen, 54f. 34 | Braun, Ancien Régime, 83.; vgl. auch Guy P. Marchal, Das »Schweizeralpenland«: Eine imagologische Bastelei, in: Guy P. Marchal/Aram Mattioli, Hg., Erfundene Schweiz. Konstruktionen nationaler Identität, Zürich 1992, 37-50; Jakob Tanner, Nationale Identität und kollektives Gedächtnis. Die Schweiz im internationalen Kontext, in: Neue Zürcher Zeitung vom 31. Januar/1. Februar 1998 (Nr. 25), 81 sowie mit Blick auf »the nationalization of nature« und »the naturalization of the nation« Oliver Zimmer, In Search of Natural Identity. Alpine Landscape and the Reconstruction of the Swiss Nation, in: Comparative Studies in Society and History 40 (1998), 637-665. Zu den spezifischen Problemen der nationalen Einigung, die mit dem Sonderbundskrieg von 1847 und der wirtschaftlichen Rückständigkeit der alpinen Regionen verbunden waren, vgl. auch Hansjörg Siegenthaler, Die Schweiz 1850-1914, in: Wolfram Fischer, Hg., Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg, Stuttgart 1985, 443-473, hier 455.

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merkenswerter Unterschied zur späteren, nationale Identität stiftenden Wahrnehmung der Schokolade.

A NMERKUNGEN ZUM A UFSTIEG DER S CHOKOL ADEINDUSTRIE UM 1900 War die schweizerische Schokoladeindustrie noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im internationalen Kontext unbedeutend gewesen, erlebte sie nach den Erfindungen der Milch- und Schmelzschokolade (beziehungsweise des Conchierens) durch Daniel Peter und Rudolf Lindt in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts einen rasanten Aufstieg.35 Wurden die Bezeichnungen »Schweizer Schokolade« oder »schweizerische Schokoladeindustrie« in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) im gesamten 19. Jahrhundert noch gar nicht verwendet, etablierten sich diese Begriffe nach 1900 rasch.36 Nach der Gründung noch heute bekannter – und inzwischen multinational tätiger – Unternehmen wie Suchard 1826 in Serrières, Sprüngli 1845 in Zürich, Lindt 1879 in Bern oder Tobler 1899 ebenfalls in Bern stieg das Produkt nach 1900 zu einem der wichtigsten Exportgüter der Schweiz auf.37 Die Erfindung der Milchschokolade war dabei in eine alte milchwirtschaftliche Tradition und eine jahrzehntelange Erfahrung in der (industriellen) Verarbeitung von Milch eingebettet. Da in den alpinen Regionen der Schweiz kein Getreide angebaut werden konnte, reichten hier Vieh- und Milchwirtschaft bis ins Spätmittelalter zurück, sodass Milch, Butter und Käse schon früh zu 35 | Zum Aufstieg der schweizerischen Schokoladeindustrie sowie den Innovationen der Milchschokolade und des Conchierens, einem Verfahren zur Verfeinerung der Schokolade, vgl. Roman Rossfeld, Schweizer Schokolade. Industrielle Produktion und kulturelle Konstruktion eines nationalen Symbols, Baden 2007, 104-128 u. 142-176 sowie Chiapparino, Milk, 330-344. 36 | Die Angaben basieren auf einer im NZZ-Archiv vorgenommenen Volltextsuche nach diesen und ähnlichen Begriffen (wie »Schweizer Chocolade«) in den vollständig digitalisierten Ausgaben der NZZ für die Jahre 1800-1900 und 1900-2000. 37 | Vgl. Gutzwiller, Schokoladenindustrie, 80 u. 165 sowie Hans Hartman, Zur ökonomischen Theorie der schweizerischen Schokoladenindustrie mit besonderer Berücksichtigung der Standortfrage, Bern 1919, 4.

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Hauptnahrungsmitteln geworden waren.38 Parallel zum Aufschwung der Milchwirtschaft kam es seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zur Entstehung einer milchverarbeitenden Industrie und nach 1900 zu einer immer engeren Verbindung zwischen der Milch- und Schokoladeindustrie. Als erste europäische Kondensmilchfabrik überhaupt war 1866 von den Amerikanern Charles und George Page die Anglo-Swiss Condensed Milk Co. in Cham gegründet worden. Nur ein Jahr später, 1867, folgte die Herstellung eines festen Kindermehls mit Milch durch den ursprünglich aus Frankfurt a.M. stammenden Apotheker Henri Nestlé in Vevey.39 Bis nach 1900 blieb die Schweiz die alleinige Herstellerin von Milch- und Schmelzschokolade und verfügte damit über einen langjährigen FirstMover-Vorteil, der für den Aufstieg und die Entwicklung dieser Industrie zentral war. Hatten die Rohstoffe bisher fast ausschließlich aus dem Ausland importiert werden müssen, konnte man jetzt auf einen Grundstoff zurückgreifen, der das Produkt deutlich mit der Schweiz verband. Der gute Ruf konnte nun aus einem lokalisierbaren Qualitätsmaterial abgeleitet werden, das über ein gutes Image verfügte und durch die Standortgebundenheit der Milch nicht vom Ausland übernommen werden konnte. Mit dem Zusatz von Milch war ein erster Schritt von der Schokolade 38 | Zur frühen milch- und viehwirtschaftlichen Tradition in der Schweiz vgl. ausführlicher Peter Moser/Beat Brodbeck, Milch für alle. Bilder, Dokumente und Analysen zur Milchwirtschaft und Milchpolitik in der Schweiz im 20. Jahrhundert, Baden 2007, 11-29 sowie die älteren Arbeiten von Ralph Bircher, Wirtschaft und Lebenshaltung im schweizerischen »Hirtenland« bis Ende des 18. Jahrhunderts, Lachen 1938, 10-20, 34-40 u. 99-113; Ralph Bircher, Zur Geschichte, in: Die schweizerische Milchwirtschaft. Herausgegeben von der schweizerischen Milchkommission in Zusammenarbeit mit den milchwirtschaftlichen Fachkreisen, Thun 1948, 1-25, hier 1-14, und Karl Gutzwiller, Die Milchverarbeitung in der Schweiz und der Handel mit Milcherzeugnissen. Geschichte, Betriebsformen, Marktverhältnisse und volkswirtschaftliche Bedeutung, Schaffhausen 1923, 7-20. 39 | Zum Aufstieg der schweizerischen Milchwirtschaft und Kondensmilchindustrie seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Albert Pfiffner, Henri Nestlé (1814-1890). Vom Frankfurter Apothekergehilfen zum Schweizer Pionierunternehmer, Zürich 1993 sowie Michael van Orsouw/Judith Stadlin/Monika Imboden, George Page – der Milchpionier. Die Anglo-Swiss Condensed Milk Company bis zur Fusion mit Nestlé, Zürich 2005.

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zur Schweizer Schokolade gemacht; das Produkt wurde zu einem Teil der milchwirtschaftlichen Tradition – beziehungsweise diese Tradition zu einem Teil des Produktes. Die Milchschokolade ermöglichte den Aufbau eines einheitlichen Images, verfügte man jetzt doch über eine Spezialität, die von der ausländischen Konkurrenz noch nicht oder nur in unbefriedigender Qualität hergestellt werden konnte.40 In England und Deutschland gelang die Erzeugung einer qualitativ zufriedenstellenden Milchschokolade erst nach 1900.41 Die deutschen Fabrikanten lehnten sich in der Benennung und Verpackung ihrer Waren »so eng wie möglich an die Schweizer Vorbilder an«42 , was – wie die Imitationen ausländischer Fabrikanten insgesamt – noch einmal als ein deutliches Indiz für 40 | Noch 1900 schrieb Jean-Jacques Kohler in seinem Bericht zur Weltausstellung von Paris: »Il faut dire que la fabrication [… du chocolat au lait] n’a pas été couronné de succès dans les autres pays, dont la concurrence est quasi nulle dans ce domaine.« Jean-Jacques Kohler, Sucres et produits de la confiserie, chocolats, condiments et stimulants. Fachbericht zur Pariser Weltausstellung 1900, Classe 59, Genf 1900, 5. 41 | Gemäß Fitzgerald geht die Entwicklung einer festen Milchschokolade in England zwar bis ins Jahr 1889 zurück, aber erst 1899 brachte Rowntree mit der »Swiss Milk Chocolate« ein erstes auf Milchpulver basierendes und deutlich an die Schweiz angelehntes Produkt auf den Markt, das nach Fitzgerald, 76, aber noch »a poor rival« war. 1902 lancierte Rowntree mit der »Alpine Milk Chocolate« ein verbessertes Produkt, das eine Schokolade von Cailler imitierte, qualitativ jedoch immer noch ungenügend war. Neben Rowntree hatte auch Fry keinen Erfolg bei der Entwicklung einer qualitativ zufriedenstellenden Milchschokolade, und es gelang erst Cadbury 1905 – auf der Basis von Kondensmilch – mit der »Dairy Milk« ein konkurrenzfähiges Produkt zu fabrizieren, während Rowntree selbst 1919 noch nicht in der Lage war, eine qualitativ befriedigende Milchschokolade herzustellen. Vgl. Robert Fitzgerald, Rowntree and the Marketing Revolution, 1862-1969, Cambridge 1995, 76-79 u. 83. Zu den Schwierigkeiten bei der Herstellung fester Milchschokolade in Deutschland vgl. Gordian. Zeitschrift für die Cacao-, Chocoladen- und Zuckerwaren-Industrie der Welt und für alle verwandten Erwerbszweige vom 20. Mai 1899 (Nr. 98), 1731. Eines der größten Probleme bestand auch hier darin, dass man die Milchschokolade mit nur wenigen Ausnahmen von Beginn an mit Milchpulver fabrizierte, was in diesen Jahren aber noch nicht zu den gewünschten Ergebnissen führte. 42 | Gordian vom 25. März 1909 (Nr. 334), 2500.

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die starke Stellung der Schweizer Milchschokolade im internationalen Markt verstanden werden kann. In der Werbung ausländischer Fabrikanten wurden typische Symbole der Schweiz nun immer häufiger verwendet. Die deutsche Schokoladefabrik Hartwig & Vogel brachte schon um 1900 ein Produkt mit dem Markennamen Tell auf den Markt. Das in Annoncen abgebildete Motiv war dabei eindeutig dem im August 1895 in Altdorf enthüllten Telldenkmal von Richard Kissling nachempfunden. Das 1870 in Dresden gegründete Unternehmen war aber nicht irgendein Betrieb, sondern nach Stollwerck die zweitgrößte deutsche Schokoladefabrik überhaupt. Stollwerck produzierte nun eine »Swiss Milk Chocolate«, aber auch »Alpentäler und schneebedeckte Berge« sowie »Sennhütten und andere für die Schweiz hervorstechende Dinge« wurden zum Ärger des Gordian, der seit 1895 in Hamburg erscheinenden Zeitschrift für die Cacao-, Chocoladen- und Zuckerwaren-Industrie der Welt, nun auf den Verpackungen deutscher Schokoladen angebracht. Eigenartig fand es der Gordian auch, »daß einige deutsche Firmen für ihre Milchschokolade vielfach schweizerische Namen gewählt« hatten »wie Montreux, Alpsura, Luzerna, Rigi, Alpengruss, Rütli usw.«, anstatt das »Ausschlaggebende und für den Wettbewerb nötige«43 – die Verbesserung der Qualität der Waren – vorzunehmen. Insgesamt verfügte die deutsche Schokoladeindustrie in der Mehrheit der Fälle bis zum Ersten Weltkrieg noch nicht über eine Milchschokolade, die in Bezug auf die Qualität der Ware mit den Schweizer Produkten vergleichbar war. Zugleich zeigt die Verwendung von Schweizer Nationalsymbolen, was für einen hohen Stellenwert die Schweizer Schokolade bereits um 1900 hatte – und wie das Produkt nun auch vom Ausland mit der Schweiz verbunden wurde.

43 | Ebd., 2500f. Zum Problem der Nahrungsmittelqualität und den um 1900 noch häufigen Verfälschungen vgl. Rossfeld, Schweizer Schokolade, 176-198 sowie – über die Schokoladeindustrie hinaus – Vera Hierholzer, Nahrung nach Norm. Regulierung von Nahrungsmittelqualität in der Industrialisierung 1871-1914, Göttingen 2010.

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Abb. 1: Email-Schild für Tell-Schokolade der deutschen Schokoladefabrik Hartwig & Vogel von 1901 (Diathek, Kunstgeschichtliches Seminar der Universität Zürich). Parallel dazu kam es gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer fortschreitenden Demokratisierung des Konsums. Das Wachstum der Schokoladeindustrie, die allgemein steigenden Reallöhne, die fortschreitende Mechanisierung und Rationalisierung der Verarbeitung sowie die zunehmende Durchsetzung der Schokolade als Nahrungsmittel führten zu einem starken Anstieg des Konsums. Mit Blick auf die schichtspezifische Verbreitung kann die Schokolade (wie der Zucker und Kaffee) als »sinkendes Kulturgut« bezeichnet werden, das nach 1900 für immer mehr Konsumentinnen

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und Konsumenten erschwinglich wurde.44 Aus dem ursprünglich aristokratischen Luxusprodukt wurde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ein immer breiter, über verschiedene alters-, geschlechts- und schichtspezifische Grenzen hinweg konsumiertes Nahrungs- und Genussmittel, das die nun einsetzende Nationalisierung des Produktes erst ermöglichte.

V OM E XOTISCHEN L UXUSPRODUK T ZUM » HÖCHSTEN G IPFEL DER V OLLKOMMENHEIT « Wie aber erfolgte die Umdeutung dieses ursprünglich fremden, exotischen Produktes zu einem Tradition und Moderne, Natur und Industrie verbindenden Element der nationalen Identität? Überblickt man die Werbung der schweizerischen Schokoladeindustrie um 1900, zeigt sich eine deutliche Verschiebung von exotischen Motiven in der frühen Werbung zu einer Inszenierung der Schweiz als »Heidiland« nach 1900.

44 | Zur ursprünglich auf den Soziologen Georg Simmel zurückgehenden »Durchsickerungstheorie«, den sog. »Trickle-down-Effekt«, vgl. Ariane Stihler, Die Entstehung des modernen Konsums. Darstellung und Erklärungsansätze, Berlin 1998, 184f. Stihler weist zurecht darauf hin, dass der Begriff des sinkenden Kulturgutes schlecht gewählt sei, weil hier eigentlich die unteren Schichten dem sich immer wieder verändernden Statuskonsum der Oberschicht nachjagen würden, es sich also um einen »Trickle-up-Effekt«, ein nach oben gerichtetes »Jagd und Flucht«-Muster handle. Am Beispiel der Frühen Neuzeit hat Brewer darüber hinaus betont, dass durch den (ausschließlichen) Akzent auf der »Nachahmung« des Statuskonsumes der Oberschichten »eine zugeschriebene soziale Funktion mit ihrer Bedeutung gleichgesetzt« werde. Diese Sicht auf den Konsum (als Nachahmung) entspreche zwar »dem dominanten Diskurs der Wirtschafts- und Moralphilosophen der frühen Neuzeit«, deren Betrachtungen seien aber präund nicht deskriptiv gewesen – eine Kritik, deren Berechtigung auch in diesem Beitrag deutlich wird. Vgl. John Brewer, Was können wir aus der Geschichte der frühen Neuzeit für die moderne Konsumgeschichte lernen?, in: Hannes Siegrist/ Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka, Hg., Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt a.M. 1997, 51-74, hier 70.

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Abb. 2: Blechplakat der Schweizer Schokoladefabrik Suchard um 1880. Kakaoernte als Hinweis auf die exotische Herkunft des Produktes (Archiv Suchard Lörrach, FWS 1). Die Werbung bewegte sich häufig im Spannungsfeld von Exotismus und Nationalismus, und die oft stereotyp gestalteten Motive ermöglichten nicht

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zuletzt eine Differenzierung von (nationaler) Identität und (exotischer) Alterität.45 Das »Heraustreten aus dem Hier und Jetzt«46 als ein Grundmerkmal des Exotismus war nicht nur ein zentrales Element der Landes- und Weltausstellungen, sondern auch ein wichtiges Motiv der Schokoladewerbung. Ernteszenen oder die Abbildung von Schwarzen mit dem Rohstoff Kakao verwiesen auf die Fremdartigkeit der Schokolade; zugleich wurde damit aber auch auf die in der bürgerlichen Gesellschaft wichtigen Dichotomien von »modern-vormodern« respektive »neuzeitlich-archaisch«47 verwiesen und die Schwarzen einer rückständigen Lebenswelt zugeordnet. Mit dem Erfolg der Milchschokolade verschwanden die exotischen Motive dann jedoch weitgehend aus der Werbung. 1906 vermerkte Peter, die Milchschokolade sei »High as the Alps in Quality«48, 1915 erreichte die Schokolade von Tobler den »höchsten Gipfel der Vollkommenheit«49 , und im Vergleich zu anderen Produkten war die Schweizer Schokolade jetzt »as distinct from ordinary eating chocolat as the Alps are from foothills«50. Während ausländische Produzenten noch gar nicht in der Lage waren, eine qualitativ zufriedenstellende Milchschokolade herzustellen, begann die Abbildung von Alpen und Kühen die Werbung der Schweizer Hersteller zu dominieren. Innerhalb des gesamten Marktes war diese Nationalisierung eine Diversifizierung, und wenn es im März 1906 in einer Annonce für Peters Milchschokolade hieß: »If you cannot get to the world’s wonderland, you can yet have the world’s wonder in confectionfood«51 , drückte sich darin nicht nur das gestiegene Selbstbewusstsein der Fabrikanten aus. Vielmehr wurde das Produkt damit auch 45 | Vgl. auch Anne-Françoise Berdoz-Fuchs, L’industrie chocolatière au tournant du siècle. Parcours illustré à travers sa production publicitaire. Unveröffentlichte Lizentiatsarbeit des Historischen Seminars der Universität Lausanne, 2 Bde., Lausanne 1987, Band 1, 89. 46 | Stefanie Wolter, Die Vermarktung des Fremden. Exotismus und die Anfänge des Massenkonsums, Frankfurt a.M. 2005, 33. 47 | Ebd., 34. 48 | Archives Historiques Nestlé (AHN), NPCK G-2.1, Annonce von Peter vom März 1906. Vgl. auch Berdoz-Fuchs, L’industrie, Band 1, 77-88. 49 | Slogan eines Plakates von Tobler, zit.n. Patrick Feuz/Andreas Tobler, Schoggibaron. Das bittersüße Leben Theodor Toblers (1876-1941), Bern 1996, 12. 50 | AHN, NPCK G-2.1, Annonce von Peter vom März 1906. 51 | Ebd.

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mit einer heilen Alpenwelt verbunden, die von Johanna Spyri bereits 1880 in der äußerst erfolgreichen Erzählung Heidis Lehr- und Wanderjahre einprägsam geschildert worden war. Die Darstellung der Schweiz als Alpenland reichte bis ins 18. Jahrhundert zurück und war in der Werbung von der schweizerischen Kondensmilchindustrie bereits in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts aufgegriffen worden.52 Zugleich war die Werbung der Schokoladeindustrie eng verbunden mit dem Bild der Schweiz auf den Landes- und Weltausstellungen, die im 19. Jahrhundert auch ein »Forum nationaler Selbstdarstellung«53 waren. Auf der Weltausstellung in Paris 1867 waren die teilnehmenden Länder dazu aufgefordert worden, landestypische Bauten zu errichten, mit der Folge, dass das Gebäude der Schweiz im »parc étranger« an den »Stil der AlpenSennhütte«54 erinnerte. Auf der Weltausstellung in Paris von 1900 hatten Peter, Kohler, Nestlé und Suchard »gleichartige Pavillons aus hellem Holze errichtet und führten »die bekannte Milchchocolade« jetzt »ganz besonders vor«55 . Während Suchard sein »Chalet suisse de dégustation«56 direkt neben dem Eiffelturm betrieb, hatten Kohler und Nestlé im Village Suisse ein »grosses Restaurant für Chocolade und Milch erbaut«, in dem sie ihre Produkte ausschenkten. Im kleineren Stil war das Village Suisse schon an der Landesausstellung in Genf 1896 und an den Weltausstellungen in Paris 1889, Antwerpen 1894 und Brüssel 1897 zu sehen gewesen. Der thematische Schwerpunkt des Village Suisse lag in der Darstellung des Ländlichen. Hier erhoben sich »sanftansteigende, grüne Matten mit Sennhütten, wo der Älpler das Alphorn bläst«57, und begrenzt wurde das Ganze 52 | Vgl. ausführlicher Zimmer, Search, 646-652. Gemäss Jean Heer, Nestlé. Hundertfünfundzwanzig Jahre. Von 1866-1991, Vevey 1991, 74, bestand in der Kondensmilchindustrie schon seit den siebziger Jahren die Marke »Milchmädchen« der Anglo-Swiss, für die mit einem Trachtenmädchen geworben wurde. 53 | Martin Wörner, Vergnügung und Belehrung. Volkskultur auf den Weltausstellungen 1851-1900, Münster 1999, 4. Die folgenden Ausführungen beruhen auf Wörner, Vergnügung, 49-52, 92-96, 104-106 u. 114-123. 54 | Ebd., 52. 55 | Gordian vom 20. Juni 1900 (Nr. 124), 2252. 56 | Archives Suchard-Tobler (AST), Nr. 2519, Rundschreiben an den Detailhandel vom Mai 1900. 57 | Illustrirte Zeitung vom 30. November 1899, 752, zit.n. Wörner, Vergnügung, 94.

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durch eine schon baulich eindrucksvolle, bis zu 40 m hohe und 600 m lange künstliche Felslandschaft mit weidenden Kühen, Alpenblumen und einem 25 m hohen Wasserfall. Die Hauptattraktion war ein riesiges Alpenpanorama des Berner Oberlandes, das sich – gestaltet von den Schweizer Malern François Furet, Auguste Baud-Bovy und Eugène Burnand – im Innern der Gebirgskonstruktion befand und bereits an der Weltausstellung in Chicago 1893 und an der Landesausstellung in Genf 1896 gezeigt worden war. In Genf hatten auf künstlich angelegten Alpen Kühe geweidet und 353 »Bewohner« in Trachten überwiegend handwerkliche Tätigkeiten vorgeführt – ein Ensemble, das Martin Wörner als »Mittler zwischen Agrar- und Konsumgesellschaft« und »Identitätsstifter«58 beschrieben hat: »Die Gegenüberstellung der oft spartanisch wirkenden Gebäude mit den auf den Ausstellungen zelebrierten Errungenschaften des Fortschrittes führte den Besucherinnen und Besuchern die Vorzüge der modernen Zivilisation eindrucksvoll vor Augen. Gleichzeitig bildeten die Ensembles aus vergangenen Tagen hierzu ein visuelles Gegengewicht: Die rasante technische und wirtschaftliche Entwicklung wurde v.a. gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch den Verlust traditioneller Lebenszusammenhänge zunehmend auch als Bedrohung empfunden.«59 Die Verklärung der Alpwirtschaft und der Rückgriff auf als ursprünglich empfundene Werte und Verhaltensweisen waren eine Reaktion auf den tiefgreifenden Wandel, den Industrialisierung und Urbanisierung mit sich brachten und der für viele Menschen auch mit Verlusterfahrungen verbunden war. Faktisch verlor die Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung, während die Industrie stark expandierte. Schon vor dem Ersten Weltkrieg waren in der Schweiz nur noch ein Viertel aller Arbeitskräfte im Agrarsektor beschäftigt, und die Ernährung der Bevölkerung wurde bereits zu mehr als 50 Prozent durch Importe gedeckt.60 Das von Freud beschriebene zunehmende »Unbehagen in der Kultur« führte nicht zuletzt zu einer Neubewertung der Natur, die nun mit Begriffen wie »Freiheit« oder »Ursprünglichkeit« verbunden wurde und es der Schokoladeindus58 | Wörner, Vergnügung, 114. 59 | Ebd., 117. Zur Interpretation der ethnographischen Dörfer in den Landesund Weltausstellungen und der Bedeutung von Trachten als das »Ursprüngliche, Nationale, Eigenthümliche« vgl. ausführlicher Wörner, Vergnügung, 114-123 und 145-179. 60 | Vgl. Siegenthaler, Schweiz, 459f.

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trie ermöglichte, das Produkt mit dem einfachen – aus dieser Sicht regenerativen – Leben in den Bergen zu verbinden. Vielleicht führten aber gerade auch der wachsende Export, die fortschreitende Globalisierung und die schon vor dem Ersten Weltkrieg zunehmend ins Ausland verlagerte Produktion zu einer immer sichtbareren Betonung des Heimatlichen.61 1899 beschrieb der Merkur die Wirkung des drei Millionen Franken teuren Village Suisse mit Blick auf die kommende Weltausstellung und die dortige Konkurrenz wie folgt: »Der Besucher wird mit einem Schlage den Hallen voll Lärm, Farbenüberschwang, erdrückendes Schaugepräge entrückt, um am Murmelbach, beim Rauschen des Wasserfalles, zwischen schlichten Holzhäuschen sich wieder zu finden. […] Das ist das Schweizerdorf! Es bedarf nur ganz geringer Phantasie, um sich klar zu machen, daß weitaus die größte Reklame und die zuverlässigste Reklame für unser Land durch dieses Unternehmen geschaffen wird.« Die »Ermattung oder der Ueberreiz«, Schlagworte aus der zeitgenössischen Debatte um die Volksgesundheit, machten hier »einem gewißen Behagen Platz«, und was in Genf noch »eine hübsche Beigabe der Ausstellung« gewesen war, sollte in Paris »ein erstes Votum«62 für die Schweiz abgeben. Sonnenuntergänge und Alpenglühen wurden nun auch zu einem beliebten Motiv in der Schokoladewerbung und erinnerten nicht nur an die Schönheit der Natur, sondern auch an einen natürlichen, nicht von Uhren und einem immer hektischeren Alltag geprägten Zeitrhythmus. Faktisch kam es – über diese Inszenierung hinaus – allerdings kaum zu einer Verbindung von Tradition und Moderne. Hans Peter Treichler hat zurecht festgehalten, dass das »treuherzige Chalet Suisse« umso stärker irritiere, »als die Schweizer Fremdenindustrie eine Route eingeschlagen hatte, die geradewegs in die Gegenrichtung führte«. In den frühen achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstand in den Bergen eine Anzahl Hotelpaläste, die »keinerlei Anleihen beim Chaletstil mehr machten, die

61 | Zur ersten Globalisierungswelle vor 1914 vgl. ausführlicher Cornelius Torp, Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg. Die erste Welle ökonomischer Globalisierung vor 1914, in: Historische Zeitschrift 279 (2004), 561-609. 62 | Merkur. Offizielles zweisprachiges Organ des Verbandes reisender Kaufleute der Schweiz. Die Fachzeitung des reisenden Kaufmanns vom 20. Mai 1899 (Nr. 20), o. S.

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vielmehr den Gletschern und Gipfeln der Alpenwelt eine phantastische Feudalarchitektur gegenüberstellten.«63

Abb. 3: Plakat des Schweizer Malers und Plakatgestalters Carl Moos für Chocolat Klaus von 1915 (Plakatsammlung, G 326, Museum für Gestaltung Zürich). Mit dem Aussichtshotel, dem »auf einer abgelegenen Bergschulter hingeklotzten Fremdenpalast« entstand auch hier eine Gegenwelt, die man allerdings von einem Hotel aus genoss, in dem das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und Naturerlebnis »in einer geschlossenen Welt« befriedigt

63 | Hans Peter Treichler, Die stillen Revolutionen: Arbeitswelt und Häuslichkeit im Umbruch (1880-1900), Zürich 1992, 221.

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werden konnte, zu der die alpine Landschaft nur noch »den unvergesslichen Rahmen«64 abgab. Nach demselben Prinzip funktionierte auch die Vermarktung von Milchschokolade, deren maschinelle Herstellung mit Alphüttenromantik nichts verband, und für die mit einer landwirtschaftlichen Tradition geworben wurde, an deren langsamen Verschwinden die Industrie selbst wesentlich beteiligt war. Dennoch waren die nationalen Zuschreibungen, die Verbindung von Tradition und Moderne und das Image der Schweiz als »Heidiland« für die Schokoladeindustrie sehr attraktiv. Die Alpen standen nicht nur für das Reine und Unberührte, sondern waren auch ein Symbol für das Erhabene und Solide.65 Zugleich ermöglichten sie eine Verbindung zu einer traditionell wichtigen Konsumentengruppe, den Touristen, und die Milch wurde nun zu einem für die nationale Identität zentralen, symbolisch aufgeladenen Nahrungsmittel. Die auf internationalen Ausstellungen und in der Werbung immer wieder betonte Natürlichkeit der Schweizer Alpweiden ließ die Milch gerade im Zeitalter der Industrialisierung und Urbanisierung zu einem Symbol einer gesunden und naturverbundenen Lebensweise werden. J. F. Schneeberger hatte die Milch bereits 1867 als das »weisse Blut«66 bezeichnet, das den Menschen vollständig ernähren könne, und seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer engen Verbindung physiologischer Erkenntnisse, der wachsenden Bedeutung der Milch- und Viehwirtschaft und der Etablierung einer spezifisch nationalen Identität nach der Gründung des Bundesstaates von 1848. Das in der Ernährungswissenschaft dieser Jahre dominante »Eiweißparadigma« führte zu einer wissenschaftlich legitimierten, außergewöhnlich hohen Wertschätzung von Fleisch und Milch, und von bedeutenden Physiologen wie Gerardus Johannes Mulder (1802-1880) oder dem 1856 an die Universität Zürich berufenen Mediziner

64 | Isabelle Rucki, Das Hotel in den Alpen. Die Geschichte der Oberengadiner Hotelarchitektur von 1860-1914, Zürich 1989, zit.n. Treichler, Revolutionen, 223f. 65 | Zu den Alpen als einer »purifying force« vgl. Zimmer, Search, 654-656. 66 | J. F. Schneeberger, Die Ernährung des Volkes mit besonderer Berücksichtigung der arbeitenden und niederen Klassen. Ein Beitrag zur Verbesserung unserer sozialen und volkswirtschaftlichen Zustände und hauptsächlich zur Bekämpfung der Branntweinpest usw., Bern 1867, 74.

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Jacob Moleschott (1822-1893) wurde zugleich eine enge Verbindung von Ernährung und Nationalcharakter diagnostiziert.67 Der Erfolg beziehungsweise die symbolische Transformation des ursprünglich dunklen, fremden Stoffes zu einem hellen, industriell verfeinerten, eigenen Produkt scheint dabei auch aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive keineswegs zufällig zu sein. Parallel zum fortschreitenden Anbau von Kakao auf dem ›Schwarzen Kontinent‹ wurde aus dem exotischen Importprodukt nun ein farblich, aber auch symbolisch helleres, Reinheit und Fortschritt anzeigendes Element der nationalen Identität. Dieselbe Dichotomie von fremd-dunkel und eigen-hell lässt sich zu einem etwas späteren Zeitpunkt auch am Beispiel der Zigaretten zeigen, wo die orientalisch-dunklen durch die amerikanisch-blonden Produkte verdrängt wurden. Während Julius Maggi Gastwirten zusammen mit den ersten Leguminosenmehlen eine schön gerahmte Szene abgegeben hatte, »die geharnischte Eidgenossen beim Löffeln der Kappeler Milchsuppe«68 – einem Symbol für die nationale Einheit – zeigte, bildete in einem Kalenderbild von Suchard aus dem Jahr 1886 der Rütlischwur das Zentrum der Reklame.69 Zugleich waren die Alpen, das Rütli und der Vierwaldstättersee auch wichtige touristische Motive, und die zum Teil verblüffende Ähnlichkeit zwischen der Schokolade- und Tourismuswerbung lässt sich in diesen Jahren an vielen Beispielen belegen.70

67 | Vgl. exemplarisch Gerardus Johannes Mulder, Die Ernährung in ihrem Zusammenhange mit dem Volksgeist, Utrecht 1847 und Jacob Moleschott, Lehre der Nahrungsmittel. Für das Volk, 3. Auflage, Erlangen 1858. 68 | Treichler, Revolutionen, 74f. Zur Symbolik der Kappeler Milchsuppe vgl. Georg Kreis, Die Kappeler Milchsuppe. Kernstück der schweizerischen Versöhnungsikonographie, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 44 (1994), 288-310. 69 | Vgl. AST, Nr. 747, Kalenderbild von 1886. 70 | Vgl. exemplarisch die Werbebroschüre von Peter, An Ascent of Mont-Blanc, Vevey 1903, AHN, NPCK G-2.18. Die Broschüre beschrieb in dramatischen Worten den Auf- und Abstieg einer Gruppe von Bergsteigern am Mont-Blanc, wobei sich einer der Alpinisten ausschließlich mit Peter-Schokolade ernährte. Die Verbindung von Schokolade mit dem Reisen geht allerdings wesentlich weiter zurück.

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Abb. 4: Abendstimmung. Plakat für Milka-Schokolade um 1910. Mit dem Motiv des Milchmädchens warb auch die Schweizer Milchwirtschaft (Archiv Suchard Lörrach, FWS 1).

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1914 verwies Theodor Tobler in einem Vortrag vor dem Bernischen Verein für Handel und Industrie explizit auf die Bedeutung der Schokoladewerbung für den Tourismus in der Schweiz. Gemäß Tobler sangen »die zu Hunderttausenden gedruckten farbenreichen Plakate unserer Chocoladen-Produkte überall im Auslande das hohe Lied des schönen Schweizerlandes«71 . Hatte Suchard seine Milchschokolade zunächst unter dem Namen »Suchard’s reine Schweizer Alpenmilch Schokolade« verkauft, wurde das Produkt seit 1901 unter dem bis heute bekannten Markennamen Milka (von Milch und Kakao) vertrieben. Schon 1898 war auf der Verpackung ein Alpweidmotiv angebracht worden, das die Milchschokolade mit frischen Weiden, reiner Luft und gesunden Kühen in Verbindung brachte.72 Nach 1900 lancierte Suchard schließlich eine ganze Serie von Plakaten mit dem Titel »La Suisse illustrée par le Chocolat Suchard«, die sich eindeutig am Tourismus orientierten.73

R EKL AMEUNWESEN , »B LECHPEST« UND »P L AK ATSEUCHE « Die zunehmende Werbung und die Indienstnahme nationaler Symbole für den Verkauf von Schokolade wurden allerdings nicht überall gern gesehen. Die Nationalisierung des ursprünglich fremden, exotischen Produktes verlief keineswegs konfliktfrei. Bereits 1883 hatte die offizielle Zeitung der schweizerischen Landesausstellung in Zürich – mit einem negativen Unterton – festgehalten, die Schokolade sei dasjenige Produkt, das in seinem »Reklameschwung« auch die »Felswände unserer Gebirge«74 nicht 71 | Tobler, zit.n. Feuz/Tobler, Schoggibaron, 70. 72 | Zum Produktimage von Milka vgl. Katerina Vatsella, Lila lohnt sich. Zur Designgeschichte der Marke Milka, in: Klaus Berthold, Hg., Von der braunen Schokolade zur lila Versuchung. Die Designgeschichte der Marke Milka, Bremen 1996, 10-29. 73 | Zum Vergleich der Schokoladewerbung mit der Tourismuswerbung vgl. mit zahlreichen Abbildungen von Schweizer Tourismusplakaten Yves Ballu, Die Alpen auf Plakaten, Bern 1987; Karl Wobmann, Schweizer Hotelplakate 1875-1982, Luzern 1982 sowie Willy Rotzler/Karl Wobmann, Touristikplakate der Schweiz, 1880-1940, Aarau 1980. 74 | AST, Nr. 2504, Offizielle Zeitung der schweizerischen Landes-Ausstellung vom 1. April 1883 (Nr. 8), 88.

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verschone. 1889 stellte der Merkur die rhetorische Frage, ob es die »Verschönerungs- und Alpenvereine« nicht als eine »Ehrenpflicht« erachteten, »gegen die felsenschändende Reklame Front zu machen«.75 Nachdem 1905 die Schweizerische Vereinigung für Heimatschutz gegründet worden war, widmete sie der Reklame in ihrem Organ, dem Heimatschutz, 1906 ein ganzes Heft und rief zum Kampf gegen das »Reklameunwesen« auf.

Abb. 5: Plakat aus der von Suchard nach 1900 lancierten Serie »La Suisse illustrée par le Chocolat Suchard«, die sich eindeutig am Tourismus orientierte (Plakatsammlung, 52-51, Museum für Gestaltung Zürich).

75 | Merkur vom 10. August 1889 (Nr. 32), o. S.

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Die Werbung beschimpfte man hier als »Plakatseuche«, die Blech- und Emailplakate als »Blechpest«, und die Industrie beschuldigte man, die Verschandelung von Landschaft und Stadtbild zu verursachen. Ernst Lang, Obmann der Kommission gegen das Reklameunwesen, sprach vom »öden und barbarischen ›Amerikanismus‹« in einer Zeit »des wildesten Konkurrenzkampfes, in welcher der Sinn für Zucht und Anstand in geschäftlichen Dingen« immer mehr zu schwinden drohe. Die schönsten Gebirgslandschaften seien »durch riesige Reklameschmierereien in schandhafter Weise und wie durch ein Geschwür entstellt worden«76. Für ihn war klar, der »einfache, schlichte, jedem Schwindel abholde Sinn« der Schweizer Bevölkerung empfinde »das sich breit machen und hervortreten Einzelner als etwas Fremdes, Unschweizerisches«. Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, das Volk werde »hoffentlich bald und bevor es zu spät ist, auch diese Feinde und diese Sorte Fremdherrschaft zum Lande hinaus treiben«77. Besonders störte sich Lang aber am »Reklame-Spektakel« der Schokoladefabrikanten. Eine in Zürich angebrachte Giebelreklame mit einem bekannten Motiv von Suchard beurteilte er als eine »in den entsetzlichsten Farben« gemalte »rohe Aufdringlichkeit« mit »grellen, die Augen verletzenden Farbzusammenstellungen«78 . Bereits einige Jahre zuvor, 1885, hatte die in St. Gallen ansässige Schokoladefabrik Maestrani den damals in Privatbesitz befindlichen, unterhalb von Göschenen an der Gotthardstrasse und der kurz zuvor eröffneten Gotthardbahn stehenden Teufelsstein für 80.- Franken erworben. Zwei Jahre später ließ sie den rund 13 Meter hohen und 220 Tonnen schweren Granitblock durch die Maler Gustav Reseck und Emil Müntsch schokoladebraun anstreichen. Der Stein war (und ist) ein nationales Freiheitssymbol, und gerade weithin sichtbare, besonders exponierte Objekte wie der Teufelsstein waren für Reklamezwecke besonders begehrt. Der Sage nach hatte der Teufel mit diesem Stein erfolglos 76 | Ernst Lang, Zum Kampfe gegen das Reklameunwesen, in: Heimatschutz. Zeitschrift der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz 1/6 (1906), 4147, hier 41f.; zum Kampf des Heimatschutzes gegen die zunehmende Werbung vgl. auch Dirk Reinhardt, Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung in Deutschland, Berlin 1993, 265-268 u. 378-386 sowie Christiane Lamberty, Reklame in Deutschland 1890-1914. Wahrnehmung, Professionalisierung und Kritik der Wirtschaftswerbung, Berlin 2000, 443-490. 77 | Lang, Kampfe, 47. 78 | Ebd., 43f.

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versucht, die über die Reuss führende »Teufelsbrücke«, den sogenannten »Stiebenden Steg« in der Schöllenenschlucht – ein wichtiges Glied auf dem Gotthardweg – zu zerstören.79 Oben am Stein hatten die Maler die Inschrift »Teufelsstein« und darunter in leuchtendem Gelb den Werbeslogan »Schokolade Maestrani ist die beste« anzubringen. Die Verwendung des Steins für Werbezwecke stieß allerdings rasch auf Widerstand. Bereits im August 1887 wurde im Urner Wochenblatt beklagt, wie »von gewissen reklamesüchtigen Industriellen in eigenmächtiger Weise längs vielbegangenen Bergstrassen, sowie an Passübergängen und herrlichen Aussichtspunkten, […] Felsen und Steine mit Affichen beschmiert und verunstaltet« würden und »selbst der Teufelsstein in eine Chocoladepyramide umgefärbt worden«80 sei. 1888 forderte das Blatt »mit Rücksicht auf den weihevollen Ernst der Gegend« und »im Gefühl um unsere Nationalehre«, dass die »Schmierereien an der Teufelsbrücke« entfernt würden. Für das Urner Wochenblatt waren die Reklamen nicht nur eine »prosaische Kleckserei«, durch die »aller Zauber der einzigartigen Gegend« zerstört wurde, sondern auch eine »unerträgliche Entweihung«81 dieses Ortes. Einige Jahre später war die braune Farbe durch die rauen Witterungseinflüsse allerdings bereits abgewaschen, sodass um 1905 ein erneuter Anstrich notwendig wurde. Auf Initiative von Max Oechslin, dem damaligen Kantonsoberförster und Gründer der Naturschutzkommission des Kantons Uri, schenkte Maestrani den Stein Anfang März 1925 schließlich der Naturforschenden Gesellschaft Uri »zur dauernden Erhaltung« und mit der Auflage, dass er in Zukunft nicht mehr für Werbezwecke verwendet werden dürfe.82 Dirk Reinhardt hat den Kampf der Heimatschützer gegen die zunehmende Werbung insgesamt als »Kampf zwischen einer

79 | Zu Geschichte der Teufelsbrücke vgl. ausführlicher Rudolf Gisler-Pfrunder, Die Teufelsbrücke am St. Gotthard. Ein Kaleidoskop, Altdorf 2005. 80 | Urner Wochenblatt. Katholisch-konservatives Volksblatt für den Kanton Uri vom 6. August 1887 (Nr. 32), o. S. 81 | Ebd. vom 7. Juli 1888 (Nr. 27), o. S. 82 | Vgl. auch Fintan P. Amstad, Wie der Teufelsstein bei Göschenen und die Teufelswand in der Schöllenen zu einem farbigen Anstrich kamen, in: Urner Wochenblatt vom 13. Juli 1966 (Nr. 54), o. S. und Max Oechslin/Hans Kehrli, Der Teufelsstein zu Göschenen, in: Berichte der Naturforschenden Gesellschaft Uri, 23 (2005), 59-66, hier 59.

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versinkenden und einer heraufdämmernden Welt«83 beschrieben. Der Widerstand gegen die Reklame war nicht zuletzt Ausdruck einer Verunsicherung durch die fortschreitende Industrialisierung und die damit verbundene neue, noch ungewohnte Form der Kommunikation. Die Schenkung des Teufelsteins an die Naturforschende Gesellschaft Uri und das gleichzeitig ausgesprochene Verbot, den Stein weiterhin für Reklamezwecke zu verwenden, waren aus dieser Perspektive vermutlich mehr als nur ein Zufall – der Versuch einer Aussöhnung zwischen Natur und Industrie, Fortschritt und Tradition.

F A ZIT : S CHOKOL ADE Z WISCHEN I DENTITÄT UND A LTERITÄT, N ATIONALISIERUNG UND G LOBALISIERUNG Insgesamt ermöglichte es die Verbindung von Milchschokolade und Alpenglühen der im internationalen Vergleich noch jungen Industrie eine zumindest symbolisch weit zurückreichende Tradition und ein spezifisch nationales Image zu verleihen. Hatten vor 1900 exotische Motive und Fabrikansichten in der Werbung vorgeherrscht, wurde das Produkt nun mit den Alpen, der Reinheit der Natur, dem Rütli oder Wilhelm Tell verbunden. War die Schokolade im 18. Jahrhundert noch als aristokratisches, unschweizerisches und der traditionellen Ernährung widersprechendes Luxusprodukt empfunden worden, ermöglichten die Erfindung der Milchschokolade, der Übergang zur Massenproduktion und die fortschreitende Demokratisierung des Konsums um 1900 die Nationalisierung des Produktes. Die Milchschokolade erlaubte nun die Rückbindung des Produktes an die Alpen, und nach 1900 warb die schweizerische Schokoladeindustrie hauptsächlich mit verschneiten Berggipfeln, Milchkühen und dem guten Image der Schweizer Alpenmilch. Der Widerspruch zwischen der industriellen Verarbeitung der Waren, einer schon um 1900 zunehmend ins Ausland verlagerten Produktion und dem nationalen Image der Produkte konnte dabei lange unterdrückt werden. Angesichts der zunehmenden Globalisierung und fortschreitenden Technisierung von Produktion und Konsum stellt sich allerdings die Frage, ob und inwieweit das nach wie vor national geprägte Image auch in den nächsten Jahrzehnten noch ein

83 | Reinhardt, Reklame, 380.

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erfolgreiches Konzept für die Vermarktung des Produktes sein wird.84 So wurde die Marke Milka, deren Inszenierung und mehrfache Umgestaltung Klaus Berthold als Weg »von der braunen Schokolade zur lila Versuchung« beschrieben hat, schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich an die realen Verhältnisse angepasst. Die Differenz zwischen Tradition und Moderne war im Verlauf der Jahre immer größer geworden, und wie bei vielen anderen Marken zeigt sich auch hier, dass »die konnotative Aura eines Produktes nicht statisch ist«85 . 1953 hatte der Schweizer Graphiker Herbert Leupin zunächst eine karierte Kuh geschaffen, und Anfang der siebziger Jahre entstand in der Frankfurter Werbeagentur Young & Rubicam die bis heute bekannte »lila Alpenkuh«. Waren bisher stets die Schweizer Alpweiden und die hohe Qualität der Schweizer Milch mit dem Produkt verbunden worden, war die lila Kuh eine ironische Brechung der immer wieder betonten Natürlichkeit von Milka. Die Verfremdung ermöglichte eine Distanzierung von einem allzu naturverbundenen, traditionalistischen Image, das angesichts der zunehmenden industriellen Verarbeitung von Lebensmitteln immer unglaubhafter wurde. Das industrielle Design wurde nun auf die Milchkuh projiziert – bestehen blieb aber die Verbindung des Produktes mit den Alpen.86 Diese Ambivalenz wurde mit Blick auf das Verhältnis von Identität und Alterität, Nationalisierung und Globalisierung 1996 auch in einem durchaus zweideutigen (und politisch zu verstehenden) Slogan von Lindt & Sprüngli, »Europa hat ein Schokola84 | Schröter hält fest, dass die politischen, mentalen und wirtschaftlichen Räume zunehmend divergieren: »For Switzerland, foreign direct investment is of extreme importance. In 1989 one-third of the total workforce of Swiss firms was employed abroad. The extent and importance of Swiss foreign direct investment raises questions about its national identity. The same question is put forward by certain clusters of competitive industries – their factor and their sales markets cannot be called Swiss ones any more. Historically, Swiss multinational has undoubtedly been rooted in the Swiss economy […]. However, recent trends reveal that the Swiss character of Swiss multinationals is declining. Large Swiss multinationals have simply outgrown their home country’s ability to provide them with national competitive advantage.« Harm G. Schröter, Swiss Multinational Enterprise in Historical Perspective, in: Geoffrey Jones/Harm G. Schröter, Hg., The Rise of Multinationals in Continental Europe, Aldershot 1993, 49-64, hier 61. 85 | Kühschelm, Konsumieren, 206. 86 | Zur Designgeschichte von Milka vgl. Vatsella, Lila, 10-29.

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deherz – die Schweiz«87, deutlich. Versteht man die Nationalisierung aber als Diversifizierung und Reaktion auf die zunehmende Internationalisierung des Geschäftes, kann sie gerade heute auch als »eine Art Gegenbewegung zur Sicherung der Identität«88 verstanden werden, die angesichts der allgemein feststellbaren Regionalisierung Bestand haben wird.

87 | Der Spot wurde 1996 und 1997 hauptsächlich in der Schweiz, Österreich und Italien ausgestrahlt. Freundliche Information von Vladina Hess, Lindt & Sprüngli Kilchberg. 88 | Barlösius, Leitgedanken, 22.

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Fashioning a Fashionable Canada Redeeming Whisky and Popularizing the Nation in Seagram’s Advertisements Lisa Sumner

While consumption of whisky today has fallen behind vodka in Canada, at its height of popularity in the late 1950s, Canadian whisky was widely drunk domestically and Canada’s number one fully manufactured export.1 Once a luxury drink, Canadian whisky is now commonly viewed as the dated choice of an older generation, while the inexpensive, ›bottom-shelf‹ brands are dubiously seen as a favourite of drunks. In some respects the drink has returned to the inferior status it carried prior to its mid-twentieth-century respectability; however, today the stigma carries more of an aesthetic critique rather than the moral condemnation of temperance crusaders that once clouded its acceptability in Canada. The making of whisky’s now-faded fashionability and its braided encounters with discourses of Canadian nation-building are examined here, with a specific focus on the promotional strategies of the multinational Seagram liquor empire. The object of analysis – Seagram’s advertisements and product line – stems from the researcher’s interests as a scholar of both Canadian consumption and communication. This choice of site is not intended to undervalue the significance of consumer accounts, but rather to investigate the interplay of mass media, nationalism and consumption. As Harold Innis has shown, in a country as geographically large but sparsely populated as Canada, print media that could circulate messages from coast to coast, 1 | Kevin Chong, The Forgotten Empire, in: The Walrus 7/9 (November 2010), Toronto, 67.

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and metropolis to hinterland, were indispensable to achieving not only the national consumption of merchandise but also fostering nationalism itself across disparate regions which often had few pre-existing connections. The spatial conquest achieved by mass magazines proved fortuitous for the Seagram Company who used print advertisements to popularize the visual imagery, rhetoric and iconography being produced by Canadian nationalists. Seagram’s advertisements, which appeared from 1938 to the 1950s, called upon a dominant moral climate and cultural identity largely characterized by loyalty to the ›British character‹ of Canada and the increasingly valorised role of international commerce, but would later be challenged by the nascent multiculturalism and resurgence of Quebec nationalism in the 1960s. Informed by the »cultural moralism,«2 which remained influential into the postwar period, Seagram’s marketing appealed to both the dominant moral economy of the period and to the tastes of the working and middle classes. The moral elevation of many of the advertisements made them wellsuited to appeal to both the antimodernist nationalist elite and Canadian consumers. Promotional techniques served to obscure what may have been perceived as the questionable dimensions associated with both Canadian whisky and the fortune of the Bronfman family, who owned Seagram. At the same time, boosterish marketing helped secure the Seagram Company an active role within a national cultural industry.

C ANADA’S F INEST : N ATIONAL B OOSTERISM AND P RODUCT P ROMOTION The purchase of the Seagram distillery in 1927, provided the Bronfmans with a respectable name and established brands that imparted a corporate identity in keeping with the narrative of Canadian heritage being espoused by cultural nationalists. Andrew Herman, in his study of American tycoons, has articulated how appeals to the esteemed values and practices 2 | Philip Massolin speaks of the »broad strain of cultural moralism that had underpinned Anglo-Canadian intellectual life throughout the Victorian period« and was considered threatened by the shift in cultural values accompanying modernism. Philip Massolin, Canadian Intellectuals, the Tory Tradition and the Challenge of Modernity, 1939-1970, Toronto 2001, 4.

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of the dominant culture have long offered businessmen a means of imparting legitimacy and approbation to commercial enterprise.3 In similar fashion, the Seagram’s pedigree gave the controversial Bronfman family a means by which it could craft and augment respectability. Such efforts were particularly valuable to the Bronfman family – given their outsider status as Jewish entrepreneurs linked to Prohibition-era liquor smuggling4 – and were pursued through philanthropy, commissioned works and also extended into the corporate image of Seagram. Beginning in 1938, Seagram promoted its famous whisky through national boosterish advertising campaigns that were characteristic of Canadian advertising and magazine culture of the period. Seagram’s early advertisements and product line offered a primary site where rhetorical strategies could be acted out and visually diffused in a popular mass medium. Seagram would appropriate the moral elevation associated with both Britain and pastoralism – subjects valorised by the nationalist cultural elite – through the deployment of narratives and signifiers in advertising campaigns, through the development and design of product lines, and with the Tudor architecture of the firm’s head office. The significance and exposure of print advertisements expanded rapidly concurrent with Seagram’s own development. The 1930s marked a turning point for mass consumer magazines and advertising in Canada. In 1931, circulation and census figures reveal there were roughly four periodicals and newspapers per household.5 Publishing had developed into a leading 3 | Andrew Herman, The »Better Angels« of Capitalism: Rhetoric, Narrative, and Moral Identity Among Men of the American Upper Class, Boulder, Co. 1999. 4 | The Bronfman’s beginnings in the liquor business were spent notoriously circumventing Canadian and American prohibitions on alcohol. In Canada, a mail-order business was established in Quebec, given the more lenient provincial regulation of alcohol there, and orders were shipped to ›drier‹ provinces. With the full ban on alcohol in the US (1920-1933), the Bronfmans supplied border outposts used by ›bootleggers‹ for the lucrative business of smuggling liquor into America. With the profits earned the Bronfmans purchased much of the aged whisky in America from distilleries put out of business during Prohibition. Following repeal of the ban in 1933, the Bronfmans were in an enviable position to respond to considerable consumer demand and flood the American market with their whisky. 5 | Paul Rutherford, The Making of the Canadian Media, Toronto 1978, 38.

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industry in the new industrial Canada.6 Seagram’s advertisements benefitted from the pronounced diffusion of domestic publications, particularly in liquor-friendly periodicals of national distribution like MacLean’s Magazine.

Figure 1: Ottawa Parliament, »Canada Whisky VO, 1938« (Courtesy of Hagley Museum and Library). The high circulation levels reached in Canada by American general-interest magazines, in which the advertisements also appeared, increased Canadian readers’ exposure to the ads.7 Indeed, both American and Canadian 6 | Rutherford details how in 1929 newspapers and periodicals generated nearly $50 million of revenue from advertising alone. As Rutherford describes, »overall, printing and publishing stood roughly mid-way in the industrial hierarchy, employing over 35,000 people to produce goods valued at $140 million in some 1,800 establishments,« ibid., 38. 7 | Controversy surrounded the influx of American magazines into Canada and encouraged government intervention to protect the Canadian magazine industry at various times. In the 1920s, »magazine publishers linked patriotism to profit by demanding a duty on American periodicals, something R.B. Bennett’s government agreed to in 1931,« but would be subsequently modified by later, Liberal governments. Renewed nationalism in the post-war period would see

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audiences could be reached with the same advertising campaigns printed in American magazines like Time, Reader’s Digest, Newsweek, and Life, which were extremely popular with Canadian readers both in subscription and newsstand sales. It is also fair to suggest that, then as now, appearing in American media could impart a fashionability and legitimacy to Canadian goods that domestic publicity alone would be unlikely to achieve. With the Canada’s Finest series of advertisements, Seagram both endorsed the Anglo federalist narrative of Canadian history and diffused nationalist symbols while weaving Seagram into that history and emerging Canadian iconography. It is worth noting that Seagram’s role in the construction of narratives of nationalism was intensified by fortuitous timing as it was only after the First World War that Canada began to transition from colony to nation, and to actively engage in the production of cultural nation-building. In one of the first ads of the Canada’s Finest series, a silver serving tray holding Seagram’s V.O. Canadian whisky was superimposed onto an illustration of the lawn in front of the Peace Tower of the Ottawa Parliament, which served as the ostensible subject of the ad (Figure 1). An inset maple leaf included the text: »The Parliament Buildings in Ottawa, seat of the Canadian Government, form one of the most beautiful groups of legislative buildings in the world. On this site, in 1867, ten years after the House of Seagram was founded, the dream of the ›Fathers of Confederation‹ was realized and the young colony became the Dominion of Canada.« 8

Colonial nationalism was still evident and vividly demonstrated in an advertisement featuring General James Wolfe as »one of ›Canada’s Finest‹« (Figure 2). With an illustration of Wolfe laying fatally wounded and British soldiers charging with a hoisted Union Jack, the text proclaimed:

the seminal Massey Report encourage cultural protectionism to discourage the threat of American media influence. In 1965, changes in the income tax law which prevented any taxpayer from claiming a deduction for advertising placed in a foreign-owned publication would be introduced to encourage the prosperity of the Canadian magazine industry, ibid., 114. 8 | Hagley Library, Seagram archive, Box 98, Subseries C, Series 3, Acc. 2173, Canada Whisky VO, 1938.

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Mortally wounded on the Plains of Abraham, General Wolfe’s last words, when told that the French had been decisively beaten, were: ›Now, I can go in peace!‹ His famous victory in 1759, won for Great Britain all of French Canada. A military genius, a deep thinker, a great humanitarian, General Wolfe ranks high among ›Canada’s Finest‹.« 9

Figure 2: Death of General Wolfe. »Canada Whisky VO, 1938« (Courtesy of Hagley Museum and Library). The inclusion of people amongst Canada’s Finest was largely based on official recognition of their role in the formation of the Dominion. 9 | Ibid.

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Figure 3: Habitant pea soup. »Canadian Whisky Seagram’s V.O. ›Exclusively Canadian‹ campaign, 1951« (Courtesy of Hagley Museum and Library). For example, an image of Sir John A. MacDonald situated amongst earnest, negotiating statesmen is accompanied by the caption: »Sir John A. MacDonald-›Father of Confederation‹, a passionate advocate of union among the Provinces, Sir John A. Macdonald did more than any other statesman in Canadian history to bind together the great Dominion. Prime

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Minister for 19 years, he fought ›with a courage fierce-yet gentle‹ for the principle of the United Empire. Sir John is truly one of ›Canada’s Finest‹.« 10

At the same time as Anglo dominance was celebrated, important Francophone figures were assimilated into the Canadian grand narrative through inclusion amongst ›Canada’s Finest.‹ For example, French explorer Samuel de Champlain was cited as instrumental in the founding of Quebec and settlement of Montreal and appropriated as a »great national hero – one of ›Canada’s Finest.‹«11 Later advertisements in the early 1950s would also appropriate the St. Jean Baptiste festival in Quebec City, which became »Exclusively Canadian«,12 despite its strong association with a distinct Quebec culture, while Habitant pea soup – a traditional dish of the French settlers who farmed the countryside – was hailed as a »Canadian tradition« (Figure 3).13 This was typical of a context in which appropriations of Quebec culture and an assimilation of its history into dominant heritage constructions were seen as a necessary part of the Canadian nationalist project and commonly carried out.14 Nicola Justine Spasoff has demonstrated how Quebec culture was seen by architects Ramsay Traquair and Percy Erskine Nobbs as offering nascent Canadian national culture a pure folklore and tradition, and a respite from what was seen as a corrupting modernity. The attitudes of Traquair and Nobbs exemplified the significant antimodernism which threaded through the cultural elite’s values. Invariably signs of Quebec’s modern engagement were excluded and Quebecers presented as »the oldest and most purely Canadian people of the Dominion.«15 As Spasoff argues

10 | Ibid. 11 | Ibid. 12 | Hagley Library, Seagram archive, Box 100, Subseries C, Series 3, Acc. 2173, »Canadian Whisky Seagram’s V.O. ›Exclusively Canadian‹ campaign, 1951«. 13 | Hagley Library, Seagram archive, Box 100, Subseries C, Series 3, Acc. 2173, »Canadian Whisky. ›For Clean Taste…‹ (1 of 3) 1953«. 14 | Nicola Justine Spasoff, Building on Social Power: Percy Erskine Nobbs, Ramsay Traquair, and the Project of Constructing a Canadian National Culture in the Early Decades of the Twentieth Century, Thesis (Ph.D.) Kingston, ON 2002. 15 | Traquair in The Atlantic Monthly, June 1923. Cited from Spasoff, Building on Social Power, 136.

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»Just as nationalists in European countries sought to revitalize their own modern societies by infusing them with national folk traditions, cultural producers in Canada used Quebec traditional culture, seen in this light as a direct predecessor of modern Anglo-Canadian culture, in the same way. To the imperialist, the practice of extracting from a subordinate culture anything of value to the empire was self-evident.«16

When First Nations (or ›Native‹ cultures) were represented in Seagram’s ads they were cast in marginal roles that obscured strife and emphasized remoteness from modern civilization.17 As has been well-established in contemporary scholarship, this was typical of the period in which indigenous art and aesthetics would be customarily appropriated while indigenous people themselves remained excluded. The cultural climate was such that the Canadian Pavilion at the 1924 British Empire Exhibition featured a »butter sculpture of Edward, Prince of Wales, in the ›dress of a Red Indian.‹«18 The linear chronology of events articulated in the ad copy suggested pioneering industries, like Seagram, as influential in the momentum that would culminate in the formation of the nation. Furthermore, the ads served to reaffirm the narrative of Anglophone federalism, including the valorisation of Quebec’s early colonization by the English. This was characteristic of the »loyalism« to the British Empire which threaded through early efforts at building Canadian nationalism and a »cohesive historical heritage,« as Carl Berger has articulated.19 Anne Clendinning has demonstrated in her study of the Canadian pavilion at the 1924 British Empire Exhibition how »colonial nationalists saw no contradiction between ›Canadianism‹ and ›imperialism‹.« Nationalists of the period asserted that 16 | Ibid., 128. 17 | Harwood’s, one of Seagram’s many distillery acquisitions, depicted the meeting of Chief Crowfoot with Royal Canadian Mounted Police. Hagley Library, Seagram archive, Box 98, Subseries C, Series 3, Acc. 2173, Canadian Whisky: Harwood’s, 1946-1952 (non-newsprint). 18 | Anne Clendinning, Exhibiting a Nation: Canada at the British Empire Exhibition, 1924-1925, in: Histoire Social/Social History 39/77 (2006), 79-107, 83. 19 | Carl Berger, The True North Strong and Free, in: J.M. Bumsted, ed., Interpreting Canada’s Past. Vol. II: After Confederation, Toronto 1986, 157-174, 159.

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»it was the desire of Canada and all the other possessions of the Empire to retain their English character.«20 British heritage was represented as ensuring racial tolerance, equality and liberty.21 This was typical of a colonial sensibility that would continue well into the post-war period.22

W HISK Y, N ATION AND F ORTUNE R E VALUED IN P RINT I MAGERY AND TE X T Advertisements appearing in popular magazines from the 1930s to 1950s tied Seagram into emerging narratives of Canadian heritage. Importantly, the publication of these advertisements in popular general-interest magazines like Maclean’s, Life, Time and Reader’s Digest expanded the diffusion of nationalist discourses beyond what high cultural efforts could achieve alone. Drawing on the work of Roland Barthes, Pierre Bourdieu, and Harold Innis, Seagram’s promotions will be analyzed in terms of how new meaning was ascribed in both the Bronfman fortune and in Canadian whisky. How the advertisements helped to popularize Canadian nationalism in a manner that could appeal to both the nationalist elite and also respond to the »consumer/citizen pairing«23 is also examined. Roland Barthes has shown how the written description which appears alongside images of clothing in fashion advertisements can create something new out of the »interplay« of the more general systems of language and image.24 In creating and applying his models of inquiry, Barthes suggests that three different structures – technological, iconic, and verbal – are active in the life of any particular object. Barthes’s work can prove illuminating in showing how Seagram’s print advertisements diffused the national narrative and embedded cultural symbols into the 20 | Clendinning, Exhibiting a Nation, 86-87. 21 | Jose E. Igartua, The Other Quiet Revolution: National Identities in English Canada, 1945-1971, Vancouver/Toronto 2006, 19. 22 | See ibid., also: L.B. Kuffert, A Great Duty: Canadian Responses to Modern Life and Mass Culture in Canada, 1939-1967, Montreal 2003. 23 | Magda Fahrni/Robert Rutherdale, Introduction, in: Magda Fahrni/Robert Rutherdale, ed., Creating Postwar Canada: Community, Diversity, and Dissent, 1945-75, Vancouver/Toronto 2008, 10. 24 | Roland Barthes, The Fashion System, New York 1983, 133.

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fabric of everyday Canadian life, while also bringing about a »revaluing« of both Canadian whisky and the Bronfman liquor empire.25 Barthes demonstrates how fashion relies on active transformations and transition that render the technological also iconic and verbal.26 It is in the interplay between structures, in the interaction between material and social worlds, that the dynamic processes of culture become most visible. These processes are themselves marked by a constant passage from the physical to the symbolic. Value and meaning are inscribed in objects which act, and are acted upon, in the social world. The description of the fashion image in advertising, for example, turns an object into language and allows for the didactic transmission of knowledge and meaning as well as serving to reinvigorate and revalue objects which can be ›worn out‹ through the repetition and circulation of the image.27 The Canada’s Finest advertisements may be interpreted using the model developed by Barthes for the analysis of fashion advertisements. Seagram’s expanding multinational empire provided a »technological referent«28 with which to materially situate the nascent Canadian nationalism that was being expressed in the iconography and text of the advertisements. While the visual illustrations that dominated these ads were believed by modern advertisers to encourage trust and elicit a less sceptical reception by consumers than written copy alone,29 the text also served to suggest new and important linkages between the visual signifiers active in the Canada’s Finest series. New meaning and value were ascribed in both Canadian whisky and Canada itself by being visually linked to ›class‹ items (such as the decanter and silver serving tray pictured in Figure 1). The associations suggested modern refinement rather than an undistinguished provincialism. This helped to create a modern, fashionable appeal around both Seagram’s Canadian whisky and the national narrative to which it was textually linked. The visual association and accompanying texts of the advertisements »reinvigorated« and »revalued«30 both the object – 25 | Ibid. 26 | Ibid. 27 | Ibid. 28 | Ibid. 29 | Roland Marchand, Advertising the American Dream: Making Way for Modernity, 1920-1940, Berkeley 1983, 154. 30 | Barthes, The Fashion System.

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Seagram’s whisky – but also Canadian history and identity. At the same time, contested histories and material realities that might have blocked the construction of notions of refinement or civility around those subjects were obscured in the advertisements‹ double function as ›social tableaux.‹31 ›Social tableaux‹ ads often promoted distorted images of society to present an idealized version of modern life that advertisers sought to advance. If the normative portrait put forth in Seagram’s ads reflected the ethnic composition and sensibilities of the dominant elite involved in nationalist discourse, this was compounded by the »depressing uniformity« of the personnel of the Canadian mass magazine industry.32 Importantly, the same could be written of the almost exclusively Anglophone advertising industry in Montreal during the period.33 Seagram’s was a »key account« at one of Montreal’s early advertising firms, Vickers and Benson Advertising Ltd., which had been established in 1924. Samuel Bronfman enjoyed a friendly relationship with the senior staff of Vickers and Benson, the powerful advertising agency that would in coming years work extensively with the Liberal Party of Canada to elect prime ministers from Pierre Trudeau to Jean Chretien.34 The Liberal Party has dominated Canadian federal politics for much of its history and was notably distinct from the Conservative Party in their continentalist position – a divisive issue during the period in which the Seagram advertisements were being produced – favouring free market relations with the United States and questioning imperialism. One of the notable aspects of Seagram was their ability to 31 | Roland Marchand describes ads »in which persons are depicted in such a way to suggest their relationships to each other or to a larger social structure« as ›social tableaux‹, and has demonstrated their frequency in American advertisements of the early half of the twentieth century, ibid., 165. 32 | Fraser Sutherland, The Monthly Epic: A History of Canadian Magazines 1789-1989, Markham, Ont. 1989, 11. 33 | The Seagram advertisements, which are the subject of this analysis, are archived at the Center for the Study of Business, Technology and Society at the Hagley Library in Wilmington, Delaware. The ads origins are not always indicated in the archival documents but the majority of the ads are clearly marked as being produced by Vickers and Benson in Montreal. Randy Scotland confirms the significance of the Seagram account for Vickers and Benson. Randy Scotland, The Creative Edge: Inside the Ad Wars, Toronto 1994. 34 | Randy Scotland, The Creative Edge, vii.

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straddle these two positions: politically they were significant supporters of the Liberal party and favoured Canada’s continental integration while personally Samuel Bronfman remained a devout Anglophile and admirer of the monarchy. The emphasis on tradition and inheritance present in Seagram’s advertisements and products was clearly influenced by the Victorian values of a still powerful Canadian Toryism – or political conservatism – in the 1930s. The »Tory tradition,« as Philip Massolin refers to it, found itself at odds with the rise of Canadian liberalism and the particular kind of modernity it encouraged. As Massolin outlines: »Modernity was the replacement of Victorian society – agrarian, religious, adhering to a rigid set of philosophical and moral codes – with the modern age: industrial, secular, and anti-philosophical. From an economic standpoint, it pertained to the arrival of an urban and industrial society that replaced a hoary agrarian-merchant system. Closely related to the process of urbanindustrialization, modernization also involved the rise of a consumer, scientificmaterialist, and technological society.« 35

A fervent defence of imperial loyalty to Britain characterized the Conservative position and would only intensify as trade relations and cultural influence shifted south to America. Particularly during the war and post-war years, the Canadian moral economy was a contested terrain where modernity, trade and foreign cultural influence were heavily debated.36 To the imperialist, Britain was revered for both its power and perceived virtue. Its influence in Canada was presented as morally necessary for imbuing a righteousness to the nascent Canadian nationalism that had developed following Canadian involvement in World War I.37 The country’s declining Dominion status and greater integration into »the hegemonic formation of

35 | Ibid., 3. 36 | Cultural critics like George Grant and Harold Innis, for example, who were by and large supportive of status quo social relations with Britain, disdained what they saw as the corrupting influence of economic logic seeping into cultural and moral life. 37 | Mary Vipond, The Mass Media in Canada, 3rd ed., Toronto 2000, 6, 25-43.

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the capitalist world economy centred in the United States«38 was a major point of contention. Prominent cultural critics took aim at mass culture, consumerism, Americanization and educational reform. For example, Canadian economic historian and communications scholar Harold Innis saw the rise in consumerism, the consumption of »goods with rapid turnover,« and the accelerated »emphasis on changing fashion,« as symptomatic of the Canadian integration into North America.39 Innis was particularly alarmed by the declining trade relationship with more durable producers such as England.40 In the Bias of Communication, Innis argued for the balancing of time and space as essential to a flourishing culture and democratic civil society.41 Innis saw fashionability and commercialism as advancing a disproportionate present-mindedness and ephemerality which disrupted efforts that might achieve the necessary balance required for social stability and vitality. Conservative cultural criticism disdained the rise of Canadian liberalism and the modern conditions it championed. Opposition to the »profound deterritorialization of desire and power that the emergent commercial society entailed«42 persisted into the post-war period. Such lingering misgivings suggest that the »language of secular virtue based on the concepts of ›desires,‹ ›interest,‹ and the ›progress of opulence‹«43 was still quite limited in its penetration of the Canadian moral economy. This is important because it meant that consumer goods had to appear almost secondary in promotions while public good be made explicit. Seagram’s strategic mention of its own formation in what was ostensibly a commemoration of Canada’s Dominion status provides one such example (see Figure 1). A corporate or entrepreneurial identity in Canada required more than simply »the conformity of presentations of self with

38 | Sourayan Mukerjea et al., Between Empires: On Cultural Studies in Canada, in: Sourayan Mukerjea et al., eds., Canadian Cultural Studies: A Reader, Durham, NC 2009, 1-33, 5. 39 | Harold A. Innis, The Bias of Communication, Intro. Marshall McLuhan, Toronto 1964, 74. 40 | Ibid. 41 | Ibid., 90. 42 | Andrew Herman, The »Better Angels« of Capitalism, 136. 43 | Ibid.

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hegemonic typifications of capitalist virtue«44; it also needed the added »mythologizing«45 that patrimony and nation-building could provide. The contemporary transformation of Quebec would lead one to wonder if the strong English bias of the advertisements met with controversy or consumer backlash. However, archival sources suggest these issues went unconsidered by Seagram until the 1960s, following Quebec’s cultural revolution. Internal discussions of the challenges posed to Seagram by Quebec nationalism first appear in 1965. By the early 1970s, market research was commissioned to determine »to what extent, at this period of time, Seagram is viewed as an ›English‹ rather than a ›French‹ distiller, and whether its ethnic identity, such as it may be, is more important than the status value of its image.« Researchers concluded that the prestige of Seagram’s brands outweighed any aversion that drinkers might hold to the company’s federalist identity and multinational fortune, particularly for consumers who had only recently-acquired disposable income with the added salaries gained from women working outside the home.46 The cultural blinders of both the clients and the Anglophone advertising personnel who dominated the industry prior to 1960, however, kept questions of offending Quebec drinkers with fervently pro-British content off the radar of agencies as late as the 1950s. Frederick Elkin has shown how the poor, direct translations and retention of »English« content in ads 44 | Ibid., 14. 45 | Roland Barthes, Mythologies, St. Albans, Eng. 1973. 46 | Hagley Library, Seagram archive, Box 196, subseries D, Acc. 2173, Gin Marketing Research-Provincial 1958, 1964, 1973. The findings of market research should, of course, be viewed sceptically given the fallibility of predicting consumer attitudes and the biased and leading questions of the researchers themselves (see Grant McCracken, The Long Interview, Newbury Park, CA 1988). Indeed, the studies were conducted by Ernest Dichter’s Institute for Motivational Research and the shortcomings of Dichter’s exaggerated claims of understanding the consumer psyche and his own personal opposition to ethnic nationalism, suggest there is certainly room for scepticism. However, it is likely that Seagram occupied an ambivalent, rather than hostile, meaning for Quebecers who did not share their political views – even the St. Jean Baptiste Society, an organization strongly aligned with Quebec independence, held shares of Seagram stock (Peter C. Newman, Bronfman Dynasty: The Rothschilds of the New World. Toronto 1978).

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appearing in French language magazines met with little resistance before la Révolution tranquille. The ›Quiet Revolution‹ refers to the »accelerated attempt to catch up, in education, industry, social services« in Quebec after the stagnancy and underdevelopment of the preceding decades when Maurice Duplessis and his Union Nationale Party governed.47 With the defeat of the Union Nationale, and death of Duplessis in 1959, Quebec society under the leadership of Liberal Premier Jean Lesage experienced an intensified modernization. The excitement of change, however, soon gave way to disillusionment for critics who suggested that the socalled »revolution« was really nothing more than a »reorganization of alliances within the bourgeoisie« designed to strengthen the ties between financial and industrial capitalism in the province.48 Indeed Fernand Dumont has articulated how the Quiet Revolution was »essentially a cultural revolution,« with the major economic and political changes still unachieved a decade later.49 The subsequent loss of faith in reform gave way to a left-leaning »protest generation,«50 which was characterized by »narrowly political ideological conflicts«51 – and would see the Bronfman’s homes bombed by F.L.Q. (Front de Libération du Québec) militants in 197052 – but most lastingly gave rise to the secularization and political resurgence of Quebec nationalism. The momentum of the Quebec 47 | Marc Raboy, Movements and Messages: Media and Radical Politics in Quebec, Toronto 1984, 8. Dupessis’s tenure in office is now widely remembered as a dark period in Quebec history – often referred to as la Grande Noirceur or Great Darkness – when patronage, corruption, anti-unionism, anti-urban bias and rural favoritism allied with an authoritarian Catholic Church and elite business interests to suppress dissent. 48 | Dorval Brunelle cited from Raboy, Movements and Messages, 8. 49 | Fernand Dumont, Of a Hesistant Quebec, in: Sourayan Mukerjea/Imre Szeman/Gail Faurschou, eds., Canadian Cultural Studies: A Reader, Durham, NC 2009, 173-199, 183. 50 | Serge Proulx cited from Raboy, Movements and Messages, 23. 51 | Dumont, Of a Hesistant Quebec, 173-199, 183. 52 | The acronym F.L.Q. was adopted at different times by unrelated small groups of militants formed in clandestine cells (Raboy, Movements and Messages, 64). The FLQ kidnapped both British Trade Commissioner James Cross and Minister of Labour and Vice-Premier of Quebec Pierre Laporte. Laporte would be murdered during his captivity and Cross eventually released. For more

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nationalist movement would see French-language Quebecois culture become increasingly assertive, at the same time as vocations outside law, medicine and the priesthood ›opened up‹ to Quebecers with accelerated modernization. With these changes, French-Canadian copywriters and illustrators increased within advertising agency walls as did more culturally and linguistically appropriate campaigns. However, as most advertising was still commissioned by »English-Canadians or American producers of cigarettes, cars, gasoline, beer, soft drinks, whiskey, and cosmetics,« who had no interest in advancing Quebec cultural autonomy,53 ad personnel remained constrained by the political-economic realities of the industry. The predicament of Francophone advertising personnel demonstrates, as Marc Raboy has articulated, »the important relationship between internal institutional struggles and the external pattern of social evolution in Quebec.«54 Finally, a strong appeal to English-Canadian patriotism was commercially safe for Seagram since clear, colourless alcohol was preferred in Quebec – in particular, Geneva gin (also known as gin hollandais), dry gin and later vodka – and consumption of whisky was consistently low compared with the rest of Canada.55 Even in 1979, Geneva gin remained Quebec’s »most popular liquor, far outpacing the national bestseller, Canadian whisky,« which was the bedrock of the Seagram empire.56 Samuel Bronfman transformed Canadian whisky and the Seagram liquor empire through improved distillation techniques but also, and importantly, through new packaging and prestige advertising. In this regard, Bronfman was building on efforts introduced in the late nineteenth century by Hiram Walker of Windsor, Ontario. Hiram Walker had improved the image of Canadian whisky with his eponymous distillery. He did so by improving the taste and cultivating a status brand identity for his Canadian Club whisky in both the Canadian and American markets. The U.S. market see Louis Fournier, FLQ, histoire d’un mouvement clandestin, Outremont, Quebec 1998. 53 | Raboy, Movements and Messages, 8. 54 | Ibid., 25. 55 | In the 1970s, Quebec consumption of whisky was only 9,2 per cent compared to the national Canadian average, which stood at 39,5 percent of total liquor sales. Tipplers reflect diverse tastes of national mosaic, in: Globe and Mail. Saturday, June 30, 1979, Toronto. 56 | Ibid.

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for Canadian whisky, which was the foundation of the Bronfman’s fortune and Seagram’s success, was cultivated by Walker in the years preceding the Bronfman’s formal entry into the liquor trade. Americans in droves came to appreciate the lighter, well-rounded, and slightly sweet taste of Canadian whisky.57 When it came to boosterish promotion, however, Seagram was a standout. Seagram’s ads repeatedly expressed and evoked the distinctive yet uniform character of the product and the emerging country with which it drew associations. These efforts can be read as a response to competing pressures. On the one hand, modernism and mass production which was measurable by a single, universal standard was a prominent feature in attempts by Canadian designers to appear culturally mature as a country.58 These trends were linked to increasing multilateralism59 and global engagement beginning in the post-war period. At the same time, modernization was viewed by critics as a threatening replacement of Victorian society.60 This tended to encourage an oppositional insistence on the significance of tradition, permanence and continuity. As Philip Massolin writes, »unlike American political history, which represented an abrupt and violent break with the past, the Canadian tradition had, as a foundational element, Burke’s ›partnership of the generations.‹«61 Massolin elaborates, »for the Canadian Tories, society was organic, evolutionary, and anti-individualist, and therefore it had Burkean overtones.«62 In Canada, a young country with a shallow colonial history, maintaining continuity with the past, which Conservatives (or ›Tories‹) viewed as intrinsic to stability, typically took the shape of reverence for imperial Britain (Figures 1 & 2) and a rural way of life (Figures 3 & 4). Many of the national elite held conservative sympathies and both appropriating and appealing to that

57 | Canadian whisky owes much of its distinct taste to the rye it contains. 58 | See Joy Parr, Domestic Goods: The Material, the Moral and the Economic in the Postwar Years, Toronto 1999. 59 | Ibid. 60 | Massolin, Canadian intellectuals, 3. 61 | Edmund Burke (1729-1797), Anglo-Irish political theorist and statesman, who advanced the concept of society as governed by a divinely-sanctioned social contract, the existence of which was argued as necessary to uphold order. 62 | Massolin, Canadian Intellectuals, 6.

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sensibility could offset what was assumed to be the vulgarity of the whisky trade. The affirmation of the dominant narratives and imagery of Canadian heritage was also undoubtedly fuelled by Samuel Bronfman’s personal fervour and assimilationist preference for value as defined by a ruling-class English establishment. As a young junior partner at Distillers Trust, and on repeated visits to London and Edinburgh, Samuel Bronfman came in contact with haughty British aristocrats he was eager to emulate. These affectations would be cultivated through the manor house architecture of Seagram’s Peel Street headquarters, with distillery purchases which imparted »cultural capital,«63 like the prestigious Chivas distillery in Aberdeen, and with product names and design. The classic example of the latter was the Crown Royal brand of whisky which was created in honour of the visit to Canada of George VI and Queen Elizabeth in 1939. Sam Bronfman is said to have blended this whisky himself, »working his way through 600 samples before he was satisfied«64 , and to have also designed the purple velvet sack65 intended for storing the whisky with affectations of regal elegance. Three cases of Crown Royal would be sent as a wedding present to Queen Elizabeth and a personal thank you from the Queen hung proudly in Samuel Bronfman’s office.66 The overall Anglophilia of Seagram’s material culture was also typical of minority assimilation in cultural contexts where Dominion status in the British Empire was valorized. Exaggerated demonstrations of national loyalty also offered Jews a defensive strategy against anti-Semitic voices that might question their patriotism, the suggestion being that Jewish cosmopolitanism might somehow undermine affiliations to any one single nation.67 For example, Mirca Nava has linked the valorisation of 63 | Pierre Bourdieu, Distinction: A Social Critique of the Judgement of Taste, Cambridge 1984. 64 | Michael Jackson, The World Guide to Whisky, Scarborough, ON 1987, 130. 65 | The velvet sack has outlasted the popularity of the whisky itself, being repurposed for everything from quilts and bikinis to the more conventional storage of loose change, marbles and dice. 66 | Hagley Library, Seagram archive, Box 200, Subseries F, Series 3, Acc. 2173, Crown Royal (1 of 2) n.d. 1939-1989. 67 | Mica Nava has shown the relevance of anti-Semitism in Gordon Selfridge’s conflicts with the British cultural elite who questioned the Englishness of Jews

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the British Empire in advertisements of London’s Selfridges department store to Gordon Selfridge’s social marginalization by traditional elites. The American Jewish entrepreneur gained British citizenship only after many years and »increasingly extravagant displays of support for the monarchy«.68 Neil Gabler has also pointed to the »over-intense admiration or indeed worship for the majority«69 demonstrated by the early Hollywood Jewish movie moguls. Gabler shows how veneration for patrician, imperial style emulated in a »vulgarized« manner by Jewish moguls would lead to on-screen distortions of American society.70 Like the Bronfman’s success in the contentious alcohol trade, the dubious status of the movie business translated into fewer obstacles to Jewish participation than those encountered in more esteemed professions or in the production of less demonized commodities. The respect for culture in traditional Jewish life, and desire for the acquisition of the habitus71 of the powerful, fuelled the need which was observable among both the Hollywood movie moguls and the Bronfmans to elevate the status of themselves and their enterprises. The use of sanctioned tropes and themes would be called upon to achieve these aims. For the Jewish moguls, »Hollywood became both the vehicle and the product of their distortions.«72 Gabler writes that the moguls »would fabricate their empire in the image of America as they would fabricate themselves in the image of prosperous Americans. They would create its values and myths, its traditions and archetypes.«73 In a similar manner, Seagram’s advertisements, product names and design and their right to positions of power. The elite would attempt to justify this exclusion by suggesting »that the primary loyalty of Jews was to their ›blood race‹ and religion, not their country.« Mica Nava, Visceral Cosmopolitanism: Gender, Culture and the Normalisation of Difference, Oxford/New York 2007, 44. 68 | Mica Nava, The Cosmopolitanism of Commerce and the Allure of Difference: Selfridges, The Russian Ballet and the Tango 1911-1914, in: International Journal of Cultural Studies 1/2 (1998) 163-196, 189. 69 | Isaiah Berlin cited from Neal Gabler, An Empire of Their Own: How the Jews Invented Hollywood, New York 1988, 2. 70 | Ibid. 71 | Bourdieu, Distinction, 170. 72 | Gabler, An Empire of their Own, 2. 73 | Ibid., 5-6.

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would embed within the popular imaginary the dominant narratives and iconographies of imperialism and nascent Canadian nationalism that were cast as edifying in the moral climate of the period. The Bronfman’s identification with Canadian nationalism was, however, sincere and far from simply an instrumental use of boosterism. It would solidify with English-Canada’s commitment to the mounting Commonwealth effort in WWII and coalesce with their Jewish philanthropy and leadership. The fight against fascism in Europe was rigorously promoted by Samuel Bronfman through Seagram and also as president of the Canadian Jewish Congress.74 In contrast, Quebec’s opposition to conscription and to entry into a foreign war largely seen as the problem of imperial powers, which had either abandoned or oppressed French Canada, would do little to endear the Bronfmans to Quebec nationalists. Quebec Nationalism, which was still very much linked to a powerful clergy who only withdrew support of Nazism in 1938,75 would remain a thorn in the Bronfman’s side even after the sovereignty movement’s secularization following the Quiet Revolution. While both the movie moguls and the Bronfmans were likely viewed by the elite as »parvenus« with their »anxious hyper-identification,«76 the family’s social striving was uniquely suited to evoke and respond to the aspirational tendencies of the expanding consumer classes. Interestingly, the ads also appeared in the Yiddish newspapers, which were supported by the Bronfmans, and acted to acquaint Yiddish readers with this particular vision of Canada as well.77 The antimodernism of early Canadian nationalism was also well-suited to offering subject matter and themes that could appeal to the aesthetic tastes of middle and working strata of the population. Seagram addressed these tastes by purchasing a number of the Group of Seven’s paintings for public art display and private collection. The Group of Seven were artists who trained in Europe in the early twentieth century and applied 74 | Samuel Bronfman was CJC President from 1939 until 1962. 75 | Lionel Groulx, a pioneer of sovereignty association, preached in his magazine Action Nationale in the early 1930s, for »the necessity of denying Jews full civil and political rights and cutting off their immigration from Nazi Germany.« Brian McKenna/Susan Purcell, Drapeau, Toronto 1980, 38. 76 | Bourdieu, Distinction, 95. 77 | My thanks to Dr. Rebecca Margolis, a scholar of Yiddish Montreal, for this insight.

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modernist styles to capture the Canadian landscape; they are, it is fair to say, the country’s most celebrated and visible painters partially due to the ubiquity of commercial reproductions of their work and also their powerful association with Canadian nationalism itself. Importantly, Seagram would commission works from members of the Group and reproduce a number of their iconic Canadian landscapes as advertisements for their whisky. This was part of a larger sponsorship effort that would see the Seagram collection of Canadian art tour galleries around the country with the aim of educating the public. The antimodern advertisements evoked the purity, agricultural products, natural resources and cultural traditions of the country. In one ad reproducing an A. J. Casson painting, natural abundance was simultaneously celebrated for its pristine character and also paradoxically championed for its exploitability in the service of modern national development (Figure 4).78 Such material responded to demands that artistic worth be demonstrated through the arousal of »the moral sense, to inspire feelings of dignity and delicacy, to idealize reality, to substitute for the thing the ideal of the thing.«79 Furthermore, the advertisements were mutually beneficial to both Seagram and the Group of Seven. Specifically, the ads served to popularize the Group of Seven’s desire to promote nationalism without actually having to engage the masses directly.80 Mary Vipond has articulated how highbrow publications like Canadian Forum would familiarize the cultural and intellectual elite with the work and ideas of the Group by the end of the 1920s.81 However, the ability of this elite to communicate with a wider public was limited. As J.M. Bumsted writes, »while the intellectuals may have found a common purpose, they did not succeed in involving the general populace in their concerns.«82 Elites typically had little interest in direct communication

78 | Hagley Library, Seagram archive, Box 100, Subseries C, Series 3, Acc. 2173, »Canadian Whisky. ›For Clean Taste…‹ (1 of 3) 1953«. 79 | Bourdieu, Distinction, 49. 80 | Mary Vipond, The Nationalist Network, in: J.M. Bumsted, ed., Interpreting Canada’s past. Vol. II: After Confederation, Toronto/Oxford 1986, 459-460. 81 | Ibid. 82 | J.M. Bumsted, Introduction, in: J.M. Bumsted (ed.) Interpreting Canada’s past. Vol. II: After Confederation. Toronto/Oxford 1986, 446.

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with the masses and sought instead to influence and »tutor« the political and business community in their goals and vision.83 As Vipond suggests: To the English Canadian intellectuals of the 1920s, it often seemed that the Canadian Manufacturers’ Association had been far more effective in protecting and developing the nation’s potential than they had; they firmly believed, however, that not only lamps and lingerie but ›OPINION should be MADE IN CANADA‹ – and that it was up to them to make it. 84

Figure 4: A. J. Casson from the Seagram Collection. »Canadian Whisky. ›For a CleanTaste…‹ (1 of 3)«. (Courtesy of Hagley Museum and Library). 83 | Vipond, The Nationalist Network. 84 | Ibid., 456.

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Elite interest lay, however, more in influencing people of importance, specifically »those who carried weight in the eyes of the community and of the government.«85 This was a description that certainly fit Samuel Bronfman. Vipond situates the elite’s strategy of courting influential figures to diffuse the nationalist message in »assumptions which gave ordinary Canadians little role to play except as the consumers of nationalist propaganda.«86 »Insofar as the intellectuals led anyone, they led other leaders. Only very indirectly was their influence to filter down to the rank and file.«87 In this way, Seagram’s advertisements and arts patronage proved instrumental in transmitting the elite nationalist vision to a wider audience. They also can be seen as part of a larger middlebrow project to educate the masses in a propagandist view of Canadian history and culture, as is evident in the detailed historical text and captions that accompanied the advertisements from the Canada’s Finest campaign onwards. Moreover, the elite served as a »secondary audience«88 who could be appealed to with nationalist content. This was instrumentally valuable to both the strongly nationalistic advertising agencies that Seagram employed and the Bronfmans themselves. At the same time, the innate moral messages of the Group of Seven’s work, which depicted a powerful nature and country dwellers with the character to endure it,89 could arguably be seen as appealing to both the antimodernism of cultural critics and the »ethical« demands of popular tastes.90 85 | Ibid., 446. 86 | Ibid., 459. 87 | Ibid., 460. 88 | Both Roland Marchand and Frederick Elkin’s work has demonstrated how given advertising agencies dependence on clients, ads were often motivated by »an anxiousness [on the part of ad agencies] to please and identify with…clients, high-culture critics, their colleagues and themselves,« leading to latent appeals to these »secondary audiences«, a term coined by Raymond Bauer and cited from Marchand. Marchand, Advertising the American Dream, 82. 89 | Ann Davis, Image as Identity: Aspects of Twentieth-Century Canadian Art, in: David Taras/Beverly Rasporich, eds., A Passion for Identity: An Introduction to Canadian Studies. Toronto 1997, 225. 90 | Bourdieu argues that popular aestheticism is characterized by the valuing of function over form. Bourdieu explains this as rooted in the working-class ethical position which evaluates artistic value in its ability to capture and represent

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Despite the elite’s critique of consumerism, and the Group of Seven’s attempts to present a more rugged vision of Canada, pastoralism »had cash value« and figured in middle class consumption.91 Pastoral romanticism predominated depictions of rural Canada in the period between the 1920s and 1950s. As Ian McKay has articulated, »an enthusiasm for primitive folk and regional distinctiveness was a common aspect of middle-class thought in the interwar period, and in part represented a rejection of the ›civilization‹ that had made the Great War.«92 The romanticisation and portrayal of rural Canada (Figure 4) and the culture of the Habitants,93 the French settlers of the Quebec countryside (Figure 3), can be read as an outgrowth of this sensibility, as well as enabling feelings of elevated distance from ›the folk‹ for an expanding consumer class. Indeed, the folkloric appealed to the desire of the growing urban middle-class for a world less chaotic while the implied ›backwardness‹ of rural folk allowed expanding »petit bourgeois«94 audiences the opportunity to affirm their modern positioning. Indeed, expanding consumerism, mass culture and general interest magazines would figure powerfully in the consolidation objects. Bourdieu understands this as emerging out of a lack of proficiency in pure, Kantian aesthetics and a need to retain critical criteria from the ethics which structure the everyday perception of the working-class. Bourdieu, Distinction, 58. 91 | Ian McKay, The Rise of Tourism, in: J.M. Bumsted, ed., Interpreting Canada’s past. Vol. II: After Confederation, Toronto/Oxford 1986, 487-512, 502. 92 | Ibid., 501. 93 | Beginning in the seventeenth century, the inhabitants (habitants) of New France rented and farmed the land of seigneurs, who they paid with food. They enjoyed a fair amount of freedom and independence, and rejected the designation censitaires, »which carried with it some sense of the servile status of the feudal vassal in Old France,« (John Boyd, Sir George Etienne Cartier, Bart; his Life and Times. A Political History of Canada from 1814 until 1873. Toronto, Canada, 1914). By the eighteenth century habitant came to broadly designate agricultural labourers and then largely fell out of use in the twentieth century, although English speakers often continued to apply the term to French country people long after it lost favour amongst Francophones. The pride and selfreliance of the habitants would later be appropriated for the militant F.L.Q. flag in the late 1960s. 94 | Bourdieu, Distinction.

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of modern, middle-class status as Richard Ohmann95 and Stuart Ewen96 have demonstrated. In addition, the instrumental value of Canadian magazines was seen to reside in their status as a widely circulating medium through which Canadian unity might be promoted. Mass media in Canada came to be viewed as a vital front on which to unify disparate regions and populations under a common culture97 through the »difference-abolishing«98 enabled by print. Russell Johnston has documented how nation-building was frequently invoked in relation to the emergence of the Canadian consumer magazine industry. For publishers, »patriotism« was both a »moral imperative« and offered a »rhetorical tool« to wax on about »the substantial contributions that magazines made to the task of nation-building.«99 Importantly too, the celebration of the primitive and pastoral also reflected the decline of Victorian morals and the expression of more hedonistic attitudes which were reflected in the middle-class tourist quest for a »world of pleasure«100, one offering immediate enjoyment and encouraging relaxed inhibitions. This change would mark an important cultural shift for Seagram that gave rise to more casual and less moralizing attitudes towards alcohol, and an expanded product line and atmospheric advertising that would increasingly cater to tastes for the exotic and diversified entertainment in the 1960s and 1970s. Through appeals to the dominant moral economy, and through the »popular aestheticism«101 of its mass advertisements, Seagram would 95 | Richard Ohmann, Selling Culture: Magazines, Markets, and Class at the Turn of the Century, London/New York 1996. 96 | Stuart Ewen, Captains of Consciousness: Advertising and the Social Roots of the Consumer Culture, New York/Toronto 1976. 97 | Paul Rutherford sums up that »in countries like the United States or Canada, without national dailies comparable to England’s London newspapers, the importance of vigorous magazines to nation-building is obvious.« Rutherford, The Making of the Canadian Media, 45. 98 | Jody Berland, Spaces at the Margins: Colonial Spatiality and Critical Theory after Innis, in: Topia 1 (Spring 1997), 55-82, 69. 99 | Russell Johnston, Selling Themselves: The Emergence of Canadian Advertising, Toronto 2001, 240. 100 | McKay, The Rise of Tourism, 502. 101 | Bourdieu, Distinction.

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skilfully negotiate the cultural climate and obscure what might have been challenged as the questionable or contentious foundations of their liquor empire. This moral construction was significantly advanced by a growing periodical culture in which »outward façade took clear precedence over less visible substance.«102 Seagram’s ads appealed to this moral position by portraying their enterprise as intrinsic to the Canadian narrative characterized by Dominion loyalty, and foregrounding an evolving cultural iconography where industry was presented as a strong vehicle for building national cohesion. Cursory promotion of Canadian nationalism obviously did little to counter the onslaught of American imperialism, which would come to replace the British colonial presence in the country, but it did establish Seagram a relationship to Canadian culture. This would serve the company well with the expansion of post-war consumerism and increased social drinking, and would secure them a powerful role within the politicaleconomic ascent of Canadian liberalism.

C ONCLUSIONS Seagram’s advertisements were produced in dialogue with evolving notions of Canadian nationalism. Seagram appropriated the moral elevation associated with Britain and with pastoralism – two thematic complexes valorised by the nationalist cultural elite during the period – through the deployment of narratives and signifiers in advertising campaigns, product line and design. The visual associations and the accompanying texts of Seagram’s advertisements »reinvigorated« and »revalued«103 the object – Canadian whisky – but also refined Canada’s status. Fashionable expression in mass magazines helped to popularize cultural nationalism and allowed the Seagram Company to appeal to both elite agendas and an expanding consumer class. With the keen vision of aspirational outsiders the Seagram brand would advance within the popular imaginary the dominant narratives, iconographies, and distortions of Canada at a critical moment of nation-building.

102 | Judith Stamps, Unthinking Modernity: Innis, McLuhan, and the Frankfurt School, Montréal 1995, 81. 103 | Barthes, The Fashion System.

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Narratives of Heritage and Modernity National Production and Consumption in Greek Advertising Artemis Yagou

During the nineteenth and twentieth centuries, products became essential resources for the construction of individual identities. They were in particular well-suited for the construction and dissemination of national images, as well for structuring self-perception and the perception by third parties.1 In the Greek context, products have indeed become significant in the shaping of national identity and especially in the representation and reproduction of the idea of »Greekness«. Relevant historiography has shown that Greekness constitutes a key concept in the social, political and cultural history of modern Greece. Drawing on Hobsbawm’s idea of the ›invention of tradition‹, we can regard Greekness as a concept not actually preserved in popular memory, but selected, written, pictured, popularized and institutionalized during the process of the emergence of the Greek nation-state in the nineteenth century. Central to this concept was the idea and role of ancient Greek culture, which has been a source of great pride but also a massive »burden« for citizens of modern Greece. Since its inception, the idea of Greekness has been exploited in multiple ways to support various ethnocentric and nationalist ideals. Furthermore, this invented element has been deeply internalized by the Greek people, as it constituted an appropriate medium for national identification and 1 | International Conference Call, Product Communication and the Nationalisation of Consumption, Vienna, 1-3 October 2009. An earlier version of this paper was presented at this conference. I am grateful to Oliver Kühschelm, Franz X. Eder, and other conference participants for their constructive questions and comments.

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satisfied deeper psychological needs of community-building in a young and insecure state.2 This master narrative of Greekness incorporates other sub-narratives, such as the dipoles of craft versus industrialization and tradition versus modernity, corresponding to a local and a European dimension respectively. The emphasis on Greekness has been a more or less constant feature of political and cultural discourse in the country but, as one would expect, becomes intensified in times of increased insecurity caused by political turmoil, financial crises, or other events. Narratives related to Greekness have had various manifestations in the design domain, where they operated on the sensitive border between the security and status of the old versus the unknown though innovative new.3 Advertising of industrial products »Made in Greece« throughout the twentieth century provides telling examples of this tense relationship. Locally manufactured products are highly important as expressions of national power and individuality, because of the problematic role occupied by industrialization in the history of modern Greece. Prevailing beliefs about Greece as a primarily agrarian society and longstanding arguments regarding the viability of industrial development in the country have fuelled its political and economic discourse for many decades. The local production of industrial products acquires thus special significance; this was further intensified in the difficult times following the Second World War and Greek civil war (1945-1949) when the country’s production base was virtually destroyed and Greece was struggling for economic 2 | Eric Hobsbawm/Terence Ranger, eds., The Invention of Tradition, Cambridge 1992; Thomas W. Gallant, Modern Greece, London 2001; Dimitris G. Tsaoussis, ed., Ellinismos – Ellinikotita: Ideologikoi kai Viomatikoi Axones tis Neoellinikis Koinonias [Hellenism – Greekness: Ideological and Experiential Axes of Neohellenic Society], Athens 1983; Dimitris Tziovas, I Metamorphosis tou Ethnismou kai to Ideologima tis Ellinikotitas sto Mesopolemo [Transformations of Nationalism and the Ideology of Greekness in the Interwar Years], Athens 1989. 3 | For an analysis of Greek product design in relation to nationalism, see my article: Artemis Yagou, Metamorphoses of Formalism: National Identity as a recurrent Theme of Design in Greece, in: Journal of Design History 20/2 (2007), 145-159, where I discuss the issue by drawing from Tim Edensor, National Identity, Popular Culture and Everyday Life, Oxford 2002; Michael Billig, Banal Nationalism, London 1995; Ernest Gellner, Nations and Nationalism, Oxford 1983.

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regeneration.4 Designers, advertisers, and other related professionals have created highly expressive advertisements, where heritage and modernity mingle and become exploited to communicate desired messages to the public.5 Advertisers take advantage of the psychological allure of locally made industrial products; they capitalize on the feelings of pride and hope that these products generate to locals. As the examples presented here will illustrate, advertising narratives have proved to be particularly malleable, and exemplify the skilful mixture and manipulation of traditions for propaganda and commercial purposes. This paper is based on a selection of 20th century Greek advertisements covering a range of locally produced industrial products, including cigarettes, beer, furniture and electrical equipment.6 The ads originate from a variety of sources: primary sources include the Historical Archives of the National Bank of Greece, various specialist publications such as the art journal Zygos, the architectural journal Architektoniki, the journal Tefchos, International Review of Architecture, Art and Design, as well as inserts of daily newspapers such as BHMAgazino or Maison & Décoration; whereas the publication by Papapolyzos and Martzoukos on Greek advertising provides secondary material. The paper does not constitute a thorough study of advertising per se, but documents a line of research belonging to a larger history project on the development of industrial design in Greece conducted by the author over several years.7 The present paper is by no means exhaustive but, based on the eclectic nature of sources spanning several decades, claims to offer a representative albeit brief overview of 4 | Yagou, Metamorphoses. The low level of Greek industrial capabilities explains the nature of products advertised: They are limited to relatively low-technology consumer goods, mostly food and spirits, cigarettes and furniture. Hightechnology products were beyond the potential of Greek manufacturing. 5 | Analysis of advertisements may benefit from the approach taken by Garland, who has explored in the visual domain the usage of rhetoric devices such as: anticlimax, antithesis, anthropomorphism, apostrophe, climax, euphemism, hyperbole, innuendo, irony, meiosis, metaphor/simile, metonymy, oxymoron, paradox, parallelism, pun, repetition and zeugma. Ken Garland, Lecture on Visual Rhetoric, Central Saint Martin’s College of Art and Design, 1989. 6 | All the copy quoted is originally in Greek, translated by the author. 7 | This larger research project will materialize in the form of a book entitled: Fragile Innovation: Episodes in Greek Design History, Charleston, SC 2011.

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Greek advertising for locally manufactured industrial products. As the Greek copy indicates, these advertisements were intended for use by Greek audiences, the Thermis and Metaxa being exceptions perhaps targeted at international or simply cosmopolitan audiences. In the case of specialist publications such as Zygos or Architektoniki, we may safely assume that the receiving public would consist of educated professionals from the technical, artistic or business sectors. Similarly, high-income target groups are assumed for cases advertising luxury products, such as the silk fabrics in the 1946 example or the upmarket furniture by Varangis. In other cases, it is more difficult to define the target groups without more knowledge of a firm’s advertising campaign, market share, pricing policies and other factors. Following the examination and analysis of a much more extensive number of examples, the selection of advertisements included in the paper has been grouped into four distinct themes: evocation of antiquity; patriotic production and consumption; craft versus industry; and attractions of modernity. These themes have been identified as dominant; they offer a taxonomic tool and a conceptual »répertoire« which may prove useful in understanding the visual expression of nationalist ideas. It is however crucial to note that these themes or »patterns« are not mutually exclusive: they often overlap and interpenetrate, and thus express the complex articulation of ideas in the design field as well as in society in general.

S EDUCING THROUGH THE E VOCATION OF ANTIQUIT Y In modern times, Greece’s illustrious past has been a heavy burden for the people to bear and this has left visible traces in every aspect of society, including design and advertising.8 An early example of the interplay between antiquity-inspired text and image in advertising comes from Antonakopoulos Brothers, a company producing ceramic tiles and bathroom ware in the mid-thirties.9 The text is very plain, it only provides factual data about the firm, such as year of establishment, capital and addresses. 8 | Maria Nicholas, A Brief History of Modern Greek Advertising, 1950-1999, ΗΥΦΕΝ 2Γ, 7-36. 9 | Antonakopoulos firm advertisement of the 1930s, Historical Archives of the National Bank of Greece, Series XXXIV, file 4-025 [in Greek].

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Figure 1: Selling a product with the nimbus of antiquity. Advertising for Elviela sports shoes, 1954. The text is enclosed in a neoclassicist frame consisting of two ionic columns on the left and right, linked at both ends by two decorative bands with meandric motifs. The lack of textual explanation implies that the image »speaks for itself«: the connection to the ancient Hellenic tradition is obvious to viewers, and conveys an impression of diachronic beauty and prestige. Simile but also hyperbole are at work in the ad of 1954 for Elviela sports shoes10 (Figure 1): »As the Hermes by Praxitelis is considered to be a symbol of ideal beauty, so the products with the Elviela logo are symbols of unrivalled technical perfection.« This facile parallelism is emphasized by the oversized »as« and »so« in distinct handwritten-like type. A thick, curved arrow also directs the gaze of the viewer from the elegant Hermes head to the logo of Elviela, »the brand of trust« as the bottom-line states. The connection between the ancient masterpiece and the contemporary, casual, cotton cloth and plastic shoe is clearly far-fetched, but the layout and rhetoric of the ad makes it look less so. In a culture saturated with 10 | Philemon Papapolyzos/Costas Martzoukos, Hellads – I Ellada mesa apo ti Diafimisi 1940-1989 [Hellads – Greece through Advertising 1940-1989], Athens 1997, 63.

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references to a glorious antiquity and manifestations of continuity between past and present, such connections are inscribed on the collective unconscious as something natural and perfectly acceptable.11 Another example of the omnipresent and always appropriate association with antiquity is provided by the Diana cigarettes ad, where the image of the goddess Diana gives an aura of status to the product advertised.12 In this case, the connection to ancient Greece has an illustrative and rather vague role. The Metaxa ad of 1965 is much more direct: the product is placed next to a couple of dolls in folk dress for the tourist market, and set against the background of the Acropolis. The copy reads: »Incomparable – the Glory of Greece… the Brilliance of Metaxa«. A Doric column stands for the »I« in »Incomparable«.13 The connection between modern Greece and antiquity appears obvious and without need of explanation. As Barthes has shown for successful ideologies, Greekness renders its beliefs natural and selfevident: this is the way the world is.14 A much more recent and very eloquent example is provided by an advertisement of 2002 for an armchair manufactured by the firm Varangis.15 The chair is based on classicist typology; the wooden parts are however over-simplified to suit industrial production.16 The special feature of the chair consists of two bronze female heads, attached on the underarm supports. The ad is a double-page spread with several pictures and extensive text whose title declares that »Greekness means continuous contestation […finally, Creativity!]« It is worth reproducing here the main

11 | Gallant, Greece, 72-74. 12 | Papapolyzos/Martzoukos, Hellads, 73. 13 | Architectoniki 49-50 (January-April 1965). 14 | Alan Aldridge, Consumption, Cambridge 2003, 80. 15 | Varangis advertisement, BHMAgazino, November 2002 [in Greek]. For the long and significant history of the Varangis furniture manufacturer as an upmarket, high-quality as well as innovative firm, see: Artemis Yagou, Unwanted Innovation: The Athens Design Centre 1961-1963, in: Journal of Design History 18/3 (2005), 269-283. 16 | George Parmenidis/Efrossini Roupa, To Astiko Epiplo stin Ellada 18301940: Enas Aionas Sigrotisis Kanonon Schediasmou [Bourgeois Furniture in Greece, 1830-1940: A Century of Construction of Design Rules], Athens 2003, 558-559.

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text of the ad, which constitutes a powerful example of the all-pervasive contemporary rhetoric of Greekness: »It is certain that all furniture is not the same. Deep knowledge is the element that endows furniture with life and aesthetics that stand the test of time. But there is no ›deep knowledge‹, where there is no past. This past, unbreakably connected to the contemporary, real – not ›copying‹ – creativity, is the history under the name of Varangis. It is the correct appreciation and rebirth of the classic ancient-Hellenic furniture, together with the gifts of the Greek flora, that give the opportunity to create unique pieces, whose substantial quality can hardly be found in exhibitions abroad. This is exactly how ›Aphrodite‹ was born! The adaptation of an ancient figurine of the 4th century B.C. (it is believed that it represents Aphrodite) into contemporary design, together with the use of ›yellow copper‹ (bronze), has generated the base of the underarm supports of this unique armchair made of Greek – so called ›royal‹ – chestnut tree. A tree which is rare today, but in antiquity was dominating Greek forests and was known as ›wild chestnut‹ or ›royal chestnut‹, or even ›Persian chestnut of Theofrastos‹, as it was replanted in Greece and then to other countries by the descendants of Alexander the Great. ›Aphroditi‹ armchair is a token of deep knowledge, of respect to tradition, as well as of the contemporary – always functional – Varangis design. This is just one sample of a series of handmade furniture, which are exported today in the ›expensive‹ markets of Europe. Recognizing this quality is, in the end, exclusively your own responsibility…«

The overstated and historically dubious justification of the armchair design in the previous quote may be seen as undermining the design itself by imposing on it an ideologically loaded marketing strategy. The ad is complemented by images of the product, of the designer-manufacturer in his yacht, of a chestnut tree, of timber, as well as of the designer sketching, complemented by related captions written in the same vein as the main text. Given the pioneering past of the Varangis company, this armchair and its promotion might seem to be a regression, as well as a testament to the deeply conservative nature of the Greek buying public. However, one should be wary not to undervalue consumer taste or make arrogant judgements about it. The chair has been a great success in Greece (as well as a relative success abroad), according to the spokeswoman of the firm. From the producer’s point of view, this design is an example of Greekness-inspired

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design that expresses a positive spirit of individuality and difference in a rapidly homogenizing world.17

P RODUCING AND CONSUMING PATRIOTICALLY In Greece, the 1940s were marked by the outbreak of the Second World War, and the terrible civil war that followed. The end of foreign occupation in 1944 resulted in an improvement of sorts, although the civil war that was just about to begin would shatter the country till the end of the decade. The second half of the 1940s witnessed the emergence of the professionalization of advertising, through the establishment of the first systematic advertising agencies. In 1948 the first »live« radio ads were broadcast, but daily newspapers constituted the main medium for advertising.18 The recent political events had left their mark on promotional activities of the time, which had a strong patriotic feel.

Figure 2: Playing on a tradition of Greek craftsmanship. Advertising by the department store Lambropouli Bros, 1946. A 1946 advertisement for silk fabrics by the department store Lambropouli Bros is indeed amazing for its portrayal of the transitional character of

17 | Comments by N. Asvestopoulou of the Varangis company, June 2006. 18 | Papapolyzos/Martzoukos, Hellads, 19.

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Greek society at the time (Figure 2).19 The ad shows a group of four ladies, dressed in the latest fashion, examining a fabric with obvious pleasure and satisfaction. The fabric is part of a roll of cloth situated in some distance, on top of other rolls which form a kind of pedestal. On top of this pedestal, there is a manually-operated loom, where a woman dressed in traditional outfit is working. This somehow surrealist setting is complemented by an oversized laurel wreath which encircles the woman and the loom. The four »modern« ladies don’t seem to pay any attention to the worker; in fact they don’t even realize her presence. The positioning of the loom and the perspectival construction of the image contribute to this feeling of distance in space – and time – between the group and the loom worker. The text of the ad reads: »The wonderful Greek silk fabrics constitute a title of honour for our country«. Of course the industrially produced silk fabrics are as removed from handicraft, as the ladies’ lifestyle and mentality are removed from the reality of the loom worker. The ad capitalizes on the heightened nationalist feelings of the period, by juxtaposing two situations that have nothing in common but the gender of the persons portrayed. In fact, the glorified but distant loom worker was soon to become irreversibly an image of the Greek past. The text at the lower left of the ad consists of a list of French terms for different types of silk fabric, in Greek type: »Crêpe Romaine, maroquin, crêpe satin, georgette, lingerie, crêpe de Chine, chemisier, and especially the renowned imprimés.« »Imprimés« are emphasized as being of particular importance and indeed they were going to signify modernity in the years to come. The usage of the French terms is another element of modernization to which young ladies of the bourgeoisie were aspiring. Also, the Greek language employed in the ad belongs to the purist »katharevousa«, the kind of language for State and official uses but not what would be expected in a casual conversation by modern ladies, not to mention the loom worker. This ad is extraordinary as an early but highly conscious example of manipulation of cultural and historical elements in order to seduce. The name of the advertising agency itself, Greca, connects the narratives of patriotism and modernity: it speaks of Greece, but in a foreign language, thus becoming »modern«.

19 | Ibid., 37.

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Figure 3: Pride in a supposed victory over the big industrial countries. Advertising for the Pitsos stove, 1948. The group of three ads that follows uses the image of a person dressed in the traditional male outfit, the »foustanella« costume. The male wearing such a costume, the tsolias, constitutes a widely accepted personification of »the nation«. Hobsbawm discusses symbols and devices analogous to the tsolias which came into existence as part of the emergence of national movements and states, for example the French Marianne. Such devices were added to the symbolic vocabulary of states to express national character as seen by the members of the nation itself.20 The first of the group of ads incorporating this figure dates from 1948 and promotes a petrol stove manufactured by the Pitsos firm, a very modest product (Figure 3).21 However, given the circumstances of Greece at the time, the tsolias, the exemplary and typical Greek individual, had every reason to be proud of it. In this ad, the persona of the Greek nation faces the personas of four other nations, perceived as the most powerful in the world, namely, from left to right, Germany, the United States, Britain and France.22 Their 20 | Hobsbawm/Ranger, Invention, 7 and 276. 21 | Papapolyzos/Martzoukos, Hellads, 40. 22 | One would reasonably argue that Germany, being a recently defeated nation, could not be included among the great powers of the world during the

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heads appear in the background, with expressions ranging from surprise to doubt and even contempt. The tsolias is in the foreground, full-bodied, pointing to the object with apparent pride. The stove is lying in front of him on the floor, »shining« with newness and pride. The caption reads: »Poor Greece with the Pitsos stove has beaten you!« This ad is in fact a representation of a fantasy of the small nation against the Great Powers. The actual product advertised is very humble, and clearly cannot compete with the industrial achievements of the big nations. However, following the Greek victories in the beginning of the Second World War, a Greek citizen would feel very proud as he imagined that he himself was in fact the tsolias who fought gloriously on the Albanian front. This fact renders him bold enough to elevate his achievements in the production arena on a level higher than that of the industrially advanced nations. His claim receives even more emphasis by his usage of the word »Psorokostaina«, meaning »poor Greece«, another national stereotype of self-pity and self-mockery. In the second ad of this group, the product promoted is beer of the Fix brand, produced in Athens since 1864 (Figure 4). This ad of 1954 belonged to a wider campaign undertaken by Fix, in order to increase its market share by »educating« Greeks to drink more beer and in fact popularize beer as a »soft drink« rather than a »spirit«.23 The ad portrays three supposedly typical, though rather refined, moustached Greek males, dressed in traditional tsolias costume. One of them, positioned centrally and dominating the image, is holding a large glass of beer and looks very enthusiastic. His costume is not a plain tsolias costume as in the previous stove ad, but a rather upmarket, embroidered version of it. The other two men, who are positioned in the margins of the image, stare joyfully at the glass. The text of this ad is minimal, though highly suggestive.

late 1940s. However, the inclusion of the German persona in this advertisement indicates the idea of Germany as a powerful industrial nation to be still valid, potent and enduring in the collective imagination of the Greek people. 23 | Papapolyzos/Martzoukos, Hellads, 62.

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Figure 4: Folklore and the nationalization of beer. Advertising by the Fix company, 1954. The brand name »Fix beer« is inscribed under the image of the men (as well as on the glass), together with »1864«, the year when the company was founded, thus implying a long tradition and continuity. The word used for beer is »zythos«, the Greek word for »beer«. The letters are in blue, the »national« colour, and at the top left corner of the ad the two versions of the national flag are shown with the upperscript »Greek industry«. Altogether, the clamour for Greekness is all over this ad, to the point that one would be inclined to feel almost guilty for not supporting such a »patriotic« product. This exaggeration of national stereotypes is of course deliberate and is perhaps the reaction of the Fix company to new types of drinks, especially imported ones, in the mid-fifties.24 It is of course ironic that the firm was itself founded by the German Karl Fix, which is perhaps an extra reason 24 | For a discussion of soft drinks in relation to youth culture and emerging »modern« lifestyles, see: Marina Emmanouil, At Last Now in Greece! Greek Advertising and America in the 1950s and 1960s, (RCA/V&A MA History of Design, unpublished MA thesis), London 2004.

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why Greekness becomes so important and overstressed in relation to the foreign-sounding Fix brand. This and other examples that follow show the flexibility and complexity of national identity, which escapes narrow delineations. The acceptable balance between Greek and foreign elements in a brand varies across time, and advertising is a key factor in negotiating this balance and mediating different interpretations of it.

Figure 5: Patriotism and a fluorescent lamp. Advertising, late 1950s. An impressive ad from the late 1950s depicts a young lady wearing a traditional male (tsolias) costume (Figure 5).25 The lady is portrayed as walking in a parade, and she holds the advertised product, a fluorescent lamp, like a rifle. Her shoes are the most remarkable element of her appearance, because they are in fact modern female high-heel shoes but bearing the characteristic pompon of the traditional tsolias shoes. Despite 25 | Architectoniki 13 (January-February 1959) [in Greek].

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the bizarre outfit, she looks very modern thanks to her make-up, earrings, as well as her general expression. The ad text emphasizes the Greekness of the product: The title reads »Greek fluorescent lamps« and the subtitle adds: »The first to be manufactured in Greece«. Smaller type presents the functional advantages of the product: »White light – Long duration – Very small price.« Such features are obviously important, but they are played down in connection to the importance of the product’s nationality. The dynamic image of the lady, stepping decisively out of the frame towards an imaginary front, suggests that a war is now taking place in the domains of production and market. Her meaningful look invites readers to buy locally for the sake of the country. As pointed out, the relationship between nationalism and consumption is not a new one; it is historical and extremely complex.26 In recent years, consumption of patriotic materials has become one of the most important ways to demonstrate support for the nation and has been ardently exploited by retailers.27 Another example of patriotically-inspired advertising, provided by the 1967 ad of the Papastratos company for Old Navy and Byron cigarettes, shows a very strong image based on tradition and historical references.28 The ad promotes two different brands, »two cigarettes with a special personality«, as the ad copy states, the Old Navy, a blended cigarette, and Byron, a light and fine one. The Old navy pack shows a stylized image of a boat with colourful oars, sails and flags, inspired by traditional ceramic designs. The Byron brand is based on the image of Lord Byron, the English Philhellene who fought and died in 1825 in Greece, during the war of independence. A portrait of Byron is depicted on the pack, where he is portrayed as a handsome young man, framed by blue and gold graphic elements. Both packs are set on a background that clearly and emphatically speak of Greek tradition and history. The Old Navy pack is combined with 26 | Daniel Opler, Call for Papers: An All-Consuming Patriotism: Consumption and the History of American Nationalism, www.h-net.org/announce/show. cgi?ID=142762 (accessed May 2011). 27 | Ian Frazier, All-Consuming Patriotism, Mother Jones On-Line Journal (March/April 2002), www.motherjones.com/politics/2002/03/all-consuming-patrio tism (accessed May 2011). Similar phenomena of commercial exploitation became widespread in Greece following the victory of the national team in the 2004 Euro football championship. 28 | Architectoniki 64 (August-September 1967) [in Greek].

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traditional, handmade embroidery of the tsevres type, and the Byron pack with a pistol similar to those used during the war of independence, as well as a red flower, symbolizing the sacrifice and death of Lord Byron in Greece. The special personalities of the cigarettes about which the ad boasts have strong nationalist connotations. This ad was published in 1967, when a military coup imposed a dictatorship that would last for seven years. The coincidence between the overly patriotic tone of the ad and the political situation is very intriguing.

C R AF T AND INDUSTRY : A CONTROVERSIAL VISUAL RHE TORIC In Greek advertising, the nationalist rhetoric is also frequently interwoven with allusions to the dichotomy between traditional and industrial modes of production, a dichotomy which is deliberately emphasized as well as distorted. An interesting example is provided by an ad of 1965 promoting Old Navy cigarettes, a brand produced by the Papastratos company from Greek and U.S. tobacco varieties.29 This »blended identity« is exploited and celebrated graphically by the juxtaposition of the respective flags. The flags’ stripes are in fact represented in an abstract manner, so that the white stripes might be taken for cigarettes. The flags are superimposed on tobacco leaves, a big and dominant one for the U.S., and three smaller ones for Greece. The slogan at the top of the ad reads »The first blended« and capitalizes on the novelty and modernity of the product. The sense of novelty and modernity is enhanced by the usage of the untranslated word »blended«, a concept apparently introduced by this new brand. The smaller-case copy under the image of the pack declares: »The first G r e e k c i g a r e t t e in the international industrial line! A new step by Papastratos S. A. A C o n q u e s t ! From Greek hands to worldwide consumption. Unbeatable combination.«30 The product is promoted as a technological achievement of international dimensions which can be competitive and successful in the world market. The launching of this new brand is described as a »conquest« and an »unbeatable combination«, thus using once again military connotations already observed in the fluorescent lamp ad. However, the pack itself bears a totally different image, as it is 29 | Papapolyzos/Martzoukos, Hellads, 118. 30 | Ibid. (emphases in the original).

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mostly white, with a multi-coloured image of a boat. This stylized image is based on a traditional design for hand-painted ceramics from the northern Aegean island of Skyros. The aim of the pack design is to convey Greekness and evoke a feeling of freshness and freedom, as if when sailing on a boat in the Aegean sea. The blue sails and small flags of the ship are visually matched with the same blue colour of the background. It is ironic that the ship image represents a craft culture already on the verge of extinction when this ad was created; it is however used on a product symbolizing industrialization and modernization. Tradition and modernity are skillfully »blended« in this ad, by balancing contradictory messages for the sake of customer seduction. Similarly, the 1977 Serraia blankets, curtains and fabrics advertisement is reminiscent of the 1965 Papastratos and the 1946 silk fabric ads, in the sense that it makes similar use of craft. The image of a traditional loom’s shuttle is depicted to promote the products of industrial manufacturing and, furthermore, this is made to appear as completely natural.31 Many examples illustrate that the design of new products often involves the employment of quasi-Greek visual elements or the morphological adaptation of pre-existing designs. Greek designers seem to lack the confidence to create new forms and products for contemporary needs, or to create new products without at the same time resorting to idealistic, Greekness-based justifications of their designs. In the late eighties and early nineties, the furniture company Neo Katoikein created a range of products entitled Aigaion (Aegean) which represented a modern interpretation of craft traditions.32 The following text is taken from the advertising copy used in the promotion of this industrially produced range: »The Aegean, in the crossroads of three continents, a Greek sea for four thousand years, receives messages, assimilates influences creatively and, against all novelties and fashions, establishes and defends its civilization. Craftsmen, throughout its history, have been using the humble materials of their land, they turn objects of daily use into works of artistic value, they invest on these labours of love their good humour and their imagination, keeping thus alive the ›Aegean conscience‹ and the ›Aegean Sea aesthetics‹. From all the edges of 31 | Papapolyzos/Martzoukos, Hellads, 183. 32 | Tefchos, International Review of Architecture, Art and Design 11 (Spring 1993), 5 [in Greek].

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the Aegean, we have chosen the last specimens of its furniture, we have adapted them to contemporary needs, making sure to preserve intact their formal particularity. We have also gathered the objects that are still being manufactured there, with the same techniques and the same faith, and thus we present today the most complete collection of traditional furniture and objects which remind us of the most precious thing Greece has: its sea, its Aegean.«

Given that the products were industrially produced, bringing together influences from traditional Greek crafts with modernist design aesthetics, the previous quote appears rather pompous and far-fetched. It is an example of contemporary Greek rhetoric loaded with populist and nationalistic overtones. This kind of rhetoric is showering down on the average citizen of the country in advertising, journalism, popular culture, and other aspects of daily life. The Varangis furniture company has also extensively exploited the craft versus industry discourse, as well as discreet connotations of Greekness, in various advertisements throughout the decades. The 1967 ad is an example of a consciously restrained advertisement, emphasizing simplicity, symmetry and elegance in order to express the status and quality suited to its upmarket target group.33 The text reads: »You recognize the Varangis furniture because it is manufactured with utmost care, and it is correct in its proportions because it combines the faultless precision of the machine with the sensitive finish of the human hand. Get to know the classic Varangis furniture in showrooms!« The ad speaks of »classic« furniture and the ad structure itself suggests the symmetry and aesthetic perfection of an ancient Greek column. The objects, especially the chairs, conform to a neoclassical style inspired by antiquity.34 But the main point of the ad is the combination between »the faultless precision of the machine« and »the sensitive finish of the human hand«. Such a statement aims to capitalize on the ambivalent feelings of the Greek public towards industrial production. The Varangis furniture is promoted as hybrid products, bearing the best of both approaches. In a similar vein, a Varangis ad of 1992 is entitled »CRAFT (DESIGN)«.35 The 33 | Papapolyzos/Martzoukos, Hellads, 135. 34 | Parmenidis/Roupa, Astiko, 556. 35 | Tefchos, International Review of Architecture, Art and Design 8 (Summer 1992), 3 [in English].

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text reads: »CRAFT. A heritage which has become a culture. DESIGN. Rooted in the culture of craft. THE METAPHOR. Design conveys craft. Craft conveys design.« The slogan under the company logo also states: »The imprint of the maker’s hand«, again implying a craft process where the touch of the human hand is the decisive factor. It is difficult to evaluate the persuasiveness of this quasi poetic craft/design narrative, but the continuing success of the Varangis company might suggest that it has been quite effective. Similarly ambivalent is the 2004 ad of the furniture firm Karageorgiou.36 The picture shows in colour an imitation French period furniture armchair in purple velvet, set against a black-and-white background showing the interior of the factory. The caption reads: »…for those who appreciate hand-made furniture«. Again, there is a deliberate blurring of the processes of craft and machine production, in accordance with the respective prejudiced beliefs of the Greek public. As in the case of the silk fabrics ad, we identify a complex and perhaps problematic attitude towards products: local industrial products are considered of inferior quality than foreign ones and they are not desirable. Craft products are also unwanted in comparison to imported industrial products but, at the same time, they are portrayed in advertisements as signifiers of quality. Many ads are based on the assumptions that traditional or craft products are synonymous with quality and, furthermore, that the evocation of craft may help sell industrial products!37 The attitude of the Greek buying public is difficult to explain: modern industrial products are highly valued, but people are encouraged to buy them through the connection to craft products and the nostalgic evocation of a traditional, pre-capitalist past. Advertising captures and exploits to the maximum this contradictory relationship.

36 | Advertisement in Maison & Décoration (December 2004) [in Greek]. 37 | The prejudice of Greek consumers towards local industrial products is a complex phenomenon. It is discussed in relation to clothes and fashion in: Dimitra Vassileiadou/Themistoklis P. Roukis/Sakis Spyridis, Oi Aparhes tis Katanalotikis Koinonias stin Ellada tou Mesopolemou [The Beginnings of Consumer Society in Inter-War Greece] (unpublished seminar paper), Rethymno (University of Crete) 2001. As far as the furniture domain is concerned, the issue is discussed in: Parmenidis/Roupa, Astiko.

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A COUNTER - STR ATEGY : A T TR ACTING THROUGH MODERNIT Y ONLY

The study of Greek advertisements for locally-produced industrial products generates the question: Is it not enough to be only modern? Isn’t the function and quality of an industrial product sufficient to sell that product to Greek consumers? Is it always necessary to resort to ideas of antiquity, nationalism, or an idyllic pre-capitalist past in order to promote a contemporary product? Following such questions, research has identified relevant examples, where the only advantages of the products promoted are their quality and modernity. Analyzing such examples may shed more light on the nature of Greek advertising narratives.

Figure 6: Staging modernity and progress. Advertising by Thermis S.A. Thermis S.A. was a firm producing heating appliances and metal furniture already since the early thirties. Thermis has a rather fresh strategy regarding advertising, as their ad of the mid thirties shows (Figure 6).38 38 | Thermis firm advertisement of the 1930s, Historical Archives of the National Bank of Greece, Series XXXIV, 8-020 [in Greek and French].

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The image is a collage of black-and-white pictures of several private and public buildings which have been equipped with Thermis’ central heating equipment. The collage format of pictures thrown casually on the page and superimposed on one another is already unconventional enough and might be considered as an indirect reference to modern art of the period. A large percentage of the buildings shown are typical of the Greek modernism of the thirties, which constituted a dynamic, though short-lived expression of the international modernist credos.39 The text is very simple and states: »Some of the more than thousand buildings in Greece, Turkey and Albania with ›Thermis‹ steel radiators for central heating.« The matter-of-factness of this text implies quality and efficiency, as well as a degree of confidence: there is no need to say more about the product, as the quantity and quality of the buildings depicted are adequately expressive. The fact that the text is bilingual (Greek and French) further emphasizes the cosmopolitan character of the firm and suggests that its operations systematically take place outside the Greek territory, which is an extra indication of reliability. It might be argued that this emphasis on efficiency and quality is related to the intended technocratic audience, consisting basically of engineers and entrepreneurs, rather than the wider public.

Figure 7: Advertising by the manufacturer IZOLA, 1955. 39 | Architektoniki tou Ikostou Eona – Ellada [Architecture of the 20 th Century – Greece], Athens 2000, 35.

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One of the oldest advertisements on the same theme is that of IZOLA, manufacturers of refrigerators and other electrical equipment (Figure 7).40 The image shows a fridge and a heater on a graphic background of lines and curved shapes which makes direct reference to modern art. The ad copy is entitled »The artistic creation in industrial products« and then states: »IZOLA, apart from the qualitative superiority of its products, presents them in an aesthetic form that satisfies the contemporary person. The new branch of art, ›industrial aesthetics‹ finds its full application in the Greek IZOLA appliances.« This ad is pioneering in the sense that it is one of the very first references to industrial design in post-war Greece, if not the first one. By introducing the concept of industrial aesthetics as »a new branch of art«, the ad takes over a role which is not simply promotional, but educational as well. Apart from a minor reference to the Greekness of IZOLA appliances, the ad emphasizes the advantages of the product itself, which are considered to be of two kinds: functional/technical and aesthetic. It should be noted however that this ad appears in Zygos, an art journal which played a seminal role in Greek arts and crafts in the 1950s and 1960s. It is therefore conceived and designed for the specific élite readership of Zygos, a group definitely more educated and sophisticated than the ordinary Greek consumer. Interesting connections may be established between the 1955 IZOLA ad and that of 1958 by Tsaousoglou, a manufacturer of metal furniture.41 This ad is illustrated by pictures of various chairs, armchairs and tables, including an example of outdoor usage in a holiday setting. The text reads: »Ensure comfort in the countryside! With quality furniture – 1958 models. The most appropriate for home verandas, cinemas and theatres, gardens, clubs.« The ad promotes the product by suggesting a variety of advantages: »Practical, Elegant, Comfortable, Solid.« There is also specific reference to materials, some of which were perhaps unfamiliar or totally unknown to Greek consumers: »Combinations of aluminium, formica, saran, fabrics, nickel, chromium«. This presupposes a more mature and conscious buying public, which is interested or should be interested in more technical aspects of a product, beyond cost and aesthetics. A related approach is also followed by Afentakis, a metal goods manufacturer based in Halkis, on

40 | Zygos 1 (November 1955) [in Greek]. 41 | Architectoniki 9 (May-June 1958) [In Greek].

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the island of Euboea.42 The ad has the structured, rational appearance of an orthogonal grid and presents the advantages of Afentakis’ products in a systematic fashion: »The stainless steel cooking utensils of our industry provide: health, thrift, comfort, beauty.« Furthermore, explicit technical details and their expected results are given: »The addition of a copper base ensures excellent contact, uniform distribution of heat, reduction of losses. Result: Quick and thrifty cooking.« A bullet-point list also presents the types of products manufactured by this company, as well as their different versions: »stainless-steel, chrome, silver-plated.« Again it should be stressed that both these ads were published in Architectoniki, a specialist journal for architecture and design, whose readership would be mainly technocratic. These examples clearly illustrate a distinct trend in Greek design advertising grounded on an objective evaluation of aesthetic and technical quality which conforms to the phase of sweeping Westernisation that Greece was undergoing.43

Figure 8: Advertising for Fix beer, 1957.

42 | Architectoniki 60 (December 1966-January 1967) [in Greek]. 43 | Yagou, Innovation, 269-271.

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The perceptions of the consumer public do not of course remain static, they change over time and advertising messages are adapted accordingly. In a Fix beer advertisement of 1957, the traditionally dressed men of the 1954 version were replaced by a young blond lady, reminiscent of a movie star (Figure 8).44 Similarly, Old Navy cigarette ads are very flexible and follow changing lifestyles. In 1969, two years after the nationalist message of the Byron ad, a new advertisement attempts to present a totally different image, targeted at the young and modern woman.45 The image shows a young lady set on a light blue background, who is dressed in a casual and modern fashion, wearing a navy cap and holding an Old Navy cigarette. Her posture and general style imply confidence and pleasure. Her head is encircled by sketched lifebelt, which contains a translation of »Old Navy« in Greek. The smaller text reads: »The Old Navy cigarette is an ideal blend made of Greek and American tobacco, destined for people with high taste. Like the refined taste of the tough crew of the old navy.« Such ads provide clear indications of the drastic social changes taking place in the 1950s and 1960s, a period of reconstruction and rapid economic growth. It then may come as no surprise that Greek advertising actually took off in the 1950s and this decade, more than any other time, provides the groundwork for Greek advertising as it exists today.46 Locally produced products participated in the emerging discourse of modernization as tangible symbols of a national narrative of progress. We observe that the examples represented in this section of the paper, as representatives of the advertising strand that rejects nationalist rhetoric and instead opts for a technocratic perspective, are primarily (but not exclusively) technical products. This observation indicates a possible direction of research that could be further explored. Was perhaps the nationalizing and sentimental perspective considered less appropriate for technological products, which were thus subjected to a rationalizing treatment? It is also worth pondering more generally whether design decisions expressed in advertising resulted from managerial attitudes, were substantially shaped by the advertising professionals themselves, or were shaped through the joint influence of various factors. In any case, from a design history point of view, the purely modern or technocratic approach 44 | Architectoniki 1 (January-February 1957). 45 | Architectoniki 73 (April-June 1969) [in Greek]. 46 | Nicholas, History, 8.

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that excludes nationalist arguments provides a fertile contradistinction to advertising dominated by ethnocentric preoccupations.

C ONCLUSION The fact that a range of advertisements for industrial products »Made in Greece« published over several decades have been capitalizing on nationalist ideals testifies to their credibility among the wider public. It also suggests that the concept of Greekness has been internalized by the Greek people as a truth which is over-arching and wide enough to incorporate everything one wishes to include in one’s own idea of it. I would even argue that if we attempt to distance ourselves from the stereotypes of Greekness, some of the ads presented in this paper would appear preposterous. Nevertheless, the continuing presence of nationalist-centred concepts demonstrates their wider public appeal. On the other hand, non-nationalistic examples of ads promoting mostly technical products offer a refreshing antidote to the nationalist excesses and support the existence of a pluralistic advertising landscape that deserves further attention. It should however be acknowledged that the interpretations put forward in the present paper may not represent the views held by consumers, since this paper was based on visual analysis and interpretation of the advertisements themselves. Cultural historian Jeffrey Meikle acknowledges the difficulties of knowing with certainty »how and why consumers at a given historical moment responded to particular products, graphics or environments«. We should therefore be very cautious when discussing meanings ascribed to these products by »the people who use, inhabit or consume them« not to project on to them »our own personal desires, irrational nostalgias or political agendas«.47 In this sense, the paper is therefore meant as an introduction and as a stepping-stone or otherwise entry point for further research which would offer new insights into the process of nationalisation of consumption.48 47 | Jeffrey L. Meikle, Material Virtues: On the Ideal and the Real in Design History, in: Journal of Design History 11/3 (1998), 191-199. 48 | One line of future research that I would particularly seek to elucidate has to do with the origins of the nationalisation of consumption, for example whether it was primarily state- or market-induced. My initial hypothesis, which

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In conclusion, as the paper has demonstrated, the ads connect conceptions of the past and present of the country and its people, by successfully integrating a vast range of ideas on ancient heritage, patriotism, pre-capitalist and capitalist modes of production, as well as technical progress and modernity. Thus, advertising, a major, imported capitalist institution has been appropriated and manipulated in Greece by various stakeholders, including the State, design, production and marketing professionals, and of course the public itself, to serve a spectrum of apparent or latent needs, and arguably provide a degree of resistance to the homogenizing forces of globalization.

is supported by this paper, is that nationalisation of consumption was neither clearly state-induced nor market-induced. It rather resulted from a complex web of interactions between the state, private firms, design professionals as well as the wider public, all taking advantage of nationalist product communication for their own purposes.

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Mobilität, Modernität, Nationalität Automobilhersteller sind noch in der Gegenwart die nationalen Champions schlechthin, obwohl die globale Integration der Produktion gerade in dieser Branche weit gediehen ist. Der Personenkraftwagen ist ein Symbol von Mobilität, und anders als jenes ältere der Eisenbahn, anders aber auch als das Flugzeug, wurde der PKW im Lauf des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern für breite Bevölkerungsschichten als individueller Besitz verfügbar. Der Bürger, dann auch der verbürgerlichte Arbeiter und kleine Angestellte, konnte mit dem Auto sein Stück Modernität kaufen. Diese aber war besonders in den Jahrzehnten, als die Automobilisierung zum massiven Phänomen anwuchs, national codiert. Autos fungierten daher als Träger nationaler Stereotypen. Idealerweise nahm man(n) am Fortschritt teil, indem man ein Auto heimischer Produktion fuhr. Nur auf die Loyalität patriotischer Konsumenten verließen sich Staat und Unternehmen jedoch selten. Schutzzölle halfen oft genug nach. History and politics were important to nationalizing small cars. That is not surprising, given the fact that car producers like Volkswagen, Fiat, Renault or BLMC maintained strong links to their governments or were state-owned. »Österreichische Konstrukteure haben dieses Fahrzeug [den Steyr 50] erdacht, österreichische Arbeiter geschaffen und österreichischer Geschmack hat ihm Form und Ausstattung gegeben […].« (Wiener Zeitung vom 28. Februar 1936)

Motorization and Nationalization Small cars in Western Europe, 1950-1970 Manuel Schramm

The motorization of Western European societies is a key dimension in what is commonly described as the breakthrough of mass consumption after World War II. The acquisition and use of cars by private consumers profoundly changed Western European societies, as it had changed the US before. It altered patterns of mobility, accelerated the process of suburbanization and diminished the contrast between town and country by turning rural villages into residential areas of urban employees. Moreover, motorization depended on the spread of an appropriate infrastructure like roads, petrol stations or motorways. As a result, the car changed the physical appearance of earth’s surface and created a number of environmental problems in its wake.1 The car’s significance for the history of consumption and consumerism, however, is due to the fact that the car represented one of the most, if not the most, coveted long-lived consumer goods for large parts of Western Europeans who experienced the boom years between World War II and the early seventies. For many of them, car ownership came into reach for the first time, turning the car from a luxury good into an object of mass consumption. While it is true that car ownership had already spread in the interwar years, particularly in Great

1 | Cf. John R. MacNeill, Something New Under the Sun. An Environmental History of the Twentieth-Century World, New York 2000; Tom McCarthy, Auto Mania. Cars, Consumers, and the Environment, New Haven 2007.

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Britain and France, it had still remained confined to a relatively small part of the population as compared to the USA.2 As the processes and results of motorization were basically similar everywhere, they are regarded as examples of mass consumption, in the sense of the spread of standardized, mass-produced consumer goods to large parts of the population. Most historians assume that the rise of mass consumption after World War II led to a gradual decline or even disappearance of national differences. The resulting consumer society (or society of mass consumption) apparently displayed the same features everywhere.3 Therefore, one might assume that there is no connection, or only a negative one, between the processes of motorization and nationalization. Nationalization of consumption refers to processes in which particular consumer goods or practices become associated with the national community, serving as symbols of the nation, independent (though not completely) of the fact of actual use of this particular good.4 However, cars are even today the subject of national stereotypes, like in well-known advertisements by European producers such as Fiat or Renault.5 Further, popular myths link cars to stories of national recovery, like the VW (»beetle«) as a symbol for the »economic miracle« in West Germany. There is a certain grain of truth in this myth, because while neither motorization nor the economic boom were particular to Germany, the markets for cars in the fifties, to a lesser degree even in the sixties, 2 | Christoph Merki, Der holprige Siegeszug des Automobils 1895 – 1930. Zur Motorisierung des Strassenverkehrs in Frankreich, Deutschland und der Schweiz, Wien 2002; Heidrun Edelmann, Vom Luxusgut zum Gebrauchsgegenstand: Die Geschichte der Verbreitung von Personenkraftwagen in Deutschland, Frankfurt a.M. 1989. 3 | Cf. Wolfgang König, Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000; Heinz-Gerhard Haupt, Konsum und Handel. Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2003; Christian Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, Göttingen 2008; Peter Stearns, Consumerism in World History. The Global Transformation of Desire, 2nd ed. New York 2006. 4 | Hannes Siegrist/Manuel Schramm, Einleitung: Die Regionalisierung der Konsumkultur in Europa, in: Hannes Siegrist/Manuel Schramm, Hg., Regionalisierung europäischer Konsumkulturen im 20. Jahrhundert, Leipzig 2003, 9-33. 5 | www.youtube.com/watch?v=jrcAuoMNAHY (29.04.2011); www.handelsblatt. com/auto/nachrichten/italiener-kauft-italienisch/2501748.html (29.04.2011).

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were still national markets, i.e. they were dominated by producers from the respective home country. This applies to the countries under consideration which were the most important European car-producing nations at the time, whereas other countries without a substantial auto industry imported their cars, of course. The example of the VW is therefore not unique. Other European countries produced small cars as well, which achieved a certain prominence in the home market and abroad, for example the Fiat 500 in Italy, the Morris Mini in Great Britain or the 2CV in France. This essay asks if, and how, small cars were nationalized in the sense of being a symbol for the national community. Who were the most relevant actors of nationalization processes? What role did advertising play? And what do we know about the consumers’ perceptions? The automobile industry and motorization are in general well-researched topics, at least on a national level. However, there is a lack of comparative studies, so the conclusions presented here can only be tentative.6 The following sections look at motorization in four Western countries (France, Great Britain, Italy, West Germany) in general (1) and then at the role of particular car models in this process (2). The meaning of cars is analyzed by looking at advertising (3), politics (4) and the consumers’ viewpoints (5).

M OTORIZ ATION IN C OMPARISON Motorization shall be defined here as the process in which a majority of households came to own a private car. While it is true that »motorization« is sometimes understood in a broader sense encompassing also motor cycles and scooters, this article only looks at cars, because for the history of consumption the emergence of cars as consumer goods appears to be the more important development. Even so, this process had obviously begun before World War II, and it is a matter of dispute if and where a threshold can be fixed for the attainment of mass motorization. If we were to follow a German study of 1961, »real popularity« of cars would be attained at a level

6 | An exception to this lack is Merki, Siegeszug, but unfortunately his book ends with World War II.

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of 35-40 cars per 1.000 people.7 This level was reached in France and Great Britain in 1938, as figure 1 demonstrates, but not in Germany and Italy, despite motorization efforts by their respective regimes.

250 200

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100

50

0 1938

1950 G ermany

F rance

1960 Italy

1970 G reat B ritain

Figure 1: Cars/1.000 Inhabitants8 After the war, in 1950, car ownership figures resemble those of 1938, with the exception of Germany where they were even lower than before the war due to war damages. However, the real expansion in car ownership took place in the 20 years after 1950. If we define as threshold a level where a majority of the population has access to a car9 , which would mean somewhere between 100 and 125 cars per 1.000 people, this threshold was crossed in all the four countries only in the sixties. As figure 1 demonstrates, France and Great Britain started from a higher level, but the »latecomers« Germany 7 | Josef W. Schödermeier, Die Entwicklung und Zusammensetzung des Personenkraftwagenbestandes in Westeuropa, Köln 1961, 49. 8 | Sources: Thomas Südbeck, Motorisierung, Verkehrsentwicklung und Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland der 1950er Jahre, Wiesbaden 1994; Schödermeier, Entwicklung, 20. 9 | Cf. König, Konsumgesellschaft, 8.

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and Italy achieved higher growth rates. Whereas in 1960 Germany had almost caught up with Great Britain, in 1970 she was a close second after France. Italy, while continually the country with the smallest car density throughout the period 1950-1970, diminished the gap to France from 84 percent in 1950 to a mere 18 percent in 1970. Growth rates were highest in Germany in the fifties and Italy in the sixties. But growth rates as such can be deceptive as an indicator for consumer preferences. The most important factor in the prediction of car ownership levels was still the income level of a society. According to a study published in 1961 which compared car ownership in 15 West European countries, some countries had a higher level of car ownership than could be expected from their economic level, notably Italy and Austria, and also France to a lesser degree. Great Britain and Germany showed more or less expected levels, whereas the Swiss population owned less cars than their incomes would have suggested.10 The author tried to explain these differences by pointing to differences in climate (people in southern countries had to spend less on heating and light) and mentality. Another factor which has to be taken into account is, of course, the impact of policy. The national governments both supported and delayed motorization through their respective policies of road construction, traffic regulation and, perhaps most important, taxation. Glancing through any European car magazine, one gets the impression that in all countries governments were opposed to motorization, leading one to wonder how it was achieved at all. This is obviously due to the ample space devoted to calls for lower taxes and more and better roads, which were a common feature of these magazines. Actually, however, there were differences between the countries under review here. It is difficult to judge how prices and maintenance costs differed between European countries, because each country had its own tax regulations and import restrictions. However, estimates were made by contemporaries, like a German car magazine in 1950 that estimated the retail prices for an 1.100 ccm car (like a VW) as follows: in Germany 3.408 Swiss Francs, in France 4.100, in Britain 4.480 and in Italy 8.070. More important were the maintenance costs which were estimated for a driving distance of 15.000 km per year as follows (also in Swiss Francs): in Germany 900, in France

10 | Schödermeier, Entwicklung, 43.

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1.490, in Britain 780, in Italy 2.340.11 According to this estimate, car driving was cheapest in Britain and Germany, dearer in France and dearest in Italy. But it has to be kept in mind that in these comparisons the size of the car made a big difference. A comparison of car taxes in 1960 showed this clearly. While for a small car (600 ccm) taxes in Italy and France were lowest, followed by Germany and then Great Britain, for a medium sized car (1.200 ccm) the order was different: It was taxed least in France, followed by Great Britain, and most in Italy and Germany.12 Part of the difference is due to the fact that taxes in Great Britain were not differentiated according to car size which made small cars there comparatively expensive and larger cars rather cheap in maintenance. In a way, this reflects the structure of the British car industry which specialised more in medium sized cars, whereas in France and Italy small cars dominated. This issue is explored in more detail in the next section.

S MALL CARS IN W ESTERN E UROPE This section looks at motorization from a different perspective. The question here is not how many but which cars people bought and drove in the fifties and sixties, and why. To be sure, small cars played a decisive role in motorization, because especially in the fifties, to a lesser degree in the sixties, cars were still expensive items both in terms of acquisition and maintenance. As mentioned before, markets in the fifties were still dominated by national producers, so one would expect home-produced small or middle-sized cars taking a lead in registration figures. This could lead to a nationalization of cars simply through the common use of a limited number of models in one country opposed to other models in other countries. Imports were rising due to the Roman treaties from the late fifties on, but generally remained rather low until 1970. In 1950, import penetration hardly exceeded 5 percent in any country discussed here,

11 | Auto, Motor und Sport (1950), 248. 12 | Schödermeier, Entwicklung, 26.

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whereas in 1970 imports accounted for 10-27 percent of the markets, which still left between three quarters and nine tenths to domestic producers.13 The obvious example of this development would seem to be provided by VW in Germany, the »people’s car«. It was without doubt the most successful German car of the period, both at home and abroad. In 1955, VW celebrated the production of its millionth car, 400.000 of which had been exported, which still left an impressive 600.000 to the home market.14 Contemporary observers agreed that the VW dominated the streets. Its market share in the fifties was about 30 percent15 , a high share considering the one-model policy of VW. However, by German standards the VW was not a small car, but belonged in the lower middle (or compact) class. It comes as no surprise that it was certainly not the cheapest car in the market. Indeed, during the fifties VW was criticised for not producing a »real« people’s car, for being too expensive.16 However, it dominated its class with a share of at least 75 percent in the fifties.17 Smaller cars like the Lloyd 300 which were available, never gained much popularity. To many, the VW was the smallest »real car« available.18 In its own class, the VW was only challenged from the late fifties onwards, first by the imported Renault Dauphine, in the sixties by the Opel Kadett.19 In Italy, Fiat dominated the market to an even greater degree. Its share of the home market showed a downward trend due to a rise of imports, but was nevertheless impressive: 88 percent in 1958, 74 percent in 1966, and still 70 percent in 1970.20 Here small cars dominated: nearly two thirds were under 1.000 ccm in 1964 and still 58 percent under 1.050 ccm in 1970.21 Basically, Fiat motorized Italy with three models: the 1100, introduced in 1953, the 600 (1955), and the 500, of which a new version was presented in 1957. The old Fiat 500 which came to be called »Topolino« (little mouse), 13 | James Foreman-Peck/Sue Bowden/Alan McKinlay, The British Motor Industry, Manchester 1995, 161. 14 | Spiegel 33 (1955). 15 | Auto, Motor und Sport (1960), no. 8, 30; cf. Südbeck, Motorisierung. 16 | Auto, Motor und Sport (1960), no. 2, 18 p.; Das Auto 5 (1950), 178. 17 | Südbeck, Motorisierung, 33. 18 | Das Auto 5 (1950), 283. 19 | Willi Bongard, Fetische des Konsums, Hamburg 1964, 91. 20 | Federico Paolini, Un paese a quattro ruote, Venezia 2005, 116. 21 | Ibid., 115.

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had already been introduced under Mussolini and was part of the fascist regime’s project of motorization, similar to the VW (KdF-Wagen) in Germany. In 1958, there were still more than 330.000 old Fiat 500 in use.22 Indeed, the 500 has become something of a legend and was regarded as the Italian Volkswagen abroad.23 But it has to be kept in mind that the 500 was not a single model, but rather two different cars, the old »Topolino« and the »Nuova 500«. Moreover, the new 500 is more famous than the 600, but it lagged behind in sales.24 Its breakthrough came only in the mid-60s, and production reached its peak in 1970, five years before it was ended in 1975.25 The main reason for its popularity was apparently neither any particular technical detail nor the patriotism of Italian consumers, but rather that it was the cheapest car in the Italian market, both in terms of acquisition and maintenance.26 Surveys in the late fifties showed that Italian car drivers imagined their ideal car as middle class.27 In France, four big companies dominated the market: Citroën, Peugeot, Renault and Simca. In the fifties, there was a certain division of the market: Renault and Citroën competed in the small car market, Peugeot concentrated on the middle class, and Simca and Citroën offered cars for the upper end of the market.28 Two small cars dominated the streets in the fifties and played a special role in motorizing the French: the Renault 4CV, more than 1.1 million of which were produced from 1945 to 1961, and the famous Citroën 2CV the production figures of which reached more than 5 million between 1948 and 1990.29 At first, however, the 4CV was more successful, and it was only in 1957 that the 2CV overtook it in numbers produced.30 These two models were seen as contenders for the 22 | Ibid., 120. 23 | For example Das Auto 5 (1950), 178. 24 | Stefan Heins, Fiat. 100 Jahre Automobile aus Turin, Königswinter 1999, 51. 25 | Alessandro Sannia, Fiat 500, Stuttgart 2007. 26 | Quattroruote Junior (1968), no. 6, 2. 27 | Paolini, Paese, 126. 28 | Jean-Louis Loubet, Histoire de l’automobile française, Paris 2001, 283-286. 29 | Halwart Schrader/Dominique Pascal, Renault. Vom R4 zum Kangoo, Stuttgart 1999, 12; James Taylor, Der Citroën 2CV, Königswinter 1992; Ingo Meier, Citroën 2 CV. Die Geschichte eines Autos namens Ente, Braunschweig 2005. 30 | Loubet, Histoire, 284.

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title of »people’s car« in France, although German journalists noticed the difference in size compared to the German »people’s car«, given that they were quite a bit smaller than the VW.31 The 2CV, which later became an object of admiration among students and left-wing intellectuals, was first designed for the rural French population. At the same time, it was to be as cheap as possible, undercutting the Renault 4CV by 50.000 Francs in 1950.32 However, because of its design and its weak engine power opinions were divided in the beginning, and mass production did not begin before the mid-fifties. Whether it ever achieved its aim of motorizing the masses is doubtful in spite of impressive production figures. In 1960 it was estimated that it was a second car already for 40 percent of its buyers and a business car for the rest.33 In the mid-50s, it accounted for ca. 10 percent of the French market, similar to the Renault 4CV.34 The successful Renault 4CV had reached its zenith in 1955. Thereafter sales declined. It was partly replaced by the Dauphine, launched in 1956 but aiming more at a lower middle-class market.35 In 1961, the follow-up model Renault 4 was launched which was attacked by Citroën as a copy of its successful 2CV.36 However, 9 million of these cars were produced in three decades.37 In the mid-60s Renault was the largest French producer and accounted for 38 percent of the French production.38 It is difficult to find prominent small cars in Great Britain before the late fifties. Britain was the largest European car-producing nation at the beginning of the fifties before she was overtaken by both West Germany and France.39 However, the British car industry specialized in middle-class cars and regarded small cars as a »marginal market«.40 As a whole, British 31 | Das Auto 5 (1950), 697, 819, Auto, Motor und Sport (1960), no. 2, 18; ADAC Motorwelt (1950), no. 11, 14. 32 | Das Auto 5 (1950), 697. 33 | Loubet, Histoire, 287. 34 | Ibid., 284, 293. 35 | Ibid., 287. 36 | Ibid., 336. 37 | Schrader/Pascal, Renault, 6. 38 | Ibid., 55. 39 | Loubet, Histoire, 277. 40 | The Autocar 96 (1951), 1022.

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car production (excluding utility vehicles) rose from about half a million in 1950 to 1,19 million in 1960, more than 90 percent of which were produced by five companies: the British Motor Corporation, formed in 1952, Ford Britain, Rootes, Vauxhall and Standard.41 BMC merged in 1966 with Jaguar under the name of British Motor Holding (BMH), and in 1968 with Leyland to become the British Leyland Corporation (later Rover Group). The mergers resulted from economic difficulties which were part of the much-discussed decline of the British car industry.42 As for car size, about 80 percent of registrations in the 1950s were in the small and lower middle class, whereas in the sixties the market shifted to middle-class cars.43 Due to the bewildering variety of brands and the large number of producers, there was no single model dominating the market as VW did in Germany. Indeed, in the British small and lower middle-class market (up to 1.000 and 1.500 ccm respectively) of the mid-50s there were 16 different models on offer, eight of which were built by BMC alone.44 Most of them appeared rather dated compared to continental small cars in the mid-fifties.45 However, in the lower middle or compact class, one of the most successful models was the Morris Minor (part of BMC since 1952), of which 1.6 million were built from 1948 to 1971. In 1960, the British journal »Autocar« still regarded it as a strong contender for the title »best small car in the market«.46 One of its competitors in the British market was the Ford Anglia which was produced in different versions between 1939 and 1968, sales reaching 1.6 million cars altogether. In 1959, BMC launched a new successful small car, the (Morris) Mini which was also sold as Austin 7. It received a warm welcome by the British motor press, and was also a commercial success. Until 1970, 2 million were sold, 43 percent of which were exported. It was the first British car to reach the 1 million export mark. Until 2000, 5,4 million were produced. It sold well until at least 1980; thereafter it catered 41 | The Autocar (1960), 758-760. 42 | Cf. Timothy Whisler, The British Motor Industry. A Case Study in Industrial Decline, Oxford 1999; Roy Church, The Rise and Decline of the British Motor Industry, Cambridge 1995; Foreman-Peck/Bowden/McKinlay, Motor Industry. 43 | Whisler, Motor Industry, 286, 290. 44 | Ibid., 286. 45 | Ibid., 311. 46 | The Autocar (1960), 1004.

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for a special market.47 Together with its other models (1100, 1300, 1800, Maxi), British Leyland still held a 40 percent share of the British market in 1970, as BMC had in 1960.48 However, its market share declined rapidly in the early seventies due to rising imports. Whereas in 1965 the most popular BMC models, the Mini and the middle-class 1100/1300 had a combined market share of 24 percent, in 1974 it had declined to under 8 percent. Most of the decline was due to the decreasing sales of the 1100/1300 model, whereas the Mini managed to more or less maintain its position. At its peak, the Mini reached a share of about 10 percent of all new registrations.49 Looking at motor journals the reader gets the impression that there may not have been a British Volkswagen, but still a consciousness of the distinctive qualities of British cars in general. This might refer to quality (»feel of the car on the road«50), but also to design, at least in the early fifties when British producers eschewed new design trends.51 The particular British design in the fifties resulted from its protected home market and was blamed for export difficulties.52 Also, what British historian Timothy Whisler has called the »myth of engineering excellence« resurfaced in specialized car journals as well as in the general press until the end of the sixties. »The Times« proclaimed in 1965 that the British motor industry was the »world’s pace setter« in car design, and »Autocar« praised the engineering capabilities of BMH in 1967.53 The British example is instructive in another sense, with regard to American competition, the so-called »American challenge«. There is not much talk about an American challenge, at least until the late sixties. In 1970, the chairman of British Leyland, Lord Stokes, suggested that the European producers should cooperate against the American and Japanese competition.54 But earlier, the German, French and Italian car industries had been regarded as competitors in export markets. On the other hand, 47 | Graham Robson, Mini. Eine Hommage an die Kleinwagen-Legende, Königswinter 2007. 48 | Robson, Mini; Whisler, Motor Industry, 6. 49 | Foreman-Peck/Bowden/McKinlay, Motor Industry, 141. 50 | The Autocar 96 (1951), 1022. 51 | Ibid., 913. 52 | Whisler, Motor Industry, 282. 53 | Ibid., 167, 161. 54 | Auto, Motor und Sport (1970), no. 4, 48, 66.

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the daughters of American companies producing in Britain like Ford and Vauxhall were regarded as British firms, and not as foreigners. The same is true for other countries like Germany and France. That is not surprising, because until the late sixties the multi-nationals like Ford did not pursue a common strategy, but Ford Britain and Ford Germany developed their own models – until the arrival of Ford Escort in Germany in 1969.55 So was there a nationalization of cars, especially small cars, through everyday use? First of all, it has to be said that car markets were still national markets in the fifties. Subsidiaries of foreign firms like Ford were autonomous and generally not regarded as foreign. Admittedly, that has changed a little since the late 1950s due to the European Economic Community, but the best selling cars still came from home producers, like VW in Germany, Fiat in Italy, Renault and Citroën in France, and BMC in Britain. On the other hand, national markets did not always lead to a predominance of a single firm or even a single model. Closest to a national car in this respect was maybe VW in Germany, but even its dominance did not go unchallenged. In Italy, Fiat dominated the market, but with three different models, giving the consumer a certain choice according to his or her means. In France, the mass market was divided between Citroën and Renault, and in Britain many firms competed in the middle class, but, at least until the late fifties, none produced a small car for the mass market. Because of the multiplicity of firms and models, it is difficult to assign any distinctive qualities to cars of a particular nation even in this period, before widespread internationalization of production set in. What has already been mentioned was the particular design of British cars in the early fifties. What is more controversial is the issue of quality. For example, Kurt Möser claims that German producers in the sixties like VW and Mercedes specialized in quality production.56 But in reality, matters were more complicated. A Swedish survey in 1970, which investigated cars that had been used for three years, produced the following results57: VW, Mercedes and Volvo had the fewest repairs, whereas Renault, Simca, and Porsche had most. Other German producers like Opel were somewhere

55 | Auto, Motor und Sport (1970), no. 8, 28-33. 56 | Kurt Möser, Geschichte des Autos. Frankfurt a.M./New York 2002. 57 | L’auto-journal (1970), no. 1, 68.

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in between. However, there seems to have been persistent problems in British car production which contributed to its decline in the seventies.58

A DVERTISING THE SMALL CAR Advertising small and compact cars seems a fairly straightforward matter. Most advertisements emphasize the obvious strength of these cars compared to bigger ones, that is their use value. In principle, there is less need to persuade the consumer of the value of such a car. However, fears of consumers that the car may be too small or otherwise unsuited to their needs have to be overcome. As this sort of cars is not normally suitable as a status symbol, symbolic values are not as often employed as in advertisements for luxury cars. Also, certain reservations about the effectiveness of car advertisements have to be made. Even to contemporaries, car advertising often bordered on the absurd. A German motor journal in 1960, for instance, remarked ironically that, according to advertising, owners of wrought-iron castle gates seem to have a predilection for small cars with two-stroke engines.59 It is not mere coincidence that critical reports about advertising were published in 1960. From the late fifties on, advertising for cars was on the rise. Indeed, the fifties car markets were sellers’ markets, and advertising was barely necessary. Many producers could not deliver as many cars as they could have sold, and customers had to wait many months before receiving their cars, for example 11 months for a VW in 1959.60 This was especially true for popular small and compact cars which were without real competitors, like the VW in Germany and the 2CV in France. The latter was, according to a magazine, the only car brand without any advertising whatsoever.61 In the fifties, many producers wanted to give themselves and their brands an international image, pointing like VW or Renault to worldwide sales. That does not mean that national meanings of cars did not feature in advertising. But they have to be assessed in their proper context.

58 | Whisler, Motor Industry, 327-359. 59 | Auto, Motor und Sport (1960), no. 8, 20; cf. Auto, Motor und Sport (1960), no. 13, 37-39. 60 | Auto, Motor und Sport (1960), no. 2, 10. 61 | Der Spiegel 41 (1952), 20.

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VW invested little in advertising in the fifties. An advertising department was created in 1948, but it comprised no more than five employees. The few advertisements emphasized either production numbers or sales abroad, especially in the USA.62 Obviously, this should signify to consumers that the car must have a good quality if it is so popular, even in such a difficult market as the USA. But these advertisements could also be read in another way, signifying renewed pride in German products which peacefully conquered the entire globe. A print advertisement of 1950 shows the VW factory and a globe over which the VW cars are distributed.

Figure 2: Silvester advertising, 1951 (Volkswagen Aktiengesellschaft).

62 | Jürgen Schlegelmilch, VW. Er läuft und läuft und läuft… Vier Jahrzehnte VWWerbung, Königswinter 2006, 12, 18.

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The slogan reads: »Company and car – the great success!«. Another print advertisement in a similar vein was titled »America says yes to Volkswagen« and shows the VW in front of a typical American skyline.63 In the early sixties advertising was professionalized and also internationally standardized.64 During this period, up to the early seventies, many famous advertisements were created, most of them emphasizing use value like reliability or economy with a humorous touch.65 Famous slogans were for example: »Some shapes cannot be improved« (showing the design of a VW drawn on an egg) or »It runs and runs and runs…« (showing a series of photographs with a VW slowly moving out of sight).66 Similar trends can be observed for French or Italian brands like Fiat or Citroën. In both cases advertisements became more important from the late fifties on and, accordingly, there was a certain degree of professionalization, although international standardization did not reach the same degree as at VW.67 Also, there was a tendency to connect the small car to everyday situations and to demonstrate its feasibility for transport.68 To emphasize this trend, lavishly coloured illustrations gave way to more realistic photos. Citroën did not produce many advertisements for the 2CV in the beginning. As far as they did, they stressed use values like comfort and space, addressing fears of the consumer that it was not a ›real‹ car. In the late 50s the slogan »It conquers the whole world« was meant to demonstrate its feasibility for long-distance tours. A real break came in the beginning of the sixties. The more intense competition gave a boost to advertising. Likewise, the company felt the need to address younger people. A new brochure under the title »La liberté en 2CV« set the tone. The emphasis was more on a particular lifestyle than on specific features. The advertisements continued to show how many persons or items could fit into the car, but they did so in a humorous way. For example, one advertisement showed

63 | Both advertisements are reproduced in Schlegelmilch, VW, 13 and 19. 64 | Marko Minucci, Automobilwerbung in Italien und Deutschland, Wilhelmsfeld 2008, 258. 65 | Schlegelmilch, VW, 23. 66 | Ibid., 23, 25. 67 | Minucci, Automobilwerbung, 266, 466. 68 | Ibid., 234; Jacques Séguéla, 80 ans de publicité Citroën et toujours 20 ans, Paris 1999, 98-102.

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one child and six young adults in a 2CV shouting »la liberté«.69 These advertisements stressed reliability, thrift, but also liberty and adventure. Incidentally, the central term »liberté« is obviously connected to one of the central aims of the French Revolution and therefore also has got a national connotation, even though this is hardly made explicit. This sort of advertisements was published until the end of the sixties.

Figure 3: Freedom in a 2CV, early 1960s (Citroën Communication/Delpire). Similar to the 2CV, Fiat presented their products as family cars. Slogans were kept to a minimum. Instead, the advertisements showed either young couples or families with their cars in a beautiful surrounding, for example at a picnic. Especially for the smaller models (500 and 600), advertisements also showed them in the company of women in an attempt to attract women drivers.70 In the fifties, Fiat advertising stressed the importance of mass motorization and tried to incite a passion for cars in the masses.71 In the thirties, advertising for the Fiat 500 had been more explicitly national, showing the car with the Roman wolf (»lupa romana«) of ancient Roman

69 | Séguéla, Publicité, 98. 70 | Paolini, Paese, 163; Minucci, Automobilwerbung, 237-239. 71 | Ferdinand Fasce, Voglia di automobile, in: Contemporanea 4 (2001), no. 2, 205-223.

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mythology.72 Later, in the sixties, Fiat tried to demonstrate its capacity to fulfil the wishes of different consumer groups with its variety of models.73 In Britain, marketing for the Mini was more diffuse. In the beginning, it was sold under two different brand names (Austin Seven and Morris Minor Mini), which made a coherent marketing strategy difficult.74 At its official presentation in 1959, an attempt was made to demonstrate its spaciousness. Later, the advertisements were similar to the ones used by Fiat, showing either families on holiday trips or women as drivers.75 Another important marketing strategy was the launch of the Mini Cooper in 1961 and its racing activities. In 1964, a Mini won the Rally Monte Carlo.76 Further, the launch of special models for celebrities contributed to the car’s popularity, beginning in 1963 with a car for the famous actor Peter Sellers.77 It was only later in the sixties, and presumably as result of these strategies, that the Mini acquired a distinctive British image. In 1967, a Mini with a Union Jack was sent to the Montreal World Fair.78 In the British gangster film »The Italian Job« of 1969 it also served as symbol of Britishness.79 In advertisements, explicit references to national origin showed up only rarely. In the late fifties, Citroën claimed that the 2CV embodies the French national spirit, being like »Descartes in bolts (Descartes en boulons)«.80 Also, Renault advertised the 4CV with the slogan: »Yes, France that’s the Côte d’Azur, but it’s also Renault«81 . In Italy, Alfa Romeo urged Italian consumers in 1968 to buy home-made rather than foreign cars.82 But these 72 | Minucci, Automobilwerbung, 227. 73 | Quattroruote 14 (1969), no. 161, 24. 74 | Robson, Mini, 29. 75 | Johannes Hübner, The Big Mini Book, Bideford 1992, 23, 40, 63. 76 | Robson, Mini, 50, 58. 77 | Hübner, Mini Book, 28. 78 | Ibid., 27. 79 | Iris-Aya Laemmerhirt, Mini Conquers Hollywood. Der Imagewandel des Minis im Film, in: Jürgen Kramer/Anette Pakratz/Claus-Ulrich Viol, eds., Mini & Mini. Ikonen der Popkultur zwischen Dekonstruktion und Rekonstruktion, Bielefeld 2009, 89-102, 94. 80 | Séguéla, Publicité, 101. 81 | Ibid., 93. 82 | Quattroruote 14 (1969), no. 161, 22.

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tended to be exceptions in the home markets. There was, of course, more mention of origin in export advertising, like in a slogan employed by Rootes 1960: »English cars conquer German streets«83 . However, producers were often reluctant to stress patriotism or the country of origin too much. In a time when markets were still predominantly national, there was little need for that. When advertising became more professional and foreign competition grew in the sixties, it seemed more expedient to stress use value factors for small cars.

H ISTORY AND POLITICS Small cars could come to symbolize the nation because they embodied its history. Also, political actors demonstrated an affinity to popular small cars to increase their own popularity. But the role of politicians was not limited to representation. Some of the leading European car companies maintained strong links to their governments. The most pertinent example would be the Volkswagen which had been a political project from the beginning. Adolf Hitler urged industrial leaders in March 1934 to construct a »people’s car« (Volkswagen). The term had been around for some years, however. The construction of the Volkswagen was part of the regime’s motorization programme. Its motives were manifold: cars were seen as an expression of a nation’s level of culture, the regime sought popular acceptance, military considerations played a certain (though not predominant) role, and purchasing power could be channelled away from the strained food market.84 As it is well known, the Volkswagen was never produced for the civilian market during the period of National Socialism. Had it been, it would not have been a people’s car, but rather a middle-class one, because it would still have been too expensive for workers.85

83 | Auto, Motor und Sport (1960), no. 2, 5. 84 | Wolfgang König, Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. »Volksprodukte« im Dritten Reich, Paderborn 2004, 152, 155, 160, 187. 85 | Ibid., 180.

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After the war, it was still a state-owned corporation, even if it acted largely autonomously under the direction of Heinz Nordhoff.86 With its roots in National Socialism and its famous economic success after the war, the Volkswagen perfectly embodied recent German history. However, Nordhoff was eager to disassociate himself and his company from the Nazi past, not only for image reasons. Another factor was a legal dispute with those disappointed consumers who had been saving for a VW since the thirties but never actually received a car. In a rather curious twist of argument, Nordhoff blamed them for supporting the Nazi regime with their savings and maintained that VW was not obliged to deliver cars to those people.87 Post-war governments were eager to exploit the success of Volkswagen, too. In spring 1955, the German chancellor Konrad Adenauer visited the VW factory in Wolfsburg. In August, when VW had reached the 1,000.000 mark of produced cars, director Heinz Nordhoff was awarded the Order of Merit of the Federal Republic of Germany (Bundesverdienstkreuz).88 In Italy, the Fiat 500 (»Topolino«) had a similar history. Just as Hitler had intervened in the construction and design of the Volkswagen, so did Mussolini with Fiat. The difference, of course, was that the Fiat 500 really came to the market in 1936, but with its price set at 8,900 Lire, it was too expensive for the working class.89 Already in 1932, Fiat had introduced a lower middle-class model that was named after the fascist youth organization: »Balilla« (508), precursor of the Fiat 1100.90 The enterprise kept close links to the government also in the post-war period. Before the new 500 was introduced in 1957, Italy’s Prime Minister Adone Zoli was allowed to undertake a private test drive in Rome.91 In France, the 2CV also has a pre-war history. Its first prototype was developed in 1937, but its serial production didn’t begin until in 1948. In 86 | Officially, the owner of Volkswagen until 1960 was the Deutsche Arbeitsfront, a national socialist organization which had been abolished in 1945. 87 | Time Magazine 15.2.1954. 88 | Heidrun Edelmann, Heinz Nordhoff und Volkswagen. Ein deutscher Unternehmer im amerikanischen Jahrhundert, Göttingen 2003, 170, 180; cf. Der Spiegel 33 (1955), 17. 89 | Sannia, Fiat 500. 90 | Paolini, Paese, 118. 91 | Sannia, Fiat 500.

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this year it was introduced to the public at the Paris Motor Show in the presence of President Vincent Auriol who allegedly was as sceptical as most observers at the time, including the press.92 Of course, Citroën had been and remained a private company whereas Renault had been nationalized in 1945 because of its collaboration with National Socialist Germany.93 In the post-war era, Renault publicly committed itself to mass motorization, even at the expense of profits which were seen as secondary to the general interest of the country.94 Yet the business prospered, unlike that of its English rivals. In Britain, the government remained aloof from car production for quite some time. It was only when domestic producers ran into serious difficulties in the late sixties that the government intervened and effectively sponsored the merger between the British Motor Holding and Leyland in 1968. Full nationalization came in 1975 after continuing difficulties. The company was not allowed to go bankrupt, declared Prime Minister Harold Wilson, because it formed an »essential part of the United Kingdom economic base«95 . Similar to Renault, Lord Stokes, chairman of the British Leyland Motor Corporation, accepted the social responsibility of a »national champion« and tried to defend the British market share, ultimately unsuccessfully.96 In Britain, particular models were not seen as embodying part of the nation’s history. However, at least according to motor journalists in 1960, the motor car as such was »part of the British way of life«97. Also, in the sixties and seventies, the decline of the British car industry became a symbol for the relative decline of the British economy as a whole. History and politics were important to nationalizing small cars. That is not surprising, given the fact that car producers like Volkswagen, Fiat, Renault or BLMC maintained strong links to their governments or were state-owned. Also, some cars like the Volkswagen or the Fiat 500 could be seen to represent the nation’s history, for better or for worse.

92 | Taylor, 2CV. 93 | Loubet, Histoire, 200. 94 | Ibid., 281. 95 | Church, Rise, 104; Whisler, Motor Industry, 119. 96 | Whisler, Motor Industry, 111. 97 | The Autocar (1960), 758-760.

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THE CONSUMERS ’ VIE W It is important, though not always easy, to reconstruct the consumers’ view. How important were political and historical considerations, or the suggestions made by advertisements, for purchasing decisions? Certainly, the meanings given to cars in the public opinion would not go unnoticed, but the way it influenced consumers is far from clear. Fortunately, we have a few hints from contemporary surveys. For example, it can be shown that for German VW customers it was not national pride or the difficult history that were decisive factors, but economy and reliability. In 1958, for 42 percent of the interviewees economy was the prevalent motive, technology only for 27,5 percent and aesthetics mattered only to 8,5 percent.98 In general, a recommendation by an acquaintance was trusted more than advertising, and for small cars economy was the dominant motive. In comparison to Great Britain, German consumers regarded economy as more important, and both aesthetics and a »stable construction« as less important.99 These surveys, of course, do not present the whole story. It can be assumed, for example, that rational motivations are over-represented, because many people would not admit to be guided by irrational motives. As especially VW had to learn in the fifties, history could also be a burden. A group of consumers who had been saving for a Volkswagen before and during the war sued the company for a return of their deposits. That is but one reason why Heinrich Nordhoff, the company’s director, tried to distance himself from the recent past. Another reason was that the connection with National Socialism was not particularly helpful in foreign markets. The French magazine »L`auto-journal«, for example, liked to remind its readers even in 1959 that the VW was the ex-car of the German people.100 In Italy, as we have seen, Fiat was the most popular brand. That was also true in 2003 when 3 of the 5 most popular cars in Italy came from Fiat. But at the same time, surveys about car images suggest that the cars Italians most liked were BMW, Mercedes and Audi. What people buy is not always what they like most. That phenomenon, however, is easy to explain. 98 | Schödermeier, Entwicklung, 135. 99 | Ibid., 133. 100 | L’auto-journal 31.12.1959; Le salon de l’automobile 1959, 77.

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German cars have a good reputation in Italy, but are considered to be too dear.101 In France, one of the most popular cars, the 2CV, aimed already in the fifties at a particular market: the rural population. Apparently, there existed a certain market segmentation: Peugeot for the middle classes, Renault for workers and teachers, and Citroën for the rural population.102 This may be oversimplified, but market segmentation certainly became more prominent since the late fifties and made a people’s car, as a car for everybody, more and more difficult. As noted above, by 1960 the 2CV was for most consumers a second car or a business car.103 Still, as we learn from an English source, despite all use value orientation and market segmentation, there was a certain feeling that it was a patriotic duty to buy a car from one’s own country. A consumer writing to the motor journal »Autocar« in 1970 considered himself »a good British patriot«, but confessed to have bought a Renault 6, because a comparable car was not offered by British producers.104 This echoes the feelings of two motorists in 1951 who shared a preference for the marine, the English countryside and 1 ¼ litre M.G.s.105 It is remarkable that still in 1970 consumers felt they had to justify their decision to buy a foreign car, and it is maybe no mere coincidence that this was the case in Britain. It was only there that consumers had to face the choice between patriotic ideals and economic considerations. In Germany, France and Italy the domestic industry was strong enough to keep the home market even without explicit appeals to patriotism. Foreign cars were often more expensive and not necessarily better value for money than domestic products.

C ONCLUSION The results can be summarized in four points. First, the markets in the fifties, to a lesser degree in the sixties, were dominated by national firms. 101 | Minucci, Automobilwerbung, 24, 34-36. 102 | Loubet, Histoire, 280. 103 | Ibid., 287. 104 | The Autocar 132 (1970), no. 3870, 55. 105 | The Autocar (1951), 913.

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Thus, competition existed predominantly between producers within one country, not so much with foreigners. In the fifties, the car markets were actually sellers’ markets, i.e. the most important problem for producers was production capacity and not so much competition and marketing. That changed after the late fifties, but still advertising with national traits or clichés was not as prominent as it seems to have become in the last few years. So it seems that the more international the markets, the more national the advertising, a trend which would make sense, given that national characteristics do not distinguish producers on national markets. Second, the nationalization of small cars was more a matter of history and politics than of business strategies. Cars like the German Volkswagen or the Italian Fiat 500 came to embody the nation’s history: a problematic past before the war, but also a quick rise to glory after 1945. Already in the 1950s, and much more so in retrospect, there was a need to symbolize the »trente glorieuses« or the »miracolo economico«, and what better symbol for motorization and the incipient consumer society could there be than a popular car? The obvious exception here would be Great Britain, for whom the fifties and sixties were a period of relative industrial decline (despite continuing absolute growth rates) – symbolized by the decline of the automobile industry. However, it has to be kept in mind that this symbolic connection did not emerge spontaneously. Rather, it was made by the press or »public opinion«, both the general press like »Der Spiegel« or »Time Magazine« and the more specialized magazines like »Auto, Motor und Sport«, »The Autocar« or »L’auto-journal«. We do not know exactly what consumers thought at the time, but for most the purchase of a car was a matter of economy more than a matter of patriotism. In fact, until the late sixties there was no need to choose between economy and patriotism, because the car markets were largely national anyway which meant that foreign cars were harder to get and also more difficult to maintain, given the initial lack of adequate service facilities. It was only in Britain in the sixties that consumers were beginning to be torn between what they perceived as their patriotic duty (to buy British cars) and economic considerations. Then, however, many opted for the latter. Third, it has to be kept in mind that national images are formed through the interplay of auto- and hetero-stereotypes. Often, as in the case of VW, the connection between Volkswagen and »Wirtschaftswunder« was first forged in the foreign press and then reported back at home. It was the »Time Magazine« which featured a report on the »fabulous recovery«

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of the German economy in 1954 with a picture of Heinz Nordhoff on the cover. The article inside presented VW as a prime example for the success of a free market economy.106 In many other cases car magazines, as well as the general press, were full of national stereotypes, especially when reporting from abroad or about foreign cars. Some of their claims, however, bordered on the absurd. To quote a few examples: The German magazine »Spiegel« discussed the Citroën 2CV in 1952, calling it »the ugliest car in Europe«. Yet it allegedly suited the »French national character«, because it offered comfort without luxury.107 It may be interesting to note that the French »Auto-journal« did not agree: The 2CV, it argued, was better suited to underdeveloped countries.108 The British magazine »Autocar« claimed that the successful VW was better suited to continental tastes than British cars because Europeans like noise, whereas the British consumer prefers silence.109 In a similar vein, the German »ADAC Motorwelt« of 1950 contrasted German and Italian driving habits. To Germans, the author claimed, a car was just a means of transport whereas to Italians it was an expression of passion.110 »Das Auto« concurred: Italians want a car that is fun to drive, with a vivacious engine.111 The same journal claimed in 1960 that »Latin nations« see no problem in over-loading their cars.112 The French »Auto-journal« stressed technical differences and praised especially the front-wheel drive as typically French.113 According to a British observer, it was the law of the jungle that prevailed on German roads.114 Fourth, we cannot assume that these national stereotypes were always shared by consumers. So methodologically speaking, it is essential to look for utterances of consumers, however filtered or distorted they might be. The purchase of a »national« car made economic sense in many respects, especially regarding provision of service, but also cost and availability. But 106 | Time Magazine 15.2.1954. 107 | Der Spiegel 41 (1952), 21. 108 | L’auto-journal 31.12.1959; Le salon de l’automobile 1959, 12. 109 | The Autocar (1955), no. 3086, 65. 110 | ADAC Motorwelt (1950), no. 10, 19. 111 | Das Auto (1950), 387. 112 | Auto, Motor & Sport (1960), no. 12, 58. 113 | L’auto-journal (1970), no. 2, 30. 114 | Quattroruote 14 (1969), no. 161, 185.

M OTORIZATION AND N ATIONALIZATION

then again, there was a clear idea that it was more patriotic to buy a car form one’s own country, and consumers who bought foreign cars felt the need to explain their decision and justify themselves. That is remarkable because nowadays consumers buy products from many countries without thinking much about it. Indeed, the availability of a global range of goods can be seen as an important feature of modern consumer society. But the production of cars was seen as a key industry at the time, and the decline of the British car industry was (and still is) regarded as a major disaster, although economically Great Britain is not worse off without it than her continental partners. The point is that the car was not just like any commodity, but rather a key commodity in the breakthrough of mass consumption.

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Automobilisierung auf Österreichisch Zwei Anläufe einer Nationalisierung von Kleinwagen Oliver Kühschelm

Gegenüber anderen langfristigen Gütern, die als Kollektivsymbole1 des Eintritts in die Massenkonsumgesellschaft fungiert haben, wie Kühlschränke, Radio- und später Fernsehapparate, besitzt das Auto einen wesentlichen Vorteil: Es besetzt den öffentlichen Raum. Mühelos kommuniziert das Auto Status und Zugehörigkeit einem Publikum, das vom Nachbarn bis zum zufälligen Passanten reicht und keiner sozialen Beschränkung unterliegt. Daher eignet sich der PKW hervorragend als Vehikel von Nationalisierung,2 zumal sein Lenker (zunehmend auch seine Lenkerin) ein Sinnbild der bürgerlichen Gesellschaft ist: ein selbstverantwortliches Individuum, das sich frei, doch in einem von Verkehrsregeln gesetzten Rahmen durch die Sphäre der Öffentlichkeit bewegt.3 Gegenstand der Untersuchung sind zwei Kleinwagen: der 1936 präsentierte Steyr 50 und der zwanzig Jahre später lancierte Steyr-Puch 500. 1 | Vgl. Jürgen Link/Siegfried Reinecke, »Autofahren ist wie das Leben«. Metamorphosen des Autosymbols in der deutschen Literatur, in: Harro Segeberg, Hg., Technik in der Literatur, Frankfurt a.M. 1987, 436-482. 2 | Vgl. Rudy Koshar, Cars and Nations, in: Theory, Culture & Society 21/4-5 (2004), 121-144; Tim Edensor, National Identity, Popular Culture and Everyday Life, Oxford/New York 2002; Daniel Miller, Hg., Car Cultures, Oxford/New York 2001. 3 | Vgl. Kurt Möser, Geschichte des Autos, Frankfurt a.M. u.a. 2002, 127; Kurt Wolfgang Ruppert, Das Auto. »Herrschaft über Raum und Zeit«, in: ders., Hg., Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge, Frankfurt a.M. 1993, 119-161.

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Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern diese beiden Automobile in eine massenmedial basierte Produktkommunikation4 eingespannt wurden, die an die Konsumenten Angebote einer auf Österreich bezogenen Subjektivierung herantrug. Welche Akteure trugen die Kommunikation und entlang welcher thematischen Achsen wurde sie entfaltet? Es gilt jene einzel- und volkswirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen ›Assoziationen‹ zu kartieren,5 durch die sich der spezifische Sinn einer solchen Fetischisierung6 von Kleinwagen im Österreich der 1930er Jahre und jenem der frühen Zweiten Republik entschlüsseln lässt. Auf diese Weise entfalten montierte und in ihrer rhetorischen Struktur aufgeschlüsselte Diskursfragmente, ob sprachlich oder visuell gegeben, ein Panorama der Austrifizierung von Objekten (Autos) und Prozessen (Automobilisierung).7 Hinsichtlich der Zwischenkriegszeit erhebt sich allerdings die Frage, inwiefern man die Fetischisierung des Steyr 50 als Vorzeige-Österreicher überhaupt mit dem Begriff der Nationalisierung erfassen kann. Österreich war damals zwar aus Sicht seiner politischen und kulturellen Eliten wie aus Sicht seiner Bevölkerung ein Staat, doch ein viel zu kleiner, da man als Maßstab die von Wien aus beherrschte Habsburgermonarchie ansetzte. Zudem handelte es sich – ein weiteres Manko – nicht um einen Nationalstaat, denn an der Überzeugung, dass Österreich der deutschen Nation angehörte, wurde kaum gerüttelt.8 »Österreich ist und bleibt deutsch«, erklärte Kanzler Kurt Schuschnigg 1934. Ebenso aber kündete er von Öster4 | Vgl. Rainer Gries, Produktkommunikation. Geschichte und Theorie, Wien 2008. 5 | Vgl. Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2010, 38. Latour würde freilich nicht sozial neben kulturell, wirtschaftlich etc. stellen. 6 | Vgl. Hartmut Böhme, Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Reinbek bei Hamburg 2006. 7 | Der Zugang basiert auf methodischen und theoretischen Elementen aus social semiotics und kritischer Diskursanalyse. Siegfried Jäger, Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung, Münster 2004; Theo van Leeuwen, Introducing Social Semiotics, London u.a. 2005. 8 | Vgl. Ernst Bruckmüller, Nation Österreich. Kulturelles Bewußtsein und gesellschaftlich-politische Prozesse, Wien 1996, 151-157; Anton Staudinger, Austrofaschistische »Österreich«-Ideologie, in: Emmerich Tálos/Wolfgang Neugebauer,

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reichs »Sinn und Sendung«, seiner katholischen Mission, um die Existenz als »zweiter deutscher Staat« zu legitimieren.9 Wenn wir von Nationalisierung sprechen, dann nicht als Ableitung von dem damals in Österreich üblichen Gebrauch des Begriffs der Nation. Unter Nationalisierung sei hier ein Diskurs verstanden, der staatsbegründend wirkt bzw. eine bereits existierende Staatlichkeit festzuschreiben sucht – und zwar indem dieser Diskurs den Grund des Staats nicht im positiven Faktum von dessen Existenz oder von dessen Funktion als Gefäß der volonté générale sucht. Er trachtet vielmehr, den Staat durch darüber hinausreichende symbolische Verknüpfungen zu legitimieren – um nur einige wichtige zu nennen: Territorium, Geschichte, Mentalitäten und Gewohnheiten, Sprache oder eben kulturelle ›Sendung‹. Sie konstituieren die Nation als imaginierte Gemeinschaft10 und symbolisches Korrelat des Staats. In diesem Sinn waren Steyr 50 wie Puch 500 gleichermaßen, wenn auch nicht in jeder Hinsicht auf dieselbe Weise, Teil einer auf den Staat Österreich bezogenen Nationalisierung. Viele Topoi des vom Austrofaschismus forcierten Österreich-Patriotismus wurden nach 1945 weitergeführt. Das ergab eine Nationalisierung unter konservativen kulturellen Vorzeichen, die sich aber einer größeren Akzeptanz als in den 1930er Jahren erfreute. Die Vorstellung einer österreichischen Nation verband sich nun mit einem demokratischen politischen System, das von einem zur »Sozialpartnerschaft« gewendeten Korporatismus ergänzt (und begrenzt) wurde. Wirtschaftswachstum und Zunahme des Konsums erleichterten die Identifikation mit Österreich. Die Biederkeit des Österreichischen wurde durch eine Amerikanisierung11 der Konsumkultur sowohl herausgefordert als auch erträglicher gemacht. Die Bewohner des Landes konnten ihren Alltag als Beglaubigung der ErHg., Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933-1938, 5. erw. Auflage, Wien 2005, 28-53. 9 | Österreichs Erneuerung. Die Reden des Bundeskanzlers Dr. Kurt Schuschnigg, Klagenfurt 1935, 108 u. 110. 10 | Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines erfolgreichen Konzepts, Frankfurt a.M. u.a. 1993. 11 | Vgl. Reinhold Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg, Wien 1991; Victoria De Grazia, Irresistible Empire: America’s Advance through Twentieth-Century Europe, Cambridge, Mass./London 2005.

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folgsstory eines Kleinstaats interpretieren, der durch den Staatsvertrag 1955 seine Souveränität wiedererlangt hatte. Als Nation schien Österreich ein umso attraktiveres Angebot, als der Nationalsozialismus den Anspruch auf Teilhabe an der deutschen Nation diskreditiert hatte.12

S TE YR 50 – DER TR AUM VON TAUSENDEN »Das Automobil, welches beständig auf den öffentlichen Straßen verkehrt, [bildet] eine permanente Propagandaquelle für die Erzeugerfirma«, konstatierte der Bundeskommissär für Propaganda 1934 in der Zeitschrift des Hauptverbands der Industrie Österreichs. Indes waren es die falschen Firmen, nämlich ausländische, die sich über Werbeeffekte freuen durften. Beklagt wurde »die relativ übermäßige Einfuhr von Automobilen«. Vor diesem Hintergrund wurde die Anschaffung eines österreichischen Kraftwagens als Ausübung »patriotischer Pflicht« gepriesen.13 Es ging also um den Schutz der heimischen Industrie. Das beständig auf den Straßen verkehrende Automobil war aber außerdem von Regierungen als permanente Propagandaquelle für die Nation entdeckt worden, markant im benachbarten Italien und Deutschland, beide für das ebenfalls diktatorische Regime in Österreich höchst relevant. Erfolg hatte auf dem Gebiet der Motorisierung zwei Kriterien: Erstens musste der Bestand an privaten Automobilen drastisch zunehmen. Auf dem Spiel stand, so betonten die Motorzeitschriften unaufhörlich, ein Platz unter den Kulturnationen. Diese Vorstellung war nicht von ihren exotistischen und rassistischen Implikationen abzulösen. Für das Wiener Auto-Magazin folgte aus Österreichs geringem Automobilisierungsgrad, dass Länder, die »als die romantischen und unzivilisierten Jagdgründe der Araber, Indianer und Hottentotten, als Domänen der Giftschlangen und Urwaldaffen, Kamele und Hyänen erscheinen und herablassend belächelt

12 | Vgl. Oliver Rathkolb, Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2005, Wien 2005, 19-59; Bruckmüller, Nation Österreich; Ruth Wodak u.a., Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität, Frankfurt a.M. 1998; Max Haller, Hg., Identität und Nationalstolz der Österreicher, Wien 1996. 13 | Die Industrie, 1934/9, 10.

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werden, unsere Nachbarländer in puncto Kulturstand darstellen.«14 Dafür, die Automobilisierung durch eigene Fabrikate zu realisieren – und hier sind wir beim zweiten Erfolgskriterium angelangt –, sprach ein protektionistisches Handelsklima, aber ebenso der Wunsch nach Darstellung der Nation: jedes Auto als ein Denkmal derselben; denn dass Autos den Charakter von Herstellernationen verkörpern, schien den Fachzeitschriften als Speerspitze einer wachsenden automobilinteressierten Öffentlichkeit selbstverständlich.15 Das Artefakt, das beide Nationalisierungsstränge zusammenführte, war der Volkswagen. Die Rede von einem Volksauto lässt sich im deutschsprachigen Raum bis in die 1910er Jahre zurückverfolgen und avancierte ab den 1920er Jahren zu einer gängigen Wunschvorstellung.16 Anfang der 1930er Jahre gab es in Österreich freilich nur rund 18.000 Personenkraftwagen, der Besitz eines privaten Autos war nach wie vor Ausweis der Zugehörigkeit zur Oberschicht.17 Wenn es um einen österreichischen Beitrag zum Paradigma des Volkswagens ging, so war dieser am ehesten aus der oberösterreichischen Provinzstadt Steyr zu erwarten. Hier befanden sich die Betriebsstätten eines Unternehmens, das bis 1923 als Österreichische Waffenfabriksgesellschaft firmiert hatte. Wie der Name anzeigt, war die Gesellschaft vorwiegend im Rüstungsgeschäft tätig gewesen, bis sie sich nach dem Ersten Weltkrieg ein neues Tätigkeitsfeld erschließen musste. PKWs avancierten nun zum wichtigsten Erzeugnis des Unternehmens, das 1934 mit Austro-Daimler fusionierte, seinerseits zuvor mit den Grazer PuchWerken vereinigt. Damit entstand der Steyr-Daimler-Puch Konzern, der weitaus größte Fahrzeughersteller Österreichs. Der Betrieb in Steyr war 1926 mit einer Fließfertigung ausgestattet worden. Das damit geschaffene Potential konnte jedoch nie ausgeschöpft werden. Für den Absatz großer 14 | Carl Stephenson, Österreich – zwischen Chile und Marokko, in: Auto-Magazin 1935/1, 2-5, hier 2. 15 | Vgl. Koshar, Cars and Nations. 16 | Vgl. Möser, Geschichte des Autos, 208-220; Hans-Ulrich von Mende/Matthias Dietz, Kleinwagen, Köln 1994; Wolfgang König, Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. »Volksprodukte« im Dritten Reich. Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft, Paderborn u.a. 2004, 155. 17 | Georg Schmid/Hans Lindenbaum/Peter Staudacher, Bewegung und Beharrung. Transport und Transportsysteme in Österreich 1918-1938: Eisenbahn, Automobil, Tramway, Wien u.a. 1994, 198-200.

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Serien fehlte ein aufnahmefähiger Binnenmarkt. Die Weltwirtschaftskrise erleichterte die Lage nicht.18 1931 stand einer Kapazität von 10.000 Wagen ein Output von 2.700 Stück gegenüber. Bis 1933 sank die Produktion auf 714 (!) Autos, und 1934 lag sie bei 1.600 Wagen. Diese auch zu verkaufen war schwierig. In Österreich wurden 1934 überhaupt nur 1.700 PKW neu zugelassen; davon waren aber 700 aus dem Ausland eingeführt worden.19 Für Steyr-Daimler-Puch musste sich also etwas ändern, und die Regierung hatte gute Gründe am Schicksal des Konzerns Anteil zu nehmen. Neben Alpine und Semperit war es das größte Industrieunternehmen und somit ein wichtiger Arbeitgeber. Der Haupteigentümer Creditanstalt befand sich zudem seit seinem Beinahe-Zusammenbruch 1931 unter staatlicher Kontrolle. Folglich musste ein Automobilisierungsschub so angelegt werden, dass Steyr-Daimler-Puch daraus Nutzen zog. Unumstritten war das nicht. Anfang 1935 agitierten die Autoimporteure heftig gegen die österreichische Fahrzeugindustrie. Sie kritisierten die hohen Zölle und knappen Einfuhrkontingente als Hemmschuh der Automobilisierung. Aber auch abseits dieser Kampagne wurde über die Sinnhaftigkeit einer österreichischen Auto- und vor allem PKW-Produktion diskutiert. Der Österreichische Volkswirt, das renommierteste Wirtschaftsblatt des Landes, wies darauf hin, dass man sich ohne Kraftwagenindustrie seit 1918 über 100 Millionen Schilling an Bank- und Staatsmitteln erspart hätte.20 Das bereits investierte Kapital war allerdings zugleich ein starkes Argument, an der Industrie festzuhalten und die ›amerikanischen‹ Produktionsanlagen von Steyr auszunützen, da sie nun einmal vorhanden waren. Die Motorisierung war in den 1930er Jahren europaweit ein Feld für Politik und ein Thema für Propaganda.21 Eine einschlägige Anstrengung wurde aber zusätzlich durch die Konkurrenzsituation mit dem nationalsozialistischen Deutschland nahegelegt. Die christlichsozial geführte Re18 | Jens-Wilhelm Wessels, Economic Policy and Microeconomic Performance in Inter-War Europe. The Case of Austria, 1918-1938 (= Beiträge zur Unternehmensgeschichte 25), Stuttgart 2007, 344-349. 19 | Creditanstalt Beteiligungsarchiv, Steyr-Daimler-Puch 35/03, Report on Steyr, 1931; Karl-Heinz Rauscher/Franz Knogler, Das Steyr-Baby und seine Verwandten. PKW aus Steyr, Gnas 2002, 232f.; Georg Rigele, Die Wiener Höhenstraße. Autos, Landschaft und Politik in den dreißiger Jahren, Wien 1993, 56. 20 | Der österreichische Volkswirt, 1935/20, 375. 21 | Vgl. Möser, Geschichte, 210f.

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gierung etablierte unter Kanzler Engelbert Dollfuß seit 1932 schrittweise ein diktatorisches Regime. Unter dem Eindruck des auch in Österreich aufstrebenden Nationalsozialismus setzte man darauf diesen zu »überhitlern«. Man wollte eine dem überwiegend katholischen Land angepasste Version eines autoritären Staats kreieren. Angestrebt wurde eine faschistische Transformation der Gesellschaft und/oder eine ständische Ordnung. Die von der Wirtschaftskrise gebeutelte Bevölkerung sollte davon überzeugt werden, dass sie in Österreich das bessere Deutschland erlebte.22 Der Vergleich mit dem faschistischen Nachbarn drängte sich bei der Automobilisierung auf, weil sie ein zentrales Element der vom NS-Regime propagierten Vision einer Volksgemeinschaft des gehobenen Konsums bildete. Im Februar 1933 war Hitler das erste Mal als Reichskanzler auf der Berliner Automobilausstellung aufgetreten und hatte große Motorisierungserwartungen geweckt. Schon im April desselben Jahres wurde die Kraftfahrzeugsteuer für Neuwagen abgeschafft. Versicherungspflicht bestand in Deutschland, anders als in Österreich, von vornherein nicht. In den Straßenbau, besonders in die propagandistisch so wertvollen Autobahnen, wurde in großem Stil investiert. Die Lancierung eines Volkswagens sollte das Glück vervollkommnen.23 Die Regierung Schuschnigg schaffte 1935 ebenfalls die Kraftfahrzeugsteuer ab. Die Versicherungen ermäßigten ihre Prämien, und am 3. August des Jahres wurde die Großglockner Hochalpenstraße eröffnet, das Juwel des vom Regime betriebenen Straßenbauprogramms.24 Wie auch in Deutschland fehlte nun noch ein Volkswagen. Ab Frühjahr 1935 lief die Entwicklung des Steyr Typ 50. Als Ziele des Kleinwagenprojekts wurden formuliert: »die Schaffung zusätzlicher, bedeutender Arbeitsmöglichkeiten« und eine »weitgehende Automobilisierung Österreichs durch Heranziehung jener Kreise, die aus Gründen der hohen Anschaffungspreise

22 | Vgl. Tálos/Neugebauer, Austrofaschismus; Michael Achenbach/Karin Moser, Hg., Österreich in Bild und Ton. Die Filmwochenschau des austrofaschistischen Ständestaates, Wien 2002. 23 | Möser, Geschichte, 172; König, Volkswagen; Knut Hickethier/Wolf Dieter Lützen/Karin Reiss, Hg., Das deutsche Auto. Volkswagenwerbung und Volkskultur, Gießen 1974. 24 | Hans Seper/Martin Pfundner/Hans Peter Lenz, Österreichische Automobilgeschichte, Klosterneuburg 1999, 267f.

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und der hohen Erhaltungskosten sich bisher kein Automobil leisten konnten«.25 Als Preis des deutschen Volkswagens stand eine Obergrenze von 1.000 Reichsmark im Raum. Ein solch günstiger Preis galt der Autoindustrie als nicht erreichbar – und wurde auch nicht erreicht, denn in der NS-Zeit gingen die Volkswagen ja nicht an zivile Nutzer. Am nächsten kam noch Opel, der größte deutsche Autohersteller, der 1936 sein Modell P4 um nur mehr 1.450 Reichsmark verkaufte. Die Preisvorstellungen, die das NS-Regime für den Volkswagen hegte, führten dazu, dass es der Autoindustrie die Realisierung des Vorhabens entzog.26 In Österreich zielte man höher, doch auch hier versuchte die Regierung bzw. der für den Verkehr zuständige Ressortminister den Preis bis unter die Grenze des betriebswirtschaftlich Machbaren zu drücken. Steyr kalkulierte für seine Type 50 zunächst mit einem Verkaufspreis von 5.000 Schilling, Handelsminister Friedrich Stockinger wünschte 4.000 Schilling. Im März 1936, als der Wagen schließlich der österreichischen Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hätte das rund 1.850 Reichsmark entsprochen.27 Um den Preis zu ermöglichen, zeigte sich Stockinger bereit, alle Hebel zu Gunsten von Steyr-Daimler-Puch und dessen projektierten Kleinwagen in Bewegung zu setzen. Erreicht wurde u.a., dass der Alpine Konzern Roheisen zu günstigeren Konditionen lieferte.28 Neben der Verbilligung der Produktion sollte der Absatz des Steyr 50 unterstützt werden. Die Autokreditstelle des Gewerbeförderungsinstitutes der Stadt Wien gewährte beim Ankauf eines Neuwagens eine Reduktion der Kreditgebühren um 35 Prozent;29 und den Versicherungsgesellschaften ebenso wie den Wiener Garagierungsbetrieben wurden tarifliche Konzessionen abgerungen.30 25 | Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundesministerium für Handel und Verkehr (BMHV), Industriesektion, Sig. 581, 92.239/1936, Notiz betreffend Verbilligungsmaßnahmen …, 17.9.1935. 26 | König, Volkswagen, 153, 160f. 27 | Eigene Berechnung auf Basis des Desivenkurses laut Jürgen Schneider/Oskar Schwarzer/Markus A. Denzel, Hg., Währungen der Welt 2. Europäische und nordamerikanische Devisenkurse, 1914-1951, Stuttgart 1997, 286. 28 | ÖStA, AdR, BMHV, Industriesektion, Sig. 581, 92.239/1936. 29 | Neue Freie Presse (NFP) vom 7. März 1936, 4. 30 | ÖStA, AdR, BMHV, Industriesektion, Sig. 591h, 122.974/1936; Sig. 581, 92.239/1936.

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Der von Stockinger geforderte Verkaufspreis des Steyr 50 hätte jedoch Produktion und Absatz in einem Umfang vorausgesetzt, den die Unternehmensleitung für nicht erreichbar hielt. Aus ihrer Sicht stand selbst bei einem Preis von 4.000 Schilling nicht zu erwarten, dass sich am Binnenmarkt mehr als 3.000 Wagen pro Jahr würden verkaufen lassen.31 Man wollte den Wagen daher um netto 4.270 Schilling anbieten; inklusive Warenumsatz- und Krisensteuer sollte das Auto 4.500 Schilling kosten. Minister Stockinger reagierte »mit größtem Befremden«. Verärgert schlug er im Februar 1936 die Einladung zur Besichtigung des Werks in Steyr aus und verlangte eine Erklärung.32 Diese erhielt er umgehend, und Steyr setzte sich durch. Bei der Präsentation des Wagens im Rahmen der Wiener Messe sprach der Generaldirektor von Steyr-Daimler-Puch von den 4.500 Schilling als »Selbstkostenpreis«.33 Wie »volkstümlich« aber war ein solcher Preis? Bei Steyr ging man davon aus, dass erst ein monatliches Einkommen ab 1.000 Schilling zum Kauf und Betrieb des Steyr 50 befähigen würde.34 Das entsprach ungefähr jener Gruppe von rund 24.000 Personen, die laut amtlicher Statistik 1934 über ein Jahreseinkommen von mindestens 10.200 Schilling verfügten.35 Gemessen an 1,6 Millionen Einkommensteuerpflichtigen und über 3 Millionen Berufstätigen war das eine überschaubare Zahl.36 Ein Inserat zum Markteintritt des Steyr 50 kommunizierte denn auch, wie sehr das »Volksauto« ein Minderheitenprogramm war: »Der Traum Tausender ist Wirklichkeit geworden.« Instruktiv ist außerdem der Vergleich mit den Verhältnissen nach 1945: Für 1937 lässt sich bei Facharbeitern in der metallverarbeitenden Industrie bei Akkordlohn ein durchschnittlicher Jahresverdienst von 3.744 31 | CA, Steyr-Daimler-Puch 35/10, Sitzungsprotokoll des Exekutivkomitees, 5.8.1935. 32 | ÖStA, AdR, BMHV, Industriesektion, Sig. 581, 92.239/1936, Entwurf eines Schreibens von Stockinger an Steyr-Daimler-Puch AG, nicht datiert [Februar 1936], Steyr-Daimler-Puch AG an Minister Stockinger, Wien 25.2.1936. 33 | Allgemeine Automobil-Zeitung (AAZ), Wien, 1936/3, 7. 34 | CA, Steyr-Daimler-Puch 35/06, Verkaufsvorbereitungen für den Kleinwagen Steyr Typ 50, 12. 35 | Bundesamt für Statistik, Hg., Statistische Nachrichten 15 (1937), 38. 36 | Emanuel Januschka, Die soziale Schichtung der Bevölkerung Österreichs, Wien/Leipzig 1938, 16.

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Schilling errechnen. Das sind 83 Prozent des Preises für einen Steyr 50. 1957 verdienten qualifizierte Facharbeiter in derselben Branche im Akkord rund 26.400 Schilling pro Jahr.37 Das entsprach 111 Prozent der Anschaffungskosten des Nachkriegspendants zum Steyr 50, des Steyr-Puch 500, der um 23.800 Schilling zu haben war. Solche Zahlenspiele liefern nur grobe Anhaltspunkte, verweisen aber auf die allmähliche Erweiterung der Konsum-Spielräume in den 1950er Jahren wie auf ihre engeren Grenzen in den 1930ern. Als Voraussetzungen für eine Amortisierung seiner Investitionen in das »Baby« gab Steyr-Daimler-Puch 1935 die Erzeugung von mindestens 10.000 PKW an und einen jährlichen Absatz in Österreich von 3.000 PKW zusätzlich zum bisherigen Verkauf.38 Das letztere Ziel verfehlte man, obschon 1936 und 1937 immerhin 2.500 bzw. 1.800 Steyr 50 in Österreich neu zugelassen wurden.39 Insgesamt wurden bis zur Einstellung der Produktion 1940 ca. 13.000 Stück des Modells Steyr 50 bzw. des mit einem stärkeren Motor ausgestatteten Steyr 55 gebaut.40 Die ansehnliche Zahl relativiert sich allerdings, wenn man sie an den Möglichkeiten großer Industrieländer misst: Vom Opel P4 wurden 1935 bis 1937 fast 67.000 Stück hergestellt. Erhellend ist auch der Vergleich mit den Nachkriegsverhältnissen, als sich tatsächlich eine breite Automobilisierung vollzog: Vom Steyr-Puch 500 wurden in den ersten zweieinhalb Jahren von Herbst 1957 bis Ende 1959 17.300 Stück produziert.41 Damit wurde der beim Steyr 50 erreichte Ausstoß deutlich übertroffen und doch war Steyr-Daimler-Puch in den 1950er Jahren noch weiter entfernt von den Volumina, die große Erzeuger vorgaben. Volkswagen überschritt bereits 1952 die Marke von 100.000 ›Käfer‹ pro Jahr.42 »Für Massenabsatz, auch von Kleinwagen, ist die österreichische Bevölkerung viel zu wenig kaufkräftig«, urteilte der Österreichische Volkswirt 37 | Stundenlohn*48 Wochenstunden*52 Wochen; Stundenlöhne nach: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 1960, Wien 1961, 242. 38 | ÖStA, AdR, BMHV, Industriesektion, Sig. 581, 92.239/1936, Notiz betreffend Verbilligungsmaßnahmen …, 17.9.1935. 39 | Statistik der Kraftfahrzeuge 1936 u. 1937. 40 | Rauscher/Knogler, Steyr-Baby, 233. 41 | Friedrich Ehn, Puch-Automobile, Graz 1991, 194. 42 | Heidrun Edelmann, Heinz Nordhoff und Volkswagen. Ein deutscher Unternehmer im amerikanischen Jahrhundert, Göttingen 2003, 134.

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1935.43 In der Tat stand der von Minister Stockinger gegenüber Steyr ausgedrückte Wunsch nach einer »wirklichen Popularisierung des Kleinwagens in Österreich«44 in einem unverkennbaren Gegensatz zu den ökonomischen Realitäten im Land, zumal der Konsumgüterverbrauch 1934 bei 77 Prozent des Vorkrisenniveaus von 1929 lag.45 Im Negieren der fehlenden Massenkaufkraft unterschied sich die Forderung nach einem österreichischen Volksauto allerdings nur graduell von der nationalsozialistischen Automobilisierungshoffnung. Während aber das NS-Regime eine expansive Budgetpolitik betrieb, visierte das Dollfuß-Schuschnigg-Regime ein ausgeglichenes Budget und Währungsstabilität an; und während das NSRegime, um seine Herrschaft zu stabilisieren, im Rahmen seines ersten Vierjahresplans auch das Ziel einer Hebung des Konsums verfolgte,46 übte der Austrofaschismus Druck auf die Löhne aus und nahm eine erhebliche Kontraktion des Verbrauchs hin. Die Konsumgüterumsätze, insbesondere jene der dauerhaften Güter, hatten sich selbst 1937 noch nicht von der Weltwirtschaftskrise erholt.47 Ein Volkswagen war somit ein isoliertes Stück Konsumpolitik und als solches auch nicht Chefsache. In Deutschland identifizierte sich Hitler in für die Bevölkerung sichtbarer Weise mit dem Projekt – propagandistisch angesichts der sich dahinschleppenden Realisierung durchaus ein Problem. Der Steyr 50 wurde hingegen nicht als Verwirklichung einer Vision des Kanzlers inszeniert. Bei der Pressevorführung im Rahmen der Wiener Messe wurde nicht Schuschnigg, sondern »das fördernde Interesse des

43 | Der österreichische Volkswirt, 1935/20, 375-376. 44 | ÖStA, AdR, BMHV, Industriesektion, Sig. 581, 92.239/1936, Entwurf eines Schreibens von Stockinger an Steyr-Daimler-Puch AG, nicht datiert [Februar 1936]. 45 | Monatsberichte des Österreichischen Instituts für Konjunkturforschung, 1937/6, 137. 46 | Hartmut Berghoff, Träume und Alpträume. Konsumpolitik im Nationalsozialistischen Deutschland, in: Heinz-Gerhard Haupt/Claudius Torp, Hg., Die Konsumgesellschaft in Deutschland, 1890-1990. Ein Handbuch, Frankfurt a.M./New York 2009, 268-288, 272. 47 | Vgl. Siegfried Mattl, Die Finanzdiktatur, in: Tálos/Neugebauer, Austrofaschismus, 202-221; Gerhard Senft, Im Vorfeld der Katastrophe. Die Wirtschaftspolitik des Ständestaates. Österreich 1934-1938, Wien 2002.

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Handelsministers Stockinger« hervorgehoben.48 Auch das Andenken an den von den Nationalsozialisten ermordeten Kanzler Dollfuß wurde nicht als eine zentrale Botschaft beschworen, anders als bei der 1934 und 1935 in Etappen eröffneten Großglockner Hochalpenstraße.49 Im März 1936 hatte der Steyr 50 bei der Wiener Messe seinen ersten offiziellen Auftritt in Österreich. Dem war aber bereits eine andere hochrangige Präsentation vorausgegangen: im Februar bei der Automobilausstellung in Berlin. Franz Gerstner, Verkaufsdirektor der Steyr-Daimler-Puch, berichtete dem Handelsminister befriedigt: »Die Sensation der Ausstellung war der Steyr Typ 50«. Hitler habe dieses Jahr auch den Stand der Firma besucht und sich hauptsächlich für den Steyr Typ 50 interessiert, »wahrscheinlich in Verbindung mit den Bestrebungen hinsichtlich des deutschen Volkswagens«. Zudem sei Porsche mehrmals da gewesen, ebenso General-Motors-Leute.50 Unverfänglichere Quellen dokumentieren ebenso, dass der Steyr 50 erhebliches Aufsehen erregte. Von einem »erschreckenden Getümmel« beim Stand von Steyr schrieb die Berliner Allgemeine Automobilzeitung. Wie andere deutsche Motorzeitschriften auch beurteilte sie den Steyr 50 als sehr gelungen. Sein einziger Nachteil sei der wegen des Zolls hohe Preis von 2.950 Reichsmark.51 Ford Köln begann Gespräche mit Steyr über eine Lizenzproduktion des Wagens. Die Rede war von 20-25.000 Stück pro Jahr. Freilich entschied die Konzernzentrale in den USA bald gegen das Projekt.52 Viel Beifall erregte die selbsttragende Ganzstahlkarosserie des Kleinwagens, weil sie in ihrer Form die Idee der Stromlinie umsetzte, damals der letzte Schrei des Autodesigns und mehr symbolisierte Geschwindigkeit als funktionale Notwendigkeit.53 Die Silhouette, die sich aus der stark abgerundeten Frontpartie und dem Fließheck ergab, bot – so wie später beim ›Käfer‹ – Ansatzpunkte für Konnotationen des Niedlichen, Kindlichen, 48 | AAZ, Wien, 1936/3, 7. 49 | Georg Rigele, Die Großglockner-Hochalpenstraße. Zur Geschichte eines österreichischen Monuments, Wien 1998, 185-196. 50 | ÖStA, AdR, BMHV, Industriesektion, Sig. 581, 92.239/1936, von »sichtlichem Interesse« Hitlers schreibt auch die AAZ, Wien, 1936/3, 6. 51 | AAZ, Berlin, 1936/8, 24. 52 | CA, Steyr-Daimler-Puch AG, 35/10, Sitzungsprotokolle des Exekutivkomitees, 20.9.1936, 19.10.1936. 53 | Joachim Petsch, Geschichte des Auto-Design, Köln 1982, 110.

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Weiblichen. Davon zeugt der dem Kleinwagen vom Publikum verpasste Kosename »Steyr Baby«; kolportiert wurde eine besondere Popularität des Wagens bei Frauen. In konstruktiver Hinsicht unterschied sich der Steyr 50 hingegen deutlich vom ›Käfer‹ und vielen Kleinwagen der Nachkriegszeit. Der Steyr 50 war mit einem wassergekühlten Frontmotor und Hinterradantrieb ausgestattet, damals die Standardlösung.54 Demgegenüber wies der Volkswagen einen luftgekühlten Heckmotor auf. Die meisten Kleinautos, die in den 1950er Jahren auf den Markt kamen, so auch der Fiat 500 und der Steyr-Puch 500, taten es dem ›Käfer‹ gleich. Mit Luftkühlung, die in den 1930er Jahren als vielversprechende Technologie galt,55 hatte Steyr für das Modell 50 experimentiert, war aber davon abgekommen. Der Steyr 50 ließ sich in Deutschland wie Österreich nicht rezipieren, ohne den Bezug zum Phantom eines deutschen Volkswagens herzustellen. Das machte seinen besonderen Wert als ein Objekt österreichischen Stolzes aus. Die offiziöse Wiener Zeitung verkündete, dass der Steyr 50 in Deutschland als »das österreichische Wunder« gehandelt werde: »Österreichische Konstrukteure haben dieses Fahrzeug erdacht, österreichische Arbeiter geschaffen und österreichischer Geschmack hat ihm Form und Ausstattung gegeben, kein Wunder, wenn am Kaiserdamm in Berlin […] Österreich und sein erster Kleinwagen in aller Munde ist.«56 Die Zeitung formulierte ein Identifikationsangebot an ihre Leser. Es beinhaltete den Stolz auf eine in Deutschland anerkannte Produktionsleistung und das Versprechen einer Konsumerfahrung, in der sich heimischer »Geschmack« manifestierte. In diesem Ausdruck verschmolzen die Behauptung einer österreichischen Besonderheit und ihrer Vorzüglichkeit. Die gehobenen »Ansprüche des Österreichers« waren es auch, die Franz Gerstner in einem der Steyr-Daimler-Puch AG nahestehenden Blatt, dem Auto-Magazin, anführte, als er im Mai 1935 erklärte, warum man nicht schon längst einen Kleinwagen auf den Markt gebracht hatte. Diese Ansprüche resultierten, so Gerstner, »teils aus unserer Terrainbeschaffenheit, teils aus dem Luxus- und Schönheits-Bedürfnis«.57 Wenn man den heimischen Konsumenten einen gehobenen Geschmack unterstellte, so war diese Zuschreibung national und regional codiert, als Spezifikum des 54 | Möser, Geschichte, 222. 55 | Ebd., 213. 56 | Wiener Zeitung vom 28. Februar 1936, 11. 57 | Auto-Magazin 1935/2, 2.

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österreichischen Menschen, vor allem aber des Wieners als Bewohner der ehemaligen kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt, wo mit Abstand die meisten Autobesitzer des Landes zu Hause waren. Die Zuschreibung implizierte eine soziale Hierarchie, indem sie an die Vergangenheit und Gegenwart des PKW als Konsumgut der Oberschicht anschloss, um daraus ästhetische Vorgaben abzuleiten. Diese ließen es wiederum geraten scheinen, das Produkt nicht uneingeschränkt mit der Idee eines Volkswagens zu identifizieren: »Ein solches Klein-Automobil ist natürlich mehr als man gemeinhin unter dem Begriff ›Volkswagen‹ verstehen kann.«58 Mit dem Wort »Volkswagen« sei »ein gewisses Odium« verbunden, wusste auch die Österreichische Touring-Zeitung, beruhigte aber ihre Leser: Der Steyr 50 sei »ein vollgültiger Wagen mit allen Kennzeichen eines solchen« und lasse »keinerlei ästhetische Bedenken« zu.59 Der Steyr 50 wurde zur Inkarnation des kulturell hochstehenden österreichischen Menschen aufgeblasen. Diese Inszenierung ließ sich aber ebenso als Vorwurf ausbuchstabieren: »Unser 50er hat ein Pech, das er mit anderen Talenten teilt: er wurde als Österreicher geboren. Wäre er das nicht, so kann man es als sicher annehmen, daß er allgemeine Begeisterung erregen würde. Auch in Österreich. Und vielleicht gerade hier besonders.«60 Der Verdacht, ein Gemisch aus mangelndem Selbstbewusstsein und Snobismus würde sich in einer Vorliebe für ausländische Ware niederschlagen, war oft zu hören. Er gehörte zu den Grundannahmen des Diskurses über Notwendigkeit und Grenzen patriotischen Konsums im zum Kleinstaat geschrumpften Österreich. Der bereits angesprochene Bezug zur »Terrainbeschaffenheit« war ein weiteres Element der Austrifizierung von Automobilen und insbesondere des Steyr 50. Autos in als typisch geltenden Landschaften zu präsentieren ist die gängigste Strategie ihrer diskursiven Nationalisierung. Umgekehrt tragen sich Autos als Vehikel an, das Territorium der Nation zu »erfahren« und damit die Einschreibung der Nation in den erlebten Alltag voranzutreiben.61 Die Forderung der Bergtauglichkeit war das wichtigste Element einer österreichpatriotischen Fetischisierung des Automobils, die Großglockner Hochalpenstraße wiederum der Ort mit dem größten Potential 58 | Ebd. 59 | Österreichische Touring Zeitung, 1935/11, 11. 60 | 50er Korrespondenz. Beilage zum Auto-Magazin, 1937/12. 61 | Vgl. Tim Edensor, National Identity, 127.

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zur nationalen Aufladung. Die Vermarktung des Straßenprojekts und die Bewerbung österreichischer Autos wurden daher verbunden: Der Salzburger Landeshauptmann Franz Rehrl hatte 1934 in einer viel beachteten PRAktion mit einem Steyr 100, dem damals neuesten Modell der Firma, die Scheitelstrecke befahren, die noch Baustelle war.62

Abb. 1: Automobilisierte Landschaftserfahrung als Nationalisierung. (Inserat aus: Allgemeine Automobil-Zeitung, Wien, 1936/9).

62 | Vgl. Rigele, Großglockner-Hochalpenstraße, 185-196.

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Der 1936 aus Anlass des Markteintritts fabrizierte Prospekt für den Steyr 50 gab Bildern breiten Raum, die das Auto in der heimischen Gebirgslandschaft zeigten. Unter anderem enthielt er eine Ansicht Heiligenbluts von der Glocknerstraße aus. Das dank der Straße gut zugängliche Heiligenblut brachte es zu einem festen Bestandteil jenes Inventars von Bildern, die bevorzugt zur Repräsentation Österreichs eingesetzt wurden und werden.63 In dem Sujet aus dem Steyr-Prospekt nimmt der von schräg hinten gezeigte Kleinwagen den Vordergrund ein, den exakten Mittelpunkt bildet der spitze Kirchturm von Heiligenblut, den Hintergrund die Bergwelt. Das Sujet führt touristisches Vergnügen vor Augen: Die Fahrerin hat angehalten, lehnt nun am geöffneten Dachfenster, um den Blick auf die Szenerie zu genießen. Die Kirche, gebauter Katholizismus, als Zentrum des Bildes vermittelt symbolisch zwischen der irdischen Sphäre des materiellen Artefakts und den luftigen Höhen. In der Realität des Kraftverkehrs erledigte die Straße diese Aufgabe. Bei seiner Präsentation auf der Wiener Messe wurde der Steyr 50 mit Hilfe von Leuchtbildprojektionen in wechselnde Landschaftssituationen eingebettet. Die Zeitungen gaben sich beeindruckt. Die christlichsoziale Reichspost schrieb: »Die schönen, glänzenden Wagen stehen auf einem großen, hell erleuchteten Parkplatz – der Großglockner-Hochalpenstraße. Im Hintergrund leuchtet aus dem tiefen Blau einer sternenklaren Nacht der Großglockner. Plötzlich ist das Bild des Großglockners verschwunden und wir haben die Aussicht von der Höhenstraße auf Wien eines farbenprächtigen Herbstabends.«64 Unverkennbar ist das Bemühen, den Steyr 50 in ein Gefüge von Österreich-Symbolen zu integrieren. Die Reichspost verabsäumte es nicht zu erwähnen, dass man mit der Inszenierung des Autos den Ausstattungschef des Burgtheaters, Professor Remigius Geyling, betraut hatte. Das technische Artefakt wurde in die Sphäre der österreichischen Hochkultur eingeführt. Diese bildete Teil jener angeblichen Überlegenheit, die Österreich als den besseren deutschen Staat auszeichnen sollte. Eine (verkehrs)politische Subscriptio für die sich aus dem Steyr 50 im Verein mit Wien und Alpenlandschaft konstituieren63 | Vgl. Wolfgang Kos, Imagereservoir Landschaft. Landschaftsmoden und ideologische Gemütslagen seit 1945, in: Reinhard Sieder/Heinz Steinert/Emmerich Tálos, Österreich 1945-1995. Gesellschaft-Politik-Kultur, Wien 1995, 599624, hier 601. 64 | Reichspost vom 8. März 1936, 42.

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de pictura lieferte die Neue Freie Presse: »Damit sind gleichzeitig Marksteine der jüngsten Entwicklung des Automobilverkehres und seiner Förderung durch die Regierung versinnbildlicht.«65 Die Marksteine versinnbildlichen aber auch die Hoffnung, die Spannung zwischen Wien und der Provinz zu bewältigen – in einer Harmonie aus großstädtischer Hochkultur und alpiner Landschaft. Das dem Publikum vorgestellte Auto sollte die Verbindung zwischen diesen Symbolbereichen und Landesteilen herstellen. Einen Anspruch auf technische Modernität in einen Kontext einzubetten, der Kultur und Landschaft als Vorzüge der österreichischen Nation propagierte, lag auch dem Konzept der Weltausstellungspavillons von 1935 und 1937 zu Grunde. In letzterem Fall war ein Modell des Steyr 50 im »Raum der Technik« zu sehen, dessen Rückwand ein riesiges Panorama der Großglockner Hochalpenstraße und anderer Hochgebirgsstraßen zierte.66 Im Frühjahr 1936 erreichte die Euphorie der automobilinteressierten medialen Öffentlichkeit einen Höhepunkt. Die Touring-Zeitung begeisterte sich über »die große Wende im österreichischen Kraftfahrwesen«, die man »im Gefolge des völligen Durchgreifens der autoritären Führung« beobachten könne.67 Mit dem Steyr 50 meinte man, dem ob seines Motorisierungswillens bewunderten Deutschland sogar etwas voraus zu haben. Die Freude währte einen Moment, dann kehrten die Automobillobbys in den Modus der Unzufriedenheit zurück. Neuerlich wurde Deutschland als uneinholbares Vorbild bestaunt. Die Automobilisierung gewann in den Jahren des Schuschnigg-Regimes zwar etwas an Schwung; bemerkenswert genug angesichts eines ansonsten stagnierenden Konsums. Man kann darin die »antizyklische Konjunktur« eines Teilbereichs, eine Verzerrung zugunsten bürgerlicher Gruppen erblicken.68 Die Entwicklung in Deutschland gestaltete sich dennoch eindrucksvoller: In Österreich stieg 65 | NFP vom 8. März 1936, 21; vgl. Rigele, Wiener Höhenstraße. 66 | Vgl. Ulrike Felber, Technik und Industrie im nationalen Selbstbild. Österreichs Präsenz auf den Weltausstellungen 1851-1992, in: Klaus Plitzner/Ernst Bruckmüller, Hg., Technik, Politik, Identität. Funktionalisierung von Technik für die Ausbildung regionaler, sozialer und nationaler Selbstbilder in Österreich, Wien 1995, 95-110, hier 108. 67 | Österreichische Touring-Zeitung, 1936/3, 5f. 68 | Georg Rigele, Die Automobilisierung im neuen Österreich. Gezeigt am Beispiel der Großglockner Hochalpenstraße 1924-1938, in: Plitzner/Bruckmüller, Technik, Politik, Identität, 137-147, hier 143-145.

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der PKW-Besitz von 1935 bis 1937 um 21 Prozent, im Dritten Reich um 39 Prozent.69 Zudem startete man im Nachbarland von einem höheren Niveau: 1935 kamen auf einen PKW 82 Deutsche, aber 252 Österreicher.70

A UTOMOBILISIERUNG IN DEN 1950 ER J AHREN Mitte des Jahrzehnts rückten Autos, allen voran Kleinwagen, immer mehr in den Fokus der motorisierungswilligen Österreicher. Die Wirtschaft begann stark zu wachsen und als mit Jänner 1954 der österreichische Markt für Importe aus den OEEC-Ländern geöffnet wurde, sanken die Preise erheblich. Mit 1. Oktober traten außerdem Gewichts- an die Stelle von Wertzöllen, was die Zollbelastung von ca. 40 auf 20 Prozent halbierte. Autos wurden neuerlich billiger. Der PKW-Bestand stieg rapide an, 1955 sogar um 56 Prozent. Im Vergleich mit west- und nordwesteuropäischen Ländern blieb Österreich aber lange Zeit ein Nachzügler in Punkto Automobilisierung. Die Aussichten einer PKW-Produktion in Österreich wurden nach 1945 vielfach als gering eingeschätzt.71 Nach wie vor galt, was die Touring-Zeitung 1936 anlässlich der Präsentation des Steyr Typ 50 geschrieben hatte: »Österreich hat nur 6,7 Millionen Einwohner und ist von derartigen Zollmauern umgeben, daß ein nennenswerter Export nicht in Frage kommt.«72 Der Abbau der Handelshemmnisse in Europa dauerte auch nach 1945 seine Zeit und insofern dieser Prozess von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorangetrieben wurde, ließ er Österreich außen vor. Namentlich Italien und Frankreich schützten ihre Autoindustrie durch restriktive Quoten, von denen sie sich selbst nach Abschluss des EWG-Vertrages nur zögerlich verabschiedeten.73 Die Zollsätze waren zudem durchwegs hoch. 1959 lag die Einfuhrbelastung von PKW in der Bundesrepublik, dem Land 69 | Statistik der Kraftfahrzeuge in Österreich, Jahrgänge 1935 u. 1937; Tatsachen und Zahlen aus der Kraftfahrzeug-Industrie 1938, Berlin 1939, 18. 70 | Tatsachen und Zahlen … 1937, Berlin 1938, 38 (PKW inklusive Kraftomnibusse); Statistik der Kraftfahrzeuge in Österreich 1935, 9. 71 | Arbeiter-Zeitung vom 5. Mai 1948, 3; Auto-Touring, 1949/1, 8-9. 72 | Österreichische Touring-Zeitung, 1936/3, 7. 73 | Peter Bäurle, Die Entwicklung der Automobilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945, Stuttgart 1966, 151-153.

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mit dem liberalsten Außenhandelsregime, bei rund 20 Prozent (für Wagen bis 2.000ccm), in Großbritannien bei 50 Prozent und in Frankreich bei 60 Prozent.74 Auch in anderen hochindustrialisierten westeuropäischen Kleinstaaten wie Dänemark, der Schweiz oder Belgien existierte keine unabhängige PKW-Industrie, sondern gab es allenfalls Montagebetriebe.75 Die Forderung nach einer österreichischen PKW-Produktion wurde dennoch schon in der Rationengesellschaft der frühen Nachkriegszeit erhoben. Die Zeitschrift des bürgerlichen Automobilklubs ÖAMTC meinte 1947 zwar: »Vor 1950 ist auch mit der Erzeugung einheimischer Personenautos nicht zu rechnen, da es an den notwendigen Maschinen fehlt und die österreichische PKW-Industrie den Konkurrenzkampf mit dem Auslande anscheinend scheut.« Doch letztlich, so der Autor, müsste es gelingen, PKW herzustellen, die denen des Auslands ebenbürtig wären.76 Steyr hatte sich aber, »eine scheinbare Abkehr von unserer bisherigen Tradition«, gegen eine Wiederaufnahme der PKW-Fertigung entschieden, bis 1938 immerhin die Hauptsparte.77 Die Entscheidung begründete man mit Rohstoffknappheit und der Vordringlichkeit von Investitionsgütern wie Lastkraftwagen und Traktoren. An diesen Parametern änderte sich einige Jahre lang nichts. Auf die Nachfrage nach Personenkraftwagen reagierte das Unternehmen, indem es 1948 eine Montage-Vereinbarung mit Fiat anstrebte. Man bleibe auf diese Weise »mit dem Personenwagengeschäft in Verbindung«78 und behalte die Option einer Rückkehr zur Eigenproduktion im Auge. Die von dem Turiner Konzern gelieferten Aggregate wurden über Gegengeschäfte bezahlt. Unter den Bedingungen von Devisenknappheit und eines noch äußerst restriktiven Außenhandelsregimes schien das eine gute Lösung. Die Liberalisierung des PKW-Imports 1954 änderte dann jedoch die Spielregeln. Schon zuvor hatte Fiat beklagt, man 74 | In Italien waren es 54 Prozent für Wagen bis 1.500ccm und 49 Prozent für Autos von 1.500 bis 4.000ccm. Josef Baierlein, Die Automobilindustrie in der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), staatswiss. Diss. Graz 1959, 98. 75 | Die Ausnahme ist Schweden mit Saab und Volvo. 76 | Auto-Touring, 1947/11, 12, 1-4. 77 | ÖStA, AdR, Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau (BMHW), 70.024/1954, Sig. 409, Exposé über das Assembling-Abkommen Steyr-Fiat, 18.5.1951, 1. 78 | Ebd., Exposé.

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habe Hinterachsen, die Steyr für Fiat Modelle fabriziert hatte, und Rohstoffe zu nicht kompetitiven Preisen abnehmen müssen.79 An der Wende zu den 1950er Jahre besaß das Arrangement mit Steyr für Fiat aber hohe Attraktivität. Ein benachbarter Kleinstaat ohne eigene PKW-Industrie, aber einem Nachfrage-Rückstau war für den Export ein Glücksfall, keine vernachlässigbare Größe. Seit dem frühen 20. Jahrhundert hatte das Unternehmen immer wieder eine Strategie der Expansion auf ausländische Märkte durch lokale Montagewerke und Lizenzvereinbarungen verfolgt.80 Indem der dominante italienische Fahrzeughersteller sich mit seinem österreichischen Pendant, Steyr-Daimler-Puch, einigte, erhielt er einen privilegierten Zugang zu einem andernfalls schwer zu beliefernden Markt. Die assemblierten Wagen wurden unter der Marke Steyr-Fiat vertrieben. Diese Austrifizierung lag in beiderseitigem Interesse. Fiat durfte darauf hoffen, dass sich das Goodwill, das der angesehenen Marke Steyr vom österreichischen Publikum entgegengebracht wurde, auf die Turiner Produkte übertrug und Steyr konnte ohne großes Risiko seine PKW-Tradition pflegen, obwohl die Firma ihren Schwerpunkt längst auf die Nutzfahrzeuge verlagert hatte.81 Der österreichische Staat machte es daher zur Voraussetzung einer Genehmigung des Assemblingvertrags für 1949, dass Italien seinerseits die Einfuhr von Steyr Traktoren bewilligen würde.82 Das Assembling schloss die Verwendung von in Österreich gefertigten Teilen ein. Doch mit den Preisen, die Fiat durch große Serien erzielte, konnte Steyr nicht mithalten. Die Entwicklung ging bald in Richtung

79 | Ebd., Schreiben der Handelsabteilung der italienischen Gesandtschaft Wien an BMHW, 25.9.1951. 80 | Vgl. Francesca Fauri, The Role of Fiat in the Development of the Italian Car Industry in the 1950’s, in: Business History Review 70 (1996), 167-206, hier 171f. 81 | Vgl. Hans Seper, 100 Jahre Steyr-Daimler-Puch A.G. 1864-1964. Der Werdegang eines österreichischen Industrie-Unternehmens, Wien 1964, 68; André Pfoertner, Die Steyr-Daimler-Puch AG (SDPAG). Der Traum vom österreichischen Automobil, in: Emil Brix/Ernst Bruckmüller/Hannes Stekl, Hg., Memoria Austriae, Band 3: Unternehmer, Firmen, Produkte, Wien 2005, 311-351, hier 337f. 82 | ÖStA, AdR, BMHW, 70.024/1954, Sig. 409, Schreiben der Steyr-DaimlerPuch AG an BMHW, 18.8.1950.

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Übernahme von fast verkaufsfertigen Wagen.83 Steyr wandelte sich von einem PKW-Produzenten zum Generalimporteur. Mit Anfang 1952 beendete die Fiat-Verkaufsgesellschaft zu Gunsten von Steyr-Daimler-Puch ihre Tätigkeit in Österreich.84 Für die von Steyr assemblierten Fahrzeugteile galten günstigere Zollsätze als für den Import von fertigen Wagen und somit stellte sich das Assembling vor allem als ein »lukratives Handelsgeschäft« dar, wie eine Firma beklagte, die als Importeur von Lancia mit Steyr-Fiat konkurrierte.85 Der Marktanteil von Steyr-Fiat am Neuwagengeschäft lag 1952 bei 46 Prozent.86 Die Liberalisierung des PKW-Imports bereitete dieser Vormachtstellung jedoch bald ein Ende. Vor allem Wagen deutscher Fabrikation, aber auch die Dauphine von Renault, verkauften sich sehr gut. Zur beherrschenden Größe avancierte Volkswagen. 1955 entfielen 20 Prozent der PKW-Neuzulassungen auf den ›Käfer‹, 1960 sogar 25 Prozent. Auf diesem Niveau blieb der Zuspruch viele Jahre.87

D ER P UCH 500 – SPARSAM UND EIN K LE T TERER Im Assemblingvertrag für die Jahre 1952 bis 1954 hatte sich Steyr-Daimler-Puch ausbedungen, fallweise und mit Zustimmung von Fiat eigene Baugruppen in die Fahrzeuge montieren und sie dann unter der Marke »Steyr« vertreiben zu dürfen. Diese Möglichkeit wurde für die Transformation des Fiat 1400 zu einem Steyr 2000 und seiner Sportvariante 2300 genützt. Die Wagen waren mit von Steyr entwickelten Motoren ausgestattet, in ihrem Äußeren glichen sie aber ganz dem Fiat.88 Die Bedeutung dieser PKW reicht aber nicht über die eines Epilogs der Automobilproduktion in 83 | Vgl. Rauscher/Knogler, Steyr-Baby, 222f. 84 | ÖStA, AdR, BMHW, Sig. 409, 70.024/1954, Erweiterter Assembling-Vertrag 1952-1954. 85 | ÖStA, AdR, BMHW, Sig. 409, 70.024/1954, Schreiben Rudolf Smoliner an BMHW, 19.3.1951. 86 | Wilhelm Hausl, Die Struktur und die Entwicklungstendenzen des österreichischen Marktes für Personenkraftwagen, Hochschule für Welthandel Diss. Wien 1957, 156. 87 | Österreichisches Statistisches Zentralamt, Hg., Kraftfahrzeug-Zulassungsstatistik. Die Neuzulassungen, Wien 1950ff. 88 | Vgl. Rauscher/Knogler, Steyr-Baby, 222.

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Steyr hinaus: 1958, als das Werk die Montage einstellte, wurden 84 Steyr 2000 und 20 Steyr 2300 neu zugelassen. Die Verbindung aus Steyr-Motor und Fiat-Karosserie verweist indes bereits auf jenes Produkt, das als der PKW aus heimischer Produktion galt: der Puch 500. Seine Stilisierung beim Markteintritt wie die spätere retrospektive Auseinandersetzung der stets zahlreichen Autofreunde machten ihn zu einem österreichischen Erinnerungsort.89 Der konstruktiven Nähe der Kleinwagen zum Motorrad war es zu verdanken, dass konzernintern nicht das Werk in Steyr mit seiner PKW-Tradition, sondern die Puch-Fabrik in Graz-Thondorf den Bau eines Kleinwagens übernahm. Puch tat es großen deutschen Motorradherstellern gleich, die vom absehbaren Übergang vieler Zweiradfahrer auf die überdachten und komfortableren vier Räder profitieren wollten. BMW, seines in Eisenach, in der Sowjetzone gelegenen Autowerks verlustig gegangen und von Schwierigkeiten gebeutelt, konnte sich mit der Isetta vor dem Konkurs retten; Zündapp präsentierte 1957 den Janus; NSU folgte 1958 mit dem Prinz. Der im September 1957 vorgestellte Steyr-Puch 500 passte in diese Entwicklung. Er stieß in ein Marktsegment über den Autorollern wie dem MesserschmittKabinenroller oder dem heimischen Felber-Autoroller. Steyr-Daimler-Puch peilte einen Jahresabsatz von 15.000 Stück im Jahr an. Das war auch die Produktionskapazität, die man erreichen wollte.90 Die offizielle und etwas sperrige Bezeichnung des Wagens lautete »Steyr-Puch 500, Modell Fiat«, denn er kombinierte Teile des Turiner Erzeugers mit Eigenentwicklungen. Hinterachse, Bremsen und vor allem der Motor kamen von Puch, Fiat lieferte Vorderachse, Lenkung und besonders die Karosserie. Die Entwicklungskosten von Steyr-Daimler-Puch werden mit 100 Millionen Schilling beziffert, eine Karosseriepresse hätte weitere 50 Millionen gekostet.91 Davor scheute das Unternehmen zurück und entschied sich stattdessen, seinen Prototyp der Fiat-Karosserie einzupassen. Eine Schweizer Zeitung vermutete, es wäre Steyr-Daimler-Puch weniger um die Mehrkosten als um die Fortführung der Zusammenarbeit mit Fiat zu tun gewesen.92 Ein wichtiger Faktor in den Überlegungen muss das jedenfalls gewesen sein. Die Vereinbarung mit dem italieni89 | Vgl. Pfoertner, Steyr-Daimler-Puch AG, 327-332. 90 | Die Presse vom 1. Oktober 1957, 6. 91 | Ehn, Puch-Automobile, 96. 92 | Die Tat vom 18. November 1957.

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schen Partner sah vor, dass dieser auf den Verkauf seines Modells 500 in Österreich verzichtete und Steyr-Daimler-Puch im Gegenzug seine Kleinwagenvariante nicht exportieren durfte. Allerdings wären die großen europäischen Märkte faktisch ohnehin verschlossen gewesen, nur auf dem westdeutschen hätte man es versuchen können. Abgesehen von zahlreichen Kleinstwagen made in Germany wäre man hier auf die bereits etablierten Marken Goggomobil und Lloyd gestoßen, die vergleichbare Wagen anboten; und Fiat bediente mit seinem eigenen 500er ebenfalls den Markt. In Österreich kam der Steyr-Puch 500 zum rechten Zeitpunkt und verkaufte sich gut; wenngleich nicht so gut, wie das Werk gehofft hatte. Als Maßstab der Marktdurchdringung hatte sich auch in Österreich der ›Käfer‹ aus Wolfsburg etabliert. Nach zeitgenössischem Verständnis war er freilich kein Kleinwagen mehr. In seiner eigenen Kategorie, gegenüber Goggomobil, Lloyd u.a., erwies sich der Puch 500 immerhin als überlegener Mitbewerber. 1958 lag der Puch-Kleinwagen in der Zulassungsstatistik mit 7.300 Stück hinter dem Mittelklassewagen Opel Olympia und dem VW-Käfer an dritter Stelle, 1959 und 1960 auf demselben Niveau sogar an zweiter. Doch 1960 gingen die Verkaufszahlen schon wieder leicht zurück; die Kombivariante 700 brachte 1962 in Summe nochmals einen Kleinwagen-Aufschwung für Puch. Bis Mitte des Jahrzehnts sank aber der ausschlaggebende Inlandsabsatz auf rund 2.000 verkaufte Wagen, Tendenz weiterhin stark fallend.93 Kleinstautos mit einem Hubraum bis 500ccm waren nahezu vom Neuwagenmarkt verschwunden. Steyr-Daimler-Puch schob kein größeres Modell nach und so blieb die PKW-Marke Puch eine ephemere Erscheinung. Der Puch 500 aber wurde als »österreichischer Volkswagen«, als das »österreichische Volksauto« begrüßt.94 Diese Etikettierung behauptete gleichermaßen bestimmte Eigenschaften des Artefakts (klein, billig in Anschaffung und Betrieb) wie sie einen Anspruch auf dessen Verwendung stellte: Der Wagen sollte als Instrument nationaler Vergemeinschaftung dienen und war somit eine Aufforderung an das Volk und innerhalb desselben an die Aufsteiger in die (untere) Mittelschicht. Ein Bericht in der 93 | Ehn, Puch-Automobile, 196. 94 | Z. B. von Parteiblättern: Österreichische Neue Tageszeitung vom 6. Oktober 1957 (ÖVP, mit besonderer Nähe zu Bundeskanzler Julius Raab); SPÖ: ArbeiterZeitung vom 1. Oktober 1957; Welt am Montag vom 7. März 1955, 1.

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Zeitschrift des sozialdemokratischen Rad- und Kraftfahrervereins ARBÖ95 ist in dieser Hinsicht besonders deutlich: Man will die Präsentation des Autos in Graz-Thondorf als ein »nahezu nationales Ereignis« ausmessen. Die durch die Gradpartikel »nahezu« vollzogene Relativierung wird die einzige in einem Text bleiben, der zwischen Erlebniserzählung aus der IchPerspektive des Journalisten und technischer Beschreibung changiert.96 Schon nach wenigen Sätzen gelangt er zu einer Forderung ans nationale Kollektiv: »Bei einer Wahl zwischen dem österreichischen Kleinwagen und den ausländischen Produkten werden wir vielleicht doch einmal uns unserer österreichischen Staatsbürgerschaft erinnern müssen.« Nachtrag: »Das ist bei anderen Nationen eine Selbstverständlichkeit.« Aufschlussreich ist auch die vorangegangene Problemstellung: die Bewältigung eines »bitteren Gefühls«, hervorgerufen dadurch, dass »wir Österreicher trotz dieser hervorragenden Leistung [des Puch 500] nicht am Wettbewerb der kleinautobauenden Nationen teilhaben dürfen«. Schuld trägt die Vereinbarung mit Fiat. »Doch Österreich hat sich durchgesetzt und wird sich auch weiterhin durchsetzen.« Österreich, das ist jener Name, der das »Wir« zusammenfasst, aber auch als Akteur auf- und dem Leser entgegentritt: als ein Anderer mit seiner von Recht wegen nicht zu bezweifelnden, da eine »Selbstverständlichkeit« darstellenden Forderung an das patriotische Individuum. Die einschlägige Passage in der ARBÖ-Zeitschrift schließt: »Welch ein Symbol …«, und gibt damit die Anweisung zu einer Rezeption, die über den denotativen Gehalt der Information hinausführt. Hergestellt wird eine Äquivalenz zwischen der »heute von allen Nationen verwendeten Schiffsschraube« und ihrem Schöpfer Josef Ressel einerseits und zwischen dem Puch 500 und seinen Machern, den Leuten von Steyr-Daimler-Puch, andererseits. Ressel gehört zum Pantheon der für Österreich beanspruchten Erfinder, eng verknüpft mit dem larmoyanten Topos des ›österreichischen Erfinderschicksals‹, dem Scheitern an der Ignoranz der eigenen Lands-

95 | Der offizielle Name lautet seit 1962 Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs. Zuvor hieß der Verband seit 1932 Arbeiter-Rad- und Kraftfahrer-Bund Österreichs, www.dasrotewien.at/auto-motor-und-radfahrerbund-oesterreichsarboe.html (20.10.2011). 96 | Gerhard Sedivec, Wir besichtigten den Steyr-Puch-Kleinwagen, in: ARBÖ Rad- und Kraftfahrer Zeitung, 1957/11, 1, 3-4.

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leute und der überlegenen Geschäftstüchtigkeit von Ausländern.97 Die Großartigkeit des Autos wird im gleichen Atemzug wie die Gefahr seiner Missachtung platziert. »Welch ein Symbol …« Die durch die drei Punkte indizierte Leerstelle ist eine verbale, die aber nach Umsetzung in Handlung drängt: Der Puch 500 kann gerettet werden, indem ihn der österreichische Bürger-Konsument kauft. Ganz am Ende des Artikels wird das Thema wieder aufgenommen und nun bleibt die vom Leser zu ziehende Conclusio nicht mehr implizit: »Möge niemand, der sich ein Kleinfahrzeug kaufen will, an dem kleinen Steyr 500 vorbeigehen und sagen: ›Des is ja nur a Österreicher!‹, in dem Ton, als ob das ein Schimpfwort wäre.« Die Anthropomorphisierung des PKW macht ihn zu einem von »uns«, demgegenüber der Kauf als Akt der nationalen Solidarität zur Verpflichtung wird. Damit der Puch 500 jenen Platz einnehmen konnte, der im diskursiven Geflecht des nationalen Automarkts für ihn vorgesehen war, musste die offensichtliche Kontinuität zum Assembling unter dem Label »Steyr Fiat« in den Hintergrund gerückt werden. In der Alltagswahrnehmung ist die Karosserie unweigerlich Synekdoche des Automobils, sie wird bemerkt. Sie nicht als das bemerkenswerteste durchgehen zu lassen, machte sich die Produktkommunikation um den Puch 500 zum Anliegen. Die österreichische Innerlichkeit des relativ starken Motors, des ›Herz‹ jeden Fahrzeugs, wurde der importierten Äußerlichkeit der Karosserie gegenüber gestellt. Das Wesentliche an dem Vehikel war, so der Tenor der Medienberichte, österreichisch. Der Status eines Mischlings bildete das Problem, die Behauptung, man habe es mit einem »fast reinrassigen heimischen Personenwagen«98 zu tun, die Lösung. Der Steyr-Puch 500 wurde als Wiederbelebung einer Tradition begrüßt. Ihr namhaftester Repräsentant, der Steyr 50, wurde demgemäß häufig als Vorfahr in Erinnerung gebracht. Das Kleine Volksblatt hielt die Betriebskosten des Puch 500 für so niedrig, »daß jede Familie mit 300 übrigen Schilling im Monat so ein Steyr-Puch-Baby adoptieren kann. Dafür können 97 | Vgl. Ernst Bruckmüller, Technische Innovationen und österreichische Identität, in: Plitzner/Bruckmüller, Technik, Politik, Identität, 201-213; Hubert Weitensfelder, Heimliche Titanen? Österreichische Erfinder und ihr Nachleben, in: Rupert Pichler, Hg., Innovationsmuster in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, Innsbruck u.a. 2003, 186-201. 98 | Die Presse vom 6. Oktober 1957, 24.

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Vater, Mutter und Kinder für 44 Groschen pro Kilometer in der Gegend herumgondeln.« Elegant verknüpft die Passage das neue Auto von Puch mit dem Vorkriegsprodukt aus Steyr, ohne das Modell 50 explizit zu nennen. Überdies macht die Textstelle aus dem Puch 500 ein Familienmitglied, das jene Zuneigung verdient, die eben den Kleinsten gebührt. Das Auto wird hier zum Element jenes Innersten sozialer Existenz stilisiert, als das bürgerliche Vorstellungen die Familie imaginierten. Umgekehrt hat die Hinzufügung des Autos auch dem Konzept der Familie etwas zu bieten: Die Adoption eines PKW erbringt den Nachweis von Modernisierungsfähigkeit. Die in der Textstelle hergestellten Verbindungen, die weit über die Motor-Seite der Zeitung hinausreichen, partizipieren an dem in den Nachkriegsjahrzehnten virulenten Bemühen, Familie, Nation und Modernisierung zur Deckung zu bringen.99 Und zwar geht es um »Vater, Mutter, Kinder«, die so genannte Kernfamilie. Diese kann und soll durch Konsumgüter wie einen PKW erweitert werden.100 Hingegen rät Das Kleine Volksblatt mit Hinweis auf das beschränkte Platzangebot im Puch 500: »Die Italienreise wird man also ohne Schwiegereltern machen.«101 In seinen Attributen wie seiner Funktion war der Steyr-Puch 500 die österreichische Variante eines europäischen Phänomens: Viele Länder hatten nach 1945 ihren Kleinwagen, der die Massenmotorisierung fördern sollte und als Objekt nationalisierender Zuschreibungen fungierte.102 Vor allem mit der Behauptung von Wirtschaftlichkeit, einer ihrer zentralen Gebrauchswertversprechungen, trugen sich die Kleinwagen in die Gegenüberstellung eines nationalen, zugleich europäischen Konsumstils mit dem American Way of Life ein.103 Dieser wurde gerade durch die flam99 | Vgl. Monika Bernold, Ein paar österreich. Von den »Leitners« zu »Wünsch dir was«. Mediale Bausteine der Zweiten Republik, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 7 (1996), 517-32. 100 | Vgl. Inge Karazman-Morawetz, Arbeit, Konsum, Freizeit. Veränderungen im Verhältnis von Arbeit und Reproduktion, in: Sieder/Steinert/Tálos, Österreich 1945-1995, 409-425, hier 409. 101 | Das kleine Volksblatt vom 6. Oktober 1957, 45. 102 | Tony Judt, Postwar. A History of Europe since 1945, New York u.a. 2005, 340; vgl. auch den Beitrag von Manuel Schramm in diesem Band. 103 | Zu Europäisierung und/oder Amerikanisierung des Konsums vgl. Hartmut Kaelble, Sozialgeschichte Europas. 1945 bis zur Gegenwart, München 2007, 87-118.

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boyanten Traumwagen der späten 1950er Jahre eindrucksvoll verkörpert; Autos mit großer Anziehungskraft und unerhörtem Potential zur Provokation.104 »Übertriebener Aufwand wurde nicht getrieben, man findet am Steyr-Puch 500 keinerlei Chromzierrat«, bemerkte eine Motorzeitschrift.105 Chrom stand in einer synekdochischen Beziehung zur Vorstellung von Luxusautos und war Metapher des Amerikanischen. In dem dadurch abgerufenen Referenzrahmen wurde der Puch 500 als österreichische Alternative positioniert; und zwar als eine »uns« angemessene. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, setzte das Blatt nach, dass der Puch 500 »keineswegs ärmlich« sei. Eine Tageszeitung wiederum schrieb über den Wagen, er trage den »›Chrom-Schmuck‹ im Motor«. Der Hersteller habe das Ziel verfolgt, »einen äußerlich bescheidenen Wagen zu bauen, in dem ein Motor in Luxusausführung steckt.«106 Noch beim Kleinwagen taugt also der Motor zum Ornament und so erweist sich die Tugend der Bescheidenheit als eine Äußerlichkeit, wie man sie ansonsten dem Luxuswagen bzw. Amerika vorzuwerfen geneigt war. Nachdem Hans Patleich, damals der einflussreichste heimische Motorjournalist, den Puch 500 getestet hatte, erklärte er: »Weil wir Österreicher zu arm sind, um etwas Billiges kaufen zu können, entstand ein Qualitätsmotor, auf den selbst dreimal so dicke Wagen (womit ich den Zylinderinhalt meine) aus den anderen europäischen Ländern eifersüchtig sind.«107 Der Titel des Artikels lautete: »Klein, aber oho.« Worum geht es? Um ein Auto oder um die Nation? Um ein Ding oder um die Österreicher? Zweifellos um beides. Das Gebrauchswertversprechen des Puch 500 wurde systematisch mit nationaler Selbstverständigung verbunden. Ein sparsamer Kleinwagen machte Sinn in den europäischen Nachkriegsgesellschaften, doch es war eine national codierte Vernunft, die hier ihren Auftritt hatte. Man kann für das Österreich der Zweiten Republik eine »Verschweizerung in den Grundmentalitäten«108 annehmen; jedenfalls wuchsen die Affinitäten in den Selbstbildern der beiden Nachbarländer: Neutralität, tüch104 | Vgl. Kirstin Ross, Fast Cars, Clean Bodies. Decolonization and the Reordering of French Culture, Cambridge, Mass. u.a. 1995; Tom O’Dell, Culture Unbound: Americanization and Everyday Life in Sweden, Lund 1997, 112-159. 105 | Motorrad – Kleinwagen, 1957/33, 875f. 106 | Kleines Volksblatt vom 6. Oktober 1957, 44. 107 | Neuer Kurier vom 11. Jänner 1958. 108 | Rathkolb, Paradoxe Republik, 46.

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tiges Alpenvolk sowie Kleinstaatlichkeit als Vorteil statt Defekt. Der Puch 500 aber eignete sich als Ressource für die positive Bewertung des Kleinen bzw. ließ sich umgekehrt das Auto nicht diskutieren, ohne dass es entlang dieser für das österreichische Selbstverständnis brennenden Frage mit der Nation überblendet wurde. Das geschrumpfte Territorium zu akzeptieren hieß auch, dass anstelle von Repräsentationen imperialer Weite das Gebirge als typisch österreichische Landschaft in den Mittelpunkt rückte.109 Die »Bergfreudigkeit« des Puch 500 musste daher noch mehr als beim Steyr 50 ein wesentliches Argument in der Produktkommunikation sein. »Das österreichische Volksauto – ein Kletterer«, dekretierte die ArbeiterZeitung.110

Abb. 2: »30 Prozent Steigung werden vollbesetzt mit Leichtigkeit bergfreudig gemeistert.« (Österreichische Neue Tageszeitung vom 6. Oktober 1957). Die Positionierung als Alpenland ist eines der auffälligsten Elemente des nach außen projizierten Österreich-Images wie der nach innen gerichteten Identitätsangebote. Für die Austrifizierung des Konsums, des Zusammenführens von Konsumkultur und nationaler Identität, spielte der Bezug zur alpinen Landschaft gerade wegen der relativ schwach entwickelten Kon-

109 | Vgl. Kos, Imagereservoir, 601. 110 | Arbeiter-Zeitung vom 1. Oktober 1957, 5.

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sumgüterindustrie eine hervorragende Rolle.111 Daher konnte das Argument der Bergfreudigkeit auch nicht vom Puch 500 monopolisiert werden. Es wurde ebenso von zahlreichen Produkten ausländischer Provenienz vorgetragen, z.B.: Goggomobil und Wilder Kaiser, Isetta und Großglockner Hochalpenstraße bei Heiligenblut, Ford und Turracher Höhe. Eine solche Produktkommunikation betrieb die Austrifizierung von Importprodukten und arbeitete der Verknüpfung von Motorisierung und Nationalisierung zu. Für den automobilisierten Konsum der Landschaft stand zwar abgesehen vom Puch 500 kein heimisches Vehikel zur Verfügung, aber erstens nahmen eben auch ausländische Produkte Maß an der Vorgabe, sich symbolisch mit der österreichischen Terrainbeschaffenheit auseinanderzusetzen; und zweitens konnte die Nation immerhin mit jenen schönen Gegenden aufwarten, die den Besuch auf vier Rädern lohnten. Der zunehmend auf PKW-Basis gestellte Tourismus nahm außerdem in ökonomischer Hinsicht einem Problem die Spitze, an dem die importierten Autos erheblich Anteil hatten. Der Einfuhrüberschuss bei den Kraftwagen trug zum chronischen österreichischen Handelsbilanzdefizit bei,112 das indes durch den Fremdenverkehr in der Zahlungsbilanz kompensiert wurde. Die Nationalisierung erstreckte sich zudem über die Stilisierung bestimmter Autos hinaus zu einer Verbindung aus Automobilisierung und Nation. Der Motorisierungsgrad wurde in den 1950er Jahren weiterhin als eine Bestätigung für den Status einer Kulturnation erachtet. Der Erfolg der Automobilisierung markierte einen Unterschied zu den unzivilisierten Anderen. Bezeichnend ist die andauernde Beliebtheit von Expeditionen in Weltgegenden, wo man Fotos nach dem Muster ›die Wilden bestaunen unser Auto‹ schießen konnte. Hingegen erschienen die Arbeiter, die Anderen des Bürgertums, zwar zivilisierungsbedürftig, doch zunehmend auch zivilisierungsfähig, denn unter fordistischen Auspizien konnten sie in Konsumgesellschaft wie Nation einbezogen werden. Aufschlussreich ist eine Reportage in der bürgerlich-konservativen Presse, die 1956 die ›Sozialisierung‹ des Automobils feierte. Der Autor schildert den Betriebsschluss in einem Wiener Kleinbetrieb: »Gut angezogene Herren [steigen] in gut 111 | Vgl. Franz X. Eder, Privater Konsum und Haushaltseinkommen im 20. Jahrhundert, in: ders. u.a., Hg., Wien im 20. Jahrhundert. Wirtschaft, Bevölkerung, Konsum, Innsbruck u.a. 2003, 201-285, hier 223. 112 | Statistisches Handbuch für die Republik Österreich, diverse Jahrgänge.

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aussehende Kabrios und Karavans, um etwa in einen Vortrag über den österreichischen Dichter Wildgans zu fahren – es sind die Arbeiter jenes Betriebes.« Was also kann man von einem Arbeiter erwarten, der nun einen PKW sein Eigen nennt? Dass er diesen Besitz, vormals bürgerliches Privileg, nützt, um sich über das Werk eines prononciert Österreich-patriotischen Dichters bilden zu lassen.

C ONCLUSIO – S TE YR 50 UND P UCH 500 IM V ERGLEICH Für die Zeitspanne von den 1920er bis in die 1970er Jahre wird oft der Begriff des Fordismus113 in Anschlag gebracht. Er meint u.a. die Zuspitzung auf eine eingeschränkte, aber massenhaft produzierte Produktpalette und die Erweiterung der sozialen Basis von Dispositionskonsum. Das impliziert die Präsenz der immer gleichen Artefakte in privaten und öffentlichen Räumen. Diese alltagskulturelle Wiederkehr des immer gleichen legte aber eine imaginierte Gemeinschaft von Konsumenten nahe, die sich auch als nationale verstehen ließ. Die imagined community der Nation wurde somit auf eine Grundlage gestellt, zu der das Auto als materielles Artefakt wie als Vehikel von Identifikationsangeboten gehörte. Das diskursive Geflecht rund um Steyr 50 und Puch 500 lässt sich deshalb auf die Frage zuspitzen, in welchem Verhältnis eine gewünschte Automobilisierung zu Österreich stand bzw. stehen sollte. Das Thema war in den 1930er Jahren virulent und wurde neuerlich in den 1950er Jahren intensiv verhandelt; mittlerweile aber nicht mehr unter austrofaschistischer Schirmherrschaft, sondern in einer noch immer autoritären, aber sich demokratisierenden Gesellschaft mit wachsenden Konsumchancen für große Bevölkerungsteile. Als maßgebliche Akteure der diskursiven Nationalisierung traten Unternehmen, der Staat, die Autozeitschriften und die Automobilvereine auf. Die letzteren beiden inszenierten sich als 113 | Vgl. Adelheid von Saldern/Rüdiger Hachtmann, Das fordistische Jahrhundert: Eine Einleitung, Zeithistorische Forschungen, Online-Ausgabe 6/2 (2009), www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Editorial-2-2009 (15.7.2011); zum Fordismus in Österreich vgl.: Wolfgang Maderthaner/Lutz Musner, Im Schatten des Fordismus, Wien 1950 bis 1970, in: Roman Horak u.a., Hg., Randzone. Zur Theorie und Archäologie von Massenkultur in Wien 1950-1970, Wien 2004, 31-54; Karazman-Morawetz, Arbeit, Konsum, Freizeit.

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Sprachrohre der Konsumenten, obgleich ihre Nähe zu Industrie und Staat unübersehbar war. Die Artefakte, die symbolisch mit Österreich verschmolzen wurden, liefen in den 1930er Jahren im Werk Steyr vom Band. Die betriebswirtschaftlichen Interessen von Steyr-Daimler-Puch fanden bei seinem mittelbaren Eigentümer, dem Staat, ein offenes Ohr und schlugen sich in Schutzzöllen nieder. Die ›Austrifizierung‹ des Wunschbilds Volkswagen erfüllte eine werbliche Funktion für Steyr-Daimler-Puch und sie diente der propagandistischen Legitimierung einer protektionistischen Handels- und Industriepolitik. Vom Regime ließ sie sich außerdem in den Wettbewerb mit dem nationalsozialistischen Deutschland eintragen. Die für die Steyr-Werke in der Zwischenkriegszeit verfolgte Strategie, die Erzeugung von Rüstungsgütern durch die PKW-Herstellung zu ersetzen, wurde nach 1945 nicht wiederholt. Steyr-Daimler-Puch fokussierte nun auf das weniger riskante Geschäft mit Lastwagen und Traktoren. Der in Graz erzeugte Puch 500 war mehr ein auf vier Räder gestelltes Motorrad als die Fortsetzung der Steyr-Tradition. Der Steyr 50 hatte dank der Zollschranken keine Konkurrenz fürchten müssen. In den 1950er Jahren gab es hingegen zahlreiche Kandidaten für die Rolle eines Volkswagens, darunter am erfolgreichsten das Produkt jenes Unternehmens, das den Gattungs- zum Markennamen gemacht hatte. Die Vorstellung vom Volksauto als Mittel der Motorisierung und der Verweis auf heimische Erzeugung waren nicht mehr deckungsgleiche Einsätze in der Produktkommunikation rund um den PKW. In der journalistischen Aufbereitung bot sich der Puch 500 zwar besonders für österreichbetonte Inszenierungen an, aber der VW-Käfer, als Schöpfung des Österreichers Ferdinand Porsche verstanden, ließ sich ebenfalls in einen nationalisierenden Diskurs einbringen. Auch in ihrer werblichen Kommunikation gingen die Unternehmen bzw. ihre Importeure, ob bei VW, Goggomobil oder Ford, auf das gesellschaftliche Bedürfnis nach Österreich-Inszenierungen ein. Die Diskursivierung des Puch 500 als prototypischer Österreicher war somit eingebettet in eine weiterreichende Bereitschaft, Autos (nicht nur, aber eben auch) durch eine nationalisierende Brille wahrzunehmen. Dabei standen beim Puch 500 die inneren, motorischen Werte und seine Sparsamkeit im Vordergrund. Auch der Steyr 50 war als kostengünstig im Betrieb angepriesen worden, doch orientierte sich die Produktkommunikation deutlicher an einkommensstarken Schichten und so durfte man

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es nicht zu billig geben. Das Volk, für das der Puch 500 ein Volksauto sein sollte, stellte sich der Erzeuger hingegen anders vor: Der Wagen war spartanisch in seiner Ausstattung. Wie beim Steyr 50 wurde beim Puch 500 die Steigfähigkeit besonders hervorgehoben. Der Steyr 50 war aber auch als Teil einer österreichischen, vor allem Wiener Geschmackskultur präsentiert worden. Beim Puch 500 drängte sich dieses Spiel wohl schon deshalb weniger auf, weil seine Silhouette eine italienische war. Liest man die Berichte, die rund um die Produktpräsentation im Oktober 1957 in den Printmedien erschienen sind, so stellte sich das Kleinauto nicht als das Kind einer Ehe aus Wiener Kultur und alpiner Zähigkeit dar, sondern war die reine Bergfreudigkeit. Ein Prospekt aus 1961 für die in der Ausstattung etwas verbesserte Version Puch 500 D bemühte sich hingegen um ein urbanes und mondänes Flair. Der Nachteil der Geburt in einem kleinen Land, die Gefahr auch von den eigenen ›Volksgenossen‹ verkannt zu werden, waren Themen, die anhand des Steyr 50 wie des Puch 500 verhandelt wurden. Eine (mehr als nur) ökonomische Depression und der Anschlusswunsch einerseits, ein durch Wirtschaftswachstum und den Staatsvertrag von 1955 befeuerter Optimismus andererseits legten jedoch unterschiedliche Akzentuierungen nahe. Die betriebs- und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Nationalisierung von PKWs kann man genau benennen. Doch die nationale Codierung von Kleinwagen erschöpfte sich nicht in absatztechnischen Strategien; Journalisten und Autofahrerlobbys verfolgten ihre eigene Agenda und die einmal freigesetzten Bilder blieben im Umlauf, lange nachdem Autos wie der Puch 500 aus dem Straßenbild verschwunden waren. Gerade Kleinwagen, die vermeintlich oder tatsächlich eine zentrale Rolle in der Automobilisierung des Nachkriegsbooms spielten, avancierten zu nationalen Erinnerungsorten: Fiat 500 und Italien,114 VW und Westdeutschland,115 Trabi und DDR,116 Puch 500 und Österreich.

114 | Vgl. Emanuela Scarpellini, Material Nation. A Consumer’s History of Modern Italy, Oxford 2011, 136-138. 115 | Vgl. Eduard Schütz, Der Volkswagen, in: Etienne François/Hagen Schulze, Hg., Deutsche Erinnerungsorte, Band 1, München 2001, 352-369. 116 | Vgl. Ina Merkel, Der Trabant, in: Martin Sabrov, Hg., Erinnerungsorte der DDR, München 2009, 363-373.

Patriotismus, Abweichung, Verrat Wenn Eliten aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Kultur oder auch eine breiter verankerte Buy-National-Bewegung wie in China die Nation und das Konsumieren in Deckung bringen wollen, so geht es ihnen um Unterscheidungen: Der vorwiegende oder gar exklusive Kauf und Gebrauch von heimischen Produkten wird als das normativ richtige Verhalten angesetzt. Es soll aber auch zum normalen Verhalten werden – in einer angestrebten Zukunft, wenn sich die Nation im Konsum realisiert hat. Das Konsumieren wird primär auf seinen Beitrag zu nationalen Projekten befragt, ob sie nun Souveränität, Autarkie, Modernisierung oder Entwicklung heißen. Gefordert wird Patriotismus, angeprangert der Verrat. Als Ausgangspunkt diagnostiziert man aber die viel zu verbreitete Abweichung, sei es der Indifferenten oder derjenigen, die aus Snobismus der Auslandsware verfallen sind. The vocabulary mattered. The creation and application of positive and negative nationalized social labels led to further elaborations of the movement’s vocabulary. An »authentic Chinese woman«, movement advocates preached, did not consume imports, lest she »betray her nation«. Selbst liberale Zeitungen wie die Asahi Shinbun schufen eine Fortschrittsnarration, indem sie die moralische Qualität der neuen decencies [der Elektrogeräte für den Haushalt] bewarben, während sie erwerbstätige Frauen generell als Luxuskonsumentinnen abwerteten: Sie waren die »Frauen ohne Haushalt«, die »hochwertiger Mode nachjagen« würden und dem öffentlichen Konsum frönten.

Variations on a Global Theme? A Comparative Perspective on Nationalism and Consumerism in Modern China Karl Gerth

What does the history of economic nationalism within Chinese consumer culture have to offer scholars of other national histories? It is my contention that China’s unusual position as a semi-colonized country in the early twentieth century makes the country an unusually vivid place to study the modern history of economic nationalism. I do not argue that China is unique in its manifestations of economic nationalism and its efforts across the twentieth century to promote the consumption of Chinese products and the protection of something called the Chinese economy. Rather, I suggest that China’s semi-colonized position in the early twentieth century meant that economic nationalism took on an especially non-state, non-centrally directed form within a broad-based social movement, known at the time as the »National Products Movement« (guohuo yundong). In other words, scholars of other national traditions may see within Chinese economic nationalism more fully-formed versions of popular economic nationalist activity either suppressed by outright imperialism or obviated by stronger state-led efforts. The Chinese case begins with the same story seen in many countries. In early twentieth-century China, an emerging consumer culture defined and spread modern Chinese nationalism. China had begun to import and to manufacture thousands of new consumer goods. These commodities changed the everyday life of millions of Chinese who used, discussed, and dreamed about them. At the same time, the influx of imports and the

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desires they created were not universally welcomed. Imports threatened many in China. Politicians worried about trade deficits and the new consumer lifestyles; intellectuals, who had begun to read works on Western political economy, feared the loss of economic sovereignty and the growing foreign dominance of the commercial economy; and manufacturers, faced with inexpensive and superior imports, wondered how they would preserve or increase their market share. In other words, it would be a mistake to interpret this movement as simply a centrally-directed political campaign, a craven attempt by domestic business interests to capitalize on nationalist sentiment, or as nothing more than the periodic outbursts of overly emotional student activists. The National Products Movement was all of these things and more. As with other newly self-identified nations, in China, a growing conceptualization of the country as a »nation« (guojia) with its own »national products« (guohuo) influenced the shape of its consumer culture. Consumerism played a fundamental role in defining nationalism, and nationalism in defining consumerism. Nationalism molded a burgeoning consumer culture by applying the categories »national« (guo) and »foreign« (wai or yang) to all commodities, creating, in effect, the labels of treasonous and patriotic products. This nationalized consumer culture became the site where the notions of »nationality« and of China as a »modern« nationstate were articulated, institutionalized, and practiced. The consumption of commodities defined by the concept of nationality not only helped create the very idea of »modern China« but also became a primary means by which people in China began to conceptualize themselves as citizens of a modern nation. Efforts to create a nationalistic consumer culture had innumerable social manifestations. A broad array of political, economic, and social forces placed cultural constraints on consumption through a massive but diffuse social movement. The National Products Movement (hereafter, »the movement«), as it was known at the time, popularized the meaning of material culture around the duality of »national products« (guohuo) and »foreign products« (yanghuo), and it made the consumption of national products a fundamental part of Chinese citizenship. This movement included new sumptuary laws mandating the use of Chinese-made fabrics in clothing, frequent anti-imperialist boycotts, massive exhibitions and myriad advertisements promoting the consumption of national products, a Women’s National Products Year in 1934, and the mass circulation of

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biographies of patriotic manufacturers. These aspects of the movement created a nationalistic consumer culture that drove modern Chinese nation-making.1 The role of consumerism in persuading people in China to see themselves as members of a modern nation-state in a world of similarly constituted nation-states, although critical to understanding modern China, is surprisingly absent from contemporary scholarship on Chinese nationalism. Early scholarship on the emergence of modern nationalism in China attempted to locate China along a »culturalism-to-nationalism« continuum stretching from the late nineteenth to the early twentieth century. In political scientist James Townsend’s summary, »the core proposition is that a set of ideas labeled ›culturalism‹ dominated traditional China, was incompatible with modern nationalism and yielded only under the assault of imperialism and Western ideas to a new nationalist way of thinking«.2 In recent years, historians have greatly expanded our knowledge of China’s final dynasty and questioned the purported cultural unity of late imperial China by identifying regional and ethnic tensions.3 Nevertheless, scholarship examining the emergence of modern nationalism continues to take two general forms: top-down and bottom-up. The first approach explores the role of intellectual, military, and political leaders in creating a nation. The second investigates the development of nationalism within specific contexts, such as the expansion of local customs and religious

1 | Rather than the term »nation-building,« which suggests the nation is a topdown construction, I use »nation-making« to emphasize the much broader social participation. On the difference between »nation-building« and »nation-making,« as well as a discussion of the use of the term »nation« as employed here, see Robert J. Foster, Introduction. The Work of Nation Making, in: id., ed., Nation Making. Emergent Identities in Postcolonial Melanesia, Anna Arbor 1995, 1-30. 2 | James Townsend, Chinese Nationalism, in: Jonathan Unger, Chinese Nationalism, Armonk, N.Y. 1996, 1-30, 1; see also James Harrison, Modern Chines Nationalism, New York 1969. 3 | See, e.g., Evelyn Sakakida Rawski, The Last Emperors: A Social History of Qing Imperial Institutions, Berkeley 1998; Pamela Kyle Crossley, A Translucent Mirror: History and Identity in Qing Imperial Ideology, Berkeley 1999; Edward J. M. Rhoads, China’s Republican Revolution: The Case of Kwangtung, 1895-1913, Cambridge, Mass. 2000.

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practices to broader arenas or sporadic anti-imperialist acts such as the killing of foreign missionaries or the picketing of foreign companies. Studying nation-making through consumerism connects all levels of Chinese society, extending the top-down approach to reveal the broader institutional and discursive environments in which notions of nationhood were conceived, diffused, and enforced. At the same time, examining nationalism through consumerism expands the bottom-up approach by integrating different levels of Chinese society and connecting diverse phenomena over time. This extension of the analysis of Chinese nationmaking into consumerism should make it hard to imagine histories of Sinoforeign relations, business enterprises, the lives of leading figures, popular protest, the women’s movement, urban culture, or even the Communist Revolution of 1949 that do not consider the rise of a nationalized consumer culture in early twentieth-century China.

THE E L ABOR ATION OF THE M OVEMENT The first question non-Chinese historians often ask about the National Products Movement is straightforward: Why did the Chinese government not nationalize consumer culture by banning or restricting imports through high tariffs? In other words, why bother with a broad, diffuse, and somewhat uncontrollable social movement when the same ends – protecting the domestic market – could be achieved via state policy? The answer is equally simple: the Chinese state lacked the power to do so because of imperialism. Successive defeats by imperialist powers after the Opium War (1840-42) compounded deep institutional problems within the Chinese state and culminated in the collapse of China’s last dynasty in 1911-12. Imperialist countries imposed a series of »unequal treaties« that »opened« China to trade by, among other methods, denying China the ability to restrict imports by raising tariffs. When China recovered tariff autonomy in the late 1920s, it used internationally accepted means of nationalizing consumer culture and immediately imposed tariffs to restrict market access. By one estimate, the tariff rate of 1934 was seven times the pre-1929 rate.4 And, after 1949, 4 | Zheng Yougui, Woguo guanshui zizhu hou jinkou shuilü shuizhun zhi bianqian [Guidelines for Import Duties Since Our Country Recovered Tariff Autonomy], Changsha 1939, 12.

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when the Communists finally gained complete control, they outright banned imports of virtually all consumer goods from capitalist countries for the next three decades. However, throughout the first third of the century, China saw itself inundated with imports but powerless to use tariffs for a quick solution. This is precisely what makes the Chinese case compelling for comparativists: interested parties in China had to create other ways of restricting foreign access and enforcing nationalistic consumption. The National Products Movement was the expression of their manifold efforts. As with most truly social movements that emerge from the ground up, there was never one centrally controlled national products movement. Rather, it was at various times both a state-led, when there was a state to lead, and a grass-roots movement. Silk manufacturers, student protestors, women’s organizations, business enterprises, government officials, and ordinary citizens alike invoked the term »National Products Movement« for their own ends. Moreover, as the movement grew, its name, its slogans, and the categories of nationalistic consumption it created became ubiquitous in cities and even appeared in the countryside. Its manifestations included the Clothing Law of 1912, the National Product Monthly and many other magazines, the government-sponsored »National Products« campaign of the late 1920s, official »National Products Years« in the 1930s (Women’s in 1934, Children’s in 1935, and Citizens’ in 1936), weekly supplements published in a major national newspaper (Shenbao) in the mid-1930s, thousands of advertisements, regular national-product fashion shows, and specially organized venues – visited by millions – for displaying and selling national products, including museums, fixed and traveling exhibitions, and a chain of retail stores. The movement, then, was not a bounded entity but an evolving, growing, and interactive set of institutions, discourses, and organizations, which sought new ways to incorporate reluctant producers, merchants, and, above all, citizen-consumers. The movement was initiated by a few groups, expanded by others into new domains, and appropriated by still others, for multiple purposes, many of them directly at odds with the interests of movement supporters. Participants ranged from men leading recognized movement organizations to women organizing movement events as a way to take part in public life, to entrepreneurs jumping on the movement bandwagon to sell products to gangsters, manipulating movement discourse as a means of extortion to consumers consciously or unconsciously acting on the nationalistic categories of consumption.

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M OVEMENT TERMS AND L ABELS A key means for expanding the National Products Movement was the creation and popularization of a vocabulary that underwrote nationalistic categories of consumption. The most important terms were »national product« and »foreign product.« The key term »national product« (guohuo) is often translated »native goods« or »national goods.« Although I occasionally use the term »Chinese goods« and others for variation, I prefer »national products« because this term invokes the attributes that movement participants aspired to associate with their products: nationalism and industrialism rather than localism and handicraft production. For the same reason, I translate Guohuo yundong as »national products movement« rather than »native goods« or »national goods« movement. Similarly, the influx of imported consumer goods that were given the prefix »foreign« helped to convey the notion of »foreign commodities« (yanghuo) more generally, and, by implication, the idea of Chinese »national products.« Likewise, the circulation of goods labeled »domestic« and »foreign« served to teach »nationality« to consumers throughout China on a daily basis. The vocabulary mattered. The creation and application of positive and negative nationalized social labels led to further elaborations of the movement’s vocabulary. An »authentic Chinese woman,« movement advocates preached, did not consume imports, lest she »betray her nation.« One participant in the Women’s National Products Year of 1934 even suggested that such unpatriotic women be labeled prostitutes because they degraded their bodies by consuming imports. Moreover, decades before Chinese historians in the People’s Republic contrasted the patriotic »national capitalist« (minzu zibenjia), whose work aided the nation, and the treasonous »comprador capitalist« (maiban zibenjia), whose work benefited foreign companies, the movement sought to create a marketplace that automatically distinguished genuinely patriotic Chinese capitalists from the traitorous agents of foreign interests. Without relying on foreign assistance, the »authentic Chinese capitalist,« used Chinese capital, labor, raw materials, and management to produce goods that defended the domestic market by displacing imports. The abundance of related strands of nationalized discourse clarifies the main point. My claim is not that early proponents of nationalism conceived their ideas wholly through the movement. By the early twentieth century, the idea of the nation, in specific individuals or specific discursive

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forums, took many different forms. Rather, the movement was a driving force behind the spread of nationalist sentiment throughout China as a whole. It put »nation« in front of everyone’s eyes, on everyone’s back, and on everyone’s table and tongue. The elaboration, intensification, and institutionalization of this movement, in turn, provided new platforms and points of reference for further developments of nationalism.

I NSTITUTIONAL E L ABOR ATION The movement involved much more than new coinages and name-calling. At its core, it also attempted to create, introduce, and reinforce new patterns of group behavior and new systems of social regulation and order and to integrate them into a nascent nationalistic consumer culture. The development of standards to certify national products, for instance, can serve as a model for understanding this institutional elaboration of the movement as a whole. In the early stages, there was no clear-cut way of defining and identifying national products. Various systems of certification emerged in non-government organizations as makeshift centrifuges for separating foreign contaminants from the Chinese market. Then, growing links between organizations popularized the desire for a single standard of certification. Regular anti-imperialist boycotts intensified the need for explicit standards that identified precisely which products Chinese should and should not boycott. Finally, in 1928, a new national government formalized national certification standards. It made these standards law and institutionalized incentives for their application. Clearly, national product standards codified the pre-eminence of product-nationality, but consumers did not automatically come to view products in this way. The more elaborate the movement, the greater the efforts of recalcitrant individuals to circumvent it and hence the greater the need for further controls to persuade them to adhere to the movement’s goals. Physical and visual spaces such as the one in the illustration below – what I call »nationalistic commodity spectacles« – functioned as forums to concentrate Chinese consumers’ attention and condition them to recognize and valorize certified products. The movement, then, included a specific form of socialized or culturally constructed vision, a nationalistic visuality centred on training the eye to identify visual clues and to distinguish

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between the foreign and domestic across social life.5 The advertisement shown below, which appeared regularly in the national newspaper Shenbao in the early 1930s, illustrates the goals of the National Products Movement. Here an agglomeration of national products represents the Chinese nation. The advertisement cleverly plays on a widely shared fear of national destruction that predicted the imperialist powers would carve up China like a melon and gobble up the country bit by bit like silkworms eating a mulberry leaf. The Chinese characters superimposed on Manchuria (upper right), which in effect had been annexed by Japan in 1931, warn consumers that »buying foreign products« was the equivalent of arming China’s enemies while consuming national products would place these enemies in a »hopeless situation.« The implication was that the production, circulation, and consumption of national products acted as a figurative insecticide that ensured national salvation by preventing foreign products (silk worms) from gradually conquering the Chinese market (mulberry leaf).

Figure 1: The Chinese Nation Represented as Chinese National Products, advertising in the newspaper Shenbao, early 1930s. The attempt to construct a nationalistic visuality was part of all aspects of the movement. As with the illustration above, the National Products Ex5 | On the cultural conditioning of sight, see John A. Walker/Sarah Chaplin, Visual Culture, Manchester 1997; Hal Foster, ed., Vision and Visuality, Seattle 1988.

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hibition of 1928, to take another example, essentially achieved the movement’s goal in miniature by creating a completely nationalized visual and physical space, intended for the nation as a whole. Everything – from the advertisements on the walls of the exhibition hall to the dress of attendees to every product on display to the towels in the men’s room – was a certified national product. Within this miniature nation of national products, consumers learned that they themselves could lead a life that was materially pure Chinese. Indeed, within this nationalistic commodity spectacle, it was impossible to visualize or live any other life.

PARTICIPANTS Unsurprisingly, prominent commercial and industrial leaders, individuals with clear economic interests at stake, formed the backbone of the movement throughout China. These entrepreneurs became living examples of two common expressions of the day: »Business enterprises rescue the nation« (shiye jiuguo) and »Establish factories for national selfpreservation« (shechang zijiu). They established the businesses that formed the foundation of this new consumer culture, manufacturing personal hygiene articles such as toothpaste and soap, textiles products like towels and silk dresses, and household goods such as light bulbs and electric fans, as well as the international icon of this culture, plastic.6 Zhang Jian (1853-1926), the reformer of Nantong in Jiangsu province, for instance, tried to save China nearly single-handedly by industrializing one town, and founded dozens of companies, including the Dasheng Cotton Mill.7 Among the most active movement participants in north China was Song Zejiu (1867-1956), the Tianjin merchant-activist who established match and toothpaste companies as well as organized a local branch of a key movement organization. Among the many other leading industrialists who participated were the powerful Rong brothers of Shanghai, Rong Zongjing 6 | Gu Weicheng, Bisheng zhili yu suliao gongye de Gu Zhaozhen [Gu Zhaozhen’s Lifetime Devotion to the Plastics Industry], in: Pan Junxiang, ed., Zhongguo jindai guohuo yundong [China’s Modern National Products Movement], Beijing 1996, 122-166. 7 | Nakai Hideki, Chō Ken to Chūgoku kindai kigyō [Zhang Jian and Chinese Modern Enterprise], Sapporo 1996.

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(1873-1938) and Rong Desheng (1875-1952), who became known as China’s »flour and cotton kings«; China’s »match king« Liu Hongsheng (18881956); and the founders of China’s modern chemical industry, Shanghai’s Wu Yunchu (1891-1953) and Tianjin’s Fan Xudong (1883-1945).8 The movement also included innumerable less widely known protoindustrialists, whose new consumer goods competed directly with imports. An example is Fang Yexian (1893-1940), the co-founder of the China Chemical Industries Company, which made mosquito coils, tooth powder, food-flavoring powder, and soap. He used movement ideology to promote his products and later helped establish a store on Shanghai’s main commercial street, Nanjing Road, devoted exclusively to selling national products. Likewise, the Jian brothers formed the Nanyang Brothers Tobacco Company and actively contrasted their »Chinese« cigarettes with the »foreign« British-American Tobacco products.9 Chen Diexian (1878-1940), the founder of the consumer goods company Household Enterprises, was also a primary participant and wrote widely on movement and social issues under his pen name, Tianxu Wosheng. Other participants in the movement were Song Feiqing (1898-1956), a co-founder of the East Asia Wool Textile Company, whose spun wool remains popular in China today, and the founders of Three Friends Enterprises, whose company capitalized on anti-imperialist sentiment by manufacturing and marketing »freedom cloth« (ziyou bu) and »patriotic blue cloth« (aiguo lanbu) in the 1920s. Xiang Songmao (1880-1932), the founder of the Five Continents Dispensary Company, China’s most important distributor and, later, manufacturer of pharmacological products such as soap and health tonics, also became an active participant. Indeed, every industrialist participated in the movement in one form or another.10

8 | See the articles by Huang Hanmin on the Rong family enterprises, Yang Chengqi on China’s »match king«, and Han Yin on the chemical industry in Pan Junxiang, Zhongguo. 9 | Sherman Cochran/Andrew C. K. Hsieh, with Janis Cochran, One Day in China: May 21, 1936, New Haven 1983. 10 | See the articles by Ma Bingrong on China Chemical Industries Company, Zhao Zizhen on the East Asia Wool Textile Company, Li Daofa on the Three Friends Enterprises, and Xiang Zenan on the Five Continents Dispensary Company in: Pan Junxiang, Zhongguo.

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Before the re-emergence of a relatively strong state in 1927-28, much of the organizational and financial strength of the movement came from economic interest groups formed by business leaders who owned consumer goods industries. Local chambers of commerce, native-place associations, and newer ad hoc organizations specifically devoted to the movement had a huge financial stake in linking consumerism and nationalism to protect what they had come to consider their home market. Throughout this period, Chinese enterprises struggled to maintain market share and gain acceptance for manufactures that competed directly with imports. Economic interest groups such as silk and hat manufacturers spread the notion of nationalistic consumption. However, it is shortsighted to view the national products movement as simply a narrow campaign, launched by a self-interested bourgeois. We can also find participants in the movement in unexpected quarters. Many other people became involved in the movement, sometimes unwittingly and often unwillingly. During the frequent anti-imperialist boycotts, students of all ages joined in the movement. The more extreme among them vowed not to consume imports, forced merchants to adhere to boycotts, and even made and sold national products. Not all the participants shared the same motivation. Zealous students and opportunistic hooligans often appropriated these categories of national and foreign products to justify violence against anyone refusing to boycott foreign goods or to »donate« to »patriotic organizations.« In fact, the U.S. consul in the southern coastal city of Fuzhou in the late 1920s concluded that movement organizations were »often a euphemism for blackmail gangs.«11 Indeed, according to two foreign correspondents for the New York Times, »the confiscation and resale of Japanese goods and the illegal ›fining‹ of merchants« were typical parts of the frequent anti-imperialist boycotts.12 In one notorious case, the leader of a large student organization used his position to enrich both himself and his cronies by extorting money from merchants. Angered by his betrayal, a group of more radical students – the Iron and Blood Society – assassinated him »on behalf of our 400,000,000 11 | U.S. National Archives, Fuzhou consul Samuel Sokobin, report to U.S. Secretary of State, 1929.8.21, File 893.504/62, Central Records of the Department of State (CRDS), RG59: 3. 12 | Hallett Edward Abend/Anthony J. Billingham, Can China Survive?, New York 1936, 45.

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country-men.«13 Throughout China, merchants who refused to stop selling Japanese products were murdered. Such activities discredited the movement but reinforced the hegemony of the notion that products had nationalities and that citizens within a nation owed their allegiance to its products. We tend to associate social movements with conspicuous activities such as marches, incendiary handbills, and slogan-filled rallies or subtle actions such as donations to a movement’s organizations or support for movement-backed politicians. The genius of this movement was that every consumer was a participant. Even those opting to buy foreign products were participants in a negative way. Because every consumer could choose to support the movement, its goal was to ensure that every consumer – every citizen – did.

»C HINESE P EOPLE O UGHT TO C ONSUME C HINESE P RODUCTS « Although these concepts are less commonly applied to other areas of the world, it is a mistake to assume, as studies often do, that consumerism is a uniquely »Western« phenomenon.14 Consumerism was critical to the creation of modern China. More important, the development of consumerism was not uniform around the globe. Studies of the history and 13 | U.S. National Archives, Fuzhou consul to U.S. Secretary of State, 1920.12.10, CRDS File 893.43B62; the Iron and Blood Society circulated a handbill to explain its actions and serve notice to other »traitors.« There are extensive reports of such organizations enforcing boycotts. See, e.g., the newspaper clippings on the attacks on the editor of the Shanghai mosquito press newspaper, Dajingbao, in: Shanghai Municipal Police 790, 1934, 4-5. »AntiJapanese Movement – Mosquito newspaper office attacked« and other articles. 14 | Paul Glennie is more circumspect (Consumption Within Historical Studies, in: Daniel Miller, ed., Acknowledging Consumption: A Review of New Studies, New York 1995, 164-203, 164). He notes that his generalizations are limited by the dearth of scholarship on the history of consumption outside Europe and the United States. For an exception, see Timothy Burke, Lifebuoy Men, Lux Women: Commodification, Consumption, and Cleanliness in Modern Zimbabwe, Durham, N.C. 1996; for a critique, see Craig Clunas, Superfluous Things: Material Culture and Social Status in Early Modern China, Urbana, Ill. 1991, 3.

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economics of consumerism routinely emphasize the role of the market in enabling the exercise of personal choice15; indeed, as sociologist Zygmunt Bauman observes, the very notion of individual freedom itself has been conceptualized in terms of consumer choice.16 In contrast, consumerism in China was not only, or even primarily, about individual freedom, selfexpression, and pleasure. Rather than solely providing agency- or freedomgenerating mechanisms, the nationalization of consumerism in China also imposed serious constraints on individuals. The purpose of the movement was to stress the national implications of the behavior of the individual consumer. A consumer was either patriotic or treasonous. According to the movement’s rhetoric (exemplified in the heading of this section, »Chinese people ought to consume Chinese products,« a common slogan), Chinese, newly defined as »citizens« or »national people« (guomin), were to envisage themselves as members of the new political collectivity known as the Chinese »nation« (guojia) by consuming »national products« (guohuo).17 Through this simple equation of citizenship, nationality, and 15 | For the classic statement of this position, see Milton Friedman/Rose D. Friedman, Capitalism and Freedom, Chicago 1982, especially 7-21. 16 | Zygmunt Bauman, Freedom, Minneapolis 1988, 7-8; likewise, Don Slater (Consumer Culture and Modernity, Oxford 1997, 8) identifies the common equation of consumerism and freedom: »Consumer culture denotes a social arrangement in which the relation between lived culture and social resources, between meaningful ways of life and the symbolic and material resources on which they depend, is mediated through markets. Consumer culture marks out a system in which consumption is dominated by the consumption of commodities, and in which cultural reproduction is largely understood to be carried out through the exercise of free personal choice in the private sphere of everyday life«; for a scathing critique of the conflation of American democracy and the discourse of the marketplace, see Thomas Frank, One Market under God: Extreme Capitalism, Market Populism, and the End of Economic Democracy, New York 2000. 17 | Movement literature explicitly drew such equations. See, e.g.,»› Guohuo‹ he ›guomin‹ [National Products and National People], in: Shenbao, Jan. 01, 1933; Zhongguo huo xianyao Zhongguoren ziji yong qilai [Chinese Should Be the First to Use Chinese Products], in Shenbao, Aug. 12, 1935; On the introduction of and connections between the concepts of citizenship and nationality by journalists, see Joan Judge, Print and Politics. »Shibao« and the Culture of Reform in Late Qing China, Stanford 1996, 83-99.

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consumption, the movement denied the consumer a place outside the nation as economy and nation became coterminous. The movement did not recognize an abstract world of goods; rather, it divided the world into nations of products. Indeed, as the countless equivalents in other countries of China’s National Products Movement suggests, freedom in the marketplace may be more the exception than the rule in the histories of consumerism around the world. Of course, China is not the only country that attempted to nationalize its consumer culture and constrain personal choice. The swadeshi (belonging to one’s own country) and non-cooperation movements in India (1904-8, 1920-22) are the best-known and best-studied equivalents of China’s National Products Movement. Likewise, Americanists have been aware of links between consumerism and nationalism since late colonial times.18 These are not isolated cases. Japan, Ireland, Korea, Britain, France, Germany, Nigeria, and Spain, among other countries, also experienced similar »national product movements« with varying intensity in nationmaking projects from late colonial times to the present. Indeed, advocates of the movement in China regularly sought to inspire consumers with reports on the activities of similar movements in other countries.19 The movement in China, or indeed its equivalent in these other countries, should perhaps be seen as one among many rather than a unique phenomenon. That is not to suggest these movements unfolded in a uniform way. Again, what makes the Chinese case particularly interesting for comparative purposes is that the country was not formally colonized yet lacked many aspects of sovereignty, including the ability to set tariffs. It was, to use the common Chinese term for its situation, »semi-colonial« (ban zhimindi de). And, for this reason, the movement was not, nor could have been, solely statedirected. 18 | The best studies of national product movements focus on late colonial American history. See, e.g. Arthur Meier Schlesinger, The Colonial Merchants and the American Revolution, 1763-1776, New York 1957 [1918]; T. H. Breen, »Baubles of Britain«: The American and Consumer Revolutions of the Eighteenth Century, in: Past and Present 119/1 (1988), 73-104; for a survey of »Buy American« campaigns since the Revolution, see Dana Frank, Buy American: The Untold Story of Economic Nationalism, Boston, Mass. 1999. 19 | See, e.g., »Aiyong guohuo fengqi zhi puji [The Spread of an Atmosphere of Cherishing National Products], in: Shangye zazhi 5/10 (Feb. 1932), 2.

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As the essays in this volume and their footnotes confirm, the scholarly situation is rapidly changing. Yet despite the emergence of such movements throughout the globe, historians have until recently neither devoted much attention to them nor suggested that they are key aspects of nation-making. When mentioned at all, the nationalization of consumer culture is more likely to be treated as a natural by-product of the creation of nation-states. In fact, the causes and consequences of nationalizing commodities played a crucial role in creating nations. I argue here that a Chinese nation did not precede the notion of »Chinese products.« The two constructs evolved together. Nation-making included learning, or being coerced, to shape preferences around something called the Chinese nation and away from items deemed foreign – a problematic process reinforced by institutional elaborations. Most discussions of consumerism have not placed it at the center of nationalism. None of the studies of India, the most promising parallel to China, provides comprehensive accounts of a national products movement; these studies generally subordinate aspects of the national products movement to either business strategy (e.g., attempts by Bengali textile producers to preserve their market share) or Mohandas Gandhi’s (1869-1948) attempt to promote spiritual revival through self-reliance.20 20 | See Sumit Sarkar, The Swadeshi Movement in Bengal, 1903-1908, Cambridge 1973; Bipan Chandra, The Rise and Growth of Economic Nationalism in India: Economic Policies of Indian National Leadership, 1880-1905, New Delhi 1966, 122-141; on Gandhi’s ties, see Judith M. Brown, Gandhi: Prisoner of Hope, New Haven 1989, 89-90, 163-164, and 203-205; and Susan S. Bean, Gandhi and Khadi, the Fabric of Indian Independence, in: Annette B. Weiner/Jane Schneider, eds., Cloth and the Human Experience, Washington D.C. 1989, 355376; a brief lecture by a prominent subaltern scholar, however, emphasizes the coercive component of the swadeshi movement; see Ranajit Guha, A Disciplinary Aspect of Indian Nationalism, Santa Cruz 1991, 1-18; for a subtle introduction to the origins of swadeshi, see Christopher Bayly, The Origins of Swadeshi (Home Industry) Cloth and Indian Society, 1700-1930, in: Arjun Appadurai, ed., The Social Life of Things: Commodities in Cultural Perspective, Cambridge 1986, 285-321; as in the Chinese case, literature provides the most morally complex portrait of the participants. In 1919, the Nobel Prize-winning Indian writer Rabindranath Tagore captured the coercive side of the swadeshi movement in his novel Ghare baire (The Home and the World).

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Indeed, the National Products Movement agenda provides a sharp contrast to Gandhi’s emphasis on simple living and tradition.21 Likewise, survey introductions to nationalism rarely discuss attempts to nationalize consumer culture.22 Finally, studies of economic nationalism focus on the political discourse of economic and political leaders rather than on a widespread and multidimensional social movement.23 Studies that do integrate consumerism and nationalism emphasize voluntary participation in consumption (e.g., watching movies, reading newspapers, going bowling); because such consumption is »shared,« it helps create the basis for a shared national identity.24 In contrast, consumption in China was often coerced. The movement contributed to nation-making not only by spreading a new consumer culture of massproduced tastes and habits (that is, the basis of shared, nationwide consumption) but also by attempting to restrict consumption exclusively to national products, often through violence. »National products,« moreover, were themselves closely scrutinized for national content in terms of the 21 | For an overview of the anti-materialistic emphasis in Gandhi’s ideas, see Om Prakash Misra, Economic Thought of Gandhi and Nehru: A Comparative Analysis, New Delhi 1995; despite Gandhi’s emphasis on limiting material desires and creating self-sufficient villages, his ideas did overlap with the movement on one fundamental issue. Both rejected a simple embrace of capitalist relations that privileged price over provenance. Criticizing those who argued that the use of home-spun was costlier than mill-made cloth, Gandhi said that if expense were the most important issue, then, by the same logic, we should kill our aged parents and children »whom we have to maintain without getting anything in return« (cited from Misra, Economic Thought, 35). 22 | Anthony D. Smith, Nationalism and Modernism: A Critical Survey of Recent Theories of Nations and Nationalism, New York 1998. 23 | Moreover, some studies recognize »nationality« as a significant category of consumption without explaining the historical origins. For instance, Tobin notes that »in Japan, before a food, an article of clothing, or a piece of furniture is evaluated as good or bad, expensive or cheap, it is identified as either foreign or Japanese«, Joseph Jay Tobin, Introduction: Domesticating the West, in: id., ed., Re-Made in Japan: Everyday Life and Consumer Taste in a Changing Society, New Haven 1992, 1-41, especially 25-26. 24 | See, e.g., Lizabeth Cohen, Making a New Deal: Industrial Workers in Chicago, 1919-1939, Cambridge 1990.

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four categories of raw materials, labor, management, and capital. Thus, the emphasis in my study differs significantly from the histories of the late nineteenth- and early twentieth-century United States, which, when examining the role of consumption in creating a shared national identity, stress only that the consumption of a particular article or activity took place domestically.25 For the Chinese movement, it would not have been enough for citizens simply to read the same nationally circulated newspaper and imagine the same national events. Rather, regardless of the event being reported or editorialized, citizens were expected to read papers printed on the products of Chinese paper mills, produced by Chinese workers and managers, and owned by Chinese capitalists. Enforcing these principles led to the proliferation of specific institutions and laws. The modern Chinese nation was not simply »imagined« – it was made in China.

P ROBLEMS OF P RE - EMINENCE Participants in the movement clearly saw themselves as involved in an aggressive campaign, to use their own terms, of »cleansing China’s national humiliations« (xue guochi). Part of this campaign was the forcible removal of foreign elements from Chinese production and markets, thereby producing »authentic« (zhenzheng), »pure« (danchun), and »complete« (wanquan) Chinese products. This was an impossible ideal, especially at this point of Chinese economic and political development, and it was certainly never fully realized before the re-emergence of a strong centralized state with the Communist Revolution in 1949, when the new government quickly made up for lost time by implementing many of the tenets first formulated by the National Products Movement, tenets that 25 | Early influential studies include Daniel J. Boorstin, The Americans: The Democratic Experience, New York 1973, 89-164; Stuart Ewen/Elizabeth Ewen, Channels of Desire: Mass Images and the Shaping of American Consciousness, New York 1982; Richard Wightman Fox/T. J. Jackson Lears, The Culture of Consumption: Critical Essays in American History, 1880-1980, New York 1983; on this approach within studies of nationalism more generally, see, e.g., Benedict R. Anderson, Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983, 39 (on activities such as newspaper reading).

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remain in place even today as China attempts to build Chinese global brands to match the country’s manufacturing prowess. Still, before the People Republic could simply ban imported consumer goods, the central problem for the movement was how to make productnationality the pre-eminent or most important meaning of a commodity – that is, to »nationalize consumer culture« – even in this problematic context. Price and quality certainly challenged the supremacy of product nationality. It is safe to assume that consumers wanted to buy the least expensive and best-made goods, which were often mass-produced imports. Brand loyalty, including loyalty to foreign brands, also hindered the ability of the movement to assert the pre-eminence of product nationality. Indeed, in 1937, Carl Crow, who established one of the first advertising agencies in China, claimed Chinese consumers scrutinized brands and packaging to avoid ever-present counterfeit goods: »[Once they] have become accustomed to a certain brand, no matter whether it be cigarettes, soap or tooth paste, they are the world’s most loyal consumers, and will support a brand with a degree of unanimity and faithfulness which should bring tears of joy to the eyes of the manufacturer.«26 Considerations of style were also clearly of importance to many urban consumers in China in the early twentieth century. In fact, foreign fashions, introduced by Japanese, British, American, French, and other imperialist powers, exerted a powerful influence. To a great degree, imports of any kind were by definition fashionable. Foreign residents of the treaty ports, Chinese students returning from abroad, missionaries in inland areas, and a plethora of new foreign and Chinese media exposed many in China to images that challenged the pre-eminence of nationality within the marketplace. As a result, the social requirement to appear cosmopolitan frequently overwhelmed the injunction to »Buy Chinese.« Then, as now, the power of »Paris,« and, more generally, »the West,« was often unrivaled, certainly by any domestic equivalents. The question for the movement was how to push product nationality to the forefront, given all these competitors – how to make it the foremost consideration of consumers in China. As I have suggested, the campaign began with appeals to patriotism. But because the concepts of citizenship and patriotism were new and meaningless to many millions, such appeals were largely unsuccessful. The movement soon turned to more 26 | Carl Crow, Four Hundred Million Customers, New York 1937.

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persuasive tactics ranging from legal institutions to brute force. Building national consciousness in China was a long and complicated process. The movement played a key role in this process, but it was neither a uniform movement at all times and in all places nor an uninterrupted success story. A triumph in Shanghai might not be matched in Nanjing, let alone further away in the communications grid; gains were often followed by setbacks. Nationalizing consumer culture does not refer to the removal of products or product elements simply because of the non-Chinese origin of their invention. As one collection of essays on the history of imports in Latin America confirms, the notion of a national product is in fact an »almost infinitely plastic concept«.27 Both »Chinese« and »foreign« were flexible constructs. The definition of foreign could vary over time in order to stigmatize specific commodities, companies, and consumers (for instance, two extreme periods of hostility toward anything identified as »Western« occurred during the Boxer Uprising, 1899-1901, and the Cultural Revolution, 1966-1976). In the controversy over »authentic styles« for Chinese men and women, movement advocates opposed certain clothing fashions not because the styles originated outside China but because they were made without (or with too few of) the four critical ingredients of a national product: raw material, labor, management, and capital. Indeed, traditional Chinese clothing was susceptible to the same scrutiny and action, whereas goods of Western invention might be worn without censure provided such commodities met the movement’s production standards. The movement eventually enshrined these standards in a seven-tier classification scheme of product purity based on the percentage of domestic content in each of the four categories. This attempt to draw sharp distinctions between foreign and domestic products is not unique to China and is common today. »National cultural content« regulations are routinely used throughout the world to preserve national identities (often, to resist »Americanization«). France, for instance, requires movie theaters to reserve 20 weeks of screen time per year for domestic feature films. Similarly, Australia demands that domestic programming occupy 55 percent of the television schedule. And in Canada, 35 percent of the daytime play list of radio stations must be devoted to 27 | Benjamin S. Orlove/Arnold J. Bauer, Giving Importance to Imports, in: Benjamin S. Orlove, ed., The Allure of the Foreign: Imported Goods in Postcolonial Latin America, Ann Arbor 1997, 1-29, 13.

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Canadian content. In the Canadian case, music with »Canadian content« is defined not with respect to form, instrumentation, or lyrical content but according to its conditions of production, a direct parallel to definitions of national products in China considered here. »Canadian« songs are composed, written, and played by Canadians; presumably the subject matter or message of the song is unrestricted.28 Similarly, within the National Products Movement, national product-brand tuxedos and electric fans qualified as perfectly »Chinese.« This recognition of the complexity of commodities is not new. As Karl Marx famously observed, analyzing them reveals that they are actually »a very queer thing, abounding in metaphysical subtleties and theological niceties«.29 Of course, Marx and, later, Chinese Marxists »defetishized« commodities and criticized capitalism and imperialism by arguing that commodities presented social relations between people as relations between things, thereby facilitating the alienation of workers and products.30 For Marxists, labor is the pre-eminent meaning of commodities. Chinese Marxists, in fact, had more in common with movement business people than might at first be imagined. Both focused on production. But movement supporters emphasized that the provenance of production, not the individual labor involved in production, was of paramount importance as a unifying principle of a people (»Consumers of the Chinese nation unite!«). In essence, Chinese Marxists aided the movement in the 1920s and 1930s by promoting the elimination of what they considered the concrete manifestation of imperialism in China: foreign commodities. The business and government leaders involved in the movement did not return the favor; they asserted that »labor« and »capital« should »cooperate« (laozi 28 | On the problem of determining »nationality,« see Anthony DePalma, It Isn’t So Simple to Be Canadian: Tough Rules Protecting the Culture Make for Confusion and Surprises, in: New York Times, July 14, 1999, B1-2. For example, non-Canadian Lenny Kravitz’s song American Woman is considered more Canadian than Canadian singer Celine Dion’s My Heart Will Go On. In contrast to Dion’s song, Canadians wrote the lyrics and composed the music for American Woman. 29 | Karl Marx, Capital: A Critique of Political Economy, vol. 1, New York, 1967, 71. 30 | See Sut Jhally, The Codes of Advertising: Fetishism and the Political Economy of Meaning in the Consumer Society, New York 1990, 24-63.

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hezuo) in the interests of developing the national economy. Strikes were »unpatriotic.« There are clearly countless possible meanings that can be assigned to commodities. Today various social movements have sought to elevate other concerns to a position of pre-eminence in the marketplace.31 For example, the environmental movement promotes the notion of ecological impact as the chief meaning of commodities. Environmentalists stigmatize manufacturers (and consumers) that undermine their agenda. Similarly, the civil rights movement in the United States adopted slogans such as »Don’t buy where you can’t work« to promote racial equality through consumer boycotts. When Americans became concerned that there was a »glass ceiling« for women at major companies, John Kenneth Galbraith created a fictional character who promoted the idea of disclosing the »female executive content« on all product labels.32 In contrast to these and all other conceivable criteria, proponents of the National Products Movement claimed to uncover a different but truly preeminent meaning of commodities: nationality. Its advocates attempted to convince consumers that products – like Chinese consumers themselves (indeed, like consumers of any country) – had essential or inalienable national identities. The movement insisted that wealthy and powerful nations in the industrial West as well as Japan had already established the supremacy of product nationality. In classic hegemonic fashion, the movement, like the social movements just cited, advanced a universalistic claim. Ironically, the movement’s claim functioned to particularize the world.

B R ANDING AND THE L EGACIES OF E CONOMIC N ATIONALISM TODAY The legacies of the National Products Movement are visible today. A hundred years ago, during the early years of the movement, China struggled to catch up as a global manufacturing superpower. Mission accomplished. Now the Chinese recognize that in the »post-industrial« reign of »service 31 | See Monroe Friedman, Consumer Boycotts: Effecting Change Through the Marketplace and the Media, New York 1999. 32 | John Kenneth Galbraith, A Tenured Professor: A Novel, Boston 1990.

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economies,« their country needs to become a branding superpower. Chinese government and business leaders view domestic ownership of global brands and intellectual property as symbolic of national wealth and power, the economic equivalent of hosting the Olympics but much more permanent. China wants its own domestic companies to join the list of prominent global brands associated with powerful countries such as the United States (McDonald’s, Microsoft, Apple, Boeing, Starbucks, Google), Germany (BMW), Japan (Honda, Nintendo, Sony), and Korea (LG, Samsung). Moreover, the government wants to develop competitive brands across the spectrum of consumer products and services, including hightech consumer electronics (such as Midea headquartered in Shunde near Hong Kong), and to revive »established brands« in traditional areas such as medicine (Tongrentang). This push to create Chinese-owned brands also applies to the service sector, where the Ministry of Commerce has set ambitious targets, including developing 100 restaurant brands, 50 famous hotel brands, and prominent brands in the beauty, laundry, and home service industries.33 To help accomplish these goals, state policies have promoted the creation of large-scale, horizontally integrated multinational corporations to compete against foreign multinationals. In the 1990s, the state selected a »national team« of 120 industrial groups to receive state assistance, and it promoted 925 top domestic brands. The conglomerates behind the brands include the energy giants Sinopec and CNPC, Sanjiu and Dongbei in pharmaceuticals, Dongfang in power equipment, Yiqi and Erqi in automobiles, Shougang and Baogang in steel, and Datong, and Shenhua in coal mining.34 In 2002, the Chinese state further strengthened its control over large companies by creating the very powerful if infelicitously named State Assets Supervision and Administration Council (SASAC). SASAC owns and runs over 150 enormous corporations, including eight of the fourteen mainland Chinese enterprises listed on the Fortune 500. Where China once invited in foreign investors with its Open Door Policy, since the early 1990s, it 33 | China’s established brands: Beijing has the most, in: Beijing yule xinbao, Oct. 08, 2006. 34 | An Li, A Gathering for 925 Products, in: Zhongguo zhiliang yu pinpai, 2006, Issue 1; Cambridge University management professor Peter Nolan has written extensively on the subject of China’s »national team.« See, for instance: China and the Global Economy, New York, 2001.

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has also been laying the groundwork for these new Chinese conglomerates to exit through that door. For instance, the Chinese government has used SASAC to entice them to »go global« with favorable policies, including the abolition of foreign currency restrictions for overseas investment.35 China intends to remake the perception of Chinese brands and, hence of China itself, around the globe through these new, internationally prominent brands. The effects of the Chinese government’s pressure on the nation’s biggest companies to sell more branded products abroad is most visible in developing markets, where the Chinese already sell branded appliances, consumer electronics, and even automobiles. One can find Chinesemade Geely cars even on the streets of Havana, where there are reports that Cuban Communist Party officials have switched their allegiance from solidly built old Russian Ladas to new-model Geelys.36 These initiatives are simply a dry run for competition in developed markets. China’s biggest appliance maker, Haier, already sells small refrigerators under its own name in the US and plans to popularize its fullsize refrigerators next. It is also aggressively trying to acquire established white goods brands, including a failed attempt to buy Maytag in 2005 and a subsequent effort to buy established brands, including GE’s white goods division.37 In a country where after-sales service had disappeared under Mao, Haier has attempted to brand itself as a leader in customer service, differentiating themselves from their rivals with its slogan, »Phone up for immediate repairs, 24 hours a day.« They have tried to also extend this branding abroad, arguing that the company is a »local« in each country where it operates. Although international pressure and its entry into the World Trade Organization (WTO) in 2001 forced China’s leaders to remove formal barriers to foreign products, this hasn’t stopped them from playing both a 35 | Paola Bellabona/Francesca Spigarelli, Moving from Open Door to Go Global: China Goes on the World Stage, in: International Journal of Chinese Culture and Management 1/1 (2007), 93-108; SASAC Director Li Rongrong, Only the Best State-Owned Enterprises Should Make Acquisitions in Europe and the United States, in: Zhongguo zhengquan bao, Sept. 27, 2008. 36 | E. Israel, Sturdy Lada Faces a Rival for Cuban Affection, in: International Herald Tribune, Sept. 30, 2009. 37 | Paul Gao/Jonathan R. Woetzel/Yibing Wu, Can Chinese Brands Make it Abroad?, in: The McKinsey Quarterly, 2004 Special Edition: Global directions.

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direct and indirect role in promoting brand nationalism. For instance, in 2003 the former chief negotiator in China’s efforts to join the WTO, Long Yongtu, claimed that encouraging Chinese consumers to purchase Chinese products »will violate neither the WTO rules nor the market economic rules.« Chinese entrepreneurs routinely express a similar sentiment. According to underwear manufacturer Zhou Xiaoning of the Zhongke Group, domestic brand consciousness is critical to Chinese economic development: »Without the recognition of domestic consumers, how can China brands grow and mature?«38 Likewise, in the summer of 2008, the national government even incorporated the establishment, protection, and management of national brands into its National Strategy.39 Although accepting WTO restrictions ostensibly promises a level playing field for foreign products in China, Chinese leaders continue to use government policies to create non-tariff barriers to foreign trade. For example, the China National Tobacco Corp (CNTC), a government monopoly, still controls 90 percent of the domestic cigarette market, helped by non-tariff barriers such as the regulations governing new cigarette factories, limits on the number of sales offices, and provincial-level quotas to preserve its market share. Successful foreign brands, most notably Philip Morris’ Marlboro, are allowed to enter the market only by producing their branded cigarettes at CNTC-affiliated factories. These »partnerships« allow CNTC to limit competition, acquire new technology, leverage a high-profile international brand, and gain access to overseas markets.40 And these barriers can also be erected at the local and provincial level. One county in China made international news for trying to raise revenue by requiring its officials to smoke only local brands or face fines. And each administrative unit was assigned a minimum number of cartons to consume.41 38 | Official: Consumption of Chinese Products Should Be Encouraged, in: China Daily, Sept. 19, 2003. 39 | The Guiding Principle of National Intellectual Property Strategy, http://baike. baidu.com/view/1736822.htm (June 05, 2008). 40 | Matt Young, Marlboro Country’s Borderline with China, in: Asia Times, March 10, 2006. 41 | Clifford Coonan, Chinese Workers Urged to Puff up Economy by Smoking, in: Irish Times, May 05, 2009; on complementary efforts to limit foreign cigarettes, see Wang Jizhou, Tobacco Monopoly Faces the Impact of International Competition, in: Kaifang chao, August 2003.

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Government-sponsored promotion of Chinese brand consciousness has also included setting up new mechanisms to help domestic consumers identify Chinese products among the torrent of brands now available. In anticipation of stiff foreign competition after entry to the WTO, the State General Administration for Quality Supervision and Inspection and Quarantine, China’s watchdog for product quality, set up a »China brand name strategy promotion commission« and awarded 57 brands from 45 enterprises the title of »China’s Top Brand.« The goal was to alert Chinese consumers to high-quality domestic brands.42 In a move reminiscent of China’s anti-imperialist economic nationalist campaigns of the early twentieth century, the government now organizes exhibitions for »established brands« (laozihao) to increase national brand awareness among consumers. The difference between the national products movement then and the aspirations to build internationally competitive brands now is state power. Then, the Chinese state was at times virtually non-existent and other times hamstrung by treaties. Now, formal WTO obligations not withstanding, the country has and intends to use its leverage. WTO membership was often heralded as the quintessential symbol of the demise of economic nationalism, something that would create a »flat world« wherein borders and nationalities finally surrendered to the economics of competitive advantage. Ironically, though, the obligations of WTO membership have actually helped push China toward a newer, more sophisticated form of economic nationalism centered on brands.

42 | 45 Businesses Scoop Top Brand Gongs, in: Xinhua, Sept. 03, 2001.

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Luxuskonsum als Herausforderung Nationalisierung im Japan der frühen Nachkriegszeit Katrin Gengenbach

»Luxus ist der Feind« der japanischen Nation – so hatte es die japanische Militärregierung Anfang des Pazifischen Krieges als Teil der Rationalisierungsmaßnahmen beschlossen. Luxusgüter, vor allem Metallgegenstände und fast alle Textilien, aber ebenso die Dauerwelle und Kosmetika wurden bis zur Kriegsniederlage 1945 verboten.1 Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie in der frühen Nachkriegszeit Luxus gleichzeitig weiterhin ein Feind der Nation, aber auch nationalisierende Triebfeder werden konnte. Bis weit in die 1950er Jahre wurden Konsumenten eher als Untertanen gesehen, die man zum Konsum erziehen musste, denn als eigenständige soziale und politische Akteure. Das änderte sich erst gegen Ende des Jahrzehnts, nachdem das Wirtschaftsweißbuch schon 1956 verkündet hatte: »Die Nachkriegszeit ist zu Ende«.2 Die Periode von 1945 bis 1959 war eine Zeit struktureller Spannungen und widersprüchlicher Lebensentwürfe. Sie wird immer noch als eine Phase des Übergangs zu politischer, kultureller und wirtschaftlicher Stabilität gesehen, die mit dem anbrechenden »Wirtschaftswunder« zu Ende ging, selbst über keine charakteristischen Merkmale verfügt und in der Konsum angesichts des herrschenden Mangels kaum stattfand. Die Umbruchphase 1 | Sheldon Garon, Luxury is the Enemy: Mobilising Savings and Popularising Thrift in Wartime Japan, in: Journal of Japanese Studies 26/1 (2000), 41-78. 2 | Keizai Kikaku Ky ōkai, Sh ōwa 31-nen dohan keizai hakusho [Witschaftsweißbuch 1956]. Kabinettsbüro der Japanischen Regierung, Finanzministerium, Tokio 1994. http://wp.cao.go.jp/cgi/WpMain.cgi?CHK_FILE=WP_NML_SEARCH.htm (23.05.2010).

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ist so als »dunkles Tal« (kurai tanima)3 gesellschaftlicher Unordnung und sozialer Instabilität in die kollektive Erinnerung eingeschrieben. Diese Einschätzung dominierte lange Zeit auch die wissenschaftliche Analyse, sodass weder Konsum noch soziale Distinktion in der Forschung über die Nachkriegsjahre eine wichtige Rolle spielten. In den späten 1950er Jahren zeichnete sich eine neue Formation der japanischen Gesellschaft ab: Zusammen mit dem Ideal eines »hellen Lebens« (akarui seikatsu) versprach das Modell einer allumfassenden Mittelschicht einen besseren Zugang zu Arbeit, Bildung und Komfort im Haushalt – wenngleich vorerst nur eine Minderheit diesen Lebensstil wirklich genießen konnte.4 Die ›goldenen‹ Jahre der Shōwa-Zeit (1955-1965) sind für viele immer noch mit der nostalgischen Erinnerung an Kühlschrank, Waschmaschine und Fernsehapparat verknüpft. Diese Konsumgüter gelten in Anspielung auf die Trias aus Schwert, Spiegel und Juwel, die Symbole der Kaiserfamilie, als die »drei heiligen Insignien«. Sie verkörpern das »kulturelle Leben« (bunka seikatsu) und den sozialen Aufstieg der Mittelschicht. Die späte Nachkriegszeit war auch jene Phase, in der das neotraditionelle Rollenmodell der Hausfrau als Konsumentin und des männlichen Angestellten als Produzenten endgültig zum gesellschaftlichen Ideal wurde. Die bisherige Sicht der ›hellen‹ Nachkriegszeit hat jedoch in den letzten Jahren eine Umdeutung erfahren, zumal das Modell der homogenen Mittelklasse in den 1990er Jahren als Folge der langen Rezession zusammengebrochen ist. So sehen kritische Sozial- und Kulturwissenschaftler wie Iwasaki Minoru5 und Yoshimi Shun’ya6 die frühen Nachkriegsjahre nun nicht mehr nur als Phase der Identitätskrise oder des Übergangs, sondern vor allem auch als zentralen Ausgangspunkt für die Entstehung und Neudefinition sozialer Räume in der japanischen Gesellschaft. Die späten 1940er und die 1950er Jahre werden als ›experimentelle‹ Phase von hoher 3 | Thomas R. Havens, Valley of Darkness: The Japanese People and World War Two, New York 1978. 4 | Andrew Gordon, Consumption, Leisure and the Middle Class in Transwar Japan, in: Social Science Japan Journal 10/1 (2007), 1-21. 5 | In diesem Beitrag werden japanische Nachnamen nach japanischer Schreibweise vor dem Vornamen genannt. 6 | Vgl. Iwasaki Minoru u.a., Hg., Sengo Nihon sutad īsu I: 40-50-nendai [Nachkriegsjapan-Studien, Band I, 1940-1950], Tokio 2009.

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sozialer und kultureller Aktivität verstanden; als Zeit einer intensiven Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Entwürfen für die Nation und für die individuelle Lebensführung, bevor sich mit dem Wirtschaftswachstum die Erzählung einer homogenen Nation durchsetzte.7 Besonders im Bereich des Alltagskonsums, und hier wiederum der Kleidung, wurde deutlich, dass Luxus nicht nur soziale Distinktion ermöglichte, sondern auch Rollenmodelle herausgefordert wurden. Die Nachkriegszeit bis Ende der 1950er Jahre galt als eine regelrechte »Ära der Kleidung«8 . Durch den Mangel an Textilien für die breite Bevölkerung, die Dynamiken des Schwarzmarktes und den sensationellen internationalen Erfolg des New Look von Christian Dior wurde Kleidung zum viel diskutierten kulturellen Phänomen. Frauen eröffneten sich über Produktion und Konsum von Kleidung Möglichkeiten, eigene Identitäten zu schaffen, die sich am propagierten Modell der Mittelschichtsnation rieben. Um die Mittelschicht für die Bürger als ansprechendes Modell durchzusetzen, war es notwendig, Armut und Luxus als seine Gegenpole zu bestimmen. Im Luxuskonsum kreuzten einander in der »Ära der Kleidung« vier soziale Phänomene: der Schwarzmarkt, die Neureichen, die staatliche Konsumregulation und die neuen Formen von Arbeit und Konsum. Angesichts des allgemein herrschenden Mangels wurde das Thema Kleidung nicht nur in Frauenzeitschriften, sondern auch regelmäßig in Tageszeitungen und von vielen Intellektuellen als gesellschaftliches Problem von nationaler Tragweite diskutiert. Akteure waren vorwiegend Frauen: als Konsumentinnen wie als Produzentinnen. Das Modedesign wurde in Japan bis in die späten 1960er Jahre fast ausschließlich von Frauen dominiert. Sie waren es auch, die Haute Couture als Symbol für individuelle Freiheit und Demokratie einsetzten. Wie auch im Nachkriegsdeutschland wurden in Japan auf Luxuskonsum nicht nur soziale Ängste in einem Spannungsfeld zwischen der Amerikanisierung des Konsums und nationalen Interessen projiziert. Luxus wurde so zu einem wesentlichen Referenzpunkt

7 | Vgl. dazu Tsurumi Shunsuke, A Cultural History of Postwar Japan, London/ New York 1984; Iwasaki, Sengo. 8 | Kat ō Hidetoshi, Fasshon kara terebi made. Shōhi b ūmu [Von Mode zum Fernsehen. Der Konsum-Boom], in: Asahi J ānaru 20 (1966), 74-78.

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für Diskussionen über den Status, den Konsum in der japanischen Nachkriegsgesellschaft haben sollte.9

D IE N ACHKRIEGSZEIT ALS D EBAT TE UM EINE N EUORIENTIERUNG Nachdem Japan den Krieg verloren hatte, wurden nicht nur der gesamte soziale und kulturelle Rahmen der Vorkriegszeit diskreditiert, sondern gänzlich als »abweichende Moderne (deviant modernity)« negiert.10 Im Mittelpunkt stand nun der Ausbau eines neuen »Kulturstaats« (bunka kokka), der mit jener ›vormodernen‹ Vergangenheit vor dem Krieg abschließen wollte. Die abweichende Moderne wurde jedoch bei jeder Gelegenheit in den Medien, in der Politik und im Alltagsleben auf die Veränderungen der Nachkriegsjahre projiziert und eine Kontinuität der ›Dunkelheit‹ diagnostiziert.11 Die militaristische Vergangenheit war so mit der ›dunklen‹ Nachkriegsgeschichte und den Erfahrungen von Mangel und Armut, Schwarzmarkt und Chaos, aber vor allem mit der amerikanischen Besatzungszeit bis 1952 verbunden. Um die soziale Ordnung für ein »helles Leben« herzustellen, knüpfte man an das Konsummodell der Mittelschichten der frühen 1930er Jahre an, führte aber auch Debatten über einen disziplinierten Konsum und gegen die Übernahme des amerikanischen Konsumismus.12 Bei der Diskussion um den Aufbau des Kulturstaats ging es um die Massenkonsumgesellschaft und eine teilweise Übernahme des »American way of life« als Demokratieversprechen. In Japan hatte man Konsum bislang hingegen meist mit Aufrufen zum Sparen für das Wohlergehen der Nation 9 | Erica Carter, Deviant Pleasures? Women, Melodrama, and Consumer Nationalism in West Germany, in: Victoria DeGrazia/Ellen Furlough, Hg., The Sex of Things: Gender and Consumption in Historical Perspective. Berkeley/Los Angeles 1996, 359-380, hier 374ff. 10 | Carol Gluck, The Past in the Present, in: Andrew Gordon, Hg., Postwar Japan as History, Berkeley u.a. 1993, 64-95, hier 80. 11 | Vgl. Yoshimi Shun’ya, Shin-bei to han-bei Sengo Nihon no seiji-teki mu-ishiki [Pro Amerika, Kontra Amerika. Das fehlende politische Bewusstsein im Nachkriegsjapan], Tokio 2007. 12 | Yoshimi Shun’ya, »Made in Japan« – The Cultural Politics of »Home Electrification« in Postwar Japan, in: Media, Culture & Society 21/2 (1999), 149-171.

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in Zusammenhang gebracht. Der Kapitalismus sollte durch die patriotisch motivierte Spargesinnung in Schranken gehalten werden. Vor dem wirtschaftlichen Boom des Jahres 1959 war die japanische Gesellschaft allerdings weit entfernt davon, die Versprechen von Freiheit und Gleichheit, die das Modell der »citizen consumer’s republic« mit sich brachte, einzulösen.13 Da die japanische Wirtschaft von den Alliierten, anders als Europa, nicht durch groß angelegte Hilfsprogramme wie dem Marshallplan unterstützt wurde, sondern die Inflationsspirale der 1940er Jahre erst durch die Sonderleistungen für den Korea-Krieg (1950-1953) aufgehalten werden konnte, musste bis Ende der 1950er Jahre ein niedriger Lebensstandard akzeptiert werden.14 Die Konsumgüterindustrie existierte bis 1950 fast nicht; die meisten Haushalte konnten sich kaum mehr als die notwendigen Güter, vor allem Nahrungsmittel, anschaffen. Personen, die über das Nötigste hinaus konsumierten und nicht sparten, wurden als ›Antagonisten‹ entweder dem amerikanischen Materialismus oder den ›dunklen‹ sozialen Praktiken des Luxuskonsums zugeordnet. Dabei eröffneten die Identitätskrise und die Begegnung mit der amerikanischen Kultur als »direktem Anderen« auch neue Möglichkeiten für die Identifikation und das Kennenlernen von Konsumpraktiken. »Amerika« wurde zum Symbol sowohl für eine »allgegenwärtige Macht im Alltagsleben der Menschen«15 als auch für das Begehren nach neuen, ›hellen‹ Lebensstilen, die das Gegenteil zur Armut der japanischen Bevölkerung darstellten. Die Repräsentationen des »Westens« und der Aufbau einer nationalen Konsumgesellschaft brachte die Konsumenten dazu, sich sowohl zwischen den Extremen Amerika und Japan als auch zwischen Luxus und Armut zu positionieren. 13 | Lizabeth Cohen, The Consumer’s Republic: An American Model for the World? In: Andrew Gordon/Patricia E. Maclachlan, Hg., The Ambivalent Consumer. Questioning Consumption in East Asia and the West, Ithaca (NY) 2006, 4562, hier 62. 14 | Yanagi Yōko, Fasshon-ka shakai no seiritsu [Die Entstehung einer modisch werdenden Gesellschaft], in: Minami Hiroshi et al., Hg., Shōwa bunka, 19451989 [Sh ōwa-Kultur, 1945-1989], Tokio 1990, 33-55, hier 33ff. 15 | Yoshimi Shun’ya, What Does »American« Mean in Postwar Japan?, in: Nanzan Review of American Studies 30 (2008), 83-87, hier 84, www.nanzan-u.ac.jp/ AMERICA/kanko/documents/14YOSHIMI.pdf (25.08.2010).

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L UXUS ALS SOZIALER M ARKER Konsumgüter, vor allem die der ehemals gewinnbringenden internationalen Textil- und Seidenindustrie, konnten in der frühen Nachkriegszeit kaum hergestellt werden. Sie standen der Bevölkerung zwar schon während des Korea-Kriegs in geringen Mengen zur Verfügung, wurden für die breite Masse aber erst nach dem einsetzenden Konsum-Boom von 1959 angeboten. Da die offene Diskussion um Luxus verpönt war und die Demokratisierung des Konsumierens im Vordergrund stand, musste der Warenkonsum den Attributen von Demokratie, Gleichheit, Rationalität und Kultur entsprechen. Konsummöglichkeiten eröffneten sich meist nur für die Angestellten der neuen Mittelschicht. Sie verdienten das Sechsfache der Arbeiter und Landwirte, deren Einkommen bis Ende der 1950er Jahre nur knapp über der Armutsgrenze lag.16 Luxus darf nicht nur als das Korrelat eines spezifischen Mangels verstanden werden, sondern ist auch das Bestreben derjenigen, die sich Luxuskonsum erlauben, eine Unabhängigkeit von Normen und Werten auszudrücken, die in der Alltagspraxis Geltung besitzen. Was jeweils als Luxus zu betrachten ist, wird dabei von den verschiedenen Klassen und Schichten mit unterschiedlichen Kriterien definiert, um ihn als Distinktionsmerkmal einzusetzen.17 Wesentliche Merkmale von Luxusgütern sind eine beschränkte Verfügbarkeit (aufgrund hoher Preise oder gesetzlicher Regulative) und die Komplexität von Ge- und Verbrauch, welche Exklusivität erzeugt. Mit Hilfe von Luxusgütern lässt sich daher ein sozial distinktives Wissen darüber signalisieren, wie sie »angemessen« zu konsumieren sind.18 In der japanischen Nachkriegsgesellschaft war man einerseits bemüht Luxus abzuschaffen, indem uneingeschränkter Konsum als ›dunkle‹ Pra16 | Das Durchschnittseinkommen männlicher Arbeiter lag 1950 bei 35.000 Yen. Simon Partner, Manufacturing Desire: The Electrical Lifestyle and the Nurturing of the Japanese Consumer, in: Social Science Japan Newsletter 12/3 (1998), 21-23. 17 | Ina Merkel, Luxus im Sozialismus? Eine widersinnige Fragestellung? in: Reinhold Reith/Thorsten Meyer, Hg., »Luxus und Konsum«. Eine historische Annäherung, Münster u.a. 2003, 221-236, hier 222. 18 | Arjun Appadurai, Introduction: Commodities and the Politics of Value, in: id., Hg., The Social Life of Things: Commodities in Cultural Perspective, Cambridge 1986, 3-63, hier 38.

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xis des Schwarzmarkts und der Neureichen etikettiert wurde. Andererseits wurden bestimmte Luxusgüter als zu demokratisierende Kulturgüter markiert, die allen Japanern zugänglich gemacht werden sollten, denn damit konnte man die Etablierung von nationalen Herstellern fördern. Diese beiden gegenläufigen Strategien riefen Spannungen hervor und warfen die Frage auf, was ein der japanischen Gesellschaft angemessener Konsum wäre. Der Staat und andere Kulturinstitutionen propagierten eine ›neue‹ japanische Kultur auf der Grundlage »amerikanischer Wohn- und Küchenkultur«19 . Das implizierte eine Abwertung der gesamten japanischen Tradition und Hochkultur als ›vormodern‹ und ließ unterschiedliche Akteure der oberen Schichten, marxistisch geprägte Soziologen, Kulturkritiker und -schaffende gleichermaßen einen Werteverlust fürchten. Die Konsumgüter der neuen Mittelschichten schienen verdächtig.20 Ein Luxusgut liegt per definitionem außerhalb des Massenkonsums und verliert diesen Status, wenn es allgemein verfügbar wird. Dabei kann sich allerdings auch sein Image verändern. Zuvor ein Zeichen von korrumpierter Moral, wandelt es sich zu einer positiv bewerteten Annehmlichkeit. Es wird zu einem Gebrauchsgut (decency oder commodity) »demokratisiert«.21 Auch in Japan wurden Luxuswaren, deren Konsum der Staat im Rahmen von Wirtschafts- und Industrieförderung heben wollte, zu idealen Kulturgütern erklärt. Es wurde unterschieden zwischen einem öffentlichen, demonstrativen Konsum, den man negativ beurteilte, und einem auf das eigene Heim orientierten Konsum, den man massiv befürwortete. Vor allem elektrische Haushaltsgüter eigneten sich als Symbole des ›guten‹ Luxuskonsums, da sie sich mit Rationalität, Nützlichkeit und moralischer Integrität verknüpfen ließen.22

19 | Takata Hiroatsu, »Nihon-bi« Pari ni hikaru. Sunahara Michiko no »batafurai« monogatari [In Paris scheint die »japanische Schönheit«. Sunahara Michikos »Butterfly«-Geschichte], in: Bungei Shunj ū 27/2 (1953), 228-234. 20 | Kat ō Hidetoshi, Chūkan bunka-ron [Über die Kultur der Mittelschicht], in: Ch ūō K ōron 72/3 (1957), 252-261. 21 | Rainer Beck, Luxus oder Decencies? Zur Konsumgeschichte der Frühneuzeit als Beginn der Moderne, in: Reith/Meyer, Luxus, 29-46, hier 37f. 22 | Vgl. dazu den Rückzug ins komfortabel eingerichtete Eigenheim in den 1960ern: Ezra F. Vogel, Japan’s New Middle Class. The Salary Man and his Family in a Tokyo Suburb, Berkeley u.a. 1971, 279ff.

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Die Trennung zwischen ›schlechtem‹ und ›gutem‹ Luxus wurde nicht nur unter den Produkten selbst vollzogen, auch die Räume ihrer Herstellung und ihres Konsums wurden solcherart geschieden. Demonstrativen und exzessiven Konsum nannte man oft in einem Atemzug mit Verarmung und gesellschaftlicher Korruption. Er polarisierte auch in der Debatte um soziale Ungleichheit und den damit in Verbindung gebrachten amerikanischen Kapitalismus. Umgekehrt wurde der private Konsum von Kühlschränken und Waschmaschinen als Zeichen von Geschmack legitimiert und sollte helfen, die Hausarbeit zu »verfeinern«. Außerdem wurde hervorgehoben, dass es sich um Gebrauchsgüter handelte, die nationale Hersteller erzeugt hatten, auch um das konsumierende nationale Subjekt näher an die Idee der »Kulturnation« zu binden.23

D ER S CHWARZMARK T ALS S YMBOL EINES VERFEHLTEN K ONSUMVERHALTENS Konsumpraktiken wurden in den ersten Nachkriegsjahren meist außerhalb der üblichen Orte des Konsums entwickelt. Der Schwarzmarkt, betrieben von organisierten Gruppen, Gangs und Schiebern, den sogenannten »Brokern« (burōkā), war seit Anfang des Krieges der Hauptschauplatz, wenn nicht der einzige Ort des Konsums. Später bestimmte er größtenteils die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen der Alliierten und der japanischen Kampagnen gegen Inflation und Korruption. Die Marktplätze waren meist unter hochgeführten Bahntrassen oder als Straßenstände in engen Passagen angesiedelt. Die wichtigsten Märkte Tokios befanden sich an Bahnstationen im Osten und Westen und prägten bis Mitte der 1950er Jahre das Alltagsleben. Broker handelten nicht nur dort, sondern auch in den Fischer- und Bauerndörfern entlang der Bahnlinien und an den Stationierungsorten der US-Truppen. Der wichtigste Umschlagplatz befand sich auf der ehemaligen, westlich geprägten Einkaufsstraße der Ginza mitten in Tokio, auf der nicht nur der Post Exchange (PX) und mehrere Geschäfte für Auslandswaren angesiedelt waren, mit denen schwarz gehandelt wurde, sondern auch die Recreation and Amusement Association (RAA), eine

23 | Vgl. Christopher J. Berry, The Idea of Luxury: A Conceptual and Historical Investigation, Cambridge 1994, 22ff.

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Einrichtung von japanischer Seite, die Hostessen-Clubs, Strip-Bars und Cabarets zum Vergnügen der Besatzungsmacht anbot.24

Abb. 1: Schwarzmarkthändler in Asakusa. Viele der Textilien wurden direkt neben oder hinter großen Kaufhäusern verkauft oder sogar in Spielhallen »erworben« und bestanden meist zur Hälfte aus den offiziellen Rationen, die ursprünglich den legalen Geschäften zugeteilt worden waren. (John W. Bennett, Enterprising Marketeers, in: Doing Photography and Social Research in the Allied Occupation of Japan, 1948-1951, http://library.osu.edu/sites/rarebooks/ japan/index.html, 20.02.2011) Der Schwarzmarkt bekam noch einmal Aufwind, als die zwecks Inflationsbekämpfung durchgeführte Währungsreform 1946 nicht nur eine katastrophale Umtauschaktion mit sich brachte, sondern auch die Konten von bestehenden Betrieben und Geschäften eingefroren wurden. Die Reform spielte den Neuen Yen fast ausschließlich in die Hände des Schwarzmarkts und der Broker, die damit zu den Neureichen und der »Klasse des 24 | In den Post Exchanges (PX) der US-Armee werden ausschließlich amerikanische Waren und Haushaltsgüter für die im Ausland stationierten Soldaten angeboten. Ausländer haben nur bedingt Zutritt. Vgl. Ino Kenji, Hg., T ōky ō yami-ichi k ōb ō-shi [Geschichte von Aufstieg und Fall des Tokioter Schwarzmarktes], Tokio 1999; Yoshimi, Shin-bei.

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Neuen Yen« (shin’en kaikyū) aufstiegen. 1947 ergab eine Umfrage, dass der Schwarzmarkt über mehr als ein Drittel der neuen Währung verfügte. Weitere fast zwanzig Prozent waren in Händen der Unternehmen und Manufakturen von »Neu-Yen-Neureichen«, die städtischen Konsumenten verfügten hingegen über weniger als zehn Prozent. Kaufkraft besaßen bis Mitte der 1950er Jahre demnach nicht die ›normalen‹ Bürger.25 Diejenigen, die sich mit dem Neuen Yen bereichert hatten, investierten meist in das vielversprechende Exportgeschäft der Textilmanufakturen. Bereits 1948 zahlte sich das für die meisten Broker aus. Viele von ihnen rangierten nun auf dem Millionärsindex26 ganz oben und wurden damit nicht nur zum wirtschaftlichen, sondern auch zum politischen Problem. Der Index löste eine regelrechte Moralpanik aus, denn er verzeichnete fast hundert neue Millionäre. Zwanzig davon waren im Textilgeschäft tätig. Sie besaßen Webereien oder Ledermanufakturen und produzierten zum Großteil für die Alliierten.27 Die Neureichen artikulierten nicht nur neue Werte, sondern stellten auch die alten in Frage. Sie gerieten so in die Auseinandersetzung um die Amerikanisierung. Der Bezug auf »Amerika« wurde im Luxusdiskurs zum einen als Chiffre für Modernität und Emanzipation eingesetzt, zum anderen ebenso als Inbegriff der verschwenderischen Ausgaben und moralischen Verfehlungen der Neureichen verwendet.28 Da letztere die Einzigen waren, die teure Konsumgüter erwerben konnten, wurden sie von der Öffentlichkeit als Ursache der sozialen Ungleichheit diskreditiert. Jedweder Konsum, der über das Notwendige hinaus ging, wurde als Abweichung 25 | Sh ōwa Keizai-shi, Epis ōdo: Katayotte ita shin’en no yukikata [Episode: Die einseitige Verteilung des Neuen Yen], in: Arisawa Hiromi et al., Hg., Sh ōwa Keizaishi, Tokio 1977, 277. 26 | Der Millionärsindex wurde vom Finanzministerium seit 1947 jährlich für Städte, Präfekturen und ganz Japan herausgegeben. Er umfasste Namen, Beruf und Adresse des Haushaltsvorstands, Vermögen und Besteuerung. Er wurde in jeder regionalen und überregionalen Zeitung veröffentlicht und fungierte so auch als Gesellschaftsspiegel. 27 | Honnen ch ōja banzuke [Diesjähriger Millionärsindex], in: Asahi Shinbun vom 29. Dezember 1949, 2. 28 | Vgl. Yoshimi Shun’ya, Consuming »America« as Symbol, in: Chua Beng-Huat, Hg., Consumption in Asia: Lifestyles and Identitites, London/New York 2000, 200-224.

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von den nationalen Interessen interpretiert. Diese Spannung manifestierte sich auch in der Beschreibung von »lauter« und »amerikanistischer« Kleidung wie den Aloha-Shirts, »die auf dem Schwarzmarkt entstanden«29 . Selbst Kulturattachés und Industriedesigner kritisierten die Modekonsumenten, weil sie sich dem amerikanisierten »Kommerzialismus« (shōgyōshugi) und Kapitalismus in »Schaufenstern und Modeschauen auf der Ginza« unterwürfen.30 Vor allem den Konsumentinnen sprachen sie die Fähigkeit und Bildung ab, sich für Funktionalität und gegen den materialistischen Exzess entscheiden zu können. Modekonsum erschien als Ausdruck eines undemokratischen Verhaltens: Konsumenten machten sich des Luxuskonsums schuldig.

D IE H AUSFR AU ALS › GUTE ‹ K ONSUMENTIN Gegen den ›dunklen‹ Nachkriegsalltag richtete sich eine Kulturpolitik, die Sparkampagnen propagierte, um die Armut der Bevölkerung durch Regulierung exzessiven Konsums zu überwinden. Der rechtschaffene Bürger sollte davon überzeugt werden, dass für das Wohlergehen der Nation weniger, dafür rationaler und ›richtig‹ konsumiert werden sollte. Als nationales Symbol der neuen Mittelschicht galten elektrische Haushaltsgüter. Die Regierung unterstützte den Aufbau der entsprechenden Industriezweige. Elektronikkonzerne wie Matsushita (Panasonic) hatten bereits in den 1930er Jahren die Verallgemeinerung von Wohlstand als Schlüssel zum Massenabsatz begriffen und arbeiteten eng mit dem Staat zusammen, um das »Heim zu elektrifizieren«. Außerdem wurden inländische Produkte und Designwaren durch das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) großzügig unterstützt, das bis in die 1960er Jahre wie kein anderes Ministerium die japanische Wirtschaft und Gesellschaft managte.31 Dazu kamen die Home Improvement-Kampagne des Hauptquar29 | Kon Wajir ō, Seikatsu=fukus ō nado no roku-nenkan. Apure=g ēru hakusho [Sechs Jahre Alltagsleben, Kleidung und andere Dinge. Après-guerre-Weißbuch]. In: Fujin Gah ō 427/12 (1952), 67-69. 30 | Katsumi Masaru, Dezain ā no ishiki ni tsuite [Über die Wahrnehmung eines Designers], in: K ōgei News 19/2 (1951), 18. 31 | Vgl. Simon Partner, Assembled in Japan: Electrical Goods and the Making of the Japanese Consumer, Berkeley 1999.

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tiers der amerikanischen Besatzungsmacht (GHQ) und die späteren »Alltagsreform«-Kampagnen. Angesprochen wurden vor allem Hausfrauen, die ihre Haushalte modernisieren sollten: »Improvement of the living status […] serves much for raising the level of culture in Japan.«32 Diese Form der Mobilisierung entsprach auch dem Wunsch vieler Frauen, in der Politik als gesellschaftliche Akteure wahrgenommen zu werden. Hausfrauen- und Verbraucher-Vereine wurden zahlreich gegründet, riefen zur Führung von Haushaltsbüchern auf, um die Ausgaben im Griff zu halten, und versuchten Anliegen des Konsumentenschutzes zu etablieren. Diese Vereine trugen somit freiwillig dazu bei, dass die neo-traditionelle Geschlechterrolle mit ›guten‹ Konsumpraktiken verknüpft wurde, die im nationalen Interesse lagen.33 Die wichtigsten monatlichen Hausfrauenzeitschriften, Fujin Gahō (Galerie der Frau) und Fujin Kōron (Diskurs der Frau), kooperierten mit den staatlichen Sparkampagnen, um die »Existenzgrundlage zu sichern«. Sie trieben damit die Positionierung der Frau als moralisches Zentrum und Kontrollorgan der modernen Angestelltenfamilie voran. Die Zentrierung auf privaten Konsum, Rationalisierung und Sparen als Symbole für Modernität war ein Identitätsangebot, das von vielen Hausfrauen und Müttern angenommen wurde. Primär ging es jedoch nicht um die Durchsetzung von Verbraucherrechten, sondern vielmehr darum, Wirtschaftlichkeit im Haushalt gegen »uneingeschränkten Kapitalismus« in Stellung zu bringen.34 Die Kampagnen zur Elektrifizierung der Haushalte sollten diesen das »helle (kulturelle) Leben« bringen, während sie gleichzeitig die wirtschaftliche Erholung zu einer moralischen Aufgabe der Hausfrau stilisierten.

32 | GHQ/SCAP: Draft for Handbook for Home Demonstration Agents, Government Home Demonstration Section, Sept. 1949-Nov. 1949, in: GHQ/SCAP Records, Box No. 5247, Folder 19, Class 750, Tokio 1949. 33 | Vgl. Garon/MacLachlan, Consumer; vgl. auch Andrew Gordon, Managing the Japanese Household: The New Life Movement in Postwar Japan, in: Social Politics 2 (1997), 245-283. 34 | Patricia L. MacLachlan, The seikatsusha and Consumer Rights: Consumer Movement Activism in Postwar Japanese Society, in: Irmela Hijiya-Kirschnereit, Hg., Japanstudien. Dienstleistung und Konsum in den 1990er Jahren, München 1997, 113-128, hier 117.

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Dieselbe Linie verfolgten die Werbekampagnen der großen Elektrokonzerne in den 1950er Jahren.35 Indem sie Luxus als decencies, als Annehmlichkeiten oder Gebrauchsgüter, umdefinierten, propagierten die Präsidenten der Elektrokonzerne auch Demokratie und soziale Gleichheit. Sie schrieben regelmäßig in Kulturzeitschriften und förderten Vereine, in denen der Handel auf eine »nationale« Linie gebracht wurde, die zur Mehrung des nationalen Wohlstands beitragen sollte.36 Der Panasonic-Gründer Matsushita Kōnosuke37 wurde sogar von der Tageszeitung Asahi Shinbun dafür gefeiert, dass er die Wirtschaft vom »dunklen Schatten« der Neureichen befreite, indem er 1953 den ersten Platz auf dem Millionärsindex einnahm.38 In einem der wenigen Artikel aus dem Jahr 1955, die sich direkt mit Luxus auseinandersetzten, erklärte Iue Toshio39 , der Gründer von Sanyo, dass Luxus zwar noch existiere, aber seine frühere Form verloren habe: »Luxus ist nicht der Feind«40. Iue sah den Trend vom Luxusgut zur decency als Demokratisierung des Konsums, betonte den kulturellen Bildungswert von »nützlichen« Massenwaren und die Wichtigkeit der Qualitätssicherung durch nationale Erzeugung in Japan: »Die Welt entwickelt sich dank der Elektrifizierung ständig weiter. Ich glaube fest daran, dass [nur] das elektrifizierte Leben der Weg zum kulturellen Leben [bunka seikatsu] ist.«41 35 | Vgl. Yoshimi, Japan, 155ff. 36 | Yoshimi, Japan, 156. 37 | Matsushita K ōnosuke (1894-1989) gründete 1918 Matsushita Denki (heute Panasonic) und wurde vor allem im Ausland durch seine japanischen Management-Prinzipien berühmt. Bis zur Umbenennung 2009 wurden Haushaltsgeräte und Glühbirnen in Japan unter dem Namen National verkauft. Panasonic ist immer noch einer der führenden Elektrogerätehersteller weltweit. 38 | Matsushita Denki-shach ō ga ichi-i [Der Präsident von Matsushita Denki steht an der Spitze], in: Asahi Shinbun vom 16. April 1953, 7. 39 | Iue Toshio war der Schwager von Matsushita und gründete Sanyo 1947 als Elektronikunternehmen, das sich 1950 auf Elektrogeräte spezialisierte. Sanyo war vor allem für Radios, Fernsehen und später HiFi-Anlagen bekannt. 2008 wurde das Unternehmen von Panasonic übernommen. 40 | Iue Toshio, Zeitaku wa teki de wa nai: Akarui katei wa denka kara. [Luxus ist nicht der Feind: Der helle Haushalt entsteht durch Elektrifizierung], in: Bungei Shunj ū 11 (1955), 286-289, hier 289. 41 | Iue, Zeitaku, 289.

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Aus der Sicht von Unternehmern wie Iue hieß Demokratisierung des Konsums, dass die Bürger Japans die im eigenen Land hergestellten Mixer, Waschmaschinen und Radios als Kulturgüter erkannten und kauften. Je mehr Geräte im Land hergestellt werden konnten, desto mehr Plausibilität erhielt der Anspruch ihrer Demokratisierung. Allerdings profitierten vor allem die Mittelschichten, deren wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg auch darauf basierte, dass die meisten Konsumgüter bis in die 1960er Jahre von Arbeiterinnen für Billiglöhne und mit geringer sozialer Absicherung angefertigt wurden.42 Die Verbindung aus Haushaltsgeräten und Nation stieß aber schon bei den Zeitgenossen auch auf Widerspruch; Kritiker vermuteten eine kapitalistische Pervertierung der Demokratie. Die Grafikdesignerin Hanamori Yasuji43 diagnostizierte einen Mangel an Geschmack und schädliche Einflüsse des Auslands, sodass »die Leute elektrische Dinge wie Waschmaschinen so sehr wollen, dass es gar kein Bemühen um [echten] Luxus gibt«44 . Der bekannte Publizist Ōya Sōichi45 stellte die ironische Frage, warum eine Gesellschaft ständig Prinzipien wie Freiheit und Demokratie betonen müsse, »nur damit man einen Mixer kaufen kann«.46 Nur wenige Kritiker wie die Feministin Tatewaki Sadayo47 machten schon früh darauf aufmerksam, dass sich die Lebensumstände, Geschlechter- und Arbeits42 | Sheldon Garon, Japan’s Post-War »Consumer Revolution«, or, Striking a »Balance« Between Consumption and Saving, in: John Brewer/Frank Trentmann, Hg., Consuming Cultures, Global Perspectives: Historical Trajectories, Transnational Exchanges, Oxford 2006, 189-218, hier 202f.; zu den Arbeiterinnen vgl. Partner, Assembled, 209ff. 43 | Hanamori Yasuji (1911-1978) war Grafikdesignerin und in der Nachkriegszeit Herausgeberin des eher konservativen Hausfrauenmagazins Kurashi no tech ō [Handbuch fürs Leben]. 44 | Zeitaku (rukkusu) ni tsuite. Zadankai [Rundgespräch: Über Luxus (luxe)]. In: Geijutsu Shinch ō 2/2 (1951), 75-87, hier 77. 45 | Ōya S ōichi (1900-1970) war der einflussreichste Publizist der Vor- und Nachkriegszeit, der durch seine Kritik an der Massenkultur berühmt wurde. 46 | Ōya S ōichi, Nihon no atarashii sedai no tanj ō [Die Geburt einer neuen Generation in Japan], in: ders., Gesammelte Werke, Band 6, Tokio 1981, 130-139, hier 139. 47 | Tatewaki Sadayo (1904-1990) war Marxistin, politische Aktivistin, radikale Feministin und später Historikerin der Frauengeschichte.

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beziehungen außerhalb der privilegierten Mittelklasse nicht automatisch durch die Rationalisierung des Konsums und die Modernisierung der Küchengeräte änderten.48

E RWERBSTÄTIGE F R AUEN UND DE VIANTER K ONSUM Das ideologische Raster der japanischen Mittelschichtsgesellschaft schloss erwerbstätige Frauen aus. Sie galten als ein Risiko, da sie nicht nur den männlichen Angestellten im Service-Sektor Konkurrenz machten, sondern ihren Luxuskonsum, insbesondere bei Mode und Kosmetik, nicht zugunsten eines Haushalts oder einer Familie einschränkten. Viele alleinstehende Frauen hatten indes keine Wahl, als sich ihren Lebensunterhalt durch Arbeiten in typischen Frauenberufen wie Hostess, Kellnerin oder Verkäuferin zu verdienen. Als die intellektuelle Frauenzeitschrift Fujin Kōron 1956 eine Umfrage über die Wünsche von Frauen durchführte, ergab die Studie, dass erwerbstätige Frauen im Service-Sektor weder Interesse an den staatlichen Sparkampagnen noch an Küchengeräten hatten. Auch wenn sie mit ihren niedrigen Löhnen und dem Chauvinismus am Arbeitsplatz zu kämpfen hatten, waren sie mehr an Politik und Selbstverwirklichung interessiert als an der Führung eines Haushaltsbuches.49 Gemäß dieser Erhebung standen Waschmaschinen und Kühlschränke zwar ganz oben auf der Wunschliste von Hausfrauen; erwerbstätige Frauen hingegen begeisterten sich vor allem für Güter, die für sie soziale Mobilität durch Bildung und Erwerbstätigkeit versprachen. Ihr Begehren richtete sich auf Klaviere, Plattenspieler und Nähmaschinen.50 Tatewaki Sadayo sah in diesen jungen Frauen die Protagonisten der neuen Demokratie, da sie gegen die Rollenmuster der frühen Nachkriegszeit rebellierten, auch wenn sie aufgrund ihres emanzi48 | Tatewaki Sadayo, Seikatsu no kagaku-ka ni tsuite [Über die Verwissenschaftlichung des Alltagslebens], in: Fujin K ōron 351/9 (1945), 23-27, hier 24ff. 49 | Minami Hiroshi, Kait ō o yonde: Hataraku koto toshite no mezame [Antworten der Umfrage: Das Erwachen des arbeitenden Subjekts], in: Fujin K ōron 473/9 (1956), 132-136, hier 133f. 50 | Fujin K ōron, Sh ūdan ch ōsa. S ābisu-gy ō no josei-tachi no nayami to negai [Gruppenbefragung: Fragen über das Leidwesen und die Wünsche der arbeitenden Frauen im Service-Sektor], in: Fujin K ōron 473/9 (1956), 119-131.

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pierten Konsums zu den neureichen Frauen des Schwarzmarkts gezählt und gesellschaftlich diskriminiert wurden.51 MITI und staatliche Institutionen hingegen fokussierten immer mehr auf eine Nationalisierung und Moralisierung des Lebensstils, die den strategischen Ausschluss von Frauen aus dem Arbeitsmarkt implizierte. Selbst liberale Zeitungen wie die Asahi Shinbun schufen eine Fortschrittsnarration, indem sie die moralische Qualität der neuen decencies bewarben, während sie erwerbstätige Frauen generell als Luxuskonsumentinnen abwerteten: Sie waren die »Frauen ohne Haushalt«, die »hochwertiger Mode nachjagen« würden und dem öffentlichen Konsum frönten.52 Zufrieden berichteten die Zeitungen, dass die Haushalte von Lohnabhängigen immer weniger für öffentliche Vergnügungen in Tanz- und Spielhallen sowie Mode und Make-up ausgaben, dafür aber immer mehr in Japan hergestellte Produkte wie Kühlschränke kauften.53 Jedoch besaßen laut der ersten Sozialen Mobilitäts-Studie (SSM) von 1955 weniger als neun Prozent der Befragten einen Kühlschrank.54 1949 wurde die sogenannte Dodge Line eingeführt, Sparmaßnahmen und Steuerreformen sowie die Festsetzung einer Währungsumrechnung, die vor allem den Export sicherstellte. Die Einführung von Vermögensund Einkommenssteuern sollte unter anderem den Anteil der Neureichen einschränken.

51 | Tatewaki Sadayo, Nikumi au onnatachi [Frauen, die dem Hass begegnen], in: Fujin K ōron 34/8 (1948), 16-19. 52 | Zeitaku-hin dare ga katte iru? »Shay ō« wa s ōz ō ij ō: K ōky ū ir ō ou »kateigai no josei« [Wer kauft Luxuswaren? Die »Spesen« sind unglaublich hoch: »Frauen außerhalb des Haushalts« jagen hochwertiger Mode nach], in: Asahi Shinbun, Abendausgabe vom 25. August 1953, 2. 53 | Shitabi ni natta zeitakuhin na sh ōhi. Gurafu ni miru [Abnehmender Luxuskonsum. Grafische Darstellung], in: Asahi Shinbun vom 9. Mai 1955, 4. 54 | SSM: Nihon Shakai Gakkai Ch ōsa Iinkai, Shakai kaiky ū to Shakai id ō zenkoku ch ōsa (SSM 55) [Soziale Stratifikation und Mobilitäts-Studie 1955], Osaka 2011. http://srdq.hus.osaka-u.ac.jp (20.01.2011).

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Abb. 2: Die »Neu-Yen-Klasse« ohne Wissen oder Geschmack. Ein übertrieben nach der neuesten Mode angezogenes Ehepaar fragt in einem Ski-Resort einen vorbeikommenden Skiläufer: »Sie bekommen so viel Geld wie Sie nur wollen, wenn Sie uns einen Intensiv-Kurs geben.« (Kobayashi Gen, Shin’en kaikyū [Neu-Yen-Klasse], in: Sanrūmu [Sun Room] 17/2 [1948], 39) Im gleichen Zug wurden verheiratete Frauen steuerlich bevorzugt, wenn sie sich ganz aus der Erwerbsarbeit zurückzogen, um sich auf die Hausfrauenrolle zu beschränken.55 Für die ›guten‹, im Land hergestellten 55 | Ministry of Finance Japan (MOFJ), Comprehensive Handbook of Japanese Taxes, Chapter 1: Introduction to the Japanese Tax System, Tokyo 2006, 6ff., www.mof.go.jp/english/tax_policy/publication/taxes2010e/taxes2010e_b.pdf (10.02.2011). In den 1960er Jahren wurde dies Gesetz: Nach der Heirat mussten

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›Luxusgüter‹ wurden geringere Steuern erhoben, hohe hingegen für die nach dem Krieg und durch den Schwarzmarkt entstandene Vergnügungsindustrie, die Tanzhallen, Cabarets und Spielhallen (pachinkos). Mode und Make-up betrachtete man weiterhin als ein Problem von unzulässigem Luxus. Unverheiratete und Karriere-Frauen wurden zu Gegnerinnen der Demokratie abgestempelt, da sie mit ihrem Luxusstreben zur sozialen Ungleichheit beitrügen, die der Staat durch nationale Massenproduktion nivellieren wollte.

D IE S CHNEIDERKUNST UND DIE N ATION Kleidung und Kosmetik waren die wichtigsten – und auffälligsten – Kommunikationsmöglichkeiten kulturellen Kapitals und kapitalistischer Konsumpraktiken der frühen Nachkriegszeit, mit denen sich die gesamte japanische Kulturszene beschäftigte. Das Jahr 1948 brachte nicht nur die ersten Textil-Millionäre, sondern auch den New Look des französischen Couturiers Christian Dior, der die Mode weltweit veränderte. In Japan löste der New Look einen Boom der Bekleidungsherstellung (Doreme-Boom) aus. In der Folge wurden hunderte von Schulen für Frauen eröffnet, die Nähfertigkeiten in westlicher Mode lehrten. Viele junge Frauen drängten sich um die begehrten Plätze. Zum einen waren sie durch den Mangel an Textilien gezwungen, Kleidung selbst anzufertigen, zum anderen konnten sie damit nach fast einem Jahrzehnt staatlich kontrollierter Kleidung endlich eigene Modewünsche erfüllen. Sogenannte »Style-Bücher« (sutairu-bukku) kommentierten die neuesten Stile, Schnittmuster, Farben und Accessoires. Vier Schulen in Tokio und Osaka, das Sugino Doreme Gakuin (Sugino Fashion College), das Bunka Fukusō Gakuin (Kultur-Kleidungs-Institut) und die Kuwasawa und Tanaka Design-Schulen wurden zu florierenden Unternehmen. Viele der Institute hatten außerdem seit ihrer Gründung vor dem Krieg laufende Verträge mit Herstellern von Nähmaschinen. Schneider bekamen außerdem staatliche Rabatte für Textilien, die sonst nur auf dem Schwarzmarkt zugänglich waren. Die Direktorinnen der Schulen, Sugino Yoshiko, Kuwasawa Yōko und Tanaka Chiyo, wurden als professionelle De-

Frauen die Firma verlassen und wurden nach der Kindererziehung nur in Teilzeit wieder angestellt – eine Regelung, die erst 1986 aufgehoben wurde.

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signerinnen zu Stars der Szene56 und bemühten sich, französische Mode und neues Design nach Japan zu holen. Alle drei waren Gründungsmitglieder des Japanese Designers’ Club (NDC), der um Anerkennung in der männlich dominierten Designwelt warb und schließlich auch vom MITI unterstützt wurde.57 Die Stars des Doreme, des dressmaking, kamen nicht nur in fast jeder Frauenzeitschrift vor, sondern brachten auch regelmäßig selbst Style-Bücher und Schnittmuster heraus. Angesichts dieser Medienpräsenz war es nicht verwunderlich, dass sich junge Frauen »ohne Haushalt« selbst eine Nähmaschine wünschten. Die Schneiderei war zwar ein traditioneller Frauenberuf, der seit Beginn der Rationierung zu Kriegszeiten zu einer Notwendigkeit der meisten japanischen Haushalte wurde. Der Berufszweig eröffnete jedoch Möglichkeiten zur finanziellen Selbständigkeit, zumal ihn die Bemühungen der Doreme-Stars weiter professionalisierten. Das gesellschaftliche Problem der Schneiderei war jedoch ihre ehemalige Verbindung zum Schwarzmarkt und den Textilmanufakturen, die sich in der Hand neureicher Broker befanden. Für viele in der Nachkriegszeit stark diskriminierte Frauen, insbesondere Kriegswitwen, alleinerziehende Mütter und Angehörige der buraku, bot sich die Arbeit als Schneiderin oder Näherin an, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Während des Doreme-Booms waren die Schulen aber auch attraktiv für Frauen, die in den Cabarets und Tanzhallen arbeiteten und so meist als Prostituierte (pan-pan girls) galten. Da pan-pan girls gute Verbindungen zum Schwarzmarkt und den amerikanischen Soldaten unterhielten, hatten sie Zugang zu Textilien 56 | Sugino Yoshiko (1892-1978) gründete das Sugino Dressmaking Institute in den 1920er Jahren. In den 1950er Jahren wurde ihr der Nationalorden Frankreichs für ihre Dienste, die französische Kultur in Japan zu lehren, verliehen. Kuwasawa Yōko (1910-1977) war Designjournalistin, Modedesignerin und Anhängerin der rationalen Bauhaus-Ideale. Kuwasawas Schule beschäftigte einflussreiche Gastdozenten, unter ihnen viele japanische Industriedesigner, aber auch Kulturkritiker wie Kon Wajir ō, Shimizu Ikutar ō und Walter Gropius selbst. Tanaka Chiyo (1906-1999) war als Modedesignerin in Europa ausgebildet worden und eine der berühmtesten japanischen Designerinnen der 1950er Jahre, die durch ihre Modenschau 1950 in New York auch in Übersee bekannt wurde. 57 | Hayashi Kunio, Fasshon dezain ā no keifu to katsud ō [Genealogie und Aktivitäten der Modedesigner], in: Kumaido Tatsuo, Hg., Fasshon to f ūzoku no 70-nen, Tokio 1975, 220-224, hier 222.

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und Kleidung. Bis 1950 wurden sie sogar als »fashion leader« bezeichnet.58 Pan-pan girls und Tänzerinnen suchten oft selbst eine »respektable« Arbeit als Schneiderin, da die Schulen Anwärterinnen aus allen sozialen Schichten aufnahmen. Männliche Intellektuelle und Industriedesigner sahen allerdings in der Emanzipation dieser Frauen ihre Vormachtstellung im Kunstbetrieb in Frage gestellt und wandten sich daher nicht nur kritisch gegen die Schneiderei, sondern die Mode generell. Industriedesigner stellten den kulturellen Stellenwert von Mode als »irgendwie ungesund«59 in Frage. Die Tageszeitung Yomiuri Shinbun bezeichnete erwerbstätige Frauen als »Luxus-Mädchen«, die den Männern am Arbeitsplatz Konkurrenz machten.60 Wo am Anfang nur die pan-pan girls mit Kleidung in grellen Farben und Make-up auffielen, wurden bald alle Frauen, sobald sie sich lohnenswerte und unabhängige Arbeit suchten oder einen bestimmten Dress-Code verfolgten, des ›falschen‹ Konsums bezichtigt. Erwerbstätige Frauen, die sich nicht nur den Sparmaßnahmen widersetzten, sondern auch moralisch verwerfliche Produkte konsumierten, konnten sich kaum vom Schatten des Schwarzmarkts lösen. Die Style-Bücher für die junge Generation wurden schnell zur Zielscheibe der Kritik am Verfall traditioneller Werte; man beklagte schlechte Bildung, moralische Verkommenheit und einen maßlos amerikanisierten Materialismus.61 Obwohl die Elektrokonzerne sich amerikanischer Marketingstrategien bedienten und Ingenieure in die USA schickten, um deren Technologie zu kopieren, wurde gerade die »Stilbuch-Mode« zur gesamtgesellschaftlichen 58 | Yamaishi Sh ōz ō, Kata de kazekiru b ōrudo=rukku [Den »Bold Look« stolz herumgetragen], in: Ishikawa Hiroyoshi et al., Hg., Amerikan karuchā 1: 45-50nendai. Nihon no sengo ni totte Amerika to wa [American Culture, Band 1: 194550er Jahre. Was Amerika für Nachkriegsjapan ist], Tokio 1981, 62-65, hier 62. 59 | K ōgei News, Zadankai: Dezain no shakaika (Symposium: On the Socialization of Design), in: K ōgei News 22/10 (1954), 2-9, hier 7. 60 | »Onna no ko wa zeitaku«. Sh ūshoku jiken ni dansei no nageki [»Mädchen sind Luxus«, Das Lamentieren der Männer in den Anstellungsprüfungen], in: Yomiuri Shinbun, Abendausgabe vom 9. September 1953, 3. 61 | Yami ni hiraku Tōky ō no hana. Rakuch ō no onna=Yamakawa fujin sh ōnen kyokuch ō o kakomu [Die Blumen von Tokyo, die im Dunkeln blühen. Annäherung an die Frauen von Y ūrakuch ō und die Direktorin des Women’s and Minors’ Department, Yamakawa Kikue], in: Shūkan Asahi vom 2. November 1947, 69-77, hier 76f.

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Metapher der Abhängigkeit von den USA und des Scheiterns einer eigenständigen nationalen Kultur.62 Die Avantgarde-Künstlerin Katsura Yuki63 sah in den DressmakingSchulen ein Abweichen von der richtigen Kunst und bezeichnete sie als das »Königreich« der Geschmacklosigkeit, das von den »Königinnen« Sugino, Tanaka und dem Bunka Fukusō-Institut mit strenger Hand regiert werde.64 Das marxistische Frauenmagazin Josei Kaizō bezeichnete die Schulen als »fragwürdiges Geschäft«, das eng mit der Vergnügungsindustrie, Tanzhallen und Hostessenbars verbunden sei, da nicht nur die Studentinnen, sondern auch Konsumentinnen aus diesem Milieu zu kommen schienen.65 Noch 1958 beschwerte sich der konservative Schriftsteller Kon Tōkō66 im Kunst- und Literaturmagazin Bungei Shunjū über die in Japan hergestellten Dior-Damen, dass der Großteil der »zügellosen« neureichen Absolventinnen von Design-Schulen noch immer dubiose Lebensentwürfe habe: »Während sie zu den Bekleidungsschulen pendeln, stehlen [sie] sich davon, um Filme zu sehen, Jazz-Cafés zu besuchen, und nachts arbeiten sie in ›Aru-Salons‹.«67

62 | Ōya S ōichi, Mu-chishikijin no sengen [Manifest des Un-Intellektuellen], in: id., Ōya S ōichi zensh ū [Gesammelte Werke von Ōya S ōichi, Band 6], Tokyo 1981, 140-149, hier 143. 63 | Katsura Yuki (1913-1991) hatte vor dem Krieg bereits als Künstlerin gearbeitet und wurde nach dem Krieg eine der wenigen professionellen Avantgarde-Künstlerinnen. 64 | Katsura Yuki, Doreme no jo ō-tachi – y ōsai gakk ō wa ōkoku de aru [Die Königinnen des Dressmaking – Westliche Dressmaking-Schulen sind ein Königreich], in: Bungei Shunj ū 6 (1953), 227-231. 65 | Josei Kaiz ō, Jitsuno ch ōsa: Yōsai gakkō [Josei Kaiz ō-Umfrage: DressmakingSchulen], in: Josei Kaiz ō 4/11 (1949): 58-62, hier 62. 66 | Kon Tōk ō (1898-1977) war buddhistischer Mönch, Schriftsteller, und wurde später Politiker der Liberal-demokratischen Partei (LDP). 67 | Aru-Salons (arusaro, von »Arbeit« und »Salon«) waren Clubs mit TeilzeitHostessen, meist Studentinnen, die eine billigere Alternative zu den gehobenen Cabarets und so auch für normale Bürger erschwinglich waren. Kon Tōk ō, Wasei Di ōru joshi [In Japan hergestellte Dior-Damen], in: Bungei Shunj ū 36/12 (Nov. 1958), 274-284, hier 282f.

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Auch progressive Konsumbefürworter wie Kon Wajirō68 sahen in der jugendlichen Faszination für Mode und Style-Bücher ein Diktat der amerikanischen Hegemonie, das den »kindlichen Status der japanischen Demokratie« widerspiegelte. Mode erschien somit nicht nur als eine »Kopie der Kopie« von westlicher Kultur, sondern überdies als undemokratisch, da die jugendlichen Modemacher und Designer es nicht zustande brachten, einen nationalen japanischen Stil zu entwerfen.69 Je mehr Schneiderinnen und Modedesignerinnen als Töchter der Neureichen, Tänzerinnen oder als ›deviant‹ verschrien wurden, desto schwerer wurde es Frauen gemacht, die sich über die Produktion und Konsumption von westlich geprägter Mode als eigenständig handelnde Bürgerinnen erleben wollten. Zudem kam es Ende der 1950er Jahre zu einer Wiederentdeckung des traditionalistischen Japans. Das Kultusministerium begrüßte die Herausbildung der »japanischen Fraktion« der Modedesigner-Clubs, die sich für eine Wiederbelebung des Kimono und traditioneller Designs gegen die westliche Mode einsetzten. Der Wunsch nach einer Renaissance traditioneller Kleidung wurde aber mit denselben Argumenten von Rationalität und Funktionalität begründet, die man auch ins Treffen führte, wenn Elektrogeräte zu unverzichtbaren Kulturgütern erhoben werden sollten.70 Diese Stilisierung rief Kritik von Kulturschaffenden hervor. Der bekannte Soziologe Shimizu Ikutarō71 nannte den Rückbezug auf die Tradition eine »Flucht in die japanische Kleidung«. Er erblickte darin eine ideologische

68 | Kon Wajir ō (1888-1973), war der Begründer der »Modernologie«, die sich der Erforschung moderner (westlicher) Alltagsphänomene widmete. Kon war in den 1920er Jahren an der staatlichen Kulturpolitik des »kulturellen Lebens« beteiligt, die sich für die Modernisierung des Hauses einsetzte, und welche er in der Nachkriegszeit durch die Verbreitung der Home Improvement-Konzepte fortsetzte. 69 | Kon Wajir ō, Sutairubukku no nippon [Style-Buch Nippon], in: Nihon Hy ōron 6 (1951), 128-130, hier 128. 70 | Kasen no wafuku-chi: Yasui j ōbu ga miryoku [Orte japanischer Kleidung aus Stapelfaser: Die Attraktion billiger Haltbarkeit], in: Asahi Shinbun, Abendausgabe vom 30. März 1958, 2. 71 | Shimizu Ikutar ō (1907-1988) war Journalist, Sozial- und Kulturkritiker und einer der großen pazifistischen Intellektuellen der Nachkriegszeit.

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Rückkehr zum Nationalismus der Vorkriegszeit.72 An dem Umstand, dass seit Anfang des 20. Jahrhunderts westliche Mode die Basis für Schneiderei und Design in Japan bildete, konnte diese Kulturpolitik aber ohnehin wenig ändern, zumal viele Frauen bis in die 1960er Jahre nicht gewillt oder in der Lage waren, sich den Luxus eines unpraktischen Kimonos zu leisten.73

E UROPA ALS ALTERNATIVE M ODERNE Die ehemaligen oberen Mittelschichten und Aristokratenfamilien wurden nach dem Krieg von der amerikanischen Besatzungsmacht als Klassenfeinde und Kriegskollaborateure angesehen. Adelstitel wurden abgeschafft und das Vermögen der Familien eingezogen. Der Schriftsteller Dazai Osamu beschrieb diesen ›organisierten Fall‹ der Oberschichten in seinem Buch Shayō (Die untergehende Sonne)74 , dessen Titel zum Begriff für eine gesamte Generation ›gefallener‹ Aristokratenfamilien wurde. Die oberen Schichten litten unter dem Verfall ihrer Werte und Institutionen und sahen sich gleichzeitig mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Das Phänomen der Neureichen schürte ihre Abstiegsängste, ebenso der wachsende soziopolitische Einfluss der neuen Mittelschichten. Verpönt war daher zum einen der amerikanisierte Konsum der Neureichen, zum anderen auch der Kult rund um elektrische Haushaltsgüter als Symbole eines auf breite Wohlhabenheit zielenden neuen Japans. Diesen beiden Varianten eines ›vulgären‹ Geschmacks setzte man als Zeichen der Distinktion ein exklusives Wissen um den »angemessenen Konsum« entgegen, bei dem die Orientierung an »europäischer Kultur« eine tragende Rolle spielte. Vor dem Krieg aufgewachsene Angehörige der oberen Schichten waren in ihrem Konsumverhalten noch durch den Einfluss europäischen Denkens der Meiji-Zeit (1868-1926) geprägt: »French-style was in vogue with elites and bourgeois who gathered in Ginza […]«. Die amerikanische Konsumkultur hatte zwar schon Anfang der 1930er Jahre den französischen Stil als Massengeschmack allmählich verdrängt; das veranlasste 72 | Shimizu Ikutar ō, Wafuku e no t ōhi [Flucht in die japanische Kleidung], in: Fujin K ōron 410/7 (1951), 78-81. 73 | Asahi Shinbun, Kasen, 2. 74 | Dazai Osamu, The Setting Sun [Die untergehende Sonne], New York 1956.

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jedoch andererseits eine elitäre Minderheit, sich um so mehr mit allem Französischen zu identifizieren.75 Nach 1945 bevorzugten daher die oberen Schichten europäische Ideen, Filme und Mode, da für sie das Nachkriegseuropa »näher an unserer Realität« schien als sowohl die japanische Tradition wie auch die Kultur der US-Besatzungsmacht.76 »Europa« wurde als Gegenentwurf zur kulturellen Hegemonie »Amerikas« begriffen. Der Doreme-Boom und der Einfluss der französischen Couturiers auf die japanischen Modedesigner trugen dazu bei, dass diese Idee weiter Gestalt annahm, zumal selbst die Massenindustrie sich von 1950 bis 1953 vom amerikanischen Einfluss der pan-pan-Mode befreien wollte und die »französische Modephase« einläutete.77 Somit entzog sich auch der ›andere‹ Westen nicht der Kommodizifierung, aber in gebildeten Kreisen beanspruchte man ein Wissen über das ›echte‹ Europa als Alternative zur Kommerzialisierung. Insbesondere begeisterte man sich für Lebensstile und politische Ideen, die mit Frankreich assoziiert wurden. Neben den alten sozialen Eliten waren es aber auch linksgerichtete Intellektuelle, die Frankreich als Symbol von individueller Freiheit und Demokratie einsetzten, seit Ende der 1940er Jahre die US-Besatzungsmacht und die konservative Regierung einen scharfen Kurs gegen den Kommunismus fuhren. Die Red Purges schlossen nicht nur politisch aktive Arbeiter und Gewerkschaftler aus den Betrieben und dem öffentlichen Leben aus, sondern restrukturierten ganze soziale Bereiche.78 Marxistisch geprägte Intellektuelle hatten in den ersten Nachkriegsjahren maßgeblich am Neuaufbau des japanischen Staats, der Gesellschaft und Demokratie mitgewirkt, und viele von ihnen nahmen nun ideelle Zuflucht im Blick nach Europa, speziell nach Frankreich, das für sie bis in die 1960er Jahre die Funktion eines dritten Raums erfüllte. Arbeiterstreiks in Frankreich wurden als Inspiration für eine »Selbstbehauptung« gegen die »Stilbuch«Mentalität der japanischen Politik und Kultur rezipiert.79 Man bewunderte 75 | Yoshimi, Consuming, 205. 76 | Ebd., 148; Sazanami Kiyoo, Interview vom 21.-23. September 2007, Tokio. 77 | Yanagi, Fasshon-ka, 33-55. 78 | Hirata Tetsuo/John W. Dower, Japan’s Red Purge: Lessons from a Saga of Suppression of Free Speech and Thought, in: Japan Focus vom 7. Juli 2007, www. japanfocus.org/-John_W_-Dower/2462 (04.02.2011). 79 | Hayashi Sabur ō, Nihonjin ga ichiban suki na »Pari« [Das von den Japanern am meisten geliebte »Paris«]. In: Bungei Shunj ū 31/7 (1957), 218-233, hier 222.

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die der französischen Gesellschaft zugeschriebene Fähigkeit, trotz einer relativen materiellen Armut Kultur hervorzubringen. Die japanische Kultur hingegen, so meinte man, sei am Kapitalismus gescheitert.80 Frauenzeitschriften, sowohl die Fujin Gahō als auch die intellektuelle Fujin Kōron, wiederum verwendeten den Bezug auf Frankreich, um auf die in der Vorstellung von exzessiv konsumierenden Frauen gebündelte Befürchtung zu reagieren, dass Japan vom amerikanischen Konsumismus überrollt werde. Frankreich diente diesen Zeitschriften als Marker für die Trennung zwischen einem übertriebenen amerikanisierten Luxus und einem ›normalen‹ Geschmack. Frankreich wurde von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren als das scheinbar differenziertere demokratische Andere dem übermächtigen Anderen der USA entgegen gehalten, um eine Alternative zu skizzieren – es bildete einen Gegenentwurf zur Massenkonsumgesellschaft nach US-Muster, aber auch zu einer traditionalistischen Rückwendung auf das Japan der Vorkriegszeit als leitende Aspekte der neuen »Kulturnation«. Selbst die eher konservative Tageszeitung Yomiuri Shinbun beteiligte sich an der Debatte und reagierte 1950 auf Premierminister Ikeda, der gegen Jean Cocteaus konsumkritischen Brief an die Amerikaner gerichtet betonte, den amerikanischen Lebensstil zeichne ein »Gespür für Komfort«, und nicht für Luxus, aus. Yomiuri Shinbun wiederum unterstrich gegenüber Ikeda, Frankreich verstehe Konsum als »Teil einer Kultur der immateriellen Freiheit«, daher sollte Japan nach Ansicht des Blatts aus beiden Zugängen seine eigene nationale Leitvorstellung entwickeln, um alle Bürger am Fortschritt von Konsum und Demokratie teilhaben zu lassen.81

80 | Kat ō Sh ūichi, A Sheep’s Song. A Writer’s Reminiscences of Japan and the World, Berkeley 1999, 286. http://ark.cdlib.org/ark:/13030/ft5d5nb3cg/ (20.01.2011). 81 | Tōzai nanboku, anraku to zeitaku [Vier Himmelsrichtungen, Bequemlichkeit und Luxus], in: Yomiuri Shinbun vom 24. April 1950, 2.

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D IE I DEE EINER MODERNEN JAPANISCHEN E LEGANZ – »F R ANKREICH « ALS R ESSOURCE VON SOZIALER D ISTINK TION , E MANZIPATION UND N ATIONALISIERUNG Die lange in Paris lebende Schriftstellerin Asabuki Tomiko82 wies in Artikeln über Mode und Kultur darauf hin, dass die bescheidene »Eleganz« französischer Frauen sich aus ihrem »natürlichen Geschmack« entwickelt habe und einer mit materieller Knappheit geschlagenen Nachkriegszeit angepasst sei.83 Der gute Geschmack der Französinnen resultierte ihr zufolge aus der »gemeinschaftlichen Idee von Liebe und Respekt für die Kunst, die alle Klassen durchzieht, arme Leute genauso wie mittlere und obere Schichten. Die Franzosen haben alle die gleiche Einstellung gegenüber der Kunst, die weder reich noch arm kennt […].«84 Mit der Behauptung von sozialer Gleichheit in Bezug auf Kunstsinnigkeit wurde französische Kultur anschlussfähig für die Situation des von Armut geprägten Nachkriegsjapans gemacht. Man nahm damit den Vorwürfen die Spitze, dass der Konsum von Mode soziale Ungleichheit verstärke. Ein an Frankreich geschulter guter Geschmack stand im Gegensatz zum auf Überfluss und Extravaganz basierenden amerikanischen Lebensstil, auf den sich die Kritik an der »Style-Buch«-Mentalität der jungen Japanerinnen bezog. Das Spiel sozialer Distinktion wurde allerdings durch den Bezug auf Frankreich gerade nicht außer Kraft gesetzt. Jungen Absolventinnen von Schneiderei- und Design-Schulen, die nach Frankreich reisten, da sie danach leichter Zugang zur japanischen Kulturszene bekamen, wurde von ›Europakennern‹ vorgeworfen, dass sie ihr Geld dort nur für unnütze Luxusmode ausgäben. Gerade die Französinnen aber würden »nicht der 82 | Asabuki (1917-2005) war Freundin von Simone de Beauvoir und Übersetzerin von Françoise Sagan. Sie schrieb ebenso wie Sugino eine Biographie über Christian Dior (1953) und veröffentlichte regelmäßig Beiträge im Kunstmagazin Geijutsu Shinchō über Leben und Kultur in Paris. 1966 war sie Sartres und de Beauvoirs Dolmetscherin bei deren Japanbesuch. 83 | Asabuki Tomiko, Furansu ry ūk ō ts ūshin: Sekai-ch ū ga mitsumete iru ry ūk ō no yukue [Neuigkeiten von der französischen Mode: Der Weg der Mode unter den Blicken der Welt], in: Fujin Gah ō 559/4, Beiheft (1951): 141-142. 84 | Pari de no kaiwa. Zadankai [Rundgespräch: Dialog in Paris], in: Fujin K ōron 420/5 (1952), 148-156, hier 150.

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neuesten Mode hinterherjagen«85, weil sie »Individualisten«86 seien. Das Wissen um das ›echte‹ Frankreich wurde somit als ein knappes Gut in Szene gesetzt. Es diente der Abgrenzung gegenüber sozialen Aufsteigerinnen und der Massenkultur. So fanden sich in den anspruchsvolleren Frauenzeitschriften und Kunstmagazinen fast in jeder Ausgabe Berichte aus erster Hand über Kultur und Demokratie in Frankreich sowie über das Alltagsleben von Künstlern, Designern, Schriftstellern und Journalisten, die in Paris wohnten oder arbeiteten. Die Beschäftigung mit Frankreich inszenierte soziale Exklusivität, sie hatte aber zugleich eine emanzipatorische Dimension. Die Beschreibung des für Frauen aufgeschlosseneren kulturellen Lebens in Paris ließ sich als Kritik gegen die patriarchalische Gesellschaft in Japan wenden. Asabuki Tomiko, die Chansonsängerin Ishii Yoshiko87 und befreundete japanische Künstlerinnen diskutierten in der Fujin Kōron über Paris und stellten fest, dass es hier im Gegensatz zu Japan, aber der französischen Demokratie entsprechend, möglich sei, außerhalb des Hauses zu arbeiten und gleichzeitig die Hausarbeit zu erledigen, ohne als schlechte Ehe- und Hausfrau und damit als moralisch zweifelhafte Luxus-Konsumentin diskriminiert zu werden. Dies schließe mit ein, dass Frauen sich ständig kulturell weiterbildeten, »ihre Meinung sagen« und dabei konsumieren könnten, was sie wollten.88 Indem französische Eleganz als Symbol für Bescheidenheit und Geschlechtergleichheit konsumiert wurde, konnte nicht nur ein ›angemessener‹ Konsum skizziert werden, sondern es wurde auch die an Frankreich orientierte Produktion von Künstlerinnen, Schneiderinnen und Modedesignerinnen als kulturell relevant legitimiert. Das aus japanischer Sicht konstruierte »Frankreich« fungierte mithin als Raum, in dem aufgrund einer angeblichen »kulturellen Nähe« und eines »gemeinsamen Gefühls« alternative Lebensentwürfe und soziopolitische Positionen entwickelt werden konnten.89 85 | Shishi Bunroku/Kon Hidemi, Pari no tsumaranasa, taidan [Die Langeweile von Paris, Dialog], in: Bungei Shunj ū 27/9 (1953), 182-192, hier 188f. 86 | Ebd., 188f.; Hayashi S., Nihonjin, 221. 87 | Ishii Yoshiko (1922-2010) war eine der erfolgreichsten Chanson-Sängerinnen der Nachkriegszeit. 88 | Fujin K ōron, Pari, 153. 89 | Ebd., 148.

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Die Neuerfindung des ›französischen‹ Luxus wurde auch mit der Wiederentdeckung japanischer Traditionen verknüpft, indem Modeschöpferinnen Symbole japanischer Tradition und französischer Kultur miteinander in Deckung brachten. Die französische Couture wurde also japanisiert. Auf einer Japanreise 1958 äußerte sich Pierre Cardin bewundernd über die Körperproportionen der Japanerinnen, die er für ideal geeignet hielt, um französische Mode zu tragen. Dieser Kommentar, der die Einzigartigkeit Japans zu bestätigen schien, wurde mit großem Interesse aufgenommen und oft zitiert.90 Als die »französische Modephase« 1950 einsetzte, begann Fujin Kōron regelmäßig Hochglanzbilder aus der Vogue France zu übernehmen. In einer Reihe, die sich »Einführung in die Mode« betitelte, erläuterten Spezialisten wie Madame Masako91 die Verbindung zwischen der gezeigten Luxusmode und den Traditionen der europäischen Oberschichten. Häufig wurde unterstrichen, dass man aus der eigenen japanischen Tradition Anknüpfungspunkte an die kulturellen Trends in Europa finden könne. So betonte Madame Masako 1953, wie sehr ein Karomuster, das in Frankreich der letzte Schrei war, an die elaborierten Muster der Kabukitheater-Kostüme aus der späten feudalen Edo-Zeit (1600-1868) erinnere. Die Botschaft lautete: Was französische Frauen gerade als schick empfanden, war schon in der bürgerlichen japanischen Kultur »modern« gewesen, und zwar vor der Begegnung mit der westlichen Moderne.92 So wie die Stars der Designszene war Madame Masako der Ansicht, dass die japanische Jugend unter dem Einfluss der Amerikanisierung die Fähigkeit eingebüßt hatte, die autochthon japanische Geschichte der modernen Eleganz zu erkennen. Es bedürfe des gebildeten Blicks auf »Frankreich«, um die Eleganz auch in der eigenen Kultur wieder zu entdecken. Madame Masako war aber auch der Ansicht, dass es nur der jungen Generation, die sich vom 90 | Karudan-shi to no ichimon itt ō [Fragen an Pierre Cardin], in: Sutairu 7 (1958), 81-83. 91 | Madame Masako (1916-1993) studierte französische Literatur und Geschichte der Kleidung. 1952 ging sie an die französische Académie Julian und arbeitete bei Vogue France. Sie war Gründungsmitglied des NDC, schrieb regelmäßig in Tageszeitungen und Zeitschriften über Mode und öffnete später ihre eigene Kette auf der Ginza. 92 | Madamu Masako, Haikara to wa d ō iu koto ka [Was ist das, Eleganz?], in: Fujin Gah ō 614/10 (1955), 194-200, hier 197ff.

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bloßen Hausfrauendasein früherer Generationen emanzipiert hatte und Mode konsumierte, möglich war, die erforderliche Bildung zu erlangen.93 Die an französischer Mode orientierte Vorstellung von Eleganz konnte mithin als genuin japanischer Wert inszeniert werden. Dazu kam, dass französische Mode als Importware ohnehin nahezu unerschwinglich war und daher meist von Schneiderinnen in Japan nachgemacht wurde. »Frankreich« wurde auch auf diese Weise letztlich zum Luxusgut japanischer Herkunft.

D IE FRÜHE N ACHKRIEGSZEIT ALS OFFENER KULTURELLER P ROZESS Der Beitrag hat gezeigt, dass Luxus sowohl als Feind der japanischen Nation wie als nationalisierende Kraft in den Konsumdiskurs eingeschrieben wurde. Die japanische Kultur war oft umstritten, mehr Debatte als Konsens.94 Die Begegnung mit den »Westen« machte es notwendig, sich als Nation zwischen Amerika (als Symbol materiellen Wohlstands) und Europa (als demokratischer Tradition) zu positionieren. Die moralischen Bedenken der Vorkriegszeit gegenüber einem verschwenderischen und entfesselten Konsumismus wurden wieder aufgegriffen. Luxus und Mode symbolisierten die Übertreibung des amerikanischen Kommerz-Kapitalismus; mit der Ablehnung dieser Art von Luxus war eine Distanzierung von der US-Besatzungsmacht verbunden, außerdem eine Kritik an krasser sozialer Ungleichheit, wie man sie am Schwarzmarkt erlebte und wie sie sich im steilen Aufstieg der Neureichen manifestierte. All das mündete in Appelle nach mehr Bescheidenheit als moralische Grundlage eines soliden Konsums, der dem neuen Japan angemessen sein sollte. Der Staat, viele Intellektuelle und Kulturschaffende imaginierten diese neue japanische Gesellschaft als egalitär. Als es darum ging, den Erwerb elektrischer Haushaltsgeräte zu propagieren, durften diese daher nicht als Luxus amerikanischer Art erscheinen, sondern wurden als eine Annehmlichkeit mit moralisch wünschenswerten Effekten dargestellt. Als Repräsentantin eines den 93 | Ebd., 198ff. 94 | William W. Kelly, Finding a Place in Metropolitan Japan: Ideologies, Institutions and Everyday Life, in: Gordon, Japan, 189-216, hier 194.

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nationalen Interessen entsprechenden Konsums wurde die Mittelschichtshausfrau auserkoren, deren Sehnen den Elektrogeräten Made in Japan zu gelten hatte, mit denen sie ihre Hausarbeit verfeinern konnte. Luxus war jedoch nicht nur eine Folie negativer Abgrenzung, sondern Teil komplexer kultureller Aushandlungsprozesse. Intellektuelle aus den Oberschichten und oberen Mittelschichten brachten französische Haute Couture als eine dem amerikanischen Exzess kulturell überlegene Spielart von Luxus in Stellung; auch erwerbstätigen Frauen, für die das imaginierte Mittelschichtsjapan keinen Platz haben wollte, diente der Bezug auf französische Kultur als Mittel, um alternative Lebensentwürfe zu legitimieren. Europa und insbesondere Frankreich fungierten als der ›andere‹ Westen, als ein dritter Ort, um eine Kritik an der japanischen Nachkriegsgesellschaft zu entfalten. Die wehmütige Erinnerung der Oberschicht an einen sozialen Status, den sie auch durch den Druck der US-Besatzungsmacht eingebüßt hatte, mischte sich mit Wünschen nach einer anderen Form von Demokratie, nach Emanzipation der Frauen gegenüber einer patriarchalischen Moral; es ging um den Ausdruck von Individualität, um eine Klassengrenzen transzendierende Eleganz der Bescheidenheit, die jedoch andererseits ein sozial distinktives Wissen voraussetzte. Als am Ausgang der 1950er Jahre das japanische Wirtschaftswunder anbrach und der Arbeitsmarkt für Frauen schwerer zugänglich wurde, schloss sich dieser dritte Raum wieder. Die frühen Nachkriegsjahre wurden nun als eine überwundene Phase der ›Dunkelheit‹ begriffen. Übersehen wurde und wird, dass diese Jahre zugleich eine der offensten Phasen der japanischen Nachkriegsgeschichte waren, in der sich verschiedene Konzepte für die Nation, verschiedene soziale und kulturelle Identitäten miteinander im Wettstreit befanden.

Die Anderen, ihre Produkte, ›unsere‹ Nation

Das Fremde zu konsumieren hat seine Tücken, insbesondere wenn dies außerhalb der gewohnten Lebenswelt geschieht: In den 1950er Jahren konnte deshalb das Spaghetti-Essen zu einem Abenteuer der Akkulturation werden. Als hilfreich erwiesen sich dabei Anleitungen, die zeigten, wie das Andere zum Eigenen gemacht werden kann – etwa im Italienreisefilm in der frühen Bundesrepublik. Dort sah man nicht nur die ›exotischen‹ Produkte, sondern auch Praktiken und performative Akte, die es im wahrsten Sinn des Wortes erlaubten, das Fremde in sich aufzunehmen und in das Eigene zu transformieren. Jugendliche spielten und spielen bei der Aneignung fremder Konsumprodukte und -kulturen traditionell eine innovative und gleichzeitig konfliktträchtige Rolle. Dies vor allem dann, wenn sich ihre Konsumstile nicht nur von denen der Elterngeneration unterscheiden, sondern auch soziale und politische Grenzen überschreiten. In Ungarn gerieten sie dabei während der 1960er Jahre in den Konflikt zwischen Kühlschranksozialismus und American Way of Life. »Sie sind im Begriff, Ihre Feuerprobe, Ihren Ritterschlag für die Italienreise zu bestehen: wenn Sie jetzt daran gehen, die Spaghetti zu zerschneiden, dann ist es besser, Sie fahren gleich zum Brenner zurück.« (Italien-Reiseführer, erschienen 1957) Many ›nationalist‹ youngsters used their jeans and Western products as symbols of their rebellion against the socialist regime. To show one’s contempt for the officially propagated products became equivalent to rejecting the socialist ›petty bourgeoisie‹.

Spaghetti im Film Medialisierung und Italianisierung des Nahrungskonsums in der Bundesrepublik Deutschland Maren Möhring »Kindheitserinnerungen werden wach: die erste Abbildung vom Vesuv entdeckten wir auf einer kleinen Tomatenmarkdose, deren halb abgeblättertes Papier in grell leuchtenden Farben den feuerspeienden Berg zeigte und die Inschrift ›Torre Annunziata‹. Und oft lag daneben das derbe, königsblaue Packpapier, in das die Original-Spaghetti eingewickelt waren, die man in den Kaufmannsläden jeder größeren deutschen Stadt bekommen kann.«1

Ruth Cromer, die für das Merian-Heft über Neapel 1958 einen Reisebericht verfasste, dem die zitierte Passage entnommen ist, erinnert sich an die italienischen Nahrungsmittel, die sie aus dem elterlichen Haushalt in Deutschland bereits kennt. Möglicherweise haben das italienische Tomatenmark und die Spaghetti ihr Interesse geweckt, selbst einmal in das Herkunftsland dieser Produkte zu reisen. Die Ansicht des Vesuvs ist ihr jedenfalls bereits bekannt, als sie in Neapel eintrifft. Der erste Blick, den 1 | Ruth Kromer, Das süße Vieltun, in: Merian 11/6 (1958), 60-63, hier 62. Die »Päckchen aus starkem blauem Papier« kannte man in Deutschland bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Etwas über Makkaroni, in: Kochkunst und Tafelwesen 15/9 (1913), 148-149, hier 149). – Torre Annunziata bildete neben Gragnano und Amalfi eines der Zentren der neapolitanischen Pastaproduktion (vgl. Birgit Müller, Viva Spaghetti. Die Geschichte der Pasta und viele Rezepte, Hamburg 1985, 25).

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sie auf den Vulkan wirft, ist ein medial vermittelter, der in diesem Fall von einer Ware bzw. Warenverpackung ermöglicht wurde. Dabei bewirbt sich die Ware gleichsam selbst. Sie stellt sich als italienisches Produkt dar, indem sie ein markantes (Marken-)Zeichen Italiens, den Vesuv, als Emblem nutzt. Das touristische sight-seeing und das Betrachten der ausländischen Ware konvergieren an diesem Punkt; beide basieren auf dem Konsum von Zeichen, nämlich von typisch erachteten »Symbole[n] der Fremde«.2 Doch auch wenn im Zuge der Ausweitung der Produktkommunikation die Ware selbst verstärkt Medienfunktionen übernommen hat3, bleibt sie in modernen Konsumgesellschaften für ihre Vermarktung dennoch auf weitere (Massen-)Medien wie Werbeprospekte, Illustrierte oder den Film angewiesen. Dies gilt nicht nur für Markenprodukte im engeren Sinne, sondern auch für Nahrungsmittel, die mit einer spezifischen Nationalkultur assoziiert werden (sollen). Dass Waren als Medien fungieren können, und zwar innerhalb eines umfassenden auf die Warenwelt bezogenen Medienverbunds, bedeutet für die historische Konsumforschung, dass bei einer Analyse von Konsumgewohnheiten und ihren Veränderungen medientheoretische und medienhistorische Überlegungen einen zentralen Stellenwert einnehmen sollten. Ausgehend von der These, dass sich beim Verzehr als fremd konnotierter Speisen oftmals komplexere kulturelle Dynamiken als beim Konsum einheimischer Produkte entfalten4 , werden im folgenden Beitrag Prozesse der Medialisierung und (Inter-)Nationalisierung der Warenwelt am Beispiel der italienischen Küche in der Bundesrepublik untersucht.5 Im Zuge 2 | Zum touristischen sight-seeing als Zeichenkonsum siehe Cord Pagenstecher, Neue Ansätze für die Tourismusgeschichte. Ein Literaturbericht, in: Archiv für Sozialgeschichte 38 (1998), 591-619, hier 593. 3 | Vgl. Rainer Gries, Produkte als Medien. Kulturgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR, Leipzig 2003, 90. 4 | So Laurier Turgeon/Madeleine Pastinelli, »Eat the World«. Postcolonial Encounters in Quebec City’s Ethnic Restaurants, in: Journal of American Folklore 115/456 (2002), 247-268, hier 250. 5 | Gerade auf dem Gebiet des Konsums ist die Bedeutung der Medialisierung der Gesellschaft in besonderem Maße greifbar, so Adam Arvidsson, Brand Management and the Productivity of Consumption, in: John Brewer/Frank Trentmann, Hg., Consuming Cultures, Global Perspectives. Historical Trajectories, Transnational Exchanges, Oxford/New York 2006, 71-94, hier 75f.

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des einsetzenden Massentourismus, insbesondere nach Italien, und der Etablierung so genannter ausländischer Spezialitätenrestaurants rückten ›fremde‹ Gerichte zunehmend in den Horizont der bundesdeutschen Bevölkerung – und stellten diese vor neue Herausforderungen.

Abb. 1: Molly. Aus: Neue gastronomische Zeitschrift 23/20 (1970), 40: »Mit dem Spaghetti-Essen habe ich immer Schwierigkeiten, deshalb stricke ich mir Knödel davon!« So wurde der möglichst elegante Verzehr von Spaghetti zu einer gefragten, allerdings nicht immer problemlos zu erlernenden Kulturtechnik6, die in 6 | Auch in Großbritannien avancierte im Laufe der fünfziger und sechziger Jahre die Kunst des Spaghettiessens zum »most sought after social skill of the day« (Christina Hardyment, Slice of Life. The British Way of Eating since 1945, London 1995, 87).

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den bundesdeutschen Massenmedien häufig und oftmals humoristisch verhandelt wurde. Ein Cartoon aus der Neuen gastronomischen Zeitschrift von 1970 (Abb. 1) zeigt die Reaktion von »Molly«, die aus den Spaghetti Knödel strickt, sie also in eine deutsche Spezialität übersetzt, um sie leichter verzehren zu können. Während sie das Stricken problemlos beherrscht, stellt das ordnungsgemäße Spaghettiessen noch eine große Hürde dar. Neben Pizza sind Spaghetti – wörtlich: kleine Stränge7 – weltweit zum Inbegriff der italienischen Küche geworden.8 Dabei ist die Erfindung von Nationalküchen, die einen nicht unwesentlichen Aspekt des nation-building darstellt9, niemals ausschließlich eine nationale Angelegenheit. Tatsächlich ist sie immer auch Produkt von internationalen Kontakten und Globalisierungsprozessen auf dem Feld der Ernährung.10 Dies gilt in besonderem Maße für die Entstehung so genannter Nationalgerichte. Die Reduktion einer Landesküche auf ein oder zwei ›typische‹ Speisen, die metonymisch für die gesamte Kultur einstehen, ist ein immer wieder zu beobachtender Vorgang in der Geschichte der Esskulturen.11 Entscheidend ist hier der Außenblick, der auch (rassistische) Stereotype produzieren kann, wie sie sich in despektierlichen Bezeichnungen wie »Spaghettifresser« oder (in der Schweiz) »Makkaronifresser« ausdrücken.12 Die Nationalisie7 | Vgl. Giuseppe Prezzolini, Spaghetti Dinner. A History of Spaghetti Eating and Cooking, New York 1955, 1. 8 | Vgl. Franco La Cecla, La pasta e la pizza (L’identità italiana; 10), Bologna 1998, 61. Zum internationalen Erfolg der Pizza siehe Sylvie Sanchez, Pizza connexion. Une séduction transculturelle, Paris 2007. 9 | Für Italien ist vor allem Pellegrino Artusis Versuch, eine übergreifende italienische Küche zu schaffen, zu nennen: Pellegrino Artusi, La scienza in cucina e l’arte di mangiar bene, Turin 2004 [1891]. 10 | Dass Nationalisierung und Internationalisierung nicht als gegensätzliche, sondern »parallele und ineinander greifende Prozesse« zu verstehen sind, betont auch Orvar Löfgren, Die Nationalisierung des Alltagslebens: Konstruktion einer nationalen Ästhetik, in: Wolfgang Kaschuba, Hg., Kulturen – Identitäten – Diskurse. Perspektiven europäischer Ethnologie, Berlin 1995, 114-134, hier 131. 11 | Vgl. Eva Barlösius, Soziologie des Essens. Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung, Weinheim/München 1999, 160. 12 | Vgl. Shannan Peckham, Consuming Nations, in: Sian Griffith/Jennifer Wallace, Hg., Consuming Passions. Food in the Age of Anxiety, Manchester 1998,

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rung von Speisen findet demnach auf nationaler wie inter- und transnationaler Ebene statt, wobei den Massenmedien eine entscheidende Rolle zukommt. In meinem Beitrag werde ich nicht der langen und verwickelten Geschichte der (Inter-)Nationalisierung von Spaghetti nachgehen, sondern mich auf die Bilder und Narrative, die über italienische Spaghetti in Westdeutschland seit den fünfziger Jahren zirkulierten, konzentrieren. Diese bildeten einen integralen Bestandteil des Konsumprodukts selbst, indem sie seine soziale und kulturelle Bedeutung generierten und es mit nationalen Konnotationen versahen. Bei meiner Analyse werde ich mich auf Quellenmaterial stützen, das in der Konsumgeschichte bisher zu Unrecht vernachlässigt worden ist, i.e. Spielfilme und insbesondere Italienreisefilme. Der Beitrag verfolgt damit eine doppelte Perspektive, nämlich über eine konsumhistorische Kontextualisierung Spaghetti selbst als Medium zu analysieren und zudem Konsumprodukte und Konsumpraktiken im und über das Medium Film zu untersuchen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach den über den Verzehr ausländischer Nahrungsmittel erfolgenden historisch-spezifischen Selbst- und Fremdzuschreibungen. Anne L. Bower hat auf die bedeutende Rolle hingewiesen, welche die filmische Darstellung von Essen für die Herstellung nationaler Identität gespielt hat und noch immer spielt.13 So finden sich auch in Italien zahlreiche Spielfilme, die das Essen von Spaghetti thematisieren. Gerade in den fünfziger Jahren, als die pasta asciutta nach den mageren Nachkriegsjahren ihren Durchbruch erlebte und endgültig zum gemeinsamen Nenner der Küche in ganz Italien wurde14 , entstanden zahlreiche Filme, die Spaghetti auf überaus positiv Weise inszenierten und sie direkt mit der eigenen nationalen Identität koppelten, wie dies paradigmatisch in Un 171-182, hier 172; Jakob Tanner, Italienische »Makkaroni-Esser« in der Schweiz. Migration von Arbeitskräften und kulinarische Traditionen, in: Hans Jürgen Teuteberg/Gerhard Neumann/Alois Wierlacher, Hg., Essen und kulturelle Identität. Europäische Perspektiven, Berlin 1997, 473-497. 13 | Anne L. Bower, Watching Food. The Production of Food, Film and Values, in: dies., Hg., Reel Food. Essays on Food and Film, New York/London 2004, 1-13, hier 5. 14 | Vgl. Stefania Aphel Barzini, Così mangiavamo. Cinquant’anni di storia italiana fra tavola e costume, Rom 2006, 44. Die Bezeichnung ›pasta asciutta‹ umfasst alle ›trockenen‹ Teigwaren, die nicht in der Suppe gekocht werden.

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Americano a Roma (R: Steno, Italien 1954) geschah. In diesem überaus erfolgreichen Film trug die dampfende Pasta gegenüber den eher unappetitlichen (vermeintlich) US-amerikanischen Speisen klar den Sieg davon.15 Gerade am Beispiel des Essens lässt sich die Warenförmigkeit von Kultur und kulturellen Identitäten nachzeichnen. Als Akt der Aneignung kann das Konsumieren – und insbesondere das Essen als Aufnahme von etwas Materiellem in den eigenen Körper – personale und soziale Identitäten affirmieren, aber ebenso auch in Frage stellen. ›Fremde‹ Speisen, so die These, eignen sich in besonderem Maße als Medium, über das nationale sowie Geschlechter- und Generationenordnungen neu verhandelt werden. Dies geschieht, wie der folgende Beitrag zeigen soll, vermittels eines komplexen Medienverbundes, der die Erfahrung und Interpretation des Konsumprodukts unter anderem an den zeitgenössischen Film koppelt. Der Blick auf Essensszenen im Film macht zum einen dessen Verflechtung mit der Warenwelt sichtbar; zum anderen spezifiziert er die Funktion des Mediums ›Film‹ als Reflexionsmedium (ess)kultureller Praktiken. Was der Film jedoch ebenso wenig wie ein Text zu leisten vermag, ist, Geruch und Geschmack des Essens zu reproduzieren; sie sind in beiden Fällen allein sprachlich artikulierbar. Auch wenn der Film dadurch Gefahr läuft, immer dann, wenn er Essensszenen präsentiert, eine Distanz zum Publikum aufzubauen, welche die ansonsten intendierte emphatische Teilnahme verhindern kann16, so ist er trotzdem in der Lage, Geruchs- und Geschmacksempfindungen zu evozieren, mit denen die Zuschauenden selbst das optische Bild komplettieren. In diesem Sinne ist die multisensorische Erfahrung im visuellen Bild in kondensierter Form aufgehoben: »It does not vanish but is translated into the image«.17 Wenn eigene Geschmacks- und Geruchserlebnisse zur Vervollständigung des Eindrucks an 15 | Zur italienischen Küche im italienischen Film siehe Viviana Lapertosa, Dalla fame all’abbondanza. Gli italiani e il cibo nel cinema dal dopoguerra a oggio, Turin 2002; Thomas Bremer, Vom Brot der frühen Jahre zur Küche der Jahrtausendwende. Über das Essen im italienischen Film und seine Rezepte, in: Zibaldone. Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart 37 (2004), 62-77. 16 | Vgl. Vinzenz Hediger, Vom Zuschauen allein wird man nicht satt. Zur Darstellung von Essen und Trinken im Film, in: Felix Escher/Claus Buddeberg, Hg., Essen und Trinken zwischen Ernährung, Kult und Kultur, Zürich 2003, 159-177, hier 168. 17 | Laura U. Marks, The Skin of the Film. Intercultural Cinema, Embodiment, and the Senses, Durham/London 2000, 214.

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das präsentierte Bild herangetragen werden, kann dies zur Distanzierung und/oder zur Überbrückung der medialen Kluft seitens der Zuschauenden führen. Was die Schauspieler/innen angeht, heben Essensszenen, bei denen tatsächlich gekaut und geschluckt wird, die Trennung zwischen dem Körper der Darstellenden und dem Zeichenkörper auf der Leinwand tendenziell auf. Aufgrund dieser Grenzüberschreitung, aufgrund dieses Einbruchs des Realen können derartige Essensszenen, ähnlich wie Sexszenen (nicht nur) im Pornofilm, eine obszöne Wirkung entfalten.18 Es ist also die spezifische Medialität des Films, die beim Thema ›Essen‹ einschränkend wie auch entgrenzend wirkt. Einen besonderen Mehrwert bietet der Film als ernährungs- und konsumhistorische Quelle, indem er nicht nur eine Analyse von Nahrungsmitteln, sondern auch von Koch- und Esspraktiken, nicht nur von Konsumgütern, sondern auch von Konsumpraktiken erlaubt und dabei körperliche Prozesse, transformative Momente des Speiseaktes und damit die performative Dimension der daran gebundenen Fremd- und Selbstentwürfe auf prägnante Weise in Szene setzt. Das bewegte Bild ist in dieser Hinsicht Text- oder Bildquellen überlegen.

D ER I TALIENREISEFILM DER FRÜHEN B UNDESREPUBLIK In den fünfziger und frühen sechziger Jahren produzierte die westdeutsche Filmindustrie nicht nur eine Unmenge von Heimatfilmen, sondern auch zahlreiche Urlaubsfilme, die sich als Subgenre bzw. Fortführung des Heimatfilms verstehen lassen: »Aus den Vagabunden der Heimatfilme wurde der Tourist in den Ferienhotelfilmen.«19 Zeichnete sich der Heimat18 | Zur Obszönität von Esshandlungen im Film, die Körperöffnungen sichtbar machen, siehe Lorenz Engell, Will Hays – Otto Mühl: »The Big Swallow«. Essen im Film – auf der Grenze zwischen Film und Leben – eine Deutung der Abwesenheit, in: Ursula Peters, Hg., Vom Essen und Trinken. Darstellungen in der Kunst der Gegenwart. Katalog zur Ausstellung des Kunst- und Museumsvereins Wuppertal, 8.2.-31.3.1987, Wuppertal 1987, 76-84, hier 77. 19 | Walter Uka, Modernisierung im Wiederaufbau oder Restauration? Der bundesdeutsche Film der fünfziger Jahre, in: Werner Faulstich, Hg., Die Kultur der fünfziger Jahre, München 2002, 71-89, hier 83. Uka spricht von einer Verschmelzung des Heimatfilms mit dem »Subgenre des Musik- und Ferienfilms« und inter-

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film – entgegen gängiger Klischees – bereits durch den Versuch aus, Traditionelles und Neues miteinander zu vermitteln20, so setzte der Urlaubsfilm noch expliziter auf die Aneignung von Neuem und bot in dieser Hinsicht ein zeitgemäßeres Forum, um bundesdeutsche Identitäten (neu) zu bestimmen. Gerade die Auseinandersetzung mit dem ›Fremden‹ bot Möglichkeiten der Neujustierung der eigenen Identität. Besonders beliebt waren Ferienfilme mit Italienthematik. In den fünfziger und sechziger Jahren wurde eine kaum zu überschauende Anzahl derartiger Italienfilme gedreht, die weniger dem Muster der klassischen Bildungsreise folgten als vielmehr eine Vergnügungsreise in Szene setzten.21 Diese Filme bereiteten, ähnlich wie der Italienschlager, den Massentourismus nach Italien vor, von dem erst an der Schwelle zu den sechziger Jahren gesprochen werden kann.22 Aus konsumhistorischer Perspektive betrachtet, schaffte das Medium ›Italienfilm‹, indem es das Land visuell goutierbar machte, einen Anreiz, selbst einmal nach Italien zu reisen oder italienische bzw. italianisierte Produkte auszuprobieren. Über den Ferienfilm gelangte das ferne Italien in den eigenen Bildraum, und die im Film präsentierten Ansichten Italiens prägten, gemeinsam mit den Urlaubskatalogen, das visuelle Repertoire über dieses Reiseland maßgeblich. Ob als Tourist/in vor Ort oder im Kino: Italien wurde in der Nachkriegszeit (erneut) zum Land der Sehnsucht.

pretiert dies als Reaktion auf die sich etablierende Konsumkultur in den späten fünfziger Jahren. 20 | Vgl. Johannes von Moltke, No Place Like Home. Locations of Heimat in German Cinema, Berkeley/Los Angeles/London 2005. 21 | Vgl. Alexandra Theberath, Deutsche Italiensehnsucht in den Spielfilmen der 50er- und frühen 60er Jahre, unveröffentlichte Magisterarbeit, Universität zu Köln 2003. 22 | Tourismuswerbung und Ferienfilm gingen der realen Praxis damit weit voraus. Vgl. Axel Schildt, »Die kostbarsten Wochen des Jahres«. Urlaubstourismus der Westdeutschen (1945-1970), in: Hasso Spode, Hg., Goldstrand und Teutonengrill. Kultur- und Sozialgeschichte des Tourismus in Deutschland 1945 bis 1989, Berlin 1996, 69-85, hier 78; zum Italienschlager siehe Monika Burzik, Von singenden Seemännern und Musikern vom Sirius. Die Musik der fünfziger Jahre, in: Faulstich, Kultur der fünfziger Jahre, 249-262.

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Deutlicher als andere Filmgenres lässt sich der Italienfilm als ›Tagtraum der Gesellschaft‹23 verstehen. Die Ferienfilme und allen voran die Italienfilme kontrastierten dabei den deutschen Arbeitsalltag mit gelöster Ferienstimmung, mit Nichtstun und dolce vita.24 Im Gegensatz zur Zeit des Nationalsozialismus, als in Italien nicht primär »das ›Dolce far niente‹« gesucht wurde, »sondern das emsig schaffende italienische Volk, das, durch einen eisernen Willen geführt, in wenigen Jahren zu ungeahnter Höhe aufstieg, das seine angestammte Vormachtstellung im Mittelmeer neu errang und das einstige Imperium Romanum neugeschaffen hat«25 , interessierte in den ersten Nachkriegsjahrzehnten (wieder) das den Genüssen des Lebens vermeintlich aufgeschlossenere Italien.26 Hier ließen sich ein wenig Gelassenheit und Abstand vom bundesdeutschen Arbeitsalltag erlernen und damit die Voraussetzungen für eine stärker hedonistische und konsumorientierte Gesellschaft schaffen, andererseits aber auch in der Abgrenzung vom ›chaotischen‹ Italien (bundes)deutsche Tugenden wie Leistungsbereitschaft und Pünktlichkeit bestätigen.27 Die Italienreisefilme der fünfziger und sechziger Jahre sind keine food movies im engeren Sinne, d.h., Essen spielt hier keine zentrale Rolle für den Plot. Dennoch finden sich in allen Urlaubsfilmen Essensszenen, die

23 | Zur Charakterisierung von Spielfilmen als »Tagträume der Gesellschaft« siehe Siegfried Kracauer, Das Ornament der Masse, Frankfurt a.M. 1977 [1927], 280. 24 | Dies gilt auch für die zeitgenössischen Urlaubsfilme aus der DDR, die zwar nicht in Italien, sondern an der Ostsee spielen, aber ebenfalls die Botschaft vermittelten, man solle es sich auch einmal ohne Arbeit gut gehen lassen: »Immer nur grad und akkurat, ja, das wäre schad«, so einer der Schlagertexte in der Komödie Das verhexte Fischerdorf (R: Siegfried Hartmann, DDR 1962). 25 | E. W. Schmidt, Urlaub in Italien, Berlin 1939, Vorwort. 26 | Zur langen Tradition des Neides auf die vermeintliche Sinnlichkeit der ›anderen‹ siehe Marks, Skin of the Film, 239, die »sense envy« als »the desire of one culture for the sensory knowledge of another« beschreibt und auf die lange, auch koloniale Geschichte dieses Begehrens verweist. 27 | Vgl. Maren Möhring, Working Girl Not Working. Liebe, Freizeit und Konsum in Italienfilmen der frühen Bundesrepublik, in: Sabine Biebl/Verena Mund/Heide Volkening, Hg., Working Girls. Zur Ökonomie von Liebe und Arbeit, Berlin 2007, 249-274.

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für die Strukturierung des Handlungsfeldes von Bedeutung sind.28 Auch fahren die deutschen Reisenden in den Urlaubsfilmen nicht primär wegen der italienischen Küche in den Süden.29 Diese wird trotzdem fast ausnahmslos in allen Filmen bildlich und häufig auch sprachlich in Szene gesetzt, stellt das Ausprobieren der einheimischen Speisen und Weine neben dem sight-seeing doch eine der zentralen Konsumpraktiken dar, mittels derer die Touristen das fremde Land (sinnlich) erfahren.

S PAGHE T TI -S ZENEN IM BUNDESDEUTSCHEN I TALIENREISEFILM In Hollywoodfilmen der fünfziger und frühen sechziger Jahre kann man den Schauspieler/innen nur selten beim Essen zusehen; erst mit Abschaffung des Production Codes 1966, mit der eine freizügigere Darstellung sexueller Handlungen möglich wurde, finden sich auch vermehrt Sequenzen, in denen tatsächlich Nahrung aufgenommen, gekaut und geschluckt wird.30 Dem gegenüber zeichnen sich viele der bundesdeutschen Italienfilme dadurch aus, dass sie den Verzehr von Spaghetti explizit zeigen und insbesondere die Schwierigkeiten thematisieren, vor die sich deutsche Tourist/inn/en der fünfziger und sechziger Jahre angesichts der schwer handhabbaren Speise gestellt sahen. Die Spaghetti-Sequenzen stellen komprimierte Szenen interkultureller Kompetenzerprobung dar, als welche sie auch in den zeitgenössischen Reiseführern thematisiert wurden: »Sie sind im Begriff, Ihre Feuerprobe, Ihren Ritterschlag für die Italienreise zu bestehen: wenn Sie jetzt daran gehen, die Spaghetti zu zerschneiden,

28 | Die Struktur gebende Funktion von Essenszenen im Film betont Jane F. Ferry, Food in Film. A Culinary Performance of Communication, New York/London 2003, 62. 29 | Dies ist ein neuer Trend der neunziger Jahre. Zur »Gourmandise«, die ›gutes Essen‹ zum Hauptmotiv einer Reise macht, siehe Jörg Maier/Gabi Troeger-Weiss, Kulinarische Fremdenverkehrs- und Freizeitkultur. Freizeittrends und Lebensstile in der Bundesrepublik Deutschland, in: Alois Wierlacher, Hg., Kulturthema Essen. Ansichten und Problemfelder, Berlin 1993, 227-241. 30 | Vgl. Hediger, Vom Zuschauen, 159 u. 171.

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dann ist es besser, Sie fahren gleich zum Brenner zurück.«31 Denn statt die Spaghetti klein zu schneiden, sollten sie geschickt auf die Gabel gewickelt werden, um sie dann zum Mund führen zu können. Zu den vielfältigen Ratschlägen, die den Tourist/inn/en in Reiseführern erteilt wurden, zählte – neben einem kleinen gastronomischen Wörterbuch, das die wichtigsten Speisen der italienischen Küche erklärte – fast immer auch eine detaillierte Anleitung zum korrekten Spaghettiessen.32 Dies gehörte nach zeitgenössischem Verständnis zum notwendigen Verhaltensrepertoire von Italienreisenden, aber auch von Gästen im italienischen Restaurant in der Bundesrepublik.33 Diese Essenstechnik galt es zu erlernen, wollte man im Ausland nicht als unkultivierte/r Deutsche/r erscheinen. Nicht aufzufallen, war dabei das erklärte Ziel der bundesdeutschen Reiseführer, schließlich sei man im Ausland nicht nur Einzelperson, sondern »Vertreter seines Volkes«.34 Spaghetti ›korrekt‹ zu verzehren, nicht an der eigenen Esstechnik festzuhalten, sondern die italienische Art zu imitieren, wurde als Möglichkeit präsentiert, Offenheit gegenüber ausländischen (Ess-)Kulturen zu demonstrieren und damit eine neue, tolerante und kosmopolitische Identität zu entwerfen. Während die Italienreisenden das korrekte Essen der Spaghetti durch eigene Anschauung im Urlaubsland erlernen

31 | Reinhard Raffalt, Eine Reise nach Neapel … e parlare italiano. Ein Sprachkurs durch Italien, München, 5., neu durchges. Aufl. 1975 [1957], 54. 32 | »[E]rstens, wenig Nudeln auf die Gabel, zweitens: drehen, und drittens: ziehen, tirare, meine Herrschaften, tirare, tirahre, ziehen, in die Höhe ziehen, damit die Spaghetti sich entwirren. Wenn man diesen Trick heraus hat, ist es eine Wonne, Spaghetti zu essen!« (ebd.). 33 | Dass Reiseführer insofern interessante Quellen darstellen, als sie die »Verstehensansprüche der jeweiligen Zeit« präsentieren und einen »Referenzrahmen empfohlener Verhaltensmuster in der Fremde« zur Verfügung stellen, betont Alois Wierlacher, Verfehlte Alterität. Zum Diskurs deutschsprachiger Reiseführer über fremde Speisen, in: Teuteberg/Neuman/ders., Essen, 498-509, hier 501. 34 | Baedekers Allianz-Reiseführer Italien, Stuttgart/Freiburg [1979], 327. Zur bundesdeutschen Politik der Zurückhaltung siehe Johannes Paulmann, Die Haltung der Zurückhaltung. Auswärtige Selbstdarstellungen nach 1945 und die Suche nach einem erneuerten Selbstverständnis in der Bundesrepublik, Bremen 2006; Simone Derix, Bebilderte Politik. Staatsbesuche in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1990, Göttingen 2009, 48-60.

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konnten35, blieb den anderen nur die Beschreibung in den Reiseführern – oder aber das Kino, das diese Praxis nicht allein sprachlich, sondern vor allem visuell vorführte. In den im Folgenden zu besprechenden Italienreisefilmen ereignet sich der Akt des Spaghettiessens meist in einem Restaurant, das allerdings nicht zwangsläufig tatsächlich in Italien angesiedelt sein musste, sondern sich durchaus auch in der italienischen Schweiz befinden konnte. Denn das in den Urlaubsfilmen beschworene Italien begann bereits im Tessin. Die Schweiz fungierte dabei nicht allein in geographischer Hinsicht als ein Transit-Ort zwischen Nord und Süd. Sie wurde auch in übertragenem Sinne zu einer Schwelle zwischen Vertrautem und Fremdem; ›Exotik‹ und schweizerischer Hotelkomfort verbanden sich zu einer ›sicheren Fremde‹. Auch der im Zentrum dieses Beitrags stehende Reisefilm Wenn der Vater mit dem Sohne aus dem Jahre 1955 spielt zu großen Teilen in der Schweiz.

W ENN DER V ATER MIT DEM S OHNE S PAGHE T TI ISST Die Protagonisten des Spielfilms Wenn der Vater mit dem Sohne (R: Hans Quest, BRD 1955)36 sind der Clown Teddy Lemke (Heinz Rühmann) und der von ihm mit aufgezogene sechsjährige Junge Ulli (Oliver Grimm). Dieser wurde von seiner kurz nach dem Krieg in die USA ausgewanderten Mutter (Waltraut Haas) bei einer Pflegemutter, Fräulein Biermann (Fita Benkhoff) untergebracht, bei der auch Teddy zur Untermiete lebt. Als Ullis Mutter zurückkehrt, um ihren Sohn zu holen, entführt Teddy den Jungen kurzerhand. Bei der geschilderten Reise in den Süden handelt es sich also im Grunde um eine Flucht. Ein nicht ganz freiwilliges, aber trotzdem lustvolles Unterwegssein ist das Leitthema von Wenn der Vater mit dem 35 | So dem Bericht von Hans-Karl B. aus Karlsruhe über seine Fahrradtour durch Italien im Jahre 1953 zu entnehmen: Bei einem Schneidermeister, bei dem er ein Zimmer gemietet hatte, hätte er »das gar nicht so einfache Spaghettiessen auf original italienische Weise gelernt« (zitiert nach Harald Siebenmorgen, Hg., Wenn bei Capri die rote Sonne… Die Italiensehnsucht der Deutschen im 20. Jahrhundert. Katalog zur Ausstellung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe, 31.5.-14.9.1997, bearb. v. Gabriele Kindler, Karlsruhe 1997, 120-121, hier 121). 36 | Drehbuch: Gustav Kampendonk und Eckart Hachfeld, nach einer Idee von Hans Grimm; Musik: Heino Gaze.

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Sohne, das in dem gleichnamigen, den Film untermalenden Schlager aufgegriffen wird: Vater und Sohn wollen nicht nach Hause; wo und bei wem überhaupt das Zuhause (nicht nur) des Sohnes zu suchen ist, steht zur Debatte. Gehört ein Kind in jedem Falle zu seiner Mutter? Oder sind auch andere Familienordnungen, mit einer Pflegemutter und einem Clown als inoffiziellem Pflegevater, denkbar und wünschenswert? In der prominenten Spaghetti-Szene des Films, die in Lugano und kurz vor dem entscheidenden Wiedersehen von Ulli und seiner Mutter angesiedelt ist, werden über das durch die Spaghetti provozierte Abweichen von herkömmlichen deutschen Verhaltensvorschriften bei Tisch gängige Ordnungsmuster in Frage gestellt und Konzepte von Familie, Mutter- und Vaterschaft problematisiert.

Abb. 2: Spaghetti-Szene (Film Still). Aus: Wenn der Vater mit dem Sohne… (R: Hans Quest, BRD 1955). Die Szene (Abb. 2) zeigt Ulli und Teddy am Tisch, auf dem ein Berg dampfender Spaghetti mit Tomatensauce steht – dem Spaghettigericht, das in den fünfziger und sechziger Jahren die Italienfilme dominiert. Anders als in der österreichischen Ferien- und Gangsterkomödie Ooh…diese Ferien (R: Franz Antel, A 1958), in dem der Sohn die Spaghetti abwertend als »Regenwürmer« bezeichnet und daraufhin von seinem Vater aufgeklärt wird, dass es sich um »echte italienische Spaghetti« handele und diese, so die Mutter, »genauso gut wie unsere Nudeln zuhaus« seien, werden die Spaghet-

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ti in Wenn der Vater mit dem Sohne nicht als solche benannt. Sie werden lediglich als »sie« adressiert, was auf ihre allgemeine Bekanntheit beim Kinopublikum schließen lässt. Ulli kommt mit den Nudeln nicht zurecht, woraufhin Teddy versucht, ihren korrekten Verzehr vorzuführen, jedoch selbst scheitert. Die Technik des Spaghettiessens erfordert ein Wissen über die spezifische Materialität des Nahrungsmittels und seine Handhabung37, wobei es vor allem die Länge, aber auch die Schlüpfrigkeit der Nudeln ist, welche die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die zeitgenössischen deutschen Reiseführer, oftmals in humoristischem Ton verfasst, lassen verlauten, die Italiener hätten die langen Nudeln erfunden, um sie spielend bzw. spielerisch essen zu können; denn schließlich seien die Italiener das »spielfreudigste Volk der Welt«.38 Dieses kindlich-spielerische Moment wird in Wenn der Vater mit dem Sohne aufgegriffen: Vater und Sohn haben sich Servietten umgebunden, die ein wenig wie Lätzchen aussehen, und der Sohn – und für einen Augenblick auch der Vater – essen die Pasta mit der Hand. Die Spaghetti erscheinen mehr als Spielzeug denn als Nahrungsmittel, was noch durch einen kleinen Hund unterstrichen wird, der mit ein paar Spaghetti im Fell eingeblendet wird.39 Die Botschaft scheint zu sein, dass sich Spaghetti gar nicht ernsthaft und anständig verspeisen lassen. Diese Sichtweise bietet zum einen Raum für harmlose Selbstparodien von deutscher Seite, die die eigene Inkompetenz bezüglich der Pasta herausstreichen.40 Zum anderen impliziert die Kopplung von Spaghettiessen und Spiel, Zauberei und Akrobatik jedoch auch, dass Spaghetti letztlich nicht als ein durch und durch ›zivilisiertes‹ Gericht wahrgenommen werden. Sie ermöglichen kaum einen ›manierlichen‹ Essstil, zu dem die 37 | Vgl. dazu auch den Schnürsenkel wie Spaghetti verzehrenden Charlie Chaplin in Goldrausch (USA 1925). 38 | Raffalt, Reise, 53. 39 | Relativ zu Beginn des Films ist das Spielen mit Essen bereits Thema: Ulli hat einen Pfannkuchen zubereitet, den Teddy in der Pfanne zu wenden sucht und ihn dabei, in klassischer slapstick-Manier, an die Decke befördert, von wo der Pfannkuchen auf Ullis Kopf herunterfällt. 40 | So auch in Ooh… diese Ferien, wo der Versuch des Familienvaters, die Spaghetti fachmännisch zu essen, vom mitreisenden Großvater mit der Bemerkung kommentiert wird, mit dieser kunstvollen Esstechnik könne er problemlos im Zirkus auftreten – der Großvater selbst hat, trotz der Kritik, dass ›man das doch nicht mache‹, seine Spaghetti klein geschnitten.

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weitgehende Kontrolle über Körper, Hände und Mund gehört.41 Vielmehr ist sogar Kleckern erlaubt, das zusammen mit dem Schlürfen der Spaghetti diese Esspraxis bisweilen als etwas Obszönes erscheinen lässt.42 Der spielerische Charakter der Spaghetti-Szene impliziert eine Infantilisierung Teddys und mit ihm womöglich auch der Italiener/innen, deren »Talentlosigkeit zur Sorge für das Morgen« zu den zeitgenössischen Klischees zählte.43 Anders als den Italiener/inne/n wird den Bundesbürger/inne/n eine solche Sorglosigkeit und Kindlichkeit nur während des Urlaubs zugestanden; allein während dieser Ausnahmezeit ist ihnen eine solche ›kontrollierte Regression‹ gestattet.44 Die Infantilisierung Teddys wird einerseits aufgefangen, andererseits aber auch verstärkt durch seinen eigentlichen Beruf: Er ist, wie gesagt, Clown und in gewisser Weise per se nicht ganz der ernsthaften Welt der Erwachsenen zuzurechnen. Auch sein Name drückt eher seine Kindesnähe als väterliche Autorität aus. In dem Moment, in dem Teddy es aufgibt, Ulli das ›anständige‹ Essen der Spaghetti beizubringen, tritt er von seiner Vaterrolle zurück. Dadurch, dass auch Teddy die Essenskonventionen, zumal in der exponierten (Semi-)Öffentlichkeit des Restaurants, nicht einhält, ebnet sich die Hierarchie zwischen beiden ein; sie gleichen sich einander an. Die gemeinsame Mahlzeit, die durch die (damals durchaus noch übliche) eine große Schüssel Spaghetti auf dem Tisch, aus der sich alle bedienen, zusätzlich unterstri41 | Zu den neuzeitlichen Regulierungen des Essens siehe Norbert Elias, Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 Bände, Frankfurt a.M., 17. Aufl. 1992 [1939]. In Italien haben Spaghetti allerdings maßgeblich zur Einführung der Gabel beigetragen, da sie – aufgrund ihrer Schlüpfrigkeit und heiß serviert – kaum anders als mit Essbesteck zu verzehren waren (vgl. Alberto Capatti/Massimo Montanari, La cucina italiana. Storia di una cultura, Rom/Bari 1999, 53); in diesem Sinne lassen sich Spaghetti auch als ›Zivilisierungsinstanz‹ verstehen. 42 | Dass Kleckern kein Problem sei, ist etwa bei Raffalt, Reise, 54, nachzulesen. Für das heutige Publikum liegt die Obszönität des Films vermutlich eher in seinem Titel, der den aktuellen Diskurs über Pädophilie und Kindesmissbrauch aufruft. 43 | Raffalt, Reise, 50. 44 | Vgl. dazu Cord Pagenstecher, Der bundesdeutsche Tourismus. Ansätze zu einer Visual History: Urlaubsprospekte, Reiseführer, Fotoalben 1950-1990, Hamburg 2003, 372.

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chen wird, signalisiert m.E. einen Pakt zwischen Teddy und Ulli. Dieses Bündnis lässt sich als Solidarisierung gegen die Mutter lesen – »das Beste, was ein Kind haben kann«, wie Teddy an anderer Stelle des Films äußert. In der Frage, welche der Bezugspersonen das Wohl des Kindes am besten garantieren kann, bezieht der Film (zunächst) keine eindeutige Position. Rühmann wird durchweg sympathisch, wenn auch bisweilen, nicht zuletzt in der Spaghetti-Szene, als etwas lebensfern gezeichnet. Anders als in dem Urlaubs- und Musikfilm Gitarren der Liebe (R: Werner Jacobs, BRD 1954), in welchem einem der Protagonist/inn/en über den gekonnten Verzehr von Spaghetti Weltläufigkeit und männliche Souveränität zugeschrieben werden, gibt Teddy seine väterliche Autorität in der Spaghetti-Szene ab. Zudem suggeriert der Film in einer vorangegangen Szene, in der Teddy seinem Sohn Nahrung verschaffen will und deshalb in den Alpen erfolglos eine Kuh zu melken versucht, dass der Pflegevater nicht in der Lage ist, ein Kind richtig zu versorgen, und dass sein Wunsch, das Kind mit Milch zu füttern, ein widernatürlicher ist.45 Auch das Essen im Restaurant als kommerzialisierte Nahrungszufuhr, mit dem Kellner als Mittler, fällt in dieser Perspektive gegenüber der von einer Mutter zuhause zubereiteten und dort konsumierten Familienmahlzeit ab und erscheint als weniger ›natürlich‹. Auf diese Weise wird, vermittelt durch die filmische Inszenierung unterschiedlicher Essenspraktiken, nach und nach die Rückkehr zur Mutter als letztlich richtiger Weg präsentiert. Aber den Film durchziehen auch gegenläufige Tendenzen. So nimmt er das Faktum der so genannten unvollständigen Familie auf, die in der deutschen Nachkriegszeit alles andere als eine Ausnahme darstellte, und zeigt zunächst einmal ihr Funktionieren. Doch nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern auch in seiner Formensprache weist Wenn der Vater mit dem Sohne Momente auf, in denen die klassische, auf dem Abstammungsprinzip basierende Familienkonstellation außer Kraft gesetzt zu sein scheint und eine neue Art von Verbindung zwischen Vater/Ersatzvater und Sohn/Ersatzsohn entsteht. In der Spaghetti-Szene sind es die Gesten des Essens und die wechselseitige Angleichung im Verhalten, welche die klare Zuordnung von Vorbild und Nachahmer in Frage stellen und eine Verknüpfung beider schaffen, die sich nicht auf der Eltern-Kind-Folie ab45 | Vgl. dazu Massimo Perinelli/Olaf Stieglitz, Liquid Laughter. A Gendered History of Milk & Alcohol Drinking in West-German and US Film Comedies of the 1950s, in: gender forum 13 (2006), www.genderforum.org (26.12.2011).

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bilden lässt, nicht genealogisch und damit hierarchisch und historisch legitimiert ist, sondern sich als eine quer laufende Konnexion lesen lässt. Das transformative Potential, das in der Spaghetti-Szene aufscheint, ist m.E. nicht zufällig an den Verzehr ausländischer Speisen gebunden. Werden im Medium des Films (aber auch der Literatur) das Essen und bestimmte Speisen häufig genutzt, um einem Charakter eine Herkunft oder zumindest momentane Verortung zuzuschreiben, so kann das ausländische Essen bzw. das Essen im Ausland zum Ausgangspunkt einer Neuverortung, einer Infragestellung für fix erachteter Identitäten und Ordnungen werden.46 Elspeth Probyn streicht in Carnal Appetites das transformative Potential der Nahrungsaufnahme heraus, indem sie den Akt des Essens vor allem als eine Affizierung des Selbst durch ein Außen charakterisiert, die vermeintlich feste (Körper-)Grenzen überschreitet.47 Dies gilt in besonderem Maße für den Verzehr ausländischer Speisen, deren spezifische Funktion als Erfahrungsmedien darin besteht, die Öffnung gegenüber einem Außen explizit zu machen und es sogar nahe zu legen, im Essensakt jemand/etwas anderes zu werden. Während sich das Transformationspotential in Wenn der Vater mit dem Sohne eher auf ›traditionelle‹ Familienstrukturen als auf die Frage nationaler Identifizierung zu erstrecken scheint, so wird diese doch im Falle ausländischer Speisen immer mitverhandelt. Es ist gerade das ›fremde‹ Gericht, das auf ›seltsame‹ Art und Weise gegessen wird, das ein Abweichen von den gängigen deutschen Verhaltensvorschriften – nicht nur bei Tisch – ermöglicht; es scheint der Kontakt mit dem Ungewohnten zu sein, der zu einer Subversion familiärer (Tisch-)Ordnung führt. Das Spielerische, das dem Spaghettiessen zugeschrieben wird, fungiert hier als Möglichkeitsraum für Phantasien, die beim Essen eines (deutschen) Sonntagsbratens wohl kaum denkbar wären. Anders als in vielen filmischen Inszenierungen von Restaurantszenen stehen die Spaghetti in Wenn der Vater mit dem Sohne bereits auf dem Tisch; es wird kein Lesen der Speisekarte und Auswählen aus dem Menu 46 | Die Bindung wie auch die Entfremdung von einer bestimmten Herkunft oder (sozialen) Verortung lassen sich über das Essen thematisieren, so Gaye Poole, Reel Meals, Set Meals. Food in Film and Theatre, Sydney 1999, 235. 47 | Vgl. Elspeth Probyn, Carnal Appetites. FoodSexIdentities, New York/London 2000; siehe auch Maren Möhring, Essen, in: Netzwerk Körper, Hg., What Can a Body Do? Praktiken und Figurationen des Körpers in den Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M./New York 2012, 47-56, hier 54-56.

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gezeigt, das dem Essensakt vorausgeht. Während man die Speisekarte als Hinweis auf etwas Zukünftiges verstehen kann und sie in diesem Sinne einen Raum der Antizipation öffnet48, ist in Wenn der Vater mit dem Sohne die sofortige Befriedigung des Appetits in Szene gesetzt. Das transformative Moment des Essensaktes, der sich am Übergangsort Tessin, auf einer Restaurantterrasse zwischen Straße und Haus, abspielt, liegt auch darin begründet, dass es keinen Aufschub gibt; die Wunscherfüllung findet, wenn auch mit Umwegen, sofort statt.

S PAGHE T TI VONGOLE , ABER BIT TE AL DENTE Stellten der Italienurlaub und die italienische Küche in den fünfziger und sechziger Jahren noch Novitäten dar, so änderte sich dies im Laufe der siebziger Jahre. Immer mehr Bundesdeutsche konnten sich eine Reise in den Süden leisten und lernten die italienischen Speisen zudem auch zuhause beim Besuch eines Pizzeria-Ristorante kennen, eines hybriden Gaststättentyps, der in Italien nicht existierte, aber zum Inbegriff der italienischen Gastronomie in der Bundesrepublik werden sollte.49 Zur Italianisierung der deutschen Ernährungsmuster trugen also zwei Mobilitätsformen, nämlich sowohl der Massentourismus nach Italien als auch die italienische Migration nach Deutschland, maßgeblich bei.50

48 | Vgl. Poole, Reel Meals, 131. 49 | Vgl. Maren Möhring, Staging and Consuming the Italian Lifestyle. The Gelateria and the Pizzeria-Ristorante in Post-war Germany, in: Food & History 7/2 (2009), 181-202. 50 | Entsprechend haben sich italienische Gaststätten in der Bundesrepublik flächendeckend etabliert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts handelte es sich bei jeder zehnten Gaststätte in Deutschland um ein italienisches Lokal, und von den etwa 60.000 italienischen Restaurants weltweit befanden sich ca. 16.000 in Deutschland (vgl. René Leicht u.a., Die Bedeutung der ethnischen Ökonomie in Deutschland. Push- und Pullfaktoren für Unternehmensgründungen ausländischer und ausländischstämmiger Mitbürger. Studie im Auftrag des BMWi (Kurzfassung), hg. v. Institut für Mittelstandsforschung, Univ. Mannheim, April 2005, 9; Richard Wachter, Bella Italia, in: Hessische Gastronomie. Fachmagazin für die Hotellerie und Gastronomie 12 (2003), 18-22, 19).

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Abb. 3: Spaghetti-Szene (Film Still). Aus: Man spricht deutsh (R: Gerhard Polt, BRD 1988). Die zunehmende Kenntnis der italienischen Küche auf Seiten der Bundesbürger/innen nimmt Gerhard Polt in Man spricht deutsh aus dem Jahre 1988 parodistisch ins Visier. Der Film, dessen Titel auf die in vielen Restaurants in Italien zu findenden, an deutsche Tourist/inn/en gerichteten Schilder referiert, behandelt den Aufenthalt der bayerischen Familie Löffler im Ferienort Terracina am Tyrrhenischen Meer, der exemplarisch für den bundesdeutschen Massentourismus in Italien steht. In mehreren Essensszenen wird die beschränkte kulinarische Neugier der Deutschen vorgeführt. So können diese mit der großen, von verschiedenen Schalentieren dominierten »Fischplatte Poseidon« nichts anfangen und verlangen stattdessen permanent entweder Pizza (»mit allem«), auch im gehobenen italienischen Restaurant, oder aber Spaghetti (Abb. 3). Während der gekonnte Verzehr von Schalentieren noch nicht zu den gängigen Alltagstechniken der Italienreisenden gehört, scheint die Kunst des Spaghettiessens mittlerweile in fast alle sozialen Schichten diffundiert zu sein. Auch die Differenzierungsfähigkeit angesichts der Vielzahl an Pastagerichten hat zugenommen. Es werden jetzt nicht mehr nur Spaghetti mit Tomatensauce, sondern besonders gern auch Spaghetti vongole bestellt – und zwar al dente, wie der Protagonist (Gerhard Polt selbst) in Man spricht deutsh mit Nachdruck vom italienischen Kellner fordert. Italienische Spaghetti waren in Deutschland zwar bereits vor dem Zweiten Weltkrieg bekannt, wurden jedoch, anders als in Italien, meist

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sehr lange gekocht. Das heißt, ihre Zubereitungsweise orientierte sich an den im deutschsprachigen Raum seit längerem heimischen und seit dem späten 19. Jahrhundert auch industriell produzierten Eiernudeln, die bis weit in die sechziger Jahre den deutschen Nudelverzehr dominierten und als gehalt- und damit wertvolleres Nahrungsmittel als die Pasta aus Hartweizengrieß galten.51 Dass italienische Pasta als andersartige Teigware auch eine andere Form der Zubereitung erforderte, fand in den fünfziger Jahren dann zunehmend Eingang in die bundesdeutschen Reiseführer und -berichte: »Al dente… müssen sie immer zubereitet werden. Man wirft die makkaroni in kochendes Salzwasser und nimmt sie bereits wieder heraus, solange sie noch für mitteleuropäische Gaumen etwas hart erscheinen.«52 Derartige Anweisungen hielten Einzug auch in entsprechende Rezeptsammlungen wie etwa das 1975 im Heyne-Verlag erschienene Kochbuch Italienische Küche, in dem al dente mit »für den Zahn« übersetzt und als (einzig) korrekte Zubereitungsweise dargestellt wird.53 Deutsche und italienische Nudeln wurden hinsichtlich ihrer Herstellung, ihrer Konsistenz und ihres Geschmacks also zunehmend differenziert, jeweils als nationale Eigenarten diskursiviert und als solche goutiert. Polts Film zeigt nun, dass das kulinarische Wissen, dass italienische Pasta nicht zu lange zu kochen sei, in den achtziger Jahren zum Allgemeingut geworden ist. Die Fixierung auf dieses Wissen, das kulturelle Kompetenz und sozialen Status demonstrieren soll, war zu diesem Zeitpunkt zu eben dieser Distinktionsleistung längst nicht mehr in der Lage. Eine solche parodistische Darstellung vermeintlicher Italienkenner/innen fehlt in den Italienreisefilmen der frühen Bundesrepublik vollständig. Hier lässt sich also ein deutlicher historischer Wandel des kulinarischen Wissens und mit ihm der Positionierung eines bestimmten Konsumgutes, seiner Zubereitung und seines Verzehrs beobachten.

51 | Vgl. Maren Möhring, Ausländische Gastronomie. Migrantische Unternehmensgründungen, neue Konsumorte und die Internationalisierung der Ernährung in der Bundesrepublik Deutschland, unveröffentlichte Habilitationsschrift, Universität zu Köln 2010, Kap. 4. 52 | Sie mit kaltem Wasser abzuschrecken, sei eine »Barbarei« (Bettina Ledermann, Maccheroni-Symphonie, in: Merian 11/6 (1958), 89-92, hier 89f.). 53 | Marianne Piepenstock, Italienische Küche. 300 italienische Spezialitäten zum Selbermachen, München 1975 [1963], 43.

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F A ZIT Die Italienfilme der frühen Bundesrepublik inszenierten Spaghetti einerseits als ›exotische‹ Speise; andererseits sorgten sie, indem sie kulinarisches Wissen sprachlich, vor allem aber visuell vermittelten, für eine EntFremdung der italienischen Gerichte und Esstechniken. In beiden Fällen trugen sie zur Nationalisierung der Pasta sowie zu ihrer Popularisierung als ausländische Spezialität bei. Beide Prozesse waren auf das Engste miteinander verflochten und verschafften der italienischen Pasta in ihrer Andersartigkeit nach und nach einen festen Platz in der bundesdeutschen Konsumwelt. Neben der Lebensmittelindustrie, die mit der Produktion von Fertiggerichten wie den 1961 auf dem deutschen Markt lancierten Spaghetti »Miracoli« die Zugänglichkeit ausländischer Speisen erhöhte54 , und den italienischen Gastronom/innen in der Bundesrepublik, die in ihren Lokalen den Westdeutschen italienische Speisen näher brachten, sind demnach auch die Massenmedien als Akteure der Popularisierung der italienischen Küche zu nennen. Film, Fernsehen und Presse trugen mit ihrer im Laufe der Nachkriegszeit immer umfangreicher werdenden Berichterstattung über italienische und andere ausländische Speisen massiv zur Internationalisierung der bundesdeutschen Ernährungsgewohnheiten bei und erweiterten den Erwartungshorizont des Publikums im Hinblick auf neue Konsumprodukte und -praktiken. Als Teil dieses umfassenden Medienverbundes hat der Italienreisefilm den Prozess der Italianisierung der bundesdeutschen Ernährung medial antizipiert, flankiert, kommentiert, reflektiert – und schließlich auch persifliert. In den Italienfilmen fungieren die italienischen Spaghetti als Medium zwischen den Kulturen und erlauben es auf diese Weise, nationale Tisch-, Geschlechter- und Generationenordnungen zu verhandeln. Dies geschieht im Verbund mit einer Vielzahl weiterer Medien, wobei dem Spielfilm (im Gegensatz zum Medium Ware oder auch zum Werbeprospekt) die Funktion einer weitergehenden Reflexion zufällt. So besteht eine der Leistungen des filmischen Mediums darin, die gewöhnliche Wahrnehmung zu durchbrechen und auf diese Weise das Nicht-Alltägliche alltäglicher Dinge

54 | Zur Domestizierung ausländischer Nahrungsmittel durch die mechanisierte Produktion siehe Jack Goody, Cooking, Cuisine and Class. A Study in Comparative Sociology, Cambridge, MA 1982, 166.

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(wieder) sichtbar zu machen. Die Materialität und die Tücke des Objekts55 sind es, die den Protagonisten in Wenn der Vater mit dem Sohne zu schaffen machen. Sie sind es auch, die in der wohl bekanntesten Spaghetti-Szene des bundesdeutschen Films bzw. Fernsehens, nämlich in Loriots Die Nudel (R: Vicco von Bülow, BRD 1976), die romantische Atmosphäre des gemeinsamen Abendessens ›beim Italiener‹ zunichtemachen. Diese Szenen verdeutlichen, dass die im Italienurlaub oder im italienischen Restaurant in der Bundesrepublik erfolgende Begegnung mit einer anderen Kultur zu erheblichen Teilen eine Begegnung mit einer fremden materiellen Kultur ist, mit Alltagsobjekten, die für den Reisenden alles andere als alltäglich sind und ihn vor große Herausforderungen stellen. Die Forschung zur Nationalisierung von Produkten und Produktkommunikation sollte die Ebene der Aneignung national codierter Objekte stets mit einbeziehen und dies nicht nur im Land selbst, sondern auch im Ausland. Denn gerade die Momente der Nachahmung wie der Abgrenzung können uns Aufschluss über Identifikationsprozesse geben, die innerhalb der Konsumsphäre stattfinden, oft überraschende, auch quer laufende Verbindungen ermöglichen und immer auch eine Auseinandersetzung mit der Materialität des Produkts implizieren. Für die Bearbeitung derartiger Fragestellungen wurde der Film bisher erst zögerlich als historische Quelle herangezogen. Gerade der fiktionale Charakter des Spielfilms aber eröffnet einen Raum auch für transgressive Wünsche, die sich oft unterhalb bzw. neben der Narration entfalten, wie dies für die Spaghetti-Szene in Wenn der Vater mit dem Sohne gezeigt wurde.56 Zudem ist den analysierten Szenen gemeinsam, dass sie, indem sie die öffentliche Bühne des italienischen Restaurants wählen, das theatrale Moment des gefilmten Speiseaktes verdoppeln und auf diese Weise als meta-theatrale Produktionen zu verstehen sind.57 In diesem Sinne kann 55 | Bärbel Tischleder, Objekttücke, Sachzwänge und die fremde Welt amerikanischer Dinge. Zur Dingtheorie und Literatur, in: Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1 (2007), 61-71, hier 63. 56 | Zum Film als historische Quelle siehe Massimo Perinelli, Fluchtlinien des Neorealismus. Der organlose Körper der italienischen Nachkriegszeit, 19431949, Bielefeld 2009. 57 | »Representing the performativity of these arenas [public dining room and kitchen] on film and theatre creates a double or meta-theatricality« (Poole, Reel Meals, 123). In Wenn der Vater mit dem Sohne wird diese Meta-Theatralität noch

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der Film reflexiv mit dem Medium der ›fremden‹ Speise umgehen, kann Essenspraktiken auf ihre nationalisierenden und internationalisierenden Funktionen hin beleuchten und – in seiner Meta-Theatralität – auch seine eigene Medialität in den Blick nehmen.

potenziert durch den Beruf Teddys und seine öffentlichen Auftritte mit Ulli. In Solino (R: Fatih Akin, BRD 2002) zählt zu den ersten Gästen des gleichnamigen italienischen Restaurants im Ruhrgebiet eine Filmcrew, über die der Inszenierungscharakter der Restaurantszene auf selbstreferentielle Weise unterstrichen wird.

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Aping the West in Hungary ›Fridge Socialism‹ and the Making of the ›Teenager‹ Sándor Horváth »There’s nothing special about my having been part of a rebellious youth. First of all, it was about realizing that the state party or socialism were actually pretty useless. It was a dead end. And why were they useless? Because they didn’t have an ideology, their concepts weren’t rooted in anything, they didn’t relate to anything like a home, or a nation. And internationalism was also not something we could connect with, for various reasons. 40 years later I am sure that the Hungarian youngsters of that time, including the beatniks and the students, played an important role in the collapse of socialism. This process needed young people because of the huge generational gap between adult society and youngsters. This raises the question if we were imitating the West, but I claim that we were never aping the West. And we will never do that. The Hungarian people were always able to make their own history.«1

Indián saw the youth problem of the 1960s as a nationalist and anticommunist movement. A member of the most notorious youth gang of Budapest at the end of the 1960s, called the Great Tree Gang, he clothes his reminiscence of the challenge of that time in the narrative of resistance, which goes beyond the political to include hints at the growing importance of consumption. For him, consumption represented both resistance and 1 | Interview with András F., ›Indián‹, 6 March, 2006.

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nationalism. At the end of the 1960s Marx and Coca-Cola could both mean resistance. The New Left’s interpretation of Marx had a tremendous impact on young people in the Eastern Bloc countries.2 Both of these narratives (the nationalist, anti-communist one, and the narrative of the rebellious youth) could be regarded as Western narratives in a special Eastern Bloc context. The images of the ›modern youth‹ and moral panics3 that use youth as a metaphor played an important part in the identity construction process throughout Cold War Europe. For the Hungarian youth the West represented the land of promise and desires, even though their knowledge about the Western other was highly limited and controlled by the socialist state. But how did the partly unknown West and its ›folk devils‹ become objects of desire in the East? While it was easier for young people in the West to realize their cultural preferences than for their counterparts in Eastern Europe, both in Western democracies and in Eastern Bloc countries youth cultures of the 1960s were considered manifestations of an inter-generational, parent-adolescent conflict. This is not a retrospective interpretation but the way contemporaries saw it. Therefore, a focus on the parent-son conflict became a cornerstone of studying the 1960s; youth studies identified youth subcultures as ›countercultures‹. Youth cultures formed an essential part of concepts dealing with the so-called ›cultural

2 | Marx and Coca-Cola as metaphors are taken from the movie by Jean-Luc Godard, Masculin – Féminin or: The Children of Marx and Coca-Cola (1965). Axel Schildt/Detlef Siegfried, eds., Between Marx and Coca-Cola. Youth Cultures in Changing European Societies, 1960-1980, New York/Oxford 2006. 3 | The sociological discussion about moral panics started with Stanley Cohen’s classic study of the Mods and Rockers phenomenon in mid-1960s Britain: Folk Devils and Moral Panics: The Creation of the Mods and Rockers, London 1972. Moral panic meant a periodic tendency towards the identification and scapegoating of folk devils whose activities were regarded by hegemonic groups as indicative of an imminent social breakdown. Moral panics served as ideological safety valves whose effect was to restore social equilibrium. The ›moral panic‹ about Hungarian hooligans was controlled mainly by the police and the press.

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revolution‹ of the 1960s, and they are interpreted as symbols of the ›New Left‹.4

Figure 1: Western Tourists in Budapest 1962; source: Nők Lapja (Cover of Women’s Magazine, Oct 27, 1962). At the end of the 1960s Budapest represented a new kind of ›socialist consumption‹ and not only because of the mass of Western tourists, but also because the state took pains to display a pro-consumption attitude. What sort of consumption represented the ›West‹ and the ›Nation‹ in the eyes of the youth? Which purpose did the state pursue by creating new 4 | See for example: Roger Kimball, The Long March: How the Cultural Revolution of the 1960s Changed America, San Francisco 2000; Arthur Marwick, The Sixties: Cultural Revolution in Britain, France, Italy, and the United States, c.1958 – c.1974, Oxford/New York 1998; John C. McWilliams, The 1960s Cultural Revolution, Westport, Conn. 2000.

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identities oriented towards consumption among young people? As Detlef Siegfried points out, »Generational conflict was one of the most significant phenomena that, in the view of contemporaries, marked the 1960s. At the end of the decade, the newspaper Die Welt stated: ›Without doubt, this generational conflict is the greatest surprise of the postwar era, probably the greatest surprise of all the unexpected happenings‹ […] Scholars have recently argued that the societal reality of the Western world was characterized more by generational consensus than by generational conflict.« 5

Why was it so important to build up nationalist and new consumer identities? In this article I address the role of the official discourse in the construction of ›youth cultures‹, which lies at the heart of identity politics concerning young people. This discourse was also highly relevant for the creation of a ›socialist mode of consumption‹, the so-called ›fridge socialism‹. The epithet refers to the high number of refrigerators sold in the 1960s and 1970s. While the fridge was not a product aimed at young people, it became to be understood as the symbol of the new consumer culture. These politics of consumption dwelled to an important degree on the construction of the teenager as a principal target group, a process visible in all post-war societies, whether in the Eastern Bloc or in the West. When taking a closer look at some of the youth subcultures that emerged in socialist Hungary, I will concentrate on how ›Eastern‹ youth perceived ›the West‹ and on how the official discourse reacted to the desires of young people for ›Western consumer cultures‹. The new ›consumer culture‹ needed new idols, which were imported from the West through a special communist filter. This cultural practice created fragmented and patchwork identities among young people, which represented not only the so-called generational conflicts but also the symbols of differentiation between the ›East‹ and the ›West‹. It is not the aim of my paper to analyze the purchase and use of specific products, but rather the general lifestyle that was consumed as a Western reference. How did »Aping the West« contribute to shaping a 5 | Detlef Siegfried, »Don’t Trust Anyone Older than 30?« Voices of Conflict and Consensus between Generations in 1960s West Germany, in: Journal of Contemporary History 40/4 (2005), 727-744; detailed analysis of the problem: Schildt/Siegfried, Between Marx and Coca-Cola.

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new Hungarian consumer identity and how was a ›nationalized‹ version of youth subculture elaborated? In the period of the ›iron curtain‹ competition between East and West relied heavily on promoting a different lifestyle and ›consumer ethos‹, as when Khrushchev and Richard Nixon had their famous ›kitchen-debate‹ in 1959. The official discourses on consumption made ample use of the idea of modernization to the effect that modernization and a politics of furthering consumption became synonymous not only in the capitalist but also in the so-called ›Eastern Bloc‹ countries as well.6 Consequently, my aim is not to demonstrate the radically different type of ›modernity‹ of an Eastern Bloc youth ›subculture‹ or socialization process. Instead, I will investigate with some detail the patterns of identity formation and of the nationalization of a lifestyle. The patterns in question were determined partly by official discourses about the ›youth question‹ and the differences between Eastern and Western modes of behaviour.7 When in May 1969 the German newspaper Die Welt wrote about the surprising outbreak of youth protest8, the international edition of Magyar Ifjúság [Hungarian Youth], the Hungarian youth magazine, published by the Communist Youth League in English for foreign readers, depicted Hungary as a country of youth clubs: »There are 2200 youth clubs functioning in Hungary. Half of the clubs took part in a competition conducted by the Hungarian Communist Youth Organization 9 to win the title of ›Excellent Youth Club‹. About ten percent of the clubs for young 6 | About how modernization and lifestyle became a product see: Susan E. Reid, The Khrushchev Kitchen: Domesticating the Scientific-Technological Revolution, in: Journal of Contemporary History 40/2 (2005), 289-316. 7 | About the discourses concerning the differentiation of East and West see: Larry Wolff, Inventing Eastern Europe: the Map of Civilization on the Mind of the Enlightenment, Stanford 1994. 8 | Die Welt, 18 May, 1969. 9 | The Communist Youth League (Kommunista Ifjúsági Szövetség – KISZ) was founded in 1957 as a successor organisation of the Association of the Working Youth (Dolgozó Ifjúság Szövetsége – DISZ). It followed the pattern of the Komsomol (Комсомол), the official Soviet communist youth organization. The KISZ served as an organization of the ruling communist party. The youngest members were fourteen years old, the oldest about 25, while the functionaries could be older. Younger children could join the allied Pioneers (Úttör ő)

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people are built in a romantic setting: in factories, in Houses of Culture, schools and universities. There is a growing fashion of running a club in a cellar.« 10

The representation of clubs was built on a narrative of ›spontaneous movements‹, highly characteristic for the official language of the 1960s and the entire socialist period. This narrative formed part of the image of a so-called ›humane socialism‹, which was constructed in Hungary as well as in other Eastern Bloc countries after Stalin’s death. The relatively free space created for youth cultures was accompanied by an increase in tourism from the West, which had legitimizing and economic functions. However, at the very same time when an international public was informed about the vigorous Hungarian ›clubbing‹ scene, youth magazines and police journals for Hungarian readers were filled with reports on youth violence with a special focus on youth gangs and hippies. These articles were mainly based on police reports, which had been forwarded directly to journalists.11 Why did the official discourse make a point of drawing attention not only to the ideologically misled youngsters (in the 1950s), but

organization. The main task of the KISZ was to teach the values of ›communism‹ and to raise a new generation of party functionaries. 10 | Magyar Ifjúság, December, 1969, international edition, 16. 11 | Interview with Éva Bedecs, journalist of Magyar Ifjúság (magazine – Hungarian Youth), 4 February, 2005. She wrote many articles on the youth question at the end of the 1960s. For example, sentences taken from a case study of the ›hippie phenomenon‹ by the police were used in articles supposed to be ›free journalism‹. Budapest F őváros Levéltára (=BFL, Archive of Budapest), Budapesti Rend őrf őkapitányság (=BRFK, Budapest Police Headquarter) 207, d. 5015/2001, 1968, KSZ 5/107/68; József Kovács, Magyar hippik, in: Magyar Nemzet, 11 June, 1968, 5; István Ivanics, Hippik a körúton, in: Magyar Ifjúság, 21 June, 1968, 3; in the magazine Magyar Rend őr (Hungarian Policeman) from 27 June 1968 began a series of articles concerning the ›beat-hippy‹ phenomenon. This was due to the collaboration of the Hungarian socialist ›tabloid press‹ (including youth magazines and daily newspapers) and the police. Sándor Horváth, A szocialista bulvársajtó és a társadalmi nyilvánosság arénái az 1960-as években: Népszer űség és pártszer űség’ [Socialist Tabloid Press and Arenas of Public Sphere in the 1960s: Popularity and Party-Line], in: Múltunk 3 (2005), 226-254.

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also to their violent peers (in the 1960s)? Why did the representation of young people change in the 1960s? Young people and the discursive construction of the term ›youth‹ became an important ideological vehicle in ›Eastern and Western‹ countries alike. The formation and historical use of the notion ›youth‹ is very similar to the term ›class‹. In the 1990s a distinctly new approach to class gained ground in Soviet Studies reflecting the impact of E.P. Thompson’s suggestion that class consciousness is not a given but something to be formed. »The basis of the new approach was the perception that class is not a fixed attribute of an individual […] but rather an identity that can be taken up, cast off, hidden, learned, and so on.«12 The use of class as a practice of language can be understood as part of the array of social, political, and administrative tools that states have employed in their efforts to remake their populations.13 The creation of the ›youth question‹ and the worries about ›hooligans‹ all over Eastern Europe helped to foster the notion that Western morals had gained ground among the youth. As the youth was thought to be a group that transcended class, speaking about ›hooligans‹ and ›youths‹ meant breaking class boundaries. Young people could use this discourse as a tool to create new social identities. On the other hand being a member of the so-called counterculture meant adopting images of the Western youth cultures created by the local authorities. The patterns thought to be Western ones were often connected to the difficulties of being a hooligan, a teddy boy, a hippy or a punk in the special Eastern Bloc conditions. Among other things, one problem was considered to be the difference in climate. Good weather was a key factor for open-air gatherings and the corresponding clothing, both of which were main distinguishing marks of youth cultures. As a Russian ›hippie‹ put it,

12 | Sheila Fitzpatrick, Social Identities: Introduction, in: id., ed., Stalinism: New Directions, London/New York 2000, 16. 13 | See for example: David Shearer, Elements Near and Alien: Passportization, Policing and Identity in the Stalinist State, 1932-1952, in: Slavic Review 76/4 (2004), 835-881; or some articles from the book: Alf Lüdtke/Peter Becker, eds., Akten, Eingaben, Schaufenster: Die DDR und ihre Texte. Erkundungen zu Herrschaft und Alltag, Berlin 1997.

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»You can’t be a hippie in the same way in Russia as in America […] for example, in America it’s warmer […] But here, the winter […] How can you be a hippie [in the winter] when you have to rush home before you freeze? […] For this reason I think it’s hopeless trying to be a real hippie in Russia.«14

The principal difference between Western narratives of youth culture and those in the Eastern Bloc is the emphasis on special problems posed by totalitarian rule. For example: »Hippies in the 1970s L’viv, moreover, faced a degree of marginalization and repression not met by their counterparts in the West. They experienced a world where the Communist Party attempted to control all aspects of life in the public sphere and where the invented traditions of the village exercised considerable influence over broader segments of the population. Perceptions of ›bourgeois‹ being connected to individual forms of expression and ›bowing to the West‹ in choices of fashion and music led to party and state institutions stigmatizing hippies in the city.«

However, Jay Risch also points out that »those, who came to identify themselves as hippies and those who had a passing interest in them rebelled against the established order, but quite often by following patterns of behaviour typical of a Soviet identity.«15 At the heart of the youth culture narrative lay the idea of rebellion. This was reflected both in the attitude of young people who regarded themselves as members of a ›counterculture‹, and in the official view of state authorities, who labelled their behaviour as countercultural. The narrative can be found in numerous testimonies by youngsters, which were created mostly by the local administration and the socialist tabloid press.16 For example the Hungarian police TV-Show Kékfény featured an interview with 14 | Hilary Pilkington, Reconfiguring »the West«: Style and Music in Russian Youth Cultural Practice, in: id. et al., Looking West? Cultural Globalization and Russian Youth Cultures, Pennsylvania 2002, 165-200, 181. 15 | William Jay Risch, Soviet »Flower Children«: Hippies and the Youth CounterCulture in the 1970s L’viv, in: Journal of Contemporary History 40/3 (2005), 565-584. 16 | In Hungary many parts of the newspapers and magazines such as Esti Hírlap (daily, distributed mainly on the streets of Budapest), Magyar Ifjúság, Ifjúsági

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Indián, who was introduced as the ›king of the hippies‹. When asked about the difference between Hungarian and Western hippies, Indián explained: »You know, I could tell you that our philosophy is very similar to the one of Western hippies [… hippies] belong nowhere, [they] do not work for society, but only for themselves […] not too many clothes, not particularly outstanding from an esthetical point of view […]« For the interviewer Indián’s statement showed a rebellious attitude directed against the state. Moreover, he took it as a proof of collaboration with Western hippies. Therefore, he went on to ask Indián about his Western hippie contacts.17 In socialist Hungary the concept of hooliganism was produced within the frame of an official discourse that insisted on rejecting the consumption of Western goods and Western popular culture. From the official point of view such imports from capitalist countries were unnecessary for a superior socialist society. Most of the ›hooligan subcultures‹ could be interpreted as a reception of Western popular cultures. Elaborating on ›Hungarian hooligans‹ was mainly a means of controlling the discourse about the Hungarian youth and of shaping the image of so-called ›socialist consumption‹. It was of utmost importance to distinguish ›good‹ socialist consumer habits from the dubious tastes of young people led astray by the lure of Western consumer culture. An analysis of this discourse helps us understand what were the cornerstones of a successful socialization from the vantage point of the state. It also gives us insight into the discursive creation of (opposite) social identities and the control exerted over social transformations. In their articles about hooligans, Hungarian newspapers often followed the patterns elaborated by their Western counterparts. There were, however, two important exceptions. First, the Eastern Bloc hooligans were portrayed as symbols of an old way of life, which was supposed to have been overcome by socialism. Thereby, hooliganism could be integrated into the anti-fascist narrative, which played a significant role for the communist parties’ politics of the past. On the other hand, hooliganism testified to the menacing presence of Western popular culture and hooligans were seen as dangerously close to the capitalist enemy. Apart from this the Western Magazin (youth magazines including articles also on rock stars, fashion and so on), N ők Lapja (Magazine for Women) belonged to this type of journalism. 17 | László Szabó, Kék fény. A hippikirály [Blue Light. The Hippy King], (Budapest 1981), 155-157.

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tabloid press paved the way for the treatment which youth peer groups were given by the Eastern print media. An article »by a family doctor« in the London Evening News from 1954 argued that »teddy boys […] are all of unsound mind in the sense that they are all suffering from a form of psychosis. Apart from the birch or the rope, depending on the gravity of their crimes, what they need is rehabilitation in a psychopathic institution […] Not only have these rampageous youngsters developed a degree of paranoia with an inferiority complex, but they are also inferior apart from their disease.«18

The emphasis on the so-called psychopathic characteristics of ›youth subcultures‹ originated from the moral panic about the effects of mass media. In the course of their campaign against ›Western cultural products‹ Hungarian newspapers voiced concerns about violence in the media. When dealing with this topic they borrowed heavily from articles in Western newspapers about the ›bad effects‹ of movies and TV.19 The narrative was resurrected every time a new type of ›hooliganism‹ appeared in the media. In order to denounce the hippie movement the Hungarian youth magazine Magyar Ifjúság quoted an American ›psychiatrist‹: »The hippies are in fact psychiatric cases. Many of them are not only parasites and loafers, but as we call them, sociopaths or psychopaths. Some of them end their 18 | Evening News, 5 December 1954, in: Mike Brake, The Sociology of Youth Culture and Youth Subcultures: Sex and Drugs and Rock’n’roll?, London 1980, 73-74. 19 | For example: Az osztrák ifjúság nem kér Hollywood »filmremekeib ől«, in: Budapesti Est, 29 April, 1952; B űncselekményre ösztönöznek az amerikai tvközvetítések, in: Budapesti Est, 3 January, 1953; Amerikai lapok az amerikai életformáról, in: Budapesti Est, 5 January, 1953; Az amerikai »kultúra« hatására növekszik a n ői b űnöz ők száma, in: Budapesti Est, 10 January, 1953; A bécsi Stefansplatzon a »Tiltott bosszú« című amerikai film plakátja rikít, el őtte a második világháború egyik rokkantja. Az imperialista »kultúra« újabb gyilkosságokra buzdít, in: Budapesti Est, 12 August, 1952; Hollywood a háborúért, in: Budapesti Est, 3 February, 1953; Bécsi történet az amerikai gengszterfilmek »nevel ő« hatásáról, in: Budapesti Est, 12 February, 1953; Lucy és az amerikai gyerekek, in: Budapesti Est, 25 March, 1953.

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life in a psychopathic institution.«20 In some cases this narrative helped youngsters who were tried for their »subcultural attitude«. It made it easier for them to pretend being ›crazy‹. For example, Kacsa (Duck), a member of the Great Tree Gang, staged himself as a ›psychiatric case‹ at the trial against the gang in order to receive a milder sentence. On the other hand, he also represented himself as a ›crazy hippy‹ in his diary, reacting to the media image of the hippies.21 Kacsa’s diary exemplifies how the construction of a new social identity depended on the image of Western youth cultures. Vowing to lead a life of poverty and eternal childishness, the author followed a popular model of counter-cultural critique against consumerism: »God gave people a brain so that they should not kill each other and keep their money in the bank (OTP). What is it worth? Maybe they live better lives! Hey, office clerk, don’t hide yourself! I want to speak about you right now. Tell me, do you know how many sandwiches were packed by your wife? You don’t speak; you’re just stroking your Trabant car, which was a bargain! Here comes the weekend! You need it, because if it’s missing, you’ll be listed by the police! Collect the money to buy a tape recorder, because your son needs it.«22

Kacsa mixed this kind of anti-consumerism with religious mysticism, also showing a marked inclination to posture as a martyr: »I know only Jesus loves me. He was the only brave man in the world, but he was stoned, spat on and crucified. I know I will suffer the same fate, because I cannot lie. […] I am also beaten, spat on, what can I do?«23 Duck staged himself as a martyr, who suffers on behalf of others. He used the topos of a wandering, homeless hobo, an isolated, anti-consumer hermit, also a martyr, who 20 | Ivanics, Hippik a körúton. 21 | His diary: BFL, Pesti Központi Kerületi Bíróság, XXV-41, 640, d. 21201/1971. When an article about Kacsa appeared in a youth magazine, its identity-forming effects were easily traceable in his diary. S. Hankóczi, A Kiskanál és a Duna, in: Ifjúsági Magazin, August 1968, 13-17; analysis of his diary and pretended ›craziness‹: Sándor Horváth, Ifjúsági lázadás a hatvanas években? Önteremtés és beavatás: feljegyzések a galerib ől, in: Fons, vol. 1 (2006), 21-60. 22 | BFL, Pesti Központi Kerületi Bíróság, XXV-41, 640, d. 21201/1971, 3. 23 | BFL, Pesti Központi Kerületi Bíróság, XXV-41, 640, d. 21201/1971, 5.

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suffers at the hands of the adult world around him. For him, his long hair and later his baldness (he shaved his head in protest after having been insulted for wearing long hair) symbolized not only freedom but also his belonging to a ›counter-culture‹. His idea of counter-culture echoed the stereotyping official representations of Western youth subcultures. His narrative also followed patterns established by the ›socialist tabloid press‹ and TV-programs which were both strictly controlled by the state. When discussing youth issues, the negative effects of watching TV showed up among the main arguments. Tibor Huszár was one of the first scholars who dealt with youngsters at the beginning of the Kadar era after 1956. Analyzing ›juvenile delinquency‹, he quoted the story of a boy who shot his father because he did not allow him to finish watching a crime story on TV. It almost goes without saying that it was a case from the United States that was meant to be understood as proof of American barbarism.24 In another instance a police colonel wrote about ›social problems‹ of the youth: »The TV-Series Tenkes kapitánya [Captain of Tenkes], which was made in order to educate youngsters in a positive way, sometimes also had negative effects, for example, when youths stole the horses of an agricultural cooperative because they wanted to imitate the Captain of Tenkes in their playing.« 25

The reception of Western culture in socialist Hungary needed also ›safety valves‹, one of them being the representation of youth subcultures and their nationalized, Hungarian version. When there was first a moral panic about hooliganism at the beginning of the 1950s, it centred on the figure of the jampec (spiv). The jampec was considered a bad example to his peers because he adhered to an ostensibly capitalist system of values. In films that were made in the spirit of Socialist Realism the jampec was a recurring figure, a young personification of the enemy. The first recorded mention of the jampec dates from 1928. It denotes an idle, good-for-nothing youth who dresses and behaves in a conspicuous manner. The figure of a jampec is associated primarily with fashion. Before the Second World War, it 24 | Tibor Huszár, Fiatalkorú b űnöz ők [Juvenile Delinquency], Budapest 1964, 83. 25 | Balázs Vincze, Az ifjúság társadalmi beilleszkedésének problémái, in: Belügyi Szemle 4 (1965), 54-58.

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referred mainly to dandies from wealthier families, who stood out with their extravagant lifestyle and enthusiasm for ›modern‹ things (dance, crime stories, motorcycles, and Kodak cameras), conspicuous dance styles and succession of lovers. The composite term ›Jam-pec‹, Yiddish in origin, means ›great prick‹ in both senses. The analogous Hungarian combination is probably earlier and the lexical development to ›very stupid‹ and then ›fashion-mad‹ would have occurred in Hungarian.26 The figure of the jampec in common parlance also meant a worldly, independent, extravagant lifestyle so that it could be an attractive model for young skilled workers earning good wages after the Second World War. The jampec embodied the Western and therefore ›bad‹ consumer culture. He became a classical image in the propaganda of the 1950s. In state propaganda a principal function of the ›socialist youth‹ was to demonstrate the power of socialism. The opposite of the jampec was the young Stakhanovist worker. That is why the depiction of the jampec became a popular topos in newspapers and feature films. The narrative of the jampec centred mainly on the flamboyant look of the mostly working class boys, which was similar to the Teddy boys in England. Not accidentally, the Hungarian press called the Teddy boys ›English jampecok‹.27 Newspaper articles exaggerated the alleged invasion of culture houses (Kultúrház) by spivs (jampecok). In order to meet official expectations, the journalist of the local daily Budapesti Est asked the rhetorical question: »Who is responsible for the phenomenon that the János Hunyadi Culture House in the XIII. district is the hotbed of cosmopolitan behaviour and the nest of spivs?«28 The culture houses were built to civilize people and to spread the socialist lifestyle. Therefore they became a frontline between socialist and capitalist lifestyle images. In narratives about the ›socialist process of civilizing the people‹ the culture houses were the place where people should encounter the new socialist way of life, not the ›Western other‹. In the narrative of the jampec this was the place, where the ›misled youth‹ met the socialist youth. The jampec invasions appeared in newspapers not as news-stories 26 | Loránd Benk ő, ed., A magyar nyelv történeti-etimológiai szótár 2, Budapest 1970, 258-9. 27 | ›Interjú a teddy-boy-jal‹ [Interview with the teddy-boy], in: Esti Hírlap, 9 February, 1958. 28 | For example: »Swingtónik« a Kultúrotthonban, in: Budapesti Est, 6 May, 1953.

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or police reports, but in the style of a caricature or feuilleton, a special article separated from the paper’s political and news section by a line and usually printed in a different type. The jampec was not characterized by his membership in a gang or by his fights against the police, but by his/her individualism, hairstyle and clothes. The police did not report on jampecgangs or on special jampec-criminals. Within newspapers, the feuilleton and the sketch are the closest to fictional texts. These genres afforded the ideologically trained journalists the liberty to ignore the constraints of the factual when portraying the jampec. They felt free to relish in gossip about the bad boys who were taking up ›Western‹ modes of behaviour. The jampec of the newspapers was not a living person but a myth. This is not to say that youngsters wearing jampec-style clothes or dancing boogie-woogie did not exist, but the jampec featured in the press was an utter fabrication, whose main function consisted in representing the Western way of life. The image of the rebellious Hungarian youth, the jampec, not only draws on depictions of Western popular culture, but is indebted to newspaper articles from the Western press, which expressed moral panics about gangster films and westerns, dime novels, and comic books.29 The discursive construction of the rebellious youth in Hungarian films and newspapers adapted Western moral panics to the needs of a socialist country. Uta G. Poiger, who compared the influence of American culture in East and West Germany, points out that contemporary West German experts and East German functionaries both claimed »that after consuming westerns and gangster films, young male workers tried to relive ›Wild West‹, ›gangster‹ and ›desperado‹ feelings for such an extended time and so intensely that these became their ›basic outlook on life‹«.30 Hungarian functionaries and journalists also adhered to this logic and created anthropomorphic figures, the jampec first and later the hippie, in order to explain the dangers inherent in films, comics, and Western popular culture in general. As westerns and gangster films as well as comic books used a special visual language, the jampec was defined mainly by his outward appearence. Apart from his enthusiasm for dime-novels, western and gangster movies, 29 | About these panics: John Springhall, Youth, Popular Culture and Moral Panics: Penny Gaffs to Gangsta-Rap, 1830-1996, New York 1998, 121-146. 30 | Uta G. Poiger, Jazz, Rock, and Rebels: Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany, Berkeley 2000, 67.

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comics31, and boogie-woogie dance, it was above of all his clothing that characterized the jampec. The jampec clothes were represented as a typical Western fashion although they resembled more what the hero in a comic book or gangster film would wear. The publication of comic books with word bubbles was not permitted in the Hungarian media before 1957. (One of the first ›socialist comics‹ published in a youth magazine (Magyar Ifjúság) told the adventures of two dogs who fled to the West, where they encountered the ›absurdities‹ of the capitalist way of life.32) However, afterwards there were many comics with caricatures and sketches of the jampec as a slave to ›fashion‹. A jampec would wear a black or brightly coloured shirt, a patterned tie or red-spotted scarf, a baggy-shouldered jacket, drainpipe trousers, striped socks, coloured, rubber-soled shoes and a cowboy-style hat. A girl would wear a tight skirt and floppy jacket, with plaited or permed hair tied in a ponytail. The dress of the young men was even more striking because men’s fashions (brighter clothes in more expensive fabrics) had been confined to subcultures ever since the mid-19th century. The official discourse and moral panic around the ›jampec-fashion‹ between 1950 and 1956 gave these garments a special meaning, which in turn made them valuable elements of a distinctive social identity. Jampec clothing was a status symbol that lent an urban character to workingclass youth who obtained it on the black market. It came along with the excitement of a group affiliation and an association with Western values. »They [the other youngsters] looked at us with suspicion, when we walked in, even though we weren’t trying to show off. But we had our jampi shoes, with thick soles and rubber welts. They still didn’t [have these things],« 31 | These attributes originated from the American campaign against comic books and movies, and from its Hungarian reception, for example: Az amerikai képregények b űnöz ővé teszik a gyerekeket, in: Szabad Ifjúság, 19 March, 1952; Amerikai nevelés, in: Szabad Ifjúság, 6 May, 1952, 4; »Ifjúsági irodalom« – Amerikában, in: Szabad Ifjúság, 11 May, 1954, 5; its contemporary and later scientific reception: Huszár, Fiatalkorú b űnöz ők, 123-127. Garth S. Jowett et al., eds., Children and the Movies: Media Influence and the Payne Fund Controversy, Cambridge 1996; Richard Sparks, Television and the Drama of Crime: Moral Tales and the Place of Crime in Public Life, Buckingham/Philadelphia 1992. 32 | Magyar Ifjúság, 19 January, 1957, 7; Ferenc Kiss, A képregény születése és halála Magyarországon [The Birth and Death of Comics in Hungary], in: Beszél ő 1/10 (2005), 114-119.

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explained a man who had been a skilled worker in the 1950s. Incidentally, the negative stereotypes of the period prompted him to object that he had never been a jampec or anything of the kind. However, he was proud of having been able to obtain jampec-style clothes because this made him belong to a group of enviable young workers.33 The jampec way of life was shown as being in conflict with official norms, it was not in line with the planned economy and the socialist way of life. The campaign against the jampec formed part of on all-out condemnation of any Western influence. It struggled against individualism and argued for collectivism and socialist justice. Its opposite, of course, was the social system which the official discourse identified as capitalist. In the 1950s the prime importance of the jampec phenomenon for the official discourse lay in bringing out the difference between the desired ›socialist‹ behaviour pattern and the undesirable ›capitalist‹ lifestyle. At the beginning of the 1960s a new type of hooligan made his appearance in the official discourse. The police and the media orchestrated a campaign against youth gangs who were called galeri. As will be shown further on, this narrative was rooted in the official account of what had happened in the 1956 Revolution. The Revolution and its official interpretation changed the perspective on consumer culture and youth subcultures. The new discourse dwelled on representing communist rule as ›socialism with a human face‹. Under these auspices consumption grew much more acceptable. Now violence came to be the principal charge levelled against ›bad youngsters‹. As police reports would have it, the armed groups of the ›counter-revolution‹ had set a bad example for the youth. Consequently, long-haired youngsters, who wore jeans and listened to Radio Luxembourg, felt encouraged to form aggressive gangs. More generally the emergence of the galeri was ascribed to the unsettling effects of the 1956 Revolution on the Hungarian society. József Molnár, for instance, wrote on galeri crime in 1971, »The mass emergence of the galeri can be dated to the counter-revolution and the immediately ensuing years.« Still, over the years »the gang-type activity« inspired by mass actions during the counter-revolution had been dwindling according to Molnár and hardly any galeri were formed anymore.34 33 | Interview with János B., 26 March, 2001. 34 | József Molnár, Galerib űnözés. Antiszociális fiatalkori csoportok, a fiatalkori csoportos b űnözés [Gang Crime. Antisocial Juvenile Groups, Group Juvenile Crime], Budapest 1971, 335-6.

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Covering the galeri permitted journalists to fill the papers with stories which consumers liked to read and which could easily be endowed with metaphoric and ideological meanings. Dealing with the galeri phenomenon meant writing about rock music, street corners and subways, sexual violence, bloody incidents and later drugs. Newspapers and magazines that brought up these topics sold well. Among them were sensationalist magazines such as Esti Hírlap and Ifjúsági Magazin, which appeared after 1956, and television programs like Kékfény, which reported on the everyday life of the socialist police from 1965 onwards. In the process the mass media built up strong ties with the police. The mass media and the police actually needed each other to demonstrate their importance.

Figure 2: »Hungarian hippies« at the police; source: Hungarian Police Magazine, August 8, 1968, 6. Stuart Hall and his co-authors agreed in their influential book Policing the Crisis that the media are »among the most powerful forces in the shaping of public consciousness about topical and controversial issues«. But they went on to argue that moral panics about law and order typically originate in statements by members of the police and the judiciary, which are then amplified by the media. The media do not so much ›create‹ the news but

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›reproduce and sustain‹ the dominant interpretation. The media can thus be said to function, consciously or not, as an instrument of state control.35 If according to this view the media tend to stabilize the ruling system, a different view prevailed in contemporary discussions about the youth riots of the 1950s. Comparing the Hungarian case to the German, we can find very similar reactions on juvenile delinquency. Reacting to youth riots in East and West German cities, commentators from both sides of the Cold War divide agreed that American movies featuring ›young rebels‹ furnished adolescents with pernicious role models. »The arrival of movies such as The Wild One with Marlon Brando […] along with the rock’n’roll flick Rock Around the Clock exacerbated parents’ and officials’ worries about American cultural influences.«36 The interpretation of this new consumer culture often followed the moral panics narrative, which linked delinquency to the consumption of movies or music. The first major campaign against the galeri was launched by the Budapest Police Headquarters in 1960-61 when several dozen gangs allegedly organized on a territorial basis were broken up. In every Budapest district the local police received order to round up the members of a few gangs. The most assiduous executors of this task seems to have been the police in working-class districts. The campaign provided an opportunity for associating the galeri in the public mind with the concept of hooliganism. The detailed media reports about the gangs, their origins and elimination, resembled each other in many aspects. However, the media and the police distinguished different types of juvenile gangs. For example the ›Inner-city gang‹ (Belvárosi galeri) was depicted as a bunch of affluent youths, who were oriented towards consumption. By contrast, police reports described the gangs located on the outskirts of the city as the last remnants of the Lumpenproletariat consisting of beggars, prostitutes, and homeless. The discursive construction of the ›Great-Tree-Gang‹ in 1969 shows many of these stereotypes.37 However, there was more than a distinctly Hungarian context to this depiction of a rebellious youth. In the official discourse of Western and Eastern countries alike, violence, not fashion, had become the hallmark 35 | Stuart Hall et al., Policing the Crisis: Mugging, The State, and Law and Order, London 1978, 220-222. 36 | Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 71. 37 | BFL, XXV, 60. b. Tük, 0017/61, 409-10.

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of the folk devils of the youth. Hence, in 1960, the Second United Nation Congress on the Prevention of Crime was dedicated to New Forms of Juvenile Delinquency: Their Origin, Prevention and Treatment. The general report prepared by the Department of Economic and Social Affairs of the United Nations stated: »A special phenomenon, a third form of group delinquency, related to streetcorner group and gang activity, is the mass rioting or other patterns of antisocial behaviour by juveniles and adolescents known in many countries under different names, in Germany as Halbstarke (the half matured), in France Blousons noirs, in England ›Teddy boys‹, in Italy vitelloni, in Poland and Russia ›Hooligans‹, in Australia and New Zealand ›Bodgies‹ and ›Widgies‹ (girls), in South Africa Tsotsio, in Japan Mambo boys and girls. […] The most important new type of juvenile delinquency, found in nearly all parts of the world, is the formation of juvenile gangs which commit delinquent acts.« 38

When the Hungarian press and experts on youth gangs tried to explain the galeri phenomenon, they did so not only by referring to ›counterrevolutionary‹ forces, but they also took into account international trends. The panic around youth violence was connected to the earlier moral panic around comic books and films, but the driving force behind this panic was not the media but the police. The Rowdytum phenomenon in the GDR closely resembled the Hungarian galeri. According to Thomas Lindenberger, ›Rowdytum‹ in the GDR was a product of »a military mode of perception, interpretation and reaction.« Due to the Hungarian Revolution of 1956, the GDR Politburo in December 1956 and in January 1957 »developed new schemes to prevent domestic uprisings in which the regular police was to play an important part.« Lindenberger discerns two strands of discourse in the interpretation of Rowdytum: a military concern, which focused on the state security, and an ideological perspective, according to which »all products of the commercial entertainment industry, in particular pulp fiction, movies, and pop music, were perceived as part of a deliberate strategy to lure East German youths away from socialism. The categories used to characterize and to analyze these artifacts were derived from the long standing 38 | New Forms of Juvenile Delinquency: Their Origin, Prevention and Treatment; Report, United Nations, Dept. of Economic and Social Affairs 1960, 35-36, 43.

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German tradition of anti-Schund und Schmutz campaigns, youth protection – Jugendschutz – and antimodernism discourses.« 39

The main crime blamed on the galeri was generally to have »entertained themselves in an utterly free manner, without restraint, according to their own tastes and ideas.«40 This argument was also advanced to confirm the influence that the police exerted on the youth. The police forces themselves brought the galeri into public discussion. They were intent on presenting these spurious groups as stable gangs and on criminalizing their members for activities that were not connected to an officially supported institution. Apart from alcohol consumption and rowdyism, they were accused of immorality. Galeri members were described as enjoying a ›perverted‹ sexual life. Police minutes frequently mentioned »fornication« by female gang members with »various men«. This was consistent with the common practice of making uncleanness and sexual debauchery primary characteristics of whatever person or group was to be stigmatized.41 In most of the police and press narratives about specific gangs the principal events were of a sexual type: private parties that degenerated into orgies, raperelated events, frequent changes of partners, and girls wearing provocative dresses.42 The házibuli, parties organized in private apartments, became symbols of immorality because the police could not control them. Around 1975 the stories on the galeri disappeared from the newspapers. Hooligans were now called csöves. The expression also became a synonym for homeless youngsters. The ›homeless style‹ of these hooligans can be understood as another attempt to act out symbolically the contradiction 39 | Thomas Lindenberger, Aufklären, zersetzen, liquidieren: Policing Juvenile Rowdytum in East Germany, 1956-1968. Paper presented to the annual GSA conference, Oct. 4-7, 2010, Arlington, V.A.; Thomas Lindenberger, Volkspolizei. Herrschaftspraxis und öffentliche Ordnung im SED-Staat 1952-1968, Köln et al., 2003, 367-443. 40 | BFL, XXV, 60.f. Tük, 0017/61, 415. 41 | Howard M. Solomon, Stigma and Western Culture: A Historical Approach, in: Stephen C. Ainlay et al., eds., The Dilemma of Difference: A Multidisciplinary View of Stigma, New York 1985, 59-76; stereotyping as ›dirty‹ and ›holding orgies‹ appeared even with the early ›heretic sects‹, and with several 20 th century ethnic groups. 42 | BFL, XXV, 60.f. Tük, 205, 006/61, 228.

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between traditional working-class Puritanism and the emerging ideologies of hedonistic consumption.

Figure 3: ›Csövesek‹ (depiction of the anti-consumerist youth subculture in the 1980s); source: Nemes Péter, Ismerkedés a csövesek világával [Getting Started with the World of the ›Csöves‹], Budapest 1984. Hedonism was embodied by the digó (Italian) style connected with the ›disco-culture‹, which was much more palatable to state power. The police campaigns against the csöves were based mainly on a new moral craze about drug abuse, which mostly meant sniffing glue.43

43 | For example a case in Gy őr from 1980-1981: Állambiztonsági Szolgálatok Történeti Levéltára (=ÁBTL [Secret Police Archive]), O – 17638, ›Csövesek‹ (Drainpipes); on the moral panic on drugs and about the rhetoric used during its

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Most of the csöves were depicted as representatives of old-style working class and/or ›proletarian culture‹: »All of them come from the working class and from working class districts (K őbánya, Erzsébet, Újpalota, Újpest, Angyalföld). They come from traditional families, which are broken because of the central problems of our society: housing shortage, alcoholism, emigration, divorce. They are brought up by single mothers or aunts, or state institutions. The older ones have already been in juvenile prisons or some of the reformatory schools of the country.« 44

The ›Puritanism‹ embraced by the subculture of the csöves was regarded as an attack against the Hungarian state of the 1980s whose propaganda was oriented towards fomenting consumption. The much more consumerist ›disco culture‹ in turn received strong support from the state and from the Communist Youth League because it was seen as an antidote to the ›punk‹ and ›drainpipe‹ culture. Beneficiaries of this identity politics were the ›socialist‹ DJ’s, who organized disco clubs in the houses of culture and youth. Some of them were even allowed to manage their clubs as capitalist entrepreneurs.45 After the Youth Park had been closed because of an accident in 1981, the Starlight Disco Club (Csillagfény Diszkó) became one of the most supported places of amusement in the 1980s. Every Saturday night some three to four thousand youngsters met at the club, which was run by the Communist Youth League. When asked to compare the Starlight Disco Club to its Western counterparts, one director of the club highlighted its purported educational mission: »The big foreign discos employ many go-go girls and sexuality is not absent there. – We have also live shows and dance. But we let only youngsters on the stage, the dancers are from the same age-group as the spectators. Our dancers are young girls who have learnt rhythmic gymnastics, and they are not only attractive but you can see how much they have worked for their beauty, figure and harmonic representation see for example: William Ellwood, Rhetoric in the War on Drugs, Westport, Conn. 1994. 44 | János K őbányai, B őrnadrád és biztosít őt ű. [Buckskins and Safety-Pin], in: Mozgó Világ 4/5 (1979), 64-76. 45 | In 1982 some would make 10,000 forints on just one night. This was the equivalent of the average monthly salary. ÁBTL, M-41158, Dejkó, 67-68.

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motions. We also have sexuality in our programme, too, because it is generally accepted nowadays, but we are doing it with good taste.« 46

To claim educational value for the Hungarian version of disco was necessary in order to be able to distinguish an acceptable socialist mode of consumption from its Western analogue. Although the consumption of Western goods had become legal, it was not officially encouraged. This is why many ›nationalist‹ youngsters used their jeans and Western products as symbols of their rebellion against the socialist regime. To show one’s contempt for the officially propagated products became equivalent to rejecting the socialist ›petty bourgeoisie‹. The creation of youth subcultures and new social identities were both related to the goals of the socialist regime. The depiction of ›folk devils‹ of socialism played a significant role in the representation of the differences between the Eastern and the stereotyped Western ›consumer culture‹. Proper socialist modes of behaviour and consumption were addressed mostly in an indirect way. The official discourse preferred to discuss the ›bad youth‹ in order to show young people their limits. The expansion of social institutions dealing with adolescents and the commercial youth market helped to establish the ›teenager‹ as a social construct. The teenager epitomized the myth of a ›classless society‹, which not only Eastern Bloc countries subscribed to but also countries of the West during the late 1950s and early 1960s. In order to represent the classless society, not only the ›West‹, but also the ›East‹ needed to find their new folk devils among a ›classless‹ social group and the youth was thought to be just that. The discourse around teenagers served to outline ideological norms and to highlight the differences between ›socialist‹ and ›Western‹ modes of behaviour. Therefore, the making of a new ›class‹, the ›teenagers‹, helped to represent the Hungarian version of consumer society. This kind of a wholly controlled ›consumer society‹ was popularized in the official discourse as ›goulash communism‹ or ›fridge socialism‹. In the West it was received as a ›special type of socialism‹. The concept of ›youth‹ is a social construct, a set of cultural characteristics formed by the social, economic and political conditions of a particular historical context. According to John Gillis, modern concepts of youth only began to take shape during the late 19th century when there 46 | Géza Riskó, Diszkó A.B.C.D., Budapest 1989, 132.

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was an increasing understanding among legislators and reformers that the teenage years were a life stage distinguished by social and psychological vulnerability.47 Consequently, a torrent of protective legislation together with newly established specialized welfare bodies and employment practices marked out the youth as a distinct social group with particular needs and social problems. Youth became an identifiable construction because it was discussed as a social problem. Therefore, the creation of youth identities cannot be separated from strands of discourse that dealt with folk devils of youth48 and the corresponding deviant habits of consumption. As the youth problem was closely connected to the question of distinguishing legitimate and illegitimate forms of consumption, it became highly relevant in the context of the Kádár regime’s effort to build its ›fridge socialism‹, i.e. promising satisfactory consumption within a socialist system. The craze about rebellious youth subcultures was a means of drawing a line against modes of behaviour that were deemed unacceptable, for instance sexual debauchery or drug abuse. Of course, the official discourse incriminated such practices as ›Western modes of behaviour‹. Gradually hedonist consumption grew more palatable to the state, but as can be seen in the case of the Disco culture of the 1980s, socialist pleasures were maintained to have an educational value which capitalist consumption was purported to lack. For adolescents who did not want to identify with the socialist ›petty bourgeoisie‹ Western products never lost their attraction. The consumption of Western popular culture instead of its ›frigde-communistic‹ counterpart also became a mode of affirming an anti-communist national identity. As the Kádár regime was permeated by a deep uneasiness about nationalist sentiment, which had spurred the 1956 uprising, the nationalization of consumption was more of a countercurrent than part of an official discourse on (youth) consumption.

47 | John R. Gillis, Youth and History: Tradition and Change in European Age Relations, 1770-Present, New York 1974. 48 | More on this see: Bill Osgerby, Youth in Britain since 1945, Oxford 1998.

Autoren und Autorinnen

Franz X. EDER, Univ. Prof. Dr., Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Sozial-, kultur- und wirtschaftshistorische Forschungen zur Geschichte der Familie, der Arbeitsorganisation und Bevölkerungsstruktur, der Haushaltseinkommen und des Konsumierens, der Sexualität, des Körpers und der Sinne sowie zur Bild- und Diskursanalyse. Katrin GENGENBACH, Dr. phil., Ostasiatisches Institut, Japanologie der Universität Leipzig, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Konsumkulturen in Japan seit 1900; japanische Intellektuelle in der Zwischen- und Nachkriegszeit; Dropout-, DIY- und Protestbewegungen seit den 1990er Jahren; methodischer Fokus: Diskursanalyse, Raumund Subjekttheorie. Karl GERTH, Dr., Dame Jessica Rawson Fellow in Modern Asian History, Merton College, Oxford University, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Geschichte Ostasiens und Chinas, insbesondere Nationalismus- und Konsumgeschichte; jüngste Buchpublikation: As China Goes, So Goes the World: How Chinese Consumers are Transforming Everything (2011). Sándor HORVÁTH, PhD, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Geschichte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Stadtgeschichte, sozialistische Städte, jugendliche Subkulturen, Mikrostudien mit den Schwerpunkten Alltagsgeschichte, Sozialpolitik, Kollaboration.

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K ONSUM UND N ATION

Oliver KÜHSCHELM, Dr. phil., wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Konsumierens, von Produktkommunikation und Werbung; Geschichte des Bürgertums; Jüdische Emigration nach  Argentinien und Uruguay; Provenienzforschung zu NS-Raubgut an Museen; Methodischer Fokus: Textund Diskursanalyse, Bild-Sprache-Kommunikation. Maren MÖHRING, PD Dr., Historisches Institut, Universität zu Köln, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, bes. Migrationsgeschichte, Konsumgeschichte, Geschlechter- und Körpergeschichte, postcolonial studies sowie Geschichte und Film. Roman ROSSFELD, Dr. phil., wissenschaftlicher Assistent an der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Ernährungs- und Genussmittelgeschichte, Unternehmens- und Marketinggeschichte, Geschichte des ökonomischen Scheiterns, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Ersten Weltkrieges sowie Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Handelsreisenden im 19. und 20. Jahrhundert. Manuel SCHRAMM, PD Dr., Technische Universität Chemnitz, Institut für Europäische Geschichte, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Konsumgeschichte, Wissensgeschichte, Raumund Umweltgeschichte; methodischer Fokus: Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, Diskursanalyse, Bildlichkeit. Hannes SIEGRIST, Univ.-Prof. Dr., Institut für Kulturwissenschaften, Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, Universität Leipzig, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: vergleichende Kulturund Gesellschaftsgeschichte Europas, Hoch- Populär- und Massenkultur, Konsum, Sozialgeschichte der Mittelschichten, Institutionalisierung und Verrechtlichung sozialer und kultureller Prozesse in modernen Gesellschaften.

A UTOREN UND A UTORINNEN

Lisa SUMNER, PhD, Lektorin an der McGill University, lgsumner@ gmail.com; Forschungsschwerpunkte: Geschichte von Konsum und Werbung in Québec und Kanada, kultureller Nationalismus, urbane Kultur. Artemis YAGOU, PhD, Designhistorikerin, [email protected]; Forschungsschwerpunkte: Design in technikgeschichtlichem Kontext, Design und Nationalismus, griechische Designgeschichte, Geschichte der Kleidung, Designpädagogik.

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Histoire Thomas Etzemüller Die Romantik der Rationalität Alva & Gunnar Myrdal – Social Engineering in Schweden 2010, 502 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1270-7

Bettina Hitzer, Thomas Welskopp (Hg.) Die Bielefelder Sozialgeschichte Klassische Texte zu einem geschichtswissenschaftlichen Programm und seinen Kontroversen 2010, 464 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1521-0

Michael Hochgeschwender, Bernhard Löffler (Hg.) Religion, Moral und liberaler Markt Politische Ökonomie und Ethikdebatten vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart 2011, 312 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1840-2

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Histoire Anne Kwaschik, Mario Wimmer (Hg.) Von der Arbeit des Historikers Ein Wörterbuch zu Theorie und Praxis der Geschichtswissenschaft 2010, 244 Seiten, kart., 23,80 €, ISBN 978-3-8376-1547-0

Stefanie Samida (Hg.) Inszenierte Wissenschaft Zur Popularisierung von Wissen im 19. Jahrhundert 2011, 324 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1637-8

Sarah Zalfen, Sven Oliver Müller (Hg.) Besatzungsmacht Musik Zur Musik- und Emotionsgeschichte im Zeitalter der Weltkriege (1914-1949) Juli 2012, ca. 230 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1912-6

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Histoire Lars Bluma, Karsten Uhl (Hg.) Kontrollierte Arbeit – disziplinierte Körper? Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Industriearbeit im 19. und 20. Jahrhundert Februar 2012, 434 Seiten, kart., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1834-1

Thomas M. Bohn, Victor Shadurski (Hg.) Ein weißer Fleck in Europa ... Die Imagination der Belarus als Kontaktzone zwischen Ost und West 2011, 270 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1897-6

Claudia Dittmar Feindliches Fernsehen Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen 2010, 494 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1434-3

Marina Hilber Institutionalisierte Geburt Eine Mikrogeschichte des Gebärhauses April 2012, ca. 380 Seiten, kart., ca. 39,80 €, ISBN 978-3-8376-2035-1

Petra Hoffmann Weibliche Arbeitswelten in der Wissenschaft Frauen an der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1890-1945 2011, 408 Seiten, kart., 38,80 €, ISBN 978-3-8376-1306-3

Alexandra Klei, Katrin Stoll, Annika Wienert (Hg.) Die Transformation der Lager Annäherungen an die Orte nationalsozialistischer Verbrechen 2011, 318 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN 978-3-8376-1179-3

David Kuchenbuch Geordnete Gemeinschaft Architekten als Sozialingenieure – Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert 2010, 410 Seiten, kart., 37,80 €, ISBN 978-3-8376-1426-8

Timo Luks Der Betrieb als Ort der Moderne Zur Geschichte von Industriearbeit, Ordnungsdenken und Social Engineering im 20. Jahrhundert 2010, 336 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1428-2

Michael März Linker Protest nach dem Deutschen Herbst Eine Geschichte des linken Spektrums im Schatten des ›starken Staates‹, 1977-1979 März 2012, 420 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2014-6

Carola S. Rudnick Die andere Hälfte der Erinnerung Die DDR in der deutschen Geschichtspolitik nach 1989 2011, 770 Seiten, kart., 39,80 €, ISBN 978-3-8376-1773-3

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