Vielfalt der Sprachen - Varianz der Perspektiven: Zur Geschichte und Gegenwart der Luxemburger Mehrsprachigkeit [1. Aufl.] 9783839420300

Nicht zuletzt aufgrund der Herausforderungen der voranschreitenden europäischen Vereinigung gewinnt das Thema Mehrsprach

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Vielfalt der Sprachen - Varianz der Perspektiven: Zur Geschichte und Gegenwart der Luxemburger Mehrsprachigkeit [1. Aufl.]
 9783839420300

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Superdiversität in Luxemburg?
Die Stellung des Französischen in Luxemburg. Von der Prestigesprache zur Verkehrssprache
Die Stellung der deutschen Sprache in Luxemburg. Geschichte und Gegenwart
Le multilinguisme comme caractéristique et défi de la littérature au Luxembourg
Schreiben in mehr als einer Sprache. Mehrsprachigkeit in der Luxemburger Literatur
Un aspect de la polyglossie luxembourgeoise. Les rapports littéraires entre le français et le luxembourgeois dans des textes francophones luxembourgeois
Zwischen Nähe und Distanz. Autorversionen Luxemburgisch-Deutsch in der Luxemburger Kinderliteratur
Le rubriquage des quotidiens luxembourgeois d’expression française dans un contexte de trilinguisme
»...diwelche Jhme bei ʃeiner ambts Rechnungh paʃʃirt und guttgemacht werden ʃollen«. Verwaltungspraxis und mehrsprachige Textmusterbildung in der Stadt Luxemburg der Frühen Neuzeit
Überlegungen zur Entwicklung der Münd lichkeit und Schriftlichkeit in Luxemburg
Autorinnen und Autoren

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Heinz Sieburg (Hg.) Vielfalt der Sprachen – Varianz der Perspektiven

Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft hrsg. v. Andrea Bogner, Dieter Heimböckel und Manfred Weinberg | Band 3

Editorial Differenzen zwischen Kulturen – und die daraus resultierenden Effekte – sind seit jeher der Normalfall. Sie zeigen sich in der Erkundung der »Fremden« schon seit Herodot, in der Entdeckung vorher unbekannter Kulturen (etwa durch Kolumbus), in der Unterdrückung anderer Kulturen im Kolonialismus oder aktuell in den unterschiedlichen grenzüberschreitenden Begegnungsformen in einer globalisierten und »vernetzten« Welt. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit »Interkulturalität« erfuhr entscheidende Impulse durch die »anthropologische Wende« in den Geisteswissenschaften und durch das seit den 1970er Jahren etablierte Fach der Interkulturellen Kommunikation. Grundlegend ist dabei, Interkulturalität nicht statisch, sondern als fortwährenden Prozess zu begreifen und sie einer beständigen Neuauslegung zu unterziehen. Denn gerade ihre gegenwärtige, unter dem Vorzeichen von Globalisierung, Postkolonialismus und Migration stehende Präsenz im öffentlichen Diskurs dokumentiert, dass das innovative und utopische Potenzial von Interkulturalität noch längst nicht ausgeschöpft ist. Die Reihe Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft greift die rege Diskussion in den Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften auf und versammelt innovative Beiträge, die den theoretischen Grundlagen und historischen Perspektiven der Interkulturalitätsforschung gelten sowie ihre interdisziplinäre Fundierung ausweiten und vertiefen. Die Reihe wird herausgegeben von Andrea Bogner, Dieter Heimböckel und Manfred Weinberg.

Heinz Sieburg (Hg.)

Vielfalt der Sprachen – Varianz der Perspektiven Zur Geschichte und Gegenwart der Luxemburger Mehrsprachigkeit

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld/Lars Malte Trzeschan Lektorat & Satz: Wolfgang Delseit Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2030-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort | 7

Superdiversität in Luxemburg? Charles Berg / Marianne Milmeister / Christiane Weis | 9

Die Stellung des Französischen in Luxemburg. Von der Prestigesprache zur Verkehrssprache Fernand Fehlen | 37

Die Stellung der deutschen Sprache in Luxemburg. Geschichte und Gegenwart Heinz Sieburg | 81

Le multilinguisme comme caractéristique et défi de la littérature au Luxembourg Jeanne E. Glesener | 107

Schreiben in mehr als einer Sprache. Mehrsprachigkeit in der Luxemburger Literatur Irmgard Honnef-Becker | 143

Un aspect de la polyglossie luxembourgeoise. Les rapports littéraires entre le français et le luxembourgeois dans des textes francophones luxembourgeois Frank Wilhelm | 167

Zwischen Nähe und Distanz. Autorversionen Luxemburgisch-Deutsch in der Luxemburger Kinderliteratur Peter Kühn | 189

Le rubriquage des quotidiens luxembourgeois d’expression française dans un contexte de trilinguisme Aurélie Haismann | 219

»… diwelche Jhme bei œeiner ambts Rechnungh paœœirt und guttgemacht werden œollen«. Verwaltungspraxis und mehrsprachige Textmusterbildung in der Stadt Luxemburg der Frühen Neuzeit Dominic Harion | 233

Überlegungen zur Entwicklung der Münd lichkeit und Schriftlichkeit in Luxemburg Britta Weimann | 251

Autorinnen und Autoren | 263

Vorwort

Das Thema Mehrsprachigkeit hat Hochkonjunktur. Gründe hierfür sind die voranschreitende Globalisierung oder die Vereinigungssprozesse im Rahmen der Europäischen Union. Hier wie dort gilt es, den vielfältig gesteigerten Kommunikationserfordernissen angemessen zu begegnen. Darin liegen gleichermaßen Chancen wie Herausforderungen. Während aber für die meisten Länder Mehrsprachigkeit ein Anspruch ist, der nur durch einen institutionell verankerten Fremdsprachenunterricht eingelöst werden kann, ist sie für einige wenige ein historisch begründetes Privileg, indem hier die Sprachteilnehmer auf natürliche Weise in unterschiedliche Sprachen ›hineinwachsen‹. Luxemburg ist hierfür ein Beispiel. Für das Großherzogtum kann Mehrsprachigkeit geradezu als konstitutiv betrachtet werden. Das findet seinen gültigen Niederschlag in der Sprachgesetzgebung von 1984, worin das Luxemburgische als Nationalsprache festgeschrieben wurde, aber auch Französisch und Deutsch als Sprachen des Landes genannt sind. Die so definierte Trilingualität bestimmt den sprachlichen Alltag. Sie eröffnet grenzüberschreitende Teilhabe und konfrontiert doch auch mit einer ganzen Reihe spezifischer Anforderungen, zumal der ›Luxemburger Sprachenmarkt‹, neben den genannten, durchaus auch weitere Sprachen umfasst. So stellt sich die Sprachsituation Luxemburgs als ein hochkomplexes und partiell fragiles Gefüge dar. Dies unter verschiedenen fachdisziplinären Blickwinkeln und bezogen auf unterschiedliche Fragestellungen hin zu beleuchten, ist der Anspruch dieses Bandes. Er ist dabei dem Ziel verpflichtet, die Voraussetzungen, Ausprägungen und Entwicklungen der Luxemburger Mehrsprachigkeit weiter zu erhellen und gleichzeitig einen Beitrag in Hinblick auf einen übergreifenden Mehrsprachigkeitsdiskurs zu leisten. Entstanden ist der Band zu einem größeren Teil aus ausgewählten, überarbeiteten und zum Teil deutlich erweiterten Beiträgen, die im Rahmen einer interdisziplinären und mehrsprachigen Vorlesungsreihe des Studienganges Bachelor en Cultures européennes im Sommersemester 2011 an der Universität Luxemburg vorgestellt und diskutiert wurden. Einige hinzugekommene Beiträge liefern dazu eine wichtige Ergänzung. Alle gemeinsam bezeugen den Reichtum

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V ORWORT

differenzierter Fragestellungen und das je spezifische Engagement der Autorinnen und Autoren. Die Gliederung der Beiträge ist vom Prinzip geleitet, das Besondere dem Allgemeinen sowie die dezidiert historische Perspektive der verstärkt gegenwartsbezogenen Ausrichtung folgen zu lassen. Am Anfang steht eine Untersuchung, die das Superdiversitätskonzept programmatisch ambitioniert auf die spezifisch Luxemburger Situation appliziert. Dem folgen generalisierende Abhandlungen über die Stellung der französischen und der deutschen Sprache in Luxemburg. Die sich daran anreihenden Beiträge zeigen die Ausprägungen der Luxemburger Mehrsprachigkeit in unterschiedlichen Spezialuntersuchungen und bezogen auf literarische bzw. pressemediale Gegenstände. Und schließlich runden zwei sprachhistorisch orientierte Studien den Band ab und belegen die Tatsache, dass Mehrsprachigkeit in Luxemburg ein Phänomen ist, um das bereits vor Jahrhunderten gerungen wurde und das, etwa bezogen auf eine angemessene Nomenklatur der historischen Sprachbezeichnungen, auch weiterhin Herausforderungen an die Wissenschaft bereithält. Allen Beiträgerinnen und Beiträgern sei für die engagierte und insgesamt zügige Mitarbeit an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Dank gilt auch den Reihenherausgebern für die Aufnahme in die Reihe Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft. Ein passenderer Ort für den vorliegenden Band ließe sich kaum denken. Luxemburg im November 2012 Heinz Sieburg

Superdiversität in Luxemburg?* Charles Berg / Marianne Milmeister / Christiane Weis Abstract La présente contribution se propose d’examiner si le concept de superdiversité développé par Stephen Vertovec peut être appliqué à la situation luxembourgeoise. Après une brève explication de la notion et de sa pertinence internationale, différents aspects seront considérés et analysés par rapport à leur concordance avec la situation luxembourgeoise: l’environnement historique et politique, l’évolution démographique, la situation des langues, les religions et les cultures, la multiplication des statuts migratoires. La conclusion provisoire est que, d'un point de vue politique et pédagogique, le Luxembourg devra se livrer à un débat portant sur la superdiversité. Par conséquent, cela représente un défi considérable pour la recherche en sciences sociales et éducatives à l’université. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Übertragung von Stephen Vertovecs Superdiversitätskonzept auf die Luxemburger Situation. Nach einer knappen Erläuterung des Begriffs werden unterschiedliche Aspekte auf Luxemburg bezogen und kritisch auf ihre Angemessenheit geprüft: historischer und politischer Kontext, demografische Entwicklung, Sprachensituation, Kultur und Religion, Vervielfältigung von Migrantenstatuten. Als vorläufiges Ergebnis kann man festhalten, dass man weder in politischer noch in pädagogischer Hinsicht in Luxemburg an einer Superdiversitätsdebatte vorbeikommt und dass damit auch die sozial- und erziehungswissenschaftliche Forschung an der Universität vor einer entscheidenden Herausforderung steht.

In den letzten Jahren hat der Begriff »Superdiversität« in der sozial- und sprachwissenschaftlichen Forschung in Europa Karriere gemacht. Das hängt zusammen mit dem außergewöhnlichen Boom der Migrationsethnologie (Vertovec *| Der vorliegende Text verdankt seine Existenz zwei Kollegen: Constant Leung (King’s College, London) und Heinz Sieburg (Universität Luxemburg). Die Auseinandersetzung mit dem Superdiversitätsbegriff begann im regen Austausch und in den kontroversen Diskussionen mit Constant Leung. Dem Text liegt eine Präsentation am King’s College zugrunde (Berg 2011b), in der die Argumentationslinie in rudimentärer Form entwickelt worden war. Die gegenwärtige Veröffentlichung aber wäre ohne die spontane Anregung von Heinz Sieburg nicht zustande gekommen.

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2007a), hat aber ebenfalls damit zu tun, dass das Spektrum der Subdisziplinen, die den Begriff als attraktiv empfunden haben, sich seit 2006 erstaunlich verbreitert hat. Er reicht von der Soziolinguistik, über Migrationsstudien und Stadtsoziologie bis zur Ethnologie und zur allgemeinen Soziologie (Creese/ Blackledge 2010a: 555). So wird zum Beispiel am Center for Dansk som Andet- og Fremmedsprog an der Universität Kopenhagen sprachliche und kommunikative Superdiversität als eine zentrale Herausforderung in einer sich globalisierenden europäischen Landschaft angesehen (Jørgensen 2011). Superdiversität wird ein Begriff, der auch auf die Soziolinguistik von Jugendsprachen und die Soziologie von Jugendidentitäten angewandt werden kann (Jørgensen 2010). In der Tradition der Londoner Soziolinguistik, die auf Basil Bernstein (Bernstein 2008), aber auch auf einen weniger bekannten, sprach- und erziehungswissenschaftlichen Autor wie Harold Rosen zurückgreifen kann (Harris 2009), beschäftigt man sich am Centre for Language, Discourse and Communication (King’s College, London) nicht nur mit der Didaktik von Englisch als Zweit- und Fremdsprache. Vor dem Hintergrund eines heute ökonomisch schwierigen Umfelds (Wills u.a. 2009) und der spannungs- und gegensatzreichen, sozialräumlich fragmentierten Metropole London (Zehner/Wood 2010: 77–120) aber gilt das Interesse auch der Frage, wie Kindern und Jugendlichen, die zu ethnolinguistischen Minoritäten gehören, der Zugang zur Bildungssprache und damit auch zur Bildungskarriere gelingt. Die pädagogische Linguistik wird dabei zur Plattform, zum interdisziplinären Schnittpunkt (Leung 2010a), der geradezu nach einer Kontextualisierung des Superdiversitätsbegriffs verlangt. Die finnische Universität Jyväskylä hat in der Zusammenarbeit mit Jan Blommaert ein Forschungsprojekt gestartet, bei dem es um die Re-Theoretisierung von Mehrsprachigkeit in komplexen multiethnischen und sprachlich heterogenen Gesellschaften geht. Im Juni 2013 findet in Jyväskylä eine Konferenz mit dem Thema Language and Super-diversity: Explorations and Interrogations statt. Ziel ist zu untersuchen, welches Potenzial das Superdiversitätskonzept der Sprachforschung bietet. Ein weiteres Zentrum der Superdiversitätsforschung ist das Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen. Der Akzent liegt nun nicht mehr auf dem Sprachlichen, es geht vielmehr um die multidisziplinäre Erforschung von Vielfalt in historischen und modernen europäischen und außereuropäischen Gesellschaften. Eine spannende Anwendung des Superdiversitätsbegriffs stellt das Integrations- und Diversitätsprojekt der Stadt Frankfurt dar (Vertovec/Römhild 2009). Durch die Arbeiten von Karel Arnaut werden auch Transaktionen zwischen Afrika und Europa sowie Identitätsbildung und Aktivismus in der Diaspora im urbanen europäischen und afrikanischen Kontext thematisiert (Arnaut 2012). Auch am Centrum voor Studies van de Multiculturele Samenleving an der Universität Tilburg geht es um die Untersuchung von Mehrsprachigkeit, Multikulturalität und religiöser Vielfalt im Kontext zeitgenössischer Globalisierungsprozesse. In Hamburg beschäf-

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tigt sich Ingrid Gogolin seit Jahren mit der Frage, wie die Schule und besonders der Sprachunterricht den durch die soziale Vielfalt gestellten Herausforderungen gerecht werden kann (Gogolin 2002). Heute stellt sie ihr Leitthema, die Kritik am monolingualen Habitus der multilingualen Schule (Gogolin 1994), unter das Zeichen des Superdiversitätsbegriffs (Gogolin 2011). Das Problem hat für Ingrid Gogolin zwei Seiten: die durch Migration veränderte Lage als neue Herausforderung an das Bildungssystem auf der einen Seite, das Verharren im Überlieferten, die Unfähigkeit der meisten Schulen, den neuen Verhältnissen gerecht zu werden, auf der anderen Seite. Vor diesem Hintergrund bedeutet der Rückgriff auf das Superdiversitätskonzept Abschied zu nehmen von simplifizierenden binären Kodierungen, asymmetrischen Dichotomien, wie Migrant versus Nicht-Migrant, monolingual versus bilingual, integriert versus nichtintegriert, und erlaubt so einen differenzierteren Umgang mit Situationen, die sich aus komplexen Lebensläufen und individualisierten Kompetenzrepertoires (vgl. Blommaert/Backus 2012) spätmoderner Subjektivitäten ergeben. In Hamburg stellt die Exzellenzinitiative LiMA Linguistic Diversity Management in Urban Areas den beeindruckenden Versuch einer praktischen Umsetzung dar (Universität Hamburg 2012). Im Licht der wenigen und knapp angedeuteten Beispiele, scheint es eigentlich wenig verwunderlich, dass das europäische EUCIM-Projekt (vgl. Universität zu Köln 2012; Berg u.a. 2011), in Bezug auf Luxemburg in der Fortsetzung der Diskussion um den Sprachunterricht (Berg/Weis 2005a, 2005b u. 2007; Weis 2007; Goullier u.a. 2006) am Ende trotz der pragmatischen Fokussierung auf transformative Lehrerbildung doch auf den Begriff Superdiversität hinauslief. Das Konzept schien einen großen Teil der Probleme, auf die wir gestoßen waren, zu fassen, gab aber letztlich weniger Antworten, als dass alte Fragen unter einem veränderten Etikett neu gestellt werden konnten. Das Fallbeispiel der Luxemburger Mehrsprachensituation gilt traditionell als ein spannendes Modell (vgl. z.B. Berg/Thoss 1996), das man gern als ein Exotikum oder auch manchmal als Musterbeispiel zur Kenntnis nehmen wollte. Entsprechend schnell entstand auch Interesse im Licht der Superdiversitätsdiskussion. Verschiedene Kennzeichen waren dabei Auslöser: die außergewöhnliche Komplexität der Sprachsituation, die doch zu funktionieren schien, – »countries such as Luxembourg […] stand as compelling reminders that bilingual [countries] need not to be more unstable or disadvantaged than unilingual ones« (Dewaele/Housen/Wei 2003: 1f.); dann die Beobachtung, dass Mehrsprachigkeit sich nicht auf die Nationalsprache und Englisch reduzierte, sondern Deutsch und Französisch eine herausragende Rolle behielten; schließlich die Zeitschiene, nach der historisch überaus früh ein ausgesprochen hoher Diversitätsgrad aufgewiesen wurde. So äußerte Constant Leung in einem persönlichen Mailaustausch die Vermutung, dass Luxemburg einen Fall von long term superdiversity darstellt. Wir hatten bisher unsere Unsicherheit angesichts einer komplexen

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und durchwachsenen Situation in zwei ausweichende, bon-mot-hafte Formulierungen gekleidet. Bei der Arbeit über Jugendliche im öffentlichen Stadtraum hatten wir die Stadt Luxemburg im Hinblick auf ihre Entwicklung an der Wende zum 21.  Jahrhundert als »Mini-Megacity« (Berg/Milmeister/Schoos 2005: 20) bezeichnet. Bei der Beschäftigung mit dem Sprachlernen in Luxemburg, haben wir uns der Muttersprachendiskussion entzogen, mit dem leicht saloppen Einwurf, dass die Mehrsprachigkeit wohl die Muttersprache des Luxemburgers sei (Berg/Weis 2005b: 33; vgl. auch: Berg 2011a: 50). Wir gingen lediglich zu einem reifizierten Muttersprachenkonzept auf Distanz, wollten aber kaum einen endgültigen Befund treffen, weder über die Sprachidentität der Luxemburger noch über das Identitätsmarkierungspotenzial von Sprachen in Luxemburg. Insgesamt sind wir der Ansicht, dass trotz des bestehenden Notstandes Umsicht und Sachlichkeit am Platz sind, da es sowohl einer interdisziplinären Re-Theoretisierung und einer solideren empirischen Fundierung bedarf. Die Erinnerung daran, dass etwa Heinz Sieburgs behutsame und fundierte Darstellung der Position des Deutschen in der Luxemburger Mehrsprachigkeit (Sieburg 2009) bedauerlicherweise in eine erhitzte öffentliche Debatte mündete, behalten wir als warnendes Beispiel im Kopf, wenn wir doch noch einmal das heiße Eisen der Luxemburger Mehrsprachigkeit anfassen möchten. Es geht uns dabei darum, uns der Aufgabe des Austarierens bestehenden Wissens zu stellen und das Hervorbringen neuer Erkenntnisse nicht aus dem Blick zu verlieren. Die folgenden knappen und vorläufigen Überlegungen zur Luxemburger Kontextualisierung des Superdiversitätskonzepts greifen internationale Argumentationsstränge auf und stellen bestehende Luxemburger Motive in einen neuen Zusammenhang. Sie stellen demnach einen bescheidenen Versuch dar, einen kleinen Schritt in Richtung einer sachlichen Erforschung einer Konfiguration einzuleiten, die aus jugendsoziologischer Perspektive seit langem als eine spezifische Bedingung des Aufwachsens gilt (vgl. Berg/Wirtgen 1999: 197f.). Dabei möchten wir durchaus einen doppelten Blick bewahren sowohl auf die lokalen Begebenheiten als auch auf die globalen Entwicklungen, um die Bedingungen des Jugendlebens in ihrer Historizität zu verstehen. Howard Williamson hat diese Grundhaltung folgendermaßen umschrieben: […] any contemporary reading of youth culture has to be embedded both in place and space, and over time: the (sub)cultural response of young people has always to be linked to local specificities as well as global phenomena and trends, and it also draws, at least implicitly, and builds on past traditions to inform both present behaviour and understanding, and future life-course positioning. (Williamson 2012: 138f.)

Superdiversität wird in der Regel als ein interdisziplinäres Konzept verstanden, das ein komplexes Phänomen erfasst, bei dem es auf ein dynamisches Zusammenspiel unterschiedlicher Indikatoren ankommt. Das Phänomen ist

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nach dem Kalten Krieg aufgekommen, als mit dem Verschwinden von Grenzen Migrationsmuster sich weltweit veränderten. Jan Blommaert und Ben Rampton beschreiben die Entwicklung mit folgenden Worten: There is a growing awareness that over the past two decades, globalisation has altered the face of social, cultural and linguistic diversity over the world. Due to the nature of migration since the early 1990s, the multiculturalism of an earlier era (captured, mostly in an ›ethnic minorities‹ paradigm) has been gradually replaced by what Vertovec (2007) calls ›super-diversity‹. Super-diversity is characterised by a tremendous increase in the categories of migrants, not only in terms of nationality, ethnicity, language, and religion, but also in terms of motives, patterns and itineraries of migration, process of insertion into labour and housing markets in the host societies, and so on (cf. Vertovec 2010). The predictability of the category of ›migrant‹ and of his/her sociocultural features have disappeared. (Blommaert/Rampton 2011: 1)

Um die Luxemburger Situation zu beleuchten und das Potenzial der internationalen Diskussion zur Aufklärung der eigenen Verhältnisse zu ergründen, wollen wir einer Reihe von Fragen nachgehen. Uns interessiert zuerst, ob sich das Superdiversitätsmodell, wie es von Steven Vertovec (2006, 2007a, 2007b) entwickelt wurde, sinnvoll auf Luxemburg anwenden lässt. Wir werden also in der Folge gezielt nach Entsprechungen und Differenzen suchen. Auch wenn wir zögern, von einem Superdiversitätsparadigma zu sprechen, scheint die Debatte um den Begriff doch mehr als alter Wein in neuen Schläuchen zu sein. Daraus ergibt sich für uns im nationalen Interesse die Frage, ob wir die eigenen Verhältnisse in einem neuen Licht sehen können und ob also die Superdiversitätsdiskussion Luxemburg nutzen kann. Schließlich hängt das Superdiversitätsphänomen zusammen mit unserem ureigensten Anliegen, dem Verstehen der Bedingungen des Aufwachsens in Europa. Es stellt sich demnach die Frage, wie man den sich aus einer gewandelten Konstellation ergebenden Herausforderungen in Luxemburg begegnen kann. Steven Vertovec hat zwar den Begriff Superdiversität geprägt, aber die Beobachtung, dass Diversität sich ändern und dass es dabei zu deutlichen Qualitätssprüngen kommen kann, wurde schon Jahrzehnte vorher von Harold Rosen und Tony Burgess gemacht. Sie schreiben: In the space of twenty years the configuration of linguistic diversity in the schools has been altered beyond recognition. Our school population contains large numbers of pupils for whom English is a second, perhaps third, language; there are also pupils who are fluent speakers of English but who also speak another language; there are speakers who have in their repertoire an overseas dialect of English or a British-based form of it. (Rosen/Burgess 1980: 7)

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Superdiversität nach Vertovec bedeutet also, dass in unterschiedlichen Hinsichten Immigrationsmuster, was Gemengelage und Verflechtung betrifft, sich so verändert haben, dass den Einwanderergemeinschaften in Großbritannien und in den meisten westlichen Ländern eine neue Qualität zukommt. Auf den Luxemburger Kontext bezogen bedeutet das, dass man einen Wandel von Diversität anhand der Kriterien von Steven Vertovec feststellen könnte, der einer Entwicklung zur Superdiversität entspräche. In Bezug auf die anstehende Kontextualisierungsarbeit am Superdiversitätskonzept haben wir mehrere Argumentationsstränge ausgemacht, die wir in der Folge anhand der Luxemburger Lage entwickeln werden. Es sind der politisch-historische, der demografische, der sprachökologische, der kulturell-religiöse und der auf Migrantenstatute bezogene Argumentationsstrang. Für jeden Aspekt beziehen wir uns auf Luxemburger Daten und versuchen, Unterschiede und Entsprechungen zu Vertovecs allgemeinem Superdiversitätsbild zu erfassen.

Politik und Geschichte Im Lichte seiner Territorialgeschichte ist Luxemburg heute ein kleiner Reststaat, der aus einem größeren und mehrsprachigen Gebilde hervorgegangen ist. Ergebnis und Verlauf unterscheiden sich in vielen Hinsichten von dem, was in den meisten westlichen Ländern üblich gewesen ist. Luxemburg entspricht keineswegs der romantischen Vorstellung einer Einheit von Nation, Volk, Sprache und Kultur. Der Staat, der am Anfang des 19. Jahrhunderts entstand, war ursprünglich mehrsprachig, behielt nach der Teilung eine Rechtssprache, die im Territorium nur von einer Minderheit gesprochen wurde, und verankerte in seiner Verfassung – wie in anderen Ländern Religionsfreiheit – Sprachfreiheit als Bürgerrecht. Luxemburger können kaum mit Jakob Grimm sagen: »was haben wir denn gemeinsames als unsere sprache und literatur?« (Grimm 1854: 9). Die damals gemeinsamste Sprache galt als Mundart und durfte im Parlament nicht gesprochen werden. Entsprechend gilt auch für Luxemburg kaum das angelsächsische Modell einer aufklärerischen Logokratie im Geist von Francis Bacon und John Locke (Silverstein 2010). Nicht ein gemeinsames Sprachgebiet ist die Grundlage des Staates, wenn man sich davor drückt Begriffe wie Nationalsprache oder offizielle Sprache in den Mund zu nehmen. Das Sprachengesetz von 1984 schafft kaum Klarheit. Es steht in der Kontinuität der konstitutionellen Sprachfreiheit, indem es dem Bürger überlässt, in seinem Umgang mit der Verwaltung zwischen einer der drei Landessprachen zu wählen. Die Formulierung, die das Luxemburgische als die Nationalsprache der Luxembur-

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ger1 institutionalisiert ist äußerst ambivalent. Sie erspart dem Einwanderer den Druck des Erlernens der Landessprache und schließt ihn doch aus, indem die Wir-Gruppe sozusagen durch ein festes Band verbunden wird. Multireferenzen und Alteritätsreferenzen spielen in einem Land, dessen Eliten im Ausland ausgebildet werden, eine wichtige Rolle bei der Konstruktion des Nationalen (vgl. Goetzinger 1991). Luxemburg steht deshalb in einem deutlichen Kontrast zu einer postimperialen und postkolonialen Konstellation. Es kennt eine Art Superdiversität schon vor der Zeit und der Begriffsprägung, scheint dennoch, im Zeichen der Globalisierung am Anfang des 21. Jahrhunderts, wie die meisten westlichen Länder eingeholt zu werden von einem überraschenden Superdiversifizierungsprozess. Luxemburger kommen, wenn es um ihre Identität in dem sich globalisierenden Kontext geht, in die paradoxe Lage, dass sie etwas verteidigen oder aufgeben müssen beziehungsweise wollen, von dem sie nicht einmal sicher wissen, ob sie es je besessen haben.

Demografie Demografische Fakten werden oft beschworen, wenn es darum geht Internationalität, sei es positiv oder negativ besetzt, vor Augen zu führen. So verweist die Stadt Luxemburg darauf, dass auf ihrem Gebiet insgesamt 153 Nationalitäten vertreten sind und dass der Ausländeranteil 65 % übersteigt (Ville de Luxembourg 2011). Werktags sollen etwa 155.000 ausländische Pendler als Grenzgänger zur Arbeit nach Luxemburg kommen (Service Information et Presse 2011). Solche Angaben können natürlich auf Superdiversität verweisen, bleiben aber als Einzelfaktoren eher unsicher. Wir möchten deshalb vier demografische Datenreihen betrachten und sie dann im Hinblick auf ihre Superdiversitätshaltigkeit hin interpretieren. Beindruckend ist die im Vergleich zum europäischen Umfeld sehr hohe Ausländerrate von 43,5 % für das Jahr 2009 (vgl. Eurostat 2012). Das wäre ein Hinweis auf Superdiversität. Im Gegensatz dazu verweist die Grafik (Abb. 1) kaum auf ein sprunghaftes Ansteigen der Ausländerrate an der Wende zum 21.  Jahrhundert. Es handelt sich vielmehr um ein inkrementales Wachstum, bedingt durch die eher regelmäßige wirtschaftliche Entwicklung. Die jährliche Steigerungsrate zwischen 1875 und 1910 beläuft sich auf 0,4 Prozentpunkte, zwischen 1947 und 2011 auf 0,5 Prozentpunkte. Das Wachstum beginnt am Ende des 19. Jahrhunderts als Effekt der beschleunigten Industrialisierung; so steigt zwischen 1875 und 1910 1 | »La langue nationale des Luxembourgeois est le luxembourgeois« (Loi du 24 février 1984 sur le régime des langues; Art. 1: Langue nationale; Service Central de Législation 1984).

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der Ausländeranteil von 2,9 % auf 15,3 %. Rückschläge gibt es kriegs- und krisenbedingt im 20. Jahrhundert, zwischen 1910 und 1922 sowie zwischen 1930 und 1947. Abb. 1: Ausländerrate in der Luxemburger Bevölkerung von 1871–2011           

Datenquelle für 1871–2001: Population de résidence habituelle du Luxembourg selon le sexe et la nationalité 1821–2010 (STATEC 2012a); für 2011: Évolution de la population totale, luxembourgeoise et étrangère 1961–2011 (STATEC 2012b; Grafik: Autoren)

Die folgende Grafik erlaubt eine genauere Betrachtung der jährlichen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten, nämlich in der Zeit von 1987 bis 2011. Abb. 2: Ausländerrate in der Luxemburger Bevölkerung von 1987–2011          







































































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Datenquelle: Évolution de la population totale, luxembourgeoise et étrangère 1961–2011 (STATEC 2012b; Grafik: Autoren)

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Der Eindruck des inkrementalen Wachstums wird verstärkt. Der leichte Knick 2010 ist vermutlich die Wirkung der Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft, die statistisch viel weniger sichtbar ist als beispielsweise in der politischen Kommunikation. Die einzelnen demografischen Faktoren entwickeln sich keineswegs parallel. Wir haben deshalb im Vergleich zwischen 1991 und 2011 absolute und relative Variationen für einzelne Werte berechnet. Die absolute Variation stellt die Differenz dar zwischen den Zahlen von 1991 und 2011. Die relativen Werte sind die prozentualen Steigerungen im Verhältnis zur Anzahl von 1991. So gibt z.B. ein Wert von 100 % für die relative Steigerung eine Verdopplung der jeweiligen Anzahl an. Tab. 1: Zusammensetzung der Bevölkerung Luxemburgs 1991 und 2011 1991 Anzahl

2011

Prozent

Anzahl

Gesamtbevölkerung

384.400

511.800

Luxemburger

271.400

70,6 % 290.500

Nicht-Luxemburger

113.000

29,4 %

davon:

– Portugiesen

39.100

– Italiener

Variation 1991-2011

Prozent

absolut

relativ

127.400

33,1 %

56,8 %

19.100

7,0 %

221.300

43,2 %

108.300

95,8 %

10,2 %

81.300

15,9 %

42.200

107,9 %

19.500

5,1 %

17.700

3,5 %

- 1.800

- 9,2 %

– Franzosen

13.000

3,4 %

31.000

6,1 %

18.000

138,5 %

– Belgier

10.100

2,6 %

17.000

3,3 %

6.900

68,3 %

– Deutsche

8.800

2,3 %

12.100

2,4 %

3.300

37,5 %

– Briten

3.200

0,8 %

5.600

1,1 %

2.400

75,0 %

– Niederländer

3.500

0,9 %

3.800

0,7 %

300

8,6 %

– Sonstige EU

6.600

1,7 %

21.700

4,2 %

15.100

228,8 %

– Sonstige Nicht-EU

9.200

2,4 %

31.100

6,1 %

21.900

238,0 %

 Datenquelle: État de la population (x 1 000) 1981, 1991, 2001–2011 (STATEC 2012a; Tabelle: Autoren)

Man stellt eine Bevölkerungssteigerung um ungefähr ein Drittel fest, der aber ein relatives Wachstum der Luxemburger Bevölkerung von nur knapp 7 % gegenüber steht. Die Bevölkerung wächst weniger durch den Geburtenüberschuss als durch den Nettoeinwanderungsüberschuss. So zeigt die relative Variation des Ausländeranteils fast eine Verdopplung auf und die Multikulturalität nimmt vermutlich dementsprechend zu. Die einzige Gruppe, für die sowohl absolute

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wie prozentuale Werte rückläufig sind, sind die Italiener. Für alle anderen steigert sich der Anteil. Sprünge über 100 % gibt es für Portugiesen und Franzosen, über 200 % für sonstige EU-Einwanderer und andere Ausländer. Die dritte Analyse bezieht sich auf Unterschiede in der Verteilung zwischen autochthonen und allochthonen Bevölkerungsgruppen. Das betrifft zum Beispiel die geografische Verteilung. Zwischen einzelnen Ortschaften variiert der Ausländeranteil von Werten unter 12,2 % bis zu Werten über 61,5 %. Der Ausländeranteil in den einzelnen Kantonen variiert zwischen 22,9 % für Redingen und 48,9 % für Luxemburg, wobei sich die Zusammensetzung nach Nationalitäten, aber auch nach sozioökonomischem Status nach Kantonen unterscheidet (Recensement de la population: Population étrangère par canton et commune 1900–2001; STATEC 2012a). Die Genderverteilung ist in beiden Gruppen nicht gleich. Normalerweise sind Männer in der Einwanderergruppe überrepräsentiert. Bei den Luxemburgern machen die Männer 48,8 % aus, bei der portugiesischen Bevölkerungsgruppe kippt das Verhältnis zu Ungunsten der Frauen, es gibt jetzt 51,9 % Männer. Auch die Altersverteilung ist nicht regelmäßig. Im Vergleich Luxemburger-Portugiesen sind die portugiesischen Einwohner prozentual überrepräsentiert in der Altersgruppe 0–44 Jahre (81,5  % gegenüber 56,7 % bei den Luxemburgern), mit dem Höchstwert in der Kategorie 30–34, ab 45 Jahre aber sind die Luxemburger überrepräsentiert (43,3 % gegenüber 18,5 % bei den Portugiesen) (Recensement de la population: Population totale par sexe et groupe d’âge selon la nationalité 2001; STATEC 2012a). Die ungleichen Verteilungen wie zum Beispiel die intergenerationale Konfrontation einer eher multikulturelleren Jugend mit einer vergleichsweise autochthoneren älteren Generation erleichtern die Kommunikation nicht. Die Situation könnte also im Sinne des Superdiversitätsbegriffs als undurchsichtiger und unberechenbarer interpretiert werden. Die veränderte Zusammensetzung der allochthonen Bevölkerung führt zu einem Phänomen, das man vermutlich als Superdiversitätsmerkmal verstehen kann. Wir haben unter diesem Gesichtspunkt als Fallbeispiel die Bevölkerungsstruktur der Gemeinde Strassen untersucht (Commune de Strassen 2012). Hierzu haben wir Nationalitätengruppen nach der Anzahl ihrer Vertreter geordnet. In Strassen sind rund 43,4 % der 7.645 erfassten Einwohner Luxemburger. Nimmt man Franzosen und Portugiesen dazu, kommt man auf ungefähr zwei Drittel (64,8 %). Es folgen eine Gruppe von fünf Nationen, die jeweils zwischen 6,4 % und 2,0 % der Bevölkerung ausmachen: Italiener, Belgier, Deutsche, Briten und Spanier. Kumulativ hat man nun rund 85  % der Einwohner erfasst. Dann beginnt sich die Mitgliederanzahl der jeweiligen Nationalitätengruppen auszudünnen und zu differenzieren. Es folgen 32 verschiedene Gruppen mit zwischen elf (0,1 %) und 85 (1,1 %) Vertretern. Schließlich bleiben noch 50 Nationalitäten mit weniger als zehn Vertretern. Man merkt an den in der Statistik verwandten Bezeichnungen, dass auch das Verwalten einer derartigen Komplexität

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Probleme stellt. So findet man noch Jugoslawen und Tschechoslowaken, aber auch British Overseas und »URSS« als Nationalitätsangaben. Die Verteilung entspricht einem Muster, das Edward Shils 1975 allgemein beschrieben hat: Zentrum und Peripherie (Shils 1975). Betont wird gerade, dass die Konfiguration im Kern ein eher übersichtliches Diversitätsmuster abgibt, das zur äußersten Peripherie hin immer diffuser wird. Plausibel ist, dass die Überlappung von Norm-, Wissens- und Kompetenzrepertoires zum Rande hin dürftiger wird. Dem an einem Symptom sozusagen aufgewiesenen Zentrum-Peripherie-Muster entspricht natürlich eine ungleiche Verteilung von Verständigungs- und Einflussmöglichkeiten, von Macht und Lebenschancen. Im Kern ist demnach auch die Vernetzung dichter als an der Peripherie (Silverstein 2010: 340f.). Gesellschaft wird weder zur verdinglichten noch zur anthropomorphen Größe, sondern erscheint als prozessuales Phänomen, das nur in seiner abgestuften und dynamischen Form fassbar ist. Abb. 3: Bevölkerungsgruppen in Strassen (n=7.645)      !"#$%& '())*(  +%,-.-"/-0& 

 

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Datenquelle: Commune de Strassen 2012 (Grafik: Autoren)

Sprachpraxis und Sprachökologie Sprache, Sprachpraxis, Sprachverteilungen werden im kommunikativen Gebrauch zu einem wichtigen Medium gesellschaftlicher Superdiversität. In diesem Sinne meinen Angela Creese und Adrian Blackledge (2010a: 550), der Blick durch die soziolinguistische Linse führe zu einem besseren Verständnis superdiverser Gesellschaften. Wir teilen diese Ansicht insofern, dass die neue Diversität tatsächlich den Hintergrund ausmacht, auf dem der Zugang und die Bewertung von Sprachressourcen, Sprachrollen, Sprachwechsel- und Sprachmischungsmuster ausgehandelt werden können. Dennoch sind wir überzeugt,

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dass die Soziolinguistik die ganze Geschichte der Superdiversität nicht zu erzählen vermag. Luxemburgs Superdiversität besteht nicht darin, dass hier mehrere Sprachen nebeneinander gebraucht werden. Auch die Tatsache, dass in einer Schule wie dem Lycée technique du Centre Schüler etwa 30 verschiedener Nationalitäten beschult werden, schafft noch keinen superdiversen Kontext. Stärker wiegt eventuell ein Befund, der sich auf die Mischung von Luxemburgisch- und Anderssprachigen in der Schule bezieht. So geben im Schuljahr 2003/04 in der Grundschule 59,2 % der Schüler an, ihre Familiensprache sei Luxemburgisch, lediglich 40,8 % geben eine andere Sprache an. Vom Schuljahr 2007/08 zum Schuljahr 2008/09 kippt die Mehrheit. 2010/11 steht so eine Minderheit von 43,8  % Luxemburgischsprachigen gegenüber 56,2  %  Anderssprachigen. Eine ähnliche Entwicklungstendenz gibt es im Sekundarunterricht, nur dass hier das Mehrheitsverhältnis sich noch nicht gewendet hat; für 2010/11 geben noch 58 % Luxemburgisch als Familiensprache an (Ministère de l’Éducation nationale et de la Formation professionnelle 2011). Insgesamt handelt es sich um Einzelsymptome mit begrenzter Aussagekraft. Wir versuchen einer Antwort näher zu kommen durch das Anlegen von drei verschiedenen Perspektiven: die sprachökologische Betrachtung, die soziolinguistische Mikroanalyse und die sprachpädagogische Reaktion auf eine neue Lage, die sich in unterschiedlicher Form andeutet. Der Begründer der Sprachökologie ist der Harvard-Skandinavist Einar Haugen. Dass in seinem Denken Sprachökologie und Diversitätsforschung aufeinander bezogen sind, zeigt sich daran, dass der 1972 unter dem Titel The Ecology of Language erschienene Band mit dem Aufsatz Language and Immigration aus dem Jahre 1938 beginnt. Als Eröffnungsmotiv für das gesamte Buch dient ein Bild, in dem die Vereinigten Staaten von Amerika als ein auf den Kopf gestelltes Babylon vorgestellt werden: America’s profusion of tongues has made her a modern Babel, but a Babel in reverse. City and countryside have teemed with all the accents of Europe and the rest of the world, yet America has never swerved from the Anglo-Saxon course set by her founding fathers. In the course of a century and a half the United States has absorbed her millions and taught them her language more perfectly than Rome taught the Gauls and the Iberians in centuries of dominion. Oriental and African, Spaniard and Frenchman, Jew and Gentile have all been domesticated, and this without leaving any serious impression on American English. (Haugen 1972: 1)

Was Haugen, den Sohn norwegischer Einwanderer, als »willy-nilly« (ebd.: 307) Bilingualen umtreibt, ist der Konflikt, den die amerikanischen Verhältnisse dem mehrsprachigen Einwanderer zumuten, die Stigmata des Bilingualismus (ebd.: 307–324). Er sucht in der Verteidigung der eigenen Sprachidentität sozusagen einen dritten Weg zwischen babylonischer Sprachverwirrung und ame-

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rikanischer Unterdrückung von Anderssprachigkeit. Vor diesem Hintergrund, der subjektiver, biografischer, emotionsbesetzter ist als Haugens Profil als angesehener skandinavistischer Linguist, entsteht die Idee der Sprachökologie. Haugen versteht sie als Analogie zur biologischen Ökologie und definiert sie folgendermaßen: Language ecology may be defined as the study of interactions between any given language and its environment. The definitions of environment might lead one’s thoughts first of all to the referential world to which language provides an index. However, this is the environment not of the language but of its lexicon and grammar. The true environment of language is the society that uses it as one of its codes. Language exists only in the hand of its users, and it only functions in relating these users to one another and to nature, i.e. their social and natural environment. (Ebd.: 325)

Haugen hatte wenig Erfolg mit seinem Ansatz. In der Hochkonjunkturzeit der strukturalistischen Linguistik bestand im Mainstream wenig Interesse an Sprachgebrauch oder Sprachumfeld; man widmete sich den intralinguistischen Kernfeldern, wie der strukturellen Phonologie und Syntax. Es dauerte noch fast ein Jahrzehnt, bis die linguistische Pragmatik Oberwasser bekam. Am Anfang des 21. Jahrhunderts schließlich sanktionierte die Herausgabe des neunten Bandes der Encylopedia of Language and Education von Angela Creese, Peter Martin und Nancy Hornberger unter dem Titel Ecology of Language (2008) 15 Jahre nach Haugens Tod definitiv die Etablierung der Sprachökologie als linguistische Subdisziplin. Was bietet die Sprachökologie für unsere Frage? Sprachökologie ist heute sehr breit angelegt. Im Blickfeld sind die Ökologien von Sprache, literacy und Lernen. Fragen nach der Diversität und der soziopolitischen Lagerung der Sprachproblematik im Verhältnis zu Machthierarchien gehören zum Kernbereich (Creese/Martin 2008: i). Der ökologische Ansatz geht dabei über die deskriptive Untersuchung der Beziehungen zwischen Sprechern und Sprachen hinaus. Es geht um die sprachsoziologische Tiefenstruktur eines Kontextes, d.h. um die sprachenbezogene gesellschaftliche Ordnung. In Anlehnung an Émile Durkheim könnte man sagen, dass die elementaren Formen des Sprachlebens im Blickpunkt stehen. Die Komplexität der Luxemburger Sprachökologie wird nun durch eine Reihe von Faktoren bestimmt. Hier gibt es kaum monolinguale Sprecher. Sozusagen alle Sprachen sind durch Statusparadoxe gekennzeichnet. Luxemburgisch ist die geschätzte Nationalsprache, der viele im Alltag den Vorzug geben, und dann wieder das Lokalidiom, mit dem man sich je nach Situation disqualifizieren kann. Portugiesisch ist die dem Herzen nahestehende Herkunftssprache und dann wieder die manchmal verächtlich behandelte Einwanderersprache. Deutsch hat eine überragende Bedeutung als erste Schriftsprache, d.h. als erste Literatur- und Bil-

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dungssprache, für eine große Bevölkerungsgruppe. Es bleibt aber eine Sprache, zu der man nur bedingt stehen kann, da es zum Beispiel in den Augen vieler Luxemburger auch die negativ besetzte Sprache der Besatzer während der NS-Zeit war. Französisch führt ein regelrechtes Doppelleben: gehobenes Amtsfranzösisch, gediegen und mit Sozialprestige besetzt, und dann ein Pidginfranzösisch als Verständigungssprache mit Migranten und derbere Varianten, die sich auch in der Mittelschicht zusehends ausbreiten. Selbst der Dreisprachigkeit kann eine doppelte Bedeutung zukommen. Sie kann Elite-Merkmal sein und stellt als solches eine besonders resistente Form der Sprachbarriere dar; sie kann aber auch Ausdruck einer in Lebens- und Beziehungskontexten gewachsene Mehrsprachigkeit sein, die sich als Kennzeichen einer flexiblen Offenheit verstehen lässt. Psychologisch entspricht der komplexen Sprachsituation im Kopf der Sprecher eine hohe Interaktionsrate zwischen verschiedenen Sprachen ebenso wie komplizierte, individualisierte und transiente Sprach- und Kommunikationsrepertoires. Dementsprechend koexistieren diverse multilinguale Sprachsubjektivitäten. Sie entsprechen dabei weder einer rigid typologischen Taxonomie (Fehlen u.a. 1998), die im subjektiven Bewusstsein der Betroffenen nur begrenzte Zustimmung findet, noch einer absolut freien Wahl aus einem uneingeschränkten Feld von Möglichkeiten. Die individualisierte Konstruktion und Genese einer multilingualen Identität entspricht einem biografischen Zusammenspiel von komplexen diskursiven Bedingungen. So erfindet das multilinguale Subjekt kommunikative Räume neu und schafft im günstigen Fall ein Dazwischen, in dem es gedeihen kann. Claire Kramsch beschreibt allgemein, aber doch wohl mit Blick auf die kalifornische Situation, die entsprechenden Prozesse wie folgt: […] we come to the realization that the multilingual subject is not defined by its boundless freedom and agency, but, on the contrary, by the linguistic and discursive boundaries it abides by in order to, now and then, transgress them. The ability to decide how to attach oneself to the world does not come from a lack of boundaries, but from the choice of which boundary to transgress. (Kramsch 2009: 185)

Aus alledem ergibt sich eine Landschaft mit konkurrierenden Kodes mit einem hohen Grad an reguliertem und spontanem Codeswitching, mit Zwischen- und Mischsystemen und variablen Kompetenzprofilen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei einem Phänomen, wie dem translanguaging zu (García/Baetens Beardsmore 2009: 43–51). Es handelt sich dabei um diskursive Praktiken bilingualer Sprecher in bilingualen Kontexten, die zwar Codeswitching einschließt, aber weit darüber hinausgeht. Translanguaging ist in solchen Situationen eine mehr oder minder notwendige Voraussetzung von Bedeutungs- und Sinnkonstruktion. Ofelia García schreibt in diesem Sinn: »For us, translanguagings are multiple discursive practices in which bilinguals engage in order to make sense of their bilingual worlds« (ebd.: 45).

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Translanguagings stellen Formen eines hybriden kommunikativen Handelns dar. Sie sind dabei oft adäquate Strategien zur Bewältigung entsprechender Situationen und stellen die sprachsoziologische Facette des allgemeineren jugendsoziologischen Phänomens der Hybridität dar (Nilan/Feixa 2006a). Sprachstrukturen werden labiler und verändern sich. Wie nach Harold Rosen in London London Jamaican entsteht, gibt es in Luxemburg Luxemburger Italienisch (vgl. Pagliarini 1995) und Luxemburger Portugiesisch (vgl. Reisdoerfer 1997). Als gegenläufige Tendenz zur strukturellen Labilität gibt es dann eine Tendenz zur Hyperkorrektheit, die sich kommunikativ hemmend auswirken kann. Wesentliches Moment in der komplexen Sprachökologie wird, dass sich häufig das Sprachrepertoire von Eltern und Kindern unterscheidet. Die generationalen Diskontinuitäten bewirken, dass Eltern und Kinder eine andere Sprache miteinander sprechen als Geschwister unter sich. Gesellschaftliches Wissen wird je nach Bereich in unterschiedlichen Sprachen gespeichert, das jeweilige Wissen unterscheidet sich je nach Zugangssprache. Im multilingualen Kontext bieten Übersetzungen nicht immer Äquivalente, je nach Sprache bieten sie andere Konnotationen. So heißt die gleiche Straße in der Stadt Luxemburg einmal Berliner Wee und dann Rue de Prague, der Friedhof auf Limpertsberg heißt Niklooskierfech und Cimetière Notre-Dame. Die wenigen Hinweise mögen genügen, um zu verdeutlichen, welcher Art von Daten es bedarf, um das Umfeld von Sprachen und Diskursen zu charakterisieren. Gleichzeitig versteht man, dass das Vorhandensein einer komplexen Sprachökologie ein Argument für die Superdiversität Luxemburgs ist. Neben der Makrosprachökologie hat sich in den letzten Jahrzehnten auch eine linguistische Ethnografie (Heath/Street 2008) multilingualer Situationen gebildet. Eine besonders wichtige Referenz ist dabei das Werk von Dell Hymes (vgl. Hymes 1972a) und seine als Kritik an Noam Chomsky entwickelte Zentralkategorie der kommunikativen Kompetenz (Hymes 1972b). Die ethnografische Wende der angewandten Linguistik steht im Zusammenhang mit der Entwicklung, dass ethnologische Methoden auf die eigene Gesellschaft angewandt werden. Ben Rampton schildert diesen Prozess mit Bezug zu Hymes folgendermaßen: When Hymes started theorising the relationship between linguistics and ethnography, he inserted it into the larger project of bringing anthropology ›back home‹, turning away from the ›study of people not ourselves‹, ›of coloured people by whites‹, back to the analysis of educational and other institutional processes […]. He went on to sketch out a ’vision’ of ethnography disseminated through society at large. (Rampton 2007: 598)

Besonders beliebt sind Unterrichtssituationen (vgl. z.B.: Roth 2008; Rampton 2008; Creese/Blackledge 2010b; Harris/Lefstein 2011): Das Klassenzimmer wird hierbei nicht als Ort der Instruktion gesehen, sondern als Lebensraum. Die Un-

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tersuchung des Kommunikationsverhaltens von Jugendlichen im Klassenraum erlaubt auch soziologische Rückschlüsse. So schließt zum Beispiel Rampton den Rückgriff auf übertriebenes posh und cockney Englisch darauf, was soziale Klasse für Jugendliche bedeutet (Rampton 2008). Ben Rampton löst mutatis mutandis und unter den Vorzeichen des heutigen Wissenstands ein, was Harold Rosen in einer heftigen Kritik an Basil Bernstein fast 40 Jahre früher eingefordert hatte. Dort hieß es: In all that I have said I may possibly have given the impression that I believe that working-class speech is as fine an instrument as could be devised for communication and thinking and that middle-class speech is pretentious verbiage. That would be absurd romanticism. I am saying that the relationship between class and speech cannot be described or understood by the usual sociological methods. Working class speech has its own strengths which the normal linguistic terminology has not been able to catch. There is no sharp dividing line between it and any other kinds of speech, but infinite variations in the deployment of the resources of language. I do think there are aspects of language usually acquired through education which, given favourable circumstances, give access to more powerful ways of thinking; but given the conditions of life of many strata of the middle class, the language acquired through education can conceal deserts of ignorance. Moreover, the middle class have often to pay a price for the acquisition of certain kinds of transactional language, and that is loss of vitality and expressiveness, and obsession with proprieties. Those are very vague alternatives to the theoretical elegance which I have criticized, and this points to a profound weakness in all I have said. I have at several points noted that we do not know much about the relationship between language and class. It is time to find out. (Rosen 1972: 19)

Das wichtigste Ergebnis aber der ethnografischen Analysen geht in die andere Richtung. Man stellt nämlich fest, dass die realistischen und spontanen Lernprozesse sich weitgehend unterscheiden von den didaktischen Annahmen und Modellen des offiziellen Fremdsprachenlernens. Entdeckt wird eine selbstverständliche Mehrsprachigkeit, welche die didaktische Annahme der zweifachen Spracheinsamkeit im bilingualen Unterricht (two solitudes, Cummins 2007 u. 2008) widerlegt. Dieser flexible Multilingualismus hat fluide Grenzen und setzt sich vom kompartimentierten Nebeneinander von Fremdsprachen ab. Die Präsenz multilingualer diskursiver Strategien erscheint dabei als ein Anzeichen von Superdiversität. Schließlich ergibt sich aus der akkuraten und detaillierten Beschreibung als dritter Aspekt konsequenterweise eine Forderung nach innovativen Modellen des Sprachlernens. Die Verhältnisse ändern, aber es werden auch reaktiv neue Governance-Modelle entwickelt, sodass das Bewusstsein der Unangemessenheit des Sprach- und Fremdsprachenunterrichts zu transformativen Konzepten des

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Sprachlernens führt. Der rigide Zusammenhang von Sprache und Nation wird nicht aufrechterhalten, wenn der Konstituierungsprozess von Nation als soziale Konstruktion bewusst wird, bei der Sprache und Sprachen in teilweise illegitimer Art und Weise in Anspruch genommen werden. In einer Bildungsperspektive geht es dann weniger um den Erwerb von Fremdsprachen, die nebeneinander gestellt werden wie Trophäen im Regal eines Schützenkönigs, als um eine kontingente und flexible Mehrsprachigkeit, die sich in Wechselbeziehung mit der Bewältigung von Lebensaufgaben entwickelt. Die Opposition von separatem und flexiblem Bilingualismus (Creese/Blackledge 2011: 437) wird dabei parallel gesetzt zur etwas älteren, soziologischen Opposition von moderner und spätmoderner Gesellschaft wie sie etwa von Lyotard (1979), Giddens (1991), Bauman (1991) beschrieben wurde (vgl. Rampton 2008). Das bedeutet vorerst den Abschied vom einsprachigen Fremdsprachenunterricht, der auf jegliche Übersetzung verzichtet. Dann folgt die Entdeckung von Sprachkompetenzen, die jenseits der Einzelsprache liegen. So weist Jim Cummins in seiner psycholinguistischen Forschung auf die Common Underlying Proficiency hin, hinter der folgendes einleuchtendes Prinzip steht: »Conceptual knowledge developed in one language helps to make input in the other language comprehensible« (Cummins 2001: 39). Darüber hinaus wird informelle Alltagskommunikation von dekontextualisierter, bildungssprachlicher Kommunikation unterschieden. Für Bildungserfolg sind CALP-Kompetenzen wichtiger als BICS-Kompetenzen. BICS bezeichnet dabei Basic Interpersonal Communicative Skills. Sie beziehen sich auf eine gelingende Kommunikation im Alltag, wie sie als Ziel eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts denkbar ist. CALP aber, Cognitive/Academic Language Proficiency, zielt auf den wissens- und wissenschaftsrelevanten Gebrauch von Sprache (Cummins 2010). Constant Leung (Leung 2010b) plädiert nun dafür, dass der Erwerb der Bildungssprache die Asymmetrie von Minderheit und Mehrheit aufhebt, da die Entwicklung einer adäquaten Bildungssprache in der Erst- oder Zweitsprache ähnliche Probleme zu bewältigen hat. Das Mittel ist nicht mehr die Vermittlung von grammatischen Strukturen und Vokabeln, sondern die kommunikative Teilnahme an einer wissensrelevanten Praxisgemeinschaft. Lehrer brauchen deshalb ein unterschiedliches oder zumindest erweitertes linguistisches Basiswissen. Syntaktisches und lexikalisches Wissen allein genügt nicht; es bedarf eines vertieften Verständnisses von Sprache als Sozialhandeln, die sich etwa auf die hallidaysche Linguistik (vgl. Halliday/Webster 2009) und ihre Kernkonzepte wie voice und register bezieht (vgl. EUCIM-TE Consortium 2010). Lehrer wären dann fähig anhand eines in der Folge von Wygotski doppelten scaffoldings von Sprach- und Sachlernen (Gibbons 2011), Form und Inhalt nicht getrennt zu sehen, sondern als relevante Wissensstruktur Inhalt und Form zu verbinden und eine integrierte Initiation in Kultur und Sprache zu gewährleisten (Mohan 2007). Eine derartige Neufassung des Sprachlernens steht auch

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im Zusammenhang mit einer veränderten Auffassung vom Lernen. Schulen können Orte des Sprachlernens sein, weil sie Orte der konvivialen Kommunikation (Leung 2005) werden. Lernen wird partizipatorisch gesehen: Es geschieht nicht über die Vermittlung von präfigurierten Elementen, die eine als stabil gesehene Sprachgemeinschaft liefert, sondern durch offene und partizipatorische Praxisgemeinschaften (Lave/Wenger 1991), denen auch ein weniger asymmetrisches Generationsverhältnis zugrunde liegt. Die Entwicklung theoretischer Alternativen zum Bestehenden gewährleistet zwar nicht dessen Veränderung, stellt in unseren Augen dennoch ein indirektes Superdiversitätssymptom dar. Dabei ist der Anspruch, das Design zukünftiger Bildung zu entwerfen nur die eine Seite der Medaille; die dadurch ausgelöste Debatte ist die Kehrseite. Während durch den kritischen Umgang mit der gesteigerten Diversität der Entwurf von Reformmodellen Konjunktur bekommt, geht die Transformation des realexistierenden Sprachlernens, einschließlich der Reform der Lehrerbildung, weit zähflüssiger vonstatten. Die Wirklichkeit ist zudem weniger friedvoll und harmonisch als die Papierentwürfe zur schönen, neuen Bildungswelt. In der kulturell, kulturpolitisch und bildungspolitisch verzwickten Lage, die der sozialen Superdiversität entspricht, kann man drei reaktive Konstellationen unterscheiden. Man schreibt sich ein Design der Zukunft auf die Fahne, die man als Lösung und Erlösung ausgibt. Dieses Muster wurde von Thomas Popkewitz ausführlich beschrieben und kritisiert (Popkewitz 1991: 226ff.). Ein zweites Muster besteht darin, dass sich Einzelprojekte und Einzelinitiativen bilden, ohne dass unmittelbar eine Gesamtveränderung durchgesetzt werden kann. Dieses Muster, das durchaus eine dynamische Funktion in einem Evolutionsprozess erfüllen kann, wurde von Siegfried Bernfeld (2000) kritisch beschrieben. Das dritte Muster stellt eine Art Abwehrreaktion dar: Sie wird oft in der breiten Mehrheit durch jene Minderheit hervorgerufen, welche die Schule kompromisslos reformieren möchte. Sie führt zum ausdrücklichen Widerstand gegen Reformverhalten und zur Verteidigung der Tradition. Im Licht dieser drei skizzierten Interpretationsansätze lässt sich die derzeitige bildungspolitische Debatte in Luxemburg als indirektes Anzeichen von Superdiversität deuten.

Kulturell-religiöse Aspekte Superdiversität lässt sich weder auf ein Sprach- noch ein Bildungsproblem reduzieren. Es bleibt deshalb wichtig, auch andere Facetten nicht aus dem Blick zu verlieren. Zum Beispiel hat sich die Organisation des kulturell-religiösen Umfeldes verändert. Während es früher in Luxemburg verfassungsmäßig verankert eine relativ rigide Organisationsform mit einer Staatsreligion (römischkatholisch) und zwei Nebenstaatsreligionen gab, führt das gegenwärtige weit flexiblere Modell, aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Überlegungen, das

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Konzept des anerkannten Kultus (culte reconnu) ein. Während die katholische Kirche weiterhin teilweise dem napoleonischen Konkordat vom 18. Germinal aus dem Jahre 10 (8. April 1802) unterliegt, werden die jüdische und evangelische, aber auch die griechisch-orthodoxe Konfession 1998 durch staatliche Konventionen geregelt. Es folgen dann 2004 die anglikanische und die rumänisch- sowie die serbisch-orthodoxe Kirche. Das Verhältnis der zweitgrößten Religionsgemeinschaft, des Islams, ist bisher nicht geregelt. Kleineren Gemeinschaften (neoapostolisch, Zeugen Jehovas etc.) wurde der Status des anerkannten Kultus bisher nicht zugestanden (Service Central de Législation 2011). Die Reform des Kultusrechts verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele. Das eine ist die Anpassung an eine international geltende verfassungsrechtliche Norm, die das Konzept der Staatsreligion verwirft und als konstitutionelles Zentralmoment den Begriff der Religionsfreiheit gelten lässt. Das andere ist das Bemühen, die vorher geltenden Bedingungen für die Kultusgemeinschaften trotz der Veränderung zu erhalten. Die Verfassungsänderung ist also nur indirekt eine Reaktion auf einen religionssoziologischen Strukturwandel der Lebenswelt. Auch der interkonfessionelle Dialog, wie er von den Religionsgemeinschaften gepflegt wird, nimmt hierauf nur sehr vorsichtig Bezug. Über das Rechtliche hinauslässt sich dennoch hinter der Neuordnung des Verhältnisses der Religionsgemeinschaften zum Staat ein Kern-Peripherie-Modell erahnen. Leider gibt es kaum jugendsoziologisch empirische Daten über das Aufwachsen in fundamentalistischen Kontexten, gleich welcher Provenienz, und den Umgang der Betroffenen mit ihrer spezifischen Identität. Es gibt auch keine Untersuchungen dazu, was es bedeutet, in Luxemburg Protestant, Jude oder Moslem zu sein oder wie die religiöse bzw. areligiöse Identitätsfindung vor sich geht. Insgesamt scheint aber die Hypothese plausibel, dass die gesellschaftlich normative Bedeutung des Religiösen insgesamt fragmentierter und deshalb auch weniger vorhersehbar geworden ist. Die Religionslandschaft, die dynamischer und flexibler wird, kann so durchaus als Moment von Superdiversität funktionieren.

Migrantenstatute Migrantenstatute haben sich in Luxemburg wie anderswo vervielfältigt. Neben dem Arbeitsmigranten, der oft in einem bestimmten Wirtschaftssektor wie der Bauindustrie beschäftigt ist, gibt es heute Bankangestellte und Bänker, Eurokraten, Flüchtlinge und Asylsuchende. So ist das Feld durch die vielfältigen Rollen unübersichtlicher geworden. Das Profil, aber auch das Verhalten von Migranten bleibt kaum vorhersehbar. Wie einst der simple Klassengegensatz überwunden wurde, heißt es heute vielleicht im Zeichen der Superdiversität

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die asymmetrische Dichotomie von Migrant und Nicht-Migrant hinter sich zu lassen.

Abschließende Bemerkung Superdiversität bleibt also wahrscheinlich in Luxemburg ein Thema, an dem der politische und bildungspolitische Veränderungswille kaum vorbeikommt. Vom Umgang mit den Superdiversitätszusammenhängen, d.h. auch von einer angemessenen sozialwissenschaftlichen Diagnose des Phänomens, hängt ab, ob sich Lebensqualität in hochdifferenzierten Gesellschaften absichern lässt, ob der generationale Qualifikationstransfer und besonders die Förderung von literacy auch vor dem Hintergrund ausgeprägter sprachlicher und kultureller Diversität gelingt. Das Generieren von neuem Wissen über das Funktionieren superdiverser Gesellschaften sowie die Entwicklung innovativer Bildungskompetenzen von Lehrern und Erziehern stellen dabei Mittelfeldpositionen dar. Hilfreich wird in diesem Zusammenhang eine sachliche Analyse sein, die dem angemessenen historischen Verständnis der gegenwärtigen Zusammenhänge entspricht. Zu fragen ist, ob Chancengleichheit und Multikulturalität eher im Sinne von Diversität oder Superdiversität angegangen werden, wie deren Dynamik in unserem Kontext aussieht und wie der Sprachunterricht insgesamt zum Umgang mit der veränderten Lage beitragen kann. Dazu gehört auch die Frage nach der Rolle der Universität. Wenn sie Teil der Lösung sein will, sollte man nicht vergessen, dass sie auch Teil des Problems sein kann. Bei der nationalen Anpassung des EUCIM-TE-Curriculums hatten wir unsere Interviewpartner nach der Rolle der Universität gefragt. Das Bild, das sich ergab, war weder eindeutig positiv, noch eindeutig negativ: Moreover, the general image of the University of Luxembourg drawn by our interview partners was ambivalent. For most of them the University of Luxembourg being the most important provider of teacher and educator training could play an important part on its own. University people could develop in the shaping of their courses a coherent »teacher/educator in a multilingual society« profile to be applied to different training programmes. On the one side hopes and expectations were connected with the tremendous opportunity for change engendered by the creation of the University. On the other side, the University did not manage to gain an appropriate credibility. Our interview partners, both from outside and inside University, partly expressed disappointment. Indeed none of them was definitely positive about the University playing a major transformative role as a recognised unifier. The University on the contrary was even seen as being at risk of failure because of internal tensions and a lack of internal communication. (Berg u.a. 2011: 98)

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Im Allgemeinen hat sich die Thematisierung von Superdiversität in einem spezifischen Kontext entwickelt. Sie hat sich mit einer Rekonfiguration des akademischen Wissens vollzogen. Man hat sich einerseits von einem disseminativen, nur wissensbasierten, eher naiv populärwissenschaftlichem Top-Down-Modell (Thomas 2012: 46) verabschiedet. Andererseits hat sich eine kritische Hermeneutik des Lokalen entwickelt. Sie ist eher verstehensorientiert und kontextualisiert und bezieht multiple Realitäten in die Betrachtung mit ein. Sie geht auf John Deweys Pragmatismus (Dewey 1920) zurück und steht heute etwa in der Tradition der Grounded Theory (Berg/Milmeister 2011). So beschreibt Gary Thomas einen neuen Ansatz in der erziehungswissenschaftlichen Forschung folgendermaßen: Our science must take account of the reality of education endeavor, binding itself intimately with practice and enabling thinking and reflection on the lineaments and interstices of individual practice. Singular and shared understandings of such practice lie at the heart of our inquiry, and should strive to forge a new science of education based on such understandings. (Thomas 2012: 47)

Daraus ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen. Interdisziplinarität etwa wird wichtiger als disziplinäre Konformität. Die Universität wird sich in Richtung Hyperinterdisziplinarität und curricaler Problemfokussierung (vgl. die Diskussion bei Barrett 2012) entwickeln, muss aber dabei die offensichtlichen Fallen von short-termism (Bernstein 2000: 59) und Hyperspezialisierung vermeiden. Hilfreich kann dabei die empirisch fundierte Forschung zur Interdisziplinarität und ihrer Bedeutung sein (vgl. z.B. Blackmore/Kandiko 2011). Wichtig bleibt auch die Beziehung zwischen akademischer Wissensproduktion und Umfeld. Für unseren spezifischen Belang, bleibt zu bedenken, dass die Verwertung von soziolinguistischem Wissen im Sprachunterricht eigentlich selten und nur dann geschieht, wenn ein für den didaktischen Gebrauch angemessener Korpus stabilen Wissens (Leung/Street 2010) zur Verfügung gestellt werden kann. Das wird ohne ein vernetztes und langfristiges Arbeiten mit Praktikern in Schulen und in der offenen Bildungsarbeit kaum möglich sein. Eine derartig konsequente Umorientierung widerspricht keineswegs den klassischen universitären Idealen. So schreiben etwa Jim Côté und Anton Allahar in Ivory Tower Blues: The disengaged student, who passes through the university system unaffected by these liberal arts ideals, is morally numb and represents a form of self-indulgence that should be unpalatable to all citizens of modern democracies. Passing disengaged students through the university system without somehow transforming them wastes the legacy that has brought civilization to the point where we can provide higher education on such a large scale. No individual, regardless of his or her number of degrees and diplomas, is

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C HARLES B ERG / M ARIANNE M ILMEISTER / C HRISTIANE W EIS worth anything if the wider social context that nurtures and sustains him or her is left to ruin. (Côté/Allahar 2007: 186)

Die eben angesprochene politische Seite der Medaille aber wird vorrangig wissenschaftstheoretisch legitimiert, denn den derzeitigen Herausforderungen können wir nur um diesen Preis begegnen. Kontingenz und Komplexität zum Beispiel können wir unter einer Bedingung bewältigen. Jenseits der Jagd nach dem Mosaikstein, der eine vermeintliche disziplinäre Wissenslücke schließen soll, dürfen wir problemorientiertes, politik- und praxisrelevantes Arbeiten auf hohem Niveau, das auf die Koproduktion von Handlungsoptionen zielt, nicht vergessen.

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Die Stellung des Französischen in Luxemburg Von der Prestigesprache zur Verkehrssprache Fernand Fehlen Abstract The sociolinguistic status of the French language in the Grand-duchy of Luxembourg has changed over the past two centuries. This former language of prestige spoken only by a small portion of the population in 1839 has now become the lingua franca of Luxembourg’s society and economy. This paper describes how a monolingual German speaking country was first made bilingual by the education act of 1843. Initially imposed by the power-élite, French was accepted as a symbol of national independence and as a shield against the threat of German annexation. It became the language of higher administration and law and in a certain sense it was the virtual national language until the language law of 1984. This law not only declared Luxembourgish as the national language but gave specific functions to the French, German and Luxembourgish languages. Nowadays demographic and economic changes are challenging the historical balance of status between the three languages of the country. The paper emphasises the role of the educational system in creating this balance, especially in defining the superiority of French. It also shows how the reform of language teaching and the strong resistance of French teachers to this reform is part of the renegotiation of the status of the French language in a nowadays multilingual country. Die soziolinguistische Stellung des Französischen hat sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderten in Luxemburg gewandelt. Aus der früheren, 1839 nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung gesprochenen Prestigesprache ist die Lingua Franca der Luxemburger Gesellschaft und Wirtschaft geworden. Dieser Beitrag beschreibt, wie aus einem einsprachigen Land durch das Schulgesetz von 1843 ein zweisprachiges wurde. Die französische Sprache, zunächst von der Machtelite aufgezwungen, wurde im späteren Verlauf der Geschichte als Symbol der politischen Unabhängigkeit und als Schutzschild gegen eine drohende deutsche Annexion akzeptiert. Sie wurde die Sprache der höheren Verwaltung und der Gesetzgebung. In einem gewissen Sinne übernahm sie bis zur Verabschiedung des Sprachengesetzes von 1984 die Funktion einer virtuellen Nationalsprache. Durch dieses Gesetz wurde nicht nur Luxemburgisch zur Nationalsprache erhoben; Französisch, Deutsch und Luxemburgisch bekamen auch unterschiedliche Funktionen zugewiesen. Heute wird auf Grund demografischer und wirtschaftlicher Veränderungen das historisch gewachsene Gleichgewicht zwischen den drei Sprachen in Frage gestellt. Der Beitrag betont die Rolle des Bildungssystem bei diesem Prozess und zeigt, dass sowohl die Reform

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F ERNAND F EHLEN des Sprachenunterrichts als auch der rege Widerstand der Französischlehrer als Teil einer Neuaushandlung der Stellung des Französischen in einem heute mehrsprachigen Lande zu verstehen sind.

Die soziolinguistische Stellung des Französischen im Gefüge der drei offiziellen Sprachen des Großherzogtums hat sich im Laufe seiner zweihundertjährigen Existenz grundlegend gewandelt.1 Von der Prestigesprache der Eliten ist es zur Verkehrssprache all jener, die in Luxemburg leben und arbeiten, geworden. Um diese These zu belegen, sollen einige Etappen aus der sprachpolitischen Geschichte Luxemburgs näher beleuchtet werden, bevor die traditionelle Funktion des Französischen in der Luxemburger Mehrsprachigkeit diskutiert und deren jüngsten Änderungen beschrieben werden. Da diese Entwicklung in den allgemeineren Stellungswandel des Französischen im Gefüge der europäischen Sprachen eingebettet ist (De Swaan 2001; Calvet 1999b), wird dieser Gesamtzusammenhang kurz zu Beginn angerissen.

1. Luxemburg zwischen Romania und Germania 1.1 Vorbemerkung Französisch im Ancien Régime Im 18.  Jahrhundert ist das Französische in ganz Westeuropa Kultur- und Bildungssprache schlechthin, Symbol der Moderne und des Raffinements, außerdem höfische Sprache par excellence. Dies gilt verstärkt in den vielen deutschen Staaten und Kleinstaaten, deren Landesfürsten  – allen voran Friedrich der Große von Preußen – voll Bewunderung nach Versailles blicken. Die mittlere und die höhere Bourgeoisie in den deutschen Landen übernehmen diese höfische Kultur tendenziell, um sich nach oben anzupassen, aber auch weil – und dies gilt besonders für das Bildungsbürgertum  – die Beherrschung des Französischen Zugangsvoraussetzung für verschiedene Positionen wird. »Qu’est-ce qui a rendu le français langue universelle?« (»Was hat das Französische zur Universalsprache gemacht?«) war denn auch das Thema, das 1784 von der preußischen Akademie in eben jener Sprache zum Wettbewerb ausgeschrieben 1 | Da dieser Aufsatz auf einer Vorlesung für Bachelorstudierende aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Fächern basiert, wird weitestgehend auf die Benutzung soziolinguistischer Begriffe verzichtet, anders als in Fehlen (2009: 41–48), wo die Anwendung der Konzepte Diglossie und mediale Diglossie auf Luxemburg diskutiert wird. In Fehlen 2011 steht die hier nur gestreifte, sich an Bourdieu 2005 anlehnende Theorie des Sprachenmarktes und eine empirische Untersuchung der Ablösung des Französischen durch das Englische als Wissenschaftssprache im Mittelpunkt.

D IE S TELLUNG DES F RANZÖSISCHEN IN L UXEMBURG

wurde (Calvet 1999a: 70f). Antoine de Rivarol, ein französischer Schriftsteller, gewann diesen Wettbewerb mit seiner Abhandlung Discours sur l’universalité de la langue française, deren Argumentation, wie wir noch sehen werden, bis heute nachwirkt. Ein Zeugnis der Anziehungskraft des Französischen sind auch die 1.600 Lehnwörter in der deutschen Sprache, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts gezählt wurden (Polenz 1994: 64) und sich teilweise bis heute erhalten haben. Mit den Philosophen der Aufklärung und der Revolution von 1789 wird Französisch auch zur Sprache der Freiheit und der demokratischen Erneuerung, in der manches, was in der Landessprache zensiert wurde, dennoch erscheinen konnte. Zunächst bleibt Französisch Hof- und Diplomatensprache und als solche wird es, aus heutiger Perspektive schwer vorstellbar, die gemeinsame Sprache der Allianz gegen das imperiale Frankreich, das am Anfang des 19.  Jahrhunderts fast ganz Europa überrollt hatte. Nach deren Sieg über Napoleon ist es auch die Sprache des Wiener Kongresses und die Bundesakte, das Gründungsdokument des Deutschen Bundes, ist zweisprachig verfasst. Der Rückgang des Französischen im 20. Jahrhundert wird sich nach dem Verlust von Frankreichs Kolonialreich in den 1950er Jahren beschleunigen, trotz der Einschreibung des Französischen als »Langue de la république« in die Verfassung (1992) oder der Loi Toubon (1994), die z.B. englische Beschilderung und Gebrauchsanweisungen ohne Übersetzung verbietet. Raffinement und Kultiviertheit, die es aus seiner Hochzeit im Ancien Régime bis in die Gegenwart gerettet hat, verkehren sich heute zum Handicap im Wettlauf mit dem Englischen um den Status als Weltverkehrssprache: »Le français a longtemps été conçu comme marqué par le culte de la belle langue, et le seuil de tolérance à l’écart y laisse, en générale, une marge assez étroite pour produire une crainte de la rectification puriste, qui ne favorise pas sa diffusion.« (Hagège 1987: 175)2 Diese von Hagège beschriebene Angst nicht der sprachlichen Norm gerecht zu werden, ist auch in Luxemburg ein bestbekanntes Phänomen.

1.2 Die Genese eines zweisprachigen Staates (1815–1848) Der 1815 nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Reiches entstandene moderne luxemburgische Staat umfasste zunächst zwei Sprachgemeinschaften; die eine – glaubt man zeitgenössischen Zeugen – sprach ein »sehr verdorbenes Teutsch«, die andere »ein blosses ›Patois‹ der französischen [Sprache]«.3 Nach dem Verlust seines französischsprachigen Teils 1839 hatte das Großher2 | Dort, wo die französischen Zitate nicht übersetzt werden, sind sie im laufenden Text zusammengefasst. 3 | Joseph Görres im Rheinischen Merkur v. 17. Oktober 1814, zit. n. Muller u.a. (1987: 66f).

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zogtum nur noch deutschsprachige Einwohner, mit Ausnahme von wenigen französischsprachigen Zuwanderern hauptsächlich aus der kurzen Periode als Luxemburg Teil des Départements des Forêts war (1795–1814). Trotzdem wird die französische Sprache ihre Position als Sprache der Eliten und als Gesetzessprache, letzteres auch dank des Code Napoléon, der bis heute die Grundlage des Luxemburger Rechts darstellt, beibehalten und das Großherzogtum wird das Revolutionsjahr 1848 mit gestärkter Eigenstaatlichkeit und offizieller deutschfranzösischer Zweisprachigkeit überleben. Genauer: 1815 wurde bei der Neuordnung Europas nach dem Sieg über Napoleon vom Wiener Kongress der Deutsche Bund als Nachfolger des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation geschaffen. Eines der 39 Mitglieder war das Großherzogtum, das, genau wie das mittelalterliche Herzogtum, zunächst die Sprachgrenze zwischen Romania und Germania überlappte. Sein Großherzog, Wilhelm I., war gleichzeitig König der Niederlande und versuchte sich den Pflichten, die sich aus der Mitgliedschaft in dem Föderalstaat ergaben, zu entziehen und Luxemburg als 18. Provinz der Niederlande zu regieren.4 Dazu benutzte er auch die Sprachenpolitik, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert in Luxemburg eine große Rolle gespielt hat. Bis 1814 hatte Luxemburg als französisches Département eine Romanisierungspolitik gekannt, die nach dem Wiener Kongress von einer zweigleisigen Politik abgelöst wurde: 1. Wegen der Personalunion mit den Niederlanden unterlag Luxemburg zunächst der Batavisierungspolitik, mit der Wilhelm I. die alten Spanischen Niederlande des 15.  Jahrhunderts wiederaufleben lassen wollte. 2. Gleichzeitig förderte er das Französische, um die Distanz des Großherzogtums zum Deutschen Bund zu vertiefen. Da das Großherzogtum von seinem Souverän als 18. Provinz der Niederlande behandelt wurde, erstaunt es nicht, dass sich dessen Bewohner der Revolution in den Südprovinzen, aus der 1830 das belgische Königsreich hervorgehen sollte, anschlossen. Doch die großen deutschen Staaten wollten dieses kleine, wegen seiner Festung strategisch wichtige Territorium nicht aus dem Staatenbund entlassen, so dass es 1839 im Londoner Vertrag zu einem Kompromiss kam. Der wallonische Teil, dessen Einwohner nach der Meinung der deutschen Diplomaten, »durch Nationalität und Sinnesweise von den übrigen völlig gesondert […] niemals wahre Deutsche« geworden wären (Stengers 1989: 27), blieb dem neuen belgischen Staat als Province du Luxembourg erhalten, während das deutschsprachige Gebiet weiterhin ein Großherzogtum unter der Souveränität 4 | Pauly (2011) ist das rezenteste deutsche Übersichtswerk zur Geschichte Luxemburgs. Daneben kann man auf die zahlreichen Publikationen Gilbert Trauschs verweisen, besonders Trausch (1987, 1994, 1996 u. 2007). Das fünfbändige Werk von Alber Calmes (1939 bis 1957) ist noch immer das Standardwerk für die hier besonders interessierende Periode der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

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des Niederländischen Königs bildete. 18395 kann als das wichtigste Datum der Luxemburger Geschichte angesehen werden, nicht nur weil der Staat seither in seinen augenblicklichen Grenzen besteht, sondern weil erst jene Grenzziehung eine sprachliche Einheit geschaffen hat, die die weitere soziolinguistische und sprachenpolitische Entwicklung entscheidend beeinflussen sollte. Die Germanisierungspolitik, die aus durchsichtigen Gründen während der neunjährigen Revolutionsphase im königstreuen Gebiet um die von der preußischen Garnison gehaltenen Hauptstadt und deren Glacis eingesetzt hatte, wurde nun auf das ganze Territorium des geschrumpften Großherzogtums ausgedehnt: Die Revolution und der klar in Richtung auf einen Anschluss an Belgien gerichtete Volkswille, veranlassen den Monarchen zu einer kulturpolitischen Kehrtwendung von hundertachtzig Grad. [Wilhelm I.] betreibt nunmehr, als Antwort auf das die belgische Revolution tragende Ideengut der Französischen Revolution […] eine rabiate Germanisierungspolitik (Hoffmann 1987: 94f.).

Diese ging mit der Einsetzung von fremden, will sagen aus anderen deutschen Staaten kommenden Beamten einher und bewirkte den Unmut der lokalen Notabeln. Als Reaktion auf die Proteste, aber auch um die Trennung mit dem neuen frankophonen belgischen Königreich zu akzentuieren, ist die Verwaltung seit dem Königlichen Bescheid vom 4. Juni 1830 angehalten, neben dem Französischen das Deutsche gleichberechtigt zu gebrauchen; doch die Notabeln und die hohen Verwaltungsbeamten blieben ihren alten Gebräuchen treu. Das was oberflächlich durch »intellektuelle Faulheit oder Kastendenken (esprit de caste)« (Calmes 1947: 277) motiviert scheint, ist jedoch Ausdruck realer Machtpolitik.6 Aus dieser wechselhaften Zeit stammen auch die ersten Beschreibungen der Sprachensituation im Restgroßherzogtum: In einem an den König gerichteten Memorandum (Mémoire au roi du 8 mai 1839, zit.n. Calmes 1947: 280) schreibt Pierre Joseph Leurs, dass in allen Kirchen auf Deutsch gepredigt wird. Mit Ausnahme der Hauptstadt werden die Zivilstandsregister auf Deutsch geführt. In der armen ländlichen Gesellschaft ist der Analphabetismus weit verbreitet. 95  % der Bevölkerung verstehen nur Deutsch. Gesprochen haben werden die meisten wohl nur ihre Mundart, die sie, wie schon in früheren Jahrhunderten, als »Luxemburger Deutsch« bezeichneten. Die Bourgeoisie spricht 5 | Genauer, der 19. April 1839, auf den der Londoner Vertrag datiert ist, der diese Lösung festschreibt und die Grenzziehung festlegt. 6 | Dies sieht auch Calmes, wenn er schreibt »En défendant le français, le Journal [das Presseorgan der Notabeln] défendait le piédestal sur lequel s’étaient juchés les notables pour dominer, administrer et juger le peuple.« (Calmes 1939: 258).

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Französisch und Hochdeutsch, nur eine Handvoll Notabeln, die nach 1795 ins Land gekommen sind, sind des Deutschen nicht mächtig. Die in französischer Sprache geführten Grundbücher und Notariatsakte sind Ursache vieler Manipulationen und Betrügereien. Eine weitere Untersuchung über den Sprachgebrauch in der Kommunalverwaltung (Calmes 1947: 281) macht deutlich, dass das Französische Voraussetzung zum Zugang der unteren Verwaltungsposten der Gemeindesekretäre und -einnehmer ist, während nur eine kleine Minderheit der Ratsmitglieder dieser Sprache mächtig ist. Betrachtet man die kommunale Hierarchie aufsteigend vom Gemeinderatsmitglied, über den Schöffen zum Bürgermeister, so nimmt die Fähigkeit Französisch zu sprechen und zu schreiben zu. Heinrich Stammer, seit 1817 Deutschlehrer am Athenäum in Luxemburg (Conter 2011), beschreibt im Jahre 1842 das »neugestaltete Grossherzogthum« – gemeint ist das nach dem Verlust des wallonischen Teiles verbleibende heutige Rumpfgrossherzogtum – als Teil eines über die deutsche Sprache definierten Deutschlands. Folglich erscheint ihm das Französische als widernatürlicher Fremdkörper: Zwar wird auch im Lande von den Gebildeten und Unterrichteten [mit letzteren sind Absolventen der Grundschule gemeint, während die Gebildeten eine weiterführende Schule besucht haben] und von den Einwohnern, die sich zu ihnen zählen, französisch gesprochen und geschrieben, wenn der Gegenstand die Politik, die Wissenschaft u. Anderes die Kunst betrifft, wofür das lützelburger Deutsch keine Worte hat; jedoch bemerkt man, daß sie sich ihrer Mundart bedienen, sobald die Unterhaltung das häusliche Leben, die sinnlichen Lebensbedürfnisse, die gemüthlichen Zustände und dergleichen berührt, und daß sie selbst in der feurigsten französischen Unterhaltung nicht selten in die lützelburger Mundart verfallen, wann ein Gedanke oder eine Empfindung durch etwas jener Art veranlasst wird, und die Mittheilung von Herzen geht, wodurch denn die angeborene, unbewußte Neigung zur deutschen Natur, im Gegensatz zum angelernten fremden sich verräth (Stammer 1842: 1f.).

Im Oktober 1840 dankte Wilhelm I. ab. Ihm folgte sein Sohn Wilhelm II., der dem Großherzogtum eine größere Unabhängigkeit gewährte und endlich der in Artikel 13 der Bundesakte von 1815 festgeschriebenen Verpflichtung nachkam und 1841 Luxemburg eine Ständeverfassung gab. Diese beinhaltet nicht viel mehr als die Einsetzung einer Ständeversammlung und die Definition ihrer Funktionsweise, doch von nun an sollen die öffentlichen Ämter den Luxemburger Staatsbürgern vorbehalten werden (Artikel 41.6). Da Luxemburg ab jetzt nicht mehr als Anhängsel der Niederlande regiert werden soll, muss im Laufe der 1840er Jahre der gesetzliche Rahmen für ein neues Staatswesen geschaffen werden und man kann von einer realen Eigenstaatlichkeit sprechen, die sich nun unter französischen Vorzeichen weiterentwickeln wird. Mit

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dieser Sprache sichern sich die Notabeln ihre Vormachtstellung im lokalen Staatsapparat, sie wird auch zum Ausdruck einer Luxemburger Sonderstellung innerhalb des Deutschen Bundes und paradoxerweise symbolisiert sie auch die Bindung mit dem niederländischen Hof, da der Schriftverkehr weiterhin in dieser Sprache geführt wird. Wilhelm II. wird die erste Sitzung der Ständeversammlung in französischer Sprache eröffnen, zum Missmut des Festungskommandanten, der darüber Bericht nach Frankfurt erstattet, da er hierin einen antideutschen, die Position der Bundesgarnison untergrabenden Angriff sah (Calmes 1954: 180f.). Die Mitglieder der Ständeversammlung, von denen 30 in französischer und drei in deutscher Sprache ihren Eid geschworen hatten, sind sich der Brisanz der Sprachenproblematik bewusst und werden sich hüten, Öl aufs Feuer zu gießen. Die Verabschiedung des Schulgesetzes 1843 wird allerdings die Gelegenheit bieten, die Position des Französischen im Großherzogtum zu stärken. Die Primärschule soll von Anfang an zweisprachig Deutsch-Französisch sein. Angesichts des desolaten Zustandes des während der neun Revolutionsjahre total desorganisierten Schulwesens erscheint aus heutiger Sicht die geforderte Zweisprachigkeit als rein symbolische, uneingestanden sprachpolitische Maßnahme. »Über das Primärschulwesen wurden die Einwohner des Landes in den neuen Staat eingebunden und zu Luxemburgern ›gemacht‹«, schreibt Voss (2010: 34) und man darf ergänzen, über das zweisprachige Schulwesen wurden sie zu tendenziell zweisprachigen Luxemburgern gemacht, auch wenn die Zweisprachigkeit nur aufgesetzt war und keineswegs eine funktionale Beherrschung beider Sprachen intendiert war (siehe 2.3.1). Albert Calmes interpretiert das Gesetz als soziale, voluntaristische Maßnahme, um den sprachlichen Graben zwischen den Notabeln und der kleinen Zahl von Gebildeten auf der einen Seite und der breiten Masse auf der anderen Seite zu schließen. Doch de facto stellt es eine Festschreibung der bestehenden Machtverhältnisse dar, die der breiten Bevölkerung im armen Grossherzogtum, damals ein Auswanderungsland, mit dem sicher nicht ganz falschen Argument schmackhaft gemacht wurde, dadurch würden die Chancen der Arbeitssuchenden auf dem französischsprachigen Arbeitsmarkt in den Nachbarländern erhöht. Das Gesetz wird eine entscheidende und dauerhafte Auswirkung auf die Entwicklung des Landes und sein nationales Selbstverständnis haben. Deutsche Lehrer wird man auf jeden Fall nicht mehr nach Luxemburg bringen können, wie es Hassenpflug während der kurzen Germanisierungsphase (1839–1840) versucht hatte (Kalmes 1990: 110; Abschnitt 2.3.1 kommt ausführlicher auf die Zweisprachigkeit in der Grundschule zurück).

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1848 wird das Prinzip der deutsch-französischen Zweisprachigkeit im Paragraf 30 der neuen liberalen Verfassung7 eingeschrieben und damit ist der Luxemburger Staat formaljuristisch zweisprachig, bis 1948, wenn diese Bestimmung bei einer Verfassungsänderung außer Kraft gesetzt werden wird. Zusammenfassend kann man mit Calmes sagen, dass der eigentliche Grund für die aussergewöhnliche Stellung des Französischen im öffentlichen Leben und im Bildungswesen ein politischer gewesen ist. Sie ermöglichte es, sich dem preußischen Einfluss zu widersetzen: Il faut bien reconnaître que c’était pour s’opposer à l’emprise de la Prusse, représentée par ses troupes et ses douaniers, que le Luxembourg donnait au français cette position extraordinaire dans la vie publique et aussi […] dans l’enseignement. (Calmes 1954: 205)

1.3 Französisch als Staatssprache und virtuelle Nationalsprache (1848–1948) Das Großherzogtum ist Mitglied des Deutschen Bunds, bis zu dessen Auflösung 1866. Danach wird es 1867 neutral erklärt, verbleibt aber im Zollverein bis zu dessen Ende 1919. Der wirtschaftliche Einfluss Deutschlands nimmt nach der Annektierung von Elsass und Lothringen zu, auch weil dadurch die französischen Eisenbahnen deutsch werden. Die Frankophilie hindert jedoch nicht daran, Geschäfte mit dem »Feind« zu machen, was manchem als Zynismus erscheint: Un notable Luxembourgeois auquel je signalai un jour le danger de cette manière d’agir, me répondit: ›Les affaires sont les affaires.‹ Était-ce cynisme, était-ce indifférence, était-ce découragement? Une réponse analogue fut faite par un industriel luxembourgeois qui travaillait pour l’Allemagne pendant la guerre [1870–1871], à l’observation qu’il se mettait en étrange et flagrante contradiction avec les sentiments francophiles dont il se vantait: ›Moi, objecta-t-il: je serais bien niais d’avoir des scrupules où d’autres n’en auront pas.‹ (Simonis 1919: 35)

Mit der Thronbesteigung von Großherzog Adolf aus dem Hause Nassau-Weilburg im Jahre 1890 erhält das Großherzogtum eine eigene Dynastie, wodurch die Personalunion mit den Niederlanden aufgehoben ist. Im neuen Herrscher und seinem deutschen Hofstaat sehen manche Beobachter den Grund für eine Aufwertung des Hochdeutschen gegenüber dem Französischen, doch dürfte die verstärkte wirtschaftliche Ausrichtung nach Osten und die damit einhergehende Zunahme der Zahl der Deutschen im Großherzogtum vermutlich ausschlag7 | »Der Gebrauch der deutschen und der französischen Sprache steht Jedem frei; es darf derselbe nicht beschränkt werden.« (Mémorial 1848: 395).

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gebender gewesen sein. Diese steigt von 3.497 im Jahre 1875 auf 21.762 im Jahre 1910. Damit stellen die Deutschen am Vorabend des ersten Weltkrieges 6 % der Bevölkerung und sind mehr als doppelt so zahlreich wie die 6.170 Italiener.8 Die damit einhergehende unmerkliche Kräfteverschiebung wird von den Freunden Frankreichs mit Besorgnis beobachtet. In einer 1913 erschienenen Sondernummer der Zeitschrift Les marches de l’Est, die interessante Einblicke in die Luxemburger Gesellschaft und deren Vielsprachigkeit aus einer Pariser Perspektive liefert, schreibt René Lauret (1913: 937) vom »glissement insensible qui inquiète, là-bas, les amis de la France«. 9 Die verstärkte Präsenz der deutschen »Stammesbrüder« wird als Bedrohung der Luxemburger Eigenständigkeit erlebt, umso mehr da sich in deutschen Medien Pangermanisten zu Wort melden, die das Weiterbestehen Luxemburgs nach der Annexion von Elsass und Lothringen im Jahre 1871 als »Schmach für Deutschland« brandmarken (Treitschke 1994: 607). Die Gleichsetzung von Volk und Sprache, die den deutsch-nationalen Diskurs seit Beginn des 19. Jahrhunderts prägt, muss als Legitimation für ihre Annexionsgelüste herhalten und führt gar in den 1920er Jahren mit der Westforschung zur Konstituierung einer neuen, interdisziplinären Wissenschaft, die die Rückeroberung der westlichen Marken legitimieren soll (Thomas 2011). Gegen diesen pangermanistischen Diskurs betont man in Luxemburg die Präsenz des Französischen und überhöht dessen Bedeutung in der Luxemburger Geschichte. So Alfred Houdremont (1887), der in einer historischen Studie über die Amtssprachen in Luxemburg gegen die Behauptung antritt, der Gebrauch des Französischen als Amtssprache in der Verwaltung sei erst jüngeren Datums und gewaltsam gegen »unser Nationalgefühl, unsere Traditionen, unsere Abstammung und die Interesse unserer Bevölkerung« eingeführt worden. Gegen die, wegen des Verlusts des wallonischen Teils, faktische Zugehörigkeit Luxemburgs zum deutschsprachigen Raum setzt er ein Bekenntnis zur Zweisprachigkeit, die als »zwingendes Bedürfnis« quasi zur zweiten Natur hochstilisiert wird: »C’est en effet un besoin généralement senti, un besoin impérieux qui nous pousse à parler et à écrire les deux langues. La réalité plus pratique de la vie se charge de le prouver mieux que toute dissertation savante et théorique.« (Houdremont 1887: 4)

8 | Die einzige langfristige Migrationsstatistik basiert auf den Volkszählungen, die in der Regel alle 10 Jahre durchgeführt werden (STATEC 2012). 9 | Siehe auch weitere Beiträge in dieser Nummer, besonders jenen von Joseph Hansen, einem der unermüdlichsten Verteidiger der französischen Kultur in Luxemburg. Eine ähnliche Sichtweise findet man auch bei Poirier 1905, in einem bei einer Tagung zur Verbreitung der französischen Sprache gehaltenen Vortrag, dessen Titel (La décroissance de la langue française) den pessimistischen Grundton kennzeichnet.

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Den Vorwurf der Verwelschung und der damit einhergehenden sogenannten Bastardisierung wenden die Luxemburger Intellektuellen ins Positive und beanspruchen diese als konstitutiven Bestandteil ihrer nationalen Identität. Dieses Argument wird später mit dem Konzept der Mischkultur von Batty Weber (1909) und demjenigen des dualisme linguistique et psychique von Nicolas Ries (1911) weiter ausgebaut werden und über den Kreis der Gebildeten hinaus als Selbstdefinition übernommen werden. Die weitgehende Akzeptanz der symbolischen Funktion des Französischen darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die in der Primärschule erworbenen rein formalen Französischkompetenzen schnell verloren gingen, wenn sie nicht durch einen Auslandsaufenthalt oder weiteres Studium vertieft wurden. Periodisch werden Stimmen laut, die eine Abschaffung oder zumindest eine Reform des zweisprachigen Unterrichts in der Primärschule fordern (Georges 1986), wobei dessen Ineffizienz im Zentrum der Kritik steht: Kind und Lehrer stehen rath- und hilflos vor den beiden Grammatiken, das Programm jedoch ist vorgezeichnet; und so müht sich denn in Gottes Namen der Lehrer so lange mit dem Kinde ab, bis dasselbe betäubt, bewusstlos die Regeln der beiden Sprachlehren und wegen der Sprachenparität in deutscher und französischer Sprache herzusagen weiss. Ich kenne Leute, die auch nicht ein Sterbenswörtchen Französisch verstehen, doch aber im Stande sind, in einem Athem all die gelehrten Definitionen und Regeln in französischer Sprache herunterzuleiern (Gredt 1871: 34f.).

Ein Rundschreiben des General-Director der Gemeinde-Angelegenheiten (heute würde man Innenminister sagen) aus dem Jahre 1869 enthält aufschlussreiche Informationen über die Französischkenntnisse in den Gemeinderäten. Über die pauschale Feststellung hinaus, dass »viele unserer Bürgermeister und die Mehrheit unserer Communal-Verwaltungen nicht einmal die Anfangsgründe der fraglichen Sprache besitzen«, liefert sie eine genaue Statistik: In 10 % der Gemeinderäte gibt es kein einziges Mitglied, das Französisch spricht. 52 % der Gemeinderatsmitglieder haben »nicht die geringste Kenntnis« dieser Sprache. Von unsern zur Zeit dieser Untersuchung in Amt stehenden 1087 Gemeinderathsmitgliedern haben 573 auch nicht die geringste Kenntnis der französischen Sprache; 734 waren nicht befähigt einen französischen Brief zu schreiben, und unter diesen beiden Kategorien befanden sich respective 24 und 46 Bürgermeister. Unter unsern 126 Gemeinderäthen gibt es bloß 11, deren sämmtliche Mitglieder der französischen Sprache mächtig sind, während in 12 Gemeinderäthen nicht ein einziges Mitglied in diesem Falle ist. Unter den übrigen 103 Gemeinderäthen gibt es deren 46, in welchen die Mehrheit der Mitglieder französisch weiß, während die Mehrheit der 57 andern dieser Sprache durchaus unkundig sind (Mémorial 1869: 438).

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Da es sich hier um die lokalen Eliten handelt, darf man davon ausgehen, dass Französisch in der Bevölkerung noch wesentlich weniger verbreitet ist. Das Rundschreiben betont auch, dass Französisch keineswegs die »National-Sprache« ist10 und auch wenn sie »zur Correspondenz der höhern Verwaltung gebraucht« wird, darf sie niemandem aufgezwungen werden, da sie »nicht die Sprache des Volkes« sei. Deshalb werden die Gemeinderäte, im Namen der Sprachwahlfreiheit ermahnt, sich über den internen Sprachgebrauch zu einigen. »Es [würde] der höhern Verwaltung übel anstehen die eine oder die andere der beiden Sprachen auf directe oder indirecte Weise verbindlich machen zu wollen. Der Art. 29 der Verfassung muß eine Wahrheit bleiben. Die Verwaltungsbeamten jeden Ranges kennen beide Sprachen«, deshalb darf man sich beider bedienen (ebd.: 439). Trotz der formalen, verfassungsmässigen Gleichstellung beider Sprachen gibt es ein klares Prestigegefälle, da der höhere Dienst sich des Französischen und der niedere Dienst, etwa Polizeibeamte bei der Protokollierung, des Deutschen bedient. Auch wird bei strittigen Gesetzesauslegungen das Französische den Ausschlag geben. Seine eigentliche Legitimation und dies auch in den Augen derer, die es nur rudimentär beherrschen, bekommt das Französische, weil es im (offiziell) zweisprachigen Luxemburg den Unabhängigkeitswillen verkörpert. Nach aussen ist es ein Bollwerk, gegen die sprachlich begründete grossdeutsche Anschlussdrohung und nach innen ist es ein Gegengewicht zum deutschen Einfluss, das solange unabdingbar ist, wie das Luxemburgische nicht als Sprache anerkannt wird. Diese symbolische Schutzfunktion wird von frankophilen Intellektuellen angesichts des sich abzeichnenden Angriffes NS-Deutschlands hervor gestrichen, so etwa der bekannteste unter ihnen, Marcel Noppeney, der 1933 das Französische zum »anti-deutschen Schutzserum« hochstilisiert: C’est à l’usage de la langue française, même incomplet, même incorrect, que nous avons dû, que nous devons, en grande partie, d’avoir su conserver et maintenir une mentalité particulière, personnelle, une mentalité luxembourgeoise. […] L’emploi, l’usage et le culte du français, sont pour nous un devoir et une obligation, le plus saint des devoirs, l’obligation la plus sacrée. […] C’est grâce à ce ›vaccin‹ anti-germanique SEUL que nous parviendrons à conserver notre caractère particulier, notre originalité foncière, notre indépendance nationale. (Noppeney 1933: 52f.)

Bislang haben wir den wesentlichsten Aspekt der Sprachengeschichte Luxemburgs, die Herausbildung einer eigenen Nationalsprache, ausgeblendet. Dieser Prozess wird durch die Nazibesatzung beschleunigt werden. Nicht das Französische oder die Zweisprachigkeit, wie dies die Intellektuellen wollen, sondern 10 | Diese Aussage macht nur Sinn, wenn es von vielen implizit als solche angesehen wurde.

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das Luxemburgische, wird von den breiten Volksschichten zum Symbol der Unabhängigkeit erkoren. Deshalb und wegen des antideutschen Ressentiments ist die offizielle Zweisprachigkeit der 1848er Verfassung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr tragbar und wird 1948 abgeschafft.

2. Französisch im Gefüge der Luxemburger Dreisprachigkeit 2.1 Das Sprachengesetz von 1984 schreibt die gewachsene Stellung des Französischen fest Obwohl das Luxemburgische im Zweiten Weltkrieg durch die Bevölkerung zum Symbol des Widerstandes und der nationalen Eigenständigkeit erkoren wurde, wird es noch bis 1984 dauern, bis es qua Gesetz zur Nationalsprache erhoben wird. In der Zwischenzeit wird das Französische virtuell diese Funktion weiter übernehmen und Gesetze werden bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr mit deutscher Übersetzung publiziert. Luxemburgs Eliten verstehen das Grossherzogtum nunmehr vollends als frankophones Land. Es wird Mitglied der Vereinigung der Frankophonen Staaten (OIF) und niemandem fällt es ein, Luxemburgisch als Arbeitssprache in den Vorgängerorganisationen der EU einzufordern. Auch wenn sich die Einstellung zum Französischen heute geändert hat, tritt Luxemburg weiter auf dem internationalen Parkett als frankophones Land auf und Französisch bleibt die Sprache der Gesetze sowie der (höheren) Verwaltung. Somit ist es auch heute noch Staatssprache. Doch die traditionelle Frankophilie der Bildungseliten und das stillschweigende Tolerieren des Französischen durch die weniger sprachmächtigen Bürger werden im Laufe der Zeit abnehmen und dies aus zwei Gründen. 1. Sobald das Luxemburgische nicht mehr als dialektale Varietät der deutschen Standardsprache verstanden wird, sondern als eine im Ausbau befindliche Sprache (Kloss 1950), kann es die symbolische Funktion des Französischen als Marker für die Eigenständigkeit gegenüber Deutschland übernehmen. 2. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zur Nazibesatzung, dem Rückgang der deutschen Annexionsbestrebungen gegenüber Luxemburg und der deutsch-französischen Aussöhnung kommt es zu einer Neubestimmung im Verhältnis zu den beiden großen Nachbarn und ihren Sprachen. Durch den nicht zu vernachlässigenden Einfluss der deutschen Fernsehsender, die bevorzugt von den Luxemburgern konsumiert werden,11 nähern sich die politischen und kulturellen Weltsichten 11 | Ab 1955 sendet RTL ein französischsprachiges Fernsehprogramm, 1969 kommt ein luxemburgisches Programm hinzu, das allerdings nur 45 Minuten pro Woche aus -

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dies- und jenseits der Mosel an. Dies wird besonders deutlich in der Haltung zur Atomkraft und dem am Dreiländereck gebauten französischen Kernkraftwerk Cattenom, das als Affront der Pariser Zentralregierung gewertet wird. Doch dieser Wandel wird nur langsam vonstattengehen, wie die ersten soziolinguistischen Studien zeigen. Jean-René Reimen (1965) wird Joshua Fishmans Frage »who speaks what language to whom and when« aufgreifen, um die unterschiedlichen Geltungsdomänen der einzelnen Sprachen zu beschreiben.12 An dieser Stelle seien lediglich hervorgehoben Reimens Schlussfolgerung, dass das Französische hauptsächlich in kulturell und sozial gehobenen Funktionen gebraucht wird, sowie seine Feststellung, dass aus dem Auseinanderklaffen von symbolischer Hochschätzung des Französischen und seiner geringen funktionalen Beherrschung durch die Bevölkerung ein mehr oder weniger stark empfundenes Spannungsverhältnis entsteht: Le français se trouve fréquemment associé avec le haut et de l’échelle des emplois et de l’échelle sociale. Aussi acquiert-il une fonction représentative qui entraine son utilisation au niveau élevé dans les emplois où le choix de la langue est lié au choix du niveau de style. En outre, il a pu relayer ou relaie encore le luxembourgeois comme symbole de l’identité nationale. […] De la disproportion entre les valeurs éminentes dont il est chargé et sa diffusion réduite, il résulte des tensions plus ou moins ressenties (Reimen 1965: 100f.).

In dieser Periode übernimmt das Luxemburgische zusätzliche Funktionen vom Französischen, z.B. in offiziellen Reden, auch wenn es noch von besonders feierlichen Anlässen ausgeschlossen bleibt: »À un niveau stylistique élevé, le luxembourgeois résiste au français dans l’éloquence patriotique.« (Ebd.: 102) Mit der Actioun Lëtzebuergesch wird 1971 ein Verein gegründet, der u.a. dem Luxemburgischen weitere Domänen erschließen will, wobei seine Aufmerksamkeit hauptsächlich der privaten Schriftlichkeit gilt. Während Luxemburgisch bei alltäglichen Gebrauchstexten in Konkurrenz zum Deutschen tritt, verdrängt es langsam bei privaten Mitteilungen wie z.B. Todes- und Familienanzeigen das Französische. Trotz aller Bemühungen der Sprachschützer wird es noch bis 1984 dauern, bis das 1948 in der Verfassung angekündigte Sprachengesetz verabschiedet wird (Garcia 2011). Darin wird Luxemburgisch zur Nationalsprache und Frangestrahlt wurde. Ab 1991sendete es täglich eine Stunde. 1984 begann das deutsch sprachige Vollprogramm RTLplus (Hausemer 2006: 372f). Auch wenn heute das luxemburgisch sprachige RTL zwei bis drei Stunden täglich sendet, so schauen die Luxemburger vornehmlich deutschsprachige Sender (Fehlen 2009b: 116–119). 12 | Weitere mehr oder weniger stark empirisch fundierte Studien aus dieser Zeit beschreiben die sich im Wandel befindliche Luxemburger Mehrssprachigkeit: Verdoodt 1968, Doppagne 1971, Hartweg 1976 u. Hoffmann 1978.

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zösisch zur alleinigen Gesetzessprache erklärt,13 ein »Signal dafür, daß Luxemburg auf gar keinen Fall als deutschsprachiges Land angesehen werden möchte« (Kramer 1984: 207), wie ein zeitgenössischer deutscher Beobachter schreibt. Französisch, Deutsch und Luxemburgisch – in dieser Reihenfolge – werden zu Verwaltungs- und Gerichtssprachen des Landes erklärt.14 Es bleibt dem Bürger freigestellt, sich in Amtsgeschäften einer dieser Sprachen zu bedienen, d.h. die Verwaltung soll soweit wie möglich (»dans la mesure du possible«) dreisprachig funktionieren. De facto ist sie aber bis heute im schriftsprachlichen Bereich fast exklusiv zweisprachig (französisch-deutsch) und bevorzugt Luxemburgisch als Sprechsprache.

2.2 Französisch: (K)eine Fremdsprache In den Augen seiner Bildungs- und Machteliten ist Luxemburg ein dreisprachiges Land und dem Französischen kommt als einzige Gesetzessprache und dominierende Verwaltungssprache ein hoher Stellenwert zu. Dies verhindert nicht, dass es von manchen Luxemburgern als Fremdsprache empfunden wird und im Alltag zurückgewiesen wird, wobei diese Haltung oft der verschleierten Form einer in der traditionell offenen und ausländerfreundlichen Luxemburger Öffentlichkeit unsagbaren Ablehnung (französischsprachiger) Ausländer gleichkommt. So etwa in folgender Beschreibung der Luxemburger Mehrsprachigkeit, die ein rechtspopulistischer Politiker in die deutsche Wikipedia eingeschrieben hat: Die meistverbreiteten Fremdsprachen Französisch und Portugiesisch sowie Englisch werden […] im normalen Alltag nur von Ausländern (es existiert ein hoher Ausländeranteil) oder der unterstützenden Regierung gebraucht, da sich das französischsprachige Luxemburg bereits 1839 Belgien anschloss. (Wikipedia 2012) 15

13 | Siehe Fehlen 2008, wo die wenigen weiteren Sprachbestimmungen in anderen Gesetzen besprochen werden. 14 | Das Gesetz, von dem keine offizielle deutsche Übersetzung existiert, spricht von Langues administratives et judiciaires (Verwaltungs- und Gerichtssprachen), die es von der Langue de la législation (Gesetzessprache) unterscheidet. 15 | Der Abschnitt wurde am 4. Juni 2011 eingefügt, ursprünglich mit der Formulierung »Weltrekord-hohen Ausländeranteil«. In typisch populistischer Manier wird unterstellt, dass die Gesetze zu Gunsten »der Ausländer« sind. In der Formulierung, dass »sich das französischsprachige Luxemburg bereits 1839 Belgien anschloss«, ist jedes Wort falsch. Hat sich doch das französischsprachige und deutschsprachige Großherzogtum mit den anderen Südprovinzen vom Königreich der Niederlande 1830 getrennt. Neun

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Wenn sie mit der Ablehnung des Französischen durch ihre Mitbürger konfrontiert werden, verweisen frankophile Luxemburger gerne auf dessen Einfluss auf die Luxemburger Sprache, insbesondere auf die vielen, oft sehr alten Entlehnungen aus dem Schriftfranzösischen oder aus den Nachbardialekten Wallonisch und Lothringisch.16 Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Abschnitt Lehnund Fremdwörter des Luxemburger Wörterbuchs.17 Nach Sachgebieten gibt es vor allem Entlehnungen in Gruß- und Höflichkeitsformeln (Bonjour, Merci, Pardon), aber auch in Flüchen, Verwünschungen und Beleidigungen (Nondidieu, Kanaljen u.a.). Viele Berufe (z.B. Coiffeur, Modiste, Caissier, Chauffeur, Monteur, Notaire, Avoué) tragen französische Namen. Manchmal bestehen zwei Bezeichnungen: facteur tritt neben Bréifdréier, dentiste neben Zänndokter, Chemin-deferriste neben Eisebunner. […] Besonders zahlreich sind die Bezeichnungen in Mode und Bekleidung (brodéieren, appretéieren, Brosch, Plott; Paltong, Jhili, Getten); im Hausbau (Plafang), in Mobiliar und Haushaltsausstattung (Buffet, Fotell, Forchette). Die Küche liefert Biwelemout, Jhelli, Purée. In der Gärtnersprache finden wir Choufleur, Kabes, Kornischong, Rénglotten und Piijhen; und Blumennamen wie Aarmenäer und Vioulen u.a. (Lilas und Pensée haben ihre französische Form behalten). […] Bei französischen Verben wird -er zu -éieren, Dingwörter ändern -tion zu -tioun, -ment zu -ment ohne Nasalierung des Vokals. In häufigen Entsprechungen wird auch französisch -el(le) oder -eille zu unbetontem -el (z.B. Rondel, Kordel, Kurbel). Französisches -on (oft auch -ot) wird -ong (Prisong, Paltong), die Aussprache von anlautendem s in romanischem Lehngut ist z (Zalot, Zaldot, Zerwis, Ziniklos). Anlautender Nasallaut (in-, en-, em- usw.) wird oft zu an-, am-, ohne Nasalierung des Vokals (Antressi, Ambra, Amplejéiert). Die Endung -ier ist vom Sprechenden als Deminutivendung (chen) aufgefaßt (Klautchen, Bijhutchen, Kärtchen, Gischtchen, Zalättchen) (LWB 1950: XXXVIf.).

Der Rückgriff auf französische Lehnwörter oder gar deren Erfindung eröffnet der luxemburgisch geschriebenen Literatur vielfältige stilistische Möglichkeiten, die von Autoren wie Guy Rewenig erfolgreich genutzt werden, z.B. in seinen Kinderbüchern Schallümmo (1993) und Muschkilusch (1980), in dem auch die ambivalente Haltung der Hauptfigur, der kleinen Kätt – Catherine, wenn es nicht artig ist – zum Französischen thematisiert wird. Auch in der Alltagsrede wird die gesellschaftliche Positionierung über den Rückgriff auf französische Lehnwörter oder gar ganze Redewendungen ausgedrückt, während ein regel-

Jahre später wurde dann der Großteil des deutschsprachigen Gebietes dem KönigGroßherzog zurückgegeben (siehe Abschn. 1.2). 16 | Die erste systematische Zusammenstellung liefert Tockert 1910, die jüngste Bender-Berland u.a. 2003–2009. 17 | Das Wörterbuch ist online zugänglich: http://infolux.uni.lu/worterbucher.

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rechtes Code-Switching, also ein Überwechseln ins Französische, durch einen besonderer Anlass, z.B. die Präsenz eines Gastes, legitimiert werden muss. [Man] darf davon ausgehen, dass die Präferenz für französische Entlehnungen sowie deren französisierende Intonation einen sozialen Marker darstellt. Wer Lycée Technique als Lycée Teschnik ausspricht, wird als ungebildet stigmatisiert. In gehobenen Kreisen findet man oft französische Vornamen – wie Julie, Marie, Antoine –, die nicht, wie das gemeinhin geschieht, mit einer luxemburgischen Intonation ausgesprochen werden. Dies gilt auch z.B. für den Komponisten Mozart, der im gehobenen Luxemburgisch mit der Betonung auf der zweiten Silbe und langgezogenem A auf beaux-arts reimt. […] Die richtige Beherrschung solch feiner Unterschiede bedeutet für bildungsferne Milieus eine Gratwanderung zwischen Distinktion und Lächerlichkeit. Eine falsche Entlehnungsstrategie wirkt affektiert und lächerlich, wie bei der Figur der Joffer Marie-Madelaine, in Josy Imdahl’s gleichnamiger Operette [aus dem Jahre 1916], die aus ihrer Dienstbotenzeit in Paris nicht nur neumodische Ideen sondern auch eine französisierende Sprechweise mitgebracht hat, deren Verulkung ein verbreiteter Topos des heimischen Mundarttheaters ist (Fehlen 2012a: 43).

Heute kann man feststellen, dass die Präsenz von französischen Lehnwörtern im Allgemeinen abnimmt. Sogar Wörter, die sich dem Luxemburger Sprachgefüge angepasst haben, werden verdrängt, z.B. »Schantjen« (franz.: »chantier«) durch »Baustell«. Die traditionelle Grußformel »Bonjour« wird zunehmend durch »Moien« (dtsch.: »Guten Morgen«) ersetzt und auch von des Luxemburgischen nicht mächtigen Ausländern benutzt, die mit diesem Gruß ihre Sensibilität für die Sprachensituation zum Ausdruck bringen wollen. In Leserbriefen (Gilles u.a. 2010) und in einem noch stärkeren Maße auf Internetforen findet sich eine offensive Ablehnung gegenüber dem Französischen sowie Aufrufe, dieses beim Einkaufen zu boykottieren. Wagner (2011: 45) fand 10 FacebookGruppen, »whose title of group description have a nationalistic ring to them, with often a xenophobic aftertaste«. Die größte »Letzebuergesch as keen Franséisch!« hatte zeitweise 3.977 Mitglieder. Zwei Aspekte des rechtsgerichteten Populismus, Ablehnung der Ausländer sowie der Bildungseliten, lassen sich in der Ablehnung der französischen Sprache trefflich vereinigen. Bevor wir versuchen, in Abschnitt 2.2.2 eine alltagssprachliche, politiktaugliche Entgegnung der falschen, die gesamte sprachhistorische Entwicklung des Großherzogtums negierenden Stigmatisierung des Französischen als Fremdsprache in Luxemburg zu liefern, wollen wir kurz das in der Soziolinguistik verwendete Begriffspaar Exoglossie/Endoglossie einführen und dessen Beitrag für die Erhellung der Luxemburger Mehrsprachigkeit diskutieren.18 18 | Der folgende etwas technische Absatz kann übersprungen werden und die Lektüre mit Abschnitt 2.2.2 ohne Verständnisschwierigkeiten wiederaufgenommen werden.

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2.2.1 Exoglossie/Endoglossie Unter Exoglossie versteht Kramer (1984: 207) die »Verwendung einer Sprache als Kommunikationsmittel (meist mit Prestige-Anspruch), die keine einheimische Basis hat und auch mit keinem einheimischen Idiom verwandt ist, [eine Situation,] die in Europa selten ist, in der dritten Welt aber eher die Regel als die Ausnahme darstellt«. Nach dieser Definition ist Französisch exoglottisch, also fremd, da es »nirgends im heutigen Luxemburg einheimische Muttersprache« ist. Dabei übersieht Kramer, dass auch schon 1984 etliche Luxemburger bilingual aufwuchsen oder gar Französisch als Muttersprache hatten.19 Aus heutiger soziolinguistischer Perspektive kann die Definition vom dem, was fremd oder heimisch  – also exo- oder endoglossisch  – ist, nicht von rein sprachimmanenten Kriterien abhängen. Für Auer (2011: 489) ist dies weitgehend eine Frage der Einstellung oder der Sprachideologie. Mit dieser Definition kommt er zum Schluss, dass die Stellung der deutschen Standardsprache in Luxemburg, obschon deren linguistische Distanz zur einheimischen Sprache klein ist, als exoglossisch angesehen werden muss. Whether a standard variety is endoglossic or exoglossic is largely an attitudinal (and ideological), not a structural [will sagen rein linguistische] question. While it may be difficult to define a completely unrelated language as the endogenous standard of a certain group of vernacular varieties (even under conditions of heavy borrowing from the exoglossic standard into the vernaculars, i.e. some kind of structural convergence), there are many cases in which the structural distance between the vernaculars and the standard is small but the latter is still considered to be exoglossic. Just take German as an exoglossic standard in Luxembourg (Auer 2011: 489).

Auer erwähnt das Französische nicht, doch könnte man seine Argumentation weiterführen: Wenn schon das Deutsche exoglossisch ist, so muss es das Französische umso mehr sein, da es weiter vom Luxemburgischen entfernt ist  – trotz der oben angeführten von frankophilen Intellektuellen viel beschworenen Durchdringung des Luxemburgischen durch das Französische  – und stärker von der öffentlichen Meinung abgelehnt wird. Wenn man mit Auer neben rein sprachimmanenten Kriterien Einstellungsaspekte berücksichtigen will, so stellt sich die Frage nach deren Messbarkeit. Die in der Öffentlichkeit mehr oder weniger lautstark geäußerte Ablehnung des Französischen kann durch das schlechte Abschneiden der einzigen Luxembur19 | Nach Fehlen (2009b: 91f) haben 9 % der Luxemburger eine andere Muttersprache als Luxemburgisch, an erster Stelle der »fremden« Muttersprachen kommt Französisch mit 4 %. Darüber hinaus geben 20 % der Luxemburger an, mehr als eine Sprache vor ihrem vierten Lebensjahr gesprochen zu haben.

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ger populistischen Partei bei der Parlamentswahl 2009 (Fehlen 2009a) sowie durch eine Umfrage zu den Sprachattitüden relativiert werden.20 Abb. 1: Einstellung der Luxemburger zum Französischen nach Altersgruppen (N=1.044)









 4  5 4  5 4 5 4 5 4 5 2(6

)7(6

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9):(6

Quelle: Baleine 200421

In dieser sollten die Befragten die vier häufigsten Sprachen nach verschiedenen Kriterien (Fremdheit, Schönheit, Kultiviertheit, Nützlichkeit; und Modernität) bewerten. Die Luxemburgerinnen und Luxemburger unter ihnen bewerteten auf einer Skala von vertraut (=1) bis fremd (=10) Deutsch (2,0) und Französisch (2,1) praktisch gleich, während Luxemburgisch (1,3) erwartungsgemäß die vertrauteste und Englisch (3,9) die fremdeste Sprache war. Sieht man von der jüngsten Alterskategorie ab (2,5 für Französisch bei den 18 bis 24 jährigen), so bleibt die Note praktisch konstant für alle Altersstufen, ein Hinweis darauf, dass die Familiarität mit dem Französischen heute weniger über die Schule, sondern mehr durch das Berufsleben vermittelt wird. Je höher der Bildungsabschluss desto näher fühlt man sich dem Französischen (Primärschulabschluss 2,7; universitärer Abschluss 1,9) und im Süden (1,9) ist man vertrauter mit ihm als im Norden des Landes (2,5). Auf einer Skala von schön (-1) bis hässlich (-10) bekommen die vier Sprachen folgende Bewertungen: Französisch wurde als die 20 | Der nächste Abschnitt greift auf das Kapitel zu den Sprachattitüden der BaleineBis-Studie (Fehlen 2009b: 186–200) zurück, präsentiert aber auch bislang unveröffentlichte Ergebnisse. Die Studie basiert auf 1.044 Interviews aus dem Jahre 2004. 21 | Bislang unveröffentlichte Auswertung auf Basis einer Umfrage aus dem Jahre 2004, methodologische Einzelheiten finden sich in Fehlen 2009b: 75 u. 187.

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schönste Sprache (2,1) angesehen, gefolgt von Luxemburgisch (2,5) und Englisch (2,8). Deutsch schnitt am schlechtesten ab (4,0). Erstaunlicherweise ändert die Note für Französisch nicht mit der Schulbildung, fällt aber praktisch linear mit dem Alter (von 2,8 bei den 18–24-jährigen auf 1,5 bei den 65–70-jährigen), d.h. Ältere finden die französisch Sprache schöner. Kramer hatte die Exoglossie über sprachimmanenten Argumente definiert und Auer hatte Sprachattitüden als zusätzliches Kriterium hinzugezogen; wir wollen noch einen Schritt weiter gehen und den Primat der Sprachpraxis postulieren. Angesichts der schwer messbaren Sprachattitüden und da sprachimmanenten Parameter bei näherer Betrachtung auch stark von sprachideologischen Einstellungen geprägt sind – frühe französische Entlehnungen erscheinen den einen als Beweis für die Nähe zwischen den Sprachen von Molière und Dicks, den anderen sind sie nur Verwelschung einer germanischen Sprache –, scheint es sinnvoller sich auf den objektiv feststellbaren Sprachgebrauch zu konzentrieren.

2.2.2 Französisch als Zweitsprache Von einem soziolinguistischen, die Sprachpraktiken ins Zentrum stellenden Standpunkt aus gesehen, können sowohl Deutsch als Französisch nicht als Fremdsprachen bezeichnet werden, da sie innerhalb der Luxemburger Sprachgemeinschaft spezifische Funktionen übernehmen: das Deutsche in der Schriftsprachlichkeit, das Französische als einzige Rechtssprache und als schulische Auslesesprache, wie wir im Abschnitt 2.3.2 sehen werden. Dies wird mit dem Begriff der drei Landessprachen (»les trois langues du pays«), worunter Deutsch, Französisch und Luxemburgisch zu verstehen sind, resümiert. Vielen Luxemburgern mutet diese Formulierung seltsam an, da sie die symbolische Vorrangstellung des Luxemburgischen als Nationalsprache und seine Stellung als Muttersprache der Mehrheit der Luxemburger ignoriert bzw. implizit negiert. Um dieses Statusgefälle zum Ausdruck zu bringen, hat Reisdoerfer (2008) für Französisch den Begriff »langue seconde« vorgeschlagen, ein Begriff der nicht ganz deckungsgleich mit seiner deutschen Übersetzung Zweitsprache ist. Laut Duden ist dies die »Sprache, die ein Mensch zusätzlich zur Muttersprache, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, erlernt, weil er sie zur Teilnahme am sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Leben benötigt« (Hervorh. d. Verf.). Der Begriff unterscheidet sich von dem der Fremdsprache, worunter eine Sprache verstanden werden soll, die durch gezieltes Lernen in der Schule als Teil der gymnasialen Formalbildung oder autodidaktisch erworben wird und im Alltag in der Regel nicht gebraucht wird.

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F ERNAND F EHLEN Spielt die neue Sprache bei der Erlangung, Aufrechterhaltung oder Veränderung der Identität der Lernenden eine wichtige Rolle und ist sie unmittelbar kommunikativ relevant, dann bezeichnet man sie als ›Zweitsprache‹ ansonsten eher als ›Fremdsprache‹. (Rösler 1994, zit.n. Kniffka 2007: 16)

Diese Unterscheidung wird in der deutschen Sprachendidaktik hauptsächlich auf die Lernsituation der Migranten angewendet. Im Französischen ist der Begriff der »langue seconde« gängiger, da er hier hauptsächlich die Situation in Ländern bezeichnet, in denen Französisch Amtssprache ist, ohne die Muttersprache der Mehrheit der Einwohner zu sein. Da Französisch und Deutsch in Luxemburg alltagsrelevant sind und darüber hinaus eine identitätsstiftende Funktion übernehmen – und sei es nur eine negative – können sie als Zweitsprachen oder langues secondes bezeichnet werden. Besonders für Französisch ist diese Bezeichnung hilfreich, da sie im frankophonen Kontext gängiger ist und eine Situation konnotiert, die der Luxemburger nahekommt, inklusiv dem negativen Aspekt der kolonialen Abhängigkeit (Calvet 1974). Reisdoerfer (2008: 107) hat eine Formulierung geliefert, die mit der Nuance zwischen étranger (fremd) und étrange (seltsam) spielt, um das Gefühl vieler Luxemburger gegenüber dieser Sprache zum Ausdruck zu bringen: Weil sie sie regelmässig gebrauchen, ist sie ihnen nicht fremd, kommt ihn aber merkwürdig und sonderbar vor: »Tout en n’étant pas étrangère, [le français] reste une langue étrange.«

2.3 Französisch als Kultur- und Elitesprache Das Bildungssystem trägt in der modernen Gesellschaft dazu bei, die bestehende Sozialstruktur zu reproduzieren und dies auf dreifache Weise: 1. rein statistisch gesehen werden Kinder aus »besseren« Milieus die »besseren« Schulabschlüsse machen. Kinder aus kulturfernen Elternhäusern werden tendenziell benachteiligt und in weniger angesehene Schularten relegiert. 2. Alle werden in der Regel überzeugt sein, dass ihr Abschneiden Ergebnis ihrer eigenen Fähigkeit und Leistungen ist und das Verdikt der Schule annehmen. Während sie den Schein der Auslese auf Grund angeblich objektiver Leistungskriterien aufbaut, reproduziert die Schule in Wirklichkeit die bestehenden Eigentumsstrukturen und Machtgefälle (Bourdieu/Passeron 1971).22 3. Durch Curriculum und Sanktionen trägt sie zur Hierarchisierung zwischen Hoch- und Massenkultur, zur Kanonbildung in Literatur und Kunst und vor allem zur Definition einer 22 | Für eine erste Einführung in Bourdieus Theorie der Reproduktion: Fuchs-Heinritz/ König 2005: 31–44. Feldmann (2005: 239–274) liefert eine knappe Einführung in die Bildungssoziologie und konfrontiert Bourdieus Konflikt-Ansatz mit einem funk tionalistischen Ansatz.

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normierten Standardsprache bei. Diese drei Funktionen sind eng miteinander verbunden, bedingen sich gegenseitig und bleiben doch in der Regel den Beteiligten verborgen: Da das System nicht explizit liefert, was es verlangt, verlangt es implizit, dass seine Schüler bereits beherrschen, was es nicht liefert: eine Sprache und Kultur, die außerhalb der Schule durch unmerkliche Familiarisierung gleichzeitig mit der entscheidenden Einstellung zur Sprache und Kultur ausschließlich auf diese Weise erworben werden kann (Bourdieu/Passeron 1971: 126).

Die Beherrschung der Sprache, die von der Schule implizit erwartet wird, wird so zur Ressource, da sie den Zugang zu hohen gesellschaftlichen Positionen und gut bezahlten und angesehenen Berufen ermöglicht. Sie stellt somit ein regelrechtes Kapital dar. Diese hier nur kurz angerissene Theorie des sprachlichen Kapitals (Bourdieu 2005) gilt auch für Luxemburg, nur müssen hier die drei Landessprachen und weitere Fremdsprachen beherrscht werden. Somit gibt es in Luxemburg, anders etwa als in Frankreich, keine legitime Sprache sondern eine legitime mehrsprachige Kompetenz, der eine zentrale Platzzuweisungsfunktion in der gesellschaftliche Reproduktion zukommt (Fehlen 2009b: 47–49). Der Wert des sprachlichen Kapital ist nicht ein für allemal gegeben. Er entsteht aus einem historischen Kontext heraus, wie wir in Abschnitt 1.2 gesehen haben, und unterliegt einer permanenten Neuaushandlung, die nicht nur das Prestigegefälle zwischen den einzelnen Sprachen und deren domänenspezifischen Gebrauch, sondern darüber hinaus die Sprache selber modifiziert. Dem geringen Normbewusstsein im Luxemburgischen steht  – spiegelbildlich verkehrt  – die Fixierung auf Fehlerfreiheit im Französischen gegenüber. Davon zeugen ein 190-seitiges Buch von Marcel Noppeney (1959) als Plädoyer für den Purismus und gegen die Luxemburgismen in Morphologie und Syntax verfasst sowie beliebte Anekdoten etwa die Aussage des französischen Botschafters, die Luxemburger seien »des ayatollahs du subjonctif« (zit. n. Kraemer 2000). Da mittlerweile in den frankophonen Staaten eine größere Toleranz für nationale Unterschiede eingekehrt ist, finden sich einige landestypische Wortschöpfungen im Referenzwörterbuch Robert wieder. Die Initiative zu dieser Anerkennung geht allerdings nicht von Luxemburg aus und folgendes Zitat mit einigen Beispielen stammt von einem belgischen Sprachwissenschaftler, der die Luxemburgismen im Gefolge der Belgizismen untersucht: Un Parisien risque de se demander ce que recouvrent exactement l’assermentation des nouveaux avocats, les déplacements des navetteurs ou le maréchalat de la Cour. Et le Belge habitué à son minimex ne fera sans doute pas le lien entre le R.M.G. (revenu minimum garanti) luxembourgeois et le R.M.I. français. Par contre, le même Belge asso-

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F ERNAND F EHLEN ciera facilement les tous-ménages déposés gratuitement dans les boîtes aux lettres du Luxembourg aux toutes-boîtes qui font déborder les boîtes aux lettres belges (Francard 2012: 4).

Wie der Wert des sprachlichen Kapitals in Luxemburg durch das Bildungssystem definiert und vermittelt wird, soll in den nächsten zwei Abschnitten gezeigt werden. In 2.3.1 wird der historische Prozesses, durch den die keineswegs selbstverständliche Inklusion des Französischen in das sprachliche Repertoire des 1839 »deutschsprachig« gewordenen Luxemburgs zustande kam, schlaglichtartig beleuchtet; in 2.3.2 wird gezeigt, wie im Gymnasium eine Sprachenhierarchie geschaffen wird.

2.3.1 Französisch als Landessprache Wie wir in Abschnitt 1.2 gesehen haben, wurde die Zweisprachigkeit der Grundschule 1843 zunächst aus machtpolitischen Gründen, gegen den mehr oder weniger grossen Widerstand von Lehrer- und Elternschaft eingeführt. In einer ersten offiziellen Bilanz aus dem Jahre 1850 ist die Rede davon, dass in einigen Gemeinden im Norden und entlang der Mosel die Eltern den Französisch-Unterricht boykottiert haben (Georges 1986: 79). Immer wieder wurde seine Abschaffung gefordert und dies besonders bei der Diskussion der Schulreform in den 1870er Jahren. Auch wurden sporadisch Stimmen laut gegen die Fransquillon – ein flämisches Schimpfwort, das die französisch sprechende Bourgeoisie bezeichnet –, etwa im Vaterland, dem 1869 bis 1870 erscheinenden »Wochenblatt für Luxemburgische national-Literatur«. Doch anders als in Belgien kam es nicht zu einem offenen Sprachenkonflikt, da das Französische im Laufe der Zeit von der breiten Bevölkerung in seiner Abgrenzungsfunktion gegen den deutschen, sprachlich motivierten Annexionismus akzeptiert wurde und die Luxemburger Eliten Luxemburgisch als Umgangssprache und dies nicht nur im Alltag sondern auch bei öffentlichen Anlässen (z.B. »auf einem parlamentarischen Diner beim Premier« Weber 1909: 121) gebraucht haben. Die ethnokulturelle Argumentation, die Luxemburger seien ein deutscher Stamm, der nicht verwelscht werden dürfe, die noch 1848 sehr präsent war, wird langsam durch andere abgelöst, lebt aber bis in die 1930er Jahren weiter. Die Kirche sieht in der französischen Sprache ein »Vehikel unerwünschter Lebensart und als anstößig empfundener Ideen und Gedankensysteme«, das es einzudämmen galt (Georges 1986: 172). »Den Sozialisten geht es um das Zurückdrängen des Einflusses der Privilegierten und um die Ausschaltung eines Instrumentes, das die Bevorrechtigten, in der Sicht Welters und seiner Freunde, während Jahrzehnten zur Abstützung ihrer Macht eingesetzt hatten« (ebd.).

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Allmählich wird die Frage nach der richtigen Unterrichtsmethode die Überhand gewinnen und verläuft bis heute entlang derselben Trennlinie. Reformer wollen mit einer weniger verschulten, mehr auf Kommunikation ausgerichteten Methode, ursprünglich praktischer Unterricht (enseignement pratique) genannt, das Lern-Ergebnis verbessern, während ihre Widersacher auf Grammatik- und Vokabellernen pochen. So schrieb eine Lehrerzeitung 1876: Bei Anwendung der [praktischen] Methode ergeben sich die Sprachregeln aus der Sprache selbst, während bei der grammatischen Lehrweise der Sprachstoff nur der Grammatik zulieb ausgewählt wird und die Schüler zwar die Sprachregeln, aber nicht die Sprache selbst kennen lernen. (Der Luxemburger Schulbote, 1876, zit.n. Georges 1986: 147)

Georges (ebd.: 197), die die Auseinandersetzung um den Französischunterricht von 1843 bis 1912 untersucht hat, kommt zum Schluss, dass »kurz vor dem 1. Weltkrieg […] in Luxemburg der obligatorische Französisch-Unterricht in den Primarschulen von keiner politischen Gruppierung mehr ernsthaft in Frage gestellt« wurde. Da der Besuch der Grundschule verpflichtend ist, ist das Ziel erreicht, Luxemburg zum zweisprachigen Land zu machen. In der Pflichtschule ist Französisch obligatorisch präsent, ohne dass seine reale kommunikative Beherrschung im Vordergrund steht. Die formale schriftliche Beherrschung, die hier angelegt wird, wird in den ersten Jahren des Gymnasiums gefestigt werden, während die funktionale Sprechkompetenz traditionellerweise im universitären Auslandstudium erworben wurde. Als karikaturistischer Beleg dafür, dass es in der Primärschule nicht um das Können des Französischen, sondern um sein Kennen und Anerkennen als Landesprache geht, steht die Haltung des frankophilen Noppeneys, der trotz seines Purismus, fehlerhaftes Französisch einem korrekten Deutsch vorzieht: »Du mauvais français vaut mieux pour nous que le meilleur allemand.« (Noppeney 1959: 40) »N’estimez-vous pas Monsieur, avec moi, mieux vaudrait en Luxembourg, un français fautif qu’un allemand correct?« (Ebd.: 160)

2.3.2 Französisch als Sprachbarriere und Selektionssprache Das traditionelle Schulsystem setzt nicht nur Luxemburgisch, Deutsch und Französisch als die drei Landessprachen durch, es definiert auch eine hierarchische Rangfolge zwischen ihnen.23 Die Grundschule festigt vor allem die Vormachtstellung der beiden Kultursprachen Deutsch und Französisch gegenüber dem Luxemburgischen. Dessen Einführung als Schulfach im Jahre 1912 kann als nur ein sehr zögerlicher Schritt in seinem Ausbauprozess gewertet werden, 23 | Diese Hierarchiebildung wird auch durch die dreisprachige Luxemburger Literatur unterstützt, in der es eine regelrechte sprachliche Arbeitsteilung gibt: Patriotische Texte

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da seine Präsenz mit nur einer Wochenstunde im Laufe der Jahrzehnte marginal geblieben ist und die Einschränkung, es nicht als Schriftsprache mit einer normierten Rechtschreibung zu unterrichten, bis heute nicht aufgehoben wurde. Bis 1940 hatten in der Luxemburger Volksschule die meisten Lehrer, wie es die Vorschriften wollten, mit den Schülern nur hochdeutsch gesprochen. Das gleiche gilt für die bischöflichen Konvikte (Schülerheime), was den sprachlichen Verkehr des Direktors und seiner Koadjutoren mit den Schülern anbelangte. (Hoffmann 1987: 152)

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird sich das ändern, soll aber an dieser Stelle nicht ausgeführt werden, da die Sprachwerdung des Luxemburgischen nicht Thema dieses Beitrags ist. Das Curriculum des Luxemburger Gymnasiums war so strukturiert, dass schulischer Erfolg die Beherrschung eines formalen Schulfranzösisch voraussetzte.24 In den ersten drei Klassen wurden morphologische und syntaktische Feinheiten an Hand der berüchtigten Goedert-Schulgrammatik – sie wurde von 1947 bis1988 immer wieder neuaufgelegt – gelehrt. Die sogenannten Nebenfächer und Latein, die zunächst auf Deutsch unterrichtet wurden, wurden dann nach einem Zwischenexamen, mit dem bezeichnenden (luxemburgischen) Namen »Passage-Examen«, weiter auf Französisch unterrichtet. Nach diesem Initiationsritus bleibt die Sprache Goethes und Schillers in den Deutschunterricht verbannt. Französischkenntnisse werden nicht weiter explizit eingeübt, sondern vorausgesetzt und der Lehrer unternimmt von nun an einen Parforceritt durch die französische Literaturgeschichte vor einer schweigenden Klasse. Erst im Schuljahr 1992/93 wurde eine mündliche Prüfung im Abitur eingeführt, das bis dahin rein schriftlich abgelegt wurde.

werden in der Nationalsprache geschrieben. Texte, die eine Verbindung zur Lebenswelt ihrer Leser haben oder sozialkritisch sind, werden Deutsch oder Luxemburgisch geschrieben, während französischsprachige Werke, die meist von Französischlehrern stammen, sich oft dem Universellen oder der Dichtung zuwenden. »La fonction de la littérature francographe était pendant longtemps l’affirmation de ce supplément d’âme, ce tendre penchant des élites luxembourgeoises pour la douce France supposé apporter l’élégance, le raffinement et la civilisation dans un petit pays [rural et agricole].« Fehlen (2012c im Ersch.) 24 | Die Darstellung des Gymnasiums ist stark vereinfacht und bezieht die Erfahrungen des Autors in den 1960er Jahren mit ein. Die zitierten Beispiele von Hoffmann und Kraemer stammen aus der Periode vor der einschneidenden Dupong-Reform (1968). Nach dieser kannte das Schulsystem eine lange Zeit relativer Stabilität, die 2004 zu Ende ging.

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Ganz im Sinne Rivarols wird die Sprache Descartes als Tor zur Welt und zur universellen Kultur gesehen; sie ermöglicht den Übergang in die höheren kulturellen Spähern (»l’accès »l’accès aux régions supérieures de l’intelligence«, Noppeney 1959: 17), wo der Gedankenaufsatz, in der streng kodifizierten Form der Dissertation, und die in französischer Sprache unterrichtete Philosophie den Gipfel der Gelehrsamkeit darstellen. Diese Vorstellung lebt im Kopf mancher Französischlehrer weiter, wie folgendes Zitat eines der ihren aus einer rezenten Zeitungsreportage (Quiqueret 2011: 3) belegt: »Quand un petit Luxembourgeois s’exprime en allemand, il entre dans une maison de plain-pied située dans sa rue. Quand il parle français, il s’ouvre au monde.«25 Französisch ist in der Tat für Luxemburgisch-Sprecher wegen seiner größeren Distanz schwerer zu erlernen als Deutsch. Dies wird jedoch durch eine pädagogische Tradition verstärkt, die Französisch nicht als funktionale Kommunikationssprache unterrichtet, und deren längst eingeforderte aber nie vollzogene Reform der Dauerbrenner der didaktischen Diskussion in Luxemburg darstellt (siehe 3.3). Wie der geheime Lehrplan zur Erhebung des Französischen über die anderen Sprachen funktioniert, zeigt der 1938 geborenen Feuilletonist Acide, im Brotberuf Französischlehrer, wenn er über seine Schulzeit in den 1950er Jahren schreibt: In der Dorfschule lernte er weder sprechen, noch lesen und schreiben, sondern die Konjugation der Verben und die Kongruenz (l’accord) der Prädikate. A l’école villageoise qu’il fréquentait, le bon maitre, adepte d’un savoir solide, faisait répéter aux élèves les conjugaisons des verbes et les règles d’accord jusqu’à les faire entrer dans la tête des plus rétifs. Cette méthode n’enseignait ni à parler, ni lire, ni écrire le français. Mais, anticipant la part d’apprentissage mécanique, incontournable, elle préparait l’esprit des élèves les plus réceptifs à faire des progrès d’autant plus rapides par la suite (Kraemer 1993: 154).

Da die Sprache Molières sowohl als abstraktes Normensystem als auch als schöngeistige Kultursprache jedoch nicht als Kommunikationsvektor unterrichtet wird, entsteht eine Diskrepanz zwischen passivem Bewusstsein für deren Feinheiten und ihrer aktiven Beherrschung. Die Tatsache, dass dieses Auseinanderklaffen von Anspruch und performativer Kompetenz zunimmt, je weiter man im Studium vordringt, bringt Acide zum Ausdruck, indem er mit dem doppelten Sinn des Wortes »maîtresse« spielt, das sowohl Lehrerin und Lehrmeisterin als auch Gebieterin und Mätresse bedeutet. In den Augen der angebeteten Lehrmeisterin verwandelt sich jede Anstrengung immer nur in »ver-

25 | Wenn ein kleiner Luxemburger sich auf Deutsch ausdrückt, betritt er in seiner Straße ein Haus, ohne sich auf eine höhere Stufe begeben zu müssen, wenn er Französisch redet, öffnet er sich auf die Welt.

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gebliche Gelehrsamkeit« (vaine érudition) und der kleine Luxemburger kann nie ein wahrer Franzose werden: A force de la courtiser, la langue française devenait sa maîtresse. Mais une maîtresse exigeante, capricieuse, tantôt sévère, tantôt désinvolte, gouailleuse, ironique. A l’aise dans tous les rôles, comme une actrice. […] Une dame, à sa haute fenêtre, blonde aux yeux noirs. Elle n’attendait qu’une parole de lui. Une parole française. […] Il y avait alors dans sa voix [celle de la maitresse] des intonations railleuses, dans son regard une tendresse narquoise pour sa vaine érudition. Et par moments elle semblait vouloir dire: ›Dommage que tu ne sois pas vraiment de chez nous … ‹ (Kraemer 1993: 154).

Auch heute produziert die Luxemburger Schule noch immer eine sprachliche Unsicherheit und die Angst, der Norm nicht zu genügen, ist weiterhin in der Luxemburger Gesellschaft weitverbreitet, wie eine Expertengruppe des Europarates feststellt: »Linguistic insecurity, which represents a brake on language acquisition (and on self-fulfillment) is […] a quite widespread and palpable phenomenon in Luxembourg society« (Council of Europe 2006: 42). Acides Empfindungen sind sicher weit verbreitet, doch sind sie typisch für Aufsteiger. In traditionell bildungsbürgerlichen Familien, deren Lebenswelt die engen Grenzen Luxemburgs überschreitet, beobachtet man dagegen einen selbstverständlichen und selbstbewussten Umgang mit dem Französischen, das oft auch Familiensprache ist. Die Präsenz von fremdsprachigen Gästen oder Personal im Elitehaushalt hat die Funktion sowohl der Zurschaustellung als auch der Einübung einer Sprachkompetenz. Diese Funktion übernimmt auch eine frankophone Mutter, die selbst nach längerem Aufenthalt im Lande noch immer kein Luxemburgisch spricht. (Fehlen 2012a: 43)

Fernand Hoffmann, der von der deutschen Soziolinguistik stark beeinflusst war, schildert den Gebrauch des Französischen im Gymnasium in den 1950er Jahren als Sprachbarriere, was nicht verwundert, da »die deutschsprachige Soziolinguistik […] am Anfang identisch mit der Sprachbarrierenforschung« war (Löffler 2005: 161). Dieser Begriff sollte ein soziales und gesamtgesellschaftliches Problem benennen, dass bestimmten Schichten in Schule und Beruf und überhaupt im Leben und in jeder Art Laufbahn Hindernisse im Wege stehen, die mit ihrer von einer bürgerlichen Standardnorm abweichenden Art zu sprechen zu tun haben. (Ebd.: 161)

Fernand Hoffmann beschreibt Situationen, in denen »das Französische [die] Funktion des Knebels« übernimmt (Hoffmann 1987: 152). Die Schüler müssen mit dem Lehrer Französisch sprechen, damit sie nicht widersprechen können (»Da kënnen se net erëmmaulen!«) und die Dienstbesprechungen mit den Leh-

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rern werden vom Schulleiter auf Französisch geführt, damit sie nicht zu lange dauern (»Soss hun se op emol all eppes ze soen, an da komme mer nie heem«; ebd.). Auch wenn die geschilderten Umstände heute nicht mehr existieren, u.a. weil viele Schüler eine höhere umgangssprachliche Kompetenz als ihre Lehrer besitzen, ist die Überlegenheit des Französischen über andere Sprachen weiterhin im gymnasialen Curriculum verankert und Französisch bleibt Hauptselektionsinstrument (Fehlen 2007).

3. Französisch heute Französisch ist nach einer Fragebogenerhebung aus dem Jahre 2008 (Fehlen 2009b) die unter der Wohnbevölkerung des Großherzogtums am weitesten verbreitete Sprache: 97 % geben an, es zu sprechen, gegenüber 78 % für das Luxemburgische, 75 % für das Deutsche und 61 % für das Englische.26 Unter den Luxemburger Staatsbürgern geben 96 % an, Französisch zu sprechen. Für 6 % der Luxemburger ist es sogar die Sprache, die sie am besten beherrschen, 45 % geben es als ihre am zweitbesten gesprochene Sprache an. Der Vergleich mit einer ähnlichen Erhebung aus dem Jahren 1997 zeigt, dass die Luxemburger, zumindest in ihrer Selbsteinschätzung, mehr und besser französisch sprechen als vor 10 Jahren. Da Magère u.a. (1998), eine von der französischen Botschaft in Auftrag gegebene Studie eine Bestandsaufnahme über die »situation de la langue française parmi les autres langues en usage au Grand-Duché de Luxembourg« am Ende des 20. Jahrhunderts liefert und Fehlen (2009) die rezente Sprachensituation bzw. Fehlen (2012b) die Situation auf dem Arbeitsmarkt ausführlich beschreiben, sollen an dieser Stelle nur zwei Aspekte beleuchtet werden: Die sozio-ökonomischen und demografischen Gründe, die zum jüngsten Statuswandel des Französischen geführt haben und die Herausforderungen der neuen Gegebenheiten für das Bildungssystem.

3.1 Französisch als Hauptverkehrssprache Mit der Entstehung des Finanzplatzes und der Zunahme der EU-Institutionen hat sich die Luxemburger Gesellschaft grundlegend gewandelt. Waren bislang

26 | Im Rahmen der Volkszählung 2011 wurden zum ersten Mal in Luxemburg Daten zu Sprachkenntnisse und Sprachgebrauch erhoben. Bis zur Publikation der Ergebnisse ist man auf Umfragen angewiesen, unter denen die hier zitierte mit einer Stichprobengröße N-2.795 die zuverlässigste darstellt.

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politische Gründe – Nationsbildung und Verteidigung der nationalen Eigenständigkeit – der Hauptmotor für die Veränderung des Gleichgewichtes27 zwischen den drei Landessprachen, werden gegen Ende des 20. Jahrhunderts wirtschaftliche und demografische Gründe in den Vordergrund treten, die allerdings durch den Bedeutungsrückgang des Französischen im ökologischen Weltsprachengefüge auf Kosten des Anglo-amerikanischen verstärkt werden (Calvet 1999b). Abb. 2: Zunahme der ausländischen Bevölkerung in der Periode von 1960–2011 unter besonderer Berücksichtigung der Romanophonen (links absolute Zahlen; rechts prozentualer Anteil an der Ausländerpopulation).28

Quelle: STATEC 2012

Die Grafik zeigt den Anstieg der Zahl der Ausländer, deren Anteil an der Bevölkerung im heutigen 500.000-Einwohner-Staat 42  % beträgt. Die Zahl der Portugiesen hat am stärksten zugenommen, da sie die Rolle der Italiener in der klassischen Arbeiterimmigration übernommen haben. Zusammen mit den Franzosen und den Belgiern sowie kleineren Kontingenten aus anderen romanischen Ländern (Spanien, Brasilien usw.) werden sie unter der Bezeichnung Romanophone zusammengefasst und erscheinen im sprachpolitischen und auch bildungspolitischen Diskurs meist als ein monolithischer Block. Die Grafik zeigt aber auch den Rückgang des prozentualen Anteils der Romanophonen seit 1981 und eine Diversifizierung der Ausländerpopulation. Im Jahre 1986 setzte ein bis 2008 anhaltender wirtschaftlicher Boom ein, der einen spektakulären Anstieg der Wohnbevölkerung29 und eine noch stärker 27 | Gemeint sind die Funktionen, die den verschiedenen Sprachen in der Praxis zukommen, also die Domänen, in denen sie gebraucht werden, genauso wie die Sprachattitüden, die den diskursiven Spiegel dieser Praxis darstellen 28 | Die ausgewählten Jahre entsprechen denen der Volkszählungen, lediglich die Zahlen für 2011 sind eine vorläufige Schätzung. 29 | Von 1980 bis 2010 ist die Einwohnerzahl von 363.500 auf 502.100, also um 38 % gestiegen und die Erwerbsbevölkerung von 150.000 auf 359.000, also um 139 %. (STATEC 2012)

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wachsende Nachfrage nach Arbeitskräften nach sich zog. Da die Erwerbsbevölkerung wesentlich schneller als die Wohnbevölkerung zunahm, entstand das Grenzpendler-Phänomen und heute stellen die Arbeitskräfte aus den Nachbarländern, die sogenannten Frontalierën 44 % der Erwerbsbevölkerung im Jahre 2010. Drei Viertel von ihnen kommen aus Frankreich und Belgien, so dass die Präsenz der Frankophonen in Luxemburg weiter steigt.30 Da ihr Lebensmittelpunkt meistens in ihrem Wohnland liegt, haben sie eine geringere Motivation als die Immigranten sich sprachlich zu integrieren. Dessen ungeachtet lernen viele die Luxemburger Sprache und sowohl im belgischen und französischen Grenzgebiet als auch im Grossherzogtum selber werden zahlreiche Sprachkurse für sie angeboten (Weber-Messerich 2011). Der Weg von der Prestige- zur Verkehrssprache führt über die Präsenz von französischen und anderen lateinischen Muttersprachlern, die die Landesprache Französisch als Kommunikationsmedium in den Betrieben und in der Öffentlichkeit einfordern. Die erste quantitative soziolinguistische Erhebung aus dem Jahre 1983, also noch vor dem eigentlichen Boom, kam zum Ergebnis, einerseits werde Französisch oben und unten in der sozialen Hierarchie gesprochen, andererseits handele es sich jedoch um zwei verschiedene Varietäten dieser Sprache. Die unten gesprochene wurde damals, allerdings in einer bewusst polemischen Absicht, etwas abschätzig als »pidgin franco-portugais-luxembourgeois« (Hartmann 1988: 109) bezeichnet, dem »die Funktion eines ›petit nègre‹ für jegliche Kommunikation zwischen Luxemburgern und Einwanderern« (Hartmann 1991: 962) zukomme. Heute erscheint diese Aussage prämonitorisch, muss jedoch teilweise relativiert werden. Behält man zunächst die vereinfachende Dreiteilung von Hartmann bei, kann man sagen, dass durch den Wachstumsschub im unteren Segment der Erwerbshierarchie die Präsenz des Französischen verstärkt wurde, im oberen Segment das Französische zunehmend mit dem Englischen konkurriert und dass sich vornehmlich im mittleren Bereich die Situation vollends gewandelt hat: auch hier findet man zunehmend Frankophone. Die Realität ist jedoch mehrdimensionaler und neben die angesprochene soziale Schichtung tritt als weitere Dimension die Segmentierung des Arbeitsmarktes nach sprachlichen Kriterien:31 Im öffentlichen Dienst muss man Luxemburgisch sprechen, der 30 | Im Jahre 2012 kommt ungefähr die Hälfte der Grenzpendler aus Frankreich (49.400), je ein Viertel kommt aus Belgien und Deutschland (jeweils 25.300) (STATEC 2012). Siehe auch Belkacem/Pigeron-Piroth 2012 und Wille 2012. 31 | Fehlen (2010: 152–162) zeigt, dass es nicht nur den hier skizzierten mehrsprachigen Sprachenmarkt in Luxemburg gibt, sondern gleich mehre sich überlappende Sprachenmärkte mit einer jeweils spezifischen Logik; z.B. jener der europäischen Institutionen, der einerseits vom Englischen dominiert, dessen Zugang aber andererseits über Sprachenquoten geregelt wird.

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Dienstleistungssektor mit Publikumsverkehr bevorzugt zwar mehrsprachiges Personal, doch falls dieses nicht gefunden werden kann, ist die umgangssprachliche Kompetenz in Französisch meist ausschlaggebend für die Einstellung. In der verarbeitenden Industrie wird vornehmlich französisch gesprochen. Im Bauhauptgewerbe arbeiten hauptsächlich Portugiesen, die mit den anderen Nationalitäten in der Bauleitung, -planung usw. auf Französisch kommunizieren. Im Baunebengewerbe, hauptsächlich im technischen Bereich, finden sich viele Deutsche und Deutsch-Belgier (Pigeron-Piroth/Fehlen 2010). Diese Pauschalaussagen bedürfen einer zusätzlichen geografischen Nuancierung: im Grenzgebiet zu Deutschland genauso wie im ländlichen Raum des nördlichen Luxemburgs ist Französisch weniger präsent, während es seine Hochburg in der Hauptstadt und im Süden hat. Dass Französisch die Hauptsprache in der gewerblichen Wirtschaft ist, belegt auch eine rezente Umfrage bei Unternehmern und Führungskräften. Tab. 1: In den Unternehmen benutze Sprachen nach Einschätzung von 265 Unternehmern und Führungskräften (Mai 2011) Hauptsprache

Weitere Sprachen

Summe

Französisch

56 %

44 %

100 %

Luxemburgisch

20 %

60 %

80 %

Englisch

18 %

71 %

91 %

Deutsch

5 %

78 %

83 %

Quelle: Chambre de Commerce Luxembourg (2012: 129)

Viele der Grenzpendler aus Frankreich und Belgien arbeiten im Handel und Gaststättengewerbe. Durch sie ist die französische Sprache im öffentlichen Raum präsent, wird aber gleichzeitig abgewertet, da es sich hier um gering qualifizierte und schlecht bezahlte Jobs handelt. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass unter den besonders prekarisierten Leiharbeitern die Grenzpendler aus Frankreich überproportional vertreten sind.32 Mit der vermehrten Präsenz von frankophonen Muttersprachlern auf allen Ebenen der Erwerbshierarchie wird ein umgangssprachliches Französisch und keineswegs ein franko-luxo-lusitanisches Pidgin zur Verkehrssprache im Großherzogtum Luxemburg. Eine solche Mischsprache mit stark reduzierter Morphologie hat sich keineswegs herausgebildet und entspricht eher den Phantasmen des luxemburgischen Bildungsbürgers der 1970er Jahre, der mit der Ablösung der italienischen Immigrationswelle durch eine, zumindest in den Anfangsjahren, weniger gebildeten portugiesischen konfrontiert war. 32 | 65 % der Leiharbeiter sind Grenzpendler aus Frankreich (in der Periode von 2008 bis 2010). (Ries/Sinner 2012: 4)

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Der negativ konnotierte Begriff des franko-luxo-lusitanischen Pidgins hat jedoch einen realen Hintergrund. Für portugiesische Einwanderer, die immerhin 16 % der Wohnbevölkerung ausmachen, sowie für andere, die keine der drei Landessprachen beherrschen, ist Französisch das Eintrittstor in die Luxemburger Gesellschaft. Von ihnen wird es als »Integrationssprache« empfunden, was aus ihrer Perspektive verständlich ist, was aber im Widerspruch zur Auffassung der meisten Luxemburger steht, die überzeugt sind, dass die eigentliche Integration nur über die Luxemburger Sprache vollzogen werden kann und sich daran stören, dass einige Ausländer ein Leben lang in Luxemburg leben ohne seine Nationalsprache zu lernen.33 In wenigen Punkten gehen die Einschätzungen zwischen Luxemburgern und Ausländern so weit auseinander als in diesem (Fehlen 2009b: 201–213). Neben der subjektiven Perzeption, die erwartungsgemäß nach Standpunkt verschieden ist, gilt es jedoch die realen Funktionen der Sprachen in der Gesellschaft zu untersuchen und ob man Französisch als Integrationssprache bezeichnen kann, hängt von der Definition dieses Begriffes ab. Wird darunter die Teilnahme am Erwerbsleben verstanden, so ist die Antwort eindeutig ja; wird darüber hinaus jedoch eine weitergehende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und besonders auch die Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess einbezogen, so ist die Antwort genauso eindeutig nein, da besonders letztere Domäne die Beherrschung der drei Landessprachen voraussetzt. Öffentliche Debatten und nicht öffentliche Mauscheleien werden in luxemburgischer Sprache geführt, die Medien berichten darüber mündlich auf Luxemburgisch und schriftlich auf Deutsch,34 Entscheidungen und Gesetze werden auf Französisch fixiert. Auch heute noch setzt also die volle Teilhabe an der Luxemburger Gesellschaft die Beherrschung der drei Landessprachen voraus, wobei der Grad ihrer Beherrschung und die Domänen ihrer Anwendung in einem permanenten Wandel sind, wie dieser Beitrag zeigen will. Da Luxemburgisch infolge des wirtschaftlichen Booms zur Mangelware auf dem Arbeitsmarkt geworden ist, hat es eine starke Aufwertung erfahren; und besonders bei unteren und mittleren Laufbahnen im staatlichen und parastaatlichen Sektor wird es zum entscheidenden Qualifikationsvorteil. Besonders in diesem Milieu kommt es zu einer Ablehnung des Französischen und man darf annehmen, dass der Schüler, der angeblich seine Verweigerungshaltung da-

33 | Nach einer Erhebung aus dem Jahre 2008 geben ca. 20 % der befragten Einwan derer an, auch nach 40 Jahren Präsenz im Lande kein Luxemburgisch zu sprechen (Fehlen 2009b: 214). 34 | Diese Darstellung muss natürlich nuanciert werden. Es gibt Französisch ge schriebene Medien und französische Untertitel bei Luxemburger Fernsehnachrichten, die eine wichtige Integrationsmaßnahme darstellen. Auch gibt es Nischen im politischen Feld, innerhalb derer man mit Französisch auskommt, aber auch gefangen bleibt.

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mit begründet, nicht die Sprache seiner Putzfrau lernen zu wollen,35 aus eben diesem Milieu stammt. Damit ist die double-bind-Situation, in der sich das Luxemburger Schulsystem befindet, benannt: Die meisten Gymnasiallehrer, allen voran die Französischlehrer, wollen seine Stellung als Hauptkultursprache und Hauptselektionssprache aufrechterhalten mit dem Argument, Französisch sei noch immer Staatssprache und Zugangsvoraussetzung zu den höchsten Beamtenstellen und zu sehr vielen Arbeitsstellen in der gewerblichen Wirtschaft, sehen sich aber mit einer Mehrheit der luxemburgischen Schülerschaft konfrontiert, die nicht mehr bereit ist ihnen zu folgen, weil Französisch an Bedeutung für ihre Lebenslaufbahn eingebüßt hat. Für ihren beruflichen Werdegang ist unten in der sozialen Hierarchie Deutsch bzw. Luxemburgisch und oben Englisch wichtiger.

3.2 Französisch als Alphabetisierungssprache Die Anpassung des Luxemburger Bildungssystems an diese neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten erfolgt nur zögerlich und bewirkt Ungleichzeitigkeiten, die am Beispiel des Sprachenunterrichts, besonders des Französischunterrichts, am deutlichsten zu Tage treten. Dabei ist es die Association des Professeurs de Français du Grand-Duché de Luxembourg (APFL), die die Rolle des Hüters der traditionellen legitimen multilingualen Kompetenz (siehe 2.3.2) übernimmt, während Änderungsimpulse einerseits aus Wirtschaftskreisen und anderseits von Grundschullehrern kommen, die unmittelbar mit Kindern mit Migrationshintergrund konfrontiert sind. Wir haben gesehen, dass die Ineffizienz des Sprachenunterrichts ein Dauerthema der Luxemburger bildungspolitischen Diskussion ist, doch mit der Zunahme der portugiesischen Migrantenkinder in den 1980er Jahren und einer nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Generation von Schulpraktikern erhält diese eine neue Dimension, die in einem Dossier in der Kulturzeitschrift forum deutlich wird: Gäbe es eine europäische Auszeichnung für ›Marathonleistungen im Sprachebüffeln‹, man müßte sie allen Primärschülern Luxemburgs an die schmächtige Heldenbrust heften. Sie erbringen nämlich, vergleicht man mit allen Nachbarländern, heroische Leistungen im Kampf mit deutschen und französischen Lehrbüchern. […] Der massive Fremdsprachenunterricht, zu früh zweisprachig, blockiert regelrecht unser Schulsystem. Sprache, die Ausdrucksinstrument sein sollte, wird für das Kind zur sinn- und freudlosen Lernkeule pervertiert (forum-Redaktion 1980: 2 u. 4).

35 | Die Anekdote wurde von einem Französischlehrer berichtet (Hansen 2001).

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Die Autoren wandten sich gegen eine Schule, in der portugiesische Migrantenkinder keine Chancen hatten, hauptsächlich auf Grund der »intuitiv aufbauenden, vom Luxemburgischen ausgehenden Deutschmethode, [die] für Kinder aus dem romanischen Sprachraum völlig ungeeignet« sei (forum-Redaktion 1980: 6). Sie zeichneten auch verschiedene Szenarien auf, um den »Zweisprachenunterricht«, an dem sie auf jeden Fall festhalten wollten, zu »entwirren«, darunter ein zweigleisiges Modell, wonach der Sprachunterricht [sich] für Luxemburger Kinder […] während der drei ersten Jahre auf Deutsch, für Ausländerkinder auf Französisch [beschränken sollte]. Danach erst setzt Deutsch für Ausländer und Französisch für Luxemburger ein. Ausdrucksfächer werden gemeinsam unterrichtet. (Kollwelter 1980: 13)

Auch die »Ghettogefahr«, die dieses Modell beinhaltet, haben sie klar erkannt. Nicht nur in forum wird regelmäßig ein System kritisiert, das zunächst in der Primärschule die ausländischen Kinder wegen mangelhafter Deutschkenntnisse und im Gymnasium die Luxemburger aus bildungsfernem Milieu wegen mangelhafter Französischkenntnisse aussortiert.36 Die Forderung nach einem zweigleisigen Unterricht hat sich bis heute erhalten, sowohl im wissenschaftlichen (Horner/Weber 2010) als auch im politischen Feld, wo sie allerdings marginal ist.37 Repräsentativer ist die Haltung der Interessenverbände der Migranten, die einen differenzierten und verstärkten Deutschunterricht verlangen, ohne sich auf die Forderung der Zweigleisigkeit zu fokussieren (CLAE 2012: 47), da sie wissen, dass die Regierung an der Einheitsschule festhalten will, um nicht durch die Zweigleisigkeit die sozialen Kohäsion zu untergraben.38 Die zunächst einleuchtende Forderung nach einer doppelzügigen Alphabetisierung

36 | Anlässlich eines Sonderheftes zum Thema Schulreform im März 2012 veröffentlich te die Zeitschrift einen Rückblick auf eine Reihe von Beiträgen, die im Laufe der Zeit diese Thema aufgegriffen hatten: http://www.forum.lu/das-grosse-unbehagen/ archiv-zum-thema-schule-aus–36-jahren-forum. 37 | Der bildungspolitische Sprecher der Oppositionspartei (DP) setzt sich neuerdings für eine »echte zweisprachige Schule« ein, die sich unter anderem von dem bilingualen Unterricht in den früheren deutschsprachigen Gebieten Lothringens inspiriert. (DP 2011) 38 | Anlässlich einer Debatte über die schulische Integration der Kinder mit Migrationshintergrund am 29. November 2000 wurde die auch heute noch gültige und von allen ausschlaggebenden politischen Kräften mitgetragene Doktrin mit ihrer Triade: Einheit (unicité) des Schulsystems, Dreisprachigkeit und Förderung des Luxemburgischen als Integrationssprache definiert. Die Debatte und die beschlossenen Maßnahmen finden sich in der parlamentarischen Akte Nummer 4615 auf www.chd.lu.

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hat sich jedoch nicht durchgesetzt, weil das Schulsystem in Luxemburg zunehmend weniger monolithisch geworden ist. Mit der Herausbildung abgeschotteter Milieus in der »Luxemburger Gesellschaft«39 sind auch vielfältige Alphabetisierungs- und Bildungspfade entstanden und nur ein Teil der Ausländerkinder besucht noch die Luxemburger Regelschule.40 Eltern können individuelle Lösungen für ihre Kinder finden und der Reformdruck auf die öffentliche Schule wird gemindert. Die Integrationsfunktion der Schule geht dabei allerdings verloren und die Fragmentierung der Gesellschaft wird verstärkt. 9 % der in Luxemburg lebenden Schüler (Grundschule und Gymnasium) besuchen internationale Schulen: 24 % von diesen gehen in Schulen, die nach dem Programm der französischen Staatsschule funktionieren; 53 % in die Europaschule, die in 14 verschiedene Sprachsektionen unterteilt ist, von denen die französische die größte darstellt. Darüber hinaus sind 3 % aller Schüler im Ausland, hauptsächlich in Belgien eingeschult.41 Trotzdem hat die Zahl der Schüler in der Luxemburger Primärschule,42 die eine andere Sprache denn Luxemburgisch als Muttersprache haben, in den letzten Jahren stark zugenommen, von 40 % im Schuljahr 2003/04 auf 48 % im Schuljahr 2010/2011. Die internationalen Schulen in Luxemburg wurden eigentlich für die hochqualifizierten ausländischen Arbeitskräfte eingerichtet, die sich nicht als klassische Migranten, sondern als Expats, also als vorübergehend auf Auslandsmission verstehen und, die aus diesem Selbstverständnis heraus, ihre Kinder in der eigenen (Schul-)Kultur erzogen sehen wollen. Dies gilt besonders für die zwei Europaschulen und die International School. Die französischen Schulen (Lycée Vauban, école maternelle et primaire francophone, usw.) sprechen darüber hinaus französischsprachige Mittelschichten an und eine rezente Initiative zur Gründung einer portugiesischen Schule kann als Indiz für das Entstehen einer neuen, portugiesisch stämmigen Mittelschicht interpretiert werden. Die Forderung nach Französisch als Alphabetisierungssprache in der Regelschule erscheint heute als ein anachronistisches Überbleibsel aus der Zeit 39 | Die Transnationalisierung des sozialen Raumes ist im Großherzogtum soweit fort geschritten, dass die Vokabel »Luxemburger Gesellschaft« zum vereinfachenden Anachro nismus wird. Die Soziologie der Globalisierung liefert eine adäquatere Be grifflichkeit, die Fehlen (2010) anzuwenden versucht. 40 | Unter diesem Begriff fassen wir sowohl öffentliche als auch Privatschulen, die allerdings mit 4 % der Schüler nur eine marginale Rolle spielen, zusammen. 41 | Eigene Berechnungen nach der offiziellen Schulstatistik (Menfp 2012). Das Schengen-Gymnasium wurde nicht berücksichtigt. 42 | Gemeint sind die früheren Klassen 1 bis 6. Nach der heutigen Terminologie handelt es sich um die Zyklen 2 bis 4 der Grundschule (»école fondamentale«). Berücksichtigt man Précoce und Vorschule (= Zyklus 1) ist der Prozentsatz noch höher (Menfp 2012: 106).

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des offiziell zweisprachigen Luxemburger Staates (1848–1948) als die Intellektuellen eine Luxemburger Identität in einer deutsch-französischen Mischkultur suchten. Heute ist die Grundschule nicht zwei- sondern dreisprachig43 und die Dichotomie zwischen Romanophonen und Germanophonen in der Schulpopulation ein vereinfachendes Konstrukt. Dagegen setzt die 2004 begonnene Reform des Sprachenunterrichts (siehe nächsten Abschnitt) auf eine interkulturelle Pädagogik, die die Präsenz von Kindern mit unterschiedlichen Muttersprachen als Chance für einen auf kommunikative Kompetenzen ausgerichteten Unterricht ansieht (Kühn 2008) und auf die gezielte Förderung des Luxemburgischen in der Vorschule (Berg/Weis 2007: 56–61). Bislang sind die Ergebnisse dieser Reform noch nicht absehbar und der übergroße Teil der Kinder mit Migrationshintergrund findet sich immer noch nach einer entscheidenden Evaluation mit dreizehn Jahren wegen mangelnder Deutschkenntnisse in den weniger zukunftsträchtigen Klassen des Fachgymnasiums.

3.3 Französisch als Streitpunkt der Gymnasialreform Erst nach dem PISA-Debakel 2001 und nachdem die sozialdemokratische Partei LSAP das Bildungsministerium 2004 übernommen hatte, kommt eine heute noch immer nicht abgeschlossene Reform des Sprachenunterrichts in Gang, für die der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen des Europarates (kurz europäischer Referenzrahmen) mit seinen sechs Kompetenzniveaus die Leitideen liefert: 1. Nicht mehr die korrekte schriftliche Beherrschung der Norm sondern genau definierte Kompetenzdeskriptoren sollen die Messlatte für den Lernfortschritt der Schüler und für eine formative Evaluation liefern, die an die Stelle eines rein arithmetischen Systems treten soll, in dem für jeden Schreib- und Grammatikfehler mechanisch von einem Punktemaximum von 60 abgezogen wird. 2. Nicht jeder Schüler in jeder Schulstufe muss die drei Hauptsprachen (Französisch, Deutsch, Englisch) des Gymnasiums bzw. Fachgymnasiums auf demselben Niveau beherrschen. Es sollen vielmehr für verschiedene Abschlüsse differenzierte Sprachkompetenzprofile definiert werden (Berg/Weis 2007: 47).44 Desweiteren soll der bilingualen Sachfachunterricht, in dem die Fremdsprache45 als Arbeitssprache im Sachunterricht gebraucht wird 43 | Mit dem Argument der Dreisprachigkeit hat die Erziehungsministerin das Modell einer sog. zweisprachigen Schule in der parlamentarischen Aktualitätsdebatte v. 12. Juli 2011 abgelehnt (Sitzungsprotokoll auf www.chd.lu.). 44 | Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Reform findet sich in Forum 264 v. März 2007 sowie in Fehlen 2006. 45 | Das Wort »Fremdsprache« steht hier, weil es sich um eine allgemeine Definition handelt. In Luxemburg ist nur Französisch gemeint, das wir nicht als Fremd-, sondern als Zweit- und Landessprache bezeichnen wollen.

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(EMILE, Enseignement d’une matière par intégration d’une langue étrangère = CLIL, Content and Language Integrated Learning), eine wesentliche Rolle beim Sprachenlernen übernehmen (Berg/Weis 2007: 39–41 u. 70f). Diese in der Fremdsprachendidaktik neue Methode wurde seit jeher implizit in Luxemburg angewandt, da Französisch in den oberen Klassen des Gymnasiums in allen Fächern außer Deutsch und Englisch als Unterrichtssprache galt, nur wird sie wegen mangelender pädagogischer Reflexion und unzulänglicher didaktischer Umsetzung meist nicht als sprachdidaktische Chance sondern als Schikane empfunden und oft stillschweigend von den Lehrern unterlaufen, indem sie Luxemburgisch als Unterrichtssprache benutzen.46 Gegen die Verwendung des Französischen als Unterrichtssprache in Naturwissenschaften und Mathematik wendet sich Claude Muller (2012), einer der bekanntesten Luxemburger Forscher: »Duerch d’Léiere vun alle Fächer an enger Sprooch, déi d’Schüler net gudd genuch kënnen, leid den Niveau an alle Fächer.« In einem regelrechten Pamphlet kritisiert er die benutzte Didaktik des Französischunterrichts und wendet sich gegen sein zu starkes Gewicht im Gymnasium.47 Damit sind die Französischlehrer nicht einverstanden. Sie verweisen auf den Rückgang der Stundenzahl ihres Faches. Seit Französisch bei einer Reform 1989 gleich 17 % seiner Schulstunden in der damaligen Primärschule verloren hat, erfährt es in allen Schultypen und Klassen eine langsame aber permanente Erosion, die durch die mangelnden Kenntnisse der Grundschullehrer, deren Ausbildung kein Sprachenunterricht mehr vorsieht, verstärkt wird (AFPL 2012b). Nach der Reform der Grundschule und des Berufsunterrichts soll im Jahr 2013 das allgemeinbildende und das Fachgymnasium reformiert werden. Die Reform des Französischunterrichts und des Stellenwerts des Französischen im Abitur sind besonders umstritten, da dadurch der Dreh- und Angelpunkt der Luxemburger Dreisprachigkeit angetastet wird. Dass Schüler in der Abiturklasse nur einen Leistungskurs (C1-Niveau des europäischen Referenzrahmen) wahlweise in Deutsch, Französisch oder Englisch belegen müssen und die beiden anderen Sprachen weniger gut beherrschen dürfen (B2-Niveau),48 stösst auf den 46 | Leider gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem wichtigen Sachverhalt, doch kann man aus einer jüngsten Direktive des Erziehungsministeriums zum Thema Unterrichtssprache eine Duldung dieser Praxis herauslesen (Menfp 2010). 47 | Die Argumentation findet sich so ähnlich bei Schadeck 2012, der dies im Namen eines Unternehmer-Think-tanks (»Fënnef vir zwielef«) äußert. Wie das Französische vom Englischen als Wissenschaftssprache abgelöst wurde, zeigt Fehlen 2011. 48 | Mit Bedacht ist hier die deutschländische Formulierung des Leistungskurses gewählt, die so in der luxemburgischen Debatte nicht verwendet wird. Inhaltlich muss die Aussage auch nuanciert werden. So sind im Fachgymnasium die Anforderungen im Allgemeinen geringer (B2-Niveau und B1-Niveau), doch die kaufmännische Sektion ist

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heftigen Widerstand der Französischlehrer. So konnte man kürzlich lesen, dass Französisch in Luxemburg nicht einfach als Fremdsprache, wie z.B. in Deutschland, gelehrt werden dürfe, da dies die Identität des Landes gefährde: »Le niveau culturel de notre pays, son identité même en dépendent largement.« (Wengler 2012: 37)49 Indem sie die Auseinandersetzung auf dieser symbolischen Ebene führen, verdrängen die Französischlehrer, dass die Reform weitestgehend nur eine Abkehr von nie erreichten Idealen und eine Angleichung an die bestehende Realität vollzieht. Selber sind sie, zumindest wenn man einer Umfrage in ihren Reihen Glauben schenken will, von einer dramatischen Verschlechterung der schriftsprachlichen Kompetenz ihrer Schüler überzeugt. Ihre sprechsprachlichen Fähigkeiten beurteilen sie nuancierter, ein Drittel sieht in den letzten zehn Jahren hier sogar eine Verbesserung (siehe Tabelle 2). Interpretiert man diese Aussage als ein Indiz für das Auseinanderklaffen von der Beherrschung der schriftsprachlichen Norm und der kommunikativen Kompetenz, so stellt sie einen weiteren Beleg für den Funktionswandel des Französischen von der Prestige- zur Verkehrssprache dar. Tab. 2: Änderung der französischen Sprachkompetenz der Schüler im Gymnasium während der letzten 10 Jahre nach Einschätzung von 265 Französischlehrern (Herbst 2010) verbessert

gleich

verschlechtert

schriftlich

2 %

7 %

88 %

mündlich

33 %

33 %

31 %

Quelle: TNS-ILRES-Umfrage vom 20.1.2011 (AFPL 2012a)

4. Zusammenfassung Wir haben gezeigt, wie das Französische, das bei der Gründung des modernen Luxemburger Staats im Jahre 1815 die Sprache der Machteliten war, zur Staatsund Gesetzessprache eines Landes geworden ist, obschon es nach dem Verlust seiner französischsprachigen Bevölkerung im Jahre 1839 ganz zum deutschen Sprachraum gehörte. Trotz anfänglichen Widerstandes wurde die durch die einzige, in der alle drei Sprachen auf dem gleichen Niveau (B2) beherrscht werden müssen. Der Entwurf sowie offizielle Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge finden sich auf einer Webseite http://www.reformelycee.lu. 49 | Es handelt sich um die regelmäßige Kolumne eines Französischlehrers im Le Jeudi, der einzigen französischsprachigen Wochenzeitung, die als meinungsbildend für die schrumpfende Fraktion des frankophilen Bildungsbürgertums angesehen werden darf. Die Französischlehrer argumentieren ähnlich; vgl. APFL 2012b.

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das Schulsystem aufoktroyierte Zweisprachigkeit angenommen, weil sie nach außen die politische Eigenständigkeit bekräftigte und nach innen die Beherrschung des Französischen Distinktionsprofite gegenüber weniger Gebildeten erlaubte. Das »Luxemburger Deutsch« wurde erst langsam und zögerlich zur Sprache ausgebaut gegen den Widerstand derer, die über ein hohes kulturelles Kapital verfügten, wozu die Beherrschung der deutschen und französischen Schriftsprache gehörte. Nachdem Luxemburgisch zur unangefochtenen Nationalsprache und zur Inkarnation der nationalen Identität geworden ist, hat sich die Position des Französischen im Gefüge der drei Landessprachen verändert, auch weil es nach der Aussöhnung der beiden großen Nachbarn Luxemburgs nicht mehr der Frankophilie bedurfte, um sich vor einem deutschen Annexionismus zu schützen. Durch seine Konkurrenz mit dem Englischen und weil es in seiner Funktion als schulische Selektionssprache zunehmend durch eine komplexe Mehrsprachigkeit abgelöst wird, ist es dabei seinen Prestigecharakter zu verlieren. Doch ähnlich wie der Sprachwerdungsprozess des Luxemburgischen erfolgt dieser Positionswechsel innerhalb der Luxemburger Dreisprachigkeit weitestgehend ungeplant und als ungewollter Nebeneffekt der 2004 begonnenen Reform des Sprachenunterrichts. Mehr denn je ist die französische Sprache heute die Lingua franca, die Hauptverkehrssprache all jener, die in Luxemburg leben und arbeiten. Sie ist der Schlüssel zu vielen Segmenten des Arbeitsmarktes, sowohl im öffentlichen als auch im gewerblichen Bereich und das Eintrittstor zur Luxemburger Gesellschaft. Als Staatssprache, in der die Geschichte des Großherzogtums aufgehoben ist, stellt sie dessen föderierende Sprache (langue fédératrice) dar. Ebenso wie Noppeney sie 1933 als ein Vakzin gegen den deutschen Annexionismus auffasste, kann sie heute als Gegengift gegen eine isolationistische Flucht in die luxemburgische Einsprachigkeit begriffen werden.

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Die Stellung der deutschen Sprache in Luxemburg Geschichte und Gegenwart Heinz Sieburg Abstract Pour une recherche portant sur la langue allemande au Luxembourg, il est raisonnable de prendre en considération le contexte du multilinguisme luxembourgeois. Celui-ci est un exemple parfait en Europe. Certes, l’allemand remplit des fonctions essentielles dans la structure linguistique du pays mais cet aspect contraste avec un sentiment plutôt négatif envers la langue. Le regard sur l’évolution historique montre que la langue allemande fait partie du patrimoine culturel, ce qui est apparemment (encore et) toujours influencé par l’expérience du Seconde Guerre mondiale. Dans la nouvelle génération, par contre, semble s’indiquer un changement. Mais jusqu’à présent la question de savoir si et comment ce changement affecte la situation linguistique/la langue, reste complètement ouverte. Eine Untersuchung der deutschen Sprache in Luxemburg ist nur im Kontext der Luxemburger Mehrsprachigkeit sinnvoll. Letztere kann als Modellfall für Europa verstanden werden. Zwar kommen dem Deutschen wesentliche Funktionen im Sprachgefüge des Landes zu, allerdings steht dieser Befund in Widerspruch zu einer vergleichsweise negativen Bewertung. Ein Blick in die Geschichte erweist die deutsche Sprache zwar als Teil des kulturellen Erbes, überlagert wird dies aber offensichtlich nach wie vor von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs. In der jüngeren Generation scheint sich ein Wandel anzudeuten. Ob und wie dieser sich in sprachlicher Hinsicht auswirkt, ist völlig ungewiss.

Hintergründe und Voraussetzungen Eine Beschäftigung mit der deutschen Sprache in Luxemburg ist an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden. Hierzu gehört die Berücksichtigung der landestypischen Mehrsprachigkeit, geprägt durch die drei offiziellen Sprachen

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Luxemburgisch, Französisch und eben Deutsch.1 Eine Fokussierung auf eine dieser Sprachen, in unserem Fall die deutsche, ist sicher legitim, gleichzeitig hat eine adäquate Beschreibung immer den Kontext der anderen Sprachen vorauszusetzen und mit zu berücksichtigen, da die Position der einen Sprache immer mitbedingt ist durch die der anderen.2 Im Sprachgefüge Luxemburgs spielt die deutsche Sprache, wie zu zeigen sein wird, zwar eine wichtige Rolle, gleichzeitig ist sie in mancherlei Hinsicht aber ein problematisches Element. So begegnet die fokussierte Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache in Luxemburg mitunter immer noch Vorbehalten, die vor allem als Nachwirkung der Okkupation des Landes in der Zeit des Zweiten Weltkrieges erklärbar sind, weil hier die deutsche Sprache als Machtinstrument des NS-Regimes missbraucht wurde. Gleichzeitig führen der zeitliche Abstand, vor allem aber die seitdem geschaffenen politischen und sozialen Realitäten, die gemeinsame EU-Mitgliedschaft und die insgesamt gutnachbarschaftlichen Beziehungen insbesondere in jüngerer Zeit erkennbar zu einem Abbau dieser Reserven. Gerade in der Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache in Luxemburg wird in exemplarischer Weise deutlich, dass Sprache eben mehr ist als nur Kommunikationsinstrument, sondern als Sozialsymbol verhaftet ist mit unterschiedlichsten Voreinstellungen und Wertzuschreibungen. Diese sind einerseits wesentliche Faktoren der Sprachsteuerung; zugleich können sprachaffektive Grundhaltungen als wichtige Größen in die individuelle und kollektive Identitätskonstruktion einfließen. Die Mehrsprachigkeitssituation Luxemburgs basiert auf historischen Entwicklungen, die bis ins Frühmittelalter zurückreichen. Aufgrund der geografischen Lage am Grenzsaum zwischen Romania und Germania, unterschiedlicher territorialer Ausdehnungen und politischer Zugehörigkeiten, zeigt sich das Vorhandensein mehrerer Sprachen, zunächst des Französischen und des Deutschen, als notwendiges und sinnhaftes Resultat historisch nachvollziehbarer und erwartbarer Prozesse. Als Beleg hierfür kann die Persistenz der Luxemburger Bilingualität angeführt werden, durch die alle außengesteuerten sprachpolitischen Bestrebungen, die Mehrsprachigkeit des Landes in die eine oder andere Richtung zu verschieben oder gänzlich zu destruieren, vereitelt wurden. Die Germanisierungsabsichten des Naziregimes zulasten des Französischen sind hierbei nur ein letztes, wenn auch das am nachhaltigsten wirkende Glied in einer Kette vorheriger, obrigkeitsseitig verordneter Sprachlenkungsmaßnah1 | Dass der ›Luxemburger Sprachenmarkt‹ daneben noch weitere Sprachen, insbesondere das Englische und Portugiesische umfasst, ist zu konzedieren. 2 | Die meisten einschlägigen Untersuchungen zur Luxemburger Sprachsituation betrachten diese in der Gesamtschau. Verwiesen sei hier insbesondere auf Hoffmann 1979, Berg 1993, Fröhlich/Hoffmann 1997 u. Horner 2004. Potentieller Vorteil einer auf eine Sprache konzentrierte Untersuchung ist eine größere Tiefenschärfe.

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men zum Zweck machtpolitischer Vereinnahmung. Verwiesen sei hier etwa auf die Zeit der Annexion Luxemburgs (als Département des Forêts) im Zuge der Französischen Revolution. Beredter noch ist das Beispiel der Regentschaft des niederländischen Königs Wilhem I. ab dem Jahr 1815. Während dieser zunächst die deutsche Sprache zugunsten der französischen zurückzudrängen sucht, vollzieht er als Reaktion auf die Belgische Revolution wenige Jahre später eine völlige Kehrtwende zugunsten der deutschen und gegen die französische Sprache.3 Indem hier Romanisierungs- und Germanisierungsbestrebungen unter den veränderten Vorzeichen aktueller Opportunität wechseln, erweist sich, wie sehr Sprachen als (austauschbares) Mittel zur Durchsetzung auch ideologischer Ziele zweckentfremdet werden können. In nüchterner Betrachtung sind aber nicht die Sprachen das Problematische, sondern ihr Missbrauch. Die geschilderten Beispiele machen zudem deutlich, wie sehr die territoriale Integrität und Autonomie des Landes mit sprachpolitischen Bestrebungen verknüpft sind. Aufgrund dieser historischen Erfahrung ist eine erhöhte Sensibilität der Luxemburger Bevölkerung für Sprachenfragen nicht nur verständlich, sondern geradezu geboten. Eine Bedrohung der Mehrsprachigkeit resultierte auch aus der erzwungenen Abtretung der französischsprachigen Landesteile an Belgien (Province du Luxembourg), wie sie im Londoner Vertrag des Jahres 1839 vereinbart wurde. Bis dahin umfasste Luxemburg sowohl Teile des germanophonen wie auch des frankophonen Sprachraumes. Die verbliebenen und bis heute unveränderten Landesteile gehörten nun ganz dem deutschsprachigen Raum an. Die Beibehaltung des Französischen als zweite Landessprache erfolgte denn auch keineswegs konfliktlos. Eine Zeit lang stehen sich die Notablen, die am Französischen als Prestigesprache festhalten, und die des Französischen kaum mächtige Mehrheitsbevölkerung gegenüber. 1848 wird die Zweisprachigkeit Luxemburgs schließlich in der Verfassung festgeschrieben. Die Gegenüberstellung des Französischen und des Deutschen verdeckt im Grunde eine Situation, die bereits Jahrhunderte lang durch Dreisprachigkeit geprägt war, und die das Luxemburgische als drittes Element im Sprachgefüge mit zu berücksichtigen hat. Luxemburgisch, das sprachhistorisch und -strukturell dem Moselfränkischen zuzurechnen ist, existierte bis ins 19. Jahrhundert allerdings zunächst nur als dialektale, dem Schriftdeutschen zuzuordnende Varietät. So bleibt die Bezeichnung als Lëtzebuerger Däitsch (vgl. Berg 1993: 94) noch bis 1940 üblich. Mit dem im 19. Jahrhundert einsetzenden Ausbau zur Literatursprache, einer funktionalen Ausweitung auf Domänen mit hohem Öffentlichkeitsgrad und der damit einhergehenden nationalsymbolischen Aufwertung etabliert sich das Luxemburgische aber zunehmend zu einer eigenständigen und gleichwertigen dritten Sprache. 3 | Vgl. Berg 1993: 14ff.; verwiesen sei zudem auf Pauly 2011.

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Das Loi sur le régime des langues vom 24. Februar 1984 verankert das Luxemburgische auch gesetzlich als Nationalsprache: »La langue nationale des Luxembourgeois est le luxembourgeois« (Art. 1). Die für Außenstehende bisweilen befremdlich anmutende Tatsache, dass die Festlegung der Nationalsprache eben nicht in dieser erfolgt, macht die Funktion des Französischen als Langue de la législation augenfällig: »Les actes législatifs et leurs règlements d’exécution sont rédigés en français« (Art. 2). Das Deutsche wird, neben dem Französischen und dem Luxemburgischen, demgegenüber in Art. 3 zu den Langues administratives et judiciaires gerechnet: »En matière administrative, contentieuse ou non contentieuse, et en matière judiciaire, il peut être fait usage des langues française, allemande ou luxembourgeoise […].« Auch ist festgeschrieben, dass bei Anfragen an die Verwaltung die deutsche Sprache, wiederum neben der luxemburgischen und französischen, gebraucht werden kann und die Antwortschreiben in der entsprechenden Sprache, allerdings unter der Einschränkung »dans le mesure du possible«, zu verfassen sind (Art. 4: »Requêtes administratives«). Die Mehrsprachigkeitssituation in Luxemburg kann heute als Modellfall für das vielsprachige Europa betrachtet werden. Der seitens der EU und in den Einzelstaaten propagierten Aneignung von Zweit- oder Drittsprachen (neben der Muttersprache), die im Normalfall durch gezielten Fremdsprachenunterricht ›künstlich‹ geleistet werden muss, steht in Luxemburg das Ideal einer quasi natürlich mehrsprachigen Gesellschaft gegenüber. Mehrsprachigkeit ist in Luxemburg nicht ein Vermögen zur angemessenen Bewältigung von sprachlichen Sondersituationen, sondern gelebter Alltag. Dass damit besondere Anforderungen, nicht zuletzt bezogen auf das Schulsystem, einhergehen, ist nicht zu leugnen. Unterm Strich bleibt aber der unbestreitbare Mehrwert der Luxemburger Mehrsprachigkeit. Deren Vorzüge liegen auf der Hand: So steht den Luxemburgern aufgrund ihres Sprachbesitzes sowohl das angrenzende deutschsprachige wie auch das französischsprachige Ausland (sprach-)barrierefrei offen. Ein Vorteil, der sich etwa an den intensiven grenzüberschreitenden Aktivitäten (Einkauf, Hausbau, Studium etc.) ablesen lässt. Zudem kann das wirtschaftlich prosperierende Großherzogtum die für den wachsenden Arbeitsmarkt benötigten Arbeitskräfte relativ problemlos aus dem angrenzenden französischen, belgischen oder deutschen Ausland rekrutieren, wofür die täglichen Grenzpendlerströme ein eindrucksvoller Beweis sind. Nicht zuletzt die Mehrsprachigkeit rückt Luxemburg in eine zentrale Position und eröffnet Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten, die weit über das Maß von Ländern vergleichbarer Größe hinausweisen. Als Zwischenland zwischen Deutschland und Frankreich erwächst Luxemburg aufgrund seiner Mehrsprachigkeit eine natürliche Brückenfunktion. Auch innerhalb der europäischen

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Großregion Saar-Lor-Lux4 kommt Luxemburg eine herausgehobene Position zu, sicher nicht nur aufgrund der Eigenstaatlichkeit und seiner wirtschaftlichen Bedeutung, sondern auch durch seinen Sprachbesitz. Auch die Funktion des Landes als, neben Brüssel und Straßburg, ›dritte Hauptstadt der EU‹ lässt sich in diese Linie stellen. So beherbergt Luxemburg eine Reihe europäischer Institutionen wie den Europäischen Gerichtshof, den Europäischen Rechnungshof oder die Europäische Investitionsbank, daneben aber u.a. auch Dependancen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments. Hier wie dort ist diese zentrale und zugleich herausgehobene Position, zumindest mittelbar, zweifellos auch auf die Luxemburger Mehrsprachigkeit und die damit verbundene erweiterte Handlungs- und Verhandlungskompetenz zurückführbar. Ein beredtes Zeugnis für die Vorteilhaftigkeit der spezifisch Luxemburger Mehrsprachigkeit und der sich daraus ableitenden Kommunikationskompetenzen zeigt sich auch in der Medienpräsenz Luxemburger Politiker im Ausland. So ist beispielsweise Staatsminister Jean-Claude Juncker oder auch Außenminister Jean Asselborn regelmäßiger Interviewgast im deutschen Radio (z.B. Deutschlandfunk), im Fernsehen (z.B. ARD) oder in Printmedien (z.B. Der Spiegel). Offensichtlich schätzen diese die Möglichkeit, als Luxemburger, aber mehr wohl noch als Europäer, auf diese Weise in den deutschsprachigen Raum hineinzuwirken. In Luxemburg ist man sich des Wertes der Mehrsprachigkeit denn auch sehr wohl bewusst. Dies gilt zum einen für die offizielle Politik: So »zielen alle sprach- und kulturpolitischen Konzepte auf die Wertschätzung und den Erhalt der Mehrsprachigkeit« (Kühn 2010: 1733). Dies lässt sich andererseits auch aus den Aussagen der Luxemburger Bevölkerung ableiten. Verwiesen sei hier auf die Ergebnisse einer repräsentativen empirischen Erhebung unter der Luxemburger Wohnbevölkerung (einschließlich der ausländischen Einwohner) aus dem Jahr 2008/09 (1 579 Personen), die im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität Luxemburg durchgeführt und unter dem Titel Doing Identity in Luxemburg 2010 (IPSE 2010) veröffentlicht wurde. Danach stehen fast sämtliche Befragte der Mehrsprachigkeit des Landes grundsätzlich positiv gegenüber und sehen darin die Möglichkeit, ›einen reibungslosen Kontakt zu vielen Menschen zu pflegen‹ oder bewerten die Mehrsprachigkeit als ›kulturelle Bereicherung‹ (jeweils 95 %). Verwunderlich ist die hohe Zustimmungsrate nicht, wenn man sich einmal vor Augen hält, welche Konsequenzen der Verlust dieser Mehrsprachigkeit nach sich zöge: So hätte (1.) eine Reduzierung der Mehrsprachigkeit allein auf das Luxemburgische aufgrund der geringen Sprecherzahl und der dadurch 4 | Hierzu gehören neben Luxemburg auf deutscher Seite das Saarland und RheinlandPfalz, die Lorraine auf französischer sowie die Wallonie und das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf belgischer Seite.

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bedingten eingeschränkten kommunikativen Reichweite zwangsläufig eine Selbstisolierung, wenn nicht gar ›Ghettoisierung‹ Luxemburgs zur Folge – mit unabsehbaren Rückwirkungen auf die Prosperität des Landes. Daneben würde (2.) eine Reduzierung der Mehrsprachigkeit um eine der beiden begleitenden Landessprachen Luxemburg zwangsläufig aus dem Zentrum eines übergreifenden kulturellen Zusammenhanges zu einem peripheren Randbezirk eines Kulturkreises degradieren. Auch eine solche Marginalisierung kann nicht im Sinne des wohlverstandenen Eigeninteresses Luxemburgs sein. Ist also die Luxemburger Sprachsituation ein Idyll, ein sprachliches Utopia? Die Antwort auf diese Frage ist weit schwieriger als die Frage selbst und fällt je nach Blickwinkel und der Größe des angelegten Maßstabes naturgemäß unterschiedlich aus. Man könnte sagen, ja, wenn man die Luxemburger Situation mit den sprachlich begründeten Spannungen in anderen Ländern (etwa Belgien oder Kanada) und den daraus resultierenden sozialen und politischen Verwerfungen konfrontiert. Bei näherer Betrachtung zeigt sich – und alles andere wäre auch verwunderlich – auch in Luxemburg die enge Verbindung von Sprachkontakt- und Sprachkonfliktphänomenen. So stehen die einzelnen Sprachen partiell durchaus in Opposition oder können unterschiedliche (sprachliche) Kompetenzniveaus zur sozialen Distinktion genutzt werden. Auch die gegebene Domänenverteilung begegnet bisweilen Vorbehalten und Ablehnung. Zudem läuft jede Veränderung nach der einen oder anderen Seite Gefahr, Proteste und Widerstände der ›unterlegenen Seite‹ zu provozieren. Das Interesse gilt demnach nicht nur der Mehrsprachigkeit als Gesamtgefüge, sondern unterhalb dieser Ebene, aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Präferenzen, auch den sie konstituierenden partikularen Einzelsprachen.5

Rolle und Funktion der deutschen Sprache in der Gegenwart Von außen betrachtet, insbesondere aus Sicht vieler Deutscher (außerhalb der Großregion), gilt Luxemburg als frankophones Land. Bestätigen wird sich dieser Eindruck für touristische Besucher, zumal in der Hauptstadt Luxemburg, etwa durch die Straßen- und sonstige Hinweisbeschilderung oder die Sprache in der Gastronomie. Französisch dominiert in der Außenwahrnehmung. Hinzu kommt, dass auch die meisten öffentlichen Institutionen wie Ministerien und Ämter französischsprachige Bezeichnungen tragen, Französisch die offizielle Sprache am großherzoglichen Hof ist, die Briefmarken meist französischsprachige Aufdrucke haben u.s.w. Das Luxemburgische wird ein aufmerksamer 5 | Empirisch nachweisbar ist dies etwa durch die Analyse von entsprechenden Leserbriefen. Vgl. hierzu Gilles u.a. 2010: 79ff.

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Besucher wohl (erst) auf den zweiten Blick wahrnehmen, nämlich als die gesprochene Sprache der Luxemburger. Die deutsche Sprache ist im öffentlichen Raum bei oberflächlicher Betrachtung dagegen kaum wahrnehmbar. Wenn also Luxemburg ein auch deutschsprachiges Land ist, dann ist dies – jedenfalls für Außenstehende – eine gut versteckte Tatsache. Charles Berg hat diesbezüglich treffenderweise das Bild des Eisbergs benutzt,6 von dem bekanntlich nur die Spitze sichtbar, der weitaus größte Teil aber, weil unter der Oberfläche gelegen, dem Auge des Beobachters entzogen ist. Sichtbar und wahrnehmbar ist die deutsche Sprache in Luxemburg (immer noch aus der Perspektive des außenstehenden Beobachters) am ehesten bei einem Blick auf die Zeitungsstände und in die Buchläden. Beliebteste und am meisten genutzte Pressesprache ist nämlich das Deutsche. Das Luxemburger Wort (seit 1848) ist die älteste, renommierteste und zugleich auflagenstärkste Zeitung, aber auch andere Tages- und Wochenzeitungen wie das Tageblatt (Zeitung für Lëtzebuerg, seit 1913), das Lëtzebuerger Journal (seit 1948), die Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek (seit 1946), D’Lëtzebuerger Land (seit 1954) Lëtzebuerg Privat (Unabhängige Wochenzeitung für Luxemburg, seit 2006), Den neie Feierkrop (onofhängege Knaschtebeschmotzer, seit 1993) sind als deutschsprachige Zeitungen zu identifizieren. Inserierte französischsprachige Beiträge sind bei einigen der genannten Titel keineswegs selten und Familienanzeigen werden in der Regel auf Luxemburgisch abgedruckt. Auch Illustrierte wie die Revue (de Magazin fir Lëtzebuerg, seit 1945) oder der Télécran (Das Luxemburger Magazin, seit 1978) sind überwiegend in deutscher Sprache verfasst. In anderen Publikationsorganen wie dem forum (für Politik, Gesellschaft und Kultur, seit 1976) oder der WOXX (seit 1988, zunächst als GréngeSpoun) halten sich die deutsch- und französischsprachigen Anteile in etwa die Waage. Daneben existieren in Luxemburg aber auch durchaus (rein) französischsprachige Zeitungen wie der Quotidien (seit 2001) oder der Jeudi (seit 1997), während La Voix du Luxembourg, erst 2001 gegründet, ihr Erscheinen 2011 wieder einstellen musste. Seit einigen Jahren erfreuen sich darüber hinaus auch zwei Gratiszeitungen, die etwa an Bushaltestellen oder Tankstellen ausliegen und wohl besonders die zahlreichen Grenzpendler ansprechen sollen, großer Beliebtheit. Dabei ist der L’Essentiel (seit 2007) rein französischsprachig, während der Point 24 sowohl als französischsprachige (seit 2007) wie auch als deutschsprachige Version (seit 2009) ausliegt. Erst jüngst (seit 2012) ist mit der DeLux (Zeitung für Mosel, Sauer und Our) eine weitere deutschsprachige und zugleich grenzüberschreitende Gratiszeitung auf dem Markt, die in Kooperation zwischen dem Luxemburger Tageblatt und dem Trierischen Volksfreund monatlich zu jeweils 35 000 Exemplaren an Haushalte diesseits und jenseits der luxemburgisch-deutschen Grenze verteilt wird. Aufs Ganze betrachtet 6 | Und zwar im Rahmen der Tagung Das Deutsche im Kontext der Luxemburger Mehrsprachigkeit (6.–7. November 2008; Universität Luxemburg).

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überwiegt die deutsche Sprache demnach im Bereich des Luxemburger Pressewesens. Diesem Bild entspricht insgesamt auch die historische Situation des auch in der Vergangenheit bereits reichhaltigen Zeitungsmarktes, wenngleich zu Beginn eine französischsprachige Zeitung, die allerdings »zuerst für den lothringischen und französischen Markt gedacht« war (Hilgert 2004: 14), steht, nämlich La Clef du cabinet des princes de l’Europe ou recuëil historique & politique sur les matières du tems (1704–1773). Folgt man der Analyse Clynes (1995: 52), so besteht eine Korrelation zwischen der Sprache der Zeitungen und der sozialschichtlichen Zuordnung ihrer Leserschaft: Where there is a choice, e.g. for business letters, the upper and middle classes, and especially the intellectuals, use French as their H [high language], while the lower classes prefer German, partly because it is the main language of primary education, making it more the written language of the masses and partly because of its closeness to the vernacular. This is the reason why German is the principal language of press.

Bei genauerem Hinsehen und im Lichte der jüngeren Bevölkerungsentwicklung Luxemburgs trifft diese Aussage allerdings nur zum Teil zu: Erstens hat sich die soziale Stratifizierung aufgrund der meist frankophon geprägten ›Unterschichtung‹ der Luxemburger Gesellschaft durch Arbeitsimmigration inzwischen deutlich verändert. Zweitens scheint die Präferenz für das Französische als Schreibsprache in bestimmten Textsorten (wie Geschäftsschreiben) durchaus verträglich mit einer Bevorzugung des Deutschen als Lektüresprache in anderen Bereichen zu sein. Ein klares Indiz dafür liefern die Bestsellerlisten des Luxemburger Büchermarktes (dazu unten mehr). Bei näherer Sicht wird man, um auf das Bild des Eisberges zurückzukommen, oberhalb der Wasseroberfläche durchaus noch einige andere Beobachtungen machen können, die auf die Funktion der deutschen Sprache in Luxemburg hindeuten. Hinzuweisen ist zum einen auf die öffentlichen Schilder, Aushänge und dergleichen. Zwar dominiert hier insgesamt und besonders bei einsprachigen ›Zeichen‹ das Französische. Bei den vielfach vorfindbaren mehrsprachigen Zeichen ist die deutsche Sprache hingegen ein häufiges Konstitutionselement (vgl. Gilles u.a. 2010: 91ff.). Eine Besonderheit verbindet sich mit der FastfoodKette McDonald’s, die das Deutsche als primäre Sprache (für Beschilderung, Verpackungsbeschriftung, Rechnungsbelege etc.) nutzt (vgl. Klein 1999: 95). In der Werbung spielt die deutsche Sprache ebenfalls eine, wenngleich auch hier insgesamt nachrangige Rolle (vgl. Reddeker 2011: 254ff.). Es lassen sich auch in diesem Sektor Auffälligkeiten konstatieren. So wirbt die Supermarktkette Cactus eben auch mit deutschsprachigen Werbebeilagen. Nicht selten finden sich zudem deutschsprachige Filme in den Luxemburger Kinos. Zudem hat das Deutsche einen hohen Stellenwert bei der Literatur-

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produktion im Großherzogtums.7 Und auch für die Aufführungspraxis an den Luxemburger Theatern ist die deutsche Sprache wichtig, wie an dem nachstehenden (abschnitthaften) Auszug aus dem aktuellen Spielplan des Luxemburger Nationaltheaters (Theatre National du Luxembourg) deutlich gemacht werden kann:8 Guy Rewenig / Frank Hoffmann: MANDERSCHEID. EIN STILLLEBEN (Uraufführung); Fausto Paravidino / Jill Christophe: PEANUTS (Eine Produktion in französischer Sprache.); Albert Ostermaier / Frank Hoffmann: AUFSTAND (Uraufführung); Jean-Guillaume Weis / Dance Theatre Luxembourg: LOGOZOO; William Shakespeare / Armin Holz; WAS IHR WOLLT ; Christian Lollike / Anne Simon: DIE GESCHICHTE DER ZUKUNF T (Deutsch von Gabriele Haefs); Jean-Paul Sartre / Anne Simon: LA PUTAIN RESPECTUEUSE (Eine Produktion in französischer Sprache.); Molière / Marja-Leena Junker: LES FEMMES SAVANTES (Eine Produktion in französischer Sprache.); Sylvia Camarda / missdeluxedanceco!; HOW DO THEY KNOW THAT THEY ARE THE LAST HUMANS ON EARTH ? (Eine Produktion in englischer Sprache.); Rafael Kohn / Hans Joachim Frank: LUPENREIN (Uraufführung); George Tabori / Frank Hoffmann: ABENDSCHAU – u.s.w.

Wenn dies, um auf die Metapher zurückzukommen, der Teil des Eisberges oberhalb der Wasserlinie ist, was, wäre zu fragen, befindet sich darunter? Eine ganze Menge, wie im Folgenden gezeigt werden soll: So ist das Deutsche nicht nur insgesamt die beliebteste Sprache bei der Zeitungslektüre, sondern auch beim sonstigen Medienkonsum. Dies gilt insbesondere für die Wahl der Fernsehsender. Hier rangiert das deutschsprachige Fernsehen, worauf in entsprechenden Studien bereits mehrfach hingewiesen wurde,9 deutlich vor Programmen in luxemburgischer oder französischer Sprache. Nach der rezenten IDENT-Erhebung ergibt sich die folgende Verteilung: 50 % der Befragten präferieren das Deutsche als beliebteste Sprache beim Fernsehkonsum, 29 % das Französische und 9 % das Luxemburgische.10 Nach Nationalität differenziert, zeigt sich die Vorliebe für deutschsprachiges Fernsehen vor allem bei den (autochthonen) Luxemburgern. Von diesen geben 69 % an, Deutsch sei für sie die bevorzugte Fernsehsprache (gegenüber 14 % Luxemburgisch und 13  % Französisch).11 Zudem zeigt eine Aufsplittung nach Alter, dass die Bevorzugung des deutschsprachigen Fernsehens zwar für alle Alters7 | Vgl. die Beiträge von Jeanne Glesener und Irmgard Honnef-Becker in diesem Band. 8 | Vgl. http://www.tnl.lu/de/index.php?nav=2. 9 | Vgl. etwa Berg 1993 u. Fehlen 2009. 10 | Hier ist zu konzedieren, dass das luxemburgische Fernsehen kein Vollprogramm anbietet, sodass im Normalfall eine Wahl zwischen den Angeboten der deutschsprachigen und französischsprachigen Sender zu treffen ist. 11 | Andererseits ergibt sich für den Anteil der ausländischen Einwohner eine Präferenz (50%) für das französischsprachige Fernsehen.

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stufen gilt, bei den jüngeren Generationen aber deutlich zunimmt (vgl. Gilles u.a. 2010: 75). Als zweitbeliebteste Fernsehsprache rangiert das Luxemburgische (29 %) knapp vor dem Französischen (28 %). Aufschlussreich – und in sprachlicher Hinsicht meiner Kenntnis nach bislang noch kaum berücksichtigt – sind daneben die internationalen und nationalen Bestsellerlisten der meistverkauften Bücher in Luxemburg, wie sie von RTL, Radio Télévision Luxembourg, monatlich sowie (zusammenfassend) zum Jahresende veröffentlicht werden:12 In Bezug auf die internationalen Bestseller zu Lëtzebuerg – August 2012 (Déi meescht verkaaften »international« Bicher am Juli.)13 zeigt sich dabei das folgende, durchaus exemplarische Bild:

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi /Auteur: Tom Hillenbrand Teufelsfrucht: Ein kulinarischer Krimi /Auteur: Tom Hillenbrand La nationalité luxembourgeoise: Histoire d‘un alliage européen / Auteur: Denis Scuto Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand / Auteur: Jonas Jonasson Reiches Erbe: Commissario Brunettis zwanzigster Fall / Auteur: Donna Leon The Expats /Auteur: Chris Pavone Tatort Trier: Tina du kenns keng Gefor! / Auteur: Rita Wennmacher Gregs Tagebuch 6: Keine Panik / Auteur: Jeff Kinney Geschichte Luxemburgs / Auteur: Michel Pauly A Portrait of Luxembourg / Auteur: Georges-Henri Dumont/Vicent Mercks L’étrange voyage de Monsieur Daldry / Auteur: Marc Levy Mein Name ist Stilton, Geronimo Stilton / Auteur: Geronimo Stilton Gregs Tagebuch: Mach’s wie Greg! / Auteur: Jeff Kinney Livre from Nutella / Auteur: Sandra Mahut Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry / Auteur: Rachel Joycem

12 | S. auch Lëtzebuerger Bicherediteuren (vgl. www.edituers.lu). 13 | Vgl. http://kultur.rtl.lu/bicher/bestsellerlescht_international/288863.html.

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Für das Gesamtjahr 2011 ergibt sich als Rangfolge: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Hummeldumm / Auteur: Tommy Jaud 3096 Tage / Auteur: Natascha Kampusch Guinness World Records 2011 [dt. Version] Der Luxemburg Atlas - Atlas du Luxembourg / Auteur: Patrick Bousch / Tobias Chilla / Philippe Gerber u.a. Der Feind im Schatten / Auteur: Henning Mankell Bis(s) zum ersten Sonnenstrahl: Das kurze zweite Leben der Bree Tanner / Auteur: Stephenie Meyer Der Koch / Auteur: Martin Suter Sonst noch Fragen? Warum Frauen kalte Füße haben und andere Rätsel / Auteur: Ranga Yogeshwar Ach so!: Warum der Apfel vom Baum fällt und weitere Rätsel des Alltags / Auteur: Ranga Yogeshwar Sturz der Titanen / Auteur: Ken Follett Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen / Auteur: Thilo Sarrazin Schöner Schein: Commissario Brunettis achtzehnter Fall / Auteur: Donna Leon Le voleur d‘ombres / Auteur: Marc Levy La carte et le territoire / Auteur: Michel Houellebecq Das verlorene Symbol / Auteur: Dan Brown

Die voranstehenden Aufzählungen zeigen, dass die Bestsellerlisten weit überwiegend deutschsprachige Buchtitel verzeichnen, was den Status des Deutschen als wichtigste Lektüresprache auf dem Presse- und Buchmarkt unterstreicht. Französischsprachige Titel sind demgegenüber eher selten. Gestützt wird dieser Befund letztlich auch mit Blick auf die nationalen Bestsellerlisten. Auch hier spielt die deutsche Sprache eine wichtige Rolle, allerdings nicht in Verbindung mit dem Französischen, sondern dem Luxemburgischen:14

1.

Was Sie schon immer alles über Luxemburg wissen wollten aber bisher nie zu fragen wagten (und über Island schon gar nicht) / Auteur: Georges Hausemer

14 | Referenzmonat ist auch hier der Juli 2012.

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Die große Hatz / Auteur: André Link Ons Jongen a Meedercher - Die gestohlene Jugendzeit / Auteur: Georges Even Weimerskircher Jenisch. Auch Lakersprache oder Lakerschmus genannt / Auteur: Jospeh Tockert 170 Witzer op Lëtzebuergesch / Auteur: Jérôme Lulling 2016 / Auteur: Steve Weyland De Mann aus dem Séi / Auteur: Henriette Nittel Der Versuch, zu sein / Auteur: Isabel Spigarelli De Grüffelo / Auteur: Julia Donaldson/Axel Scheffler Lieux de mémoire au Luxembourg / Erinnerungsorte in Luxemburg / Auteur: Benoît Majerus/Sonja Kmec/Michel Margue/Pit Péporté Ketty Thull / Auteur: Carlo Sauber/Fränk Weder / Editions Schortgen De klenge Stär Poli / Auteur: Susy Schmit Muedebëtzeg / Auteur: Roland Meyer Krass! Lëtzebuerger Dixionär / Auteur: Guy Rewenig Die geheimen Gärten Luxemburgs / Auteur: Guy Rewenig

Auch bei der Nutzung von Internetseiten, der Lektüre von Gebrauchsanweisungen,15 der Spracheinstellung bei Navigationsgeräten etc. zeigt sich eine Bevorzugung der deutschen Sprache. Dazu passen auch die eher beiläufigen Beobachtungen im universitären Bereich der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luxemburg. Bei identischen Themenstellungen und entsprechenden Wahlmöglichkeiten präferieren Luxemburger Studierende in aller Regel das deutschsprachige Kursangebot (im Vergleich zum französischsprachigen), bei der elektronischen Kursevaluierung werden überwiegend die deutschsprachigen Fragebögen genutzt (anstelle der französischen und englischen). Die deutsche Sprache ist darüber hinaus auch eine der wichtigen Wissenschaftssprachen im Land. So ist sie zum einen (neben Französisch und Englisch) eine der offiziellen Sprachen der mehrsprachigen Luxemburger Universität. Zum anderen schlägt sich die Rolle des Deutschen sowohl in der Rezeption der Forschungsliteratur nieder wie auch in deren Produktion.16 Auch als Sprache des akademischen Unterrichtes fällt dem Deutschen in Luxemburg eine 15 | Vgl. Danielle Wilhelmy: Die sprachhistorische Entwicklung des Luxemburgischen: Vom Dialekt zur Sprache? BA-Arbeit 2010, Universität Luxemburg (unveröff.). 16 | Die oben vorgestellten Bücherlisten enthalten z.B. drei Werke Luxemburger Kolleginnen und Kollegen aus der Geschichtswissenschaft. Eines davon (Michel Pauly) ist auf Deutsch, eines auf Französisch (Denis Scuto) und ein weiteres auf Französisch und Deutsch verfasst (Benoit Majerus, Sonja Kmec, Michel Margue, Pit Péporté). Die Sprachenverteilung dieses zufälligen Befundes dürfte repräsentativ sein für den genannten Zusammenhang.

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wichtige Funktion zu – und dies gilt keineswegs allein für das germanistische Lehrangebot. Vielmehr ist das Deutsche als ›Co-Sprache‹ neben Französisch und/oder Englisch auch in Fächern wie der Psychologie, der Geschichtswissenschaft, der Philosophie, der Pädagogik, der Geografie oder etwa in den Ingenieurswissenschaften vertreten. Eine nicht zu vernachlässigende Funktion übernimmt die deutsche Sprache darüber hinaus auch für den Luxemburger Arbeitsmarkt. Zwar ist die weit überwiegende Zahl der Stellenausschreibungen auf Französisch verfasst und rangiert das Französische (mit 61,1 %) an erster Position der am meisten geforderten Sprachen (Langues exigées), allerdings folgt bereits relativ dicht dahinter das Deutsche (54,9 %). Die Vergleichswerte für das Luxemburgische beziffern sich auf 44,6 %, für das Englischen, als ›Sprache des Bankenwesens‹, auf 21 % (vgl. Pigeron-Piroth/Fehlen 2010: 14f.).17 Auch als Sprache im Bereich der öffentlichen Verwaltung hat das Deutsche – wie im oben zitierten Artikel des Sprachgesetzes von 1984 bereits erkennbar – einen nicht unwesentlichen Nutzwert. Für Formulare und Anschreiben, insbesondere im Bereich der Steuerverwaltung, wird (auch) das Deutsche verwendet.18 Darüber hinaus kommt ihm auch im Gottesdienst eine wichtige Rolle zu (vgl. Berg 1993: 36f.). Erklärbar sind die Präferenzen vieler Luxemburger für die deutsche Sprache, insbesondere beim Medienkonsum, vor allem dadurch, dass diese nach dem Luxemburgischen mehrheitlich am besten beherrscht wird (vgl. Gilles u.a. 2010: 69f.). Das wiederum dürfte zum einen in der systemisch engen Verwandtschaft zwischen dem Luxemburgischen und dem Deutschen begründet sein, zum anderen aber auch zusammenhängen mit der Luxemburger Schulausbildung. Auch hier kommt der deutschen Sprache schon dadurch eine wesentliche Aufgabe zu, dass sie als Alphabetisierungssprache der Luxemburger Schüler in der Primarschule (Enseignement primaire) fungiert. Auch in den nachfolgenden Schulstufen (Enseignement secondaire bzw. secondaire technique) wird das Deutsche – neben dem Französischen – als Unterrichtssprache intensiv genutzt. Der Status des Deutschen als Alphabetisierungssprache, insbesondere vor dem Hintergrund des großen Anteils von Schülern mit romanophonem Migrationshintergrund, ist durchaus Anlass kritischer Diskussionen. Die dabei bisweilen getroffene Aussage, dass die deutsche Sprache für diesen Teil der

17 | Die Zahlen beziehen sich auf eine Auswertung des Luxemburger Wortes für das Jahr 2009. 18 | In einem jüngst an meine Adresse gesandten allgemeinen Mitteilungsschreiben des Centre commun de la s’ecurite sociale sind die Inhalte auf der Vorderseite auf Französisch und Deutsch, auf der Rückseite zusätzlich auf Portugiesisch und Englisch mitgeteilt.

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Schülerschaft eine entscheidende Aufstiegsbarriere sei (vgl. etwa Weber/Horner 2012: 112), scheint allerdings zu kurz zu greifen: Die PISA- und PIRLS-Studien, an denen Luxemburg teilgenommen hat, zeigen allerdings eindeutig, dass mangelnde schulische Erfolge und unzulängliche Fähigkeiten im Deutschen nicht in erster Linie auf die Anderssprachigkeit der Schüler zurückzuführen sind. PIRLS 2006 hat beispielsweise bewiesen, dass die Grenze zwischen leseschwachen und lesestarken Schülerinnen und Schülern nicht zwischen Luxemburgern und Migranten oder zwischen den Landes- und Migrationssprachen verläuft, es sind vielmehr interdependente sozioökonomische und migrationsspezifische Faktoren, die eine Leseschwäche oder Lesestärke nach sich ziehen. (Kühn 2010: 1734)

All das wäre also, um hier letztmalig die Metapher zu bemühen, der Teil des Eisberges unter der Oberfläche, der von Außenstehenden kaum wahrgenommen werden kann und der deshalb nicht selten zu einer fehlerhaften Einschätzung der Sprachsituation im Land führt. Aber nicht nur Außenstehende unterschätzen vielfach die Relevanz der deutschen Sprache in Luxemburg, auch die Einheimischen selbst neigen nicht selten zu einer Unterbewertung. Die deutsche Sprache scheint, um ein anderes Bild zu evozieren, so etwa zu sein wie der blinde Fleck im Sprachbewusstsein vieler Luxemburger. So ist – wie gezeigt wurde – der praktische Nutzwert der deutschen Sprache in Luxemburg zwar unbestreitbar groß, allerdings scheint dieser oft nicht ins Bewusstsein zu treten: Interessant ist die Einstellung der Luxemburger zu den drei Landessprachen: Das Deutsche wird von den Luxemburgern gegenüber dem Französischen, Luxemburgischen und Englischen nicht nur als eher altmodisch, hässlich und grobschlächtig angesehen, sondern auch noch als eine überflüssige Sprache – eine frappierende Bewertung angesichts des hohen Stellenwerts des Deutschen in der Luxemburger Schriftlichkeit oder der starken Rezeption in den Medien. (Kühn 2010, S. 1733)

Die Frage nach den Ursachen des Missverhältnisses zwischen dem realen Nutzen und der Nützlichkeitszuschreibung verweist auf ein Spannungsverhältnis, in das offensichtlich eine Reihe unterschiedlicher Wirkfaktoren einfließen. Nicht auszuschließen ist, dass die Selbstverständlichkeit der Nutzung der deutschen Sprache beim Medienkonsum unterhalb einer Auffälligkeitsschwelle bleibt, zumal der Gebrauch des Deutschen in aller Regel kein aktiver ist, sondern ein rezeptiv-passiver. Sodann dürften, bewusst oder nicht, wohl auch Werthaltungen mitwirken, die aus den seit dem zweiten Weltkrieg tradierten Vorbehalten gegenüber dem Deutschen herrühren. Auch dadurch bedingt konnte sich wohl kein Bewusstsein dafür herausbilden, dass aufgrund der historischen

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Sprachsituation auch das Deutsche zum legitimen kulturellen Erbe des Landes gehört.

Blick in die Historie Auch unter einer historischen Perspektive und mit Blick auf die Schriftsprachgeschichte zeigt sich eine „Dualität von Französisch und Deutsch“ (Solms/Wegera 1999, 17), teilweise ergänzt durch eine lateinische Schriftlichkeit. Schon aufgrund dieser Besonderheit erweist sich Luxemburg als lohnender und ergiebiger Forschungsgegenstand. Umso verwunderlicher ist die bis heute noch unzureichende Aufarbeitung und Erhellung der differenzierten sprachhistorischen Abläufe dieses Raumes.19 Grund hierfür ist die lange Zeit vernachlässigte Erschließung des historischen Quellenmaterials. Doch gerade in jüngerer Zeit sind hier deutliche Fortschritte zu konstatieren, nicht nur, aber eben auch bedingt durch die editorischen und sprachhistorisch-analytisch orientierten Arbeiten an den Universitäten Trier und Luxemburg.20 Es ist durchaus legitim, das heutige Luxemburger Territorium, wie auch den österreichisch-bairischen und schweizerisch-alemannischen Sprachraum, in sprachgenetischer Hinsicht dem deutschsprachigen Raum zuzuordnen. Dialektgeografisch und sprachhistorisch ist Luxemburg Teil des Westmitteldeutschen bzw. des Moselfränkischen. Aus der Perspektive einer Gesamtbetrachtung des deutschsprachigen Raumes rückt Luxemburg dadurch notwendigerweise in eine Randlage, mit der Gefahr, die spezifischen Bedingungen und Eigendynamiken dieses Gebietes nur unzureichend zu erfassen. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Hinwendung zu einer Regionalsprachenforschung21 erweist sich aber auch hier die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer Maßstabverschiebung und einer Konzentration auf kleinräumigere Untersuchungsfelder. »Dabei werden nicht nur sprachstrukturelle Veränderungen thematisiert, sondern auch solche Prozesse, die Sprachgebrauch und Sprachbewertung sowie Sprachkontakte u. a. m. betreffen« (Macha/Neuss/Peters 2000: VII). Es leuchtet ein, die so formulierten Aufgabenstellungen auch in ein Programm zur Erarbeitung einer eigenständigen und ausdifferenzierten 19 | Dies soll die Bedeutung der grundlegenden Arbeiten Bruchs aus den 1950er Jahren nicht schmälern. 20 | Hinzuweisen ist hier auf die Arbeiten von Moulin 2006a u. 2006b, Moulin/Nübling 2006, Moulin/Pauly 2007ff., Wegera/Solms 1999, Gilles 1998 u. 2000 u. Gilles/Wagner 2011. Hingewiesen sei auch auf den Beitrag von Dominic Harion und Britta Weimann in diesem Band. 21 | Vgl. Etwa Macha/Neuss/Peters 2000 oder auch das Sonderheft Regionale Sprachgeschichte (1998).

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Luxemburger Sprachgeschichte zu überführen. Die Betrachtung der Entwicklungsverläufe der deutschen Sprache ist dabei sicherlich nur ein Baustein, allerdings ein wichtiger, umso mehr, als sich hiermit auch die Möglichkeit verbindet, »die sprachgeschichtlichen Wurzeln des erst im 19. Jahrhundert in der Schriftlichkeit einsetzenden Lëtzebuergeschen systemsprachlich« nachzuvollziehen (Ravida 2011: 83). Im gegebenen Zusammenhang muss es genügen, nur ein paar wesentliche Elemente anzureißen. Bemerkenswert ist zunächst die Tatsache, dass die Anfänge der Schriftgeschichte des Deutschen in Luxemburg, namentlich im Kloster Echternach nachweisbar sind. Bereits in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts finden sich hier althochdeutsche (Griffel-)Glossen,22 die, wohl als Übersetzungshilfe, in lateinischen Handschriften eingetragen wurden. »Echternach gebührt in der deutschen Sprachgeschichte ein besonderer Platz.« So »kann es beanspruchen, der Überlieferungsort der ältesten originalen Zeugnisse des Althochdeutschen zu sein« (Glaser/Moulin-Fankhänel 1999: 104). Von daher ist die – eingestandenermaßen blumige – Bemerkung, »Die Wiege der deutschen Sprache steht in Luxemburg« (Sieburg 2009: 191), durchaus gerechtfertigt, auch wenn damit natürlich keine monogenetische Entwicklung behauptet werden soll. Die unbestreitbar enge Verknüpfung und partielle Übereinstimmung der Luxemburger Sprachgeschichte mit der Geschichte der deutschen Sprache in Luxemburg resultiert aus der Kontinuität der Verwendung der deutschen Sprache und deren Funktion in unterschiedlichen Relevanzbereichen der Schriftlichkeit. So ist das Deutsche ab dem frühen 14. Jahrhundert Urkundensprache und spielt überhaupt im Verwaltungsschrifttum eine wichtige Rolle, wie sich auch am Beispiel der Rechnungsbücher der Stadt Luxemburg aus dem 14. und 15. Jahrhundert zeigen lässt (vgl. Moulin/Pauly 2007ff.). Deutsch war im 17. Jahrhundert etwa auch Druckersprache in Luxemburg (vgl. Solms/Wegera 1999). In deutscher Sprache (moselfränkisch-luxemburgischer Prägung) ist auch das berühmteste mittelalterliche literarische Werk des Großherzogtums, die Yolanda von Vianden des Dominikanermönchs Bruder Hermann von Veldenz verfasst (vgl. Moulin 2009). Es geht mir hier nicht um die Sprachgeschichte als solche, sondern um die Schlussfolgerungen, die sich daraus ableiten lassen. Im Lichte der historischen Befunde kann vernünftigerweise nicht daran gezweifelt werden, dass die deutsche Sprache als Teil des kulturellen Erbes Luxemburgs zu betrachten ist.23 Auch vor diesem Hintergrund erscheinen die Negativbewertungen gegenüber der deutschen Sprache unverständlich. 22 | Zum Thema Glossen sei hingewiesen auf Bergmann/Stricker 2009; speziell für die Echternacher Glossen auf Glaser/Moulin-Fankhänel 1999. 23 | Diese Behauptung wäre natürlich für das Französische ebenfalls zu treffen.

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Abb. 1: Titelblatt einer Ordnung von 1604 aus der Druckerei der Witwe Birthon

Quelle: Solms/Wegera 1999: 25 Unter historischer Perspektive kann aber von einer doppelten und in der Wirkung widersprüchlichen oder zumindest ambivalenten ›inneren‹ und ›äußeren‹ Geschichte der deutschen Sprache in Luxemburg gesprochen werden, wie im Folgenden schlagwortartig gezeigt werden soll. –



Als innere Geschichte der deutschen Sprache in Luxemburg verstehe ich deren eigendynamische, an den inneren Bedürfnissen orientierte und jedenfalls nicht von außen aufoktroyierte Entwicklung. Als äußere Geschichte wären demnach jene Umstände zu betrachten, die als außerhalb Luxemburgs initiierte Sprachsteuerung anzusehen sind, vor allem unter Verletzung der Autonomie des Landes und des Selbstbestimmungsrechts seiner Bürger. Mit der inneren Geschichte des Deutschen verbindet sich demnach der positiv besetzte Begriff des kulturellen Erbes, mit äußerer Geschichte die Vorstellung der Überwältigung, bestenfalls des Imports. Die innere Geschichte mahnt zu Sprachpflege, die äußere gebietet Abwehr und Widerstand. Ge-

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genüber stehen sich somit Nähe und Distanz, Vertrautheit und Fremdheit, Autonomie und Fremdherrschaft. Innere Geschichte betont eine vertikal diachrone Perspektive und Dynamik, während äußere Geschichte eher als eine horizontale Größe verstanden werden kann, deren Dynamik vor allem in der Dimension des Raumes zu denken wäre. Zur inneren Geschichte zähle ich das ›Longue-durée-Phänomen‹ einer kontinuierlichen deutschsprachigen Schriftlichkeit seit den Anfängen der Glossografie in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Wirkmächtigstes Ereignis der äußeren Geschichte war zweifellos die Okkupation Luxemburgs durch NS-Deutschland, die ihre Scheinlegitimation eben nicht zuletzt in der Deutschsprachigkeit des Großherzogtums suchte.

Die Begriffe der inneren und äußeren Geschichte können möglicherweise dazu beitragen, das schwierige und gespaltene Verhältnis gegenüber der deutschen Sprache in Luxemburg analytisch besser zu verstehen. So wird die deutsche Sprache im Land zwar auf vielfältigste Weise genutzt, aber dennoch als eher nutzlos betrachtet. Sie gehört zwar offensichtlich zum kulturellen Erbe des Landes, das Bewusstsein hiervon ist aber überlagert oder jedenfalls getrübt durch die Vorstellung des Deutschen als der (fremden) Sprache des östlichen Nachbarn und von den historischen Negativerfahrungen mit diesem.

Sprachbewertung, Sprachwandel, Sprachstandards Ein möglicher anderer Erklärungsgrund für die vergleichsweise negative Bewertung ergibt sich aus dem Umstand, dass sich das Luxemburgische gegen das Deutsche und vom Deutschen emanzipieren musste, um den heutigen Status der Eigenständigkeit zu erlangen. Das ging nicht ohne Abgrenzung und Zurückweisung. Wenngleich die Eigenständigkeit des Luxemburgischen heute außer Zweifel steht, bleibt doch im Bewusstsein vieler seiner Sprecher eine latente Angst vor der Gefährdung dieser Errungenschaft. Diese wird zum einen abgeleitet durch den demografischen Wandel des Landes, der, so zumindest eine Sichtweise, als »katastrophale demographische[  ] Situation« (Hoffmann 1979: 135) interpretiert wird. Und in der Tat zeichnet sich ab, dass die autochthonen Luxemburger über kurz oder lang in eine Minderheitenposition rücken werden. Ob damit allerdings die behauptete Gefahr des Untergangs des Luxemburgischen und damit des Verlustes eines wesentlichen Moments der Luxemburger Identität droht, ist keinesfalls wahrscheinlich. Im Gegenteil zeichnet sich eine Stärkung des Luxemburgischen ab, was sich nicht zuletzt an der steigenden Nachfrage für Kurse im Fremdsprachenerwerb zeigt. Zudem dürfte sich hier insbesondere auch die Verwendung des Luxemburgischen als Integrationssprache im vorschulischen Bereich stabilisierend auswirken.

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Eine Gefährdung des Luxemburgischen, eine »fortschreitende Ausdünnung« (Scheidweiler 1988: 245), wird daneben aber auch als Folge einer zunehmenden systemischen Veränderung (Überformung) durch sprachlichen Transfer gesehen, wobei gerade in jüngerer Zeit eine immer stärkere Beeinflussung (und Bedrohung24) durch das Deutsche konstatiert wird. Schon Berg (1993: 142) verweist hier beispielhaft auf eine Umweltdebatte im Luxemburger Parlament (vom 13.  Februar 1990) und führt u.a. folgende Belege an: »Offallbesäitegong, Müllverbrennungsanlag, Mülltonn, Sondermüll, Haaptsammelbecken, Schadstoff, Zwëschelager, Industriemüll.« Problematischer noch scheint die Einwirkung des Deutschen in Fällen, wo nicht, wie in den voranstehenden Beispielen, lexikalische Lücken im Luxemburgischen geschlossen werden, sondern bereits vorhandene Benennungselemente ersetzt werden: »lexikalisch: anstatt (statt aplaatz), schnell (statt séier), säit (statt zënter, zanter), mindestens (statt op d’mannst); syntaktisch: Aufgabe der traditionellen Voranstellung des Modalverbs: […] hien huet heemgoe kënnen (statt hien huet kënnen heemgoen)« usw. (Berg 1993: 146f.). Letztlich zeigen sich hier aber Entwicklungen, die unter dem Begriff der Entlehnung in vielen Sprachen, nicht zuletzt im Deutschen, zu beobachten sind. Ob man diese, unter eher puristischem Vorzeichen, als Sprachverlust begreift oder im Lichte sprachhistorischer Erkenntnisse als notwendige Bereicherung auffasst (vgl. Sieburg 2010), soll hier nicht weiter diskutiert werden. Festzustellen bleibt jedoch, dass das Luxemburgische gerade wegen seiner Verwendung in immer mehr Funktionsbereichen eines fortgesetzten Ausbaus bedarf. Dabei nimmt die deutsche Sprache als Gebersprache (sprachlicher Steinbruch) für das Luxemburgische eine wichtige Funktion ein. Zu bedenken ist auch, dass sprachlicher Transfer nicht nur eine Einflussrichtung (Deutsch ĺ Luxemburgisch) hat, sondern auch in die Gegenrichtung (Luxemburgisch ĺ Deutsch) erfolgt. Die Einträge aus dem Luxemburgischen sind neben solchen aus dem Französischen die wichtigste Ursache dafür, die deutsche Sprache in Luxemburg als nationale Varietät (Existenzform) der plurizentrischen deutschen Standardsprache (Luxemburger Standarddeutsch) zu bestimmen. Im Bereich der Varietätenlinguistik hat sich das Konzept der Plurizentrizität inzwischen weitgehend etabliert und ist für viele Sprachen (wie Englisch, Französisch, Niederländisch oder Arabisch) unbestritten. »Hauptmerkmal dieser [plurizentrischen] Sprachen ist es, dass sie in zwei oder mehreren Staaten vorkommen, dort den Status einer offiziellen Verwaltungs- oder Staatssprache haben und dadurch eine gewisse sprachliche und kommunikative Selbststän24 | »d’Schoul, déi geschriwe Press a vrun allem 25 däitschsproocheg TV-Programme rullen haut iwer eis Sprooch ewéi Dampwalzen,’ Gréng a rout Leschten, Special Issue of Eis Sprooch (1999)«, zit. n. Péporté u.a. 2010: 301.

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digkeit entwickeln« (Muhr 2003: 191). Auch die deutsche Sprache zählt – als Staats- oder Verwaltungssprache in sieben Ländern – zu den plurizentrischen Sprachen und bildet dort, mehr oder weniger ausgeprägt, eigenständige nationale Varietäten. Impliziert ist damit die Gleichrangigkeit der nationalspezifischen Varianten und die Abkehr von der traditionellen monozentrischen Sichtweise. Die plurizentrische Auffassung von der deutschen Sprache bedeutet, dass sprachliche Besonderheiten nationaler Zentren nicht als Abweichungen von einer nationenübergreifenden deutschen Standardsprache gelten, sondern als gleichberechtigt nebeneinander bestehende standardsprachliche Ausprägungen des Deutschen (Ammon u.a. 2004: XXXII).

Abhängig davon, ob die sprachlichen Besonderheiten kodifiziert sind, lassen sich die Zentren in Voll- und Halbzentren differenzieren. Hierzu zählen: Deutschland (deutschländisches Deutsch25), Österreich (österreichisches Deutsch), die Schweiz (schweizerisches Deutsch), Liechtenstein (liechtensteinisches Deutsch), Belgien (ostbelgisches Deutsch), Italien (Südtiroler Deutsch) – und eben auch Luxemburg (Luxemburger Deutsch). Luxemburger Deutsch (oder Luxemburger Standarddeutsch) ist demnach die Bezeichnung einer eigenständigen und gleichberechtigten Varietät der deutschen Standardsprache. Wenngleich eine Normenkodifikation bislang nicht erfolgt ist, zeigt sich aufgrund der usuellen Sprachpraxis ein Vielzahl von ›Luxemburgismen‹, die zumindest eine eigene Gebrauchsnorm signalisieren und die eine Eigenständigkeit gegenüber dem deutschländischen Deutsch (oder auch anderer Standardvarietäten) erweisen. Differenzen können in unterschiedlichen Bereichen der Sprache (Syntax, Pragmatik, Prosodie) auftreten, im Vordergrund stehen aber meist Abweichungen in der Lexik und hier vor allem bei den Substantiven. Abhängig davon, ob nationale Varianten nur in einem Land vorkommen oder in mehreren,26 kann zwischen spezifischen und unspezifischen Varianten unterschieden werden. Luxemburger Spezifika sind etwa Bering (vs. Umschwung CH27; ›Gelände‹, ›Umland‹), Erkennungstafel (vs. Kennzeichentafel A, Kontrollschild CH, Num25 | Die Begrifflichkeit ist gerade hier wegen des Zusammenfalls der Staats- und Sprachbezeichnung letztlich unbefriedigend. Alternativ werden auch die Termini BRDDeutsch oder auch bundesrepublikanisches Deutsch verwendet. Clyne (1995) verwendet in englischer Terminologie, aufgrund der attestierten »semantic confusion« (23), letztlich ebenfalls unzufriedenstellend, den Begriff German German. 26 | Varianten, die in allen Teilen des deutschsprachigen Gebietes vorkommen, gelten als gemeindeutsch. 27 | CH = Schweiz, BELG = Belgien, A = Österreich, D = Deutschland, STIR = Südtirol.

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mernschild CH, D, Kenntafel STIR), Fahrradpiste (vs. Fahrradweg, D), Konsultation (›Informationssuche‹, ›Informationsabfrage‹), Klassensaal (vs. Klasse AU, D, Schulzimmer CH), Leichendienst (vs. Auferstehungsgottesdienst A, Beerdigungsgottesdienst CH, Totenmesse D). Unspezifische ›Luxemburgismen‹ sind dagegen beispielsweise Kollektivvertrag (auch A, vs. Bereichsvertrag STIR, Gesamtarbeitsvertrag CH, Tarifvertrag D), UHT-Milch (auch CH, vs. H-Milch A, D), Ehrenwein (auch CH), Automoblist (auch CH, Autolenker, A, CH, Autofahrer D), Stage (auch CH vs. Praktikum D), Zivilstand (auch CH, BELG vs. Familienstand AU, D).28 Auch Wörter und Wendungen wie Schöffe (›Mitglied des Gemeinderates‹), Semester (auch für ›Schulhalbjahr‹), Camion, Ambiance (›Stimmung‹, ›Atmosphäre‹), Taxichauffeur, Turnsaal, arrangieren (›von Vorteil, hilfreich sein‹), zensurieren, klassieren, rennen (›gegen etwas fahren‹), progressiv (›nach und nach; sukzessive‹), wintertags (›im Winter‹), nur mehr (›nur noch‹), Notizen nehmen, sich basieren auf etc. zählen zu den gebräuchlichen Eigenheiten des Luxemburger Deutsch. Es dürfte nachvollziehbar sein, dass es völlig verfehlt wäre, diese nationalen Besonderheiten des Deutschen in Luxemburg als fehlerhaftes Deutsch zu markieren und als Beurteilungsmaßstab allein die deutschländische Norm zu sehen. Eine Schwierigkeit besteht gleichwohl in der Abgrenzung zu individuellen sprachlichen Fehlleistungen, die etwa als Interferenz des Luxemburgischen zu bestimmen wären. Notwendig wäre hier letztlich die Kodifizierung durch ein Wörterbuch, wie sie für die Schweiz (Meyer 2006) oder Österreich (Sedlaczek 2004) und ansatzweise auch für Belgien (Heinen/Kremer 2011) erarbeitet wurde und wozu die bereits ältere Arbeit von Magenau (1964), ›Die Besonderheiten der deutschen Schriftsprache in Luxemburg und in den deutschsprachigen Teilen Belgiens‹, einen Ansatzpunkt liefern könnte. Dazu bedarf es zum einen der Einsicht und des politischen Willens, ein solches Projekt zu unterstützen, zum anderen aber auch einer fundierten wissenschaftlichen Auseinandersetzung um das Thema. Immerhin zeichnet sich ein zunehmendes Interesse dafür an unterschiedlichen ausländischen Universitäten (darunter Trier und Halle-Wittemberg) ab. Und auch im Bereich der Germanistik der Universität Luxemburg gehört die Auseinandersetzung um das Luxemburger Standarddeutsch zu den zentralen Forschungsgegenständen.29 Dieses Forschungsinteresse legitimiert sich zuallererst aus der Sache selbst heraus. Als Nebeneffekt wäre aber auch denkbar, dass sich hierüber mittelbar eine differenziertere und angemessenere Haltung gegenüber der deutschen Sprache in Luxemburg entwickeln könnte. So ist das Deutsche in Luxemburg zwar keine Muttersprache, aber eben auch keine Fremdsprache. Ihr kommt vielmehr der Status einer ›Eigensprache‹ zu, in dem Sinne, dass sie zum kulturellen Eigenbesitz des Landes zu zählen ist. 28 | Beispiele und Angaben vornehmlich aus Ammon et.al. (2004). 29 | Vgl. Heimböckel/Mein/Sieburg (2012) sowie Sieburg (2012).

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Ausblick Bemerkenswert ist, dass sich bei der jüngeren Generation die Einstellungen gegenüber der deutschen Sprache offensichtlich positiv verändern. Darauf deuten jedenfalls die Ergebnisse der IDENT-Studie hin: So zeigen die sprachbezogenen Sympathiezuschreibungen das folgende Bild: Das Luxemburgische genießt mit weitem Abstand die höchsten Sympathiewerte. 56 % der Gesamtstichprobe und 77 % der Befragten Luxemburger Nationalität votieren entsprechend. In Bezug auf die Sympathiewerte, aber auch in Hinblick auf das Maß der Sprachloyalität steht das Luxemburgische sozusagen außer Konkurrenz. 30 % aller Befragten bewerten das Französische als zweitsympathischste Sprache und nur 23 % das Deutsche. Eine differenzierte Analyse nach dem Alter der Probanden kommt (bezogen auf die Frage nach der zweitsympathischsten Sprache) aber zu dem folgenden, durchaus bemerkenswerten Ergebnis. Mit abnehmendem Alter verringern sich die Sympathiewerte für das Französische deutlich, während die des Deutschen ebenso klar ansteigen.

Abb. 2: Sympathiewerte für die deutsche und französische Sprache nach Alter (vgl. Gilles u.a. 2010: 73)30     

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Das Ergebnis lässt sich in Einklang bringen mit der bereits oben geschilderten Präferenz für deutschsprachige Fernsehsender. Auch hier zeigt sich eine entsprechende Alterskurve:

30 | Links jeweils Prozentangaben, unten Altersstufen.

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Abb. 3: Beliebteste Fernsehsprache nach Alter (vgl. Gilles u.a. 2010: 75)    

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Und schließlich bestätigt auch ein dritter Befund, zumindest indirekt, den Trend hin zu einer wieder zunehmenden Akzeptanz der deutschen Sprache und wohl auch zu einer Verminderung der »sprachaffektiven Absonderung von Deutschland« (Berg 1993: 146). Gefragt wurde danach, wie oft die Nachbarländer Frankreich, Belgien, Deutschland besucht würden und in welchem dieser Länder sich die Probanden ›am wohlsten‹ fühlten. Bezogen auf die Besuchshäufigkeit zeigt sich bei den Luxemburgern eine gewisse Vorliebe für das Nachbarland Deutschland.31 Bezogen auf den ›Wohlfühlwert‹ eines Landes ergibt sich wiederum eine deutliche Alterskorrelation: Abb. 4: ›Wohlfühlwert‹ des Landes nach Alter (vgl. Gilles u.a. 2010: 78) 60 50 40

Frankr.

30

Belgien Deutschl.

20 10 0 >60

45459

30444

21429

16420

31 | Dazu passt auch die Entwicklung bei der grenzüberschreitenden Wohnmobilität: »2001 wanderten die Luxemburger in nahezu gleichen Anteilen in die drei Nachbarländer (33 % nach Frankreich, 30 % nach Belgien und 37 % nach Deutschland), doch seitdem hat sich die Wahl des Ziellandes eindeutig auf Deutschland verlagert: 2007 nehmen das Saarland und Rheinland-Pfalz 70 % der Luxemburger auf, während die jeweiligen Anteile für Lothringen bzw. Wallonien 17 % bzw. 13 % betragen« (Brosius/ Carpentier 2010: 31).

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Natürlich dürfen diese Ergebnisse nicht überbewertet werden, dennoch scheinen sie einen Hinweis auf einen möglichen Wandel zu geben. Ob und inwieweit sich dieser auf die Situation der deutschen Sprache in Luxemburg auswirkt, lässt sich allerdings noch nicht abschätzen. Berg (1993: 82) fasst »die jüngere diachronische Entwicklung der Verwendung der drei Sprachen« wie folgt zusammen: Lëtzebuergesch : progressiv / Französisch : konstant / Deutsch : regressiv. Im Sinne der Sicherung des Luxemburger Modells der Mehrsprachigkeit wäre zu wünschen, dass sich die dritte Position stabilisiert. Vielleicht deutet sich das ja in den vorgestellten Befunden bereits an.

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Le multilinguisme comme caractéristique et défi de la littérature au Luxembourg Jeanne E. Glesener Abstract This paper investigates multilingualism as a characteristic and challenge of Luxemburgish literature, addressing the question of how multilingualism structures the literary field. It considers the debate concerning the naming of Luxemburgish literature and highlights the various kinds of multilingualism at text-level and their change in meaning across time. Its focus on metalanguage discourses in Luxemburgish literature brings the attitude of authors towards multilingualism to the fore and allows the presentation of language concepts whose contextualization provides a more thorough understanding of writing between languages. This last point is considered in more detail in the context of contemporary multilingual literature and is viewed in relation to the discourse on multilingualism in the international context of the 1980s. Die Mehrsprachigkeit als Charakteristikum und Herausforderung der luxemburgischen Literatur steht im Zentrum dieses Aufsatzes. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie diese sich innerhalb des Literaturfeldes präsentiert und zu welchen Debatten sie zum Beispiel in Bezug auf die Benennung der luxemburgischen Literatur geführt hat. Des Weiteren wird auf die verschiedenen Arten von textueller Mehrsprachigkeit und deren sich ändernde Bedeutung im Laufe der Zeit hingewiesen. Anhand des metasprachlichen Diskurses innerhalb der luxemburgischen Literatur wird zum einen das Verhältnis luxemburgischer Autoren zur Mehrsprachigkeit erklärt, zum anderen werden Sprachkonzepte herausgearbeitet, deren zeitliche Kontextualisierung zu interessanten Einsichten bezüglich des Schreibens zwischen den Sprachen führt. Letzteres wird genauer in Bezug auf die Mehrsprachigkeit in der Gegenwartsliteratur analysiert und mit dem internationalen Kontext der 1980er Jahre in Verbindung gebracht.

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J EANNE E. G LESENER Comme une ombre je poursuis les langues que le hasard a plantées dans moi poursuivi par une ombre qui connaît toutes les langues et qui sait que chacune n’est que l’ombre de l’autre. Jean Portante (1994: 60)

La situation trilingue du Luxembourg, où les langues, plutôt que d’être juxtaposées, s’entrecroisent naturellement, influence inévitablement la production littéraire du pays, à tel point d’ailleurs que l’interaction entre les différentes langues détermine la spécificité de la littérature luxembourgeoise. En effet, le Luxembourg est dans la situation certes rare de pouvoir se revendiquer d’une littérature en plusieurs langues, dont les dominantes sont les littératures d’expression allemande, française et luxembourgeoise. En même temps, l’inscription du multilinguisme dans la définition même de la littérature grand-ducale se reflète au niveau de la matérialité du texte, où plusieurs langues peuvent cohabiter dans l’espace scriptural. Ainsi, si la situation de la littérature luxembourgeoise est intéressante, elle est avant tout complexe. Il convient de s’interroger, d’une part, sur les modalités de la manifestation du multilinguisme dans la littérature en question, de voir sa pratique à l’œuvre et d’analyser sa mise en texte. D’autre part, la question se pose de voir quelle influence le paradigme du multilinguisme peut exercer sur les écrivains, de comprendre comment ils appréhendent et ont appréhendé dans le passé le fait d’écrire à la croisée des langues. La présente étude se propose d’approcher ces questions de différents angles. Elle ne prétend nullement à un compte rendu exhaustif de la problématique mais d’offrir un tour d’horizon succinct de l’effet du multilinguisme sur la littérature et le champ littéraire luxembourgeois. Ces deux domaines ne sont guère dissociables l’un de l’autre, notamment si on opère, comme nous le faisons ici avec le concept traditionnel de littérature nationale, aux dépens de celui de littérature régionale par exemple (Schmeling/Schmitz-Emans 2002: 24). La donnée du multilinguisme a des répercussions au-delà de sa seule manifestation au niveau du texte littéraire. De ce fait, la discussion autour de la dénomination même de la littérature en question – doit-on parler d’une littérature en trois langues ou de trois littératures nationales? – mérite l’attention. De même, la nature linguistiquement composite des œuvres des écrivains luxembourgeois se doit d’être évoquée, ne serait-ce que sommairement. Le métissage linguistique et son effet constituent le premier point focal de l’analyse et une approche historico-littéraire permettra de relever l’évolution de l’effet et de ses significations au cours d’époques choisies. Il s’impose, par la suite, de présenter l’influence du multilinguisme sur l’écrivain, de mettre en exergue les question-

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nements, les doutes et l’inconfort qu’il génère. Le discours métalangagier de certains écrivains luxembourgeois ainsi que les métaphores et les concepts de langue définis par eux, aident à mettre en évidence les considérations extra-littéraires qui, à leur tour, sous-tendent l’écriture entre les langues.

1. Le multilinguisme comme caractéristique de la littérature au Luxembourg Concernant les caractéristiques qu’entraine le multilinguisme pour la littérature au Luxembourg, celle de la dénomination compte certainement parmi les plus particulières.

Une littérature en trois langues ou trois littératures nationales? Le fait que la littérature luxembourgeoise s’écrive principalement en allemand, en français et en luxembourgeois engendre la question de savoir s’il faut dès lors parler d’une littérature en trois langues ou de trois littératures distinctes. Ce débat distingue alors le Luxembourg des autres littératures multilingues européennes, comme celles de Belgique, de Suisse et d’Espagne par exemple, où le fait que chaque littérature émerge d’une partie déterminée du territoire national et renvoie à une communauté de langue précise explique la distinction entre les différentes littératures au niveau de la dénomination. Ceci fut aussi le cas au Luxembourg et la formule des »trois littératures luxembourgeoises« s’est maintenue jusqu’à aujourd’hui, mais il est vrai que la formule »d’une littérature en trois langues« commence graduellement à s’imposer. La différence entre les deux formules n’est pas anodine; elle traduit deux façons particulières d’appréhender la/les littérature/s en question et qui concernent autant le référent culturel (commun) que le degré d’affiliation aux littératures étrangères. Dans son étude majeure Sprachen in Luxemburg, Fernand Hoffmann écrit que »[v]ielleicht das interessanteste kulturelle Phänomen in Luxemburg ist die Existenz von drei Literaturen: einer französischen, einer hochdeutschen und einer mundartlich-lëtzebuergeschen« (Hoffmann 1979: 65), mais il omet d’expliquer les raisons de cette tripartition. En réalité, il s’agit ici d’une formulation consacrée. Devons-nous supposer alors que cette séparation des littératures se fait sur la base de critères linguistiques du fait qu’elles appartiennent à des familles de langues  spécifiques? En tout cas, l’emploi de la formule »mundartlech-lëtzebuergesch« pour désigner la littérature d’expression luxembourgeoise semble confirmer cette hypothèse. Que doit-on inférer cependant au sujet du

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référent culturel ainsi que du degré d’affiliation par rapport aux littératures allemande et française? Où se situent les points d’intersection entre les trois littératures? Qu’est-ce qui les unit? Qu’est-ce qui les distingue les unes des autres au-delà de la donnée évidente de la langue d’écriture? La thèse des »trois littératures« est retenue aujourd’hui principalement par la critique littéraire francophone. Pour Frank Wilhelm, la tripartition se justifie par le rapport affectif que l’écrivain grand-ducal maintient aux différentes langues. Selon lui, c’est de ce rapport que découle la thématique propre aux textes en allemand, en français et en luxembourgeois (Wilhelm 2010: 100) et c’est lui qui permet dès lors la séparation des littératures, étant donné que chacune se focalise sur des sujets bien à elle. Wilhelm souligne par ailleurs que [la] critique germanophone a plutôt tendance à parler de »littérature nationale« (»Nationalliteratur«), comme si toute la production des écrivains luxembourgeois formait un bloc monolithe: or, les références culturelles respectives des auteurs germanographes, luxembourgographes et francographes divergent considérablement […] (ibid.: 110).

Toutefois, ni les rangs de la critique francophone, ni ceux de la critique germanophone d’ailleurs, ne sont si serrés que Wilhelm le laisse entendre. Dans l’article Littératures luxembourgeoises? de 1990, Rosemarie Kieffer, elle-même éminente critique de langue française, se pose la question si dans le sillage de l’émergence d’une littérature d’expression luxembourgeoise, la tripartition est encore valide. Malheureusement, elle s’abstient de trancher la question (Kieffer 1990: 296). Le renouveau qu’a connu la littérature grand-ducale pendant les années 70 et 80 entraine le basculement de la formule consacrée des »trois littératures«. Ce basculement s’annonce entre autre dans l’article de Fernand Hoffmann, publié dans le Mémorial de 1989 publié à l’occasion du 150e anniversaire de l’indépendance du pays. Si l’article s’intitule Die drei Literaturen Luxemburgs. Ihre Geschichte und ihre Problematik, l’auteur note cependant: Dieses in der Literatur auf Hochdeutsch und auf Lëtzebuergesch sehr starke und in der Literatur auf Französisch weniger ausgeprägte, aber doch deutlich erkennbare, Nationalgefühl ist der Integrationsfaktor, der bewirkt, dass die Literatur der Luxemburger eine Literatur in drei Sprachen ist, d.h. dass es trotz der Dreisprachigkeit […] auch einen charakteristischen […] gemeinsamen Nenner gibt« (Hoffmann 1989: 467) [souligné JEG].

S’agit-il ici d’une souscription à l’idée d’une littérature en trois langues? Pas vraiment. La méthode appliquée en tout cas infirme l’hypothèse, étant donné que les littératures sont considérées séparément et que le point focal se situe, comme chez Wilhelm, sur la particularité de leurs thématiques respectives.

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Quant au syntagme »une littérature en trois langues«, il institue d’emblée une mise en rapport entre »les littératures« en accentuant leur convergence. Il a par ailleurs l’avantage d’être plus explicite quant au référent culturel, dont le syntagme suggère qu’il est luxembourgeois en même temps qu’il est, inévitablement, linguistiquement et culturellement hybride. Bien évidemment, la question du degré d’affiliation aux littératures allemandes et françaises reste importante dans ce cas également. De date plus récente, cette formule souligne plus explicitement la volonté de reconnaissance de la différence qui se fait sentir notamment à partir des années 80, dont il sera encore question ultérieurement. Or, la formule n’est pas incontestée non plus: Literatur in Luxemburg […] hat nichts mit Deutschtum im Ausland zu tun, nichts mit grenzregionaler Minderheitenliteratur, kaum etwas mit Mundartdichtung. Wer deutsch oder französisch in Luxemburg schreibt, schreibt nicht in der Diaspora, nicht einmal in einer exotischen und defizitären Zwitterstellung. Die Formel einer Nationalliteratur in drei Sprachen […] mag zwar konsensfähig sein, sie wirkt aber insofern hemmend, als sie […] die komplexe Orientierungs-, Differenzierungs- und Selbstfindungsarbeit vor einem multilingualen und multikulturellen Horizont [klein hält]. (Goetzinger 2004: 23)

La place nous manque pour entrer véritablement dans les détails de ce débat et pour en dresser l’historique,1 mais on aura compris que, dans le cas de la littérature au Luxembourg, il découle de la donnée multilingue.

Œuvres mono-, bi- et trilingues Il est bien évident qu’un texte produit par un auteur grand-ducal n’est pas nécessairement multilingue, de même qu’un écrivain luxembourgeois n’est pas d’office un écrivain multilingue.2 Nous distinguons, en effet, entre des écrivains enclins à s’exprimer en une langue seulement et ceux qui écrivent 1 | Il faudrait en effet isoler le point de départ des thèses de Hoffmann et de Wilhelm. Le premier considère l’évolution de la littérature grand-ducale exclusivement dans le contexte du développement du sentiment de l’identité nationale alors que le deuxième fait de l’analyse de la constitution identitaire et de la conscience identitaire, étudiées d’un point de vue davantage culturel que national, la base de son argumentation. Il va de soi que le changement de paradigme qui s’opère avec la formule »une littérature en trois langues« se doit d’être considéré avec la même attention. 2 | Cette stipulation s’applique avant tout au choix de la langue et à la présence de différentes langues dans l’œuvre d’un écrivain. Le contraire est également admissible et il est tout à fait possible de soutenir que tout écrivain grand-ducal, du fait qu’il crée à partir d’une situation multilingue est d’office un auteur multilingue et que son œuvre en porte irrémédiablement la trace.

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dans plusieurs langues. Ainsi par exemple, un grand nombre des écrivains et poètes d’expression française, parmi eux Nicolas Ries (1876–1941), Paul Palgen (1883–1966), Joseph Leydenbach (1903–1997), Edmond Dune (1914–1988), Josée Ensch (1942–2008) et Jean Sorrente (* 1954), écrit exclusivement en une langue. D’autres, dont l’œuvre est principalement en une langue, s’essayaient cependant aussi dans l’écriture dans d’autres langues. Faut-il rappeler ici que Batty Weber (1860–1940), d’expression littéraire allemande, a à son nom deux pièces de théâtre en français, À Mondorf (1890) et Le Lasso (1922), que la bibliographie de Georges Hausemer, qui écrit en allemand, comprend le roman en luxembourgeois intitulé Iwwer Waasser, que Lambert Schlechter, qui a opté pour le français comme langue littéraire, a commencé sa carrière avec un recueil de poèmes et des textes en prose en allemand? Chez Roger Manderscheid, le nombre de productions en langues allemande et luxembourgeoise s’équivalent à peu près, alors que Guy Rewenig publie régulièrement dans les trois langues. Ces quelques exemples témoignent d’emblée de la flexibilité linguistique des auteurs grand-ducaux et montrent que la tentative de schématiser scientifiquement leur choix de langue est illusoire. Ce choix est motivé tant par des raisons intimes que par des impératifs esthétiques et par l’ambition d’accéder au marché du livre à l’étranger. Or, ce ne serait pas faire justice au paysage de la littérature contemporaine si l’on ne parlait pas des autres langues qui, à côté du luxembourgeois, du français et de l’allemand, commencent à se manifester littérairement. En effet, suite à la mondialisation et donc à la migration des langues, des textes rédigés dans des langues autres que les plus usuelles émergent. Ainsi, des publications en italien et en espagnol ne sont pas rares. En outre, l’anglais s’impose de plus en plus.3 Rappelons qu’au Concours littéraire national de 2010, le 2e prix a été remporté par Robert Schofield pour son roman The Fig Tree and the Mulberry, publié 3 | Cette fascination des auteurs luxembourgeois pour l’anglais ne date pas d’aujourd’hui mais se trouve déjà chez des auteurs du début du XX e siècle et notamment chez René Engelmann, Joseph Tockert et Isi Comes. Ces trois professeurs de lycée avaient été envoyés en Angleterre par le gouvernement pour étudier et perfectionner leur maîtrise de la langue de Shakespeare pour pouvoir, vu l’importance croissante de l’anglais, l’enseigner dans les filières modernes des classes du secondaire classique. Les trois sont revenus d’Angleterre, avec non seulement de nouvelles idées pour l’orthographe de la langue luxembourgeoise, qui à cette époque attendait encore sa codification officielle et institutionnelle, mais aussi avec une fascination prononcée pour la littérature anglaise. Isi Comes rédigea son travail de candidature sur Rudyard Kipling. Dans des poèmes, Joseph Tockert donne expression à sa fascination pour Percy Byshe Shelley, dans son poème »St. Magdalen’s, Oxford« (1922), rédigé néanmoins en allemand; pour qui a lu les nouvelles de René Engelmann, l’inspiration auprès du gothique anglais d’un Horace Walpole ou d’une Anne Radcliffe n’est que trop évidente.

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depuis. Cette tendance vers l’anglais s’est d’ailleurs confirmée lors du concours de l’année 2011, où le 1ier prix a été décerné au poète débutant Tom Hengen pour son recueil Explorations in C et le 3e à Dana Rufolo pour Joyn: A Marriage Made in Megaheaven (De Toffoli 2011: 15). Cependant, l’émergence de l’anglais comme langue littéraire n’est pas de date récente et on peut évoquer ici comme pionniers l’écrivain polyglotte Claudine Muno (The Moon and the big winds, 1996) et Sandra Schmit (A Winter Tale, 2005). Chez d’autres encore, l’anglais attend toujours en coulisse et émerge au détour d’une phrase. C’est notamment le cas de Nico Helminger, chez qui le métissage des langues est programmatique et chez qui la présence de l’anglais marque aussi un seuil intermédial dans la mesure où l’irruption de l’anglais dans le texte marque, souvent, une référence musicale. Puis, l’anglais est la langue d’expression littéraire des deux auteurs (extraterritoriaux) d’origine luxembourgeoise, Liliane Welch, récemment décédée et qui s’était établie au Canada, et Pierre Joris, qui vit et écrit aux Etats-Unis. Pour ces deux écrivains d’origine luxembourgeoise se pose bien sûr la question si leur production fait partie de la littérature grand-ducale, si elle ne s’inscrit pas plutôt dans le champ littéraire des littératures nord-américaines ou encore si elle est à cheval entre les deux systèmes. Le but de ce très bref tour d’horizon était de relever la nature linguistiquement composite de la littérature au Luxembourg. Celle-ci dépend de facteurs à la fois endogènes et exogènes signifiés autant par la coprésence des trois langues intrinsèques à l’espace luxembourgeois, que par l’importation de langues par des écrivains et poètes venus d’ailleurs, et ensuite par la présence croissante de la langue anglaise.

Effets du multilinguisme au niveau du texte Depuis plusieurs décennies, les recherches sur le multilinguisme en littérature jouissent d’un grand retentissement dans le milieu scientifique international. L’étude des littératures postcoloniales et migrantes et, plus récemment encore, le développement du domaine de recherche sur l’interculturalité ont contribué considérablement à établir le multilinguisme et sa manifestation littéraire comme un des champs de recherche actuellement très en vue. Or, en 1983, Tzvetan Todorov, dans sa contribution à l’ouvrage-phare sur le bilinguisme et la littérature en France, intitulé Du Bilinguisme et coédité par François Cheng, parlait déjà de la »nouvelle doxa de la polyphonie généralisée, du brassage universel des langues, de la valorisation inconditionnelle du mélange« (Todorov 1985: 13). Cette doxa s’est imposée depuis dans des programmes de recherche qui montrent à quel point l’homogénéisation de l’hétérogénéité linguistique pratiquée par les Etats bourgeois du XIXe siècle et les attitudes puristes opposées à toute forme de métissage de la première moitié du XXe siècle, ont imposé

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et cultivé une norme monolithique allant à l’encontre de la réalité sociale et linguistique de la plupart des sociétés européennes. Ainsi, l’assertion suivante souligne la nature multilingue de ces littératures nationales longtemps considérées comme les parangons du monolinguisme. Elle témoigne de la révision de l’histoire littéraire à laquelle la prépondérance du paradigme du multilinguisme a donné lieu et est révélatrice de la place qui lui est réservée dans l’approche contemporaine des littératures: Dass die Literatur einer Region, eines Landes, eines Staatsgebietes ausschließlich in einer einzigen Sprache verfasst wird, dürfte eher die Ausnahme als den Regelfall darstellen, wenn es denn nicht überhaupt eine allenfalls pragmatisch zu rechtfertigende Fiktion darstellt, von monolingualen Nationalliteraturen zu reden (Schmitz-Emans 2004: 11).

L’objet de cette approche n’est pas tant la découverte de la tradition multilingue des littératures libérées de leur enceinte monolingue que de les considérer à travers le prisme du multilinguisme. Au terme de ce détour présentant une contextualisation des plus succinctes de la place du multilinguisme dans les recherches littéraires actuelles, il s’impose de s’interroger plus concrètement sur la nature et la définition de la littérature multilingue et d’exposer la mise en texte du multilinguisme à travers d’exemples puisés dans la littérature luxembourgeoise. La description historico-littéraire que Manfred Schmeling et Monika Schmitz-Emans proposent de notre objet de recherche s’avère fort utile pour exposer les différentes facettes de sa manifestation dans la littérature au Luxembourg: Mehrsprachige Dichtung hat eine lange und an Abwechslung reiche Tradition. Seit Jahrhunderten entstehen Gedichte, die aus Bausteinen verschiedener Sprachen zusammengesetzt sind, sei es, daß dabei die Elemente der verwendeten Sprachen quantitativ annähernd gleich groß sind, sei es, daß eine Sprache klar dominiert und Bruchstücke anderer Sprachen den Text nur als Einsprengsel, als sprachliche Fremdkörper, durchziehen; sei es, daß zwei oder mehr klar voneinander abgrenzbare Sprachen verwendet werden, sei es auch, daß sie durch Kontamination verfremdet und einander angeglichen werden. Die Funktion solcher Sprachmischungen können sehr verschieden sein: Fremdsprachige Elemente werden eingesetzt, um Personen als Fremde oder etwa – je nachdem, um welche Sprache es sich handelt – als Gelehrte, Gesellschaftsmenschen, Weltenbummler oder Kosmopoliten zu charakterisieren (Schmeling/Schmitz-Emans 2002: 15f.).

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Ce descriptif permet de dégager trois caractéristiques majeures: –

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le texte, écrit dans une langue donnée, est noyauté par la présence d’une autre langue qui émerge, s’immisce plus ou moins explicitement dans le texte et ce par des mots ou phrases isolées en langue étrangère; une coprésence de plusieurs langues où les parties du texte écrites en différentes langues s’équivalent plus ou moins; la présence de sociolectes et de dialectes.

Le luxembourgeois francisé ou critique du métissage excessif Concernant la première caractéristique, elle n’est pas spécifique, conformément au propos de Schmeling/Schmitz-Emans, à la littérature d’une époque définie, mais se laisse déceler dans les textes luxembourgeois dès la première moitié du XIXe siècle. On en trouve une bonne illustration chez Antoine Meyer, auquel nous devons le premier recueil de poèmes et de ballades en langue luxembourgeoise, publié en 1829. L’extrait suivant est tiré de la ballade En Abléck an engem Wiertshaus zu Lëtzebuerg – En Bild no der Natur. Gelt dir, e wollt em keen Affront uendunn A wollt de Schai vun engem Gourmang hunn Nach léiwer as em ofzeschlon Den Dronk, deen hien em uegeson. De Waissen ass da grausem delikat, Gesait de Louis, datt e Chagréng hat, A seet: mee so, toi Chagréng, toi, Il faut buver duerop cinq fois (Meyer 2004: 149).

On remarque l’emploi de mots français isolés, dont certains ont déjà connus un changement morphologique en les adaptant aux formes de la langue luxembourgeoise. C’est le cas des substantifs »Gourmang« et »Chagréng«. Or, faut-il encore les considérer comme des mots étrangers étant donné qu’ils font désormais partie de la langue luxembourgeoise? Mais voilà une question pour les historiens de la langue, voire pour les lexicologues. On note aussi la faute grammaticale dans la dernière ligne où l’infinitif du verbe »boire« requis est remplacé par une forme proche de la conjugaison du verbe à la deuxième personne pluriel de l’indicatif présent. L’insertion des bribes de français tout au long de ce texte produit un effet comique qui d’ailleurs s’accorde bien avec la teneur quelque peu rustre de la ballade. L’emploi des mots isolés en français exprime en même temps le côté »jouer« de l’auteur, qui s’amuse à jongler avec les langues.

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Une utilisation, voire une instrumentalisation analogue du français se trouve dans D’Kirmesgäscht (1856), une des comédies les plus populaires d’Edmond de La Fontaine, dit »Dicks«. La comédie raconte l’histoire d’un menuisier qui entend marier sa fille à un des trois cousins éloignés de la famille. Les prétendants se présentent, chacun d’eux étant représentatif d’une région du pays. S’ils parlent tous dans le dialecte de leur région, c’est surtout le cousin dénommé Ficelle, s’exprimant en un luxembourgeois francisé tout à fait remarquable, qui a toujours été le favori du public. L’extrait suivant le montre en train de courtiser Nanné, la demoiselle à marier: Loszt e goe’, bel ange! ApprésiĚert der dan nĚt d’délicatesse fu sénge’ prosédée’ vis a vis fun ons zwĚn? Loszt de Papa goen, a fiĚert îech un d’Galanterie fun èngem jeune homme, dé mat ènger amoureuser AnxiétĚt de moment suprême erwart, wo en îech, en èngem délisieusen tête à tête, d’Sèntimenter, dĚ sêi’ blessĚert Hîerz mélancoliquement oppressĚeren, unnĚ Zeie’, librement èxprimĚere’ kann (Dicks 1981: 213).

Le langage lourd et hyperbolique et la préciosité du personnage indiquent, vu qu’il s’agit d’une comédie écrite pour le grand public, que c’est bien le Luxembourgeois embourgeoisé et maniéré, cherchant à se distancier du Luxembourgeois commun par le truchement d’une langue dénaturée à l’extrême, qui est tourné en dérision. D’un autre côté, la pièce est fortement dialogique dans la mesure où elle met en scène et sur scène des dialectes et sociolectes différents, caractéristiques de l’espace luxembourgeois. D’habitude, l’effet du dialogisme dépend du genre du texte littéraire. Ainsi, si dans l’écriture romanesque, il participe généralement de l’esthétique réaliste, dans le genre dramatique, il est volontairement utilisé, comme c’est le cas ici, à des fins comiques, satiriques et ludiques. Nombreux sont les exemples, notamment dans la littérature de langue luxembourgeoise où la langue française se trouve parodiée et ce par la mise en scène de protagonistes bourgeois ou à prétentions bourgeoises qui en usent de façon à se distancier du luxembourgeois commun. L’usage précieux voire la francisation excessive de la langue par ces protagonistes a pour but à la fois de critiquer cet emploi étant donné qu’il correspond à la dénaturation de l’idiome local et deuxièmement de ridiculiser les protagonistes, et par-là même les Luxembourgeois s’exprimant de cette façon. S’il est vrai que les locuteurs luxembourgeois tendent à faire des emprunts fréquents à l’allemand et au français, les auteurs désapprouvant cette pratique, notamment lorsqu’elle est excessive, veulent promouvoir ou du moins rappeler la richesse lexicale de la langue luxembourgeoise. Tel est aussi le cas de l’auteur contemporain Josy Braun, anciennement journaliste, que distingue son engagement inlassable pour la langue luxembourgeoise et ce, par exemple, par sa contribution à la Grammaire de la langue luxem- bourgeoise (2005) et au guide sur l’orthographe de la langue luxembourgeoise Eis Sprooch richteg schreiwen (1986). Il est également un des défenseurs

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majeurs de la langue luxembourgeoise comme langue d’éciture. Si ses premières productions littéraires étaient en allemand, il publie aujourd’hui principalement en luxembourgeois et lui revient l’honneur d’être l’initiateur du roman policier en langue luxembourgeoise intitulé Porto fir d’Affekoten publié en 1997. La langue littéraire de Braun est très soignée et recherchée, surtout au niveau lexical. Il tend, en effet, à utiliser des mots luxembourgeois tombés en désuétude et qu’il essaie de transmettre à ses lecteurs en les réactivant dans ses textes.4 Dans le polar Porto fir d’Affekoten, le luxembourgeois francisé qu’est le parler de certains représentants politiques est illustré à travers le personnage du procureur d’état. Pour des raisons historiques bien précises, la langue française occupe une place prépondérante dans le domaine de la justice au Grand-Duché, mais l’emploi abusif du métissage, dans ce domaine en particulier, se prête au ridicule, comme il est montré dans l’extrait suivant qui montre le procureur en discussion avec le juge d’instruction et le commissaire de police: »A sou! Dir pretendéiert also, dee Stelmes wir eng Méck? Dann tompéiert Iech alt nët. Premièrement heescht deen nët Cyprien Stelmes, mä Emmanuel Donnersbach, wat grad esou stupid kléngt. Mä dat seet Iech sécher näischt, oder?« Dat seet dem Ënnersichungsriichter wiirklech och näischt, mä de Procureur léisst hien nët laang am Onkloren. »Deen Donnersbach war bis fir un engem oder anerhalwe Joer e Collaborateur vum ›Service des Renseignements‹. Et de deux: E Cretin, en Aventurier wéi en am Buch steet; mä efficace, selon mes informations. Wéisou weess deen iwwert déi Portosgeschicht méi wéi mir?« De Bauer [le juge d’instruction] kënnt nët no. »Dee Stelmes oder den Donnersbach oder wéi deen och ëmmer heescht, deen huet op der Televisioun dach praktesch guer näischt gesot!« »A bon!«, replikéiert de Procureur gëfteg. »Da studéiert mol dat hei. Dat as scho bal eng Woch al. Mä périméiert schéngt et ner jo nët ze sin« (Braun 1997: 147f.).

Cet extrait est intéressant à deux égards. Conformément à l’esthétique réaliste, ce parler mixte est censé renseigner le lecteur sur l’appartenance sociale, la culture et certainement aussi le maniérisme du procureur. Puis, on note l’intervention d’auteur, volontaire ou non, dans la dernière ligne. Dans l’emploi du verbe »replikéieren« au lieu de »äntwerten«, l’auteur semble mimer ironiquement le personnage mis en scène ce qui lui permet alors de souligner sa désapprobation de ce qu’il considère être une dénaturation de la langue luxembourgeoise.

4 | Ainsi, dans le polar De franséischen Doud vum Oscar Messidor, on trouve par exemple les termes »Geheechnes« pour »secret« (50) et »Verhellechungsrank« pour »bague de fiançailles« (198); Braun 2007.

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Ill. 1 a u. b: Helminger 2007: 5f.

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Le métissage comme témoin de l’hybridation identitaire et sociale Comme nous l’avons stipulé plus haut, une autre caractéristique de la littérature multilingue est la coprésence de plusieurs langues dans un texte où les parties écrites en différentes langues s’équivalent plus ou moins. Un bon exemple de ce type de métissage linguistique est la pièce de théâtre au titre évocateur now here and nowhere oder den här io ming pei hätt mueres gär krevetten (2007) de Nico Helminger, montée à l’occasion de Luxembourg et Grande Région-Capitale Européenne de la Culture 2007, qui avait pour thème central les migrations. La pièce ayant entre autres pour sujet les relations ambiguës, utilitaristes et difficiles qu’entretient le Luxembourg avec ›ses‹étrangers, met sérieusement en question l’entente harmonieuse entre autochtones, immigrés et frontaliers. Ecrite en quatre langues, en allemand, en anglais, en français et en luxembourgeois, elle est pour l’auteur-dramaturge Nico Helminger sa pièce la plus (authentiquement) luxembourgeoise dans la mesure où elle met véritablement sur scène et en scène le multilinguisme qui est inhérent à l’espace luxembourgeois et qui définit sa réalité sociolinguistique. Le recours aux différentes langues et la mise en scène de leur simultanéité au quotidien rendent compte du télescopage linguistique et sa pratique par les autochtones et les allophones. Dans cette scène représentant l’interaction linguistique dans une salle d’attente, les langues fonctionnent comme de véritables personnages. C’est du moins ce que la didascalie minimaliste nous laisse supposer. Elles construisent en quelque sorte la scène avec ›leurs paroles‹. En effet, si on regarde ›leur interaction‹ de plus près, on voit bien qu’à chaque langue est attribué un rôle précis de sorte que leur simultanéité n’a rien d’arbitraire, même si au début on a l’impression qu’elles sont engagées dans un dialogue de sourds: ainsi, la voix allemande se fait la commentatrice anonyme de ce qui se passe dans la salle d’attente; la voix française, elle, est divisée,  figurant d’abord la lingua franca en vigueur dans ces lieux administratifs officiels et exprimée ici par des interjections stridentes et rudes, mais se rapporte ensuite à une femme qui chante la perte de son pays et de sa vie d’avant la migration. Enfin, la voix luxembourgeoise se démarque par son insolence et son hostilité. Cette scène, avec la répartition précise et particulière des rôles attribués aux différentes langues, propose d’entrée de jeu un regard critique sur l’entente harmonieuse entre autochtones, immigrés et frontaliers chantée par les défenseurs fervents du Grand-Duché comme »expérience in vitro réussie d’un micro-multiculturalisme intégré« (Brucher 1998: 55). D’un autre côté, on note aussi que, au niveau de la présentation, la langue luxembourgeoise remplit la fonction d’un métadiscours puisqu’elle est la langue de la didascalie et est utilisée pour l’organisation interne de la pièce.

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Le multilinguisme est un des phénomènes caractéristiques de la littérature du XXe siècle. S’il est vrai que pendant les périodes antérieures, la production de textes multilingues n’était pas une rareté, c’est à l’époque de la mondialisation que nous assistons à leur recrudescence, ce qui peut être le signe de la rupture avec la convention du monolinguisme en littérature. L’utilisation dans un texte d’éléments de langues diverses est de fait à comprendre comme une entorse à la norme établie du texte monolingue et en ceci également envers l’esthétique du purisme linguistique. Peu importe sa motivation première, le métissage linguistique signale un acte précis, celui du franchissement de frontières (linguistiques, culturelles, génériques, etc.; Schmeling/Schmitz-Emans  2002: 17) et la rupture avec le statut quo monolingue (Obendiek 2000: 184) prévalant. Ainsi, il se trouve que le »narcissisme monolithique«5 et surtout monolingue, pour emprunter la formule de Michel Foucault, est mis à rude épreuve par cette écriture multilingue. Du point de vue linguistique, l’époque de la mondialisation est celle-là même où, selon le mot d’Edouard Glissant, »les langues du monde se créolisent mutuellement« (Glissant 2007: 80). Naissent alors des langues contaminées (Amodeo 1996: 88) qui, dans le texte littéraire, sont dotées de différentes significations: Das Sprachen-Gewirr, als das gerade in der Moderne die Welt der sprachlich kommunizierenden Menschen erscheint, kann einerseits pessimistisch, als chaotisches ›Babel‹, als Ursache von Konfusion, Missverständnissen und wucherndem Sinnverlust betrachtet werden, andererseits aber auch als beglückende Vielfalt, als verbales Pendant des Reichtums an Ethnien, Kulturen und Kommunikationsformen, das dem Einzelnen eine letztlich unerschöpfliche Fülle an Möglichkeiten zur sprachlichen Reaktion auf die Welt bietet. Hybrid-sprachliche Texte sind zudem für viele Autoren der Gegenwartsliteratur Formen der Suche nach einer Identität, die selbst multipel ist: auf ethnisch-kultureller, sozialer und psychischer Ebene (Schmeling/Schmitz-Emans 2002: 19).

Une littérature qui inscrit le multilinguisme en son fond est notamment la littérature migrante contemporaine. Le thème de l’hybridité identitaire et culturelle 5 | Michel Foucault est cité par Abdourahman A. Waberi dans son article »Écrivains en position d’entraver«, où il commente justement la position de l’écrivain francophone face à une France traditionaliste et protectrice et par conséquence déphasée par rapport aux langues littéraires françaises circulant hors de l’héxagone. C’est ce refus d’accepter la nouveauté qui se véhicule à sa périphérie littéraire qui exaspère Wabéri: »Inventorier encore une fois toutes les nouvelles manières de penser, de rêver, de créer et de vivre ensemble. Nous faisons le pari d’en finir avec ce que Michel Foucault appelait déjà le ›narcissisme monolithique des Français‹ (La Quinzaine de 15 mai 1966)« (Waberi 2007: 73f.).

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y est un sujet récurrent et le télescopage des langues est un des aspects les plus saillants de son esthétique. Le principal représentant de ce genre de littérature au Luxembourg est l’écrivain luxembourgeois d’origine italienne Jean Portante qui a fait du français sa langue d’expression littéraire. Il est l’auteur du romanphare Mrs Haroy ou la mémoire de la baleine (1993), qui retrace l’histoire des travailleurs immigrés italiens au Luxembourg, mais traite aussi des questions d’assimilation, d’adaptation et d’identité hybride. Les textes des années 80 mettent en scène l’entrelacement des langues qui régissent l’univers intime du poète migrant débutant, comme on peut le voir dans ce poème pris dans le recueil Horizon, Vertige & Italie intercalaire de 1986: tu es fatiguée n’est-ce pas [gewiss. und nun ist alles in ordnung] c’è la giostra et sept icares rôdent autour du soleil sept chevaux s’éteignent dans le feu s’éloignent du fratricide recommençons sous un autre soleil [ricomminciamo sotto un altro sole, soli] (Portante 1986: 14).

Comme dans l’extrait de la pièce de Helminger, les langues donnent l’impression d’être imbriquées dans une sorte de dialogue. Les syntagmes en différentes langues peuvent correspondre à des traductions et c’est le cas pour les deux derniers vers, dont le dernier atteint cependant un degré d’indépendance de par le fait qu’il comporte un ajout par rapport au vers en français qui précède. On remarque par ailleurs que seulement les langues allemande et italienne sont mises entre parenthèses, mais pas systématiquement. Quelle en est la signification? Est-ce indicatif du corps à corps avec les langues auquel l’écrivain polyglotte se livre inévitablement? Ou leur présence, leur mise entre guillemets, anticipe-t-elle déjà la disparition de ces langues maternelles auxiliaires structurant son univers intime, mais qui vont s’éclipser graduellement dans les recueils ultérieurs? Or, selon Portante, elles sont les langues sous la langue, c’est-à-dire celles qui sont sous-jacentes à son écriture en français et dont il signale justement: »[l]es mots sont en apparence les mêmes, mais il y a en [eux] de l’italien et du luxembourgeois« (De Toffoli 2005: 20). L’absence des autres langues de l’auteur est un sujet récurrent dans ses essais, comme dans l’essai-poème Le Travail du poumon: mode d’emploi:

L E MULTILINGUISME COMME CARACTÉRISTIQUE ET DÉFI DE L A LITTÉRATURE AU L UXEMBOURG […] Que je mentais quand je disais que j’écrivais en français. Que ce n’était pas vrai, ce qu’on prétendait de moi, à savoir que j’étais un écrivain luxembourgeois d’expression française, selon la formule consacrée. Que, comme la baleine, mon écriture cachait en elle, alors que d’aspect elle était française, le poumon d’une autre langue. Que mon écriture était de forme française, mais de respiration autre dont la matérialité du texte ne savait être qu’une traduction plus ou moins efficace. Et dont le processus devait être dissout – comme l’Aspirine – Si je ne voulais pas succomber à la schizophrénie (Portante 2007b: 148).

Ces quelques exemples rendent compte des significations distinctes que l’on peut attribuer au métissage des langues dans un texte. S’il est volontairement critique au niveau de l’emprunt du vocabulaire d’une autre langue, il peut exprimer aussi un état de chose allant bien au-delà des seules considérations d’ordre linguistique. Il a dès lors une fin illustrative pour traduire des problèmes sociaux très concrets (Helminger), ou pour articuler l’entité complexe qu’est l’individu linguistiquement et culturellement hybride (Portante). On passe donc d’un procédé purement littéraire à l’expression intime d’un individu qui habite simultanément plusieurs langues. La liste des exemples démontrant les particularités multilingues de la littérature luxembourgeoise pourrait encore être continuée. En effet, qu’en est-il de la guerre entre les langues, telle que Guy Rewenig la dépeint dans son poème Linguerra (Rewenig 1995: 206–214), de la confrontation et de la complémentarité des langues luxembourgeoise et allemande dans le roman schacko klak (1988) de Roger Manderscheid et du métacommentaire du narrateur lusophone sur le multilinguisme luxembourgeois dans son roman kühe im nebel (2003b), du noyautage subtil de la langue allemande par la langue luxembourgeoise dans le roman Fenn Kass (1912) de Batty Weber, etc. Qu’en est-il, par ailleurs, de la perception que les auteurs luxembourgeois ont des langues à leur disposition? Si l’on sait qu’elles sont enchâssées dans une hiérarchie stricte représentant le prestige qui leur est attenant, il serait judicieux de faire un état des lieux de la perception des langues au cours de l’histoire littéraire luxembourgeoise.6 6 | La perception des langues est sans doute liée à la position qui leur revient dans ladite hiérarchie. Elle donne néanmoins lieu à toute une panoplie d’images, d’analogies et de métaphores se rapportant aux différentes langues qui se doit d’être analysée de plus près. Ainsi par exemple, quand l’écrivain d’expression française Joseph Hansen décrit la langue allemande comme une »rude et fruste paysanne« et le français comme

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L’analyse de ces exemples nous mènerait ensuite à nous interroger sur la signification de la migration du vocabulaire, des expressions idiomatiques, des images linguistiques d’une langue à l’autre et la théorie de l’interculturalité permettrait certainement de cerner de façon précise les procédés inhérents à la littérature luxembourgeoise multilingue.

2. Le multilinguisme comme défi de la littérature au Luxembourg Écrire à la croisée des langues impose, en dépit des avantages que la situation polyglotte procure, des contraintes très réelles aux écrivains.7 Pour beaucoup d’entre eux, l’écriture traversée par plusieurs langues n’est pas seulement source d’euphorie mais suscite toujours aussi, selon Lise Gauvin, »une réflexion sur la langue et sur la manière dont s’articulent les rapports langues/littératures dans des contextes différents« (Gauvin 2004: 256). Souvent, cette réflexion tourne autour de l’immédiateté (Unmittelbarkeit) dont est privé celui qui doit se dire dans une langue qui n’est pas sa langue maternelle, cette dernière étant considérée comme seul lieu et garant de l’immédiateté.8 Comme le montre la recherche une »marquise ravissante« (Hansen 1937: 280) ou quand Frank Wilhelm note que »la langue luxembourgeoise a la lourdeur d’un paysan qui rentre de son labour« alors que le français a »l’envol léger d’un petit rat d’opéra« (Wilhelm 2010: 106), il serait intéressant de connaître la riposte et les images concurrentes avancées par les écrivains d’expression allemande et luxembourgeoise à cette taxonomie pour le moins provocante. 7 | Un fait qui est relevé aussi par Kramer: »Und was einerseits ein Segen ist, die Verfügbarkeit von drei Sprachen, ist andererseits ein Fluch, denn die zwei elaborierten großen Sprachen haben für Luxemburger keinen muttersprachlichen Charakter […]» (Kramer 2004: 46). 8 | Une conviction à laquelle souscrit Guy Rewenig dans sa définition de la langue maternelle: »L’avantage de la langue maternelle est un avantage relationnel: cette langue d’initiation, qui contient les premières images, notions, descriptions du monde où j’ai été jeté, gardera pour toujours un pouvoir sentimental qui touche, qui mobilise mes émotions. Quand je parle ou écris ma langue maternelle, je suis toujours en présence d’un souvenir essentiel: c’est la relation de la mère avec son enfant, avec tout ce qu’elle comporte de passionnel. La langue maternelle est le reflet durable de cette relation. Une langue étrangère s’apprend de façon distante et abstraite, c’est ce qui la distingue de l’émotivité qui caractérise l’apprentissage de la langue maternelle. Quand j’utilise ma langue maternelle, je reconstruis chaque fois cette émotion originale. Je me sens dans ma peau, je me sens chez moi, en possession de mes moyens« (Rewenig 1997: 44).

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internationale sur le phénomène du multilinguisme en littérature, la réflexion sur la langue dégage, de la part des créateurs, des interrogations concernant leur emplacement entre les langues et rend compte de l’appréhension qu’ils peuvent avoir de l’écriture dans cet espace linguistique interstitiel. Celles-ci sont tributaires de l’inconfort que ressent l’écrivain devant le fait de devoir choisir entre plusieurs langues d’écriture et devant la contrainte de devoir s’exprimer dans une langue étrangère. Avancée par Gauvin, la notion d’inconfort dans la langue renvoie à la surconscience linguistique9 qui caractérise l’écrivain multilingue: Surconscience, c’est-à-dire conscience de la langue comme lieu de réflexion privilégié, comme territoire imaginaire à la fois ouvert et contraint. Écrire devient alors un véritable »acte de langage«, car le choix de telle ou telle langue d’écriture est révélateur d’un »procès« littéraire plus important que les procédés mis en jeu (idem).

Le procédé littéraire dénote ici, au-delà des modes d’intégration de l’oralité dans l’écrit et du dialogisme bakhtinien, la sensibilité à la problématique des langues que les écrivains multilingues ont eue en partage (Idem).

De l’inconfort linguistique Le contexte triglossique luxembourgeois se caractérise par la continuité d’un discours métalangagier qui commence à se développer dès l’émergence de la littérature nationale dans la première moitié du XIXe siècle. Si, à cette époque, les discussions tournaient autour de la validité du luxembourgeois comme langue littéraire (Thyes 1854; Klein 1855), le début du XXe siècle, où est développé le concept de »Mischkultur« (Weber u.a. 1907: 5), marque non seulement une césure importante dans la littérature luxembourgeoise (Tockert 1948: 247), mais s’y manifeste aussi une prise de conscience plus accrue de la création entre les langues. Ceci n’étant que la conséquence directe du fait que les littératures en langues allemande et française prennent leur envol au début de ce siècle (Goetzinger 1986: 57). L’émergence du discours métalangagier est intimement liée aux réflexions autour de la culture métisse grand-ducale. Ainsi, dans son article sur »Die Mischkultur in Luxemburg«, publié en 1909, Batty Weber résume le problème

9 | Notons ici que Gauvin fait dériver le concept de la »surconscience linguistique« du concept de »l’insécurité linguistique« développé par le sociolinguiste William Labov dans son étude des énoncés verbaux de la petite bourgeoisie new-yorkaise. Le concept labovien »suppose une conscience très nette de l’existence d’une norme et une conscience tout aussi nette d’un écart, d’une pratique déviante par rapport à cette norme« (Gauvin 2004: 262f.).

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de l’absence de l’immédiateté auquel doit faire face l’écrivain luxembourgeois comme suit: Mögen wir in den Schulen noch so perfekt Deutsch gelernt haben, es noch so fehlerlos schreiben […], es fehlt uns stets die Unmittelbarkeit, jenes direkte hinüberspringen des Gedankens in das entsprechende Wortbild, das sich bei dem vollzieht, der in derselben Sprache denkt, in der er schreibt, in derselben sich mit seinem Kindern neckt, in der er seinem transzendenten Denken den verfeinersten Ausdruck sucht. Jeder geborene Luxemburger, der deutsch schreiben will […], der wird es an zahllosen Hemmungen empfinden, daß er nur auf dem Umweg über Buchreminiszenzen denkt, nicht aber im unmittelbaren Abfühlen von den Dingen und dem Leben (Weber 1909: 123).

Si Weber se concentre ici sur l’allemand, les difficultés que pose la création en langue française font l’objet de maintes observations et elles recoupent en grande partie celles de Weber (voir par exemple Thorn-Petit 1980: 13). Ce dernier réussit à bien cerner le problème: le manque d’immédiateté est en effet une contrainte dans la mesure où elle interdit tout mouvement spontané de par le fait qu’on est obligé de se dire à travers le filtre de l’autre langue. Or, Weber ne maintient pas, comme on aurait pu s’y attendre, que l’écrivain luxembourgeois est constamment dans l’autotraduction, mais plutôt qu’il est amené à penser en phrases et locutions toutes faites, retenues et vues chez des écrivains allemands et français habitant véritablement la langue dans laquelle ils écrivent. Nicolas Ries avance le même argument dans son essai Le dualisme psychique et linguistique du peuple luxembourgeois (1911), où il explique les avantages et désavantages que le multilinguisme peut avoir pour le locuteur polyglotte. Selon lui, dès que le Luxembourgeois est contraint de s’exprimer en une seule langue, le fait de ne plus avoir recours aux autres langues qui structurent naturellement son expression en langue maternelle, le confronte à une pénurie de vocabulaire.10 Pour l’écrivain, une telle situation ne peut être que frustrante. Mais il n’y a pas que la donnée linguistique qui est inhibant pour l’écrivain: en optant pour une langue, il opte généralement aussi pour l’affiliation et l’orientation vers un modèle littéraire spécifique, dans ce cas-ci soit celui de la France, soit celui de l’Allemagne. En l’occurrence, ces modèles peuvent avoir un effet intimidant vu que, selon Ries, le créateur est parfaitement conscient du fait qu’il ne pourra jamais atteindre le niveau des modèles étrangers:

10 | »Il en résulte ensuite une certaine pauvreté, voire parfois une véritable pénurie du vocabulaire. Dès que le Luxembourgeois est mis en demeure de parler une langue étrangère en puriste et sans avoir recours à sa langue maternelle ou à des expressions empruntées à une langue qui lui est mieux connue, il a conscience de sa pauvreté verbale, et bien des fois il n’emploie que des expressions traduisibles« (Ries 1911: 20).

L E MULTILINGUISME COMME CARACTÉRISTIQUE ET DÉFI DE L A LITTÉRATURE AU L UXEMBOURG a) le grand nombre de modèles parfaits de tous les genres littéraires, allemands et français, qui nous encombrent et qui nous montrent à quelle hauteur la perfection peut et doit prétendre, est fait pour nous décourager et pour nous conseiller plutôt une sage réceptivité qu’une ›productivité‹ malencontreuse; b) ces mêmes modèles littéraires et livresques ont pour effet de ›troubler notre sécurité intellectuelle et morale‹, de nous montrer toute la distance à franchir entre telle pensée conçue dans notre langue maternelle, dans laquelle nous avons appris à penser et que nous parlons chaque jour, et telle expression d’une langue étrangère plus riche, que nous n’avons que rarement l’occasion de parler, qui nous est, par conséquent, moins familière, et de nous faire subir, dans la lutte incessante pour le terme juste et expressif, toutes les ›affres du style‹ (Ries 1911: 38f.).

L’inconfort de l’écrivain luxembourgeois devant le choix des langues ne s’articule pas uniquement autour des »impossibilités« linguistiques (voir Glesener 2008: 115–118), pour emprunter la formule de Kafka (Kafka 1998: 337f.), mais s’exprime aussi par le biais de métaphores développées pour illustrer la situation de l’écrivain polyglotte. Parmi celles-ci, l’image de la langue comme une maison où a lieu l’acte de la création littéraire se doit d’être considérée de plus près. Elle est employée par Pierre Grégoire dans la lettre ouverte adressée à l’écrivain allemand Inge Meidinger-Geise en 1959 et il y expose ses réflexions sur la littérature luxembourgeoise d’expression allemande: Ich habe vorhin von den Schwierigkeiten der Fremdsprachen gesprochen. Auch diese Schwierigkeiten sind ernsterer Natur als jene, welche Sie, die Sie dieselbe Sprache reden und einmal erlernen müssen, empfunden haben oder empfinden können. Denn keine der zwei Fremdsprachen ist in uns eingegangen wie in den Deutschen oder in den Franzosen: assoziativ, als der anheimelnde Bestandteil einer autochthonen Kultur, sondern eher reflexiv, als eine Fremdheit, die wir aufnehmen und zugleich überwinden müssen. Ich mache das vielleicht in einem Bilde verständlicher: Sie, gnädige Frau, werden in eine Sprache, die Ihre Sprache ist, hineingeboren wie in ein Haus. Sie schließen die Augen auf, und alles ist Ihnen vertraut. Wir aber müssen aus einer fremden Helle, der Helle unserer Heimatsprache, in dieses Haus hinein. Wir tragen also unsere Helle in die andere der fremden Sprache, an welche wir uns gewöhnen müssen, mit hinein. Immer ist bei uns das Aus und Ein, die ständige Anpassung, der ewige Wechsel (Grégoire 1959: 34f.).

Notons d’abord que la métaphore renvoie implicitement à ce que l’on pourrait appeler le dedans et le dehors de la langue: à travers la spatialité suggérée par l’image de la maison pour souligner le fait qu’on »habite« une langue, l’auteur renvoie au fait qu’on est soit à l’extérieur soit à l’intérieur d’une langue. À l’idée de l’emplacement se joint la métaphore de la clarté d’une langue qui accroit ou diminue selon qu’il s’agit de la langue intérieure (c’est-à-dire maternelle)

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ou extérieure (c’est-à-dire étrangère). Pour Grégoire, cet état de chose ne peut être que contraignant  car cela implique que la langue d’écriture étrangère force le sujet écrivant à s’assimiler à ses normes, une assimilation qui se fait aux dépens de la clarté (d’expression) inhérente au maniement de la langue maternelle. Il semble d’ailleurs que pour Grégoire, une position interstitielle entre les langues n’est pas encore une option, où, pour rester avec la métaphore de la maison, le seuil de la porte d’entrée, et donc le seuil entre le dedans et le dehors de la langue, n’est encore ici qu’une frontière étanche mais non, comme on a tendance à le penser aujourd’hui, une ligne de contact, d’échange et de métissage. Dans la logique de Grégoire, l’écrivain écrivant en dehors du bercail de la langue maternelle est condamné à jamais à n’œuvrer qu’à la marge de la langue étrangère; autrement dit, la langue maternelle agit comme une force centrifuge qui fait que la position de l’écrivain polyglotte, reste, foncièrement, une position marginale. Cet avis se trouve exprimé un peu plus loin dans le texte: Es gibt bekanntlich eine Mystik des Wortes, in deren Tiefe der Luxemburger nur selten eindringt. Denn eine Sprache lebt auch aus der Landschaft, die ihr die Färbung, aus dem Volke, das ihr den Schmelz und die Glut, aus dem Geiste des Mutterlandes, der ihr die Seele gibt. All diesen Dingen aber ist der Luxemburger nur aus der Ferne hingegeben, so dass es für ihn unsagbar schwer ist, alle Feinheiten der Fremdsprache zu erfühlen« (idem: 36).

La place nous manque ici pour commenter plus en détail la pensée essentialiste qui informe la conception linguistique de Grégoire. Le point décisif étant de montrer que, selon l’auteur, l’écrivain polyglotte est privé d’accès à certaines strates sémantiques du mot. Le texte de Grégoire interpelle en outre parce qu’il pose la notion de la langue maternelle comme »Heimatsprache«. Il est certes juste d’observer que cette idée semble s’aligner avec l’essentialisme sous-jacent à la conception linguistique de l’auteur où »Heimat« et langue doivent se recouper nécessairement et ont en commun le même suc culturel. Or, remarquons ici que des écrivains ultérieurs font justement la différence entre »Heimatsprache« et langue maternelle en chargeant le mot »Heimat« d’une signification nouvelle: contrairement à l’idée de Grégoire, »Heimat« ne renvoie plus à la patrie nationale mais à la patrie intérieure, celle-là même où la conscience linguistique hybride trouve refuge et à partir de laquelle elle peut se dire. C’est à Anise Koltz que nous devons peut-être une des illustrations à la fois les plus claires et succinctes de cette distinction ô combien importante pour l’écrivain entre langue maternelle et »Heimatsprache«: »[D]ie luxemburgische Sprache ist meine Muttersprache, aber klanglich gefällt sie mir nicht. [Das Französische] ist meine Heimatsprache – es ist die Sprache meiner ›inneren Heimat‹« (Kramer 2004: 43)

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L’avis de Grégoire, tout comme ceux de Batty Weber et de Nicolas Ries par exemple, sont bien sûr tributaires de leur temps et de l’expérience créatrice de ces auteurs. Il appartient aux petites littératures de s’orienter souvent aux concepts, aux modèles et aux normes des grandes littératures. S’il est naturel, ce réflex est en soi foncièrement problématique, vu que la disposition même d’une petite littérature, d’autant plus si elle est multilingue, fait qu’elle est d’emblée soit en décalage, soit structurellement incapable de se conformer à la norme exogène prise comme modèle. La conception de l’écrivain comme enraciné dans sa langue maternelle est issue des centres littéraires monolingues et a dominé la littérature européenne jusqu’au moment où elle a été mise à mal par l’avènement des écrivains modernistes bilingues dans la première moitié du XXe siècle. Dès lors, ne peut-on pas en déduire que l’inconfort des écrivains multilingues luxembourgeois résulte aussi du sentiment d’être condamnés à être en décalage par rapport à la norme monolingue des littératures dominantes? »Tout récemment encore«, écrit George Steiner au sujet de la dominance de la norme en vigueur au début du XXe siècle, un écrivain était, presque par définition, un être enraciné dans sa langue maternelle, une sensibilité hébergée plus étroitement, plus inévitablement que les hommes et les femmes ordinaires dans la coquille d’une seule langue. Être un bon écrivain signifiait avoir une intimité particulière avec les rythmes du langage qui vont plus profondément que la syntaxe formelle; avoir une oreille pour les multiples connotations et échos enfouis d’une langue que ne saurait transmettre aucun dictionnaire. Un poète ou un romancier que l’exil politique ou une catastrophe personnelle avait coupé de sa langue maternelle était une créature estropiée« (Steiner 2002: 33).

L’image est percutante et même si les écrivains luxembourgeois ne sont ni exilés politiques, ni survivants d’un sinistre, il est néanmoins fort probable que c’est justement à cette conception qu’ils se heurtaient.

Des concepts de langue ou d’autres façons de penser la langue Le discours métalangagier se caractérise aussi par la formulation de concepts de langues susceptibles de transposer la compréhension que l’écrivain peut avoir de sa langue d’écriture hybride. Selon Gauvin, ces concepts de langue dérivent directement de »Langagement« (Gauvin 2000: 79), c’est-à-dire de l’engagement de l’écrivain multilingue dans la langue et témoignent du fait que qu’il tend à »penser la langue« (Gauvin 2004: 257). En 1985, l’écrivain marocain d’expression française Abdelkebir Khatibi crée le concept de la »bi-langue« pour illustrer le fait qu’il la langue d’écriture étrangère est noyautée par la langue maternelle.

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J EANNE E. G LESENER Tant que la théorie de la traduction, de la bi-langue et de la pluri-langue n’aura pas avancé certains textes maghrébins resteront imprenables selon une approche formelle et fonctionnelle. La langue ’maternelle’ est à l’œuvre dans la langue étrangère. De l’une à l’autre se déroulent une traduction permanente et un entretien en abyme, extrêmement difficile à mettre au jour…Où se dessine la violence du texte, sinon dans ce chiasme, cette intersection, à vrai dire, irréconciliable? Encore faut-il en prendre acte, dans le texte même: assumer la langue française, oui pour y nommer cette faille et cette jouissance de l’étranger qui doit continuellement travailler à la marge, c’est-à-dire pour un seul compte, solitairement (Khatibi 1985: 171).

Le concept de la bi-langue semble tout à fait approprié pour décrire la situation de l’écrivain luxembourgeois. Dans le discours métalangagier, elle trouve d’ailleurs son pendant dans la notion de la »langue baleine«, développée par Portante pour cerner sa propre situation linguistique mais qu’il étend par la suite aux écrivains grand-ducaux en général: […] je pense que la plupart des écrivains luxembourgeois s’exprimant en français et en allemand écrivent dans une langue baleine. À l’intérieur respire le poumon de la langue maternelle, même si de l’extérieur on croit voir autre chose (Portante 2007a: 205).

Dans le contexte de l’œuvre de Jean Portante, la »langue baleine« a pour synonyme le concept de »l’étrange langue«. Celle-ci dénote le fait qu’en dessous de la surface du français se meuvent les langues italienne, luxembourgeoise et allemande, celles qui sont condamnées au silence (Portante 2007b: 158) dans la langue d’écriture, mais qui restent néanmoins présentes, ne serait-ce qu’idéellement. La notion de l’étrange langue intervient pour la première fois dans le recueil de poèmes éponyme publié en 2003 et est définie dans un essai ultérieur: Que s’est-il passé pour que le français sorte en vainqueur triomphant du livre? Peut-être tout simplement que l’italien, mon italien réappris au Luxembourg, n’était pas vraiment un italien tel qu’un écrivain italien aurait pu l’écrire, mais encore une fois une Étrange langue, un mélange de vécu grand-ducal et de mémoire prénatale italienne. En réalité, mon italien et mon français relevaient du même mécanisme. C’étaient, tous deux, des effaçonnements. Et soudain j’ai senti que mon français aurait plus de force si, à l’intérieur de lui, ma langue maternelle se contentait de dormir, clandestinement, tel un cheval de Troie. Ou un poumon. Tout comme y dormiraient le luxembourgeois appris dans la rue et l’allemand arrivé à l’école. Revoilà donc, pas si loin de la traduction que j’ai prise comme prétexte dans cet exposé, et la baleine qui en est la métaphore, ce que j’appelle l’Étrange langue (Portante 2005: 229). 11

11 | Au sujet de la poétique de l’effaçonnement chez Jean Portante, voir Glesener 2012a.

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Dans les concepts de la bi-langue et de l’étrange langue nous retrouvons d’ailleurs l’idée du dedans et du dehors de la langue, mais il s’est produit un important changement. Chez Grégoire, le fait d’être dans ou en marge d’une langue concernait avant tout l’emplacement du sujet écrivant. Chez Khatibi et Portante, par contre, l’idée de l’intériorité/extériorité se rapporte à la langue d’écriture étrangère elle-même: celle-ci est conçue essentiellement comme une enveloppe à l’intérieur de laquelle agit la langue maternelle. L’étrange langue de Portante désigne en premier lieu la dialectique entre la langue maternelle et la langue d’écriture et elle s’observe, comme on l’a vu plus haut, dans l’évolution d’une langue d’écriture matériellement télescopée par la langue maternelle à la conception de la langue d’écriture comme vaisseau de la langue première qui, elle, est estompée dans le texte. Pour Portante, le français écrit devient dès lors la trace graphique de l’italien oral. Ecrire en français se comprend alors comme l’autotraduction d’un texte qui est toujours antérieur à sa trace écrite et véhicule, sans pour autant la transcrire, la langue maternelle. Nous retrouvons chez Portante la thèse de Khatibi que d’une langue à l’autre »se déroule une traduction permanente et un entretien en abyme, extrêmement difficile à mettre au jour«. L’idée que la langue maternelle est idéellement recréée dans la langue d’écriture étrangère prend son origine dans un moment heuristique intervenu lors d’une lecture de poèmes à la faculté de philologie de l’Université de l’Aquila en 1995. À la demande d’une étudiante, Portante est d’accord pour lire la traduction italienne de ses poèmes et pour laisser à sa traductrice le soin de les lire en français. Cette expérience à la surface anodine devait profondément troubler l’auteur: Qu’était-il advenu? Au fur et à mesure que j’avançais dans la lecture, je découvrais avec étonnement que ce que j’étais en train de lire n’était point la traduction de mes textes. Qu’en réalité, juste auparavant, quand de ma bouche émanaient les mots français, l’original donc, cette traduction avait fait son travail. Que la traduction due à la traductrice était la véritable version originale de mes poèmes, et non le texte que moi j’avais écrit avant et qui, dans sa bouche, sonnait soudain comme une traduction. Tout s’était inversé (Portante 2007b: 147).

L’intérêt davantage symbolique de ces concepts de langues idiosyncrasiques est sans doute de marquer une différence par rapport aux écrivains écrivant en langue maternelle. Instaurer cette différence est indispensable pour éviter l’appropriation par le champ littéraire dont on emprunte la langue. Cette revendication de la reconnaissance de la différence s’avère d’autant plus importante dans le cas d’une petite littérature qui est internationalement très peu diffusée (Glesener 2012b). On en trouve un exemple pertinent dans l’essai Stiefvaterland und Stiefmuttersprache. Anmerkung zur deutschsprachigen Literatur in Luxemburg (1984) de Georges Hausemer. Il s’agit d’une réfutation véhémente de l’assertion de la part de Lisa

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Kahn, qui dans son article Leben und Schreiben zwischen den Sprachen. Von der Heimat im Stich gelassene Auslandsdeutsche Schriftsteller (1983), maintient que les écrivains luxembourgeois d’expression allemande seraient en fait »Auslandsdeutsche«, voire »Exildeutsche«. En vue de contrecarrer cette tendance foncièrement appropriatrice, Hausemer explique la situation des écrivains luxembourgeois concernés en insistant justement sur la recherche de la différence et de la démarcation par rapport au champ de la littérature allemande dominante: Unser Verhältnis zu Deutschland und der deutschen Sprache ähnelt eher der Relation zu einem Stiefvaterland und einer Stiefmuttersprache, ja, wir suchen förmlich nach Abgrenzung, versuchen unentwegt das zu verwirklichen, was Dieter Hasselblatt einmal über ein Hörspiel des deutschschreibenden Luxemburger Autors Roger Manderscheid bemerkte; nämlich, ’dass hier jemand in deutscher Sprache etwas gesagt hat, was ein deutscher auf deutsch gar nicht hätte sagen können (Hausemer 1984a: 38f.).

En dépit du manque d’une conceptualisation plus précise, l’idée de l’allemand comme »Stiefmuttersprache« (langue marâtre) transmet cependant le rapport complexe et, le cas échéant, conflictuel, que l’écrivain grand-ducal entretient avec l’allemand. La tendance à la différentiation se manifeste également au niveau terminologique: le terme »francographe« par exemple est tributaire de la stratégie de désappartenance du système littéraire français et de résistance à une appropriation arbitraire par le même système. Il semble en outre renvoyer à l’intérieur/extérieur de la langue dans la mesure où la langue transcrite n’est point identique à la langue à l’intérieur de la langue, c’est-à-dire la langue maternelle. Utilisé couramment en rapport aux et par les écrivains québécois, le terme est depuis peu employé au Luxembourg, notamment dans les travaux de Wilhelm sur la littérature luxembourgeoise d’expression française, mais elle se retrouve également chez Portante. Or, même si Portante maintient qu’il n’est »ni francophone, ni vraiment francographe« (Portante 2007b: 152), le fait même de réfléchir au fait que les désignations sont appropriées ou non pour décrire sa position entre les langues traduit sa volonté à la différenciation d’une norme exogène dominante.

Autoperception de l’écrivain luxembourgeois L’errance constante entre les langues a donné lieu, chez l’écrivain grand-ducal, à une autoperception qui se fait principalement dans le paradigme de la nomadicité et de la migrance. Ainsi par exemple, pour Batty Weber, la littérature luxembourgeoise d’expression allemande s’écrit »aus der Diaspora deutschen Schrifttums« (Weber 1929: 345), formulation qu’il utilise dans une conférence radiophonique donnée en 1929, et où il relève aussi le risque qu’il y a, à cette

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époque, que la littérature luxembourgeoise d’expression allemande ne devienne une écriture apatride (ibid.: 349).12 Le champ lexical de la nomadicité se trouve déjà dans les essais de Frantz Clément publiés en 1921 et dans lesquels il esquisse le portrait des intellectuels luxembourgeois de son époque. Clément relève bien ici la tension entre le propre et l’étranger qui déterminerait, selon lui, leur condition: Für allgemein Europäisches, für internationale Gedanken und Regungen allein haben wir ein bestimmtes Eigentumsgefühl, aber wir sind Fremdlinge im eigenen Haus, weil wir nichts mit Sicherheit ererbt haben. […] Die Luxemburger sind etwas wie sesshaft gewordene Zigeuner, die bei ungünstiger Witterung ihr Haus im Stich lassen und sich sonstwo anbauen […] (Clément 1921: 1).

Dans sa conclusion, il stipule que ce serait l’affiliation de l’intellectuel luxembourgeois à l’étranger qui serait à l’origine du sentiment de se sentir étranger à soi-même et à sa propre culture. Pierre Grégoire avance dans une direction analogue lorsqu’il évoque l’absence de racines13 (Grégoire 1959: 36) de l’écrivain luxembourgeois, qui, elle, résulterait justement du corps à corps perpétuel avec la langue étrangère choisie. Ces positions peuvent sembler extrêmes aujourd’hui, mais le fait est qu’on en trouve des échos dans le métadiscours sur la littérature grand-ducale des trois dernières décennies (voir Kieffer 1990: 290). En 1983, Georges Hausemer note que l’écrivain grand-ducal est un »rastlose[r] Wanderer zwischen den Welten« (Hausemer 1984a: 39). Anise Koltz, poétesse luxembourgeoise de langue française, considère dans un essai de 1990, que l’écrivain luxembourgeois est un touriste entre les langues (Koltz 1990: 54).14 D’autres encore ont recours au 12 | La place nous manque pour commenter le choix de mots fort interpellant ici. À quelle patrie est-ce que Weber fait référence dans son texte? A l’Allemagne ou au Luxembourg? Sa stipulation fait implicitement référence aussi à la question de l’affiliation des littératures luxembourgeoises, qui restera une question importante tout au long du XX e siècle. 13 |»Dieses stete Ringen also mit der ausgewählten Sprache verleiht dem schöpferischen Luxemburger die Prägung. Alle Werke verraten eine leichte Unruhe, eine halbverdeckte Unfertigkeit und eine Unausgeglichenheit, eine ich möchte nicht sagen Wurzellosigkeit, aber Wurzellockerung. Der Luxemburger ist mehr besinnlicher Denker als schaffender Phantasiemensch, mehr Kritiker, der kühl überlegt und einzig dem Verstand traut […]. Über dem geäußerten Gefühl liegt immer ein Hauch von Distanz« (Grégoire 1959: 36). 14 | »L’écrivain qui a choisi l’une ou l’autre langue de ses voisins, soit les deux, paie d’un prix élevé l’avantage d’être polyglotte. S’il a été contraint d’apprendre ces langues, il n’y est nullement ancré. Il y restera un ›touriste‹ et aura toujours plus de difficultés à

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paradigme de la nomadicité pour cerner la matrice de la littérature luxembourgeoise elle-même. Ainsi, l’essayiste littéraire Corina [Mersch] Ciocârlie voit dans le nomadisme et la dérive vers d’autres bords culturels et linguistiques le »possible mythe fondateur de [la] littérature nationale« (Mersch 1999: 12) luxembourgeoise. Et si l’écrivain luxembourgeois n’est pas tant un nomade physique, son nomadisme entre les langues est pourtant sa marque indélébile. Portante signe peut-être la déclaration la plus judicieuse à ce propos: pour lui, c’est »dans la multiplicité, [dans] la migration à l’intérieur même de la langue« (Portante 2001: 54) que réside l’unicité de la littérature luxembourgeoise. Au déplacement géographique qui est celui du nomade et du migrant dans la réalité, se substitue, pour les écrivains grand-ducaux, la dislocation à l’intérieur même d’un champ linguistique, mouvement pour le moins désarçonnant, problématique et enrichissant à la fois.

Le tournant des années 70 et 80 ou la réévaluation de la donnée multilingue Le multilinguisme, avec toutes les possibilités inouïes et les terrains d’exploration linguistique inattendus qu’il semble offrir à l’écrivain, suppose néanmoins des contraintes très tangibles. S’il offre à l’auteur, selon la formule de Julia Kristeva, une »insolite libération du langage«, il est considéré par d’aucuns à différentes époques comme une entrave à l’élan créateur même. Si ce dilemme a préoccupé et préoccupe encore les auteurs grand-ducaux, nous pouvons observer cependant un important changement d’attitude envers l’écriture dans l’autre langue et ce notamment à partir des années 70 et 80. Celui-ci se produit dans le sillage de la césure majeure15 qui caractérise la littérature de cette époque et que Georges Hausemer a pu formuler ainsi: Einen weiteren Schub erlebt die luxemburgische Literatur in den späten 1960er Jahren, als der plumpe Patriotismus und die sprachlich oft antiquierte Erdverbundenheit der Werke einer jüngeren Schriftstellergeneration in einen kritischen Vaterlandsdiskurs umschlagen. Unter dem Eindruck der gesellschaftskritischen Veränderung jener Zeit (Studentenbewegung von 1968 und ihre Folgen) gehört die literarische Auseinandersetzung mit dem Heimatland und der westlichen Zivilisation zu den wichtigsten Anliegen […] (Hausemer 2008: [s.p.]). formuler ses pensées et expériences que son homologue français, belge ou allemand. Prétendre que le Luxembourg est un pays francophone ou germanophone n’est pas tout à fait exact, même si ces langues sont enseignées dès l’école primaire« ( Koltz 1990: 54). 15 | Voir à ce sujet les anthologies-manifestes Schriftbilder – Neue Prosa aus Luxemburg (Ketter/Hausemer 1984) et Nach Berlin (Coll. 1984).

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Quant à l’écriture entre les langues, c’est comme si l’abandon des thèmes et positions idéologiques de la génération des prédécesseurs en entrainait la réévaluation. Cela ne veut pas dire qu’on ne se posait plus de questions concernant l’écriture dans l’autre langue (voir Manderscheid 2003: 43f.). Toujours est-il que les efforts innovateurs de cette génération d’après-guerre se caractérisent par un autre angle d’approche: on conçoit que vivre et créer dans le vacarme de cette Babel luxembourgeoise peut bien ressembler à un corps à corps avec la langue, mais désormais la donnée multilingue sera perçue comme un moteur et non une entrave à la création. On accepte plus volontiers qu’en tant qu’écrivain polyglotte, on ne peut prétendre à écrire comme un écrivain français ou allemand, mais que ceci ne doit pas nécessairement être un désavantage. On comprend aussi que ce n’est pas tant dans la proximité, mais dans la distance par rapport à la langue employée que réside la propre originalité. Et cette originalité s’exprime justement par le fait que la langue d’écriture porte les traces d’une autre langue et que, par-là même, elle exprime une autre sensibilité linguistique et culturelle. C’est du moins comme cela qu’Anise Koltz perçoit l’avantage de la création entre les langues: Wir setzten sowohl im Deutschen als auch im Französischen Worte zusammen, die ein Muttersprachler nie zusammensetzen würde. Gerade dies reizt mich besonders bei meiner Arbeit: ich glaube, dass ich eine eher germanische Sensibilität habe und wenn ich diese dann in die französische Sprache transportiere, dann kracht die Sprache, sie gerät aus den Fugen. Ich glaube, dass diese Distanz uns zu einer gewissen Originalität verhelfen kann (Koltz 2004: 61).

On ne peut souligner assez l’interdépendance de la césure thématico-esthéticolittéraire et le revirement dans l’attitude envers l’écriture entre les langues et qui se doit d’être analysée de façon plus systématique que nous ne pouvons le faire ici. Sans doute, la valorisation tardive de la langue luxembourgeoise en tant que langue littéraire devrait être un point vectoriel d’une telle étude. Sa promotion officielle en tant que langue nationale en 1984 n’est que l’aboutissement d’un processus de réévaluation qui, dans le milieu littéraire, a commencé dès les années 70, comme le stipule Roger Manderscheid  dans sa rétrospective sur cette période: wie stehen sich deutsch und dialekt gegenüber? mit der deutschen sprache haben wir grössere möglichkeiten. stimmt das? anfang der sechziger jahre schien es zu stimmen. damals schauten wir alle, als schreiber, wenn wir ehrlich sind, so wie es uns von unserem umfeld beigebracht und immer wieder repetiert wurde, auf die luxemburgische sprache herab: es war eben nur ein unbedeutender dialekt, der literarisch wenig tauglich war und, ohne verbindliche schreibregeln, kaum gelesen wurde. in unserem verhältnis zur sprache, die wir alltäglich reden, trat nach 1968 langsam eine veränderung ein:

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J EANNE E. G LESENER wir verachteten uns nicht länger als winzlinge, und unsere sprache nicht länger als hässlich. als dieselbe 1984 per gesetz zur nationalsprache erhoben wurde, war sie längst in unseren köpfen rehabilitiert und auch die neufixierte orthografie konnte nun mehr den ultimativen kick liefern, der die schleusen öffnete (Manderscheid 2003b: 23).

D’ailleurs, c’est encore Manderscheid, qui, dans les années 70, avait formulé le programme de la nouvelle génération d’écrivain: »[das] ende der bescheidenheit, einigkeit der einzelgänger, formulierung unseres aktuellen selbstverständnisses als luxemburger autoren, luxemburger, deutscher und französischer sprache« (Manderscheid 1978: 11). Rosemarie Kieffer exprime la même conviction lorsqu’elle remarque dans un article de 1990 que »la littérature en langue luxembourgeoise […] après avoir joué le rôle de Cendrillon pendant assez longtemps, est en train de reléguer à l’ombre les deux sœurs malveillantes et hautaines, l’allemand et le français« (Kieffer 1990: 289). Cette révolution dans l’attitude envers la langue maternelle est certainement une des caractéristiques de la littérature luxembourgeoise: elle attire l’attention sur le fait qu’au Grand-Duché on a en quelque sorte dû passer »à travers« les langues étrangères pour enfin aboutir à l’écriture dans la langue maternelle. Cette assertion est peut-être mieux illustrée par l’exemple de la rédaction du roman schacko klak de Roger Manderscheid, roman-phare de cette époque. Lors de l’écriture de ce roman sur l’occupation allemande pendant la Seconde Guerre mondiale entre autres, l’auteur réalise qu’un texte traitant de cet épisode important n’en peut traduire la portée complexe en allemand et il décide de le rédiger en luxembourgeois.16 Ce qu’il note à propos du changement de langue est révélateur à plusieurs égards: Und als ich mich entschlossen hatte, aus der Froschperspektive, also aus der Opferperspektive mit meinem kleinen Lëtzebuergeschen zu schreiben, da sind auf einmal Dämme aufgebrochen, und diese ganze Zeit ist lebendiger geworden. Da habe ich gemerkt, dass das Deutsche eine Fremdsprache ist. Das Deutsche hat das Ganze wie hinter einer Glaswand aussehen lassen, aber als ich Lëtzebuergesch geschrieben habe, war die Glaswand weg. Dann war ich direkt am Duft der Blumen, wenn man das so sagen darf. […] Dann wurde der Roman zweisprachig, das heisst, der Roman hat eine Vorraussetzung: Es gibt in diesem Roman keine Überlegung, die über den Horizont des Kindes hinausgeht. Alles ist beschrieben aus der Perspektive des Kindes, also auf Lëtzebuergesch, und das Deutsche, das bricht dann wie eine Urgewalt dazwischen. Das wurde dann auch zu einer Struktur, um das Schreckhafte im Buch darzustellen (Kramer 2004: 36).

16 | Ce processus des plus intéressants a été étudié de façon approfondie dans les articles de Kramer 2004 et Lippert 2009.

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D’abord, ce n’est qu’en écrivant en langue maternelle que l’étrangéité de la première langue littéraire, l’allemand, se manifeste. Ensuite, on ne peut ne pas remarquer la surprise que ressent l’auteur en jouissant enfin de l’immédiateté dans la langue. Si l’épisode de la genèse de ce roman ne peut prétendre à l’exemplarité, il illustre néanmoins la supposition précédente qu’une caractéristique de la littérature luxembourgeoise du XXe est bien ce détour par les langues étrangères. D’ailleurs, le fait qu’un grand nombre d’auteurs de cette époque soit changent de langue littéraire, soit comptent le luxembourgeois parmi leurs langues d’expression littéraire supporte aussi cette hypothèse. Les possibilités inouïes qu’attendent les écrivains optant pour la langue luxembourgeoise ont peut-être été le mieux résumées par Anise Koltz: Ce qui jadis fut désavantage et handicap pour l’écrivain luxembourgeois se révèle aujourd’hui comme sa force. Son terrain linguistique est pratiquement vierge: à lui la liberté de créer à sa guise, de greffer ses pensées et ses expériences sur une langue qui est la sienne depuis toujours, et à laquelle il est confronté dans le quotidien du matin au soir. Il est absolument étonnant de constater le renouveau de notre langue, enfermée trop longtemps dans son enceinte dialectale (Koltz 1990: 51).

Pistes de recherche Or, la confiance envers l’écriture dans l’autre langue qui éclot vers cette époque ne recèle son ampleur que lorsqu’on la compare au contexte international. Dans la littérature mondiale, on observe en effet une attention accrue portée à l’écriture dans l’autre langue et ce notamment pendant les années 80. L’avènement des littératures postcoloniales et migrantes font non seulement de l’écriture en langue étrangère un des piliers de leurs esthétiques, mais elles engendrent en même temps le domaine de recherche analysant le rapport entre langue, littérature, culture et identité qui aboutit à la révision et à la déconstruction des concepts monolithiques que l’on sait. Ainsi, ce que Salman Rushdie observe en 1983 à propos de l’emploi de l’anglais par des auteurs postcoloniaux nous semble avoir des résonnances avec ce que Anise Koltz (Koltz 2004: 61) maintient quant à l’emploi du français et de l’allemand par l’écrivain grand-ducal: What seems to me to be happening is that those peoples who were once colonized by the language are now rapidly remaking it, domesticating it, becoming more and more relaxed about the way they use it – assisted by the English language’s enormous flexibility and size, they are carving out large territories for themselves within its frontiers (Rushdie 1992: 64).

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Dans le domaine de la littérature francophone, on peut évoquer le cas de la littérature québécoise pour qui les années 80 correspondent à l’époque de l’émancipation du centre métropolitain français et dont la résistance passe avant tout par la revendication à la reconnaissance de la langue québécoise. La figure de proue du mouvement d’émancipation, le poète Gaston Miron, s’engage pour que le québécois soit reconnu comme une variante du français et plaide pour »un usage libre voire libertaire de la langue« (Gauvin 2004: 267), signalant par là qu’un référent culturel autre se meut à l’intérieur de la langue d’écriture: »Moi, je dis qu’il faut malmener la langue. Je dis qu’il faut trouver le dire de soi à l’autre avec notre manière à nous qui est la manière québécoise« (Miron 1997: 63). Au Luxembourg, la proposition de voir dans l’allemand parlé et écrit une variante de l’allemand d’Allemagne a déjà été avancée mais la discussion n’a malheureusement pas eu de suite. Il serait toutefois intéressant de relancer le débat dans le milieu littéraire et de l’étendre également à la littérature luxembourgeoise d’expression française pour savoir si les auteurs conçoivent ou non leur langue comme une variante du français de l’hexagone. Enfin, il va de soi que la donnée multilingue ne concerne pas seulement les écrivains autochtones mais concerne d’une façon ou d’une autre aussi les écrivains étrangers qui s’installent, vivent et publient au Luxembourg. Dans leur cas, la question serait de savoir comment ils s’accommodent de leur situation entre les langues. Est-ce qu’elle les concerne dans la même mesure? Ou est-ce qu’elle se limite chez eux à un détail décoratif de l’arrière-fond qu’on inclut dans le texte pour figurer l’espace luxembourgeois multilingue, comme c’est le cas dans ce bel exemple pris dans un texte de l’écrivain sarrois Peter Zender: »D’Muppe sinn all fort.« Die erste Mail, die mich damals an meinem ersten Arbeitstag in Luxemburg vom Bildschirm anstarrte, sagte mir: Nichts. Absolut nichts. Wer oder was in Gottes Namen mögen Muppen sein und wo sind sie bloss alle hin? Hatte ich beim Einstellungsgespräch vielleicht doch mit meinen blendenden Lëtzebuergesch-Kentnissen zu arg geblufft? Jeder Eifelaner und Trierer kann doch schliesslich perfekt Luxemburgisch. Vielleicht nicht sprechen aber zumindest verstehen, dachte ich immer (Zender 2007: 88).

Ce tour d’horizon du multilinguisme dans la littérature luxembourgeoise montre donc bien la large panoplie de sujets, de débats, d’effets et de problématiques qu’il génère. S’il est bel et bien une sinon la caractéristique de la littérature en question, il se peut bien qu’il en soit aussi la dynamique essentielle et le gage de survie. À une époque où la marginalité, l’hybridité et l’interculturalité sont des concepts-clés, la littérature luxembourgeoise, en tant que mélange idiosyncrasique issu de la connaissance de plus d’une langue et de plus d’une culture, offre une occasion privilégiée de les voir à l’œuvre. Vu ainsi, on ose affirmer que,

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au-delà des questions d’affiliation, d’identité et de stratégies de différenciation, la littérature luxembourgeoise trouve un ancrage (provisoire) dans la contemporanéité marquée par l’instabilité qu’engendrent la mondialisation, la migration et l’hybridation culturelle et linguistique.

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Schreiben in mehr als einer Sprache Mehrsprachigkeit in der Luxemburger Literatur Irmgard Honnef-Becker Abstract Can the literary landscape in Luxembourg be regarded as an innovative approach of cultural hybriditiy and may multilinguality be the specification of this phenomenon? In order to answer this question a number of literary texts are analysed to distinguish the various forms of multilingual Luxembourgish literature. First of all there are literary texts in different languages next to each other, without any apparent mutual influence or interdependence. On the other hand there are those literary works that contain phrases, quotations or passages in various languages or that are even written in a combination of different languages. Multilingual literature serves several purposes: it confronts and separates, criticizes and satirizes language itself, in puns, for instance, and it creates new spaces for reflection. Ist die Literaturlandschaft in Luxemburg als ein zukunftsweisendes Modell kultureller Hybridität zu verstehen und Mehrsprachigkeit Ausdruck dieser Interkultur? Um diese Fragestellung zu erörtern, wird an ausgewählten Beispielen untersucht, welche Formen mehrsprachiger Luxemburger Literatur zu unterscheiden sind. Während zum einen Literaturen in verschiedenen Sprachen nebeneinander stehen, ohne dass eine direkte Wechselwirkung oder Beeinflussung erkennbar wäre, sind zum anderen Werke anzuführen, die Einsprengsel, Zitate oder Texte in mehreren Sprachen enthalten oder sogar in mehreren Sprachen verfasst sind. Die Mehrsprachigkeit erfüllt ganz unterschiedliche Funktionen, von Gegenüberstellung und Abgrenzung über sprachkritische und satirische ›Sprachspiele‹ bis hin zur Schaffung eines polyphonen Reflexionsraums.

1. Mehrsprachigkeit und Interkulturalität In seinem 2010 erschienenen Theaterstück manderscheid. ein stillleben verwendet Guy Rewenig eine Vielzahl von Sprachen: Außer Deutsch, Lëtzebuergesch und Französisch etwa auch Englisch, Italienisch oder Niederländisch. Rewenig bekennt sich in seiner »literarische[n] hommage an seinen verstorbenen

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freund, den schriftsteller roger manderscheid« (Klappentext) zu einem sprachexperimentellen Ansatz, den Roger Manderscheid in vielen seiner Werke vertritt. Als Protagonisten treten »diesch« und »mander« auf, die auf einer Terrasse im Seniorenheim sitzend, demonstrieren, wie Sprache ihre Funktionen verliert und zum scheinbaren Nonsens wird: diesch mander diesch mander diesch mander diesch mander diesch

ich habe nichts verstanden. so soll es sein. die fremden sprachen sind schön, weil wir sie nicht verstehen. man kann in einer fremden sprache alles sagen, weil man sie nicht versteht. in unserer eigenen sprache können wir fast nichts sagen, weil wir es verstehen. una pizza quattro stagioni. perfetto. mat engem läffel. grazie, mille grazie (Rewenig 2010: 78).

Dass in Rewenigs Sprachspiel mit mehreren Sprachen operiert wird, mag als Spezifikum Luxemburger Literatur erscheinen, gilt doch Mehrsprachigkeit als deren wesentliches Merkmal (vgl. Goetzinger 2004a). Literatur in Luxemburg funktioniert vor einem multilingualen Hintergrund mit einem komplexen Nebeneinander verschiedener Sprachen und das literarische Leben Luxemburgs spiegelt somit die »institutionalisierte Mehrsprachigkeit des Landes« wider (Berg 2006: 341). In der aktuellen Forschung wird dieser selbstverständliche Gebrauch mehrerer Sprachen als Zeichen kultureller Flexibilität und ausgeprägter Interkulturalität gedeutet (vgl. Honnef-Becker/Kühn 2004; Conter/ Goetzinger 2008; Conter 2010). Nach Germaine Goetzinger bietet sich die literarische Kommunikation im Großherzogtum als Grenzraum mit kulturellen Mischungsprofilen als Forschungsthema in besonderem Maße an, da sie als Modell für Literatur in einer zunehmend sich öffnenden und nomadisierenden Welt angesehen werden könne. Besonders lohnend erscheine es zu analysieren, wie sich die komplexe Orientierungs-, Differenzierungs- und Selbstfindungsarbeit vor einem multilingualen und multikulturellen Kontext in der Literatur niederschlage (Goetzinger 2004b: 23). Die Literaturen in Luxemburg scheinen somit aktuellen Konzepten eines »Dritten Raumes« zu entsprechen, eines hybriden Überlappungsraums, der durch eine Sphäre gekennzeichnet ist, in der man sich innerhalb des Geflechts der Kulturen dem kulturell Anderen aussetzt, wobei dieser Prozess nicht ohne Spannungen und Konflikte abläuft (Bachmann-Medick 1996: 285). So sieht Claude D. Conter (2010: 130) Luxemburg als ein »Zwischenland« mit einer »dritten, eigenen« Interkultur. Rolf Parr, der auf der Grundlage der Interdiskurs-Theorie versucht, das »(interkulturelle) System der Kollektivsymbole in

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Luxemburg« zu beschreiben, fragt sich indes, ob es einen spezifischen Interdiskurs in Luxemburg gebe oder ob womöglich deutschsprachige Texte dem deutschen und französischsprachige dem französischen Interdiskurs folgten oder ein Mix aus französischem, deutschem und vielleicht lëtzebuergeschem Interdiskurs hergestellt bzw. nur für einzelne Themen auf Mischformen zurückgegriffen werde. Schließlich stellt Parr zur Diskussion, ob Luxemburg gegenüber Frankreich, Deutschland oder Belgien im Sinne des in der Interkulturalitätsliteratur vielfach verwendeten Konzepts insofern einen ›Dritten Raum‹ darstelle, »als der Luxemburgische Interdiskurs immer schon aus komplexen kulturellen Austausch- und Wechselbeziehungen resultiert« (Parr 2010: 96). Die Frage, ob die Literaturlandschaft in Luxemburg als ein zukunftsweisendes Modell kultureller Hybridität zu verstehen ist und ob insbesondere Mehrsprachigkeit als Ausdruck dieser Interkultur betrachtet werden kann, soll in diesem Beitrag untersucht werden. An ausgewählten Beispielen wird erörtert, welche Funktionen mehrsprachiger Literatur zu unterscheiden sind und wie die »interkulturelle Perspektivierung der Literatur in Luxemburg« (Conter 2010: 126) zu beschreiben ist.

2. Merkmale Luxemburger Mehrsprachigkeit Die Literaturlandschaft in Luxemburg erscheint als äußerst heterogen: Zur Luxemburger Literatur zählen Autorinnen und Autoren, die bevorzugt in einer der gängigen Literatursprachen Deutsch, Französisch oder Lëtzebuergesch schreiben, ebenso wie Autorinnen und Autoren, die in mehreren Sprachen schreiben.1 Einige Beispiele zur Illustration: Jean Krier, der im Jahre 2011 für seinen Gedichtband Herzens Lust Spiele (2010) den Adelbert-von-Chamisso-Preis erhält, schreibt vornehmlich auf Deutsch; Jean Sorrente auf Französisch; Pol Greisch auf Lëtzebuergesch; Georges Hausemer schreibt auf Deutsch und Lëtzebuergesch; Lambert Schlechter auf Französisch und Deutsch; Claudine Muno bevorzugt Lëtzebuergesch, Französisch und Englisch als Literatursprachen. Seit den 1960er Jahren ist eine Ausweitung der traditionellen »Tri-Literalität« festzustellen: Englisch und die Migrationssprachen Portugiesisch und Spanisch kommen als Literatursprachen dazu (Conter 2010: 119). Welche Sprache(n) ein Schriftsteller letztlich als Literatursprache(n) wählt, hängt mit einer Vielzahl von Komponenten zusammen, etwa »mit dem individuellen Bildungsweg, den persönlichen Lebensumständen, der literarischen Sozialisation und den Rezeptionserwartungen« (Goetzinger 2004a: 164), aber auch mit spezifischen Produktions- und Rezeptionsbedingungen, die für Luxemburger Autoren gelten (vgl. Honnef-Becker 2010b). Dass viele Werke in 1 | Zur frankophonen Luxemburger Literatur vgl. Wilhelm 2001.

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Deutsch und Französisch vorliegen, ist sicherlich auch damit zu begründen, dass das Lëtzebuergesche erst 1984 zur Landes- und Nationalsprache erklärt und erst in den 1980er Jahren als gleichwertige Literatursprache neben dem Deutschen und Französischen anerkannt wurde (vgl. Conter 2008). In seinem Essay Der Aufstand der Luxemburger Allliteraten beschreibt Roger Manderscheid diese Entwicklung aus seiner persönlichen Sicht: wie soll literatur, die in luxemburg entsteht, beschaffen sein? müssen wir nicht versuchen mit unserem schreibstil, mit unserer thematik ans ausland anzuknüpfen? […] wie ist unser verhältnis zur deutschen sprache? ist deutsch für uns eine fremdsprache? wie stehen sich deutsch und dialekt gegenüber? mit der deutschen sprache haben wir grössere möglichkeiten, stimmt das? anfang der sechziger jahre schien es zu stimmen. damals schauten wir alle, als schreiber, wenn wir ehrlich sind, so wie es uns von unserem umfeld beigebracht und immer wieder repetiert wurde, auf die luxemburgische sprache herab: es war eben nur ein unbedeutender dialekt, der literarisch wenig tauglich war und, ohne verbindliche schreibregeln, kaum gelesen wurde. in unserem verhältnis zur sprache, die wir alltäglich reden, trat nach 1968 langsam eine veränderung ein: wir verachteten uns nicht länger als winzlinge, und unsere sprache nicht länger als hässlich. als dieselbe 1984 per gesetz zur nationalsprache erhoben wurde, war sie längst in unseren köpfen rehabilitiert und auch die neufixierte ortografie konnte nur mehr den ultimativen kick liefern, der die schleusen öffnete (Manderscheid 2003: 23).

Manderscheid benennt in seinen Ausführungen wichtige Voraussetzungen der Sprachenwahl, zum einen die Vorbildfunktion »ausländischer« Literaturen, zum anderen der zunächst geringe Stellenwert der eigenen Sprache, des Lëtzebuergeschen. Für Manderscheid mit dem Deutschen als erster Literatursprache stellt sich insbesondere die Frage nach dem Verhältnis zur deutschen Sprache. Was die Einschätzung des Lëtzebuergeschen betrifft, zeichnet Manderscheid die allmähliche Akzeptanz als Literatursprache nach. In der sprach- und literaturwissenschaftlichen Forschung wird herausgestellt, dass insbesondere Roger Manderscheids Romane einen wesentlichen Beitrag hierzu geleistet haben. Dass die Gattung »Roman« in den achtziger Jahren in die lëtzebuergesche Literatur Einzug gehalten hat, wird als »Meilenstein in der neueren luxemburgischen Literaturgeschichte« (Hausemer 2004) und »Abschied vom Dialekt« (Berg 2006) gewertet. Gleichwohl bleibt festzustellen: Lëtzebuergesch muss sich selbst in Luxemburg gegenüber den großen, im Literaturbetrieb etablierten Literatursprachen Deutsch und Französisch behaupten. Wer außerhalb Luxemburgs rezipiert werden und sich im ausländischen Literaturbetrieb durchsetzen will, entscheidet sich ohnehin für eine dieser Literatursprachen. Diese für Luxemburg spezifische »Polarität« der Sprachen basiert auf Entwicklungen im 19. und beginnenden

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20.  Jahrhundert. Germaine Goetzinger spricht von einem »dilemmatische(n) Spannungsfeld, in dem luxemburgische Literatur entsteht, wobei die Gegensätze von Heimattümelei und kosmopolitischer Pose, von Verherrlichung des Luxemburgischen und der Wahl prestigereicherer Fremdsprachen unaufgelöst bleiben« (Goetzinger 1999: 58). Goetzinger sieht Luxemburger Literatur im 19.  Jahrhundert »im Spannungsverhältnis von nationaler Selbstvergewisserung und europäischer Wunschidentität«. Während das Bekenntnis zum Lëtzebuergeschen als Literatursprache als Abgrenzung gegenüber den übermächtigen Nachbarn Frankreich, Belgien und Deutschland zu erklären sei, zeige sich im Topos der Selbstcharakteristik als Mischkultur die Wunschidentität Luxemburger Autoren als Vermittler zwischen der Germania und Romania. Hierbei gehe es nicht um Distanzierung, sondern um Integration und Aufwertung der eigenen Zwischenstellung. Claude D. Conter weist diesem Konzept der Mischkultur eine herausragende Bedeutung zu: »Der kulturtheoretische Entwurf der ›Mischkultur‹ wirkte sich auf die kulturelle Praxis so sehr aus, dass er sich geradezu zu einer literatursoziologischen Bedingung des literarischen Feldes entwickelte« (Conter 2010: 123). In der Literaturgeschichtsschreibung hat diese Zwischenstellung allerdings kaum Berücksichtigung gefunden. Lange Zeit wurde sogar eine grundsätzliche Skepsis geäußert, ob Luxemburg überhaupt eine eigenständige Literatur besitze, und diskutiert, ob die großen Teile der Luxemburger Literatur in deutscher und französischer Sprache nicht eher als Bestandteile der deutschsprachigen bzw. frankophonen Literatur anzusehen seien, obgleich sie in deutschen und französischen Literaturgeschichten in der Regel nicht berücksichtigt werden (vgl. Conter 2008: 22). Conter stellt fest, dass eher der Eindruck von drei Luxemburger Literaturen entstehe als von einer Luxemburger Literatur in drei Sprachen. Auch wenn in jüngster Forschung für eine mehrsprachige Literaturgeschichtsschreibung plädiert wird und erste Ansätze dazu vorliegen (vgl. Conter/Goetzinger 2007 und 2008), so ist doch zu fragen, ob das tradierte Nebeneinander dreier Literaturen sich nicht nur in den Regalen der Buchhandlungen, sondern auch in den Köpfen vieler Autoren und Leser wiederfindet. Schließlich wäre zu erörtern, ob denn ein solches »Nebeneinander« verschiedener Literaturen überhaupt als Ausdruck einer luxemburgischen Inter-Literatur gelten kann. Die Orientierung an den tradierten Literatursprachen und der Verzicht auf eine eigene (mehrsprachige) Poetik zeigt sich gerade in einem Genre, das als das interkulturellste par excellence gilt, dem Migrationsroman.

3. Sprachenwahl in Luxemburger Migrationsromanen In Migrationsromanen werden Selbst- und Fremdbegegnungen vielfältig inszeniert. Ein Blick auf die Entwicklung in Deutschland kann zentrale Verän-

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derungen innerhalb des Genres deutlich machen (vgl. Esselborn 1997; 2007). Während in der ersten Phase der »Gastarbeiterliteratur« Auswanderung, Flucht und Arbeitsmigration thematisiert werden, wobei Fremdheit- und Differenzerfahrungen auf unterschiedliche kulturelle Kontexte verweisen, ist die spätere Phase einer »interkulturellen Literatur« durch Übernahme, Mischung und Überschneidungssituationen verschiedener Kulturen gekennzeichnet. Die »Poetik der Alterität«, die sich dabei entwickelt hat, dokumentiert sich auf verschiedenen Ebenen. Sie zeigt sich beispielsweise in einer sprachlichen Interkulturalität, in Mehrsprachigkeit, Sprachmischungen und Sprachwechsel, wie sie etwa im Werk Emine S. Özdamars als narrative Muster der Fremdwahrnehmung beschreibbar sind (vgl. Honnef-Becker 2011). In Anlehnung an den angloamerikanischen Diskurs über Interkulturalität benennt Aglaia Blioumi (2002) weitere Kategorien zur Bestimmung interkultureller Elemente der Literatur. Sie spricht von einer »doppelten Optik«, bei der Eigenes und Fremdes aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen werden; einem dynamischen Kulturbegriff, der den Texten innewohnen sollte, Selbstkritik, welche die Prägung eines Individuums und einer bestimmten Gruppe in einem gegebenen soziohistorischen Umfeld und vertraute Schemata und Wahrnehmungen, Bewertungen und Praktiken hinterfrage, sowie Hybridität, die sich auf die Konturierung der personalen und kollektiven Identität beziehe und die Koexistenz und Interaktion mehrerer Kulturen anerkenne und somit als Gegenentwurf zu einem monokulturalen Selbstverständnis zu begreifen sei. Die Übertragung dieser Ansätze auf Luxemburger Migrationsromane führt zu erstaunlichen Ergebnissen. Der Roman Mrs Haroy ou la mémoire de la baleine stammt von Jean Portante, der 1950 als Sohn italienischer Einwanderer im industrialisierten Süden des Großherzogtums geboren wurde. Erzählt wird die Geschichte einer italienischluxemburgischen Migration aus der Perspektive des mittlerweile zum Schriftsteller gewordenen Erzählers Claude (vgl. Marson 2004; Glesener 2008). In Portantes Roman wird der Alltag der verschiedenen Kulturen anschaulich aus der Wahrnehmungsperspektive des kleinen Jungen geschildert, der unter der Spannung der Lebenswelten leidet und auf der Suche nach einer Identität zwischen den Kulturen ist (vgl. Honnef-Becker 2008): Très souvent je me suis demandé à quoi on reconnaît qu’on est un vrai Luxembourgeois. Est-ce que la façon de s’habiller? De parler? De marcher dans la rue? Est-ce qu’un Luxembourgeois écoute différemment une chanson qu’ un Italien? Joue-t-il différemment aux cartes, aux quilles, au baby-foot? Pour les quilles je le sais. En Italie, on préfère les bocce, ces grosses boules en bois qu’on lance sur une piste très longue et très poussiéreuse d’après des règles que je n’ai jamais comprises. Il y a d’ailleurs un de ces boulodromes à Oberkorn, et jamais je n’y ai aperçu ne serait-ce-que le fantôme d’un Luxembourgeois, même pas parmi les spectateurs, derrière la grille. Et il y a une autre différence manifeste: un Luxembourgeois n’enroule pas ses spaghettis autour de

M EHRSPRACHIGKEIT IN DER L UXEMBURGER L ITERATUR sa fourchette, et un Italien, allez savoir pourquoi – serait-ce une question d’honneur? -, ne les découpe jamais avec un couteau. Et puis, un Luxembourgeois, ça a moins de cheveux sur la tête. Et ils sont tout courts, le cheveux d’un Luxembourgeois. Tellement courts qu’il ne peut même pas les enrouler autour de ses doigts. Voilà pourquoi, tout comme papa à cause du foot, je ne deviendrai jamais un vrai Luxembourgeois. Mes cheveux à moi sont sacrés (Portante 1993: 179).

Die genauen Beschreibungen des kleinen Claude machen die kulturellen Unterschiede deutlich, wie sie in den 1950er Jahren im Einwanderungsland Luxemburg wohl zu beobachten waren, und illustrieren den Alltag und die Befindlichkeit der italienischen Einwanderer im luxemburgischen Süden in abwechslungsreichen Bilder- und Szenenfolgen. In einer um Genauigkeit und Sachlichkeit bemühten Erzählhaltung werden kulturelle Gegensätze in eine poetische Bildersprache gefasst und das Beziehungsverhältnis zwischen »Eigenem und Fremden«, das in einem selbstbewussten Bekenntnis zur Differenz gipfelt (»Mes cheveux à moi sont sacrés«), immer neu inszeniert. Bei der Suche nach seiner Identität gelangt der Erzähler schließlich zu Einsichten, die den derzeit diskutierten hybriden Ansätzen erstaunlich zu entsprechen scheinen, so etwa der Erkenntnis, dass es die »wahren Luxemburger« gar nicht gebe: En réalité c’est beaucoup plus compliqué que ça. Parce que même Differdange n’est pas Differdange tout court. […] Pas parce que ce sont surtout les bouffeurs de macaronis qui ont extrait la minette au fond d’interminables galeries et y ont souvent laissé leur peau comme grand-père Nando.[…] En fait, les Luxembourgeois ne sont pas de vrais Luxembourgeois. L’ennui c’est qu’ils ne le savent pas. Ils croient qu’ils sont luxembourgeois, mais ce n’est pas vrai (Portante 1993: 360).

Diese Erkenntnis verdankt der Junge seinem Geschichtslehrer, der ihm von den Römern als den gemeinsamen Vorfahren erzählt. Überlegungen, dass Italiener und Luxemburger ja eigentlich »die Zweige von ein und demselben Baum« seien, zeugen von den Versuchen des Jungen, im Spannungsfeld verschiedener Kulturen eine hybride Identität zu entwickeln. Merkmale sprachlicher Interkulturalität, interkulturelle Wortbildungen oder Einsprengsel und Zitate aus anderen Sprachen sind im Roman allerdings nicht zu finden. Selbst Schimpfwörter (»têtes de fromage, bouffeur de macaronis, putain d’ours«, vgl. Portante 1993: 179) sind ins Französische übersetzt. Die literarische Suche nach einer Identität zwischen den Kulturen dokumentiert sich bei dem italienisch-luxemburgischen Autor also ausschließlich in französischer Sprache; Sprachwechsel und Sprachmischungen kommen nicht vor. Dies gilt auch für Guy Helmingers ambitioniertes Werk Neubrasilien (2010), in dem der Autor die luxemburgische Auswanderung im 19. Jahrhundert mit

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der Einwanderung nach Luxemburg im 20./21.  Jahrhundert vernetzt. Beide Migrationen scheitern: Die Luxemburger Auswanderer kommen nur bis Bremen, kehren mittellos nach Luxemburg zurück und fristen in »Neubrasilien«, einem Stück kargen »Niemandsland« an der Grenze verschiedener Gemeinden, ein kümmerliches Dasein als »staatenlose Fremde« (Helminger 2010: 187) und soziale Außenseiter. Die montenegrinischen Flüchtlinge, die kurz vor der Wende zum 21. Jahrhundert nach Luxemburg einreisen, werden abgeschoben. Guy Helminger erzählt beide Migrationsgeschichten in traditioneller Manier, verzichtet auf Montagetechniken wie Uwe Timm sie in Morengo einsetzt oder auf wechselnde Erzählperspektiven, die in Iilja Trojanows Weltensammler eine »doppelte Optik« erzeugen sollen. Die eindimensionale Erzählweise in den beiden Handlungssträngen dokumentiert sich auch im Umgang mit Sprache. Guy Helminger schreibt ausschließlich Deutsch: Escher Straßennamen werden ebenso ins Deutsche übersetzt (»Alzettestraße«, »Großstraße«, vgl. Helminger 2010: 146 u. 193) wie kulturspezifische Eigennamen (»der Goldenen Frau in Luxemburg-Stadt«; ebd.: 139), Redensarten, (ebd.: 79), die portugiesische Nationalhymne (ebd.: 208) oder serbokroatische Kosenamen: »›Ja, meine kleine Ziege‹, antwortete Aleksandar. Das Fremde beginnt bereits bei den Kosenamen, dachte Jean« (ebd.: 36). Besonders auffällig ist, dass Guy Helminger selbst lëtzebuergesche Buchtitel ins Deutsche überträgt, etwa das »erste Buch auf Luxemburgisch Ein Schritt auf den Luxemburger Parnassus« (Helminger 2010: 231) oder Georges Hausemers und Nico Helmingers auf Lëtzebuergesch verfasste Werke Iwwer Waasser und Iwwer Land: »›Über Wasser. Über Land‹, lachte Rene, ›haben die zwei sich abgesprochen‹« (Helminger 2010: 58). Auf Mehrsprachigkeit wird im Roman zwar oft hingewiesen, aber sie wird nicht wahrnehmbar, da der Autor einen explizierenden, übersetzenden Erzähler kreiert: In diesem Moment trat der Sicherheitsbeamte aus seinem Zimmer und sagte auf Französisch zu Charlotte: »Unbefugten ist der Zutritt hier leider nicht erlaubt« (Helminger 2010: 94); Neben Tiha rief ein Mann auf Luxemburgisch »Es lebe der Großherzog!« (Ebd.: 174); Adnan zählte die Wörter auf, die er bereits im Luxemburgischen beherrschte. Es waren fast alles Begriffe, die mit Essen zu tun hatten: Kartoffel, Suppe, Lauch, Schweinenacken mit Saubohnen, Spülmaschine… (ebd.: 291).

Besonders umständlich wirkt die Übersetzung, wenn Sprachwechsel beschrieben werden:

M EHRSPRACHIGKEIT IN DER L UXEMBURGER L ITERATUR »Ich habe meinem Vater gesagt, dass du Charlottes Vater bist«, sagte Tiha, den Anfang des Satzes auf luxemburgisch beginnend, um mit dem Verb ins Deutsche überzuwechseln und den Satz so zu beenden (ebd.: 135).

Durch den völligen Verzicht auf Mehrsprachigkeit erscheint die in den Luxemburger Migrationsromanen inszenierte Welt eher monokultural. Eine »doppelte Optik« wird sowohl in Portantes personal erzählter Geschichte als auch in Guy Helmingers Roman, der einen allwissenden Erzähler bemüht, nur in Ansätzen erreicht. Während ein dynamischer Kulturbegriff und Hybridität sich in Portantes Roman besonders in den Reflexionen des Protagonisten andeuten, wird das monokulturale Selbstverständnis in Guy Helmingers Roman vor allem durch die Erzählkonstruktion in Frage gestellt. Durch das Gegenüberstellen der beiden Handlungsstränge erscheint Migration als prototypischer Prozess des Aufbruchs zur Existenzsicherung und Selbstfindung, wobei das »Sich-aufden-Weg-machen« auf die Koexistenz und Verflechtung der Kulturen verweist. Zum anderen wird dargestellt, dass »Fremdheit« nicht mit kultureller Fremdheit gleichzusetzen ist, denn die luxemburgische »Heimat« als sozial überschaubare, räumlich begrenzte Gemeinschaft erscheint durch die Exklusion der Zurückgekehrten, die zu Fremden werden, in einem kritischen Licht und die vertrauten Bewertungen und Praktiken in diesem soziohistorischen Umfeld werden hinterfragt. Somit leistet Guy Helmingers Roman gleichwohl einen wesentlichen Beitrag zur Selbstreflexion, auch wenn Kulturen als voneinander abgegrenzte Systeme dargestellt werden und Hybridität nicht gestaltet wird. Um das poetische Potential der Mehrsprachigkeit aufzuzeigen, wenden wir uns nun den Werken zu, die Sprachmischungen in vielfältigen Konfigurationen enthalten.

4. Funktionen der Mehrsprachigkeit Sprachmischungen haben in der Luxemburger Literatur eine lange Tradition: Bereits Michel Rodange, der mit seinem Renert (1872) als Begründer des Lëtzebuergeschen als Literatursprache gilt, verwendet außer Lëtzebuergesch auch Deutsch als Literatursprache und schon Dicks (Edmond de La Fontaine), ein weiterer ›Klassiker‹ der lëtzebuergeschen Literatur, experimentiert in seinen Werken mit der Sprachenvielfalt seines Heimatlandes und montiert in seine Theaterstücke französische und deutsche Zitate. Diese aus dem 19. Jahrhundert überlieferte Tradition wird von zeitgenössischen Autoren fortgesetzt. In seiner Laudatio zum Chamisso-Preis hebt Jürgen Ritte (2011) die »französischen Versatzstücke« in Jean Kriers Gedichten hervor und lobt daran, dass in einer bestimmten Sprache gesagt wird, was in ihr nicht vorgesehen sei, wozu sie keine

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Worte habe. »Vielleicht muss man dafür, des geschärften Blickes und Gehörs wegen, von den Rändern her schreiben, etwa von Luxemburg aus.« Sprachmischungen gehören zu beliebten Techniken Luxemburger Autoren und erfüllen dabei ganz unterschiedliche Funktionen.

4.1 Montagetechnik zur Identitätskonstruktion In der multilingualen Luxemburger Literaturlandschaft gelten Sprachwechsel und Sprachmischungen als besonders aufschlussreiche Phänomene. Insbesondere Roger Manderscheids Sprachwechsel vom Deutschen zum Lëtzebuergeschen wurde in der Forschung intensiv untersucht. Manderscheid, Jahrgang 1933, schreibt zunächst experimentelle Literatur ausschließlich in deutscher Sprache, wobei die bundesrepublikanische Literaturszene seine Bezugsgröße darstellt. Manderscheids kritische Auseinandersetzungen mit luxemburgischen Verhältnissen, die er als konservativ, einengend und unterdrückend beschreibt, handeln ihm »den Ruf eines Bürgerschrecks und Nestbeschmutzers ein« (Goetzinger/Conter 2007: 391). In den 80er Jahren wendet sich Roger Manderscheid in seiner Romantrilogie schacko klak, de papagei um käschtebam und feier a flam dem Lëtzebuergeschen als Literatursprache zu: Die stark autobiographisch geprägten Romane erzählen die Geschichte des Schreinersohnes Chrëscht Knapp aus Itzig zwischen 1935 und 1958. Geschildert wird eine Sozialisation auf dem Hintergrund der deutschen Besatzung, der Befreiung Luxemburgs durch die Amerikaner und der restaurativen Nachkriegszeit mit ihrem Obrigkeitsdenken und ihrer Sexualfeindlichkeit. Die Romane mit ihrer analytisch-rückblickenden Erinnerungsarbeit und einer kritischen Spiegelung Luxemburgs sind geprägt vom Wunsch nach Selbstfindung und Selbstvergewisserung. Sie zeichnen sich durch Sprachspiel und Sprachkreativität aus und experimentieren mit dem Sprachwechsel als ästhetischem Ausdrucksmittel (ebd.: 392).

Manderscheid, der bis 1988 vornehmlich auf Deutsch publiziert hat, kommt während der Arbeit am ersten Teil seines autobiografischen Romans zur Erkenntnis: »Ich konnte den Roman nicht auf Deutsch weiterschreiben, und ich habe dann überlegt, dass er im Grunde genommen, auf Lëtzebuergesch geschrieben werden müsste. Und ich habe dann ganz neu begonnen, und daraus sind dann drei Romane geworden, drei dicke Romane, Tschako klack, Der Papagei auf dem Kastanienbaum […] und Feuer und Flamme« (Kramer 2004: 34).2 Roger Manderscheid kommentiert seinen Sprachwechsel folgendermaßen:

2 | Die Zitate von Roger Manderscheid stammen aus einem Interview, das Kerstin Bastian am 31. Juli 2001 Interview geführt hat, zit. n. Kramer 2004: 34.

M EHRSPRACHIGKEIT IN DER L UXEMBURGER L ITERATUR Ich habe gemerkt, dass die ganze Stärke des Romans erst zur Geltung kam, als ich mich entschied, Lëtzebuergesch zu schreiben, und im Grunde genommen ist der Schacko klak zweisprachig, Lëtzebuergesch und Deutsch. Es geht eine Struktur durch das ganze Schreiben. Ich habe auf Deutsch angefangen und bin ins Stocken geraten, weil mir auf einmal klar wurde, dass ich in derselben Sprache der Unterdrücker eine Situation beschrieben habe, die im Grunde genommen von meiner Sprache, vom Lëtzebuergeschen, her gesehen ganz antagonistisch war. Im Grunde genommen habe ich in der Sprache der Täter geschrieben und ich war ein Opfer. […] Und als ich mich entschlossen hatte, aus der Froschperspektive, also aus der Opferperspektive mit meinem kleinen Lëtzebuergeschen zu schreiben, da sind auf einmal Dämme aufgebrochen, und diese ganze Zeit ist lebendiger geworden. Da habe ich gemerkt, dass das Deutsche eine Fremdsprache ist. Das Deutsche hat das Ganze wie hinter einer Glasscheibe aussehen lassen, aber als ich Lëtzebuergesch geschrieben habe, war die Glasscheibe weg. Dann war ich direkt am Duft der Blumen, wenn man so sagen darf (ebd.: 36).

In diesem Kommentar wird deutlich, dass die Hinwendung zum Lëtzebuergeschen als authentischer »eigener« Sprache zu einer Distanzierung vom Deutschen führt, das nun als Fremdsprache empfunden wird. Erzähltechnisch wird diese Abgrenzung durch eingelagerte deutsche Texte gestaltet. Zunächst erscheinen in schacko klak Briefe, Reden, Schulaufsätze, Beichten oder auch fachsprachliche Texte und Zeitungsannoncen in deutscher Sprache. Damit wird deutlich, in welchen Kontexten Deutsch damals in Luxemburg gebraucht wurde: Zum einen in administrativen, schulischen und kirchlichen Zusammenhängen, zum anderen aber auch in schriftsprachlich-beruflichen Bereichen (»die Säge gefeilt: 0,50 Franken; einen Küchenschrank geflickt: 2,70 Franken«; vgl. Manderscheid 2007: 33) und in der Zeitung (»am bett huet en an der zeitung buschtawéiert: Die Kohlfliege vernichtet alljährlich etwa vier Millionen Doppelzentner Kohl. Schützt die Kohlsetzlinge mit dem ungiftigen forbiat »bayer ig farbenindustrie« Aktiengesellschaft, Pflanzenschutzabteilung, Leverkusen.«, vgl. Manderscheid 2007: 266). Zudem tritt Deutsch aber auch als familiäre Schriftsprache auf. In persönlichen Briefen erscheint es als eigene Sprache, als sogenanntes Luxemburger Deutsch, das sich unter anderem durch französische Einsprengsel vom Standarddeutschen unterscheidet (»wenn du mir zurückschreibst, dann schreibe mir, ob ich mir eine coûte für einen sommier von Paris kommen lassen soll oder ob man das zu Hause so gut findet, wie hier«, vgl. ebd.: 32). Die abgrenzende Funktion kommt insbesondere im zweiten Teil des Romans zum Tragen, wenn erzählt wird, wie das ganze Dorf unter die brutale nationalsozialistische Fremdherrschaft gerät. Deutsch, das im ersten Teil auch »eigene« Sprache ist, erscheint als »fremde« Sprache der Verordnungen aggressiver totalitärer Machthaber. Bei den einmontierten authentischen Texten handelt es sich nun um Verordnungen (vgl. ebd.: 186 u. 228), Anordnungen

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(ebd.: 200f.), Bekanntmachungen (ebd.: 270), Todesurteile (ebd.: 297), Plakate mit Namen Erschossener (ebd.: 302) oder auch Todesanzeigen von Soldaten (ebd.: 277). Während Deutsch zur Sprache der Täter wird, erscheint das Lëtzebuergesche – in Abgrenzung zum Deutschen – als authentischer Ausdruck der Identität (vgl. Hansen-Pauly 2002; Honnef-Becker 2004; Lippert 2008). Das Gegeneinanderstellen von Lëtzebuergesch und Deutsch kann am folgenden Auszug exemplarisch verdeutlicht werden. Während der Vater in der Zeitung liest, kommentiert er die deutschen Texte auf Lëtzebuergesch: – lauschter emol dat hei, sot säi papp e puer deeg duerno, wat hei an der zeitong steet: AUF ALLES VORBEREITET WIR SIND DIE ZUKUNFT UND WERDEN DIESEN KRIEG SIEGREICH BEENDEN Die Stellungnahme des Gauleiters GUSTAV SIMON zu den Ereignissen. Die große Rede auf der eindrucksvollen Kreistagsschlußgroßkundgebung, mäi gott, esou wierder, sot säi papp, bréngen nëmmen d’preise fäerdeg: Die Welt führt seit dreißig Jahren Krieg mit uns. Wir sind in dieser Zeit hart und entschlossen geworden. Wir kämpfen nicht für uns persönlich, wir kämpfen für das Leben eines 80–Millionenvolkes. Wenn wir daher han deln, so handeln wir stets für die Ideale, für die Zukunft, für das Dasein von 80 Millionen Menschen. dat ass dach e witz, sot säi papp, déi halen äis fir méi domm, wéi de gebrauch. kënnen och doudeger da-sein? huet dee mat enger lais-kaul, mä ouni lais dran, sech gefrot. a säi papp huet weider virgelies: Die harten Kämpfe in Süditalien halten an. Die Schweiz unterstreicht ihre Verteidigungsbereit schaft. Kurssturz in New York. Die US-Börsenmagnaten fürchten um ihr Geschäft, an dann dat hei: Das größte Flugboot der deutschen Luftwaffe. Mit der »BV 222 WIKING“ ist bei der deutschen Luft waffe ein neues Großflugboot eingesetzt, das in seiner Konstruktion, in seinen Größenabmessungen ein Meis terwerk deutscher Flugzeugtechnik darstellt. Das zwei stöckige Boot von BLOHM & VOSS ist 37 Meter lang, die Spannweite der Tragflächen beträgt 46 Meter. -alles wat déi maachen, si »meisterwerke“, sot säi papp, déi sollen oppassen, datt se nët mat hirer Spannweite vu 46 meter mat der schnëss am bulli landen, an hei eréischt, op der drëtter säit: Vertrauen in den Führer Dafür kämpfen wir Ausfall Massiglis gegen England Loblied auf die Sowjets Andeutung über Geheimabkommen. déi stin nach stramm virum führer, wa se schon an der lued leien, sot säi papp, de krich as geschwënn eriwwer (Manderscheid 2007: 322f.).

In der Gegenüberstellung deutscher Zeitungsmeldungen mit lëtzebuergeschen Kommentaren des Vaters erscheinen diese als authentische, die nationalsozia-

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listische Propaganda durchschauende Stimme Luxemburgs. Die Erzählsequenz endet mit der Voraussage des Vaters, dass der Krieg bald zu Ende sei. Im Anschluss daran wird erzählt, wie der Junge selbst zur Zeitung greift und dort Todesanzeigen luxemburgischer Soldaten findet. Diese Szene bildet den dramatischen Höhepunkt der Erzählsequenz. Die Todesanzeige bildet nicht nur den Gegentext zur nationalsozialistischen Zeitungspropaganda, sondern auch zur hoffnungsvollen Prognose des Vaters. Ohne weitere Kommentierung führt der einmontierte authentische Text die grausame Kriegsrealität vor Augen: an dann e puer reien ënnendrënner: In Erwartung eines frohen Wiedersehens traf uns die traurige Nachricht, daß unser lieber, guter Sohn, Bruder, Enkel, Neffe und Vetter Soldat N IKOLAUS R AULAND am 4. März 1944 im blühenden Alter von 23 Jahren im Osten sein junges, hoffnungsvolles Leben ließ. Der Leichendienst wird durch Stillmessen ersetzt. In tiefer Trauer: Johann Rauland und Frau, geb. Maria Thielen und Kinder, sowie alle Anverwandten. Düddingen, im Felde, Amerika, Esch-Alzig und Holzem. (Ebd.: 324).

Der Zweite Weltkrieg und das Verhältnis zu Deutschland und der deutschen Sprache sind Schlüsselthemen der Luxemburger Literatur (vgl. Goetzinger 2003). So wie das Lëtzebuergesche sich im Widerstand zur Sprache der Besatzer zu einer eigenständigen Sprache entwickelt hat,3 so spielt die Referenz auf das Deutsche eine wichtige Rolle bei der Identitätskonstruktion mittels Literatur. Manderscheid wird nicht nur zum Mitbegründer des modernen lëtzebuergeschen Romans, sondern auch zum Bewahrer eines ›kollektiven Gedächtnisses‹. Durch die Darstellung und Deutung der gemeinsamen Vergangenheit vermittelt er in seinen Romanen eine kollektive Identität und stabilisiert das Selbstbild der Luxemburger (Goetzinger 2004a: 173). Dass es charakteristisch für Luxemburger Literatur ist, sich durch die Referenz auf das Fremde zu bestimmen, hat Germaine Goetzinger in einem grundlegenden Beitrag herausgearbeitet: Tatsächlich ist der Konstitutionsprozess einer Nationalliteratur gedoppelt von einem Prozess der ständigen Selbstvergewisserung und Legitimierung. Im Fall von Luxemburg kann man sich dabei nur schwer auf eine monolitisch-monokultural verstandene Einheit von Sprache, Literatur und Kultur beziehen. Demnach wird bei der Begründung der Eigenständigkeit der Luxemburger Literatur die Referenz auf das Fremde zum zentralen Moment. Die eigene Autonomie versucht man zu bestätigen, indem man sie in Beziehung zum Anderen setzt (Goetzinger 2004b: 16).

3 | Vgl. Polenz 1999: 152f., der die einschlägige Luxemburger Forschungsliteratur re fe riert.

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In Manderscheids Roman schacko klak wird diese Referenz zur Abgrenzung, die durch das Gegenüberstellen der Sprachen gestaltet wird. Dies gilt auch für feier a flam, den letzten Teil der Romantrilogie, der in den fünfziger Jahren spielt. Die Abgrenzung gegenüber den Deutschen und dem Deutschen ist in feier a flam weniger politisch motiviert als in schacko klak, in dem es um Täter und Opfer geht. Es ist gleichwohl aufschlussreich, die deutschen Wörter, Formulierungen und Einsprengsel im lëtzebuergeschen Original aufzuspüren. Auf Deutsch erscheinen etliche Komposita aus dem beruflichen Bereich oder auch aus dem Beziehungskontext sowie zahlreiche geflügelte Worte und Zitate aus der Literatur. Eingelagert sind aber auch ganze Texte, Schulaufsätze, private Briefe und Postkarten und auch erste literarische Versuche des Protagonisten, die dessen Nähe zur deutschen Sprache belegen. Auf Deutsch wiedergegeben sind zudem etliche Fragen und Einwände der Bitburgerin Annabell, der eine wichtige Funktion als Zuhörerin und Gesprächspartnerin zukommt. Die deutsch-luxemburgische Beziehung bildet gleichsam den Rahmen des Romans, entwickelt der Erzähler doch die Lebensgeschichte des Protagonisten Chrëscht vor seiner Bitburger Freundin, die zwar Lëtzebuergesch versteht und spricht, aber ab und zu auch auf Deutsch unterbricht und nachfragt. Damit inszeniert Manderscheid nicht nur eine persönliche und unmittelbare Erzählsituation, sondern zudem eine spezifische Adressierung an deutsche Leser, gleichsam einen luxemburgisch-deutschen Dialog (vgl. Honnef-Becker 2010a).

4.2 Sprachmischungen als Sprachspiel Während Textmontagen in der Luxemburger Literatur eher selten auftauchen, sind Einsprengsel aus anderen Sprachen ein signifikantes Merkmal. Sie erfüllen in den verschiedenen Werken ganz unterschiedliche Funktionen. In Roger Manderscheids Erzählband schwarze engel wird der Gedankenoder Wahrnehmungsstrom scheinbar unvermittelt in parataktisch aneinandergereihten, oft stakatohaften Sätzen und Satzfragmenten wiedergegeben, wobei Floskeln sprachspielerisch entlarvt und Kommentare ironisch umgedeutet werden. Manderscheid fügt dabei lëtzebuergesche Einsprengsel in seine auf Deutsch verfassten Texte ein: »wer bin ich?« »wie sinn ech? wat maachen ech hei?« (Manderscheid 2001: 57). Die auf Deutsch und Lëtzebuergesch formulierten Fragen sind als Ausdruck des nach Erkenntnis und Identität suchenden Erzählmediums zu verstehen. Auch fingierte Authentizitätsversicherungen, die ein Gespräch mit den Lesern initiieren, sind auf Lëtzebuergesch wiedergegeben (»dat ass wouer«, »mengen ech emol«, »éierlech«). Demgegenüber greifen eingefügte französische Kommentierungen sprachspielerisch das Thema des Textes auf:

M EHRSPRACHIGKEIT IN DER L UXEMBURGER L ITERATUR de la frontière ils ont de tous les temps su faire un front. un affront. affreux. la frontière est inutile. mais les régions près de la frontière sont riches en vitamines. parce que riches en couleurs. c’est la différence qui fait vivre. si on veut apprendre, on apprend, vite. mengen ech emol. meine ich einmal (Manderscheid 2001: 7).

Auch in warten auf gaudino kombiniert der Erzähler mehrere Sprachen miteinander, zunächst Deutsch, Lëtzebuergesch und Französisch, schließlich auch Englisch und Italienisch: »was bin ich? wer bin ich? wo bin ich? warum bin ich? wohin geh ich? von wo komme ich? ech weess all dag manner« (Manderscheid 2001: 65). Die parataktische Reihung nicht zu beantwortender sinnsuchender Fragen, die in verschiedenen Sprachen gestellt werden, macht deutlich, dass die nationale Zugehörigkeit angesichts solch existentieller Themen von untergeordneter Bedeutung ist. In verschiedenen Sprachen geäußerte Formulierungen sind als Ausdruck des Skeptizismus und der Sprachkritik und einer im Grunde resignativen Grundhaltung gegenüber dem Leben zu verstehen; sie dienen der Lautmalerei, dem Sprachspiel: »ich bin nicht, je ne suis pas, ech si keen, neen, neen, neen, non, non, non, no, no, no, jamais, ob kee fall, nie, nie, nie, nix, nix, nix, näischt, niente, niente signorax« (ebd.: 67). Wenn die Frage nach dem Lebenssinn ohnehin nicht zu beantworten ist, relativiert sich die Bedeutung des verwendeten Mediums. warten auf gaudino endet mit einem verschlüsselten Satz, der voller sinnlicher Konnotationen steckt: »dabei wollten wir uns nur verlobesamen weitab von allen leuchten in diesem herrlich schattigen einschlüpfwinkel« (ebd.: 69). Trotz aller dunklen Töne zeigt sich eine hedonistische Grundhaltung, die sich im sinnlichen Lebensgenuss und Bekenntnis zum Spiel offenbart. In Manderscheids Erzählungen geht es folglich nicht um kulturelle Differenzen, interkulturellen Austausch, Erfahrungen und Wahrnehmungen des kulturell Anderen, darum, was »vor allem an den Grenzen und in den Grenzüberschreitungen von Kulturen geschieht« (Bachmann-Medick 1996: 279). Es werden vielmehr transkulturelle Fragestellungen thematisiert, die sich nicht auf eine bestimmten Zielkultur beziehen und nur begrenzt einzelkulturell determiniert sind. Die mehrsprachigen Formulierungen sind Ausdruck eines erkenntnistheoretisch begründeten Ungenügens an der Sprache. Ähnlich werden auch in Guy Rewenigs eingangs zitiertem Werk manderscheid  – ein stillleben verschiedene Sprachen nicht als authentischer Ausdruck unterschiedlicher Identitäten eingesetzt, sondern in sprachspielerischer Funktion. Dies zeigt sich in scheinbar unmotivierten Wechseln in eine andere Sprache, in einer bis zur Unverständlichkeit gesteigerten Sprachakrobatik, etwa durch verfremdete Orthografie (»ich fürde dir kern etwas saken. liepend kern. aber mir fählen die forte«; Rewenig 2010: 82), oder auch im Gestalten von »NonsensSprachen«:

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I RMGARD H ONNEF -B ECKER diesch wir haben die sprache schon so verbessert, dass sie fast nicht mehr verbesserungsfähig ist. mander wir müssen sie anreichern. nicht nur uran muss angereichert werden. auch die sprache. vor allem die sprache diesch rapack fruzz dallala schnotz? mander karillu!karillu! brämm tsutsu banduleila bambim! diesch tschong tschang. kripatzki schnock saballadingdong. mander bradimm!bradimm! fnotsch fnullu.kruzz, pinocky! diesch wie schön. ohne die sprache wären wir sprachlos. mander wir säßen in der sprachlosen landschaft. wéi bestallt an net ofgeholl […] (Ebd.: 46).

In der letzten Szene des Stückes werden Sprachen derart gehäuft angeführt, dass eine satirische Wirkung entsteht: Neben Deutsch, Lëtzebuergesch, Französisch und Englisch werden »finnesch«, »ungaresch« (ebd.: 96), »filipinesch (ebd.: 97), »hollännesch« (ebd.), »flämesch« (ebd.: 99), »heckemexikanesch« (ebd.) und »latäin« (ebd.: 100) aufgelistet. Trotz vielfacher Bezüge zu Roger Manderscheids Erzählexperimenten wird ein Unterschied deutlich: Während Manderscheids Sprachspiele erkenntnistheoretisch bedingt und als Form romantischer Ironie deutbar sind, da das Zitieren verschiedener Sprachen letztlich deren Unzulänglichkeit demonstriert, steht bei Rewenig das satirische Sprachspiel, das schließlich in Kunstsprachen und Nonsens-Sprache mündet, im Vordergrund. Die satirische Wirkung tritt besonders in selbstreferentiellen Kommentaren zur Mehrsprachigkeit zu Tage, beispielsweise, wenn Rewenig sich über die Selbstdarstellung als multilinguale Nation lustig macht: »five times a day, we have to use some english spoken words. we are a multilingual nation« (ebd.: 98).

4.3 Multilinguale Texturen als Medium der Selbstreflexion Nico Helminger nutzt die luxemburgische Sprachenvielfalt, um sie in seinen Werken kreativ und innovativ einzusetzen (vgl. Goetzinger 2004a). Germaine Goetzinger (ebd.: 183) kommt, die Luxemburger Literatur vom letzten Jahrhundert bis heute betrachtend, zu der Einschätzung, dass sich am Werk Nico Helmingers der enorme Weg aufzeigen lasse, den die luxemburgische Literatur seit dem 19. Jahrhundert zurückgelegt habe. Sie hebt hervor, dass Nico Helminger einer der wenigen Autoren sei, die es gewagt hätten, den Weg des Professionalismus zu gehen, und dabei erkannt habe, dass sein Aktionsradius sich nicht auf Luxemburg beschränken könne und der den Kontakt und Austausch mit dem Ausland gesucht habe. Dies zeige sich auch in der Multilingualität seiner Werke.

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In Helmingers lyrischen Sequenzen grenzgang lässt sich diese Multilingualität intertextuell begründen. In wörtlicher Bedeutung ist »Grenzgang« auf einen Spaziergang an der luxemburgisch-französischen Grenze zu beziehen. Grenzgang steht aber gleichzeitig für Introspektion, für eine Bewegung ins eigene Innere und schließlich kann »Grenzgang« auch als literarischer Grenzgang verstanden werden, als Experimentieren mit tradierten literarischen Gattungen, das mit Hilfe verschiedener Techniken an Wortgrenzen, Satzgrenzen und auch Sprachgrenzen stößt. Zwar hat Nico Helminger seine Lyrik vorwiegend auf Deutsch verfasst, eingelagert sind aber einige Gedichte auf Französisch. Außerdem enthält das Werk eine Vielzahl von Einsprengseln und Zitaten auf Französisch, Lëtzebuergesch, Englisch und Italienisch, wobei Sprachmischungen auch innerhalb von Wortneubildungen eingesetzt werden (»entre chien et loup-lichtungen«, vgl. Helminger 2003: 112). Durch zahlreiche intertextuelle Bezüge zur amerikanischen, deutschsprachigen, französischen und italienischen Literatur werden Motive und Themen in verschiedenen Sprachen aufgenommen und variiert. Mit der konkreten Poesie verpflichteten Verfahren, z.B. typografischen Variationen, sind Verse in anderen Sprachen auch im Druck hervorgehoben: und fremd ist im sterntalerparadies i beginn to see alzette oder amazonas die wasser härten sich […]. (Vgl. ebd.: 97).

Die Sequenz palimpsest erscheint dabei besonders interessant, weil sie Helmingers literarisches Verfahren offenlegt, dient »Palimpsest« doch als Metapher für Intertextualität: Das mittelalterliche Palimpsest, eine in der Regel sehr kostbare Handschrift, trägt mehrere Schriften übereinander, wobei Reste der alten Schrift durchschimmern, da das kostbare Pergament oder Papyros mehrfach verwendet, nicht mehr benötigter Text abgeschabt und der Schriftträger dann neu beschrieben wurde. Gerade in der Sequenz palimpsest sind eine Fülle von intertextuellen Bezügen auszumachen. Erwähnt werden muss vor allem die Referenz auf den amerikanischen Transzendentalisten Henry David Thoreau, dessen Begriff »sauntering« leitmotivisch aufgegriffen wird: farmer unter vorstadt-himmeln und quetsch und quoten bestimmen die legendenbildung fetten hunneg gouf eis agepompelt moreover

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I RMGARD H ONNEF -B ECKER vorüber die tundra-tage überall shows jetzt abziehgeschichten hologramme knetmassen-hölderlin vom tourist-office verpackt das uneinig-einige zu klümpchen zu klirrendem im entzündeten auge die grey-träger-steppen you must walk you must walk so is the wild – the mallard – thought

umgeben von getreidewellen erinnerten summsumm-drähten hornissen hochöfen aus gischt gewachsenem farn in das ein fremder jetzt hinheinhört spore für spore sauntering sauntering … (Helminger 2003: 121f.).

Eine weiterentwickelte Form der Sprachmischung findet sich in Helmingers Komödie Now here and nowhere, die in vier Sprachen verfasst ist. Durch französische, lëtzebuergesche, deutsche und englische Szenen und Sequenzen entsteht eine mehrstimmige Textur, die dem polyphonen Sprachraum Luxemburgs entspricht. Die verwendeten Sprachen sind dabei in sich divers: So steht beispielsweise dem hohen Bildungsfranzösisch der Kulturbeamten die einfache Erzählung der Migrantin gegenüber. In dem Stück um »echte und gespielte Identitäten« gestaltet Nico Helminger auf diese Weise »ein linguistisches Puzzle, das aus Idiolekten, Soziolekten, Sprachschichten, aus schlussendlich ganz unterschiedlichen Teilen gefügt ist« (Wagner 2007: 83). Helminger thematisiert in Now here and nowhere die Begegnungen verschiedener Kulturen unter vielfältigen Perspektiven, vom Kulturbürokratismus auf höchster Ebene bis hin zum Wartesaal des Einbürgerungsamts, wo Menschen sich vor dem Eingang drängen und Beamte für Ordnung sorgen, indem sie Nummern verteilen: da stehn sie schlange nein, sie sitzen welche stehn auch

M EHRSPRACHIGKEIT IN DER L UXEMBURGER L ITERATUR ja, einige stehn, mit nummern sie haben alle kleine zettel mit nummern und werden aufgerufen […] j’ai une histoire à raconter. ils ne me croiront pas. que voulez-vous que j’invente?! tout ce qu’on invente n’est rien comparé à ce qu’on a vécu. dir musst iech d’éischt eng nummer huelen. eng nummer. eine nummer. un numéro. uno numero. unos numeros! a number. ENG NUMMER! […] (Helminger 2007: 5).

Durch die Aufzählung in verschiedenen Sprachen wird die abweisende, bürokratische Haltung der Beamten verstärkt. Die persönliche Geschichte derjenigen, die vor der Tür warten, interessiert nicht, denn an diesem Ort werden die Menschen als Nummern betrachtet. Dass die lëtzebuergesche Formulierung am Schluss noch einmal wiederholt und im Text durch Großbuchstaben besonders hervorgehoben wird, signalisiert die selbstkritische Perspektive Helmingers. In Helmingers postmoderner Komposition erscheint die luxemburgische Gesellschaft als eine Art »freizeitpark« (ebd.: 11), deren heile Konsumwelt mit der Welt der abgeschobenen Asylbewerber kontrastiert wird (vgl. ebd.: 4, 7, 10 u. 16). Dieser Gegensatz wird in der Raummetaphorik eines »Drinnen und Draußen« gefasst, wobei insbesondere Szenen in lëtzebuergescher Sprache einen abweisenden und fremdenfeindlichen Unterton aufweisen können: »hei ass et sou, datt d’dieren zou sinn. am prinzip sinn d’dieren zou. wann een net derzou gehéiert, mengen ech. wann een net derzou gehéiert, sinn d’dieren zou« (ebd.: 26). Doch Helmingers Werk stellt nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Gesellschaft dar, mit Rassismus und Eurozentrismus, sondern thematisiert auch den Identitätsverlust und die Entfremdung in einer an Konsum und Genuss orientierten Welt. Somit leistet der Autor einen »wichtigen Beitrag von kritischer Reflexivität in einer Gesellschaft, die sich nicht gern in Frage stellt und sich lieber mit Selbstbestätigung zufrieden gibt, einen Beitrag, welcher der individuellen Identitätsfindung und Identitätskonstruktion dient« (Goetzinger 2004a: 183). Nico Helmingers Werk ist mehrfachadressiert (vgl. Honnef-Becker 2010b); zum einen werden luxemburgische Leser durch kulturspezifische Bezüge besonders angesprochen, zum anderen ist das Stück aber auch als allgemeingültige gesellschaftskritische Parabel zu verstehen, in der Luxemburg lediglich als Exempel für das abweisende, respektlose, in Rassismus gipfelnde Herrschaftsverhalten reicher, von Entfremdung und Identitätsverlust gekennzeichneter Länder fungiert. Diese auf verschiedenen Ebenen evozierte Selbstkritik wird durch den Reflexionsraum erreicht, den Helminger durch einander gegenübergestellte »Stimmen« in mehreren Sprachen schafft.

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5. Fazit Die Interkulturalität der Luxemburger Literatur zeigt sich in besonderem Maße in ihrer Multilingualität. Während zum einen Literaturen in verschiedenen Sprachen nebeneinander stehen, ohne dass eine direkte Wechselwirkung oder Beeinflussung erkennbar wäre, sind zum anderen Werke anzuführen, die Einsprengsel, Zitate oder Texte in mehreren Sprachen enthalten oder sogar in mehreren Sprachen verfasst sind. Die Mehrsprachigkeit erfüllt ganz unterschiedliche Funktionen, von Gegenüberstellung und Abgrenzung über sprachkritische und satirische »Sprachspiele« bis hin zur Schaffung eines polyphonen Reflexionsraums. Vor allem multilinguale Texturen, die aus mehreren Sprachen gestaltet sind, sind als Ausdruck einer spezifisch luxemburgischen Interkultur zu verstehen. Die These, dass die Literaturlandschaft in Luxemburg ein zukunftsweisendes Modell kultureller Hybridität darstellt, kann vor allem mit Bezug auf diese Werke bestätigt werden. Diese sind als Beiträge einer interkulturellen, mehrsprachigen Poetik als zukunftsweisend zu betrachten.

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Un aspect de la polyglossie luxembourgeoise Les rapports littéraires entre le français et le luxembourgeois dans des textes francophones luxembourgeois* Frank Wilhelm Abstract La polyglossie du Grand-Duché de Luxembourg, où sont utilisés surtout le luxembourgeois, le français et l’allemand, explique le statut variable de la langue luxembourgeoise dans le contexte de la production littéraire en français. Chez le pionnier Félix Thyes, le français sert à constituer l’identité intellectuelle à partir de la Belgique francophone, mais orientée par rapport à un vécu lié au patois luxembourgeois, auquel le jeune auteur désire attribuer le statut de langue littéraire. Chez Batty Weber, le texte dramatique français À Mondorf ne pourrait renoncer à l’élément linguistique luxembourgeois sans perdre sa raison d’être, le recours au luxembourgeois soulignant les dimensions culturelles et identitaires de la question. Les jeux onomastiques de Marcel Noppeney et de Nicolas Ries n’apportent rien à la réflexion quant au fond, mais entendent la situer dans le contexte international de la francophonie. Jean Portante montre que l’insertion dans la société d’accueil grand-ducale passe par un apprentissage minimal de la langue autochtone, par rapport à laquelle l’immigré doit se définir. Chez Guy Rewenig, la question des rapports entre marginalité linguistique et force centripète de la koinè revêt une importance cruciale. Dans sa lettre Le Chef d’orchestre à la baguette de bambou, le français est quasi congénital au personnage capverdien, qui ressent le luxembourgeois comme langue de l’exclusion utilisée par un petit groupe de fonctionnaires ou de patriotes privilégiés coupés de la réalité sociale où le français est la langue la plus utilisée. Chez Jhemp Hoscheit, la publication d’un premier roman francophone permet de libérer l’esprit pour un récit autobiographique en luxembourgeois. Dans tous les cas, le mélange des langues et la conscience de la tour de Babel luxembourgeoise constituent un facteur dynamique.

* | Article publié dans: Institut grand-ducal, Section de linguistique, d’ethnologie et d’onomastique, Centre national de littérature: Lëtzebuergesch. Entwicklungstendenzen und Forschungsperspektiven einer jungen Sprache. Beiträge zum Workshop Lëtzebuergesch, November 2001. Luxemburg/Mersch 2005, S. 112–130.

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F RANK W ILHELM Die Luxemburger Vielsprachigkeit, die sich hauptsächlich in Luxemburgisch, Französisch und Deutsch ausdrückt, erklärt warum die Luxemburger Sprache, wenn sie in der französischsprachigen Literatur auftaucht, verschiedenartige Gebrauchsformen kennt. Bei dem Pionier Félix Thyes dient das Französische dazu, die intellektuelle Identität vom französischsprachigen Belgien aus zu gestalten mit Blick jedoch auf das in der Muttersprache – Luxemburgisch – Erlebte und mit dem Ziel, dem Dialekt den Status einer Literatursprache zu verleihen. Batty Webers Theaterstück À Mondorf könnte nicht auf das Luxemburgische verzichten ohne seinen Sinn zu verlieren, da die Dialogfetzen in der Muttersprache kulturelle Identitätsfragen berühren. Onomastik und Topographie als Thema von Wortspielereien bei Marcel Noppeney und Nicolas Ries tragen eigentlich nichts Wesentliches zu ihren Überlegungen bei, aber reihen ihre Schriften in den internationalen Kontext der Francografie ein. Jean Portante zeigt auf, wie die Eingliederung von Einwanderern in die Luxemburger Gesellschaft Mimimalkenntnisse der Lokalsprache, gegenüber der man sich definieren muss, verlangt. Guy Rewenig thematisiert die Spannung zwischen sprachlicher Marginalität und Anziehungskraft der Luxemburger Koinè. In seinem ›Brief‹ Le Chef d’orchestre à la baguette de bambou gehört der Gebrauch des Französischen quasi zum Wesen des capverdianischen Helden, der das Luxemburgische als Sprache des sozialen Ausschlusses bei engstirnigen Beamten oder privilegierten Patrioten empfindet, umso mehr diese kleine Gruppe weitab der Wirklichkeit lebt und Französisch die am meisten gebrauchte Sprache in Luxemburg ist. Jhemp Hoscheit hat die Veröffentlichung seines ersten Romans, in Französisch, erst den Geist befreit für eine autobiografische Erzählung auf Luxemburgisch. Im Allgemeinen kann man festhalten, dass die Vermischung der Sprachen und das Bewusstsein des Luxemburger Turms von Babel ein dynamisches literarisches Feld darstellen.

Comme objet de recherches scientifiques, le luxembourgeois, dialecte promu au rang de langue par une décision politique en 1984, a un bel avenir devant lui. D’abord, parce qu’il a derrière lui un passé lexical, grammatical et linguistique relativement modeste, comparé à celui de l’allemand, du français ou de l’anglais, par exemple. Ensuite, parce que son utilisation dépasse de loin le niveau langagier et implique des composants culturels, sociaux et économiques. Si l’étude scientifique de la langue luxembourgeoise gagne en importance, une des moindres raisons n’en est pas que le recours à cette langue comme moyen de communication oral ou écrit, comme code pratique ou littéraire, se fait nécessairement par rapport au contexte plurilingue qui caractérise le Grand-Duché. Bref, l’étude du luxembourgeois ne peut se faire sans considérer l’utilisation des autres langues et leurs confins (voir Lüdi 2001: 13–31). À ce propos on peut parler de »plurilinguisme« ou de »polyglossie«, »situation où plusieurs langues voient leurs emplois hiérarchisés« (voir Dubois u.a. 1999: 368f.). L’aspect de cette question dont il sera question ici concerne plus particulièrement le volet de la francophonie littéraire par rapport au champ de la luxembourgophonie ou de la luxembourgographie. Il s’agit de montrer que le luxembourgeois, comme langue, peut parfaitement faire l’objet d’une analyse littéraire dans une intertextualité francophone grand-ducale. L’étude portera donc sur un corpus de textes littéraires francophones d’auteurs luxembourgeois qui insèrent dans leur texte des passages, des expressions, des toponymes ou des patronymes en

L ES RAPPORTS LITTÉRAIRES ENTRE LE FRANÇAIS ET LE LUXEMBOURGEOIS

luxembourgeois, des luxemburgensia, ou qui parlent du luxembourgeois sans nécessairement rapporter des discours dans cette langue. Quel est le statut de ces insertions, de ces citations, de ces embrayages, de ces »alternances codiques«? Quelle est leur finalité? Quel est leur effet littéraire? Voilà quelques-unes des questions auxquelles on tentera de répondre en passant en revue un certain nombre de textes échelonnés tout au long des cent cinquante ans de production francophone.

1. L’écrivain luxembourgeois et ses choix linguistiques Avant même de commencer à écrire, chaque auteur grand-ducal doit opérer un choix linguistique et culturel puisque, en raison de la situation linguistique heureusement complexe que le Grand-Duché connaît, il n’y a pas une langue qui s’imposerait quasiment d’elle-même. Aussi, chaque cas d’écrivant est-il particulier, chaque auteur ayant sa configuration personnelle qui l’amène à s’exprimer dans telle langue plutôt que dans telle autre. Situé au cœur de l’Europe unifiée, plusieurs fois convoité, occupé ou annexé par ses voisins de l’Ouest et de l’Est, l’actuel Grand-Duché de Luxembourg a toujours été obligé, depuis son indépendance formelle de 1815 et surtout son indépendance officielle de 1839, de revendiquer une identité propre en face de l’annexionnisme latent. Résultat d’une décision politique des grandes puissances, le Grand-Duché n’a vu se dessiner que lentement les linéaments d’une conscience nationale. C’est justement à cause des rivalités internationales (1830 et 1839: crise belge; 1867 et 1870/71: crise et guerre franco-prussiennes; 1914– 1918; 1940–1944) que le sentiment national a pu se développer. Il a atteint son apogée au lendemain de la Seconde Guerre mondiale et s’articule aujourd’hui dans le contexte de l’unification pacifique européenne et de la globalisation. La situation sociolinguistique complexe mais non conflictuelle du GrandDuché y détermine les conditions d’un »marché« littéraire non moins spécifique. On ne saurait en prendre la mesure que sur l’arrière-fond d’un bouillon de culture dont les bases remontent au Moyen Âge mais qui s’est constitué, pour l’essentiel, au XIXe siècle. Écrire en Luxembourg,1 c’est écrire par rapport à ces données locales et, au-delà, par rapport à l’étranger.

1 | Pour parler du Grand-Duché, on préférera »en Luxembourg« à »au Luxembourg«, ce dernier emploi prépositionnel renvoyant à la Province belge de Luxembourg, au Jardin parisien du même nom et au siège du Sénat français. On dira éventuellement: »dans le Grand-Duché de Luxembourg« ou »au Grand-Duché de Luxembourg«. »Dans le Luxembourg« renverrait encore à la Province belge. Voir Noppeney 1959, S. 150f., lequel cite Victor Hugo: »Steinfort en Luxembourg«, Ruy Blas, (III,2). – Pour éviter d’autres

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Les trois littératures luxembourgeoises sont nées dans la première moitié du XIXe siècle et sont liées à l’apparition du sentiment national. En 1826 paraît le premier recueil germanophone (Rudolph und Adelhaid, de Louis Marchand); en 1829, Antoine Meyer fait paraître le premier recueil poétique en luxembourgeois (E’ Schrek ob de Lezeburger Parnassus); en 1855 est publié à Bruxelles le premier livre littéraire francophone luxembourgeois (Marc Bruno. Profil d’artiste), roman de Félix Thyes.2 Les trois auteurs pionniers d’origine grand-ducale étaient installés en Belgique. Si le luxembourgeois a aujourd’hui  – pour des raisons peut-être autant politiques que littéraires – la préférence du grand public, il n’en a pas toujours été ainsi, l’allemand se lisant plus facilement que ce dialecte francique-mosellan de l’Ouest dont l’orthographe a mis plus d’un siècle et demi à se fixer (dernière version codifiée par le règlement grand-ducal du 30. Juillet 1999). Aussi l’allemand a-t-il pu être considéré par certains historiens comme une forme écrite du luxembourgeois réservé aux genres de l’oralité (théâtre paysan et populaire, chansons, poésies lyriques). La littérature en patois a longtemps eu, malgré le talent indéniable de certains de ses représentants, un arrière-goût de XIXe siècle mal évacué. La langue maternelle faisant davantage vibrer les cordes affectives, le luxembourgeois répond à un besoin identitaire primaire et spontané, comme l’allemand à un moindre degré; le français, pratiqué longtemps par certains intellectuels comme antidote au pangermanisme perçu comme menaçant, génère un réflexe identitaire au second degré, plus cérébral, mais non moins déterminant. Globalement on peut dire que les littératures en langues allemande et luxembourgeoise induisent des œuvres proches du vécu de leurs auteurs et de leur public, correspondant à la sensibilité générale, alors que la littérature de langue française, produite par et pour la bourgeoisie, donne des œuvres plus abstraites où le quotidien luxembourgeois est moins à l’honneur, mais où l’écrivain peut davantage s’inscrire dans l’universel ou, au contraire, cultiver ses propres lubies. La littérature de langue allemande a peut-être le mieux assimilé la réalité socioéconomique. Même si certains auteurs grand-ducaux s’expriment en deux, voire en trois langues, cela ne veut pas dire qu’ils abordent la littérature sous le même angle. Certains sujets se traitent mieux dans telle langue que dans telle autre. Aucune des trois littératures n’est sérieusement étudiée dans les lycées et écoles fondamentales, même si les manuels de lecture à l’école primaire et dans les classes inférieures des lycées proposent des textes des classiques de la littérature en luxembourgeois et des écrivains qui, actuellement, à l’image des Roger Manderscheid, Guy Rewenig et Paul Greisch, incarnent le renouveau de confusions, on peut désigner par »Luxembourgeois« les habitants de la Province belge et par »Grand-Ducaux« les habitants du pays indépendant. 2 | Voir le Luxemburger Autorenlexikon 2007, le Dictionnaire des auteurs luxembourgeois 2010, et la version mise en ligne à partir de novembre 2011.

L ES RAPPORTS LITTÉRAIRES ENTRE LE FRANÇAIS ET LE LUXEMBOURGEOIS

cette littérature qui est entrée de plain-pied dans l’époque postmoderne. Les centres d’études et séminaires de certaines universités (Belgique, France, Italie, Roumanie, Russie, Bulgarie, Ukraine, Tunisie, Québec, Louisiane) commencent à s’intéresser à la littérature francographe3 luxembourgeoise. La Faculté des Lettres, des Sciences humaines, des Arts et des Sciences de l’éducation de l’Université du Luxembourg a mis en place à partir de 2004 un cours – assuré par l’auteur de ces lignes – sur les littératures francophones, parmi laquelle la luxembourgeoise; depuis 2009 est en place un »Master en langues, cultures et médias – Lëtzebuerger Studien«, qui propose l’étude des différentes littératures luxembourgeoises, parmi lesquelles la francophone (volet assuré par l’auteur de ces lignes).

2. Diverses attitudes des textes francophones face au luxembourgeois La seule existence d’une littérature luxembourgeoise de langue française tient du miracle, vu qu’elle est issue d’un pays dont les habitants n’ont pas reçu le français comme langue maternelle, sauf les cas où l’un ou l’autre parent est francophone. Selon les préférences personnelles des auteurs francophones luxembourgeois, ils évacuent totalement la langue luxembourgeoise, la convoquent, la citent, ou l’ignorent ostensiblement. La suite de notre étude se propose de passer en revue ces cas de figure sur des exemples concrets.

Félix Thyes (1830–1855) En 1854 il publie à Bruxelles un travail universitaire, espèce de mémoire de maîtrise intitulé Essai sur la Poésie luxembourgeoise. Titre trompeur: le mémoire parle en français de la poésie en langue luxembourgeoise, exclusivement. Thyes s’y applique à prouver avec enthousiasme que sa langue maternelle, le luxembourgeois, non seulement existe – même si nous n’avons aucune ligne de lui écrite en cet idiome –, mais encore est capable de performances littéraires. En 1854, le corpus de textes à étudier se réduit aux chansons de »blaanen Teiss«, aux quatre recueils imprimés d’Antoine Meyer, à quelques poèmes satiriques ou lyriques isolés de Jean-François Gangler, de Michel Lentz et d’Edmond de la Fontaine. 3 | Ce néologisme insiste sur le fait qu’en Luxembourg, le français – dans ses fonctions les plus intellectuelles – est surtout écrit. Marc Olinger, professeur de français, acteur et longtemps directeur du Théâtre des Capucins, a pu dire que le Grand-Duché est un »faux pays francophone«, voulant dire par là que le Grand-Ducal ne parle français qu’à son cœur défendant. Voir Olinger, Le théâtre au Luxembourg (texte s.d. inédit).

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Vivant à l’étranger, nostalgique du vert paradis des amours enfantines, c’est le jeune critique qui propose à cette littérature, en l’y projetant en partie, un objectif mythique: susciter par la magie du langage une conscience nationale grand-ducale. Aussi valorise-t-il à l’excès ses compatriotes poètes qu’il traduit en français, comme le fruste Antoine Meyer qu’il compare à Ésope, Phèdre, Shakespeare, La Fontaine, Béranger, Schiller. La peinture flamande lui fournit d’autres comparants flatteurs. Du point de vue linguistique, le luxembourgeois lui semble garant d’originalité, »la langue [étant] l’expression la plus caractéristique des peuples«, idée chère aux romantiques allemands. Il précise: La langue est […] dans d’intimes rapports avec l’esprit national, elle se développe et dépérit avec lui. Chez les petits peuples, qui reçoivent leur mouvement social du dehors, l’activité, tout intérieure, se concentre dans le sentiment. C’est là ce qui donne tant de charme et de mordant à leurs productions littéraires. La littérature du Grand-Duché de Luxembourg a cela de particulier qu’elle date à peine de vingt-cinq ans. Auparavant on ne s’était jamais douté que cette langue pût avoir quelque valeur, qu’elle pût être formulée, écrite, mesurée, assouplie aux exigences de la grammaire et du goût.

Son éloge du luxembourgeois repose sur des arguments linguistiques et psychologiques, historiques et politiques: […] c’est un langage suave et mâle, doux aux lèvres et au cœur, musical à l’oreille, souple et nerveux, intime et naïf, goguenard et réjoui, merveilleusement coloré et poétique, frais, harmonieux, et docile au rythme comme l’ancien grec; […] ce n’est pas de l’allemand, puisqu’aucun allemand n’est jamais parvenu à le parler ni même à le comprendre, ni du wallon, auquel il est souverainement antipathique, ni du français, bien qu’il s’en rapproche par la vivacité du tour, ni rien de ce qui s’est parlé, se parle ou se parlera; […] c’est une langue qui possède des mots intraduisibles pour rendre certaines idées et certains sentiments particuliers au peuple qui l’emploie; une langue à part enfin qui s’arrête précisément aux limites de la France et de l’Allemagne, mais qui se parle dans une partie de la Belgique, parce que le Grand-Duché de Luxembourg n’est qu’une fraction du territoire belge injustement et indignement aliénée. (Chap. III)

On remarquera que Thyes a tendance à insister sur les affinités du luxembourgeois avec le français plutôt que sur ses origines réellement allemandes, et qu’il voit la destinée politique naturelle du Grand-Duché dans le contexte de la Belgique. On notera le paradoxe: ce Grand-Ducal qui étudie le Droit à Bruxelles, capitale francophone d’un jeune État (1830), n’arrive à articuler son identité nationale que par le biais du français, tout en dissertant sur une »langue« que la plupart de ses compatriotes considéraient au mieux comme un »dialecte« alle-

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mand. Il n’en reste pas moins que c’est le premier travail sérieux et important consacré à la langue luxembourgeoise et à son volet littéraire.

Batty Weber (1860–1940) Après des études universitaires en Allemagne, il est sténographe à la Chambre des Députés, journaliste et chroniqueur au quotidien Luxemburger Zeitung. Il publie des milliers d’éphémérides et des romans en langue allemande ainsi que des pièces4 en luxembourgeois. Aussi est-il considéré comme un des meilleurs écrivains luxembourgeois dans ces deux langues. En langue française, il a publié deux pièces de théâtre: À Mondorf (1890) et Le Lasso, cette dernière créée en 1922 à Paris par la troupe du célèbre Lugné-Poe. Utilisant les trois langues en usage dans le pays – mais le français beaucoup moins que les autres –, Batty Weber entend illustrer ce qu’il appelle lui-même la culture métissée (»Mischkultur«) luxembourgeoise. À la même époque, certains de ses contemporains comme Nicolas Ries ou Marcel Noppeney pensent qu’il vaut mieux s’en tenir à un seul instrument linguistique. Dans À Mondorf, deux anciens condisciples, le Grand-Ducal Paul Lebrun, professeur d’histoire à l’Athénée de Luxembourg, et le Belge Charles Beaune, avocat à Bruxelles, se retrouvent à Mondorf-les-Bains (L). Le spirituel Charles aidera, grâce à une ruse, à faire aboutir la liaison amoureuse et le mariage entre le timide Paul et la jeune Belge Lucie Desmarets, qui tient compagnie à son vieux grincheux de père venu soigner sa goutte dans la station dirigée par le Dr Klein. En payant les services d’un paysan et avec la complicité involontaire de Mme Lebrun, qui a connu la mère de Lucie chez les Dominicaines à Nancy, Charles et Paul prolongeront le séjour des Desmarets au Luxembourg, leurrant le futur beau-père et flattant sa passion d’archéologue numismate. Cette comédie bourgeoise contenant des éléments luxembourgeois, notamment le type du touriste à prétention culturelle, est intéressante au point de vue dramatique et linguistique dans la mesure où l’auteur fait intervenir deux personnages du peuple: un garde-champêtre, qui représente l’administration tatillonne et bornée, et un paysan suffisamment madré dans son ignorance pour tirer profit de la situation. Ils parlent tous les deux luxembourgeois, tout en se méfiant et en se moquant de ceux qui parlent »Woelsch« (wallon). Ainsi quand, anticipant sur les trouvailles phonétiques de Zazie dans le métro, le garde-champêtre Frantz déforme le »Qu’est-ce qu’il dit?« de Desmarets en »Kiskedi«, le discours francophone choisi délibérément par le dramaturge fait en quelque sorte son autocritique, pour le moins s’injecte une dose de persiflage: le scepticisme souriant de Weber ne semble pas dupe de ses ambitions polyglottes. 4 | Voir Nicolas Ries, Batty Weber dramaturge et Marcel Noppeney, Souvenirs sur Batty Weber in: Les Cahiers luxembourgeois 1930, Nr. 8; Arend 1960.

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Dans la station balnéaire de Mondorf, qui se voudrait aussi huppée que Spa, Vichy ou Wiesbaden, on parle beaucoup de langues: du flamand, de l’allemand, du français, du luxembourgeois et du même du latin. Le personnage du gardechampêtre, emprunté au registre du comique troupier, ne déforme pas les mots délibérément, mais par ignorance; en même temps, il montre que l’homme du peuple, le Luxembourgeois de la glèbe, peut mémoriser le français grâce au principe de la phonétique. La pièce étant écrite en principe en langue française, l’auteur y insère quelques dialogues en patois luxembourgeois, par exemple quand le professeur Paul Lebrun s’adresse à Frantz. Ces répliques en luxembourgeois sont traduites en annotation, si bien qu’un lecteur francophone n’en est pas privé. Mais on se demande comment Batty Weber aurait pu résoudre le problème si la pièce avait été réellement représentée: il lui aurait fallu recourir au sous-titrage. Cette comédie met en scène sous une forme bon enfant une certaine rivalité culturelle entre la France, la Belgique et le Luxembourg. Or, c’est bien le bon sens provincial, la roublardise paysanne luxembourgeoise qui l’emporte contre l’intellectualisme un peu prétentieux des Belges francophones et francophiles. On le voit bien lorsqu’il s’agit de faire découvrir au vieux Desmarets des vestiges prétendument gallo-romains. Avec l’aide d’un villageois retors, il sera facile de tromper ce bourgeois wallon. En somme, le rusé renard plume le coq gaulois. Dans cette optique, on ne pourrait pas supprimer les passages en luxembourgeois qui produisent à la fois un effet de réel et un effet de décalage. En quelque sorte, le recours au dialecte détermine une attitude de résistance dans un contexte non guerrier.

Marcel Noppeney (1877–1966) Issu de la bourgeoisie enrichie par l’expansion de l’industrie sidérurgique, il est élevé dans une famille où le père, notaire, parle français professionnellement et en privé, puisqu’il est marié à une Belge d’origine française. C’est une illustration de la francophonie des élites sociales luxembourgeoises au XIXe siècle, telle que Marcel Noppeney l’illustrera comme écrivain. Chez les Noppeney, l’utilisation de la langue luxembourgeoise est réservée aux conversations avec le personnel domestique. À part quelques rares poèmes en allemand, Noppeney, qui a fait plus de sept ans de prisons allemandes pendant les deux Guerres mondiales, n’a écrit qu’en français. S’il prône l’emploi général de cette langue, c’est moins pour juguler celui du patois que pour éviter l’allemand, associé à un régime politique tyrannique et à une culture jugée moins raffinée que la française. Noppeney a été parfois accusé – injustement – de trahison de sa patrie au profit de la France. Emprisonné pour espionnage au profit de la République par l’Allemagne wilhelmienne qui le condamna trois fois à mort, puis par le régime

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nazi qui l’interna à Dachau, il pensait avoir droit à l’estime de tous en raison de sa résistance chevaleresque à la »bochie«. L’hypercorrection linguistique dont il faisait preuve à l’égard du français de France consigné dans les dictionnaires canoniques comme le Larousse ou le Robert ou dans la grammaire de Grévisse, lui fait traquer impitoyablement les germanismes, les belgicismes, les luxembourgismes et autres solécismes dont il dresse un bilan sans faille dans son Complexe d’Ésope (1959, 21960). Ce n’est pas qu’il déteste la langue luxembourgeoise, mais il s’en méfie dans la mesure où elle risque de corrompre la pureté du français. Véritable gardien du Graal d’un français pure laine, il va jusqu’à reprocher à André Gide, pourtant connu et apprécié pour son académisme, de se laisser entraîner à des négligences stylistiques en raison de ses fréquentations grand-ducales. Ainsi Noppeney rapporte qu’un jour, invité chez les Mayrisch à Colpach, l’auteur des Faux-Monnayeurs aurait dit à une femme de chambre: »Entrez seulement«, traduction littérale du luxembourgeois »Kommt nëmmen eran!« Une autre marotte francophile développée par Marcel Noppeney et par des confrères francophones fut de revisiter la toponymie luxembourgeoise et de vouloir changer en noms français  – empruntés à d’anciens documents  – les toponymes germaniques du pays. Cet »anabaptisme«, comme l’appelle un critique de La Voix des jeunes, ne manquait pas d’inspiration et transformait par exemple Echternach en Epternay, Lauterborn en Fontaineclaire, Lorentzweiler en Laurentvillers, etc. Le procédé s’adresse moins contre le luxembourgeois que contre l’allemand. Auteur de quelques poésies en allemand, Noppeney ne publiait qu’en français. Hormis l’un ou l’autre menu humoristique à l’occasion d’un déjeuner dans son château de Bofferdange, on ne lui connaît pas de texte en luxembourgeois. À vrai dire, cette langue ne fut pas sa langue maternelle, mais il la parlait parfaitement, notamment avec ses intimes et ses proches, par exemple au camp de concentration de Dachau. Il présente le cas intéressant d’un authentique Luxembourgeois, dont la conscience nationale ne passait pas par le dialecte viscéral, mais par la langue cultivée, choyée et revendiquée au point de devenir congénitale. Les psychologues modernes nous confirment qu’une personnalité se construit par un acte conscient au moins autant qu’elle s’acquiert en naissant.

Nicolas Ries (1876–1941) Le fondateur des Cahiers luxembourgeois a eu d’immenses mérites dans l’inventaire et la diffusion du patrimoine architectural, culturel et folklorique luxembourgeois. Il a débuté sa carrière en allemand, puis s’est décidé pour le français qu’il enseignait comme professeur à Diekirch et à Luxembourg. Il n’a jamais publié en langue luxembourgeoise, mais a écrit des textes critiques consacrés à

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des écrivains de langue luxembourgeoise, notamment Michel Rodange et Batty Weber. La question de savoir s’il faut voir dans le bilinguisme un bienfait ou un handicap a été abondamment discutée par les historiens et critiques luxembourgeois du début du siècle dernier. On a vu que Batty Weber était un fervent adepte de la notion du métissage culturel et linguistique, secret, selon lui, de l’originalité luxembourgeoise. Par ses écrits dans les trois langues, il se chargeait d’illustrer sa théorie. Nicolas Ries a exploré cette thématique dans son Essai d’une psychologie du peuple luxembourgeois (Diekirch 1911), réédité sous le titre Le Peuple luxembourgeois. Essai d’une psychologie (Diekirch 1920). Il y analyse les liens qu’il peut y avoir entre vie affective et vie réflexive, entre langue maternelle et langue étrangère apprise, entre le parler »materaliter« et le parler »litteraliter«,5 et en déduit un véritable dualisme psychique luxembourgeois qui agirait au dépens de l’expression de la spontanéité créatrice et pousserait à l’observation discursive. Passant en revue l’histoire du pays, il s’attache à démontrer que le bilinguisme luxembourgeois est néanmoins original, très différent de ce qui se passe en Suisse romande ou en Belgique francophone, comparable tout au plus à la situation en Alsace-Lorraine avant l’annexion. Pays tampon entre la France et l’Allemagne, le Luxembourg se serait nécessairement vu conférer un rôle d’intermédiaire entre deux cultures que tant de choses opposent. Même si son ethnologie luxembourgeoise repose sur des présupposés innéistes, voire racistes, aujourd’hui récusés par la sociologie et la psychologie, son livre pionnier a le mérite de faire le tour d’une question controversée. En employant à dessein une métaphore agricole qui convient à ce fils de fermier du Bon Pays, on notera qu’il plaide pour le soc linguistique unique, qui permet de labourer plus profond. Visiblement, pour lui, la langue luxembourgeoise n’est pas à même de lui fournir l’instrument de travail dont il a besoin pour aborder des réalités complexes et échafauder des raisonnements hardis. Dans le premier roman de Nicolas Ries, Le Diable aux champs. Simple histoire (1936), la question du luxembourgeois surgit incidemment. Le roman se déroule dans sa région natale, l’Est du pays. Toinette Hubert, fille d’un gros exploitant agricole, revient à la maison paternelle après quelques années d’études au pensionnat. Ayant pris goût à la vie en ville, elle a du mal à retrouver ses marques à la campagne. Rapidement elle se sent attirée par le jeune instituteur du village, Jean-Philippe Lefèvre, la seule personne qui semble la comprendre et qui lui permettrait, en l’épousant, d’échapper à son destin de paysanne. Après quelques hésitations et une fugue, elle cède finalement à la pression de son milieu, renonce au mariage d’amour avec l’intellectuel sans terre et épouse un vigneron de la Moselle qui lui permettra de rester fidèle aux traditions fami5 | Expressions empruntées au volume Littératures belges de langue française (Berg/ Halen 2000).

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liales. C’est donc un roman du retour à la terre, aux racines, à l’authentique. Or, sous la plume de Nicolas Ries, l’onomastique luxembourgeoise, avec ses toponymes et patronymes germaniques est astucieusement francisée, dans l’esprit préconisé par Noppeney. Les localités s’appellent Flaville (pour Flaxweiler, village natal de l’auteur), Herfontaine (pour Dreiborn), Madon (pour Machtum), Mézières-le-Comte (pour Grevenmacher). Les hommes, parfois des personnages à clef, s’appellent Étienne (pour Steffes), Virinque (pour Weyrich), Arèche (pour Harsch); les notaires s’appellent Vieuxpré (pour Altwies) et Cercelet (pour Reiffers), l’ivrogne Cidrecolas (pour Viezneckel). D’origine villageoise, cet auteur de soixante ans qui se fait romancier aborde un référent social par le biais d’une langue de culture bien éloignée des conduites linguistiques de la paysannerie de son pays. Batty Weber, lui-même romancier de langue allemande, l’accuse d’ailleurs de »déguiser« les villageois et leurs façons de vivre et de penser, ou plutôt de les évoquer à travers un regard aiguisé par une bonne connaissance de la proche Lorraine. Le reproche est fondé, dans la mesure où le propos implicite de Ries est d’inscrire sa fiction dans un contexte de francophonie internationale, d’où la nécessité de traduire ou d’adapter en français les toponymes et patronymes germaniques si typiques du Grand-Duché. Il ne le fait donc pas pour échapper à l’allemand, mais pour mieux s’intégrer dans l’univers culturel français. Dans Le Diable aux champs, récit idéaliste, la vie rurale est évoquée dans un style parfois excessivement choisi. On comparera ce livre au roman à la fois réaliste et lucide du Mosellan Nicolas Konert, Folle Jeunesse (Luxembourg 1938). Cet auteur cultive davantage la fonction référentielle en gardant tels quels certains toponymes ou patronymes luxembourgeois.

Guy Rewenig (* 1947) Instituteur de formation, il est un des rares auteurs luxembourgeois qui a opté pour le professionnalisme intégral. Il écrit et publie dans les trois langues: en allemand et en luxembourgeois surtout, et a publié quelques textes en français. En 1994 il fait paraître et créer sur scène sa pièce sur la crise sidérurgique et ses conséquences sociales et humaines: Eise-Frësser. Il la traduit la même année en français avec l’aide de Claude Frisoni, lequel semble avoir suggéré le titre formé sur un mot-valise équivalent du luxembourgeois: Le Carn-acier. Cette version est également créée au Théâtre municipal d’Esch-sur-Alzette, en 1994. C’est l’histoire de la déchéance sociale et morale d’un ouvrier sidérurgiste, Abbes Dornmeier, qui perd son travail. Chômeur, il se cherche un nouveau boulot; il sera employé par une firme de surveillance. Autour de lui, des membres de sa famille: sa femme Lena, sa fille Yol[ande], fiancée à un pompiste portugais, Alvaro, son fils Zaff, employé à la bibliothèque, son frère Gust, commerçant, ou

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encore des camarades de travail, des supérieurs, des personnalités. Par dépit et pour donner un sens à sa vie, Abbes décide de s’attaquer au record du monde de l’avaleur d’acier. Ce sera l’échec. Non seulement le chômage entraîne pour lui l’abandon des quiétudes matérielles que son emploi lui garantissait, mais encore il va mettre à jour la face cachée de son caractère. L’ouvrier licencié, le premier prolétaire d’une pièce et même d’un texte littéraire francophone luxembourgeois, s’entend mal avec sa femme, à laquelle il n’est pas affectivement lié. Ses enfants se détachent peu à peu de lui. Yol songe à se marier avec un Portugais basané qui parle et articule mal; il ne songe qu’à sa promotion sociale qui passe par la gérance d’un petit commerce et la possession d’une puissante voiture et non à son intégration comme Luxembourgeois adoptif. Comme élément comique un peu simpliste, étant donné la gravité de la situation, il faut signaler ce personnage de fiancé portugais. Rewenig le fait parler avec l’accent propre aux gens de son pays, qui n’arrivent pas à prononcer le u si typique du français, confondent le masculin et le féminin, emploient des verbes pronominaux à contretemps, tutoient tout le monde. (Dans la version luxembourgeoise originale de la pièce, le Portugais parle le patois local, le dialecte eschois avec les mêmes défauts.) Le procédé fera toujours rire, tout comme l’accent alsacien, allemand, du baron de Nucingen dans Le Père Goriot de Balzac; mais dans Le Carn-acier, le personnage du Portugais Alvaro en perd beaucoup de sympathies de la part du public, ce qui soulève la question de la xénophobie latente. On retiendra que chez Guy Rewenig, homme de gauche convaincu et sourcilleux, la réalité n’est jamais édulcorée ou adoucie, on a toujours droit à une vision hyperréaliste, il a même tendance à noircir la situation. Dans ce contexte, la langue luxembourgeoise ne semble pas ouvrir des perspectives intégratives, elle est plutôt un obstacle à l’épanouissement personnel et suscite des réactions inquiétantes. Cette langue est en quelque sorte un catalyseur socio-psychologique: rien n’est jamais anodin chez cet auteur. En 1989 Rewenig avait publié un roman en langue luxembourgeoise: Mass mat dräi Hären. Ce titre renvoie au désir de la mère du narrateur qui voudrait que son mari, syndicaliste sidérurgiste mort accidentellement, bénéficie d’une messe d’enterrement avec trois prêtres. C’est l’histoire d’un type issu du bassin minier, transplanté pour des raisons économiques dans la capitale luxembourgeoise et y perdant ses repères gauchistes au contact de son nouveau milieu béatement capitaliste. Ce roman luxembourgophone est le premier à avoir été traduit en français, par Jean Portante, sous le titre de La Cathédrale en flammes (1997). Transcrivant le titre assez conciliant de Rewenig, Jean Portante lui donne donc une tonalité agressive, qui correspond à un vieux fantasme de bouffeur de curé. On songe à l’image de l’incendie de la tour de la cathédrale de Luxembourg (1985), associée à des velléités anticléricales. Les écarts entre l’horizon culturel investi par un écrivain luxembourgophone et celui induit par les choix linguistiques du traducteur auraient mérité un mot

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de commentaire. À ces questions langagières, Guy Rewenig, Luxembourgeois de souche, attache peut-être une autre importance que son confrère d’origine italienne, pour qui le luxembourgeois n’est pas langue maternelle. Le traducteur avait le choix entre deux extrêmes: reproduire, au besoin en les annotant ou en les commentant dans son texte, la couleur locale, respectant ainsi le plus possible le caractère étranger du texte-source via une traduction adéquate; ou alors, se décider pour une traduction dynamique adaptant le texte étranger selon l’horizon culturel d’attente du public d’accueil. Jean Portante a pris la seconde option, quitte à faire l’impasse sur les particularismes régionaux luxembourgeois: il insiste plutôt sur les aspects internationalistes du roman, proposant un texte français lisse et lisible, qui ressemble comme un frère à celui de son propre roman Mrs Haroy ou La mémoire de la baleine (1993, réédité en 1999 et en 2008). Loin d’être subordonné à l’original, son travail s’impose au texte-source et revendique son propre statut de texte créé. Cela se fait aux dépens du statut du luxembourgeois qui, chez Rewenig, était un marqueur d’identité personnelle, son personnage parlant la variante dialectale du bassin minier avec ses pronoms personnels »Mär« et »Där« (voir Wilhelm 2008). Dans Le Chef d’orchestre à la baguette de bambou Guy Rewenig6 donne la parole en français à un Africain. C’est un Capverdien issu de cet État créé en 1975 (voir Lesourd 2006: 34.) à partir d’une ancienne colonie portugaise qui se compose d’un archipel de huit îles au large du Sénégal. Les Capverdiens parlent entre eux le crioulo, langue nationale, ou le portugais, langue officielle (voir ibid.: 46 et 257f.); »le français joue un rôle certain« (Dictionnaire universel francophone 1997: 1412). D’ailleurs le Cap-Vert, proche du Sénégal, est membre de l’Organisation internationale de la francophonie (OIF) depuis 1997 (L’Année francophone internationale 2007: 183). Certains Capverdiens scolarisés connaissent plus ou moins le français, qui leur permet de s’intégrer plus facilement en Europe, notamment au Grand-Duché de Luxembourg. Guy Rewenig travaille de préférence avec des stéréotypes.7 Avec leur tendance à focaliser la signification de certains concepts sur des hantises, des craintes ou des illusions collectives propres à un groupe, ces stéréotypes, qui constituent une façon de mouler la pensée du groupe dans des images et des formulations dangereusement compactes et trompeusement pratiques, rassurent et en même temps traduisent un malaise, une approximation de l’esprit. Ce qui est plus frappant encore, quand le discours parle en stéréotypes de l’inconnu, de l’étranger étrange, cet Autre renvoie presque toujours au stéréotype que l’on a, par ricochet, de son propre groupe: on voit que ce réflexe est de l’ordre sociologique et 6 | Pour une appréciation globale de son œuvre, voir Wilhelm 2005; Dictionnaire des auteurs luxembour geois 2010, S. 507–510. 7 | Du grec stereos: solide, et tupos: empreinte, modèle. Pour la théorie du stéréotype, consulter Challonge 2004; Dufays 1994; Elliott 1978; Florack 2007.

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idéologique. Le procédé est particulièrement frappant dans les livres de Guy Rewenig, où le point de départ est presque toujours le petit et prospère GrandDuché avec ses quiétudes, ses étroitesses et ses certitudes face aux immigrants ressentis comme envahissants et menaçant l’identité de groupe. Depuis les Lettres persanes, le regard exotique sur une culture européenne est un thème littéraire à part entière. Il permet à l’auteur, par le biais de personnages fictifs, de présenter son pays sous un jour insoupçonné, de lui arracher le masque, de le mettre à nu à moindres frais. Ce regard sans vergogne est d’autant plus décapant que le personnage d’invention apparaît comme ingénu et espiègle. C’est cette recette que Guy Rewenig a utilisée dans Le Chef d’orchestre à la baguette de bambou, livre primé au Concours littéraire national 2007 dédié au »Bléck vu baussen« (le regard de l’étranger). Au départ du texte: l’idée d’une lettre écrite par un immigré africain, capverdien, à »Monsieur le Président du Luxembourg«, une missive qui, tout en gardant un ton constamment respectueux, abordera bien des sujets épineux peu à la gloire du Grand-Duché: la morgue des fonctionnaires, leur pouvoir discrétionnaire, le mépris vis-à-vis des réfugiés, les préjugés, l’autosatisfaction, le matérialisme effréné, la bonhomie de façade, les bienséances, le fétichisme léonin,8 le goût des sports à la mode, le culte processionnel, l’ostracisme larvé, le racisme bon chic bon genre, le conformisme, le sérieux triste, la respectabilité formaliste, l’hypocrisie libertaire …9 En Africain pur sucre, le Capverdien Mwayé vit en bonne entente avec des animaux, comme le merle Tsitsi ou une sauterelle compatriote qui a voyagé dans son nombril. Amoureux de Consolatrice, il dispose d’un atout décisif dans un pays voué au culte de la Vierge qui, au Grand-Duché, porte le titre de »Consolatrice des affligés«. Avocat de formation, parfaitement francophone, mais inhibé dans ses projets professionnels comme sans-papier, le Capverdien se débrouille avec les moyens du bord, tourne en ridicule les Grand-Ducaux en poussant à fond leur logique 8 | Au point de vue héraldique, le lion rouge est l’emblème de la famille grand-ducale et, par extension, est revendiqué par le peuple chaque fois qu’il veut manifester sa fierté et le sentiment de cohésion nationale à l’occasion d’événements patriotiques ou de manifestations sportives dans le registre émotionnel. Le drapeau national se compose simplement de trois couleurs disposées horizontalement: bleu [ciel], blanc, rouge, et ne comporte pas le symbole animal. Depuis 2007, le Gouvernement reconnaît les deux types de drapeaux, mais continue d’utiliser exclusivement le drapeau tricolore comme emblème. 9 | Voir C. Ciocârlie: Deux nouveaux récits signés Guy Rewenig et Tullio Forgiarini. In: Le Jeudi (Esch-sur-Alzette) vom 20. Dezember 2007; Ian de Toffoli: Luxemburgensia. Le pays qui raffolait d’être tourné en ridicule. In: d’Lëtzebuerger Land (Luxembourg) vom 4. Januar 2008.

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souvent défaillante et en développant jusqu’à l’absurde certaines de leurs mentalités sclérosées. Inutile de préciser qu’en faisant l’âne, il donne une »hénaurme« leçon de bon sens, de sagesse et d’humanité à ses hôtes grincheux et rabatjoie. Pince-sans-rire, exubérant et jamais à court d’une pitrerie bien sentie, il retourne à son profit la pensée économique politiquement correcte et se crée une place au soleil du Nord à force d’inventivité et de poésie désopilante. Une de ses forces mentales réside dans l’africanisation qu’il fait subir aux toponymes luxembourgeois à consonance germanique comme Vassèrebilligué (pour: Wasserbillig), Vessévampaqué (pour: Weiswampach), Rémiqué (pour: Remich) ou encore Diquiriqué (pour: Diekirch), sans parler des phrases en patois qu’il intègre telles quelles à son discours parfaitement structuré, à lire au second degré pour mieux en apprécier la volonté de déconstruction. Bien entendu, il n’a aucune peine à se moquer poliment des ministres du Gouvernement grand-ducal qu’il arrive à approcher. Ce »frère africain«, qui n’oublie pas ses semblables albanais, kurdes, lettons, ouzbeks ou polonais pareillement empêtrés dans de perpétuelles justifications à présenter en tant qu’immigrés, va offrir symboliquement au Président une baguette de bambou pour diriger son orchestre: un beau symbole pour en appeler à davantage de souplesse et de spontanéité. Certes, le procédé de distanciation humoristique décrit plus haut n’est pas neuf et rappelle, outre le roman épistolaire de Montesquieu, le roman Madame Bâ (2003) du Français Erik Orsenna, lequel donne la parole à une Malienne pour une lettre adressée à l’administration française sous le président Chirac, ou encore les romans d’Alain Mabanckou, Congolais qui attribue à ses personnages la même fausse naïveté. Mais appliqué par un Luxembourgeois à un Capverdien francophone  – trait sociolinguistique pertinent qui explique le choix de cette langue par un auteur s’exprimant de préférence en luxembourgeois et en allemand –, le procédé acquiert une singulière force démonstrative. »Superbe rigolade« selon le bandeau qui orne Le chef d’orchestre … et son plaidoyer pour une intégration généreuse des étrangers, ladite lettre est aussi un monologue dramatique, un rôle en or pour un acteur de café-théâtre. D’ailleurs, le texte a été porté à la scène par le Théâtre national du Luxembourg, les 16, 20 et 21 janvier 2008, sous la direction de Jacqueline Posing-Van Dyck et avec Serge Tonnar comme interprète.

Jean Portante (* 1950) Dans sa »chronique d’une immigration«, comme il sous-titre son roman Mrs Haroy ou La mémoire de la baleine (1993), Jean Portante, fils d’immigré, retrace les tribulations d’une famille italienne venue chercher du travail dans l’industrie sidérurgique luxembourgeoise. Le mythe de la baleine illustre comme fil conducteur le sort des immigrés, notamment ceux de la seconde et de la troi-

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sième générations, qui vivent entre deux univers linguistiques, culturels et socio-économiques. Ancien mammifère terrestre, la baleine est condamnée par les circonstances à vivre dans la mer, d’où sa constitution physique l’oblige à émerger périodiquement, faute de périr par asphyxie. Les immigrés ressentent aussi ce besoin de s’extraire de leur nouveau milieu ou, plutôt, celui de se replonger dans leur milieu natal affabulé. Dans ce contexte, les questions de langue prennent une importance identitaire décisive et se vérifient dès la première rencontre des émigrants italiens avec tel toponyme étranger: […] ceux qui partaient, étaient partis ou partiraient, allaient plus loin encore, vers l’infiniment plus riche encore [que l’Italie du Nord], en Amérique, un nom plus facile à dire, et beaucoup moins angoissant, parce que l’America, c’était le paradis avec un nom italien, Americo au féminin, un nom doux et accueillant comme le sein d’une mère, un nom plein d’Histoire et d’histoires, alors que Lussemburgo était un nom avec des sonorités lugubres, froides, dont personne ou presque n’avait jamais rien ou presque raconté, et ne redevenait aimable, hospitalier, que quand on se disait que ça se trouvait tout près de la France, la Francia, cette autre mère dont tout le monde parlait et que tout le monde connaissait comme sa poche, parce qu’il y avait du charbon et du fer dans le sol, alors que les campagnes des Abruzzes, de part et d’autre de ce qui allait devenir la nationale dix-sept, ne renfermaient que de la terre. (p. 37)

L’usage de la seule langue italienne, dans le pays d’accueil dont l’idiome national n’est pas à une langue romane, n’est pas impossible, mais réduit les nouveaux arrivés à une ghettoïsation au sein de leur groupe national, dont les ressortissants vivent entre eux dans certains quartiers des villes du bassin minier grand-ducal. À certains égards, ce sont les plus malheureux à long terme, car le retour définitif dans leur patrie première – la pauvre Italie agricole et viticole des Abruzzes – n’est guère envisageable pour des raisons économiques, l’intégration dans une nouvelle patrie étant tout aussi exclue. Plus courageux ou plus lucides, certains choisissent la voie d’une intégration par le bas, en faisant leurs les plis linguistiques et culturels du pays hôte: ils apprennent le luxembourgeois sur le tas, adoptent certains usages locaux et se font mieux accepter ainsi. D’autres, les plus doués peut-être, parmi eux le narrateur, Claudio, dit Clodi à la luxembourgeoise, trouvent moyen de sauvegarder une part d’italianité tout en renonçant à l’emploi de l’italien, mais en s’exprimant en français, dans ce Grand-Duché dopé par le boom économique des années 1950 et 1960. Évidemment, par rapport aux usages nobles du français que l’on a vus dominer au sein de la grande bourgeoisie luxembourgeoise, le niveau linguistique est ici en baisse: plutôt que langue d’identification culturelle et même politique, le français acquiert pour les immigrés de langue latine dans le roman de Portante un statut de ciment social.

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Si Clodi apprend sans peine le luxembourgeois avec ses camarades de l’école primaire, il n’en va pas de même pour la génération de ses aînés. Son père, par exemple, qui a été interprète en Italie pendant la guerre, parle certes la langue des Luxembourgeois de Differdange, mais éprouve quelques problèmes face à la complexité dialectale du petit pays: Il avait écouté une de leurs […] conversations. C’était du luxembourgeois pur, la langue de la Ville. Tandis que la sienne, c’était celle du bassin minier. Il s’agissait évidemment de la même langue, et en même temps c’était une autre. Cela le fait sourire. Parce qu’il repense à l’évacuation [le 10 mai 1940, lors de l’irruption de la Wehrmacht dans le Grand-Duché]. À Wiltz [dans les Ardennes, au nord du pays], le charabia qu’y parlaient les autochtones était presque indéchiffrable. Et pourtant ça se trouvait dans le même pays, à une cinquantaine de kilomètres de Differdange. Eux, dans le Sud, ils parlaient comme si leur bouche était toujours pleine. Les mots qui en sortaient étaient solides. Comme des blocs de minette. Alors que les mots de ceux de la Ville [la capitale] se trouvaient plutôt sur les lèvres qui remuaient à peine. (p. 122f.)

À un moment, la famille du narrateur tentera de se réinstaller dans les Abruzzes, au grand plaisir de la mère, qui refuse toute intégration en Luxembourg. Pire encore, la nouvelle langue du père, que Clodi apprendra en jouant, deviendra une barrière familiale: »dans la tête de papa il y avait, à côté de la langue italienne, cette autre langue, apprise dès l’enfance, le luxembourgeois, la langue contre maman« (p. 125). C’est en effet la femme mariée, mère de famille sans statut professionnel, qui est la plus à plaindre. La mère de Clodi, qui aurait pu être institutrice dans son Italie natale, est en situation identitaire précaire »à Differdange, ne sachant pas parler la langue, n’y connaissant que les personnes que connaissait papa, s’y sentant plus étrangère encore qu’à Cardabello« (p. 164). Elle ne sent vraiment chez elle nulle part et cherche un point de chute langagier: »rêvant certainement d’un endroit neutre, d’une terre de personne, où la tristesse serait la tristesse et la joie la joie, Longwy peut-être, en France, à mi-chemin entre Differdange et Cardabello, sinon géographiquement, puisque Longwy se trouvait à une dizaine de kilomètres de Differdange, du moins du point de vue de la langue, le français qui, quelque part, même si ce n’est que d’une façon lointaine, s’apparentait à sa langue maternelle« (p. 164). Elle va donc s’appliquer à perfectionner son français, obligeant par là même sa belle-sœur Lucie, une Luxembourgeoise, à s’y mettre aussi. Ainsi, la famille Nardelli, véritable tour de Babel en miniature, utilisera trois langues: l’italien, »le plus précieux des trésors, disait maman, à savoir la langue du pays natal, de plus en plus bizarre pour mes oreilles; le luxembourgeois ensuite […]; le français enfin, le symbole de la résistance de maman, de sa résistance et de son attachement minimal possible, étant donné que le maximum n’était déjà plus à portée de main« (p.  239–240). Curieusement, donc, par le

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biais de ce personnage féminin par ailleurs si effacé et si sensible, la langue française semble fermer des frontières beaucoup plus qu’elle ne libère des passages vers autrui! (Voir Wilhelm 1998: 31–44)

Jhemp Hoscheit (* 1951) Le dernier écrivain présenté dans ce survol se distingue encore par une autre variante dans le choix de son outil de travail. Professeur de français, auteur d’un recueil poétique francophone intitulé modestement Album (1981) et conçu dans l’esprit, rare en Luxembourg, de l’Oulipo, Jhemp Hoscheit avoue que le recours à la langue française lui paraît un artifice, au mieux une ruse pour échapper à des apories créatrices. C’est à partir d’une situation éminemment littéraire – expliquer à une classe récalcitrante L’Étranger (1942) de Camus – qu’il a conçu son premier roman en français: La Secte de Sisyphe (2000). L’histoire n’en est pas censée se dérouler à Luxembourg et les personnages ne sont pas des Luxembourgeois. Il imagine un élève narrateur qui se définit par rapport au célèbre roman illustrant la théorie de l’absurde. Robert Loudas non seulement découvre l’aventure existentielle de Meursault, mais vit aussi, à travers l’apparent amoralisme du héros camusien, les premiers émois sexuels et une certaine libération par rapport à la tutelle parentale et aux tabous qu’elle impose. L’auteur avoue que, rédigeant son roman en français – pour le présenter au 2e Concours littéraire francophone Tony Bourg organisé par le Centre culturel français de Luxembourg en 1995 –, il avait pris cette option linguistique pour se cacher derrière un masque qu’il ne ressentait pas comme correspondant spontanément à son moi profond. Ce stratagème de la langue »étrangère«  – c’est étonnant pour un professeur de français  – au service d’une certaine pudeur a permis à cet auteur de raconter des choses indicibles encore, pour lui, à ce stade, en langue luxembourgeoise. Ce n’est qu’une fois cet interdit ainsi transgressé, qu’il a osé écrire l’histoire de son enfance et de son adolescence marquées par des rapports conflictuels avec les parents et par la découverte de la sexualité. Le résultat en est le roman luxembourgophone Perl oder Pica.10 En somme, chez Hoscheit le dialogue des deux langues a eu lieu extra utero ou in absentia, mais l’on sent à quel point l’écriture littéraire est ici tributaire des failles et des tensions du champ linguistique luxembourgeois. *** Le cas de Jhemp Hoscheit avec son roman francophone oblitérant un roman en luxembourgeois d’abord avorté donne lieu à ce que l’on pourrait appeler une 10 | Esch-sur-Alzette 1998. Le livre obtint en 1999 le Prix Servais, attribué par une Fondation privée. Voir Fondation Servais: Remise du Prix Servais 1999 à M. Jhemp Hoscheit. Luxemburg 2000.

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»traduction sans original«. Ici, le discours littéraire francophone grand-ducal est à considérer comme un exercice de haute voltige intellectuelle. Quelqu’un qui n’est pas naturellement francophone doit faire preuve de contention, ce qui peut s’avérer gratifiant. C’est dans la réponse à ce défi permanent que réside le principal plaisir de la pratique francographe en Luxembourg. Pour ce qui est de l’emploi de la langue luxembourgeoise comme outil de création, le débat est – apparemment – plus simple. Il peut toutefois être faussé par la connotation politique, le recours au luxembourgeois mettant en jeu des facteurs patriotiques et émotionnels qui risquent d’occulter la qualité littéraire du texte, à tout le moins chez des lecteurs peu aguerris au décryptage de questions culturelles. En somme, dans ce pays sans traditions intellectuelles et littéraires prestigieuses, l’écrivain luxembourgeois est toujours en attente de légitimation. Quelle que soit la langue qu’il utilise. Au terme de ce survol exploratoire, on peut tirer plusieurs conclusions qui serviront à relancer et à approfondir la question. Le statut de la langue luxembourgeoise dans le contexte de la production littéraire en français est très variable. Dans le meilleur des cas, comme chez Batty Weber, le texte français ne pourrait renoncer à l’élément linguistique luxembourgeois sans perdre sa raison d’être. Dans À Mondorf, par exemple, le recours au luxembourgeois est plus qu’un simple effet comique, il souligne les dimensions culturelles et identitaires de la question. Les jeux onomastiques de Noppeney et de Ries, outre leur effet de singularisation et de poétisation, n’apportent rien à l’histoire racontée, on pourrait y renoncer. Chez d’autres écrivains, le fait de citer du luxembourgeois dans leur texte français est peut-être moins central, mais apporte un éclairage particulier. Ainsi, chez Jean Portante, l’insertion dans la société d’accueil passe par un apprentissage minimal de la langue autochtone par rapport à laquelle l’immigré doit se définir. Chez Rewenig la question des rapports entre marginalité linguistique et force centripète de la koinè revêt une importance plus cruciale. Son Chef d’orchestre est un peu à part dans la mesure où, dans ce récit consacré à un Capverdien, la langue française est quasi congénitale au personnage, qui ressent le luxembourgeois comme langue de l’exclusion utilisée par un petit groupe de fonctionnaires ou de patriotes privilégiés coupés de la réalité sociale où le français est la langue la plus utilisée. Dans tous les cas, le mélange des langues ou la conscience de la tour de Babel luxembourgeoise constituent un facteur dynamique qui devrait à l’avenir fournir matière à des études littéraires et linguistiques plus poussées. La perspective en sera nécessairement comparatiste et devra tenir compte de l’héritage de la polyglossie dont les différents paramètres et leurs rapports mutuels n’arrêtent pas de se redéfinir au gré des changements sociaux.11 11 | Il y aurait lieu de compléter le présent survol par l’étude d’autres auteurs francophones luxembourgeois, comme Tullio Forgiarini (avec un Luxembourg envahi

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L ES RAPPORTS LITTÉRAIRES ENTRE LE FRANÇAIS ET LE LUXEMBOURGEOIS – (1960): Batty Weber, écrivain bilingue. In: Les Pages de la S.E.L.F. (Luxemburg), Nr. VIII. Berg, Guy (1993): ›Mir wëlle bleiwe wat mir sin‹. Soziolinguistische und sprachtypologische Betrachtungen zur luxemburgischen Mehrsprachigkeit. Tübingen [Germanistische Linguistik 140]. Goetzinger, Germaine u.a. (Hg.; 2007): Luxemburger Autorenlexikon. Mersch – (Hg.; 2010) Dictionnaire des auteurs luxembourgeois. Mersch. URL: http://www. autorenlexikon.lu/online/www/menu_header/5/FRE/index.html. Glesener, Jeanne E. (2008): La littérature de l’(im)migration au Luxembourg. In: Claude D. Conter/Germaine Goetzinger (Hg.), Identitäts(de)konstruktionen. Neue Studien zur Luxemburgistik. Mersch, S. 111–129 u. 152–156. Goetzinger, Germaine (1991): Die Referenz auf das Fremde. Ein ambivalentes Begründungsmoment im Entstehungsprozeß der luxemburgischen Nationalliteratur. In: Begegnung mit dem ›Fremden‹. Grenzen – Traditionen – Vergleiche. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses, Tokyo 1990, Bd. 10. München, S. 179–188. Hoffmann, Fernand (1984): Langues et littératures. Les trois littératures. In: Luxembourg. Le Puy, S. 167–217. Kieffer, Rosemarie (Hg.; 1980): Littérature luxembourgeoise de langue française. Sherbrooke. Newton, Gerald (Hg.; 2000): Essays on Politics, Language and Society in Luxembourg, actes du colloque organisé en 1998 par le Department of Germanic Studies. Centre for Luxembourg Studies de l’Université de Sheffield. Leviston (NY). Trausch, Gilbert (1989): La situation du français au Luxembourg: une prééminence précaire dans un pays d’expression trilingue [1987]. In: Le Luxembourg. Émergence d’un État et d’une nation. Anvers. Wilhelm, Frank (1994): À propos du théâtre francophone luxembourgeois: ›Le Carn-acier‹, pièce de Guy Rewenig. In: Galerie. Revue culturelle et pédagogique, Nr. 2, S. 295–305. – (1996): La figure et l’œuvre de Marcel Noppeney (1877–1966), mort il y a trente ans. In: Galerie, Nr. 2, S. 185–278. – (1997): Régime linguistique et création littéraire au Grand-Duché de Luxembourg. In: Ministère de la Culture: Où? Qui? Quoi? Le Répertoire culturel du Grand-Duché de Luxembourg. Luxemburg. – (1998): La baleine comme métaphore de l’exil et de la mémoire chez Jean Portante. In: Conférences organisées /éditées par le Centre d’Études et de Recherches francophones (C.E.R.F.): Actes de l’atelier »L’écriture de l’exil dans la littérature francophone européenne« lors du congrès du Conseil international d’Études francophones (CIÉF) en Guadeloupe, le 13 mai 1997, Conférences diverses, Études romanes, fasc. XIV, Publications du Centre universitaire. Luxemburg, S. 31–44.

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Zwischen Nähe und Distanz Autorversionen Luxemburgisch-Deutsch in der Luxemburger Kinderliteratur Peter Kühn Abstract Guy Rewenig, écrivain luxembourgeois, écrit ses livres pour enfants en luxembourgeois. Plusieurs ont été traduits en allemand par l’auteur lui-même. C’est le cas aussi pour l’un de ses plus connus: Schallümmo. La contribution scientifique ci-dessous compare les deux versions de l’auteur, la version luxembourgeoise à celle en allemand. A travers le concept de la langue de distance et de la langue de proximité, il sera montré que la version luxembourgeoise du Schallümmo est fort marquée par sa langue de proximité. La version allemande, par contre, paraît plutôt dans une langue de distance. Cette impression sera illustrée par de multiples exemples. Dans ce contexte il s’avère que la proximité, étant trait caractéristique de la langue luxembourgeoise, doit être définie dans leur type de texte et leur type de communication. La littérature enfantine en langue luxembourgeoise se révèle être un bel exemple pour la proximité de la langue luxembourgeoise. Cependant, cela n’empêche pas que le luxembourgeois sera, dans d’autres contextes, aussi utilisé de manière différente sur cette échelle entre langue de distance et langue de proximité. Der Luxemburger Autor Guy Rewenig hat seine Kinderbücher auf Luxemburgisch geschrieben. Einige – darunter Schallümmo – sind von ihm ins Deutsche übersetzt worden. Im folgenden Beitrag werden die luxemburgisch-deutschen Autorversionen von Schallümmo miteinander verglichen. Unter Rückgriff auf das Konzept von Nähe- und Distanzsprache wird gezeigt, dass die luxemburgische Version des Kinderbuches sehr stark nähesprachlich, die deutsche dagegen eher distanzsprachlich formuliert ist. Dies wird an zahlreichen Beispielen belegt und illustriert. Dabei wird auch deutlich, dass die Nähesprachlichkeit des Luxemburgischen kommunikativund textsortenspezifisch bestimmt werden muss. Die Kinderbücher auf Luxemburgisch sind ein hervorragendes Beispiel für die Nähesprachlichkeit des Luxemburgischen. Dies schließt andere Verwendungsweisen des Luxemburgischen auf der Nähe-Distanzsprachenskala nicht aus.

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1. Autorversionen in der Luxemburger Literatur Das wichtigste Merkmal der Literaturszene in Luxemburg ist ihre Mehrsprachigkeit und Multikulturalität (vgl. Honnef-Becker/Kühn 2004). Es ist für Luxemburger Schriftstellerinnen und Schriftsteller eine Selbstverständlichkeit, in mehreren Sprachen zu schreiben. Vor dem eigentlichen Schreiben steht folglich für die Luxemburger Schriftstellerinnen und Schriftsteller die Wahl der Sprache, in der sie schreiben wollen: auf Französisch, auf Deutsch oder auf Luxemburgisch. Die Wahl der Sprache kann dabei unterschiedlich (z.B. biografisch, thematisch, fern- oder nähesprachlich) motiviert sein1 und verkompliziert sich, denn es gibt Autorinnen und Autoren, die in mehreren Sprachen schreiben oder innerhalb eines Werkes mehrmals die Sprachen wechseln. Diese werkinternen Sprachenwechsel sind nicht willkürlich, sie lassen sich vielmehr funktional begründen (vgl. hierzu z.B. Honnef-Becker 2008 u. 2010). Typisch für die Mehrsprachigkeit in der Luxemburger Literatur sind auch so genannte Autorversionen. Unter einer Autorversion wird eine vom Autor vorgenommene Übertragung eines eigenen Werkes in eine andere Sprache verstanden. Im Luxemburg des 19. Jahrhunderts hat es bereits solche Autorversionen gegeben, die vom Luxemburgischen ins Französische oder Deutsche übertragen wurden. Als typisches Beispiel wird in der Literatur Edmond de la Fontaines (genannt »Dicks«) Koméidéistéck Mumm Seís und Mutter Suse genannt, das als luxemburgisch-deutsche Autorversion 1994 von Alain Atten veröffentlicht wurde. Johannes Kramer (2004: 48ff.) hat einige Passagen des luxemburgischdeutschen Textes verglichen und kommt zu dem Ergebnis: »Es bedarf keiner tiefschürfenden Analyse, um die Aussage wagen zu dürfen, dass der luxemburgische Text – trotz aller Zwänge von Vers, Reim und Melodie – von der gesprochenen Sprache nicht allzu weit entfernt ist und der luxemburgischen Idiomatik genügend Raum lässt, während der deutsche Text in künstlicher Aufgeblasenheit schwerfällig daherkommt.« Mit Alain Atten (1994: 59) wertet Johannes Kramer (2004: 51) diese ersten Autorversionen als »Ausbruchsversuch« aus der Isolation des Luxemburgischen in die breitere deutsche Kultur der Gründerzeit.2 Johannes Kramer konstatiert für die heutige Luxemburger Literaturszene, dass Autorversionen »aus der Mode« gekommen seien. Dies stimmt allerdings nicht 1 | Vgl. hierzu die Äußerungen einzelner Luxemburger Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Beitrag von Kramer 2004 oder das Interview mit Anise Koltz in Honnef-Becker/ Kühn 2004: 56–64. 2 | Nach Kramer (2004: 51ff.) muss beispielsweise die luxemburgisch-französische Autorversion von Michel Lentz Feierwôn vollkommen anders interpretiert werden: »Diese unprätentiöse Übersetzung will ganz offenbar nicht mehr sein als eine genaue französische Übersetzung des luxemburgisches Testes; es handelt sich um normale Prosa ohne poetische Ansprüche.«

A UTORVERSIONEN L UXEMBURGISCH -D EUTSCH IN DER L UXEMBURGER K INDERLITERATUR

ganz: Roger Manderscheid (1995) hat seinen Roman feier a flam unter dem Titel Der sechste Himmel (2006) selbst ins Deutsche übertragen. Guy Rewenig, der sowohl in Deutsch, Luxemburgisch und Französisch schreibt, hat für zwei seiner Kindergeschichten luxemburgisch-deutsche Autorversionen verfasst.3 Johannes Kramer (2004: 42) hat grundsätzlich an den luxemburgisch-deutschen Übersetzungen kritisiert, dass dem luxemburgischen »Juwel in der Übersetzung alle Glanzstücke weggeschliffen werden.« Irmgard Honnef-Becker (2010: 334ff.) kritisiert Kramers stereotype Einordnung des Luxemburgischen als vorwiegend informelle, authentische, kraftvolle, bilderreiche Nähesprache. Sie weist am Beispiel feier a flam bzw. Der sechste Himmel nach, dass Roger Manderscheid seine deutsche Autorversion nicht als reine Übersetzung versteht, sondern »sein Deutsch in der Übersetzung bewusst lëtzebuergesch einfärbt und somit sein eigenes luxemburgisch geprägtes Deutsch schreibt« (Honnef-Becker 2010: 345). In Manderscheids Übersetzung zeigt sich dabei eine »Referenz auf das Fremde«, die als Kennzeichen die Eigenständigkeit der Luxemburger Literatur ausmache (Honnef-Becker 2010: 348). Im Folgenden werden einige Beispiele aus der luxemburgisch-deutschen Autorversion Schallümmo, Geschichte fir Kanner (1993/42007) bzw. Geschichten für Kinder (2004) miteinander verglichen. Während Johannes Kramer einseitig die Mündlichkeit und Ursprünglichkeit des Luxemburgischen herausstellt, Irmgard Honnef-Becker für die Autorversionen Roger Manderscheids die Referenz auf das Fremde betont und damit Kramers These relativiert, zeigt der Vergleich der luxemburgischen und deutschen Kindergeschichten, dass diese auf einer Skala zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit angesiedelt werden müssen, um ihre unterschiedlichen Wirkungen zu beschreiben.4 3 | Guy Rewenig hat 1990 mit Muschkilusch sein erstes Kinderbuch auf Luxemburgisch veröffentlicht. Es erscheinen weitere Kindergeschichten, Kindergedichte und Kinderlieder auf Luxemburgisch: Zebra Tscherri (1992), Schallümmo (1993) mit der deutschen Autorversion Schallümmo (2004), Libella Bitsch (1994), Packatuffi (1996), Sonndes däerf ee Wollécke fänken (1996), Zabbazillo (1997), Palazzo Matrazzi (1998), Komba la Bomba (1998), Käddikätsch (2000) mit der deutschen Autorversion Karambo Laasch (2006), Moss Kita (2001), Ballo farfallo (2003), D’Schoul brennt! (2003), Karogatto (2004), Mäxitäxi. Schoulhaffbuch (2005) und Passt die Maus ins Schneckenhaus (2005). 4 | Auffällig ist, dass Rewenig in den deutschen Versionen seiner Kindergeschichten genuin luxemburgische Bezüge bewusst ausschließt – vielleicht wollte er die deutsche Version ausschließlich auf dem deutschen Markt platzieren: So sind in der deutschen Version z.B. alle direkten lokalen Bezüge ausgespart: z.B. »An der Stad? ruffen ech. »Zu Lëtzebuerg? Ech ginn dach hei an d’Schoul! – In die Stadt?, rufe ich. »Ich gehe doch hier zur Schule! Vgl. auch die Auslassung S. 105 (»de Stauséi vun Esch-Sauer«) oder S. 15 (»A si brauch kee Findel fir ze landen«).

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Anders als Roger Manderscheid, der seine deutsche Version bewusst luxemburgisch einfärbt, versucht Guy Rewenig, seine deutsche Version möglichst an die deutsche Standardsprache anzugleichen. Im Folgenden wird zunächst an ausgewählten Beispielen illustriert, dass die luxemburgische Autorversion der Kindergeschichten eine eindeutige Tendenz zur Nähekommunikation aufweist, die deutsche Version dagegen eher neutral und distanziert wirkt (Kap. 2). Anschließend werden beide Versionen unter Rückgriff auf die jüngere Forschung (Gilles 2011) im Nähe-Distanz-Modell von Koch/Oesterreicher verortet (Kap. 3). Die Einordnung der luxemburgischen Kindergeschichten als nähesprachliche Textsorte wird ausführlich durch Beispiele belegt (Kap. 4). Dabei zeigt sich, dass die Nähesprachlichkeit des Luxemburgischen diskurs- und textsortenspezifisch bestimmt werden muss.5 Dies bestätigt sich abschließend durch den Einbezug von Kreativitätsmerkmalen, die die Luxemburger Version zusätzlich auszeichnet (Kap. 5)

2. Autorversionen in der Kinderliteratur: Tendenzen zur semantischen Neutralisierung Die Geschichte Maladie de la Krausel bzw. Maladie de la Locke handelt von Bills Großvater. Erzählt wird die Geschichte von Kätti, der Enkelin des Großvaters. Dieser fällt durch sein Aussehen auf: Er hat einen riesigen Bart, »wéi e Beiestack«. Der Oma ist dieser ungewöhnliche Bart ein Dorn im Auge, aber dem Opa ist dies egal. Eines Tages macht der Opa eine komische Entdeckung: In seinem Bart verspürt er Schmerzen. Es zwickt und zwackt in seinem Bart. Daher besucht er einen Arzt. Der stellt fest, dass der Opa eine seltene Krankheit hat: eine »Maladie de la Krausel«. Der Arzt verschreibt dem Opa Kamillentee. Damit soll er seinen Bart baden. Nachdem der Opa über 500 Beutelchen Kamillentee verbraucht hat und die Schmerzen nicht nachgelassen haben, beschließt er, sich den Bart abzuschneiden. Als er mit der Schere in der Hand vor dem Spiegel steht, »krut hie bal e Schlag«: Aus seinem Bart gucken fünf kleine Schwalben neugierig hervor und reißen ihre Schnäbelchen auf. Opa ist stolz auf sein Bartnest und wäscht sich  – zum großen Kummer der Oma  – den Bart nicht mehr. Der Bart »mëffelt« zusehens. Den Opa stört dies nicht. Am Ende der Geschichte antwortet er der besorgten und verärgerten Oma: »›Sief dach frou, datt meng Villercher e gudde Stullgank hunn!‹  – an heemelt sech mat zwou Hänn säi Baart.«

5 | So zeigen sich in der luxemburgischen Version der Kindergeschichten andere nähe sprachliche Merkmale des Luxemburgischen als sie z.B. Peter Gilles für die SMSKom mu nikation nachgewiesen hat.

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Zu Beginn der Kindergeschichte wird das besondere Äußere des Großvaters folgendermaßen beschrieben. Eine entsprechende Illustration soll den Kindern ebenfalls das besondere ›Outfit‹ verdeutlichen:

Dem Bill säi Bop huet e Baart wéi e Beie stack.

Bills Opa hat einen Bart wie ein Bienen korb.

En décke Pillem aus Krausele klunscht ënnert sengem Kënn.

Ein dickes Kissen aus Locken schaukelt unter seinem Kinn.

»Mäi Bop brauch all Kéier eng ganz Fläsch Shampoing, wann hie säi Baart wäscht«, seet de Bill. »Da flucht meng Mamm: Dat ass jo geschwënn e ganzen Zenner Buuschten!«

»Mein Opa braucht jedes Mal eine ganze Flasche Shampoo, wenn er seinen Bart wäscht«, sagt Bill. »Dann flucht meine Mutter: Da hängt ja fast ein ganzer Zentner Haare!«

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P ETER K ÜHN Op eemol gëtt däi Baart sou schwéier; dass d’an engem Stéck no vir op d’Knéien trëlls! Da kann ech och nach all Dag nei Plooschtere kafen!«

Bald wird dein Bart so schwer, dass du ständig vornüber auf die Knie fällst!

Awer dem Bill säi Bop laacht nëmmen an heemelt sech mat zwou Hänn säi Baart. (35f.)

Aber der Opa von Bill lacht nur und streichelt mit beiden Händen seinen Bart. (32f.)

Dann kann ich auch noch jeden Tag frische Wundpflaster kaufen!«

Das Besondere des Großvaters ist der Bart. Der Bart gleicht einem »Beiestack« (»Bienenkorb«). Der Vergleich assoziiert ein größeres, dichtes Haargeflecht, das als Behältnis für weitere Lebewesen dienen könnte. Die ungewöhnliche Haarpracht ist wie »en décke Pillem aus Krausele« (»ein dickes Kissen aus Locken«), das unter seinem Kinn schaukelt. Der Opa benötigt deshalb auch eine entsprechende Menge Shampoo, wenn er seinen Bart wäscht. Daher flucht Bills Oma »Dat ass jo geschwënn e ganzen Zenner Buuschten!« (»Da hängt ja fast ein ganzer Zentner Haare!«). Das Gewicht wird dazu führen, dass »d’an engem Stéck no vir op d’Knéien trëlls!« (»dass du ständig vornüber auf die Knie fällst!«), dann benötigt die Oma »all Dag nei Plooschtere« (»jeden Tag frische Wundpflaster«). Dem Opa scheint das alles nichts anzuhaben, er lacht nur darüber »an heemelt sech mat zwou Hänn säi Baart« (»und streichelt mit beiden Händen seinen Bart«). Vergleicht man die beiden Fassungen, fällt auf, dass bei der Übertragung vom Luxemburgischen ins Deutsche die Charakterisierung des Großvaters als sonderbarer, spleeniger und kauziger Bartmensch verloren geht. Die Illustration passt eher zum luxemburgischen Text, jedoch nicht zum deutschen. In der luxemburgischen Geschichte hat der Opa »e ganzen Zenner Buuschten«, in der deutschen dagegen »einen ganzen Zentner Haare«. Auf den ersten Blick scheint die Übersetzung von »en zenner Buuschten« mit »ein Zentner Haare« plausibel. Die Übertragung von »Buuschten« zu »Haare« bedeutet allerdings eine semantische Neutralisierung. Betrachtet man die möglichen Synonyme von »Haar« im Deutschen (»Haare«, »Haarschopf«, »Schopf«, »Haarkleid«, lange »Mähne«, »Löwenmähne«, »Zottelhaar«, »Loden«, »Strähnen«, »Locken«, »Flaum«, »Fell«, »Knäuel«, »Kraushaar«, »Krollhaar«, »Kräuselhaar«, »Pelz«, »Wolle«, »Wuschelkopf« usw.), so zeigt sich, dass in der deutschen Kindergeschichte semantisch »weggeschliffen« wurde: für »Buuschten« hätte sich vielleicht eher »Pelz«, »Zottelhaar« oder »Wolle« angeboten, in denen die Besonderheit des Bartes (ungewöhnlich, dicht, verflochten, undurchdringlich, unordentlich, könnte als Behausung dienen) eher zum Ausdruck kommt als in Haare. Diese semantische Neutralisierung zeigt sich auch im weiteren Verlaufe der Geschichte: »Buuschtebull« wird mit »Haarkugel« wiedergegeben, »Gekrausels« mit »krause Haare« oder »Buuschtebierg« mit »Haarberg«.

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Man könnte nun versucht sein, bei Autorversionen Wörterbücher zu konsultieren, um Hinweise auf die semantische Differenzierung bei der Wortverwendung zu bekommen. Sichtet man diesbezüglich Wörterbücher des Luxemburgischen, ergibt sich folgendes Bild: 1.

2.

In den zweisprachigen Wörterbüchern Deutsch-Luxemburgisch wird »Haar« mit »Hoër« oder »Hoer« übersetzt (z.B. Rinnen/Reuland 1980; Derrmann-Loutsch 2004), mögliche konnotative Synonyme werden nicht angegeben; im Luxdico finden sich allerdings zwei Einträge für »Haare«: zunächst »Haare/Buuschten«, dann »Haare/Hoer«. Die Autoren scheinen in der Reihenfolge der Angaben alphabetisch vorzugehen und nicht nach dem gängigen oder standardsprachlichen Wortgebrauch. Beide Entsprechungen »Haare/Buuschten«, »Haare/Hoer«) stehen unkommentiert untereinander. Im alphabetisierten Teil Luxemburgisch-Deutsch findet man die Entsprechungen wieder: »Buuschten/Haare«,» Hoer/Haare«. Der Wörterbuchbenutzer erhält keine Angaben zum differenzierten Wortgebrauch von »Buuschten« und »Hoeren«. Im neuen Luxemburger Online Dictionnaire, das zur Semantisierung der Stichwörter Übersetzungen, Synonymenangaben sowie Beispielsätze enthält, findet man zur Sprachrichtung Luxemburgisch-Deutsch ebenfalls lediglich eine unkommentierte Gleichsetzung von Hoer zu Haare. Im deutsch-luxemburgischen Teil wird »Haar« zwei Mal als Stichwort geführt: einmal mit der Übersetzung »Hoer/Hoer« und einmal mit »Buuscht/ Buschten« – ohne dass in beiden Artikeln aufeinander Bezug genommen wird. Auch aus den Beispielsätzen wird der differenzierte Wortgebrauch von »Hoer« und »Buuschten« nicht deutlich: – hien huet kuerzt, brongt Hoer, – hiren Hond verléiert vill Buuschten, – mir wiisst ëmmer e Buuscht op der Nues, – kämm der emol de Buuscht, éier s de ënner d’Leit gees

Der Wörterbuchbenutzer könnte geneigt sein, Buuschten kollokationär eher mit Hunden als mit Menschen in Verbindung zu bringen; in den übrigen Beispielsätzen erscheint Buuscht als etwas Besonderes (Buuscht op der Nues) oder Unordentliches (Buuschten muss man kämmen, d.h. in Ordnung bringen, ehe man unter die Leute geht).6

6 | Vgl. zur grundsätzlichen Problematik der Beispielsätze im Luxemburger Online Dictionnaire Kühn 2012.

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3.

Schlägt man in den älteren Wörterbüchern des Luxemburgischen nach, erfährt man dagegen Genaueres. Vorbildlich scheint das Luxemburger Wörterbuch mit den Artikel Hoër und Buuscht:

Hoër I (Pl. Hoër, Echt. /hO·u ԥ ·, lok. Ostrand Har, Hoar, Dim. Häerchen, Häierchen (Echt.) Pl. Härercher, Häercher) N.: 1) »Haar« (als einzelnes Haar und als Kollektivum) – Vergleiche: H. ewéi Fluess, Seid (seidig weich), Biischten, Schwéngsbuuschten, Biesemsreiser, Kréng (rauhes, struppiges, ungepflegtes Haar) […]. (Luxemburger Wörterbuch III/1955: 165)

Buuscht: A. M.: 1) »Schopf, Strähne« – kämm der emol de wëlle B. iers de bei d’Leit könns (kämme dein Haar, ehe du zu den Leuten gehst) – ech kämmen, stréilen him de B. (übtr.: ich weise ihn derb zurecht) – e ganze B. (Schapp) Hoer; 2) verengte Bed.: »borstiges Haar« – wat huet deen e B. (cf. die Zussetz.: Widderbuuscht); B. F.: nur im Pl. gebr. »Borsten, Haare« – rout B. (geringschätzig: rote Haare) […]. (Luxemburger Wörterbuch I/1950: 168)

Der Wörterbuchartikel Hoër enthält in nuce eine distinktive Synonymik: »Hoër« ist der eher standardsprachliche, nichtmarkierte Ausdruck, den man durch Vergleiche spezifizieren kann »(Hoër ewéi Fluess, Seid)«, »Biischten, Schwéngsbuuschten, Biesemsreiser, Kréng« sind demgegenüber markierte Ausdrücke für raues, struppiges und ungepflegtes Haar. Im Artikel Buuscht wird das Struppige, Ungepflegte und Raue durch eine entsprechende Kollokation (»wëlle Buuscht«), durch eine eigene Bedeutungsangabe (»verengte Bed.: »borstiges Haar«; »Borsten, Haare«), durch eine stilistische Markierung (»geringschätzig: rote Haare«), durch Beispielsätze (»Wat huet deen en Buuscht«; »rout Buuscht«) oder durch die Wortbildung (»Widderbuuscht«) deutlich. An den Erläuterungen aus dem Luxemburger Wörterbuch wird auch klar, welche semantischen Nuancen bei der deutschen Version der Kindergeschichte abgeschliffen werden. Vergleicht man die restlichen Sätze am Anfang der Kindergeschichte, so scheint sich die Tendenz der semantischen Neutralisierung der deutschen Version zu bestätigen: –

»an engem Stéck no vir op d’Knéien trëllen« wird übertragen mit »ständig vornüber auf die Knie fallen«; durch das Luxemburgische »trëllen« statt »falen« wird eher die Verärgerung der Frau zum Ausdruck gebracht: Ihr Mann fällt unbeholfen, verhält sich beim Gehen trottelig, weil er sich mit den Füßen auf den langen, schweren Bart tritt. Im Deutschen würde die Gerichtetheit des Fallens eher durch »hinfallen«, das iterative, ständige (»an engem Stéck«) Fallen eher durch stolpern zum Ausdruck gebracht.

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»Plooschter« wird mit »Wundpflaster« übersetzt. Bei »Wundpflaster« schwingt im Deutschen eine fachsprachliche Komponente mit (»Wundpflaster dienen in der Medizin der hygienischen Wundversorgung«)7; standard- und umgangssprachlicher sind dagegen Pflaster oder Heftpflaster;8 in den bilingualen Wörterbüchern Deutsch-Luxemburgisch und Luxemburgisch-Deutsch wird »Plooschter« daher auch treffenderweise mit »Heftpflaster« erklärt. Die Kollokation »frische Wundpflaster« gegenüber »nei Plooschter« ist zwar verständlich, aber ebenfalls eher ungebräuchlich: ›frisch‹ im Sinne von ungebraucht oder neu wird z.B. mit »Handtuch« oder einem »Blatt Papier« kollationiert. Im Vergleich zum Luxemburgischen »heemelen« scheint das Deutsche »streicheln« neutraler. Den Opa lassen die Vorwürfe der Oma kalt, er streichelt sich daher genüsslich und selbstzufrieden seinen Bart. Diese Einstellung kommt mit »streicheln« alleine nicht zum Ausdruck. In den Wörterbüchern des Deutschen wird »Bart« daher auch eher mit dem Kollokat »sich den Bart kraulen« angegeben (vgl. z.B. Langenscheidt. Großwörterbuch DaF 2003: 612); man streichelt ein Tier, das Fell eines Tieres, eine Person, die Haare, die Hände, die Wangen einer Person (Langenscheidt 2003: 989), »kraulen« wird nicht mit »streicheln«, sondern mit dem Synonym »liebkosen« erläutert (Duden-Universalwörterbuch 2001: 958). Typisch gesprochensprachlich ist auch das luxemburgische »op eemol«: Es hat in topikalisierter Stellung die Funktion einer Gesprächsroutine, mit der man seine Befürchtung, Sorge oder Angst zum Ausdruck bringen kann. Mit der deutschen Übertragung »bald« verliert die Äußerung diese Konnotation – »bald« hat epistemischen Charakter und drückt eine Gewissheit aus (bald ist Weihnachten).

Die Beispiele legen den Schluss nahe, dass die luxemburgische Version der Kindergeschichte ausdrucksstärker ist und einen stärkeren Hang zur gesprochenen Sprache aufweist. Die deutsche Autorversion scheint dagegen durch die Wortwahl und Formulierungen eher neutraler und stärker auf die Schriftsprache hin ausgerichtet.

7 | Vgl. http://www.wundpflaster.org. 8 | So wirbt die Firma Hansaplast mit dem Slogan: »Pflaster ist nicht gleich Pflaster« (http://www.wundpflaster.org).

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3. Autorversionen: Zwischen konzeptionell mündlich und konzeptionell schriftlich Es stellt sich also die Frage, warum die Autorversionen der Kindergeschichten in dieser Form voneinander abweichen? Das Luxemburgische als Literatursprache spielt für Guy Rewenig erst in den 1970er Jahren eine besondere Rolle. Damals beginnt er in dem von ihm begründeten Ensemble D’Spillfabrék damit, Theaterstücke für Kinder zu schreiben. 1990 erscheint sein erstes Kinderbuch in luxemburgischer Sprache (Muschkilusch). Guy Rewenig scheint das Luxemburgische gegenüber dem Deutschen deshalb zu favorisieren, weil das Luxemburgische die Muttersprache der Kinder ist und dadurch ausgezeichnet – in der Luxemburger Mehrsprachigkeit  – einen natürlichen und unmittelbaren kommunikativen Zugang zu den jungen Lesern erlaubt. Mit dem Deutschen kommen die Kinder eher als Schrift- oder Mediensprache beim Lesen und Fernsehen in Kontakt. Der Weg zum Luxemburgischen führt für Guy Rewenig also vor allem über die Mündlichkeit. Die Differenzierung und Etikettierung des Luxemburgischen als Sprache der Mündlichkeit und des Deutschen als Sprache der Schriftlichkeit wird dem funktionalen Gebrauch der beiden Sprachen allerdings nicht gerecht. Peter Gilles (2011) hat in Anlehnung an die Differenzierungen von Peter Koch und Wulf Osterreicher (1985 u. 2001) für den Sprachengebrauch in Luxemburg ein detailliertes Modell der konzeptionellen Mündlichkeit und Schriftlichkeit vorgelegt. Das Modell berücksichtigt in Bezug auf das Luxemburgische, Deutsche und Französische die Kriterien a. der Medialität (Dichotomie: medial schriftlich versus medial mündlich), b. der Konzeption9 (Kontinuum: von konzeptionell schriftlich bis konzeptionell mündlich) und c. der Synchronizität (von synchron über quasi-synchron bis asynchron). Peter Gilles illustriert sein mehrdimensionales Modell an unterschiedlichen, privaten, halböffentlichen und öffentlichen Diskursarten und Textsorten. Er streicht dabei heraus, dass das Luxemburgische gegenüber dem Deutschen und Französischen als die Sprache der konzeptionellen Mündlichkeit bezeichnet werden kann (Gilles 2011: 48ff.). Überträgt man nun das Modell auf die Literatursprachen,10 insbesondere auf die hier vorgestellten Autorversionen, dann ergibt sich Folgendes:

9 | Mit »Konzeption« ist nach Koch/Oesterreicher der Umstand gemeint, dass wir – unabhängig von ihrer mündlichen oder schriftlichen Realisierung – Texten eher einen mündlichen, informellen, nähesprachlichen oder schriftlichen, formellen, distanzsprachlichen Duktus verleihen können. 10 | In der Diskussion von Peter Gilles bleiben die Literatursprachen ausgespart.

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1.

2.

In der medial-schriftlichen Kinderliteratur auf Luxemburgisch dominiert die konzeptionelle Mündlichkeit mit ihrer Funktionalisierung auf die Nähesprache. Diese konzeptionelle Mündlichkeit erkennt man an der Ausdrucksweise: So werden in der luxemburgischen Version der vorliegenden Kindergeschichte durch Wortwahl oder Grammatik die Personen für den Leser direkter, ausdrucksvoller, bildhafter und lebendiger; der Leser fühlt sich unmittelbar vom Erzähler angesprochen. Hierzu zählen z.B. die DativPossessiv-Konstruktion (»Dem Bill säi Bop«), der Gebrauch des bestimmten Artikels vor Vornamen (»seet de Bill«), die konnotative Wortwahl (»Buuschten« statt »Hoer«, »trëllen« statt »falen«), Gesprächsformeln (»Op eemol«). In der medial-schriftlichen Autorversion auf Deutsch wechselt die konzeptionelle Mündlichkeit in Richtung Schriftlichkeitspol. Die Personen erscheinen eher neutral in größerer Distanz. Dies bewirkt z.B. der Wechsel der Dativ-Possessiv-Konstruktion zum Genitivus possessivus (»Bills Opa«), der Gebrauch des Vornamens ohne Artikel (»sagt Bill«), die Wahl denotativer statt konnotativer Ausdrücke (»Haar« statt »Wolle«, »fallen« statt »stolpern«, »streicheln« statt »kraulen«), die Verwendung standard- oder eher fachsprachlicher statt gesprochensprachlicher Ausdrücke (»Wundpflaster« statt »Pflaster«) oder eher ungewöhnliche Kollokationen (»frisch« statt »neu«). Die Distanzsprache der deutschen Version passt zudem weniger zur Erzählerin der Geschichte, der kleinen Kätti.

Es ist allerdings interessant, dass die deutsche Version auch Tendenzen zur Nähesprache aufweist. Hierzu ein weiterer Auszug aus der Kindergeschichte: Virun dräi Wochen huet dem Bill säi Bop eppes Komesches erlieft. Well et gutt waarm war dobaussen, huet hien de ganzen Dag a sengem klenge Gaart tescht den heijen Haiser geschafft. (35)

Vor drei Wochen hat Bills Opa was Komisches erlebt. Weil’s schön warm war draußen, hat er den ganzen Tag in seinem kleinen Garten zwischen den Hochhäusern gearbeitet. (32)

Auffällig am vorliegenden Auszug sind auf der einen Seite einige nähesprachliche Merkmale in der deutschen Version, die für die gesprochene Sprache typisch sind: Aphäresen (»was« statt »etwas«), Auslassungen bei Wortverschmelzung (»Weil’s«), keine Verbendstellung im Weil-Satz bzw. Endstellung des Adverbs am Ende des Weil-Satzes (»Weil’s schön war draußen«). Auf der anderen Seite enthält die Textpassage der deutschen Version wiederum distanzsprachliche Formulierungen der konzeptionellen Schriftlichkeit: possessivischer Genitiv (»Bills Opa«) oder die Übersteigerung von »tëscht den héijen Haiser« in »zwischen den Hochhäusern«, die eine neue Situation evoziert.

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4. Mittel nähesprachlicher Mündlichkeit Prüft man einmal kursorisch, wodurch die luxemburgische Ausgangsversion nähesprachlicher und die deutsche Autorversion distanzsprachlicher wirkt, so lassen sich für die Kindergeschichten in Schallümmo folgende sprachlichen Mittel herausstellen: 1. Gebrauch von Phraseologismen: Phraseologismen (z.B. »den Gecken mit jemandem machen«) gehören gegenüber ihren nichtphraseologischen Konkurrenzformen (z.B. »sich über jemanden lustig machen«) zu denjenigen sprachlichen Einheiten, die sich durch eine hohe Expressivität und semantische Komplexität auszeichnen – sie besitzen einen »semantischen Mehrwert«. Mit dem Gebrauch von Phraseologismen lassen sich unterschiedliche Wertungen, Einstellungen und Haltungen ausdrücken. Mit diesen besonderen Sprachzeichen wird gewertet, vereinfacht, überzeichnet, verallgemeinert, zugespitzt, veranschaulicht, verschleiert, verstärkt, verwischt usw. Der Gebrauch von Phraseologismen wirkt nähesprachlich emotional. Natalia Filatkina hat in Bezug auf die Verwendung von Phraseologismen im Sprachenpaar Luxemburgisch-Deutsch festgestellt, dass hier von einer eher »totalen semantischen Divergenz« auszugehen ist. Phraseologismen des Luxemburgischen gelten als stilistische Mittel einer »erhöhten Expressivität« (Filatkina 2005: 274). Diese Besonderheiten der Phraseologismen des Luxemburgischen werden u.a. begründet mit der »überwiegenden Gebundenheit des Luxemburgischen an das Medium ›Mündlichkeit‹« sowie mit dem »sprachsystematisch noch stark ausgeprägten dialektalen Charakter« (ebd.: 272). Die Konstituenten luxemburgischer Phraseologismen »weisen eine präzisere, engere Semantik mit konnotativen Schattierungen auf und verstärken die Aussagekraft der Phraseologismen« (ebd.: 273). Darüber hinaus lässt sich den luxemburgischen Phraseologismen gegenüber den deutschen »eine in gewissem Sinne spezifische, im realen alltäglichen Leben anzusiedelnde, den konkreten Beobachtungen verhaftete Bildlichkeit« zusprechen (ebd.: 275; vgl. bes. auch ebd.: Kap. 5). Fazit: »Hyperbolisierung, Emotionalität und Groteske kommen im Luxemburgischen in vollem Maße zum Ausdruck und ziehen sich durch sein ganzes phraseologisches System« (ebd.: 392). Ein kursorischer Blick in Schallümmo bestätigt diese Feststellungen. Hierzu ein Beispiel: Luxemburgische Version

Deutsche Version

De Rosch sëtzt ganz eleng an der leschter Bänk. Ëmmer huet hien eng Kap um Kapp. […] Jidderee freet sech: »Wat ass

Rosch sitzt ganz allein in der hintersten Schulbank. Immer trägt er eine Mütze auf dem Kopf. […] Jeder fragt sich: »Was ist

A UTORVERSIONEN L UXEMBURGISCH -D EUTSCH IN DER L UXEMBURGER K INDERLITERATUR dann nëmme mam Rosch sengem Kapp, datt hien éiweg eng Kap droe muss?« Déi eng son: »Vläit huet hien ëmmer de Kapp wéi.« Déi aner son: »Vläit wuesse Blummen op sengem Kapp.« Den Zämmi seet: »De Rosch huet iwwerhaapt kee Kapp ënnert der Kap. Dofir huet säi Papp him streng verbueden, d’Kap auszedon.« Am léifsten hunn ech de Rosch. Mam Rosch mecht jiddereen de Geck. (81)

denn nur mit dem Kopf vom Rosch, dass er ewig eine Mütze tragen muss?« Die einen sagen: »Vielleicht hat er ständig Kopfweh.« Die anderen sagen: »Vielleicht wachsen Blumen auf seinem Kopf.« Zämmit sagt: »Rosch hat überhaupt keinen Kopf unter der Mütze. Darum hat sein Vater ihm streng verboten, die Mütze abzunehmen.« Am liebsten mag ich Rosch. Über Rosch machen sich alle lustig. (73)

Mit der Wortverbindung mit »de Geck maachen« wird gegenüber der nicht phraseologischen Konkurrenzform »sich lustig machen« die Beziehung zwischen dem Jungen Rosch und den übrigen Klassenkameraden besonders deutlich. Diese machen sich nämlich nicht nur über Rosch lustig, sie bringen auch ihre negative Haltung zum Ausdruck: Rosch wird als Einzelgänger (»sëtzt ganz eleng an der leschter Bänk«) betrachtet, als Außenseiter, der durch eine besondere Attitüde auffällt (»Ëmmer huet hien eng Kap um Kapp«; »Wat ass dann nëmme mam Rosch sengem Kapp, datt hien éiweg eng Kap droe muss?«) und entweder körperlich oder geistig gehandicapt ist (»Vläit huet hien ëmmer de Kapp wéi.«; »Vläit wuesse Blummen op sengem Kapp.«; »De Rosch huet iwwerhaapt kee Kapp ënnert der Kap.«). Spott wird hier über die Metapher der (Geistes-)Krankheit konzeptionalisiert. Derjenige, mit dem man den Geck macht, wird als absonderlich, skurril, verrückt oder irr abgewertet. Typisch für die Nähesprache der Luxemburger Version sind auch die eher sprechsprachlichen Varianten der Phraseologismen gegenüber den phraseologischen Entsprechungen im Standarddeutschen: So wird in folgendem Beispiel in der deutschen Version das gesprochene »kriegen« der luxemburgischen Version durch das eher schriftsprachliche »treffen« ausgetauscht:11

Luxemburgische Version

Deutsche Version

Awer wéi dem Bill säi Bop virum Spigel stoung a schon d’Schéier am Grapp hat, krut hie bal e Schlag. (36)

Aber als Bills Opa vor dem Spiegel stand und schon die Schere in der Hand hatte, traf ihn fast der Schlag. (33)

11 | Es gibt allerdings auch in der deutschen Fassung sprechsprachliche phraseologische Varianten mit »kriegen«: »Den Här Proffy kritt déif Falen op d’Stir« (46) – »Herr Proffy kriegt tiefe Falten auf die Stirn« (43).

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Charakteristisch sind in der Luxemburger Version auch Routineformeln, die – gegenüber der deutschen Version – ebenfalls Rückschlüsse auf das Beziehungsverhältnis der beteiligten Personen (hier: Tadel, Zurechtweisung des Vaters) erlauben: Luxemburgische Version

Deutsche Version

»Wéi géifs du da gär heeschen?« »Marylène-Nicolette-Bérénice«, son ech. »A soss geet et?« seet mäi Papp. »Firwat dann net Mocca-Vanille-Pistache? Oder Carotte-Patate-Tomate? Hä? Wou si mer denn hei?« (79)

»Wie möchtest du denn heißen?« »Marylène-Nicolette-Bérénice«, sage ich. »Sonst noch was?«, sagt mein Vater. »Warum nicht gleich Mocca-VanillePistazie? Oder Karotte-Tomate-Sellerie? Hä? Wo leben wir denn?« (72)

Sichtet man weitere Beispiele in den Autorversionen, bestätigt sich der Eindruck, dass durch den Gebrauch der Luxemburger Phraseologismen eine höhere Mündlichkeit, Nähesprache und Expressivität evoziert wird, während die deutschen phraseologischen Entsprechungen bzw. die deutschen nicht phraseologischen Konkurrenzformen eher schriftsprachlich, distanzierter, neutraler, oder »steifer« bis distinguiert wirken: Luxemburgische Version

Deutsche Version

Awer d’Fuzzi drénkt net mam Schallümmo. Fir d’Baschten net. Hatt zerbaisst de Schallümmo, rullt en iwwert de Buedem, […]. (112)

Doch Fuzzi trinkt nicht mit dem Strohhalm. Um nichts in der Welt. Sie zerbeißt den Schallümmo, rollt ihn über den Boden, […]. (101)

»D’Wollécke kann een openeen tässelen«, son ech. »Et kann ee se drécken a rullen. Da schloe se d’Kopplabunz drëssegmol hannerteneen.« (Vgl. auch 25)

Die Wolken kann man aufeinander stapeln«, sage ich. »Man kann sie schieben und rollen. Dann schlagen sie Rad. Dreißig Mal hintereinander.« (115, vgl. auch 24)

»Dann huet et der guer net gefall zu Paräis?« fron ech de Panzi. »Kee Fatz! Kee Schwanz!« mault hien. (21; vgl. auch 52 u. 64)

»Dann hat es dir gar nicht gefallen in Paris?«, frage ich Wampi. »Nicht die Bohne! Keinen Schwanz!«, mault er. (20; vgl. auch 47 u. 59)

A UTORVERSIONEN L UXEMBURGISCH -D EUTSCH IN DER L UXEMBURGER K INDERLITERATUR D’Isabelle sëtzt op hirem Aarm a wibbelt net. Awer hatt laacht mir heemlech. An dréckt mir souguer en A zou! (27)

Lues a lues fannen ech et richteg spannend, an engem Kanéngerchersställchen ze wunnen (87). »Dat ass dach e Gaassendéier!« reegt mäi Papp sech op. »Wie weess, wou dee Sténkert sech schon iwwerall erëmgedriwwen huet! Vläit schléift dee Kueder am Dreckskiwwel! E facht op alle Fall, wéi wann e vum Tipp kéim!«

Dat ass Kabes. De Mario sténkt iwwerhaapt net. (106) Dat fäärt den Här Proffy wéi d’Feier. (46) Appartementskaze kréien e Fuerz an de Kapp. (117) Elo verkrauchs dedech anzwousch, wou deng Giraff garantéiert d’Schlappe ver léiert. (58)

Isabella sitzt auf ihrem Arm und regt sich nicht. Aber sie lacht mir heimlich zu. Und drückt mir sogar ein Auge zu! (25) Langsam finde ich es echt spannend, in einem Kaninchenstall zu wohnen (79). »Das ist doch einer aus der Gosse!« regt sich mein Vater auf. »Wer weiß, wo sich dieses Stinktier schon überall rumgetrieben hat! Vielleicht pennt dieser Kater in der Mülltonne! Er stinkt jedenfalls, als käme er von der Müllkippe!« Das ist Quatsch. Mario stinkt überhaupt nicht. (97) Davor hat Herr Proffy fürchterliche Angst. (43) Wohnungskatzen haben bald einen Riss in der Schreibe. (106) Jetzt verkriechst du dich irgendwo, wo deine Giraffe todsicher nicht hin kann. (54)

2. Konnotativer Wortgebrauch: Nähesprachlich wirkt in der luxemburgischen Version auch der Gebrauch von Wörtern, die stark konnotiert sind. Unter Konnotation bzw. konnotativer Bedeutung eines Wortes versteht man alles, was bei einem Wort über den begrifflichen Kern hinaus »mitbedeutet« wird, d.h. alle assoziativen, emotionalen, wertenden oder stilistischen Bedeutungsaspekte. Konnotationen können usuell oder okkasionell bestimmt werden. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass in der luxemburgischen Version die Verwendung konnotativ markierter Wörter dominiert. Es lassen sich unterschiedliche Konnotationen feststellen:

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a.) Konnotativer Wortgebrauch, der sich auf den sozial markierten Stilwert eines Wortes bezieht: »Eng Helikopterblumm ass eng wielech Pissblumm.« (46; »Eine Helikopterblume ist eine vollreife Löwenzahnblüte.« [43]). Mit »Pissblumm« und »Löwenzahnblüte« wird die gleiche Pflanze denotiert, beide Wörter unterscheiden sich jedoch durch ihre stilistische Markierung. Während Pissblumm eher als unfein, anstößig oder derb markiert ist, wird der Gebrauch von »Löwenzahnblüte« eher als gewählt oder vornehm – vielleicht sogar literarisch angesehen. Löwenzahn wird in deutschen Mundartwörterbüchern wegen seiner harntreibenden Wirkung als »Bettsoicher« (schwäbisch), »Bettpisser« und »Bettsäächer« bezeichnet, »pissen« in standardsprachlichen Wörterbüchern dagegen stilistisch als »derb« (Wahrig-Burfeind. Großwörterbuch DaF 2008: 782) oder »vulgär« (Langescheidt. Großwörterbuch DaF 2003: 786) gekennzeichnet. Auch im Luxemburgischen gibt es für »Pissblumm« alternative Synonyme, z.B. das vielleicht standardsprachlichere »Bettseechesch« oder die positiver konnotierten »Beieblumm«, »Beiestack«, »Ketteblumm« oder »Kettestack«. b.) Konventionalisierte Konnotationen, die im Wörterbuch festgeschrieben sind: »Meng Bake glousen a meng Ae bäissen a mäin Hals pëffert a meng Ouere si geschwollen a meng Nues ass bannendra wéi e réie Bifdeck …« (66; »Meine Wangen glühen und meine Augen beißen und mein Hals schmerzt und meine Ohren sind geschwollen und meine Nase ist innen wie ein rohes Steak …« [61]). »Backe« und »Wange« sind im Deutschen synonym, im Luxemburgischen existiert nur »Bak«. Während in deutschen Wörterbüchern »Backe« als standardsprachlich gilt, wird »Wange« dagegen als »gehoben« (Duden-Universalwörterbuch 2001: 1774), »poetisch« (»die Röte steigt ihm in die Wangen«; Wahrig 2006: 1628) oder »geschrieben« (Langenscheidt. Großwörterbuch DaF 2003: 1160) konnotiert. Die Verwendung von »Wange« statt »Backe« wirkt in der deutschen Version daher eher distanzsprachlich. c.) Konventionalisierte Wertungen, die Bestandteil der lexikalischen Bedeutung sind: »Ech si Béibizitta bei engem Däiwelskand«, son ech. »Ela hal awer op! son déi zwee Männer erféiert. Dach, ’t ass wouer« son ech. »D’Madamm Proffy seet emmer: Eist Susi ass en Däiwelskand. Dat mecht eis nach alleguer geckeg. An et huet eréischt dräi Joer.« »An du muss op sou eng rosen Nuddel oppassen?« wonnert sech de Panzi. (12) »Ich bin Babyzitta bei einem Satansbraten«, sage ich. »Jetzt hör aber auf!«, sagen die beiden Männer erschrocken. »Doch, es ist wahr«, sage ich. »Frau Proffy sagt immer: Unsere Susi ist ein Satansbraten. Die macht uns noch alle verrückt. Und sie ist erst drei Jahre alt.« »Und du musst auf so ein wüstes Luder aufpassen?« wundert sich Wampi. (12)

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»Rosen Nudel« in der luxemburgischen Version wird in der deutschen mit »wüstes Luder« wiedergegeben. »Nudel« wird im Deutschen umgangssprachlich in einer Nebenbedeutung gebraucht zur Bezeichnung für eine »(weibliche) Person, die der Sprecher [wohlwollend od. spöttisch] in einer bestimmten Verhaltensweise o.Ä. charakterisiert: eine ulkige N.« (Duden-Universalwörterbuch 2001: 1148). Daher wird »Nudel« in dieser Nebenbedeutung auch meist durch ein Adjektivattribut erweitert (z.B. dicke, dumme, freche, lustige, komische, ulkige Nudel). Diesem Wortgebrauch entspricht auch »rosen Nuddel« in der Luxemurger Version: Bezeichnet wird ein kleines, lebhaftes, quirliges Mädchen, das sich eigentlich ganz normal verhält, von seiner affektierten Mutter aber als »Däiwelskind« verunglimpft wird, weil es beispielsweise seiner Mutter mit einem schokoladenverschmierten Mund einen Kuss gibt und dadurch das »Méik App« der Mutter zerstört (»Da flucht seng Mamm: Deebaakel! Deebaakel! Elo ass mäi ganze Méik App nees futsch! An ech hunn zwou Stonne gebraucht, fir mäi schéine Méik App fäerdeg ze kréien! Nän, wat en Däiwelskand!« (13). Die Verwendung von »Luder« evoziert dagegen ganz andere Konnotationen, die lexikalisiert sind: »Luder« wird als Schimpfwort in der Regel negativ verwendet zur Bezeichnung einer weiblichen, in der Regel erwachsene Person, »die als durchtrieben, böse angesehen wird« (Duden-Universalwörterbuch 2001: 1033). »Luder« wird daher gewöhnlich negativ attribuiert (z.B. unverschämt, kokett, frech, dumm, gemein, falsch oder wie hier: wüst). Mit der Verwendung von wüstes Luder wird in der deutschen Version stilistisch überzeichnet und überzogen. Ähnlich verhält es sich mit dem Wortpaar »Bëtschel« (138) und »Zicke« (125). d.) Im Vergleich zur deutschen Version enthält die Luxemburger Version oft Wörter, die im Luxemburgischen einen konnotativen Mehrwert besitzen und durch das Mitgemeinte nähersprachlicher wirken. Die deutschen Entsprechungn wirken dagegen weniger konnotativ, eher distanzsprachlich oder evozieren andere Nebenbedeutungen: Bal véier Stonne laang huet hie ferm 12 geschnaarcht […]. (35) Fast vier Stunden lang hat er eifrig geschnarcht […]. (32) D’Tatta Tilli weist dem Susi en Zoppeläffel. Si freet: »Susi, wat hunn ech hei am Grapp?« 13 Tante Tilli zeigt Susi einen Suppenlöffel. Sie fragt: »Susi, was hab ich hier in der Hand?«

12 | Kräftig, fest, laut schnarchen; »eifrig« wirkt zu blass und konturlos 13 | »Grapp« und »Hand« sind auch im Luxemburgischen synonym, werden aber unterschiedlich gebraucht: Während »Hand« eher ein Körperteil meint (»e Kand mat der Hand huelen«), wird »Grapp« figürlicher gebraucht: man sieht gewissermaßen eine gekrümmte oder hohle Hand, mit der man zugreift (»e Grapp voll Kiischten«).

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P ETER K ÜHN Wann d’Sonn ferm dréckt, 14 setzt hie sech op säi Stull ënnert dem Bauch vun der Giraff a liest am Schiet seng Zeidung (43f.). Wenn die Sonne zu stark brennt, setzt er sich auf seinen Stuhl unter den Bauch der Giraffe und liest im Schatten seine Zeitung. Wupps! Frësst dem Panzi seng Giraff dem Dokter säi Gummibam an dem Dokter säin Tulpebukki an dem Dokter seng siwe Geraniestäck a stéisst mat der Schnëss d’Fenster op a rappt och nach dem Dokter seng Wäiriewe vun der Fassad a maufelt 15 säi ganzen Efeu, e gréngen Teppech sou grouss wéi e Schoulhaff […]. (51) Wupps! Frisst Wampis Giraffe den Philodendron vom Kinderdoktor und den Tulpenstrauß vom Doktor und die Geranienpflanzen vom Doktor und stößt mit dem Maul das Fenster auf und reißt auch noch die Weinreben vom Doktor von der Fassade runter und vertilgt seinen ganzen Efeu, einen grünen Teppich so groß wie ein Schulhof […]. (47) »Mäi léift Kätt!« seet de Panzi. »Nebenwirkungen? Déi maache mech nach mëll, 16 déi verfluchten Nebenwirkungen!« (63) »Meine liebe Bett!«, sagt Wampi. »Nebenwirkungen? Die machen mich noch verrückt, diese verfluchten Nebenwirkungen!« (59) Am léifsten hunn ech de Rosch. Well mam Rosch ginn ech samschdes mëttes an de Bulli 17 spillen. (82) Am liebsten mag ich Rosch. Denn mit Rosch spiele ich am Samstagnachmittag im Schlamm. (74)

14 | Wenn die Sonne brennt, dann scheint sie sehr stark, dann ist es sehr heiß. Wenn die Sonne drückt, dann spürt man stärker eine Belastung; drücken ist eher unangenehm, ungemütlich usw. 15 | Die lexikalische Bedeutung von »vertilgen» umfasst zwar den Aspekt des Vielessens, »maufelen« ist jedoch zusätzlich plastischer und figürlicher: Man sieht jemanden mit vollen Backen kauen; wenn man maufelt, schmeckt einem das Essen besonders gut. 16 | Das Adjektiv »verrückt« ist geschrieben sprachlich neutral, »mëll« wird dagegen metaphorisch gebraucht: Jemand der »mëll« ist, ist vergleichbar mit weicher Butter (»de Botter as esou mëll wéi Schass«), er ist völlig mitgenommen, zermürbt, für nichts mehr zu gebrauchen 17 | »Schlamm« und »Bulli« sind zwar synonym, aber an den gängigen Kollokationen erkennt man schon die Verwendungsbesonderheiten: Der Schlamm wird aufgewühlt, man steckt bis zu den Knöcheln im Schlamm, man kann im Schlamm waten, im Schlamm versinken oder stecken bleiben. Kinder spielen nicht im Schlamm, sondern im Dreck, Matsch oder »Bulli« (»d’Kanner hu Männercher am Bulli [am Dreck] gebak«).

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3. Lexikalisierte Sprachbilder: Die Nähesprachlichkeit der Luxemburger Version gegenüber der deutschen zeigt sich besonders auch in den Sprachbildern. Über die lexikalisierten Wortbedeutungen werden unterschiedliche Sprachbilder evoziert. Die Sprachbilder sind in der Luxemburger Version reichhaltiger und farbiger, in der deutschen Version wird eher neutral »nach der Schrift geredet«: Am Summer mecht den Här Proffy all Samschdeg eng Grillparty a sengem Gaart. Ech däerf nokucken, wéi ee Wirschtchen nom anere platzt um Grill. Pätsch! Geet et, an de Wirschtche strutzt wéi eng Stränz. (46) Im Sommer gibt’s bei Herrn Proffy im Garten jeden Samstag eine Grillparty. Ich darf zuschauen, wie ein Würtschen nach dem anderen auf dem Grill platzt. Pätsch! Macht’s und das Würstchen rinnt wie eine lecke Gießkanne. (43)

Das Verb »stränzen/strenzen« ist im Gegensatz zu »gießen« in seiner lexikalisierten Bedeutung motivierter und bildhafter: »in einem (starken) Strahl hervorspritzen« (Luxemburger Wörterbuch IV/1975: 298). Ähnlich bildhaft sind »schnëssen« gegenüber »plaudern«, »schwätzen« (11) gegenüber »reden«, »baupsen«18 gegenüber »sticheln», »wibbelen« (135) gegenüber »zittern« (122), »dämpen« (15) gegenüber »rauchen» (15), »Fixfeieschkëschten« (129) gegenüber »Streichholzschachteln« (116), »Bëtschel« (138) gegenüber »Zicke« (125), »Schësser« (105) gegenüber »Durchfall« (96), »Streckeisen« (130) gegenüber »Bügeleisen« (117), »Patt« (129) gegenüber »Pfote« (116), »Kaméidi« (145) gegenüber »Lärm« (129), »Plakkapp« (139) gegenüber »Glatze« (126), »Krappert« (134) gegenüber »Früchtchen« (121), »Flappert« oder »Flautes« (98 u. 58) gegenüber »Ungestüm« (54) – bis hin zu Phraseologismen wie »Duerch d’Bascht«19 gegenüber »Einfach weg!«, »aus dem Bett klëmmen« (18) gegenüber »aus dem Bett steigen« (18) oder Flüchen und Beschimpfungen: »Du krepéierte Lutebuttek!« (124) gegenüber »Du vermaledeiter Lampenladen!«20 (112) 4. Die Dominanz der Schriftsprache und Massenmedien hat im 19., besonders aber im 20. Jahrhundert, zu einer stärkeren Tendenz bestimmter Wortbildungsmuster geführt. Typisch sind z.B. ganz allgemein die Zunahme von Komposita gegenüber Einzelwörtern (Simplizia) sowie im Besonderen zwei- oder mehrgliederige Komposita. Besonders ausgeprägt ist zudem ein stärkerer Nominalstil: Handlungen, Vorgänge oder Zustände werden weniger über Verben und eher 18 | Baupsert M.: 1) »kurzer Anschlag eines Hundes«; 2) »Kläffer«; 3) übtr.: »Maulheld, belangloser Widersprecher« (Luxemburger Wörterbuch I/1950: 77). 19 | Bascht F. (Echt., Norden: Bars[ch]t M. wie im nhd. Borst): »durch Bersten entstandener Riß, Ritze« – z.B.: eng B. am Äis, Glas, Holz, Stän usw. – auch »Hautschrunde« (dermat.: rhagas) – B. am Huff (Hornkluft beim Pferd) – e mécht sech (en as) duurch d’B. (durchbrennen) (Luxemburger Wörterbuch I/1950: 72). 20 | Das Adjektiv »vermaledeit« gilt als schriftsprachlich und veraltet.

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über Infinitivkonstruktionen oder Nominalisierungen versprachlicht. Interessant ist, dass sich diese Tendenzen auch in den Autorversionen von Schallümmo zeigen: Die Luxemburger Version, die stärker an der gesprochenen Sprache orientiert ist und nähesprachlicher wirkt, wird stärker verbalisiert. Demgegenüber wirkt die deutsche Version distanzsprachlicher, weil Wortbildungsmuster verwendet werden, die eher an der Schriftsprachennorm angelehnt sind: a.) Wortbildungen ersetzen den Verbalausdruck (»de Kapp wéi huen« – »Kopfweh«), Adjektivattribute werden zu Wortbildungen komprimiert (»hëich Haiser« – »Hochhäuser«, »friem Wierder« – »Fremdwörter«) – selbst unter Inkaufnahme semantischer Differenzen: »Vläit huet hien ëmmer de Kapp wéi.« (81) »Vielleicht hat er ständig Kopfweh.« Virun dräi Wochen huet dem Bill säi Bop eppes Komesches erlieft. Well et gutt waarm war dobaussen, huet hien de ganzen Dag a sengem klenge Gaart tëscht den héijen Haiser geschafft. (35) Vor drei Wochen hat Bills Opa was Komisches erlebt. Weil’s schön warm war draußen, hat er den ganzen Tag in seinem kleinen Garten zwischen den Hochhäusern gearbeitet. (32) Lauter däer friemer Wierder huele s’an de Monn. (11) Lauter Fremdwörter nehmen sie in den Mund. (11)

In diesen Kontext passt auch die distanzierte Erzählhaltung an einigen Stellen der deutschen Version: Eine unpersönliche Formulierung (»Es gibt …«) ersetzt die Nennung von Agens und Handlung (»Här Proffy mecht …«): Am Summer mecht den Här Proffy all Samschdeg eng Grillparty a sengem Gaart. (46) Im Sommer gibt’s bei Herrn Proffy im Garten jeden Samstag eine Grillparty. (43)

b.) Verbalausdrücke werden nominalisiert: Ech hëllefen dir piipsen (77) Ich helfe beim Piepsen (70)

c.) Tendenz zu mehrgliedrigen Komposita (»d’Kueleglous« – »Holzkohlenglut«): Déi wäiss Helikoptere fale wéi Polverschnéi an d’Kueleglous. (49)

A UTORVERSIONEN L UXEMBURGISCH -D EUTSCH IN DER L UXEMBURGER K INDERLITERATUR Die weißen Helikopter fallen wie Pulverschnee in die Holzkohlenglut. (45)

Die schriftsprachliche Norm verlangt den präzisen Ausdruck, den man in der »Sprachnot« des mündlichen Gesprächs vielleicht so schnell nicht findet. Man versucht das gesprochene Wort zu vermeiden und fördert durch den präzisen Ausdruck eine Distanzhaltung, die in der Mündlichkeit nicht notwendig ist. 5. Grammatische und syntaktische Mittel nähesprachlicher Kommunikation: Auch im Bereich von Grammatik und Syntax zeigt sich eine zunehmende Verschiebung schriftsprachlicher Normen auf die gesprochene Sprache. Dies kann zu einer schöngeistigen Distanzierung von der Alltagswelt und den Alltagsbeziehungen führen. a.) Rückgang von Grundverben zugunsten von Verben mit stärkerer semantischer Genauigkeit: Ni deet hien d’Kap aus. (81) Nie nimmt er seine Mütze ab. (73) Ob de Rosch rechent oder mollt oder schreift, ni hëlt hien d’Kap vum Kapp. (81) Ob Rosch rechnet oder malt oder schreibt, nie nimmt er die Mütze vom Kopf. (73)

Der Gebrauch von Grundverben (z.B. sein, haben, tun, holen, machen, brauchen, werden usw.) wird zurückgedrängt und durch semantisch präzisere Verben ersetzt. Die Vagheit und Unschärfe des verbalen Ausdrucks ist typisch für die Mündlichkeit und nur auf Grund des andersartigen Kontextbezugs schriftlicher Äußerungen notwendig: b.) Konsequente Klammerbildung statt sprechsprachliche Topikalisierung: Die Umklammerung als schriftsprachliches Vorbild wird auch für die gesprochene Sprache zur Norm erhoben, z.B. Verbendstellung im konjunktionalen Nebensatz (1.), in modal-verbalen Prädikaten (2.) oder Endstellung des Verbzusatzes bei Partikelverben (3.): 1. Ech däerf nokucken, wéi ee Wirschtchen nom anere platzt um Grill. (46) Ich darf zuschauen, wie ein Würstchen nach dem anderen auf dem Grill platzt. (72) 2. A seng laang Been hätt ech missen erofschrauwen! (93) Und ihre langen Beine hätte ich abschrauben müssen. (84) 3. Dann ass d’Zuleima him mat senger laanger Zong hannen zum Hiem eragefuer. (94) Dann fuhr ihm Zuleima mit ihrer langen Zunge hinten zum Hemd rein. (84)

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Topikalisierungsmöglichkeiten, die im Mündlichen durch Wort- oder Satzgliedumstellung möglich und üblich sind, können somit nicht mehr ausgedrückt werden. c.) Possessivkonstruktionen: Präpositionalkonstruktionen und vorangestellter Genitiv statt possessiver Dativ: Dativ-Possessivkonstruktionen werden ausschließlich mündlich verwendet (vgl. Zifonun 2003). Die Konstruktion besteht aus einer Konstituente im Dativ, die den Besitzer (Possessor) bezeichnet, und einem Possessivpronomen, das einem Nomen vorangeht. Dieses Nomen bezeichnet das Besessene (Possessum): Déi wäiss Helikoptere bleiwen hänken um Här Dellamella sengem Schnauz. (48) Die weißen Helikopter haften am Schnurrbart von Herrn Dellamella. (45) Wupps! Frësst dem Panzi seng Giraff dem Dokter säi Gummibam, an dem Dokter säin Tulpebukki an dem Dokter seng siwe Geraniestäck […] a rappt och nach dem Dokter seng Wäiriewe vun der Fassad […]. (51) Wupps! Frisst Wampis Giraffe den Philodendron vom Kinderdoktor und den Tulpenstrauß vom Doktor und die Geranienpflanzen vom Doktor […] und reißt auch noch die Weinreben vom Doktor von der Fassade […]. (47)

Im geschriebenen Deutsch ist der possessive Dativ verpönt (vgl. Fleischer 2010: 97). Gegenüber den standardsprachlichen Konkurrenzformen (Präpositionalkonstruktionen: »am Schnurrbart von Herrn Dellamella« oder vorangestellte Genitive: »Wampis Giraffe«) wird der Verwendung des possessiven Dativs eine intensivierende und verstärkende Funktion zugeschrieben (vgl. Weiß 2008: 392). Historisch spricht viel für den Hinweis von Jürg Fleischer (2010: 98), dass der possessive Dativ als mundartliche Alternative zum possessiven Genitiv im allgemeinen Genitivschwund der Dialekte zu erklären ist. Gisela Zifonun (2003: 123) weist dabei darauf hin, dass der possessive Dativ »ein referentieller Anker« darstelle, der im Besonderen die Identifikation mit dem Gemeinten herstelle. Diese Funktion ist auch in den Beispielen der Luxemburger Version vorherrschend: In den meisten Fällen referiert der Erzähler mit dem possessiven Dativ auf ein Besitzverhältnis, dass vorweg erläutert wurde. So wird beispielsweise im folgenden Beispiel zunächst das Verhältnis zwischen Panzi und seiner Giraff näher erläutert. Es wird geschildert, wie Panzi zu seiner Giraffe gekommen ist; anschließend wird an verschiedenen Stellen immer wieder auf dem Panzi seng Giraff referiert. De Panzi hat Pech. Hien huet an der Tombola eng Giraff gewonn. Eng richtig. Et war den éischte Präis. »Bravo!« sot de Mann vunn der Tombola. »ech gratuléiren. Dir hutt d’grousst Lous gezunn. Et ass eng Giraff. Nach eng Kéier: Bravo!«

A UTORVERSIONEN L UXEMBURGISCH -D EUTSCH IN DER L UXEMBURGER K INDERLITERATUR »Aha! Sou e léift Déierchen aus Plüsch!« huet de Panzi gelaacht. »Dat kënnt elo grad gutt. Dat schenken ech dem Susi fir säi véierte Gebuertsdag.« Do hat hie sech awer schéi geschnidden. Et war keen Déierchen aus Plüsch, mee e risegt Déier aus Fleesch a Blutt. Siwe Meter héich ass dem Panzi seng Giraff.

Dieses besondere Besitzverhältnis wird durch den possessiven Dativ – anders als bei den standardsprachlichen Konkurrenzformen – erzähltechnisch besonders unterstrichen und in Szene gesetzt.21

5. Nähesprache und Sprachkreativität Die Luxemburger Version von Schallümmo zeichnet sich gegenüber der deutschen nicht nur durch die genannten Nähemerkmale aus. Auffällig ist auch die sprachliche Kreativität, mit der Guy Rewenig in der Luxemburger Version eine besondere Nähe und Lebendigkeit der Darstellung erreicht. Hierzu einige Einzelbeobachtungen: 1. Wortneubildungen fördern in der Luxemburger Version die Anschaulichkeit und Unmittelbarkeit, z.B. deverbalisierte Substantive: Zu Verben werden teilweise nicht lexikalisierte Substantive gebildet, die in der Dreiergruppierung das nervöse Zappeln der kleinen Isabelle onomatopoetisch zum Ausdruck bringen: zu »wibbeln eng Wibbelesch«, zu »krabbeln eng Krabbelesch«, zu »juppen« das lexikalisierte »Juppelesch«. Die Übertragungen der deutschen Autorversion wirken dagegen gekünstelt und weniger anschaulich und plastisch: ein Zappelgretchen! Eine Krabbelmarie! Eine Wipplotti! (24) Hatt ass wéi all Béibi. Hatt wibbelt gär, krabbelt gär, juppelt gär; […]. Well dat Bëtschel zu mir sot, mäin Isabelle wär eng Wibbelesch! Eng Krabbelesch! Eng Juppelesch. (24f.) Sie ist wie alle Babys. Sie regt sich gern, krabbelt gern, wippt gern; […]. Weil diese Zicke zu mir sagte, meine Isabella sei ein Zappelgretchen! Eine Krabbelmarie! Eine Wipplotti! (23f.)

2. Alliterationen oder Reime wirken in der Luxemburger Version intensivierend und beschwörend: Den Här Proffy pëtzt a piddelt. (49) Herr Proffy fingert und stochert. (45) 21 | In einem anderen Beispiel wird mit dem possessiven Dativ zu Beginn eines Kapitels auf das gesamte vorherige Kapitel wieder referiert: »Iwerall soe se: Dem Pino säi Papp huet eng Schrauw lass« (100).

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P ETER K ÜHN Pang! Pecht de Paangech um Plafong! (97) Pang! Klebt der Pfannkuchen an der Küchendecke! (88) »Si wëllt näischt ze don hu mat dene ruckelzegen, rëffegen, lidderege Kazen, déi de ganzen Dag am Kanalrouer oder am Kulang hänken.« (110) »Sie hat nichts am Hut mit diesen abscheulichen, dreckigen, stinkfaulen Katzen, die tagelang nur in Kanalrohren oder in Dachrinnen herumlungern.« (100)

3. Ad-hoc-Komposita evozieren Bilder und schaffen Charme: In der Geschichte De Rosch am Bulli (81ff.) bzw. Rosch im Schlamm (Seite 73) beschreibt die IchErzählerin (Kätt) ihr besonderes Verhältnis zu Rosch, einem scheinbar merkwürdigen Jungen, der ständig eine Mütze trägt – in der Freizeit, in der Schule und selbst im Turnunterricht. Besonders Spaß hat Kätt mit Rosch, wenn sie zusammen im »Bulli« (Schlamm) spielen: Der Leser kann sich nur über die Luxemburger Version so richtig in das Gefühl und die Stimmung der beiden Kinder und die Szenerie hineinversetzen. Die deutsche Version wird dagegen nüchtern und unpersönlich: Luxemburgische Version

Deutsche Version

Am léifsten hunn ech de Rosch. Well mam Rosch ginn ech smschdes mëttes an de Bulli spillen. Mir hunn eng wonnerbar Bulliskaul entdeckt. En halwe Meter héich steet de Bulli an engem risege Baggerlach matzen an der Stad. »Héi gëtt eng Kéier e risegt Haus mat fofzéng Stäck gebaut«, seet de Rosch. Awer samschdes mëttes ass wäit a breet nëmme Bulli. […]

Am liebsten mag ich Rosch. Denn mit Rosch spiele ich am Samstagnachmittag im Schlamm. Wir haben eine wunderbare Schlammpfütze entdeckt. Einen halben Meter hoch steht der Schlamm in einem riesigen Baggerloch mitten in der Stadt. »Hier wird einmal ein riesiges Haus mit fünfzehn Stockwerken gebaut«, sagt Roch. Aber am Samstagnachmittag ist weit und breit nur Schlamm. […]

Mir sprangen an de Bulli. De Rosch rëtscht an dee mëlle Bräi. Ech reiwe mech mat Bulliscrème an. De Rosch tässelt sech Bullisknuppen op d’Schëlleren. Ech stieche mir Bullisflaatschen an d’Täsch. De Rosch sprëtzt sech Bullisflacken an d’Gesiicht. Ech schéisse mat Bullisbomben op d’Fligeren iwwert der Stad. Mir laache wéi geckeg. […]

Wir springen in den Schlamm. Rosch rutscht in den weichen braunen Brei. Ich reibe mich ein mit Schlammpaste. Rosch stapelt sich Schlammkugeln auf die Schultern. Ich stecke mir Schlammfladen in die Taschen. Rosch sprüht sich Schlammflocken ins Gesicht. Ich werfe mit Schlammbomben nach den Flugzeugen über der Stadt. Wir lachen uns kaputt. […]

A UTORVERSIONEN L UXEMBURGISCH -D EUTSCH IN DER L UXEMBURGER K INDERLITERATUR Ech mengen, ech kafe mir och eng grouss, karéiert Kap mat Ouereklappen. Da brauch ech net ëmmer samschdes owes stoonelaang d’Bullisknippercher aus mengen Hoer ze wäschen. (81f.)

Ich glaube, ich kauf mir auch eine große, karierte Mütze mit Ohrenklappen. Dann muss ich nicht immer am Samstagabend stundenlang die Schlammkügelchen aus meinen Haaren waschen. (75f.)

Es ist in diesem Textausschnitt vor allem der kreative Umgang mit der Wortbildung, die Ad-hoc-Komposita mit »Bulli-«, die den Charme, die Bildlichkeit, die Unmittelbarkeit und Intimität der Szene in der Luxemburger Version ausmachen: »im Bulli spillen« – »im Schlamm spielen«, »Bulliskaul« – »Schlampfütze«, »Bulliscrème« – »Schlammpaste«, »Bullisknuppen« – »Schlammkugeln«, »Bullisflaatschen«  – »Schlammfladen«, »Bullisflacken«  – »Schlammflocken«, »Bullisbomben« – »Schlammbomben«, »Bullisknippercher« – »Schlammkügelchen«. Ähnlich kreativ ist die Luxemburger Version auch in den liebevoll gemeinten Bezeichnungen für die dreijährige Susi (12): »Mammekënni«22  – »Muttersöhnchen«,23 »Boxeschësser«24  – »Hosenscheißerle«, »Kutschendäbbes«25  – »Kinderwagenpilot«, »Wendelstrullert«  – »Windelkacker«, »Suckellutsch«  – »Schnullerlutscher«, »Faschtekulles«  – »Pupskanone«, Spruddelmäulchen«, »Sprudelmäulchen«, »Bläärzatzi« – »Plärrzatzi«, »Däwelskand« – »Satansbraten«. 4. Phraseologische Vergleiche fördern die Anschaulichkeit und Bildlichkeit der Aussagen: Phraseologischen Vergleichen wird in der Literatur ganz allgemein eine intensivierende oder spezifizierende Funktion zugesprochen. Sie verleihen einer Aussage einen höheren Grad an Expressivität oder Genauigkeit. Die in Schallümmo vorkommenden Vergleiche sind zahlreich. Zu unterscheiden sind dabei lexikalisierte (»An d’Kutsch wackelt wéi e Kouschwanz« [25]) und okkasionelle (»sou grouss wéi en Autospnö« [97]) phraseologische Vergleiche. Da die phraseologischen Vergleiche der Luxemburger Version in die deutsche übertragen werden, könnte man geneigt sein anzunehmen, dass auch die deutschen Übertragungen Anschaulichkeit und Bildlichkeit förderten. Dies ist allerdings häufig nicht der Fall, da die Benennung des Vergleichsmaßes (Komparatum: wie X) in den phraseologischen Vergleichen des Luxemburgischen oft andere, teils konkretere Konnotationsspielräume und Assoziationen eröffnen 22 | »Kënni« oder »Kinni« ist diminuitiv und positiv konnotiert. 23 | »Muttersöhnchen» wird in deutschen Wörterbüchern mit abwertender Funktion gekennzeichnet (Duden-Universalwörterbuch 2001: 1111), in der Bedeutung ›verwöhnter, unselbständiger Junge‹ gebraucht. 24 | Liebkosend gemeint: »Du bas dem Bopa säi Boxeschësserchen«. 25 | »Däbbes(chen)« und »Dibbeschen« sind positiv konnotiert; »Kinderwagenpilot« wirkt rein sachlich.

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(z.B. e u. f). Häufig wirken die phraseologischen Vergleiche in der deutschen Version weniger bildlich (z.B. a u. f), die Vergleiche sind anders konzeptionalisiert (z.B. b, f u. g) oder in der deutschen Version wird ganz auf einen phraseologischen Vergleich verzichtet (z.B. b u. d): Luxemburgische Version

Deutsche Version

a) war hie rose wéi eng gestëppelt Harespel (21) b) Elo vernennen déi zwee sech gläich wéi d’Buuschtebënner. (40) c) an de Wirschtche strutzt wéi eng Stränz (46) d) Lues a lues (87) e) mäi Kapp brennt wéi e Brikettenuewen (68) f) mäin Hals ass sou rout wéi Hambierbulli (66) g) Déi arem Déiercher sinn sou gouereg wéi Spéngelen. (98)

a) war er wütend wie eine wilde Hornisse (20) b) Gleich beschimpfen sich die beiden ganz wüst. (36) 26 c) und das Würstchen rinnt wie eine lecke Gießkanne (43) d) Langsam (79) e) mein Kopf brennt wie ein Kohleofen (62) f) mein Hals ist so rot wie Himbeersaft (61) g) Diese armen Tierchen sind so mager wie Nähnadeln. (89)

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5. Eigenständige Metaphorisierungen fördern Anschaulichkeit: Ähnlich nähekommunikativ wie die phraseologischen Vergleiche wirkt der metaphorische Sprachgebrauch in der Luxemburger Version: An d’Zindi téint, de Rosch wär engKéier mam Kapp widdert een Eisepotto gerannt. Vunn do un hätt hien eng déck, blo Knupp op der Bëls. (82) Und Zindi tönt, Rosch wäre einmal mit dem Kopf gegen einen Eisenmast geprallt. Seither hätte er eine dicke, blaue Beule auf dem Kopf. (73) Schëtt mir dach elo keen Terpetäin iwwert d’Kalbass! (29) Schütte mir doch kein Terpentinöl über den Kopf! (27)

In beiden Beispielen wird in der deutschen Version das neutrale standardsprachliche »Kopf« verwendet. Die Luxemburger Version ist viel bildhafter: Im ersten Beispiel wird der Kopf als Beule oder Geschwulst metaphorisiert, da sich die Mitschüler über Rosch lustig machen, er sei aus Dummheit gegen einen Eisenmast geprallt und seither sei sein Kopf wie eine Beule oder ein Geschwulst

26 | Im Deutschen steht dabei durchaus ein phraseologischer Vergleich zur Verfügung: »schimpfen«, »fluchen«, »streiten», »zanken wie die Kesselflicker«.

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deformiert. Im zweiten Beispiel bezeichnet »dem Susi sain Papp« seinen Kopf selbstironisch als »Kürbis«. Viele Wortbedeutungen in der Luxemburger Version sind motivierter und konkreter als in der deutschen: Ech mengen, déi hunn d’Nullen sou gär wéí ech d’Marzipansknippercher. (69) Ich glaube, die mögen die Nullen so sehr wie ich die Marzipantrüffel. (62)

Knippercher, Knipperchen oder Knippchen sind Diminutiva zu Knupp. Knupp ist eine kleine Anhöhe. In der bildlichen Bedeutung werden Knippercher, Knipperchen oder Knippchen zur Bezeichnung von kleinen Naschereien in kopfoder kugelartiger Form verwendet (vgl. Luxemburger Wörterbuch II/1955: 407, 412 u. 415).

6. Fazit Die Luxemburger Erstversion von Schallümmo wirkt nähesprachlicher, lebendiger und anschaulicher, die deutsche Zweitversion dagegen distanzsprachlicher, steifer und papierner. Es wäre jedoch zu einfach, dies allein mit dem Merkmal der Mündlichkeit, das dem Luxemburgischen stereotyp zugeschrieben wird, zu begründen. Peter Gilles (2011: 50ff.) kritisiert zu Recht, dass in der bisherigen Forschung der mündliche, alltägliche Sprachgebrauch des Luxemburgischen immer der explizite oder implizite Bezugspunkt gewesen ist, wenn von »Luxemburgisch« die Rede ist. Der Sprachgebrauch im Deutschen, Französischen und Luxemburgischen muss aber auf einer Skala von der konzeptionellen Mündlichkeit bis zur konzeptionellen Schriftlichkeit hin angeordnet werden. Am äußeren Pol der konzeptionellen Mündlichkeit ist im Bereich der Alltagskommunikation das Luxemburgische anzusiedeln. Peter Gilles weist darauf hin, dass sich auch formellere Register im Luxemburgischen realisieren lassen. Die hier analysierten Kindergeschichten von Guy Rewenig weisen in Bezug auf die konzeptionelle Mündlichkeit des Luxemburgischen typische Merkmale der Nähekommunikation auf: lexikalische, wortbildungsmorphologische, phraseologische und grammatisch-syntaktische. Die deutschen Zweitversionen der Kindergeschichten sind dagegen durch eine deutliche Distanzsprache geprägt. Sie weisen im Vergleich zu ihren luxemburgischen Entsprechungen eher distanzsprachliche Merkmale auf und müssen daher stärker in Richtung konzeptionelle Schriftlichkeit angesiedelt werden.

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Le rubriquage des quotidiens luxembourgeois d’expression française dans un contexte de trilinguisme Aurélie Haismann Abstract Die Situation Luxemburgs zwischen romanischen und deutschsprachigen Ländern, macht die Sprachsituation in diesem Land zu einer ganz besonderen. Sie beeinflusst die großherzogliche Medienlandschaft, die zuerst deutschsprachig war, sich aber seit Anfang des dritten Jahrtausends den französisch-sprachigen Tageszeitungen zugewendet hat. Das Informationsmaterial der einzelnen Rubriken bietet auf Anhieb ein bevorzugtes Observatorium der Presse. Die Zielsetzung dieses Beitrags besteht darin, den Wert dieser Gliederungen mit Rücksicht auf die Identitätsmedieneinsätze zu untersuchen. Nachdem wir die Rubriken und ihre Hauptfunktionen (1.) definiert haben, werden wir das Prüfverfahren unseres Corpus vorstellen, welches zusammengestellt wird mit den Titelblättern der Tageszeitungen (2.) La Voix du Luxembourg, Le Quotidien und L’essentiel über den Zeitraum einer Woche. Diese Forschung wird sich in erster Linie auf die verschiedene Eigenschaften unseres Corpus beziehen, um danach in Verbindung mit dem Typ von Gliederung gesetzt zu werden, die durch jede Zeitung bevorzugt wurde. Aus diesen Kriterien resultieren folglich unsere Versuche einer Klassifizierung der gedruckten großherzoglichen französischen Tageszeitungen (3.). À la croisée des mondes roman et germanique, le Grand-Duché de Luxembourg se situe à la marge des autres pays européens en raison d’une particularité linguistique tout à fait remarquable. Cette composante influence le paysage médiatique grandducal historiquement germanophone, qui s’est étoffé, depuis le début du troisième millénaire, de quotidiens exclusivement francophones. Première mise en scène de la matière informationnelle, le rubriquage constitue un observatoire privilégié de cette presse. L’objectif de la présente contribution est d’examiner la valeur de la rubrique eu égard aux enjeux identitaires médiatiques. Après avoir défini la rubrique et ses fonctions principales (1.), nous présenterons la méthode d’analyse de notre corpus, qui sera constitué des Unes des quotidiens La Voix du Luxembourg, Le Quotidien et L’essentiel sur une période d’une semaine de parution (2.). L’étude portera en premier lieu sur les différentes caractéristiques de notre corpus, pour ensuite les mettre en rapport avec le type de rubrique privilégié par chaque journal; c’est en effet à partir de ces critères que découleront naturel-

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A URÉLIE H AISMANN lement les tentatives de classification de la presse écrite quotidienne francophone grand-ducale (3.).

1. La rubrique: élément de structuration 1.1 Naissance du rubriquage Emprunté au latin rubrica, qui signifie littéralement »terre rouge«, le mot »rubrique«1 définissait primitivement les titres des ouvrages de droit civil et de droit canonique écrits en rouge dans un espace typographique propre, en rupture visible avec le fond blanc des pages des manuscrits, avant de désigner les règles imprimées en rouge dans les livres liturgiques tels que le bréviaire ou le missel. Par extension, la rubrique est devenue le titre qui, dans les gazettes, indiquait la provenance et la date d’une information, puis la division de l’espace du journal dans laquelle est classée une information. Des chercheurs tels que Guéry (1997), reconnaissent Émile de Girardin comme l’inventeur du rubriquage. Celui-ci représente un des visages de la presse moderne, car il insuffle un vent de changement dès la création du journal La Presse en 1836 en y insérant des encarts publicitaires et en proposant aux lecteurs des romans feuilletons. Dans l’édition du 1er avril 1866 de La Liberté, Émile de Girardin innove encore une fois en divisant l’espace du journal en rubriques. À l’opposé, Mouillaud et Tétu (1989: 63) émettent un avis différent. Pour ces derniers, l’émergence de la rubrique est plus ancienne. Elle correspondrait à la date de parution de La Gazette Nationale ou Moniteur Universel, le 24 novembre 1789.

1.2 Définition de la rubrique Pour reprendre le proverbe détourné par Mouriquand (1997: 96), »dans la presse, l’habit fait le moine«. Tout journal est pourvu d’un important apparat péritextuel, dont l’étude met en lumière le prolongement entre les éléments qui le composent et le journal ou, à moindre échelle, l’article. L’habillage des quotidiens comporte deux opérations distinctes: la mise en page, qui, d’après Hoek, ne doit pas être confondue avec le péritexte, et la mise en forme: Tout volume comprend un texte et un paratexte, rendus visibles grâce à leur mise en page (typographie, impression), qui impose au volume sa forme matérielle. Le para-

1 | Définition tirée du dictionnaire Le Littré.

L E RUBRIQUAGE DES QUOTIDIENS LUXEMBOURGEOIS D ’ EXPRESSION FRANÇAISE texte est ce par quoi un texte prend sa forme communicatrice tandis que la mise en pages en assure la forme matérielle. (Hoek 1989: 3)

La complexité du dispositif médiatique, qui s’explique en partie par un accroissement des ressources informationnelles, se traduit par une forte influence de la mise en rubrique sur l’aire des pages du journal: La mise en rubrique constitue les références selon lesquelles les contenus peuvent se distribuer; ces références n’existent que dans la mesure où le journal lui-même les institue, les constitue comme références. […] C’est la mise en rubrique qui, la première, transforme les contenus de journal en réalité […]. (Mouillaud /Tétu 1983: 64s.)

Héritant de la distinction opérée par Genette (1987) à propos du paratexte2 ainsi que de la reconception linguistique opérée par Frandsen (1990) et Lane (1992) à sa suite, Adam adapte cette notion à la presse écrite. Dans son article intitulé Unités rédactionnelles et genres discursifs: cadre général pour une approche de la presse écrite (1997), il décompose l’appareil péritextuel journalistique comme suit: Ill. 1: Tableau proposé par Adam (1997: 5) Péritexte du journal

Péritexte de l’article Verbal

+ Icono-graphique

1. Nom du journal

3. Surtitre

8. Illustration

2. Indication de rubrique

4. Titre

9. Légende

5. Sous-titre (accroche) 6. Chapeau 7. Intertitre(s) Le péritexte journalistique est composé de l’ensemble des éléments rédactionnels et non rédactionnels du péritexte du journal (à composantes générale2 | Dans Seuils (1987: 8s.), Genette présente la terminologie, succinctement abordée dans Palimpsestes (1981): »Un élément de paratexte, si du moins il consiste en un message matérialisé, a nécessairement un emplacement que l’on peut situer par rappor t à celui du texte lui-même: autour du texte, dans l’espace du même volume, comme le titre ou la préface, et par fois inséré dans les interstices du texte, comme les titres de chapitres ou cer taines notes; j’appellerai péritexte cette première catégorie spatiale, cer tainement la plus typique […] autour du texte encore,

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ment régulières comme le nom du journal et les rubriques) et du péritexte de l’article (d’ordre verbal et iconographique). En prolongement de ces travaux, on peut définir la rubrique comme un sous-ensemble de variables typographiques (taille, police et corps des caractères d’imprimerie de la rubrique-titre) et topographiques (emplacement, surface occupée) généralement régulières, appartenant au péritexte du journal, dont la fonction principale est de regrouper les articles selon différents critères (géographique, thématique, etc.). La fragmentation de l’espace du journal qui en découle instaure une relative stabilité organisationnelle propice à l’acte de lecture. Les noms sans déterminant ni prédicat se prêtent par excellence à un tel emploi. Les exemples présentés ci-dessous illustrent les différentes combinaisons possibles pour le titre de la rubrique consacrée au sport. Ill. 2: Rubrique »Sports« dans L’essentiel (version e-paper)

Dans L’essentiel, le titre-rubrique sur fond blanc, qui est mis en valeur par un remplissage en »Moderate harlequin« des lettres qui le composent, est souligné par un liseré horizontal de la même nuance de vert. De gamme de corps deux fois supérieures à celle du texte, la signalétique »Sports« se caractérise par une police de type Benton sans-Bold-Identity H. Par un jeu de miroir, le titre, placé à l’extrémité gauche (selon la vision du lecteur), fait face aux numéros de page du début et de la fin de la section, inscrits en noir sur fond blanc. Ill. 3: Rubrique »Sport« dans Le Quotidien (version e-paper)

mais à une distance plus res pectueuse (ou plus prudente), tous les messages qui se situent, au moins à l’origine, à l’extérieur du livre: généralement sur un suppor t médiatique (inter views, entretiens), ou sous le couver t d’une communication privée (correspondance, journaux intimes, et autres). C’est cette deuxième catégorie que je baptise, faute de mieux, épitexte. […] Comme il doit désormais aller de soi, péritexte et épitexte se par tagent exhaustivement et sans reste le champ spatial du paratexte; autrement dit, pour les amateurs de formules, paratexte = péritexte + épitexte.«

L E RUBRIQUAGE DES QUOTIDIENS LUXEMBOURGEOIS D ’ EXPRESSION FRANÇAISE

Dans Le Quotidien, un épais bandeau de couleur »Moderate spring bud« qui se termine inférieurement à gauche en ligne courbe, contient le titre-rubrique blanc »Sport«, écrit en police TheSansExtraBold-Plain de caractères gras. Ill. 4: Rubrique »Sport et Loisir« dans La Voix du Luxembourg (version e-paper)

Dans La Voix, un épais bandeau de couleur »Moderate crimson«, qui contient le titre-rubrique blanc »Sport et Loisir«, écrit en police Frutiger-BlackCn de caractères gras, ainsi que les numéros de page du début et de la fin de la section, est souligné par un fin liseré d’une nuance de rouge »Grayish amaranth«. La démarcation donne à l’ensemble une forme de marche d’escalier à gauche. Ces jeux typographiques contribuent à mettre en valeur d’une manière singulière les rubriques afin d’en faciliter leur repérage (cf. Mouriquand 1997: 98).

1.3 Des fonctions plurielles Selon la théorisation de Charaudeau (1997: 163) sur le discours médiatique, l’événement »fait l’objet de rationalisations: rationalisation par les principes de sélection des faits et des acteurs (les motifs), rationalisation par la façon d’enfermer ceux-ci dans des catégories d’entendement (la structuration), rationalisation enfin par les modes de visibilité choisis (rubriquage)«. Cette dernière rationalisation exerce différentes fonctions. Dans la lignée de Herman/Lugrin (1999: 7),3 nous attribuons au rubriquage les fonctions suivantes: 1.

Inscrire le journal dans une configuration relativement stable − mais adaptable − de l’espace rédactionnel, afin d’améliorer la lisibilité de l’information à l’heure de la lecture-zapping. Comme le souligne Agnès (2008: 62s.), »c’est l’architecture du journal, qui définit la succession des rubriques. Le contenu précis de ces rubriques, décidé par l’équipe rédactionnelle ou le

3 | Selon les auteurs de Formes et fonctions des rubriques dans les quotidiens romands (1999: 7): »[…] la rubrique véhicule simultanément plusieurs fonctions centrales. Outre le fait de classer, le rubriquage permet de hiérarchiser les informations selon leur degré d’importance. Il instaure une relative stabilité de la structure du journal, une sorte de colonne vertébrale, qui, en imposant des choix de la part de la rédaction, constitue l’un des éléments forts de l’identité du journal.«

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comité de rédaction, s’appelle un chemin de fer. Sans cette organisation, […] le lecteur serait totalement désorienté«. Catégoriser les faits bruts. Cette opération consiste à répartir les informations renouvelées quotidiennement selon une stratégie d’ordonnancement du journal à périodicité quotidienne. Comme l’explique Mouriquand (1997: 98), le rubriquage »découp[e] la publication entière en autant de thèmes qu’elle prétend traiter«. Hiérarchiser les événements en fonction de l’importance relative que la rédaction souhaite leur accorder. La quantité de données à traiter ainsi que leur caractère exceptionnel seront pris en compte pour déterminer la place occupée par chacune à l’intérieur de classes préalablement définies. Plus qu’une simple réponse au processus cognitif humain de catégorisation, le rubriquage sert à promouvoir les intérêts commerciaux et économiques du journal. Celui-ci cherche à atteindre un lectorat le plus vaste possible afin de vendre des espaces publicitaires, opération indispensable à sa survie.4 L’établissement de l’ordre dans lequel se succèdent les rubriques à l’intérieur des pages du journal révèle un pan essentiel des enjeux identitaires médiatiques  – différant de ceux de la concurrence  – à travers la promotion et le renforcement de valeurs fondamentales aux yeux de la rédaction. Cette dernière fonction découle des travaux de recherche menés par Herman/Lugrin (1999), selon lesquels, par les diverses opérations de rubriquage, se dessine une identité propre à chaque produit.

L’analyse du sommaire, qui expose la liste des titres-rubriques5 en fonction des articles principaux du journal, et des deux grands titres à la Une, permet de révéler les éléments marquants de l’identité médiatique des quotidiens francophones grand-ducaux. Le contenu du sommaire est variable selon les articles auxquels il fait référence, à l’exception de celui de La Voix, qui reprend la structure en cahiers suivante: – – –

»Sport et loisir«, qui contient, en autres, les rubriques »Sport«, »Omnisport«, »Grand Écran«; »National«, avec les rubriques »Échos«, »National«, »Grand-Duché«; »Horizons«, qui regroupe »International« et »Culture«;

4 | Cette remarque est d’autant plus vraie pour le gratuit L’essentiel, qui ne répond pas aux conditions d’éligibilité requises pour bénéficier d’une aide financière annuelle de l’État. Voir les critères sur le Portail Médias et Communications du Gouvernement du Grand-Duché de Luxembourg à l’adresse suivante: http://www.mediacom.public.lu/ medias/presse_luxembourgeoise/promotion_presse/index.html. 5 | À l’exception de La Voix dont le sommaire reprend une structure en cahiers.

L E RUBRIQUAGE DES QUOTIDIENS LUXEMBOURGEOIS D ’ EXPRESSION FRANÇAISE



»Économie«, cahier qui se compose de »Économie et finances« et »Bourses«.

Cette construction, qui nécessite une présentation de quelques lignes des informations que la rédaction souhaite mettre en valeur, traduit une volonté affichée de couvrir l’ensemble des domaines de l’information tout en aménageant un juste équilibre entre les rubriques. Le sommaire de L’essentiel, qui partage avec les autres éditions du groupe Tamedi de fortes similitudes (emplacement, présentation, choix des principales couleurs), se caractérise par la présence systématique d’illustrations pour chaque titre (un par titre-rubrique) et un parti pris de sélectivité (trois titres-rubriques par sommaire) et de simplicité pour favoriser la lecture dans les transports en commun. Le cadrage s’opère en choisissant les informations relatives au style de vie du lectorat-cible: phénomène de mode actuel du tatouage, nouvelle série télévisée luxembourgeoise pour adolescents, »potins« autour de ceux qui sont considérés par les lecteurs potentiels comme des stars et des people − par exemple, le 07 juillet, Patrick Dempsey, l’un des acteurs principaux de Grey’s Anatomy, série orientée vers un public féminin − et sports appréciés par la gent masculine. Le Quotidien prend une orientation différente en recensant une large offre d’informations: cinq titres-rubriques − principalement, dans cet ordre, »Sport«, et à égalité »Métropole« et »Économie« − en plus de la météo et de la rubrique »50 secondes«, auxquels s’ajoutent trois titres non classés, sans compter les deux titres principaux.

2. Étude du rubriquage en Une 2.1 La presse francophone luxembourgeoise dans un monde d’expression trilingue Le Grand-Duché de Luxembourg possède pas moins de sept quotidiens nationaux. L’emploi de l’allemand comme langue d’écriture prépondérante est commun aux cinq quotidiens traditionnels: le journal catholique Luxemburger Wort, publié dès 1848, qui domine le marché; celui de tendance socialiste Tageblatt, créé en 1913; le quotidien libéral Lëtzebuerger Journal, paru en 1948; le journal communiste Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, fondé en 1946. Le Quotidien, quotidien né au cours de l’automne 2001 en même temps que feu La Voix du Luxembourg,6 ainsi que le gratuit L’essentiel, coédité par le groupe Editpress et les Suisses Tamedia, se distinguent par leur choix linguistique: ils sont exclusi6 | Au motif d’un manque de compétitivité face à l’Internet, le titre a disparu des kiosques depuis le 30 septembre dernier.

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vement francophones. En concurrence directe avec L’essentiel, Point 24, marque du groupe Saint-Paul, a également pénétré le marché à l’automne 2007 dans ce créneau inédit. Bien que l’allemand y domine, la langue française participe pleinement de la presse luxembourgeoise, et ce, depuis ses origines, en raison de l’Histoire du pays, qui a subi une série de conquêtes: au milieu du XIVe siècle, vers le nord en direction des Ardennes et vers l’ouest en direction de la Meuse, en raison de l’occupation française de la zone germanophone sous le règne de Louis XIV, de son annexion à la France de Napoléon Ier et du rétablissement par Guillaume II du principe d’égalité entre les langues française et allemande en 1841. Le premier journal imprimé au Luxembourg paraît en 1704: La Clef du Cabinet des Princes de l’Europe ou recueil historique et politique sur les matières du temps (1704–1773), édité par le journaliste français Claude Jordan et l’imprimeur et éditeur André Chevalier, originaire de France. Avant l’apparition du Luxemburger Wort, les journaux d’expression française dominaient le marché. De l’invasion du pays par la Wehrmacht en mai 1940, à l’apparition de La Voix du Luxembourg, le Grand-Duché n’offrira plus que des éditions luxembourgeoises de quotidiens francophones imprimés en dehors des frontières: La Meuse-Luxembourg à Liège (1946 à 1978) et Le Républicain lorrain à Metz (1961 à 2001). Après l’arrêt de l’édition luxembourgeoise du Républicain lorrain, les Éditions Saint-Paul et le groupe Editpress entrent en compétition: le 2 octobre 2001, les premiers publient sous forme de quotidien autonome La Voix du Luxembourg, ancien cahier du Luxemburger Wort (1972–1978), disparue depuis par manque de rentabilité; le second, en coédition avec Le Républicain lorrain, propose un nouveau titre le 14 novembre 2001: Le Quotidien, imprimé à Esch-sur-Alzette. Paraissant depuis le 10 octobre 2007, le quotidien gratuit L’essentiel joue un rôle non négligeable dans le paysage médiatique luxembourgeois, car il est désormais, selon la dernière Étude TNS ILRES,7 le deuxième quotidien le plus lu avec 126.400 lecteurs résidents de 15 ans et plus, après le Luxemburger Wort (182.100 lecteurs).

2.2 Différents modes de classement L’une des particularités des journaux luxembourgeois de langue française réside dans leur mode d’achat en kiosque. La Une, qui respecte une double visée d’information et de captation (Charaudeau 1997: 73), joue le rôle de vitrine attractive. Le sommaire8 proposé dans cette page sans rubriques contribue en partie (avec les grands titres) à engendrer des achats d’impulsion (spontanés). On peut

7 | TNS ILRES est un institut de sondages et d’études de marché basé au Luxembourg. 8 | À la différence des sommaires de L’essentiel et du Quotidien, qui ne mentionnent qu’une sélection de titres-rubriques, La Voix propose une présentation en quelques lignes des informations mises en valeur.

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retenir cinq types de classement en s’appuyant essentiellement sur la fréquence de récurrence9 de titres-rubriques dans le sommaire: 1.

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3.

4.

Le classement thématique, qui est organisé en fonction du domaine abordé (économie, culture, sport, météo…). Ce mode est très répandu dans les trois journaux, tout comme le suivant. Le classement géographique, qui intègre la dimension spatiale (proximité/ éloignement). Ces deux premiers classements, apparemment neutres, renseignent sur le type de presse ainsi que sur les aires d’influence recherchées (plus ou moins étendues). Ces aspects seront développés dans la partie suivante. Le classement hiérarchique, qui implique une prise de position affichée de la part de la rédaction. Les seuls exemples qui apparaissent dans le sommaire de notre corpus sont celui du titre-rubrique »La Deux«, proposé par L’essentiel et celui du »Supplément« offert par Le Quotidien. L’hétérogénéité des informations regroupées dans cette catégorie, est significative de la ligne éditoriale du gratuit, qui se veut un journal pour tous (résidents et frontaliers).10 Le Quotidien, en proposant gracieusement en publication annexe le programme TV de la semaine, mêle la volonté d’enrichir son offre éditoriale à celle de mettre en avant sa fonction »d’usage et de service« (Agnès 2008: 38). À ce propos, Agnès (58) fait remarquer qu’ »un journal fonctionne aussi comme un guichet de renseignements« (agenda des sorties, services de garde, numéros de téléphone des urgences…). Le classement générique, qui se réfère aux genres littéraires. Les rubriques »Interview« et »Éditorial«, proposées par Le Quotidien, peuvent être considérées comme de »fausses rubriques« (Agnès 2008: 63) ou »non-rubriques«, comme le suggère Thérenty: D’autres rubriques fondées sur la forme même de la nouvelle plutôt que sur les nouvelles elles-mêmes constituent de fait des non-rubriques, des sortes de trous noirs de l’information et des endroits où le journal avoue lui-même son impossibilité à ordonner le monde: elles se dénoncent quelquefois dès leur intitulé même, comme la chronique, les faits divers ou les faits-Paris. (Thérenty 2007: 83)

9 | Même si les critères d’emplacement et de présentation n’ont pas été retenus, ils sont également des éléments constitutifs de la valeur de la rubrique (voir la formule de mise en valeur proposée par J. Kayser en 1963). 10 | »La Deux« peut aussi bien être consacrée à la nouvelle série luxembourgeoise, »Weemseesdeet«, diffusée sur RTL, qu’au récit des 547 jours de captivité de l’ex-otage français Hervé Guesquière.

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5.

Il importe de souligner la présence quotidienne dans le sommaire du Quotidien du titre-rubrique »Éditorial«.11 Il s’agit de l’une des caractéristiques les plus marquantes de ce journal, qui souhaite ainsi s’afficher comme une presse indépendante par opposition à La Voix du Luxembourg, qui était éditée par le groupe Saint-Paul dont le principal actionnaire est l’archevêché du Luxembourg. Il ne faudrait toutefois pas oublier que le capital d’Editpress est principalement détenu par la confédération syndicale OGBL, liée au Parti socialiste. Le classement temporel, qui présente la particularité de souligner le temps de lecture rapide de la rubrique. À la Une du Quotidien, le lecteur découvrira ainsi la rubrique intitulée »50 secondes«.

2.3 Cartographie des segments de marché Notre approche quantitative s’est orientée vers l’observation des titres principaux en Une, dont le choix par la rédaction est le »fruit d’un arbitrage« (Hubé 2008: »Introduction  »), car comme l’attestent les travaux de Hubé (2007: 107), »La Une est, en effet, le lieu d’expression de l’importance journalistique – l’actualité –, enjeu de distinction politique et sociale et une stratégie commerciale [, qui ] a pour résultat d’inscrire un organe de presse dans son espace concurrentiel et de le démarquer des autres par un ›contrat de lecture‹ (Veron 1984)«. À la suite de Hubé (2007; 2008), le second titre à la Une, qui joue principalement un rôle de »rattrapage« des sujets non retenus pour le premier titre et relève d’un choix stratégique, a également retenu notre attention. Préalablement à toute analyse, il a tout d’abord fallu répertorier les titres-rubriques sous des dénominations canoniques de large empan: »International«, »National«, »Grande Région«, »Europe«,12 »Société«,13 »Culture«14 et »Sport«. L’étude réalisée a permis de dégager les grandes tendances suivantes: La Voix développait plus largement les nouvelles de la politique internationale (en l’occurrence, l’offre d’E. Di Rupo et son rejet par le leader indépendantiste flamand) et exposait les affaires du Parlement européen (cultures d’OGM, libéralisation du vin); à l’opposé, Le Quotidien opte en principe pour des Unes nationales telles que celle du 5 juillet 2011, »›Plan social‹ au LCGB«, et met à l’honneur l’information sportive, qui s’offre même le luxe d’être le titre du jour le 4 juillet; quant à L’essentiel, les événements traités sont de nature variée: renvoi de deux cadres du syndicat LCGB, résultats du bac au lycée Vauban ou loterie Euro Millions. Le gratuit privilégie 11 | Si l’éditorialiste change d’une édition à l’autre, l’éditorial a une place attribuée (généralement, page 4). 12 | Cette rubrique traite de tout ce qui concerne le Parlement européen. 13 | Cette rubrique inclut les faits divers. 14 | Au sens large du terme. L’actualité »people« s’intègre dans cette dénomination.

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cependant en second titre le divertissement de masse15 en général (concert de trash-métal à Amnéville) et, plus particulièrement, l’actualité »people« (Zahia, figure emblématique du scandale de l’Équipe de France). Le Quotidien affirme son fort ancrage régional dans le second titre en développant substantiellement des informations qui se déroulent dans un espace géographique identifié, qui intègre la Grande Région en raison d’un lectorat-cible en partie frontalier. La sélection opérée (visite guidée du bâtiment de l’Entreprise des Postes et Télécommunications et la 2 x 3 voies de l’A31) a pour objectif de valoriser l’appartenance au territoire. Ce journal payant privilégie également l’angle régional dans le traitement médiatique du sport comme l’illustrent les seconds titres des 4 et 5 juillet (»Course à pied in the City« et »le Tour, vu du Luxembourg »). La Voix se démarquait de ses concurrents par un traitement intellectuel des faits de société − consacrés les 6 et 7 juillet à la campagne de sensibilisation au littering et aux droits des passagers aériens − et de la culture, avec des noms comme Harvey, auteur-compositeur de rock alternatif. À partir de ces critères, il sera utile de réfléchir à des types de classification de la presse écrite quotidienne francophone grand-ducale.

3. Catégorisations de la presse Avant de proposer un nouveau modèle, il convient de rappeler les deux principales catégories de presse.

3.1 Selon les thématiques privilégiées Une distinction est opérée par les manuels de journalisme entre deux types de presse: une presse jugée populaire, dont les rubriques les plus significatives sont celles qui contiennent les faits divers, les informations sportives, l’actualité people, et l’information pratique, à l’instar de L’essentiel et du Quotidien, et une presse qualifiée de »haut de gamme« (Charon 2005: 35) en raison d’une mise en valeur de l’international, de l’économie et de la culture (avec un grand »c »), à l’exemple de La Voix. C’est ce qu’affirment certains chercheurs tels que Merrill: Les quotidiens de référence accordent une place prépondérante à l’actualité internationale et à la culture avec un grand »c«, adoptent un ton sérieux et une écriture sophistiquée […]. Leur couverture met clairement l’accent sur certains secteurs: la poli-

15 | Tout comme Le Quotidien, qui titre à la Une de l’édition du vendredi 8 juillet 2011: »Harry Potter: c’est la lutte finale«.

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A URÉLIE H AISMANN tique, les affaires étrangères, l’économie et les finances, les sciences, les arts et la littérature. (Merrill 2000: 11)

Ou Charon: L’international occupe une place traditionnellement plus forte qu’ailleurs. La politique, l’économie et la culture font partie des autres points forts, même si, au fil des décennies, les sciences, la santé, les loisirs, les sports, la consommation sont venus s’ajouter et ont connu des développements particuliers pouvant donner lieu à des suppléments ou des cahiers spécialisés. À l’inverse, les faits divers sont moins présents. (Charon 2005: 35)

Il faut toutefois être vigilant à ne pas associer une vision stéréotypique du lectorat à cette division de la presse. En accord avec l’hypothèse de Jouanno (1998: 115), selon laquelle »plus que par un public déterminé aux traits repérables, elle [la presse] se caractérise par un mode de communication original, par un rapport spécifique au public«, nous considérons qu’il n’existe pas de lectorat catégoriel identifié, car se poserait alors la question des critères: Y a-t-il un public populaire identifié? Et en fonction de quels critères? S’agit-il du public des classes dites populaires, à faible niveau culturel et peu de revenus? Mais alors la presse quotidienne régionale ne serait pas populaire, du seul fait qu’elle est achetée et lue par des responsables politiques, des médecins, des enseignants? […] Les émissions sportives et de variété ne perdent pas nécessairement leur qualité si elles sont regardées par plusieurs milliers, éventuellement plusieurs millions de cadres, artistes, intellectuels, d’ordinaire considérés comme l’élite. (Jouanno 1998: 115)

Les propos de Charon ([1996] 2005: 36) selon lesquels »les quotidiens ›haut de gamme‹ s’adressent en priorité à un public de décideurs, d’intervenants économiques de haut niveau, mais aussi de cadres, de professions intellectuelles […], dont le pouvoir d’achat […] permet également de vendre le journal à un prix plus élevé« doivent être nuancés, car La Voix, qui, tout en visant la classe dirigeante, cherchait à atteindre de nouveaux lecteurs parmi les frontaliers lorrains ou belges de langue française et les immigrés de langue latine (en particulier la communauté portugaise), se vendait au prix de 1,20 €, soit 60 cts de moins qu’un numéro du Quotidien. L’essentiel, quant à lui, vise un public urbain jeune, composé principalement de frontaliers actifs et de lycéens résidents.

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3.2 Selon l’espace géographique La seconde catégorisation repose sur la notion de »proximité« géographique. En effet, comme le révèle Agnès (2008: 42), »ce lien de proximité fonde en particulier le succès de la presse locale et régionale«. Le nombre de titres-rubriques consacrés au pays et, à moindre échelle, à ses cantons est l’une des spécificités visibles en pages intérieures du Quotidien. Ainsi ce type de presse est, selon Neveu (2009: 31), »port[é] à sélectionner les personnages, les événements qui valorisent un ›nous‹ territorialisé, d’où l’importance donnée aux réussites locales, à la vie associative«. La Voix se démarquait de ses concurrents par son traitement de l’actualité internationale. L’essentiel désigne la ligne de partage.

3.3 Selon l’identité médiatique Le classement des différents journaux peut également s’effectuer en prenant appui sur d’autres critères polaires de catégorisation que ceux développés précédemment, à savoir une presse à caractère »désidentitaire« (L’essentiel), qui propose un traitement de l’information pour tous; une presse dite »interidentitaire« (La Voix du Luxembourg), qui tente de concilier deux identités; une autre dite »supra-identitaire«, incarnée par Le Quotidien, aisément identifiable par l’importance qu’elle réserve aux nouvelles situées à l’échelle nationale ou même régionale. Bien qu’il constitue actuellement la langue la plus parlée sur le territoire national en raison d’une forte vague d’immigration en provenance, depuis les années 1960, essentiellement des pays latins16 et de flux de travailleurs frontaliers en provenance de France, de Belgique et d’Allemagne,17 le français reste stigmatisé comme un symbole de distinction sociale. L’avenir de la presse luxembourgeoise d’expression française est fortement déterminé par le dépassement de cette image. Malgré ses tirages modestes (à l’exception du gratuit), la presse francophone, comme l’affirme très justement Wilhelm18 (2005: 13), »contribue à l’identité luxembourgeoise dans la mesure où elle permet aux Grand-Ducaux de communiquer avec l’étranger ou avec les résidents et frontaliers francophones, tout en ne reniant rien de leur particularité nationale«, et ce grâce à ses multiples visages − découverts par le biais du rubriquage, qui a permis de dégager les enjeux identitaires propres à chaque journal.

16 | Actuellement, les étrangers représentent 42,9 % de la population totale. 17 | 145.000 personnes en 2009 pour 493.500 habitants selon le Service Central de la Statistique et des Études Économiques. 18 | Frank Wilhelm est professeur de littérature à l’Université du Luxembourg.

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»… diwelche Jhme bei œeiner ambts Rechnungh paœœirt und guttgemacht werden œollen« Verwaltungspraxis und mehrsprachige Textmusterbildung in der Stadt Luxemburg der Frühen Neuzeit Dominic Harion Abstract L’article a comme sujet la pratique de la rédaction multilingue des actes administratifs des Archives de la Ville de Luxembourg, à savoir les Pièces des Comptes de l’année 1668/69. Ces documents représentent un corpus unique et hétérogène de textes en langues allemande et française, composé de factures, d’ordonnances, de quittances, de demandes écrites et de comptes-rendus. Ils documentent de façon exemplaire les scénarios de la communication écrite entre citoyens et magistrat de la ville de Luxembourg ainsi que la fonction de médiation des clercs jurés de la ville. L’analyse suivante se concentre sur les modalités linguistiques du fonctionnement de certains modèles textuels ainsi que l’agencement du langage formulaïque sur la toile de fond de l’interaction entre le français et l’allemand. Im Folgenden wird die mehrsprachige Ausfertigungspraxis von Stadtschreibern und Notaren dargestellt und erläutert, wie sie in einem ausgewählten Bestand des Luxemburger Stadtarchivs, den Pièces des Comptes des Jahrgangs 1668/69, greifbar wird. Auf diesen Rechnungsbelegen – einem überaus heterogenen Corpus von deutsch- und französischsprachigen Rechnungen, Ordonnanzen, Quittungen, Bittstellerbriefen und Protokollen der fiskalischen Administration – dokumentieren sich in ausgezeichneter Weise die schriftliche Kommunikation zwischen Bürgern und Stadtoberen wie auch die mittelnde und vermittelnde Funktion der zum Schreiberamt Berufenen. Es zeigt sich, dass den intendierten Sprachhandlungen bestimmte Textmuster sowie formelhafte Wendungen korrespondieren, die auf Deutsch und/ oder Französisch realisiert wurden.

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Einleitung In einem Band, der die vielfältigen Aspekte der Luxemburger Mehrsprachigkeit zu beleuchten sich zum Ziel gesetzt hat, obliegt es diesem Beitrag, Phänomene des Sprachkontakts zwischen Deutsch und Französisch zu erhellen und zu reflektieren, die im Verwaltungsschriftgut der Stadt Luxemburg des 17.  Jahrhunderts aufscheinen und damit ein Licht auf den in der Forschung bislang wenig berücksichtigten »Luxemburger Sprachenmarkt« der Frühen Neuzeit zu werfen.1 Im Folgenden wird die mehrsprachige Ausfertigungspraxis von Stadtschreibern und Notaren dargestellt und erläutert, wie sie in einem ausgewählten Bestand des Luxemburger Stadtarchivs, den Pièces des Comptes des Jahrgangs 1668/69, greifbar wird. Auf diesen Rechnungsbelegen – einem überaus heterogenen Corpus von deutsch- und französischsprachigen Rechnungen, Ordonnanzen, Quittungen, Bittstellerbriefen und Protokollen der fiskalischen Administration  – dokumentieren sich in ausgezeichneter Weise die schriftliche Kommunikation zwischen Bürgern und Stadtoberen wie auch die mittelnde und vermittelnde Funktion der zum Schreiberamt Berufenen. Es zeigt sich, dass den intendierten Sprachhandlungen bestimmte Textmuster sowie formelhafte Wendungen korrespondieren, die auf Deutsch und/oder Französisch realisiert wurden.

1. Quelle und Forschungsstand Unter Pièces des Comptes, »Rechnungsbelegen«, ist im Stadtarchiv Luxemburg ein Bestand verzeichnet, der nicht nur seinem Namen nach, sondern auch gemäß der Einordnung in die Archivtektonik unter der Signatur LU I 21 eine direkte Nachbarschaft und Verwiesenheit auf die Comptes de la Baumaîtrie, die unter LU I 20 R geführten und in jüngerer Zeit durch verschiedentliche Editionsund Forschungsprojekte gewürdigten Luxemburger Kontenbücher, verrät.2 Die Rechnungsbelege waren sämtlich für den Nachvollzug der Einnahmen und Ausgaben des Stadthaushaltes und damit für die Entlastung des Baumeisters3 1 | Hier wie auch im Folgenden wird auf die – vereinfachende – Differenzierung nach »Deutsch« und »Französisch« zurückgegriffen, immer eingedenk der Tatsache, dass es sich um Varietäten früherer Sprachstufen handelt, die unter diesen offenkundigen Anachronismen aus Gründen einer einfacheren Darstellung im Sinne der Untersuchung subsumiert werden. 2 | Vgl. besonders Pauly 1992/1994; Moulin/Pauly 2007ff.; Ravida 2012. 3 | Der Baumeister, nach dessen Amt die Comptes de la Baumaîtrie benannt wurden, war der für die Rechnungsführung der Stadt zuständige Beamte. Anweisungen zur

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von eminenter Bedeutung bei der jährlichen Rechnungslegung, aus der die Comptes resultierten. Sie scheinen damit ursprünglich als »Dokumente kurzer Dauer« gegolten zu haben, die nach der Ausfertigung der Baumeisterrechnung entwertet wurden – ein Großteil der in LU I 21 zusammengefassten Dokumente weist Textstreichungen auf (vgl. Abb. 1) – und in einer gängigen Tradition der Rechnungslegung zu stehen, bei der »die Rechnungsführer bei diesem Überprüfungsverfahren ihre während des Jahres gesammelten Unterlagen in Form von Notizzetteln, Wachstafeln oder Kerbstöcken [verwendeten], die keine dauerhaft beweisende Kraft besaßen, sondern nur als Erinnerungsstütze dienten.« (Mihm/Mihm 2007: 22) Wie die Kontenbücher stellen somit auch die Rechnungsbelege »elementare Zeugnisse [ für die] Erforschung und Rekonstruktion verschiedenartigster historischer Fakten dar« (Ravida 2012: 75), deren Aussagewert vor allem für das 17. Jahrhundert, für das die Überlieferung der Comptes als überaus lückenhaft zu gelten hat, von großer Bedeutung ist. In sozial- und sprachgeschichtlicher Hinsicht ist hier besonders hervorzuheben, dass es sich bei den Pièces um Zeugnisse primärer Entstehung handelt: Im Unterschied zu den Kontenbüchern, die unter Rückgriff auf die Belege in dem Akt der Rechnungslegung die Einnahmen und Ausgaben summarisch listen und durch den (oder die) Schreiber in Sprache und Struktur relativ homogenisiert wurden, dokumentieren die Pièces den primären Kommunikationsakt zwischen den Korrespondenzpartnern. So liegen für die Pièces von Anbeginn der Überlieferung sowohl deutsche als auch französische Exemplare vor, die eine Vielzahl von Schreiberhänden, Unterschriften und dialektalen Färbungen in der Schriftsprache offenbaren. Damit wird der Bestand LU I 21 zu einem Spiegel direkter schriftlicher Kommunikation zwischen Magistrat und Dienstleistern verschiedenen Standes, unterschiedlicher Profession und sprachlicher Prägung.4 Die Überlieferung der Luxemburger Pièces des Comptes hat daher als außerordentlicher Glücksfall für stadt- und sprachgeschichtliche Untersuchungen zu gelten, wenn anders »die Überlieferungssituation [es nur selten erlaubt,] ein genaueres Bild von unteren

Bezahlung von Waren oder Dienstleistungen im Namen der Stadt – sogenannte Ordonnanzen – ergingen an ihn oder den jeweiligen Weinrichter. Vgl. ausführlich dazu Ravida 2012: 89–92. 4 | Die Pièces des Comptes unter der Signatur LU I 21 sind vornehmlich ab dem zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts in größerer Zahl überliefert – für eine Untersuchung der Mehrsprachigkeitsverhältnisse eignen sich vor allem die Dokumente bis 1684, jenem Jahrgang, der mit dem Einsetzen der französischen Herrschaft eine französischsprachige Verwaltungspraxis und damit ein Versiegen der mehrsprachigen zur Folge hatte.

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sozialen Schichten der Stadt in der Frühen Neuzeit zu entwerfen, da sie häufig in den unmittelbaren Quellen […] nicht auftauchen.« (Meier 2004: 57)5 Gleichwohl erweist sich die Forschungslage bislang als prekär: Während vor allem die (spät-)mittelhochdeutschen Schriftzeugnisse der Luxemburger Stadtverwaltung jüngst Aufmerksamkeit und kritische Würdigung erfahren, so ist über die Sprachpraxis im Luxemburg des 16.–19.  Jahrhunderts und die genaue Quellenlage nur wenig bekannt (vgl. Moulin 2006: 201). Die sprachhistorische Genese wie auch der funktionale Wandel der Mehrsprachigkeitsverhältnisse sind ein – in den ohnedies dünn gesäten Studien zu einer Geschichte des Moselfränkischen – kaum bearbeitetes Feld. Maßgebliche Vorarbeiten hat hier Robert Bruch mit seiner Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen (Bruch 1953) geleistet, die, trotz ihres Alters und der teilweise überholten Forschungslage, bislang – neben einzelnen Forschungsbemühungen auf der Basis mittelhochdeutscher Urkundenkorpora6 – als einzige zentrale Referenz gelten kann (vgl. Moulin 2006: 205). Der vorliegende Beitrag wird diese Lücke nicht schließen – er vermag einen kleinen Ausschnitt des reichen Bestandes der Pièces des Comptes darzustellen, zu erläutern und einen von zahlreichen Aspekten einer mehrsprachigen Verwaltungspraxis der frühneuzeitlichen Stadt Luxemburg aufzuzeigen.7

2. Historische Kontexte Die im 17.  Jahrhundert einsetzende umfangreichere Überlieferung der Pièces des Comptes fällt in eine Zeit, die durch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648), Pestepidemien, die erste Teilung des Landes im Pyrenäenfrieden (1659) sowie die kriegerische Ablösung der Habsburger durch die Bourbonen (1684) maßgeblich geprägt wurde. Mit diesen Entwicklungen einher gehen starke Schwankungen in der Bevölkerungsstruktur und -quantität der Stadt Luxemburg, die durch Truppenbewegungen, Zuwanderungen aus dem 5 | Vgl. zu Potentialen und Aussagekraft solcher »Quellen am unteren Rande der Schriftlichkeit« jüngst auch Helmut Graser 2011. Die Befunde zu frühneuzeitlichen Beständen des Archivs der ehemaligen Freien Reichsstadt Augsburg lassen sich m.E. auch auf die in dem vorliegenden Beitrag inaugurierten Archivalien übertragen. 6 | Zu nennen sind hier insbesondere die aus dem Forschungsprojekt »Westmittel deutsche und ostfranzösische Urkunden- und Literatursprachen im 13. und 14. Jahrhundert« hervorgegangenen Arbeiten (vgl. Gärtner/Holtus 1995 sowie Gärtner/ Holtus 1997). 7 | Eine vollständige Edition der Pièces des Comptes bis zum Jahrgang 1684 sowie eine Untersuchung der Sprachverhältnisse und Sprachkontaktphänomene sind Bestandteile eines laufenden Dissertationsvorhabens an der Universität Trier.

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Umland in den Schutz der befestigten Stadt und eine hohe Sterberate, bedingt durch Krankheit und Krieg, beeinflusst werden (vgl. Lascombes 1984: 13f.). Die Mehrsprachigkeit im magistralen Schriftgut setzt nun keineswegs erst forciert durch solche Zuwanderungsbewegungen aus romanischen Gebieten ein. Einerseits lässt sich – auf herrschaftlicher Ebene – bereits für das 13. Jahrhundert eine volks- und mehrsprachige Urkundenproduktion belegen, die, das Lateinische ablösend, vorzugsweise auf Französisch vollzogen wurde (vgl. Reichert 1997: 373f.). Andererseits verlangte die Korrespondenz mit dem externen Gouvernement nach dem Verlust der Autonomie  – sei es die Herrschaft der Burgunder, Habsburger oder Franzosen – auch in den folgenden Jahrhunderten eine Fokussierung auf das Französische als Geschäftssprache, trotz des überwiegend germanophonen Anteils der Bevölkerung. Neben einzelnen Belegen im frühen 14.  Jahrhundert8 wird das Deutsche als Verwaltungssprache denn auch hauptsächlich im magistratsinternen Schriftgut der Stadt Luxemburg und hier vor allem mit der Überlieferung der Comptes de la Baumaîtrie seit 1388 greifbar und weist eine erstaunliche Konstanz auf auch über Zeiträume hinweg, in denen Luxemburg unter französischsprachiger Herrschaft stand (vgl. Ravida 2012: 40f.). Einigkeit herrscht in der Forschung darüber, dass die Erschließung dieser Sprachverhältnisse und die Erforschung ihrer historischen Genese erst über eine Klärung der Produktionsbedingungen städtischer Schriftlichkeit erfolgen kann, mithin die Frage nach der Organisation einer möglichen städtischen Kanzlei und den Schreiberbiografien gestellt werden muss (vgl. Rapp 2006: 286, besonders Fußnote 30). Gestaltet sich ein solcher Nachweis für die Zeit bis Ende des 16.  Jahrhunderts problematisch,9 so erlaubt die Quellenlage für das 17. Jahrhundert durchaus Rückschlüsse auf biografische Umfelddaten der Stadtschreiber Luxemburgs, der clercs jurés de la ville: Mit notarieller Befugnis ausgestattet, standen diese nicht nur in Diensten des Stadtmagistrats, sondern bekleideten oftmals – und zunächst – auch Ämter in der Verwaltung des Provinzialrates, dessen Akten Vermerke über ihre Herkunft und Vereidigung beinhal-

8 | Reichert problematisiert bei diesen Datierungsversuchen jedoch auch die Schwierigkeit der Kanzleizuordnung, die eine eindeutige Zuweisung der deutsch sprachigen Urkunden zur gräflichen Kanzlei nicht erlaubt (vgl. Reichert 1997: 374). 9 | Vgl. Reichert 1997: 379–382, besonders Fußnote 44. Die einschlägige Literatur verweist auf die mögliche Vorbildfunktion der urbanen Zentren Trier, Köln und Metz, auch gibt es Hinweise auf eine bereits früh einsetzende mehrsprachige Ausbildung von Schülern, Schreibern und Lehrern in der Luxemburger Münsterabtei seit dem 12. Jahrhundert, die Schreiberbiografien bleiben jedoch verborgen (vgl. Ravida 2012: 52f., besonders Fußnote 282, sowie Bange/Mayr 2010: 359f.).

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ten.10 Sie nahmen eine mittlere und vermittelnde Position ein zwischen Magistrat und externem Gouvernement (qua Provinzialrat mit französischsprachiger Administration), zwischen Bürgern und Stadtoberen, aber auch zwischen den Magistratsmitgliedern in sämtlichen Belangen der internen Verwaltung, die sich auf den Pièces dokumentiert.

3. Anliegen und Methode Im Folgenden wird die mehrsprachige Verwaltungspraxis der frühneuzeitlichen Stadt Luxemburg anhand ausgewählter Dokumente des Jahrgangs 1668/69 der Pièces des Comptes exemplarisch dargestellt und erläutert. Besonderes Augenmerk gilt dabei der formalen Umsetzung von und der Musterbildung bei Abrechnungsprozessen durch Schreiber und Notare – mithin der Ausbildung, Stabilisierung und Variation von Textmustern auf der Makro- und formelhafter Wendungen auf der Mikroebene und den damit einhergehenden Interdependenzen einer deutsch- und französischsprachigen Ausfertigungspraxis. Der Jahrgang 1668/69 hat sich insbesondere ob der verhältnismäßig hohen Überlieferungsdichte wie auch der Tatsache, dass ein Wechsel im Schreiberamt mit zeitweiliger Vertretung durch einen Notar stattfand, als für ein solches Anliegen überaus günstig erwiesen. Gleichwohl gestaltet sich der methodische Zugriff zunächst schwierig. Mit Natalia Filatkina, die jüngst eine Untersuchung über die Variation im Bereich formelhafter Wendungen am Beispiel der Luxemburger Rechnungsbücher (1388–1500) vorgelegt hat (Filatkina 2011), lässt sich festhalten, dass die formelhafte Ebene älterer Sprachstufen »bis jetzt nur sporadisch Gegenstand sprach- und kulturhistorischer Untersuchungen [war], vielleicht mit Ausnahme von zwei phraseologischen Typen, den Sprichwörtern und Paarformeln.« (Ebd.: 81) Für die Untersuchung der mikrostrukturellen Ebene der Pièces des Comptes gelten damit analog diejenigen methodischen Schwierigkeiten, die auch für eine entsprechende Analyse der Comptes herausgestellt wurden: »Zum einen liegen die Kriterien für die Identifizierung der formelhaften Wendungen noch nicht vor. Zum anderen reicht der begriffliche Apparat der Phraseologieforschung für typologische Zuordnungen mancher Wendungen […] nicht aus.« (Ebd.: 82)11 Ein Rückgriff auf 10 | Vor allem die Registratures du Conseil provincial pour les Commissions et patentes souveraines et les serments, die ab 1544 greifbar und in den Archives Nationales du Grand-Duché de Luxembourg unter der Signatur A–LX, Chap. 28, geführt werden. 11 | Die dritte von Filatkina angeführte methodische Schwierigkeit, die paläografisch nicht eindeutig zu identifizierenden Schreiberhände und -wechsel (vgl. Filatkina 2011: 82), gilt für den Bestand der Pièces m.E. nicht. Die paläografischen Befunde erlauben eine sehr gute Identifikation der Schreiberhände und ihrer Distribution.

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Kriterien der gegenwartsbezogenen Phraseologieforschung zur Klärung der Mikrostruktur der historischen Quellen ist damit unumgänglich, für eine exemplarische Darstellung in Rahmen des hier vorgetragenen Anliegens jedoch mehr als hinreichend (vgl. ebd.). Die Untersuchung der makrostrukturellen Ebene historischer, insbesondere auch frühneuzeitlicher Texte hat durch die Arbeiten Jörg Meiers und Arne Zieglers zur Historischen Soziopragmatik und Historischen Textlinguistik in neuerer Zeit bedeutende Impulse erfahren (Meier 2004; Ziegler 2003). Es handelt sich um einen Ansatz, der »die besondere Relevanz von Textarchitekturen und textstrukturellen Mustern für eine historische Diskursforschung« (Meier 2004: 19) nachzuweisen bestrebt ist. Der soziopragmatische Zugriff weist in Übereinstimmung mit Polenz (2000: 9) »auf historische Zusammenhänge zwischen Sprache und Gesellschaft im Rahmen kommunikativer Praxis« hin und entfaltet auf dieser Grundlage die »Forderung nach einer pragmatisch orientierten Textsortengeschichte innerhalb der Historiolinguistik« (Meier 2004: 38): »Textsorten lassen sich […] als bereits in der Sprachgemeinschaft konventionalisierte, mehr oder weniger fest an Kommunikationssituationen gebundene Modelle betrachten, die Produzenten und Rezipienten von Texten bewährte Lösungen für immer wiederkehrende kommunikative Probleme bieten.« (Ebd.: 39; vgl. auch Ziegler 2003: 51–61) Der integrative Ansatz von Historischer Textlinguistik und Historischer Soziopragmatik zielt somit darauf ab, dass die Teilnehmer einer Kommunikationspraxis (eines urbanen Zentrums und seines Einzugsgebietes) über ein Textwissen verfügen, auf das Produzenten und Rezipienten zugreifen können, um spezifische (administrative) Handlungen über kommunikative Prozesse auszuführen, die schriftlich fixiert werden. Dabei greifen die Kommunikationspartner auf paradigmatische Textmuster zurück, die  – dem situativen Kontext und der intendierten (Sprach-)Handlung angemessen  – aktualisiert und dessen semantische Einheiten nach einem (mehr oder minder) festen syntaktischen Muster sprachlich realisiert werden. Methodische Schwierigkeiten, die gleichermaßen für eine entsprechende Analyse des Corpus der Pièces gölten, ergeben sich vor allem aus der Notwendigkeit, syntaktische Analysen einer umfänglichen Materialbasis leisten zu müssen, insbesondere aber aus der Problematik, überhaupt syntaktische Strukturen in frühneuzeitlichen Texten herauszuarbeiten, deren Satzgrenzen und Phrasen nicht immer trennscharf zu bestimmen sind – und die im Falle der Pièces sowohl für deutsch- wie auch französischsprachige Dokumente dargestellt werden müssten. Während bei Ziegler (2003: 221) »[a]ufgrund der vorgenannten Problematik auf eine detaillierte Beschreibung zugunsten einer allgemeineren grundlegenden Deskription der syntaktischen Strukturierung verzichtet« und der Fokus der Untersuchung auf Initialphrasen bzw. spezifische formelhafte Wendungen gerichtet wird, soll für die Untersuchung der makro- und

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Abb. 1: LU I 21 – 18 fol. 1r: Pièce de Compte des Jahrgangs 1668/69  Rechnung, Ordonnanz und Quittung für die Abrechnung Michell Kriegers

Quelle: Archives de la Ville de Luxembourg

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mikrostrukturellen12 Ebene eines ausgewählten Dokumententyps der Pièces des Comptes im Rahmen des vorliegenden Beitrages auf die Herausarbeitung paradigmatischer Prädikationsrahmen zurückgegriffen werden: Es zeigt sich, dass den einzelnen kommunikativen Handlungsschritten der Rechnungslegung spezifische Prädikationen korrespondieren, die an eine begrenzte Anzahl von verbalen Ausdrücken zurückgebunden werden können.13

4. Mehrsprachige Verwaltungspraxis. Die Ordonnanzen des Jahrgangs 1668/69 Ein erster Blick auf die Rechnungsbelege des Jahrgangs 1668/69 erlaubt eine vorgängige Identifikation von drei Komponenten, die – einzeln oder in Kombination – für die Dokumente konstitutiv sind: Rechnungen, Ordonnanzen und Quittungen.14 Während die Rechnung, u.a. in der Form von Listen, die Spezifikation der erbrachten Leistung oder Ware von Dienstleistern oder Amtsinha12 | Makrostrukturen bezeichnen – mit Zieglers allgemeiner Definition zu sprechen – »textinterne Einheiten der langue […], die insgesamt ein Merkmalbündel konstituieren, das in seiner Gesamtheit als differenzierendes Spezifikum zu werten ist und somit (zumindest theoretisch) zu einer Textsortendifferenzierung führen könnte.« (Ziegler 2003: 250) Unter formelhaften Mikrostrukturen werden mit Filatkina »solche Wendungen oder auch Einzellexeme und ganze Textpassagen zusammengefasst, die nach syntaktischen Mustern mit teils fixen, teils variablen lexikalischen Füllungen funktionieren. Als usualisierte Wortverbindungen werden sie in einer bestimmten mehr oder weniger festen Form und Bedeutung wiederholt von Schreibern bzw. von den für die Rechnungslegung verantwortlichen Beamten reproduziert.« (Filatkina 2011: 79f.) 13 | Es handelt sich damit um den Versuch eines pragmatisch-satzsemantischen Zugriffs im Anschluss an das Modell einer Satzsemantik nach Peter von Polenz (1988: hier bes. 155–159), der einerseits den Erfordernissen einer strukturellen Untersuchung mehrsprachiger Dokumente und andererseits dem Befund Rechnung trägt, dass »selbst wenn vorgeprägte syntaktische Muster wesentlich zur Entstehung der Typik eines Textes beitragen, [… sich diese] als zielorientierte Handlungsmuster den sich verändernden Kommunikationszwecken und -bedingungen im Sinne eines soziogenetischen Prozesses« (Filatkina 2011: 81) anpassen. 14 | Vgl. Abbildung 1. Rechnungen, Ordonnanzen und Quittungen können, müssen aber nicht auf einem Blatt verzeichnet sein. Zwischen den einzelnen Komponenten sind bei einer Vielzahl der Belege Schreiberhandwechsel zu belegen derart, dass Rechnung und Quittung durch einen Gläubiger (oder einen Stellvertreter) ausgestellt und unterzeichnet wurden, während die Ordonnanz Hand- und Unterschrift des Stadtschreibers oder eines notariell befugten Amtsinhabers trägt.

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bern samt des von der Stadt eingeforderten Betrages enthält, handelt es sich bei der Ordonnanz um eine durch den Stadtschreiber (oder einen Amtsinhaber mit notarieller Befugnis) zertifizierte Zahlungsaufforderung, die – unter Nennung von Gläubiger(n), erbrachter Leistung oder Ware sowie dem zu entrichtenden Betrag – an den Baumeister oder Weinrichter ergeht. Eine Quittung entlastet den Baumeister gegenüber den Gläubigern und ist für die Verifizierung der durch ihn im Namen der Stadt getätigten Ausgaben bei der jährlichen Rechnungslegung in den Comptes de la Baumaîtrie von Bedeutung. Die einen Großteil der Pièces auszeichnende Komponente, die auf nahezu allen Dokumenten – vornehmlich auf den genuin als Rechnungsbelegen ausweisbaren – des Jahrgangs 1668/69 greifbar ist, stellt denn auch jene dar, die ausschließlich durch einen Stadtschreiber oder Notar auf Deutsch oder Französisch ausgefertigt und hier unter dem Namen der Ordonnanz gefasst wurde.15 Sie soll im Folgenden in den Blick genommen, anhand der Ausfertigungspraxis zweier Schreiber – Jean-Paul Mannart und Johann Simoni – und zweier Notare – Peter Meiß und Peter Conrardi – dargestellt und die Grundmuster der Makro- sowie formelhafte Wendungen der Mikroebene herausgearbeitet werden. Als Beispiel für die Ausfertigung einer deutschsprachigen Ordonnanz gelte LU I 21 – 8,18 fol. 1r: Richter undt Scheffen der Statt Lutzembourgh befehlen / hirmitt die³er Statt Bauwmeiœteren H Scheffen / Thomas Marchant Michell krieger zween herren / gulden wegen underhaltungh der beyder Stub(en)oben / Jm Statthauß alhir f(u)r die Jahr 1668 undt 1669 / zú Erlegen, welche Jhme Jn ³einer Bauwmei³terey / Rechnungh guttgemacht werden œollen Actum / Lutzembourgh ahm 30 septembris 1669 / JPa Mannart[.] 16 15 | Neben deutsch- oder französischsprachigen Ausfertigungen dokumentiert sich für die Schreiber und Notare auch der Gebrauch des Lateinischen, allerdings ausschließlich in notariellen Formeln (actum, ordinari, loco protocolli etc.). Inwieweit hier eine grundständige (Schreib-)Sprachkompetenz angenommen werden darf, lässt sich anhand der überlieferten Belege aus LU I 21 nicht ermitteln. 16 | Vgl. Abbildung 1. Zur Transkription: Zeilenumbrüche im Original werden durch / wiedergegeben, Hervorhebungen sind kursiv gesetzt. Die Minuskeln u/v und die Majuskeln U/V sowie I/J sind bei keinem der Schreiber deutlich zu scheiden. Hier wurde dem paläografischen Prinzip der Vorrang gegeben, u und v werden nach u bzw. ú vereinheitlicht, U und V nach U, J und I nach J. Die Groß- und Kleinschreibung wurde vorlagengetreu abgebildet. Unleserliche Stellen aufgrund von Textverderbnis durch Materialschäden wurden durch […] gekennzeichnet; sofern anhand des Kontextes oder einzelner leserlicher Graphien auf eine bestimmte Wortform geschlossen werden konnte, wurde diese in eckigen Klammern markiert. Zweifelsfälle bei der Wiedergabe von Graphien, die aus dem Schriftbild nicht eindeutig zu erschließen sind, wurden im Kontext interpretiert und durch runde Klammern kenntlich gemacht.

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Der Richter und die Schöffen der Stadt Luxemburg (Kommunikationspartner A, der Auftraggeber) befehlen dem Baumeister der Stadt, dem Schöffen Thomas Marchant (Kommunikationspartner B, der Schuldner im Namen der Stadt), Michell Krieger (Kommunikationspartner C, der Gläubiger) zwei Herrengulden (Betrag E) für die Unterhaltung des Stadthauses in den Jahren 1668 und 1669 (Dienstleistung D) zu bezahlen. Der weiterführende Zusatz rekurriert noch einmal auf Betrag E und Kommunikationspartner B in dem Sinne, dass die zwei Herrengulden, die der Baumeister (in Einzelfällen auch die Weinrichter) im Namen der Stadt an den Gläubiger zu entrichten hat, jenem bei der jährlichen Rechnungslegung wieder vergolten werden sollen. Die Ordonnanz wird durch eine notarielle Formel unter Angabe von Ort, Datum und Unterschrift des Stadtschreibers beschlossen. Auch die französische Ausfertigungspraxis folgt diesem Muster, als Beispiel gelte LU I 21 – 8,19a fol. 1r: Les Justicier et Escheuins de la uille de Luxembourg ordonnent / au S r Escheuin Thomas Marchant ladis Baumeister de ceste uille / de payer hors des deniers de ³on Entremise a m[aist]re Jean Dametz / nonante six dalers douze solz et une pricquette. pássez en la / specification (e)y de³sus lesquelz nonente six dalers douze solz une / pricq. luy seront passez et allouez en la mise de ³es comptes / parmy rapportant ceste et quittance y quitte ³eruante / fait a luxembourg le 17 X bre 1669 / JPa Mannart

Einem solchen Grundmuster (Gm1) folgen drei der deutschsprachigen und vier der französischsprachigen von Mannart ausgestellten Ordonnanzen des Jahrgangs 1668/69.17 Die syntaktische Anordnung der Kommunikationspartner folgt dabei bedingt durch den durch (an)ordnen/(an)befehlen/ordonner eröffneten Prädikationsrahmen erwartungsgemäß auf sämtlichen Belegen einem festen Schema: A ordnet/befiehlt B (an) C […] / A ordonne à B de payer à C […]. Lediglich die Stellen von E und D – Betrag und Dienstleistung/Ware – können alternieren: A ordnet/befiehlt B (an) C für/wegen D E zu bezahlen/ erlegen / A ordnet/befiehlt B (an) C E für/wegen D zu bezahlen/erlegen / A ordonne à B de payer à C E pour D / A ordonne à B de payer à C pour D E. Während eine solche Alternanz für die deutschsprachigen Belege durch die Ausbildung der Satzklammer möglich und durchaus üblich ist, wird für die französischsprachige Ausfertigungspraxis die Form: A ordonne à B de payer à C E pour D bevorzugt.

Eine Variante dieses Grundmusters, die mit deutlich höherer Frequenz sowohl für deutsche als auch französische Ordonnanzen belegt ist, zeichnet sich durch die Auslassung von Kommunikationspartner A, dem Auftraggeber (Richter und 17 | Vgl. LU I 21 – 8,11; LU I 21 – 8,18; LU I 21 – 8,19a; LU I 21 – 8,20a; LU I 21 – 8,23 (zwei Ordonnanzen); LU I 21 – 8,24.

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Schöffen/Les Justicier et Eschevins), aus. Als Beispiel für die Ausfertigung einer deutschsprachigen Ordonnanz gelte LU I 21 – 8,16 fol. 1r: Eß wirdt die³er Statt Bauwmei³teren H Scheffen Marchant hirmitt / ahngeordnet Andreß Lie³(c)h Schomachern alhir wegen Ermachungh / acht Leder Eymeren zú bezahlen achtzehen ³chillingh welche Jhme / Jn ³einer bauwmei³terey Rechnungh gutt gemacht werden ³oll(e)n / Actum Lutzembourgh ahm 23 July 1669 / JPa Mannart

Die syntaktische Anordnung erfährt eine entsprechende Modifikation, der Prädikationsrahmen bleibt bestimmt durch (an)ordnen/(an)befehlen/ordonner: Auf die Einleitung durch topikales Es/Ce folgt die Nennung des Adressaten der Ordonnanz (Kommunikationspartner B), eingebettet in Hilfsverb (finite Form von werden/être) und Vollverb (Partizip Perfekt von (an)ordnen/(an)befehlen), bzw. folgend auf das Participe Passé von ordonner, sodass sich folgendes Schema ergibt: Es wird B (an)geordnet/(an)befohlen C für/wegen D E zu bezahlen/erlegen. Für die französischsprachige Ausfertigungspraxis: C’est ordonné à B de payer à C E pour D, als Beispiel gelte LU I 21 – 8,1 fol. 1r: C’est ordonné par ceste au S r Thomas Marchant Escheuin et Baumeister de / ceste Uille de payer hors des deniers de ³on Entremise aus S r Jacques Clement / Justicier moderne de ceste Uille cincquante et deux solz pour despens de / boúche faitz aupres de luy par un me³sager de la Uille de Metz, arresté / par ordre de Me³sieurs du magistrat et ce pour des affaires concernantes / le bien de la Uille. Lesquelz 52 solz ainsÿ payez audt S r Clement / luy seront passez et alloúez en la mise de ses Comptes parmÿ rapportan(t) / ceste et quittance ÿ servante. fait a luxembourg le 30 de 7bre / 1669 / JPa Mannart

Dieses Grundmuster (Gm2) ist für 27 der deutschsprachigen sowie vier der französischsprachigen von Mannart ausgestellten Ordonnanzen des Jahrgangs 1669 belegt,18 wobei auch hier Varianten in der syntaktischen Anordnung nachweisbar sind, resultierend aus der Alternanz der Bezugsstellen C, D und E. Sieht man von dieser syntaktischen Variation ab, so lassen sich sämtliche der von Mannart für den Jahrgang 1669 ausgestellten Ordonnanzen auf diese beiden Grundmuster zurückführen. Wie verhält es sich nun mit der Anwendbarkeit auf die Ausfertigungspraxis anderer Schreiber? Zeitlich in unmittelbarer Nähe zu Mannart steht Johann Si-

18 | Vgl. LU I 21 – 7,17; LU I 21 – 7,22; LU I 21 – 8,1; LU I 21 – 8,2; LU I 21 – 8,7; LU I 21 – 8,8; LU I 21 – 8,13; LU I 21 – 8,16; LU I 21 – 8,21; LU I 21 – 8,24; LU I 21 – 8,26; LU I 21 – 8,27; LU I 21 – 8,28; LU I 21 – 8,29; LU I 21 – 8,31; LU I 21 – 8,32; LU I 21 – 8,33; LU I 21 – 8,34; LU I 21 – 8,35; LU I 21 – 8,37; LU I 21 – 8,38; LU I 21 – 8,39; LU I 21 – 8,42; LU I 21 – 8,43; LU I 21 – 8,44; LU I 21 – 8,45; LU I 21 – 8,46; LU I 21 – 8,48; LU I 21 – 8,51; LU I 21 – 8,52; LU I 21 – 8,53.

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moni, der Vorgänger im Stadtschreiberamt. Als Beispiel für eine seiner Ausfertigungen gelte eine Ordonnanz aus dem Jahr 1668, LU I 21 – 8,6 fol. 1v: Richter undt Scheffen der Statt Lutzenburgh befehlen / dem herrn baúw mei³teren thoma³³en Mar³chand / adamen Rutgen Leÿendeckeren uor uorge³chriebene / arbeith zú bezahlen die ³omma uon Neúnzigh ³ieben / thaller zwantzigh Neún ³teúber, die welche ihm(e) beÿ / ahn end (u)nd orth ³ichs gebuhrt, passirt (un)d / gút gemacht werden ³ollen. actúm Lutzemburgh (ahm) / 22 Júnÿ 1668 Simoni

Die für das Grundmuster Gm1 herausgearbeiteten Charakteristika sind auch hier vollständig realisiert, ebenso wie auf der französischsprachigen Ordonnanz des Notars Peter Meiß, LU I 21 – 8,14 fol. 1r: Les Jústicier et Escheuins de la Uille de Luxem- / boúrg ordonnent aú s. r Escheuin Thomas / Marchant a present Bawmeister de lad te / Uille de paÿer au s. r Greffier substitút Charles / Kerschen les deux patacons et demÿ de salaire / iÿ dessús mentionnes, et parmÿ rapportant / Ceste auec quittance ÿ seruante Jls Luÿ- / seront Monéz ez Comtes de son administra[ti]on, / faict a Luxembourg le i5. me de feburier / 1669. par ordonnance / Pet. Maeÿ(s) Not[ariu]s

Bei Auslassung des Auftraggebers, Kommunikationspartner A, erfolgt eine Modifikation derart, dass der Prädikationsrahmen nicht durch (an)ordnen/(an) befehlen bestimmt wird, sondern durch eine finite Form von sollen mit topikalem Es, sodass sich das Grundmuster (Gm3) ergibt: Es solle B C für/wegen D E bezahlen/erlegen, wobei auch hier die syntaktische Anordnung der Bezugsstellen variieren kann. Als Beispiel für die Ausfertigungspraxis Simonis gelte LU I 21 – 4,11 fol. 1r: Es ³olle der baumei³ter hanß peter klerfin(g), / Johaneß Leyn(e)webe(r) de(m) pfort(nern) ahn der [Din]³ell- / pfort(en) weg(en) ³einer Jahrlichen be³tallungh zu Re / migy 1663 erfalln, erleg(en) die ³om(en) u(on) / ³ieb(en) hernguld(en), diwelche Jhme bei ³ein(er) / ambts Rechnungh pa³³irt u(nd) guttge(mac)ht / (werden) ³oll(en) Lutzen(bg) ahm 7 Novembris 1663 / Simoni

Als Beispiel für eine Ausfertigung durch Peter Meiß gelte LU I 21 – 8,12 fol. 1r: Eß Solle der her Baumei³ter marchant / die ob ³tehende greffereÿ we(l)che […] (dem) heren / Mannart bezahl(en), die welche Ihme In ³einer / zweÿter Baumei³tereÿ Rechnungh pa³³irt undt gut / gemacht werd(en) ³olle(n). Actum Lutzenbourg(h) ahm / 6 Julÿ 1669 / Auß befelch / P. Meÿß

Von den insgesamt 59 in LU I 21 durch den Stadtschreiber Simoni ausgestellten Ordonnanzen lassen sich 42 auf Gm1 und 17 auf Gm3 zurückführen, mithin

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vollständig durch diese beiden Grundmuster beschreiben.19 Peter Meiß fertigte bis einschließlich 1669 drei Ordonnanzen nach Gm1 und eine Ordonnanz nach Gm3 aus.20 Ein weiterer Schreiber, der Notar Peter Conrardi, fertigte im Rechnungsjahr 1669 drei Ordonnanzen nach Gm2 aus.21 Auch für Simoni, Meiß und Conrardi darf also der Schluss gezogen werden, dass die Ausfertigungspraxis der Ordonnanzen auf einige wenige Grundmuster rückführbar ist, die – die Ausfertigungen Mannarts mit inbegriffen – große Schnittmengen bilden und für die Makrostrukturen der in LU I 21 verfügbaren Ordonnanzen des Jahrgangs 1668/69 (und darüber hinaus: die Schreibertätigkeit Simonis setzt 1662 ein, diejenige Mannarts endet 1684) als konstitutiv gelten können. Schnittmengen auf der mikrostrukturellen Ebene usueller Wortverbindungen hingegen bilden die formelhafte Wendung Richter und Schöffen/ Les Justicier et Eschevins, die bei der Ausfertigung der nach Gm1 ausgestellten Ordonnanzen obligatorisch auftritt, sowie die fakultative Paarformel passieren und gutmachen/passer et allouer, die die Entlastung des Baumeisters bei der Jahresabrechnung regelt und die Sprachenkonstellation in der Stadt Luxemburg der Frühen Neuzeit auf bemerkenswerte Weise in nuce repräsentiert – wurde für die deutschsprachige Ausfertigungspraxis doch der französische Ausdruck passer mit entsprechender semantischer Konnotation übernommen und für die usualisierte Wortverbindung konstitutiv.

Fazit Die Ausfertigung eines spezifischen Kommunikationsschrittes im Verwaltungsschriftgut der frühneuzeitlichen Stadt Luxemburg  – der Ordonnanz  – weist über die Jahrgänge 1662 bis 1684 hinweg signifikante Musterbildungen sowohl auf makro- wie auch auf mikrostruktureller Ebene auf. Die Grundmuster der Makroebene werden dabei ebenso wie formelhafte Wendungen der Mikroebene von mehreren Schreibern und sowohl für deutsch- als auch französischsprachige Dokumente realisiert. Die administrative Praxis der Stadt Luxemburg verfügt damit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts über ein funktionierendes Instrumentarium der 19 | Die Ausfertigungen Simonis finden sich vornehmlich in LU I 21 – 4 sowie LU I 21 – 7 passim. 20 | Neben LU I 21 – 8,12 und LU I 21 – 8,14 findet sich eine weitere französischsprachige Ordonnanz, LU I 21 – 6,1, ausgestellt »par ordonnance a raison de Lindispo= / =sition dú Clerc Júré Simoni« und eine deutschsprachige, LU I 21 – 7,18, ausgestellt »Aus befelch wegen Unpäßligkeith / des herren ³tatt³chrÿbers Simoni«. 21 | Vgl. LU I 21 – 7,22 (zwei Ordonnanzen – eine ausgestellt von Mannart, eine von Conrardi, beide nach Gm 2); LU I 21 – 7,31 sowie LU I 21 – 8,49.

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Rechnungslegung für die Belange frankophoner wie germanophoner Bürger, wobei die Ausfertigung in beiden Sprachen nach dem semanto-syntaktischen Schema weniger Grundmuster und ihrer Varianten erfolgt.22 Versteht man unter Stadtsprache mit Peter von Polenz »grundsätzlich [das] Miteinander mehrerer Sprachvarietäten« (Polenz 1994: 213) und – so darf man für den Sprachkontaktraum Luxemburg hinzufügen – Sprachen, so zeigt sich für das Spannungsfeld von Germania und Romania der Stadt Luxemburg und ihres Einzugsgebietes in den schriftlichen Zeugnissen der Pièces des Comptes ein wahrhaftiges Nebenund Ineinander: Auf der makrostrukturellen Ebene der Textgliederung werden sämtliche mehrsprachige Kombinationen wie auch gänzlich einsprachige Ausfertigungen von Rechnungen Ordonnanzen und Quittungen realisiert. Der im vorliegenden Beitrag gewürdigte kommunikative Handlungsschritt der Ordonnanz erwies sich dabei als in seinem Grundmuster auf wenige Varianten rückführbar, die generationen- und sprachübergreifende Gültigkeit beanspruchen dürfen. Neben diesen Befunden zur administrativen Praxis und Kompetenz sind nicht zuletzt die damit einhergehenden Musterbildungen auf der mikrostrukturellen Ebene usualisierter Formulierungen bemerkenswert, die den dynamischen und lebendigen Austausch zwischen Deutsch und Französisch im geografischen, aber auch im institutionellen Sprachkontaktraum spiegeln.

Literatur Bange, Evamarie/Mayr, Christine (2010): Mehrsprachigkeit im Verwaltungsschriftgut der Stadt Luxemburg – ein Werkstattbericht. In: Claudine Moulin/Fausto Ravida/Nikolaus Ruge (Hg.): Sprache in der Stadt. Akten der 25. Tagung des Internationalen Arbeitskreises Historische Stadtsprachenforschung. Luxemburg, 11.–13. Oktober 2007. Heidelberg, S. 353–369. Bruch, Robert (1953): Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen. Luxemburg. Filatkina, Natalia (2011): Variation im Bereich der formelhaften Wendungen am Beispiel der Luxemburger Rechnungsbücher (1388–1500). In: Stephan Elspaß/ 22 | In Hinblick auf die Befunde von Natalia Filatkina zur Formelhaftigkeit der Luxemburger Comptes lässt sich feststellen, dass auch die Pièces des Comptes »keine kontinuierliche lineare oder fortschreitende Entwicklung zu einem endgültigen festen ›Formelinventar‹ [zeigen], sondern ein dauerhaftes Nebeneinander von einer festen modellhaften Grundstruktur und wechselnden Erscheinungen auf der Ebene der konkreten Formulierungen.« (Filatkina 2011: 93) Formular- oder Kanzleibücher, die entsprechende Muster für die Ausfertigung bestimmter Dokumententypen vorgäben, lassen sich darüber hinaus für das Luxemburger Kanzleiwesen der Frühen Neuzeit bislang nicht belegen.

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Überlegungen zur Entwicklung der Münd lichkeit und Schriftlichkeit in Luxemburg Britta Weimann Abstract Vielfältige Entwicklungen der geschriebenen und gesprochenen Sprache führen zu einer doppelten Standardisierung in Luxemburg und damit zur heutigen Sprachensituation. Die Zeit vor der Entstehung der beiden westgermanischen Standardsprachen gehört zur Geschichte beider historischen Einzelsprachen, daher sind die traditionellen Termini althochdeutsch, mittelhochdeutsch und frühneuhochdeutsch für germanisch-volkssprachige Texte aus dem Luxemburger Raum vor der Entstehung der luxemburgischen Nationalsprache durchaus vertretbar, wenn hochdeutsch als Bezeichnung für den südlichen Teil des kontinentalwestgermanischen Dialektkontinuums verstanden wird. Various developments of written and spoken language lead to a double standardization in Luxembourg and therefore to present language situation. The time before the emergence of two West Germanic standard languages is part of the history of both languages, so the traditional terms Old High German, Middle High German and Early Modern German are quite acceptable for Germanic vernacular texts from the Luxembourg area from the period before the development of Luxembourg’s national language, if High German is understood as a term for the southern part of the Continental West Germanic dialect continuum.

Einleitung Das Projekt Historische Wortbildung des moselfränkisch-luxemburgischen Raumes (WBLUX)1 untersucht die explizite nominale Derivation anhand handschriftlicher und gedruckter germanisch-volkssprachiger Quellen des 13. bis

1 | Unter der Leitung von Heinz Sieburg und Peter Gilles an der Universität Luxemburg (2009–2012).

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18.  Jahrhunderts,2 die im Raum der historischen Grafschaft Luxemburg lokalisiert sind. Damit endet es noch vor der Zeit, in der das Luxemburgische als Nationalsprache entsteht und in einen bis heute nicht abgeschlossenen Prozess der Kodifizierung und Standardisierung eintritt.3 Das Projekt umfasst Zeiten, in denen sich das Sprachengefüge und die Domänenverteilung der geschriebenen und gesprochenen Sprachen im späteren Luxemburg tiefgreifend wandeln. Daraus ergeben sich Fragen zur Abgrenzung und Benennung insbesondere der germanischen Varietäten, die bei den folgenden Überlegungen ausschließlich berücksichtigt werden.

Mündlichkeit und Schriftlichkeit Der Sprachstand der Korpusquellen ist nicht nur wegen des langen Zeitraums von sechs Jahrhunderten sehr disparat. Alte und neue Formen stehen häufig nebeneinander in einem Text. Im ältesten Rechnungsbuch der Stadt Luxemburg4 von 1388 finden sich gleich zu Beginn mehrere Beispiele: Dit is Rechenonge vnd bewyůonge myns herma(n) hilleů[hem] vnd myns thilmannes an d(er) achtporte(n) van dem das wi[r] intfangen han als van der ůtedde wegin van luccemb[urg] vnd van dem winrecht da ůelbeůt intfange(n) vnd vpgeha[uen] in dem jair 1300 Echtundachtzich jair als clerlich van worte zu worte her nae geůchriue(n) ůteit vnd bin(n)ent dem jair dat he(re) heinrich van bettinge(n) rijchter was zŢ luccemb(urg) vnd iůt in duß recheno(n)ge gerechent y e 10 wiůpenny(n)ge vur 1 guldin d(er) muntzin bintz vff mandag 15 dags im mertz (Moulin/Pauly 2007: 27)

Neben is (Zeile 1), dat (Z. 7) und vp(gehauen) (Z. 4) sind weiter südlich geltendes iǕt (Z. 8), das (Z. 2) und vff (Z. 9) belegt, ebenso schon Plosivgraphien für westgermanisch *J (ǕelbeǕt, Z. 4) neben den für den Großteil des Moselfränkischen zu erwartenden Frikativschreibungen wie in geǕchriue(n) (Z. 6).5 Die 2 | Für das 13. Jahrhundert wurden auch Texte aus anderen Teilen des Moselfrän ki schen aufgenommen. Nicht berücksichtigt werden lateinische und romanisch-volkssprachige Quellen aus der historischen Grafschaft Luxemburg. 3 | Die Bearbeitung des 19.–21. Jahrhunderts ist für ein geplantes Folgeprojekt vorgesehen. 4 | Zur schreibsprachlichen Analyse der Rechnungsbücher vgl. Ravida 2012. 5 | Anhand von Urkunden des 13. und frühen 14. Jahrhunderts lässt sich ein ähnlicher Verlauf der korf/korb-Linie wie in den rezenten moselfränkischen Dialekten rekonstru-

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älteren Formen sind im Rechnungsbuch von 1388 aber noch in der Mehrzahl.6 Ihre Fortsetzer gelten im heutigen Luxemburgischen: as (mit Senkung des Vokals), op, selwer, geschriwwen. Nur bei dat/dass sind beide Formen üblich. Die schreibsprachliche Entwicklung lässt einen zunehmenden, je nach Text und Textsorte unterschiedlich starken südlich-oberdeutschen Einfluss erkennen, der nicht mit sprechsprachlichen Entwicklungen korreliert. Die gesprochene und geschriebene Sprache haben sich schon früh auseinander entwickelt. Die frühe Übernahme von Merkmalen aus südlichen Schreibsprachen ist für das gesamte Moselfränkische charakteristisch. Hierin zeigt sich ein wichtiger Unterschied zum Ripuarischen, das sich später und zögerlicher am Süden orientiert. Die typische Entwicklung einer europäischen neuzeitlichen Sprache von der Besiedlung ihres Sprachraums bis zur Standardisierung und darüber hinaus beschreibt Klaus Mattheier im Handbuch Sprachgeschichte (2000: 1088f.). Nach der »Verankerung einer Sprache […] in einem bestimmten Raum« (1) folgt zu einem späteren Zeitpunkt die Verschriftlichung mit einem eigenen oder bereits bestehenden Schriftsystem (2). Es entstehen regional begrenzte Schreibsprachen, die zwar noch nah an der gesprochenen Sprache sind und »von den Sprechern/Schreibern als eine schriftliche Form ihrer eigenen Sprechsprache angesehen werden« (ebd.), aber schon die typische Auseinanderentwicklung von geschriebener und gesprochener Sprache erkennen lassen (3). Mit der Ausweitung der Schriftlichkeit auf immer mehr Bereiche des Lebens und dem Übergang zu einer skribalen Gesellschaft verbindet sich der Ausbau der sprachlichen Mittel (4), teils parallel dazu die allgemeine Verbreitung der Schreib- und Lesefähigkeit in der Sprachgemeinschaft (5). Die sechste Phase bildet die eigentliche Standardisierung, »d.h. die Ausbildung einer überregionalen, multifunktionalen und kodifizierten Varietät« (ebd.: 1089), die in vielen europäischen Sprachen noch nicht abgeschlossen ist (vgl. ebd.: 1088).7 Dieser Weg zur Standardisierung passt auf die Entwicklung in Luxemburg durchaus und führt zum geschriebenen Deutschen. Der genaue Ablauf von ersten südlich beeinflussten Formen wie im Rechnungsbuch von 1388 über das Umkippen zu einer Ausgleichssprache mit einzelnen verbliebenen regionalen Formen und schließlich zur Übernahme der neuhochdeutschen Schriftsprache ist für Luxemburg noch nicht näher erforscht. Ähnlich wie in Köln, wo im 16. Jahrhundert zunächst eine Umschichtung der sprachlichen Merkmale zum Gemeinen Deutsch, seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zur ieren. Plosivschreibungen nördlich der rezenten korf/korb-Linie finden sich ab dem frühen 14. Jahrhundert (vgl. Weimann im Druck: 104). 6 | Vgl. Ravida (2012: 135, 143f. u. 386) zu vp/vff, dat/das und geǕchriuen. is und iǕt sind mit je zwei Belegen gleich häufig. 7 | Bei Mattheier folgen auf die Standardisierung zwei weitere Phasen der Destandardisierung und Dealphabetisierung, die im Folgenden unbeachtet bleiben.

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neuhochdeutschen Schriftsprache ostmitteldeutscher Prägung erfolgt (vgl. Mattheier 2003: 2723f.), entsteht ein großer Abstand zwischen geschriebener und gesprochener Sprache, der in Köln durch die Entwicklung einer Umgangssprache überbrückt wird. Im Zuge der Romantik mit ihrer Hinwendung zur eigenen Kultur und Geschichte und damit auch zur Volkssprache entstehen in Köln und Luxemburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts Ansätze zu einer Dialektliteratur und einem Dialekttheater. Die politischen Umwälzungen nach der Französischen Revolution und dem Wiener Kongress von 1815 begünstigen die Hinwendung zur eigenen Sprache. In Köln spielen die Franzosenzeit und die »ungeliebte ›Verpreußung‹« (Hoffmann/Mattheier 2003: 2725) der ehemaligen Freien Reichsstadt eine Rolle. Für Luxemburg hatten der Wiener Kongress mit der Erhebung zum Großherzogtum und der Londoner Vertrag von 1839, der Luxemburg seine heutigen Grenzen und die Unabhängigkeit brachte, weit größere Folgen. Die Staatsgründung und Unabhängigkeit bilden die Grundlage zu einer dauerhaften Etablierung und Weiterentwicklung der geschriebenen Volkssprache über die ersten, noch zur Dialektliteratur zu rechnenden Versuche (vgl. Fehlen 2011: 574) hinaus. Damit wird zum zweiten Mal eine zunächst nur mündlich gebrauchte Varietät verschriftlicht. Das entstehende Luxemburgische trägt später zur Konstruktion einer nationalen Identität (»nation-building«, vgl. Fehlen 2011: 571f.) bei, die in Luxemburg erst nach der Staatsgründung erfolgte. Dieser Bezug zur nationalen Identität ist typisch für europäische Sprachen, die erst im 19. Jahrhundert einen Standardisierungsprozess beginnen: Es gibt also offensichtlich zwei Phasen, in denen die Neigung zur Ausbildung von überregional gültigen Sprachformen besonders ausgeprägt ist: die frühe Neuzeit, also das 15./16. Jh., und dann das 19. Jh. […] In der zweiten Phase der Standardisierung dominiert dagegen eindeutig die Besinnung auf die nationale Identität im Gefolge der Französischen Revolution und der Ideen von Herder und Humboldt. Die Sprache wird dadurch explizit zu einem primären Symbol nationaler Identität. (Mattheier 2000: 1091)

In Luxemburg sind aus beiden Standardisierungsphasen eigene Standardvarietäten hervorgegangen, die sich auf unterschiedlichem Ausbauniveau befinden: eine deutsche Standardvarietät (in luxemburgischer Prägung, vgl. Sieburg im Druck) und eine luxemburgische. Statt einer Koine, die Merkmale verschiedener luxemburgischer Dialekte vereinigt und die als vereinfachte supra-regionale Varietät über den Dialekten steht, wird heute eher die allmähliche Ausbreitung zentralluxemburgischer Merkmale in die nord-, ost- und südluxemburgischen Dialekte angenommen (vgl. Gilles 1999; 2006; Gilles/Moulin 2003: 310–312). Dieser Ausgleich zum Zentralluxemburgischen hin findet in der gesprochenen Sprache statt, beeinflusst aber ebenso die geschriebene Sprache, z.B. in Form der offiziellen Or-

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thographie, die sich am Zentralluxemburgischen orientiert (vgl. Moulin 2006: 332). Parallel zum Ausbau der sprachlichen Mittel und der funktionalen Ausweitung läuft die Kodifizierung des Luxemburgischen ab, ist aber längst noch nicht abgeschlossen. Im Bereich der Orthografie und Lexikografie ist sie am weitesten fortgeschritten, wie es für die Standardisierungsgeschichte von Volkssprachen typisch ist (vgl. Moulin 2006: 315 u. 317–326). Die Durchsetzung der offiziellen Orthografie von 1975 mit ihrer Reform von 1999 in der gesamten Sprachgemeinschaft wird u.a. dadurch verzögert, dass das Luxemburgische im Schulunterricht nur wenig Raum einnimmt. Die starke Position der beiden großen, stärker ausgebauten Schriftsprachen Deutsch und Französisch bremst die Standardisierung der noch jungen luxemburgischen Schriftsprache, die daher vor allem in neue Domänen vordringt, die noch nicht von den beiden älteren Schriftsprachen besetzt sind. Das Verhältnis der drei offiziellen Sprachen Luxemburgs lässt sich als Triglossie-Situation beschreiben (vgl. Gilles 2011: 43). Von den beiden nah verwandten westgermanischen Sprachen existierte das Luxemburgische lange Zeit vor allem als gesprochene Sprache, das Deutsche hingegen als Schriftsprache, die nur in bestimmten Situationen wie im Kontakt mit deutschsprachigen Ausländern und im Schulunterricht gesprochen wurde und die daher keinen erkennbaren Substandard entwickeln konnte und musste. Peter Gilles hat zeigen können, dass sich die ältere mediale Diglossie zunehmend in Richtung einer konzeptionellen Diglossie verschiebt: Nicht mehr die Medialität (mündlich oder schriftlich) spielt die Hauptrolle für die Sprachwahl, sondern die Konzeption (formell – informell) (vgl. Gilles 2011: 47). In eher informellen (= konzeptionell mündlichen) schriftlichen (= medial schriftlichen) Textsorten und Diskursarten wie privaten E-Mails, SMS, Forenbeiträgen und Chats dominiert das Luxemburgische klar (vgl. ebd.: 63f.).

Problem der Benennung Eng verbunden mit der Existenz zweier westgermanischer Standardsprachen in Luxemburg (neben dem Französischen) ist das Problem der Benennung ihrer Vorstufen aus der Zeit vor der Standardisierung, wie sie in den Texten des zu Beginn erwähnten Wortbildungsprojektes vorliegen. Die Verwendung der traditionellen Termini althochdeutsch, mittelhochdeutsch und frühneuhochdeutsch erscheint wegen ihres Hinterglieds -(hoch)deutsch problematisch, da dies als einseitige und ausschließliche Zuweisung der Projekttexte zur Geschichte der deutschen Standardsprache missverstanden werden könnte. Dabei werden die frühen Sprachzeugnisse aus dem Luxemburger Raum durchaus auch als Teil der Geschichte des Deutschen angesehen (vgl. Moulin 2006b: 203f.; 2007: 18; Sieburg 2009: 190f.; Solms/Wegera 1999: 17) und in den Sprachstufengram-

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matiken8 mitbehandelt. Das Maihinger Evangeliar aus Echternach gilt als ältestes Sprachzeugnis des Althochdeutschen: So stammen etwa die ältesten schriftlichen Quellen des Deutschen in althochdeutscher Zeit aus unserem [dem Luxemburger] Raum: die Echternacher Glossenüberlieferung ab dem Anfang des 8. Jahrhunderts bildet gewissermaßen den Anfang einer Sprachgeschichte der deutschen Sprache überhaupt. (Moulin 2007: 18)

Die Sprachstufenbezeichnungen werden gewöhnlich als Komposita aus einem Vorderglied, das die zeitliche Komponente bezeichnet, und einem Hinterglied -hochdeutsch verstanden (vgl. Mhd. Grammatik: § E7). hochdeutsch lässt sich in eine räumliche Komponente hoch- (im Gegensatz zu nieder- in niederdeutsch) und das Hinterglied -deutsch zerlegen. Die Geschichte des Adjektivs deutsch (< mhd.: diutsch < ahd.: diutisk) wie der latinisierten Bildung theodiscus ist gut erforscht (vgl. Reiffenstein 2003 mit weiterer Literatur). Im Gegensatz zur Mehrheit der Sprachbezeichnungen, die von Volksnamen abgeleitet sind, ist der Weg bei deutsch umgekehrt verlaufen (vgl. ebd.: 2191): Abgeleitet von germ. *þeudō ›Volk, Stamm‹ bedeutete das Zugehörigkeitsadjektiv germ. *þeudiskzunächst ›zum Volk/Stamm gehörig‹ und wurde ausschließlich auf Sprache bezogen. Daraus entwickelte sich die Bedeutung ›(germanisch-)volkssprachig‹, meist in Abgrenzung zum Lateinischen oder Romanisch-volkssprachigen (vgl. Mhd. Grammatik: § E3). Fortsetzer von germ. *þeudisk- in der Bedeutung ›germanisch-volkssprachig‹ gibt es im Niederländischen und Niederdeutschen wie im Hochdeutschen: Die Bedeutung des Sprachnamens mhd. diutsch, mnd. dudesch und ebenso mnl. dietsch, duutsch umfaßte im Mittelalter noch die gesamte Sprachen- und Dialektvielfalt von Flandern bis zur Südgrenze des dt. Sprachgebietes. (Reiffenstein 2003: 2198).

Der älteste Beleg für das latinisierte theodiscus (tam latine quam theodisce) bezieht sich sogar auf das Altenglische (vgl. ebd.: 2191). Von der Bezeichnung einer Sprache über ihre Sprecher und schließlich deren Sprachraum (vgl. Mhd. Grammatik: § E3; Reichmann 2000: 425) entwickelt sich die Bedeutung im Laufe des Mittelalters weiter, so in einem Beleg aus Bruder Hermanns Leben der Gräfin Yolanda von Vianden,9 dem ältesten längeren germanisch-volkssprachigen Text aus dem Raum Luxemburg:

8 | So z.B. in der Mittelhochdeutschen Grammatik Bruder Hermanns Leben der Gräfin Yolanda von Vianden aus dem späten 13. Jahrhundert (Handschrift frühes 14. Jahrhundert). 9 | Vgl. Anm. 8.

Ü BERLEGUNGEN ZUR E NT WICKLUNG DER M ÜND LICHKEIT UND S CHRIFTLICHKEIT IN L UXEMBURG Jt was n dutůchen landen Ein greue z0 vanden (29–30)10

Im räumlichen Bezug verengt sich das Adjektiv deutsch vom alten Heiligen Römischen Reich auf die heutige Bundesrepublik Deutschland, im personalen Bezug auf deren Bewohner, im sprachlichen Bezug auf die deutsche Standardsprache und die von ihr überdachten Dialekte (vgl. Reiffenstein 2003: 2198f.). Vor allem die nationale Konnotation erschwert die Verwendung der traditionellen Termini althochdeutsch, mittelhochdeutsch und frühneuhochdeutsch für ältere Texte aus dem Raum Luxemburg. Um diesem Problem zu entgehen, kann bei der Benennung von Vorstufen des Luxemburgischen auf die Dialektbezeichnungen mittelfränkisch bzw. moselfränkisch zurückgegriffen werden, wie z.B. Moulin (2007: 17) auf das Fehlen einer »moderne[n] sprachhistorische[n] Darstellung des Luxemburgisch-Moselfränkischen« hinweist. Im Titel des bereits erwähnten Wortbildungsprojektes Historische Wortbildung des moselfränkisch-luxemburgischen Raumes (WBLUX)11 wird das Attribut dagegen explizit auf den Raum bezogen, da die Sprache der jüngeren Projekttexte eben nicht durchgehend moselfränkisch ist. Das Sprachadjektiv luxemburgisch ist bereits als Bezeichnung für die historische Einzelsprache Luxemburgisch belegt. Für die Zeit vor der Entstehung des Luxemburgischen als Nationalsprache ist es anachronistisch und sollte daher vermieden werden (vgl. auch Moulin 2006b: 204, Anm. 24). Für Texte mit eher oberdeutschem Sprachstand wie die frühen Luxemburger Drucke ist es sowieso unpassend. Ähnlich wie die Abgrenzung zwischen Deutsch und Luxemburgisch in älterer Zeit problematisch ist, wurde in der Niederlandistik das Verhältnis des Deutschen zum Niederländischen kontrovers diskutiert. Aus germanistischer Sicht wurde das Niederländische in der Forschung lange als Teil des Deutschen vereinnahmt, seine Entstehung als Herauslösung aus den deutschen Dialekten beschrieben (vgl. Polenz 2000: 84; Groodt/Leuschner 2004: 51). Dabei bilden die Vorläufer des heutigen Niederländischen wie des Niederdeutschen und Hochdeutschen gemeinsam das kontinentalwestgermanische Dialektkontinuum. Während Jan Goossens »[d]ie Geschichte einer modernen germ. Kultursprache […] mit dem Auftreten ihrer ersten exklusiven Merkmale«, also beim Niederländischen und Deutschen vor Beginn der schriftlichen Überlieferung (vgl. 1974: 17), beginnen lässt, nimmt Luc de Grauwe (2003: 135)12 an, ein sprechwie schreibsprachliches Kontinuum sei bis zur Ausbildung der Nationalsprachen erhalten und mit einem »Gedanke[n] einer wie auch immer gearteten en10 | Zit. n. der Edition von Claudine Moulin. 11 | Die frühesten Projekttexte stammen aus dem gesamten Moselfränkischen. Erst ab dem 14. Jahrhundert konzentriert sich die Auswahl auf den altluxemburgischen Raum. 12 | Vgl. auch Groodt/Leuschner 2004: 53.

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gen Zusammengehörigkeit der Sprechweisen, aus denen in unterschiedlichen Selektions- und Kristallisationsprozessen die heutigen Kultursprachen Niederländisch und Deutsch hervorgegangen sind«, verbunden gewesen. Er setzt daher ein eigenes Diasystem theodisk (= kontinental-westgermanisch) an, das als Vorläufer der später entstehenden Standardsprachen gilt (vgl. ebd.: 148f.). Die Auflösung des Kontinuums ergibt sich hier durch das Aufkommen der Standardsprachen Deutsch und Niederländisch, die über genügend linguistischen Abstand verfügen. Auf der Ebene der Dialekte bleibt das alte Kontinuum – wenn auch unter dem Einfluss der Standardvarietäten beeinträchtigt – resthaft bestehen (vgl. Groodt/Leuschner 2004: 54). Grenzen lassen sich hier vor allem in Form von Strukturgrenzen feststellen. Die Suche nach Strukturgrenzen innerhalb eines historischen Dialektkontinuums ist oft aus dem Blickwinkel der späteren Sprachverhältnisse motiviert, indem heutige Sprachgrenzen möglichst für die Frühzeit legitimiert werden sollen. Die linguistisch bestimmten Strukturgrenzen decken sich meist nicht mit politischen Grenzen zwischen Territorien bzw. Nationalstaaten, die sich stattdessen in den Grenzen der Standardvarietäten niederschlagen (vgl. Kremer/Niebaum 1990: 7f.). Abweichend von den linguistisch bestimmten Strukturgrenzen werden Dialektgrenzen heute eher nach dem Überdachungskriterium gesetzt, so dass z.B. strukturell niederdeutsche Dialekte in den Niederlanden als niederländisch, strukturell niederländische Dialekte in Deutschland als deutsch gelten. Dies lässt sich u.a. dadurch rechtfertigen, dass sich die Dialekte unter dem Einfluss des überdachenden Standards auf diesen und damit auch aufeinander zubewegen. Für den niederländisch-deutschen Gegensatz lassen sich Strukturgrenzen aus Bündeln mehrerer sprachlicher Erscheinungen finden, die überwiegend schon vor Überlieferungsbeginn eingetreten sein müssen.13 Die Grenze zwischen hochdeutsch und niederdeutsch erweist sich dabei als tiefer als die zwischen niederländisch und dem angrenzenden Hochdeutschen in Form des Mittelfränkischen (vgl. Klein 1990: 40f.). Daraus lässt sich auf eine frühe Unterteilung des Kontinental-Westgermanischen schließen. Für den luxemburgisch-deutschen Gegensatz gibt es keine so frühen und tiefen Strukturgrenzen. Hier funktioniert die Abgrenzung über die zunehmende Standardisierung des Luxemburgischen und seinen Status als Nationalsprache, die die luxemburgischen Dialekte überdacht. Zusammen mit den moselfränkischen Dialekten in Deutschland bilden die luxemburgischen Dialekte ein 13 | Z.B. die althochdeutsche Lautverschiebung und Auslautverhärtung, die nur im Althochdeutschen gilt. Bei der Diphthongierung des germanischen *ņ, der Bewahrung von n vor stimmlosem Frikativ und dem Schwund von anlautendem h vor Konsonant stellen sich das Althochdeutsche und Altniederländische gemeinsam gegen das Altsächsische (= Altniederdeutsche) (vgl. Klein 1990: 41). Die Belege für diese Erscheinungen finden sich in schriftlichen Quellen und setzten sich in den rezenten Dialekten fort.

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Kontinuum, das sich bedingt durch die unterschiedlichen Kommunikationsbedingungen wie die Mehrsprachigkeit in Luxemburg14 und den unterschiedlichen Ausbaugrad der moselfränkischen Varietäten auf beiden Seiten der Staatsgrenze auseinanderentwickelt. Die Grenze besteht zwischen zwei verschiedenen Varietäten- bzw. Sprachengefügen und ist vor allem eine Sprachgebrauchsgrenze.

Zusammenfassung Das Problem der Terminologie lässt sich begrenzen, indem -hochdeutsch in althochdeutsch, mittelhochdeutsch, frühneuhochdeutsch explizit in der Bedeutung als einem von drei Teilen des kontinentalwestgermanischen (oder theodisken) Kontinuums verwendet wird. Dass deutsch gleichzeitig als Sprachbezeichnung für eine der beiden hochdeutschen Standardsprachen dient, ist sicher ungünstig.15 Die Etablierung eines neuen gemeinsamen Terminus für das Hochdeutsche als Teil des Kontinentalwestgermanischen ist aber nicht zu erwarten, wie sich auch theodisk bisher nicht durchgesetzt hat. Die frühen Ansätze zur Verschriftlichung der Volkssprache wie die althochdeutschen Echternacher Glossen oder die mittelhochdeutsche Yolanda von Vianden können zur Vorgeschichte16 sowohl der deutschen wie der luxemburgischen Standardsprache gezählt werden, die beide aus hochdeutschen Dialekten hervorgegangen sind.17 14 | So gibt es in den moselfränkischen Dialekten auf deutscher Seite keine neueren französischen Entlehnungen. 15 | Grauwe (2003: 148) verweist auf den »Keim eines Identitätskonfliktes«, den »eine vollzogene Spaltung ohne Namensdifferenzierung für die resultierenden Sprachen« zwangsläufig nach sich ziehe. In seinem Beispiel geht es um den ersten Vers der niederländischen Nationalhymne (Wilhelmus van Nassouwe, ben ick van duytschen bloet) mit duytsch in der alten, weiteren Bedeutung, der sich mit dem bereits zitierten ersten Vers nach dem Prolog aus Bruder Hermanns Leben der Gräfin Yolanda von Vianden (Jt was n dutůchen landen / Ein greue z1 vanden) vergleichen lässt. 16 | Die Vorgeschichte einer Standardsprache meint hier die Zeit vor der Entstehung einer Standardvarietät im Unterschied zur Vorgeschichte einer Sprache, die meist für die überlieferungslose Zeit steht. 17 | So schränkt auch Moulin ihre Aussage, dass »die ältesten schriftlichen Quellen des Deutschen in althochdeutscher Zeit« (Moulin 2007: 18) aus dem Luxemburger Raum stammen, ein: »Dabei ist zu betonen, dass die deutsche Sprache, wie wir sie heute kennen, nur eines der (in diesem Fall durch Normierung geschaffenen) Endprodukte der sprachgeschichtlichen Entwicklung jener hochdeutschen Dialekte darstellt, die sich im Rahmen der so genannten zweiten Lautverschiebung aus dem Westgermanischen herausgebildet haben.« (Ebd.: Anm. 5)

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Literatur Bruder Hermann von Veldenz: Leben der Gräfin Yolanda von Vianden. Textgetreue Edition des Codex Mariendalensis von Claudine Moulin. Institut Grand-Ducal, Section de Linguistique, d’Éthnologie et d’Onomastique. Luxemburg 2009. Fehlen, Fernand (2011): »Letzebourger Deutsch«. Aus der Vorgeschichte der Luxemburger Sprache (1815–1830). In: Association luxembourgeoise des enseignants de l’histoire (Hg.): Du Luxembourg à l’Europe. Hommages à Gilbert Trausch à l’occasion de son 80e anniversaire. Luxemburg, S. 571–591. Gilles, Peter (1999): Dialektausgleich im Lëtzebuergeschen. Zur phonetisch-phonologischen Fokussierung einer Nationalsprache. Tübingen [Phonai 44]. –  (2006): Dialektausgleich im Luxemburgischen. In: Claudine Moulin/Damaris Nübling (Hg.): Perspektiven einer linguistischen Luxemburgistik. Studien zu Diachronie und Synchronie. Heidelberg [Germanistische Bibliothek 25], S. 1–27. – (2011): Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der luxemburgischen Sprachgemeinschaft. In: Georg Mein/Heinz Sieburg (Hg.): Medien des Wissens. Interdisziplinäre Aspekte von Medialität. Bielefeld, S. 43–64. –/Moulin, Claudine (2003): Luxembourgish. In: Ana Deumert/Wim Vandenbussche (Hg.): Germanic Standardizations. Past to Present. Amsterdam/Philadelphia [Impact: Studies in language and society], S. 303–329. Goossens, Jan (1974): Historische Phonologie des Niederländischen. Tübingen. Grauwe, Luc de (2003): Theodistik. Zur Begründung eines Faches und ein Plädoyer für eine kontinentalwestgermanische Sicht auf die neuzeitliche Bifurkation Deutsch/Niederländisch. In: Raphael Berthele u.a. (Hg.): Die deutsche Schriftsprache und die Regionen. Entstehungsgeschichtliche Fragen in neuer Sicht. Berlin/New York, S. 127–156. Groodt, Sarah de/Leuschner, Torsten (2004): Kausal-konditional-konzessive Subjunktoren im Westgermanischen. Theodistik als Sprachsystemgeschichte aus funktional-typologischer Sicht. In: Germanistische Mitteilungen 59, S. 51–64. Hoffmann, Walter/Mattheier, Klaus J. (2003): Die Stadt in der neueren deutschen Sprachgeschichte III: Köln. In: Werner Besch u.a. (Hg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2., vollst. neu bearb. u. erweit. Aufl. Bd. 3. Berlin/New York [Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.3], S. 2321–2340. Klein, Thomas (1990): Zur Nordgrenze des Althochdeutschen und zu germ. J, L im Altmittelfränkischen. In: PBB (T) 112, S. 26–54. Kremer, Ludger/Niebaum, Hermann (1990): Zur Einführung: Grenzdialekte als Gradmesser des Sprachwandels. In: Dies. (Hg.): Grenzdialekte. Studien zur Entwicklung kontinentalwestgermanischer Dialektkontinua (= Germanistische Linguistik 101–103). Hildesheim/Zürich/New York, S. 7–21. Mattheier, Klaus J. (2000): Die Herausbildung neuzeitlicher Schriftsprachen. In: Werner Besch u.a. (Hg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der

Ü BERLEGUNGEN ZUR E NT WICKLUNG DER M ÜND LICHKEIT UND S CHRIFTLICHKEIT IN L UXEMBURG deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2., vollst. neu bearb. u. erweit. Aufl. Bd. 2. Berlin/New York [Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.2], S. 1085–1107. – (2003): Aspekte einer rheinischen Sprachgeschichte. In: Werner Besch u.a. (Hg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2., vollst. neu bearb. u. erweit. Aufl. Bd. 3. Berlin/ New York [Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.3], S. 2712–2728. Mhd. Grammatik (2007) = Paul, Hermann: Mittelhochdeutsche Grammatik. 25.  Aufl. neu bearb. v. Thomas Klein, Hans-Joachim Solms und Klaus-Peter Wegera. Mit einer Syntax von Ingeborg Schröbler, neu bearb. und erweit. v. Heinz-Peter Prell. Tübingen [Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte A2]. Moulin, Claudine (2006a): Grammatisierung und Standardisierung des Luxemburgischen. Eine grammatikographisch-sprachhistorische Annäherung. In: Dies./Damaris Nübling (Hg.): Perspektiven einer linguistischen Luxemburgistik. Studien zu Diachronie und Synchronie. Heidelberg [Germanistische Bibliothek 25], S. 305–339. – (2006b): Regionale Sprachgeschichtsforschung und Dialektologie: Das Luxemburgische. In: Ursula Götz/Stefanie Stricker (Hg.): Neue Perspektiven der Sprachgeschichte. Internationales Kolloquium des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 11. und 12. Februar 2005. Heidelberg [Germanistische Bibliothek 26], S. 197–210. – (2007): Die Kontenbücher der Stadt Luxemburg als sprachhistorische Quelle. In: Die Rechnungsbücher der Stadt Luxemburg. Hg. v. Claudine Moulin u. Michel Pauly unter Mitarbeit von Andreas Gniffke u.a. Erstes Heft: 1388–1399. Luxemburg [Schriftenreihe des Stadtarchivs Luxemburg 1; Publications du CLUDEM 20]. –/Pauly, Michel (Hg.; 2007): Die Rechnungsbücher der Stadt Luxemburg. Hg. […] unter Mitarbeit von Andreas Gniffke u.a. Erstes Heft: 1388–1399. Luxemburg [Schriftenreihe des Stadtarchivs Luxemburg 1; Publications du CLUDEM 20]. Polenz, Peter v. (2000): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Bd. I: Einführung – Grundbegriffe – 14. bis 16. Jahrhundert. Berlin/New York. Ravida, Fausto (2012): Graphematisch-phonologische Analyse der Luxemburger Rechnungsbücher (1388–1500). Ein Beitrag zur Historischen Stadtsprachenforschung. Heidelberg [Germanistische Bibliothek 43]. Reichmann, Oskar (2000): Nationalsprache als Konzept der Sprachwissenschaft. In: Andreas Gardt (Hg.): Nation und Sprache. Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart. Berlin/New York, S. 419–469. Reiffenstein, Ingo (2003): Bezeichnungen der deutschen Gesamtsprache. In: Werner Besch u.a. (Hg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2., vollst. neu bearb. u. erweit. Aufl.

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B RITTA W EIMANN Bd. 3. Berlin/New York [Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.3], S. 2191–2205. Sieburg, Heinz (2009): Sprachhistorische Schlaglichter. In: Patrick Bousch u.a. (Hg.): Luxemburg-Atlas/Atlas du Luxembourg. Köln, S. 190f. – (im Druck): Luxemburger Deutsch? Zur Frage einer nationalen Varietät der deutschen Standardsprache in Luxemburg. In: Franciszek Grucza u.a. (Hg.): Akten zum XII. IVG-Kongress »Vielheit und Einheit der Germanistik weltweit«, Warschau, 30. Juli – 07. August 2010. Bd. 3. Warschau, S. 139–143. Solms, Hans-Joachim/Wegera, Klaus-Peter (1999): Einleitung. In: Dies. (Hg.): Luxemburger Druckersprache des 17. Jahrhunderts. Luxemburg, S. 15–23. Weimann, Britta (im Druck): Moselfränkisch. Der Konsonantismus anhand der frühesten Urkunden. Köln/Weimar/Wien [Rheinisches Archiv 157].

Autorinnen und Autoren

Charles Berg, Professor an der Universität Luxemburg, Campus Walferdange, Route de Diekirch, L – 7220 Walferdange; E-Mail: [email protected].  – Erziehungswissenschaftler, Studium an den Universitäten Marburg, Tübingen und Trier. Mitbegründer und langjähriger Leiter des Centre d’études sur la situation des jeunes (CESIJE), Mitglied von Pool of European Youth Researchers (PEYR). – Arbeitsgebiete: Forschungsmethoden, Bildungssoziologie, Mehrsprachigkeit und Sprachdidaktik, intergenerationelle Beziehungen und Jugendforschung. Fernand Fehlen, Senior Lecturer an der Universität Luxemburg, Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geistes- und Erziehungswissenschaften, Institut für luxemburgische Sprach- und Literaturwissenschaft, Route de Diekirch, L – 7220 Walferdange; E-Mail: [email protected]. – Seit 1990 Lehre und Forschung an verschiedenen Luxemburger Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Dozent an der Universität Luxemburg seit deren Gründung im Jahre 2003. – Forschungsschwerpunkte: Empirische Sozialforschung zur Luxemburger Gesellschaft, insbesondere zu Sprachensituation und Sozialstruktur. – Veröffentlichungen: Elitensprache in Luxemburg. In: Forum 314, S. 41–46; »Letzebourger Deutsch«: Oder: aus der Vorgeschichte der Luxemburger Sprache (1815-1830). In: Jean Leider u.a. (Hg.): Du Luxembourg à l’Europe. Luxembourg 2011, S. 571-591; [mit Sabine Ehrhart] Luxembourgish: A Success Story? A Small National Language in a Multilingual Country. In: Joshua A. Fishman/Ofelia Garcia (Hg.): Handbook of Language and Ethnic Identity. Vol. 2: The Success-Failure Continuum in Language and Ethnic Identity Efforts. Oxford 2011, S. 285-298; Multilingualismus und Sprachenpolitik. In: Wolfgang Lorig (Hg.): Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung. Wiesbaden 2008, S. 45–61. Jeanne E. Glesener, Dr. phil., Université du Luxembourg, Laboratoire: Linguistique et littératures luxembourgeoises, Campus Walferdange, Route de Diekirch, L – 7220 Walferdange; E-Mail: [email protected]. – Etudes de lettres modernes et de littérature générale et comparée. Depuis 2009, assistant-chercheur en littératures luxembourgeoises à l’Université du Luxembourg. Thèse de doctorat sur la littérature migrante en Allemagne, en Grande-Bretagne et au Luxembourg. Domaines de recherche: littératures luxembourgeoises, représentation de la sidérur-

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V IELFALT DER S PRACHEN – V ARIANZ DER P ERSPEK TIVEN gie dans les littératures luxembourgeoises, littérature migrante en Europe, petites littératures en Europe, littérature postcoloniale, littérature mondiale, roman policier. Publications portent sur la réception de la littérature migrante, la littérature migrante au Luxembourg, la poétique de l’écrivain migrant Jean Portante, la sidérurgie dans les littératures luxembourgeoises et le roman policier interculturel entre autres. Aurélie Haismann, Université du Luxembourg/Université de Berne, Laboratoire de linguistique et de littérature françaises, Campus Walferdange, bâtiment X, Route de Diekirch, L  –  7220 Walferdange; E-Mail : [email protected].  – Assistante-doctorante en sciences médiatiques (littérature, sciences culturelles, analyse des discours) au sein de la Faculté des Lettres, des Sciences Humaines, des Arts, des Sciences de l'Éducation de L'Université du Luxembourg, Aurélie Haismann complète sa formation scientifique sous la direction de la Professeure Sylvie Freyermuth et du Professeur Marc Bonhomme (Université de Berne). Dans le cadre du projet ident (ur ipse), elle mène des recherches sur le rôle de la re-présentation des événements dans la construction des identités médiatiques à la Une des quotidiens luxembourgeois d’expression française. Les dernières avancées de ses travaux ont été présentées lors de colloques de portée internationale tels que celui intitulé Langage, discours, événement, organisé par le cediscor-syled (Université Sorbonne nouvelle) et le Département sitlec (Université de Bologne) du 31 mars au 2 avril 2011. Dominic Harion, M.A., Universität Trier, Fachbereich II: Germanistik – Ältere Deutsche Philologie, Universitätsring 15, D  –  54296 Trier; E-Mail: [email protected].  – Studium der Germanistik und Philosophie (Magister- und Staatsexamen). Seit 2011: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich II: Germanistik – Ältere Deutsche Philosophie der Universität Trier (Univ.-Prof. Claudine Moulin). Seit 2011: Dissertationsprojekt Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt in der Stadt Luxemburg der Frühen Neuzeit (Stipendium des Fonds National de la Recherche Luxembourg). – Veröffentlichungen: Maurice Merleau-Ponty: Zeichen. Auf der Grundlage der Übersetzungen von Barbara Schmitz, Hans Werner Arndt und Bernhard Waldenfels unter Mitarbeit von Annika Hand und Dominic Harion kommentiert und mit einer Einleitung herausgegeben von Christian Bermes. Hamburg 2007 [Philosophische Bibliothek 590]; Mehrsprachigkeit und Sprachverwendung im Verwaltungsschriftgut der Stadt Luxemburg des 16.–17. Jahrhunderts. »Pièces des comptes« als sprach- und stadtgeschichtliche Quelle. In: Sprache in der Stadt. Akten der 25. Tagung des Internationalen Arbeitskreises Historische Stadtsprachenforschung. Luxemburg, 11.–13. Oktober 2007. Hg. v. Claudine Moulin, Fausto Ravida u. Nikolaus Ruge. Heidelberg 2010 [Germanistische Bibliothek 36], S. 371–384. Irmgard Honnef-Becker, Dr. phil., Universitär Trier, FB II: Deutsch als Fremdsprache, Universitätsring 15, D – 54296 Trier; E-Mail: [email protected]. – Forschungsschwerpunkte: Interkulturelle Literaturwissenschaft, Interkulturelle

A UTORINNEN UND A UTOREN Kommunikation, Didaktik des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache. Veröffentlichungen zu Literaturtheorie, Interkulturellen Literatur, Interkulturellen Kommunikation, Literaturdidaktik. Luxemburgistik, Mehrsprachigkeit, Multikulturalität, Didaktik und Methodik des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache. – Veröffentlichungen: Dialoge zwischen den Kulturen. Interkulturelle Literatur und ihre Didaktik. Baltmannsweiler 2007; »hier spricht man in vielen zungen« Literaturen im polyglotten Luxemburg. In: arcadia. Internationale Zeitschrift für Literaturwissenschaft 23 (2008), H. 2, 388-407; [zus. mit Dieter Heimböckel, Georg Mein u. Heinz Sieburg (Hg.)]: Zwischen Provokation und Usurpation. Interkulturalität als (un-)vollendetes Projekt der Literatur- und Sprachwissenschaften. München 2010; »Sobald man draußen ist, ist man kein Luxemburger mehr«. Zur Standarddiskussion deutsch-sprachiger Luxemburger Gegenwartsliteratur. In: Aufbrüche und Vermittlungen. Beiträge zur Luxemburger und europäischen Literatur- und Kulturgeschichte. Hg. v. Claude D. Conter u. Nicole Sahl. Bielefeld 2010, 389-410; Narrative Muster der Fremdwahrnehmung bei Barbara Frischmuth und Emine S. Özdamar. In: Interkulturelle Begegnungen in Literatur, Film und Fernsehen. Ein deutsch-japanischer Vergleich. Hg. v. Hilaria Gössmann, Renate Jaschke u. Andreas Mrugalla. München 2011, 181-203. Peter Kühn, Prof. Dr., Universitär Trier, FB II: Deutsch als Fremdsprache, Universitätsring 15, D  –  54296 Trier; E-Mail: kü[email protected]. – Universitätsprofessor für germanistische Linguistik und Deutsch als Fremdsprache. Forschungsschwerpunkte: Pragmatik und Handlungstheorie, Lexikologie und Lexikografie, Phraseologie und Phraseographie, Textlinguistik und Verstehenstheorie, Didaktik des Deutschen als Erst-, Zweit- und Fremdsprache; zahlreiche Verffentlichung zu Grammatik und Didaktik der Grammatik, Interkulturelle Kommunikation und Semantik, Lexikografie und Wörterbuchbenutzungsforschung, Lexikologie und Wortschatzarbeit, Luxemburgistik: Mehrsprachigkeit, Multikulturalität, Schulentwicklungsforschung, Phraseologie, Phraseografie und Phraseodidaktik, Pragmatik und Handlungstheorie, Textlinguistik und Textverstehen, Varietätenlinguistik: Dialektologie, Fachsprachen, Mediensprache, gesprochene Sprache; Didaktik und Methodik Deutsch als Erstsprache sowie Didaktik und Methodik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Marianne Milmeister, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Luxemburg am Centre d’études sur la situation des jeunes (CESIJE), Campus Walferdange, Route de Diekirch, L – 7220 Walferdange; E-Mail: marianne.milmeister@ uni.lu. – Soziologin, Studium an der Universität Trier. Luxemburger Korrespondentin des European Knowledge Centre for Youth Policy (EKCYP). – Arbeitsgebiete: Jugendforschung mit den Schwerpunkten Gesundheit, intergenerationelle Beziehungen, Stadtsoziologie, Kooperation von Forschung, Politik und Praxis. Heinz Sieburg, Prof. Dr., Universität Luxemburg, Fakultät 3 (FLSHASE) Campus Walferdange, Route de Diekirch, L – 7220 Walferdange; E-Mail: heinz.sieburg@

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V IELFALT DER S PRACHEN – V ARIANZ DER P ERSPEK TIVEN uni.lu – Professor für germanistische Mediävistik und Linguistik. – Forschungsschwerpunkte: Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters, Interkulturelle Mediävistik, Historische Wortbildung, Soziolinguistik, Varietätenlinguistik und Dialektologie. – Publikationen: u.a. Literatur des Mittelalters. Berlin 22012; Medien des Wissens. Interdisziplinäre Aspekte von Medialität (hg. mit Georg Mein). Bielefeld 2011; Zwischen Provokation und Usurpation. Interkulturalität als (un-)vollendetes Projekt der Literatur- und Sprachwissenschaften (hg.. mit Dieter Heimböckel, Irmgard Honnef-Becker u. Georg Mein). München 2010; Mitherausgeber der Zeitschrift für interkulturelle Germanistik. Christiane Weis, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Luxemburg am Centre d’études sur la situation des jeunes (CESIJE), Campus Walferdange, 5, Route de Diekirch (B.P. 2), L – 7201 Walferdange; E-Mail: christiane.weis@uni. lu. – Soziologin, Studium an der Université libre de Bruxelles. – Arbeitsgebiete: Bildungssoziologie, Jugendforschung, politikrelevante Sozialforschung und Sprachlernen in multilingualen Kontexten. Britta Weimann, Dr. des., Universität Luxemburg, Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften, Campus Walferdange, Route de Diekirch, L – 7220 Walferdange; E-Mail: [email protected]. – Studium der Germanistik und Indogermanistik, Dissertation: Zum Konsonantismus moselfränkischer Urkunden des 13. und frühen 14. Jahrhunderts. Seit 2009: Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Tandemprojekt Historische Wortbildung des moselfränkisch-luxemburgischen Raumes (WBLUX) an der Universität Luxemburg (Prof. Dr. Heinz Sieburg/Prof. Dr. Peter Gilles). – Veröffentlichungen: Berührungspunkte bei der Erforschung historischer Wortbildung und Syntax. In: Franz Simmler/Claudia Wich-Reif (Hg.): Syntaktische Variabilität in Synchronie und Diachronie vom 9. bis 18. Jahrhundert. Akten zum Internationalen Kongress an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, 9. bis 12. Juni 2010. Berlin 2011, S.  321–335; Moselfränkisch. Der Konsonantismus anhand der frühesten Urkunden. Köln/Weimar/Wien [Rheinisches Archiv 157] (im Druck); Zur Morphosyntax des Adjektivs im Moselfränkischen. In: Michel Lefèvre/Anna Pfister (Hg.): Syntaktischer Wandel in Gegenwart und Geschichte. Akten zum Internationalen Kolloquium 9.– 11.06.2011 in Montpellier. Berlin (im Druck); Mitarbeit an Thomas Klein/Hans-Joachim Solms/Klaus-Peter Wegera (Hg.): Mittelhochdeutsche Grammatik. Teil III: Wortbildung. Tübingen 2009. Frank Wilhelm, Prof. Dr., Universität Luxemburg, Fachbereich : Französische und Französischsprachige Literaturen. FLSHASE, Route de Diekirch, L  –  7220 Walferdange; E-Mail: [email protected]. – Studium der französischen Literatur in Luxemburg und Paris, Doktorat an der Sorbonne, seit 1991 Lehrbeauftragter, dann Professor an der Universität Luxemburg (2003), seit September 2012 a.D. – Forschungsschwerpunkte: Moderne französische Literatur, Luxemburger Franco-

A UTORINNEN UND A UTOREN phonie, Komparatismus. – Veröffentlichungen: La Francophonie du Grand-Duché de Luxembourg. Pécs/Wien 1999; L’écrivain francophone grand-ducal et ses choix linguistique et culturel. In: Revue belge de philologie et d’histoire 79 (2001), fasc. 3: Langues et littératures modernes, S. 883–906; Sous le signe de Virgile, de Montaigne et de Proust. À la recherche de Jean Sorrente, romancier. In: Remise du Prix Servais 2003 à Monsieur Jean Sorrente. 24 juin 2003. Hg. v. Fondation Servais pour la littérature luxembourgeoise. Mersch 2004, S. 9–20; La littérature francophone luxembourgeoise et son positionnement problématique. L’Amuse-bouche. In: Le Journal en Langue française de l’Université de Yale/The French Language Journal at Yale University. Le nouveau numéro (Yale) 1 (2010), H. 1 (printemps/ spring) 2010, S. 99–112; Jean Portante, écrivain lyrique et engagé. In: Prix Batty Weber Jean Portante [prix national de littérature 2011]. Hg. v. Ministère de la Culture. Luxemburg 2011, S. 3–17.

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Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft Corinna Albrecht, Andrea Bogner (Hg.) Tischgespräche: Einladung zu einer interkulturellen Wissenschaft März 2013, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2206-5

Thomas Ernst, Dieter Heimböckel (Hg.) Verortungen der Interkulturalität Die ›Europäischen Kulturhauptstädte‹ Luxemburg und die Großregion (2007), das Ruhrgebiet (2010) und Istanbul (2010) Januar 2012, 316 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1826-6

Michaela Holdenried, Weertje Willms (Hg.) Die interkulturelle Familie Literatur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven April 2012, 276 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1880-8

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Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft Jörg Krappmann Allerhand Übergänge Interkulturelle Analysen der regionalen Literatur in Böhmen und Mähren sowie der deutschen Literatur in Prag (1890-1918) Februar 2013, ca. 330 Seiten, kart., ca. 34,80 €, ISBN 978-3-8376-2075-7

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