Konjunktur und Krise: Jahrgang 9, Heft 3 [Reprint 2022 ed.]
 9783112645703

Table of contents :
INHALT
INHALTSVERZEICHNIS
Vorbemerkungen
Kurze Übersicht über die Berechnungsgrundlagen
Tabellen
Ökonomische Wirkungen und Grenzen der regionalen Form der Integration, dargestellt am Beispiel der EWG
Wirkungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus auf die Landwirtschaft
Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates und die Bedeutung der internationalen rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit
Westeuropa und die USA — einige ökonomische Ergebnisse
UMSCHAU
Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964
BUCHBESPRECHUNGEN
CONTENTS

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Konjunktur nl " Krise

KONJUNKTUR UND KRISE Wissenschaftliches Bulletin des Instituts für Wirtschaftswissenschaften bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

Statistische Beilage 23. Folge (Beilage zu Hett 3/1965)

D. Indexzahlen der Entwicklung der Arbeitsproduktivität Teil 4 Historische Daten über die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA)

Zeichenerklärung: . Angaben liegen nicht vor. . . . Angaben lagen bei Redaktionsschluß nicht vor. — Null oder weniger als die Hälfte der verwendeten Einheit. Ein Trennungsstrich innerhalb der Zahlenreihe (horizontal in den Spalten, vertikal in den Zeilen) bezeichnet eine Unterbrechung der Kontinuität der Reihe. Vergleiche die jeweilige Anmerkung. * Vorläufige Zahlen. () Geschätzte Zahlen.

INHALT Ökonomische Wirkungen und Grenzen der regionalen Form der Integration, dargestellt am Beispiel der EWG PETER HESS, Wirkungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus auf die Landwirtschaft . HOBST HEININGER, Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates und die Bedeutung der internationalen rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit JELISAWETA CHMELNIZKAJA, Westeuropa und die U S A — einige ökonomische Ergebnisse . . . . RUDI GÜNDEL,

195 215 231 249

Umschau: ERNST LÜDEMANN,

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre

1964.

. 261

Buchbesprechungen: „Theorie und Praxis der monetären Planung in der Zentralverwaltungswirtschaft". Verlag Gustav Fischer, Stuttgart, 1965, 259 S 285 ALFRED BÖNISCH, KAMP/SMOLINSKI, „Untersuchungen zur endogenen Prozeßsystematik der marktwirtschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert". Verlag Gustav Fischer, Stuttgart, 1964, 211 S 290

WILHELM SCHMIDT, GERNOT GUTMANN,

Statistische

Beilage

Redaktionsschluß:

4. 6. 1965

Herausgeber:

Institut f ü r Wirtschaftswissenschaften bei der Deutschen Akademie

Redaktionskollegium:

Prof. Dr. J . L. SCHMIDT, Chefredakteur Prof. FRED OELSSNER Prof. Dr. A. LEMMOTTZ

der Wissenschaften zu Berlin

D r . R . GÜNDEL D r . P . HESS D r . K . ZLESCHANG

Dr. R. ANDEXEL, Redaktionssekretär Anschrift der Redaktion: 108 Berlin 8, Leipziger Str. 3

Verantwortlich für den Inhalt: Prof. Dr. J . L. SCHMIDT, 108 Berlin 8, Leipziger Str. 3. Verlag: Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin 8, Leipziger Str. 3 - 4 , Fernruf 220441, Telex-Nr. 011773, Postscheckkonto: Berlin 35021. Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Bezugspreiseines Heftes MDN 4, —. Veröffentlicht unter der Lizenznummer 1338 des Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik. Bestellnummer dieses Heftes: 1059/9/3. Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza. Nachdruck, Vervielfältigungen, Verbreitungen und fremdsprachige Übersetzungen des Inhaltes dieser Zeitschrift — auch auszugsweise — mit Quellenangaben bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers.

INHALTSVERZEICHNIS Seite

Quellenangaben u n d Vorbemerkungen 3 Abkürzungen 3 Kurze Übersicht über die Berechnungsgrundlagen 4/5 Tabelle 1 Indexzahlen der volkswirtschaftlichen P r o d u k t i v i t ä t , 1889 bis 1957 (1929 = 100) 6/7 Tabelle 2 Indexzahlen der volkswirtschaftlichen P r o d u k t i v i t ä t , 1947 bis 1957 ( 1 947/49 = 100) 8 Tabelle 3 Bergbau, Indexzahlen des Produktionsergebnisses je Arbeiterstunde, 1880bis 1957 (1929 = 100 bzw. 1947 = 100) 9 Tabelle 4 Verarbeitende Industrie insgesamt, Indexzahlen des Nettoproduktionsergebnisses 10 je Produktionsarbeiter- und je Beschäftigtenstunde, 1947 bis 1957 ( 1 947/49 = 1 0 ° ) Tabelle 5 Verarbeitende Industrie, insgesamt und ausgewählte Zweige, Indexzahlen des Produktionsergebnisses je Arbeiterstunde, 1909 bis 1957 (1947 = 100) . . . . 11 Tabelle 6 Verarbeitende Industrie, ausgewählte Zweige, Indexzahlen des Produktionsergebnisses je Arbeiterstunde, 1919 bis 1945 (1939 = 100) 12 Tabelle 7 Eisenhüttenwerke, Indexzahlen des Produktionsergebnisses a n Hochöfen, 1850 bis 1940 (1850 = 100 bzw. 1939 = 100) 13 Tabelle 8 Indexzahlen der Transportleistungen, der Elektrizitätserzeugung u n d -Verteilung sowie der Leistungen im Handel, 1869 bis 1957 ( 1 9 2 9 = 1 0 0 bzw. 1947 = 100) 14/15 Tabelle 9 Landwirtschaft, Indexzahlen des Brutto-Produktionsergebnisses je Arbeiters t u n d e bzw. je Arbeiter, 1909 bis 1957 ( x 947/49 — 1 0 0 bzw. 1947 = 100) . . . . 16

Quellenangabe: Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1957. A Statistical Abstract Supplement. — Prepared by the Bureau of the Census with the Cooperation of the Social Science Research Council. — Washington D. C., i960. S. 593—602. Abkürzungen: BLS Bureau of Labor Statistics N B E R National Bureau of Economic Research, New York ARS Agricultural Research Service Vorbemerkungen Die in dieser statistischen Beilage wiedergegebenen Indexreihen von Produktivitätskennziffern sind in statistischen Institutionen der USA, zumeist im Bureau of Labor Statistics (BLS) der Regierung der USA oder im National Bureau of Economic Research (NBER), New York, oder im Auftrage dieser Institutionen von amerikanischen Ökonomen unter Benutzung alter Primärquellen und vorangegangener Publikationen berechnet worden. Ausführliche Angaben über Primärquellen, ältere Bearbeitungen des Quellenmaterials, spätere Revisionen usw. sowie über Einzelheiten der Berechnungsmethoden befinden sich in dem Sammelband „Historical Statistics of the United States, Colonial Times to 1957" (siehe Quellenangabe). Im Prinzip sind die nachstehend aufgeführten Indexreihen von Produktivitätskennziffern durch Division der Indexzahl einer Produktionsergebniskennziffer durch die Indexzahl einer Arbeitsaufwandskennziffer mit gleichem Basisjahr berechnet worden. Bei der Indexreihe 5 ist das Produktionsergebnis auf den Kapitaleinsatz r bei den Indexreihen 6 bis 8 auf eine Kombination von Kennziffern für den Arbeitsaufwand und den Kapitaleinsatz bezogen worden. Im folgenden geben wir einen kurzgefaßten Überblick über die Ergebnis- und Aufwandskennziffern, deren Indexzahlen zur Berechnung der vorliegenden Indexreihen von Produktionskennziffern benutzt worden sind. Um die Zugehörigkeit der methodischen Angaben zu den Indexreihen kenntlich zu machen, sind die 51 Indexreihen aller 9 Tabellen dieser Beilage durchlaufend von 1 bis 5 1 numeriert worden, ebenso die nachstehend aufgeführten. Angaben über die Grundlagen der Berechnung.

K u r z e Ü b e r s i c h t über die Indexreihe

Zugrundeliegende Ergebniskennziffer Reales B r u t t o i n l a n d s p r o d u k t der privaten Wirtschaft, bereinigt von Doppelzählungen, Preisveränderungen ausgeschaltet (NBER-Berechnung)

Berechnungsgrundlagen: Indexreihe i-3 4

6 - 8

9-11

12—21

Reales Bruttoprodukt der privaten Wirtschaft einschließlich des realen Nettoeinkommens aus Kapitalanlagen usw. im Ausland, bereinigt von Doppelzählungen, Preisveränderungen ausgeschaltet (BLSBerechnung) Produktionsvolumen 13 14 — 21

22 — 23

24-37 38 39

,,Value added" nach bürgerlicher Definition in Preisen des Basisjahres (Bruttoproduktionswerte abzüglich Kosten für Material, Brenn- und Hilfsstoffe und Behälter, ohne A b z u g der Abschreibungen). Die Preisbereinigungen wurden für jeden Industriezweig gesondert und getrennt nach Kostenarten vorgenommen. Index der industriellen Produktion Produktionsergebnis der Hochöfen Bezahlte Passagier- und Frachtbeförderungsleistungen gemessen in PassagierMeilen bzw. Tonnen-Meilen

22 23

24-37 38 39

Zugrundeliegende Aufwandskennziffer Geleistete Arbeitsstunden Summe der mit den durchschnittlichen Stundenlöhnen gewogenen Anzahl der Arbeitsstunden Realer Kapitaleinsatz (Preisveränderungen ausgeschaltet) unter Berücksichtigung von Grund und Boden, Investitionen, Betriebsausrüstungen, Umlaufmitteln usw.) Gesamtaufwand an Arbeit und Kapital, gebildet durch Kombinationen einer Indexzahl des Arbeitsaufwands und einer Indexzahl des Kapitaleinsatzes (siehe Ziffer 5) Bezahlte Arbeitsstunden, einschließlich bezahlter Krankheits-, Urlaubs- und Feiertage

Nominelle Arbeitsstunden der Beschäftigten Arbeitsstunden Bezahlte Arbeitsstunden der Produktionsarbeiter (ohne Angestellte, Techniker, Aufsichtspersonal usw.) Produktionsarbeiterstunden Arbeitsstunden aller Beschäftigten

Produktionsarbeiterstunden Beschäftigung im Jahresdurchschnitt Anzahl der bezahlten Arbeiter

5 Zugrundeliegende Ergebniskennziffer Bezahlte Passagier- und Frachtbeförderungsleistungen gemessen in Passagier-Meilen (nach Eisenbahnklassen gewogen) bzw. Tonnen-Meilen In Fernleitungen beförderte Menge von Erdöl und Erdölprodukten, gemessen in Tonnen-Meilen (ohne Sammelleitungen innerhalb der Erdölfelder usw.) Passagier- und Frachtbeförderung (in Tonnen-Meilen) auf US-Schiffen der Binnen-, Küsten- und Hochsee-Schiffahrt, ohne den Passagierverkehr auf den Großen Seen Bezahlte Passagier-Meilen sowie Frachtund Postgutbeförderung in Tonnen-Meilen Passagier- und Frachtbeförderung gemessen in Passagier-Meilen bzw. TonnenMeilen

Indexreihe

Zugrundeliegende Aufwandskennziffer

40

Anzahl der beschäftigten Arbeiter

41

Anzahl der Arbeiter einschließlich der mit der Bedienung und Wartung der Sammelleitungen beschäftigten Arbeiter

42

Anzahl der auf Schiffen unter US-Flagge Beschäftigten

43

Gesamtbeschäftigung

44

Anzahl der Arbeitsstunden unter Einschluß bezahlter Überstunden, einschließlich des Arbeitsaufwandes für die Wartung und Instandhaltung der Lokomotiven und Züge usw. Anzahl der Arbeitsstunden der Arbeiter und Angestellten, ohne die mit dem Energieabsatz (Abrechnung mit den Verbrauchern usw.) beschäftigten Arbeitskräfte Anzahl der Beschäftigten Anzahl der Arbeitsstunden

Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie durch private Unternehmen, gemessen in Kilowattstunden

45

I m Handel erzielte Gewinne, preisbereinigt. Bis 1929 nur Einzelhandel mit Konsumgütern, ab 1929 Handel mit Konsumgütern und Produktionsmitteln Volumen der landwirtschaftlichen Produktion (Viehwirtschaft und Feldbau), ohne Forstwirtschaft, Fischerei und landwirtschaftliche Hilfsbetriebe. E s sind nur die für Endverbraucher bestimmten Erzeugnisse berücksichtigt worden. Nicht erfaßt ist die Selbsterzeugung landwirtschaftlicher Produktionsmittel wie Energie, Zugtiere, deren Futter, Saatgut usw. Volumen der landwirtschaftlichen Produktion einschließlich Selbsterzeugung landwirtschaftlicher Produktionsmittel (1909—1935 etwa 60, 1935—1950 73 E r zeugnisse)

46 47 -50

51

Auf die Leistung erwachsener Männer umgerechnete Anzahl von Arbeitsstunden

Gesamtbeschäftigung in der Schaft

Landwirt

6 Tabelle l (Indexreihen 1 — 8) Indexzahlen der volkswirtschaftlichen Produktivität Reales Bruttoinlandsprodukt 1 der privaten Wirtschaft bezogen auf Arbeiterstunden, Gesamtbeschäftigung, Größe des angewandten Kapitals und auf den kombinierten Gesamtaufwand an Arbeitskraft und angewandtem Kapital 1889 bis 1957

(NBER, 1929 = 100)

Je Arbeiterstunde Jahr

1889 1890 91 92

93 94

1895 96 97

98 99

1900 01 02 03

04 1905

06 07 08 09

1910 11 12 13 14 1915

16 17

18

19

Gesamte Wirtschaft

Landwirtschaft

Gesamte Wirtschaft ohne Landwirtschaft

1

2

3

43,6

77.0

41.1

45.7

Je Beschäftigten

4

59,9 64.4 64,2

61,1

81,3

89,4

63.5

89,8

64,2 68,5 68,0 65,6 69,6

88,1

64.4

90,0

65.7

83.3 97.2

66,9 69,2 64.7 67,2 72,3

68,6 74.1 79,o

60,0 60,9 61,0

85,6 87,6

65,6

64.7

67.7

69,0

85,6 92,7

69,7 71,8 67.9

101,3 89,6 96,2 86,2 88,4

73.7 69,5 75.o

70,2

79,7

8

58,6 59,i

61,7 65,2 61,9 62,9

94.° 89,3 90,5

7

77.8 77.1 79,6 71.9

57.7 56,3

86,8

6

52,4 56,0

87.9

Gesamte Wirtschaft ohne Landwirtschaft

83,9

54.1 55.3

55.6 59.4 57.2 58,5 58,4

Landwirtschaft

56,0

49,4 47.4 47.7

52,8

Gesamte Wirtschaft

74.8

53.2

87,9

5

Bezogen auf den kombinierten Gesamtaufwand an Arbeitskraft und angewandtem Kapital 1

5°.°

46,6

50.7 49,5 52,9 53,7 54.7

Je Einheit des angewandten Kapitals 1

80,4

67,6 73,5

69,2

74.3 73,3 77-9 77,o

61,8 58,7 58,5

61,7 59,5 63,7

83,6 78,3 75,5 77.4

81,3 86,3

65.4

91,5 94,2 93.1

65.7

92,8

67.7

90,0 91,6

64,1

83,2 80,7 81,7 78,0

69,8 66,7

81,7 88,1 86,2 76,2

68,8 73.5 72,7

68,2

84.3

73,4

90,9

82,4 ' 83,0 85,1 86,0 76,6

71,6

92,5

72,7 73,7 75,6 70,3

85.4 99.8

77.o 87,5

72,0

102,1

77,4 73.o

89.9 97.3 87.3

82,6 86,1 86,8

67,2

78,0 82,1

51,6

61,3

93.1

93.3 93.5 93.1 92,5 93.7

71,5

87,2

95.3

88,4

81,7

Tabelle l (Fortsetzung) Je Arbeiterstunde Jahr

Je Beschäftigten

Gesamte Wirtschaft

Landwirtschaft

Gesamte Wirtschaft ohne Landwirtschaft

1

2

3

78,3 83,8 83,0 87,8 91,7

85.8 97,° 90,4 95,9 90,0

79,6 86,8 84,9 88,2 92,9

29

91,6 94.1 95.7 95.7 100,0

94.6 93,4 100,1 96,1 100,0

92,5 94,4 95,6 95,9 100,0

I93O 31 32 33 34

97,5 98,4 95.0 93.5 104.5

94-° 103,0 102,2 105,2 101,0

1935

108,0 113,3 114,0 117,8 122,2

107,0 102,9 106,8 119,8 H9,5

41 42 43 44

124,0 134.6 136,6 141.5 152,6

1945 46 47 48 49 1950 51

1920 21 22 23

24 1925

26 27 •

28

36

37 38

39 1940

52

53 54 1955 56

57 1

4

Je Einheit des angewandten Kapitals 1

5

Bezogen auf den kombinierten Gesamtaufwand an Arbeitskraft und angewandtem Kapital 1 Gesamte Wirtschaft

Landwirtschaft

Gesamte Wirtschaft ohne Landwirtschaft

6

7

8

81,2 85,1 85,1 90,2 93,6

86,4 85.7 90,2 96,5

97,5 96,1 100,0

93,6 95,7 96,1 96,0 100,0

96,6 95,3 100,3 96,7 100,0

98,8 102,1 100,8 99,3 108,6

89,0 82,3 71,9 72,5 82,0

96,3 96,4 91,9 91,3 100,8

93,9 103,4 100,9 104,5 97.2

111,9 H4,4 115,6 120,3 123,6

90,6 102,2 107,7 100,8 110,4

105,9 111,2 113,6 115,2 120,2

104,8 99,9 106,6 116,8 116,5

H9,9 132,6 136,7 131,5 134,0

124,4 131,3 131,3 134,1 144,5

H4,9 131,7 140,2 150,4 161,4

122,0 131,3 133,1 137.3 147.9

H5,7 126,2 130,4 124,6 126,6

159,0 150,9 151,5 156,7 162,7

137,3 145,4 146,1 161,3 165,9

150,9 143,1 142,3 146,4 152,8

160,7 150,3 146,7 144,6 137,9

152,9 144.5 143,1 145,9 149,3

127,2 i33,o 131,7 142,8 143,9

175.4 179,4 183,5 190,9 195,4

182,5 180,3 189,7 217,7 232,7

162,8 164,8 167,7 173,1 178,4

145,5 146,0 145,6 145,3 138.9

158,7 160,4 162,5 166,4 168,4

i53,o 147.8 152,8 171,2 181,1

204,8 206,5 211,7

24 0 ,3 252,5 265,6

186,8 188,0 192,6

146,8 145,1 142,4

176,8

187.7 194.1 198,0

Siehe Vorbemerkungen.

100,0

116,4

149,5

176,3

192,3

85.4

8l,l

85,7 95,9 95,3 96,4 99.2

177.1 179,4

91,2

100,0

H4,4

144,5

163,8

175.0

8 Tabelle 2 (Indexreihen 9 — 1 1 ) Indexzahlen der volkswirtschaftlichen Produktivität Reales Bruttoprodukt 1 der privaten Wirtschaft je Arbeiterstunde 1947 bis 1957 ( B L S , 1947/49 = 100) Gesamte private Wirtschaft

Private Landwirtschaft

Private Wirtschaft ohne Landwirtschaft

9

10

11

1947 48 49

96,7 100,2 103,1

90,5 107,1 102,2

97,5 99,4 io3,3

1950 51 52 53 54

110,4 113.2 H5,7 120,4 122,6

116,2 H4,5 124,5 138,6 148,3

108,8 110,6 112,0 115,1 116,9

1955 56 57

128,0 128,3 132,8

153,5 156,4 166,7

121,9 121,5 124,9

Jahr

1

Siehe Vorbemerkungen.

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1.7 5,6 10,3 17,4

0,8 1,2 3,1 13,2



22,7 35.7

7o,5

— — —

II. Reichsgebiet von 1937 1925-27 1936-38

12,3 19,8

14.2 22,8



I I I . Bundesgebiet ohne Berlin 1935/38 1950/51 1952/53 1953/54 1954/55 1955/56 1956/57 1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62 1962/63

(vorl.)

19,8 25.6 29,5 31.0 31,7 33.1 36,9 39,7 40,4 43.6 43.4 43,7 54.1

25,7 29,6 27,7 32,1 36,3 33,6 40,1 41,7 44.6 50,9 46,4 44,6 50,7

37-6 46,7 54-3 58,5 60,2 59,4 61,5 69,2 70,6 73.0 70,6 72,9 77.5

53,o 47.5 52,1 60,2 45.8 52,0 54.° 49,8 51,2 49,3 37,4 38,2 34,1

Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung . . .1963, S. 67. Tabelle 3 A n t e i l der M e h r n ä h r s t o f f d ü n g e r am G e s a m t v e r b r a u c h * der einzelnen N ä h r s t o f f e 1950/51, 1956/57 bis 1962/63 in v . H. Nährstoff Stickstoff Phosphat Kali Durchschnitt

1950/1

1956/7

1957/8

11,7 10,5 6,3

20,8 25,0 25,8

22,2 29,0

8,9

24,2

1958/9 1959/60

1960/1

1961/2

1962/3

27,7

23,9 32,8 32,8

24,5 30,4 33,6

27,4 36,7 37,7

28,8 41,6 39,9

28,9 44,2 45,3

26,6

3o,5

30,2

34.6

37,3

40,1

* A b s a t z der Hersteller an Handel und Genossenschaften. Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung . . ., 1963, S. 70.

222

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selbst Großproduktion, indem das industrielle und kommerzielle Großkapital ihre Bewegung bestimmt, unabhängig davon, daß der tatsächliche Produktionsprozeß unter einer Vielzahl mehr oder weniger kleiner Produzenten zersplittert bleibt. Es ist dies ein ähnlicher Prozeß, nur auf einer quantitativ und qualitativ höheren Stufe der Vergesellschaftung, wie ihn Marx vor hundert Jahren hinsichtlich des Verhältnisses von großer Industrie zur sogenannten modernen Hausindustrie beschrieb: „Sie (die Hausindustrie — der Verf.) ist jetzt verwandelt in das auswärtige Departement der Fabrik, der Manufaktur oder des Warenmagazins. Neben den Fabrikarbeitern, Manufakturarbeitern und Handwerkern, die es in großen Massen räumlich konzentriert und direkt kommandiert, bewegt das Kapital durch unsichtbare Fäden eine andre Armee in den großen Städten und über das flache Land zerstreuter Hausarbeiter". 8

Allgemein gesprochen besteht das Problem darin, das Zurückbleiben der Produktivkräfte in der Landwirtschaft zu überwinden, ohne grundsätzlich die durch die besonderen Entwicklungsbedingungen der Landwirtschaft im Kapitalismus verursachte Klassenstruktur in dieser Sphäre aufzuheben. D. h. also, der Kapitalismus steht vor der Aufgabe, Akkumulationsbedingungen in der Landwirtschaft zu schaffen, die sich aus ihrer inneren Struktur selbst nicht ergeben und nicht ergeben können, ohne das Monopol der kapitalistischen Bewirtschaftung und das Monopol des Privateigentums an Grund und Boden aufzuheben. Ohne den Staat ist dies nicht möglich, aber im Rahmen des Kapitalismus kann der Staat nur relative Lösungen herbeiführen. Indem der Staat die notwendigen Bedingungen für die Akkumulation in der Landwirtschaft setzt, trägt er dazu bei, die Anpassung der landwirtschaftlichen Produktions- und Distributionsbedingungen an die materiellen Erfordernisse der modernen kapitalistischen Wirtschaft zu beschleunigen und mildert wesentlich die Disproportion zwischen Industrie und Landwirtschaft. Das Kapital findet in großem Umfang neue Anlagemöglichkeiten, neue Industriezweige entstehen (Futtermittelindustrie, Mischdüngerindustrie u. a.) und schon existierende können sich beträchtlich erweitern (Landmaschinenindustrie, verarbeitende Industrien u. a.). Ohne staatsmonopolistischen Kapitalismus können sich diese Prozesse nicht vollziehen, aber der staatsmonopolistische Kapitalismus nutzt hier nur die objektiven Erfordernisse aus, die von den Produktivkräften ausgehen, er ist nur die gegenwärtige und höchste Form der Anpassung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse an die modernen Produktivkräfte. Diese verlangen, besonders unter den Bedingungen der technischen Revolution, eine rationelle landwirtschaftliche Großproduktion, und der staatsmonopolistische Kapitalismus setzt hierfür die notwendigen monopolistischen Bedingungen. Aber der Staat schafft damit gleichzeitig die Bedingungen für das Fortbestehen der kleinbetrieblichen Struktur der landwirtschaftlichen Produktion. Kleinbetriebliche Struktur und Großproduktion stellen keinen logischen Widerspruch dar, sondern den lebendigen Widerspruch des kapitalistischen Vergesellschaftungsprozesses in der Landwirtschaft. Die Konzentration der Produktion ist ein grundlegendes Gesetz der kapitalistischen Produktion, das sich unabdingbar auch in der Landwirtschaft durchsetzen muß. Das Monopol der kapitali8

Marx/Engels, Werke, Bd. 23, Berlin 1962, S. 485/86.

Wirkungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus auf die Landwirtschaft

223

stischen B e w i r t s c h a f t u n g und das Monopol des Privateigentums an Grund und B o d e n setzen diesem Gesetz Schranken entgegen. Sie müssen überwunden werden, ihre endgültige Überwindung kann aber nur mit der A u f h e b u n g dieser beiden Monopole erfolgen. Der staatsmonopolistische K a p i t a l i s m u s fördert den Zersetzungsprozeß innerhalb der werktätigen Bauernschaft, indem er die A k k u mulation hauptsächlich der stärkeren W i r t s c h a f t e n begünstigt, die Differenzierung somit verstärkt und die Proletarisierung beschleunigt. Nicht zu Unrecht sagt H a n s m e y e r : ,,'Disparitätsherde' werden vom überwiegenden Teil der Maßnahmen nicht oder nur ungenügend getroffen, so daß sie erst recht hinter der allgemeinen Entwicklung zurückfallen". 9 Andererseits führen die staatlichen Maßnahmen auch z u einer Verzögerung des Verdrängungsprozesses. Die Subventionswirtschaft, die Preisstützung, die verschiedensten Maßnahmen des Protektionismus, wiewohl im Interesse der V e r w e r t u n g des monopolistischen K a p i t a l s durchgeführt, ermöglichen zahlreichen kleinen W i r t s c h a f t e n die weitere Existenz, führen aber auch systematisch z u m Verlust ihrer Unabhängigkeit als Warenproduzenten. A u c h politische R ü c k s i c h t n a h m e n legen dem S t a a t Schranken auf in der Politik der Vernichtung der werktätigen B a u e r n s c h a f t . Innerhalb des Kapitalismus können so die Hemmnisse der K o n z e n t r a t i o n in der L a n d w i r t s c h a f t grundsätzlich nicht überwunden werden. D a s Gesetz setzt sich angesichts dieses der kapitalistischen Produktionsweise innewohnenden K o n f l i k t s so durch, daß der Konzentrationsprozeß die v o m K a p i t a l errichteten Schranken teilweise umgeht. Der staatsmonopolistische K a p i t a l i s m u s ist in diesem Z u s a m m e n h a n g nichts weiter als notwendige Bedingung, diesen „ U m g e h u n g s p r o z e ß " zu erleichtern und z u beschleunigen bzw. in mancher Hinsicht überhaupt erst zu ermöglichen. Der S t a a t schuf und s c h a f f t die Bedingungen für die A k k u m u l a t i o n in den (im Vergleich zur Industrie durchweg) kleinen landwirtschaftlichen Betrieben als Voraussetzung der auf ganz anderem Maßstab vor sich gehenden A k k u m u lation der großen K a p i t a l e in Industrie, H a n d e l und B a n k e n . E s handelt sich dabei nicht nur darum, daß die E r w e i t e r u n g des Marktes, die S c h a f f u n g v o n zusätzlichen Kapitalanlagemöglichkeiten, die Organisation einer den neuen technischen Anforderungen entsprechenden rationellen Rohstoffproduktion den betreffenden Monopolen Akkumulationsmöglichkeiten schafft, die a priori auf einer unendlich höheren Stufe stehen als die neuen Akkumulationsmöglichkeiten in den landwirtschaftlichen Betrieben, denn v o n allen anderen U m s t ä n d e n abgesehen, akkumulieren große K a p i t a l e bekanntlich schneller als kleine. E s geht vielmehr wesentlich darum, d a ß durch die staatlich begünstigte und überhaupt in diesem U m f a n g erst ermöglichte monopolistische Durchdringung der westdeutschen L a n d w i r t s c h a f t ein gewaltiger, wenn auch mit „ s t i l l e n " , hauptsächlich ökonomischen Methoden vorangetriebener Enteignungsprozeß vor sich geht, der nur die Kehrseite einer raschen Zentralisierung des K a p i t a l s darstellt. Dieser Enteignungsprozeß findet seinen A u s d r u c k zunächst in der wachsenden Verschuldung der Produzenten. In den letzten Jahren stiegen allein die offiziellen Schulden jährlich u m e t w a eine Milliarde Mark, 1962 sogar u m 1 , 5 Md. D M , so d a ß der G e s a m t u m f a n g 9 Karl-Heinrich Hansmeyer, Finanzielle Staatshilfen für die J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1963, S. 335.

Landwirtschaft,

224

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HESS

der Verschuldung etwa 15 Md. DM erreichte. 10 Neueste Angaben der Landwirtschaftlichen Rentenbank beziffern die Verschuldung auf 16 Md. DM. Die Zinsleistungen erreichten 1964 eine Höhe von 847 Mill. DM. 11 Das Interessante dabei ist, daß die Verschuldung sich im mehrjährigen Durchschnitt etwa auf der Höhe der Nettoinvestitionen bewegt und ihrem Wesen nach die immer umfassendere Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln bedeutet. Das Kreditwesen hat sich für die bäuerlichen Produzenten tatsächlich „in einen ungeheuren sozialen Mechanismus zur Zentralisation der Kapitale verwandelt" (Marx). Dabei ist der Kredit gleichzeitig ein kräftiger Hebel der weiteren Differenzierung der Bauernschaft, da die relativ reicheren Produzenten natürlich eher in der Lage sind, den Kredit als Kapital „arbeiten" zu lassen und auch günstigere Kreditbedingungen herausschlagen können. Für die Mehrzahl der Produzenten gilt aber das, was Lenin schon von den russischen Bauern Ende des vorigen Jahrhunderts sagte: „Mit anderen Worten: In der gewaltigen Masse der Bauernschaft gibt es fast überhaupt keine selbständige Produktion für eigene Rechnung mehr; neben der Arbeit für die .rationell' wirtschaftenden bürgerlichen Unternehmer finden wir nur Arbeit für Besitzer von Geldkapital, d. h. wiederum kapitalistische Ausbeutung . . ," 1 2

Die Form dieser Ausbeutung, die ihrem Wesen nach die gleiche ist wie die Ausbeutung des doppelt freien Lohnarbeiters, denn das Mehrprodukt verwandelt sich in den Händen des Kapitalisten in Mehrwert, verschleiert aber ihren wahren Charakter und erzeugt Kleineigentümer-Illusionen beim Produzenten, der sich als selbständiger Bauer wähnt. Sie gestaltet gleichzeitig seine Lage elender als die der Industrieproletarier. „Die Parzelle des Bauern ist nur noch der Vorwand, der dem Kapitalisten erlaubt, Profit, Zinsen und Rente von dem Acker zu ziehn und den Ackerbauer selbst zusehn zu lassen, wie er seinen Arbeitslohn herausschlägt." 1 3

Diese Form der Proletarisierung zeigt sich auch in der wachsenden finanziellen Abhängigkeit der Produzenten von den Kreditinstituten und von den übrigen „Marktpartnern", d. h. von den in der Herstellung von Nahrungsgütern auf verschiedenen Ebenen beteiligten Monopolgruppen, eine finanzielle Abhängigkeit, die mit Notwendigkeit zur Abhängigkeit in allen anderen Fragen der bäuerlichen Wirtschaft führt. Einen gewissen Höhepunkt in dieser Entwicklung bildet die sogenannte vertikale Integration, bei der die ländlichen Produzenten nur noch nach Anweisung des kapitalistischen Industriebetriebes oder des Großhandelsunternehmens arbeiten und auch die Form der Warenbeziehungen, darunter der Kauf von Produktionsmitteln auf Kredit, entfällt. Alle diese Prozesse vollziehen sich auf staatsmonopolistischer Grundlage, wobei der Staat entweder indirekt die Bedingungen setzt, die die monopolistische Ausbeutung der werktätigen Produzenten gestatten, oder die Bauern direkt mit Hilfe einer Vielzahl von staatlichen und halbstaatlichen Organisatio10 „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung" Nr. 27 vom 9. 2. 1963, S. 235. 11 „Agrarwirtschaft", Heft 2/1965, S. 149. 12 W. I. Lenin, Werke, Band 1, S. 505. 13 Marx/Engels, Werke, Band 8, S. 201.

Wirkungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus auf die Landwirtschaft

225

nen sowie mittels der Gesetzgebung in ein System preßt, das ihnen die Entscheidungsfreiheit im Produktionsprozeß entzieht und sie der Ausbeutung durch die in diesem Bereich ansässigen Monopolgruppen ausliefert. Natürlich bilden die landwirtschaftlichen Produzenten keine einheitliche Schicht. Indem der staatsmonopolistische Enteignungsprozeß die kleineren Produzenten härter trifft als die größeren, werden die Klassenwidersprüche innerhalb der Bauernschaft sogar verschärft. Aber diese Klassenwidersprüche werden unter den herrschenden Bedingungen überlagert durch die gemeinsame Ausbeutung durch das Monopolkapital. Die ländlichen Produzenten in ihrer Mehrheit bilden zusammen das schwächste Glied in dem Komplex großer Industrien, in dem heute die Nahrungsmittelherstellung vor sich geht. Der Kapitalismus hat Produktion und Arbeit in der Landwirtschaft vergesellschaftet, die Aneignung blieb privat. Aber hier, um mit Marx zu sprechen, „schlägt offenbar das auf Warenproduktion und Warenzirkulation beruhende Gesetz der Aneignung oder Gesetz des Privateigentums durch seine eigne, innere, unvermeidliche Dialektik in sein direktes Gegenteil um". 1 4 Der Staat kann den Forderungen der Produktivkräfte und den auf ihrer Entwicklung beruhenden Verwertungsbedingungen des monopolistischen Kapitals nur gerecht werden durch die Änderung der Aneignungsweise. Eigneten sich früher die selbständigen Warenproduzenten in der Landwirtschaft und außerhalb der Landwirtschaft das Ergebnis ihrer Privatarbeit an, indem sie (theoretisch) im Austausch das Äquivalent für notwendige und Mehrarbeit realisierten, eigneten sich im vormonopolistischen Kapitalismus die kapitalistischen Unternehmer in der Landwirtschaft noch einen Teil des Mehrprodukts — den Profit — an, während sie einen anderen Teil an die Bodeneigentümer in Form der Rente abgeben mußten, so stellt sich die Sache unter monopolkapitalistischen Bedingungen im wesentlichen wie folgt dar: Einen Teil des Mehrprodukts der ländlichen Produzenten, der sich in Rente niederschlägt, eignen sich zum großen Teil die Bodeneigentümer an, d. h. die Banken, Versicherungsgesellschaften, Industrie- und Handelsmonopole, der monopolkapitalistische Staat. Einen weiteren Teil des Mehrprodukts eignen sich in Form des Profits die Lieferanten von Produktionsmitteln für die Landwirtschaft an: Zunächst durch den nichtäquivalenten Austausch, weiter über die Zinsen für Kredite und für Vorschüsse (Lieferungen auf Kredit, Abzahlungsgeschäfte), weiter in solchen Formen der Beziehungen zwischen Produktionsmittellieferanten und landwirtschaftlichen Produzenten, deren höchste Form unter dem Firmentitel „vertikale Integration" läuft, in denen erstere das Kapital für die Produktionsmittel wie im eigenen Geschäft vorschießen; schließlich auch in solchen Formen, in denen industrielle Kapitalisten landwirtschaftliche Produktion in eigene Regie übernehmen, wie in der gewerblichen Viehmast. Das Mehrprodukt eignen sich in Form von Profit weiter die industriellen Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte an, zunächst durch den nichtäquivalenten Austausch, weiter in Form des Zinses für Vorschüsse, schließlich auch im Rahmen kartellartiger „Vereinbarungen", im Rahmen derer die unmittelbaren ländlichen Produzenten weitgehend auf das notwendige Produkt reduziert werden, das Mehrprodukt aber ganz und gar an die übermächtigen „Partner" abgeben müssen. Das Mehr14

Marx/Engels, Werke, Band 23 (Das Kapital, Erster Band), S. 609.

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produkt in Form von Profit eignen sich auch die Handelskapitalisten in ähnlicher Weise an. Aneigner von Mehrprodukt in Form des Zinses sind schließlich auch kapitalistische Kreditinstitutionen aller Art, nicht nur durch direkte Kredite an landwirtschaftliche Produzenten, sondern auch durch die Kreditierung von kapitalistischen Unternehmen, einschl. Genossenschaften, die die Landwirtschaft bedienen. Einen weiteren Teil des Mehrprodukts der ländlichen Produzenten eignet sich der kapitalistische Staat direkt in Form von Steuern und Abgaben aller Art an, die zugunsten des Monopolkapitals über den Haushalt umverteilt werden. Sicherlich bedeutet diese staatsmonopolistisch bedingte und ermöglichte Profitaneignung durch die Monopole nicht, daß die landwirtschaftlichen Produzenten absolut geringere Produktionsmöglichkeiten besitzen, über absolut weniger materielle Mittel verfügen. Im Gegenteil, wir sahen, daß dieses System zu einer Erhöhung der Produktionsstufe führt, den Produzenten notwendigerweise Mittel zuführt. Natürlich funktioniert dieses System differenzierend, die größeren und reicheren Produzenten werden relativ besser gestellt als die kleineren, ein großer Teil der Werktätigen wird ruiniert. Aber unter staatsmonopolistischen Bedingungen wird die relative Besserstellung der einen gegenüber der Masse der Produzenten durch ihre Benachteiligung gegenüber den Monopolen in Banken, Industrie und Handel mehr als aufgewogen. Wenn es also richtig ist, daß die Landwirtschaft für wichtige Gruppen des Monopolkapitals zu einer entscheidenden Basis für die Kapitalverwertung geworden ist, so führen die gleichen staatsmonopolistischen Maßnahmen, die dieses Resultat hervorbrachten, zu einer relativen Schwächung dieser Ausbeutungsbasis, mithin zu einer Verschärfung des Widerspruchs zwischen den Verwertungsbedürfnissen der betroffenen Monopole und der Landwirtschaft auf einer höheren Stufe. Das Finanzkapital, das die ganze Kette der Nahrungsmittelherstellung beherrscht, beherrscht damit direkt oder indirekt auch die landwirtschaftlichen Glieder in der Kette. Auf staatsmonopolistischer Grundlage geht so ein Umverteilungsprozeß zugunsten des Monopolkapitals vor sich, unter anderem und wesentlich auch dadurch, daß der Staat solche Bedingungen schafft, die es den Monopolen ermöglichen, sich direkt das in der landwirtschaftlichen Sphäre erzeugte Mehrprodukt in Form von Profit anzueignen. Die Form des Kaufs und Verkaufs von Waren verschleiert diesen Prozeß, der natürlich noch nicht zum Abschluß gekommen ist. Für die überwiegende Mehrzahl der ländlichen Produzenten in Westdeutschland gilt, daß sich ihr Mehrprodukt in Mehrwert in den Händen des Monopolkapitals verwandelt, daß sie mehr und mehr einem verschleierten Enteignungsprozeß unterliegen, daß sie, ähnlich wie die Lohnarbeiter in der Industrie, in „ihren" Betrieben nur noch schuften und schuften müssen, um ihren Lebensunterhalt wie auch immer zu verdienen. Das so durch den staatsmonopolistischen Kapitalismus mobilisierte Kapital erweitert die Akkumulationsmöglichkeiten des Monopolkapitals, führt zur Vergrößerung der Stufenleiter der Produktion, zur verstärkten Entwicklung der Konzentration und wiederum zur Vergrößerung der Masse des Profits und daher der Akkumulation. Auf der Seite der ländlichen Produzenten aber führt die Akkumulation zur Ausdehnung des Enteignungsprozesses, zur relativen Verringerung des in ihrer Verfügungsgewalt befindlichen Kapitals. Der Widerspruch, der den staatsmonopolistischen Kapitalismus zur unabdingbaren Not-

Wirkungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus auf die Landwirtschaft

227

wendigkeit auch in der Landwirtschaft machte, wird daher auf einer stets höheren Stufe reproduziert, er führt immer zu einer weiteren Vergesellschaftung der Produktion, zur Konzentration und Zentralisation des Kapitals auf der einen Seite und zur Proletarisierung auf der anderen. Dieser Widerspruch kann sich auf kapitalistischer Basis nur verschärfen, er ruft daher gesetzmäßig die immer weiter- und tiefergreifende Intervention des Staates hervor, hebt daher immer mehr die privatkapitalistischen Grundlagen der Produktion im Rahmen des Kapitalismus selbst auf. Die Tatsache, daß der staatsmonopolistische Kapitalismus in der Landwirtschaft auf der Ausbeutung beruht und das Ausbeutungssystem vertieft, macht es ihm unmöglich, die Anarchie zu überwinden. Die werktätigen Produzenten in der Landwirtschaft kämpfen um ihre Existenz, sie reagieren daher „unökonomisch" auf die staatlichen Maßnahmen, und das ist ein immer wiederkehrendes Thema der agrarpolitischen Diskussion. Beispielsweise hat die Verbilligung der Düngemittel gleich zu Beginn der Einführung dieser Subvention nicht in gleichem Maße zu einer Erhöhung des Absatzes geführt, da viele Produzenten die freigewordenen Mittel für Ausgaben verwandten, die ihnen zur gegebenen Zeit zweckmäßiger erschienen. Weiterhin führten die Maßnahmen zur „Verbesserung der Agrarstruktur" nicht zu den beabsichtigten Folgen der „Wanderung des Bodens zum besseren Wirt", da gleichzeitig der — ebenfalls staatlich begünstigte — Nebenerwerb, zunahm und zahlreiche Kleinstproduzenten ihre Zwergwirtschaften behielten als Rückversicherung gegen schlechtere Konjunkturbedingungen und sogar vielfach den durch außerlandwirtschaftliche Arbeit erzielten Lohn teilweise in die Wirtschaft steckten. Indem der staatsmonopolistische Kapitalismus durch die gleichen Methoden, mit denen er die Schranken der Kapitalverwertung zu überwinden sucht, neue Schranken auf einer höheren Stufe errichtet, verschärft er gleichzeitig die monopolistische Konkurrenz. Die Anarchie der Produktion wird durch die staatliche Regulierung nicht aufgehoben, aber ihr Charakter wird verändert. Konkurrenz und Anarchie werden auf einigen Gebieten gemildert und durch Formen der Planmäßigkeit ersetzt, auf anderen Gebieten wird die Anarchie verschärft, neue Konkurrenzverhältnisse geschaffen und teils auf die staatliche Ebene gehoben. Gleichzeitig hängt die staatliche Regulierung und ihre Ergebnisse von den objektiven Bedingungen des Reproduktionsprozesses ab. Die staatlich begünstigte Akkumulation führt zu einer umfangreichen Erweiterung der Kapazitäten der Schlepperproduktion, die ihrerseits wiederum auf die kapitalistischen Schranken der Mechanisierung in der Landwirtschaft stoßen. Natürlich haben Preissubventionen, Zinsverbilligungen usw. neue Akkumulationsmöglichkeiten geschaffen, aber der kleinflächige Betrieb kann nach wie vor nur in engen Grenzen von der modernen Technik Gebrauch machen. Sicherlich mußte dennoch ein großer Teil auch der kleinen Betriebe in den vergangenen Jahren dem Zwang zur Mechanisierung folgen, aber eben gerade dadurch in immer größere Schwierigkeiten geraten. In der bürgerlichen Literatur wird diese Erscheinung unter das Thema „Fehlinvestition" subsumiert, das seit vielen Jahren im Brennpunkt der Diskussion steht. Andererseits war dieser Zwang zur Mechanisierung zu einem Teil auch durch die allgemeinen Konjunkturbedingungen verursacht, die dem flachen Lande in großem Maße Arbeitskräfte entzogen. Aber die Landmaschinenindustrie ist nur eine der für den landwirtschaftlichen Bedarf produzierenden Produktionsmittelindustrien. Auch die Bau16

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Wirtschaft, die Düngemittelindustrie, die Futtermittelindustrie usw. kämpfen um die Erweiterung des Marktes. In welchem Maße sie relativ in eine günstigere oder ungünstigere Lage versetzt werden, hängt unter den gegebenen Bedingungen stark von der Richtung der staatlichen Agrarpolitik ab (Strukturpolitik oder gezielte Subventionen, „Transferzahlungen" mit oder ohne Verwendungsauflagen, Preisstützungen oder Ausgleichsbeträge usw. usf.). Die wiederholten Angriffe auf die Düngemittelsubvention, die mit Ende des Düngerjahres 1962/63 abgeschlossen wurde, sind hierfür ein Beispiel, der Kampf um den Getreidepreis ein weiteres. Dieses Anheben der monopolistischen Konkurrenz auf die staatliche Ebene schafft gleichzeitig neue Bedingungen für den Kampf der Werktätigen, indem die widerstreitenden Interessen, wenn auch verbrämt, zum Teil in aller Öffentlichkeit, z. B. im Parlament, aufeinander stoßen. Wird aber die Akkumulation in der Landwirtschaft überhaupt forciert, so auch notwendigerweise die Produktion. Also muß die landwirtschaftliche Rohstoffe verarbeitende Industrie gezwungen werden, in höherem Maße einheimische Rohstoffe zu verarbeiten, als dies bei den gegebenen internationalen Konkurrenzbedingungen und Preisverhältnissen dienlich ist. Die dadurch entstehenden Kosten muß wiederum der Staat übernehmen, um die Konkurrenzfähigkeit der betroffenen Industrien auf dem internationalen und dem nationalen Markt zu sichern. Also muß auch, wenn die Produktion auf die Schranken der Konsumtionskraft stößt, eine staatliche Vorratswirtschaft einsetzen, muß in einem Agrarimportland wie Westdeutschland die Ausfuhr von Nahrungsmitteln subventioniert werden, usw. Ein wichtiger Teil der gegensätzlichen Interessen wird auf dem außenwirtschaftlichen Gebiet ausgetragen, wobei die Widersprüche durch die Bildung und Verwirklichung der EWG verschärft wurden. 16 Die technische Revolution in der landwirtschaftlichen Produktion, die Anpassung der Landwirtschaft an die Verwertungsbedürfnisse wichtiger Monopolgruppen, die Einverleibung der Landwirtschaft in ein vom Monopolkapital beherrschtes Produktions- und Distributionssystem oder, wie es der italienische Wissenschaftler Sereni nennt, die „monopolistische Expansion" in der Landwirtschaft 16 bedeutet auf seinen politökonomischen Kern reduziert die Umwälzung der Landwirtschaft durch die große Industrie, die „auch in der Landwirtschaft mit eherner Kraft gesellschaftliche Kontrolle und Regelung der Produktion (fordert)". 17 Der immer stärkere und umfassendere Einsatz des Staates ist folglich ein unvermeidliches Gesetz. Der Kapitalismus hat auch in der Landwirtschaft zu den für dieses System typischen Widersprüchen geführt, die seine historische Vergänglichkeit offenkundig machen. Der staatsmonopolistische Kapitalismus, die objektiv notwendige Antwort des Kapitalismus auf die Zuspitzung seines Grundwiderspruchs, beweist, daß auch die Landwirtschaft für den Sozialismus längst „reif" ist, entgegen aller bürgerlichen und sozialdemokratischen Apologetik, wonach die Landwirtschaft die ureigene und ewige Sphäre der „privaten Initiative" sei. 16 Wir haben diese Fragen ausführlicher an anderer Stelle behandelt (Vgl. „Wirtschaftswissenschaft", Heft 1/1965, S. iff.). 16 „Probleme des Friedens und des Sozialismus", H e f t 11/12 1964, S. 981. 17 W. I. Lenin, Werke, Band 3, S. 233.

Wirkungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus auf die Landwirtschaft

229

Im Zuge der umfassenderen Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus entwickeln sich Regulierungsformen, die die Unfähigkeit des kapitalistischen Systems, seiner Schwierigkeiten Herr zu werden, deutlich hervortreten lassen. Die staatliche Regulierung der landwirtschaftlichen Produktions- und Distributionsprozesse in der westdeutschen Landwirtschaft (und wir finden ähnliche Methoden in allen entwickelten kapitalistischen Ländern) führt dicht an die Planwirtschaft heran, wiewohl die Basis privatkapitalistisch bleibt und die Anarchie nicht überwunden werden kann. Gesetzmäßig müssen sich die ökonomischen und politischen Widersprüche verschärfen und den Übergangscharakter des staatsmonopolistischen Systems, als unmittelbare Vorstufe zur sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft, immer offenkundiger werden lassen.

16*

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates und die Bedeutung der internationalen rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit HORST HEININGER

Nach dem zweiten Weltkrieg hat die Rüstung in den meisten imperialistischen Ländern einen bedeutend größeren Umfang erlangt als in der ersten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus. Ihr Anteil am Nationaleinkommen lag während der letzten Jahre in den USA zwischen 11 und 12%, in Westdeutschland zwischen 5 und 7 % und in Großbritannien zwischen 7 und 8%. 1 In dieser Kennziffer kommt zum Ausdruck, daß in diesen Ländern zur Durchsetzung der aggressiven Politik der Monopole jährlich Milliardenbeträge aufgewendet werden. Es handelt sich dabei zugleich um einen wesentlichen Bereich der ökonomischen Eingriffe des Staates in die Wirtschaft dieser Länder. Vermittels der Rüstungsausgaben tritt der Staat als Käufer von Waren und Dienstleistungen auf, beeinflußt er den Akkumulationsprozeß in wichtigen Produktionszweigen, übt er damit wesentliche Funktionen der Regulierung der Wirtschaft aus. An den imperialistischen Staat werden jedoch nicht nur auf dem Gebiet der Rüstung wachsende Anforderungen gestellt; es erwachsen ihm zugleich auf Grund der sich in der zweiten und dritten Etappe der allgemeinen Krise zuspitzenden ökonomischen und politischen Widersprüche in immer stärkerem Maße weitere Funktionen zur Aufrechterhaltung des imperialistischen Systems, zur Sicherung der Monopolprofite. Hierzu gehören die Bereitstellung von Mitteln für die Forschung und Entwicklung auf dem zivilen Sektor, für den mit der technischen Revolution verbundenen wachsenden Umfang der Kapitalakkumulation wie auch für die sich aus der wachsenden Reglementierung der Wirtschaft und des gesamten gesellschaftlichen Lebens ergebende Aufblähung des staatlichen Machtapparates. Hierzu rechnet aber auch die sich aus dem Kampf der Werktätigen und der wachsenden Einwirkung des Sozialismus resultierende Notwendigkeit, eine gewisse Erhöhung der sozialen Aufwendungen vorzunehmen. Alle diese Umstände zusammengenommen bewirken, daß der Staat einen wachsenden Teil des Nationaleinkommens in seinen Händen konzentriert und für diese Zwecke verwendet. Einen gewissen Aufschluß über die Bedeutung dieses Prozesses bieten die nachstehenden Angaben für die USA (Angaben in Md. $ zu laufenden Preisen) :2 1 Bei der Berechnung dieser Anteile wurden in die Rüstungsausgaben alle Ausgaben für die Atomwirtschaft (in Westdeutschland die Bundesausgaben) und für die Weltraumfahrt einbezogen. 2 Berechnet nach: Statistical Abstract of the US, 1963.

232

HORST H E I N I N G E R

Staatsausgaben insgesamt Staatsverbrauch Nationaleinkommen Bruttosozialprodukt a

1948

1955

51,4

98,6

160,5

75.6

H7,3 450,o a 554.9

36,1 223,5 270,0®

328,4

398,9

1962

Schätzung.

Aus dieser Ubersicht geht hervor, daß sich Staatsausgaben und Staatsverbrauch bei einer ungefähren Verdoppelung des Nationaleinkommens und des Bruttosozialprodukts in dem Zeitraum von 1948 bis 1962 etwa verdreifacht haben. Der Anteil des Staatsverbrauchs am Nationaleinkommen hat sich in dem angegebenen Zeitraum von 16 auf 26% und am Bruttosozialprodukt von 13 auf 2 1 % erhöht. Wenn wir nun nach dem Gewicht der Rüstung in diesem Entwicklungsprozeß fragen, so finden wir innerhalb der gesamten Nachkriegsperiode eine unterschiedliche Entwicklung: Tabelle 1 D e r A n t e i l d e r R ü s t u n g an d e n S t a a t s a u s g a b e n , a m S t a a t s v e r b r a u c h , am N a t i o n a l e i n k o m m e n und B r u t t o s o z i a l p r o d u k t der U S A (in %) Anteil der Rüstung an: Jahr

den gesamten Staatsausgaben

1939

7.4 85,9 3o,7 23.4 50.6 39,7 35.4 33,4

1944 1948

195° 1953 1955 1958

i960 1961 1962

a

32,8

33.3

dem Staatsverbrauch»

9,8

91,8

43,8 36.7

61,0

51,7 47.9 45,8 45.6 45,5

dem Nationaleinkommen

dem Bruttosozialprodukt

1,8

48,5 7,1

6,0

17.1 11,9 12,3 11,1

11,5 ii,9

5,9 5,o 14.1

9,8

10,0

9,o 9,4 9,6

Käufe von Waren und Dienstleistungen sowie Gehälter der Staatsangestellten.

Quellen: Statistical Abstract of the US, lfd.; International Financial Statistics, lfd.

Bis zum Jahre 1955 — besonders stark zur Zeit der Aggression gegen die Volksrepublik Korea — ist der Anteil der Rüstung gestiegen. Seit Mitte der 50-er Jahre ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Obwohl die Aufwendungen für die Rüstung von 1955 bis 1962 um etwa 40% zugenommen haben, ist ihr Anteil am Bruttosozialprodukt, am Nationaleinkommen, an den gesamten Staatsausgaben wie auch am direkten Staatsverbrauch konstant geblieben bzw. leicht abgesunken. Sicherlich vermitteln diese Angaben nur eine ungefähre Vorstellung von dem Gewicht des Rüstungssektors und des „zivilen" Sektors innerhalb der gesamten ökonomischen Tätigkeit des Staates. Immerhin verdeutlichen sie, daß die Auf-

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

233

Wendungen des Staates für die anderen, oben genannten Zwecke seit Mitte der 50-er Jahre zugenommen haben. Wir würden diese Entwicklungstendenz auch nicht besonders hervorheben, wenn nicht gleichzeitig die strukturellen Veränderungen der Rüstungsausgaben die Bedeutung des „staatsmonopolistischen Rüstungswerkes" vermindert hätten. Tabelle 2 S t r u k t u r e l l e r V e r g l e i c h der amerikanischen R ü s t u n g s a u s g a b e n i n d e n H a u s h a l t s j a h r e n 1950/51, 1955/56 u n d 1963/64

1955/56

1950/51 Md. $

1. Soldzahlungen und Gehälter 2. Versorgung und Unterhalt der Streitkräfte 3- Ankauf von Kriegsmaterial 4- Mil. Forschung und Entwicklung* 5- Militärbauten 6. Zivilverteidigung 7- Militärische Auslands,,hilfe" 8. Strategische Vorratsbildung 9- Atomenergiekommission 10. Raumfahrtbehörde Gesamte Ausgaben a

%

1963/64

Md. $

%

Md. $

11,1

27.5

14.2

%

7.1

33.2

6,4 4.0

29,9

8,5

21,1

12,2

11,9

19,8

18,7

30,3

16,3

27,3

0,8

3.7 1,9

i,5

3.7 5.0

6,9

11,6

2,0

0.4



1,0 0,8

o,9

4.6 3.8 4,2



21,4



100,0

1,8 0,2

0,2

i,4

2,3

0,2

2,9 4,4

4,8 7,3

100,0

60,0

100,0



2,6 0,6

1,7 0,1 40,3

23,7

6,5 1.5 4,2

3,o

Ohne Forschungs- und Entwicklungskosten der Atomenergiekommission und der Raumfahrtbehörde (1950/51 = ca. 0,2 Md. $, 1955/56 = ca. 0,4 Md. $ und 1963/64 = ca. 6,4 Md. $).

Quelle: Statistical Abstract of the US, laufend.

In dieser Tabelle sind die amerikanischen Rüstungsausgaben für die Jahre 1950/51 und 1963/64 nach den hauptsächlichen Ausgabearten gruppiert. Diese Grobeinteilung ergibt zunächst einen Rückgang des Anteils der laufenden Ausgaben für den Unterhalt der Streitkräfte (Positionen 1 und 2) von etwa 63 auf 43%, während der Anteil der Ausgaben für Kriegsgerät und militärische Forschung (Positionen 3, 4, 8 und 9) von 30 auf über 5 1 % angestiegen ist. Diese Veränderung verdeutlicht zunächst einmal die in der Nachkriegszeit weiterhin angestiegene Bedeutung der Militärtechnik. Innerhalb der letzteren Gruppe ist aber der sprunghafte Anstieg der Ausgaben für die militärische Forschung und Entwicklung besonders ausgeprägt. Die Tabelle 3 verdeutlicht diese Entwicklungstendenz. Faktisch wird gegenwärtig jeder vierte Dollar aus dem Rüstungsbudget der USA für Zwecke der Forschung und Entwicklung verausgabt, während es vor 10 Jahren nur etwa jeder 20. Dollar war. In dieser gewaltig gestiegenen Bedeutung der militärischen Forschung ist die entscheidende Veränderung in der Struktur der modernen Rüstung zu sehen. Diese Tatsache wird noch unterstrichen, wenn man das Gewicht der militärischen Forschung innerhalb der gesamten, staatlich finanzierten Forschungsund Entwicklungsarbeit berücksichtigt. Wie aus der Tabelle 4 zu entnehmen

234

HORST HEININGER

Tabelle

3

Die E n t w i c k l u n g der R ü s t u n g s a u s g a b e n und des A n t e i l s der A u s g a b e n f ü r m i l i t ä r i s c h e F o r s c h u n g in den U S A n a c h dem K r i e g e Anteil der Ausgaben für mil. Forschung

Rüstungsausgaben Jahr

Md •

%

$

I 1939/40 1944/45 1952/53 1957/58

1,5

1960/61 1962/63 1963/64

II

I

II

1.5

0,2

0,2

81,2

81,2

50.4 44.2 47.5 53.0 55.4

50,5 44.3 48,3 55.4 59.9

1.7 5,5

10,2 16,2 16,0 16,6

1,7 5,7

10,4 17,6

19,7

22,4

I = Angaben ohne Berücksichtigung der Ausgaben für die Raumfahrtbehörde I I = Angaben unter Berücksichtigung der Ausgaben für die Raumfahrtbehörde (von 1952/53 bis 1957/58 die NACA, ab 1958/59 die NASA) Quelle: Berechnungen nach Angaben von J . M. Schejnin, Wissenschaft und Militarismus in den USA, Moskau 1963 (russ.) Tabelle 4

D i e R o l l e des S t a a t e s b e i der A u f b r i n g u n g und V e r w e n d u n g der F o r s c h u n g s m i t t e l in den U S A Aufbringung Jahr.

1941 1945 1947 1953

priv Ind.

Staat

Verwendung Univ.

Md. $

/o

Md. $

/o

Md. $

/o

o,37

41

0,51

57

0,02 0,02

2,49

62 64 80

2 2 2 2

1,07 1,16

70

51

o,43 1,05

1,43

28

47 3f> 33

0,05 0,08

8,10 4,12 0,31 3 1963 12,37 Quelle: Statistical Abstract of the US, lfd. i960

Staat Md. $ 0,2

o,43 0,52

0,77 1,84

priv. Ind.

Univ.

0/ /o

Md. $

/o

Md. $

/o

22 28

0,66

1,57

73 65

69 70

5 7

2,81

0,04 0,11 0,17 0,42

9,44

75

1,25

23 19 15

0,99

8 11 10

ist, ist der Anteil des Staates an der Aufbringung der gesamten Forschungsmittel mit 8 0 % gegenwärtig höher als in der Zeit des zweiten Weltkrieges. Das private Monopolkapital ist an der Aufbringung mit weniger als 2 0 % beteiligt, verfügt aber über 7 5 % und unter Einschluß der Universitäten sogar über mehr als 8 5 % der Mittel. Der Anteil des Staates an der Aufbringung der Forschungsmittel ist in keinem anderen imperialistischen L a n d auch nur annähernd so hoch. Innerhalb dieser gewaltig angestiegenen Ausgaben f ü r

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

235

Forschung und Entwicklung, die weitgehend vom Staat finanziert werden, nimmt die militärische Forschung mit mehr als 75% einen überragenden Platz ein. Ihr Anteil an den staatlichen Ausgaben beträgt seit acht Jahren sogar etwa 9%. 3 In dieser einseitigen Ausrichtung der Forschung auf die Belange der Rüstung kommt einmal zum Ausdruck, in welchem Ausmaß das allseitige Betreiben einer modernen Rüstung staatliche Mittel beansprucht. Es handelt sich aber zugleich um eine gewaltige Aufblähung der Forschungskosten, da die staatlichen Mittel von den privaten Monopolen zu einem bedeutenden Teil dazu verwendet werden, um zusätzliche Profite einzustreichen. Außerdem wird die Effektivität dieser Mittel durch zahlreiche Doppel- und Fehlentwicklungen eingeschränkt. Einen beträchtlichen Anteil der militärischen Forschungsausgaben machen die Aufwendungen für die Atomwirtschaft und die Weltraumforschung aus. Dieser Anteil betrug 1955/56 etwa 60% und gegenwärtig mehr als 80%. Natürlich können diese Ausgaben nicht vollständig der Rüstung zugerechnet werden. Nach Schätzungen von J . M. Schejnin beläuft sich der Rüstungsanteil in der Atomwirtschaft auf etwa 75% und in der Weltraumforschung auf mindestens 30%. 4 Der direkten militärischen Forschung sind weiterhin zu einem bedeutenden Teil die Ausgaben für die Entwicklung des Raketen- und Flugzeugbaus, des Schiffbaus und außerdem die Forschungsausgaben für die Entwicklung der Waffentechnik der Landstreitkräfte zuzurechnen. Der überwiegende Teil der Mittel für die militärische Forschung stellt damit eine unproduktive Verausgabung dar. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß selbst in solchen Zweigen wie dem Flugzeugbau militärische und zivile Forschung ineinander übergehen. In der Regel ist es so, daß die Entwicklung bestimmter Typen von Kriegsflugzeugen zugleich eine Vorstufe für den späteren Einsatz von Passagierflugzeugen darstellt. Trifft dies bereits für den Flugzeugbau zu, so ist es noch mehr bei solchen kriegswichtigen Zweigen wie der Elektronik und einzelnen Sparten der chemischen Industrie, des Maschinen- und Gerätebaus der Fall. Über die militärische Forschung wird ein großer Teil der Forschungsvorhaben der Monopole finanziert. Wie aus der Tabelle 5 hervorgeht, stehen diese Zweige in Bezug auf die Aufwendung von Forschungsmitteln mit weitem Abstand an der Spitze. Der Flugzeug- und Raketenbau, die Elektroindustrie und Elektronik, die chemische Industrie und der Maschinen- und Gerätebau vereinigten im Jahre 1961 bereits etwa 80% aller Aufwendungen der amerikanischen Industrie für Forschungszwecke auf sich. Die Metallurgie, die Metallverarbeitung und der Fahrzeugbau blieben demgegenüber weit zurück. Zusammenfassend läßt sich daher über die Wirkung der Ausgaben für militärische Forschung auf die wirtschaftliche Entwicklung feststellen, daß der überwiegende Teil der Ausgaben eine unproduktive Verausgabung von Mitteln dar3 Bei der Berechnung des Anteils der Ausgaben für militärische Forschung an den gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung wurden die Ausgaben der privaten Monopole für die militärische Forschung nicht berücksichtigt. E s handelt sich hierbei allerdings nur um relativ geringe Beträge, da nahezu die gesamte militärische Forschung über den Staat finanziert wird. 4 Vgl. J . M. Schejnin, Wissenschaft und Militarismus in den USA, Moskau 1963, S. 134 und 156 (russ.).

236

HORST

HEININGER

Tabelle 5 E n t w i c k l u n g der A u f w e n d u n g e n für F o r s c h u n g und E n t w i c k l u n g in den H a u p t i n d u s t r i e z w e i g e n der U S A v o n 1953 b i s 1961 (in Mill. $) 1953

. 1957

1961

Gesamte Industrie 7718 10891 3538 2605 Flugzeug- und Raketenbau 3964 758 Elektroindustrie und Elektronik 1778 795 2 377 698 Maschinenbau 322 924 728 Chemische Industrie 1092 365 Gerätebau 172 249 385 Erdölindustrie 146 224 308 Metallurgie 60 111 161 Gummiindustrie 107 124 54 Nahrungsmittelindustrie 67 107 54 Papierindustrie 27 35 57 Automobilindustrie 677 789 Metallverarbeitung 103 106 Übrige Zweige 498 338 Quelle: J. M. Schejnin, Wissenschaft und Militarismus in den USA, Moskau 1963, S. 256 (russ.).

stellt und nicht für die Weiterentwicklung der Produktivkräfte in den zivilen Bereichen nutzbar gemacht werden kann. Ein gewisser quantitativ nicht genau zu erfassender Teil der Ausgaben stellt hingegen einen echten Aufwand für die Entwicklung von Wissenschaft und Technik in entscheidenden Zweigen der Industrie dar. Durch ihn wird die Vergesellschaftung der Produktion weiter vorangetrieben und ein Anstoß für die Akkumulation gegeben. Etwa 70% der amerikanischen Rüstungsausgaben entfallen gegenwärtig auf den rüstungswirtschaftlichen Staatsverbrauch im eigentlichen Sinn (Waffentechnik, allgemeine Ausrüstung, Munition, Unterhalt und Versorgung der Streitkräfte sowie die Gehalts- und Soldzahlungen). Bei diesem Bestandteil der Rüstung handelt es sich um den in vielen Untersuchungen erwähnten „staatsmonopolistischen Rüstungsmarkt". Sein Anteil ist mit der raschen Zunahme der Ausgaben für militärische Forschung seit Jahren eindeutig rückläufig. Gegenwärtig entfällt auf ihn etwa % des gesamten Staatsverbrauchs der USA. Innerhalb dieses Komplexes von Rüstungsausgaben sind drei wesentliche Kategorien zu unterscheiden. Der erste Bestandteil, die Sold- und Gehaltszahlungen, die sich faktisch als ein Teil des privaten Verbrauchs niederschlagen, hat zwar in den letzten Jahren weiter etwas zugenommen, sein Gewicht innerhalb des gesamten Verbrauchs hat hingegen ständig abgenommen (Hierbei ist zu berücksichtigen, daß wesentliche Bestandteile dieser Aufwendungen als sogenannte Truppendollar im Ausland verausgabt werden). Bei der zweiten Kategorie, den Ausgaben für die Versorgung und den Unterhalt der Streitkräfte, handelt es sich im wesentlichen um Ausgaben für Treibstoffe, Munition, allgemeine Ausrüstungsgegenstände und Verbrauchsgüter. 5 Auch der Anteil 5 In den Ausgaben für die Versorgung der Streitkräfte sind die Ausgaben der USA für den schmutzigen Krieg gegen das vietnamesische Volk enthalten.

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

237

dieser Ausgabenart am Staatsverbrauch und an den Umsätzen der betreffenden Industriezweige ist stark rückläufig. Den wichtigsten Bestandteil dieses Gesamtkomplexes der Rüstungsausgaben stellen die Käufe von Kriegsmaterial dar. Ihre Bedeutung für den Umsatz wichtiger Zweige der amerikanischen verarbeitenden Industrie zeigen die folgenden Angaben 6 :

Nettoausgaben des amerikanischen Kriegsministeriums für Ausrüstungen Md. $ Verkaufsumsatz der „durable goods industries" Md. $ Anteil der Rüstungskäufe an den Verkaufserlösen %

1955

1958

i960

1961

1962

12,8

14.1

13,3

13,1

14.5

143,3

154.8

175,9

168,9

187,4

9,o

9,1

7,6

7,8

7.8

Aus diesen Angaben geht hervor, daß sich auch der Anteil der wichtigsten Waffenarten an den Umsätzen der Industrie in den letzten Jahren verringert hat. Dabei muß man berücksichtigen, daß die vorstehend angeführten Daten nur die wichtigsten Waffenarten, das große Kriegsgerät berücksichtigen. Es geht aus diesen Angaben nicht hervor, welche Auswirkungen die Verringerung der „Schattenkapazitäten" und des Reservebestandes an Werkzeugmaschinen gehabt hat. Der in den Händen des Staates befindliche Werkzeugmaschinenpark, der größtenteils für Rüstungszwecke eingesetzt wird, hat sich seit den fünfziger Jahren beträchtlich vermindert. Allein von 1958 bis 1961 nahm er um 30000 Einheiten (von 323000 auf 293000) ab.7 Besonders krasse Einschränkungen des rüstungswirtschaftlichen Verbrauchs traten im Gefolge der militärtechnischen Umwälzung in einigen Grundstoffindustrien, vor allem in der Metallurgie, ein. Besonders wurde hiervon die Stahlindustrie betroffen. Dies erklärt sich einmal daraus, daß das Gewicht der konventionellen Waffen und damit der Rüstungsarten mit hohem Stahlverbrauch bedeutend zurückgegangen ist, und zum anderen ist der spezifische Stahlverbrauch bei den neuen Waffen ebenfalls wesentlich geringer. So nahm der Stahlverbrauch für Kriegsschiffe in der Zeit von 1957 bis i960 von 1,3 Mill. t auf 290000 t und bei Heereswaffen von 964000 t im Jahre 1954 auf 182000 t im Jahre 1961 ab8. Ähnliche Entwicklungstendenzen zeichnen sich im Verbrauch wichtiger NE-Metalle ab. In der folgenden Übersicht läßt sich das deutlich erkennen (Anteil des Rüstungsverbrauchs am Gesamtverbrauch in Prozent)9. 1948 Stahl Kupfer Aluminium 6

6,0

1952

1954

1955

1958

i960

1962

9,7 6,5

3,o 2,3 14,5

1,8

17,8

1,2

i,5

30,0

1,9

13,6

9.8

Statistical Abstract of the US, 1963. W. A. Morosow, Die Abrüstung und das kapitalistische Marktproblem, Moskau 1964, S. 26 (russ.). 8 Ebenda, S. 25 und 27. 9 Ebenda. 7

238

HOBST

HEININGER

In diesen Angaben ist der Rückgang der Käufe zur strategischen Vorratsbildung nicht berücksichtigt. Bei der Einschätzung dieser Rückgänge muß man natürlich in Rechnung stellen, daß der Verbrauch dieser Grundstoffe je Erzeugniseinheit in der gesamten verarbeitenden Industrie der U S A zurückgegangen ist. Dennoch zeitigt hier die veränderte Rüstungsnachfrage einen spezifischen Effekt, da diese Zweige weitgehend unter dem Einfluß der Rüstung ausgebaut wurden und die drastischen Einschränkungen daher zu besonders starken Auswirkungen führen müssen. Von größerer Bedeutung für die gesamte Entwicklung der Produktion ist die Rüstung daher gegenwärtig nur in den Zweigen, die auch bei der Vergabe der Forschungsmittel an erster Stelle rangieren: die Atomwirtschaft, der Raketenund Flugzeugbau, die Elektrotechnik und Elektronik, die chemische Industrie sowie einzelne Sparten des Schiffbaus und des Maschinenbaus. Im Jahre i960 nahm die Rüstung in den erstgenannten Zweigen eine überragende Stellung Tabelle 6 D e r A n t e i l der R ü s t u n g s p r o d u k t i o n an der E r z e u g u n g w i c h t i g e r I n d u s t r i e z w e i g e in d e n U S A , E n g l a n d u n d W e s t d e u t s c h l a n d (in %)

Flugzeugbau Elektronik Schiffbau Fahrzeugbau Maschinen- und Gerätebau Elektroindustrie Bauwirtschaft Textil- und Bekleidungsindustrie

USA

England

Westdeutschland

(i960)

(1961)

(1960/61)

80

65

60

5

10-15

5 4

70 22

23 3 3 4.5

1,2

1.3

90—100

15 4-5 5-6 3 5

Quellen: V. Perlo, Militarism and Industry, London 1963 The Economic Effects of Disarmament, by The Economist Intelligence Unit sponsored by the United World Trust, London/Toronto 1963 Berichte des Deutschen Wirtschaftsinstituts, Heft 11/1961 und Heft 9/1963 ein. Seither haben sich jedoch auch in einigen dieser Zweige Veränderungen ergeben. Innerhalb des Flugzeug- und Raketenbaus hat sich eine eindeutige Schwerpunktverlagerung auf den Raketenbau ergeben. Der Ausbau der Raketenfertigung hat jedoch den Rückgang im Flugzeugbau nur geringfügig überkompensiert. Auch in anderen Zweigen haben die strukturellen Veränderungen nur in begrenztem Maße zu einer Erhöhung der Rüstungsnachfrage geführt. 10 Zusammenfassend läßt sich daher für den rüstungswirtschaftlichen Staatsverbrauch feststellen, daß dessen Bedeutung in der Entwicklungstendenz während der letzten Jahre ständig zurückgegangen ist. Eine ähnliche Beobachtung läßt sich hinsichtlich der Beschäftigung in der Rüstungsindustrie machen. Die Gesamtzahl dieser Beschäftigten hat sich seit 1955 von 5,2 Millionen bis i960 auf 3,9 Millionen verringert. 11 Hinsichtlich der 10 11

Statistical Abstract of the US, 1963. W. A. Morosow, a. a. O., S. 142.

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

239

A u s g a b e n des amerikanischen K r i e g s m i n i s t e r i u m s für die H a u p t w a f f e n a r t e n (Monatsdurchschnitte Millionen Dollar)

Flugzeuge und Raketen Schiffe Elektronik und Nachrichtenwesen andere Ausrüstungen

1955

1958

1959

i960

1961

1962

784 79

936 92

922 124

775 145

739 150

820 159

37 99

55 30

60 33

91 37

87 56

95 95

wichtigsten Rüstungsfertigungen lassen sich in den letzten Jahren folgende Tendenzen feststellen 12 (durchschnittliche monatliche Beschäftigung in Tausend):

Flugzeuge und Raketen Schiffe Elektronik und Nachrichtenwesen andere Ausrüstungen

1955

1958

1959

i960

1961

1962

761 125

784 147

755 146

674 141

669 142

707 143

141

296 145

336 173

367 187

378 201

416 215

Wie in anderen Zweigen der verarbeitenden Industrie, so hat auch in diesen Sparten der modernen Rüstungsfertigung die Einführung moderner Fertigungsverfahren und der Übergang zur Automatisierung zu einer immer geringeren Zunahme der Beschäftigung je Erzeugniseinheit geführt. Die Entwicklung der Produktion in diesen Zweigen wirkt daher dem allgemeinen Rückgang der Beschäftigung in der gesamten Industrie nicht entgegen. Das bisher angeführte Material über die Rolle und das Gewicht der Rüstung läßt sich noch für weitere Produktionszweige ergänzen. Zum Beispiel ließe sich anführen, daß die Ausgaben für militärische Bauvorhaben in den letzten Jahren sogar absolut zurückgegangen sind. Die vorstehenden Darlegungen genügen jedoch bereits, um einige Schlußfolgerungen über die jüngsten Entwicklungstendenzen des „staatsmonopolistischen Rüstungsmarktes" zu ziehen. 1. Infolge des weiteren Andauerns des Wettrüstens nahmen die Rüstungsausgaben in den letzten Jahren weiterhin bedeutend zu. Zugleich aber stiegen die übrigen Anforderungen an den imperialistischen Staat zur Aufrechterhaltung der monopolistischen Herrschaft. Der Anteil der Rüstung am Nationaleinkommen und am Staatsverbrauch blieb daher konstant bzw. sank sogar. 2. Die Umwälzung in der Militärtechnik führte zu einer sprunghaften Zunahme der Ausgaben für die militärische Forschung, die nur zum geringeren Teil für die Entwicklung der Produktion in der zivilen Industrie nutzbar gemacht werden kann. 3. Der Anteil des rüstungswirtschaftlichen Staatsverbrauchs ging in den letzten Jahren zurück. Der Anteil der Rüstung an der Produktion der Industrie hat sich in den meisten Zweigen verringert. Besonders wurden hiervon hinsichtlich der Produktions- und Beschäftigungsentwicklung wichtige Zweige der Grundstoffindustrie und der Metallverarbeitung betroffen. 12

Statistical Abstract of the US, 1963.

240

HORST H E I N I N G E R

4. Hinsichtlich der modernen Militärtechnik läßt sich feststellen, d a ß ihre wachsende Herstellung die R ü c k g ä n g e in anderen Sparten der Rüstungsfertigung nur in geringem Maße überkompensiert hat. Die B e s c h ä f t i g u n g je Erzeugniseinheit war wie in der gesamten verarbeitenden Industrie rückläufig. Allgemein ausgedrückt b e d e u t e t dies, d a ß die W i r k u n g je Einheit der Rüstungsausgaben auf die Z u n a h m e von P r o d u k t i o n und B e s c h ä f t i g u n g in den letzten zehn Jahren im Verhältnis zum gesamten W a c h s t u m geringer geworden ist. Darüber hinaus haben die strukturellen Veränderungen innerhalb der R ü s t u n g dazu geführt, d a ß sich in wichtigen Industriezweigen bedeutende Ü b e r k a p a z i t ä t e n herausbildeten. Die B e d e u t u n g des „ R ü s t u n g s m a r k t e s " hat sich demnach im Vergleich z u m E n t w i c k l u n g s s t a n d der fünfziger Jahre verringert. Man darf allerdings nicht übersehen, daß es sich hierbei u m Entwicklungstendenzen handelt, die sich vor dem Hintergrund eines relativ starken Wachst u m s der amerikanischen W i r t s c h a f t vollzogen. E s ist weiter zu berücksichtigen, d a ß wir uns vor allem die A u f g a b e stellten, einige neuere Entwicklungstendenzen dar R ü s t u n g herauszuarbeiten, die A u f s c h l u ß über den geringeren Anteil der Rüstungsnachfrage an der gesamten Nachfrage geben sollten. Diese Feststellungen sollen nicht besagen, daß die R ü s t u n g für die E n t w i c k l u n g der amerikanischen W i r t s c h a f t , f ü r die unproduktive V e r w e n d u n g eines bedeutenden Teiles des Nationaleinkommens der U S A von geringer oder gar untergeordneter B e d e u t u n g geworden ist. A u ß e r d e m gilt es gerade für die U S A zu berücksichtigen, daß das ökonomische Gewicht der R ü s t u n g nicht nur im Verhältnis zu der E n t w i c k l u n g der gesamten Industrie sondern auch unter regionalen Gesichtspunkten betrachtet werden muß. Die Verteilung der Rüstungsaufträge auf die einzelnen amerikanischen Bundesstaaten weist außerordentlich starke Unterschiede auf. So entfielen im Jahre 1961 allein auf California über 4 1 % aller militärischen Forschungs- und Entwicklungsaufträge. 1 3 Der gleiche S t a a t vereinigte im Rechnungsjahr 1962/63 zugleich ein Viertel aller E r s t k o n t r a k t e f ü r Rüstungsaufträge der amerikanischen Regierung auf sich. 1 4 Demgegenüber war der Anteil solcher S t a a t e n wie Wisconsin, Oregon und Mississippi sehr gering. Diese bedeutenden Unterschiede erklären sich v o r allem aus der Tatsache, d a ß z. B . in California wesentliche Teile der amerikanischen Raketenrüstung konzentriert sind. In diesem S t a a t spielt die R ü s t u n g eine dominierende Rolle. Sicherlich heben diese regionalen Unterschiede die oben getroffenen F e s t stellungen über die Entwicklungstendenzen des ökonomischen Gewichts der R ü s t u n g in der amerikanischen W i r t s c h a f t nicht auf. Sie weisen jedoch darauf hin, d a ß die R ü s t u n g in einigen Gebieten des amerikanischen Wirtschaftsterritoriums über die unmittelbar betroffenen Produktionszweige hinaus einen größeren E i n f l u ß auf die gesamte W i r t s c h a f t ausübt. 1 5 V. Perlo, Militarism and Industry, London 1963, S. 110. „ U S News & World Report" vom 28. 10. 63 16 Diese Tatsache hat noch einen bedeutenden politischen Aspekt. Während der letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlen suchte Goldwater gerade in diesen Staaten für sich Stimmung zu machen, indem er versprach, die Rüstungsbestellungen für diese Gebiete bedeutend zu erhöhen, während sein Gegenkandidat Johnson den „Interessen" der Bevölkerung dieser Staaten nicht Rechnung trüge. 13

14

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

241

Unsere bisherige Untersuchung wurde am Beispiel der amerikanischen Rüstung vorgenommen. Die hierbei gewonnenen Schlußfolgerungen lassen sich nur bedingt auf die anderen imperialistischen Hauptländer übertragen. In keinem anderen imperialistischen Land wird die Rüstung in gleichem Ausmaß und mit gleicher Intensität betrieben wie in den USA. Der Hauptunterschied besteht darin, daß weder in Großbritannien noch in Frankreich und Westdeutschland die Atom- und Raketenrüstung auch nur annähernd den gleichen Umfang aufweist. In Großbritannien zeichneten sich zunächst bis zum Ende der 50-er Jahre hinsichtlich des Anteils der militärischen Forschung und Entwicklung an den gesamten Forschungsausgaben ähnliche Entwicklungstendenzen wie in den USA ab. Die Ursachen hierfür lagen vor allem in dem Streben des britischen Imperialismus nach einer selbständigen Atomstreitmacht und nach einer umfassenden Eigenentwicklung von Raketen und Flugzeugen begründet. Mehr als drei Viertel der staatlichen Forschungsausgaben entfielen zu dieser Zeit auf die militärische Forschung. In den letzten Jahren zeichnete sich jedoch immer klarer ab, daß die britischen Monopole diese umfassenden Pläne der Eigenentwicklungen nicht realisieren konnten. Angesichts der angespannten Wirtschaftslage, vor allem der chronischen Zahlungsbilanzkrise und der wachsenden Notwendigkeit, die Konkurrenzfähigkeit der britischen Industrie zu erhöhen, mußte die Beibehaltung der ursprünglichen Rüstungsvorhaben zu weiteren ökonomischen Schwierigkeiten und einer beträchtlichen Einschränkung der Manövrierfähigkeit des britischen Imperialismus auf den Außenmärkten führen. Gleichzeitig nahm der Widerstand gegen die britischen Atomwaffenpläne unter der Bevölkerung bedeutend zu. Die britische Regierung war daher gezwungen, die Eigenentwicklungen auf diesen Gebieten der Rüstung weitgehend einzuschränken und mit den amerikanischen Rüstungsmonopolen Verträge über die Vergabe von Lizenzen und den Ankauf von Rüstungsmaterial abzuschließen. Zunächst wurde auf dem Gebiet des Flugzeugbaus die Entwicklung weiter forciert, was zu einem erneuten Ansteigen der Ausgaben für die militärische Forschung führte. In diesem Jahr war jedoch die Labourregierung gezwungen, auch auf diesem Gebiet weitgehende Einschränkungen vorzunehmen. Hinsichtlich der anderen Rüstungsarten gelten die gleichen Entwicklungstendenzen wie in den USA. Die Anforderungen konzentrieren sich vor allem auf den Flugzeugbau (wenn auch in reduziertem Umfang), auf die Elektrotechnik und Elektronik und auf den Schiffbau (Angaben für den Stand von 1961 vgl. Tabelle 6). Charakteristisch für diese Zweige ist gleichfalls die Tatsache, daß der Staat an den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten weit stärker als an den Umsätzen beteiligt ist. So entfielen im Jahre 1961 in der Elektronik 57% der gesamten Forschungsausgaben auf staatlich finanzierte militärische Forschungsvorhaben, während nur 22% der Produktion als Rüstungslieferungen an den Staat gingen.16 Der Anteil der direkten Rüstungslieferungen an der Produktion und Entwicklungsarbeit der anderen Industriezweige war relativ gering. Er lag 1961 unter 5%, in der Mehrzahl der Zweige sogar nur zwischen 1 und 2%. Bei der 18

The Economic Effects of Disarmament, London/Toronto 1963, S. 1 1 1 .

242

HORST HEININGER

Beschäftigung belief er sich in der gesamten verarbeitenden Industrie im gleichen Jahre auf etwa 4%. 1 7 Er ist seit dieser Zeit etwa gleich geblieben. Wenn wir nun noch die westdeutsche Rüstung zum Vergleich heranziehen, gilt es erneut einige Besonderheiten zu beachten. Die westdeutsche Aufrüstung setzte bekanntlich später ein und hat auch gegenwärtig trotz bedeutender Forcierung nicht den Stand der britischen oder gar amerikanischen Rüstung erreicht. 1819 Zudem äußert sich die besondere Aggressivität des westdeutschen Imperialismus nicht in erster Linie in einer raschen Zunahme der Rüstungsproduktion. Wie aus der folgenden Übersicht zu entnehmen ist, sind die Ausgaben für die Beschaffung von Rüstungsmaterialien in den letzten drei Jahren kaum angestiegen; im Jahre 1965 werden sie sich sogar geringfügig vermindern. 19 A u s g a b e n für die B e s c h a f f u n g v o n R ü s t u n g s m a t e r i a l i e n n a c h d e n w e s t d e u t s c h e n H a u s h a l t s p l ä n e n 1962 — 1965 in Mill. DM

Insgesamt Militärbauten Fahrzeuge Kampffahrzeuge Munition Flugzeuge 3 Nachrichtenmaterial Schiffe a

Entwurf

Soll

1965

1964

1963

1962

7644 1746 526 700 1200 1294 490

875 1 1645 570

8600 1402

7802

800 1000

1957

520

535 546 einschl. sonstiges flugtechnisches Gerät.

Ist

553

649 1098 2508

512 405

1

54° 737 55 1 981

1763 376 493

Im Vergleich zu den 50er Jahren haben die Bestellungen zwar bedeutend zugenommen, in den letzten Jahren zeigt sich aber eine gleichbleibende Tendenz. Die Ursache hierfür ist vor allem darin zu sehen, daß die gegenwärtige Ausstattung der westdeutschen Armee noch jungen Datums ist und die Neuentwicklungen noch nicht zum Abschluß gelangten bzw. noch nicht in die Endfertigung gingen. Der Anteil der Rüstung an der Produktion der Industrie hat sich daher in den letzten Jahren gegenüber dem Stand von 1960/61 sogar verringert. Zu diesem Zeitpunkt war vor allem der Flugzeugbau weitgehend mit Rüstungslieferungen beschäftigt, während die anderen Zweige nach Schätzungen des Deutschen Wirtschaftsinstituts nur höchstens zu 5 % ihrer Produktion mit Rüstungsbestellungen ausgelastet waren (vgl. die näheren Angaben in Tabelle 6). Zugleich muß als Besonderheit der westdeutschen Aufrüstung hinzugefügt werden, daß nur etwa 5 5 % der Rüstungsbestellungen an westdeutsche Lieferfirmen gingen. Dieser Anteil hat sich in dem letzten Jahr verringert. Er belief sich in den vergangenen 10 Jahren der westdeutschen Aufrüstung noch durchschnittlich auf 68,5%. 20 Die meisten Waffenkäufe werden noch immer im 17

Ebenda, S. 9. Auf die näheren Zusammenhänge sind wir an anderer Stelle bereits näher eingegangen. Vgl. Gündel/Heininger/Hess/Zieschang, Die Labilität des Wirtschaftssystems in Westdeutschland, Berlin 1963. 19 Vgl. Berichte des Deutschen Wirtschaftsinstituts, Heft 2/1965. 20 Ebenda. 18

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

243

Ausland, vor allem in den USA, getätigt. Es handelt sich dabei jährlich um einen Betrag von 2,5 Md. DM. Diese Verpflichtung ging die westdeutsche Regierung gegenüber den USA hauptsächlich aus außenpolitischen Gründen ein. Durch diesen Beitrag zur Entlastung der amerikanischen Zahlungsbilanz suchen die westdeutschen Imperialisten einen politischen Druck auf die USA auszuüben, um diese für ihre revanchistischen Ziele einzuspannen und Unterstützung bei ihrem Streben nach Verfügungsgewalt über atomare Waffen zu erhalten. Alle diese Umstände zusammengenommen bewirken, daß die Rüstungsproduktion in Westdeutschland gegenwärtig eine geringere Rolle als in den USA oder in Großbritannien spielt. Diese Entwicklung kann sich unter veränderten ökonomischen und politischen Bedingungen sicherlich verändern. Die bedeutend erhöhten Aufwendungen des westdeutschen Staates für die militärische Forschung, insbesondere der wachsende Anteil dieser Aufwendungen an den gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben, deuten z. B. darauf hin, daß die Ausgaben für Neuanschaffungen in den nächsten Jahren wieder ansteigen werden. Für die Jahre 1966 — 1968 sollen diese Ausgaben im Jahresdurchschnitt auf 1,9 Md. DM gegenüber nur etwa 1,3 Md. DM im Jahre 1964 ansteigen.21 Diese Entwicklung kann dazu führen, daß die Rüstung in Westdeutschland einen ähnlichen Anteil an der Industrieproduktion erlangt wie in Großbritannien. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, daß sich mit der Entwicklung der modernen Rüstung auch in Westdeutschland keinesfalls eine gleichlaufende Ausdehnung des „Rüstungsmarktes" ergeben wird. Auch hier bewirken die strukturellen Veränderungen der Rüstung, daß die Ausdehnung des Marktes je Einheit der Rüstungsausgaben geringer wird. Das Beispiel der westdeutschen Rüstung zeigt besonders anschaulich, daß die Rolle des „Rüstungsmarktes" kein alleiniges Kriterium für die Einschätzung der ökonomischen Wirkungen der Rüstung sein kann. Die westdeutschen Rüstungsausgaben umfassen neben dem eigentlichen rüstungswirtschaftlichen Staatsverbrauch noch andere, bedeutende Beträge, die der Kriegsvorbereitung dienen.22 Diese Angaben umfassen bekanntlich noch nicht einmal alle Kosten der Militarisierung, da in anderen Positionen des Bundeshaushaltes noch Beträge Die westdeutschen R ü s t u n g s a u s g a b e n i n d e n J a h r e n 1961 — 1964 (Md. DM)

Stationierungskosten Bundeswehr Sogen. Westberlinhilfe „ Z i v i l e " Verteidigung

21

1961

1962

1963

1964

o,497 12,204 1,142 0,396

0,639 14,977 1.553 0,786

0,566 18,360 1,700 0,818

0,500 19,280 1,800 0,800

14, 2 39

17,955

21,444

22,380

Bericht der Bundesregierung über Stand und Zusammenhang aller Maßnahmen des Bundes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung („Lenz-Bericht"), Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucksache IV/2963, S. 20. 22 Bundesministerium der Finanzen, Bonn, Finanzberichte 1963, 1964. 17

244

HORST H E I N I N G E R

für Spionage- und Agentenorganisationen und weitere Formen der Subversion und indirekten Aggression gegen die Deutsche Demokratische Republik und die anderen sozialistischen Länder enthalten sind. In den USA und Großbritannien sind den direkten Rüstungsausgaben ähnliche Kosten der Militarisierung und internationalen Aggressionsbestrebungen (Militär,.hilfe", Unterhalt der Spionage- und Diversionszentralen usw.) zuzurechnen. Es steht außer Zweifel, daß diese Aufwendungen eine noch wesentlich geringere Wirkung auf die Vergrößerung der Nachfrage und das Wirtschaftswachstum haben als die direkten Rüstungsausgaben. Sind die Rüstungsausgaben allgemein bereits ein deutlicher Ausdruck für den Parasitismus des gegenwärtigen kapitalistischen Systems, so trifft das für diese Ausgaben im besonderen zu. Es läßt sich nach der kurzen Betrachtung einiger Besonderheiten der britischen und westdeutschen Rüstung zusammenfassend feststellen, daß die Wirkung der Rüstung und der gesamten Militarisierung auf die Ausdehnung der gesamten Nachfrage eine sinkende Tendenz aufweist, während gleichzeitig die Kosten für das Betreiben einer modernen Rüstung (einschließlich der riesigen Aufwendungen für die wissenschaftliche Forschung) gewaltig ansteigen. Am Beispiel Großbritanniens zeigte sich, welche einschneidenden Wirkungen diese Tatsache für die gesamte Wirtschaft erlangen. Selbst für die USA bedeutet dies jedoch bekanntlich eine wachsende Belastung der Staatsfinanzen und der Zahlungsbilanz. Bei dem gegenwärtigen Umfang einer modernen Rüstung steigen die Erfordernisse eines umfassenden wissenschaftlich-technischen Vorlaufs und einer entsprechenden Ausrichtung der wissenschaftlichen Forschung einschließlich der Grundlagenforschung ständig weiter an. Unter diesen Bedingungen führt die Politik der Beibehaltung oder gar der weiteren Forcierung des Wettrüstens in den USA bereits zum Zurückbleiben der nicht unmittelbar mit der Rüstung verbundenen Wissenschaftsgebiete. 23 Die Anspannung der Staatsfinanzen heißt zugleich, daß die Lösung dringender Aufgaben auf sozialem Gebiet und bei einer umfassenden Wirtschaftshilfe für die Entwicklungsländer nicht möglich ist. Für Westdeutschland, das nur etwa 1,4% des Bruttosozialprodukts (gegenüber mehr als 3 % in den USA) für die Forschung und Entwicklung verausgabt, bedeutet die Forcierung der Rüstung zugleich ein weiteres Zurückbleiben in der allgemeinen Wissenschaftsentwicklung. 24 Die Beibehaltung des Wettrüstens schränkt die Manövrierfähigkeit des imperialistischen Staates auf ökonomischem Gebiet ein. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzten in den letzten Jahren verstärkte Bemühungen der imperialistischen Länder in Richtung einer internationalen rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit ein. Mit der militärtechnischen Revolution erwachsen gerade auf dem Gebiet der Rüstung angesichts der hohen Forschungs-, Entwicklungs- und Herstellungskosten und der Notwendigkeit einer weitverzweigten Kooperation zahlreicher Sparten der Industrie Tendenzen einer internationalen Zusammenarbeit. Ein ausschlaggebender Gesichtspunkt ist hierbei das Bestreben, durch entsprechende Vereinbarungen bei wichtigen Rüstungsgütern zur Großserienproduktion zu gelangen, um hierdurch die Kosten zu senken. Diese Bestrebungen werden 23 24

Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung dieser Fragen bei J. M. Schejnin, a. a. O. Angaben nach: Bericht der Bundesregierung . . ., a. a. O., S. 114.

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

245

vor allem von den U S A verfolgt, da auf sie der größte Teil der militärischen Forschungs- und Entwicklungsausgaben entfällt. Nach amerikanischen Angaben über den Entwicklungsstand zu Beginn der 60er J a h r e bedeutete z. B . die Produktionssteigerung im Zellenbau eines bestimmten Flugzeugtyps von 100 auf 1000 Einheiten eine Kostensenkung von 25 $ auf 1 5 $ je Gewichtseinheit (am. Pfund). 2 8 Diese Beispiele ließen sich auch für andere Waffenarten ausführen. Allein gerade auf dem Gebiet, der Rüstungswirtschaft wirken einer engen internationalen Zusammenarbeit bedeutende politische und militärische Gegensätze entgegen. A m deutlichsten treten diese Gegensätze auf dem Gebiet der Atom- und Raketenwaffen auf. Eine echte internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet würde bedeuten, daß alle beteiligten Staaten in den Besitz der Produktionsgeheimnisse der bisherigen Atommächte gelangten und zugleich auch die Verfügungsgewalt über den Einsatz der W a f f e n erhielten. Gegen derartige Vorhaben würden die Völker der beteiligten Länder so entschieden auftreten wie gegen die Pläne einer multilateralen Atomstreitmacht. Zudem sprechen aber auch die Interessen der Atommächte gegen eine solche Lösung, da sie hierdurch eines entscheidenden Mittels ihrer Machtpolitik gegenüber den Konkurrenten beraubt würden. So sind sowohl die U S A als auch Großbritannien und Frankreich gegen derartige Projekte, vor allem, wenn sie in Gemeinschaft mit dem westdeutschen Imperialismus realisiert werden sollen. Die Pläne des westdeutschen Imperialismus zielen bekanntlich darauf ab, über eine Multilaterale oder Atlantische Atomstreitmacht durch Aufbringung eines wesentlichen Teils der Kosten in die Verfügungsgewalt über Atomwaffen zu gelangen. Diese Pläne stoßen aber sowohl bei der Mehrzahl der N A T O Partner als auch bei den Völkern auf entschiedene Ablehnung. So wird die Atomrüstung von den drei Atommächten des imperialistischen Lagers im wesentlichen weiter getrennt betrieben, wenn man von einigen Vereinbarungen zwischen den U S A und Großbritannien absieht. Der westdeutsche Imperialismus sucht daher auch seinerseits Voraussetzungen f ü r eine eigene Atom- und Raketenrüstung zu schaffen, wie die erhöhten Anstrengungen zum Ausbau der westdeutschen Atomwirtschaft und die Gemeinschaftsprojekte mit Israel, der Südafrikanischen Union und anderen Ländern zeigen. Auf dem Gebiet der herkömmlichen Waffen hat die internationale Zusammenarbeit gewisse Fortschritte gemacht. In den meisten Fällen handelt es sich aber bis zum Beginn der 60er J a h r e um Lizenzbauten oder direkte Rüstungskäufe auf dem Gebiet des Flugzeug-, Schiffbaus und der Herstellung von Heereswaffen. Die gemeinsame Entwicklung und Herstellung stieß auf ähnliche Schranken wie bei den Atom- und Raketenwaffen. Das unrühmliche E n d e des „ E u r o p a p a n z e r s " und verschiedener Raketen- und Flugzeugprojekte, die vor allem zwischen Westdeutschland, Frankreich und Großbritannien vereinbart waren, zeigen das deutlich. E r s t in den letzten J a h r e n kam es zur Vereinbarung einiger Gemeinschaftsprojekte auf dem Gebiet des Flugzeugbaus (z. B . ,,Transall"-Projekt zwischen Westdeutschland und Frankreich und Gemeinschaftsproduktion des NATO26

Ch. J . Hitch, R. N. McKean (a. o.), The Economics of Defense in the Nuclear Age, Cambridge 1961, S. 293. 17*

246

HORST H E I N I N G E R

Seeaufklärers „Atlantic" mehrerer westeuropäischer Firmen einschließlich Westdeutschlands) und der Heereswaffen, Für den westdeutschen Imperialismus gilt aber im besonderen, daß er eine enge, bilaterale rüstungswirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA sucht. Dies äußert sich einmal in der bereits erwähnten Beibehaltung umfangreicher Waffenkäufe in den USA. Im Jahre 1964 entfielen auf Westdeutschland etwa 50% aller Rüstungsexporte der USA. Dem westdeutschen Kriegsministerium wurden dabei direkte Beziehungen zu den amerikanischen Lieferfirmen wie dem Pentagon zugestanden. Nach einer Vereinbarung des westdeutschen Kriegsministers von Hassel mit dem amerikanischen Kriegsminister vom November 1964 können sich westdeutsche Dienststellen ständig über alle nichtatomaren Waffenentwicklungen des Pentagon unterrichten. Als eine erste wichtige Gemeinschaftsentwicklung soll der „Panzer der 70er Jahre" von den USA und Westdeutschland in Angriff genommen werden. Weitere Gemeinschaftsprojekte sollen auf dem Gebiet des Flugzeugbaus vereinbart werden. Sicherlich darf man die Bedeutung dieser Projekte nicht überschätzen; aber die Absicht des westdeutschen Imperialismus, vermittels der umfangreichen Rüstungskäufe und der Beteiligung an wichtigen Projekten, einen Einfluß auf die amerikanische Außenpolitik zu nehmen, ist deutlich. Zudem versuchen die westdeutschen Imperialisten und Militaristen auf diesem Wege weiterhin einen Teil der eigenen Entwicklungskosten einzusparen. Die Devise dabei lautet: wer rationell rüsten will, kauft die Elektronik, Radarausrüstungen, Raketen, Flugzeuge und Navigationsinstrumente in den USA. 26 Die Realisierung der gemeinsamen Entwicklungsvorhaben ist erst in einigen Jahren vorgesehen. Zur Zeit laufen eigene Entwicklungen der westdeutschen Monopole weiter (z. B. der „Leopard"-Panzer, Kanonen, Jagdpanzer, U-Boote und der Senkrechtstarter VJ 101). Wie das Beispiel Westdeutschlands zeigt, bringt die internationale rüstungswirtschaftliche Zusammenarbeit den betreffenden Ländern gewisse Einsparungen. Man muß aber dabei bedenken, daß es sich um einen geringen Prozentsatz der gesamten Rüstungsvorhaben handelt. Im Jahre 1962 machten die gemeinsamen Rüstungsvorhaben der NATO-Staaten erst 6 % des gesamten Rüstungsaufwandes aus.27 Trotz gewisser Fortschritte in der rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den imperialistischen Hauptländern muß man daher feststellen, daß die Einsparungen, gemessen am Gesamtaufwand, für die Rüstung relativ gering waren. Die besondere Verknüpfung außenpolitischer, militärischer und ökonomischer Interessen auf diesem Gebiet läßt auch für die Zukunft keine wesentlichen Veränderungen erwarten. Unsere obigen Schlußfolgerungen über die ökonomischen Wirkungen der Rüstung werden durch die Auswirkungen der rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht wesentlich eingeschränkt. Hinsichtlich der Rolle und des Gewichts der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates lassen sich daher aus unserer Untersuchung zwei Schlußfolgerungen ableiten. Einmal bedeutet der relativ große Umfang des Rüstungssektors in der gesamten Volkswirtschaft, daß die direkte Einwirkung des 26 27

„ D i e Zeit", Hamburg, v. 19. 2. 1965. „ W e h r und Wirtschaft", Frankfurt/Main, H e f t 5/1962.

Rolle und Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage des Staates

247

Staates in die Produktion und Realisierung zugenommen hat und daß damit die Einwirkungsmöglichkeiten des Staates auf den Reproduktionsprozeß größer geworden sind. Damit ergeben sich auch größere Möglichkeiten für den Staat, auf den zyklischen Ablauf der Produktion Einfluß zu nehmen und einem explosionsartigen Ausbruch der inneren Widersprüche der kapitalistischen Produktion entgegenzuwirken. Wir stellten aber auch fest, daß das spezifische Gewicht der rüstungswirtschaftlichen Nachfrage in der Tendenz immer mehr abnimmt und daher die Wirkung der Rüstung auf die Ausdehnung der Akkumulation und Realisierung relativ zurückgeht. Zum anderen bedeutet die Rüstung, daß der Gesellschaft ein wesentlicher Teil des Nationaleinkommens für die produktive Verwendung verlorengeht und zugleich die Möglichkeiten für die Entwicklung von Sozialwesen, Kultur und Wissenschaft eingeschränkt werden. Die aus der Rüstung resultierende Verstärkung der wirtschaftlichen Labilität des staatsmonopolistischen Systems unterstreicht nur die Notwendigkeit, dem Wettrüsten der imperialistischen Länder ein Ende zu setzen und die Gefahr eines dritten Weltkrieges zu beseitigen.

Westeuropa und die USA — einige ökonomische Ergebnisse J E L I S A W E T A CHMELNIZKAJA

Es bedarf keines Beweises dafür, daß die Wechselbeziehungen zwischen dem amerikanischen und dem westeuropäischen Kapitalismus große Bedeutung für das Schicksal, die Entwicklung und Struktur der Wirtschaft des letzteren haben. Diese Wechselbeziehungen umfassen die wichtigsten Seiten des wirtschaftlichen und politischen Lebens. Der Charakter der Beziehungen zwischen diesen beiden bedeutendsten Bereichen des kapitalistischen Weltsystems erfuhr in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg grundlegende Veränderungen, da sich in jedem dieser Sektoren Umwandlungen vollzogen und damit das Kräfteverhältnis zwischen beiden verschoben. Im Verlauf von zwanzig Jahren festigte der westeuropäische Kapitalismus, nach Beendigung des zweiten Weltkrieges durch die vielseitige Unterstützung der USA wieder auf die Füße gestellt, seine Position in den Beziehungen zu seinem atlantischen Verbündeten und entwickelte sich zu einem ernsten Mitbewerber und' Konkurrenten in der Weltarena. Natürlich ist der amerikanische Kapitalismus nach wie vor die Hauptkraft des Imperialismus, das entscheidende Bollwerk der Weltbourgeoisie. Aber das Maß seiner Überlegenheit über den westeuropäischen Kapitalismus und der Charakter ihrer Beziehungen zueinander mußten sich mit den wesentlichen Veränderungen in der Welt selbst verändern. Ihre äußere Erscheinung findet die Evolution dieser Beziehungen bereits in veränderten politischen Formulierungen, in denen mit prunkvollen Phrasen über die sogenannte „Einheit der freien Welt" die prosaische Sphäre des Konkurrenzkampfes zwischen den beiden Hauptzentren des Imperialismus verdeckt wird. Ursprünglich basierte die „Atlantische Gemeinschaft" auf der zweifellos anerkannten „Führung" der USA in der westlichen Welt. Später aber kamen mit Notwendigkeit solche Formulierungen wie „Partnerschaft", „gleichberechtigte Beziehungen" und schließlich sogar „beiderseitige Zusammenarbeit" zum Vorschein. Es ist nicht notwendig zu erklären, daß alle diese Formulierungsvarianten den echten Inhalt der Wechselbeziehungen zwischen Westeuropa und den USA nicht aufdecken sondern tarnen, ungeachtet dessen widerspiegeln sie in gewissem Maße aber bestimmte Realitäten. Die wichtigste dieser Realitäten ist die ungleichmäßige Entwicklung der kapitalistischen Länder in der Nachkriegsperiode. Dieses Gesetz der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung im Kapitalismus, das während des Krieges und in den ersten Jahren nach seiner Beendigung zu einem gewaltigen Übergewicht der Kräfte der USA führte, wandte sich später gegen sie. Nach der Liquidierung der unmittelbaren Kriegsfolgen sicherte das weit schnellere wirtschaftliche Wachstumstempo des westeuropäischen Kapitalismus eine bedeutende Verschiebung des Kräfteverhältnisses im kapitalistischen

250

JELISAWETA CHMELNIZKAJA

Konkurrenzkampf zu seinen Gunsten. Das Ergebnis dieses unterschiedlichen Tempos war die Veränderung des Anteils der USA und Westeuropas an der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion, am kapitalistischen Welthandel, am Kapitalexport und an den Finanzen. Die ungleichmäßige Entwicklung führt unvermeidlich auch zur Annäherung des ökonomischen Niveaus der einzelnen Bestandteile des kapitalistischen Weltsystems. (Dabei handelt es sich natürlich nur um kapitalistisch entwickelte und keineswegs um schwachentwickelte Länder, welchen im Rahmen des kapitalistischen Systems die Möglichkeit genommen ist, ihre Zurückgebliebenheit zu liquidieren.) Vor einem halben Jahrhundert schrieb Lenin, daß unter dem Druck der Großindustrie, des Austausches und des Finanzkapitals im Verlaufe der letzten Jahrzehnte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine starke Nivellierung der Welt, ein großer Ausgleich der Wirtschafts- und Lebensbedingungen in den verschiedenen Ländern vor sich gegangen ist, wobei er gleichzeitig betonte, daß „ein beträchtlicher Unterschied" dennoch bestehen blieb (Lenin, Werke Bd. 22, S. 263). Die Angleichung des ökonomischen Niveaus ist ihrerseits ein Faktor, der die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung verstärkt. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts haben die von Lenin damals aufgedeckten Tendenzen der Nivellierung der Lebens- und Wirtschaftsbedingungen bedeutend zugenommen. In der Literatur über den modernen Kapitalismus werden die verschiedensten Aspekte und Äußerungen dieser Tendenzen hervorgehoben. Damit im Zusammenhang wurde auch das Thema über eine sogenannte Amerikanisierung Westeuropas außerordentlich modern. Bürgerliche Ökonomen, Soziologen und Publizisten sehen Beispiele der Amerikanisierung vor allem in der äußeren Lebensweise, die sich z. B. darin zeigt, daß sich auf den Straßen westeuropäischer Städte ebenso wie in Amerika eine Menge Autos bewegt, die Menschen vom Lärm der Motoren betäubt und die Luft von Benzindämpfen vergiftet wird. Immer mehr greift das amerikanische Lebenstempo, die rasende Jagd nach dem Geld, die Standardisierung nicht nur der Lebensweise, sondern auch des Denkens um sich. Auch in Westeuropa dringen die typisch amerikanischen Methoden der Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Presse, Rundfunk und Fernsehen immer mehr durch. Alle diese Oberflächen- und abgeleiteten Erscheinungen haben natürlich eine ökonomische Grundlage. Der angeführten Art von Merkmalen muß man vor allem solche hinzufügen, die die Annäherung der Struktur der westeuropäischen Industrie an die der amerikanischen, an das spezifische Gewicht ihrer Hauptzweige und deren Entwicklungsrichtung betreffen. Die Annäherung der ökonomischen Struktur ist auch mit einer Annäherung des technischen Niveaus der Mehrzahl der Industriezweige und der angewandten Produktionsmethoden verbunden. Nach den USA nimmt in Westeuropa die Großserien- und Massenproduktion, das Fließbandsystem und die Fließfertigung, die Anwendung der Automatisierung und Elektronik u. ä. immer größeren Umfang an. Die Annäherung der Produktionsstruktur führt in bestimmtem Maße auch zu einer Annäherung der Verbrauchsstruktur. In Westeuropa wächst, wie in den USA, der Anteil der sogenannten dauerhaften Konsumgüter, wie z. B. Automobile und die verschiedensten Elektrogeräte schnell an, so daß solche

Westeuropa und die USA — einige ökonomische Ergebnisse

251

traditionellen Konsumgüter wie Stoffe und Schuhe auf den zweiten Platz verdrängt werden. Auch der Anteil von Fleisch- und Milchprodukten, von Konserven, Obst und Süßwaren wächst auf Kosten von Brot und Kartoffeln. E s entwickelt sich auch der Tourismus zu einer sogenannten Industrie. Zweifellos geht auch eine Annäherung der Formen des Finanzkapitals, der Struktur der industriellen Monopolvereinigungen, der von ihnen praktizierten Leitungsmethoden und Organisationsprinzipien und ihrer Markteroberungsverfahren vor sich. Die Tendenzen zur Nivellierung, zur Annäherung der Stufen und Formen der Wirtschaft in den beiden großen Sektoren des Weltkapitalismus äußern sich auch in einer strukturellen Veränderung der Landwirtschaft Westeuropas, in deren Umgestaltung auf der Basis-der Mechanisierung und des Übergangs zur kapitalistischen Großproduktion, wie sie schon lange in den U S A angewandt wird. Die zunehmende Nivellierung der zwei Hauptteile der kapitalistischen Wirtschaft — der des westeuropäischen und des amerikanischen Kapitalismus — vergrößert zweifellos den Konkurrenzkampf zwischen ihnen. In dem Maße, wie eine Annäherung der westeuropäischen Wirtschaft an die Ausmaße und den Standard der amerikanischen erfolgt, stoßen die Interessen beider Teile des kapitalistischen Weltsystems auf immer neuen Gebieten der Ökonomie und Politik aufeinander. B e i der Analyse der Verhältnisse und Bedingungen des Konkurrenzkampfes zwischen dem westeuropäischen und dem amerikanischen Kapitalismus muß man eine Reihe Faktoren, mitunter überaus widersprüchlicher Natur, berücksichtigen. Was das ökonomische Potential betrifft, das durch den erreichten Stand der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion bestimmt wird, ist die Überlegenheit der U S A unbestreitbar. In der Produktion der wichtigsten Erzeugnisse haben die U S A jedes beliebige westeuropäische L a n d weit hinter sich gelassen. Man muß aber berücksichtigen, daß die Gegenüberstellung der U S A und eines beliebigen westeuropäischen Landes nur die eine Seite ist, die U S A und der westeuropäische Kapitalismus als Ganzes genommen aber eine andere Seite darstellen. Allerdings gibt es kein „vereinigtes E u r o p a " und die Perspektiven seiner Schaffung werden selbst von den eifrigsten „Integrationalisten" höchst pessimistisch eingeschätzt. Die bekannte Bemerkung Lenins über die Unmöglichkeit der Bildung der „Vereinigten Staaten von E u r o p a " wurde vom Leben voll bestätigt. Aber man darf auch den anderen Hinweis Lenins nicht vergessen, der unterstreicht, daß Westeuropa ein System von Staaten ist, das sich schon im Anfang der 80er J a h r e des 19. Jahrhunderts zusammen mit dem Abschluß der Bildung von Nationalstaaten entwickelte. Die ökonomischen Beziehungen zwischen diesen Staaten, die Verschlingung der Kapitale und die Internationalisierung des wirtschaftlichen Lebens sind seitdem bedeutend gewachsen. Wenn die U S A gegenüber dem gesamten Westeuropa auch mehr industrielle und landwirtschaftliche Produkte erzeugen, ist ihre Überlegenheit im Verhältnis zu einzelnen kapitalistischen Staaten der Alten Welt jedoch weniger frappierend. E s ist notwendig, gegenüber den sich f ü r die U S A ergebenden Vorteilen auch die, f ü r den westeuropäischen Kapitalismus günstigen Faktoren in seinem ökonomischen Wettbewerb mit den U S A zu berücksichtigen. Diese Faktoren

252

JELISAWETA

CHMELNIZKAJA

drücken auch der Sphäre der politischen Beziehungen zwischen den U S A und den Ländern Westeuropas ihren Stempel auf. Aus der Anzahl der für Westeuropa günstigen Faktoren muß man vor allem seine Position auf dem kapitalistischen Weltmarkt anführen. Die Export/Importquote ist in den westeuropäischen Ländern bedeutend höher als in den USA. Ein beträchtlicher Teil des Handels der westeuropäischen Länder entsteht durch den Umsatz zwischen ihnen, aber auch der Handel mit außereuropäischen Ländern übertrifft den Umfang des Außenhandels der USA. Das ist aus folgender Tabelle zu ersehen: Tabelle

l

A n t e i l W e s t e u r o p a s u n d der U S A am k a p i t a l i s t i s c h e n W e l t h a n d e l (in Prozent) Jahre

1938 1950 1955 i960 1963

Westeuropa insgesamt Export Import 45.4 36.2 4°>5 44.4 45.9

Ohne innereuropäischen Handel Export Import

55,3

30.7

4°. 5 47.3

24.3

42,2

50,6

22,1

26,2 24,6

43.2 3°- 6 30.8 31.° 31.9

TTSA

Export

Import

15,6

9,o 15.2

18,2 18,4 18,0

17.1

13.0 12,5 12,1

Quelle: OECD Statistical Bulletin, Foreign Trade, Series B, 1959, 1963. Ungeachtet der Überlegenheit der USA in der industriellen Produktion ist Westeuropa der größte Lieferant von Produkten der verarbeitenden Industrie auf dem Weltmarkt. Das industrielle und ökonomische Potential der USA und der entwickelten Länder Westeuropas stellen aber nur die eine Seite dar, eine zweite sind die sich im Kampf auf dem Weltmarkt entfaltenden Wechselbeziehungen. Ungeachtet des amerikanischen Vorrangs im Umfang der Warenproduktion liefern die westeuropäischen Länder dem Weltmarkt die absolute und relative Masse der Industrieerzeugnisse und, was besonders wichtig ist, auch die der Ausrüstung für die Industrie und andere Zweige der Volkswirtschaft. „ F ü r die übrige Welt stellt Westeuropa eine gigantische Fabrik dar, die eine große Anzahl von Materialien für die Verarbeitung zu Fertigerzeugnissen benötigt, die für den Verbrauch in Europa und den Reexport in andere Teile der Welt bestimmt sind". 1 Dieselbe Rolle spielen die USA und Japan, aber im Umfang der Produktion für den Export werden sie von Westeuropa überholt. Davon zeugt ein Vergleich der Warenstruktur des westeuropäischen und amerikanischen Exports (Tab. 2). Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß im Export der westeuropäischen Länder der Anteil der Lebensmittel und der Rohstoffe und Halbfabrikate in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, in der Periode zwischen beiden Weltkriegen und sofort nach Beendigung des zweiten ungefähr ein Drittel betrug, darauf aber auf ein Fünftel absank. In der Gruppe der Industriewaren sank besonders der Anteil der Textilien — von einem Drittel im Jahre 1913 auf ein Fünftel in den 1

Europe's Needs and Resources (Trends and Prospects in 18 Countries). Twentieth Century Fond, London/New York, 1961, p. 623.

Westeuropa und die USA — einige ökonomische Ergebnisse

253

Tabelle 2

W a r e n s t r u k t u r des E x p o r t s der w e s t e u r o p ä i s c h e n L ä n d e r (England, Frankreich, Bundesrepublik) ohne innereuropäischen Handel (in Prozent)

Gesamtexport darunter: Lebensmittel Rohstoffe, Halbfabrikate Maschinen, Transportmittel Chemikalien Textilien Andere Fertigfabrikate

1913

1928 '

1938

1950

1962

100

100

100

100

100

7.6 21,2 16,2 6,3 32,4 16,4

8,3 22,3 12,8 5,9 33,7 17,0

7,6 23,1 26,3 8,2 18,0 16,8

6,8 11,8 43,8 10,7 5,5 21,3

8,5 19,7 32,0 6,3 18,6 14,9

Quelle: OECD Statistical Bulletin, Foreign Trade, Series B, 1959, 1962.

Jahren 1938 und 1950 und in der Gegenwart sogar auf ein Zwanzigstel. Im Vergleich zu 1 9 1 3 aber stieg der Anteil der Maschinen und Transportmittel um mehr als das Dreifache. Diese Exportartikel machen mehr als zwei Fünftel des gesamten Exports aus. Westeuropa wurde zum größten Lieferanten von Maschinen und Ausrüstungen. Der größte Posten im amerikanischen Export sind ebenfalls Maschinen und Transportmittel, aber auch Lebensmittel, Rohstoffe und Halbfabrikate haben einen großen Anteil. Das geht aus folgender Tabelle hervor: Tabelle 3

W a r e n s t r u k t u r des E x p o r t s der U S A 1936-1940 Gesamtexport darunter: Lebensmittel Rohstoffe, Halbfabrikate Maschinen, Transportmittel Chemikalien Andere Fertigfabrikate

100 9,2 53,3 28,8 4,9 3,8

1946-1950 100 18,2 40,8 29,4 6,1 5,5

195°

1958

1962

100

100

100

13,4 41,7 31.9 7-2 5,8

12,5 33,7 36,8 7,7 9,3

14,8 30,3 38,5 8,4 8,0

Quelle: Statistical Abstract of the USA, 1954, P- 816—817; 1962, p. 873 — 874; 1963, p. 869—870.

Das Übergewicht der westeuropäischen Länder auf dem kapitalistischen Weltmarkt für Ausrüstungen wird noch deutlicher, wenn man die Angaben über den Export der wichtigsten Investitionsgüter betrachtet. So entfiel z. B. im Jahre i960 auf zwei westeuropäische Länder, England und die Bundesrepublik, 45,5% des Gesamtexports von Werkzeugmaschinen auf dem kapitalistischen Weltmarkt, zur gleichen Zeit betrug der Anteil der USA 28,2%. Am Gesamtexport der Ausrüstungen für die Eisenindustrie hatten England und die Bundesrepublik einen Anteil von 58,2%, die USA von 41,3%. Am Export der Ausrüstungen für die Lebensmittelindustrie waren beide Länder mit 42,8%, die USA mit 27,3%, an Ausrüstungen für die Textilindustrie mit 47,8% bzw. 15,5% beteiligt. An Maschinen für die polygraphische Industrie lieferten Eng-

254

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land und die Bundesrepublik 52,6%, die USA 20,1%; an Hebetransportausrüstungen 39,3% bzw. 15,5%. 2 Wesentliche Veränderungen der Positionen Westeuropas und der USA auf dem Weltmarkt sind schon seit Ende der 50er Jahre zu bemerken. Die Wirtschaftskommission der UNO für Europa wies in ihrer Übersicht für das Jahr 1958 darauf hin, daß „Westeuropa im Laufe der 50er Jahre seine Lage im Außenhandel im Vergleich zu den USA vollständig verändert hat, indem es sich von einem reinen Nettoimporteur zu einem Nettoexporteur von Industrieerzeugnissen entwickelte. Diese Erscheinung wurde begleitet von einem bemerkenswerten Ersatz amerikanischer Industriewaren auf dem Markt von Drittländern durch westeuropäische .Erzeugnisse". 3 Die wachsende Rolle der westeuropäischen Länder auf dem kapitalistischen Weltmarkt wird seit einer Reihe von Jahren von den herrschenden Kreisen der USA als sehr ernst angesehen. So wurde in einem 1958 veröffentlichten Beitrag der Kommission für äußere Angelegenheiten im Senat der USA gesagt: „Mit Beginn der 60er Jahre werden die Vereinigten Staaten nicht mehr das einzige, sondern nur eines von mehreren Industriemächten sein. Im Unterschied zu dem vergangenen Jahrzehnt wird sich das folgende durch eine wachsende Konkurrenz von Seiten der Freunde und der Feinde auszeichnen." Diese Befürchtung wurde voll durch die Wirklichkeit bestätigt. Die 60er Jahre brachten eine wachsende Konkurrenz von Seiten Westeuropas und wesentlich veränderte Bedingungen der ökonomischen Expansion der amerikanischen Monopole mit sich. Ein günstiger Faktor für den Konkurrenzkampf Westeuropas mit den USA ist auch deren Rohstoffabhängigkeit, welche früher die Achillesferse des westeuropäischen Kapitalismus in seinem Kampf in der Weltarena war. Der Anteil des Rohstoffimports am gesamten westeuropäischen Import schwankte in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zwischen 34 und 37%. Während er in der Zeit von 1955 — 1957 ungefähr gleich groß war (39%), verringerte er sich bis 1962 auf 29%. Bei einer allgemein fallenden Tendenz des Rohstoffanteils am Gesamtimport Westeuropas ist die Lage bei einigen Hauptartikeln der importierten Rohstoffe jedoch anders. Vor allem wuchs der Bedarf an Erdöl. Nach einer Berechnung der OECD beträgt der Bedarf an Mineralöl — als primäre Energiequelle — in Westeuropa 950 Mill. t S K E (berechnet nach Steinkohleneinheiten), wovon ungefähr ein Drittel — 320 Mill. t — durch Importe gedeckt werden. Die Eigenförderung Westeuropas stieg von 1 1 Mill. t S K E im Jahre 1937 auf 42 Mill. t im Jahre 1961. Aber der Bedarf an Erdöl erhöhte sich in dieser Zeit von 360 Mill. t S K E auf 1394 Mill. t. 4 Recht anschaulich sind auch die Zahlen aus den Ländern des Gemeinsamen Marktes. Im Jahre 1963 importierten sie insgesamt 138,5 Mill. t Rohöl. Die Eigenförderung betrug 14,5 Mill. t, die Einfuhr aus den von Frankreich kontrollierten Fördergebieten der Sahara 24,5 Mill. t. Den Hauptanteil des impor2 3 4

Statistisches Jahrbuch für den Maschinenbau, 1961. Wirtschaftskommission der UNO für Europa, Übersicht für 1958, Abschnitt 8. „Der Volkswirt", 1964, Beiheft zu Nr. 27, S. 34.

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255

tierten Erdöls, nämlich 86%, lieferten die Erdölkonzerne Standard Oil, Royal Dutch/Shell und die British Petroleum Co.5 Folglich erhalten die unlängst in Westeuropa entdeckten Erdgasvorkommen wachsende Bedeutung. Vor einigen Jahren wurde eine große Erdgasfundstätte in den Pyrenäen (Lacq) aufgeschlossen. Auch die neuen, noch reicheren Lagerstätten in Holland (in der Provinz Groningen) werden für die Förderung vorbereitet. Sie werden wegen ihrer besonders günstigen Lage eine bedeutende Rolle für die Versorgung des umfangreichen kontinentaleuropäischen Industriegebietes spielen. Wie sich die Lage innerhalb der Rohstoffe verändert, zeigt auch folgendes Beispiel. Das Gas aus den französischen Pyrenäen zeichnet sich durch einen außerordentlich hohen Schwefelgehalt aus und kann infolge der Korrosionsgefahr nicht ohne vorherige Verarbeitung in Rohrleitungen transportiert werden. Die Technik fand aber einen Ausweg und der Nachteil des Pyrenäen-Gases verwandelte sich sogar in einen Vorteil. Die Reinigung des Gases erbringt jährlich l ^ M i l l . t reinen Schwefel. Als Ergebnis dessen führt das früher Schwefel importierende Frankreich jährlich 700000—800000 jato (Jahrestonnen) Schwefel aus. In der Umgebung von Lacq wurde in wenigen Jahren eine Reihe chemischer Werke errichtet.6 Es wuchs auch der Import von Eisenerz und Bauxit, bei welchen die Ressourcen Westeuropas hinter dem zunehmenden Bedarf zurückblieben. Bei den modernen Transportmöglichkeiten und den verhältnismäßig billigen Frachten ist es günstiger, die Erze auch über das Meer zu transportieren, in diesem Falle aus den entfernten Gebieten des amerikanischen Nordens (den Labradoren), aus Afrika usw., als die armen Erze des europäischen Kontinents abzubauen. Insbesondere hat das relativ arme Erz Lothringens seine Bedeutung verloren, das seinerzeit eine so wichtige Rolle im deutsch-französischen imperialistischen Konkurrenzkampf spielte. Lothringen ist heute ein Notstandsgebiet Frankreichs, ähnlich dem nördlichen Kohlengebiet und dem belgischen Kohlengebiet der Borinage. Vollkommen vernachlässigt ist auch der Abbau der armen Erze in der Bundesrepublik im Gebiet Salzgitter. (Wir erinnern uns, daß der Ruhrmagnat Thyssen wegen seiner Einwände gegen deren Abbau seinerzeit in Ungnade bei Hitler fiel.) Durch die Entwicklung synthetischer Rohstoffe fiel dagegen der Import von Kautschuk, Wolle, Baumwolle, Seide, einiger Buntmetalle (Zinn) u. a. merklich ab. Die allgemeine Entwicklungstendenz seit dem zweiten Weltkrieg zeigt im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt — insbesondere in der Chemie —, im Ergebnis der strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft und nicht zuletzt auch dank des schnellen technischen Fortschritts bei der Erkundung und Gewinnung von Bodenschätzen, daß die Abhängigkeit Westeuropas von Rohstoffimporten weiterhin abnimmt. Die Abschwächung der Rohstoffabhängigkeit ist einer der Faktoren der wachsenden Konkurrenzfähigkeit der westeuropäischen Länder im Vergleich mit den USA. Ein zweiter, in dieser Richtung wirkender Faktor sind die gegenüber den USA verhältnismäßig billigen Arbeitskräfte in Westeuropa. 5 6

DWI-Bericht 14, 1964, S. 11. „Der Volkswirt" 1964, Nr. 26, S. 1296.

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Bekanntlich ist der Wert der Ware Arbeitskraft auch eine historische Kategorie. In den USA ging die Bildung der Arbeiterklasse unter anderen historischen Bedingungen vor sich, gestaltete sich auch ihre Lebensweise anders als in Westeuropa. Das mußte letzten Endes auch zu den bisher festzustellenden wesentlichen Unterschieden im Lohnniveau der USA und Westeuropas führen. Die in den letzten Jahren in Westeuropa verzeichneten Lohnsteigerungen kommen im wesentlichen durch die Gegenüberstellung mit dem im Krieg und durch Nachkriegszerrüttungen abgesunkenen Lohnniveau zustande. Eine Besonderheit besteht außerdem darin, daß der westeuropäische Kapitalismus beim Übergang auf die amerikanische Produktionstechnik, bei der Annäherung an den dort herrschenden Stand der Arbeitsproduktivität den ausgebeuteten Arbeitern bedeutend weniger Lohn zahlt. In Europa ist der Anteil „Arbeit" an den Produktionskosten niedriger als in den USA. Grundlegende Bedeutung im Konkurrenzkampf der zwei Hauptteile des kapitalistischen Weltsystems hat auch ihre unterschiedliche Position in den Entwicklungsländern. Der amerikanische Imperialismus entfaltet eine stürmische Aktivität, um in den Beziehungen zu den sich befreienden Ländern den Platz der früheren Mutterländer einzunehmen. Dabei wird er immer aggressiver, verstrickt sich in hoffnungslose kriegerische Abenteuer und versucht unter der Flagge militärischer und wirtschaftlicher Hilfe die jungen souveränen Staaten erneut zu unterjochen. Die imperialistischen Mächte Westeuropas verfolgen in ihren Beziehungen zu den befreiten Ländern eine genauso heimtückische Kolonialpolitik alten und neuen Stils, aber sie verfügen auf diesem Gebiet auch noch über andere Möglichkeiten. Die zwei Hauptkolonialmächte Europas — England und Frankreich — halten den überwiegenden Teil ihres früheren Kolonialreiches unter ihrem ökonomischen Einfluß, ungeachtet dessen, daß ihre Einflußsphäre zweifellos zusammengeschrumpft ist. Sie verengte sich vor allem in Asien durch das Herausfallen einer ganzen Gruppe von Ländern aus dem imperialistischen System. Sie verengte sich auch im Nahen und Mittleren Osten, wo neu entstandene Staaten den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg einschlugen. Auch die italienischen Monopole konnten bisher ihre führende Position im ökonomischen Leben ihrer früheren afrikanischen Kolonien behaupten. Das Gleiche trifft auch auf die Rolle Belgiens im Kongo (Leopoldville) zu. Die mit neokolonialistischen Methoden vorgehenden europäischen Mächte versuchen mit allen Mitteln, ihre eingeengten, aber immer noch bedeutenden Einflußsphären zu schützen. (Das britische Commonwelth durch Präferenzsystem und Sterlingblock, Frankreich durch die Franc-Zone.) Durch die mit dem Gemeinsamen Markt assoziierten Länder entstand für die beteiligten Partner der EWG ein neues, kollektives Ausbeutungsobjekt. Das Wachstumstempo des Umsatzes der ehemaligen Metropole mit ihren umfangreichen Einflußsphären ist höher als das der kapitalistischen Industrieländer mit den schwachentwickelten Ländern. Obgleich es den USA gelang, die alten Kolonialmächte zurückzudrängen, haben sie sich im Grunde genommen diesen Vorteil bewahrt. Das muß man bei der Einschätzung des Kräfteverhältnisses zwischen dem amerikanischen und dem westeuropäischen Kapitalismus ebenfalls berücksichtigen. Das Bild der ökonomischen Wechselbeziehungen zwischen Westeuropa und den USA wäre unvollkommen, wenn man die sich auf der Basis der Kapital-

Westeuropa und die USA — einige ökonomische Ergebnisse

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Wanderung gestaltenden Beziehungen beiseite lassen wollte. Die A n g a b e n über den K a p i t a l e x p o r t der U S A zeigen, d a ß bei einem allgemeinen W a c h s t u m der durch amerikanische Monopole in der Nachkriegsperiode vorgenommenen ausländischen Investitionen sich besonders schnell ihre K a p i t a l a n l a g e n in den L ä n d e r n Westeuropas erhöhten. E s ist angebracht, sich der von Lenin schon vor einem halben Jahrhundert gegebenen B e m e r k u n g über den nicht nur in ökonomisch rückständige L ä n d e r erfolgenden K a p i t a l e x p o r t zu erinnern. E r schrieb: „ M a n f ü h r t unter dem K a p i t a l i s m u s auch K a p i t a l in die alten L ä n d e r aus, und nicht nur der Extraprofite w e g e n " (Lenin, W e r k e B d . 26, S. 152). Lenin hob gleichzeitig hervor, d a ß das F i n a n z k a p i t a l besonders beweglich u n d g e w a n d t ist, d a ß es die gegenseitige V e r f l e c h t u n g im nationalen und internationalen Maßstab vorantreibt. Diese V e r f l e c h t u n g des F i n a n z k a p i t a l s wuchs in der gegenwärtigen Periode besonders stark. Vor allem macht sich eine intensive K a p i t a l w a n d e r u n g zwischen industriell entwickelten L ä n d e r n bemerkbar. Amerikanische Privatinvestitionen in den L ä n d e r n Westeuropas vergrößerten sich in 13 Jahren, von 1950 bis 1963, auf das 6-fache. Besonders wuchsen sie in der zweiten Hälfte der 50er Jahre, wobei der Löwenanteil des amerikanischen K a p i t a l s in die L ä n d e r des Gemeinsamen Marktes floß. 1962 n a h m „ K l e i n e u r o p a " den ersten P l a t z in den ausländischen K a p i t a l a n l a g e n der amerikanischen Monopole ein und überholte dabei Lateinamerika, K a n a d a , die schwachentwickelten Länder und die übrigen Staaten E u r o p a s . V o n der Gesamtsumme des 1950 in den westeuropäischen L ä n d e r n angelegten K a p i t a l s entfiel auf Großbritannien ein A n t e i l von 4 9 % . I m Jahre 1963 fiel dieser A n t e i l auf 4 0 % , während der der sechs E W G - L ä n d e r auf 4 3 % anstieg. V o n den Ländern des Gemeinsamen Marktes ist Westdeutschland das H a u p t betätigungsfeld amerikanischer K a p i t a l a n l a g e . Mehr als die H ä l f t e der von amerikanischen Gesellschaften in E W G - L ä n d e r n investierten B e t r ä g e entfielen in den letzten Jahren jeweils auf die Bundesrepublik, so daß heute r u n d zwei F ü n f t e l der amerikanischen K a p i t a l a n l a g e n innerhalb der E W G in W e s t deutschland konzentriert sind. 7 Die T r i e b k r a f t des amerikanischen K a p i t a l z u f l u s s e s in die westeuropäischen L ä n d e r ist kein Geheimnis. D a s Organ der Geschäftskreise der Wallstreet 8 teilt mit, d a ß ab 1957 das T e m p o des privaten K a p i t a l e x p o r t s der U S A im Vergleich zur Periode 1952 — 1956 auf fast das D o p p e l t e erhöht wurde. E s weist darauf hin, daß einer der Beweggründe dieses W a c h s t u m s der Investitionen amerikanischer Industriegesellschaften im A u s l a n d in der, in der ganzen W e l t zunehmenden T e n d e n z zur S c h a f f u n g einzelner, untereinander nicht verbundener Wirtschaftsblöcke besteht. D a s Journal schreibt: „ U m einen N u t z e n aus der entstandenen L a g e zu ziehen, müssen die amerikanischen Unternehmer entweder Tochtergesellschaften im Ausland gründen oder sie stoßen auf die wachsenden Zollschranken unter solchen Bedingungen, daß der Handel innerhalb jedes Blockes wächst, der Import der einzelnen L ä n d e r dieses Blockes aus Drittländern aber reduziert w i r d . " Darüber hinaus streben die amerikanischen Monopole danach, sich günstige Positionen für das Eindringen in die Märkte 7 8

„Wirtschaftskonjunktur", München, Oktober 1964, Nr. 3, S. 28. „Magazine of Wall Street", April i960, p. 152—153.

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der mit der Sechsergruppe assoziierten Länder Afrikas und Südeuropas zu schaffen. In erster Linie floß das amerikanische Kapital in die erdölverarbeitende, Automobil- und elektronische Industrie Westeuropas. Es unterstützte zweifellos die beschleunigte Entwicklung dieser Zweige, aber auch die Übernahme amerikanischer Technik und der Organisationsmethoden der Massenproduktion. Die westeuropäischen Monopole befürworten solche Formen internationaler Kapitalverflechtung auch in jüngster Zeit, da sie an der Heranziehung von Kapital aus Übersee für die Zweige mit besonders hohem Kapitalbedarf wie z. B. die Atomenergie, die Beherrschung der neuen Rohstoffquellen in schwachentwickelten Ländern usw. interessiert sind. Nicht zufällig reagieren Regierungskreise westeuropäischer Länder sehr gelassen auf Anfragen und Proteste im Parlament, die im Zusammenhang mit dem Eindringen amerikanischer Konzerne in die nationale Wirtschaft immer wieder erfolgen. Eine Ausnahme bildet nur die Regierung de Gaulle, die offensichtlich negativ dem weiteren Vordringen amerikanischen Kapitals in die französische Industrie gegenübersteht. Allein der Appell der französischen Regierung an die Partner innerhalb der EWG um gemeinsame Maßnahmen gegen den amerikanischen Kapitalzufluß erhält keine Unterstützung. Versuche in dieser Richtung stoßen auf den Widerstand belgischer, holländischer und italienischer Regierungskreise, die nach wie vor ihr Interesse an Investitionen aus Übersee bekunden. Gegen staatliche Maßnahmen der Beschränkung und Erschwerung amerikanischer Investitionen treten entschieden die westdeutschen Monopolherren ein, was offen zeigt, daß solche Maßnahmen dem außenpolitischen Kurs Bonns widersprechen. Die westdeutschen Konzerne geben anderen Abwehrmitteln gegenüber dem Vordringen amerikanischer Konzerne den Vorzug. Solche Mittel sind vor allem die Verschmelzung der größten Monopole der Bundesrepublik zu noch mächtigeren Monopolgruppen und die Vereinbarungen mit Konzernen anderer Länder. So vereinbarten bereits im Sommer 1962 die beiden größten europäischen Elektrokonzerne, der holländische „Philips" und der westdeutsche „Siemens", einen Teil ihrer Produktion, nämlich die Schallplattenherstellung, zusammenzufassen. Auch die westdeutsche Agfa AG und die belgische Gevaert PhotoProducten N.V. schlössen sich auf paritätischer Grundlage zusammen. Die westdeutsche Veith-Gummiwerke AG schloß sich der italienischen „Pirelli" an, obwohl mit der amerikanischen B. F. Goodrich Co. ein ausgedehnter Lizenzvertrag bestand. 9 Solche Kräftezusammenballung großer Industriegesellschaften ist für den gegenwärtigen Konkurrenzkampf zwischen den USA und Westeuropa äußerst charakteristisch. Auf diesem ökonomischen Hintergrund geht die Entwicklung imperialistischer Widersprüche vor sich, sowohl der zwischen den westeuropäischen Mächten und den USA als auch der innerhalb Westeuropas. Dieses Knäuel von Widersprüchen, die die berüchtigte „Atlantische Gemeinschaft" zerreißen, äußert sich bald in scharfen Konflikten und Krisen, bald im verborgenen Kampf verschiedener Tendenzen und Richtungen, die von den Interessengegensätzen des Monopolkapitals der einzelnen Mächte hervorgerufen werden. 9

„ D e r Volkswirt", 1964, Nr. 8, S. 257/258.

Westeuropa und die USA — einige ökonomische Ergebnisse

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Die Verschärfung der Widersprüche zwischen den USA und Westeuropa äußert sich auch in einer Reihe von Tatsachen während der Nachkriegsjahre, gekennzeichnet besonders durch die Verschärfung der Zentrifugalkräfte im atlantischen Lager. Schon seit einer Reihe von Monaten wird von Seiten der Weltpresse das Thema „Krise in der NATO" behandelt. Die verschiedenen Seiten dieser Krise nehmen die härtesten Formen an. Die Wirkungen und Pläne des amerikanischen Imperialismus in der Weltarena, wie z. B. die verbrecherische und unbesonnene Aggression der USA in Vietnam, die amerikanischen Intrigen in der UNO, die Finanz- und Währungsmanipulationen mit dem Dollar in fremden Ländern, die Pläne über die Schaffung multilateraler Atomstreitkräfte der NATO und viele andere Äußerungen der aggressiven Politik des amerikanischen Imperialismus treffen auf die schärfste Verurteilung nicht nur der Völker, sondern auch bestimmter Regierungskreise westeuropäischer Länder. Die ablehnendste Haltung gegenüber den verschiedenen Äußerungen der amerikanischen Außenpolitik nimmt Frankreich ein, aber auch andere Länder Westeuropas geraten mehr oder weniger in Widerspruch zum Washingtoner Kurs. Die einzige Ausnahme bildet die Bundesrepublik mit ihren revanchistischen und abenteuerlichen Plänen. Die Anhänger der berüchtigten „Atlantischen Gemeinschaft" versuchen die bestehenden Widersprüche mit Phrasen über gleichberechtigte Partnerschaft u. ä. zu vertuschen. Es wäre aber naiv, dort an wundertätige Kräfte solcher Phrasen zu glauben, wo von einem Kampf um reale Interessen zwischen den größten Gruppen der internationalen Finanzoligarchie die Rede ist.

18

UMSCHAU Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964 Das Jahr 1964 war in den meisten kapitalistischen Industrieländern durch ein anhaltendes Wirtschaftswachstum gekennzeichnet. Die zyklische Bewegung der kapitalistischen Weltwirtschaft wird mehr und mehr durch staatsmonopolistische Regulierungsmaßnahmen beeinflußt. Krisen- und Stagnationserscheinungen blieben daher auch im abgelaufenen Jahr auf verschiedene Bereiche der Wirtschaft in den einzelnen Ländern beschränkt. Die gegenwärtige Etappe der Entwicklung des Kapitalismus — die dritte Etappe seiner allgemeinen Krise — ist stärker als früher durch ein Nebeneinander von wirtschaftlichem Wachstum und zahlreichen Schwächeerscheinungen in bestimmten Wirtschaftsbereichen charakterisiert. Deren Ausmaß und Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wechseln von Land zu Land und auch nach Wirtschaftszweigen relativ rasch. Daneben wird die ökonomische Entwicklung zahlreicher Länder durch die Folgen struktureller Veränderungen gehemmt. Einige unter kapitalistischen Bedingungen überhaupt nicht oder nur in begrenztem Umfange au lösende Probleme (z. B. die Massenarbeitslosigkeit in den USA, die Unterschiede im wirtschaftlichen Entwicklungsniveau zwischen Nord- und Süditalien, das Weiterbestehen der tiefen Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, das „magische Dreieck" zwischen Zahlungsbilanzgleichgewicht, Vollbeschäftigung und Währungsstabilität) versetzen die kapitalistische Wirtschaft insgesamt trotz anhaltender Konjunktur in einen Zustand permanenter Labilität. Insgesamt dehnte sich die Wirtschaft der kapitalistischen Industrieländer in den zurückliegenden Jahren etwas schneller aus als in der voraufgegangenen Periode: Von 1953 (Ende des Korea-Krieges; Periode des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg im wesentlichen abgeschlossen) bis i960 nahm die Industrieproduktion der kapitalistischen Länder um 39 Prozent (im Durchschnitt jährlich um etwa 5 Prozent) zu, von i960 bis 1964 um 25 Prozent (im Durchschnitt jährlich um etwa 6 Prozent). Die Industrieproduktion der sozialistischen Länder (bis in die jüngste Zeit statistisch nur für die RGW-Länder nachweisbar) vergrößerte sich in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg — und besonders auch gegenüber der Vorkriegszeit — wesentlich schneller als die der kapitalistischen Länder (Indices, 1950 = 100, für 1964 vorläufige Angaben): kapitalistische Länder

RGW-Länder

100 150 223 310 440 Quelle: „Monthly Bulletin of Statistics" (United Nations), New York, laufend. 1950 1953 1957 i960 1964

19

100 121 146 169 210

2 62

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Ihr Wachstumstempo war aber in der Zeit von 1953 bis i960 wesentlich höher — im Durchschnitt jährlich 11 Prozent — als in den letzten vier Jahren, in denen es durchschnittlich 9 Prozent betrug und sich von Jahr zu Jahr etwas verringert hat. 1964 konnte die Industrieproduktion der RGW-Länder um ungefähr 8 Prozent gesteigert werden. In den kapitalistischen Industrieländern (statistisch als OECD-Länder erfaßt) nahm 1964 die Industrieproduktion um etwa 7 Prozent zu. Dabei gab es erhebliche Unterschiede (siehe Tabelle 1), die jedoch nicht völlig die jeweilige Konjunktursituation Tabelle 1 Z u n a h m e der I n d u s t r i e p r o d u k t i o n in s o z i a l i s t i s c h e n und k a p i t a l i s t i s c h e n L ä n d e r n 1962 b i s 1964 in P r o z e n t (Reihenfolge jeweils nach dem Volumen der Industrieproduktion 1964) 1962 Sozialistische Länder: Sowjetunion Polen DDR CSSR Rumänien Ungarn Jugoslawien Bulgarien 1

+ + + + + + + +

9,5 8,4 6,1 6,1 14.7 . 9,0 6,5 11,0

1963

+ + + + + + +

8,5 4,7 4,9 0,6 12,5 7,° 15,4 10,0

1964

+ 7,i + 9,3 + 6,7 + 4,1 + 14,1 + 8,9 + 15,6 + 11,1

Kapitalistische Länder: USA Westdeutschland Großbritannien Japan Frankreich Italien Kanada Niederlande Spanien Belgien Schweden Österreich

+ 7,3 + 5,o + 5,5 + 4,6 + 8,9 + 3,5 + 0,9 + 7,8 + 3,7 + 10,1 + 8,2 + 17,2 + 6,0 + 4,9 + 7,1 + 10,0 + 0,4 + 9,o + 7,6 + 8,6 + 5,3 + 5,6 + 7,6 + 4,5 + 12,1 + 11,6 + 9,1 + 6,0 + 5,7 + 7,3 + 6,4 + 7-° + 4,4 + 2,3. + 4,2 + 7-8 Quelle: Zusammengestellt nach Angaben der j eweiligen Länder, für die EWG-Länder zum Teil nach „Wirtschaft und Statistik" (Statistisches Bundesamt), Stuttgart-Mainz, Heft 1/1965, S. 28. Reihenfolge der sozialistischen Länder nach „International Affairs", Moskau, Heft 3/1965; für die kapitalistischen Länder nach Statistical Yearbook 1962 (United Nations), New York, und „Monthly Bulletin of Statistics" (United Nations), New York laufend. widerspiegeln. In den USA und Westdeutschland hielt die Zunahme der Produktion im wesentlichen das ganze Jahr über an. In Großbritannien stagnierte die Industrieproduktion bis in den Herbst auf dem Niveau des Monats Januar, erst seitdem ist sie weiter angewachsen; die relativ hohe Zuwachsrate von etwa 8 Prozent ist fast ausschließlich auf die starke Steigerung im Verlaufe des Jahres 1963 zurückzuführen.

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Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964

Die konjunkturelle Entwicklung in Japan und Frankreich ist seit Mitte 1964 durch eine Stagnation der Industrieproduktion gekennzeichnet, die wesentlich mit staatsmonopolistischen Maßnahmen zusammenhängt, die zur Eindämmung der inflationären Erscheinungen ergriffen wurden. In Italien haben die verbreiteten Krisenerscheinungen in vielen Bereichen der Wirtschaft dazu geführt, daß die Industrieproduktion in den letzten Monaten des Jahres 1964 bereits geringer war als zur gleichen Zeit des Vorjahres. In den anderen genannten Ländern entspricht der in Tabelle 1 angegebene Zuwachs etwa dem Trend der Entwicklung, wenn auch bei einigen Ländern im Verlauf des Jahres eine gewisse Verminderung des Wachstumstempos eingetreten ist. Der kapitalistische Welthandel hat sich auch 1964 weiter kräftig ausgedehnt (Tab. 2). Die Steigerung war mit 12,2 Prozent höher als 1963 (9,0 Prozent). Die Industrieländer erhöhten ihren Export wie schon in den Vorjahren schneller als die Entwicklungsländer, und zwar um 13,2 Prozent gegenüber 9,1 Prozent im Jahre 1963. Bemerkenswert ist, daß die Zuwachsrate des Exports der Entwicklungsländer 1964 mit Tabelle 2 E n t w i c k l u n g des k a p i t a l i s t i s c h e n W e l t h a n d e l s (Export in Millionen Dollar) 1961

1962

1963

1964

Kapitalistische Länder insgesamt Industrieländer Entwicklungsländer

117900 90200 27700

123700 94800 28900

151300 117100 34200

USA Kanada Westeuropa EWG-Länder Westdeutschland Frankreich Italien Niederlande Belgien-Luxemburg

20755 5810 5487° 32320 12687 7210 4183 4307 3924 20144 10308 2 743 2041 1537 . 1202 1054 931 326

21418 5926 5794° 34200 13264 7360 4666 4585 4324 21134 10617 2922 2216 1669 1263 1104 973 37°

134900 103 400 315°° 23102 6457 63260 37550 14617 8085 5047 4962 4839 22895 11414 3 202 2415 1903 1326 1145 1073 417

710 505 347 223 4236 2324 793 1333

736 487 381 250 4916 2346 798 1326

722 545 368 290

920. 649 411 3°9 6678. 3044 1074

EFTA-Länder Großbritannien Schweden Schweiz Dänemark Österreich Finnland Norwegen Portugal Übrige Länder Westeuropas: Spanien Irland Türkei Griechenland Japan Australien Neuseeland Südafrika

5448 2790 909 1387

26229 7683 70710 42550 16213 8994 5957 5808 5580 24881 11914 3668. 2647 2121 1444 1291 1289511

1 4 6 3 .

Quelle: „Monthly of Bulletin Statistics" (United Nations), New York, April 1965.

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8,6 Prozent sogar etwas geringer war als im Vorjahr (9,0 Prozent). Diese Länder haben also an der 1964 beschleunigten Ausdehnung des kapitalistischen Welthandels nicht teilgenommen. Die Veränderungen des Kräfteverhältnisses im kapitalistischen Welthandel kommen neben der unterschiedlichen Zunahme des Exports auch in den Handelsbilanzen der einzelnen Länder zum Ausdruck. Die in Tabelle 3 gegebene Übersicht läßt für die letzten fünf Jahre mannigfaltige Entwicklungen erkennen: Die schon vor Jahren eingeleitete Exportoffensive der USA-Monopole beginnt jetzt offenbar ihre ersten Ergebnisse zu zeigen, aber auch die bedeutende Steigerung des Exportüberschusses um über 1,5 Milliarden Dollar vermochte nicht, das für die U S A ernste Problem einer beinahe schon chronisch defizitären Zahlungsbilanz entscheidend zu mildern. Tabelle 3 Handelsbilanzen kapitalistischer Millionen Dollar i960

1961

Industrieländer* 1962

1963

1964

+ 6026 -2859

USA EWG-Länder Westdeutschland Frankreich Italien Niederlande Belgien-Luxemburg

+ 5312 + 134 + 1312 + 583 -1077 - 503 — 182

+ 6053 + 144 + 1746 + 542 —1040 - 806 - 295

+ 5093 -157° + 984 - 158 —1402 - 763 - 232

+ 1597 - 643 -2535 -1005 - 273

+ 7563 -2319 + 1600 —1076 -1275 -1247 - 321

EFTA-Länder darunter: Großbritannien Schweden Schweiz Dänemark

-4589

-4151

-4296

-4287

-6317

— -

2410 318 361 332

-1560 - 183 - 664 - 350

-1519 — 192 - 787 - 485

—1642 - 187 - 821 — 246

— 3096 - 181 - 945 - 522

Japan Kanada

- 436 — 101

-1574 + 118

— 721 + 80

—1291 + 390

— 1266 + 751

* U S A und K a n a d a : Ausfuhr und Einfuhr fob ( = free on board); sonst: Ausfuhr fob, Einfuhr cif ( = cost, insurance, freight). Reihenfolge innerhalb E W G und E F T A nach der Höhe des Exports. EFTA-Länder einschl. Finnland. Quellen: USA, Japan und K a n a d a : „Monthly Bulletin of Statistics" (United Nations) New York, April 1965; EWG-Länder: „Außenhandel", Monatsstatistik (Statistisches A m t der Europäischen Gemeinschaften), Brüssel, laufend; E F T A - L ä n d e r : „ E F T A - H a n d e l " , Genf, Dezember 1964, und „Neue Zürcher Zeitung", Nr. 77 vom 19. 3- 1965Die Handelsbilanz der EWG-Länder ist durch eine allgemeine Tendenz zur weiteren Passivierung gekennzeichnet. Die Verminderung des Defizits im Jahre 1964 beruhte allein auf einer Halbierung des Passivsaldos Italiens, die ein Abbild der Bemühungen ist, aus der gegenwärtigen Krisensituation auch durch beschleunigten Export bei gleichzeitig gebremstem Import herauszukommen. Westdeutschland hat 1964 seinen Aktivsaldo der Handelsbilanz entgegen vielen optimistischen Prognosen zu Beginn des vorigen Jahres eben gerade auf dem Vorjahresniveau halten können und muß 1965 mit einer drastischen Verminderung des Handelsbilanzüberschusses mit allen nachteiligen Folgen für die westdeutsche Zahlungsbilanz rechnen. In Frankreich ist die kontinuierliche Verschlechterung der Handelsbilanz ein Zeichen der labilen wirt-

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964

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schaftlichen Gesamtsituation. Der von den französischen Monopolen und der Regierung immer stärker bekämpfte Kapitalzufluß aus dem Ausland, besonders aus den USA, trug bisher zu einer aktiven Zahlungsbilanz bei. Ein Nachlassen dieses „Ausgleichs" bei gleichzeitiger weiterer Passivierung der Handelsbilanz würde die durch staatliche Maßnahmen eingeleitete „Stabilisierung" in Frage stellen. Das wachsende Handelsbilanzdefizit der Niederlande konnte in den letzten Jahren durch andere Posten der Zahlungsbilanz, vor allem durch einen bedeutenden Überschuß bei den Dienstleistungen und den vor allem 1964 verstärkten Zufluß von privatem Auslandskapital, ausgeglichen werden. Die Handelsbilanzen der EFTA-Länder sind durchweg passiv. Für die Entwicklung des Jahres 1964 war vor allem die Verdoppelung des britischen Handelsbilanzdefizits maßgebend, die die ökonomische Schwächung des britischen Imperialismus deutlich werden ließ. Die Handelsbilanz der Schweiz verschlechterte sich, wie schon in den vorausgegangenen Jahren, weiter. Der hohe Einfuhrüberschuß Japans ist eine Begleiterscheinung der raschen ökonomischen Expansion. Diese ließ neben den gesteigerten Rohstoffimporten auch die Einfuhr von industriellen Fertigwaren weiter ansteigen. Die „Liberalisierung", die dem im Mai 1964 erfolgten Beitritt Japans zur OECD vorausgegangen war, beschleunigte diese Entwicklung. Wie die Steigerung des Exports um 22,6 Prozent im Jahre 1964 zeigt, haben die japanischen Monopole ihre Exportoffensive mit dem Ziel verstärkt, innerhalb weniger Jahre eine ausgeglichene Handelsbilanz zu erreichen. Neben den USA ist es im Jahre 1964 von den bedeutenden Exportländern allein Kanada gelungen, seinen Handelsbilanzüberschuß bedeutend zu vergrößern. Wenn auch der schnelle Aufschwung der wirtschaftlichen Entwicklung in Kanada zu einer positiveren Gestaltung der Handelsbilanz beiträgt, so haben doch besonders 1964 Sonderfaktoren — vor allem Getreidelieferungen — die ausschlaggebende Bedeutung gehabt. Auch die Entwicklung der Gold- und Devisenreserven gibt gewisse Hinweise auf die wirtschaftliche Situation in den wichtigsten kapitalistischen Ländern (Millionen Dollar):

USA Westdeutschland Großbritannien Frankreich Italien

Ende i960

Ende 1963

Ende 1964

17804 6737 3231 2070 3079

15808 7102 2657 4457 3057

15903 6970 2316 5105 3678

Ein Hauptkennzeichen der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Zeit sind inflationäre Erscheinungen in fast allen kapitalistischen Ländern. Die nachfolgende Grafik zeigt das Verhältnis der Steigerung des „Bruttosozialprodukts" — in konstanten Preisen berechnet — zur Zunahme des Geldumlaufs (Bar- und Buchgeld). Sie läßt erkennen, daß die Inflation in Frankreich, Italien und Japan besonders grassiert. Die Ursache dafür liegt in dem überdurchschnittlich schnellen ökonomischen Wachstum dieser Länder, das — wie es unter kapitalistischen Verhältnissen beinahe die Regel ist — von einer Aufblähung des Geld- und Kreditvolumens begleitet war, die zu ständig steigenden Preisen führte. So wurde die Inflation durch das Profitstreben der Monopole dieser Länder ausgelöst, die ihre Positionen im internationalen Konkurrenzkampf gegenüber den USA, Großbritannien und Westdeutschland zu verbessern trachteten. Die um sich greifende Inflation hat die monopolistischen Kräfte aber auch gezwungen, im Interesse einer langfristigen Sicherung ihrer Konkurrenzpositionen und ihrer Profite den Versuch zu unternehmen, die Inflation abzubremsen, selbst wenn damit zunächst eine Verschlechterung ihrer Profitaussichten verbunden ist.

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ERNST LÜDEMANN

1

10

\ „Bruttosozialprodukt "

V/A

Geldumlauf

USA

5 n 10

M

GROSSBRITANNIEN

5 B P 15

10

WESTDEUTSCHL.

5

20

FRANKREICH

15 10 5

20

f. 1 JTALIEN

10

35

I

'4

l

15

5

I

I1

1

r, 1

3APAN

Fi

I

30 25 20 15 10

if

5 1960

1961

1962

i

1963

1964

„ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t " zu k o n s t a n t e n P r e i s e n u n d G e l d u m l a u f in k a p i t a l i s t i s c h e n L ä n d e r n i960 b i s 1964 Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent Quelle: DWI-Berichte, Berlin, H e f t 1/1965, S. 3.

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964

267

Die Folgen der Inflation hatten auch 1964 die Werktätigen zu tragen. Die Preissteigerungen verschlangen die erkämpften Lohnerhöhungen zu einem erheblichen Teil. Über die Aktionen für höhere Löhne und gegen die Preistreiberei hinaus erheben die Werktätigen vor allem in den von Stagnation und Krise betroffenen Ländern die Forderung nach Erhaltung ihrer Arbeitsplätze. Die Entwicklung in den einzelnen Ländern 1. Die USA Die seit dem Frühjahr 1961 anhaltende Konjunktur hat sich auch 1964 und im ersten Teil des Jahres 1965 fortgesetzt. Die Steuersenkungsmaßnahmen des Vorjahres hatten für die Ausdehnung der wirtschaftlichen Aktivität in den USA offensichtlich eine größere Wirkung als erwartet. Das „Bruttosozialprodukt" — in konstanten Preisen berechnet — nahm 1964 um 4,5 Prozent zu. Von 1957 bis 1964 hat es sich um 26,2 Prozent (um durchschnittlich 3,5 Prozent jährlich) erhöht. Das Wachstumstempo der letzten Jahre war überdurchschnittlich hoch. Die Industrieproduktion vergrößerte sich 1964 um 5,5 Prozent (1963 um 5,0 Prozent). Die wirtschaftliche Entwicklung der USA ist weiterhin von einer bemerkenswert geringen inflationären Bewegung begleitet. Von Dezember 1963 bis Dezember 1964 stiegen die Lebenshaltungskosten lediglich um ein Prozent. Das anhaltende Wirtschaftswachstum ist jedoch nach wie vor von einem erheblichen Zahlungsbilanzdefizit begleitet. Der Goldbestand — in den zurückliegenden Jahrzehnten das Symbol der uneingeschränkt führenden Stellung der USA in der Welt — ist auf den niedrigsten Stand seit 1938 zusammengeschmolzen. In den letzten Jahren haben vor allem die Ausrüstungsinvestitionen, der zivile Staatsverbrauch und die individuelle Konsumtion zu der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung der USA beigetragen (Tabelle 4). Die zunehmenden Ausrüstungsinvestitionen entsprechen den Erfordernissen der schnellen technischen Entwicklung und dienen der Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit der USA-Monopole auf dem Weltmarkt. Die dadurch mögliche raschere Exportexpansion deutete sich in den letzten Jahren ebenfalls bereits an, obwohl der Außenmarkt bei der ökonomischen Entwicklung der USA eine weit geringere Rolle spielt als beispielsweise in einer Reihe westeuropäischer Länder. Die Entwicklung der Investitionen ist durch die Senkung der Körperschaftssteuer ebenso stimuliert worden wie die Zunahme der individuellen Konsumtion durch die Verminderung der Einkommensteuer. Während der zivile Staatsverbrauch das anhaltende Wirtschaftswachstum in gewissem Maße förderte, spielten 1964 die Rüstungsausgaben als Antriebsfaktor keine große Rolle mehr. Ihr Anteil am gesamten „Bruttosozialprodukt" (1964: 8,9 Prozent) hatte jedoch in den letzten beiden Jahren eine sinkende Tendenz. Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang damit, daß diejenigen Kräfte des USA-Imperialismus, die in der Regierung den größten unmittelbaren Einfluß haben, den Versuch machen, die Kosten für ihre aggressive Politik mit den ökonomischen Problemen in Übereinstimmung zu bringen, deren Lösung sie im Interesse der Erhaltung der politischen und wirtschaftlichen Position der USA anzustreben genötigt sind. Das chronische Zahlungsbilanzdefizit, die Massenarbeitslosigkeit, die Armut eines beträchtlichen Teils der amerikanischen Werktätigen, die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Diskriminierung der Negerbevölkerung und andere Probleme zwingen sie, die weitere Ausdehnung der Rüstungsausgaben zu begrenzen. Hinzu kommen Bestrebungen zur „Rationalisierung" der USA-Rüstung, wie sie vor allem von dem Kreis um McNamara vertreten werden. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Zunahme des militärischen Potentials der USA in den letzten Jahren den militärischen Erfordernissen entspräche und nun eine Konzentrierung auf einige wichtige Bereiche vor allem der nicht-atomaren (der sogenannten „konventionellen") Rüstung möglich sei. Diese Konzeption ist bei den militärischen Führern der USA (den „Joint Chiefs of Staff"), die von einflußreichen Kräften im USA-Kongreß unterstützt werden, auf erbitterten Widerstand gestoßen. Sie verlangen für das Haushaltsjahr 1965/1966, das am 1. Juli 1965 beginnt,

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ERNST

LÜDEMANN

Tabelle 4 E n t w i c k l u n g des „ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t s " u n d d e s A u ß e n h a n d e l s i n d e n U S A 1962 b i s 1964 (Md. Dollar; Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent)

„Bruttosozialprodukt" in Preisen von 1964 „Bruttosozialprodukt" in laufenden Preisen davon: Private Brutto-Inlands-Investitionen darunter: Ausrüstungsinvestitionen (ohne Landwirtschaft) Staatsverbrauch (einschl. Investitionen) darunter : Rüstungsausgaben (einschl. Weltraumfahrt) Individuelle Konsumtion Export Import Handelsbilanz

1962

1963

1964

575.7 ( + 6.3) 556.2 ( + 7.2)

595,3 ( + 3,4) 583,9 (+5,o)

622,3 ( + 4,5) 622,3 ( + 6,6)

79,1 (+15.0)

82,0 (+3,7)

87,7 ( + 7,o)

37-3 ( + 8,6) 116,3 (+7,7)

39,2 ( + 5,1) 122,6 (+5,4)

44,7 ( + 13,9) 128,7 ( + 5,o)

53,6 ( + 9,4)

55,2 ( + 3,o)

55,3 (+0,2)

356,8 ( + 5,8) 21,418 ( + 3.2) 16,325 ( + 11,0) + 5,093

375,o ( + 5,1) 23,102 ( + 7,9) 17,076 ( + 4,6) + 6,026

399.2 ( + 6,5) 26,229 ( + 13.5) 18,666 ( + 9,3) + 7.563

Quellen: Economic Indicators, Washington, Januar 1965; „Monthly Bulletin of Statistics" (United Nations), New York, April 1965. statt der im Regierungsentwurf vorgesehenen absoluten Verminderung der Rüstungsausgaben um 2,3 Milliarden Dollar eine Erhöhung um 8 Milliarden Dollar. Die USARegierung sieht sich gegenwärtig dem Vorwurf dieser Kreise ausgesetzt, sie betreibe eine „einseitige Abrüstung". 1 Eines der Hauptkennzeichen der gegenwärtigen Wirtschaftslage der U S A sind die rapide steigenden Monopolprofite, die 1964 um 11,5 Prozent auf 57,2 Milliarden Dollar stiegen (1963 waren sie um 6,4 Prozent angestiegen). In beiden Jahren wuchsen die Einkommen der Werktätigen erheblich langsamer, so daß sich die Polarisierung von Reichtum und Armut, von Besitzenden und Ausgebeuteten, weiter verstärkte. Angesichts der für USA-Verhältnisse schon ungewöhnlich lange andauernden Konjunktur mehren sich die besorgten Prognosen. E s wird allgemein erwartet, daß 1965 keine grundsätzliche Veränderung der Entwicklungstendenz eintritt. Die Unternehmerzeitschrift „ F o r t u n e " wies jedoch im Januar 1965 darauf hin, daß 1965 keine ähnlichen Programme wie die umfangreichen Steuersenkungen der letzten Jahre zu erwarten seien. Die gegenwärtigen „großen Entscheidungen" Johnsons und des Kongresses (gemeint sind hier offenbar die Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut, Unbildung, Arbeitslosigkeit usw. — E. L.) würden bestenfalls im Haushaltsjahr 1967 wirksam werden. Insgesamt wird keine neue Krise, aber eine „neue Periode von weniger als normalem Wachstum" erwartet. 1

„ U . S. News & World Report", Washington, Nr. 9 vom 1. 3. 1965.

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964

269

2. Westeuropa Die wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas war 1964 durch eine Zunahme des Akkumulationstempos charakterisiert (um 7,3 gegenüber 3,7 Prozent 1963), während die individuelle Konsumtion (um 4,1 gegenüber 5,0 Prozent) und vor allem der Staatsverbrauch (um 3,1 gegenüber 4,9 Prozent) langsamer anstiegen als im J a h r e zuvor. Das wirtschaftliche Wachstumstempo der EWG-Länder war etwa ebenso schnell wie i m Bereich der EFTA, wenn m a n die Zunahme von „Bruttosozialprodukt" und Industrieproduktion vergleicht. Dabei gab es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern beider Wirtschaftsblöcke, in die Westeuropa gespalten ist. Die zunehmende Abschließung vor allem der EWG, aber auch der EFTA, k o m m t in einem schnelleren Ansteigen des Außenhandels m i t den jeweiligen Partnerländern und einem langsameren Ansteigen des Handels mit den außenstehenden Ländern zum Ausdruck. Tabelle 5 verdeutlicht aber, • daß sich im Außenhandel der E W G der Abstand bei den Zuwachsraten im Warenaustausch innerhalb der E W G gegenüber dem E x p o r t in die übrigen Länder sehr verringert h a t . Tabelle 5 A u ß e n h a n d e l d e r E W G - L ä n d e r u n d E F T A - L ä n d e r * 1962 b i s 1964 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent 1962 I 1963 I 1964

Richtung 1. E W G - L ä n d e r :

Export 42548 18390 24158 9260

Insgesamt EWG-Länder Übrige Länder EFTA-Länder

34199 13563 20636 7885

37555 15926 21629 8285

Insgesamt EWG-Länder Übrige Länder EFTA-Länder

35 769 13416 22 353 5848

Import 40414 44867 18041 15 737 24677 26826 7017 6549

Insgesamt EFTA-Länder Übrige Länder EWG-Länder

21533 4779 16754 5 835

Insgesamt EFTA-Länder Übrige Länder EWG-Länder

25830 4990 20840 8009

2. E F T A - L ä n d e r :

+ 5.8 + 14.0 + 1,0 + 4.4

+ 9,8 + 17.4 + 4.8 + 5.1

+ + + +

+ + + +

11.2 14.5 9,3 10,7

+ 13.0 + 17,3 + 10,4 +12,0

+ 11,0 + 14,6 + 8,7 + 7,i

23304 5292 18012 6472

+ 4.8 + 6,4 + 4.4 + 13.8

+ 8,2 + 10,7 + 7,5 + 10,9

+ 8,5 + 17,1 + 6,0 + 6,4

Import 31611 27590 5498 6516 22092 25095 8411 9530

+ + + +

+ 6,8 +10,2 + 6,0 + 5,o

+ + + +

Export 25294 6198 19096 6887

4.6 5,7 4,3 6,3

13,3 15.5 11,7 11,8

14,6 18,5 13,6 13,3

* Einschl. Finnland. Quellen: „Außenhandel", Monatsstatistik (Statistisches A m t der Europäischen Gemeinschaften), Brüssel, laufend. „ E F T A - H a n d e l " , Genf, Dezember 1964; „Neue Zürcher Zeitung" Nr. 77 vom ig. 3. 1965. Die Angaben über den E x p o r t insgesamt weichen f ü r die E W G - und EFTA-Länder geringfügig von Tabelle 2 ab, da andere Quellen verwendet werden mußten.

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ERNST

LÜDEMANN

Die Entwicklung des Handels zwischen E W G und E F T A zeigt eine wachsende Zunahme des EWG-Exports in die EFTA-Länder, während andererseits das Tempo der Ausweitung des E F T A - E x p o r t s in die E W G kontinuierlich zurückgegangen ist. Hier macht sich die bereits weit fortgeschrittene Schaffung einer Zollunion der E W G Länder bemerkbar, die neben dem völligen Abbau der Zölle im Handel zwischen den EWG-Ländern vor allem durch die Bildung eines einheitlichen EWG-Zolls gegenüber den außenstehenden Ländern charakterisiert ist. Dies ist auf dem Gebiet der Zölle der wesentlichste Unterschied zwischen E W G und E F T A , die zwar einen Abbau der „Binnenzölle" im Handel zwischen den EFTA-Ländern anstrebt, während die bestehenden „Außenzölle" der einzelnen EFTA-Länder nicht vereinheitlicht werden sollen. Diese Zölle — besonders die der skandinavischen Länder — sind relativ niedrig. Neben den Zöllen haben 1964 auch die Importrestriktionen Frankreichs und Italiens die Ausdehnung des E F T A - E x p o r t s in die E W G gehemmt. Die Schaffung eines einheitlichen EWG-Außenzolls erfolgt durch eine schrittweise „Angleichung" der Zolltarife der einzelnen EWG-Länder an diesen künftigen E W G Zolltarif, indem die „Hochzolländer" (Frankreich und Italien) ihre Zölle schrittweise senken, die „Niedrigzolländer" (Westdeutschland und die Niederlande) die ihren schrittweise erhöhen. Da zwischen den skandinavischen Ländern und Westdeutschland ein besonders umfangreicher Warenaustausch stattfindet, verschlechtern sich damit die Chancen der skandinavischen Länder für eine Steigerung des Exports nach Westdeutschland. Die Möglichkeiten der westdeutschen Monopole, in die skandinavischen Länder zu exportieren, werden zwar durch die ebenfalls schrittweise gesenkten EFTA-,.Binnenzölle" begrenzt, was vor allem den britischen Monopolen Konkurrenzvorteile auf den skandinavischen Märkten einbringt, bleiben aber weiterhin relativ günstig. Die Wirkungen der protektionistischen EWG-Zollpolitik haben die skandinavischen Länder auch bewogen, in den gegenwärtigen Zoll Verhandlungen der „KennedyRunde" des G A T T in Genf für eine möglichst weitgehende lineare Zollsenkung zwischen den Industrieländern einzutreten und keine eigenen Ausnahmelisten einzureichen. Die westdeutschen Exportmonopole nehmen übrigens die gleiche Haltung ein. Sie müssen an niedrigen Zöllen vor allem gegenüber den skandinavischen Ländern interessiert sein, da der westdeutsche Exportüberschuß im Handel mit diesen Ländern eine wichtige Stütze der positiven westdeutschen Handelsbilanz bildet, die ihrerseits notwendig ist, um eine ausgeglichene Zahlungsbilanz zu behaupten. Auch der Warenaustausch innerhalb der E F T A hat sich — durch mehrfache Zollsenkungen gefördert — mit wachsenden Zuwachsraten erhöht. Dabei ist aber zu bedenken, daß der Anteil des Handels zwischen den EFTA-Ländern am Gesamtexport dieses Blocks im Jahre 1964 mit 24,5 Prozent noch erheblich niedriger war als in der E W G , wo der Anteil des Handels zwischen den Mitgliedsländern am gesamten Export bereits auf 43,2 Prozent angestiegen ist. Die Abschließung des EWG-Marktes ist bereits sehr weit fortgeschritten, während die EFTA-Konzeption einer „Freihandelszone" weit weniger protektionistisch wirkt. Die Entwicklung des Handels zwischen E W G - und EFTA-Ländern hatte aber zur Folge, daß sich die ohnehin negative Handelsbilanz der EFTA-Länder im Handel mit den EWG-Ländern im Jahre 1964 weiter erheblich verschlechterte, während der Überschuß der EWG-Länder im Handel mit der E F T A wieder stark zunahm (Millionen Dollar):

EWG-Handel mit E F T A EFTA-Handel mit E W G

1962

1963

1964

+ 2037 -2174

+ 1736 -1939

+ 2243 -2643

Die E W G hat damit — kraft ihres bedeutend größeren ökonomischen Potentials — ihre Positionen im Kampf gegen den konkurrierenden Block der E F T A weiter festigen können. Diese Veränderung der Bilanzen im gegenseitigen Handel spiegelt aber auch

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im J a h r e 1964

271

die Labilität der Wirtschaft Großbritanniens wider, das als weitaus stärkster Mitgliedstaat der E F T A mehr als die Hälfte des gesamten E F T A - E x p o r t s auf sich vereinigt. In den meisten EWG-Ländern war das J a h r 1964 durch ein beschleunigtes ökonomisches Wachstum gekennzeichnet (Tabelle 6). Für den Gesamtbereich der E W G wird die Zunahme des „Bruttosozialprodukts" — zu konstanten Preisen berechnet — mit 5,5 Prozent angegeben, sie übertraf damit die Vorausschätzung der EWG-Kommission von 4,5 Prozent. Insgesamt ist die Entwicklung stärker von äußeren Faktoren (wie der anhaltenden Weltkonjunktur) als vom Binnenmarkt der einzelnen Länder ausgegangen, wie die allgemein schnellere Ausdehnung des Außenhandels und der Anlageinvestitionen gegenüber dem Staatsverbrauch und der individuellen Konsumtion zeigt. Tabelle 6 E n t w i c k l u n g des „ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t s " der E W G - L ä n d e r in k o n s t a n t e n P r e i s e n n a c h d e r V e r w e n d u n g (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) „Bruttosozialprodukt" ges. EWG-Länder ges. 1963 1964 Westdeutschland 1963 1964 Frankreich 1963 1964 Italien 1963 1964 Niederlande 1963 1964 Belgien-Lux. 1963 1964

+ + + +

BruttoAnlageinv.

3.9 5,5 3.2 6,5

+ 3,9 + 7 + 2,2 + 11,0

+ 4.3 + 5 + 4.8 + 2,7 + 3.6 + 7.5 + 3,6 +5.5

+ 5,9 + 8 + 5,7 - 9,2 + 3,9 + 15 + 1,6 + 10,5

Staatsverbrauch + + + + + +

5,7 1,5 8,0 0,1 2,1 2

+ 5,7 + 3,9 + 2,8 0 + 6,7 + 2.5

Industrielle Konsumtion +5,5 +4,5 + 2,8 + 5,3 + 6,2 +4,5 +9,7 + 2,4 + 7,1 + 6 + 4,6 +5

Quelle: Die Wirtschaftslage der Gemeinschaft (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Kommission), Brüssel, Quartalsbericht 1/1965. Die Entwicklung verlief jedoch sehr unterschiedlich. Bei den Investitionen war die Steigerung in Westdeutschland, den Niederlanden und Belgien wesentlich größer als 1963, in Frankreich erhöhte sich das Investitionstempo nur wenig, in Italien spiegelt die absolute Verminderung gegenüber dem Vorjahr die krisenhafte Situation wider. Typisch für alle EWG-Länder außer Italien ist die Tatsache, daß der Staatsverbrauch den geringsten Zuwachs aufweist. In Italien kommt in der, verglichen mit anderen Ländern, besonders mäßigen Zunahme der individuellen Konsumtion und in der überdurchschnittlichen Erhöhung des Staatsverbrauchs (sowohl in allen anderen EWG-Ländern als auch im Verhältnis zu dem Wirken der anderen Faktoren in Italien selbst) das Bestreben von Staat und Monopolen zum Ausdruck, durch staatliche Maßnahmen auf Kosten der Werktätigen aus der Krise herauszukommen. In Westdeutschland hielt der seit Ende 1963 verstärkte Aufschwung das ganze J a h r über an. E r wurde zunächst durch eine rasche Ausweitung des Exports stimuliert. Im Verlaufe des Jahres 1964 veränderte sich für die westdeutschen Monopole jedoch die Situation auf den äußeren Märkten, so daß sich der Exportzuwachs verlangsamte und der Importzuwachs beschleunigte. Die Folge war eine rasche Verminderung des 1963 kontinuierlich angestiegenen Exportüberschusses (Veränderung gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal in Prozent; Salden in Millionen DM):

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ERNST

I.Quartal I I . Quartal I I I . Quartal IV. Quartal 1964 I. Quartal I I . Quartal I I I . Quartal IV. Quartal 1963

LÜDEMANN

Export

Import

Exportüberschuß

+ + + + + + + +

+ 1,1 + 9,0 + 11,2 + 1,8 + 8,4 + 6,8 + 10,6 + 24,0

751 1181 1263 2837 2382 1974 684 1034

2,1 9,9 12,6 15-0 20,5 11,8 5,7 8,7

Die westdeutschen Exportunternehmen hatten 1963 von der inflationären Entwicklung in Frankreich und Italien profitiert, da die Geldentwertung in Westdeutschland geringer ist und die Wechselkurse stabil gehalten wurden, so daß die Konkurrenzfähigkeit der westdeutschen Waren stieg. Der westdeutsche Exportüberschuß im Handel mit diesen beiden Ländern stieg daher beträchtlich. I m Jahre 1964 zeigte sich auch im Außenhandel Westdeutschlands, daß es in Frankreich gelungen ist, die Inflation abzustoppen, während sich in Italien die Krisenzeichen verstärkten: Der Zuwachs des Exports nach Frankreich nahm ab. Gegenüber Italien ging der westdeutsche Export absolut um 16 Prozent zurück, während sich der Import aus Italien infolge der Exportoffensive der italienischen Monopole zur Entlastung ihrer Handelsbilanz um 21 Prozent erhöhte. Die anhaltende Ausweitung des westdeutschen Exports begünstigte die Zunahme der Investitionen. Die weitgehende Ausschöpfung der in Westdeutschland vorhandenen Arbeitskräftereserven wirkte in der gleichen Richtung. Die Industrieproduktion erhöhte sich insgesamt um fast 9 Prozent. Vor allem in folgenden Zweigen war der Zuwachs überdurchschnittlich hoch (in Prozent gegenüber 1963): Eisen- und Stahlindustrie ( + 18), Chemische Industrie ( + 14), Mineralölverarbeitung ( + 13) und Elektrotechnische Industrie ( + 11). Dagegen blieb die Produktionszunahme im Maschinenbau ( + 6), in der Textil- und Bekleidungsindustrie (jeweils + 4) und im Bergbau ( + 2) relativ gering oder die Produktion entsprach nur dem Vorjahresstand, wie im Schiffbau. Der Auftragseingang lag in der verarbeitenden Industrie zwar im Durchschnitt über den jeweiligen Umsätzen, im zweiten Halbjahr jedoch nur etwa auf gleicher Höhe, so daß sich die Auftragsbestände nicht weiter vergrößerten. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität (Produktionsergebnis je Arbeiterstunde) gegenüber 1963 um 9,4 Prozent (1963 gegenüber 1962 um 6,6 Prozent) zeigt die Bemühungen der Monopole um die Erhöhung ihrer Konkurrenzfähigkeit. Von 1958 bis 1964 ist in der westdeutschen Industrie die Produktivität um 53 Prozent gestiegen. Die Nutznießer dieser Entwicklung sind die Monopole, deren Profite 1964 um 12 Prozent zunahmen. Die inflationäre Bewegung blieb in Westdeutschland in engeren Grenzen als in den anderen EWG-Ländern. In Frankreich stand 1964 die wirtschaftliche Entwicklung im Zeichen der Eindämmung der Inflation. Das Wirksamwerden der am 12. September 1963 als „Stabilisierungsplan" verkündeten anti-inflationistischen Maßnahmen (Kreditbeschränkungen, Kürzung der Teilzahlungskredite, Erhöhung der Einkommensteuer, Preisstop und Preiskontrolle) verlangsamte die Geldentwertung erheblich. Waren die Verbraucherpreise von Ende 1962 bis Ende 1963 um 4,6 Prozent gestiegen, so erhöhten sie sich im Laufe des Jahres 1964 nur noch um etwa 2,5 Prozent. Die französischen Monopole, denen an einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation sowohl im Interesse einer langfristigen Sicherung ihrer Profite als auch der Stärkung des französischen Imperialismus im allgemeinen gelegen sein mußte, nahmen dafür eine zeitweilige Verminderung des Tempos ihrer Expansion in Kauf. Wie tief die französische Wirtschaft von der inflationistischen Entwicklung getroffen wurde, läßt sich den Ausführungen von Finanzminister Giscard d'Estaing vor der Nationalversammlung entnehmen:

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964

273

„Die Eliminierung der Inflation war die Vorbedingung jeder Politik dauerhaften Wachstums . . . denn die Inflation hatte den wirtschaftlichen und sozialen Organismus tiefer ergriffen als wir es selbst geglaubt hatten. Sie hatte die Strukturen angefressen, die Mechanismen verfälscht und die Organe entkräftet in einem Grade, daß es eine langwierige und schwierige Aufgabe ist, sie im Verhalten der Menschen und in den Tatsachen durch normale Antriebskräfte zu ersetzen." 2 Diese Bemerkungen machen die Furcht der herrschenden Kräfte in Frankreich vor einem Abrutschen in die Krise deutlich. Zugleich aber blickt hinter dem Appell an das „Verhalten der Menschen" der Versuch hervor, die Stabilisierung der französischen Wirtschaftssituation auf Kosten der Werktätigen zu vollziehen, die sich aber bisher gegen die Verschlechterung ihrer Lage erfolgreich gewehrt haben, wie auch die Erhöhung der Stundenlöhne um 6,7 Prozent gegenüber 1963 zeigt. Die Industrieproduktion Frankreichs stieg 1964 zwar um 7 Prozent, hinter dieser noch erheblichen durchschnittlichen Zunahme verbergen sich aber — wenn man die beiden letzten Jahre analysiert — gegensätzliche Tendenzen. Die von Saisoneinflüssen bereinigten Indices zeigen folgende Entwicklung (1959 = 100):

1963 Januar Dezember 1964 Januar Dezember

Industrie gesamt

Metallverarbeitende Industrie

Textilindustrie

Chemische Industrie

124 135.5 138 135.5

126 136 141 134

121 129 133 113

138 164 162 173

Die übliche Herbstbelebung blieb 1964 aus, auch in den ersten Monaten dieses Jahres hat sich die Stagnationstendenz noch nicht verändert. Da jedoch die Arbeitslosigkeit unbedeutend ist, die Auftragseingänge in der Industrie unverändert hoch sind und mit einigen expansiven Wirkungen der noch zunehmenden Bautätigkeit sowie mit den weiterhin von der EWG-Integration ausgehenden Impulsen gerechnet wird, erwarten Regierung und Monopole eine baldige Zunahme der wirtschaftlichen Aktivität. Die Folgen der wirtschaftlichen Stagnation zeigten sich in einer deutlichen Verschlechterung der französischen Zahlungsbilanz. Der Saldo blieb zwar aktiv, verminderte sich aber von 5,3 auf 2,8 Milliarden Franc. Bei defizitärer Handelsbilanz und sich verminderndem Überschuß der Dienstleistungsbilanz konnte nur der Kapitalbilanzüberschuß von 2,5 Milliarden Franc, der durch den Zustrom weiteren Auslandskapitals entstand, die weiterhin positive Zahlungsbilanz sichern. Die Bemühungen der französischen Regierung sind gegenwärtig darauf gerichtet, die Wirtschaft durch weitere gezielte Maßnahmen anzukurbeln, wobei die im Herbst bevorstehenden Präsidentschaftswahlen eine wesentliche Rolle spielen. Die Wirtschaft Italiens zeigte 1964 deutliche Krisenzeichen. Die vom Profitstreben der Monopole beschleunigte ökonomische Expansion in den voraufgegangenen Jahren hatte Geldumlauf und Kreditvolumen aufgebläht und die in Italien schon seit Jahren vorhandene inflationäre Tendenz so verstärkt, daß die Stabilität der Währung ernsthaft gefährdet wurde, so daß schließlich Anfang 1964 nur noch eine internationale Stützungsaktion helfen konnte. Die Konkurrenzlage der italienischen Unternehmen verschlechterte sich, die Ausweitung des Exports wurde geringer, statt dessen hatte die Inflation einen „Importsog" zur Folge, da die Waren anderer Länder auf dem italienischen Markt zunehmend konkurrenzfähiger wurden. Die Folge war 1963 ein wachsendes Außenhandelsdefizit, das die Entwicklung der Zahlungsbilanz stark beeinträchtigte. 2

Zitiert in: „Handelsblatt", Düsseldorf, Nr. 92 vom 13. 5. 1965.

ERNST

274

LÜDEMANN

Während in Frankreich relativ rasch Maßnahmen gegen die Inflation eingeleitet wurden, erwies sich die italienische Regierung lange Zeit als handlungsunfähig. E r s t i m Februar 1964 wurde der Versuch gemacht, m i t Steuererhöhungen, Einschränkungen der Staatsausgaben, Steuererleichterungen für Investitionen usw. der Inflation Herr zu werden und das weitere wirtschaftliche W a c h s t u m zu sichern. I m August wurden zu dem gleichen Zweck weitere Maßnahmen eingeleitet, die jedoch — wie die Erhöhung v o n direkten und indirekten Steuern und die Tariferhöhungen bei Eisenbahn und Post — vor allem die Werktätigen treffen. Bisher haben die Bemühungen von S t a a t und Monopolen, die italienische Wirtschaft von der Fessel der Inflation zu befreien, nur zum Teil Erfolg gehabt, während sich zugleich die wirtschaftliche Gesamtsituation weiter verschlechterte. E s gelang — im Gegensatz zu Frankreich — bisher nicht, die Inflation abzustoppen. Die Verbraucherpreise stiegen v o n Januar bis Juli 1964 mit einer Jahresrate von 5,4 Prozent, von Juli 1964 bis Januar 1965 m i t einer Jahresrate von 5,6 Prozent. Die Investitionen sind rückläufig. Die Bruttoanlageinvestitionen waren um 9 Prozent geringer als 1963, die produktiven Investitionen gingen sogar u m 20 Prozent zurück. A u c h die sich vermindernden Lagerbestände sind als Zeichen nachlassender wirtschaftlicher A k t i v i t ä t zu werten. Die Industrieproduktion blieb im Jahresdurchschnitt gegenüber 1963 gerade eben unverändert hoch, w a r in den letzten Monaten jedoch bereits niedriger als zur gleichen Zeit des Vorjahres (1953 = 100):

Oktober November Dezember Januar

1963 bzw. 1964

1964 bzw. 1965

269,4 251.7 249,1 251.9

254.4 245.8 244,8 238,3

Der R ü c k g a n g der Produktion ist bisher in der Bauindustrie und den abhängenden Zweige^, ferner im Maschinenbau und in der elektrotechnischen Industrie sowie besonders in der Textilindustrie, w o zu den aktuellen Krisenerscheinungen noch die Folgen der langfristigen Strukturveränderungen in der Textilwirtschaft hinzukommen, a m größten. Diese E n t w i c k l u n g führte zu einer bedeutenden Steigerung der Arbeitslosigkeit von 398000 offiziell registrierten Arbeitslosen im Oktober 1963 auf 531000 i m Oktober 1964. Außerdem hat die K u r z a r b e i t immer weiter um sich gegriffen und die Einkommen der Arbeiter bis zu 20 Prozent vermindert, so daß auch die industrielle Konsumtion rückläufige Tendenzen zeigt. Infolge der verschlechterten K o n j u n k t u r nahm die E i n f u h r ab, während die italienischen Monopole große Anstrengungen machten, u m über eine Ausweitung des E x p o r t s eine Stabilisierung der Zahlungsbilanzsituation zu erreichen. Die Zunahme des E x p o r t s gegenüber 1963 um 18 Prozent und der Anstieg der Gold- und Devisenreserven u m 621 Millionen Dollar (nach einem R ü c k g a n g u m 384 Millionen Dollar i m Jahre 1963) zeigen, d a ß sie damit einigen Erfolg hatten. In den bisherigen Monaten des Jahres 1965 veränderte sich die italienische Wirtschaftssituation nicht grundlegend. Die meisten Unternehmen sind gegenüber neuen Investitionen abwartend. Dies bringt zugleich die noch immer relativ geringen Profiterwartungen für die nächste Zeit zum Ausdruck. F ü r die B a u w i r t s c h a f t wird schon j e t z t m i t einer Stagnation von weiteren ein bis zwei Jahren gerechnet. A u c h in anderen Zweigen wachsen die nicht ausgenutzten K a p a z i t ä t e n und verschlechtert sich durch steigende Kosten die Konkurrenzfähigkeit. E i n sichtbares Zeichen der italienischen Krise ist die regionale Bevölkerungsbewegung. Nachdem in den zurückliegenden Jahren viele Menschen aus den rückständigen Gebieten Süditaliens mit der Hoffnung auf bessere Arbeits- und Lebensverhältnisse in die Städte des bereits stark industrialisierten Nordens gekommen waren, was deren Einwohnerzahl rasch ansteigen ließ, vermindert sich j e t z t die

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964

275

Bevölkerung der Industriezentren Mailand und Turin wieder. Ein Teil der Zugewanderten kehrt in die früheren Wohngebiete zurück oder versucht, in anderen EWGLändern Arbeit zu finden. Die günstige Konjunktur in Westdeutschland kommt gegenwärtig auch den italienischen Monopolen durchaus gelegen, da sie die Abwanderung italienischer Arbeiter als eine Art Ventil betrachten, um die Kampffront der Werktätigen zu schwächen. Zahlreiche Streiks und andere Aktionen zeigen, daß ihnen dies bisher nicht gelungen ist. Die Organisationen der Werktätigen haben bisher alle Versuche der italienischen Regierung, einen Lohnstop einzuführen und die „gleitende Lohnskala" (d. h. die automatische Anpassung der Löhne an die steigenden Lebenshaltungskosten) abzuschaffen, ebenso vereiteln können wie die Absicht, die Wohnungsmieten „freizugeben". Damit soll angeblich die Bauwirtschaft neue Impulse erhalten, während in Wirklichkeit — ähnlich wie in Westdeutschland — Mietwucher die unter kapitalistischen Verhältnissen natürliche Folge wäre. Inwieweit die neuen im März 1965 beschlossenen staatlichen Maßnahmen dazu beitragen, die wirtschaftliche Lage zu konsolidieren, ohne Rechte und Lage der Werktätigen zu beeinträchtigen, läßt sich noch nicht übersehen. Italienische Zeitungen kommentieren, es handele sich um die letzten noch verfügbaren Ressourcen des Landes und ein etwaiger Mißerfolg müsse unweigerlich mit einem wirtschaftlichen Debakel enden. Die neuen Maßnahmen zielen sowohl auf eine Belebung der Nachfrage wie auf eine Erhöhung der Investitionstätigkeit. Der italienische Schatzminister Colombo gab Mitte Mai 1965 folgende Darstellung der Wirtschaftssituation des Landes: Die beiden größten Schwierigkeiten — die Währungsstabilität zu sichern und den Ausgleich der Zahlungsbilanz herzustellen — seien im wesentlichen beseitigt. E s gelte nun, die Stagnation der Wirtschaft zu überwinden. Colombo nannte als notwendige Maßnahmen die Beendigung der Arbeitszeitverkürzungen infolge der Krise, die Verminderung der Arbeitslosigkeit, die Erhöhung der Zahl der Beschäftigten, die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit und die Behebung der „traditionellen Ungleichgewichte" in der italienischen Wirtschaft, womit vor allem die Kluft gemeint war, die hinsichtlich des allgemeinen Entwicklungsniveaus zwischen Nord- und Süditalien nahezu unverändert besteht. Die zahlreichen Erscheinungen der Krise und Labilität lassen es jedoch sehr zweifelhaft erscheinen, ob 1965 die von Colombo angenommene Steigerung der Industrieproduktion gegenüber 1964 auch nur entfernt in die Nähe der von ihm genannten 7 Prozent kommen wird. Das Beispiel Frankreichs — wo die Krisen- bzw. Stagnationserscheinungen bei weitem nicht den Umfang erreichten wie in Italien — zeigt, daß , auch nach dem Wirksamwerden der eingeleiteten staatlichen Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaftslage, insbesondere zur Eindämmung der Inflation, nicht automatisch ein neuer Aufschwung eintritt, daß vielmehr die Stabilisierung mit einem Nachlassen des Wachstumstempos erkauft werden muß. Dabei trifft die Krise hauptsächlich die Werktätigen, während die italienischen Konzerne ihren Aktionären im allgemeinen die gleichen hohen Dividenden zahlen wie im Vorjahr. In den Niederlanden und Belgien herrschte 1964 Hochkonjunktur. Das wirtschaftliche Wachstumstempo hat sich jedoch im Laufe des Jahres schneller verlangsamt als erwartet wurde. In den Niederlanden lag die Zunahme des „Bruttosozialprodukts" real fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Den Werktätigen gelang es, ihren Reallohn um etwa 7 Prozent zu steigern. Die günstige konjunkturelle Entwicklung ließ vor allem die Ausrüstungsinvestitionen beträchtlich ansteigen, steigerte aber auch die inflationären Gefahren. Trotz des erhöhten Defizits der Handelsbilanz konnte die Zahlungsbilanz für 1964 durch Aktiva vor allem der Dienstleistungs- und auch der Kapitalbilanz wiederum einen, wenn auch verminderten Überschuß ausweisen. In Belgien, wo zwischen 1957 u n d 1962 das wirtschaftliche Wachstum geringer war als in allen anderen EWG-Ländern, ist der rasche Aufschwung der beiden letzten Jahre dabei, in eine Periode der Stagnation überzugehen. Die Industrieproduktion war im 4. Quartal 1964 nur noch um 5 Prozent höher als ein Jahr zuvor, im I. Quartal hatte die Zuwachsrate noch 12 Prozent betragen.

276

ERNST LÜDEMANN

Auch die Entwicklung des Warenaustausches zwischen den EWG-Ländern läßt die Unterschiede in der gegenwärtigen Wirtschaftslage hervortreten (Tabelle 7). Die Tabelle 7 W a r e n a u s t a u s c h z w i s c h e n den E W G - L ä n d e r n (Mill. Dollar; Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent)

EWG-Länder gesamt Export Import Westdeutschland

Export Import

Belgien-Luxemburg

Export Import

Frankreich

Export Import

Niederlande

Export Import

Italien

Export Import

1962

1963

1964

13563 ( + 14.0) 13416 ( + 14.5) 4513 (+12,1) 3995 (+16,6)

15926 (+17,4) 15737 ( + 17-3) 5452 ( + 20,8) 4342 ( + 8,7) 2942 (+19,7) 2684 (+15,5) 3092 (+14,0) 3126 ( + 23,9) 2647 (+17,3) 3082 ( + 14,9) 1793 ( + 10,4) 2503 ( + 32,3)

18390 ( + 15,5) 18041 ( + 14,6) 5910 ( + 8,4) 5098 ( + 17,4) 3494 ( + 18,7) 3146 ( + 17,2)

2 458 (+17,7) 2324 ( + 8,8) 2712 ( + 12,1) 2523 ( + 20,0) 2256 (+10,0) 2683 ( + 6,7) 1624 (+24,2) 1891 ( + 22,8)

3487 ( + 12,8) 3762 ( + 20,3) 3233 ( + 22,1) 3671 (+19.1) 2266 ( + 26,4) 2365 (-5,5)

Quelle: „Außenhandel", Monatsstatistik (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften), Brüssel, 1964 und 1965, jeweils No. 2. Niederlande und Belgien haben in jedem der letzten drei Jahre ihren Export in andere EWG-Länder schneller ausweiten können als der Import aus diesen Ländern zunahm. In Frankreich hat die Inflation eine noch schnellere Steigerung der Ausfuhr gehemmt, während der Import weiterhin rasch wächst. Die Entwicklung des italienischen EWG-Handels ist ein Spiegelbild der krisenhaften Situation und der daraus erwachsenen Exportanstrengungen. Die Tendenzen haben sich jedoch 1964 verändert. Dies bekam offenbar vor allem Westdeutschland zu spüren, dessen Exportwachstum abnahm, während die Importe bedeutend schneller stiegen. Insgesamt ist der Warenaustausch innerhalb der E W G in den genannten drei Jahren um 55 Prozent gewachsen. Die Zunahme des westdeutschen Exports in die anderen EWG-Länder lag übrigens mit 47 Prozent unter dem Durchschnitt, so daß die westdeutschen Monopole im Außenhandel innerhalb der E W G ihre Positionen nicht ganz behaupten konnten. Innerhalb der E F T A hat Großbritannien das größte Gewicht. Dort war die wirtschaftliche Entwicklung, nach der Belebung im Vorjahr, 1964 durch eine Stagnation gekennzeichnet. Das „Bruttosozialprodukt" Großbritanniens nahm zwar 1964 real um 5,6 Prozent zu, es entwickelte sich jedoch in den einzelnen Quartalen der beiden letzten Jahre

Die W i r t s c h a f t der kapitalistischen L ä n d e r im J a h r e 1964

277

— saisonbereinigt u n d zu Preisen von 1958 — folgendermaßen (Millionen P f u n d Sterling) : 3 „Bruttosozialprodukt" insgesamt 1963

I II III IV

5651 5862 5869 6100

1964

I II III IV

6127 6157 6190 6329

darunter: Brutto-Anlageinvestitionen 1012 1137 1197 1237 1278 1309 1342 1389

Staatsverbrauch

Individuelle Konsumtion

1042 1040 1049 1058

4393 4490 4556 4596

1056 1071 1065 1102

4682 4617 4676 4732

Die auffälligste Bewegung ist die u n u n t e r b r o c h e n e Z u n a h m e der Anlageinvestitionen, die d a m i t den höchsten Anteil a m „ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t " seit 1950 erreicht h a b e n . D a s gesamte „ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t " n a h m v o m IV. Q u a r t a l 1963 bis z u m I I I . Quart a l 1964 n u r in geringem A u s m a ß zu. Auch die anschließende Steigerung w a r in A n b e t r a c h t der Tatsache, d a ß sie gegenüber d e m IV. Q u a r t a l 1963 n u r 3,8 P r o z e n t betrug, r e l a t i v mäßig. Die H a u p t u r s a c h e der insgesamt ungünstigen E n t w i c k l u n g der britischen W i r t s c h a f t ist i h r e ungenügende Konkurrenzfähigkeit. U n t e r den verschiedenen bis O k t o b e r 1964 a m t i e r e n d e n konservativen Regierungen w a r i m m e r wieder versucht worden, die P r o d u k t i o n m i t Hilfe staatlicher M a ß n a h m e n hochzutreiben. Zuletzt geschah dies seit d e m H e r b s t 1963, u m ein f ü r die Regierungspartei günstiges „ W a h l k l i m a " zu schaffen. Die wirtschaftliche E x p a n s i o n w a r von einer fortschreitenden G e l d e n t w e r t u n g begleitet. Als Folge d a v o n w u r d e 1964 das Defizit der Handelsbilanz nahezu v e r d o p p e l t (Tabelle 8). I m H e r b s t 1964 b r a c h die Zahlungsbilanzkrise offen Tabelle 8 A u ß e n h a n d e l G r o ß b r i t a n n i e n s 1962 b i s 1964 in Millionen Dollar

A u ß e n h a n d e l insgesamt

Export Import Saldo

H a n d e l m i t anderen E F T A Ländern

Export Import Saldo

Handel mit EWG-Ländern

Export Import Saldo

1962

1963

1964

11059 12578 -1519 1491 1546 -55 2188 1984 + 204

11855 13497 — 1642

12341 15438 -3097 1781 2067 -286

1600 1694 -94 2500 2 155 + 345

539 2563 -24 2

Quellen: „ E F T A - H a n d e l " , Genf, Dezember 1964; „Neue Zürcher Z e i t u n g " Nr. 77 v o m 19. 3. 1965. 3 „ M o n t h l y Digest of S t a t i s t i c s " (Central Statistical Office), London, No. 232, April 1965.

278

ERNST

LÜDEMANN

aus, die vor allem deshalb weltweite Auswirkungen hat, weil die britische Währung nach dem Dollar die Funktion einer zweiten internationalen Reservewährung hat. Die britischen Gold- und Devisenreserven sanken im Laufe des Jahres 1964 fast ununterbrochen. Ende 1964 hatten sie sich gegenüber der gleichen Vorjahreszeit um 341 Millionen Dollar auf nur noch 2316 Millionen Dollar vermindert. Da die konservative Regierung keine energischen Maßnahmen ergriffen hatte, um aus der schwierigen wirtschaftlichen Situation herauszukommen, mußte die neue Labour-Regierung ein schweres Erbe antreten. Die drohende Krise des Pfund Sterling konnte nur durch eine internationale Devisenhilfe in Höhe von 3 Milliarden Dollar abgewendet werden. Die bereits am 25. Oktober 1964 verfügte Erhöhung der britischen Einfuhrzölle um 15 Prozent — die der EFTA-Konvention widerspricht und deshalb bei den anderen Mitgliedsländern der E F T A auf heftige Kritik stieß — und die Reduzierung der Steuern für britische Exporteure um 1,5 Prozent des jeweiligen Exportwertes sollten der unmittelbaren Verbesserung der Zahlungsbilanz dienen, sie sollen aber auch die britische Industrie bei der Steigerung ihrer Konkurrenzfähigkeit unterstützen. So ist gegenwärtig das Hauptaugenmerk der britischen Regierung vor allem darauf gerichtet, die Zahlungsbilanzsituation zu stabilisieren. Wie gering die Erfolge sind, die dabei bisher erzielt wurden, zeigt auch eine weitere Devisenhilfe für Großbritannien in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar, die im April 1965 von den Notenbankpräsidenten der EWG-Länder beschlossen wurde. Es ist keinesfalls verwunderlich, daß dem EWG-Konkurrenten Großbritannien unter die Arme gegriffen wird, sondern läßt das von sonstigen Auseinandersetzungen unabhängig vorhandene allgemeine imperialistische Interesse an der ökonomischen Stabilität aller vom Monopolkapital beherrschten Länder erkennen. Bisher ist die Labour-Regierung zu sehr in die Geleise konservativer Wirtschafts- und Währungspolitik gedrängt worden, um die in ihrem Wahlprogramm verkündete Modernisierung der britischen Wirtschaft entschlossen in Angriff zu nehmen. In den anderen EFTA-Ländern hielt die wirtschaftliche Expansion allgemein an. In Österreich sind die Investitionen und der Export die Hauptstützen der Konjunktur. Die inflationären Gefahren sind offenbar rechtzeitig eingedämmt worden, da die Verbraucherpreise im Februar 1965 nur noch um 2,4 Prozent höher waren als zur gleichen Vorjahreszeit. Der „ B o o m " , der im letzten Jahr die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz kennzeichnete und der von einer weiteren Geldentwertung begleitet war, gegen die mit staatlichen Maßnahmen vorgegangen wurde, hat sich stark abgeschwächt. Die Verbraucherpreise übertrafen zu Anfang des Jahres 1965 den Vorjahresstand um 2,5 Prozent. Der Auftragseingang ist in einigen Industriezweigen (z. B. im Maschinenbau und in der Textilindustrie) schwächer als im Vorjahr. Die Auftragsbestände sind im Maschinenbau gesunken. Eine Umfrage über die Beschäftigungsaussichten in der Industrie ergab, daß Ende 1964 Betriebe mit 64,5 Prozent der Beschäftigten eine weiterhin gute Beschäftigung erwarteten (Ende 1963: 70,9 Prozent), während Betriebe mit 8,0 Prozent (Ende 1963: 5,9 Prozent) der Beschäftigten eine Verschlechterung der Beschäftigungslage befürchteten. Die wirtschaftliche Entwicklung Schwedens war auch 1964 durch eine Hochkonjunktur gekennzeichnet. Das Wachstum des „Bruttosozialprodukts" um real 5,7 Prozent entsprach dem westeuropäischen Durchschnitt. Dabei haben die staatlichen Investitionen und laufenden Ausgaben an Bedeutung gewonnen (Veränderung des Volumens gegenüber dem Vorjahr in Prozent):

„Bruttosozialprodukt" gesamt Private Investitionen Staatliche Investitionen Staatliche laufende Ausgaben Individuelle Konsumtion

1963

1964

+ + + + +

+5,7 +5.4 +7,4 +5.7 +4.4

4.9 4.5 6,2 7.1 5.2

Die W i r t s c h a f t der kapitalistischen L ä n d e r i m J a h r e 1964

279

Die p r i v a t e n Ausrüstungsinvestitionen h a b e n sich schon seit J a h r e n nicht m e h r vergrößert. Sie stagnierten auch 1964, allerdings auf einem sehr hohen Niveau, d a s weit über die notwendigen Ersatzinvestitionen hinausgeht. Der P r o d u k t i o n s a p p a r a t in Schweden wird d e m n a c h weiterhin b e d e u t e n d ausgedehnt. Der Anteil der B r u t t o Anlageinvestitionen (private und staatliche) a m „ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t " w a r 1964 m i t 32,0 P r o z e n t höher als in f a s t allen anderen kapitalistischen Industrieländern. E i n E n g p a ß f ü r die weitere E n t w i c k l u n g der schwedischen W i r t s c h a f t ist die K n a p p h e i t a n Arbeitskräften, die es andererseits den W e r k t ä t i g e n ermöglichte, 1964 eine Steigerung ihres Reallohnes u m 4 P r o z e n t zu erreichen. Der E x p o r t Schwedens n a h m gegenüber 1963 u m 15 Prozent zu, der I m p o r t u m 14 Prozent. Das weiterhin bestehende Handelsbilanzdefizit wird jedoch von den Schiffahrtseinnahmen (ungefähr 300 Millionen Dollar) m e h r als ausgeglichen. I n s g e s a m t ergab die schwedische Zahlungsbilanz f ü r 1964 einen Überschuß von e t w a 190 Millionen Dollar. Die günstige E n t w i c k l u n g — m i t deren weiterem A n d a u e r n auch f ü r 1965 gerechnet wird — b r a c h t e den schwedischen Konzernen höhere Profite. Bei einer Analyse von 85 großen I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n d u r c h die Skandinaviska B a n k e n ergab sich f ü r 61 ein gegenüber 1963 gestiegener Gewinn. Von d e n übrigen L ä n d e r n Westeuropas h a b e n sich Griechenland u n d Spanien in den letzten J a h r e n besonders rasch entwickelt. W ä h r e n d die Entwicklungsländer Asiens, A f r i k a s u n d L a t e i n a m e r i k a s n u r ungenügend u n t e r s t ü t z t werden, b e t r a c h t e t d a s i n t e r n a t i o n a l e Monopolkapital diese beiden L ä n d e r als bevorzugte Kapitalanlagesphären u n d Profitquellen. Dies geschieht, wie ihre geographische Lage zeigt, nicht zuletzt aus strategischen Gründen. A u ß e r d e m soll in diesen beiden besonders rückständigen L ä n d e r n W e s t e u r o p a s v e r h i n d e r t werden, d a ß sich „sozialer Z ü n d s t o f f " a n h ä u f t , die Klassengegensätze sich verschärfen u n d die bestehende franko-faschistische bzw. monarchistische H e r r s c h a f t in F r a g e stellen. In Griechenland, d a s m i t der E W G assoziiert ist, n a h m d a s industrielle W a c h s t u m s t e m p o in den letzten J a h r e n zu. 1962 w a r die I n d u s t r i e p r o d u k t i o n u m 4,1 Prozent, 1963 u m 7,4 P r o z e n t höher als jeweils im J a h r v o r h e r ; 1964 w u r d e sie u m 10,6 P r o z e n t gesteigert. Die Lage des L a n d e s ist d u r c h ein laufendes Zahlungsbilanzdefizit c h a r a k terisiert, d a s 1964 m i t 173 Millionen Dollar besonders großen U m f a n g a n n a h m . Zwar stieg v o n i960 bis 1964 der E x p o r t u m 52 P r o z e n t u n d der I m p o r t n u r u m 26 Prozent, d a s Außenhandelsdefizit wuchs jedoch absolut von 499 auf 576 Millionen Dollar. Die E n t w i c k l u n g in Spanien ist d u r c h ein a n h a l t e n d e s relativ schnelles W i r t s c h a f t s w a c h s t u m gekennzeichnet. D a s „ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t " n a h m 1964 real u m 6,7 P r o z e n t zu, die I n d u s t r i e p r o d u k t i o n stieg u m 11,6 Prozent. Der K a p i t a l z u f l u ß aus d e m Ausl a n d h ä l t a n u n d v e r s t ä r k t besonders die Positionen des USA-Imperialismus. E x p o r t u n d I m p o r t entwickeln sich ungleichmäßig. Sie spiegeln die hektische ökonomische A k t i v i t ä t in Spanien wider (Millionen Dollar):

i960 1961 1962 1963 1964

Export

Import

Saldo

725 710 736 722 920

721 1092 1568 1942 2244

+ 4 - 382 - 832 —1220 -1324

D e r Ausgleich der Zahlungsbilanz w a r n u r durch ein rasches Ansteigen der E i n n a h m e n a u s d e m F r e m d e n v e r k e h r möglich, die 1964 950 Millionen Dollar erreichten u n d 42 P r o z e n t des I m p o r t s deckten. Die spanischen Gold- u n d Devisenreserven stiegen 1964 v o n 1093 auf 1407 Millionen Dollar. Der v o n den Monopolen geförderte W i r t schaftsaufschwung ist a b e r auch m i t einer rasch fortschreitenden I n f l a t i o n v e r b u n d e n . Allein von Mai bis Dezember 1964 stiegen die Lebensmittelpreise u m 17,4 Prozent. 20

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ERNST

LÜDEMANN

So geht auch in Spanien das Profitstreben der Monopole zu Lasten der Werktätigen. 3. Andere entwickelte überseeische

Länder

In Japan vollzog sich im vergangenen Jahr eine widersprüchliche E n t w i c k l u n g : I m Haushaltsjahr 1964/65 (das am 3 1 . 3 . 1 9 6 5 endete) nahm das „Bruttosozialp r o d u k t " zwar real u m 9,7 Prozent zu — die Steigerung im voraufgegangenen Jahr betrug 12,3 Prozent —, aber es entwickelten sich Erscheinungen der Überproduktion in zahlreichen Industriezweigen. Betroffen sind unter anderem diejenigen Industrien, die elektrische Haushaltsgeräte, Kunststoffe, Werkzeugmaschinen, Zement und K a m e r a s produzieren. Die Investitionen nehmen — wenn auch mit geringerem T e m p o — weiter zu und vergrößern die K a p a z i t ä t e n weit über die gegenwärtigen Produktionsmöglichkeiten hinaus. Die Ausrüstungsinvestitionen waren 1964/65 um 13,2 Prozent höher als im Jahr zuvor. Die japanische Industrieproduktion ist 1964 gegenüber 1963 um weitere 17,2 Prozent gestiegen. Sie entwickelte sich in den wichtigsten Industriezweigen folgendermaßen (i960 = 100) : 4

Industrie gesamt Bergbau Eisen- und Stahlindustrie Metallverarbeitende Industrie Chemische Industrie Mineralölverarbeitung Textilindustrie Nahrungs- und Genußmittelindustrie

1962

1963

1964

129,3 109,4 125,5 145.0 130,0 135.0 113.5 117,2

142,3 107,7 140,4 159,5 152.7 159,8 122,5 121,0

166,8 107,7 172,8 191,9 178,8 184,4 136,9 136,4

D a s industrielle Wachstumstempo verlangsamte sich jedoch im 2. Halbjahr — wenn man von den saisonbereinigten Indexzahlen ausgeht — erheblich: V o n Januar bis Juli 1964 nahm die Industrieproduktion mit einer Jahresrate von 17,0 Prozent zu, von Juli 1964 bis Januar 1965 nur mit einer Jahresrate von 4,7 Prozent, obgleich die Produktion im Januar 1965 noch um 11,1 Prozent höher w a r als ein Jahr zuvor. Die Produktivität stieg 1964 um 9,4 Prozent und läßt das Bestreben der japanischen Monopole nach Verbesserung ihrer Konkurrenzfähigkeit erkennen. Die andauernde japanische Exportoffensive führte zu einem Ansteigen der Ausfuhren um 23 Prozent. Der Handel mit sozialistischen Ländern wuchs 1964 sprungh a f t u m 66 Prozent. Die Steigerung der Verbraucherpreise war 1964 mit im Durchschnitt 3,8 Prozent geringer als 1963 ( + 7,6 Prozent). In welchem Maße die von den Arbeitern erkämpften Lohnerhöhungen jedoch von den steigenden Preisen verschlungen werden, zeigt folgende Gegenüberstellung: Das Durchschnittseinkommen der japanischen Werktätigen w a r im Januar 1965 u m 13,2 Prozent höher als im Januar 1964. Die Verbraucherpreise stiegen in dieser Zeit um 6,5 Prozent. Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation in Japan ist dadurch gekennzeichnet, d a ß die Regierung die K o n j u n k t u r mit Kreditverbilligungen wieder zu beleben versucht. A n f a n g 1965 wurde der Diskontsatz innerhalb zweier Monate zweimal gesenkt, nachdem er 1964 wegen einer angeblichen „ Ü b e r h i t z u n g " der K o n j u n k t u r erhöht worden war. In K a n a d a stieg das „ B r u t t o s o z i a l p r o d u k t " 1964 real um 6,5 Prozent. Dies w a r die höchste Zuwachsrate seit 1956. Die Investitionen, deren Anteil 23,0 Prozent betrug, bilden die Haupttriebfeder der ökonomischen Expansion, die schon einige Jahre anhält. Die Industrieproduktion ist seit 1961 um 23 Prozent gewachsen. Die Entwicklung K a n a d a s wird durch die Jagd der internationalen Monopole nach 4 „Monthly Circular" (Mitsubishi Economic Research Institute), T o k y o , Februar/ März 1965.

Die Wirtschaft der kapitalistischen Länder im Jahre 1964

281

ergiebigen Quellen billiger Rohstoffe aller Art gefördert. Da der Umfang der Bodenschätze des Landes noch nicht annähernd bekannt ist, wird damit gerechnet, daß der Kapitalbedarf der kanadischen Wirtschaft noch beträchtlich ansteigt. Für 1965 wird eine weitere Zunahme der Investitionen um 15 Prozent erwartet. Die privaten Investitionen sollen sich bis 1970 gegenüber 1963 um fast 80 Prozent erhöhen. Weitere Kennzeichen der Wirtschaftsentwicklung in Kanada im Jahre 1964 sind relativ stabile Verbraucherpreise ( + 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr), eine Zunahme der Beschäftigten um 3,6 Prozent, die Abnahme der Arbeitslosenquote auf zwar immerhin noch 5,3 Prozent der Berufstätigen, was aber gegenüber dem Anteil von 8,5 Prozent im Jahre 1961 bereits einen wesentlichen Rückgang darstellt. Bemerkenswert ist die Zunahme der laufenden zivilen Staatsausgaben um 11,4 Prozent auf 7068 Millionen Dollar, während die Rüstungsausgaben um 8,3 Prozent auf 1539 Millionen Dollar (3,3 Prozent des „Bruttosozialprodukts") zurückgingen. Der Zufluß von Auslandskapital hielt an und belief sich 1964 auf 816 Millionen Dollar. Obwohl politisch traditionell unter britischem Einfluß stehend, wird Kanada ökonomisch mehr und mehr von den USA abhängig. Kanadas Zahlungsbilanzdefizit gegenüber den USA erhöhte sich 1964 von 1 1 8 3 auf 1659 Millionen Dollar; mit dem übrigen Ausland ergab sich ein Überschuß von 1206 (1963: 626) Millionen Dollar. Südafrika ist ein halbindustrialisiertes Land, in dem der Wohlstand der weißen Bevölkerung vor allem auf der Ausbeutung der Afrikaner beruht, die durch die Apartheid-Politik der politisch bestimmenden Kräfte in jeder Weise diskriminiert werden. Das Land befindet sich seit zwei Jahren in einem konjunkturellen Aufschwung. Das Wirtschaftsjahr 1963/1964 war eines der günstigsten in der Geschichte Südafrikas. Das „Bruttosozialprodukt" nahm real um 8 Prozent und nominal um 11 Prozent zu. Die privaten Investitionen stiegen nominal um 19 Prozent, die staatlichen um 12 Prozent. Die Industrieproduktion erhöhte sich 1964 um 14 Prozent, besonders schnell in der Metallerzeugung und -Verarbeitung, in der chemischen, Mineralöl- und elektrotechnischen Industrie. Die Zahlungsbilanz Südafrikas kann infolge des hohen Goldexports selbst bei negativer Kapitalbilanz ausgeglichen werden. E s wird mit einem Anhalten des gegenwärtigen Aufschwungs gerechnet. 4. Entwicklungsländer Die kapitalistische Weltwirtschaft ist nach wie vor durch eine tiefe Kluft zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern gekennzeichnet. Ihre Ursachen liegen in der jahrhundertelangen kolonialen Unterjochung der Mehrheit der Menschheit durch die herrschende Schicht der „Mutterländer" und in der Ausplünderung der Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens durch das internationale Monopolkapital. Die von den kapitalistischen Industrieländern gegebene „Entwicklungshilfe" ist sowohl im Verhältnis zu den Potenzen dieser Länder als auch gemessen an den Erfordernissen der Entwicklungsländer ungenügend. Sie gleicht gerade die Folgen der ökonomischen Abhängigkeit von den Industrieländern aus, zumal in den Jahren 1956 bis 1963 40 Prozent der „Entwicklungshilfe" aus rückzahlbaren Krediten bestanden, aus denen die Monopole noch Profit schlagen. Die Zinszahlungen belasten die Entwicklungsländer in wachsendem Maße. Der Umfang der „Entwicklungshilfe" der kapitalistischen Industrieländer ist in den letzten Jahren sogar zurückgegangen, während die Leistungen der sozialistischen Länder rasch ansteigen. Für die OECD-Länder werden folgende Angaben gemacht (Milliarden Dollar) :5 1956 1957 1958

1959

5

6,243 7.519 7,268 7,100

i960 1961 1962 1963

7.985 9,220 8,476 8,486

The flow of financial resources to less-developed countries 1956—1963 (OECD), Paris 1964, S. 19. 20*

282

ERNST LÜDEMANN

Diese Mittel haben zu einer sichtbaren Beschleunigung des ökonomischen Wachstums in den Entwicklungsländern nicht ausgereicht. Der Anteil der Entwicklungsländer an der Industrieproduktion aller kapitalistischen Länder ist von 1953 bis 1963 nur von 8 auf 11 Prozent gestiegen. Die Industrieproduktion je Einwohner h a t sich infolge des raschen Bevölkerungswachstums nur wenig schneller vergrößert als in den Industrieländern, der absolute Abstand ist wegen des dort viel höheren Niveaus sogar beträchtlich angewachsen. Zugleich ist die wirtschaftliche Lage der Entwicklungsländer dadurch gekennzeichnet, daß sich die Länder, die wegen ihrer Bedeutung als Bastionen imperialistischer Politik vom internationalen Monopolkapital besonders unterstützt werden, relativ rasch entwickeln, während vor allem die volkreichsten ökonomisch noch schwachen Länder stagnieren: I n Taiwan ist die Industrieproduktion von i960 bis 1964 u m fast 75 Prozent gestiegen und h a t dazu beigetragen, daß 1964 erstmalig ein E x p o r t überschuß erzielt wurde. Das „Bruttosozialprodukt" Israels erhöhte sich 1964 real u m 11 Prozent, darunter die Bruttoinvestitionen — deren Anteil auf 29 Prozent angewachsen ist — um 16 Prozent; die Industrieproduktion vergrößerte sich in den ersten drei Quartalen des Jahres gegenüber der gleichen Vorjahreszeit u m 14 Prozent. Auch Hongkong — einer der letzten Außenposten des britischen Imperialismus in Asien — entwickelt sich wirtschaftlich relativ schnell. Der Eigenexport Hongkongs ist 1964 gegenüber 1963 u m 16 Prozent, gegenüber i960 u m 54 Prozent gestiegen. Lateinamerika wird immer tiefer in den Strudel der Inflation gerissen. Die mehrfachen Stabilisierungs- und Sanierungsprogramme haben keinen Erfolg gehabt, weil sie stets nur einige Oberflächenerscheinungen korrigieren wollten, s t a t t die längst überfälligen sozialen Reformen in Angriff zu nehmen. Das Ausmaß der Inflation läßt sich an folgenden Angaben ablesen :6 Lebenshaltungskosten Anfang 1965 (1958 =

Brasilien Argentinien Uruguay Chile

100)

Geldumlauf Dezember 1964 (1958 =

100)

Währungskurse 1 US-Dollar = Einheiten Landeswährung 1958

Anf.

1965

1730

1470

138

1850

685

384

18

55°

462

173

550

460

13.2 1.5

28,3

3.4

I n Argentinien wurde der Peso zum dritten Mal seit 1958 abgewertet. Der vorgesehene Fünf jahresplan f ü r die J a h r e 1966 bis 1970 ist auf weiterer ausländischer Kapitalhilfe aufgebaut. Die Schulden Argentiniens belaufen sich gegenwärtig auf 3,1 Milliarden Dollar. Fast 700 Millionen Dollar werden 1965 fällig, weitere 510 Millionen Dollar im nächsten J a h r . Die argentinischen Währungsreserven sind bis zum April 1965 auf 100 Millionen Dollar zusammengeschmolzen. Die Folgen der Inflation für die wirtschaftliche Entwicklung zeigen sich in Brasilien besonders deutlich (reale Veränderung des „Bruttosozialprodukts" jeweils gegenüber dem Vorjahr in Prozent): 1961 1962

+ 7.7 + 3,7

1963

+ 2

1964

-3

Die Lebenshaltungskosten sind in Brasilien vom I . Q u a r t a l 1964 bis zum I . Q u a r t a l 1965 u m fast 20 Prozent gestiegen. Als Folge eines neuen Mietzinsgesetzes haben sich die Mieten in dieser Zeit sogar u m 79 Prozent erhöht. 6

„ F r a n k f u r t e r Allgemeine Zeitung", Nr. 100 vom 1. 5. 1965.

Die W i r t s c h a f t der kapitalistischen L ä n d e r i m J a h r e 1964

283

Die wirtschaftliche S i t u a t i o n in den E n t w i c k l u n g s l ä n d e r n Asiens ist von der U N Wirtschaftskommission f ü r Asien u n d den Fernen Osten dahingehend charakterisiert worden, d a ß die Steigerung der P r o d u k t i o n in den k o m m e n d e n 15 J a h r e n von d e m zu e r w a r t e n d e n Bevölkerungszuwachs ausgeglichen werden wird. I n d i e n ist in einer besonders schwierigen wirtschaftlichen Lage. D a s ernsteste P r o b l e m ist die Versorgung der Bevölkerung m i t den notwendigsten N a h r u n g s m i t t e l n . Das Nationaleinkomm e n je Einwohner stagniert. Die i m gegenwärtigen indischen Fünf jahresplan genannt e n Ziele können bei weitem nicht erreicht werden, w ä h r e n d die Bevölkerung jährlich u m 2,5 Prozent z u n i m m t . Zu alledem k o m m t eine inflationistische A u f b l ä h u n g des Geldumlaufs, die zu einem ständigen Ansteigen der Preise f ü h r t . Auch Indonesien sieht sich erheblichen ökonomischen Schwierigkeiten gegenüber. Die Lebenshaltungskosten in D j a k a r t a u n d U m g e b u n g sind v o n Dezember 1963 bis Dezember 1964 auf d a s Zweieinhalbfache gestiegen. Die g e d r ü c k t e Lage der E n t w i c k l u n g s l ä n d e r wird auch a n der Bewegung ihres Außenhandels deutlich (Tabelle 9). E i n e r noch einigermaßen sich verbessernden Tabelle g Außenhandel der größten Entwicklungsländer (Export u n d I m p o r t sowie Außenhandelssalden in Millionen Dollar; u n t e r dem N a m e n der L ä n d e r die Bevölkerung 1963 in Millionen) i960 Indien (461) Indonesien (100) Pakistan (99) Brasilien (76) Nigeria (56)

Export Import Saldo Export Import Saldo Export Import Saldo Export Import Saldo Export Import Saldo

1961

1962

1963 1964 1963 (Januar— Juni) ( J a n u a r — J u n i )

1367 1429 1447 1665 2329 2299 2254 2402 — 962 - 8 7 0 - 8 0 7 - 7 3 7 840 784 678 697 647 510 574 794 + 266 — 10 + 31 + 187 400 416 393 397 642 889 738 654 — 261 — 242 - 3 4 1 - 4 7 3 1269 H ° 3 1 2 1 4 1406 1462 1460 1475 1487 -193 - 5 7 — 261 - 8 1 481 472 475 517 604 568 623 568 -129 -142 -96 -51

774 1246 -472 326 217 + 109 209 406 -197

848 1125 -277

567 675 -108 261 267 -6

653 603 + 5° 301 327 -26

324 182 447 -265

Quelle: „ M o n t h l y Bulletin of Statistics " ( U n i t e d Nations), New York, April 1965. Situation in I n d i e n stehen S t a g n a t i o n oder gar — wie in Indonesien — R ü c k g a n g d e s E x p o r t s gegenüber. Von i960 bis 1964 h a t sich der E x p o r t aller E n t w i c k l u n g s l ä n d e r u m 26 P r o z e n t erhöht. Die kapitalistischen I n d u s t r i e l ä n d e r k o n n t e n ihn in dieser Zeit jedoch u m 37 P r o z e n t steigern. Der Anteil der E n t w i c k l u n g s l ä n d e r a m k a p i t a listischen W e l t e x p o r t ist allein von i960 bis 1964 v o n 24,0 auf 22,4 P r o z e n t abgesunken. *

*

*

Die E n t w i c k l u n g der letzten J a h r e läßt, wenn m a n die W i r k u n g der verschiedenen F a k t o r e n berücksichtigt, die Prognose zu, d a ß sich die G r u n d t e n d e n z der k a p i t a l i stischen W i r t s c h a f t — a n h a l t e n d e K o n j u n k t u r — i n n e r h a l b des laufenden J a h r e s n i c h t ä n d e r n wird. D a b e i wird jedoch wie bisher die Situation in den einzelnen L ä n dern recht unterschiedlich sein. E s h a t den Anschein, d a ß v o n den Krisen- b z w .

284

ERNST

LÜDEMANN

Stagnationserscheinungen in Italien, Frankreich, Großbritannien und Japan keine wesentlichen negativen Wirkungen auf den Verlauf der kapitalistischen Weltkonjunktur ausgehen. Das Tempo der Ausdehnung der Wirtschaftstätigkeit in den USA hat sich in den ersten Monaten des Jahres 1965 noch nicht vermindert. Im März war die Industrieproduktion 8,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Für die EWG-Länder erwartet die EWG-Kommission 1965 eine Zunahme des „Bruttosozialprodukts" um real 4 Prozent (1964: 5,5 Prozent) und der Industrieproduktion um etwa 5 Prozent (1964: 6,5 Prozent). Die weitere Entwicklung der britischen Wirtschaft wird vor allem von der Ausdehnung des Exports abhängen, um das Zahlungsbilanzdefizit zu vermindern und die Stabilität der Währung zu sichern. Immerhin wird für 1965 mit einem gesamtwirtschaftlichen Zuwachs von real etwa 3 Prozent gerechnet. Auch in den anderen kapitalistischen Industrieländern wird die Konjunktur bei möglichen Veränderungen in einzelnen Bereichen insgesamt anhalten. Die kapitalistische Weltwirtschaft bietet seit einigen Jahren das Bild einer relativ kontinuierlichen Ausdehnung. Hier wirken die „normalen", den Verlauf des Zyklus bestimmenden Faktoren mit den sich ausbreitenden staatsmonopolistischen Regulierungsmaßnahmen zusammen, die den Verlauf des Zyklus zunehmend stärker beeinflussen. Die herrschenden K r ä f t e des Imperialismus sind sich aber auch bewußt geworden, daß sie sich in einem ökonomischen Wettkampf mit dem Sozialismus befinden. Auch dieser Faktor darf bei einer Analyse der gegenwärtigen Situation und voraussichtlichen weiteren Entwicklung des Kapitalismus nicht außer acht gelassen werden. ERNST LÜDEMANN

BUCHBESPRECHUNGEN GERNOT GUTMANN: „Theorie und Praxis der monetären Planung in der Zentralverwaltungswirtschaft". G u s t a v Fischer Verlag, S t u t t g a r t 1965; 259 Seiten. Die zunehmende F l u t v o n seriös a u f g e m a c h t e n P u b l i k a t i o n e n in Westdeutschland, die sich m i t der sozialistischen P l a n w i r t s c h a f t , ihren theoretischen und praktischen Problemen beschäftigen, könnte leicht den E i n d r u c k erwecken, d a ß sich das V e r halten der bürgerlichen W i r t s c h a f t s w i s s e n s c h a f t z u m P h ä n o m e n Sozialismus und sozialistische Wirtschaftsweise gewandelt habe.. I m Gegensatz zu den ökonomischen T r a k t a t e n v o r 30, 40 und mehr Jahren, in denen m i t feurigem E i f e r und advokatischer R e d e g e w a n d t h e i t die Unmöglichkeit einer W i r t s c h a f t s r e c h n u n g und d a m i t a u c h die Unmöglichkeit eines rationellen W i r t s c h a f t e n s i m Sozialismus postuliert und daraus die L e b e n s u n f ä h i g k e i t des Sozialismus abgeleitet wurde, ist m a n gegenwärtig gezwungen, den A n s a t z p u n k t f ü r die A n g r i f f e gegen den Sozialismus zu ändern. Die L e b e n s f ä h i g k e i t des Sozialismus k a n n nicht mehr bestritten werden, n a c h d e m der Sozialismus als Gesellschaftsordnung schon f a s t 50 Jahre besteht, sich nach d e m 2. W e l t k r i e g zu einem W e l t s y s t e m entwickelt h a t und i m m e r mehr z u m bestimmenden F a k t o r der E n t w i c k l u n g in der W e l t wurde. D e r Sozialismus ist zu gegenwärtig, sowohl politisch als a u c h ökonomisch, als d a ß er ignoriert werden könnte. M a n n i m m t also die E x i s t e n z des Sozialismus als gegeben hin und v e r s u c h t dann unter der L o s u n g eines „Vergleichs v o n W i r t s c h a f t s o r d n u n g e n " den Sozialismus v o r den W e r k t ä t i g e n in Mißkredit zu bringen. D a s Ziel der bürgerlichen A p o l o g e t e n ist es, drei Vorurteile zu w e c k e n resp. zu erhalten. E r s t e n s : im Sozialismus wird die P r o d u k t i o n im Interesse einer b e s t i m m t e n Gruppe v o n F u n k t i o n ä r e n d u r c h g e f ü h r t ; zweitens: die P r o d u k t i o n ist im Sozialismus v o n vornherein unrationell und drittens : die „ M a r k t w i r t s c h a f t " ist die rationellste Wirtschaftsweise. Genau diesen drei Zielen dient auch die obige S c h r i f t v o n G. G u t m a n n . V o n seinem wissenschaftlichen G e h a l t her w ü r d e sich eine Rezension dieser S c h r i f t in unserer Zeitschrift k a u m lohnen. W a s hier a n Theorie — selbst v o m bürgerlichen S t a n d p u n k t aus — geboten wird, ist schon längst v o r i h m und z u m T e i l besser dargestellt worden. D i e Darstellung der P r a x i s , der planmäßigen G e s t a l t u n g der Geldbeziehungen in der D D R , beschränkt sich auf die W i e d e r g a b e solcher Stellen aus gesetzlichen B e s t i m m u n g e n und Publikationen marxistischer Ökonomen, die es i h m gestatten, einen Gegensatz zwischen den v o n i h m theoretisch gesetzten Prämissen und der v o n i h m beschriebenen „ P r a x i s " zu konstruieren. So erweist sich das hochtrabende Versprechen, die „ T h e o r i e und die P r a x i s der monetären P l a n u n g " darzustellen, als nichts anderes als der Versuch, hinter d e m Schild angeblicher Wissenschaftlichkeit dem wachsenden E i n f l u ß des Sozialismus und speziell der D D R auf die W e r k t ä t i g e n Westdeutschlands entgegenzutreten. Die Besprechung des B u c h e s v o n G u t m a n n soll unsere Leser m i t einigen T r i c k s v e r t r a u t machen, m i t denen die bürgerliche A p o l o g e t i k gegenwärtig ihren A n g r i f f gegen den Sozialismus und die D D R führt. G u t m a n n w e n d e t folgendes T r i c k s y s t e m an. E r stellt sich angeblich auf die Position der P l a n w i r t s c h a f t und v e r s u c h t hiervon ausgehend, ein logisches Modell einer funktionierenden P l a n w i r t s c h a f t aufzustellen. Hieraus leitet er dann ab, wie die Beziehungen der Menschen zueinander gestaltet sein müssen und vergleicht dann das Modell und die Wirtschaftsorganisation m i t der bestehenden Praxis. T r e t e n dann Widersprüche zwischen Modell und P r a x i s auf.

286

Buchbesprechungen

ist es einfach, das Unrationelle der Praxis nachzuweisen, ohne auch nur einen einzigen A n s a t z zu machen, die E n t w i c k l u n g der W i r t s c h a f t selbst zu untersuchen. Sehen wir uns das im Einzelnen an. Gutmann legt seinen Untersuchungen das ,,Henseische System der Wirtschaftsrechnung" zugrunde, weil, wie er sagt, „dieses das einzige theoretische konsequent durchdachte System der Wirtschaftsrechnung bei zentraler L e n k u n g unter allen Versuchen dieser A r t i s t " . 1 Diese hochtrabende Glorifizierung seines Lehrers — der praktisch nichts anderes tat, als auf Grund der von Ökonometrikern ausgearbeiteten Gleichgewichtsbedingungen einer Volkswirtschaft ein System naturaler Pläne auszuarbeiten, das er als Voraussetzung funktionierender Planwirtschaft deklarierte — befreit Gutmann von der Notwendigkeit, sich selbst mit der Problematik einer gleichgewichtigen Volkswirtschaft auseinanderzusetzen, die auch modelltheoretisch bei weitem noch nicht gelöst ist, weil sie das Problem der D y n a m i k noch nicht zu fassen vermag. Gutmann stellt sich nun z u m Ziel, ausgehend und aufbauend auf den v o n Hensel entwickelten naturalen Plänen, die „geldwirtschaftliche Planung im System zentraler Lenkung des ökonomischen Gesamtprozesses" zu analysieren. Dabei nimmt zwangsläufig das Problem der Preise und ihrer Funktionen in der Planwirtschaft eine zentrale Stellung ein. B e v o r jedoch Gutmann auf die Frage, weshalb bei einer natural durchgeplanten Volkswirtschaft Geldrechnung und damit Preise überhaupt notwendig sind, eingeht, stellt er kurz das „güterwirtschaftliche Planungssystem nach Hensel" dar. Dieses System, das nichts weiter darstellt als die Lösung einer Zielfunktion mit Haupt- und Nebenbedingungen, soll folgenden Gedankenreflex auslösen. Die Schaffung eines volkswirtschaftlichen Gleichgewichts setzt die Lösung eines komplizierten Gleichungssystems mit vielen Haupt- und Nebenbedingungen voraus. Dazu sind zwei Voraussetzungen notwendig: a) das Gleichungssystem muß alle Güter und Produktionsbedingungen erfassen; b) dieses Gleichungssystem ist nur lösbar, wenn es auf die Maximierung eines vorgegebenen Ziels gerichtet ist. E s m u ß somit einen Träger dieses Ziels geben respektive ein Subjekt, das das Ziel vorgibt. Der Träger dieses Ziels kann nach Vorstellung von Gutmann nur die „politische F ü h r u n g " sein. D a s Ziel wäre, ein „ N u t z e n s m a x i m u m " für die politische Führung zu sichern, das durch die außenwirtschaftlichen Ziele der politischen Führung bestimmt wird. Gutmann schreibt: „ D i e Hauptvoraussetzung der Theorie der güterwirtschaftlichen Planung liegt in der Annahme einer vollständig naturalen Durchplanung des Gesamtprozesses. Hiernach müßten in der zentralen Planungsbehörde so viele naturale Planbilanzen ausgearbeitet werden, wie es Güterarten gibt. Diese Bedingung der Nutzenmaximierung ist in der mitteldeutschen Wirtschaftsordnung nicht erfüllt und auch nicht erfüllbar." 2 Zum zweiten P u n k t schreibt G u t m a n n : „ W e i l in diesem Lenkungssystem das gesamte wirtschaftliche und d a m i t auch das außerwirtschaftliche Geschehen zentral gesteuert wird, bedarf es einer umfassenden Lenkungsorganisation, die sowohl den wirtschaftlichen wie auch den außenwirtschaftlichen Bereich überdeckt . . . H a t die politische Führung ihre außenwirtschaftlichen Ziele nach A r t und U m f a n g vorläufig festgelegt und ihrer Wichtigkeit entsprechend geordnet, dann haben diese Planungsinstanzen die Aufgabe, den sich aus diesen Zielen ergebenden Bedarf an Gütern erster Ordnung festzustellen." 3 Liegen die Ziele fest, ist die weitere Planung nur noch ein Rechenproblem. D a aber die Pläne in den „Einzelwirtschaften, also in den vielen Betrieben aller Wirtschaftszweige sowie in den öffentlichen Haushaltungen und — soweit es den individuellen K o n s u m von Gütern des täglichen Bedarfs durch die Staatsbürger b e t r i f f t — schließlich in den privaten Haushaltungen verwirklicht werden (müssen), will die politische Führung ihre diesem Plansystem zugrunde liegenden auß.erwirtschaftlichen Ziele realisieren", müssen die an „ H a n d solcher aus 1 2 3

(Alle Seitenangaben beziehen sich auf das rezensierte Buch) S. 3. S. 8. S. 14.

Buchbesprechungen

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den zentralen Plänen heraus abgeleiteten Plananweisungen . . . für die Einzelwirtschaften den Charakter von Befehlen haben". 4 So entwickelt Gutmann Schritt für Schritt, ausgehend von abstrakt gesetzten Prämissen, für die sozialistische Planwirtschaft eine Ordnung, die dazu dient, die Ziele einer imaginären politischen Führung durchzusetzen, zu dem die einzelnen Glieder der Gesellschaft unter Befehlszwang beizutragen haben. Bis hierher läßt Gutmann noch ein rationelles Wirtschaften als Möglichkeit gelten, auch wenn er das Planungssystem als moralisch verwerflich ansieht. Es sei möglich, daß das „System zentraler Pläne ein Nutzenmaximum in dem Sinn enthält, daß auch ein Gütermaximum gewährleistet wird". 5 Einen solchen Schluß kann Gutmann ohne Gefahr für seinen Zweck ziehen. Mehr noch, er verleiht ihm den Schein von Objektivität und Wissenschaftlichkeit, ohne ihm die Hände zu binden, für die „Wirklichkeit der Planwirtschaft" diese Möglichkeit entschieden zu vermeiden. Was bisher entwickelt wurde, ist „reine Theorie" und keine „Beschreibung der Wirklichkeit", ist ein „gedankliches Instrumentarium für Zwecke der Analyse konkreter Wirtschaftsordnungen". 6 Die Wirklichkeit sieht anders aus. Schon die „Hauptvoraussetzung . . . güterwirtschaftlicher Planung", die „vollständig naturale Durchplanung des Gesamtprozesses", diese „Bedingung der Nutzenmaximierung ist in der mitteldeutschen Wirtschaftsordnung nicht erfüllt und auch nicht erfüllbar". 7 Warum sie nicht erfüllbar ist, darauf gibt uns Gutmann keine Erklärung. W i r können uns das Dilemma, in dem sich Gutmann an dieser Stelle befand, sehr gut vorstellen. Wäre sie erfüllbar, nur noch nicht erfüllt, so wäre es nur eine Frage der Zeit, wann sie erfüllt ist. Sein Anliegen würde damit zusammenbrechen. E r hätte womöglich für uns noch wissenschaftliche Vorarbeit geleistet. Ein schrecklicher Gedanke für ihn. Hätte Gutmann aber logisch die Nicbterfüllbarkeit der „Bedingung für die Nutzenmaximierung" nachgewiesen, dann hätte er seinen ganzen theoretischen Ausgangspunkt ad absurdum geführt. Also läßt er ,es bei der Behauptung und tut im weiteren Verlauf der Darstellung so, als hätte er sie bewiesen. Nun hat Gutmann den Versuch unternommen, auch einen eigenen „ B e i t r a g " zur Theorie der Planwirtschaft beizusteuern, indem er das Henselsche System der Naturalpläne durch ein System der Geldrechnung ersetzt. Auch hier bleibt er seiner und seines Meisters Methode treu: abstrakt zu bestimmen, was sein müßte und nicht ist, dann nachzuweisen, daß das was ist, nicht mit dem übereinstimmt, was sein müßte, woraus dann folgt, daß das was ist, schlecht sei und nicht existieren dürfte. E r hat es aber etwas schwieriger als sein Lehrer. Das Henselsche System der Naturalpläne bedarf keiner Geldrechnung und damit auch keiner Preise. Die Güter und Produktionsfaktoren werden im Naturalausdruck ins System eingesetzt und der Aufwand an Arbeit in Zeiteinheiten ermittelt, wobei eine „Normalarbeitsstunde" als rechnerische Basiseinheit gewählt wurde. Alles geht auf ohne Dazwischenkunft von Geld. Nun gibt es aber in den sozialistischen Ländern Geld, Geldrechnung, Preise, Kredite, Gewinne und Gewinnrechnung usw. Man könnte, ausgehend von Hensel, die ganze Geldrechnung im System der Planwirtschaft als Unsinnigkeit abtun, als Inkonsequenz beim Aufbau einer Planwirtschaft oder als Unfähigkeit, die Wirtschaft planmäßig zu organisieren. Gutmann geht einen anderen Weg und sichert sich damit einen eigenen Forschungsgegenstand. E r sucht nach einer Lücke im Henselschen System, in die er die Geldrechnung hineinstellen könnte. So antwortet er auf die sich selbst gestellte Frage nach dem „Zweck der Geldrechnung": 4 5 6 7

S. S. S. S.

95ig, vgl. auch S. 23. 24.

8.

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Buchbesprechungen „ F ü r die güterwirtschaftliche Planung der Produktion sind Geldpreise entbehrlich. Die Knappheiten der Güter werden vermittels der naturalen Plansalden sichtbar gemacht. Die Verwendungsentscheidungen über alle Güter werden an Hand der unmittelbar erkennbaren gesamtwirtschaftlichen Knappheiten der Güter getroffen, über die anzuwendenden Produktionsverfahren wird ebenfalls an Hand von Nutzenüberlegungen und naturalen Rechnungen entschieden, und die zentralen Einzelpläne können ohne allgemeine Recheneinheit koordiniert werden. Alle diese Aufgaben der Planung des Prozesses, die im System dezentraler Lenkung ohne die Hilfe von Geldpreisen überhaupt nicht zu bewältigen wären, sind bereits gelöst, noch ehe die Geldpreise überhaupt gebildet werden." 8

Wenn alle Prozesse im Planungssystem ohne Geldpreise bis ins einzelne vorgeschrieben sind, weshalb braucht man dann überhaupt noch Preise. Nun vollführt Gutmann einen nicht ganz gelungenen Salto mortale. „Da die Geldrechnung bei vollständig zentraler Planung des Wirtschaftsprozesses nur für die Phase der Planverwirklichung und deren organisatorische Vorbereitung Bedeutung hat (wieso ? — W. S.), können die Geldpreise ihren Sinn und ihre Aufgaben auch nur von dort her erhalten. Das zentrale Problem der Planverwirklichung ist das Leistungsproblem, von dessen guter oder schlechter Lösung es abhängt, ob die Planziele der politischen Führung verwirklicht werden können oder nicht. Die Geldpreise sind demnach dann ökonomisch richtig gesetzt, wenn sie dazu beitragen, das Leistungsproblem möglichst umfassend zu lösen." 9 Nun ist Gutmann in seinem Element. Jetzt kann er sein Idealmodell der Gleichgewichts- und Knappheitspreise, der Geld-, Kredit- und Haushaltsbilanzen, der Bilanzen der Geldeinnahmen und -ausgaben der Betriebe und der Bevölkerung u. a. entwickeln. Jetzt hat er sich den Ausgangspunkt gesichert, wo er über Hensel hinausgehend sagen kann: „Aus all dem ergibt sich: Das Problem der Nutzenmaximierung ist im System der Wirtschaftsrechnung Mitteldeutschlands auch nicht annähernd zureichend gelöst. Es wird kein formal und material gleichgewichtiges System von zentralen Plänen ausgearbeitet. Dem ersten Aspekt des wirtschaftlichen Prinzips wird daher nicht genüge getan; es kommt schon planmäßig nicht zu einem Nutzenmaximum. Die bestehenden Formen der Leistungskontrolle und des Leistungsanreizes reichen nicht aus, um das Leistungsproblem befriedigend zu lösen. Es wird also auch dem zweiten Aspekt des wirtschaftlichen Prinzips nicht genügt. Sowohl bei der Planung des Prozesses als auch bei der Planverwirklichung sind kleine und große Disproportionen im Gesamtprozeß an der Tagesordnung." 10 Gutmann hätte sich 200 Seiten seiner Schrift sparen können, um eine solche Feststellung zu treffen. Dazu bedurfte es nur zweier Beweise: 1. Daß die Planwirtschaft nur dann in der Lage ist, ein rationelles System des Wirtschaftens zu organisieren, wenn der gesamte Reproduktionsprozeß bis ins kleinste Detail, d. h. bis zum einzelnen Produkt, seinem Herstellungsverfahren, seinen Produktionselementen zeitlich und mengenmäßig genau bestimmt, geplant wird, und 2. daß eine solche Planung des Reproduktionsprozesses praktisch nicht zu verwirklichen ist. Beide Beweise werden nicht erbracht, stattdessen wird ein Modell der Geldrechnung entwickelt, das kurz gesagt auf folgendes hinausläuft: Soll bei einem natural voll8 9 10

S. 31/32. S. 32. S. 242.

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ständig durchgeplanten Wirtschaftsprozeß, wofür, wie gesagt, keine Preise und keine Geldrechnung notwendig sind, die Bewegung der Güter durch das Geld vermittelt werden, dann müssen die Preise so gebildet sein, daß sie „auszudrücken vermögen, welchen Wert die verschiedenen Güter für die Verwirklichung der zentralen Planabsichten haben. J e genauer die Preise die Bewertungen der politischen Führung widerspiegeln, um so besser kann das Leistungsproblem gelöst werden." Hat man nun solche Preise gebildet, dann kommt es darauf an, die Geldeinkommen so zu gestalten, daß auch nur das gekauft werden kann, „was im Interesse der politischen Führung" liegt. Dazu werden Bilanzen der Geldeinkommen und -ausgaben aufgestellt, ein System von Steuern usw. entwickelt, wodurch dann am Ende die Güterströme so verlaufen, wie sie in den Naturalplänen konzipiert wurden. Es fragt sich aber, wozu dieser komplizierte Mechanismus notwendig ist. Wozu den indirekten Weg der Planverwirklichung gehen, wenn sich der direkte, im Plan festgelegte Weg anbietet. Das Leistungsproblem ist, wenn der Reproduktionsprozeß voll „durchgeplant" ist, ohne Geldrechnung durchaus lösbar. Wenn die Preisbildung, Geldrechnung und Geldbewegung nichts anderes bewirken sollen, als die bis ins einzelne vorgegebenen Plandaten zu verwirklichen, warum knüpft man dann nicht die Leistungskontrolle, was ja am nächsten liegt, gleich an diese Plandaten an. Gutmann schreibt doch selbst, daß „es charakteristisch für das Wirtschaftssystem (ist), daß sich die Kontrolle richtet und richten muß auf die Planerfüllung, auf die Erfüllung der dem Betrieb auferlegten Pläne also". 1 1 Wenn, und das ist die Konsequenz, für die Aufstellung der Pläne keine Geldrechnung notwendig ist, ist sie auch nicht für die Planverwirklichung, die Leistungskontrolle usw. notwendig. Die Geldrechnung hätte sich Gutmann durchaus schenken können, es sei denn, er hätte sich ehrlich vorgenommen, aus den ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen der sozialistischen Länder, aus den Eigentumsverhältnissen, dem Stand der Produktivkräfte, der Bewußtseinsentwicklung der Menschen, aus dem Zusammenhang von gesellschaftlichem und persönlichem Interesse, aus den für die Entwicklung der Wirtschaft im Sozialismus maßgebenden Triebkräfte ein wirkliches Bild der sozialistischen Planwirtschaft mit ihren Vorzügen und mit ihren Schwierigkeiten zu zeichnen. Aber ein solches Anliegen hatte Gutmann nicht. Was er will, sagt er in der schon auf Seite 12 seiner Arbeit vorweggenommenen und die ganze Schrift durchziehenden Schlußfolgerung: „ D a also bereits die naturale Planung der theoretisch optimalen Lösung nur grob angenähert ist und sein kann, muß auch die geldwirtschaftliche Planung entsprechend unvollkommen sein. Hieraus folgt, daß der Hauptzweck der Geldwirtschaft in diesem Lenkungssystem, nämlich die Begründung der monetären Leistungskontrollen, nur einen entsprechend geringeren Wirkungsgrad haben kann, als dies bei einem anderen Ordnungsgefüge, z. B . bei Privateigentum, der Fall ist." 1 2 Nun haben wir es. Der Sozialismus kann die aus seinem „Ordnungsgefüge" resultierenden Aufgaben der naturalen und geldwirtschaftlichen Planung nicht lösen, deshalb muß er zwangsläufig unrationell wirtschaften. Ein „Ordnungsgefüge", dem Privateigentum zugrunde liegt, entwickelt ein Lenkungssystem auf der Grundlage einer monetären Leistungskontrolle, das einen hohen Wirkungsgrad, jedenfalls einen höheren als der Sozialismus, besitzt. Wer gegen das Privateigentum auftritt, handelt demnach unökonomisch. Die Monopolherren an Rhein und Ruhr, in Höchst, Ludwigshafen und Leverkusen und wo sie alle sitzen, sind Gutmann zu Dank verpflichtet. E s konnte nicht Aufgabe des Rezensenten sein, den Hensel-Gutmannschen Idealmodellen die wirkliche, sehr komplizierte Problematik einer Planwirtschaft auf der 11 12

S. 10. S. 12.

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Basis einer sozialistischen Warenproduktion gegenüberzustellen. Gutmanns Schrift fordert nicht zum Meinungsstreit über Planungsprobleme, sondern zur A b w e h r ideologischer Angriffe gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung in der D D R heraus.

WILHELM SCHMIDT

M . ERNST KAMP, DIETER SMOLINSKI, H.-JOCHEN WILD : Untersuchungen zur endo-

genen Prozeßsystematik der marktwirtschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert. G u s t a v Fischer Verlag, S t u t t g a r t 1964. Vorliegende Arbeit befaßt sich mit einigen Fragen der zyklischen Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft. Die Verfasser beginnen ihre Darlegungen mit einer Übersicht über die wichtigsten Entwicklungsetappen der bürgerlichen Konjunkturtheorie. N a c h ihrer Ansicht konnte S a y ' s Theorie der Absatzwege und die aus ihr abgeleitete These v o n der prinzipiellen Unmöglichkeit einer allgemeinen Überproduktionskrise angesichts der periodisch wiederkehrenden Krisen auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden und mußte durch eine „wirklichkeitsnähere" Konjunkturerklärung ersetzt werden. Juglar, der angeblich den Begriff des „ K o n j u n k t u r z y k l u s " in die Wirtschaftstheorie eingeführt h a t und als großer Initiator der empirischen K o n j u n k turforschung anzusehen ist, Spiethoff, Schumpeter und eine Reihe weiterer bürgerlicher Ökonomen hätten dann auch Wesentliches zur Erklärung der K o n j u n k t u r beigetragen. Besonders nachhaltig sei der E i n f l u ß der großen Weltwirtschaftskrise auf die bürgerliche Konjunkturtheorie gewesen, vor allem, weil sie die Ansicht von der Zwangsläufigkeit der zyklischen E n t w i c k l u n g widerlegt habe. I m einzelnen werden die wichtigsten neueren stochastischen und systemmechanistischen bürgerlichen Konjunkturtheorien kurz skizziert, so die v o n W . C. Mitchell, R . Frisch, E . Slutzky, G. H. Fischer, Wilhelm Krelle sowie die Oszillationsmodelle von P. A . Samuelson, L . A . Metzler, J. R . Hicks und R . M. Goodwin. Dabei wird einerseits deutlich, daß es in der bürgerlichen Ökonomie bis heute keine einheitliche, wissenschaftliche Erklärung der zyklischen B e w e g u n g des gesamtwirtschaftlichen Reproduktionsprozesses im Kapitalismus gibt, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansichten und daß andererseits v o n den Verfassern die marxistische Theorie geleugnet wird. In .der ganzen Arbeit findet sich jedenfalls kein näherer Hinweis auf die Ansichten von Marx. Zu den wichtigsten bürgerlichen Konjunkturtheorien gehören: die „ m o n e t ä r e " Konjunkturtheorie, die den Z y k l u s auf Veränderungen des Giralgeldvolumens zurückf ü h r t ; die „Erneuerungstheorie", die die zyklische Bewegung aus der Entwicklung und dem E i n f l u ß der Erfindungen erklärt; die „psychologische" Theorie, nach der sich Unternehmer und Verbraucher wechselseitig mit optimistischen und pessimistischen Erwartungen anstecken; die „Unterkonsumtions"- und „Überinvestitionstheorie" sowie die „Sonnenflecken-Ernte-Wettertheorie". Die bürgerlichen Ökonomen fassen diese verschiedenen Theorien, die selbst teilweise sehr komplexer Natur sind, zu Gruppen zusammen, z. B . zur Gruppe der in erster Linie exogenen oder der vornehmlich endogenen Theorien. Nach den exogenen Theorien wird die konjunkturelle E n t w i c k l u n g in der Hauptsache v o n Faktoren bestimmt, die außerhalb des Wirtschaftssystems liegen, während die endogenen Theorien die zyklische B e w e g u n g der W i r t s c h a f t v o r allem auf innerhalb des Systems wirkende Faktoren zurückführen. K a m p und seine Mitautoren befassen sich sehr eingehend mit dem Problem der exogenen und endogenen Faktoren, betonen aber schließlich, daß beide Faktorenarten auf den zyklischen Ablauf der W i r t s c h a f t einwirken. A u c h in der hier zu besprechenden A r b e i t wird deutlich, daß viele bürgerliche Konjunkturtheorien wichtige Seiten der wirtschaftlichen E n t w i c k l u n g erfassen; keine von ihnen aber eine umfassende wissenschaftliche D e u t u n g des kapitalistischen Reproduktionsprozesses zu geben vermag. Obwohl die bürgerlichen K o n j u n k t u r theorien sehr widersprüchlich sind und es, wie K a m p u. a. völlig zu R e c h t bemerken, noch große und harte Reibungsflächen zwischen den differierenden Ansichten gibt, kann vermerkt werden, daß die bürgerlichen Ökonomen nicht in der Krise, sondern i m Gleichgewicht bzw. in der K o n j u n k t u r allgemein das zentrale Problem sehen.

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Das gilt auch für die vorliegende Arbeit. Bis zur großen Weltwirtschaftskrise wurde die Krise sogar als theoretisches Randproblem betrachtet, und alle Untersuchungen gingen vom Gleichgewicht aus, das als Normalzustand, die Krise dagegen als Abnormität bzw. als Gleichgewichtsstörung betrachtet wurde. Auch wenn heute die Krise oder die periodischen Schwankungen der Wirtschaft nicht geleugnet werden, steht das Gleichgewicht nach wie vor im Mittelpunkt der theoretischen Überlegungen. Die Krise ist aber keine Gleichgewichtsstörung, sondern beseitigt die während des Reproduktionsprozesses entstandenen Disproportionen und stellt für kurze Zeit das Gleichgewicht wieder her. Für die Autoren des vorliegenden Buches allerdings existiert dieses Problem nicht, wie u. a. schon ihre Aufgabenstellung beweist. Unter Hinweis auf die einander stark widersprechenden bürgerlichen Konjunkturtheorien geben sie vor, „das Problem des Zusammenwirkens von Struktur und Impulsen nicht primär kausaltheoretisch, sondern empirisch zu untersuchen" (S. 29). Dabei verstehen sie unter „empirisch" nicht eine einseitige „phänomenologische" Betrachtungsweise oder eine bloße optische Auswertung von Kurvenbildern. Man will an Hand des statistischen Tatsachenmaterials über die zeitliche Entwicklung ökonomischer Größen versuchen, „einen Einblick in die Bildungsgesetzlichkeiten und Entwicklungsbewegungen dieser ökonomischen Größen zu gewinnen. Die Untersuchung richtet sich (1) auf den Nachweis der Existenz oder Nichtexistenz einer endogenen Prozeßsystematik und (2) auf ihr mögliches Zusammenwirken mit exogenen zufälligen Gestaltungskräften an Hand mathematisch-statistischer Verfahren" (S. 30). Die Untersuchungen werden also bewußt auf eine spezielle Frage beschränkt und die folgenden Darlegungen beweisen, daß man sich konsequent auf die Lösung dieses einen Problems konzentriert, eines Problems allerdings, das theoretisch von Marx bereits gelöst wurde. Wenn hier trotzdem auf die Untersuchungen von Kamp u. a. eingegangen wird, so deshalb, weil sie typisch dafür sind, in welcher Weise bürgerliche Ökonomen heute das Konjunkturproblem behandeln; ein sehr umfangreiches Zahlenmaterial, und zwar aus der jüngsten Vergangenheit, verarbeitet wird und interessante Überlegungen über die Art und Weise der mathematisch-statistischen Erfassung von Zeitreihen angestellt werden. Die Verfasser wollen zeigen, welche Rolle die exogenen und endogenen Faktoren oder eine Mischung beider in der wirtschaftlichen Entwicklung spielen, da viele bürgerliche Theoretiker die Konjunktur einseitig aus der einen oder anderen Faktorenart erklären. Dabei werden aber nicht nur wesentliche Fragen einfach ausgeklammert, sondern auch eine Reihe von Problemen fehlerhaft dargelegt. Das betrifft u. a. das Verhältnis von „System" und Zufall und die Kausalität. Bei der Untersuchung der Frage, ob der „Bewegungsrhythmus der marktwirtschaftlichen Ablaufprozesse" gesetzmäßiger oder zufälliger Natur ist, stellen die Verfasser Gesetzmäßigkeit und Zufall in unzulässiger Weise einander gegenüber. Nach Ansicht der Autoren gibt die ökonomische Realität zu der Vermutung Anlaß, daß ein streng periodischer, sich selbst reproduzierender Ablaufmechanismus die Entwicklung bestimmt, wie auch, daß die um den langfristigen Wachstumspfad auftretenden Schwankungen durch Zufallsimpulse hervorgerufen werden. Die Skala der Möglichkeiten reicht von der „reinen Funktionalität" der konjunkturellen Entwicklungsschwankungen bis zur reinen Zufälligkeit. Dazwischen liegen Mischformen aus beiden Faktoren. Kamp u. a. stellen nun verschiedene Hypothesen auf, d. h. entwickeln verschiedene Formen der Verbindung von Systematik und Zufall, und testen sie. Man kann nun weder behaupten, daß allein zufällig auftretende Ereignisse die wirtschaftlichen Schwankungen bestimmen, noch daß jene von Kamp u. a. angenommene Form der Verbindung von Gesetzmäßigkeit und Zufall den ökonomischen Prozeß bestimmen. Die zyklische Entwicklung des Kapitalismus ergibt sich unmittelbar aus dem Wesen dieses Wirtschaftssystems; sie ist die diesem System adäquate Form der Entwicklung, objektiv notwendig und nicht zufällig. Notwendig ist alles das, was aus dem Wesen der Dinge hervorgeht und unvermeidlich geschehen muß. Viele bürger-

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liehe Ökonomen glauben nun, daß Notwendigkeit und Zufall einander ausschließen. In Wahrheit offenbart sich die Notwendigkeit in zahllosen Zufällen, und die Wissenschaft muß in dem scheinbaren Chaos der Zufälle die Notwendigkeit und Gesetzmäßigkeit aufdecken. Der Zufall ist eine Erscheinungsform und Ergänzung der Notwendigkeit. Ein und dieselbe Notwendigkeit kann in verschiedenen Zufällen erscheinen, und diejenige Form des Zufalls, in der sie sich durchsetzt, beeinflußt den Verlauf der ökonomischen Entwicklung; günstig oder ungünstig, hemmend oder stimulierend. Der Ablauf des gesamtwirtschaftlichen Reproduktionsprozesses wird durch zahlreiche Zufälle beeinflußt, aber diese Zufälle sind keinesfalls nur systemfremd und exogen, wenngleich es natürlich zahlreiche zufällige Ereignisse gibt, die außerhalb des Wirtschaftssystems liegen, dieses aber in irgendeiner Art beeinflussen. Auch wenn Kamp u. a. die kausale Erklärung der zyklischen Entwicklung nicht zu ihrem Forschungsbereich zählen und damit natürlich die entscheidenden Fragen außer Acht lassen, können sie das Problem der Kausalität nicht ganz umgehen. Dabei zeigt sich eine ungerechtfertigte Identifizierung von Kausalität und Funktionalität. Die Kausalität ist eine Form des gesetzmäßigen Zusammenhanges zwischen Erscheinungen der objektiven Realität. Sie trägt objektiven, vom Willen und Bewußtsein der Menschen unabhängigen Charakter und besagt, daß eine Erscheinung die andere hervorruft. Durch die Bildung der Begriffe „Ursache" und „Wirkung" werden einzelne Seiten des objektiven Prozesses aus dem allgemeinen Zusammenhang der ökonomischen Realität herausgelöst. Für die bürgerliche Ökonomie ist nun typisch, daß sie die Objektivität der Kausalität bestreitet und kausale Beziehungen in Funktionalbeziehungen auflöst, ohne auf die Problematik einer derartigen Handlungsweise hinzuweisen. Das Kausalgesetz wird durch das Gesetz des funktionellen Zusammenhanges ersetzt, d. h. beides wird miteinander identifiziert. Die Funktion spiegelt ebenso wie die Kausalität einen objektiven Zusammenhang wider. Die Identifizierung von Kausalität und Funktionalzusammenhang bedeutet aber, daß das Kausalverhältnis in eine Beziehung zwischen zwei Größen aufgelöst wird, durch die ihr Wesen unvollkommen erfaßt wird. Die Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung können zwar als Funktion dargestellt werden, wobei die Wirkung als Funktion der Ursache anzusehen ist; dabei bleibt aber das Wichtigste an der Kausalität, das Hervorbringen der Wirkung durch die Ursache, unbeachtet. Der Unterschied zwischen Kausalität wird verwischt. Wenn im ersten Teil der Arbeit als zentrale Aufgabe formuliert wurde, empirische Zeitreihen ökonomischer Größen auf die Existenz einer „endogenen Prozeßsystemat i k " hin zu analysieren, so folgt im zweiten Teil die Darlegung des mathematischstatistischen Instrumentarismus zur Durchführung dieser Analyse und im dritten.die empirische Analyse selbst. Die empirische Untersuchung konzentriert sich vor allem auf die Entwicklung einiger Globalgrößen der westdeutschen Wirtschaft in den Jahren von 1951 bis 1962 bzw. für kürzere Zeiträume. Kamp u. a. gehen von der „Erfahrung" aus, daß sich das Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft in Form von Schwankungen vollzieht und sich diese Schwankungen empirisch in den Zeitreihen bestimmter ökonomischer Globalgrößen, z. B. dem Sozialprodukt, sowie in Zeitreihen spezieller Größen, so von Produktion und Verbrauch einzelner Branchen, gut darstellen lasse. Kann man, so argumentieren sie, den Kontraktions- und Expansionsprozeß 1 auf Systemeigenschaften des Wirtschaftssystems zurückführen, so sei zu erwarten, daß die schwankenden Elemente stets die gleichen sind und im gleichen Bewegungsrhythmus schwanken (S. 15). Durch die Zeitreihenanalysen will man angeblich die Gesetzmäßigkeiten erfassen, die zur Bildung einer Zeitreihe geführt haben. Als das zu diesem Zweck am ehesten geeignete Verfahren sehen die Verfasser die Korrelogrammanalyse an. Sie wird deshalb, obwohl es bisher nur wenig Erfahrungen in der Anwendung des Korrelogramms 1

Kamp und seine Mitautoren unterscheiden nicht vier, sondern zwei Phasen der zyklischen Entwicklung, und zwar die eben genannten.

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auf ökonomischem Gebiet gibt und es in den theoretischen Grundlagen und der praktischen Handhabung noch Unvollkommenheiten im Hinblick auf das angestrebte Ziel aufweist, als Identifizierungsmittel der Prozeßstruktur genutzt. Darin besteht ein positives Merkmal der vorliegenden Arbeit, wenngleich natürlich noch näher geprüft werden muß, in welchem Umfang die erreichten Ergebnisse den Anforderungen genügen. Die Ergebnisse der Korrelogrammanalyse werden einem bestimmten Prozeßschema zugeordnet. Die Verfasser benutzen das sog. autoregressive Schema als Bewegungstyp von empirischen Zeitreihen ökonomischer Größen. Dieses Schema erklärt den Bildungsprozeß der empirischen Zeitreihen als Verbindung von einer „Systemkomponente" mit einer „Zufallskomponente", wobei die Zufallsanstöße so in die endogene Prozeßsystematik eingehen, daß sie die weitere Entwicklung mitbestimmen. Der Nachweis der endogenen Prozeßsystematik — darin wird bekanntlich die zentrale Aufgabe der Arbeit gesehen —, erfolgt dann durch die Analyse der Zeitreihen ökonomischer Größen. Dabei werden einige bedeutsame Ausführungen zum Problem der Aggregation bzw. Disaggregation gemacht. Die Verfasser betonen, daß man zwar im Sozialprodukt den entscheidenden Ausdruck des Schwankungsphänomens zu sehen habe, daneben seien aber noch andere Größen „Träger" der Schwankungen. Um diese zu ermitteln und um zu erkennen, auf welcher Ebene die „Schwingungssystematik" auftritt, wird eine Disaggregation der einzelnen Größen, angefangen beim Sozialprodukt, durchgeführt. Auf diese Weise hofft man, bessere Erkenntnisse über die Entwicklung in den einzelnen Bereichen der Wirtschaft (Branchenkonjunktur) zu gewinnen und will feststellen, inwieweit die Branchenentwicklung mit dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum parallel verläuft, oder in welchem Ausmaß sich beide unterscheiden. Das eigentliche Ziel der Analyse müßte nun darin bestehen, die Ursachen für die unterschiedlichen Entwicklungstendenzen zu erforschen. Das allerdings wird nicht getan; man will lediglich bei den verschiedenen Größen die Existenz einer Systembewegung 2 nachweisen. Die Autoren sehen die eigentliche Problemstellung darin, die Wirkung einer Aggregation von Teilgrößen mit unterschiedlichen Schwingungsfrequenzen auf die Eigenschwingung des Aggregats festzustellen, denn die Eigenschwingung der Teilgrößen führt mit ihren verschiedenen Frequenzen bei einer Aggregation zu Überlagerungen, wobei sich der Teil mit seiner Schwingung durchsetzt, der die stärkste Gewichtung besitzt. K a m p und seine Mitautoren hoffen, daß durch ihre Arbeit die Kenntnisse über den Bewegungsablauf der kapitalistischen Wirtschaft erweitert werden und in der Beantwortung der Frage nach der Existenz einer endogenen Prozeßsystematik, eines konjunkturellen Auf und Ab, ein wesentlicher Fortschritt erzielt werden konnte. Das mag vom Standpunkt der Verfasser in gewissem Umfang zutreffen, denn sie wollen ja anderen bürgerlichen Theoretikern die Existenz zyklischer Schwankungen nachweisen, gilt aber nicht allgemein-theoretisch. Hinzu kommt, daß die selbstgewählte Beschränkung in bezug auf die Aufgabenstellung nur schwer akzeptiert werden kann. Das Thema h ä t t e auf jeden Fall mehr in den allgemeinen ökonomischen Zusammenhang eingebettet werden müssen, denn das Problem der zyklischen Bewegung kann einfach nicht so einseitig und losgelöst von wesentlichen Erscheinungen der kapitalistischen Wirtschaft behandelt werden, wie das im vorliegenden Fall geschieht. Zumindest die wichtigsten Probleme der ökonomischen Entwicklung im modernen Kapitalismus müssen kurz behandelt werden. ALFRED BÖNISCH

2

Die Form der Systembewegung wird als „Schwingung" bezeichnet.

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Buchbesprechungen Bemerkungen der Redaktion

Der Redaktion wurde das Buch von Jiri Setinsky, „Teorie Krizi v Ceskoslo vensku'' (Die Krisentheorie in der Tschechoslowakei), — Statni pedagogickö nakladelstvi v Praze, 1964, 192 S. — übersandt. Der Autor analysiert die Ansichten, die bürger, liehe Ökonomen der Tschechoslowakei in der Periode der großen WeltwirtschaftsKrise zum Krisenproblem und zur staatlichen Krisenbekämpfung vertraten. Den Ausgangspunkt bilden einige Ausführungen über die Behandlung der Krise durch die bürgerliche Ökonomie allgemein. Es folgt eine gründliche Auseinandersetzung mit den Krisentheorien von Englis, Chytil, Karvas, Mildschuh und Loevenstein, wobei die Unterschiede zwischen den einzelnen Ökonomen herausgearbeitet werden. Besonders wichtig sind die Darlegungen über die Maß nahmen, mit denen die genannten Theoretiker, die teilweise führende Wirtschaftspolitiker waren, die Krise zu überwnden suchten. Das Buch von Setinsky vermittelt einen guten Überblick über die, im allgemeinen wenig bekannten, bürgerlichen tschechoslowakischen Krisentheorien und dürfte für alle marxistischen Ökonomen, die sich mit diesen Problemen befassen, von Interesse

Um die Qualität der von uns veröffentlichten Bibliographie zu verbessern, bringen wir ab Heft 1/1966 eine Spezialbibliographie zu dem jeweiligen Grundthema des Heftes heraus und stellen die Bibliographie in ihrer bisherigen Form ein. 1966 werden voraussichtlich Spezialbibliographien zu Fragen der Strukturprobleme, der Integration, der Finanzen und der Landwirtschaft erscheinen. Die Redaktion

CONTENTS Economic Effects and Limits of Regional Forms of Integration Demonstrated i n the EEC PETER H E S S , Effects of State Monopoly Capitalism on Agriculture HOEST HEININGER, Role and Specific Weight of Armaments Procurements by the Government and the Significance of International Cooperation in Armaments JELISAWETA CHMELNIZKAJA, Western Europe and the USA — Some Economic Results Review: ERNST LÜDEMANN, The Economy of Capitalist Countries in 1 9 6 4 Book Reviews: WILHELM SCHMIDT, GERNOT GUTMANN, „Theorie und Praxis der monetären Planung in der Zentralverwaltungswirtschaft". Edition Gustav Fischer, Stuttgart, 1965, 259 p ALFRED BÖNISCH, KAMP/SMOLINSKI, „Untersuchungen zur endogenen Prozeßsystematik der marktwirtschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert". Edition Gustav Fischer, Stuttgart, 1964, 211 p Statistical Supplement R U D I GÜNDEL,

SOMMAIRE Effets économiques et limites de la forme régionale de l'intégration, représentés par l'exemple de la CEE PETER H E S S , Effets du capitalisme monopoliste d'Etat sur l'agriculture HORST HEININGER, Rôle et importance de la demande de l'Etat sur le domaine, de l'économie d'armement et l'importance de la collaboration internationale au point de vue de l'économie d'armement JELISAWETA CHMELNIZKAJA, L'Europe Occidentale et les Etats Unis — quelques résultats économiques Revue: ERNST LÜDEMANN, L'économie des pays capitalistes en 1964 Recensions : W I L H E L M SCHMIDT, GERNOT GUTMANN, „Theorie und Praxis der monetären Planung in der Zentralverwaltungswirtschaft". Edition Gustav Fischer, Stuttgart, 1965, 259 p ALFRED BÖNISCH, KAMP/SMOLINSKI, „Untersuchungen zur endogenen Prozeßsystematik der marktwirtschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert". Edition Gustav Fischer, Stuttgart, 1964, 211 p Supplément statistique R U D I GÜNDEL,

195 215 231 249 261

285 290

195 215

231 249 261 285 290

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BERTHOLD PUCHERT

Der Wirtschaftskrieg des deutschen Imperialismus gegen Polen

1925-1934 1963. 210 Seiten . - gr. 8° - MDN.27,50 (Schriften des Instituts für Geschichte, Reihe I)

Unter Verwendung von bisher unbekanntem Material aus deutschen und polnischen Archiven entstand die erste marxistische Monographie über den deutsch-polnischen Wirtschaftskrieg von 1925 bis 1934 und seine Vorgeschichte. Der Autor untersucht die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen und stellt sie in das gesamte politische Geschehen jener Zeit hinein. Dabei wird das Verhältnis dieser beiden Staaten zueinander nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem Kampf des Weltimperialismus gegen die Sowjetunion dargestellt. Das Buch wendet sich an jeden, der sich mit der polnischen Geschichte, mit der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen und mit der Geschichte des Außenhandels beschäftigt. Auch dem Zeithistoriker und dem politisch Interessierten bietet es wertvolle Anregungen, denn der Verfasser beweist und illustriert an einem typischen Beispiel, daß und wie die deutschen Imperialisten in Zeiten, in denen sie sich militärisch nicht stark genug fühlten, gestützt auf die wirtschaftliche Macht aktive Revanchepolitik betreiben.

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A K A D E M I E - V E R L A G



B E R L I N