Kognitive Semantiktheorie und neuropsychologische Realität: repräsentationale und prozedurale Aspekte der semantischen Kompetenz 9783111353883, 9783484302730

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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Kognitive Semantiktheorie und neuropsychologische Realität: repräsentationale und prozedurale Aspekte der semantischen Kompetenz
 9783111353883, 9783484302730

Table of contents :
0. Einleitung
1. Semantikforschung im Kognitiven Paradigma
1.0 Vorbemerkungen
1.1 Semantikforschung: Kurzer historischer Überblick
1.2 Kognitive Wissenschaft und Semantiktheorie
1.3 Kognitive Semantik: Zwischen Modularismus und Holismus
2. Grundzüge einer Theorie der Kognitiven Semantik
2.0 Vorbemerkungen
2.1 Zum Bedeutungsbegriff
2.2 Die Relevanz der prozeduralen Kompetenz
2.3 Zu den Aufgaben der Semantiktheorie
2.4 Adäquatheitsbedingungen für eine Kognitive Semantiktheorie.
2.5 Semantiktheorie und psychologische Realität
2.5.1 Neuronale und mentale Ebene: Das Korrelations- problem
2.5.2 Zur Relevanz externer Daten
2.5.3 Semantiktheorie und Gedächtnisforschung
3. Neuronale Grundlagen der semantischen Kompetenz
3.0 Vorbemerkungen
3.1 Das Konstrukt "Welt" als Basis der Referentialität
3.2 Perzepte und gebundene Konzepte als Referenten
3.3 Intermodalität im Gehirn
3.4 Neuronale Programme
3.5 Kritische Phasen, Lateralisierung und Plastizität
4. Kognitive Ontogenese und Bedeutungserwerb
4.1 Das konzeptuelle System als Basis für die Semantik
4.1.1 Konzepte als Bausteine der Kognition
4.1.2 Zur Repräsentation von Konzepten
4.2 Zum Aufbau des semantischen Systems
4.2.1 Entwicklungsstufen
4.2.2 Zur Vermittlerfunktion des mentalen Lexikons
5. Repräsentationale Aspekte der semantischen Kompetenz
5.0 Vorbemerkungen
5.1 Organisationsprinzipien des LZG
5.2 Zur Repräsentation von Wortbedeutungen im LZG
5.2.1 Merkmalsmodelle
5.2.2 Netzwerkmodelle.
5.2.3 Schematheoretische Modelle
5.2.4 Konnektionismus
5.2.5 Prozedurale Semantik
5.2.6 Kritischer Vergleich der Modelle
5.3 Die semantische Komponente als Semi-Modul
5.3.1 Semantisches und enzyklopädisches Wissen
5.3.2 Neuropsychologische Aspekte
5.3.3 Drei-Stufen-Semantik
5.3.4 Aspekte eines multimodalen Repräsentationsmodells
6. Bedeutungsverarbeitung im Gedächtnis
6.0 Vorbemerkungen
6.1 Lexikalische Bedeutung und aktuelle Bedeutung
6.2 Gedächtnisfunktionen und Bedeutungsverarbeitung
6.2.1 Prozedurale Aspekte
6.2.2 Gedächtnisfunktionale Prinzipien
6.3 Bedeutungskonstitution: Prozedurale Invarianten und kognitive Parameter
6.3.1 Lexikalische Aktivierung als Basisoperation
6.3.2 Aktivierungsausbreitung und kognitionsinhärente Kontextualisierung
6.3.3 Selektion
6.3.4 Spezifizierung
6.3.5 Aktuelle Bedeutungen als KZG-Knoten
7. Schluß und Ausblick
Literaturverzeichnis

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Linguistische Arbeiten

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Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese

Monika Schwarz

Kognitive Semantiktheorie und neuropsychologische Realität Repräsentationale und prozedurale Aspekte der semantischen Kompetenz

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1992

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schwarz, Monika : Kognitive Semantiktheorie und neuropsychologische Realität: repräsentationale und prozedurale Aspekte der semantischen Kompetenz / Monika Schwarz. - Tübingen : Niemeyer, 1992 (Linguistische Arbeiten ; 273) NE:GT ISBN 3-484-30273-9

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1992 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages un/ulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren

Inhaltsverzeichnis 0. Einleitung

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1. Semantikforschung im Kognitiven Paradigma 1.0 Vorbemerkungen 1.1 Semantikforschung: Kurzer historischer Überblick 1.2 Kognitive Wissenschaft und Semantiktheorie 1.3 Kognitive Semantik: Zwischen Modularismus und Holismus

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2. Grundzüge einer Theorie der Kognitiven Semantik 2.0 Vorbemerkungen 2.1 Zum Bedeutungsbegriff 2.2 Die Relevanz der prozeduralen Kompetenz 2.3 Zu den Aufgaben der Semantiktheorie 2.4 Adäquatheitsbedingungen für eine Kognitive Semantiktheorie . . . . 2.5 Semantiktheorie und psychologische Realität 2.5.1 Neuronale und mentale Ebene: Das Korrelationsproblem 2.5.2 Zur Relevanz externer Daten 2.5.3 Semantiktheorie und Gedächtnisforschung .·

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3. Neuronale Grundlagen der semantischen Kompetenz 3.0 Vorbemerkungen 3.1 Das Konstrukt "Welt" als Basis der Referentialität 3.2 Perzepte und gebundene Konzepte als Referenten 3.3 Intennodalität im Gehirn 3.4 Neuronale Programme 3.5 Kritische Phasen, Lateralisierung und Plastizität

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4. Kognitive Ontogenese und Bedeutungserwerb 4.1 Das konzeptuelle System als Basis für die Semantik 4.1.1 Konzepte als Bausteine der Kognition 4.1.2 Zur Repräsentation von Konzepten 4.2 Zum Aufbau des semantischen Systems 4.2.1 Entwicklungsstufen 4.2.2 Zur Vermittlerfunktion des mentalen Lexikons

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5. Repräsentationale Aspekte der semantischen Kompetenz 5.0 Vorbemerkungen 5.1 Organisationsprinzipien des LZG 5.2 Zur Repräsentation von Wortbedeutungen im LZG 5.2.1 Merkmalsmodelle

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5.2.2 Netzwerkmodelle 5.2.3 Schematheoretische Modelle 5.2.4 Konnektionismus 5.2.5 Prozedurale Semantik 5.2.6 Kritischer Vergleich der Modelle 5.3 Die semantische Komponente als Semi-Modul 5.3.1 Semantisches und enzyklopädisches Wissen 5.3.2 Neuropsychologische Aspekte 5.3.3 Drei-Stufen-Semantik 5.3.4 Aspekte eines multimodalen Repräsentationsmodells . . . .

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6. Bedeutungsverarbeitung im Gedächtnis 6.0 Vorbemerkungen 6.1 Lexikalische Bedeutung und aktuelle Bedeutung 6.2 Gedächtnisfunktionen und Bedeutungsverarbeitung 6.2.1 Prozedurale Aspekte 6.2.2 Gedächtnisfunktionale Prinzipien 6.3 Bedeutungskonstitution: Prozedurale Invarianten und kognitive Parameter 6.3.1 Lexikalische Aktivierung als Basisoperation 6.3.2 Aktivierungsausbreitung und kognitionsinhärente Kontextualisierung 6.3.3 Selektion 6.3.4 Spezifizierung 6.3.5 Aktuelle Bedeutungen als KZG-Knoten

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7. Schluß und Ausblick

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Literaturverzeichnis

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Vorwort Die vorliegende Arbeit ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung meiner im Sommer 1990 an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln eingereichten Dissertation. Der Tag der mündlichen Prüfung war der 17.11.1990. Für viele Hinweise und Anmerkungen danke ich meinen Gutachtern, Heinz Vater und Jürgen Lenerz, sowie Ewald Lang. Die kritischen Fragen und Kommentare von Sonja Eisenbeiß und Bettina Landgraf gaben den Anstoß, einige wichtige Argumente klarer zu formulieren. Meine Schwester Marie-Luise hat mir beim Korrekturlesen geholfen. Martin Leser danke ich für die Unterstützung bei der Formatierung der Arbeit. Monika Schwarz, im November 1991

0. Einleitung In der vorliegenden Arbeit sollen repräsentationale und prozedurale Aspekte der semantischen Kompetenz im Rahmen der interdisziplinären Kognitionsforschung erläutert werden. Die Arbeit versucht, Fragestellungen der Linguistik, der Kognitionswissenschaften und der Neurowissenschaften miteinander in Beziehung zu setzen. In den letzten Jahren sind Sprache und sprachliches Verhalten zunehmend als Domänen kognitiver Forschungsbereiche thematisiert und im Rahmen von Informationsverarbeitungsmodellen untersucht worden. Diese Entwicklung ist auf das engste verbunden mit der Entstehung der Kognitiven Wissenschaft, einer interdisziplinären Wissenschaft, die sich mit allgemeinen und spezifischen Aspekten der menschlichen Kognition beschäftigt. Die Linguistik versteht sich inzwischen größtenteils selbst als ein wichtiger Bereich innerhalb der Kognitiven Wissenschaft und betrachtet die Sprachfähigkeit des Menschen als ein in der Kognition verankertes Kenntnissystem. Im Rahmen der kognitiv orientierten Linguistik ist die aufgrund methodologischer Probleme so lange vernachlässigte semantische Komponente der Sprachfähigkeit zunehmend in den Vordergrund der Forschung gerückt. Das Erkenntnisinteresse richtet sich dabei vor allem auf die Strukturierung und die Repräsentation von Bedeutungen im mentalen Lexikon. Daß semantische Probleme ohne die Berücksichtigung kognitionspsychologischer Prinzipien nicht mehr ernsthaft behandelt werden können, ist dabei eine allgemein akzeptierte (aber im methodischen Bereich oft nicht hinreichend realisierte) Prämisse der neueren Forschung. Überblickt man die derzeitige Forschungslage, bietet sich ein sehr heterogenes Bild, das gekennzeichnet ist durch die Menge an verschiedenen theoretischen Ansätzen, die mangelnde Homogenität auf der begrifflich-definitorischen Ebene der einzelnen Ansätze und das Fehlen einer verbindlichen Theorie der menschlichen Semantik. Kontrovers diskutiert wird vor allem die Frage, ob die semantische Komponente mit der konzeptuellen Komponente des menschlichen Kognitionssystems zusammenfällt. Letztlich ist die Beantwortung dieser Frage ein empirisch zu lösendes Problem. Unter der Annahme, daß die semantische Sprachfähigkeit in der Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns verankert ist, stellt sich daher auch die Frage, inwiefern die Ergebnisse der Neurowissenschaft Aufschluß über die Organisation und Repräsentation der Semantik geben können. Die Gehirnforschung hat (aufgrund neuer diagnostischer Techniken) viele bahnbrechende Ergebnisse hervorgebracht, die es uns ermöglichen, Einblick in die neuronale Basis der Kognition zu nehmen. Daß linguistische Theorien immer noch weitgehend unberührt von den Untersuchungsergebnissen der kognitiven Neurowissenschaften erstellt werden, liegt zum einen an den äußerst problematischen Korrelationsmöglichkeiten zwischen neuronalen

und kognitiven (und damit linguistischen) Phänomenen, zum anderen an der Methodik der theoretischen Linguistik, die in erster Linie mit internen Daten arbeitet. In der vorliegenden Arbeit will ich neuronale und mentale Ebene der semantischen Kompetenz in Beziehung zueinander setzen und erörtern, inwiefern externe Evidenzen, d.h. Daten aus anderen Disziplinen der Kognitionswissenschaft relevant für die semantische Theoriebildung sein können. Erkenntnisfortschritte im Bereich der Semantik hängen m.E. derzeit stärker von der Erschließung der kognitiven und neuronalen Grundlagen ab als von sprachorientierten Detailstudien. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die semantische Komponente unserer Sprachfähigkeit als ein im Gedächtnis gespeichertes Kenntnis- und Verarbeitungssystem zu beschreiben. Im Mittelpunkt stehen dabei Aspekte der Repräsentation und der Verarbeitung von Wortbedeutungen. Die vorliegende Arbeit gliedert sich wie folgt: Im ersten Kapitel wird der theoretische Hintergrund für die Analyse semantischer Phänomene skizziert. Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Semantikforschung in der Linguistik werde ich die grundlegenden Aspekte und Probleme der Kognitiven Wissenschaft darstellen und zeigen, inwieweit linguistische Semantiktheorien von den Modellen und Methoden dieses Forschungszweigs beeinflußt worden sind. Es wird gezeigt, daß die Kognitive Linguistik kein homogener und einheitlich zu beschreibender Forschungsansatz ist und daß mit Holismus und Modularismus zwei entgegengesetzte Positionen die Forschungsdiskussion innerhalb der Kognitiven Semantik beherrschen. In Kapitel 2 werden allgemeine Grundprinzipien, Fragen und Adäquatheitsbedingungen einer Kognitiven Semantiktheorie erörtert. Es geht mir dabei primär um eine Standortbestimmung der Semantiktheorie im Kontext der Kognitionswissenschaft. In Kapitel 3 werde ich die neuronalen Grundlagen der semantischen Komponente untersuchen. Hier steht zum einen die Frage im Mittelpunkt, ob es auf der neuronalen Ebene Evidenzen für die Existenz eines abstrakten konzeptuellen Systems gibt, das als Integrator und Vermittler für modalitätsspezifische Informationen fungiert. Zum anderen wird untersucht, ob sich auf der neuronalen Ebene ein Semantik-Modul finden läßt. In Kapitel 4 wird versucht, eine Explikation des Bedeutungserwerbs zu liefern. Dabei wird die Interaktion von kognitiver Ontogenese und semantischem Spracherwerb diskutiert. Kapitel 5 befaßt sich mit der Frage, wie Bedeutungen im Gedächtnis repräsentiert sind. In diesem Zusammenhang werden die der Forschung vorliegenden Repräsentationsmodelle kritisch diskutiert. Es wird ein theoretischer Ansatz zur Bedeutungsrepräsentation vorgestellt, der die Ergebnisse unterschiedlicher Disziplinen integriert. Im Vordergrund steht die Frage, ob das semantische Kenntnissystem in repräsentationaler und prozeduraler Sicht ein sprachliches Modul darstellt. In Kapitel 6 werden Prozeßannahmen aufgestellt, welche die Verarbeitung von Bedeutungen betreffen. Es geht mir darum zu zeigen, daß sich die Relation zwischen lexikalischer und aktueller Bedeutung über eine Reihe kognitiver Prozeduren erklären läßt. Im Rahmen eines gedächtnisfunktionalen Modells werden Prinzipien postuliert, die die lexikalische LZG-Bedeutung und die aktuelle KZG-Bedeutung als Stufen auf einem Kontinuum kognitiver

Aktivationsniveaus darstellen. Im Schlußwort wird ein knappes Resümee gezogen, das die Grundannahmen und Hauptergebnisse der Arbeit beinhaltet.

1. Semantikforschung im Kognitiven Paradigma 1.0 Vorbemerkungen Die semantische Komponente der menschlichen Sprache war lange von der wissenschaftlichen Untersuchung in der Linguistik ausgeschlossen. Sowohl im strukturalistischen als auch im (frühen) generativen Paradigma standen lange nur die formalen Strukturen der Sprache im Vordergrund. Voraussetzung für die Einbeziehung umfassender Bedeutungsanalysen war ein tiefgreifender wissenschaftstheoretischer Wandel (der im Kuhnschen Sinn als Paradigmenwechsel aufzufassen ist). In dem folgenden Kapitel will ich die Prämissen des Kognitiven Paradigmas skizzieren und darstellen, welchen Einfluß die Tendenzen in der allgemeinen Kognitionsforschung auf die Linguistik und insbesondere die linguistische Semantikforschung gehabt haben. Die kurze Darstellung der historischen Entwicklung der Semantikforschung beschränkt sich auf eine punktuelle und keinesfalls vollständige Skizzierung der semantischen Verfahren und Ergebnisse und dient der Veranschaulichung des Fortschritts der modernen Semantiktheorien. Außerdem soll gezeigt werden, daß viele der derzeitig aktuell diskutierten Themen auf eine lange Tradition blicken.

1.1 Semantikforschung: Kurzer historischer Überblick Die Semantik wird im Bereich der Linguistik traditionell als diejenige wissenschaftliche Disziplin verstanden, die sich mit den Bedeutungen sprachlicher Einheiten und Strukturen beschäftigt. Im Bereich der Semantik sind viele verschiedene, aber vielfach verflochtene Überlegungen aus Linguistik, Philosophie und Psychologie zu berücksichtigen. Die Beschäftigung mit den inhaltlichen Aspekten natürlicher Sprachen involviert uralte erkenntnistheoretische Fragen und Probleme, die das Verhältnis zwischen Sprache, Denken und Welterfahrung betreffen. Die Geschichte der Semantik beginnt bereits in der Antike mit den Schriften von Platon und Aristoteles und ist geknüpft an den Universalienstreit im Mittelalter und die Erkenntnistheorie der Neuzeit (s. Tugendhat 1979, Robinson 1986). Ein ausführlicher historischer Exkurs kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erbracht werden. Vielmehr konzentriere ich mich hier auf die Erkenntnisfortschritte der linguistisch ausgerichteten Semantikforschung unseres Jahrhunderts. Im vorigen Jahrhundert stehen historisch-vergleichende und sprachphilosophische Abhandlungen über die Sprache im Mittelpunkt der Forschung. Das Verhältnis zwischen Welt, Geist und Sprache wird in Humboldts sprachphilosophischem Werk aufgegriffen. Sprache ist für Humboldt (1830) nichts Statisches; sie ist eher Tätigkeit

(Energeia) als Werk (Ergon). In der Sprache eines Volkes (insbesondere in den inhaltlichen Strukturen) spiegeln sich dessen Weltansichten wider. Semantische Strukturen werden aus sprachphilosophischer Sicht vor allem in ihrer repräsentationalen Funktionalität betrachtet. In der junggrammatischen Schule findet sich ein ausgeprägter Historismus. Semantische Analysen stellen lediglich Untersuchungen von Bedeutungsveränderungen dar. Die inhaltlichen Aspekte der Sprache treten wieder zurück; sprachliche Formen werden losgelöst von ihrem funktionalen Zusammenhang sprachgeschichtlich analysiert. Freges sprachphilosophische Ausführungen am Ende des letzten Jahrhunderts legen den Grundstein für alle späteren Semantiktheorien (s. Frege 1892). Er unterscheidet zum einen zwei Arten von Bedeutung, nämlich Sinn und Bedeutung (wofür heute "Referenz" gesagt wird). Frege verdeutlicht den Unterschied an den Namen Abendstern und Morgenstern. Ihr Sinn ist verschieden, aber beide beziehen sich auf denselben Gegenstand, nämlich die Venus. Zum anderen führt er das Kompositionalitätsprinzip ein, wonach sich die Bedeutung eines Satzes aus der Bedeutung seiner Einzelteile und den Beziehungen, die zwischen diesen untereinander bestehen, rekonstruieren läßt. Die sich unter Wundt (1990) zur eigenständigen Wissenschaft entwickelnde Psychologie greift die Inhaltsstrukturen der Sprache auf und versucht, sie dem psychischen Bereich der Vorstellungen zuzuordnen. Bedeutungen werden mit Begriffen gleichgesetzt. Man nimmt an, daß bei der Interpretation von Sätzen Begriffe evoziert werden, die Vorstellungen über Objekte der äußeren Welt enthalten. Mit Assoziationstests sollen die mit den Wörtern einer Sprache assoziierten Vorstellungen aufgedeckt werden. De Saussure, der als Begründer der modernen Sprachwissenschaft gilt, und der die Bedeutung der synchronischen Sprachbetrachtung hervorhebt und die Sprache als ein System eigener Art betrachtet, führt ein bilaterales Zeichenmodell ein, das eine untrennbare (jedoch arbiträre, d.h. konventionell festgelegte) Verbindung von Inhalt und Form postuliert. Beide Seiten des Zeichens werden als psychische Phänomene angesehen. Inhalte sind de Saussure zufolge begriffliche Vorstellungen. Tiefergehende Inhaltsanalysen werden jedoch von de Saussure nicht vorgenommen. Sein bilaterales Zeichenkonzept, das die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks sprachintern definiert, wird von Ogden und Richards (1923) um die Komponente der Referenz erweitert. Es wird hier hervorgehoben, daß Sprecher mittels sprachlicher Zeichen auf Dinge der außersprachlichen Realität Bezug nehmen können. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wird in den linguistischen Analysen der Versuch unternommen, die phonologischen, morphologischen und syntaktischen Strukturen der Sprache ohne Bezugnahme auf Bedeutungsaspekte zu erfassen. Der Strukturalismus, der fast die gesamte erste Hälfte unseres Jahrhunderts wegweisend für sprachwissenschaftliche Analysen ist, zeichnet sich durch eine strikt antimentalistische Haltung aus. Seine induktive Vorgehensweise ist rein deskriptiv und zielt auf die Er-

fassung der Sprache als eines relationalen Strukturgefüges ab. Alle Vorgänge des menschlichen Bewußtseins werden als mentalistische Black-box-Phänomene aus der Sprachwissenschaft (die als strenge Wissenschaft mit naturwissenschaftlichen Methoden betrieben werden soll) ausgeschlossen. Von der positivistischen Philosophie und der behavioristischen Psychologie beeinflußt, ist im linguistischen Strukturalismus nur das Beobachtbare und Meßbare Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Sprache wird als eine Form des auf Reiz-Reaktions-Mustern beruhenden Verhaltens verstanden, und linguistische Einheiten werden rein formal beschrieben. In Bloomfields 1933 erschienenem Buch "Language", dem Standardwerk des amerikanischen Strukturalismus, wird die Semantik mit der Begründung aus der linguistischen Analyse ausgeklammert, daß eine exakte Beschreibung von Bedeutungen beim gegenwärtigen Stand der Forschung nicht möglich sei. Die Bedeutung einer linguistischen Form wird definiert als "the situation in which the speaker utters it and the response which it calls forth in the hearer" (Bloomfield 1933:139). Eine wissenschaftliche Analyse von Bedeutungen sei nur dann möglich, wenn der Forscher von der Welt und ihren Objekten absolute Kenntnis besitzen würde. Zeitlich fast parallel zur Blütezeit des Strukturalismus etabliert sich in Deutschland unter Weisgerber (19) die inhaltsbezogene Grammatik, die Humboldts Gedankengut wieder aufgreift und Sprache als "eine Kraft geistigen Gestaltens" begreift. Die semantischen Strukturen der Sprache enthalten in inhaltsbezogener Sicht eine bestimmte Weltansicht. Die Verschiedenheit der Sprachen spiegelt demzufolge eine Vielfalt von Weltansichten wider. Inhaltliche Strukturen sind nicht ein Reflex der außersprachlichen Gegebenheiten, sondern gestalten selber "muttersprachliche Zwischenwelten". Ein bekanntes Beispiel für die durch die sprachlichen Inhalte konstituierte Zwischenwelt, die sich vor allem im inhaltlichen Aufbau des Wortschatzes einer Sprachgemeinschaft zeigt, ist die Ordnung der Pflanzenwelt. So ist das Unkraut nichts Naturgegebenes, sondern eine durch die menschliche Sprachgebung kreiertes Konstrukt. Die Sprache hat damit die Funktion eines "Wortens der Welt". Unterschiede in der lexikalischen Strukturierung von Sprachen (z.B. daß französich fleur sowohl Blume als auch Blüte meint) werden als Indizien für verschiedene Zwischenwelten aufgefaßt. Sprachund Denkstrukturen werden damit weitgehend gleichgesetzt. Eine solche Konzeption findet sich auch in der Allgemeinen Semantik und der Metalinguistik. Die von Sapir und Whorf vertretene These, daß sprachliche Strukturen einen entscheidenden Einfluß auf das Denken der Menschen haben, ist als "sprachliche Relativitätstheorie" bezeichnet worden. Dieser Theorie zufolge determiniert die Sprache die Art, wie Realität erfahren wird und wirkt entscheidend auf das Denken und Handeln des Menschen ein. Whorf (1956) stützt sich bei seinen Ausführungen auf Untersuchungen der Hopi-Sprache und versucht nachzuweisen, daß die Hopis aufgrund ihrer Grammatik über keinen Zeitbegriff verfügen. Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen, haben für Whorf auch verschiedene Weltbilder.

8 Die sprachliche Relativitätstheorie ist von verschiedenen Seiten her kritisiert worden und gilt mittlerweile als widerlegt. Interkulturelle, neurophysiologische und psychologische Untersuchungen haben gezeigt, daß der menschliche Wahrnehmungsapparat universellen Prinzipien folgt und nicht von sprachlichen Strukturprinzipien determiniert wird. Ethnosemantische Studien konnten zudem zeigen, daß ein universelles Grundinventar für natürliche Kategorien im semantischen Bereich existieren (s. Berlin/Kay 1969, Rösch 1978). Die Unterschiede zwischen Sprachen im Bereich der Farbbezeichnungen sind als Argument für die These der sprachlichen Relativität angeführt worden. Berlin und Kay (1969) konnten aber mit ihren sprachvergleichenden Untersuchungen nachweisen, daß keine Sprache mehr als elf Grundfarbnamen besitzt und daß Farbbezeichnungen nach einem allgemeingültigen und universalen Prinzip strukturiert sind. Im Rahmen der Wortfeldtheorie beschäftigen sich semantische Ansätze mit Wortschatzanalysen, die semantische Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Wörtern eines Wort- bzw. Bedeutungsfeldes beschreiben (vgl. Trier 1931, Porzig 1934). Diesen Wortfeldtheorien liegen die beiden folgenden Annahmen zugrunde: Die Bedeutung eines Wortes ist abhängig von der Bedeutung der anderen Wörter in einem Wortfeld. Ein Wortfeld ist wie ein Mosaik lückenlos zusammengesetzt und spiegelt ein Bild eines bestimmten Teils der Wirklichkeit wider. In einer Reihe von Arbeiten ist aber inzwischen gezeigt worden, daß die Bedeutungsfelder eines Wortschatzes durchaus Lücken und Überschneidungen aufweisen (vgl. u.a. Baumgärtner 1967). Die Feldtheorie wird von der sich entwickelnden strukturellen Semantik aufgegriffen, derzufolge die Bedeutung eines Wortes nicht isoliert beschreibbar ist, sondern stets im Zusammenhang mit anderen Wortbedeutungen eines Bedeutungsfeldes (s. Baumgärtner 1964). Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich in struktureller Sicht aus der Menge aller Relationen, die es mit anderen Wörtern in einem Wortfeld eingeht. Die strukturellen Arbeiten konzentrieren sich im Rahmen der Wortsemantik auf die sprachinterne Analyse von Wortschatzstrukturen und bleiben mit ihren Untersuchungen auf einer deskriptiven Ebene. In der frühen Phase der generativen Transformationsgrammatik wird die Semantik zunächst auch völlig aus der sprachwissenschaftlichen Untersuchung ausgeklammert. "Grammar is best formulated as a self-contained study independent of semantics." (Chomsky 1957:15)

Fur Chomsky kann die Grammatikalität von sprachlichen Strukturen von der Bedeutungshaftigkeit getrennt untersucht werden. Er verdeutlicht dies an den viel zitierten und bekannten Sätzen: (1) (2)

Colorless green ideas sleep furiously. Furiously sleep ideas green colorless.

Während (1) zwar sinnlos, aber grammatikalisch ist, weist (2) Chomsky zufolge weder Grammatikalität noch Bedeutungshaftigkeit auf. Syntax und Semantik sind in der Generativen Grammatik der Anfangszeit also zwei völlig separate Komponenten. Katz/Fodor (1963) beziehen die semantische Komponente in die generative Grammatik ein und liefern die erste formale Konzeption einer linguistischen Semantiktheorie. Auf dem Hintergrund der mentalistischen Postulate Chomskys sollen semantische Untersuchungen auf der Ebene der erklärenden Adäquatheit stattfinden. Die semantische Kompetenz wird als die Fähigkeit charakterisiert, Sätze semantisch interpretieren zu können. Mit Hilfe eines formalen Beschreibungsapparats soll die semantische Komponente als Menge aller semantischen Relationen beschrieben werden. Es soll rekonstruiert werden, wie ein Sprecher in der Lage ist, die Bedeutung eines Satzes aus der Bedeutung seiner einzelnen Bestandteile zu erhalten. Damit ist aber nicht der psychologische Prozeß der Bedeutungsverarbeitung gemeint, sondern die formale Rekonstruktion semantischer Regeln. Die semantische Komponente enthält bei Katz/Fodor ein Lexikon, das aus Lexikoneinträgen besteht, und eine Reihe von Projektionsregeln, die es ermöglichen, die Bedeutung eines Satzes aus seinen Grundelementen zu erschließen. Im Lexikon sind die Bedeutungseinträge mit den folgenden Informationen gespeichert: -

Syntaktische Marker geben die syntaktische Klassenzugehörigkeit an (z.B. Substantiv oder Verb). - Die semantischen Marker benennen die grundlegenden semantischen Merkmale einer lexikalischen Einheit. - Die Distinguisher geben besondere semantische Spezifizierungen an. - Die Selektionsbeschränkungen legen den syntaktisch-semantischen Rahmen fest, in dem die Einheiten vorkommen können. Während die Marker dem spezifisch sprachlichen Wissen zurechnet werden, stellen die Distinguisher Bestandteile des allgemeinen konzeptuellen Weltwissens dar. Schon Bolinger (1965) wirft aber die Frage auf, nach welchen logischen Kriterien denn diese Unterscheidung vorgenommen werden soll. Voraussetzung für die semantische Interpretation eines Satzes ist Katz/Fodor zufolge die syntaktische Tiefen-Struktur, auf der die Projektionsregeln operieren und die Bedeutungen von Einzelelementen kombinieren. Der semantischen Komponente kommt damit nur eine Art "Ablesefunktion" zu, sie ist rein interpretativ. Diese Konzeption ist zunächst vor allem von Vertretern der generativen Semantik heftig kritisiert worden (Lakoff 1971). Semantische Strukturen werden hier von Basisregeln erzeugt und durch transformationeile Prozesse an die syntaktische Oberfläche überführt. Eine strikte Trennung von Syntax und Semantik wird damit aufgehoben. Semantische Strukturen werden als propositionale Strukturen in Form von Prädikat-ArgumentStrukturen beschrieben. Die Beschreibung von Verbbedeutungen rückt in den Mittel-

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punkt der Analysen, und Lexikoneinträge werden als Komplexe mit interner Strukturierung dargestellt. So läßt sich die Verbbedeutung von töten darstellen als: X bewirkt, daß y stirbt, d.h. nicht länger lebendig ist. Damit ist auch die Unterscheidung in Wortund Satzsemantik weitgehend aufgehoben (zur kritischen Auseinandersetzung mit der generativen Semantik s. u.a. Jackendoff 1983). In den 60er und frühen 70er Jahren bestehen semantische Analysen meistens in einer Verbindung von Komponentenzerlegung einzelner Bedeutungen und der Analyse von Bedeutungsbeziehungen (bzw. Sinnrelationen) zwischen Wörtern (wie Synonymic, Antonymie usw.). Im Rahmen der Komponentenanalyse (die in manchen Ansätzen bis zum heutigen Tag als das wichtigste heuristische Verfahren im Bereich der Semantik angesehen wird) werden sprachliche Bedeutungen mittels semantischer Komponenten (Merkmale) beschrieben. Die Grundannahme der Komponenten- bzw. Merkmalstheorie ist, daß sich der Inhalt sprachlicher Zeichen vollständig durch eine Menge von hinreichenden und notwendigen Merkmalen darstellen läßt. Die Bedeutung des Wortes Mann beispielsweise läßt sich dann folgendermaßen beschreiben: (menschlich, männlich, erwachsen). Wortbedeutungen sind demzufolge Kombinationen von semantischen Primitiva. Mittels semantischer Merkmale sollen sich auch minimale Bedeutungsunterschiede zwischen lexikalischen Einheiten erfassen lassen. Ziel der semantischen Forschung in diesem merkmalsorientierten Ansatz ist die umfassende Beschreibung der semantischen Einheiten des Lexikons einer Sprachgemeinschaft und der zwischen den Einheiten bestehenden Relationen. Kontrovers diskutiert wird dabei der Status der semantischen Merkmale. Als zunächst metalinguistische und theoretische Konstrukte eingeführt, erhalten sie von Bierwisch (1970) den Status psychologisch realer Entitäten zugesprochen. Semantische Merkmale stellen ihm zufolge universale Grunddispositionen des menschlichen Organismus dar. Mit dieser Hypothese schlägt Bierwisch schon früh eine Brücke zur Kognitionspsychologie und legt den Grundstein für psychologisch fundierte Semantiktheorien. Bierwisch (1970) hat auch gezeigt, daß nur ein Teil der Lexikoneinträge durch einfache Merkmalsbündel beschreibbar ist und daß z.B. transitive Verben wie töten, geben, schenken nur unter Berücksichtigung relationaler Merkmale dargestellt werden können. In den 70er Jahren beginnt man, den Bedeutungsbegriff differenzierter zu analysieren und die Aspekte der Wort-, Satz- und Referenzsemantik stärker aufeinander zu beziehen (s. Leech 1974, Lyons 1977). Aus dem Bereich der Ethnosemantik und der Psychologie kommt Kritik an dem merkmalsorientierten Versuch, Bedeutungen mittels definitorischer Kriterien zu beschreiben (s. Rösch 1975 und 1978). Es wird gezeigt, daß sich nur ein sehr kleiner Teil der Bedeutungen von Wörtern (wie Dreieck und Amöbe) eindeutig durch hinreichende und notwendige Merkmale erfassen lassen. Das Problem der Vagheit und der Abgrenzung von Bedeutungen wird diskutiert (Lakoff 1972, Labov 1973).

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Unter Weiterverfolgung der Vorschläge von Wittgenstein (1953) und des sprechakttheoretischen Ansatzes von Searle (1969) etabliert sich eine handlungstheoretische Semantik, derzufolge die Bedeutung sprachlicher Zeichen in einer gewissen Art der Zeichenverwendung liegt. In dieser Konzeption existieren keine festen Wortbedeutungen, sondern allein die Regeln des Wortgebrauchs legen die Verwendung eines Wortes fest (s. hierzu auch Posner 1979). Die in der generativen Semantik eingeführte Beschreibung semantischer Strukturen mittels Prädikat-Argument-Strukturen wird in der um 1970 entstandenen logischen Semantik und insbesondere in der Montague-Grammatik konsequent im Rahmen der Prädikatenlogik durchgeführt. Syntax und Semantik stehen in einer homomorphen Relation zueinander und sollen mit derselben Rigidität beschrieben werden wie die künstlichen Logiksprachen. Mit Blick auf die Arbeiten der analytischen Philosphie rücken satzsemantische Aspekte in den Vordergrund; die Bedeutung von Sätzen wird mittels Wahrheitsbedingungen festgelegt und mit der Menge aller Situationen identifiziert, in denen ein Satz wahr ist. In der Montague-Grammatik wird das von Frege (1892) postulierte Kompositionalitätsprinzip zum Grundprinzip der Satzsemantik erklärt. Es wird eine semantische Algebra eingeführt, die eine semantische Operation enthält, welche die Bedeutung komplexer Strukturen aus den Bedeutungen ihrer Bestandteile errechnet. Diese formale und modelltheoretische Semantik zielt auf die Beschreibung von Satzbedeutungen durch die Formulierung adäquater Wahrheitsbedingungen ab (s. hierzu ausführlich Dowty et al. 1981). Zwar werden heute die Beziehungen zwischen Syntax und Semantik sehr viel differenzierter betrachtet und die Grenzen der wahrheitswertorientierten Semantik diskutiert, doch ist die formale und wahrheitsfunktionale Analyse semantischer Phänomene in weiten Teilen der theoretischen Linguistik immer noch vorherrschend (s. Grewendorf u.a. 1987). Die Mitte der 80er entstandene Situationssemantik (s. Barwise/Perry 1984) beschreibt Bedeutungen als relationale Einheiten. Konsumtiv ist die Situation, die als Bedeutungsträger verstanden wird und als Diskurswelt modelliert wird (und quasi an die Stelle des Wahrheitswertes tritt). Eine empirische Rekonstruktion der Grundeinheit Situation wird allerdings nicht vorgenommen, der situationssemantische Ansatz bleibt im Rahmen der formalen und modelltheoretischen Semantik. Die wahrheitswertorientierte Semantik ist zur Erfassung wichtiger semantischer Aspekte natürlicher Sprachen nicht ausreichend. Sie erfaßt zum einen nicht die'vielfältigen Arten der Referenz (s. hierzu 3.2). Zum anderen kann sie keine hinreichende Beschreibung der Bedeutung auf der repräsentationalen Ebene geben, da identische Wahrheitsbedingungen auf unterschiedlichen Bedeutungsstrukturen beruhen können, wie die folgenden Beispielsätze zeigen (vgl. hierzu Löbner 1990). (3) jeder bekommt etwas (4) keiner bekommt nichts

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Eine Semantiktheorie kommt ohne konzeptuelle und repräsentationale Analysen also nur zu höchst unbefriedigenden Ergebnissen (s. hierzu ausführlicher Kapitel 2 und 5). Die Arbeit von Miller und Johnson-Laird (1976) ist der erste großangelegte Versuch, linguistische und psychologische Aspekte der Semantik natürlicher Sprachen aufeinander zu beziehen, indem der Zusammenhang von perzeptuellen Strukturierungseigenschaften und semantischen Prinzipien untersucht wird. Mit Johnson-Lairds (1983 und 1987) Konzeption des mentalen Modells rücken kontexttheoretische Semantikmodelle in den Vordergrund. Die Semantik wird von einigen Forschern wieder bewußt als "Konvergenzbereich zwischen Sprache und Denken" (Seuren 1977:265) definiert und analysiert. Die Referentialität sprachlicher Bedeutungen wird zum Gegenstand semantischer Theorien. Referenzsemantische Ansätze innerhalb der Linguistik bleiben aber der Domäne der deskriptiven und theoretischen Linguistik verhaftet und grenzen repräsentationale, ontologische und prozedurale Aspekte des Referenzphänomens weitgehend aus (s. Hawkins 1978, Thrane 1980).

1.2 Kognitionswissenschaft und Semantiktheorie Anfang der 60er Jahre vollzieht sich in der Psychologie die Ablösung vom behavioristischen Forschungsansatz. Die Einbeziehung mentaler Entitäten erfolgt in einem sich über Jahre erstreckenden Paradigmenwechsel, der heute als die "Kognitive Wende" bezeichnet wird. Die neu entstehende Kognitive Psychologie beschäftigt sich mit allen Prozessen der Aufnahme, Speicherung und Anwendung von Informationen. Mit dieser weiten Kognitionsdefinition, die nicht nur die sogenannten "höheren" Fähigkeiten des Menschen (wie Denken und Sprechen) als kognitiv charakterisiert, sondern auch die perzeptuellen Leistungen, umfaßt die Kognitive Psychologie die traditionellen Bereiche der Wahrnehmungs-, Lern-, Sprach- und Gedächtnispsychologie. In den kognitivistischen Ansätzen wird die menschliche Kognition als ein komplexes System mentaler Strukturen und Prozesse angesehen und im Rahmen komplexer Modelle, welche die Kreativität mentaler Aktivitäten betonen, beschrieben. Damit steht die Kognitive Psychologie in direktem Gegensatz zu dem Reduktionismus des behavioristischen Ansatzes. Wichtige Impulse für die Darstellung mentaler Wissensstrukturen und die Modellierung kognitiver Prozesse erhalten Linguistik und Psychologie durch die Programme und Simulationsstudien der Computerwissenschaft (insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz). Die vage und intuitiv gehaltenen Wissensrepräsentationen der Psychologie werden analog zu den in der Künstlichen Intelligenz ausgearbeiteten Repräsentationen gestaltet und damit formal präzisiert. Die Annäherung von KI-Forschung und Psychologie ist Mitte der 70er Jahre Anstoß für die Entwicklung einer neuen Wissenschaft, der Kognitiven Wissenschaft. Diese interdisziplinäre Wissenschaft integriert Erkenntnisse aus der Psychologie, der Computerwissenschaft, der

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Linguistik, der Philosophie und der Neurowissenschaft mit dem Ziel, kognitive Phänomene umfassend zu erforschen. Dabei liegen der Kognitionswissenschaft die folgenden Grundannahmen zugrunde: Menschliches Verhalten wird durch ein komplexes System mentaler Strukturen und Prozeduren determiniert. Dieses komplexe System gliedert sich in mehrere Teilsysteme, die auf teils spezifischen, teils generellen Grundlagen beruhen. Es existieren bereichsspezifische Kenntnissysteme, die Wissen in strukturierten Repräsentationen abspeichern, auf denen regelgeleitete Operationen ablaufen. Jede beobachtbare Leistung ist demzufolge als das Resultat einer Reihe von Informationsverarbeitungsschritten aufzufassen. Im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten der Kognitiven Wissenschaft steht das Bemühen, empirisch überprüfbare Theorien zu erstellen, die Struktur- und Prozeßaspekte unserer Kognition erklären können. Dabei stellen sich folgende Fragen: Über welches Wissen muß der Mensch verfügen, um so komplexe Leistungen wie Denken und Sprechen ausführen zu können? Wie ist dieses Wissen im Gedächtnis organisiert und repräsentiert? Wie wenden wir dieses Wissen an (und welche kognitiven Prozesse laufen dabei ab)? Obgleich in der Kognitiven Wissenschaft angenommen wird, daß den sprachlichen Strukturen neurophysiologische Muster zugrundeliegen, beschäftigt sie sich primär auf einer abstrakten Ebene mit dem sprachlichen System. Dem neueren Funktionalismus folgend, werden kognitive Phänomene weitgehend losgelöst von ihrer physiologischen Grundlage im Gehirn als eigenständige mentale Entitäten beschrieben (vgl. JohnsonLaird 1987, Stillings et al. 1988). Empirie und Theorie der Kognitionsforschung umfassen heute eine kaum noch zu überblickende Fülle von Untersuchungen. Das Forschungsbild ist dabei äußerst heterogen und weist viele mieinander konkurrierende Theorien auf. Die derzeitige Forschungsdiskussion in den Kognitionswissenschaften konzentriert sich auf die allgemeine Frage nach der Organisation der menschlichen Kognition und knüpft damit an eine über die Jahrhunderte hinweg geführte Debatte an. Der Konzeption des Modularismus zufolge ist der menschliche Geist ein zu unterteilender Komplex von verschiedenen Fähigkeiten. Im Holismus dagegen wird die These vertreten, daß der Geist ein unteilbares Ganzes darstellt, das von einer Reihe fundamentaler Prinzipien determiniert wird. Ziel der holistischen Kognitionsforschung ist es, eine Reihe von universalen Prinzipien (wie Konzeptualisierung, Mustererkennung, Inferenzziehung usw.) zu finden, die allen mentalen Fähigkeiten gleichermaßen zugrundeliegen. Alle Wissenssysteme des Menschen sollen auf der repräsentationalen Ebene in einem einheitlichen Format dargestellt werden. In der neueren Forschung hat sich bezüglich der Frage nach der Organisation unserer kognitiven Fähigkeiten aber vorrangig die Modularitätskonzeption etabliert. Dieser Konzeption liegt die Annahme zugrunde, daß die menschliche Kognition ein komplexes System verschiedener Subsysteme darstellt, die sich durch bestimmte Charakteristika hinsichtlich ihrer Struktur und Funktion unterscheiden, also jeweils eigenen Ge-

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setzmäßigkeiten folgen. Die Subsysteme fungieren als Module, d.h. jedes Modul weist als kognitives Wissenssystem eine ihm inhärente Struktur auf, die sich nicht durch die Struktureigenschaften eines anderen Moduls erklären läßt. Der modulare Ansatz basiert auf Thesen, die bereits in der Neurologic des vorigen Jahrhunderts postuliert wurden (s. hierzu Marshall 1984 und Changeux 1984). Grundannahme dieser Forschung war und ist, das sich kognitive Funktionen voneinander abgrenzen und im Gehirn lokalisieren lassen. Der erste, der in seinen Arbeiten konsequent die These vertrat, daß es im menschlichen Gehirn verschiedene Funktionen gibt, die an verschiedenen Orten lokalisiert sind, war Gall (1791). Aus seinen Beobachtungen mit hirngeschädigten Patienten zeigte sich, daß bestimmte Bereiche der Kognition stark beeinträchtigt sein konnten, während andere Leistungsbereiche intakt geblieben waren. Gall verteidigte seine Modularitätsthese auch mit dem Hinweis auf die Struktur unserer peripheren Sinnesorgane: So wie verschiedene Organe in verschiedenen Teilen des Körpers lokalisiert sind, so sind geistige Funktionen als eigenständige Komponenten im Gehirn verteilt. Die Modularitätsthese besagt also, daß der menschliche Geist nach dem Prinzip der Arbeitsteilung funktioniert, d.h. so organisiert ist, daß verschiedene Subsysteme verschiedene Funktionen ausüben. Die Effektivität und die Komplexität unseres Verhaltens erklärt sich aus den wechselseitgen Beziehungen der Kenntnissysteme. Bei bestimmten Verhaltensformen interagieren verschiedene Systeme miteinander (z.B. bei einer Objektbeschreibung das perzeptuelle, das sprachliche und das konzeptuelle Wissenssystem). Eine Präzisierung des Modulbegriffs hat Fodor (1983 und 1985) in einer inzwischen vieldiskutierten Arbeit vorgenommen. Er nimmt Modularität als strukturelle und prozedurale Eigenschaft kognitiver Subsysteme an. Das gesamte Kognitionssystem beschreibt Fodor mittels dreier Mechanismen: Transduktoren, Inputsysteme und zentrale Prozesse. Transduktoren stellen sensorische Rezeptoren (also Sinnesorgane) dar, welche die äußeren Reize (Schall- oder Lichtwellen usw.) aufnehmen und Repräsentationen erstellen (z.B. ein Lichtwellenmuster auf der Retina), die als Eingabe für die Inputsysteme fungieren. Die Inputsysteme sind die eigentlichen Module der Kognition und stellen bereichsspezifische Verarbeitungssysteme dar, die auf den jeweiligen Repräsentationen der Transduktoren operieren. Die vom jeweiligen Inputsystem erstellte Repräsentation (z.B. das Bild einer Blume) kann dann den zentralen Prozessen (allgemeinen Denk- und Prob lern löseprozessen) zugänglich gemacht und konzeptuell (unter Berücksichtung des Weltwissens) bearbeitet werden können. Diese zentralen Prozesse sind Fodor zufolge schwer bzw. überhaupt nicht wissenschaftlich zu erforschen. Gegenstand exakter Untersuchungen können nur die modulartigen Inputsysteme sein, denen Fodor die folgenden wesentlichen Eigenschaften zuspricht: Sie sind bereichsspezifisch, neuronal verankert und informationell eingekapselt, d.h. sie laufen ohne Beeinflussung allgemeiner kognitiver Prozesse ab.

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Um die Zusammenhänge zwischen sprachspezifischen und allgemeinen kognitiven Prinzipien transparent machen zu können, bedarf es noch umfassender Forschung auf empirisch-experimenteller Ebene. Modularer und holistischer Erklärungsansatz haben in diesem Forschungsprozeß den Status komplexer Arbeitshypothesen. Es sprechen allerdings derzeit eine Reihe von empirischen Befunden (vor allem aus dem Bereich der Pathologieforschung) für eine modulare Organisation der menschlichen Kognition. Die in der Neuropsychologie festgestellten selektiven Ausfälle einzelner kognitiver Leistungen scheinen die Modularitätshypothese zu unterstützen (s. Ellis und Young 1990). Ziel der Forschung ist es, die Module der Kognition zu identifizieren und ihre charakteristischen Merkmale zu analysieren sowie deren Verarbeitungsweise zu beschreiben. Die in der Kognitionsforschung untersuchten Phänomene sind der direkten Beobachtung und zum Teil auch dem Bewußtsein nicht zugänglich. Organisation und Funktion der mentalen Systeme kann nur über Schlußfolgerungen aus dem tatsächlich beobachtbaren und meßbaren Verhalten erfaßt werden. Die Weiterentwicklung kognitiver Theorien ist also eng an den methodologischen Fortschritt geknüpft. Die interdisziplinäre Kognitive Wissenschaft hat entscheidend dazu beigetragen, daß neue Verfahren entwickelt wurden, welche die mentalen Black-Box-Phänomene zugänglicher machen können. Als wichtige Hilfsmittel zur Beobachtung und Messung experimenteller Daten fungieren dabei die im Rahmen der Computertechnologie entwickelten Apparaturen. Sie ermöglichen es, Einblick in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns zu nehmen. So kann man z.B. mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) die biochemischen Aktivitäten des Gehirns mit Hilfe eines bildgebenden Computers farbig wiedergeben. Mit der Methode der evozierten Potentiale (EP-Methodik) untersucht man die neuronale Aktivität bestimmter Gehirnregionen während der Verarbeitung von Informationen unterschiedlicher Komplexität und leitet somit .Potentiale ab, die mit dem kognitiven Arbeitsaufwand korreliert werden können. Auch in der Experimentalpsychologie werden neben den off-line-Methoden, die nach dem Testvorgang einsetzen und Memorierleistungen überprüfen, zunehmend on-line-Methoden verwendet, da diese während des zu beobachtbaren Vorgangs ansetzen und somit den Prozeß nicht unterbrechen oder signifikant verändern. Wichtige Einblicke in die Organisation der kognitiven Systeme erhält man derzeit durch die Untersuchungen in der Neuropathologie (vgl. 2.4.2). Für die Semantikforschung erweist sich der methodologische Fortschritt als besonders relevant. Die zunehmende Öffnung der mentalen "black box" ermöglicht differenziertere Bedeutungsanalysen. Im Bereich der semantischen Gedächtnisforschung hat vor allem die Priming-Technik wichtige Einblicke in die Organisation des Bedeutungsspeichers geben können. Es geht bei diesen Untersuchungen um die Voraktivierung von mental gespeicherten Einheiten aufgrund von semantischen oder formalen Beziehungen. Bei einem Priming-Test wird zuerst ein Prime-Wort genannt (z.B. Krankenschwester) und dann ein Zielwort (z.B. Arzt), das von der Versuchsperson (Vpn)

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daraufhin beurteilt werden soll, ob es sich um ein Wort einer bestimmten Sprache handelt. Bei dieser sogenannten lexikalischen Entscheidungsaufgabe ist die Entscheidungszeit dann kürzer, wenn das Prime-Wort in einer bestimmten Beziehung zum Zielwort steht. Man schließt daraus, daß die beiden involvierten Wörter im mentalen Lexikon durch bestimmte Relationen verbunden sind. Durch die theoretischen und empirisch-experimentellen Arbeiten der Kognitiven Wissenschaft erhält die linguistische Semantikforschung neue Impulse. Vor allem die psycholinguistischen und kognitionspsychologischen Arbeiten auf dem Gebiet des semantischen Gedächtnisses bilden Anstoß für neue Schwerpunktsetzungen bei der Erforschung sprachlicher Bedeutungen. Repräsentationale und prozedurale Aspekte inhaltlicher Strukturen werden als wichtige, nicht länger zu vernachlässigende Domänen der Semantik entdeckt.

1.3 Kognitive Semantik: Zwischen Modularismus und Holismus Im Rahmen des Kognitiven Paradigmas wird Sprache als Ausdruck einer spezifischen kognitiven Fähigkeit des Menschen untersucht. In den letzten Jahren sind zunehmend linguistische Arbeiten in den Vordergrund gerückt, die die Einbindung der sprachlichen Fähigkeiten im Kognitionssystem des Menschen berücksichtigen. Es handelt sich dabei um einen wissenschaftlichen Ansatz in der Linguistik, der einen neuen wissenschaftlichen Zugang zur Erforschung der Sprache darstellt. Diese Kognitive Linguistik ist eine auf mentalistischen Prämissen basierende Sprachtheorie, die sich als diejenige Disziplin innerhalb der Kognitiven Wissenschaft versteht, welche sich mit Sprache als einem bestimmten Teil der Kognition beschäftigt. Die Kognitive Linguistik weist gegenüber der traditionellen und der generativen Linguistik zwei grundlegende Erneuerungen auf: Sie arbeitet erstens mit einem erweiterten Kompetenzbegriff. Die sprachliche Kompetenz wird sowohl strukturell-repräsentational als auch prozedural definiert. Zweitens arbeitet sie mit einer erweiterten Methodik, indem sie externe Daten, d.h. Daten aus anderen Forschungsdisziplinen bei ihrer Theoriebildung berücksichtigt (s. Schwarz 1991). Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Angemessenheit linguistischer Theorien ist mittlerweile das der psychologischen Plausibilität (womit auch der Anspruch auf psychologische Realität verbunden ist). Eine psychologisch plausible Theorie ist eine im Rahmen unserer kognitiven Fähigkeiten mögliche Erklärung sprachlicher Phänomene (s. hierzu 2.2). In der Kognitiven Linguistik wird der Anspruch erhoben, daß es sich bei den Konstrukten ihrer Theorien nicht bloß um heuristische Fiktionen handelt, sondern um Aussagen über real existierende Entitäten unserer Kognition. Linguistische Theorien sollen nicht mehr in einem theoretischen und methodologischen Vakuum erstellt werden, sondern unter Berücksichtigung unseres Wissens über Struktur und Funktionsweise der menschlichen Kognition. Bei der Erforschung der

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menschlichen Sprachfähigkeit stellen sich innerhalb der Kognitiven Linguistik zwei zentrale Fragen: Wie ist das Sprachwissen mental repräsentiert und wie wird es in konkreten Äußerungssituationen akualisiert. Dabei soll das Verhältnis zwischen dem sprachlichen Kenntnissystems und dem Verarbeitungssystem, das sprachliche Einheiten und Strukturen in konkreten Situationen aktualisiert, genauer bestimmt werden. Es lassen sich allerdings innerhalb der Kognitiven Linguistik zwei Richtungen unterscheiden, die einen Dualismus offenbaren, der die gesamte Kognitionsforschung prägt. Modularismus und Holismus bestimmen als zwei weitgehend entgegengesetzte Positionen die Forschungsdiskussion. Vertreter des modularen Ansatzes in der Kognitiven Linguistik grenzen die Sprache als ein spezifisches Subssystem der Kognition von den anderen kognitiven Subsystemen ab. Untersuchungsgegenstand sind die genuin sprachlichen Regeln und Prinzipien, die konstitutiv für dieses Systems sind. Die in der Linguistik lange vernachlässigte semantische Komponente der Sprachfähigkeit ist vor allem von Bierwisch (1982, 1983a,1988, 1988) und Lang (1985,1988) im Rahmen des modularen Ansatzes aufgegriffen und untersucht worden. Bierwisch und Lang (1987) postulieren eine modulare, zweistufige Bedeutungsrepräsentation. Semantische und konzeptuelle Repräsentationsebene werden als zwei unterschiedliche Module der Kognition voneinander abgegrenzt. Semantische Einheiten sind an lexikalische Einheiten gebunden und werden von den Prinzipien des Sprachsystems determiniert. Das konzeptuelle System ist sprachunabhängig und stellt den Rahmen für alle Erfahrungen des Menschen dar. In einem bestimmten Kontext werden die semantischen Repräsentationseinheiten konzeptuell ausdifferenziert. Die Semantik wird als eine von UG-gesteuerten Prinzipien determinierte Komponente des sprachlichen Systems von dem allgemeinen konzeptuellen Kenntnissystem abgegrenzt. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die Beschreibung und Erklärung der inhärenten und sprachspezifischen Struktureigenschaften der semantischen Form natürlicher Sprachen. Im Zuge dieser Entwicklung ist das mentale Lexikon, das in der strukturalistischen Linguistik nur am Rande betrachtet wurde und in der generativen Grammatiktheorie als Speicherplatz sprachlicher Idiosynkrasien definiert wurde, zunehmend in den Mittelpunkt linguistischer Untersuchungen gerückt. Daß dem Lexikon wichtige strukturstiftende Funktionen zugesprochen werden müssen, ist bereits mit dem Ansatz der lexikalistischen Hypothese hervorgehoben worden. In der Kognitiven Linguistik wird diese Annahme weiter entwickelt. Zentrale Fragen der lexikalischen Semantik betreffen die Organisation und Strukturierung der Lexikonkomponente und seine Beziehung zu anderen kognitiven Wissenssystemen (s. hierzu Kapitel 5). Im Gegensatz zu der modularen Konzeption betrachten Vertreter der holistischen Kognitiven Linguistik Sprache nicht als ein autonomes Subsystem, sondern eher als ein Epiphänomen der Kognition. Das sprachliche Wissenssystem wird durch allgemeine Kognitionsprinzipien erklärt; sprachliche Strukturen sind das Ergebnis grundlegender mentaler Prozeduren. Im Ansatz der "Kognitiven Grammatik" sind Sprachfä-

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higkeit und allgemeine kognitive Fähigkeiten untrennbar miteinander verbunden (vgl. Langacker (1988a) und Lakoff (1987)). Ein formaler Beschreibungsapparat, wie er in der generativen Sprachtheorie benutzt wird, wird für die Erklärung sprachlicher Phänomene als ungeeignet angesehen. Hinsichtlich der Struktur-Funktion-Relation bei der menschlichen Sprache wird eine zu Chomsky konträre Position vertreten: Die Struktur des sprachlichen Systems läßt sich nicht von seiner Funktion trennen. Die Funktionalität der Sprache ist eine wesentliche Eigenschaft natürlicher Sprachen. Natürliche Sprachen stellen offene Systeme dar, die den Einflüssen des kognitiven Verarbeitungssystems (und seinen Determinanten) unterliegen. Die Grammatik ist wie das Lexikon einer Sprache als das Ergebnis komplexer Konzeptualisierungsprozesse zu betrachten. Unter Konzeptualisierungen versteht Langacker mentale Prozesse, die Informationen aus verschiedenen Bereichen menschlicher Erfahrung aufeinander beziehen. Beide Komponenten erfüllen deshalb repräsentationale Funktionen (vgl. Langacker 1988a). Die semantischen Ansätze der holistischen Kognitiven Linguistik zeichnen sich dabei dadurch aus, daß sie sprecherorientiert und kognitivistisch sind, d.h. sie berücksichtigen sowohl die Funktionalität als auch die die Eingebundenheit der semantischen Komponente in das Kognitionssystem. Es wird keine Trennung zwischen Semantik und Pragmatik gezogen. Den holistischen Semantiktheorien liegt ein subjektivistischer Bedeutungsbegriff zugrunde: Bedeutungen fallen mit den konzeptuellen Einheiten zusammen, in denen das allgemeine und das spezifische Wissen der Sprecher repräsentiert wird. Semantische Einheiten sind Bestandteile kognitiver Domänen, d.h. sie sind eingebunden in komplexe kognitive Strukturen, die Wissen über die Welt in geordneten Zusammenhängen abbilden. Jackendoff (1983 und 1987), der dem holistischen Ansatz zuzurechnen ist, hat eine konzeptuelle Semantiktheorie konzipiert. Jackendoff betont die enge Beziehung zwischen Linguistik und Psychologie und untersucht Bedeutungsaspekte in einem kognitionsorientierten Theorierahmen. Er löst sich vom naiven Realismus früherer Referenztheorien und weist auf den mentalen Charakter der erfahrbaren Welt hin. In Anlehnung an den kognitiven Konstruktivismus definiert er die erfahrbare Welt als eine auf die Umwelt projizierte Struktur. Der vom Kognitionssystem des Menschen konstruierten Welt liegt ein universales konzeptuelles System zugrunde, das die Erfahrbarkeit der Welt erst ermöglicht und die Struktur der projizierten Welt organisiert (Jackendoff 1983:17). Die Referenten sprachlicher Ausdrücke werden in der projizierten Welt lokalisiert und damit als mentale Phänomene gekennzeichnet. Was als Tatsache gilt, wird vom mentalen Weltmodell bestimmt. Für Jackendoff bedeutet die Annahme des mentalen Charakters von Wahrheit und Welterfahrung eine Verbesserung bzw. Erweiterung semantischer (vor allem wahrheitsfunktionaler) Ansätze, da nun auch alle Arten von Abstraktionen - als Teile der Struktur, die die Menschen der Umwelt auferlegen - in die Analyse einbezogen werden können. In diesen allgemeinen Grundzügen weisen Jackendoffs und Bierwischs Semantiktheorien eine Reihe von grundlegenden Gemeinsamkeiten auf. In einem wesentlichen Punkt aber unterscheiden

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sich die Ansätze: Bei Jackendoff fallen semantische und konzeptuelle Struktur zusammen (1983:19). Bierwisch (1982 und 1983a) dagegen postuliert eine Unterscheidung zwischen semantischer und konzeptueller Struktur und definiert die Semantik als Komponente des sprachlichen Kenntnissystems, die eigene strukturelle Gesetzmäßigkeiten aufweist. Ziel der modernen Semantikforschung ist es, die Relation zwischen diesen beiden Subsystemen der Kognition näher zu bestimmen. Linguistische Erklärungsansätze werden dabei mit dem Problem konfrontiert, daß kognitive Strukturen der Beobachtung nicht direkt zugänglich sind und daß daher die Schnittstelle zwischen semantischen und konzeptuellen Strukturen bisher nur unscharf definiert ist. Zusammenfassend lassen sich die Veränderungen und Fortschritte in der Semantikforschung folgendermaßen beschreiben: -

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Die linguistische Semantik hat in den letzten Jahren eine folgenreiche Erweiterung erfahren. Durch die Einbeziehung der Gedächtniskomponente (und die damit vollzogene Psychologisierung der Semantik) sind kognitionspsychologische Aspekte in den Vordergrund semantischer Analysen gerückt. Bedeutungen werden als kognitive Einheiten, die im mentalen Lexikon des Sprachbenutzers gespeichert sind, theoretisch und empirisch-experimentell untersucht. Die moderne Semantikforschung fragt in diesem Zusammenhang nach der Beziehung zwischen der semantischen Komponente einer Sprache und dem allgemeinen konzeptuellen Weltwissen. Der Realitätsbezug von sprachlichen Einheiten und Strukturen wird nicht mehr aus der linguistischen Referenzsemantik ausgeklammert und in den Bereich der Ontologie abgeschoben, sondern ausdrücklich in die referenzsemantischen Erklärungsansätze einbezogen. Nicht nur die Information (als die Menge der Wissenskomponenten), die in den Bedeutungseinheiten gespeichert wird, ist heute von Interesse für die Semantik, sondern auch die Art und Weise der Speicherung, d.h. der repräsentationale Aspekt von Bedeutungen. Es wird nicht mehr nur die abstrakte lexikalische Wortbedeutung beachtet. Vielmehr konzentriert sich das Interesse auf das Verhältnis zwischen lexikalischer und aktueller Bedeutung. Die Explikation dieses Verhältnisses wiederum erfordert die Berücksichtigung prozessualer Aspekte der semantischen Kompetenz. Die moderne Semantikforschung innerhalb der Kognitiven Linguistik beschäftigt sich deshalb nicht mehr nur mit den strukturell-repräsentationalen Aspekten von Bedeutungen, sondern auch mit den prozeduralen Aspekten; sie untersucht also auch die Verarbeitung von Bedeutungen in konkreten Situationen.

2. Grundzüge einer Theorie der Kognitiven Semantik 2.0 Vorbemerkungen Im folgenden Kapitel will ich Standort und Aufgaben einer Kognitiven Semantiktheorie erörtern, wobei verschiedene Argumente für einen interdisziplinären Ansatz dargestellt werden. Die hier skizzierte Konzeption einer Semantiktheorie ergibt sich aus der diese Arbeit motivierenden Überzeugung, daß bedeutende Erkenntnisfortschritte im Bereich der Semantik nur unter Berücksichtigung kognitions- und neurowissenschaftlicher Befunde erzielt werden können. Es soll gezeigt werden, daß ein enger Zusammenhang zwischen linguistischer Semantik, psychologischer Gedächtnistheorie und neurowissenschaftlicher Gehirnforschung besteht. Die Erweiterung der Methodik der bisherigen Linguistik werde ich als eine zentrale Charakteristik einer Kognitiven Semantiktheorie darstellen. Wirkliche Erneuerungen ergeben sich nicht durch die Etikettierung theoretischer Ansätze mit dem Begriff "kognitiv" und der Erstellung mentalistischer Prämissen, sondern nur durch eine methodologische Erweiterung des semantischen Forschungsansatzes. Damit stellt sich mein theoretischer Ansatz in den Rahmen der interdisziplinären Kognitionswissenschaft.

2.1 Zum Bedeutungsbegriff Die Frage nach dem Bedeutungsbegriff ist ein zentrales Anliegen jeder Semantiktheorie. Eine linguistische Semantiktheorie muß zunächst explizieren, was sprachliche Bedeutungen eigentlich sind. Der Bedeutungsbegriff ist daher stets der Ausgangspunkt und zugleich der zu analysierende Forschungsgegenstand einer Semantiktheorie. Die Annahme, daß wir heute wissen, was Bedeutungen sind, halte ich für einen verfrühten Optimismus (s. von Stechow 1988:6). Die Schwierigkeiten, die mit einer Definition von Bedeutung verbunden sind, zeigen sich schon, wenn man einen Blick auf die der Forschung vorliegenden vielfältigen und konträren Definitionsvorschläge wirft. Bei allem Fortschritt in der Semantikforschung sind wir von einer exakten und umfassenden Bedeutungsdefinition doch noch weit entfernt. Bierwisch (1979, 1983a) hat versucht, den Bedeutungsbegriff differenzierter zu definieren. (5)

(((ins(phon, syn, sem)) et, m) ias, ks)

Eine Äußerung hat eine grammatische Struktur, deren semantische Komponente durch sem gebildet wird. Sem ist in Zusammenhang mit der syntaktischen Struktur syn und der phonologischen Struktur phon zu sehen. Die Äußerung ist eine physikalisch be-

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schreibbare Einheit ins. Die grammatische Interpretation von der Äußerung wird durch das Kenntnissystem der Grammatik ermöglicht. Sem stellt die grammatisch determinierte Bedeutung dar (und entspricht der Intension in logischen Semantiktheorien). Hiermit wird aber nur ein bestimmter Teil der Bedeutung erfaßt. In einem bestimmten Kontext bezieht sich die Äußerung auf einen konkreten Sachverhalt und hat somit eine aktuelle Bedeutung m (abhängig vom Kontext et), die der aktuellen Extension bzw. Referenz entspricht. Die kontextabhängige Interpretation wird durch das konzeptuelle System determiniert. Dieses System stellt Kenntnisse über Objekte und Sachverhalte dar. Schließlich hat jede Äußerung in einer speziellen Interaktionssituation ias auch eine besondere kommunikative Funktion. So kann der Satz ich komme als Versprechen oder Drohung gemeint sein. Dieser kommunikative Sinn ks wird durch die Kenntnisse von Interaktionssituationen realisiert. Im folgenden sollen in dieser Arbeit nur Aspekte von sem und m berücksichtigt werden, also lexikalische und aktuelle Bedeutung. Allgemeiner Ausgangspunkt für den hier vertretenene Ansatz ist ein in der neueren Forschung weit verbreitetes Zeichenkonzept (das sich an das semiotische Dreieck von Ogden und Richards (1923) anlehnt). Sprachliche Zeichen umfassen zum einen Inhalt und Ausdruck. Zwischen Ausdruck und Inhalt besteht ein arbiträres Verhältnis, d.h. die beiden Komponenten sind konventionell aneinander geknüpft. Ergebnisse der neueren Forschung legen dabei die Vermutung nahe, daß die formale und die inhaltliche Repräsentation eines Wortes im mentalen Lexikon nicht im Sinne de Saussures untrennbar miteinander verbunden sind, sondern vielmehr separat abgerufen werden können (s. hierzu Kapitel 5). Während die Ausdrucksseite eines sprachlichen Zeichens eine wahrnehmbare Form hat, stellt die Inhaltsseite ein mentales, der Beobachtung nicht zugängliches Phänomen dar, das mittels heuristischer Verfahren ermittelt werden muß. Bedeutungen sind mentale Einheiten, die Informationen im internen Modus der Kognition auf eine bestimmte Art repräsentieren. Ich gehe davon aus, daß die menschliche Kognition (im Sinne einer weiten Definition, die auch perzeptuelle Leistungen zur Kognition zählt) mit zwei fundamentalen Repräsentationsmodi operiert: Im externen Modus erfahrbare Repräsentationen stellen Wahrnehmungen dar, die als außerhalb und unabhängig vom menschlichen Organismus erlebt werden; Repräsentationen im internen Modus werden als mentale Entitäten erfahren (s. hierzu Kapitel 3). Die an bestimmte Formen geknüpften Bedeutungen ermöglichen die Vermittlung geistiger Strukturen im Kommunikationsakt. Dabei wird das von einem Sprecher individuell Gemeinte für einen Hörer verständlich gemacht. Mittels sprachlicher Zeichen können sich die Kommunikationsteilnehmer auf Objekte ihrer Umwelt beziehen und somit eine Relation zwischen Welt und Sprache etablieren. Die an die Semantik einer Sprache geknüpfte Symbolfähigkeit ist dabei nicht nur ein Charakteristikum der Lautsprache. Gehörlose verfügen mit den formalen Einheiten und Strukturen der Gebärdensprache über ein ebenso komplexes Repräsentationssystem zur Darstellung mentaler Inhalte.

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In der Kognitionspsychologie werden lexikalische Wortbedeutungen und Konzepte meistens gleichgesetzt (vgl. Klix 1982, Engelkamp 1985a). Diese Auffassung wird auch in den Semantiktheorien der holistischen Linguistik vertreten. Im Laufe dieser Arbeit sollen aber Argumente und empirische Befunde für die These erbracht werden, daß lexikalische Bedeutungen und konzeptuelle Einheiten nicht identisch sind. Bedeutungen beziehen zwar ihre Inhalte aus den Konzepten, fallen aber nicht notwendigerweise mit diesen zusammen. Von Bedeutung wird deshalb im folgenden nur dann gesprochen, wenn es sich um eine mentale Einheit handelt, die im Langzeitgedächtnis an eine phonologische Repräsentation und ein syntaktisches Subkategorisierungsraster gebunden ist. Daß der Bezug, d.h. die Referenz auf ein Objekt gelingt, liegt an den Fähigkeiten der Sprecher und Hörer einer Sprachgemeinschaft, Bedeutungen aus ihrem mentalen Lexikon abzurufen, welche die Informationen bereitstellen, um Objekte als Mitglieder von bestimmten Kategorien (im Sinne von Klassen von Objekten) identifizieren zu können. Bedeutungskonstitution und Referenz sind also eng an die menschliche Fähigkeit der Kategorisierung geknüpft (vgl. hierzu auch Jackendoff 1983). Referenz ist nicht prinzipiell an perzeptuelle Wahrnehmungssituationen gebunden. Mittels sprachlicher Ausdrücke kann auch auf vergangene, zukünftige, imaginal-vorgestellte und fiktive Entitäten Bezug genommen werden. Ebenso können Handlungen, Klassen von Entitäten, Eigenschaften und Zustände als Referenten von Äußerungen fungieren. Die Frage, wie wir uns qua Bedeutungen mit sprachlichen Ausdrücken auf Gegenstände (im weitesten Sinne) beziehen können, involviert daher die Frage, wie Menschen Welt(en) als Referenzbereiche erfahren und konstruieren können. Man kann jetzt drei Aspekte unterscheiden, die mit dem Bedeutungsbegriff verknüpft sind: 1) den Bedeutungsinhalt, d.h. die Menge aller semantischen Informationen, die im mentalen Lexikon gespeichert sind und das semantische Potential eines Sprachausdrucks darstellen, 2) die Repräsentation, d.h. die Art und Weise der Speicherung im Lexikon, 3) die Verarbeitung, d.h. die Aktualisierung der Bedeutungsrepräsentation in bestimmten Referenzsituationen. Bei (1) ergibt sich die Schwierigkeit, genau festzulegen, was zum Inhalt einer lexikalischen Bedeutung zu zählen ist. Ein weiterer Aspekt betrifft die formale Seite von Bedeutungen, d.h. ihre Kopplung an morpho-phonologische und syntaktische Repräsentationen. (2) wirft die Frage auf, ob Bedeutungen holistisch oder analytisch, netzwerkartig oder prozedural repräsentiert sind, und (3) schließlich betrifft das Problem, welche Inhaltselemente einer sprachlichen Mitteilung auf die lexikalische Bedeutung und welche auf spezifische Kontextfaktoren in der jeweiligen Situation zurückzuführen sind. Ein grundlegendes Problem stellt dabei die Zuordnung von sem zum Grammatiksystem und von m zum konzeptuellen System dar. Ich werde im Laufe meiner Ausfüh-

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rungen zu zeigen versuchen, daß eine eindeutige Zuordnung von sem zum grammatischen Kenntnissystem nicht möglich ist und daß m zwar von konzeptuellen Einheiten determiniert wird, diese Determination aber differenzierter epliziert werden muß. Die Unterscheidung in eine lexikalische und eine aktuelle Bedeutung wirft ein zentrales methodisches Problem auf. Wie können wir Aufschluß über die lexikalischen, kontextunabhängigen Bedeutungen erhalten? Verläßt man sich auf die Introspektion, so stößt man auf ein hohes Maß an Subjektivität. Die semantische Definition einer Bedeutungseinheit kann von Forscher zu Forscher ganz erheblich variieren. Auch Informantenbefragungen lassen ein hohes Maß an Variabilität und Subjektivität erkennen. Es liegen daher auch keine verbindlichen Bedeutungsumschreibungen vor. Alle semantischen Analysen von lexikalischen Bedeutungen sind stets nur Approximationen. Jeder Versuch einer Bedeutungsdefinition stößt auf das Problem, den Bedeutungsinhalt objektiv und eindeutig mit notwendigen und hinreichenden Komponenten zu bestimmen. Die semantischen Informationen, die in jeder kontextuellen Lesart vorkommen und nicht aus der Äußerungsbedeutung zu streichen sind, ohne daß sich eine semantische und/oder kommunikative Inkompatibilität zeigt, sollen Posner (1979) und Reis (1980) zufolge als Bestandteile der lexikalischen, wörtlichen Bedeutung angesehen werden. Die Erforschung der kontextunabhängigen Bedeutungsmerkmale ist demnach Aufgabe der Semantik, die Untersuchung der kontextspezifischen Variationen fällt in den Bereich der Pragmatik. Um das Postulat der Streichbarkeit für pragmatische Implikationen kurz zu verdeutlichen: (6) Ich habe Hunger. (7a) Aber ich bin nicht hungrig. (Tb) Aber das soll nicht bedeuten, daß du mir etwas zu essen machen sollst. (7a) läßt sich nicht äußern, ohne daß ein Widerspruch entsteht, während die rein kommunikative Implikatur (Tb) durchaus streichbar ist. Daß dieses Prinzip nicht durchgängig wirksam ist, zeigen die folgenden Beispielsätze: (8) (9)

Ich habe einen Vogel. Aber er kann nicht fliegen. Das ist ein Füller. Aber er schreibt nicht.

Eigenschaften, die normalerweise zur wörtlichen Bedeutung eines Wortes gehören, können durchaus durch verbale Zusätze gestrichen werden. Das Kriterium der Streichbarkeit ist also nicht immer geeignet, semantische und pragmatische Informationseinheiten abzugrenzen. Auch das Kriterium der Invariabilität, demzufolge die Inhaltselemente der wörtlichen Bedeutung immer in allen Kontextklassen beteiligt sind, stößt auf Schwierigkeiten: Die Methode des kontextuellen bzw. situativen Vergleichs ist nämlich empirisch ein nur sehr schwer zu realisierendes Unterfangen. Sie setzt eine umfassende Typologisierung von Kontexten voraus, und die steht angesichts einer po-

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tentiell unendlichen Menge von Kontexten noch lange aus. Hinzu kommt, daß Inhaltselemente, die typische Merkmale der lexikalischen Bedeutung darstellen, in bestimmten Kontexten außer Kraft gesetzt werden können (s. hierzu Kap.6). Die Abgrenzung von Semantik und Pragmatik bleibt ein schwieriges Unterfangen (vgl. hierzu auch Levinson 1983). Es müssen einerseits Grundbedeutungen im Lexikon gespeichert sein, da wir uns sonst in kommunikativen Interaktionen nicht verständigen könnten. Wenn man diese aber mit den Äußerungsbedeutungen gleichsetzt, wird der häufig anzutreffende Unterschied zwischen dem subjektiven Meinen und dem konventionellen Bedeuten nivelliert. Auch dem Einfluß kontextueller Faktoren bei der Bedeutungsinterpretation wird damit nicht Rechnung getragen. Bei einer strikten Trennung beider Bereiche wiederum entsteht eine künstlich evozierte Situation, die der tatsächlichen Sachlage nicht gerecht wird. Wir stoßen dann auf das Problem, das Verhältnis der beiden Bedeutungsarten näher bestimmen zu müssen. Zugänglich sind uns immer nur die in konkreten Situationen etablierten aktuellen Bedeutungen, daher ist der empirische Ausgangspunkt für semantische Analysen stets die Pragmatik. Auch das Konstrukt des neutralen Kontextes (das in sich bereits widersprüchlich ist, da ein Kontext per se nie neutral ist) ist auf der Ebene der Pragmatik anzusiedeln, da es bei seiner Anwendung wie alle anderen heuristischen Verfahren den Beschränkungen (wie Kapazitätsgrenzen) der menschlichen Introspektion unterliegt. In der modernen Semantikforschung ist man sich über die Vorgehensweise bei der Bedeutungsanalyse uneins: Die Wortschatzposition schlägt ein deduktives Verfahren vor, indem sie von abstrakten und kontextunabhängigen Bedeutungen ausgeht und die aktuellen Lesarten daraus jeweils nach dem Kontext ableitet, während die Kontextposition sich an den kontextabhängigen aktuellen Bedeutungen orientiert und die invariante Bedeutung aus den möglichen Äußerungsbedeutungen abstrahiert (vgl. u.a. Rieser 1985). Alle derzeitigen semantischen Verfahren im Bereich der Linguistik liefern uns allenfalls Approximationen an die lexikalische Bedeutung. Alle Möglichkeiten eines empirischen Zugangs zu der Bedeutungsrepräsentation und Verarbeitung sollten deshalb ausgeschöpft werden. Nur ein integrativer Ansatz, der sowohl induktive als auch deduktive Arbeiten zuläßt, kann weitere Erkenntnisfortschritte erbringen. Dabei sollen auch empirische Befunde als Grundlage für theoretische Modellvorstellungen dienen können.

2.2 Die Relevanz der prozeduralen Kompetenz Es wird in der Kognitionsforschung allgemein unterschieden zwischen Struktur- und Prozeßaspekten. Dabei findet sich seit Chomsky (1965) eine traditionelle Arbeitsaufteilung, derzufolge die Strukturaspekte des sprachlichen Systems von der Linguistik und die Prozeßaspekte von der Psycholinguistik untersucht werden. In der Kognitiven Linguistik wird die Sprachfähigkeit des Menschen jedoch sowohl strukturell (als

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mentales Kenntnissystem) als auch prozedural (als Verarbeitungsprozessor) definiert. Man arbeitet also mit einem erweiterten Kompetenzbegriff. Die Rezeption und die Produktion sprachlicher Einheiten und Strukturen wird durch das Sprachverarbeitungssystem ermöglicht. Zwar sprechen empirische Befunde aus der Pathologie dafür, daß Kenntnissystem und Realisierungsmechanismen separat gestört sein können, doch ist dies kein zwingender Grund für die strikte Trennung beider Untersuchungsbereiche. Die Leistungsfähigkeit der semantischen Komponente beruht sowohl auf dem intakten sprachlichen Kenntnissystem als auch auf dem funktionstüchtigen Prozeßsystem, das die entsprechenden Leistungen realisiert. Die prozedurale Kompetenz ermöglicht erst die Aktualisierung und Verwendung der sprachlichen Kenntnisse. Gerade die in der Pathologie beobachtbaren Ausfallerscheinungen verdeutlichen, daß die Anwendung linguistischer Kenntnisse von einer intakten prozeduralen Kompetenz abhängig ist. Es erscheint deshalb durchaus sinnvoll zu sein, die Realisierungsmechanismen (im Sinne von zeitunabhängigen, im Kognitionssystem verankerten Prozeduren) zur Kompetenz zu rechnen. Um die Funktionalität des Prozessors beschreiben zu können, bedarf es der Berücksichtigung real-zeitlicher Aspekte und gedächtnisfunktionaler Faktoren. Die in der Linguistik lange als Performanzfaktoren ausgeklammerten Phänomene der Kapazität und der Aufmerksamkeit erweisen sich hierbei als konstitutive Regularitäten der prozeduralen Kompetenz. Sehr global formuliert, stellt die prozedurale Kompetenz die Bedingungen der Möglichkeit semantischer Verarbeitung und Interpretation dar. Über semantische Kompetenz Sem zu verfügen, bedeutet für einen Sprecher s einer Sprache S, daß er ein Wissenssystem semr aktivieren kann, das die Bedeutungen der Wörter seiner Sprache repräsentiert. Die Aktivation von semr erfolgt mittels semp, dem prozeduralen System, das die Realisierungsmechanismen für einen situationsadäquaten Gebrauch (sowohl rezeptiver als auch produktiver Art) bereitstellt. Sem legt die Möglichkeit fest, mittels sprachlicher Einheiten und Strukturen auf Referenzbereiche Bezug zu nehmen bzw. Referenzbereiche zu konstituieren. Weiterhin stellt Sem Strategien zur Verfügung, mittels derer s die Bedeutung von Sätzen aus der Bedeutung ihrer Konstituenten errechnen kann. Ferner kann s vermöge Sem semantische Relationen zwischen Wörtern und Sätzen bestimmen, Anomalien erkennen, Paraphrasen erstellen usw. Die Bedeutungsproblematik erfordert als Untersuchungsgegenstand die Behandlung der folgenden Fragen: -

Wie sind die lexikalischen Bedeutungen im Gedächtnis repräsentiert? Wie werden die Lexikoneinheiten in Äußerungssituationen aktiviert? Nach welchen Prinzipien verläuft der Bezug auf die Welt?

Ich werde drei wichtige Untersuchungsbereiche unterscheiden, die jedoch eng miteinander verbunden sind: Repräsentations-, Prozeß- und Referentialitätsproblematik. Diese Bereiche stehen in einem engen Zusammenhang mit der Problematik des men-

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talen Lexikons, das in den letzten Jahren in den Vordergrund der linguistischen Forschung gerückt ist. Das mentale Lexikon ist der Teil des Langzeitgedächtnisses, in dem alle Informationen über die Wörter einer Sprache gespeichert sind. Bei der Sprachverarbeitung werden diese Informationen aktiviert und abgerufen. Die Explikation der semantischen Verarbeitung erfordert somit genauere Angaben über die Organisation dieses Speichers. Die bisherigen Semantiktheorien haben sich vorzugsweise mit sprachinternen Bedeutungsaspekten, semantischen Relationen und dem Kompositionalitätsprinzip auseinandergesetzt. Ich werde in dieser Arbeit zeigen, daß die integrative Erforschung der repräsentationalen, referentiellen und prozeduralen Aspekte von besonderer Relevanz für das Verständnis der semantischen Kompetenz ist.

2.3 Zu den Aufgaben der Semantiktheorie Es ergeben sich im Rahmen der drei genannten Bereiche eine Reihe von spezifischen Fragen: -

-

Läßt sich das mentale Lexikon als ein Submodul des sprachlichen Kenntnissystems beschreiben? Lassen sich semantische und enzyklopädische Informationen bei der Darstellung lexikalischer Bedeutungen voneinander abgrenzen? Welche Beziehung besteht zwischen den semantischen Strukturen einer Sprache und den allgemeinen konzeptuellen Strukturen des menschlichen Kognitionssystems? Welche Faktoren determinieren den Prozeß der Bedeutungskonstitution? Nach welchen Prinzipien werden lexikalische Bedeutungen auf Äußerungsbedeutungen abgebildet? Inwieweit können kontextuelle Faktoren das Primat der wörtlichen Bedeutung - als lexikalisches Grundprinzip - modifizieren oder ersetzen?

Dieser Fragenkatalog ist natürlich noch erweiterbar; er umreißt aber die wesentlichen Aspekte, mit denen sich die Semantik im Rahmen einer Kognitiven Linguistik beschäftigen muß. Die im einzelnen genannten Probleme lassen sich zusammengefaßt dem zentralen Untersuchungsgegenstand der Semantiktheorie zuordnen, der semantischen Kompetenz.

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2.4 Adäquatheitsbedingungen für eine kognitive Semantiktheorie Jackendoff (1983) hat bereits einige Bedingungen genannt, die eine Semantiktheorie erfüllen muß: - Universalität: Da Sprachen (weitgehend) ineinander übersetzbar sind, müssen die Einheiten der Semantik universal sein. - Ausdrückbarkeit: Eine Semantiktheorie muß in der Lage sein, alle Relationen, die in einer natürlichen Sprache bestehen, auszudrücken. - Beschreibung semantischer Eigenschaften: Eine Semantiktheorie muß semantische Eigenschaften von Äußerungen (wie Synonymie) beschreiben und erklären können. - Postulat der Kompositionalität: Die Semantiktheorie muß den Mechanismus beschreiben und erklären können, der es gestattet, die Bedeutung eines Satzes aus der Bedeutung seiner Teile zu errechnen. Diese Anforderungen müssen aber noch um einige Adäquatheitsbedingungen erweitert werden: die Postulate der ontogenetischen, neuronalen, prozeduralen und repräsentationalen Adäquatheit. Jede kognitive Semantiktheorie muß eine Erklärung und Beschreibung der Prinzipien liefern, die für den Aufbau und die Organisation des mentalen Kenntnissystems im LZG verantwortlich sind. Das Postulat der ontogenetischen Adäquatheit fordert eine Erklärung für den Erwerb semantischer Einheiten und Relationen. Jede kognitive Semantiktheorie muß die biologischen Beschränkungen mentaler Repräsentationen und Prozesse berücksichtigen. Das Postulat der neuronalen Adäquatheit verlangt die Einbeziehung neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse bei der Erstellung semantischer Modelle und Theorien. Jede kognitive Semantiktheorie muß beschreiben und erklären, wie Bedeutungen im Gedächtnis repräsentiert sind, d.h. in welchem Format sie gespeichert werden. Das Postulat der repräsentationalen Adäquatheit legt fest, daß Repräsentationsmodelle von Bedeutungen mit gedächtnispsychologischen Prinzipien kompatibel sein sollen. Jede kognitive Semantiktheorie muß das Verhältnis von lexikalischer und aktueller Bedeutung spezifizieren. Um diese Spezifizierung leisten zu können, bedarf es einer Beschreibung und Erklärung der Bedeutungskonstitution, d.h. des Prozesses, der von einer abstrakten, im Lexikon gespeicherten Bedeutung zu einer konkreten, in einer bestimmten Situation etablierten Bedeutung führt. Damit ergibt sich mit dem Postulat der prozeduralen Adäquatheit die Notwendigkeit, Aspekte der prozeduralen Kompetenz bei der semantischen Theoriebildung zu berücksichtigen.

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2.5 Semantiktheorie und neuropsychologische Realität 2.5.1 Neuronale und mentale Ebene: Das Korrelationsproblem Die Bedeutung neuronaler Strukturen und Prozesse für die Semantik und für die gesamte Kognition des Menschen scheint auf den ersten Blick klar zu sein. Niemand zweifelt heute noch ernsthaft daran, daß die Struktur des menschlichen Gehirns die Grundlage für alle mentalen Fähigkeiten ist. Ein Blick auf die Forschungssituation jedoch zeigt, daß neurowissenschaftliche und kognitionswissenschaftliche Ansätze ohne Verbindungspunkte aneinander vorbei laufen und die Gehirnfunktionen des Menschen auf zwei verschiedenen, anscheinend wenig kompatiblen Ebenen beschrieben werden. Der kognitivistische Ansatz erstellt Modelle, die Struktur- und Prozeßaspekte mentaler Phänomene auf einer abstrakten und von der materiellen Grundlage losgelösten Ebene beschreiben. Im Rahmen der neurophysiologischen Forschung steht dagegen gerade die physische Basis im Vordergrund, die mittels neurobiologischer Explikate beschrieben wird. Allein die Diskrepanzen in der Terminologie und in der Modellierung der zu erklärenden Phänomene scheinen eine Annäherung beider Richtungen zu verhindern. Jeder Versuch einer angemessenen Integration stößt zudem unweigerlich auf das Problem einer Korrelationsmöglichkeit beider Ebenen und damit auf das alte Geist/Körper-Problem. Die Frage, in welchem Verhältnis materielle Grundlage und geistige Fähigkeit zueinander stehen, konnte bis heute trotz der bahnbrechenden Ergebnisse der Neurowissenschaften nicht beantwortet werden. In der Kognitiven Wissenschaft und in der Kognitiven Linguistik wird ein Funktionalismus vertretenen, demzufolge mentale Phänomene unabhängig von ihrer physiologischen Basis untersucht werden können. Der starke Funktionalismus geht davon aus, daß mentale Zustände mit funktionalen Zuständen identisch sind. Damit wird die Funktionalität des Gehirns (im Gegensatz zu seiner Anatomie) als ein Charakteristikum des menschlichen Bewußtseins angesehen und von ihrem biologischen Substrat völlig abgelöst. Hiermit wird ein radikaler Dualismus postuliert, der die logische Möglichkeit der Existenz von nicht-materiellen Realisierungen abstrakter und rein funktionaler Systeme nicht ausschließt (s. Popper/Eccles 1977, Putnam 1982). Der schwache Funktionalismus ist methodologischer Art und verwendet die ComputerMetapher nur als ein heuristisches Mittel bei der Erforschung mentaler Phänomene (s. Chomsky 1988). In Analogie zum Computer verhält sich demnach der Geist zum Gehirn wie das Programm zur Maschine. Dadurch grenzt man sich von einem Physikalismus ab, der alle mentalen Phänomene auf der Ebene der Neurophysiologie beschreiben und erklären will und so die funktionalen Eigenschaften weitgehend eliminiert. In diesem Sinne setzt Changeux (1984) geistige Ereignisse mit materiellen Ereignissen gleich. In der stärksten Version dieses Physikalismus (dem Type-Physikalismus) entspricht jedem einzelnen mentalen Zustand ein physischer, d.h. es wird eine

30 strikte Identität zwischen neuronaler und mentaler Ebene postuliert. Das Korrelationsgesetz zwischen beiden Ebenen läßt sich demzufolge als das einer strikten Kausalität bestimmen. Searle (1986) betrachtet geistige Phänomene ebenfalls als Eigenschaften des Gehirns, die auf der Ebene der neurophysiologischen Aktivität verursacht werden. Die Kognition wird direkt aus der Organisation des Gehirns abgeleitet. Searle verdeutlicht dies in einer Analogie aus dem Bereich der Physik: Elementare Einheiten der Mikroebene (z.B. Moleküle) bestimmen die Makroeigenschaften von Dingen (z.B. Festigkeit eines Tischs). In diesem Sinne stellen geistige Objekte und Aktivitäten Makroeigenschaften des Gehirns dar, die sich aus den Mikroeinheiten auf der neuronalen Ebene ergeben. Zwar gibt es auch für ihn zwei Beschreibungsebenen für mentale und neuronale Vorgänge, doch auf beiden Ebenen operieren "dieselben Kausalkräfte des Systems" (Searle 1986:25). Diese Kausalkräfte können aber keine adäquate Erklärung für die spezifischen Charakteristika mentaler Einheiten und Strukturen geben. Daß eine Materie/Geist-Beziehung besteht, ist beim gegenwärtigen Kenntnisstand m.E. unbestreitbar, aber wie das Mentale aus dem Physischen entstehen kann, ist bis heute nicht erklärt. Weder ein monistisch-physikalistischer noch ein dualistisch-funktionalistischer Ansatz bieten eine Lösung für das Problem an, daß kognitive Leistungen einerseits an die materielle Struktur des Gehirns gebunden sind, andererseits aber durch die Organisationsprinzipien dieser Ebene nicht adäquat beschrieben werden können. Bedeutungen sind in neurophysiologischer Sicht unbestritten nichts anderes als neuronale Erregungsmuster (vgl. Kap.3). Mit dem neurowissenschaftlichen Begriffsinventar und den derzeitigen biologischen Modellen lassen sich aber relevante Aspekte von Bedeutungen - als mentalen Entitäten, die sie ebenfalls unzweifelhaft sind - nicht erfassen. Wie will man beispielsweise in der Terminologie der Neurophysiologie den Unterschied zwischen der Repräsentation konkreter und abstrakter Bedeutungen diskutieren oder den nicht zu leugnenden Einfluß kontextueller Faktoren auf die Bedeutungskonstitution im Sprachverarbeitungsprozeß mittels neuronaler Musteraktivierung erklären? Nur auf einer abstrakten Modellebene kann dies geleistet werden. Der Übergang oder Sprung von der Neurophysiologie zur Kognition ist damit aber auch nicht erklärt. Es scheint, daß wir hier beim gegenwärtigen Forschungsstand auf eine erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Aporie stoßen und mit einem methodologischen Kompromiß arbeiten müssen. Ich schlage im folgenden einen emergentistischen Ansatz als heuristische Ausgangsposition für diese Problematik vor, der sowohl physikalistische als auch funktionalistische Aspekte berücksichtigt. Es wird eine Korrespondenz zwischen neuronalen und mentalen Ereignissen angenommen, nicht aber eine l:l-Isomorphie. Die menschliche Kognition ist demnach eine komplexe Organisationseinheit mit emergenten Systemeigenschaften. Emergente Eigenschaften zeichnen sich dadurch aus, daß sie selbst nicht mehr vollständig auf die Ebene zurückführbar sind, aus der sie entstanden sind, ohne ihre spezifischen Gesetzmäßigkeiten zu verlieren (s. hierzu auch Sperry

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1985, Oeser/Seitelberger 1988). Neuronale und mentale Eigenschaften der Kognition sind im Rahmen einer Hierarchie von Struktur- und Funktionsebenen zu betrachten. Mentale Phänomene weisen als emergente Eigenschaften auf einer höheren Ebene Charakteristika auf, die auf der niedrigeren neuronalen Ebene nicht zu finden sind. Die Reduktion dieser Eigenschaften bedeutet die Eliminierung ihrer Charakteristika. Neuronale Zustände und Ereignisse sind zwar notwendige, nicht aber hinreichende Bedingungen für die Explikation mentaler Phänomene. An das Emergenzkonzept geknüpft ist damit auch der gestaltpsychologische Gedanke, daß das Ganze etwas anderes ist als die Summe seiner Teile. Die Abhängigkeit der mentalen von der physikalischen Ebene bleibt erhalten derart, daß sich die mentalen Eigenschaften eines Systems nicht verändern können, ohne daß sich die physikalischen Eigenschaften ändern. Doch eine völlige Reduzierbarkeit der Kognition auf die Materie ist durch das Emergenz-Konzept ausgeschlossen. Im Laufe der Arbeit werde ich zeigen, inwiefern mentale Phänomene (wie prozessuale Serialität und strukturelle Modularität) Funktionen neuronaler Musteraktivitäten darstellen. Mentale Eigenschaften sind funktioneile Derivate der neuronalen Gehimvorgänge. Ein solcher Ansatz erlaubt das Aufeinanderbeziehen von physiologischer und mentaler Ebene, ohne in einen reduktionistischen Physikalismus oder dualistischen Funktionalismus zu verfallen. Es bleibt noch Aufgabe der zukünftigen Forschung zu klären, inwieweit ein Prinzip der nach unten gerichteten Kontrollgewalt, wie Sperry (1985) es annimmt, durchgängig anzutreffen ist. Demzufolge üben mentale Fähigkeiten Einfluß auf die neuronalen Gehimvorgänge aus. Die Befunde der psychosom a tischen Medizin scheinen die kausale Kraft mentaler Zustände und Vorgänge auf die körperliche Eigendynamik zu bestätigen. Damit stößt man auf eine Interaktionstheorie, die dem Mentalen eine aktive und das neuronale Geschehen determinierende Rolle zuspricht. Daß eine wechselseitige Interaktion zwischen neuronaler und mentaler Ebene besteht, nehme ich auch an; ich kann aber beim gegenwärtigen Stand der Forschung keine näheren Angaben zur Art dieser Interaktion geben. Mit dieser Konzeption stehe ich auch in Einklang mit der in der modernen Psychokybernetik vertretenen Erklärung des Verhältnisses zwischen physikalischer und geistiger Ebene. Dort wird eine Triplexität von Träger, Muster und Bedeutung als Lösungsstrategie für das Leib-Seele-Problem vorgeschlagen (s. Benesch 1988). Träger sind die neuronalen Strukturen im Gehirn und Bedeutung die mentalen Eigenschaften. Zwischen diesen beiden Ebenen fungieren die Muster als Vermittler (mediale Instanzen). In den neuronalen Musterbildungen (axonaler Rhythmus und synaptische Figuration) stecken immaterielle Bedeutungen. Allerdings bleibt hier trotzdem das Problem, den qualitativen Sprung von den Mustern zu den Bedeutungen zu erklären (zudem ist die Abgrenzung von Trägern und Mustern schwierig). Tentativ soll hier zunächst die These vertreten werden, daß ein humanspezifisches und universales Prinzip die Kluft zwischen neuronaler und mentaler Ebene (sowie in-

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nerhalb der Aktivationsstufen der mentalen Ebene) überbrückt: das Projektionsprinzip. Dem menschlichen Organismus ist die Fähigkeit gegeben, seine materiell kodierten Repräsentationen auf höhere, d.h. kontrollierbarere Ebenen zu projizieren. Diese Projektion erfolgt durch Zuschaltung einer modalitätsunspezifischen Aktivati onskomponente. Er ist dadurch in seiner Verhaltenssteuerung flexibler und (selbstbewußter als andere Spezies. Die Repräsentationen auf der neuronalen Ebene sind keine abbildenden, informationsdarstellenden Strukturen, sondern molekular verankerte Programme, die für das menschliche Bewußtsein nicht erfahrbar sind. Nur durch die potentielle Projizierbarkeit der Funktionen dieser Programme auf ein höheres Aktivationsniveau werden bewußt erfahrbare und damit bearbeitbare Repräsentationen ermöglicht (s. hierzu auch 3.4 und 6.3). Diese potentielle Kontrollierbarkeit repräsentationaler Entitäten hängt mit der vom Menschen erlebbaren Trennung von Geist, Körper und Welt zusammen.

2.5.2 Zur Relevanz externer Daten Wirft man einen Blick auf die in der Linguistik postulierten Semantiktheorien, so fällt auf, daß viele dieser Theorien gegenüber empirischen Anforderungen weitgehend immun sind und oft bei der intuitiven semantischen Beurteilung von Beispielsätzen und Wörtern verharren. Damit bleiben diese Ansätze im Rahmen der linguistischen Methodik des Rationalismus, Der den Theorien zugrundeliegende Anspruch auf kognitive Realität ist somit nur eine wissenschaftliche Prämisse, die aber kaum Einfluß auf die Methodik nimmt. Das erhobene Postulat der neuropsychologischen Realität ist also lediglich eine programmatische Formel. Der Begriff "psychologische Realität" ist in der Forschung nicht einheitlich definiert. Es sind grundsätzliche methodologische Fragen an seine Klärung geknüpft, die ich hier kurz diskutieren will. In der empirisch ausgerichteten Forschung spricht man einem theoretischen Konstrukt psychologische Realität zu, wenn man es mit einem empirischen Korrelat verbinden kann. Dies ist in der Semantik nur sehr indirekt möglich, da die Strukturen dieses mentalen Systems nicht beobachtbar sind. Empirisch-experimentelle Befunde (wie Reaktionszeiten, Memorierleistungen usw.) dienen als Indikatoren für die Existenz bestimmter Struktureigenschaften. Für einen Rationalisten wie Chomsky, in dessen Tradition die moderne linguistische Methodologie steht, sind nicht die experimentellen Befunde (die als Performanzdaten eingestuft werden) ausschlaggebend, sondern die explanatorische Stärke der Hypothesen einer Theorie. Die fundamentale Annahme des mentalistischen Rationalismus ist es, daß sprachliche Phänomene in einem kognitivistischen Sinn real sind, indem sie Teil einer über die Introspektion zugänglichen internen Grammatik sind. Die sprachlichen Beispiele stellen dabei die Daten zur Verifikation oder Falsifikation der erstellten Hypothesen dar.

33 Gerade im semantischen Bereich aber sind Introspektion und Informantenbefragung unzureichende Verfahren zur Ermittlung struktureller und prozeduraler Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien. Die Möglichkeiten unseres reflektierenden und hypothesensetzenden Bewußtseins sind stark eingeschränkt. Aus einer Vielzahl von Untersuchungen weiß man inzwischen, daß ein großer Teil unserer semantischen Strukturen und Prozesse, die dem Bewußtsein verschlossen bleiben, andere Charakteristika (hinsichtlich ihrer informationellen und prozessualen Kapazität) besitzen als bewußt erfahrbare mentale Einheiten (s. hierzu ausführlich Kapitel 6). Das cartesianische Vertrauen auf die Introspektion engt m.E. die Methodik der Systemlinguistik erheblich ein. Nur der gezielte Einsatz von experimentellen Methoden und diagnostischen Verfahren kann über die Repräsentation, Strukturierung und Verarbeitung semantischer Einheiten im Kognitionssystem des Menschen näheren Aufschluß geben. Linguistische Modelle laufen daher oft Gefahr, an der Realität vorbei zu theoretisieren. Für mich erhält ein theoretischer Ansatz in der Semantik nur dann explanative Adäqatheit, wenn er mit psychologischen Befunden und neurophysiologischen Erkenntnissen kompatibel ist. Die Berücksichtigung externer Daten ist daher eine methodische Notwendigkeit. Sprachliche Daten, die sich aus Introspektion und Informantenbefragung ergeben, werden der internen Evidenz zugerechnet, während Daten aus Sprachpathologie, Spracherwerb usw. als externe Evidenz gelten. Im folgenden wird zur Bildung und Überprüfung meiner Hypothesen bezüglich der semantischen Komponente unserer Sprachfähigkeit Rekurs auf die Datenbereiche der Psycho- und Neurolinguistik, der Kognitionspsychologie und der Gehirnforschung genommen. Die Daten aus der Spontansprache, den experimentell hervorgerufenen Verhaltensweisen und der Pathologie sind zunächst Performanzdaten; sie ermöglichen es aber erst, Einblick in die Organisation der Kompetenz zu nehmen und unter Anwendung von Schlußfolgerungen psychologisch plausible Theorien zu bilden. Insbesondere Kenntnisse über Gehirnstrukturen und funktionen können zum Verständnis semantisch-konzeptueller Probleme beitragen, da sie einen weiterreichenden Einblick in die neuronale Organisation der Kognition ermöglichen. Die neuronalen Strukturen des Gehirns sind die Basis der semantischen Fähigkeit des Menschen. Nur die empirische Erforschung des Gehirns (und seiner komplexen Funktionen) kann uns Aufschluß über die im Rahmen linguistischer und psychologischer Theorien postulierten Zusammenhänge zwischen semantischem und konzeptuellen System sowie deren Einbettung im kognitiven Gesamtsystem geben. Es besteht die Hoffnung, daß man durch gezielte Untersuchungen einen tieferen Einblick in intakte Mechanismen erhält und damit einem Verständnis über die Funktionsweise des Gehirns näher kommt. Allerdings steht eine umfassende Topologie des Gehirns noch aus, und Zusammenhänge zwischen kognitiven Funktionen und hirnanatomischen Bereichen sind erst für einige wenige Funktionsbereiche nachgewiesen, doch schon bei diesen vorliegenden Ergebnissen zeigt sich die Relevanz der Neurowissenschaften als Überprüfungsinstanz linguistischer Theoriebildung (vgl. Kap. 5 und

34 6). Unter der Annahme, daß es systematische Beziehungen zwischen mentalen Struktur- und Prozeßphänomenen und deren Repräsentation im Gehirn gibt, kann man in der Psychopathologie spezifische Ausfallerscheinungen nicht nur hinsichtlich ihrer neuroanatomischen Grundlage untersuchen. Die Kognitive Neuropsychologie versucht, Schlußfolgerungen über das normale Kognitionssystem aus spezifischen Gesetzmäßigkeiten gestörter Leistungen bei gehimverletzten Patienten zu ziehen. Daß eine Menge von kognitiven Funktionen bei gleichzeitiger Funktionstüchtigkeit anderer mentaler Fähigkeiten gestört sein können, deutet auf dissoziierbare, d.h. selektiv störbare Kognitionssysteme hin. Man schließt vor allem dann auf eine Dissoziation von zwei kognitiven Systemen bzw. Prozeduren, wenn doppelte Dissoziationen zu beobachten sind: Wenn Funktion a bei einer Verletzung des Gebietes A gestört ist und die Funktion b dabei intakt geblieben ist, und wenn umgekehrt Funktion b bei Schädigung des Gebietes B gestört ist, während a intakt bleibt, dann sind a und b doppelt dissozierbar und werden als unabhängig voneinander angesehen (s. Teuber 1975, Ellis/Young 1990). Auch Daten aus der Spracherwerbsforschung legen den Schluß nahe, daß es spezialisierte - relativ autonome - Subsysteme gibt, die eigenen Entwicklungssequenzen folgen und selektiv ausfallen können (vgl. hierzu Kapitel 4). Klinische Befunde relativieren zwar zum Teil das Dissoziationsprinzip (als Forschungsstrategie zur Aufdeckung lokalisierbarer Funktionen): Gleichartige Funktionsausfälle können nach ganz verschiedenen Läsionen auftreten. So können beispielsweise sprachmotorische Störungen nach cortikalen wie auch nach subcortikalen Hirnschäden auftreten (s. Markowitsch 1985). Auch gleichartige Gedächtnisstörungen können durch Läsion unterschiedlicher Gehirnbereiche bedingt sein. Eindeutige Zuordnungen von Gehirnarealen und mentalen Funktionen werden auch durch die Tatsache erschwert, daß die komplexen Funktionen (wie Denken und Sprechen) auf der gleichzeitigen Aktivierung mehrerer Gehirnareale basieren. Da aber andererseits globale Störungen selten auftreten und selektive Ausfälle in der Pathologie deutlich überwiegen, scheint die neuropsychologische Strategie der Dissoziationsanalyse als heuristisches Instrument gerechtfertigt zu sein (vgl. Kelter 1990 sowie Ellis/Young 1990). Die theoretischen Vorstellungen über Gehirnmechanismen müssen präzise genug formuliert sein, damit sie in theoretische Ansätze der Linguistik integrierbar sind. Dabei ist es wichtig, daß nicht nur pathologische Befunde berücksichtigt werden, sondern auch Untersuchungen am gesunden Gehirn beachtet werden. Die Neurolinguistik ist lange mit der Sprachpathologie gleichgesetzt worden (vgl. Peng 1985). Erst in jüngster Zeit besinnt man sich verstärkt auf Aspekte des normal funktionierenden Gehirns. Kognitive Modelle und Modelle neuronaler Gehirnaktivität sollten auf jeden Fall stärker als bisher aufeinander bezogen werden. Für die Erstellung einer neuropsychologisch plausiblen Semantiktheorie ist es notwendig, daß Untersuchungsergebnisse aus der Kognitionswissenschaft und der Neurowissenschaft aufeinander bezogen werden. Dieses Unterfangen ist allerdings bis jetzt nur ansatzweise realisiert worden (s. Hillert 1987). Die fächerübergreifende Zusammenarbeit ist immer noch eher die Ausnahme.

35 Dies liegt daran, daß in vielen Forschungszeigen immer noch strikt nach dem Prinzip der Arbeitsteilung geforscht wird. Erkenntnisfortschritte werden aber in erster Linie dort entstehen, wo interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfindet. Die Hervorhebung der Relevanz empirischer und experimenteller Daten bedeutet nicht, daß hier die intuitive Analyse als heuristisches Verfahren abgelehnt wird, sondern nur, daß sie als nicht hinreichend bei der wissenschaftlichen Untersuchung erachtet wird. Ich bin mir natürlich auch darüber im klaren, daß experimentell erhobene Daten nicht per se Objektivität beanspruchen können und ihre generelle Analysierbarkeit ebenfalls mit prinzipiellen methodologischen Problemen verknüpft ist.

2.5.3 Semantiktheorie und Gedächtnisforschung Die Forderung, daß sich die semantische Theoriebildung an der psychologischen Plausibilität ihrer postulierten Prinzipien orientieren soll, kann auch für die mentale Untersuchungsebene konkretisiert werden. Unter der Annahme, daß die Basis mentaler Strukturen und Prozesse in der Organisation des Gedächtnisses liegt, ergibt sich ein enger Zusammenhang zwischen Gedächtnisorganisation und semantischer Strukturbildung. Sprache kann in gedächtnistheoretischer Perspektive als ein Teil des Gedächtnisinhalts betrachtet werden. Die Sprachkompetenz ist damit ein in memorialen Spuren kodiertes Kenntnissystem. Unter Gedächtnis versteht man in der neuropsychologischen und kognitionspsychologischen Forschung die Speicherung ontogenetisch erworbener Informationen (Sinz 1979, Markowitsch 1985). Die Fähigkeit des menschlichen Organismus, Erfahrungsinhalte intern und permanent speichern zu können, ist Voraussetzung für alle komplexen Verhaltens- und Denkleistungen. Ohne den Rückgriff auf die im Gedächtnis repräsentierten Kenntnisse könnten wir keinen Satz verstehen oder produzieren, keinen Bekannten wiedererkennen, keine Erinnerungen haben, da alle Erlebnis- und Erfahrungswerte nur momentane Gültigkeit hätten. Die Ergebnisse der Lern- und Behaltensexperimente haben gezeigt, daß man das Gedächtnis nicht als ein einheitliches Speichersystem ansehen kann, sondern es in verschiedene Subsysteme aufgliedern muß (s. Arbinger 1984, Wippich/Mecklenbräuker 1988, Marx/Heij 1989). Das Gedächtnis stellt keine unstrukturierte Einheit dar, sondern ein vielschichtig organisiertes Gefüge, das alle kognitiven Leistungen des Menschen determiniert. Pathologische Ausfallerscheinungen im Bereich des Gedächtnisses verdeutlichen dies auf eine prägnante Weise: Bei der anterograden Amnesie sind die Patienten nicht mehr in der Lage, Informationen dauerhaft zu speichern. Sie können sich zwar Informationen für eine sehr kurze Zeit merken, wenn sie sich ständig darauf konzentrieren, sie also beständig wiederholen. Wird die Aufmerksamkeit jedoch abgelenkt, ist die Information verloren.

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Die Patienten erinnern sich nicht einmal daran, daß sie die Aufgabe hatten, sich diese Informationen zu merken. Bei den Formen der retrograden Amnesie dagegen haben die Patienten keinen Zugriff mehr zu den Inhalten des Langzeitspeichers, können aber neue Informationen lernen. Alle Kenntnisse, die sie vor der Störung gespeichert hatten, sind jedoch nicht mehr abrufbar. Auch das Gegenteil kann bei amnestischen Patienten auftreten: Der langfristige Speicher ist dann intakt, aber es besteht eine Unfähigkeit für das kurzfristige Speichern von Informationen. Bei Patienten, deren phonologischer Kurzzeitspeicher gestört ist, kommt es zu Problemen beim Verstehen längerer Sätze (Baddeley/Wilson 1988). Diese Patienten können zum Teil nur sehr kurze Sätze (etwa aus drei Wörtern bestehend) kurzfristig speichern (s. hierzu auch Baddeley et al. 1988). Diese Gedächtnisstörungen sind ein Indikator dafür, daß sich wenigstens vier Funktionen unterscheiden lassen können: ein sehr kurzfristiges Speichern von Informationen, ein langfristiges Speichern, die Aufnahme von Informationen in den Permanentspeicher und den Abruf aus diesem Speicher. Man unterscheidet deshalb zwei grundlegende Speicherkomponenten beim Gedächtnis: das Kurzzeitgedächtnis (KZG) und das Langzeitgedächtnis (LZG). Die konstitutive Wechselwirkung von Sprache und Gedächtnis ist von linguistischer Seite her von Bierwisch (1980) hervorgehoben worden. Ohne das Gedächtnis ist sprachliche Strukturrepräsentation und erzeugung nicht möglich, andererseits stellen sprachliche Strukturen die Voraussetzung für komplexere Gedächtnisleistungen dar. Deshalb müssen linguistische Erklärungsansätze immer auch Prinzipien des menschlichen Gedächtnisses berücksichtigen. "Wenn die Linguistik nicht lediglich elegante Beschreibungsmittel bereitstellen, sondern reale Zusammenhänge erklären will, müssen ihre Annahmen und Resultate sich bei der Analyse der Struktur und der Prozesse des menschlichen Gedächtnisses verifizieren oder widerlegen lassen, allgemeiner: sich als fruchtbar erweisen." (Bierwisch 1980:119)

Zusammenfassend läßt sich die hier vorgestellte Konzeption einer Kognitiven Semantik folgendermaßen charakterisieren: Das Erkenntnisinteresse der Kognitiven Semantik richtet sich auf die semantische Kompetenz und die damit verbundenen Aspekte der Repräsentations-, Prozeß- und Referentialitätsproblematik. Semantische Kompetenz habe ich als ein im Gehirn neuronal und im LZG mental verankertes funktionales Kenntnissystem definiert, das sowohl ein Repräsentationssystem Semr als auch ein prozedurales System Semp beinhaltet. Nach dem emergentistischen Ansatz werden semantische Strukturen und Prozeduren als Funktionen des Gehirns verstanden, die sich nicht völlig durch neuronale Prinzipien erklären lassen. Das Emergenz-Konzept leugnet nicht die neuronale Grundlage mentaler Zustände und Ereignisse, spricht diesen aber eigene Gesetzmäßigkeiten zu.

37 Die Kognitive Semantiktheorie ist mentalistisch in einem nicht-reduktionistischen Sinn, d.h. sie berücksichtigt die offensichtliche kognitive Komplexität der semantischen Komponente theoretisch und methodologisch. Sie ist interdisziplinär, da sie auf die Daten verschiedener Fachgebiete zurückgreift. Sie zieht empirische und experimentelle Befunde bei der Theoriebildung hinzu und stützt sich nicht ausschließlich auf den rationalistiche Methode der Systemlinguistik. Schließlich ist sie dynamisch, d.h. sie betrachtet auch die semantischen Prozeduren als Determinanten der semantischen Kompetenz und erachtet es als notwendig, die Realisierungsmechanismen, die von der lexikalischen Repräsentation zur Äußerungsbedeutung führen, in die semantische Theoriebildung einzubeziehen.

3. Neuronale Grundlagen der semantischen Kompetenz 3.0 Vorbemerkungen Mit dem Erwerb lexikalischer Bedeutungseinheiten lernt das Kind, mit sprachlichen Formen in kommunikativen Situationen zu operieren, die an mentale Repräsentationen geknüpft sind, welche in Beziehung zu seiner Umwelt stehen und es ermöglichen, sich anderen mitzuteilen sowie referentielle Akte zu vollziehen. Die Entwicklung der semantischen Komponente setzt grundlegende kognitive Strukturen und Prozeduren voraus, die in den Bereich der perzeptuellen und konzeptuellen Organisation fallen. Dazu gehören vor allem die Welterfahrbarkeit über sensorische Rezeptoren, die mentale Weltwissensrepräsentation und die prozedurale Kompetenz, d.h. die Möglichkeit der Aktualisierung und Anwendung der Wissensstrukturen. Voraussetzung für die Entwicklung der Semantik ist aber auch die Entwicklung der cortikalen Strukturen im menschlichen Gehirn. Da eine der Anforderungen an eine Kognitive Semantiktheorie lautet, daß die Theorie in Einklang mit dem Wissen über die Ontogenese und Aktualgenese unseres biologischen Organismus stehen soll, werden Daten aus der Neurogenese und der Neuropathologie hinzugezogen, um Entwicklungsstufen und neuropsychologische Organisationsprinzipien aufzudecken. In dem folgenden Kapitel werde ich auf die neuronale Basis der semantischen Komponente eingehen und erörtern, welche Strukturen und Prozesse im Gehirn verantwortlich sind für die semantischen Funktionen. Die Referentialitätsproblematik wird dabei im Vordergrund stehen. Es werden zunächst die elementaren Mechanismen auf der neuronalen Ebene beschrieben, die für den Aufbau und die Repräsentation unserer Welt und unseres Wissens über diese Welt notwendig sind.

3. l Das Konstrukt "Welt" als Basis der Referentialität In der linguistischen Semantik ist das Weltenproblem lange nicht in die Untersuchungen einbezogen worden. Ganz im Sinne des naiven Realismus, der davon ausgeht, daß die erfahrbare Welt aus der Wahrnehmung ableitbar ist und in ihrer Struktur erforschbar ist, sind Referenten als reale Objekte fraglos vorausgesetzt worden (vgl. Wimmer 1979, Thrane 1980). So hat Gibson (1979) eine realistische Theorie entwickelt, derzufolge alle Informationen vom Gehirn direkt aus der Umgebung aufgenommen und unvermittelt repräsentiert werden. Die Forschung der Kognitions- und Neurowissenschaften hat aber umfangreiche Evidenz dafür erbracht, daß in unserem Gehirn nach der sensorischen Informationsaufnahme hochkomplexe Verarbeitungsvorgänge ablaufen, die zwischen Input- und Outputprozessen vermitteln. Durch Jackendoff (1983)

40 und Bierwisch (1982, 1983a) ist die Fragwürdigkeit einer realistischen Wahrnehmungs- und Referenztheorie mittlerweile auch in die linguistische Diskussion eingebracht worden. Die durch Befunde der modernen Gehirnforschung unterstützte Annahme, daß die Welt eine Konstruktion dessen ist, der sie wahrnimmt, findet sich bereits bei den Vorsokratikern. Schon Xenophanes thematisierte die Idee des Scheins, der allem Wissen anhaftet und diskutierte die Frage, ob und inwieweit das Bild, das unsere Sinne uns vermitteln, der objektiven Umgebung entspricht. Da wir unsere Wahrnehmungen von einem Objekt nie mit dem Objekt vergleichen könnnen, bevor wir es wahrnehmen, ist die Frage unbeantwortbar, und es besteht die Möglichkeit, daß das Objekt Eigenschaften besitzt, die unseren Sinnen entgehen. Dieses Problem der Epistemologie und der Ontologie wurde durch Kants grundlegende Ausführungen in den Mittelpunkt der Philosophie gerückt. Durch seine erkenntnistheoretischen Überlegungen erhielt die "Objekthaftigkeit" eines Objekts einen zweifelhaften Status. Das Objekt an sich ist offensichtlich nicht erfahrbar. Führt man die Kantische Erkenntnistheorie weiter zu einem solipsistischen Standpunkt, dann sind damit nicht nur die Wahrnehmungseigenschaften in Frage gestellt, sondern die gesamte Existenz der strukturierten Objektwelt. Im Radikalen Konstruktivismus wird die These vertreten, daß das Gehirn ein operational geschlossenes System ist, dessen Verarbeitungsvorgänge nicht wesentlich von den sensorischen Informationen der Rezeptorsysteme beeinflußt werden (vgl. Maturana/Varela 1987). Damit wird aber nicht berücksichtigt, daß das Gehirn nur in vielfältigen Interaktionen mit seiner Umgebung zu seiner Ausformung und Optimierung gelangt. Die neuronalen Funktionen des Gehirns sind zwar offensichtlich dem Prinzip der kognitiven Homöostase untergeordnet: "Das Nervensystem organisiert sich selbst so, daß es eine stabile Wirklichkeit errechnet" (von Foerster 1985:57); die Arbeitsweise des Nervensystems ist aber nicht solipsistisch, da es als ein Teil des menschlichen Organismus in Kontakt zu einer wie auch immer gearteten Umgebung steht. In den strukturellen und funktionalen Eigenschaften des menschlichen Gehirns liegt die Möglichkeit der Welterfahrbarkeit als Resultat unserer phylogenetischen Entwicklung. Die reale Welt, die wir mittels sensorischer Rezeptoren so unmittelbar als real und objektiv erleben, ist ein Konstrukt unseres Gehirns, das die Reize der Umgebung, in der der menschliche Organismus lebt, auf eine artspezifische Weise verarbeitet und zu einem globalen Weltkonzept zusammensetzt. Daß unsere Sinne dabei nur einen eingeschränkten Teil der erfahrbaren Umgebung erfassen, zeigt sich an Phänomenen, die nur mittels technischer Hilfsmittel in ihrer Existenz erfaßbar sind (z.B. Röntgenstrahlen, Ultraschall usw.). In der Kognitionswissenschaft ist die These vertreten worden, daß bereichsspezifische Input-Module mit unterschiedlichen Strukturund Prozeßeigenschaften die Informationsverarbeitung regeln (s. Fodor 1983 und 1985). Ein Blick auf die Neurophysiologie des Gehirns jedoch zeigt, daß solche großflächigen Module nicht existieren. Die neuronalen Module des Cortex sind sehr viel kleiner: Es handelt sich um Neuronenverbände, sogenannte Kolumnen, die neuronale

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Schaltkreise bilden und senkrecht zur Rindenoberfläche angeordnet sind. Ein kortikales Modul besteht aus bis zu 10 000 Nervenzellen. Der Kortex weist ungefähr 3-4 Millionen solcher modulartigen Kolumnen auf (s. Schmidt/Thews 1980, Palm 1988). Diese wie Säulen angeordneten Schaltkreise reagieren auf bestimmte afferente Inputs und sind demzufolge spezialisierte Verarbeitungsinstanzen. Sie stehen aber in Kontakt zu anderen Kolumnen (vgl. Braitenberg/Schüz 1989). Der Kortex weist insgesamt ein Netz von Faserverbindungen auf: Projektionsfasern verbinden cortikale Areale mit subkortikalen Strukturen, und Assoziationsfasern haben Kontakt zu kortikalen Bereichen derselben Hemisphäre. Die Kommisurfasern verbinden die beiden Hemisphären miteinander. Die Module des Kortex fallen durch ihre strukturelle und funktionale Homogenität auf: Die Kolumnen weisen ein uniformes Schichtungsprinzip sowie ähnliche Inputund Output-Organisationen auf (s. Szentagothai/Arbib 1975). Die Arbeitsweise ist in jedem Modul prinzipiell die gleiche. Die Informationsverarbeitung erfolgt im wesentlichen senkrecht zur Oberfläche ausgerichtet. Der gesamte Cortex weist also zwei fundamentale Prinzipien auf: neuronale Interkonnektivität und funktionale Homogenität. Diese beiden Prinzipien lassen die strikte Version der Modularitätshypothese als eine biologisch unrealistische Hypothese erscheinen. Die Idee einer modularen Organisation des Geistes muß aufgrund dieser Aspekte revidiert werden. Einerseits sprechen frühe Lateralisiation, kritische Phasen und pathologische Befunde (die dissozierbare Leistungen belegen) für eine genetisch verankerte Spezialisierung kognitiver Funktionen, andererseits deutet die Neurophysiologie des Gehirns auf eine prinzipielle Homogenität und teilweise Äuqipotentialität hin. Eine direkte Gleichsetzung von neuronaler und mentaler Modularität scheint mir zudem nicht ratsam zu sein, da mentale Funktionen nicht unvermittelt aus den neuronalen Trägerstrukturen hervorgehen, sondern über die vermittelnde Ebene der Musteraktivitäten zustande kommen. Da die Beziehung zwischen neuronaler und mentaler Ebene immer noch Gegenstand intensiver Untersuchungen und theoretischer Überlegungen ist, kann ich nur tentativ postulieren, daß mentale Funktionen (als emergente Eigenschaften) andere Charakteristika aurweisen können als neuronale Funktionen. Distribuiertheit und Interkonnektivität auf der neuronalen Trägerebene schließen demzufolge nicht aus, daß mentale Systeme ein gewisses Maß an Autonomie besitzen können. Diese Autonomie konstituiert sich dann beispielsweise in Form einer prinzipiellen Dissoziation mentaler Leistungen. Wie das Gehirn äußere Reize bearbeitet und interpretiert, kann man sich am visuellen System, über dessen Funktionsweise bis jetzt die umfangreichsten Kenntnisse vorliegen, verdeutlichen. Dabei muß man sich von der Vorstellung freimachen, daß das Gehirn wie ein innerer Spiegel arbeitet, der optische Reize fotographisch abbildet. Der uns umgebende Raum wird nicht in der Weise abgebildet, wie er physikalisch oder mathematisch beschrieben wird. Optische Informationen werden nicht Punkt für Punkt erfaßt, sondern kleine Teile des Gesichtsfeldes werden in verschiedene kategoriale Bestandteile zerlegt. Bei der visuellen Wahrnehmung eines Gegenstandes voll-

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ziehen sich unbewußt mehrere Verarbeitungsschritte: Bestimmte hochspezialisierte Areale des Gehirns bzw. der Sehrinde ermitteln zunächst Kanten, Bewegungen, Abstände usw., also einzelne Eigenschaften eines Reizes. So reagieren bestimmte Nervenzellen im Olczipitallappen z.B. nur auf Linien und Kanten, nicht aber auf Punkte oder kreisförmige Reize, Die Neuronen in den spezialisierten Gehirnbereichen werden nur dann erregt, wenn äußere Reize genau den Bedingungen entsprechen, für die Analyseprogamme bestehen; für andere Reizkonstellationen ist das betreffende Areal quasi blind. Hier finden wir also auch auf der neuronalen Ebene modulartige Verarbeitungssysteme. Die Zusammensetzung zu einem ganzheitlichen, mehrdimensionalen Objekt geschieht erst nach dieser Analysetätigkeit (vgl. Hubel/Wiesel 1978, Treismann 1987). Um eine approximative Rekonstruktion der Entstehung eines globalen Objektperzepts zu liefern, bedarf es jedoch einer kurzen (sich nur auf einige wesentliche Aspekte beschränkenden) Erörterung der Struktur und Arbeitsweise der Großhirnrinde (Neocortex). Der Cortex gliedert sich in Rindenregionen auf, in denen bestimmte Teile des Informationsflusses über afferente und efferente Nervenfasern ein- und austreten. Die Sinnesorgane projizieren die aufgenommenen Informationen (Licht- oder Schallwellen usw.) auf diese modalen Rindenfelder ( z.B. die Sehregion, die Hörregion, die motorische Region). So gelangt die visuelle Information als elektrophysiologisches Signal über Nervenverbindungen entlang der Sehbahn über eine Schaltstation im Thalamus auf die okzipitalen Regionen (die das modale Feld für die visuellen Inputs darstellen) (vgl. Aoki/Siekewitz 1989). Man weiß inzwischen, daß die Rindenfelder 18 und 19 besonders wichtig für die visuelle Wahrnehmung sind. Zunächst wird der Gegenstand unserer Wahrnehmung in Merkmale zerlegt, also analytisch verarbeitet, danach erst entsteht ein holistischer Objekteindruck. Die analytische Verarbeitung wird von den hochspezialisierten Arealen der modalen Rindenfelder vorgenommen. Auf der Ebene der intermodalen Rindenfelder, deren Input von den modalen Rindenregionen stammt, werden die einlaufenden Informationen miteinander verglichen und mit Beiträgen anderer Gehirnareale angereichert. Der Input der modalen Rindenfelder wird mit im Gehirn gespeicherten Gedächtnisrepräsentationen in Beziehung gesetzt. Es kommt zu einer umfassenden Integration der Informationen. Auf der Stufe der supramodalen Rindenfelder schließlich wird dieses Informationskonstrukt einer letzten Auswertung unterzogen, bevor es als Teil der Wirklichkeit des Menschen aktuell erfahrbar wird. Der Wahrnehmungsgegenstand - das Perzept - ist auf dieser multimodalen Stufe ein aus verschiedenen Informationen synthetisch erzeugtes Produkt des Gehirns, das durch die Interaktion mit der Außenwelt bestimmt wird. Globalperzepte, d.h. holistische Wahrnehmungsobjekte resultieren aus der gleichzeitigen Aktivierung mehrerer Gehirnareale (vgl. Changeux 1984, Oeser und Seitelberger 1988). Perzeptuelle Erfahrungen sind also das Resultat eines konstruktiven Hirnprozesses, der von einer Vielzahl analytisch berechnender Vorgänge über topographische Projektionsstufen zu einer Repräsentation führt, die für uns Objektstatus hat.

43 Jede Tierart hat auf neuronaler Ebene ihre eigene Welt. So reagieren z.B. die Nervenzellen im Frosch-Gehirn nur auf solche optischen Reize, die für das Frosch-Überleben relevant sind. Die im Gehirn verankerten Progamme bestimmen somit die Welt einer Gattung. Pathologische Ausfallerscheinungen einzelner corticaler Areale geben Aufschluß über die Konstruktivität des menschlichen Gehirns. So kommt es bei Ausfall des Okzipitallappens zur Blindheit, auch wenn die Augen voll funktionstüchtig sind. Beim Phantomschmerz dagegen fühlt der Patient Schmerz in einem Körperteil, das er gar nicht mehr besitzt, aufgrund der im Gehirn verankerten Repräsentation dieses Köperteils aber noch empfindet. Bei der Läsion okzipitaler Regionen kann es zu Wahrnehmungsverzerrungen kommen, d.h. die Patienten sehen z.B. Objekte kleiner als sie wirklich sind (Mikropsie) oder größer (Makropsie). Bei bestimmten visuellen Agnosien (Störungen im Bereich der Okzipital- und Temporallappen) zeigt sich die Bedeutung des Gehirns für die Objekterfahrung auf eine besonders prägnante Weise: Es gibt Patienten, die z.B. die Farbe nicht mehr am Gegenstand selber sehen, sondern in einer Ecke des Raumes (s. Pöppel 1987). Andere können Gesichter nicht mehr erkennen (Prosopagnosie). Bei der Farbenagnosie kann der Patient nicht mehr bestimmten Objekten die passenden Farben zuordnen (z.B. einer Banane die Farbe gelb). Mit dieser Beeinträchtigung häufig verbunden ist die Achromatopsie, eine Störung, bei der die Himgeschädigten die Welt farblos bzw. in Grauschattierungen erleben. Okzipitale Läsionen können auch räumliche Agnosien hervorrufen. Hierbei führt die Störung dazu, daß der Patient eine Wahrnehmungswelt erlebt, die auf zwei Dimensionen beschränkt ist. Bei assoziativen visuellen Agnosien werden zusammengehörige Teile eines Objekts als getrennte und isolierte Einheiten wahrgenommen (s. Beaumont 1987). Interessante Ergebnisse sind auch durch elektrische Stimulationen während Gehirnoperationen (die bei lokaler Betäubung stattfinden) auf der Cortexoberfläche erzielt worden. Reizung des gestreiften Cortex erzeugte bei den Patienten die als außerhalb wahrgenommene Vision farbiger Formen; eine weiter vorn am Cortex angesetzte Stimulation erzeugte komplexere visuelle Empfindungen. Das Gehirn erzeugt Perzepte, die als reale externe Entitäten empfunden werden. Das menschliche Gehirn baut eine nach außen projizierbare Welt auf, die für uns eine Organisation aufweist, die wir als objektive, von uns unabhängig existierende Struktur erfahren. Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Was Jackendoff (1983) "reale Welt" nennt, wird hier als "Umgebung" oder "die uns umgebende Reizmenge" bezeichnet. Über diese Reizmenge können wir nichts aussagen. "Realität" ergibt sich erst aufgrund menschlicher Gehirnaktivität. Die für uns reale Welt ist damit eine vom Gehirn auf die Umgebung projizierte Welt. Am Phänomen des Nachbildes kann man sich das für uns paradox erscheinende Verhältnis zwischen interner Perzeptkonstruktion und extern erlebter Objektwahrnehmung veranschaulichen: Wenn man einige Zeit auf ein Lichtbild geblickt hat und dann auf eine helle Wand schaut, sieht man dort einen dunklen Fleck (das Nachbild). Dieser wird von uns als eine im Raum lokalisierbare

44 Entität "gesehen", existiert jedoch nur auf unserer Netzhaut und ist für unsere Mitmenschen nicht wahrnehmbar. Die Konstruiertheit der Welt können wir nicht wahrnehmen, wir können nur über sie reflektieren. Wenn wir nun die Welt und unsere Wahrnehmung nicht mehr vom Standpunkt einer ontologischen Realität aus betrachten, sondern vom Standpunkt des Gehirns aus, so ergibt sich für die Frage nach der Beziehung zwischen Sprache und Welt eine neue Sichtweise: Die Referentialitätsgrundlage semantischer Einheiten liegt in der konstruktiven Aktivität des menschlichen Gehirns.

3.2 Perzepte und gebundene Konzepte als Referenten Referentialität wird hier (anders als in den traditionellen Referenzsemantiken, wo Referentialität meistens mit dem Denotat bzw. Referenzpotential sprachlicher Zeichen gleichgesetzt wird) als Weltenbezüglichkeit verstanden, genauer als die Möglichkeit, auf Repräsentationen (perzeptueller wie mentaler Art) kognitiv und sprachlich Bezug nehmen zu können. Im folgenden soll erörtert werden, inwieweit die vom Gehirn erzeugten Repräsentationen die Referentialitätsgundlage des semantischen Systems einer natürlichen Sprache darstellen. Ein Wahrnehmungsresultat ergibt sich als potentieller Referent aufgrund einer komplexen Wechselwirkung zwischen (von äußeren Reizen aktivierten) Neuronenvernetzungen und internen, von der Sehrinde erzeugten Impulsen. "Reale", wahrnehmbare Objekte (im folgenden Perzepte genannt) sind damit die letzte Phase eines komplexen Informationsverarbeitungsprozesses. Ihre Referentialisierung (im Sinne einer bewußt erfahrbaren Repräsentation) ist an die Interaktion mit den äußeren Umweltreizen geknüpft, d.h. ihre repräsentationale Evozierbarkeit ist an die Aktivität der Sinnesorgane gebunden (vgl. Changeux 1984, Singer 1985). Die Gesamtheit aller Perzepte stellt die Welt Wp dar, die als realer Zustand im externen Modus erfahren wird. Die Menge aller Einheiten der repräsentationalen Kognition im internen Modus, die in der perzeptuellen Welt Referenten haben, bildet das mentale Weltmodell Wm. Dieses Weltmodell wird in seinem mentalen Charakter als interner Zustand des Organismus erfahren. Die Existenz beider Welten ist aber in der Struktur und der Funktion des menschlichen Gehirns verankert. Beide Erfahrungsbereiche basieren auf weitgehend gleichen Neuronenvernetzungen, werden aber prozedural unterschiedlich aktualisiert und im externen oder internen Modus auf die erfahrbare Kognitionsebene projiziert. Es existiert eine Art Kontinuum repräsentationaler Stufen, auf dem Perzepte, mentale Bilder und Vorstellungen Manifestationen auf verschiedenen Ebenen sind. Die Welt der Wahrnehmung und die Welt des Geistes sind damit nicht zwei grundverschiedene Bereiche, sondern stellen zwei Erfahrungs- bzw. Repräsentationsebenen.dar, die sich aus den neuronalen Aktivationsmustern des menschlichen Gehirns ergeben.

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Die als reale Objekte erlebten Perzepte sind Endresultate eines Prozesses der vom Gehirn gesteuerten repräsentationalen Kognition. Andere Stufen auf dem Weg zur Realisierung von Objekten der perzeptuellen Welt stellen interne Entitäten der repräsentationalen Kognition dar. Brown (1985a,b,c) hat eine ganz ähnliche Konzeption vorgestellt. "Perception is a series of potential or realized mental representations leading from an image-like construction to a construction that is like an object. The final image in this series is an object representation and this representation is the limiting point in the mind's construction of the world." (Brown 1985c:122)

Auch Changeux (1984) hat auf die weitgehend gleichen neuronalen Areale verwiesen, die der Perzeption und der Vorstellung zugrunde liegen. Werden die strukturellen und funktionalen Areale, die den jeweiligen Stufen zugrundeliegen, gestört, so ergeben sich perzeptuelle und repräsentationelle Defizite wie Agnosien, Blindheit, Skotome oder auch Halluzinationen (vgl. Changeux 1984, Brown 1985a). Dabei stellen die Halluzinationen ein besonders interessantes Beispiel für die repräsentationale Konstruktivität des Gehirns dar: Halluzinationen sind Perzepte ohne Objekt. Dieses Paradoxon erklärt sich dadurch, daß Halluzinationen für den jeweiligen Patienten "Objekte" erzeugen, die aber nur für diesen "real" sind. Perzeption und Halluzination entstehen auf denselben neuronalen Strukturen, werden aber über unterschiedliche neuronale Prozeduren realisiert. Die Unterscheidung zwischen Perzepten und mentalen Repräsentationseinheiten ist für die Semantikforschung (und insbesondere für die Referenztheorie) sehr wichtig: Es ergeben sich nämlich somit zwei grundlegende Referentialitätsbereiche für sprachliche Ausdrücke. Zum einen nehmen wir Bezug auf die projizierte, von uns aber als objektiv erlebte Welt W„ , deren Einheiten uns als Perzepte zugänglich sind, zum anderen stellen aber auch die repräsentationellen Einheiten unseres Weltmodells Wm, das wir bewußt in seinem mentalen Charakter empfinden, mögliche Referenten sprachlicher Ausdrücke dar. Die Einheiten dieses Modells sind mentale Repräsentationen von Objekten, Bildern und Vorstellungen. Diese repräsentationellen Einheiten sind wie Objekte im Geist des Menschen, während Objekte wie Bilder in der externen Welt sind. Von Wm können mögliche Welten W^-n durch kognitive Operationen abgeleitet bzw. konstruiert werden. Mögliche Welten sind damit immer das mentale Konstrukt eines individuellen Informationsverarbeitungsvorganges. Wm ist auch die Basis für alle unsere kognitiv herstellbaren Konstrukte (wie Abstrakta). Die Berücksichtigung des Weltmodells (und seiner Varianten) als Referenzbereich ermöglicht z.B. die Erklärung generischer und imaginativer Referenz in Sätzen wie (10) und (11): (10) Das Pferd ist ein Haustier. (11) Ich stelle mir gerade mein Traumhaus vor.

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Diese mentalen Referenzeinheiten sind Konstrukte unserer bewußten Kognition im internen Modus und von Wm abgeleitet. Anders als die reale Welt Wp, deren perzeptuell erfahrbare Einheiten unumstößlich und unveränderbar in unsere bewußte Erfahrung treten und damit die invariante Elementarstufe der Kognition aller Menschen darstellen, sind die Einheiten des Weltwissensmodells kognitiv manipulierbar. Um dies zu konkretisieren: Wenn wir einen Baum sehen, sind wir nicht in der Lage, dieses als externe Objekt erlebte Perzept irgendwie geistig zu verändern; Perzepte sind als im externen Modus erfahrene Entitäten der intentionalen Beeinflußbarkeit entzogen. Wir können uns aber einen Baum als Vorstellungsbild vor Augen fuhren, der dann als mentales Objekt mittels kognitiver Operationen verändert werden kann. Beispielsweise könnten wir Blätter oder Früchte "hinzudenken". Mittels der Sprache können wir die gegenständliche Stufe der Repräsentation verlassen und durch Abstraktion auf Klassen Bezug nehmen. Semantische Lexikoneinheiten beruhen u.a. auf der Fähigkeit klassifizierender Abstraktion. Semantische Strukturen gehören einer Funktionsebene an, die von der unmittelbaren Interaktion mit der Umwelt bereits weit abgehoben ist, mit der Welt aber in einem durch die Gehirntätigkeit gegebenen Zusammenhang steht. Mit der Hilfe von semantischen Strukturen, die eine An meta-sensorischer und supra-modaler Repräsentationen darstellen, können aktiv Modellierungen von möglichen Wirklichkeiten vorgenommen werden.

3.3 Intermodalität im Gehirn Obgleich wir Informationen aus unserer Umgebung über viele verschiedene Sinneskanäle aufnehmen und demzufolge in verschiedenen Sinneswelten leben könnten, werden die vielfältigen Sinneseindrücke kohärent zu einer Erlebniswelt zusammengefügt. Alle Afferenzen werden zu einer intermodalen Wahrnehmung integriert. So sehen wir eine Rose, riechen ihren Duft, ertasten ihre Oberfläche usw. und erleben doch eine wahrnehmbare Entität. Modalitätsspezifische Erfahrungen können zudem mentale Repräsentationen evozieren. Der Duft einer Rose kann das Vorstellungsbild einer solchen Blume ebenso hervorrufen wie das Wort Rose und umgekehrt. Intermodale Wahrnehmung und informationeile Übersetzbarkeit werden in vielen kognitions- und neuropsychologischen Ansätzen der konzeptuellen Strukturebene zugesprochen. Der konzeptuellen Identitätshyothese zufolge ist die konzeptuelle Struktur die Ebene, auf der alle modalitätsspezifischen Informationen kompatibel und aufeinander beziehbar sind (vgl. Snodgrass 1984). Sie integriert die heterogenen Erfahrungseinheiten zu holistischen Erlebnissen und ermöglicht die Übersetzbarkeit einer modalitätsspezifischen Repräsentation in eine andere. Damit fungiert die konzeptuelle Struktur als vermittelnde und integrierende Basisebene der Kognition. Ein Indiz für die Existenz einer konzeptuellen Basisebene sind bestimmte gnostische Störungen bei Ausfall cortikaler Areale der intermodalen Rindenfelder, da diese integrative und holi-

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stische Erfahrung unterbinden. Bei visuellen Agnosien beispielsweise liegt eine Diskonnexion zwischen intakter Wahrnehmung und gespeicherter Konzepteinheit vor. Patienten mit Agnosie sehen zwar die Reize ihrer Umgebung, können ihnen aber nicht mehr den korrekten Bedeutungsgehalt zuordnen. Agnosien können auch in der taktilen oder auditiven Modalität vorkommen. Die Betroffenen sind dann nicht mehr in der Lage, gefühlte bzw. gehörte Objekte zu erkennen (s. Beaumont 1987). Gibt es auf der neuronalen Ebene des Gehirns Evidenz für die Existenz eines Systems, das als Integrator für modalitätsspezifische Informationen fungiert? Betrachtet man die funktionale Arbeitsweise des Gehirns in seiner Gesamtheit auf der Mikroebene, stößt man auf ein verblüffendes Bild der Homogenität. Das Gehirn arbeitet nämlich nach dem Prinzip der undifferenzierten Kodierung (von Foerster 1985, Palm 1988). Die gesamte Vielfalt an sensorischen Reizen, die das Gehirn empfängt, wird in ein gemeinsames Medium verwandelt. Sobald die Reize (Photonen, Schallwellen, Druck usw.) über die Rezeptoren der verschiedenen Sinnesorgane aufgenommen worden sind und in die afferenten Nervenbahnen (die Informationen zum Gehirn übertragen) gelangt sind, laufen sie als neuronale Erregungen weiter. Dabei haben die Aktionspotentiale, die diesen Erregungen zugrundeliegen, immer die gleiche Charakteristik, gleichgültig, ob sie durch visuelle, taktile, auditorische oder olfaktorische Reize ausgelöst wurden. Sinneszellen sprechen nicht auf die Qualität, sondern nur auf die Quantität (die kinetische Energie) an. Die Interaktion von Rezeptorsystemen und Gehirnarealen ist entscheidend für die modalitätsspezifischen Eindrücke. Dies kann man sich z.B. verdeutlichen, wenn man sich auf das geschlossene Auge tippt und einen visuellen Eindruck hat, obgleich der Reiz kein visueller, sondern ein taktiler war (s. hierzu auch Stillings 1988). Modalitätspezifische Informationen gibt es also auf der neurophsysiologischen Verarbeitungsebene nicht, da sie im Nervensystem "neutralisiert", d.h. in einer undifferenzierten "Gehirnsprache" verarbeitet und repräsentiert werden. Nur durch topologische Projektionen auf die modalen Rindenfelder des Cortex kommen modalitätsspezifische Erfahrungen zustande. Modale Informationsverarbeitung verläuft dabei weitgehend autonom, d.h. unbeeinflußt von anderen sensorischen Arealen, da die primären Felder der modalen Rindengebiete, wo die neuronalen Impulse antreffen, in keiner direkten Interaktion stehen. Die integrative Verarbeitung findet topologisch in verschiedenen Projektionsstufen statt, die jeweils andere Areale involvieren. Multimodale Verarbeitung findet sich erst auf den inter- und supramodalen Rindenfeldern. Die Intermodalfelder des Cortex leisten die Integration der vielfältigen, modalitätsspezifischen Informationen. Die supramodalen Funktionen, die den sprachlichen und gnostischen Leistungen zugrundeliegen, ermöglichen modalitätsunspezifische, von sensorischen Merkmalen losgelöste Repräsentationen und Prozesse (vgl. Oeser/Seitelberger 1988). Die in den mentalen Modellen postulierte konzeptuelle Basisstruktur hat aber kein direkt lokalisierbares Gehirnareal als Träger, sondern sie ergibt sich aus der Gesamt-

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heit der koordinierenden Gehirnaktivität. Die konzeptuelle Basisebene der Kognition ist damit eine komplexe emergente Eigenschaft des menschlichen Gehirns. Die vom Gehirn erzeugten konzeptuellen Einheiten werden aber dann, wenn sie auf die Stufe der bewußt erfahrbaren Repräsentation der Kognition projiziert werden, wieder an modalitätsspezifische Formen gekoppelt, da es auf der Stufe des menschlichen Bewußtseins keine amodalen Erfahrungsinhalte gibt (s. hierzu auch Kapitel 5).

3.4 Neuronale Programme Die artspezifische Welterfahrbarkeit ist im menschlichen Genotyp, also der Menge aller Erbanlagen, offensichtlich bereits verankert. Von besonderer Relevanz für die Ausbildung aller menschlichen Fähigkeiten ist nicht nur die Größe und Anatomie des Gehirns, sondern auch die Anzahl der Nervenzellen und die Vernetzungsmöglichkeiten dieser Nervenzellen untereinander. Bereits pränatal sind Programme für die Verschaltung neuronaler Netze und die Interaktion cortikaler Areale vorhanden, doch finden sie erst im Wechselspiel mit der Umwelt zu ihrer strukturellen und funktionalen Ausdifferenzierung. Aus der Menge möglicher Kontakte werden in der postnatalen Phase die endgültigen Verbindungen festgelegt (vgl. Singer 1985, Ratic und Singer 1988). Funktionen ist das Gehirn, das neurophysiologisch als ein komplexes Netzwerk von mehr als hundert Milliarden Nervenzellen mit jeweils über Zehntausenden von Verbindungen untereinander beschrieben werden kann, nur aus der Zusammenarbeit seiner grundlegenden Einheiten zu verstehen. Ein Neuron besteht aus drei Teilen: dem Zellkörper (Soma), den Dendriten (Verzweigungen, die vom Zellkörper nach oben und zur Seite verlaufen) und dem Axon (einer nach unten fortlaufenden Faser). Die beiden Grundfunktionen der Nervenzelle sind die axonale Weiterleitung eines rhythmischen Elektropotentials und der synaptische Übersprung eines Impulses auf chemischem Wege. Die sich im Ruhepotential befindliche Zelle weist eine elektrische Spannung auf. Jedes Neuron besitzt einen bestimmten Schwellenwert für seine Aktivierbarkeit. Wird die elektrische Spannung von einem äußeren Reiz gestört und der Schwellenwert des Neurons erniedrigt, dann "feuert" das Neuron, und die Erregung breitet sich im Bruchteil einer Sekunde entlang des Axons zu dessen Endpunkten, den Synapsen, aus. Die Synapsen stellen Kontaktstellen zwischen Nervenzellen her. Der zu einem synaptischen Endabschnitt gelangte Erregungsimpuls, das Aktionspotential, verursacht die Freisetzung chemischer Moleküle, sogenannter Transmittersubstanzen, die den Spalt zwischen zwei Nervenzellen ausfüllen und somit das Aktionspotential weiterleiten. Werden Nervenzellen häufig gleichzeitig in bestimmten Konstellationen erregt, kommt es zu Bahnungen, d.h. konsolodierten Neuronenverbänden, die man Engramme (und in Anlehnung an ftebb (1949) auch Assemblies) nennt. Diese Engramme kommen zustande, indem es zu strukturellen Veränderungen an den beteiligten Synapsen kommt. Die Permeabilität zwischen den Neuronen wird gesteigert. Der Schwellenwert für die

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Impulsweiterleitung wird heruntergestuft, so daß die gleichzeitige Erregung ganzer Zellverbände schon durch eine leichte Reizung ausgelöst werden kann, während der Schwellenwert für die Erregbarkeit anderer Verbände erhöht wird. Neuronen können ihre Empfangsbereitschaft erhöhen oder erniedrigen. Das Nervensystem des Menschen zeichnet sich demnach durch zwei komplementär wirkende Eigenschaften aus: die statische Verschaltung und die plastische Veränderbarkeit von Neuronenverbänden (vgl. Markowitsch 1985, Palm 1988, Braitenberg/Schüz 1989). Auf der neurophysiologischen Ebene stellen neuronale Interkonnektivität und Synapsenpermeabilität die Basis für die Funktionalität informationsrepräsentierender und verarbeitender Regionen im Gehirn dar. Die Welterfahrbarkeit des Menschen realisiert sich in der Topographie aktiver und gehemmter Neuronenverbände. Das biologische Prinzip der Schwellenregulation ist für die Leistungsfähigkeit des Gehirns von außerordentlicher Relevanz. Gäbe es keine regelbaren Schwellen und die damit verbundenen Begrenzungen neuronaler Aktivitäten, würde schnell ein funktionelles Chaos entstehen, da alle Schaltprogramme durch die potentielle Reizüberflutung der Umgebung grundsätzlich gleichzeitig in Gang kommen würden. Die Aktivierung der riesigen Menge von Neuronen wird durch dieses Prinzip sinnvoll koordiniert. Die neuronalen Verbände sind quasi als Träger von Dingen und Ereignissen der Außenwelt abgespeichert. Verschiedene Assemblies haben dabei auch Zellen gemeinsam, da verschiedene Dinge der äußeren Umgebung die gleichen Eigenschaften (die dieselben Zellen ansprechen) haben können. Für die mentalen Fähigkeiten sind nicht nur die anatomischen Strukturen des Gehirns bedeutsam, sondern auch die zeitlich koordinierten Aktivationsmuster der neuronalen Verbände. Nervenzellen können selektiv auf Inputreize reagieren, auch dann, wenn sie sie gleichzeitig erhalten. Komplexe mentale Leistungen beruhen auf der parallelen Aktivität vieler Neuronenverbände (die z.T. in jeweils verschiedenen Regionen der Großhirnrinde lokalisiert sind). Semantische Kompetenz ist in dieser Perspektive an die elektrophysiologischen und chemischen Vorgänge der cortikalen Nervenzellen gebunden. In der Topographie aktiver und gehemmter Neuronenverbände realisiert sich die Welterfahrbarkeit des Menschen, dessen ontologisches Kategoriensystem durch artspezifische Schaltpläne im Gehirn festgelegt ist. Die sich durch inhibitorische und exzitatorische Eigenschaften auszeichnenden Konnektivitätsmuster neuronaler Verarbeitung geben der uns strukturiert erscheinenden Erfahrungswelt erst ihre Struktur und lassen uns Objekte und Ereignisse als in geordneten Zusammenhängen stehende Phänomene erleben. Die Hirnvorgänge, die der neuronalen Speicherung und Repräsentation von Informationseinheiten zugrundeliegen, sind noch keineswegs geklärt, doch neueste Untersuchungen stützen die These, daß die biochemischen Mechanismen die Basis für langfristige Informationsspeicherung darstellen (s. Birbaumer/Schmidt 1988, Alkon 1989). Durch molekulare Veränderungen, die durch bestimmte Enzyme ausgelöst werden,

50 kommt es zur Bildung von Gedächtnisinhalten, die eine entscheidende Rolle bei allen Rekognitions- und Denkleistungen spielen. Das Gedächtnis ist als mentale Funktion kein spezifischer Teil des Gehirns, der genau lokalisiert werden kann. Zwar weiß man inzwischen aufgrund klinischer Beobachtungen, daß für das Erinnern und langfristige Speichern von Informationen Hippocampus und Mandelkern wichtig sind, ansonsten jedoch lassen sich keine festen Zuordnungen von hirnanatomischen Gegebenheiten und Gedächtnisfunktionen etablieren. Das neuronale Substrat für das Gedächtnis breitet sich offensichtlich nicht nur über den gesamten Neocortex aus, sondern umfaßt auch Teile der unteren Hirnbereiche. Mishkin und Appenzeller (1987) haben über Messungen der elektrischen Erregung von Nervenzellen und der Beobachtung von Markierungsstoffen, die entlang der Axone transportiert werden, diejenigen Gehirnbereiche unterscheiden können, die bei Gedächtnisanforderungen aktiv sind. Dabei zeigte sich, daß nicht nur Gebiete der Großhirnrinde involviert sind, sondern auch subcortikale Areale unterhalb der Rinde. Es existieren weit gespannte Gedächtnisschaltkreise, die miteinander durch Rückkoppelungsrelationen verknüpft sind. Komplexe Gedächtnisinhalte sind das Resultat parallel verlaufender Hirnaktivität in verschiedenen Arealen. Das gesamte Gehirn ist im Grunde der Träger für das Gedächtnis. Das Lernvermögen des Gehirns und seine damit verbundene Adaptationsfähigkeit an Umgebungsfaktoren beruht im wesentlichen auf der Veränderbarkeit der Erregungsübertragung zwischen den Nervenzellen, also der synaptischen Permeabilität. Man vermutet, daß KZG und LZG unterschiedliche neuronale Korrelate haben: Das KZG beruht im wesentlichen auf elektrischen Änderungen in Nervenverbänden, während das LZG von biochemischen Änderungen neuronaler Verbände determiniert wird. Für die permanente Speicherung sind vor allem die Änderungen synaptischer Permeabilität sowie der Struktur von Gliazellen verantwortlich (s. Kimelberg und Norenberg 1989). Wenn es sich bei dem KZG um eine neurophysiologisch differente Funktion des Speicherns handelt, wird allerdings die Frage nach der Interaktion mit dem LZG zu einem Problem. Es muß erklärt werden, wie die beiden neuronalen Gedächtnismechanismen aufeinander beziehbar sind. Eine Konzeption, die der engen Wechselwirkung zwischen LZG und KZG auch auf der neurophysiologischen Ebene gerecht wird, nimmt an, daß das KZG der momentan aktivierte Zustand eines permanent gespeicherten Netzes ist (s. hierzu Kapitel 6).

3.5 Kritische Phasen, Lateralisierung und Plastizität Die Morphogenese des Gehirns, die ungefähr der Embryonalzeit entspricht, umfaßt die Formung und Ausgestaltung des Gehirns in seine Hauptbestandteile. In der Histogenese, die der Fötalzeit entspricht, erfolgt die Ausbildung der einzelnen Gehirnteile, die Entwicklung der Nervenfortsätze und die chemische Grundausstattung der

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Nervenzellen (Neuronen). Die Organisation der Cortexoberfläche führt zur Bildung und Ausdifferenzierung verschiedener bereichsspezifischer Areale. Der motorische Cortex ist das erste Areal, das in den ersten 2 Lebensmonaten ausgebildet wird. Danach folgen in den nächsten Lebensmonaten der visuelle, der auditorische und der somästhetische Cortex, also Bereiche, die für sensorische, modalitätsspezifische Informationsrepräsentation und Verarbeitung zuständig sind. Zwischen dem zweiten und dem vierten Lebensjahr bildet sich dann der Assoziationskortex heraus, der (wie bereits erwähnt) die cortikale Basis für modalitätsunspezifische, also von sensorischen Eigenschaften unabhängigen Repräsentationen darstellt. Die modalen, sensorischen Bereiche projizieren ihre Informationen auf die intermodalen Zonen. Diese assoziativen, intermodalen Areale des Cortex spielen für die semantischen Funktionen der Sprache eine bedeutende Rolle (s. Geschwind 1979). Neuronale Interkonnektivität stellt die zentrale Bedingung für die Funktionalität informationsverarbeitender Regionen im Gehirn dar. Das Potential neuronaler Verschaltung ist genetisch vorprogrammiert, doch bedarf es zu seiner Aktualisierung und Konsolidierung gewisser Umgebungsreize. Die bereits pränatal vorhandenen Schaltprogramme finden erst im Wechselspiel mit äußeren Faktoren zu ihrer Optimierung (vgl. Singer 1985). Die Interaktion von Umgebung und Gehirn muß in den ersten Lebensjahren oder monaten stattfinden, also in den für die jeweiligen Kognitionssysteme kritischen Phasen. Bereits Lenneberg (1967), der diesen Begriff in Analogie zu der kritischen Phase für die Prägung bei Vögeln eingeführt hat, hat gezeigt, daß in zeitlich begrenzten Entwicklungsphasen Kontakt mit bestimmten Umweltreizen stattfinden muß, da die jeweiligen Fähigkeiten später gar nicht mehr oder nur noch rudimentär erworben werden können. Daß das visuelle System zu seiner Entfaltung frühzeitig Stimulationen benötigt, ist spätenstens seit den Arbeiten von Wiesel und Hubel (1978, 1979) bekannt und empirisch nachgewiesen. Die rezeptiven Felder der corticalen Zellen (die für die visuelle Wahrnehmung verantwortlich sind) degenerieren funktional, wenn die Augen in den ersten Lebensmonaten geschlossen bleiben oder aufgrund krankhafter Mißbildungen keine visuellen Reize in das Gehirn leiten können. Blindgeborene, denen im höheren Lebensalter durch einen operativen Eingriff das Sehen ermöglicht wird, können deshalb trotz der behobenen Blindheit nicht die Sehleistungen eines normalen Menschen erlangen. Bestimmte Parameter der Neurophysiologie des Gehirns werden also durch spezifische Inputdaten fixiert. Auf der neuronalen Mikroebene vollzieht sich insbesondere das Dendritenwachstum (welches für die Komplexität der neuronalen Vernetzungen relevant ist) erst postnatal. Daß die Sprachfähigkeit (als Gehirnfunktion) irreparable Schäden erleidet, wenn in der frühkindlichen Entwicklung keine sprachlichen Stimuli vorhanden sind, ist ebenfalls empirisch belegt. Genie, ein 13jähriges Mädchen, das in völliger Isolation von sprachlichen Lauten aufgewachsen war, da die Eltern nicht mit ihm sprachen und es

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sogar bestraften, wenn es Laute von sich gab, entwickelte auch nach intensivster Übung nur noch eine sehr dürftige Sprachfähigkeit (bei ansonsten relativ normalen kognitiven Leistungen), deren formale Komponente auf einem besonders niedrigen Niveau blieb (Fromkin et al. 1974, Curtiss 1988). Jenseits der kritischen Phase, die zur Biologie des Menschen gehört, kann die formale Komponente der Sprachfähigkeit auch durch den Einsatz von kompensatorischen Lernstrategien nicht mehr aufgebaut werden. Daß das Gehirn in den ersten Lebensjahren noch eine große Plastizität besitzt, wird durch eine Reihe von klinischen Beobachtungen belegt: Kinder, die einseitige Hirnverletzungen erlitten hatten oder denen eine Hemisphäre operativ entfernt worden war, vereinigten verbale und non-verbale Funktionen in der intakten Hemisphäre. Kompensatorisch können also Gehirnbereiche die Funktionen ausgefallener Areale übernehmen, womit eine Äquipotentialität im frühen Kindesalter vorhanden ist. Auch dem ausgereiften Gehirn bleibt auf der Mikroebene der neuronalen Strukturen noch ein relativ breiter Spielraum. Zwar werden keine neuen Nervenzellen gebildet, aber es können neue Verschaltungen zwischen Neuronen durch Veränderungen der Synapsenstärke entstehen. Dadurch ist gewährleistet, daß sich das Gehirn neuen Umgebungsanforderungen anpassen kann und damit weiterhin lernfähig bleibt. Allerdings bildet die formale Komponente der Sprachfähigkeit hier offensichtlich eine Ausnahme. Bei Fällen von Hemisphärektomie (d.i. ist die Entfernung einer Hirnhälfte) zeigen Kinder, denen die linke (also die normalerweise sprachdominante Hemisphäre) entfernt wurde (und zwar noch vor Beginn des eigentlichen Spracherwerbs), schlechtere Leistungen bei komplexen syntaktischen Aufgaben und im Umgang mit geschriebener Sprache als Kinder, denen die rechte Hemisphäre entfernt worden war (vgl. Dennis 1980). In der Ontogenese erfolgt demnach die Realisierung eines funktionalen Potentials in einer genetisch präferierten Gehirnregion. Semantische Leistungen dagegen bleiben weitgehend normal (unabhängig von der Entfernung der linken oder rechten Hemisphäre). Aphasische Syndrome beim Erwachsenen, welche die formale Komponente der Sprache betreffen, resultieren fast ausschließlich aus einer Schädigung der linken Hemisphäre. Dagegen rufen nicht nur Schädigungen der linken Hemisphäre, sondern auch der rechten Hemisphäre öfter semantische Störungen (z.B. Wortschatzdefizite) hervor (s. Gainotti et al. 1981). Daß das semantische System auch prozedural eine von Phonologie und Syntax distinkte Komponente darstellt, zeigen selektive Ausfälle bei Patienten, deren phonologische und syntaktische Leistungen normal sind, deren Semantik aber gestört ist (s. Saffran et al. 1980). Neuropsychologische Studien legen den Schluß nahe, daß semantische Strukturen sehr viel diffuser als die formalen Strukturen der Sprache im Gehirn repräsentiert sind. Phonologie und Syntax sind nur sehr selten bei allgemein-kognitiven Störungen (bzw. allgemeinen Hirnschädigungen) affiziert. Semantische Defizite sind dagegen bei kortikalen und subkortikalen Erkrankungen häufig anzutreffen (s. Appell et al. 1982). Es findet sich bei Dementen eine klare Dissoziation zwischen sprachlichen Leistungen

53 (die die Bereiche Syntax und Phonologie involvieren) und konzeptuell-semantischen Leistungen. Diese Befunde sind ein Indiz dafür, daß die Semantik (anders als die Syntax) kein autonomes Subsystem der Sprache ist, sondern in Interaktion mit den allgemeinen konzeptuellen Fähigkeiten steht. Folgende Aspekte können wir also konstatieren: Die semantische Komponente scheint erstens nicht so fixiert an bestimmte Gehirnregionen der linken Hemisphäre zu sein wie die formale Komponente der Sprache. Vielmehr sind die semantischen Kenntnisse über weite Teile des Cortex verteilt gespeichert. Zweitens ist das neuronale Potential für den Erwerb und die Modifikation semantischer Fähigkeiten zeitlich nicht so stark an eine kritische Phase gebunden wie die formale Komponente der Sprachfähigkeit. Wir finden auch im ausgereiften Gehirn noch ein gewisses Maß an Plastizität für semantische und allgemein-kognitive Funktionen. Dies entspricht der Tatsache, daß der Bedeutungserwerb eigentlich ein unabschließbarer Vorgang ist.

4. Kognitive Ontogenese und Bedeutungserwerb 4.1.

Das konzeptuelle System als Basis für die Semantik

4.1.1 Konzepte als Bausteine der Kognition In der linguistischen Semantikforschung werden die Begriffe "konzeptuelle Struktur", "Konzept" und "konzeptuelles System" oft unreflektiert eingeführt. Eine Beschäftigung mit den konzeptuellen Aspekten unserer Kognition erfordert aber eine intensive Auseinandersetzung mit der Fachwissenschaft, die sich mit diesem Phänomen intensiv beschäftigt hat, nämlich der Kognitionspsychologie. Man braucht für die Klärung der Frage, in welcher Relation semantische und konzeptuelle Ebene zueinander stehen, zunächst eine Definition dessen, was konzeptuelle Strukturen genau sind. Hierzu ist eine Auseinandersetzung mit den theoretischen und empirischen Aspekten der Kognitiven Psychologie und der Neuropsychologie unerläßlich. Konzepte werde ich hier zunächst in Übereinstimmung mit den meisten Kognitionsforschern als die elementaren Einheiten unserer repräsentationalen Kognition betrachten (vgl. Keil 1979, Sigel 1983, Klix 1984, Snodgrass 1984, Engelkamp 1988). Sehr global und tentativ lassen sie sich als mentale Organisationseinheiten definieren, die die Funktion haben, Wissen über die Welt in einem abstrakten Format zu speichern. Als Mikrobausteine unseres Kognitionssystems ermöglichen sie die ökonomische Speicherung und Verarbeitung subjektiver Erfahrungseinheiten durch die Einteilung der Informationen in Klassen nach bestimmten Merkmalen. Mittels konzeptueller Struktureinheiten organisieren Menschen die riesige Menge an Informationen derart, daß ein effizientes Handeln und Verstehen möglich ist. Konzepte weisen zwei Organisationsebenen auf: (l)Die Intraebene betrifft den internen Aufbau eines Konzeptes und involviert die Frage, welche inhärenten Gesetzmäßigkeiten die innere Struktur eines Konzeptes determinieren. (2) Die Interebene betrifft die Relationen, in denen ein Konzept zu anderen Konzepten steht. Die zugrundeliegende Annahme ist dabei, daß sich Konzepte durch kognitive Primitive beschreiben lassen und daß sie in vernetzten Strukturen gespeichert sind. Auf die neuronalen Grundlagen unserer Welterfahrung und unserer Weltwissensrepräsentation bin ich im vorangegangenen Kapitel eingegangen und habe erörtert, inwieweit die perzeptuellen Kategorien und die konzeptuellen Wissenseinheiten aus neurobiologischer Sicht als aktivierbare neuronale Muster beschrieben werden können,

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deren Verschaltungsprogramme zwar bereits genetisch vorgegeben sind, aber erst in der Interaktion mit der Umwelt fixiert und ausdifferenziert werden. Nun wende ich mich der mentalen Ebene konzeptueller Strukturbildung zu. Die neuronale Genese spricht dafür, daß die fundamentalen Grundkategorien menschlicher Kognition angeboren sind. Dies steht zunächst im Gegensatz zu den Erklärungsansätzen der meisten Kognitions- und Entwicklungspsychologen, denen zufolge konzeptuelle Einheiten als Ergebnis eines komplexen Entwicklungs- und Lernprozesses zu betrachten sind. Der ontogenetische Erklärungsansatz Piagets ist Ausgangspunkt aller neueren Theorien, die sich mit konzeptuellen Aspekten der Kognition beschäftigen. Da sein Erklärungsmodell in vielen Arbeiten dargestellt und erörtert wird (s. z.B. Oeveste 1987), beschränke ich mich hier auf die Skizzierung der zentralen Grundthesen. Die Grundannahme von Piaget ist, daß die kognitive Ontogenese über eine Reihe von qualitativ verschiedenen Stadien abläuft. Er unterscheidet vier aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen, die von einem Stadium der sensomotorischen Intelligenz bis zum Stadium der formalen Intelligenz reichen. Während das Kind in der sensomotorischen Phase seiner Entwicklung mit seinen kognitiven Leistungen noch unmittelbar an die konkret erfahrbare Umgebung gebunden ist, erwirbt es in der präoperationalen Phase die ersten Symbolfunktionen. Damit erlangt das Kind die Fähigkeit, mittels mentaler Einheiten die Objekte seiner Umgebung zu repräsentieren und sie kognitiv zu manipulieren. Diese Fähigkeit wird in den Phasen der konkreten und formalen Operationen weiter ausgebaut und differenziert. Die kognitive Entwicklung vollzieht sich in einem komplexen Wechselspiel mit der Umwelt, wobei die durch Erfahrungen ausgelösten Veränderungen im kognitiven System nicht willkürlich verlaufen, sondern nach dem Prinzip der Äquilibration, das auf eine größtmögliche Ausgewogenheit und Widerspruchsfreiheit des Systems ausgerichtet ist. Die Äquilibration stellt eine Tendenz zur Selbstregulation und Selbsterhaltung dar. Der Organismus befindet sich zwischen zwei fundamentalen Prozessen, die komplementär arbeiten: der Anwendung bereits vorhandener schematischer Konzepte auf neue Reize (Assimilation) und der Veränderung und Differenzierung von Konzepten aufgrund nicht assimilierbarer Umweltreize (Akkomodation). Das strukturelle Apriori liegt für Piaget in der Kontinuität der sich organisierenden Struktureinheiten, deren Notwendigkeit "das Ergebnis einer allmählichen Konstruktion ist" (Piaget 1974:323). Obgleich Piaget die Rolle der Umwelterfahrung für die kognitiv-konzeptuelle Ontogense hervorhebt, ist er nicht Vertreter eines rigiden Empirismus. Er leugnet nicht die Existenz allgemeiner angeborener Fähigkeiten. Die Universalität der menschlichen Kognition besteht in einer unspezifisch angelegten Entfaltungslogik, einer Art Grundprogramm, das durch die Umwelt in Gang gesetzt und determiniert wird. Sein Modell orientiert sich an der "organisierenden" und nicht der "organisierten Organisation" (Piaget 1974 und 1983). Konzepte sind nach Piaget mentale Struktureinheiten, mit denen die mit der Umwelt gemachten Erfahrungen langfristig repräsentiert werden können. Die frühen

57 Konzepte des Kindes sind konkreter Natur und orientieren sich an den perzeptuell wahrnehmbaren Eigenschaften der Objektwelt. Später lernt das Kind dann, sich von den konkreten Manifestationen zu lösen und abstrahierende Operationen durchzuführen. Seine Konzepte stellen abstrakte Schemata dar, die nur noch mittelbar an die Erfahrungswelt gebunden sind. Komplexe und abstrakte Konzepte entstehen aus einfachen und konkreten Konzepten. Die in der Entwicklungspsychologie breit akzeptierte Annahme eines solchen Kompositionalitätsprinzips in der konzeptuellen Ontogenese ist vor allem von Fodor (1975 und 1983) kritisiert worden. Fodor lehnt eine Theorie der konzeptuellen Ontogenese, die in der Interaktion mit der Umgebung den auslösenden Faktor für kognitive Veränderungen und Errungenschaften sieht, ab, da sie keine adäquate Erklärung bereitstellt, wie Kinder neue Konzepte erwerben. Konzepte sind ihm zufolge prinzipiell nicht über induktive Generalisierungen lernbar. Lerntheoretisch betrachtet stellt der Erwerb neuer Konzepte einen Vorgang der Hypothesenfindung und bestätigung dar. Neue Hypothesen gehen aber nicht logisch aus dem bereits vorhandenen Wissen hervor, d.h. komplexere oder neue Konzepte entstehen nicht logisch aus primitiveren. Konzepte sind prinzipiell nicht definierbar und mittels primitiver Elementarmerkmale beschreibbar. Ein von Fodor et al. (1980) durchgeführtes Experiment wird dabei als Evidenz für die These genannt, daß die Dekomposition konzeptueller Einheiten kein kognitiv realer Vorgang ist. Für Fodor sind alle Konzepte unanalysiert angeboren, also Bestandteil des menschlichen Genotyps. Durch. Stimuli der Umwelt werden sie dann nur noch ausgelöst. Für mich ist ein Erklärungsansatz, der dem Organismus eine gewisse Variabiltät einräumt, neuropsychologisch plausibel. Der Mensch zeichnet sich dadurch als Spezie aus, daß er Adaptationsmechanismen hat, die die Flexibilität seines Denkens und Handelns in einer wandelbaren Umwelt gewährleisten. Dadurch ist er lernfähig. Diese Annahme ist durchaus in Einklang mit dem bereits genetisch verankerten Potential zu bringen: Das Konzept einer angeborenen Spezialisierung schließt eine m der Ontogenese erfolgende Re-Konstruktion nicht aus, wenn man dem im Genotyp verankerten funktionalen Potential eine gewisse Variabilität zugesteht. Die geschilderten neurophysiologischen Befunde sind Indikatoren für solch genetisch festgelegte, aber mit Parametern versehene Programme. In phylogenetischer, ontogenetischer und in aktualgenetischer Sicht ist ein völlig vorprogrammiertes und damit operational geschlossenes, nicht mehr lernfähiges System unplausibel, da es sich nicht adäquat mit Veränderungen seiner Umwelt auseinandersetzen könnte. Das konzeptuelle System ist damit einerseits das Resultat ontogenetischer Prozesse, andererseits ist es auch in seinen grundlegenden Basiskategorien pränatal im menschlichen Organismus verankert. Die grundlegenden Prinzipien, die den Konzeptstrukturen des Menschen zugrundeliegen, stellen also kognitive Universalien dar. Die Prinzipien, die unsere Welterfahrbarbarkeit und Wissensrepräsentation determinieren, sind auch für die Bildung konzeptueller Einheiten verantwortlich. Determinanten, die den Aufbau des konzeptuellen Systems systematisch einschränken, sind

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eine Menge von Prinzipien, die eine ontologische Typologie festlegen. Die universalen Kategorien (und die Regeln für ihre Verbindbarkeit) dieses ontologischen Systems geben die Rahmenbedingungen für die Bildung konzeptueller Strukturen an. Elementare Einheiten des konzeptuellen Kenntnissystems sind die mit mentalen Variablen und Konstanten belegten konzeptuellen Primitiva. Die ontologischen Grundkategorien sind genetisch festgelegt und resistent gegenüber Umwelteinflüssen in der Ontogenese, doch im Rahmen der von diesen Grundkategorien abgeleiteten Konzeptrepräsentationen auf der Ebene des Weltmodells sind Modifikationen möglich. Auf die neuropsychologischen Prinzipien des offensichtlich angeborenen und universellen konzeptuellen Systems wird in der Entwicklungs- und Kognitionspsychologie meistens nicht näher eingegangen. Die Erklärungsmodelle beginnen bei der postnatalen Ontogenese und untersuchen die konzeptuelle Entwicklung im Paradigma der modernen Gedächtnis- und Lernpsychologie. Konzeptstrukturen sind demnach Gedächtnisinhalte, die als das Resultat kognitiver Lernvorgänge zu erforschen sind. Kognitives Lernen umfaßt drei fundamentale Prozeduren: -

die Verarbeitung und Speicherung von Erfahrungseinheiten in kategorisierter Form (Konzepterwerb), - Eingliederung der Konzepte in komplexe Strukturen (Schemataaufbau), - Anwendung des gespeicherten Wissens in Denk- und Problemlösungsprozessen (Strategienerwerb bzw. Aufbau des prozeduralen Wissens). An dieser Stelle soll auf eine Unterscheidung hingewiesen, die in der Literatur oft entweder nicht beachtet oder aber nivelliert wird, die Unterscheidung von Konzeptualisierung und Kategorisierung. Mit Konzeptualisierung meine ich den fundamentalen Prozeß, der mentale Einheiten überhaupt erst generiert, indem extern erfahrbare Einheiten und Zustände in den mentalen Modus überführt werden. Der mentale Modus zeichnet sich dadurch aus, daß er prinzipiell als interner (d.h. dem Organismus zugehöriger) Repräsentationszustand erfahrbar ist. Der Konzeptualisierungsprozeß verwandelt also externe Einheiten mit Hilfe von mentalen Transformationsregeln in interne Einheiten. Später erwirbt das Kind auch die Fähigkeit, auf der Basis interner Repräsentationen kognitive Konstrukte zu erstellen. Mit Kategorisierung bezeichne ich den Klassifikationsprozeß, der die Teilprozesse der Subordination, der Abstraktion und der Hierarchisierung umfaßt. Zunächst wird eine Gruppe von Einheiten in kleinere Gruppen ähnlicher Einheiten eingeteilt. Dabei wird von den individuellen Differenzen abstrahiert. Kategorien kombinieren Exemplare einer Klasse. Konzepte sind Teile von Kategorien, die auf verschiedenen hierarchischen Ebenen angeordnet werden (z.B. Apfel - Frucht - Obst). Der Mensch muß - um sich in der Umgebung, die er als Welt erlebt, orientieren zu können - die äußeren Reize so verarbeiten, daß die diffuse Reizmenge in einzelne

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invariante Objekte eingeteilt wird und diese wiederum in Klassen äquivalenter Teilmengen zusammengefaßt werden. Identität und Äquivalenz stellen fundamentale Prinzipien bei der Kategorisierung der Welt und des Wissens von der Welt dar. Das Prinzip der Identität läßt uns ein Objekt zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen Räumen als ein und dieselbe Entität erkennen. So ist es möglich, daß ich meinen Nachbarn auch in zwei Wochen auf einem abgelegenen Bauernhof als den Mann identifizieren kann, der normalerweise neben mir wohnt. Das Prinzip der Äquivalenz läßt uns zwei Objekte aufgrund ihrer gemeinsamen Eigenschaften als zwei Entitäten, die beide Exemplare (oder Instanzen) derselben Klasse sind, erkennen. Deshalb kann ich die Eiche im Park und die Eiche im Garten als Exemplare der Gegenstandsklasse BAUM identifizieren. Das Erkennen identischer und äquivalenter Objekte wird durch die im LZG gespeicherten Konzepte ermöglicht. Bei Störungen wie Amnesie oder Agnosie ist dieser Erkenntnisprozeß nicht mehr möglich, da die Pfade zu den jeweiligen Konzepten blockiert sind. Konzepte, die Informationen über ganze Klassen von Objekten speichern, stellen Kategorien bzw. Type-Konzepte dar; Konzepte, die individuelle Objekte repräsentieren, sind Token- bzw. Individualkonzepte. Hier ist zu beachten, daß das, was ich hier Type-Konzepte nenne, nicht mit dem identisch ist, was Jackendoff (1983) meint. Type-Konzepte sind bei ihm die dem Bewußtsein in keiner Weise zugänglichen Grundkategorien, die den kognitiven Aufbau steuern und selber nicht referentiell sind. Was Jackendoff Types nennt, sind aber eher die Prinzipien des konzeptuellen Systems, die den Aufbau von Types und Tokens determinieren. Die sich auf der Ebene der repräsentationalen Kognition befindlichen Kategorienkonzepte sind zumindest teilweise referentialisierbar, da wir das in ihnen gespeicherte Wissen partiell ins Bewußtsein rufen können. Als das fundamentale Prinzip der kognitiven Funktionalität habe ich das Prinzip PROJIZIERE dargestellt. Die Aktivierung dieses Prinzips stellt die Bedingung der Möglichkeit unserer mentalen Erfahrung dar. Deshalb ist in meinem Ansatz auch (anders als bei Jackendoff) generische Referenz möglich. Referenten generischer NPs sind die ins KZG aktivierten prototypischen Vertreter konzeptueller Type-Kategorien (s. hierzu meine Ausführung in Kapitel 6). Konzepte ergeben sich nicht aus der Addition einzelner Exemplare (es würde zu einer Überbelastung des LZG kommen, wenn alle Exemplare einer Klasse einzeln aufgeführt würden), sondern entstehen durch mentale Operationen, die von den individuellen Objektexemplaren abstrahieren und nur deren gemeinsame Merkmale extrahieren. Durch die gemeinsame Speicherung dieser Merkmale werden Kategorien gebildet. So entsteht z.B. aus der Erfahrung mit vielen verschiedenen Hunden ein HUND-Konzept - das sehr vereinfacht folgendermaßen beschrieben werden kann: (IST EIN TIER, HAT VIER BEINE, HAT EINEN SCHWANZ, KANN BELLEN) - , das als eine Art Klassifikationsregel für alle Hunde fungiert, da jedes Exemplar der Klasse Hund als Mitglied oder Nicht-Mitglied des HUND-Konzepts identifiziert werden kann. Der Inhalt eines Konzepts, der durch die jeweilige Menge an Merkmalen festgelegt wird,

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bestimmt die Menge aller Instanzen, die dem jeweiligen Konzept zugerechnet werden können. Wie wir bei der Erörterung der Gehirnentwicklung gesehen haben, organisieren sich zuerst die sensorischen Rindenfelder, dann die Assoziationsgebiete. Diese Entwicklung korreliert mit der konzeptuellen Ontogenese: Die frühkindlichen Konzepte stellen modalitätsspezifische Einheiten dar, die im Laufe der Entwicklung zunehmend abstrakter werden. Die Fähigkeit zur Abstraktion und zur modalitätsunspezifischen Repräsentation ist im menschlichen Organismus als ein Entwicklungsprinzip genetisch verankert. Die Ausbildung der inter- und supramodalen Rindenfelder ist eine vorprogrammierte Stufe.

4.1.2 Zur Repräsentation von Konzepten Ich bin bis jetzt noch nicht auf das Vagheitsproblem eingegenagen, das sich bei dem Versuch zeigt, Aussagen über die Repräsentation von Konzepten machen zu wollen. In den psychologischen Konzepttheorien ging man lange davon aus, daß sich der Inhalt eines Konzepts durch einen Merkmalssatz, d.h. eine Liste von notwendigen und hinreichenden Merkmalen, darstellen läßt (s. hierzu Ach 1921, Henle 1971). Man nahm an, daß sich der Inhalt von Konzepten vollständig durch einen definitorischen Merkmalssatz repräsentieren läßt und daß alle Instanzen einer Kategorie gleich gute Mitglieder eines kategorialen Konzeptes sind. Zuordnungen von Instanzen zu den kategorialen Konzepten sind demnach auch unproblematisch. Diese klassische Konzeptauffassung geriet durch die empirischen Ergebnisse der Prototypensemantik ins Wanken. Konzepttheorien müssen drei fundamentale Aspekte berücksichtigen: Vagheit, Typikalität und Grenzfälle. Verfechter des prototypischen Ansatzes haben zeigen können, daß Vpn sich bei kategorialen Zuordnungen auch an nicht-notwendigen, sondern typischen Merkmalen orientieren. Ethnosemantische und psychologische Untersuchungen und Tests haben aber ergeben, daß viele Konzepte ihrer Struktur nach vage sind, die Übergänge zwischen Konzepten oft fließend und exakte Kategorisierungsurteile deshalb meist gar nicht möglich sind. Daß sich konzeptuelle Kategorien nicht strikt voneinander abgrenzen lassen und nicht durch präzise definierbare Merkmalssätze repräsentiert werden, haben eine Reihe von Untersuchungen gezeigt. So beobachteten Berlin/Kay (1969) und Rösch (1975), daß z.B. im Bereich der Farbkategorien klare Grenzziehungen und Umfangsbestimmungen von Konzepten nicht möglich sind. Labov (1973) demonstrierte durch sein mittlerweile berühmtes Tassen-Experiment, daß eindeutige Kategorisierungsurteile kaum möglich sind und deshalb die Annahme einer Konzeptrepräsentation mittels hinreichender und notwendiger Merkmale Wenig plausibel ist. Konzepte sind ihrer Struktur nach offenbar vage und weisen einen "unscharfen Rand" auf (s. Schneider 1988:125). Vagheit oder Unscharfe ist keinesfalls mit Ambiguität

61 gleichzusetzen und fällt auch nicht in den Bereich der Pragmatik. Es handelt sich um ein mentales Phänomen, das die im LZG gespeicherten Konzeptstrukturen betrifft. Eine allgemein akzeptierte Definition gibt es allerdings derzeit nicht. Ich grenze die Vagheit von Bedeutungen strikt ab von deren Variabilität. Die kontextbedingte Variabilität von aktuellen Bedeutungen ist die Folge unterschiedlicher Verarbeitungsprozeduren in Abhängigkeit kontextueller und situativer Faktoren (s. hierzu Kapitel 6). Vagheit dagegen betrifft die inhärent unbestimmte Struktur lexikalischer Konzepte. Kommunikative Vagheit liegt vor, wenn eine Äußerung zu wenig informativ ist in Bezug auf eine bestimmte situationsabhängige Norm (s. Pinkai 1985). Es handelt sich dann um kommunikative Unterbestimmtheit. Semantische Unbestimmtheit dagegen hängt mit der Unmöglichkeit bzw. Schwierigkeit zusammen, einer Äußerung im strikt logischen Sinne einen Wahrheitswert zuzuordnen. Semantische Vagheit involviert die unklare Anwendbarkeit einer Prädikation auf einen bestimmten Referenten. Es gibt zwei Hauptformen der semantischen Unbestimmtheit: Vagheit und Mehrdeutigkeit. Pinkai (1985) hat den Unterschied zwischen Mehrdeutigkeit und Vagheit an dem Kriterium der kommunikativen Präzisierungsbedürftigkeit festgemacht. Ein semantisch unbestimmter Ausdruck ist mehrdeutig, wenn seine Verwendung in der Regel zu kommunikativer Unterbestimmtheit führt, falls er nicht durch den situativen oder sprachlichen Kontext präzisiert wird. Ein typischer Fall von Mehrdeutigkeit liegt bei dem Satz Hans ging zur Bank vor, wo die Mehrdeutigkeit durch Zusätze wie Dort holte er Geld oder Dort setzte er sich hin aufgelöst werden kann. Ein semantisch unbestimmter Ausdruck ist dagegen vage, wenn sein Gebrauch auch ohne Präzisierung nicht zu kommunikativer Unterbestimmtheit führt. Ein Satz wie Er bot mir einen Stuhl an ist hierfür ein Beispiel. Obgleich die Bedeutung von Stuhl vage ist, besteht keine direkte Unterbestimmtheit. Es besteht kein Zwang zu einer Lesartenwahl, und der Einschub modifizierender Phrasen wie einen alten und dreibeinigen ist fakultativ. Vagheit liegt demnach vor, wenn es ein ganzes Kontinuum möglicher Präzisierungen gibt. Bei Mehrdeutigkeit dagegen gibt es einige wenige Lesarten, von denen eine ausgewählt wird. Zwischen Vagheit und Mehrdeutigkeit sind die Übergänge allerdings fließend. Die Bedeutungen eines mehrdeutigen Ausdrucks können selber vage sein. Das Phänomen der Typikalität ist empirisch-experimentell bereits gut dokumentiert. In Kategorisierungs- und Rezeptionstests, die Eleanor Rösch in den 70er Jahren durchführte, zeigte sich, daß graduelle Differenzierungen innerhalb von Kategorien existieren und daß nicht alle Exemplare einer kognitiven Kategorie gleichrangig sind: So ist Spatz in unserer Kultur eine bessere Instanz von Vogel als Ente, Mohre eine bessere Instanz von Gemüse als Petersilie usw. Abstufungen der kategorialen Zugehörigkeit haben meßbare Auswirkungen auf die Perzeption von Sätzen, da in Satzverifikationsaufgaben Sätze mit typischen Instanzen schneller erkannt werden. Die Mitglieder einer Kategorie haben oft nur eine "Familienähnlichkeit (vgl. Wittgensteins berühmtes Spie/-Beispiel), und es lassen sich meistens keine Merkmale angeben, die allen Instanzen gemeinsam sind. Zudem gibt es

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noch Grenzfälle, die bestimmte signifikante Merkmale der Kategorie nicht aufweisen, ihr aber dennoch angehören (z.B. der Albino-Tiger ohne Streifen, die Tasse ohne Henkel). Konzeptuelle Kategorien müssen deshalb sehr viel offener und flexibler in ihrer Struktur und Repräsentation sein als ursprünglich angenommen. Der Prototypenansatz versucht, den empirischen Problemen gerecht zu werden, indem er Konzepte als Repräsentationseinheiten definiert, die wie eine Art Faustregeln fungieren. Prototypen stellen Standardbeschreibungen dar, die sich auf typische Vertreter einer Kategorie beziehen. Es sind Abstraktionen, die den Durchschnitt von Merkmalsausprägungen (für kontinuierlich variierende Merkmale) und bei dichotom variierenden Merkmalen die häufiger vorkommende Merkmalsausprägung repräsentieren. Der Prototyp braucht keinem einzigen real existierenden Objekt zu entsprechen. Je mehr Merkmale ein Exemplar einer Kategorie mit dem Prototyp hat, desto wahrscheinlicher wird es als typisch klassifiziert. Die Untersuchungen von Rösch u.a. (1975, 1978) haben auch Hinweise erbracht, die für die Existenz einer besonderen Ebene von Kategorien sprechen. Diese sogenannte Basisebene ist die ökonomischste Abstraktionsebene der konzeptuellen Repräsentation derart, daß ihre Konzepte die meisten Unterschiede berücksichtigen und dennoch kognitiv einfach und anschaulich sind. Konzeptuelle Organisationen von Objektbereichen können als Taxonomien mit mehreren Abstraktionsstufen dargestellt werden: Fahrzeug -Auto - Bus-, Möbelstück - Sessel - Ohrensessel, Basisbegriffe stellen in den Taxonomien die abstraktesten Konzepte dar, für die noch eine anschauliche Repräsentationseinheit möglich ist. Oberbegriffe wie Möbel und Frucht weisen aufgrund ihrer hohen Abstraktionsstufe keine anschaulichen Repräsentationen auf (es existieren kein Vorstellungsbilder für das Wort Möbelstück, nur für Sessel, Tisch usw.). Die Konzepte der Basisebene zeichnen sich zudem dadurch aus, daß sie die höchste Anzahl von nicht-überlappenden Merkmalen aufweisen. Jedes Basiskonzept ist durch eine Zahl von Merkmalen charakterisiert, die nur auf das jeweilige Konzept und nicht auf andere Basiskonzepte zutreffen. Unterbegriffe dagegen haben häufig viele Merkmale gemeinsam mit anderen Unterbegriffen. Verarbeitungs- und Benennungstests haben die kognitive Ökonomie der Basiskonzepte hervorgehoben. Spracherwerbsstudien legen die Annahme nahe, daß die Basiseinheiten als erste Konzepte von Kindern repräsentiert werden. Zudem läßt sich im Sprachgebrauch die bevorzugte Verwendung von Ausdrücken, die auf Basiskonzepte Bezug nehmen, beobachten. Wir referieren auf jemanden, der über die Straße läuft, mit sprachlichen Ausdrücken wie der Mann/die Frau statt das Lebewesen oder der Mensch. Dies zeigt sich übrigens auch bei anaphorischer Referenz (wie Steinitz 1974 demonstriert hat). t

(12) Um die Ecke bog in großer Eile ein Polizist. *Dieses Lebewesen war mit einem Gummiknüppel bewaffnet.

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(13) Über die Straße rannte ein Dackel. *Das Säugetier kam keifend auf mich zu. Nachdem nun einige grundlegende Charakteristika konzeptueller Einheiten diskutiert worden sind, möchte ich mit den folgenden Ausführungen die anfangs tentativ erstellte Definition von "Konzept" in Form von einigen Hypothesen erweitern und modifizieren. Konzepte sind mentale Entitäten, die repräsentationelle Funktionen ausüben, d.h. es sind systeminteme Einheiten, die externe Einheiten (bzw. Informationen über diese Einheiten) abbilden. Damit sind Konzepte Bestandteile der im Kognitionssystem des Menschen gespeicherten mentalen Welt, die als komplexes Repräsentationssystem ein Modell von der extern erfahrenen Welt im internen Modus darstellt. Kategoriale Konzepte sind das Resultat abstrahierender Klassifikationsprozesse und speichern Klassenmerkmale in Form von Prototypen. Damit erfüllen sie zwei grundlegende Funktionen: Sie bilden Erfahrungsinhalte im Zusammenhang vernetzter Relationen geordnet ab und ermöglichen dadurch eine effiziente Informationsverarbeitung. Damit stellen sie die Basis für das gesamte Weltwissen dar, das sich aktivieren und in das Bewußtsein (des KZG-Speichers) rufen läßt, wo es kognitiven Operationen unterzogen werden kann. Das in den aktivierbaren Konzepten gespeicherte Wissen stellt Informationen für die semantische Komponente der Sprache bereit. Die Prinzipien, die unsere perzeptuelle Welterfahrbarkeit und damit die Anzahl unserer ontologischen Kategorien bestimmen, determinieren auch die Bildung konzeptueller Wissenseinheiten. Konzepte sind demnach keine willkürlich entstehenden, völlig umweltabhängigen Konstrukte, sondern genetisch fixerte Schemata, die in einigen begrenzten Werten für bestimmte Parameter variieren können. Die Variabilität einiger Werte und die Verknüpfungsmöglichkeiten der konzeptuellen Primitiva sichern die Offenheit des menschlichen Kognitionssystems für Umwelteinflüsse. Konzepte sind somit als operative Einheiten aufzufassen, die Prinzipien beinhalten, nach denen Erfahrungen akkomodiert werden können. Sie sind Schemata auf der Mikroebene der Kognition, die sich aus mental begrenzten Variablen zusammensetzen, die durch bestimmte umweltgesteuerte Werte besetzt werden können. Individuelle und interkulturelle Variationen finden sich aber nur bei den Konzepten, die nicht von Wp, sondern von Wj^.n abgeleitet worden sind. Mit Bierwisch (1983c:64) nehme ich folgendes Modell an: Danach wird ein Konzept C determiniert durch ein Schema (t,(aj,....,an), wobei t einen konzeptuellen Typ (im Sinne einer ontologischen Kategorie) und (aj,....^) einen Satz von explanatorischen Prinzipien (nach denen sich Konzepte entwickeln können) meint. In dem konzeptuellen System, das dem Menschen als mentaler Zustand genetisch mitgegeben ist, sind Typen einer fundamentalen Ontologie verankert (z.B. als Objekte, Ereignisse). Die Verbindungsmöglichkeiten der Konzepttypen untereinander ist ebenfalls

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festgelegt. So läßt sich z.B. ein Typ OBJEKT mit dem Typ EIGENSCHAFT (wie in schwarzer Hund) verbinden. Das System der explanatorischen Prinzipien berücksichtigt die unterschiedlichen Dimensionen, nach denen Erfahrungsinhalte organisiert werden können (z.B. Substanz, Struktur, Funktion). Damit lassen sich unterschiedliche Ebenen in der Entwicklung konzeptueller Einheiten erklären: Das Konzept WASSER kann zunächst nur in Bezug auf Struktur und Funktion, später auch in Bezug auf Substanz (1^0) definiert sein. Daher sind auch laienhafte, alltagssprachliche und expertenhafte Konzepte, die z.B. für Putnam (1975) ein Problem darstellen, einheitlich erklärbar. Sie unterscheiden sich lediglich durch ihre jeweilige "Füllung", d.h. die Fixierung unterschiedlicher Parameter Der Inhalt eines Konzepts, der durch die jeweilige Menge der mit Erfahrungswerten besetzten Variablen charakterisiert ist, legt die Menge aller Instanzen fest, die die dem kategorialen Konzept zugerechnet werden können. Die konzeptuellen Einheiten fungieren demzufolge wie Prozessorkomponenten: Sie steuern die organsierte Welt- und Wissenserfahrung und reduzieren die Komplexität und Heterogenität der Umweltreize. In einer ersten Annäherung habe ich Konzepte als strukturelle Grundeinheiten der Kognition definiert, die fundamentale Kenntnisse über die Welt in einem aktivierbaren Format abspeichern. Konzepte speichern Wissen in einem modalitätsunspezifischen Modus. Bei der Aktualisierung konzeptuellen Wissens werden die amodalen konzeptuellen Inhalte modalitätsspezifisch gebunden.

4.2. Zum Aufbau des semantischen Systems 4.2.1

Entwicklungsstufen

Ich bin auf die Ontogenese der allgemein-kognitiven Fähigkeiten eingegangen, weil diese m.E. die Basis für den Aufbau der semantischen Sprachkomponente bilden. Damit vertrete ich eine besondere Form der Kognitionshypothese betreffs der semantischen Sprachentwicklung (s. hierzu Cromer 1974). Dieser Hypothese zufolge sind bereits kognitive Strukturen ausgebildet, wenn ein Kind anfängt, die Zuordnung bestimmter Lautmuster zu mentalen Inhalten und zu Objekten und Sachverhalten seiner Umgebung zu erschließen. Mit dieser These wird allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich sprachliche und allgemein-kognitive Strukturen nicht auch eine Zeit lang parallel entwickeln können. Die Semantik einer Sprache kann sich aber nur entfalten, wenn konzeptuelle Repräsentationen vorhanden sind, wobei sich das konzeptuelle Kenntnissystem noch im Aufbau bzw. in Organisations- und Differenzierungsprozessen befinden kann. Wir sind nur dann in der Lage, sprachliche Strukturen zu verstehen und zu benutzen, wenn unsere kognitiven Fähigkeiten uns dazu instandsetzen. Ein Blick auf

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die Ontogenese dieser Fähigkeit gibt näheren Aufschluß über die Eingebundenheit der Semantik in das Kognitionssystem, insbesondere in das konzeptuelle Kenntnissystem. Ich habe bereits erörtert, daß der Bedeutungserwerb (im Gegensatz zum Syntaxerwerb, der zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen ist und dessen Entwicklung relativ unabhängig von der Ontogenese allgemeiner kognitiver Strukturen verläuft) auf der Interaktion verschiedener Subsysteme der Kognition basiert und eine Art unabschließbaren Prozeß darstellt, da es auch beim Erwachsenen durch das Lernen neuer Wörter und Bedeutungsmodifikationen noch zu Veränderungen im semantischen Teil des Lexikons kommen kann. Die Akkumulation lexikalischer Einheiten beginnt um den 12. Lebensmonat. Ein Abiturient verfügt ungefähr über 80.000 Wörter (dazu gehören auch Personen- und Ortsnamen sowie ideomatische Ausdrücke. Ein Kind muß also von Sprachbeginn an durchschnittlich mehr als 10 neue Wörter pro Tag lernen (s. Aitchison 1987). Das Wissen des Kindes verändert sich aber nicht nur quantitativ. Empirischen Langzeitstudien und experimentellen Untersuchungen zufolge finden im Spracherwerb auch deutliche Veränderungen qualitativer Art statt (vgl. Grimm/Wintermantel 1975, Keil/Batterman 1984, Carey 1988). -

Die frühen Bedeutungen lexikalischer Einheiten sind eher episodisch-individuell und an konkreten Beispielen orientiert. In Assoziationstests finden sich viele anomale Antworten, die eine Relation zwischen zwei Elementen herstellen, die für Erwachsene untypisch oder nicht akzeptabel sind (z.B. auf den Stimulus gut die assoziative Reaktion Mantel). Kindspezifische Formen des Assoziierens sind auch das Nennen von Bezugspersonen (rot - Mutter) und Objekten aus der unmittelbaren Umgebung (Hund - Waldi). Vorherrschend sind syntagmatische Assoziationen. - Selbst Schulkinder haben noch Schwierigkeiten bei der Bildung hierarchischer Taxonomien. Abstrakte Konzepte (wie Güte, Idee) werden erst spät richtig verstanden und verbal benutzt. Der frühkindliche Wortschatz besteht fast ausschließlich aus konkreten Ausdrücken. Sprachliche Strukturen, die auf perzeptuell erfahrbare Ereignisse referieren, werden sehr viel leichter verstanden als abstrakte Sätze. - Der kindliche Sprachverarbeitungsmechanismus wird stärker von semantischen und pragmatischen Strategien determiniert als von syntaktischen. Bei der Satzinterpretation werden primär perzeptuelle und allgemein-kognitive Kenntnisse berücksichtigt. So werden z.B. Aktiv- und Passiv-Sätze hinsichtlich ihrer enzyklopädischen Plausibilität analysiert und verstanden. Die frühkindliche Strategie des semantic bootstrapping identifiziert syntaktische Kategorien mit Hilfe lexikalisch-funktionaler Kriterien. Eine interessante empirische Beobachtung kommt von Miller (1986) und Miller/Gildea (1987). Ihren Untersuchungen zufolge verläuft der Bedeutungserwerb in zwei Phasen, von denen die eine schnell, die andere langsam verläuft. In der ersten Phase ordnet das

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Kind die neuen Wörter, die es gelernt hat, sofort und mit ziemlicher Sicherheit semantischen Netzen (bzw. Feldern) zu. Noch bevor Kinder die jeweiligen Bedeutungen der einzelnen Wörter genau kennen, können sie semantische Felder auseinanderhalten. So weisen Dreijährige z.B. das in einer Situation gelernte Wort kupfern direkt der übergeordneten Kategorie FARBE zu. Wenn man sie nach der Farbe eines Gegenstandes fragt, nennen Kinder möglicherweise ein anderes Farbwort, nie aber feldexterne Wörter wie kalt, Zoo oder vier. Diese Beobachtung spricht für eine frühe Organisation des semantischen Systems nach semantischen Feldern. In der zweiten Phase werden dann die Bedeutungsunterschiede von Wörtern innerhalb eines semantischen Netzes ausdifferenziert. Dieser Vorgang dauert sehr viel länger und ist selbst beim Erwachsenen zum Teil noch nicht abgeschlossen. So können wir z.B. Rittersporn und Pantoffelblume korrekt dem semantischen Feld der Blutenpflanzen zuordnen, ohne eine Bedeutungsbeschreibung liefern zu können. Die jeweiligen Repräsentationen in Lexikoneinträgen können also auch beim Erwachsenen unterschiedlich spezifiziert sein. Die Prinzipien, die die Hypothesen des Kindes beim Bedeutungserwerb beschränken, stellen das zentrale, noch nicht intensiv genug erforschte Problem der semantischen Entwicklungstheorien dar. Das Induktionsproblem, auf das man beim Grammatikerwerb unweigerlich stößt (und das die Frage aufwirft, wie ein Kind trotz unvollständiger, heterogener und z.T. falscher Inputdaten die Grammatik in einem relativ kurzen Zeitraum internalisiert), tritt auch bei Erklärungsansätzen zum Semantikerwerb auf. Angesichts der potentiellen Größe des Hypothesenraums beim Bedeutungserwerb und der großen Variabilität der dem Kind zur Verfügung stehenden Daten, scheint es unwahrscheinlich, daß semantische Einheiten allein aufgrund induktiver Generalisierungen erworben werden, wie es lange in den Bedeutungstheorien angnommen wurde (s. Carey 1983). Wenn ein Kind in einem bestimmten Kontext zum ersten Mal das Wort Tasse hört, und es kennt keine Wörter für die Umgebung, so kann sich Tasse auf alles mögliche beziehen (den Tisch, auf dem die Tasse steht, das Material, aus dem die Tasse gemacht ist, usw.). Hinzu kommen die vielen Optionen bei der Benennung eines Gegenstandes oder einer Handlung, mit denen das Kind konfrontiert wird. Derselbe Hund z.B. kann je nach Sprecher und Situation als Tier, Hund, Dackel, Köter, Mistvieh oder Lumpi bezeichnet werden. Unter welchen Bedingungen vollzieht sich die Annäherung des kindlichen Semantiksystems an das der Erwachsenen? Welche Prinzipien steuern den Erwerbsprozeß? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der erwerbsorientierten Semantiktheorien, wobei der Kenntnisstand über die Entwicklung semantischer Strukturen (bedingt durch die größere Heterogenität und das Eingebundensein in allgemein-kognitive Kenntnissysteme) hinter dem Wissen über den Erwerb syntaktischen Wissens zurückbleibt. Im folgenden sollen kurz einige Aspekte semantischer Erwerbstheorien skizziert und kritisch diskutiert werden. Auf die verschiedenen Erwerbsansätze gehe ich im einzelnen nicht intensiver ein, da alle das Kernproblem, nämlich die Prinzipien, die den

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Semantikerwerb regulieren und beschränken, noch nicht adäquat gelöst haben und mehr oder weniger ähnliche Erklärungen liefern (vgl. Carey 1988). Grundlage für die meisten Bedeutungserwerbstheorien ist die Merkmalshypothese, derzufolge Bedeutungen keine holistischen (nicht weiter zu analysierenden) Entitäten sind, sondern Merkmalsbündel darstellen. Die prominenteste Erwerbstheorie in diesem theoretischen Rahmen ist von Eve Clark (1973, 1979, 1982) vorgelegt worden. Nach Clark läßt sich der Bedeutungserwerbsprozeß als graduell verlaufender Vorgang beschreiben, bei dem semantische Merkmale den Lexikoneinträgen sequentiell zugefügt werden. Im Alter von ca. 1,4 Jahren beginnt das Kind mit dem Aufbau eines Wortlexikons und muß dafür ein System semantischer Merkmale bilden. Da die Lexikoneinträge der Kinder zunächst unvollständig repräsentiert sind, können Verbindungen geknüpft werden, die für einen Erwachsenen asemantisch sind. Kinder erwerben am Anfang die allgemeinsten semantischen Merkmale eines bestimmten Wortes. Diese allgemeinen Merkmale stammen aus der perzeptuellen Erfahrungswelt des Kindes, d.h. die ersten Beduetungskomponenten werden aus der visuellen Wahrnehmung extrahiert. Die Identifizierung der ersten Wortbedeutungen wird durch eine elementare kognitive Strategie determiniert: Greife die perzeptuell am meisten saliente Eigenschaft eines Objektes heraus und nimm an, daß das fragliche Wort auf sie verweist. Voraussetzung für die Anwendung dieser Strategie ist, daß das Kind Objekte bereits perzeptuell identifizieren kann und implizite Hypothesen zu bilden vermag. Die klassifikationsrelevanten Merkmale des frühkindlichen Bedeutungserwerbs beziehen sich auf perzeptuelle Grunddimensionen wie Form, Größe und Bewegung. Clark zieht das empirische Phänomen der Übergeneralisierung zur Unterstützung ihrer Theorie hinzu: Bei der Übergeneralisierung weitet das Kind den Anwedungsbereich eines bestimmten Wortes fehlerhaft aus. So kann es vorkommen, daß der Ausdruck Apfel auch für die Benennung von Tomaten benutzt wird oder Wauwau nicht nur zu Hunden, sondern zu allen vierbeinigen Tieren gesagt wird. Objekte sind aufgrund perzeptueller Ähnlichkeiten zu Gruppen klassifiziert worden. In einem ersten Zuordnungsprozeß wird ein sprachlicher Ausdruck dann auf alle Objekte, die das entsprechende saliente Merkmal (wie Vierbeinigkeit) aufweisen, übergeneralisiert. Übergeneralisierungen einer anderen Art hat Clark auch beim Erwerb des Systems der Dimensionsadjektive und der Raum-Zeit-Ausdrucke beobachtet. Diese relationalen Einheiten treten paarweise auf (d.h. zu jedem Adjektiv gibt es ein polares Antonym) und unterscheiden sich bedeutungsmäßig nur durch ein Merkmal. So benutzen z.B. Dreijährige die Ausdrücke groß und klein bzw. lang und kurz oft als Synonyme, wobei das unmarkierte bzw. positive Element übergneralisiert wird. Die Bedeutung von before eignet sich das Kind früher als die von after an; es bevorzugt also den unmarkierten Fall. Für Clark ist dies auch ein Indiz für ihre Komplexitätshypothese, derzufolge die Kenntnis der Bedeutung komplexer strukturierter Einheiten später erworben wird als

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die der weniger spezifischen, einfacheren Lexeme. Auf dem Hintergrund dieser Annahme ist das Experiment von Gentner (1975) zu sehen, die das Verständnis unterschiedlich komplexer Verbbedeutungen bei Kindern überprüft hat. Sie ließ die Kinder die durch die jeweiligen Verben (give, take, buy, trade und self) bezeichneten Handlungen mit Puppen nachspielen. Dabei zeigte sich, daß die Kinder die durch die semantisch einfacheren Verben (give und take) bezeichneten Handlungen problemlos und korrekt nachspielen konnten, jedoch Schwierigkeiten mit den komplexeren Verben hatten. Für Gentner war dies ein Beleg für die Annahme, daß die Reihenfolge, nach der Kinder Wörter lernen, von der Art und Anzahl der semantischen Merkmale abhängig ist, die jeweils für das Verständnis der zu erlernden Bedeutungen notwendig sind. Hagendorf (1983) wiederholte jedoch das Experiment unter anderen Bedingungen: Die Kinder sollten die Szenen selbst nachspielen. Diesmal gab es keine signifikanten Differenzen. Wissen kann also für bestimmte Wörter gespeichert sein, wird aber nur in bestimmten Kontexten aktiviert. Strukturelles und prozedurales Wissen entstehen offensichtlich nicht simultan. Trotz vorhandener Kenntnisstrukturen verfügen Kinder oft noch nicht über die jeweiligen Verarbeiturigsmechanismen. M.E. zeigt sich hier sehr deutlich die Abhängigkeit der repräsentationalen von der prozeduralen Kompetenz. In den merkmalstheoretischen Ansätzen wird der Aufbau des Lexikons durch die sequentielle Spezifizierung der einzelnen Lexeme erklärt. Je mehr Merkmale das Kind lernt, desto besser kann es die einzelnen Bedeutungen voneinander abgrenzen. Durch die Differenzierung der einzelnen Wortinhalte und das kontinuierliche Erlernen neuer Wörter verändert sich der gesamte mentale Wortschatz. Es werden stringente Ähnlichkeits-, Kontrast- und Inklusionsbeziehungen etabliert, wodurch die Übergeneralisierungen systematisch abgebaut werden. Das Phänomen der Übergeneralisierung sollte aber m.E. nicht die alleinige Datengrundlage für eine Erwerbstheorie sein. Erstens sind Übergeneralisierungen nicht so weit verbreitet wie Clarks Theorie (derzufolge alle Wörter anfangs übergeneralisiert werden) es prognostiziert. Viele Kinder übergeneralisieren in den ersten Jahren nur einen kleinen Teil ihrer erlernten Wörter. Außerdem kommen auch Untergeneralisierungen vor. Hierbei verwenden Kinder z.B. den Ausdruck Apfel nur für die Benennung roter Äpfel, nicht aber für die Bezeichnung gelber Äpfel. Sie grenzen also den Extensionsbereich aufgrund spezifischer Merkmale ein. Somit werden nicht ausschließlich die allgemeinsten Merkmale zuerst erworben. Sprachproduktionsdaten geben zudem oft nicht hinreichend oder sogar verfälscht Aufschluß über das tatsächliche Wissen des Kindes. Wenn man beurteilen will, ob ein Kind eine bestimmte Bedeutung kennt oder anders als ein Erwachsener repräsentiert hat, muß man stets auch Rezeptionsdaten hinzuziehen (vgl. Huttenlocher 1983). Vielfach sind nämlich Übergeneralisierungen nur Ausdruck einer noch rudimentären Artikulationsfähigkeit. Die Bedeutung eines Wortes kann dem Kind vertraut sein, während die Lautsequenz noch nicht als Repräsenta-

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tion vollständig spezifiziert ist und noch nicht ausgesprochen werden kann. Das Defizit liegt damit auf formaler und nicht auf inhaltlicher Ebene. Der Erklärungsansatz stößt aber auch auf die Probleme, die generell mit einer merkmalstheoretischen Darstellung von Bedeutungen auftreten: Vagheit, Variabilität und die damit verbundene Abgrenzungsproblematik werden nicht hinreichend beachtet. Nicht geklärt werden kann, wieviele und welche Merkmale hinreichend und notwendig für die Beherrschung einer Bedeutungseinheit sind. Nicht erörtert wird auch der Prozeß, der perzeptuell wahrgenommene Merkmale in semantische Merkmale umwandelt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch der Status und die Herkunft der Merkmale. Unter der Annahme, daß semantische Merkmale nicht nur heuristische Mittel zur Beschreibung mentaler Strukturen sind, sondern psychologisch reale Entitäten darstellen, stellt sich die Frage, welcher Domäne diese Elemente entstammen. Clark und andere Merkmalstheoretiker scheinen - wie viele Kognitionspsychologen (vgl. Hoffmann 1983, Klix 1985) - die Merkmale als von an Objekten der Welt wahrgenommenen Eigenschaften abgeleitete mentale Repräsentationen aufzufassen. Damit wird die Basis der Merkmale dem perzeptuellen Kenntnissystem zugeprochen. Wie ich aber bereits erläutert habe, wird die Welterfahrbarkeit durch die genetisch fixierten Programme im Cortex determiniert. Die Prinzipien der ontologischen Varietät legen die Bedingungen für Perzeption und Kognition fest. Die semantischen Primitiva sind daher als Teil unserer angeborenen Ausstattung zu verstehen. Sie repräsentieren keine physikalischen Eigenschaften von externen Objekten, sondern intern verankerte Konzeptprinzipien. Darauf hat Bierwisch schon 1970 hingewiesen, indem er semantische Merkmale als Symbole für interne Grundmechanismen der menschlichen Kognition definierte. Raible (1981) hat versucht, für die semantischen Merkmale eine neuronale Existenz zu postulieren. Semantische Merkmale werden in Analogie zu den Mikroeinheiten neuronaler Netze definiert. Eine direkte Korrespondenz der mentalen Merkmale und der neuronalen Grundeinheiten scheint mir allerdings äußerst problematisch zu sein, da die Neuronen als Träger mentaler Einheiten unterschiedliche Funktionen haben können (s. hierzu 2.3.1). Zudem sind neuronale Einheiten Träger der mentalen Bedeutungen. Zwischen Träger und Bedeutung besteht keine l:l-Relation. Ansätze, die das ontologische Wissenssystem als Basis des Semantikerwerbs berücksichtigen, sind rar. Die Darstellung einer umfassenden Ontologie steht zudem immer noch aus, obgleich in der Kognitiven Linguistik versucht wird, die Hauptkategorien zu beschreiben. So unterscheidet Jackendoff (1983:53) die ontologischen Kategorien DING, ORT, RICHTUNG, HANDLUNG, EREIGNIS, QUANTITÄT und ART UND WEISE. Keil (1979 und 1981) hat versucht, die Relation zwischen ontologischem und semantischem Wissen zu explizieren. Das menschliche Wissen ist Keil zufolge in einem "ontologischen Baum" abgespeichert, der eine strikt hierarchische Organisation hat.

70 Ontologisches Wissen definiert Keil als das Wissen über Klassen von Dingen (im weitesten Sinn). Menschen orientieren sich an den Attributen, die für eine bestimmte ontologische Klasse möglich sind, d.h. mittels sprachlicher Prädikate dieser Klasse zugesprochen werden können. Hier wird auf Husserls Referenztheorie zurückgegriffen, derzufolge Subjekte bzw. Objekte (als Argumente) Gegenstand möglicher Prädikationen sind. Prädikationen sind wahr, falsch oder unsinnig. Die Prädikation in dem Satz Der Mann ist alt ist wahr oder falsch. Die Prädikation in dem Satz Der Mann ist phonologisch ist nur unsinnig. Keil zufolge lassen sich die Relationen zwischen Prädikaten und Argumenten (die für Klassen von Dingen stehen) in einem strikt hierarchischen Prädikabilitätsbaum darstellen. Sprachliche Semantik und ontologisches System stehen nach Keil in einer Isomorphie-Relation. Semantische Kategorien werden daher aufgrund der möglichen Prädikationen charakterisiert. Abweichungen bzw. Anomalien (wie in dem unsinnigen Satz) werden durch die sogenannte M-Beschränkung oder M-Regel ("M-constraint") aus dem Prädikabilitätsbaum herausgefiltert. Diese M-Regel ist eine kognitive Universalie, die den Erwerb des semantischen Wissenssystems systematisch eingrenzt. Was Keil nicht berücksichtigt hat, ist, daß semantisches Wissen durch pragmatische und kognitive Faktoren erweitert und modifiziert werden kann (nicht nur im Bereich der Metaphorik) und nicht ausschließlich von der ontologischen Typologie, die unsere Wahrnehmung determiniert, bestimmt wird. Im Bereich der Abstrakta zeigt sich dies besonders deutlich (s. hierzu 5.3). Unklar bleibt auch, ob und inwieweit Keils M-Regel von universalsprachlichen Prinzipien determiniert wird.

4.2.2 Zur Vermittlerfunktion des mentalen Lexikons Als mentales Lexikon bezeichne ich hier den Teil unseres Langzeitgedächtnisses, in dem das Wissen über alle Wörter einer Sprache gespeichert wird. Es umfaßt die Menge aller tatsächlich im Gedächtnis abgespeicherten lexikalischen Einheiten. Mit Bierwisch (1987a) unterscheide ich dieses mentale Lexikon von dem lexikalischen System, das die Menge aller möglichen lexikalischen Einheiten spezifiziert. Lexikoneinträge beziehen morpho-phonologische, syntaktische und semantische Informationen von Wörtern aufeinander. Formale und inhaltliche Eigenschaften von Lexikoneinträgen überschneiden sich dabei im Theta-Raster der Argumentstruktur des Eintrags (s. Bierwisch 1987a und b). Die Prinzipien, die die Struktur möglicher Lexikoneinträge determinieren, sind UG-gesteuert. Das Zusammenwirken sprachlicher Repräsentationseinheiten wird in dem folgenden Schema ausgedrückt (s. Bierwisch 1983a und 1987a): (14) LE(phonle, synle, semle)

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Dabei gibt die Indizierung le an, daß es sich um abstrakte lexikalische Repräsentationseinheiten handelt, also Lexeme, die die mopho-phonologischen Varianten des jeweiligen Wortes sowie die idealtypische Menge semantischer Merkmale inkludieren. In jedem Lexikoneintrag drückt sich inhärent die Vermittlungsfunktion des gesamten Lexikons aus. Differenzierter dargestellt wird die interne Struktur einer Lexikoneinheit (die als Eintrag im Lexikon repräsentiert ist) durch das folgende Schema von Lang (1987): (15) LE= < Phon.Form, Gram.Feat., Argumentstruktur, Sem.Form> PF ist als phonologische Repräsentation mittels phonologischer Merkmale zu beschreiben. GF gibt morphosyntaktische und kategorielle Merkmale an (z.B. + N, finit usw). AS fungiert als Schnittstelle zwischen GF und SF. SF läßt sich mittels semantischer Merkmale in Form von Variablen und Konstanten beschreiben (vgl. hierzu Lang 1987 und 1988). Das Kind im Spracherwerbsprozeß muß nun zum einen die repräsentationale Spezifizierung der einzelnen Informationseinheiten (also von phon, syn und sem) vollziehen und zum anderen die Relationen zwischen diesen Einheiten erkennen und erlernen (so z.B. die Kopplung von semantischer und phonologischer Repräsentation). Zudem muß es die Fähigkeit entwickeln, sich mit Wörtern situationsadäquat auf seine Umwelt beziehen zu können, d.h. das Kind muß sich kontextspezifische Referenzstrategien aneignen und das komplexe Sprache-Welt-Relationsgefüge erfassen. Für meine Ausführungen ist vor allem die repräsentationale Spezifizierung von sem bzw. SF (also der Aufbau der semantischen Lexikonkomponente) relevant, daher werde ich mich im folgenden nur auf diesen Spracherwerbsaspekt konzentrieren. Die wichtigste Frage der modernen Semantikforschung betrifft die Beziehung zwischen konzeptuellem und semantischem Kenntnissystem. Ich habe hier die These vertreten, daß das semantische System untrennbar an das konzeptuelle System geknüpft ist. Semantische Einheiten und Strukturen entstehen aus konzeptuellen Strukturen, indem sie lexikalisiert und damit verbalisierbar werden. Das sprachliche System steuert dabei mit der phonologischen Repräsentation und dem Theta-Raster eine eigene Strukturkomponente hinzu. Durch die Verknüpfung spezifischer konzeptueller Einheiten und sprachlicher Formen werden konzeptuelle Inhalte modalitätsspezifisch gebunden. Das semantische Kenntnissystem entsteht durch einen Prozeß der Kategorisierung und Verbalisierung, wobei bestimmte Teile konzeptueller Strukturen sprachspezifisch lexikalisiert (d.h. modalitätsspezifisch gebunden und repräsentiert) werden. Der Prozeß der Lexikalisierung verknüpft Repräsentationen des (UG-gesteuerten) Sprachsystems mit Repräsentationen des konzeptuellen Systems. Im Spracherwerb bezieht das Kind die Inhalte für seine Lexikoneinträge ausschnittartig aus den konzeptuellen Strukturen,

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die einerseits durch universale Prinzipien determiniert werden, andererseits durch die frühe Interaktion mit der Umwelt konsolidiert werden. Semantische Lexikoneinträge speichern eine Auswahl konzeptueller Primitiva in einem sprachspezifischen Raster, das durch thematische Rollen und Selektionsrestriktionen charakterisiert wird. Damit sind semantische Strukturen eine besondere Form modalitätsspezifischer Strukturen, die ihre Inhalte aus dem amodalen konzeptuellen System beziehen. Sie sind unikal und autonom nur derart, daß sie spezifische Kopplungen von konzeptuellen Inhalten und sprachspezifischen Kategorisierungen sowie Formen sind und in diesem Sinn charakteristische Eigenschaften besitzen, die andere Subsysteme der Kognition nicht haben. Die Semantik ist aber kein von der Kognition abgrenzbares Modul der Sprache, sondern Schnittstelle sprachlicher und konzeptueller Strukturen (s. hierzu ausführlicher Kapitel 5). Das Kind orientiert sich zunächst an grundlegenden Kategorisierungstypen, die von universalen Prinzipien determiniert werden. Die Einordnung aller Erfahrungswerte in bereits vorgegebene konzeptuelle Schemata, die den Status ontologischer Kategorien haben, ist eine fundamentale Voraussetzung für den semantischen Spracherwerb. Sind die konzeptuellen Schemata aktiviert und mit Erfahrungswerten belegt, beginnt ein Prozeß der konzeptuellen Differenzierung. Die universale mentale Ontologie des Menschen steuert diesen Differenzierungsprozeß und restringiert die Ausbildung und Verknüpfung konzeptueller Einheiten. Semantische Lexikoneinträge entstehen durch die Verknüpfung konzeptueller Wissenseinheiten und sprachlicher Formen. Die universale Domäne der Konzepte wird an die sprachspezifische Domäne angebunden und damit operationalisierbar für die kognitiven Leistungen des Menschen. Das Kind lernt die sprachspezifische Kombination bestimmter konzeptueller Primitiva und die Zuordnung dieser Kombinationen zu den entsprechenden, in der jeweiligen Sprachgemeinschaft konventionell festgelegten Formen. Ein wichtiger Schritt ist dabei die Verbindung von inhaltlichen Repräsentationen und formalen Rastern bzw. sprachspezifischen Subkategorisierungen. Das Kind muß seiner mentalen konzeptuellen Einheit quasi ein Gerüst auferlegen. Dieses Gerüst - das Theta-Raster - bezieht konzeptuelle Komponenten und grammatische Komponenten aufeinander. Der Abbildungsprozeß, der dieses In-Beziehung-zueinander-Setzen leistet, spezifiziert die Art, in der inhaltliche Einheiten auf grammatische Komponenten abgebildet werden. Lexikalische Einträge werden nicht isomorph auf einzelne Konzepte (s. Jackendoff 1983) oder auf Konzeptfamilien (s. Bierwisch 1983a) abgebildet, sondern auf spezifische Teile konzeptueller Einheiten. Dabei muß das Kind lernen, daß bei vielen Wörtern die inhaltlichen und die syntaktischen Strukturen nicht zusammenfallen und in keiner isomorphen Relation stehen (z.B. bei einem Verb wie dinieren). (16) a Marie diniert königlich im Ritz. b*Marie diniert Kaviar und Sekt im Ritz.

73 Die syntaktische Struktur von (16) kann (aufgrund der Subkategorisierung von dinieren) nicht alle Einheiten abbilden, die in der semantisch-konzeptuellen Struktur des Satzes notwendigerweise repräsentiert sind. Der Zugriff auf das konzeptuelle Kenntnissystem erfolgt über die sprachspezifischen Lexikoneinträge in einem modalitätspezifischen, d.h. repräsentational gebundenen Modus. Lexikalische Einträge ermöglichen die spezifische Verwendbarkeit konzeptueller Einheiten und Strukturen, grenzen aber damit deren Operationalisierbarkeit nicht rigide ein. Über die Stufe der lexikalischen Semantik lassen sich Konzepte in einem gewissen Rahmen erweitern und modifizieren. Die Bildung von Abstrakte erfolgt auf der Basis des mentalen Weltmodells Wm und wird nur noch indirekt von den perzeptuell fundierten Primärkonzepten gesteuert. Abstrakta entstehen durch mentale Prozesse, die auf Wm operieren und mentale Konstrukte ableiten. Da die Bildung von Abstrakta von Wm (bzw. W^-n) abhängt, entwickeln sich abstrakte Bedeutungen erst später im semantischen Erwerbsprozeß als Konkreta, die ihre Basis in Wp haben. W^.n variiert in seinen Ableitungen interkulturell und individuell, während Wp eine universale Konstante darstellt. Hier konnte nur sehr global dargelegt werden, nach welchen Prinzipien der semantische Spracherwerb verläuft und inwieweit in diesem Prozeß sprachspezifische und allgemein-kognitive Aspekte interagieren. Weitergehende Kenntnisse über die Relation zwischen semantischen, perzeptuellen und konzeptuellen Wissenssystemen stellen die Voraussetzung für ein tieferes Verständnis der semantischer Ontogenese dar. Zwischen Konzepten und semantischen Lexikoneinheiten besteht eine Beziehung, die global als selektive Verbalisierung definiert werden kann. Es handelt sich allgemein charakterisiert um eine Kopplung von modalitätsunspezifischer Ebene und modalitätsspezifischer Ebene. Semantische Einheiten beziehen ihre Inhalte aus den konzeptuellen Einheiten, fallen aber nicht mit diesen zusammen, da sie an syntaktische Raster gebunden sind, die ihnen eine eigene Struktur auferlegen. Beim Prozeß der Verbalisierung werden Konzepte ausschnittartig auf eine sprachliche Form abgebildet. Die sich ergebende semantische Einheit muß nicht in einer Isomorphierelation zur konzeptuellen Einheit stehen. Wie bereits an dem Verb dinieren erörtert worden ist, kann der Subkategorisierungsrahmen der sprachlichen Einheit weniger Elemente beinhalten als das zugrundeliegende Konzept. Daß konzeptuelle und semantische Strukturen nicht in einer l:l-Relation stehen, wird auch durch sprachvergleichende Untersuchungen von Lexikonstrukturen (die von Sprache zu Sprache beträchtlich variieren können) verdeutlicht. Die konzeptuelle Stukturbasis ist als universal zu betrachten, sprachspezifisch sind die Verbalisierungsund Subkategorisierungsprozesse. Die konzeptuell verankerten Informationen stellen die inhaltlichen Basisstrukturen der Sprache dar.

5. Repräsentationale Aspekte der semantischen Kompetenz 5.0 Vorbemerkungen Bisher wurden die wichtigsten strukturellen und funktionalen Voraussetzungen der Semantik global dargelegt. In dem nun folgenden Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, wie die Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke im mentalen Lexikon repräsentiert sind. Mit dem Forschungsziel, eine psychologisch reale Theorie über die Struktur und das Format der semantischen Komponente des mentalen Lexikons zu erstellen, sind eine Reihe von Problemen verbunden. Dazu gehört das bereits diskutierte, bis jetzt ungelöste Problem, die Kernbedeutung lexikalischer Einheiten mittels eindeutiger Kriterien festzulegen. Dabei stellt sich die Frage, ob es eine spezifisch sprachliche Komponente innerhalb der lexikalischen Semantik gibt, die von der enzyklopädischen Komponente des Gedächtnisses abgegrenzt werden kann. Während von linguistischer Seite her der Modulcharakter der semantischen Lexikonkomponente hervorgehoben worden ist, definiert die psychologische Forschung das Lexikon als einen Teil des semantischen Gedächtnisses, der den allgemeinen Gedächtnis- und Konzeptualisierungsprinzipien unterliegt. Dieses kontrovers diskutierte Thema soll hier unter Rekurs auf die Ergebnisse der Kognitions- und Neurowissenschaften erörtert werden. In diesem Zusammenhang werde ich auch exemplarisch einige Modelle darstellen, die zur Repräsentation lexikalischer Bedeutungen und konzeptueller Inhalte entwickelt worden sind. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Modellen führt zur Darlegung eines integrativen Ansatzes, der im wesentlichen empirische Befunde und theoretische Hypothesen der neuesten Forschung aufeinander bezieht, an einigen Stellen aber auch Erweiterungen und Modifikationen vorschlägt. Dabei wird das bereits im vorangegangenen Kapitel skizzierte Verhältnis zwischen konzeptuellen Einheiten, lexikalischen Bedeutungen und aktuellen Bedeutungen im Rahmen einer Drei-Stufen-Semantik expliziert.

5.1 Organisationsprinzipien des LZG Das LZG stellt als permanentes Speichersystem die strukturelle Grundlage für die semantische Kompetenz dar. Im Vergleich zu den bisher beschriebenen Gedächtnisfunktionen ist das LZG ein System mit sehr großer Speicherkapazität, dessen Repräsentationen auch nach vielen Jahren abrufbar sind, da es sich um eine zeitstabile und relativ störresistente Form der Speicherung handelt. Dauer und Kapazität des LZG werden nur durch die prinzipielle Endlichkeit menschlicher Hirnfunktionen begrenzt.

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Der Rückgriff auf die im LZG fixierten Kenntnisse ermöglicht zwei grundlegende Leistungen: (1) Aktuelle Informationen können durch den Vergleich mit gespeichertem Gedächtnisbesitz identifiziert werden. (2) Durch die Aktualisierung von Wissen können Einheiten reproduziert bzw. produziert werden. Das mentale Lexikon eines erwachsenen Sprechers ist Teil des LZG und speichert eine ungeheuer große Zahl an Informationen. Damit ein effektiver Zugriff auf lexikalische Informationen möglich ist, muß die Speicherkomponente des LZG nach bestimmten Kriterien organisiert sein. Zentral für eine Theorie des semantischen LZG ist die Strukturhypothese, derzufolge die Wissensmenge keine zufällige Anordnung von Einheiten ist, sondern ein strukturiertes Gebilde darstellt. Evidenzen aus der Pathologie- und Aphasieforschung unterstützen die in den linguistischen Lexikontheorien postulierte These, daß unterschiedlich strukturierte Komponenten (Phonologic, Morphologie, Syntax, Semantik) im LZG existieren. Der Zugang zu diesen Komponenten kann separat gestört sein. Die strukturelle Organisation dient einerseits der Effizienz der Speicherung, andererseits der Effektivität der Verarbeitung. Aus der Strukturhypothese lassen sich zwei weitere Annahmen hinsichtlich des Aufbaus des LZG ableiten: Die Organisation des LZG richtet sich primär nach dem Ökonomie-Prinzip. Um die Speicherfunktion des LZG nicht unnötig zu belasten, werden Informationen vorzugsweise in redundanzfreien, d.h. hierarchisch organisierten Strukturen repräsentiert. Informationen müssen ferner so gespeichert sein, daß sie rasch abgerufen werden können. Eng damit verbunden ist das Prinzip der kognitiven Interdependenz. Demnach sind die Elemente nicht isoliert, sondern in komplexen Zusammenhängen gespeichert. Dadurch wird gewährleistet, daß Verbindungen zwischen Informationen schnell herstellbar und aktivierbar sind. Das Prinzip der Frequentialität besagt, daß häufig auftretende und benutzte Wörter wesentlich schneller aus dem LZG abgerufen werden können als selten verwendete Wörter. Hinsichtlich der mentalen Repräsentation von Wörtern im LZG muß zwischen der Repräsentation der Wortformen und der Repräsentation der Bedeutungen unterschieden werden. Die phonologischen Repräsentationen von Lexikoneinträgen sind offensichtlich nicht untrennbar an die semantischen Repräsentationen gekoppelt, da beide Repräsentationen unabhängig voneinander aktiviert werden können (und damit auch einzeln gestört sein können). Die Aktivierung von Lexikoneinträgen verläuft nicht nach einem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Lexikalische Informationen können partiell aktualisiert und abgerufen werden.

77 Zwei empirische Phänomene sprechen für die Organisation nach formalen und nach inhaltlichen Kriterien: das Tip-of-the-Tongue (TOT)-Phänomen und die Substitutionsfehler in der Sprachproduktion. Beim TOT-Zustand ist der mentale Inhalt eines Wortes dem Bewußtsein zugänglich und kann paraphrasiert werden, während die passende Wortform momentan nicht zur Verfügung steht. Wären beide Repräsentationen untrennbar aneinander gekoppelt abgespeichert (wie es in einigen Repräsentationsmodellen der Fall ist), könnte es zu diesem Zustand nicht kommen. Zusätzliche Evidenz für die Trennung formaler und inhaltlicher Repräsentationen liefern die im Rahmen der Fehlerlinguistik untersuchten Substitutionsversprecher. Versprecher unterliegen generell einer gewissen Systematik: Die Einheiten, die ersetzt werden, stehen in formalen oder inhaltlichen Relationen zu den fälschlicherweise produzierten Einheiten. Arbiträre Ersetzungen kommen nur sehr selten vor (vgl. Garrett 1982, Wiese 1987). Daß semantisch ähnliche Wörter verwechselt werden, ist intuitiv einleuchtend und belegt die Vermutung, daß inhaltlich verwandte Wörter zusammen abgespeichert sind. Substitutionen, die auf formaler Ähnlichkeit beruhen (wie Verbrecher statt Versprecher), sind erklärbar, wenn man einen von der Bedeutung unabhängigen Zugriff zu einem Inventar von Formen im mentalen Lexikon annimmt. Die unterschiedlichen Ersetzungen legen den Schluß nahe, daß das mentale Lexikon zwei Speicher enthält, wobei der eine nach formalen und der andere nach inhaltlichen Gesichtspunkten organisiert ist. Da wir aber andererseits aufgrund experimenteller Untersuchungen auf dem Gebiet der Sprachrezeption wissen, daß die Verarbeitung von Wörtern innerhalb von Millisekunden abläuft und beide Aspekte von Wörtern erfaßt (vgl. Tyler/Frauenfelder 1987), müssen beide Speicher in enger Interaktion stehen. Im folgenden werde ich mich auf die repräsentationalen und organisatorischen Eigenschaften des inhaltlichen Speichers konzentrieren und nur am Rande auf den Formenspeicher eingehen. Bei der Abhandlung der semantischen Organisation des Lexikons beschränke ich mich zudem auf die Bedeutung von Inhaltswörtern. Daten aus der Aphasieforschung lassen vermuten, daß Elemente der offenen Klasse und Elemente der geschlossenen Klasse getrennt gespeichert oder unterschiedlich aktiviert werden: Bei Typen der anterioren Aphasie ist der Zugriff auf die Elemente der offenen Klasse nicht gestört, wohl aber die Aktivierung der Elemente der geschlossenen Klasse von Wörtern. Dagegen besteht bei der posterioren Aphasie ein Defizit für die Elemente der offenen Klasse, während die syntaktische Komponente und die geschlossene Wortklasse unbeeinträchtigt sind (vgl. u.a. Friederici 1984). Die Untersuchung der Wortbedeutungen und ihrer Repräsentation im Gedächtnis steht seit einigen Jahren im Mittelpunkt der kognitionspsychologischen und der psycholinguistischen Forschung. Es gibt inzwischen eine Fülle an empirischen und theoretischen Abhandlungen zu dem Thema, daher beschränke ich mich hier auf die Diskussion der zentralen Aspekte und Probleme der neueren Forschung. Die Haupttypen der Wortbedeutungsmodelle

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sollen dabei kritisch im Hinblick auf die in Kapitel 2 postulierten Theorieanforderungen untersucht werden. Es geht mir zum einen darum, zu zeigen, daß es viele verschiedene Hypothesen bezüglich der Struktur des mentalen Lexikons gibt, die einander nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen. Zum anderen möchte ich aus dem Nebeneinander von Modellen und empirischen Befunden einen Systemansatz herausarbeiten.

5.2. Zur Repräsentation von Wortbedeutungen im LZG 5.2.1 Merkmalsmodelle Den Merkmalsmodellen liegt die Annahme zugrunde, daß Bedeutungen durch eine Menge von atomaren Merkmalen dargestellt werden können. Die frühen Merkmalsmodelle, die in Anlehnung an die in der strukturellen Semantik entworfenen Bedeutungsstrukturen konzipiert wurden und Bedeutungen durch einen Satz von notwendigen und hinreichenden Merkmalen repräsentierten, stießen schon bald auf die bereits erörterten Probleme, die mit einer definitorischen Merkmalsbeschreibung verbunden sind. Mit dem Modell von Smith, Shoben und Rips (1974) rückt ein an der empirischen Realität orientierter Ansatz in den Mittelpunkt der Bedeutungsforschung. Hier wird der Tatsache Rechnung getragen, daß Bedeutungen keine wohldefinierten, klar voneinander abzugrenzenden Einheiten darstellen und daß bestimmte Merkmale wichtiger sind als andere. Es werden zwei Typen von Merkmalen unterschieden: Definierende Merkmale sind obligatorische Bestandteile der Bedeutung eines Wortes (z.B. bei Vogel: ist ein Tier, hat Flügel, legt Eier). Charakteristische Merkmale sind fakultative Bestandteile (z.B. rotes Brustgefieder, kann fliegen), die aber typische Eigenschaften von Vertretern einer Kategorie ausdrücken. Exemplare mit dem höchsten Typikalitätsgrad haben nicht nur definierende, sondern auch viele charakteristische Merkmale der jeweiligen Kategorie. Typische Exemplare einer Kategorie stellen Prototypen dar. Die Merkmalsüberlappung zwischen Exemplar und Kategorie ist dabei das entscheidene Charakteristikum der Prototypikalität. Das Modell lehnt sich hier an die Theorie der unscharfen Mengen (Fuzzy-Sets-Theory) von Zadeh (1965) an. Die Elemente unscharfer Mengen sind nach dem Grad ihrer Klassenzugehörigkeit bestimmt, der variable Werte zwischen der eindeutigen Zuordnung eines Objekts zu einer Klasse und seiner eindeutigen Ablehnung als Objekt der Klasse annehmen kann. Nach Zadeh läßt sich eine unscharfe Menge A in einer Gesamtmenge X durch eine Zugehörigkeitsfunktion f^ (x) festlegen, die jedem Element von X eine reelle Zahl aus dem Intervall (0,1) zuordnet, die seinen Zugehörjgkeitsgrad zu A darstellt. Je näher der Wert für ein Objekt an l liegt, desto größer ist der Grad der Zugehörigkeit zur Klasse A.

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Relationen zwischen Bedeutungen sind im Merkmalsmodell dadurch erfaßt, daß den Bedeutungseinheiten sich überschneidende Merkmalsmengen zugewiesen werden, wobei der Oberbegriff jeweils weniger Merkmale hat als der Unterbegriff. Im Gegensatz zu den linguistischen Merkmalstheorien ist das Modell nicht nur strukturorientiert, sondern auch prozeßorientiert. Durch einen ein- oder zweistufigen Vergleichsprozeß werden die Relationen zwischen zwei Bedeutungen in der Verarbeitung überprüft. Bei der Beurteilung von Sätzen vom Typ "Ein A ist ein B" stellt die Vpn zunächst alle Merkmale der beiden Wortbedeutungen fest und vergleicht dann die beiden ermittelten Merkmalsmengen miteinander. Trifft die Vpn dabei auf eine hohe Merkmalsüberlappung (und damit auf eine hohe Ähnlichkeit), urteilt sie sofort mit einer positiven Reaktion. Bei einer fehlenden oder sehr geringen Überlappung wird ein negatives Urteil gefällt. Wird aber nur eine mittlere Überlappung festgestellt, werden die definierenden Merkmale der beiden Bedeutungseinheiten noch einmal miteinander verglichen. Das Urteil richtet sich dann nach der bestehenden oder nicht bestehenden Übereinstimmung der definierenden Merkmale, Durch die Prozeßannahme lassen sich die längeren Verifikationszeiten bei Sätzen mit atypischen Exemplaren einer Kategorie erklären (z.B. bei Eine Ente ist ein Vogel). Merkmalsmodelle des semantischen Gedächtnisses sind vor allem von Klix (1980, 1982 und 1984) weiter entwickelt worden. Klix unterscheidet zwei Arten semantischer Relationen im LZG: Relationen innerhalb konzeptueller Strukturen und Relationen zwischen konzeptuellen Strukturen. Innerbegriffliche Relationen (IBR) stellen merkmalsbestimmtes Wissen dar und sind durch Vergleichsprozeduren von Konzepten ableitbar. Zu den IBR zählt Klix die Über- und Unterordnungen sowie Kontrast- und Ähnlichkeitsrelationen. Zwischenbegriffliche Relationen (ZBR) dagegen sind explizit im LZG abgespeichert und stellen ereignisbestimmtes Wissen dar, das der Erfahrungswelt des Menschen entstammt. Klix begründet die Unterscheidung zwischen IBR und ZBR folgendermaßen: IBR sind das Resultat kognitiver Operationen (wie Merkmalsselektion, Ähnlichkeitsbestimmung, Dimensionsbildung) und basieren auf der menschlichen Fähigkeit, kognitive Konstruktionen zu erstellen. ZBR beziehen sich auf raum-zeitlich verankerte Gegebenheiten und stellen erlebnis- und verhaltensrelevante Situationsklassen dar. Da die ZBR der Wahrnehmung entstammen, sind sie durch kognitive Operationen nicht zu ändern. IBR müssen im Bedarfsfall erschlossen werden. Die Erkennung von IBR beruht (ähnlich wie im Modell von Smith et al. 1974) auf einem Vergleichsprozeß, der die Merkmale der involvierten Konzepte erstellt und von ihnen die erforderliche Relation ableitet (z.B. die Synonymic-Relation). Je nach der Menge der Merkmale kann der Vergleichsprozeß unterschiedlich schwierig sein. Dagegen können die ZBR durch einen Aktivierungsprozeß direkt abgerufen werden. Zwei Faktoren determinieren den kognitiven Aufwand bei der Aktivierung zwischenbegrifflicher Relationen: der konzeptuelle Vernetzungsgrad (der der Stelligkeit in der Verbvalenz entspricht) und die Typikalität, die sich auf die Häufigkeit von Zusammenhängen in Wahrnehmungssituationen bezieht (so ist z.B. das Krankenhaus ein

80 typischer Ort für einen Arzt, nicht aber die Kirche). Hinsichtlich der Relationskomplexität unterscheidet Klix ein-, zwei- und dreistellige Relationen: Die "Handlungsträgerrelation" zwischen Hund und bellen ist für ihn einstellig, die "Instrumentrelation" zwischen Pinsel und malen zweistellig und die "Finalitätsrelation" zwischen behandeln und Patient dreistellig. Die Relationskomplexität schlägt sich nach Klix in längeren Reaktions- und Verarbeitungszeiten nieder. Untersucht wird auch, inwieweit sich komplexere Relationsgefüge in der Pupillomotorik (durch das verschiedene Ausmaß an Pupillenerweiterung) zeigen. Was von Klix nicht berücksichtigt wird, ist die Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakultativen (und kontextgesteuerten) Komponenten bei der Bestimmung der Relationskomplexität (obgleich dies ein vieldiskutiertes Problem der Linguistik ist). Sicher ist auch, daß nicht alle ZBR der perzeptuellen Wahrnehmung entstammen, sondern ebenfalls durch mentale Operationen konstruiert werden (wie das der Fall bei vielen funktionalen und allen abstrakten Zusammenhängen ist). Schließlich muß beachtet werden, daß viele IBR, die oft frequentiert werden, direkt im LZG abgespeichert sind und nicht operativ erschlossen werden müssen. Hoffmann (1983 und 1988), ein Mitarbeiter von Klix, hat zusätzlich zwei Typen von konzeptuellen Repräsentationen unterschieden: Sensorische Konzepte fassen Objekte aufgrund von anschaulichen Merkmalen, die aus der Wahrnehmung abgeleitet worden sind, zusammen (z.B. das Konzept von Baum). Kategoriale Konzepte fassen Objekte unterschiedlichen Aussehens aufgrund gemeinsamer Funktionen zusammen (z.B. das Konzept von Möbelstück). Auf der vertikalen Dimension des konzeptuellen Kategoriensystems unterscheidet Hoffmann (übrigens analog zu Roschs Einteilung (1975)) drei Kategorisierungstypen: Bei Typ l sind die Konzepte aller Hierarchisierungsebenen sensorisch repräsentiert: Baum, Nadelbaum, Fichte. Bei Typ 2 sind die Konzepte der mittleren und der unteren Ebene sensorisch repräsentiert, während die obere Ebene kategoriale Konzepte aufweist: Fahrzeug, Auto, Sportauto. Bei Typ 3 sind nur die Konzepte der untersten Stufe sensorisch, die anderen kategorial repräsentiert: Nahrung, Gemüse, Mohre. Innerhalb dieser Hierarchie fassen die relativ allgemeinsten, noch sensorisch repräsentierten Konzepte die relativ umfangreichste Objektmenge durch die relativ kleinste Menge anschaulicher Merkmale zusammen. Diese Konzepttypen entsprechen den Basiskategonen bei Rösch (1975 und 1978). Hoffmanns Einteilung kategorialer Ebenen läßt sich natürlich noch weiter differenzieren (vor allem dann, wenn man auch Abstrakta wie Idee, Liebe, Freiheit berücksichtigt). Seine Organisationsbeschreibung ist zudem stark angelehnt an die Wort- bzw. Bedeutungsfelder der strukturellen Semantik (vgl. 1.1). Er liefert eine deskriptive Beschreibung einiger mehr oder weniger anschaulich repräsentierter Bedeutungen. Es muß zudem berücksichtigt werden, daß auch sensorische Bedeutungsrepräsentationen mindestens zwei verschiedene Informationskomponenten aufweisen: wahr-

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nehmungsgebundene und wissensgebundene Komponenten (s. Schreuder et al. 1984). Dabei konnte in Priming-Experimenten gezeigt werden, daß die wahrnehmungsgebundenen Bedeutungskomponenten früher verfügbar zu sein als die wissensgebundenen Komponenten (s. Flores d'Arcais 1986). Die Prototypentheorie ist zunächst als Alternative zur Merkmalskonzeption vorgeschlagen worden (vgl. Rösch 1975 und 1978, Taylor 1989). Wortbedeutungen haben demzufolge keine analytisch zu beschreibende Merkmalsstruktur, sondern werden durch den Bezug auf einen mentalen Prototypen, der einen besonders typischen Vertreter der jeweiligen Klasse repräsentiert, determiniert. Wortbedeutungen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit mit dem Prototypen. Die Beziehungsstruktur des semantischen Lexikons wird demnach durch die Prototypen und die zwischen Bedeutungen bestehenden Familienähnlichkeiten (im Sinne Wittgensteins) determiniert. Die Idee, Prototypen holistisch als anschaulich repräsentierte Bilder bzw. als prägnante Gestalten zu konzipieren (s. Hörmann 1981), stößt auf das Problem, die interne Strukturierung von Bedeutungen damit nicht beschreiben zu können. Man benötigt zusätzliche und präzisere Annahmen über die Prototypen. Ein ganzheitliches und bildhaftes Repcäsentationsformat ist zudem für abstrakte Bedeutungen gar nicht geeignet. Man muß daher auch im Prototypenansatz auf semantische Primitiva zurückgreifen, wenn man inhärente Gesetzmäßigkeiten der lexikalischen Semantik erfassen will. Daher zähle ich die moderne prototypische Semantiktheorie zu den Merkmalsmodellen. Im prototypischen Ansatz lassen sich Bedeutungen mittels "gewichteter" Merkmale beschreiben. Typische Merkmale haben dabei eine höhere Gewichtung als weniger typische Merkmale. Prototypen stellen demzufolge den Durchschnitt von Merkmalsausprägungen mit typischer Gewichtung dar.

5.2.2

Netzwerkmodelle

Bei der Beschreibung der Repräsentation von Wortbedeutungen im Gedächtnis hat sich in den Kognitiven Wissenschaften vor allem der netzwerktheoretische Ansatz herausgebildet. Das erste einflußreiche Netzwerkmodell (Collins/Quillian (1969)) war computerorientiert und wurde im Zusammenhang mit Simulationsversuchen entwickelt. Als Vorläufer und Wegbereiter der Netzwerktheorie lassen sich aber m.E. auf jeden Fall die psychologischen Assoziationstests und die linguistischen Wortfeldtheorien der strukturalistischen Semantik nennen. Die grundlegenden Ideen dieser beiden Forschungsrichtungen finden sich nämlich in den Netzwerken der KI-Forschung realisiert: die relationale Verknüpfung und die Hierarchie semantischer Strukturen. Bedeutungen werden in dem Modell von Collins/Quillian als konzeptuelle Knoten definiert, die in systematischen Relationen zu anderen Konzeptknoten stehen. Die Bedeutung eines Konzeptes ergibt sich aus der Relation, in der es zu anderen Konzeptknoten steht. Zwei Arten von Relationen (im Netzwerk als Kanten definiert) werden

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unterschieden: ist- und hat-Relationen. Mit diesen Relationen werden Inklusions- und Attribuierungsmerkmale ausgedrückt. Die Knoten stellen Einheiten in einem hierarchisch organisierten Netzwerk dar, das alle Informationen ökonomisch abspeichert. Konzepteigenschaften werden nur einmal, und zwar bei dem hierarchisch höchsten Knoten, repräsentiert. Dadurch wird Speicherplatz eingespart, da Redundanzen vermieden werden. Eine wesentliche Annahme, die mit dieser Speicherorganisation verknüpft ist, betrifft die Vererbung von Konzepteigenschaften: Wenn a eine Eigenschaft des Konzeptes KI ist, und wenn K2 unterhalb von Kj abgespeichert ist und in einer Ist-ein-Relation zu KI steht, so kommt die Eigenschaft a auch K2 zu. So erbt beispielsweise das Konzept AMSEL die Eigenschaft HAT FLÜGEL von dem Konzept VOGEL. Aus der Speicherorganisation leiten Collins und Quillian die Prozeßannahme ab, daß sich die Relationskomplexität und der Abstand zwischen Konzepten auf die Verarbeitung von Sätzen niederschlägt. In mehreren Verifikationstests (vom Typ "Ist X ein Y"?) wurde nachgewiesen, daß ein Satz wie Eine Amsel hat schwarzes Gefieder schneller verifiziert wird als Eine Amsel hat Flügel und Eine Amsel ist ein Vogel schneller als Eine Amsel ist ein Lebewesen, da die Distanz zwischen den Konzeptknoten kleiner ist und der Aktivierungsvorgang entsprechend kürzer. Das Modell weist aber mit diesen Struktur- und Prozeßannahmen einige Schwachstellen auf, da es an der psychologischen Realität vorbei theoretisiert. So sind nicht alle Elemente einer Knotenkategorie gleichwertig. Ein Spatz ist ein Vogel wird z.B. schneller verifiziert als Ein Schwan ist ein Vogel. Diese Typikalitätseffekte werden aber in dem frühen Netzwerkmodell nicht berücksichtigt. Auch die Annahme, derzufolge Knoten je nach ihrer Stellung im Netzwerk aktiviert werden, erweist sich als unrealistisch. Ein Satz wie Ein Hund ist ein Tier wird schneller verifiziert als Ein Hund ist ein Säugetier, obgleich die Distanz dem Netzwerk zufolge im ersten Satz größer ist. Semantische Distanz ist daher nicht immer proportional der Anzahl der Knoten entlang eines Pfades. Im Alltag sprechen wir öfter von Tier als von Säugetier (weil Tier die Basiskategorie benennt). Die Gebrauchshäufigkeit spielt bei Verarbeitungsprozessen also auch eine große Rolle. Daher scheint es auch plausibel, daß Informationen, die von besonderer Relevanz sind, unökonomisch, d.h. redundant abgespeichert werden. In dem Modell von Collins und Loftus (1975) wird diesen Aspekten Rechnung getragen. Nicht die hierarchische Organisation des Netzwerks steht im Vordergrund, sondern die Vernetzung und die Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Konzepten. Je mehr Eigenschaften zwei Konzepte gemeinsam haben, desto mehr Verbindungen bestehen zwischen ihnen und desto schneller können sie miteinander verglichen werden. Die Entscheidung über die Ähnlichkeit zweier Konzepte hängt auch von der Wichtigkeit ihrer Eigenschaften ab, und diese ergibt sich aus der Stärke der Verbindungen zwischen den jeweiligen Konzepten. Die Stärke der Verbindungen wiederum hängt davon ab, wie oft die Eigenschaften eines Konzeptknotens aktiviert werden. Damit

83 findet das Phänomen der Frequentialität (d.h. der Gebrauchshäufigkeit) Berücksichtigung in diesem Modell. Collins und Loftus postulieren zudem ein zweites lexikalisches Netzwerk, dessen Organisation auf der phonologischen Ähnlichkeit von Wörtern beruht. Verbindungen zwischen Knoten in diesem Netzwerk werden durch die phonologischen Merkmale etabliert. Zwischen dem konzeptuellen und dem phonologischen Netzwerk bestehen Korrespondenzrelationen (die aber nicht näher expliziert werden). Die entscheidende Erneuerung in dem Modell betrifft die Prozeßannahme, derzufolge sich die Aktivierung im Netzwerk entsprechend den Verbindungsstärken ausbreitet. Bei der Verarbeitung eines Konzeptes werden also eng verknüpfte Konzeptknoten des Umfeldes mit aktiviert. Je weiter sich die Aktivierung von dem Initialknoten entfernt, umso schwächer wird sie. Es wird zu einem Zeitpunkt immer nur ein Initialknoten verarbeitet, wenn in einem Inputsatz mehrere Konzeptknoten aktiviert werden. Die fächerartige Aktivierungsausbreitung kann aber parallel mehrere Knoten und Relationen erfassen. Mit dem Prinzip der semantischen Aktivierungsausbreitung rückt ein bedeutender Prozeßaspekt in den Mittelpunkt der semantischen Gedächtnisforschung, der vor allem in den Priming-Experimenten seinen Niederschlag findet. Bei den Priming-Tests wird ein Wort (z.B. Arzt) als Prime vorgegeben; anschließend wird ein Zielwort (z.B. Krankenschwester) genannt. Die Vpn sind vorher instruiert worden, so schnell wie möglich anzugeben, ob es sich bei dem Zielwort um ein sinnvolles Wort handelt. Man hat dabei generell festgestellt, daß die Zeit für die Beurteilung kürzer ist, wenn das jeweilige Zielwort in einer engen semantischen Relation zu dem Prime-Wort steht. Mit der Priming-Methode untersucht man auch den Einfluß der im LZG gespeicherten Strukturen auf die Verarbeitung von Sätzen. Daß die Organisation des LZG-Wissens die Verarbeitung semantischer Einheiten und Strukturen determiniert, ist von einer Vielzahl experimenteller Untersuchungen belegt worden (s. Inhoff 1984, Lupker 1984). Es gibt inzwischen eine Reihe von Netzwerkansätzen, die sich mit der Repräsentation von Wortbedeutungen im LZG beschäftigen (vgl. Findler 1979, Waltons-Evens 1988). Auf eine intensive Auseinandersetzung werde ich aber verzichten, da den meisten Modellen die gleichen Grundannahmen zugrundeliegen und sich die Darstellungsmodi nur marginal voneinander unterscheiden. Erwähnt werden soll nur das aktive Netzwerk von Rumelhart und der LNR-Gruppe (1975), da hier der Versuch unternommen wird, sowohl Daten als auch Prozeduren direkt im Netzwerk zu repräsentieren, und das Modell der Vorläufer schematheoretischer Ansätze ist (s. 5.2.3). Repräsentiert werden in erster Linie die semantischen Strukturen von Verben, die in Anlehnung an Fillmore - als Prädikat-Argument-Strukturen konzipiert werden und eine zentrale Rolle spielen, da durch sie Beziehungen zwischen Konzepten dargestellt werden. Rumelhart et al. nehmen an, daß sich die Bedeutung von Verben aus

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konzeptuellen Primitiva zusammensetzt. Bei der Verarbeitung von Wörtern und Sätzen werden diese elementaren Komponenten aktiviert und mit den restlichen Einheiten mental verknüpft (zu einer ausführlicheren Erörterung des LNR-Netzwerkes s. Wender u.a. 1980). Eine ähnliche Konzeption hat Schank (1975) mit seiner Conceptual Dependency Theory vorgelegt: Ziel ist eine Beschreibung der konzeptuellen Beziehungen zwischen Wissenseinheiten. Auch die propositionalen Modelle fallen in den Rahmen der Netzwerktheorie und weisen keine wesentlichen neuen Strukturaspekte auf. Im Vordergrund dieser Theorien steht zudem die Modellierung der semantischen Repräsentation von Sätzen im Gedächtnis (vgl. Anderson/Bower 1973, Anderson 1983).

5.2.3 Schematheoretische Modelle In der neueren Forschung sind Repräsentationsmodelle entwickelt worden, die besonders der Tatsache Rechnung tragen, daß konzeptuelle Wissenseinheiten im LZG in komplexen Zusammenhängen abgespeichert sind, die Aspekte von Realitätsbereichen kohärent abbilden. Diese Ansätze fallen in den Rahmen der Schema-Theorie. Der Begriff "Schema" wurde von Bartlett 1932 im Rahmen seiner psychologischen Gedächtnistheorie eingeführt und bezeichnet dort einen strukturierten Wissensbereich im LZG. Bartlett nahm an, daß Gedächtnisprozesse auf konstruktive Mechanismen zurückzuführen sind und von Wissenstrukturen (den Schemata) gesteuert werden. Im damaligen Paradigma des Behaviorismus fand der mentalistische Ansatz Bartletts kaum Beachtung; erst mit der kognitiven Wende rückten seine Annahmen in den Vordergrund der Gedächtnisforschung. Das von Bartlett noch sehr vage und intuitiv gehandhabte Konstrukt des Schemas wurde von KI-Forschern und Kognitionspsychologen aufgegriffen und präzisiert. In der einschlägigen Literatur werden komplexe Repräsentationseinheiten als "Frames" bzw. "Rahmen" (Minsky 1975), "Rezepte" (Wettler 1980), "Orientierungsbereiche" (Klix 1980), "Skripts" oder "Szenarios" (Garrod/Sanford 1981) bezeichnet. Ich werde im folgenden den allgemeinen Begriff "Schema" beibehalten. In vielen psychologischen Ansätzen werden Schemata als real existierende Strukturen des LZG aufgefaßt, deren Organisations- und Funktionseigenschaften mittels experimenteller Untersuchungen transparent gemacht werden sollen (s. z.B. Bower et al. 1979, Bellezza/Bower 1982). Andere Theorien sprechen Schemata nur den Status heuristischer Konstrukte bei der Repräsentation komplexer Wissensinhalte zu (Metzing 1980). Mir erscheint es ebenfalls sinnvoll zu sein, den heuristischen Charakter der Schemata hervorzuheben. Als Arbeitshypothesen ermöglichen sie die Handhabung schwer zu erforschender mentaler Phänomene, doch ihre psychische Realität ist noch keinesfalls hinreichend validiert. Schemata-Modelle fallen in den Bereich von Netzwerktheorien, doch sie erweitern den Netzwerkansatz um mehrere Struktur- und Prozeßannahmen (s. Rumelhart/Ortony 1977, Rumelhart 1980).

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Schemata sind Voraussetzung und (aufgrund ihrer potentiellen Veränderbarkeit durch neue Erfahrungswerte) zugleich Ergebnis aller Informationsverarbeitungsprozesse. Als komplexe Organisationseinheiten stellen sie die Grundlage für alle mentalen Prozesse dar. Sie werden in Form von Netzwerken dargestellt, wobei die konzeptuellen Einheiten als Variablen bzw. Slots (die allgemeine stereotypische Charakteristika Defaults - aufweisen) konzipiert sind. Die Variablen werden in Verstehensprozessen mit konkreten Werten (Filiers) besetzt. Beispielsweise besitzt das GEBEN-Schema drei grundlegende Konzeptvariablen: Variable X (GEBER), (EMPFÄNGER) und Z (GABE). Diese Variablen können je nach Situation durch partikulare Instanzen gefüllt bzw. instantiiert werden. In Beispiel (17) ist die GEBER-Variable durch Martin, die EMPFÄNGER-Variable durch Birgü und die GABE-Variable durch das Buch besetzt: (17) Martin gibt Birgit das Buch. Wahrnehmung und Sprachverarbeitung stellen schema-gesteuerte Prozesse dar. Bei der Informationsverarbeitung wird ein Schema ausgewählt, mit dessen Hilfe der jeweilige Sachverhalt interpretiert werden kann. Nicht explizit genannte Einheiten werden inferiert, d.h. vom jeweiligen Schema beigesteuert. Falls keine gegenteilige Information vorliegt, werden die Defaults, die Standardannahmen darstellen, als Füllwerte (Filier) benutzt. In Satz (18) wird automatisch ein Geber angenommen. (18) Martin bekam ein Buch. Da Schemata variabel und damit flexibel angelegt sind, können sie auch Informationen verarbeiten, die von normalen Objekten und Zuständen abweichen oder lückenhaft wahrgenommen werden. So wird beispielsweise ein Gesicht auch dann als ein solches erkannt, wenn es nur ein Auge aufweist oder in der Wahrnehmungssituation halb verdeckt ist. Komplexe Schemata repräsentieren Standardsituationen oder handlungen und sind hierarchisch aufgebaut. Handlungsschemata beispielsweise beinhalten Szenen, die wiederum aus einer Reihe von Ereignissen bestehen (die entsprechend in konzeptuelle Primitiva zerlegbar sind). Die Szene BESTELLEN kann die Ereignisse Xj (KELNER HERANWINKEN), X2 (AUFTRAG ERTEILEN) usw. involvieren. Ereignisse enthalten Rollen und Requisiten wie KELLNER, GAST, TISCH und SPEISEKARTE (R]ff.). Die Informationen werden so kodiert, daß sie mit dem jeweils ausgewählten Schema konsistent sind: (19) Maria (Rolle: GAST) gibt Luigi (Rolle: KELLNER) die Karte (Requisit: SPEISEKARTE) zurück.

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Ist kein Schema explizit erwähnt, wählt der Rezipient ein passendes aus: (20) Ich suchte wie wild nach der Fahrkarte, als der Schaffner ins Abteil trat. (20) wird man normalerweise einem BAHNFAHRT-Schema zurechnen. Alle fehlenden Informationen werden aufgrund unseres Sehern a-Wissens inferiert, so daß eigentlich unvollständige Textsequenzen mühelos verstanden werden. (21) Jürgen besuchte ein Restaurant in Tunis. Der Kellner erhielt ein großzügiges Trinkgeld. Die nicht erwähnten Handlungen (Essen usw.) werden mental durch die Schema-Aktivierung bereitgestellt. Die definite anaphorische Referenz ist möglich, da der Referent (der Kellner)\m RESTAURANT-Schema lokalisierbar ist. Die Schema-Theorie trägt damit der Tatsache Rechnung, daß Bedeutungen zusammen mit komplexen kognitiven Domänen, die Wissen über die Welt strukturiert repräsentieren, abgespeichert sind.

5.2.4 Konnektionismus Von Rumelhart (1986) ist die Schema-Theorie bereits grundlegend revidiert worden: Sein Parallel-Distributed-Processing-Ansatz hat das Ziel, neuronale und mentale Verarbeitungsprinzipien aufeinander zu beziehen. Das PDP-Modell fällt in den Bereich konnektionistischer Modelle und bildet Eigenschaften und Prozeduren neuronaler Netzwerke in einem simulationsfähigen Format ab. Bedeutungen werden in diesem Ansatz in Form von Aktivitätsmustern repräsentiert. Die Grundannahme der konnektionistischen Modelle ist, daß Informationsspeicherung und Verarbeitung auf der mentalen Ebene in Analogie zu den neuronalen Erregungsmustern im Gehirn zu konzipieren sind. Die neuronenähnlichen Konzepteinheiten kommunizieren untereinander durch die Vermittlung von Aktionspotentialen. Die Aktivierung kann sich parallel im Netzwerk ausbreiten. Die Verarbeitungsprinzipien der PDP-Modelle decken sich nicht mit denen neurophysiologischer Modelle, sind aber an diesen stark orientiert (zu einigen Divergenzen zwischen PDP-Modellen und Gehirnmodellen s. Crick/Asanuma 1986). Wissen und Lernen verteilt sich über die Synapsen der Netzwerke. Eine strikte Trennung von mentaler und neuronaler Ebene (bzw. von Hardware und Software) ist nicht mehr aufrecht zu erhalten, da das Programm in den physikalischen Synapsen verankert ist. Daher wird in konnektionistischen Modellen auch keine eigenständige mentale und symbolische Ebene postuliert. Explizite Repräsentationsannahmen werden im Konnektionismus nicht vorgebracht. Die einzelnen Konzepte sind durch erregende (exzitatorische) oder hemmende (inhibitorische) Relationen miteinander verknüpft. Damit sind die Zusammenhänge

87 von verschiedenen Zuständen im Netzwerk assoziativer Natur. Die Repräsentationen sind distribuiert und nicht strukturiert. Die eher unscharf begrenzten Konzepte und Schemata teilen gemeinsame Merkmale in Form von Distributionsähnlichkeiten. Der Output einer Einheit im Netzwerk wird durch eine Schwellenfunktion determiniert. Bleibt die Aktivierung der jeweiligen Einheit unterhalb dieser Schwelle, so ist der Output gleich null (d.h. es findet keine Reaktion statt). In der letzten Zeit hat sich eine heftige Debatte zwischen Vertretern symbolistischer Modelle und Anhängern konnektionistischer Modelle (die den Anspruch erheben, mit ihrer Theorie ein neues Wissenschaftsparadigma eingeleitet zu haben) entfacht (s. Fodor/Pylyshyn 1988). Vertreter der symbolistischen Wissensmodelle werfen den Konnektionisten u.a. einen Mangel an Strukturhypothesen (ohne die semantische und syntaktische Repräsentationen nicht adäquat erklärt werden können) vor.

5.2.5 Prozedurale Semantik In den letzten Jahren sind neben den Merkmals- und Netzwerkmodellen weitere Ansätze zur Repräsentation von Bedeutungen konzipiert worden, die vor allem die dynamischen Aspekte hervorheben. Die im Rahmen der Kognitiven Wissenschaften entstandene prozedurale Semantik betrachtet Bedeutungen nicht als statische Gegebenheiten, sondern vielmehr als das Resultat sprachlich-kognitiver Prozesse (s. JohnsonLaird 1978, 1983, 1987). Die grundlegenden Annahmen der prozeduralen Semantik sind die folgenden: -

Alle sprachverarbeitenden Prozesse verlaufen nach festgelegten Regeln. Sprecher und Hörer verleihen Äußerungen Bedeutungen. Sprachliche Äußerungen per se besitzen keine semantischen Eigenschaften. - Wortschätze sind nur didaktische Abstraktionen. Wörter erhalten erst im Zusammenhang mit syntaktischen Positionen eine Bedeutung. - Es besteht ein offenes System von sprachlichen Einheiten und assoziierten Kontextklassen. Mentale Modelle, die Teile komplexer Wissensdomänen darstellen, fungieren als Kontexte. Die Bedeutung eines Wortes wird im Gedächtnismodell dieses Ansatzes als eine Prozedur (bzw. als ein Programm von Prozeduren) repräsentiert.

88 1 Ist eine Pflanze? Wenn ja, gehe zu 2, wenn nein, gehe zu 5. 2 Hat Blätter? Wenn ja, gehe zu 3, wenn nein, gehe zu 5. 3 Hat Blüten? Wenn ja, gehe zu 4, wenn nein, gehe zu 5. 4 Ergebnis der Prozedur: X ist eine Blume. 5 Ergebnis der Prozedur: ist keine Blume. In dem Programm sind Komponenten enthalten, die beim Verstehen des jeweiligen Wortes überprüft werden. Das Darstellungsformat der prozeduralen Semantik lehnt sich an die Repräsentationsformen der Produktionssysteme an. Für eine bestimmte Menge von Zuständen eines Systems (auf der wenn-Seite) werden bestimmte Aktionen (auf der dann-Seite) spezifiziert. Produktionssysteme stellen geordnete Mengen von wenn-dann-Verknüpfungen dar, die deklarative Wissensinhalte in prozeduralem Format abbilden, um kognitive Prozesse simulieren zu können. Im Vordergrund der prozeduralen Semantik steht der Prozeß der Bedeutungskonstitution, und ihre Modelle stellen den Versuch dar, Anfang, Verlauf und Ende semantischer Interpretationsprozesse zu erfassen (s. Rieger 1985).

5.2.6 Kritischer Vergleich der Modelle Es geht hier um die Frage, inwieweit die verschiedenen Ansätze den Anforderungen der in Kapitel 2 dargelegten kognitiven Semantiktheorie und den in 5.1 postulierten Prinzipien gerecht werden und inwieweit sich ihre Annahmen decken oder aufeinander beziehen lassen. Hollan (1975) hat darauf hingewiesen, daß Merkmals- und Netzwerkmodelle mathematisch äquivalent und prinzipiell ineinander überführbar sind, da die Merkmale der Merkmalsmodelle den Relationen der Netzwerkmodelle entsprechen. Repräsentationen will ich hier in Anlehnung an Simon (1977) hinsichtlich ihrer informationellen und ihrer prozessualen Äquivalenz unterscheiden: Zwei Repräsentationen sind Informationen äquivalent, wenn bei einer Operation zwischen beiden keine Information verloren geht, d.h., wenn jede aus der anderen heraus vollständig konstruiert werden kann. Zwei Repräsentationen sind prozessual äquivalent, wenn dieselben Informationen mit gleichem oder propertionalem Aufwand von ihnen abgeleitet bzw. aktiviert werden können. Informationeil sind beide Modelle äquivalent, prozessual allerdings nicht, da ihre unterschiedlichen Organisationsprinzipien unterschiedliche Prozeßannahmen erfordern. Merkmalsmodelle konzentrieren sich zudem mehr auf die Intra-Ebene

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konzeptueller Einheiten, wobei strukturelle Prinzipien der Binnenstruktur von Konzepten transparent gemacht werden. Mit Bierwisch (1983a und b) stimme ich darin überein, daß das Leugnen semantischer Primitiva mit dem Verzicht auf die Erfassung wichtiger interner Gesetzmäßigkeiten semantischer Einheiten einhergeht. Die Annahme dekomponierbarer Einheiten wirft aber ein Problem auf der Prozeßebene auf: Verbunden mit der Dekompositionshypothese ist die Komplexitätsannnahme, derzufolge die Verarbeitung semantischer Einheiten von der Anzahl der involvierten Komponenten determiniert wird derart, daß die Verarbeitungszeit mit zunehmender Komponentenzahl ansteigt. Die Prozeßannahmen der Merkmalsmodelle involvieren die Komplexitätshypothese als notwendige Konsequenz (wenn dies auch nicht immer expliziert wird): Da der Merkmalsvergleich die Merkmalszerlegung und bestandsaufnahme zur Voraussetzung hat, müßte sich die Komplexität der involvierten Bedeutungen auf den gesamten Verarbeitungsprozeß niederschlagen. Überzeugende empirische und experimentelle Nachweise für die Komplexitätshypothese konnten aber nie erbracht werden. Die vorliegenden Befunde zeigen vielmehr, daß komplexere Bedeutungen weder langsamer verarbeitet noch kapazitär anders gespeichert werden als weniger komplexe Bedeutungen (s. u.a. Kintsch 1980). Fodor et al. (1980), die zeigen konnten, daß semantisch komplexe Verben (z.B. kill) genauso schnell rezipiert werden wie semantisch einfachere Verben (z.B. die), nehmen daher an, daß Bedeutungen nicht als atomare Einheiten, sondern holistisch im mentalen Lexikon gespeichert werden. Ich vertrete hier jedoch die Auffassung, daß die Ablehnung der Komplexitätshypothese nicht notwendigerweise zur Ablehnung der Dekompositionsannahme zwingt. Struktur- und Prozeßannahmen können bzw. müssen hier voneinander unterschieden werden. Die strukturelle Organisation im LZG determiniert zwar (in einer noch genauer zu erforschenden Weise) den Ablauf kognitiver Prozesse, doch spielen auch Faktoren wie Verarbeitungstiefe und kognitive Anforderung bei der jeweiligen Verarbeitungssituation eine große Rolle. Die Dekomposition in semantische Merkmale ist somit keine obligatorische, sondern eine fakultative Operation bei der Bedeutungsverarbeitung, die je nach situativer und kognitiver Anforderung vorgenommen wird (wobei nicht ausgeschlossen wird, daß diese Operation automatisch und ohne willentliche Beeinflussung ablaufen kann, wenn die Verarbeitungssituation es erfordert). Merkmalsmodelle müssen diesen Aspekt mit ihren Prozeßannahmen in Einklang bringen (s. hierzu Kapitel 6). Diese Überlegungen treffen auch auf die Programme der prozeduralen Semantik zu. Angesichts der enormen Schnelligkeit, mit der Bedeutungen verarbeitet werden, ist es äußerst unwahrscheinlich, daß die Verarbeitung in Form von sequentiellen Komponentenüberprüfungen stattfindet. Auch hinsichtlich des Prinzips der Speicherökonomie sind diese Repräsentationsformen nicht besonders plausibel: Wäre die gesamte semantische Komponente derartig strukturiert, so würden die Prozeduren sehr viel Speicherplatz einnehmen und enorme Redundanzen im LZG entstehen lassen. Die prozeduralen

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Programme liefern auch keine Erklärung für die Vernetzungen der Bedeutungen untereinander. Der Verdienst der Modelle der prozeduralen Semantik liegt in der Hervorhebung der Dynamik semantischer Phänomene und dem Hinweis auf deren Eingebundenheit in kontextuelle Zusammenhänge (wenngleich die Rolle kontextueller Faktoren oft nicht hinreichend expliziert wird). Die prozedurale Komponente der semantischen Kompetenz wird in den Merkmalsund Netzwerkmodellen nicht hinreichend berücksichtigt. Die (experimentell stark kontrollierten) Satzverifikationstests geben nur sehr begrenzt Aufschluß über die bei der Bedeutungsverarbeitung ablaufenden Prozesse, da sie mit einem reduzierten und artifiziellen Kontext operieren. In normalen Prozeßsituationen sind Wörter in komplexere und heterogene situative und syntaktische Rahmen eingebettet. Befunde anderer Untersuchungen (z.B. Priming- und Worterkennungstests) müssen deshalb stets beachtet werden. Netzwerkmodelle werden zwar den Kriterien der Ökonomie und der Interdependenz gerecht, sie weisen aber einen sprachinternen Bedeutungsbegriff auf, da das Prinzip der Referentialität keinen Niederschlag in der Modellierung findet. Es findet sich keine Erklärung dafür, wie der Bezug auf die Welt stattfindet und wie die Relation zwischen Bedeutungen und ihren Referenten zu bestimmen ist. Daher werden auch keine Angaben über die Repräsentationsmodalität gemacht. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Aktivierungshypothese: Die Relation zwischen lexikalischer LZG-Bedeutung und aktueller KZG-Bedeutung wird nur über den Aktivierungsprozeß bestimmt. Nicht erörtert wird, wie die Aktivierung so abläuft, daß nicht alle Informationen von Bedeutungseinheiten (und den mit ihnen vernetzten Strukturen) abgerufen werden, was zwangsläufig zu einer Überbelastung der KZGSpeicherkapazität führen würde. Daß kontextuelle Faktoren die aktuelle Bedeutung modifizieren können, wird ebenfalls nicht hinreichend diskutiert. Dieser Aspekt ist ein Schwachpunkt aller Repräsentationsmodelle: Auch schematheoretische und konnektionistische Ansätze vernachlässigen den Einfluß des Kontextes bei der semantischen Variablenbesetzung bzw. der Bedeutungsaktivierung in Verarbeitungsprozessen . Diese beiden Modellansätze berücksichtigen auch zu wenig die modalitätsspezifischen Charakteristika unterschiedlicher Verarbeitungskodes. Mir scheint es problematisch zu sein, perzeptuelle Wahrnehmung und sprachliche Informationsverarbeitung mit den gleichen Prozeduren zu beschreiben. Es wird in keinem der Ansätze auf die Bedeutungsrepräsentation von Abstrakta eingegegangen, obgleich diese ein wichtiger Bestandteil unseres Lexikons sind. Vernachlässigt wird schließlich auch die Frage nach der Relation zwischen formalen und inhaltlichen Repräsentationen. Es scheint mir wichtig festzuhalten, daß man die konkurrierenden Modelle nicht immer als sich gegenseitig strikt ausschließende Alternativen betrachten sollte. Vielmehr haben diese verschiedenen Ansätze alle eine gewisse Berechtigung, allerdings

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nur hinsichtlich bestimmter Teilaspekte des semantischen Gedächtnisses. Jedes Modell deckt somit einen gewissen Teil einer kognitiven Semantiktheorie ab. Folgende Annahmen über die Struktur von Bedeutungseinheiten sollten beim gegenwärtigen Stand der Forschung jedem semantischen Lexikonmodell zugrundeliegen: Wortbedeutungen können nicht länger mittels Merkmalsmengen, die durch hinreichende und notwendige Merkmale definiert sind, dargestellt werden. Die einzelnen Bedeutungen sind als mentale Prototypen strukturiert. Es sind mentale Repräsentationseinheiten mit obligatorischen und fakultativen Bestandteilen, die durch Standardwerte (Defaults) mental begrenzt werden, jedoch Optionen zulassen und daher als instanziierbare Variablen fungieren. Die einzelnen Bestandteile weisen (abhängig vom Grad ihrer Typikalität) unterschiedliche Aktivationshöhen (Schwellenwerte für Aktiviefbarkeit) auf. Typische Einheiten haben einen niedrigeren Schwellenwert als untypische Einheiten. Deshalb werden normalerweise die typischen Merkmale von Bedeutungen am schnellsten aktiviert (und in Verifikationstests am schnellsten identifiziert). Das Primat der Typikalität kann aber in entsprechenden Kontexten aufgehoben werden (s. hierzu Kapitel 6). Das gesamte semantische Kenntnissystem im LZG ist als Netzwerk zu modellieren, in dem die Bedeutungen untereinander durch bestimmte Relationen verbunden sind. Bei der lexikalischen Aktivierung nehmen sie Aktionspotentiale auf und geben sie an andere Bedeutungen weiter: Die Einheiten in semantischen Netzen haben somit sowohl Input- auch als Output-Funktionen.

5.3 Die Semantik als Semi-Modul 5.3.1 Semantisches und enzyklopädisches Wissen In den bisher diskutierten Modellen wird stillschweigend von der Annahme ausgegangen, daß die Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke mit den konzeptuellen Wissenseinheiten, die im LZG gespeichert sind (und die unser Wissen über die Welt abbilden), identisch sind. In der linguistischen Semantik besteht aber Uneinigkeit darüber, ob man semantische und enzyklopädische Wissensstrukturen gleichsetzen kann. Semantisches Wissen wird in vielen Ansätzen als ein durch das Sprachsystem vermitteltes Kenntnissystem angesehen. In der strukturellen Lexikologie sind Bedeutungen "rein sprachlich" und nicht identisch mit allgemeinem Wissen über die Welt. Diese Trennung ist nicht gleichzusetzen mit der Unterscheidung in der Kognitionspsychologie, die auf Tulvings Abgrenzung von semantischem und episodischem Wissen beruht. Tulving (1972 und 1983) nimmt an, daß das LZG zwei funktional verschiedene Wissenssysteme enthält: Das semantische Gedächtnis umfaßt allgemeines (kategoriales) Wissen über die Welt. Infomationen, die dort gespeichert werden, geben

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beispielsweise an, daß die chemische Formel für für Tafelsalz NaCl ist und daß ein Hund ein Tier ist. Das episodische Gedächtnis enthält Informationen über persönliche Erfahrungen und hat daher autobiographischen Charakter. Gespeichert sind Episoden, d.h. Ereignisse, die in räumlich-zeitlichen Zusammenhängen stehen: Das Wissen, daß ich vor zwei Jahren auf Guernsey Urlaub gemacht habe, gehört beispielsweise hierzu. Kategoriales Weltwissen kann zu einem großen Teil von persönlichen Erfahrungen abgeleitet werden. Die beiden in der Linguistik unterschiedenen Typen des lexikalisch-semantischen und enzyklopädischen Wissens fallen in den Bereich des semantischen Gedächtnisses. Lexikalisches Wissen umfaßt alle Informationen, die für die adäquate Verwendung sprachlicher Ausdrücke in einer Sprachgemeinschaft notwendig sind und ermöglicht die Beurteilung semantischer Relationen (s. Katz 1972). Allgemeines Faktenwissen dagegen ist enzyklopädischer Natur und Teil des konzeptuellen Kenntnissystems. Für die sprachliche Bedeutung ist es demnach beispielsweise nicht relevant zu wissen, daß Affen normalerweise Bananen fressen und im Zoo besichtigt werden können. Wissen über die Referenten sprachlicher Ausdrücke affiziert nicht die lexikalische Bedeutung. Hingegen gehört beispielsweise das Wissen, daß weißes Pferd und Schimmel Synonyme darstellen, zur lexikalischen Kenntnis des Deutschen. Bierwisch (1983a) und Lang (1986) plädieren ebenfalls für eine Trennung von semantischem und enzyklopädischem Wissen. Ihrer Auffassung nach enthalten Lexikoneinträge begrenzte semantische Informationen, die sich durch Variablen und Konstanten darstellen lassen. Den Lexikoneintrag von verheiratet konzipiert Lang z.B. folgendermaßen:

(22) /verheiratet/ (+V+A); (_((PP mit NP^)); X2(Xi(MAR X^) verheiratet enthält den semantischen "Angelpunkt" des Wortfeldes PERSONENSTAND als Kernkonzept, das bei allen Vorkommen des Wortes involviert ist. Daß in einem Satz wie Hans und seine Schwester sind verheiratet nur eine Lesart möglich ist, ergibt sich aus dem enzyklopädischen Wissen über das Inzestverbot, nicht aufgrund des im Lexikoneintrag gespeicherten Wissens. "Veränderungen im Sachwissen...sind nicht identisch mit Veränderungen oder Unterschieden in der lexikalischen Kenntnis. Ich kann eine Vielzahl von Dingen über die Anatomie, die Lebensgewohnheiten, die Verbreitung von Löwen kennen, die meine Theorie über Löwen erheblich modifizieren, ohne daß sich damit die sprachliche Verwendung des Wortes "Löwe" verändert." (Bierwisch 1983a:63)

Bierwisch übernimmt hier die von Quine (1960) und Putnam (1975) vertretene These, daß die Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke unabhängig von dem extensionalem Wissen über die Referenten der Wörter zu konzipieren sind, da dieses extensionale

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Wissen erheblich variieren kann. Putnam (1975) hat in diesem Zusammenhang von der Unabhängigkeit des Expertenwissens (das beispielsweise Wissenschaftler über Gegenstandsbereiche haben) von der lexikalischen Bedeutung gesprochen. Quine (1960) hat darauf hingewiesen, daß die gegenseitige Verständigung in einer Sprachgemeinschaft nicht gewährleistet ist, wenn Bedeutungen und das stark variierende Weltwissen zusammenfallen. Demgegenüber hat Jackendoff (1983) darauf hingewiesen, daß erstens tatsächlich Differenzen in den Wortbedeutungen verschiedener Sprecher anzutreffen sind und daß zweitens die Grundbedeutungen durch universale Prinzipien überall gleich sind (und daher ein Mindestmaß an Verständigung sichern). Gegen Bierwischs Argument möchte ich zudem den folgenden Beispielsatz setzen: (23) Wir waren gestern im Zoo und haben die Löwen gefüttert. Die sprachliche Verwendung im (engeren) syntaktischen Bereich bleibt bei unterschiedlich komplexem Konzeptwissen zwar gleich, nicht aber der referentielle Skopus. Die definite Referenz die Löwen wird durch das semantisch-enzyklopädische Wissen ermöglicht, das zusammen mit der Bedeutungsrepräsentation von Zoo gespeichert ist und die Kenntnis einschließt, daß im Zoo Löwen zu besichtigen sind. (24) Müllers sahen die Alpen, als sie nach Italien flogen. (25) Müllers sahen die Vögel, als sie nach Italien flogen. Die Relevanz des Weltwissens bei der semantischen Interpretation zeigt sich auch bei den viel zitierten Sätzen (24) und (25): Die pronominale Ambiguität von sie in (24), die in der syntaktischen Struktur enthalten ist, wird durch das Wissen, das die Alpen nicht fliegen können, automatisch aufgelöst. Weltwissen greift also unmittelbar in den semantischen Interpretationsprozeß ein. Bei (25) dagegen bleibt diese Ambiguität bestehen und wird erst durch kontextuelle Faktoren aufgelöst. Hier zeigt sich wiederum die Problematik einer Abgrenzung zwischen Welt- und Sprachwissen (vgl. auch Johnson-Laird 1987). Eindeutige Kriterien für eine Trennung von lexikalischem und enzyklopädischem Wissen liegen nicht vor. Es ist zudem gedächtnispsychologisch äußerst unplausibel, von zwei mentalen Wissenssystemen auszugehen (nicht nur aus ökonomischen Gründen). Mir scheint es jedenfalls sinnvoll zu sein, diese Art von allgemeinen Informationen zusammen mit den Lexikoneinträgen abzuspeichern und nicht in einem separaten Speicher. Das semantische System wird ja (wie in den Ausführungen zum semantischen Spracherwerb erläutert worden ist) gerade in untrennbarer Interaktion mit dem perzeptuellen und konzeptuellen System aufgebaut. Ohne die Auseinandersetzung mit der Welt und dem Wissen über die Welt könnten die semantischen Repräsentationen natürlicher Sprachen gar nicht erworben werden.

94 5.3.2 Neuropsychologische Aspekte Als semantische Grundrelationen werden häufig die der Inklusion, der Synonymie und die des Kontrastes genannt (vgl. Katz 1977, Stachowiak 1979 und 1982). Huber u.a. (1975) zufolge spiegeln sich in den Paraphasien (fälschlicherweise produzierten Wörtern) von Aphasikern zwei Arten von semantischen Relationen wider: klassifikatorische Relationen und situativ-referentielle Relationen. Bei der Paraphasie Tisch für Stuhl beruht die mangelnde Differenzierung innerhalb des lexikalischen Bedeutungspaares auf einer klassifikatorischen Beziehung. Das Merkmal SITZGELEGENHEIT ist nicht beachtet worden. Dagegen besteht bei der Paraphasie Besuch für Blume ein Mangel an Differenzierung im situativ-referentiellen Bereich, der biographische und situative Erfahrungen speichert. Der engere Begriff ist durch den weiteren Begriff ersetzt worden. Dabei beruhen referentielle Beziehungen auf Regeln der folgenden Art: Wenn ich Besuch bekomme, dann bekomme ich Blumen. Stachowiak (1982) hat versucht, die Trennung zwischen lexikalischer Bedeutung und enzyklopädischer Bedeutung in einer Untersuchung mit Aphasikern experimentell zu belegen. Er geht dabei ebenfalls von der Annahme aus, daß aphasische Störungen gewisse Organisationsprinzipien der semantischen Struktur des Lexikons widerspiegeln. Die Fehlleistungen der Patienten weisen ihm zufolge Regelmäßigkeien auf, die nur durch die Auflösung oder Verzerrung der Organisation des semantischen Speichers erklärt werden können. Aphasische Sörungen sind rein sprachlicher Natur, d.h. nur das sprachliche Kenntnissystem ist defekt, nicht aber die anderen Kenntnissysteme der Kognition. Stachowiak folgert daraus, daß sich bei Aphasien Störungen des lexikalischen Bedeutungswissens zeigen können, während das konzeptuell-enzyklopädische Wissen unbeeinträchtigt bleibt. Er hat den aphasischen Patienten eine bestimmte Aufgabenstellung sowohl verbal als auch non-verbal vorgegeben, um die Dissoziation beider Kenntnisbereiche aufzudecken. Den Aphasikern wurden Karten vorgelegt, auf denen entweder Tierbezeichnungen oder Bilder dieser Tiere zu sehen waren. Auf einer Karte fanden sich jeweils 4 Bezeichnungen oder 4 Bilder, wobei ein Wort bzw. ein Bild nicht zu den anderen drei paßte. Dieses Wort oder Bild sollten die Testpersonen kennzeichnen. (26) Pferd - Bussard - Hase - Schwein (27) Elefant - Büffel - Giraffe - Maus Die Nichtzugehörigkeit eines Bildes oder Wortes ergab sich wie bei (26) (wo der Bussard als Nicht-Säugetier auszuschließen ist) entweder aus der unterschiedlichen Gattungszugehörigkeit oder aus einer abweichenden Eigenschaft wie bei (27), wo die Maus aufgrund ihrer Größe nicht zu den anderen Tieren paßt. Die Gattungszugehörigkeit gehört nach Stachowiak zu den klassifikatorischen Relationen, die Bestandteil des sprachlichen Bedeutungswissens sind. Das Wissen über die Größe

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von Tieren (und allgemein über die Eigenschaften von Objekten) zählt er jedoch zu den situativ-referentiellen Relationen, die zum enzyklopädischen Wissen gehören. Diese Unterscheidung entspricht der von Klix (1982) in IBR und ZBR, wobei Klix allerdings keine Trennung zwischen semantischer und enzyklopädischer Ebene vollzieht. Als Evidenz für diese Unterscheidung bewertet Stachowiak die folgenden Ergebnisse seines Experiments: In der verbalen Aufgabenstellung schnitten die Aphasiker signifikant schlechter ab als in der visuellen Aufgabenstellung. Die Aphasiker machten mehr Fehler bei Karten mit klassifikatorischen Relationen. Daß die Aphasiker bei verbalen Aufgaben schlechter abschneiden, verwundert wohl kaum, da die Aphasie per definitionem eine Sprachstörung ist. Mentale Inhalte, die über den sprachlichen Verarbeitungsmodus abgerufen werden, sind demzufolge schwerer zu aktivieren als die Inhalte, die über den visuellen Modus aktiviert werden. Daß klassifikatorische Relationen besonders gestört sind, kann mit der Art ihrer Aktivierung zusammenhängen. Woll u.a. (1980) haben zeigen können, daß Aphasiker auch bei Bildern Schwierigkeiten mit Klassifizierungen dieser Art haben. Wenn es um das Erkennen differenzierter Mermalsmengen geht, schneiden Aphasiker meistens sowohl bei sprachlichen als auch bei nicht-sprachlichen Anforderungen sehr viel schlechter ab. Cohen et al. (1988) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Die analytische Fähigkeit der Kognition ist häufig gestört, d.h. die Fähigkeit, Einzelheiten an einem gegebenen Ganzen kognitiv zu isolieren. Heeschen (1981) hat ebenfalls versucht, mittels experimenteller Untersuchungen mit Split-Brain-Patienten Aufschluß über die Organisation semantisch-konzeptueller Relationen zu erhalten. Er fand heraus, daß klassifikatorische Relationen (also Inklusions-, Synonymie- und Antony m ierelationen) bevorzugt in der linken Hemisphäre verarbeitet werden, während situativ-referentielle Beziehungen (Heeschen spricht von thematischen Relationen) eher in der rechten Hemisphäre aktivierbar sind. Er geht von der Annahme aus, daß die linke Hemisphäre analytisch-sequentiell arbeitet und die rechte Hemisphäre holistisch und gestalthaft. Demzufolge hat die linke Hemisphäre den in ihr gespeicherten Wortschatz primär als Taxonomie von Unter- und Oberbegriffen organisiert, die rechte dagegen in Form von gestalthaften, ganzen Situationen. So sprach in diesem Experiment die linke Hemisphäre auf Wortpaare wie Adler - Hirsch gut an, nicht aber auf Paare wie durstig - Bier, während die rechte Hemisphäre umgekehrt reagierte. Auch hier kann es sich aber um eine Störung im Abruf bestimmter Informationen handeln. Diese Ergebnisse zeigen nur eines: Das semantische Wissenssystem weist mit den klassifikatorischen und den situativ-referentiellen Relationen (wenigstens) zwei grundlegende Relationstypen auf. Es gibt Unterschiede in der Aktivierbarkeit (d.h. im modus operandi) dieser semantischen Relationen. Eine Trennung von semantischem Wissen und enzyklopädischem Wissen ist damit aber in keiner Weise belegt.

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Eine Menge von Experimenten und Beobachtungen aus der Pathologie-Forschung zeigen, daß einzelne Bereiche der semantischen Komponente isoliert gestört sein können: Es gibt Patienten, die unbelebte Objekte schlechter als belebte Objekte identifizieren können und umgekehrt (wobei die Störung sowohl bei Wörtern als auch bei Bildern auftritt). Andere Patienten haben Schwierigkeiten mit Konkreta, wieder andere mit Abstrakta. Manche Hirngeschädigten haben Zugang zu sensorischen Merkmalen von Objektkonzepten, aber nicht zu funktionalen Merkmalen. Es gibt Patienten, die ganz spezifische semantische Felder nicht mehr aktivieren können: Wörter, die Körperteile benennen, Wörter, die Eßwaren bezeichnen oder noch spezifischer: Wörter, die Früchte benennen (Shallice 1988). Sehr kleine Bereiche semantischer Strukturen können also gestört sein, während das übrige Kenntnissystem intakt und abrufbar ist. Diese sehr spezifischen Dissoziationen werden sicher nicht als Beleg für die Aufteilung der semantischen Komponente in viele autonome Systeme mit eigenen Gesetzmäßigkeiten gewertet. Diese Befunde sprechen meines Erachtens vielmehr für ein semantisches Kenntnissystem, das eine gewisse Modularität in seiner Struktur aufweist. Es existieren Subsysteme, die in sich kohärente Organisationseinheiten darstellen und einzeln gestört sein können, im mentalen Lexikon aber durch vielfältige Relationen verknüpft sind, Die kognitive Realität solcher semantischer Felder wird auch durch die in Kapitel 4 genannten Spracherwerbsdaten belegt. Damit ist das semantische Kenntnissystem strukturell nicht homogen, keinesfalls aber autonom. Semantisches Wissen entsteht aus der Wechselwirkung mit der außersprachlichen Umwelt (und durch zusätzliche kognitive Operationen); die an das sprachliche Repräsentationssystem gekoppelten Inhaltsstrukturen sind per definitionem Weltwissensstrukturen. Aphasiker mit iexikalisch-semantischen Beeinträchtigungen weisen meistens auch schlechtere Leistungen bei non-verbalen Leistungen auf (s. Gainotti 1982 und Gainotti et al. 1986). Ob die konzeptuelle Ebene gestört ist, läßt sich überprüfen, indem z.B. visuelle Zuordnungsaufgaben und Zeichentests durchgeführt werden. Zeichnungen von Aphasikern mit Iexikalisch-semantischen Störungen sind signifikant schlechter, wenn es sich um das Zeichnen von Gegenständen handelt, nicht aber beim Abzeichnen sinnfreier Reize (z.B. geometrischer Figuren). Es gibt eine Menge von ähnlichen Befunden, die eine konzeptuelle Störung (bei intakter Wahrnehmung und Motorik) nahelegen (s. Kelter 1990). Die Frage nach dem Modulcharakter der Semantik betraf bis jetzt die strukturelle Seite dieses Kenntnissystems. Wie sieht es mit der prozeduralen Modularität aus? Die schlechteren Leistungen der Aphasiker müssen nicht notwendigerweise auf eine Störung der internen Organsisation des mentalen Lexikons zurückzuführen sein. Ursache kann auch ein gestörter Zugang zum mentalen Speicher sein. Bei Aphasien ist vielfach nicht der Wissensinhalt zerstört, sondern der prozedurale Pfad dorthin. So hat Weigl (1980) darauf hingewiesen, daß eine ganze Reihe von semantischen Störungen bei Aphasie auf defekten Aktivierungsprozessen beruhen, und mit ihrer Deblockierungsmethode zeigen können, daß Informationen aus dem Gedächtnis über andere Informa-

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tionsverarbeitungskanäle abgerufen werden können. Verläuft die Aktivierung und Abrufbarkeit lexikalischer Bedeutungen also nicht nur über den sprachlichen Informationsverarbeitungsmodus? Es gibt modalitätsspezifische Zugangsstörungen, die sich z.B. darin äußern, daß Patienten Objekte nicht mehr taktil identifizieren können, wohl aber visuell oder sprachlich. Komplementäre Störungen finden sich ebenfalls. So ist bei der optischen Aphasie das Benennen visueller Objekte nicht möglich; erst wenn der Patient das Objekt ertastet hat, kann er es auch benennen (vgl. Shallice 1988, Ellis/Young 1990). Manchmal entscheidet die Situation darüber, ob Objektbenennungen geleistet werden können: Stachowiak (1982) berichtet von einem Aphasiker, der das Wort Soldat nicht äußern kann, wenn er das Bild eines Soldaten vorgelegt bekommt. Wird er aber aufgefordert, über seine Jugend zu erzählen, kann er ohne Probleme darüber berichten, daß er Soldat gewesen sei. Lexikalische Bedeutungen lassen sich offensichtlich auch über nicht-sprachliche Routen aktivieren. So hat Vanderwart (1984) gezeigt, daß Bilder Priming-Effekte für sprachliche Einheiten auslösen können. Beispielsweise beschleunigte die Vorgabe des Bildes einer Rose die Verarbeitung des Zielwortes Nelke. All diese Befunde deuten darauf hin, daß sich die semantischen Repräsentationen des mentalen Lexikons über verschiedene Prozeduren aktivieren lassen. Aphasische Beeinträchtigungen sind demnach oft das Resultat einer Blockierung einer oder mehrerer dieser Prozeßwege. Eine weitere Evidenz für diese Annahme sind die beobachteten Priming-Effekte bei Wernicke-Aphasikern (s. Blumstein 1988). Trotz auditorischer Verstehensdefizite und der Unfähigkeit zur semantischen Interpretation zeigen Wernicke-Patienten in Priming-Tests Sensitivität gegenüber semantischen Relationen. Wäre das semantische Wissen zerstört, könnte es nicht zu Priming-Effekten kommen. Das semantische Wissen ist noch (weitgehend) intakt, steht den Patienten aber nicht mehr zur (bewußten und kontrollierten) Verfügung. Bei Broca-Aphasikern dagegen ist der Teil der semantischen Kompetenz, der uns Urteile über semantische Relationen zu machen erlaubt, intakt. Die Patienten können meta-sprachliche Urteile über Bedeutungsunterschiede und gemeinsamkeiten fällen, weisen aber hinsichtlich der automatisch ablaufenden Prozesse Defizite auf, da sie keine Priming-Effekte bei visuell vorgegebenen Wörtern zeigen. Es gibt somit offensichtlich unterschiedliche Operationen im Bereich der prozeduralen Kompetenz, die einzeln gestört sein können. Dabei kann sich die Dissoziation auf die Modalität oder die Kontrollierbarkeit der Operationen beziehen. Aus den erörterten Ergebnissen der empirisch-experimentellen Forschung ziehe ich den folgenden Schluß: Das semantische System ist ein Kenntnissystem im LZG, das von unterschiedlichen Strukturprinzipien determiniert wird. Dieses System umfaßt lexikalisches Wissen im engeren und formalen Sinn (Wissen über Argumentstrukturen von Lexikoneinträgen im Sinn von Theta-Raster und Theta-Rollen) und lexikalisches Wissen im weiteren und inhaltlichen Sinn (kategoriales enzyklopädisches Wissen). Das semantische Kenntnissystem ist damit Schnittstelle zwischen dem formalen Re-

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Präsentationssystem einer spezifischen Sprache und dem konzeptuellen Repräsentationssystem, das außersprachliches Wissen abbildet. Die inhaltliche Organisation des semantischen Kenntnissystems weist mehrere Relationstypen auf. Es gibt mehrere Zugangsrouten zu diesem Kenntnissystem, die sich teils hinsichtlich Modalität, teils hinsichtlich Automatizität und Kontrolliertheit unterscheiden. Das semantische System ist informationell nicht eingekapselt und damit nicht autonom in dem Sinne, daß es nicht von anderen Wissensdomänen her erreichbar und aktivierbar ist. Der Zugang über andere Modalitäten zeigt, daß die semantische Verarbeitung prozedural permeabel ist. Das semantische System ist daher als ein mentales Semi-Modul aufzufassen (vgl. Shallice 1988). Ein Semi-Modul ist ein Kenntnissystem, das mit bestimmten Bereichen eines anderen Kenntnissystems verbunden ist. Ein Semi-Modul kann von verschiedenen modalitätspezifischen Bereichen Informationen aufnehmen, weist aber gegenüber seiner jeweiligen Inputmodalität eine Präferenz auf. Die präferierte Inputmodalität des semantischen Kenntnissystems ist dementsprechend der sprachliche Verarbeitungsmodus.

5.3.3 Drei-Stufen-Semantik Ich habe semantische Strukturen als konzeptuelle Strukturen definiert. Semantische Strukturen sind aber konzeptuelle Strukturen besonderer Art, nämlich solche, die an formale sprachliche Strukturen gebunden sind. Durch das Theta-Raster und die morphophonologische Form, die jeder lexikalischen Einheit zugeordnet sind, wird der konzeptuelle Inhalt modalitätsspezifisch gebunden. Damit unterscheiden sich semantische und konzeptuelle Struktur nur der Form nach, nicht aber in ihrer Substanz. Eine ähnliche Auffassung wird auch von Bierwisch (1983a,b,c und 1987a) vertreten. Während Bierwisch aber die semantische Struktur eindeutig dem sprachlichen System und die konzeptuelle Struktur dem konzeptuellen System der menschlichen Kognition zuordnet, ist für mich die Semantik Schnittstelle zwischen beiden Systemen und läßt sich nicht eindeutig dem Sprachsystem zuordnen. Die semantische Komponente einer Sprache bezieht ihre Inhaltsstrukturen von dem konzeptuellen System, ihre Formstrukturen dagegen vom sprachlichen System. Daher lassen sich semantische und konzeptuelle Ebene nicht gleichsetzen, wie Jackendoff (1983) es tut. Seiner Konzeption zufolge fallen beide Strukturen zusammen. Deshalb ist für Jackendoff die Theorie der semantischen Struktur einer Sprache ipso facto eine Theorie über die Struktur des Denkens. Den konzeptuellen Strukturen werden direkt und unvermittelt durch Korrespondenzregeln die syntaktischen Strukturen einer Sprache zugeordnet. Da die Übertragung der syntaktischen Formen auf die konzeptuellen

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Einheiten nachvollziehbar sein soll, nimmt Jackendoff eine einfache Beziehung zwischen beiden Ebenen an: Jeder maximalen Phrasenkonstituente - Jackendoffs Syntax ist X-bar-orientiert soll eine konzeptuelle Einheit (die jeweils einer ontologischen Hauptkategorie zugehörig ist) entsprechen. Der lexikalische Kopf einer maximalen syntaktischen Konstituente korrespondiert mit einem Funktor der konzeptuellen Struktur. Die Argumentstellen dieses Funktors werden durch die Subkategorisierung des Kopfs der phrasalen Konstituente gefüllt. Daß konzeptuelle und syntaktische Strukturen aber nicht prinzipiell isomorph sind, habe ich bereits an dem dinieren-Beispiel verdeutlicht (s. hierzu 4.2.3). Wortbedeutungen sind bei Jackendoff Einheiten der konzeptuellen Struktur. Referenz kommt zustande, indem konzeptuelle Einheiten ins Bewußtsein prpjiziert werden. Die Relation zwischen lexikalischer Bedeutung und aktueller Bedeutung (die bei Jackendoff mit der Referenz zusammenfällt) ist damit durch den Prozeß der Projektion charakterisiert. Wie ich in Kapitel 6 zeigen werde, ist dies keine adäquate Erklärung. Eine völlige Gleichsetzung von semantischer und konzeptueller Ebene ist auch auf der repräsentationalen Ebene nicht möglich. Konzeptuelle Strukturen können auch unabhängig von semantischen (d.h. an sprachliche Formen gebundene Repräsentationen) existieren. Im Spracherwerb sind zuerst (rudimentäre) konzeptuelle Einheiten ausgebildet und im LZG repräsentiert, bevor sie mit phonologischen und syntaktischen Einheiten verbunden und damit semantifiziert bzw. verbalisiert werden. Auch im Erwachsenenalter können wir Konzepte als mentale Repräsentationseinheiten bilden und speichern, die nicht sprachgebunden sind. Durch lexikalische Lücken wird dieser Sachverhalt belegt: Manchmal haben wir für definierbare Konzepte keine entsprechende Worteinheit im Wortschatz. Unsere Denkleistungen werden zwar zu einem großen Teil von sprachlichen Strukturen determiniert und repräsentiert, doch sind sie nicht zwangsläufig im sprachlichen Modus. Es gibt auch andere modalitätsspezifische Denkformen. Sie resultieren aus der Verbindung zwischen modalitätsunspezifischem Konzeptinhalt und modalitätsspezifischer Repräsentation. Wie bereits in den den Ausführungen zur semantischen Ontogenese erörtert worden ist, sind semantische Einheiten an syntaktische Raster gebunden, die ihnen eine bestimmte Strukturkomponente auferlegen. Zudem sind sie an phonologische Repräsentationen gebunden. Semantische Strukturen sind immer konzeptuelle Strukturen, aber nicht umgekehrt. Semantische Strukturen sind konzeptuelle Strukturen in einem gebundenen, d.h. modalitätsspezifischen Modus, nämlich dem sprachlichen. Das semantische System einer bestimmten Sprache weist zudem gewisse Charakteristika auf, die es nicht mit Semantiksystemen anderer Sprachen gemeinsam hat. Sprachvergleichende Untersuchungen zeigen, daß dieselben (universalen) konzeptuellen Inhalte unterschiedlich lexikalisiert werden.

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Einige prominente Beispiele aus dem Englischen und dem Deutschen sollen dies verdeutlichen: Während im Deutschen Straße allgemein benutzt wird, um auf befahrbare Strecken zu referieren, unterscheidet man im Englischen street (für Straßen in einem Ort) und road (für Straßen zwischen Orten). Das deutsche Wort Himmel ist im Englischen entweder mit sky (als astronomische Bezeichnung) oder mit heaven (als metaphorisch-religiöse Bezeichnung) zu übersetzen. Ein lexikalischer Kontrast findet sich auch bei Rand und den entsprechenden englischen Wörtern. Im Englischen differenzieren sich die entsprechenden Bedeutungen in Bezug auf den Ort, an dem sich der Rand befindet (edge, rim, brim, margin usw.). Dem englischen Lexem für snow stehen im Eskimo vier verschiedene Lexeme gegenüber, mit denen zwischen liegendem, fallendem, treibendem und verwehtem Schnee unterschieden wird. Die Beschreibung lexikalischer Kontraste im Bereich der Bedeutung ließe sich natürlich noch sehr ausweiten, doch sollen die hier aufgeführten Beispiele zur Illustration genügen. Was von Lexikon zu Lexikon differiert, ist das Maß, in dem Mengen von konzeptuellen Komponenten zu Einheiten verknüpft werden und an sprachliche Formen gekoppelt werden. Damit nimmt das semantische System für jeden Lexikoneintrag eine sprachspezifische Auswahl konzeptueller Primitive vor. Die semantische Repräsentationseinheit konturiert deshalb nicht nur als Äußerungsbedeutung eine (im gestaltpsychologischen Sinn) Figur in den Grund der konzeptuellen Repräsentation (so wie es Bierwisch 1983a annimmt), sondern auch als lexikalische Bedeutung. In Bierwischs Ansatz ist diese Erklärung eigentlich enthalten, doch wird sie nicht expliziert. In diesem Sinne definiert er semantische Einheiten als Adressen (und nicht als substantielle Entitäten), die konzeptuelle Einheiten zugänglich machen. Bierwisch, der eine Trennung von semantischer und konzeptueller Ebene postuliert, ist sich auch der Verwandschaft beider Ebenen wohl bewußt und stellt selbst die Frage, "ob die Unterscheidung zwischen diesen beiden Repräsentationen damit nicht ein Artefakt wird" (1983a:56). Daß die Entscheidung zwischen seinem Ansatz und Jackendoffs Konzeption eine empirische Frage ist, betont auch er nachdrücklich. Entscheidend ist nun, daß Bierwisch die Extensionen sprachlicher Ausdrücke auf der konzeptuellen Ebene lokalisiert (und die Intensionen auf der semantischen Ebene). Nach allem, was ich bis jetzt über die konzeptuellen Strukturen im LZG gesagt habe und anhand von empirischen Fakten belegt habe, ergibt sich aber das folgende Bild: Die konzeptuellen Repräsentationen stellen das Potential für semantische Intensionen dar (die sprachspezifisch realisiert werden). Die Extensionen (als die Menge aller potentiellen Äußerungsbedeutungen) werden durch diese konzeptuell-semantischen Intensionen (die Konzeptinhalte darstellen) festgelegt. Damit haben Intensionen und Extensionen im Prinzip dieselbe mentale Basis. Extensionen werden aber prozedural anders konstituiert. Das konzeptuelle System ist die amodale Ebene des Kognitionssystem und kann daher nicht als Extensionsebene fungieren. Die konkrete Extension einer Äußerung ist das Resultat eines Gedächtnisprozesses, der eine modalitätsspezifische und durch kontextuelle Faktoren modifizierte Reprä-

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sentation (die als Äußerungsbedeutung fungiert) im KZG abbildet. Die den sprachlichen Formen zugeordneten konzeptuellen Inhalte werden im Prozeß der Aktualisierung des lexikalischen Inhalts von Wörtern dem Bewußtsein zugänglich gemacht. In Kapitel 6 werde ich auf die spezifischen Operationen dieses Prozesses näher eingehen. Zusammenfassend lassen sich die vorangegangenen Überlegungen als Drei-StufenSemantik bezeichnen. Demnach gibt es drei Repräsentationsebenen: Die amodale konzeptuelle Ebene stellt die Basisebene dar und enthält die mentalen Inhalte für die Semantik einer Sprache. Lexikalische Bedeutungen stellen die zweite Stufe dar: Konzeptinhalte, die an phonologische Formen und syntaktische Raster gekoppelt sind. Die dritte Ebene ist die Ebene der aktuellen Bedeutungen. Während die Einheiten der konzeptuellen und der semantischen Repräsentationsebene im LZG gespeichert sind, sind die Einheiten dieser Ebene das Resultat eines komplexen Informationsverarbeitungsprozesses und werden im KZG repräsentiert.

5.3.4 Aspekte eines multimodalen Repräsentationsmodells Ist das gesamte im LZG gespeicherte Wissen in einem einheitlichen Format repräsentiert oder existieren viele modalitätsspezifische Repräsentationssysteme? Diese Frage wird in der Kognitionswissenschaft kontrovers diskutiert (vgl. Snodgrass 1984, Jorna 1990). Vertreter des unitären Ansatzes gehen davon aus, daß alle Informationen in einem abstrakten, modalitätsunspezifischen Format gespeichert werden. Das konzeptuelle Repräsentationssystem bildet die über sensorische Rezeptoren aufgenommenen Erfahrungseinheiten einheitlich ab. Als Darstellungsmittel sind propositionale Strukturen vorgeschlagen worden, die von den spezifischen Charakteristika der Wissenseinheiten abstrahieren und sie als Prädikat-Argument-Strukturen in Form von Knoten und Kanten in Netzwerken darstellen. Das angestrebte LZG-Modell muß bestimmten Anforderungen gerecht werden (vgl. Rumelhart et al. 1975, Anderson 1976 und 1983): -

Die Repräsentationen sollen jeden Gedanken ausdrücken können, den ein Mensch produzieren oder verstehen kann. - Die Repräsentationen sollen ein einheitliches Format haben, so daß sie alle Wissenssysteme erfassen können. - Die Repräsentationen sollen eine effiziente Suche nach den gespeicherten Wissenseinheiten ermöglichen. Im Gegensatz zu dem unitären Ansatz werden in der dualen Repräsentationstheorie wie sie vor allem von Paivio (1971, 1978 und 1985) vertreten wird - mindestens zwei verschiedene Repräsentationssysteme im LZG angenommen. Diese repräsentationalen Systeme enthalten Aspekte ihres modalitätsspezifischen Ursprungs. Die spezifischen

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Rezeptorkomponenten, über die Informationen in das LZG gelangen, formen die mentalen Repräsentationen derart, daß Gedächtnisspuren modalitätsspezifische Charakteristitca aufweisen. Das Wissen über visuelle Objekte und räumliche Beziehungen wird demzufolge nicht propositional-abstrakt, sondern analog abgebildet. Analoge Repräsentationen sind bildhafte Darstellungsformen, die bestimmte Eigenschaften der abgebildeten Entität wiedergeben. Paivio geht davon aus, daß zwei voneinander unabhängige Systeme im LZG für die Verarbeitung, die Speicherung und den Abruf verbaler und nonverbaler Informationen verantwortlich sind: das imaginale System und das verbale System. Die beiden Systeme stellen separate Komponenten dar und arbeiten weitgehend autonom, können aber in Beziehung zueinander treten und parallel aktiviert werden. Paivio unterscheidet zwei Ebenen der Informationsverarbeitung (die er etwas unglücklich repräsentationale und referentielle Ebene nennt). Auf der repräsentationalen Ebene lösen nonverbale Reize Vorstellungsbilder, sogenannte Imagene, und sprachliche Reize verbale Einheiten, die Paivio Logogene nennt, aus. Auf dieser Ebene arbeiten beide Systeme noch autonom. Auf der referentiellen Ebene können Verbindungen zwischen beiden Systemen hergestellt werden: Imagene können benannt werden, und sprachliche Einheiten können Imagene evozieren. Paivios Repräsentationstheorie stützt sich auf eine Reihe von Experimenten und empirischen Beobachtungen, in denen ein Überlegenheitseffekt der imaginalen Verarbeitung und Speicherung gegenüber der verbalen Repräsentation nachgewiesen wird. Bilder von Objekten werden besser als die Bezeichnungen dieser Objekte und diese wiederum besser als abstrakte Wörter behalten und reproduziert. Je höher der Bildhaftigkeitsgrad von Informationen ist, desto leichter und besser werden diese behalten und verstanden. Die Differenzen bei den Behaltensleistungen führt Paivio auf die unterschiedliche Bildhaftigkeit und die damit verbundene Art der Verarbeitung zurück. Da Abstrakta keine Repräsentationen im imaginalen System haben, werden sie nur auf der verbalen Ebene verarbeitet, während Konkreta (die Imagene evozieren können) dual verarbeitet werden. Daß die Bildhaftigkeit bzw. perzeptuelle Rückbezüglichkeit einen großen Einfluß auf die Verarbeitung und Speicherung von Wissenseinheiten hat, ist inzwischen auch von anderen Forschern empirisch-experimentell bestätigt worden (vgl. Wippich 1980, Schwanenflügel et al. 1988). Daß die linke Hemisphäre eher auf die Verarbeitung sprachlicher Informationen und die rechte Hemisphäre eher auf die Verarbeitung nicht-sprachlicher, primär visueller Informationen spezialisiert zu sein scheint, ist von Vertreten der dualen Repräsentationstheorie als Beleg für die postulierte Trennung von visuellem und verbalen Repräsentationssystem gedeutet worden. Diese Befunde basieren auf klinischen Beobachtungen mit Gehirngeschädigten sowie Experimenten mit Split-Brain-Patienten (denen die Nervenbahnen, die die beiden Hemisphären verbinden, durchgetrennt wurden). So berichten Caramazza und Berndt (1978), daß Split-Brain-Patienten konkrete Nomina allein in der rechten Hemisphäre

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verarbeiten können, während dies bei Abstrakta, die keine perzeptuellen Referenten haben, nicht möglich ist. Vertreter der unitären Repräsentationstheorie können die Befunde der Experimentalforschung mit ihrer Annahme einer einzigen modalitätsunspezifischen Repräsentationstheorie nicht adäquat erklären. Wenn im LZG alle Wissensinhalte einheitlich repräsentiert wären, könnten die Differenzen bei der Speicherung und Verarbeitung von Bildern, Konkreta und Abstrakta nicht auftreten. Verfechter der dualen Repräsentationstheorie haben Schwierigkeiten, die offensichtlich sehr schnell und problemlos zu vollziehende Übersetzbarkeit und Integration modalitätsspezifischer Wissenseinheiten zu erklären. Eine direkte Übersetzung von einem System in ein anderes setzt komplexe Übersetzungsregeln oder eine abstrakte Integratorebene voraus. Daß sprachliche Strukturen bereits wenige Sekunden nach ihrer Rezeption unabhängig von ihrer morpho- syntaktischen Form gespeichert werden (vgl. Sachs 1967 und Mandler et al. 1984), spricht m.E. ebenfalls für die Existenz einer modalitätsunspezifischen Repräsentationsebene im LZG (und wahrscheinlich auch im AG). Dafür spricht auch, daß wir uns häufig nicht daran erinnern können, ob wir etwas gehört oder gesehen haben. Die modalitätsspezifische Kodierungsart fließt folglich nicht immer in die Repräsentation der Informationen ein. Die Frage nach dem Repräsentationsmodus mentaler Systeme ist ein empirisch zu lösendes Problem, eine rein theoretische Auseinandersetzung wird beim gegenwärtigen Forschungsstand kaum bedeutende Erkenntnisfortschritte erbringen. Daten aus der Neuropathologie liefern Evidenz für die Existenz einer modalitätsunspezifischen Basisebene im menschlichen Kognitionssystem. Bestimmte gnostische Störungen, die bei Ausfall cortikaler Areale der intermodalen Rindenfelder entstehen, unterbinden integrative und holistische Erfahrungen (s. Beaumont 1987). In Kapitel 3 habe ich bereits erörtert, daß sich Agnosien so erklären lassen, daß zwar die periphere modalitätsspezifische Verarbeitung funktioniert, sich aber die Repräsentationen dieser Verarbeitung nicht mehr an die bedeutungszuweisende Konzeptstruktur anknüpfen lassen. Ich schlage aufgrund der Datenlage ein multimodales Repräsentationsmodell des LZG vor, das Wissensinhalte sowohl modalitätsspezifisch als auch modalitätsunspezifisch abbildet. Die beiden Repräsentationssysteme sind nicht strikt getrennt voneinander, sondern stehen in einer ständigen Interaktion. Dadurch läßt sich die Schnelligkeit erklären, mit der unterschiedliche Modi aufeinander bezogen werden können. Modalitätsspezifische Einheiten sind dem Bewußtsein zugänglich und können als Formen bzw. Realisationen des abstrakten, dem Bewußtsein nicht zugänglichen konzeptuellen Wissens betrachtet werden (vgl. hierzu bereits Kap.3 und 4). Modalitätsszezifische Einheiten kommen durch die Kopplung von abstrakter Konzeptinformation und spezifischem Repräsentationsmodus zustande. Das Spezifische des sprachlichen Wissens liegt somit nicht im Inhaltlichen, sondern im Formalen. Mit dieser These stehe ich in direktem Gegensatz zu Wiese (1982:26), der im Inhaltlichen die Eigenart des sprachlichen Wissens vermutet.

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Im LZG sind Konzepte als abstrakte Informationseinheiten zusammen mit vielen multimodalen Repräsentationseinheiten abgespeichert. Die Besetzung der potentiellen Formrepräsentationen kann individuell und interkulturell variieren. Obligatorisch ist aber die Besetzung mindestens einer modalitätsspezifischen Repräsentationseinheit, da das abstrakte Konzept sonst für unser Bewußtsein gar nicht zugänglich ist. Je nach kognitiver Anforderung wird der Inhalt des Konzepts (bzw. Teile des Konzeptinhalts) an eine bestimmte Repräsentationsform gebunden und in das KZG, die Aktivationsstufe des Bewußtseins, projiziert. So wird bei der Sprachproduktion ein konzeptueller Inhalt an eine sprachliche Repräsentation gekoppelt, beim bildhaften Erinnern dagegen an eine perzeptuelle Imagen-Einheit. Die Repräsentation semantischer Informationen im LZG läßt sich durch das folgende Schema darstellen: (28) Kon (xrxn) Semsyn (x2-x7) Rpnon Kon steht für eine modalitätsunspezifisch repräsentierte Konzepteinheit mit einer bestimmten Anzahl konzeptueller Primitiva (die von Konzept zu Konzept variieren kann). Semsyn stellt die mit einem syntaktischen Subkategorisierungsraster versehene Bedeutungseinheit dar, die eine Reihe von konzeptuellen Primitiva lexikalisch repräsentiert. Die elementaren Informationseinheiten von Wortbedeutungen und Konzepten sind also dieselben. Es werden aber nicht immer alle konzeptuellen Komponenten lexikalisiert, sondern meistens nur eine bestimmte Anzahl (dargestellt durch X2~X7). Die Lexikalisierung der konzeptuellen Einheiten ist sprachspezifisch, d.h. sie variiert von Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft. Rphon stent ^ur ^e phcmologische Repräsentation, mit der die Bedeutungseinheit konventionell verknüpft ist. Die Pfeile indizieren, daß die Einheiten miteinander durch prozedurale Relationen verbunden sind und sowohl Input- als auch Output-Funktionen haben. Sie können kognitive Aktivierungspotentiale aufnehmen und an benachbarte Einheiten weitergeben (s. hierzu auch 6.3). Daß intermodales Priming bei (konkreten) Wörtern und Bildern vorkommt, läßt sich durch die Verknüpfung semantischer Einheiten und perzeptuell fundierter Repräsentationen erklären. Lexikalische Bedeutungen von Konkreta sind über prozedurale Routen mit den Einheiten anderer modalitätsspezifischer Systeme (also z.B. mit taktilen, motorischen, visuellen Repräsentationen) verbunden. So lassen sich Deblockierungseffekte erklären: Wenn der sprachliche Informationsverarbeitungsweg zu den lexikalischen Bedeutungen gestört ist, kann die Aktivierung dieser Einheiten über eine andere modalitätsspezifische Prozessorkomponente erfolgen. Bei modalitätsspezifischen Aphasien ist demnach die Verbindung zwischen dem jeweiligen Inputsystem und dem semantischen System unterbrochen. Konkreta unterscheiden sich von Abstrakte dadurch, daß ihre zugrundeliegenden Konzepte im LZG an perzeptuelle Repräsentationseinheiten anknüpfbar sind und daß sie Referenten in Wp haben. Die Referenten konkreter Nomina können durch mehrere Sinneskanäle erlebt werden, während sich Abstrakta nur über den sprachlichen Re-

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zeptormodus erfahren lassen. Ihre Bedeutung ergibt sich aus kognitiven Operationen und hat keinen direkten Bezug zur perzeptuell erfahrbaren Welt. Abstrakta entstehen erst auf der Ebene des mentalen Weltmodells und durch vom sprachlichen System vermittelten Operationen, daher stellen sie eine Art kognitive Meta-Ebene dar. Die Referenten von Abstrakta sind mentale Repräsentationseinheiten im internen Modus. Die semantisch-konzeptuellen Strukturen von Konkreta weisen im LZG Redundanzen auf, da sie an die Repräsentationsmodi anderer (sensorisch vermittelter) Systeme anknüpfbar sind. Daher können die Bedeutungen von Konkreta auch durch die Vorgabe von Bildern (als Primes) aktiviert werden (s. Vanderwart 1984). Die Strukturierung und Integration ihrer semantischen Netzwerke ist sehr viel komplexer, als dies bei Abstrakta der Fall ist. Die Konzepte konkreter Nomina sind untereinander durchgehend verknüpft (insbesondere durch situativ-referentielle Relationen). Es lassen sich deshalb komplexe Schemata für diese Konzeptrelationen konstruieren (s. 5.2.3). Die Defaults, die Bestandteil konkreter wie auch abstrakter Konzepte sind, werden bei Konkreta enger umgrenzt bzw. informationell eindeutiger festgelegt als bei Abstrakta. Da die Prädikabilität bei Abstrakta sehr viel weiter gespannt ist als bei den Konkreta, die auf verschiedenen Dimensionen unserer Sinneswahrnehmung und die Kenntnisse über die universale Wp präzisierbar sind, lassen sich Wahrheitswerte für Abstrakta nur sehr schwer angeben (man denke beispielsweise an die Menge der möglichen Prädikationen von Liebe oder Demokratie). Damit weisen Abstrakta in ihrer Struktur eine größere inhärente Vagheit auf als Konkreta. Die Integration der konkreten Konzepte in Schemata und ihre Anknüpfbarkeit an bildhafte Repräsentationsmodi ermöglicht die bessere Verarbeitung und Speicherung konkreter Nomina, Phrasen und Sätze, wie sie in den letzten Jahren durch die Experimentalforschung dokumentiert worden ist (zu einem Überblick s. Wippich 1980). Die Befunde von Begg (1972) sind dafür exemplarisch: In Reproduktionstests zeigte sich, daß konkrete NPs wie ein weißes Pferd genauso gut erinnert werden wie die einzelnen Wörter weiß und Pferd. Dagegen werden abstrakte NPs wie eine wichtige Theorie sehr viel schlechter erinnert als einzelne Wörter aus entsprechenden Phrasen. Offensichtlich werden konkrete NPs als eine integrative Einheit im Gedächtnis repräsentiert. Bei abstrakten Phrasen ist eine solche holistische Repräsentation nicht (oder nur sehr schwer) möglich, daher müssen alle Informationseinheiten einzeln behalten werden. Marschark (1985) konnte zeigen, daß dieser Effekt reduziert wird, wenn kontextuelle Faktoren bei der Eperimentanforderung vorgegeben sind. Wenn Abstrakta im Kontext von Sätzen und Texten dargeboten werden, ist ihre Reproduzierbarkeit nicht schlechter als die von Konkreta. Das Defizit an relationaler Kontextinformation im LZG wird durch die Vorgabe kontextueller Informationen situationsspezifisch ausgeglichen. In diesem Kapitel wurde die Frage untersucht, wie Bedeutungen im mentalen Lexikon (das Teil des LZG ist) repräsentiert sind. Die wichtigsten Ergebnisse der Auseinandersetzung mit den der Forschung vorliegenden Theorien, Modellen und empirischexperimentellen Befunden sind wie folgt: Die semantische Kompetenz umfaßt ein Re-

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Präsentationssystem im LZG und ein System von Prozeduren, das Teile dieses Repräsentationssystems in konkreten Situationen aktualisiert und auf entsprechende Referenzbereiche abbildet. Das semantische System setzt sich aus funktional relativ unabhängigen (da einzeln störbaren), aber miteinander verknüpften Subsystemen zusammen.

6. Bedeutungsverarbeitung im Gedächtnis 6.0 Vorbemerkungen Im vorangegangenen Kapitel ist der Teil einer Kognitiven Semantiktheorie behandelt worden, der die Repräsentation von Bedeutungen im LZG betrifft. Die Annahme von lexikalischen Bedeutungen erfordert die Explikation eines Vermittlungsprozesses, der von den globalen und kontextunabhängigen Bedeutungseinheiten im LZG zu konkreten, kontextspezifizierten Äußerungsbedeutungen im KZG führt. Die bisherigen semantischen Ansätze haben den Einfluß kontextueller Faktoren und kognitiver Parameter bei diesem Prozeß nur sehr pauschal behandelt (und die Modellierungsarbeit in den Bereich der Pragmatik und Psycholinguistik abgeschoben). Die Relation zwischen lexikalischer und aktueller Bedeutung läßt sich aber adäquat nur über die Rekonstruktion der kognitiven Prozesse, die von der einen Repräsentation zur anderen führen, erklären. Im folgenden will ich einige Hypothesen erörtern, die die Verarbeitung von Bedeutungen betreffen. Damit steht die letzte Ebene des dreistufigen Semantikmodells, das den Zusammenhang zwischen konzeptuellen Einheiten, lexikalischen Bedeutungen und aktuellen Äußerungsbedeutungen expliziert, zur Diskussion. Die kognitiven Prozesse, die in der Sprachverarbeitung auf lexikalischen Repräsentationen operieren, sind uns nicht bewußt, da sie extrem schnell und automatisch ablaufen. Wie bei der Untersuchung mentaler Repräsentationen ist man auch hier mit dem Problem konfrontiert, wie man kognitive Phänomene empirisch zugänglich machen kann. Der Kenntnisstand über kognitive Prozesse ist trotz der enormen Erkenntnisfortschritte in den letzten Jahren immer noch lückenhaft und über weite Strecken rein hypothetisch. Meine Ausführungen sind daher auch heuristischer Natur und versuchen, den Prozeß der Bedeutungskonstitution (d.h. die prozessuale Realisierung aktueller Bedeutungen) im Rahmen eines prozeduralen Gedächtnismodells zu rekonstruieren.

6.1 Lexikalische Bedeutung und aktuelle Bedeutung Ein zentrales Problem der neueren lexikalischen Semantik ist die Explikation der Relation zwischen den permanent gespeicherten Lexikonbedeutungen und den in konkreten Verarbeitungssituationen entstehenden aktuellen Bedeutungen (als Äußerungsbedeutungen). Jackendoff (1983) hat einen Erklärungsansatz vorgelegt, demzufolge Äußerungsbedeutungen durch Projektion konzeptueller Einheiten auf die syntaktische Ebene eines Satzes entstehen. Projizierbare Konstituenten der Konzeptstruktur werden durch diesen Prozeß in das Bewußtsein des jeweiligen Rezipienten gerückt. Damit unter-

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scheiden sich lexikalische und aktuelle Bedeutungen nur hinsichtlich der Stufe ihrer Aktiviertheit (bzw. ihrer Repräsentation im LZG oder KZG, wenn wir Jackendoffs Ansatz in ein Gedächtnismodell übertragen). Jackendoff, der zwischen Type- und Token-Konzepten unterscheidet, spricht nur den Token-Konzepten Referentialität (d.h. in seinem Ansatz Projizierbarkeit) zu. Types können nur durch den Charakter ihrer projizierbaren Instanzen indirekt erfahren werden. Types korrespondieren nicht mit Erfahrungseinheiten, da unsere erfahrbare Welt nur aus partikularen Objekten (im weitesten Sinne) besteht. Nur auf Instanzen eines Type-Konzeptes kann referiert werden. Deshalb sind für Jackendoff die NPS generischer Sätze nicht referierend, da sie sich auf Types beziehen. (29) Ein Schaf ist ein Haustier. Nach Jackendoff wird in einem Satz wie (29) eine generische Kategorisierung ausgedrückt, die auf der konzeptuellen Ebene zwei Types als Argumente hat. Daß die TypeKonzepte dem menschlichen Bewußtsein nicht direkt zugänglich sind, ist richtig. Die Folgerung, daß generische Sätze auf Types Bezug nehmen und daher keine Referenz haben, ist aber in zweierlei Hinsicht falsch. Auf die dem Bewußtsein verschlossenen Type-Konzepte kann gar kein Bezug genommen werden (es sei denn auf eine heuristische Weise im wissenschaflichem Diskurs), da sie der Erfahrung (im Alltagsdiskurs) nicht zugänglich sind. Jackendoffs Eingrenzung der Referenz auf die projizierte Welt der Tokens (bei mir Wp) mißachtet die mentalen Referenten (von Wm). Mit generischen NPs wird auf prototypische Instanzen einer mentalen Kategorie Bezug genommen. Wie bereits erörtert, entsteht Referentialität durch die mentale Operation PROJIZIERE, wobei die Projektion den perzeptuellen oder den mentalen Referenzbereich betreffen kann. Diese prototypischen Instanzen bilden Ausschnitte von in Type-Konzepten gespeichertem Wissen ab. Sie unterscheiden sich von den individuellen Instanzen (also den Token-Konzepten, die im LZG für partikulare Objekte im mentalen Modus gespeichert sind) dadurch, daß sie Abstraktionen von individuellen Instanzen darstellen, denen in der Realität keine Entsprechungen zukommen. Prototypische Instanzen sind Konzeptrealisierungen, die im Zusammenhang mit der kreativen Symbolfunktion der Sprache zu sehen sind. Sprachliche Strukturen ermöglichen die Bildung und Repräsentation mentaler Einheiten, die abgehoben von der sensorischen Erfahrung sind und einen eigenständigen mentalen Existenzstatus haben. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Referentialität von Abstrakta habe ich bereits darauf hingewiesen, daß es lexikalische Bedeutungen gibt, die allein das Resultat mentaler Operationen sind und deren Referenten nur im mentalen Modus repräsentiert sind. Mittels der Sprache können wir nicht nur auf einzelne Objekte, sondern auch auf Klassen von Objekten Bezug nehmen. Die Referenten generischer NPs sind gebundene Konzepte, in denen die typischen Eigenschaften eines Exemplars der Klasse als Durchschnittsmenge repräsentiert werden.

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Obgleich Jackendoff die prozeduralen Aspekte der Semantik nicht zum Gegenstand seiner Ausführungen macht und sich auf die Repräsentation von Bedeutungen konzentriert, läßt er sich mit der Erörterung von Präferenzregeln doch auf dieses Thema ein. Die Präferenzregeln, die Jackendoff aus der Wahrnehmungs- bzw. der Gestaltpsychologie übernimmt, sind bei der Abbildung von konzeptuellen Struktureinheiten auf Einheiten der syntaktischen Ebene involviert. Präferenzregeln sind interpretative Mechanismen, die kognitive Kategorisierungen und sprachliche Interpretationen gleichermaßen determinieren. Jackendoff erklärt das Verhältnis zwischen lexikalischen und aktuellen Bedeutungen über das Operieren von Präferenzregeln. Präferenzregeln stellen Entscheidungsregeln dar, die unter einer Anzahl von möglichen Strukturanalysen eine auswählen. Jackendoff nimmt an, daß Präferenzregeln auf allen Ebenen mentaler Verarbeitung operieren. Auf der semantischen Ebene determinieren sie die Kategorisierungsurteile bei lexikalischen Entscheidungsaufgaben und die Projektion konzeptueller Einheiten auf die syntaktische Ebene, da Bedeutungen Jackendoff zufolge in Präferenz-Regel-Systeme eingebettet sind. Bierwisch (1983a,b,c,1987) berücksichtigt im Gegensatz zu Jackendoff den Einfluß kontextueller Faktoren auf die Konstitution der Äußerungsbedeutung. Die Intension sem einer Lexikoneinheit wird als Funktion verstanden, die relativ zu einem Kontext (et) eine Äußerungsbedeutung (m) auswählt. (30) sem(ct)=m Dabei nimmt Bierwisch an, daß semantische Intensionen nicht auf einzelne Konzepte, sondern auf Konzept-Familien abgebildet werden. Durch die mentale Operation der konzeptuellen Spezifizierung wird ein Konzept abhängig vom Kontext als ein Element der jeweiligen Konzeptfamilie identifiziert, m ist also die konzeptuell ausdifferenzie'rte Bedeutung von sem. (31) a Die Schule steht neben dem Sportplatz. bDie Schule wird von der Gemeinde unterstützt. cDie Schule langweilt ihn nur gelegentlich. dDie Schule ist aus der Geschichte Europas nicht mehr wegzudenken. eDie Schule macht ihm Sorgen. In (31) a wird die Schule als Gebäude, in (b) als Institution, in (c) als Beschäftigungsart, in (d) als Institutionstyp interpretiert; in (e) sind die drei ersten Konzeptvarianten alternative Interpretationen für die Schule. Das Wort Schule ist nicht ambig, sondern polysem derart, daß es verschiedene konzeptuelle Varianten zuläßt. Die Konzeptfamilien fungieren als Extensionen der semantischen Intensionen. Bierwisch definiert die Äußerungsbedeutung als spezifizierte konzeptuelle Repräsentation. Das semantische Potential eines Ausdrucks muß dessen spezifische Bedeutung noch nicht festlegen; der jeweilige Bedeutungsgehalt wird oft erst im Kontext einer

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bestimmten Äußerungssituation festgelegt. Theoretische Ansätze, die sich mit indexikalischen Ausdrücken einer Sprache beschäftigt haben, implizierten eine solch zweistufige Semantik bereits früher. Die Annahme einer zweistufigen Bedeutungsrepräsentation ist seit den Arbeiten von Bierwisch und Lang (1987) zentral für die Semantiktheorien innerhalb der modular orientierten Kognitiven Linguistik. In Anlehnung daran findet sich in der Linguistik allgemein die Unterscheidung in die semantische, globale und abstrakte Lexikonbedeutung und die konzeptuelle, im Kontext ausdifferenzierte Äußerungsbedeutung (s. Schwarze/Wunderlich 1985, Wunderlich/Kauffmann 1990). Die beiden Stufen werden als Module im Kognitionssystem des Menschen aufgefaßt. Die Ebene der semantischen Form (welche die lexikalischen Einheiten in ihrer morphologischen und syntaktischen Sprachgebundenheit umfaßt) gehört demnach zur Ebene der Universalgrammatik und ihrer einzelsprachlichen Parametrisierung. Die Ebene der aktuellen Bedeutungen wird entscheidend vom konzeptuellen Kenntnissystem determiniert. Nach allem, was ich im Laufe dieser Arbeit über konzeptuelle Strukturen und semantische Strukturen gesagt habe, ist die Unterscheidung in eine globale semantische Repräsentation und eine kontextuell spezifizierte Repräsentation selbst völlig korrekt, nicht aber die Zuordnung der aktuellen Bedeutung zur konzeptuellen Ebene. Da die konzeptuelle Struktur der Kognition modalitätsunspezifisch ist, kann sie nicht als kontextspezifische, konkrete Repräsentationsebene fungieren. Diese Annahme basiert dabei auf der Festlegung von "konzeptueller Struktur" als modalitätsunspezifischer Basisebene, die im LZG lokalisiert ist. Bei der Bedeutungsinterpretation ist die konzeptuelle Basisebene zwar indirekt involviert, da sie der semantischen Repräsentation zugrundeliegt, die den Rahmen für die semantische Interpretationsbreite des jeweiligen Wortes stellt. Nur die in einem modalitätsspezifischen Modus gebundenen Einheiten der konzeptuellen Struktur fungieren aber als extensionale Einheiten, m ist damit nicht der konzeptuellen Repräsentationsebene zuzurechnen, sondern der im KZG gespeicherten modalitätsspezifischen Repräsentationsebene. Die Konstitution der aktuellen Bedeutung wird durch die Aktivierbarke it der semantischen Repräsentation im mentalen Lexikon, durch kontextuelle Faktoren und durch kognitive Operationen determiniert. Der Einfluß der kontextuellen Faktoren und der kognitiven Invarianten im Verarbeitungsprozeß muß genauer expliziert werden, wenn man die Relation zwischen der lexikalischen Bedeutung (als Repräsentation im LZG) und der aktuellen Bedeutung (als Repräsentation im KZG) näher bestimmen will. Bevor ich genauer auf diese Interaktion zu sprechen komme, soll zunächst ein gedächtnisfunktionales Modell erörtert werden, das den allgemeinen Rahmen für die Explikation der Bedeutungskonstitution darstellt.

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6.2 Gedächtnisfunktionen und Bedeutungsverarbeitung 6.2.1 Prozedurale Aspekte Bei der Explikation des Bedeutungsverarbeitungsprozesses müssen grundlegende Aspekte des Sprachverarbeitungsprozessors berücksichtigt werden, da die Verarbeitung einzelner Wörter normalerweise im Rahmen komplexerer sprachlicher Strukturen verläuft. Die Verarbeitung sprachlicher Strukturen stellt einen komplexen Informationsverarbeitungsprozeß dar, dessen Resultat eine mentale Repräsentation ist, die Komponenten des phonologischen, syntaktischen und semantischen Kenntnissystems integriert. Da die Rezeption sprachlicher Einheiten immer in einer bestimmten Situation stattfindet, wird auch eine mentale Repräsentation des situativen Kontextes erstellt, die in den Verarbeitungsprozeß einfließt. Während das sprachliche Kenntnissystem im LZG neutral gegenüber Beschränkungen wie Zeitlichkeit und Kapazität ist, wird der Prozessor in seiner Arbeitsweise durch solche Faktoren entscheidend affiziert. Sprachliche Verarbeitung ist strikt on-line, d.h. von links nach rechts ablaufend und unterliegt den kapazitären Begrenzungen des KZG. Daß kontextuelle Repräsentationen bei der semantischen Sprachverarbeitung erstellt werden und den Rezeptionsprozeß beeinflussen, ist weitgehend unumstritten. Es besteht aber kein Konsens darüber, ob diese Repräsentationen bereits während der sprachlichen Verarbeitung ihren Einfluß ausüben oder erst nach Abschluß des eigentlichen Sprachverarbeitungsprozesses. Autonome Sprachverarbeitungsmodelle gehen davon aus, daß die Operationen des Sprachverarbeitungsprozesses autonom und seriell ablaufen (vgl. Forster 1979, Garrett 1982 und 1984, Fodor 1983 und 1985). Jede Komponente errechnet eine Repräsentation unabhängig von den Operationen anderer Komponenten. Die höheren Ebenen können die Verarbeitung der unteren Ebenen nicht beeinflussen, da der Verarbeitungsprozeß strikt bottom-up verläuft. Die Worterkennungskomponente trifft allein auf der Grundlage des lexikalischen Wissens und der Information, die sie von der phonologischen Komponente als Analyseergebnis erhält, ihre Entscheidung. Der lexikalische Aktivierungsprozeß wird demzufolge weder von der syntaktischen Komponente noch von kontextuellen oder weltwissensgesteuerten Faktoren affiziert. Der Kontext übt erst post-lexikalisch Einfluß aus. Als Grundannahme autonomer Modelle erweist sich somit die Idee einer prozeduralen Modularität. Der Sprachprozessor arbeitet als Modul schnell, obligatorisch und unabhängig von den Kenntnissen anderer Kognitionssysteme. Diese informationelle Abgeschlossenheit gegenüber anderen Kenntnissystemen ist verantwortlich für die Autonomie des Sprachprozessors. Sprachverarbeitungsprozesse ähneln daher in den autonomen Modellen den (automatisch ablaufenden) Reflexen (s. Fodor 1983). Sprachverarbeitungsprozesse sind aber im Gegensatz zu Reflexen, die unvermittelte Reaktionen auf einen Reiz darstellen, berechnende und interpretativ-inferentielle

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Operationen. Daher sind im Output des Sprachverarbeitungsprozesses stets mehr Informationen enthalten als im Input. Zu beachten ist auch, daß Autonomie und Automatizität nicht gleichzusetzen sind (wie es in eingen autonomen Modellen getan wird). Auch nicht-autonome Prozesse können automatisch und sehr schnell ablaufen, obgleich sie kognitiv permeabel (also durch Informationen anderer Kenntnissysteme beeinflußbar) sind (s. Friederici 1987). In den interaktiven Sprachverarbeitungsmodellen ist die Direktionalität der Verarbeitung nicht so strikt festgelegt wie in den autonomen Modellen: Der Prozeß besteht aus einer Interaktion von bottom-up- und top-down-Operationen und läßt sich als ein konstruktiver, von kontextuellen und rezipientenspezifischen Faktoren determinierter Vorgang beschreiben. Die Prozessorkomponenten interagieren miteinander, sie tauschen ihre Informationen aus und können damit die Erstellung einer mentalen Repräsentation auf einer bestimmten Ebene beeinflussen. Die schnelle und mühelose Interpretation verzerrter, fragmentarischer und unterbrochener sprachlicher Äußerungen ist für die Vertreter interaktiver Modelle ein Indiz dafür, daß der Rezipient durch topdown-Strategien (also von oben kommenden Wissensaktivierungen) die Lücken des Inputs sinnvoll füllt (s. Marslen-Wilson 1982, 1987). In experimentellen Untersuchungen hat man zu zeigen versucht, daß top-down-Strategien auf allen Verarbeitungsebenen operieren: Laute werden besser im Wort- und Satzkontext wahrgenommen, Wörter im Satzkontext besser identifiziert, Satzanalysen durch pragmatische Plausibilitätsüberlegungen erleichtert und Sätze im Rahmen eines vorgegebenen Themas leichter interpretiert (zu den entsprechenden Experimenten s. Schwarz 1991 beschrieben). Der lexikalische Zugriff ist offen gegenüber Kontextfaktoren, d.h. Wortbedeutungen werden von Anfang an kontextspezifisch aktiviert und interpretiert. Eine prozedurale Modularität und Autonomie auf der neuronalen Ebene (wie sie u.a. von Fodor 1983 und Caplan 1984 postuliert wird) läßt sich bei einer Auswertung neurowissenschaftlicher Befunde nicht erkennen. Große kortikale Module wie das sprachliche oder das visuelle Modul gibt es nicht. Wie bereits erörtert worden ist, zeichnet sich der Cortex auf funktionaler Ebene durch ein hohes Maß an Homogenität und Interkonnektivität aus. Die Architektur und Prozessualität der neuronalen Verarbeitungsmodule ist überall (d.h. bei allen Modalitäten) fast gleich. Die modalitätsspezifischen Areale sind zudem verschaltet mit unspezifischen Arealen. Die Gehirnforschung hat gezeigt, daß fast alle komplexen kognitiven Leistungen mit der parallelen Aktivation der Formatio reticularis und des Thalamus sowie intermodaler Regionen einhergehen, also keineswegs unabhängig von unspezifischen Arealen sind. Neueste Untersuchungen der Cortexaktivität zeigen, daß bei kognitiven Prozessen wie Sprachrezeption und produktion nicht nur cortikale, sondern auch gleichzeitig subcortikale Areale beteiligt sind (s. Beaumont 1987). Andererseits stoßen wir bei den Dissoziationen zwischen Prozeßkomponenten in der Neuropathologie auf Daten, die eine starke Evidenz für selektiv störbare und damit funktional unabhängige Verarbeitungssysteme

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darstellen. Sequentialität und Autonomie kognitiver Prozesse sind damit als emergente System ei genschaften des mentalen Prozessors aufzufassen. Wirft man einen Blick auf die Sprachverarbeitungsmodelle, die sich mit der lexikalischen Aktivierung von Wörtern beschäftigen, so fällt insgesamt auf, daß der Vorgang der Bedeutungskonstitution sehr global beschrieben wird, nämlich als Aktivierung einer lexikalischen Bedeutung, die auf die Ebene des KZG projiziert wird. Das wohl einflußreichste ModeD zur Wortverarbeitung ist das von Morton (1969 und 1970) auf der Grundlage empirischer Untersuchungen entwickelte Logogen-Modell. Die postulierten Komponenten dieses Modells basieren zu einem großen Teil auf Beobachtungen von selektiven Störungen in der Pathologie. Es beschreibt verschiedene Informationsverarbeitungsebenen im mentalen Lexikon. Mit einer lexikalischen Einheit sind unterschiedliche Informationen gespeichert: phonologische, graphemische und semantische Kenntnisse über Wörter. Für die folgende Diskussion sollen die Aspekte, welche die phonemischen und graphemischen Aktivierungsrouten involvieren, jedoch weitgehend ausgeklammert werden. Von Interesse ist hier primär die semantische Aktivierung. Daß diese semantische Aktivierung stets über einen phonemischen oder graphemischen Input verläuft, wird dabei natürlich nicht außer Acht gelassen. Wird ein Wort lexikalisch erkannt, "feuert" diejenige logogenartige Einheit, für die genügend Evidenz vorliegt, wodurch alle in ihr enthaltenen Informationen verfügbar werden und in den Output-Speicher gelangen. Alle Lexikoneinheiten befinden sich in einer Art von Ruhestellung mit einem bestimmten Aktivationswert. Wörter mit hoher Auftretenshäufigkeit haben eine niedrigere Schwelle. Wenn die Aktivierungsschwelle überschritten wird, wird ein Wort erkannt. Damit verläuft auch in diesem Modell die semantische Aktivierung weitgehend nach einem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Die Bedeutungskonstitution wird in diesem Sinne wie bei Jackendoff (1983) als ein bloßer Aktivierungsprozeß befrachtet. In Orientierung an solche Modelle führt man in der Aphasiologie und Neuropsychologie semantische Fehlleistungen entweder auf ein beeinträchtigtes semantisches Kenntnissystem oder auf einen gestörten Zugang zum semantischen Kenntnissystem zurück. Wir stoßen hier also auf die mittlerweile klassische Kontroverse zwischen Systemstörungsannahme und Zugangsstörungshypothese (vgl. Kelter 1990). Nicht alle Störungsmuster lassen sich aber eindeutig der einen oder anderen Ursache zuordnen. Die Vielfältigkeit und die Individualität, also die ganze Heterogenität der semantischen Syndrome macht es schwer, eindeutige Korrelationen zwischen Störungsursachen und Störungsmustern zu erstellen. Der Bedeutungsverarbeitungsprozeß muß zudem differenzierter modelliert werden.

114 6.2.2 Gedächtnisfunktionale Prinzipien Ich möchte nun die folgende Definition für "Gedächtnis" vorschlagen: Gedächtnis ist eine Sammelbezeichnung für eine Reihe von kognitiven Funktionen des Gehirns. Das Gedächtnis stellt ein komplexes System mentaler Funktionen dar, von denen das langfristige Speichern nur eine von vielen ist. Es ist ein Speicher und Prozessor, dessen Effizienz und Effektivität auf dem Zusammenspiel all seiner Komponenten beruht. Das Gedächtnis stellt ein unspezifisches Prozessorsystem dar, das alle modalitätsspezifischen Prozessoren determiniert. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß modalitätsspezifische Gedächtnisfunktionen existieren. Diese Funktionen werden durch die Strukturierung und das Repräsentationsformat des jeweiligen Kenntnissystems determiniert. Die meisten Gedächtnismodelle sind Mehr-Speicher-Modelle, die mehrere Komponenten unterscheiden, denen verschiedenen Speicherfunktionen zugeordnet werden. Das bekannteste und einflußreichste Modell stammt von Atkinson und Shiffrin (1971). Die aufgenommene Information (visuelle, auditive oder andere sensorische Reize) gelangt zuerst in einen sensorischen, d.h. modalitätsspezifischen Speicher, wo sie für etwa eine Drittelsekunde gespeichert wird. Sie wird dann entweder gelöscht oder in das KZG weitergeleitet, wo sie durch Hinzufügung von LZG-Wissen bearbeitet wird. Das KZG hat eine beschränkte, der Gedächtnisspanne entsprechende Anzahl von Speicherzellen. Die im KZG bearbeiteten Informationen werden in das LZG überführt, wo sie langfristig gespeichert werden können. Wird eine Reaktion (z.B. in Form einer sprachlichen Äußerung) verlangt, so geschieht dies mittels des KZG, das Informationen aus dem LZG aktualisiert und einen Output ermöglicht. Das KZG wird in diesem Modell als eine Art Ausschnitt des LZGs verstanden. Der Informationsverarbeitungsvorgang verläuft in diesem Modell sequentiell, und die Informationen werden von einem Speicher zum nächsten durch Transferprozesse weitergeleitet. Das Dreikomponentenmodell ist im Laufe der Zeit einer Reihe von empirisch-experimentellen Überprüfungen unterzogen worden. Die vielfältigen Modifikationen betreffen dabei vor allem die jeweiligen Funktionen der einzelnen Speicherkomponenten (vgl. Baddeley 1979, Flammer 1987). Hinsichtlich der Anzahl der verschiedenen Gedächtniskomponenten besteht auch in der neuesten Forschung keine Einigung. Ob zwei, drei oder mehr Komponenten anzunehmen sind, ist derzeit ein intensiv debattiertes Thema der Gedächtniswissenschaft (s. Baeriswyl 1989). Einen alternativen Ansatz zum menschlichen Gedächtnis haben Craik/Lockhart (1972) mit ihrer levels-of-processing-Konzeption vorgelegt. In ihrem Modell durchläuft die Informationsverarbeitung mehrere Prozeßebenen, die nach dem Kriterium der Verarbeitungstiefe unterschieden werden. Die Verarbeitungstiefe ist gleichbedeutend mit dem Ausmaß bzw. der Komplexität an kognitiver Analyse, wobei sich die Tiefe nach der Art der Anforderung bei der Informationsverarbeitung richtet. Bei der Verarbeitung eines Reizes werden auf der untersten Stufe dessen physikalische Eigenschaf-

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ten kodiert, während auf den folgenden Stufen formale Vergleichsprozesse ablaufen, die schließlich zu einer semantischen Kodierung führen. Gedächtnisinhalte sind eine Funktion dieser Kodierungsprozesse. Damit postulieren Craik/Lockhart einen direkten Zusammenhang zwischen Analysevorgang und Speicherformat. Gedächtnisspuren sind umso besser und dauerhafter, je elaborativer (d.h. tiefer) die Analyse bei der Kodierung durchgeführt wurde. Craik/Lockhart überprüften den Einfluß der Verarbeitungsebenen mit Orientierungsaufgaben, in denen eine bestimmte Verarbeitungsebene induziert wurde. Kurz bevor den Vpn ein Wort (für 33 msec) dargeboten wurde, stellte der Experimentleiter eine von den folgenden 5 Fragen, auf die die Vpn dann per Tastendruck antworten sollten: 1. 2. 3. 4. 5.

Wird ein Wort dargeboten? Ist das Wort in Groß- oder Kleinbuchstaben geschrieben? Reimt sich das Wort auf...? Gehört das Wort der folgenden semantischen Kategorie an? Paßt das Wort in den folgenden Satz:...?

Entsprechend der nach Craik/Lockhart ansteigenden Verarbeitungstiefe von l bis 5 benötigen die Vpn zur Beantwortung der letzten Fragen mehr Zeit, erstellen dafür aber eine komplexere und damit besser gespeicherte (und abrufbare) Gedächtnisrepräsentation (wie in einem Behaltenstest beobachtet werden konnte). Der Verarbeitungsebenenansatz ist in dieser Konzeption noch keine direkte Alternative zu den Komponentenmodellen, doch setzt er andere Schwerpunkte bei der Modellierung von Gedächtnisfunktionen, indem er die prozeduralen Aspekte des Gedächtnisses in den Vordergrund stellt. Er bedarf grundlegender Modifikationen: -

Eine isolierte (bottom-up-verlaufende) sensorische Analyse ist eine heuristische Fiktion. Alle sensorischen Kodierungsvorgänge werden von (top-down-verlaufenden) Prozessen determiniert, die vom LZG initiiert werden. Alle kognitiven Vorgänge weisen solche Interaktionen auf. - Eine Reihe von Experimenten hat inzwischen gezeigt, daß auch die weniger tiefen und oberflächlichen Analysen dauerhafte Gedächtnisspuren zur Folge haben können (s. u.a. Aaronson/Ferres 1984). Das Konzept "Tiefe" muß daher revidiert werden. Auf jeder Analyseebene kann eine tiefere (d.h. elaboriertere) Kodierung vorgenommen werden. Die Verarbeitungstiefe hängt dabei von der Zeit ab, die für die Kodierung in Anspruch genommen wird (bzw. zur Verfügung steht). Die Elaboration wird weiterhin durch die Art der kognitiven Operationen bestimmt, die auf der jeweiligen Verarbeitungsstufe Anwendung finden. - Es ist problematisch, eine sequentielle Hierarchie von Verarbeitungsebenen anzunehmen, da der Ansatz damit Serialität der Verarbeitungsvorgänge impliziert. Wie

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aber bereits erörtert worden ist, arbeitet das Gedächtnis größtenteils mit parallel ablaufenden Operationen. Wenn ich im folgenden von den Komponenten des Gedächtnisses spreche, so muß beachtet werden, daß ich diesen Komponenten prozedurale, aktive Eigenschaften zuspreche und nicht bloß als statische Speicher verstehe. Das hier skizzierte Gedächtnismodell ist integral derart, daß es theoretische Vorstellungen und empirisch-experimentelle Erkenntnisse aufeinander bezieht und zu einer Konzeption synthetisiert. Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, daß ein Reiz, bevor er bewußt wahrgenommen wird, einer komplexen Reihe von Verarbeitungsprozessen unterliegt. Ich nehme vier grundlegende Gedächtnisfunktionen an: Ultrakurzzeitgedächtnis (UKZG), Kurzzeitgedächtnis (KZG), Arbeitsgedächtnis (AG) und Langzeitgedächtnis (LZG). Die Funktionalität des LZG ist bereits erörtert worden. Das UKZG fungiert als unmittelbarer Rezeptor und Speicher, der eine Reihe von Reizen für eine sehr kurze Zeit (d.h. für etwa 200 ms) aufnimmt, aber über eine hohe Speicherkapazität verfügt (vgl. hierzu Arbinger 1984, Wippich und Mecklenbräuker 1988). Es handelt sich um eine periphere Verarbeitungsstufe, die sensorische Informationen für die kognitive Weiterverarbeitung kodiert. Der Inhalt des UKZG ist dem Bewußtsein zunächst nicht zugänglich. Experimente haben gezeigt, daß die Bewußtseinsschwelle, d.i. die Zeit, die benötigt wird, damit ein Reiz bewußt erlebt werden kann, bei ungefähr 250 msec liegt (vgl. Neisser 1967, Arbinger 1984). Die Prozesse des UKZG laufen automatisch und autonom ab, d.h. wir können willentlich keinen Einfluß auf die Funktion dieser Komponente nehmen. Das UKZG arbeitet aber nicht rein bottom-up, sondern wird von den Strukturen des LZG maßgeblich determiniert. Wie bereits erörtert worden ist, wird jeder Informationsverarbeitungsprozeß von topdown-Prozessen beeinflußt. Ohne Aktivierbarkeit von LZG-Strukturen wäre bedeutungsvolle Wahrnehmung gar nicht möglich. Bevor also ein Reiz in das KZG gelangt, ist er bereits in Bruchteilen einer Sekunde einer Reihe von kognitiven Operationen unterzogen worden. Diese Operationen können je nach Situation und kognitiver Anforderung unterschiedlich komplex ausfallen. Die im KZG repräsentierte Kodierungseinheit bzw. Kodierungsstruktur ist das jeweilige Ergebnis bestimmter Verarbeitungsstufen. KZG-Repräsentationen sind also nicht bloß aktivierte und bewußt erlebte LZG-Repräsentationen, sondern bereits Verarbeitungsresultate. Ist die Bewußtseinsschwelle überschritten, und der Reiz befindet sich im Fokus der Aufmerksamkeit des Wahrnehmenden, schaltet sich das KZG ein. Diese Komponente ermöglicht die bewußte und momentane Erfahrung. Informationen, die vom UKZG aufgenommen werden, müssen aber nicht notwendigerweise im KZG repräsentiert werden, sondern können ins AG oder LZG geleitet werden. Diese Annahme trägt der Tatsache Rechnung, daß wir einen großen Teil von Informationen unbewußt aufnehmen und verarbeiten.

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Das KZG ist zeitlich begrenzt, d.h. die Informationen werden (wenn sie nicht ständig memoriert werden) nur für einige Sekunden im Zentrum der bewußten Aufmerksamkeit gehalten. Zudem ist es kapazitär eingeschränkt, d.h. nur eine bestimmte Menge an Informationen kann simultan repräsentiert und bearbeitet werden. In einer für die empirische Gedächtnisforschung sehr einflußreichen Arbeit hat Miller 1956 nachgewiesen, daß die Gedächtnisspanne, d.h. die maximale Zahl an Informationseinheiten, die behalten werden kann, im KZG ungefähr 7 Einheiten umfassen kann. Normalerweise können nicht mehr als 7± 2 Einheiten erkannt und reproduziert werden. Die Kapazität des KZG kann aber durch Organisationsprozesse - sogenanntes Chunking - erweitert werden. Die Anzahl der Einheiten (Chunks), die verarbeitet und behalten werden können, ist begrenzt, aber die Anzahl der Einheiten pro Chunk kann variieren. So können 5 bis 9 Buchstaben, 5 bis 9 Wörter oder 5 bis 9 Phrasen behalten werden. Was als Chunk verarbeitet werden kann, wird vom LZG determiniert. Beide Komponenten stehen also in einem engen Zusammenhang. Bessere KZG-Leistungen beruhen auf der Aktivierbarkeit von LZG-Einheiten, die in das KZG transferiert werden können. Wenn die Kapazität überschritten wird und alle Speicherzellen besetzt sind, werden die Einheiten entweder durch neue Informationseinheiten verdrängt, oder das KZG veranlaßt über ein Kontrollzentrum die sensomotorischen und/oder kognitiven Operationen, langsamer abzulaufen bzw. im Ruhezustand zu verharren. Auf diese Weise werden z.B. die Augenbewegungen beim Lesen kontrolliert (s. hierzu auch McConkie/Zola 1984). Bei der auditorischen Sprachrezeption sind immer nur die beiden zuletzt gehörten Sätze wörtlich im KZG gespeichert (s. Sachs (1967) und Glanzer et al. (1984)). Satzinformationen werden, wenn sie nicht memoriert werden, bereits nach ca. 40 Sekunden unabhängig von Wortlaut und Satzform gespeichert und sind nur noch semantisch repräsentiert, d.h. nur ihr Inhalt bleibt als Information erhalten. Das KZG ist ein modalitätsspezifischer Speicher und Prozessor. Alle Informationen, die uns im Zustand des Bewußtseins zugänglich sind, stellen modalitätsgebundene Repräsentationen dar. Dies trifft sowohl auf die Informationen, die aus dem UKZG über die Sinnesorgane als Töne, Bilder oder Wörter erlebte Erfahrungseinheiten als auch auf die Repräsentationseinheiten, die aus dem LZG abgerufen werden (z.B. beim Erinnern), zu. Unser bewußtes Erleben und Denken verläuft demnach immer modalitätsspezifisch, niemals abstrakt und modalitätsunspezifisch. Selbst wenn wir über logische oder mathematische Formeln nachdenken, geschieht dies immer modalitätsgebunden. Die Funktionsweise des KZG ist abhängig von der begrenzten Verarbeitungskapazität der bewußten Aktivationsstufe. Seine Verarbeitungsweise ist primär seriell. Wenn man Bewußtsein als selektiven Aufmerksamkeitszustand definiert, können KZG und Bewußtsein - zumindest auf der informationstheoretischen Ebene gleichgesetzt werden. Das KZG wird damit als aktive Schaltzentrale der kontrollierbaren Prozesse aufgefaßt.

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Da aber neben der bewußten und kontrollierten Verarbeitung noch unbewußt ablaufende Prozesse operieren, nehme ich eine Speicher- und Prozessorkomponente an, die zwischen KZG und LZG vermittelt, das Arbeitsgedächtnis (AG). In einigen Gedächtnismodellen werden KZG und AG gleichgesetzt (s. Baddeley 1986). Hier wird das AG als eine Intermediärkomponente definiert, die eine größere Kapazität als das KZG besitzt, da die Operationen weitgehend automatisch und parallel ablaufen. Daß der Unterschied zwischen autonomen und kontrollierten Prozessen in der neueren Forschung eine wichtige Rolle bei der Modellierung kognitiver Prozeßmodelle spielt, ist bereits angedeutet worden. Automatische Prozesse erfordern kein Bewußtsein und laufen obligatorisch, d.h. ohne willentliche Beeinflußbarkeit ab. Anders als die kontrollierten Prozesse sind sie nicht störanfällig und interferieren nicht mit anderen - simultan ablaufenden - Prozessen. Ihr Verarbeitungsmodus ist daher nicht seriell, sondern parallel. Allen bisherigen Untersuchungsergebnissen zufolge ist das Gedächtnis in der Lage, mehrere Aktivitäten in paralleler Weise durchführen zu können, wodurch die kognitive Prozessualität auf mehrere Ebenen verteilt wird (vgl. hierzu auch Shiffrin/Schneider 1977 und Marcel 1983). Diese Annahme wird durch die skizzierten Aspekte der Gehirntätigkeit unterstützt, da auf der neuronalen Verarbeitungsebene ein großes Maß an Parallelität zu finden ist. Das Ergebnis eines Rezeptionsexperiments soll den Einfluß unbewußt ablaufender Informationsverarbeitungsprozesse veranschaulichen: In einem Experiment von MacKay 1973 sollten die Vpn Satz (32), der ihnen über Kopfhörer ins rechte Ohr gespielt wurde, nachsprechen. (32) They threw stones toward the bank yesterday. Gleichzeitig wurde den Vpn entweder river oder money für einige msec ins linke Ohr eingespielt. Den Vpn wurden anschließend die Sätze (33) und (34) vorgelegt, wobei sie angeben sollten, welchen von beiden sie gehört hatten. (33) They threw stones towards the side of the river yesterday. (34) They threw stones toward the savings and loan association yesterday. Es zeigt sich, daß diejenigen Vpn, denen river eingespielt worden war, (33) als gehört angaben, während diejenigen Vpn, denen money eingeblendet worden war, (34) "wiedererkannten". Signifikant war dabei, daß sich die Vpn nicht an die dargebotenen Wörter river und money erinnnern konnten. Die Informationen determinierten die semantische Interpretation des Satzes, obgleich die Bewußtseinschwelle nicht erreicht worden war und die Aufmerksamkeit aufgrund der begrenzten Verarbeitungskapazität des KZG auf Satz (32) gerichtet war. Das AG steuert die unbewußten und autonom

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ablaufenden Prozesse, die parallel zum KZG stattfinden. Es ist in seiner Kapazität sowohl als Speicher als auch als Prozessor nicht so begrenzt wie das KZG. Die kognitiven Operationen des AG sind dem KZG aber nicht nur gleichgeschaltet, sondern auch vor- und nachgeschaltet. Bevor Repräsentationseinheiten des LZG ins KZG gelangen, werden sie kognitiv bearbeitet, d.h. Informationen selegiert und eventuell kontextuell modifiziert. Für die Erklärung des semantischen Interpretationsprozesses sind die unbewußt ablaufenden Prozesse von erheblicher Relevanz. So ist der Bedeutungskonstitutionsprozeß, der im LZG gespeicherte semantische Lexikoneinheiten aktiviert, ein zum größten Teil unbewußt ablaufender Vorgang, der mehrere Teiloperationen involviert (z.B. die durch Priming-Experimente bestätigte Aktivierungsausbreitung sowie die Berücksichtigung kontextueller Faktoren bei der Bedeutungsselektion). Informationen des KZG sind immer auch im AG, aber nicht umgekehrt. Wenn die Einheiten aus dem KZG wieder verdrängt werden, sind sie noch einige Zeit in dem Intermediärspeicher des AG präsent, bevor sie als mental aktivierte Einheiten zerfallen. Die bereits erwähnten Experimente von Sachs (1967) und Mandler (1984) belegen die Existenz dieser mentalen Zwischenstation. Alle komplexen mentalen Leistungen werden von Gedächtnisfunktionen unterstützt, da sich das Gedächtnis als universales Prozessorsystem bei jeder Aktualisierung einer kognitiven Fähigkeit zuschaltet. Das von mir skizzierte Gedächtnismodell faßt Gedächtnisinhalte als Funktionen bestimmter Verarbeitungsprozesse auf, wobei die Komponenten als heuristische Hilfsmittel zur Veranschaulichung unterschiedlicher Prozeßebenen fungieren und nicht als isolierte Speicher aufzufassen sind. Damit stellt das Gedächtnis ein Kontinuum von kognitiven Repräsentations- und Prozeßebenen dar, die sich jeweils durch spezifische Kapazitäts- und Prozessoreigenschaften auszeichnen. Dieser Ebenentheorie kognitiver Prozessualität zufolge besteht jeder Informationsverarbeitungsvorgang aus einer Reihe von Prozeßebenen unterschiedlicher Aktivationsniveaus mit teils parallel, teils seriell verlaufenden Prozessen. Die Aktiva tionsniveaus sind unterschiedlich operationalisierbar und kontrollierbar. Das KZG ist die letzte Stufe auf dem Weg zur Realisierung bewußt erfahrbarer und kontrollierbarer Repräsentationen. Gedächtnisinhalte können je nachdem, auf welcher Stufe sie sich befinden, unterschiedlich repräsentiert sein. Dies ist von erheblicher Relevanz für die Beschreibung der Relation zwischen lexikalischer LZG-Bedeutung und aktueller KZG-Bedeutung. Semantische Einheiten lassen sich deshalb nur unter Berücksichtigung von Gedächtnisfunktionen in ihrer psychologischen Realität erklären. Mit diesem Ansatz ist der Rahmen für die Analyse semantischer skizziert. Vor diesem theoretischen Hintergrund wird nun der Prozeß der Bedeutungskonstitution erörtert.

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6.3.

Bedeutungskonstitution: Prozedurale Invarianten und kognitive Parameter

6.3.1 Lexikalische Aktivierung als Basisoperation Der Bedeutungskonstitutionsprozeß läßt sich in eine Reihe von funktional unterschiedlichen (aber nicht notwendigerweise seriell ablaufenden) Operationen aufgliedern. Die lexikalische Aktivierung stellt die Voraussetzung für alle weiteren Operationen im Bedeutungskonstitutionsprozeß dar und kann deshalb als Basisoperation deklariert werden. Ein über den sensorischen Speicher des Gedächtnisses aufgenommener sprachlicher Reiz löst einen Suchprozeß im LZG aus: Findet dieser Suchprozeß einen semantischen Knoten, wird der Reiz als ein Wort identifiziert. Wird kein LZG-Knoten gefunden, bleibt der Reiz für den Rezipienten bedeutungsleer (z.B. bei Unsinnswörtern wie Tacke und muckig, die nur phonologisch bzw. graphemisch kodiert werden). Die lexikalische Aktivierung stellt einen automatisch ablaufenden Vorgang dar, der als mentaler Mustervergleichsprozeß beschrieben werden kann (s. hierzu Kapitel 3). Die beiden Gedächtnisknoten werden einander zugeordnet und quasi aufeinder abgebildet. Diese Abbildung verläuft nach dem Projektionsprinzip. Zwischen sensorischem Gedächtnisknoten und LZG-Knoten wird eine Korrepondenzrelation etabliert (wodurch der sensorische Gedächtnisknoten erst seine Bedeutung erhält). Lexikalische Aktivierung ist offensichtlich nicht notwendigerweise an phonologische Verarbeitung gebunden: Patienten mit spezifischen Lesestörungen (Dyslexien), die bestimmte Wörter (insbesondere Funktionswörter) und vor allem Unsinnswörter wie Tosch nicht laut lesen können, zeigen dennoch semantisches Verständnis. Semantische Informationen können erreicht werden, ohne daß zuvor graphemische in phonologische Information umgesetzt wird. Lesen ist auch ohne phonologische Kodierung möglich und läuft dabei direkt über die semantische Repräsentation. Patienten mit Tiefendyslexie produzieren beim Lesen Paralexien (fälschlicherweise "gelesene" Einheiten), die den eigentlichen Wörtern semantisch ähnlich sind. So wird Pferd als Zebra, Reagan als Präsident gelesen (Brown 1985b). Bedeutungen werden also ohne vorherige phonetische Realisierung erkannt. Es gibt aber auch Patienten, die korrekt laut lesen können, dafür aber nicht den semantischen Gehalt der gelesenen Wörter angeben können. Die Graphem-Phonem-Korrespondenz-Regeln funktionieren hier unter Umgehung der semantischen Repräsentation. Sequentielle Verarbeitungsmodelle, die den Wortinterpretationsprozeß als Hierarchie von zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen beschreiben, sind mit diesen Ergebnissen nicht vereinbar. Viele dieser Modelle nehmen einen Prozeßverlauf an, der die folgenden Operationen in serieller Reihenfolge umfaßt (s. z.B. Caramazza/Berndt 1978):

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1. In der ersten Enkodierphase werden sprachliche Reize phonologisch analysiert und repräsentiert. 2. Dann wird die phonologische Repräsentation auf die semantische Wortrepräsentation abgebildet. 3. Schließlich wird diese Repräsentation mit Objekten der Umwelt (als möglichen Referenten) verglichen. Die Aktivierung der phonologischen Komponente von Wörtern ist aber keine notwendige Bedingung für die lexikalische Aktivierung von Bedeutungen. Auch in der normalen Sprachrezeption wird nicht zuerst das Wort einer vollständigen phonologischen Analyse unterzogen, bevor es semantisch verstanden wird. Worterkennungsexperimente haben gezeigt, daß schon nach wenigen Millisekunden Bedeutungseinheiten aktiviert werden, ohne daß die phonologische Kodierung abgeschlossen ist (s. MarslenWilson 1987, Tyler/Frauenfelder 1987). Vielmehr laufen sensorische Analyse und semantische Aktivierung weitgehend parallel ab. Damit grenze ich mich von Klimesch (1986) u.a. ab, die davon ausgehen, daß die semantische Information eines Wortes erst dann zur Verfügung steht, wenn vorher die perzeptuelle Wortinformation vollständig kodiert wurde. Sprachliche Verarbeitung verläuft nicht nach einem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Vielmehr können einzelne Informationen selektiv aktiviert werden. Übrigens bestätigt auch das TOT-Phänomen diese Annahme: Semantische Informationen können wir ins Bewußtsein rufen, ohne daß diese eine spezifische phonologische Repräsentation haben. Die phonologische Repräsentation elaboriert nur die bewußte Repräsentation einer Bedeutungseinheit (zu einer ähnlichen Erklärung s. Jackendoff 1987). Oft kommt es beim TOT-Zustand vor, daß wir einzelne Aspekte der formalen Repräsentation präsent haben, z.B. den Anfangsbuchstaben oder die Silbenzahl. Bei bestimmten Aphasien sind nur noch partielle Informationen aus den Lexikoneinträgen abrufbar. Der Zugriff auf lexikalisches Wissen kann automatisch und ohne Bewußtsein des Rezipienten erfolgen. In Priming-Experimenten konnte gezeigt werden, daß auch Wörter, die dem Rezipienten so kurz dargeboten werden, daß er sie nicht erkennen kann, semantische Aktivierungen im LZG auslösen und daher Priming-Effekte haben (s. hierzu auch Marcel 1983). Bei Broca-Aphasikern sind diese automatischen Prozesse teilweise erheblich gestört, während Wernicke-Aphasiker funktionstüchtige automatische Bedeutungsaktivierungen aufweisen, dafür aber keine bewußt- kontrollierten Prozesse mehr anwenden können. Das Vermögen, Urteile über semantische Relationen und Zusammenhänge abzugeben, ist bei diesen Patienten gestört (Blumstein 1988). Die Interaktion automatischer und kontrollierter Prozesse garantiert beim normalen Rezeptionsprozeß die Effizienz der Verarbeitung. Die Rolle des Bewußtseins bei der sprachlichen Informationsverarbeitung ist aber noch nicht hinreichend geklärt, da die

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sprach- und kognitionswissenschaftliche Forschung sich erst seit jüngster Zeit mit Aspekten des lange aus der wissenschaftlichen Diskussion ausgeschlossenen Bewußtseinsphänomens beschäftigt (Jackendoff 1987, Oeser/Seitelberger 1988). Im folgenden vertrete ich mit Swinney (1979), Marcel (1983a und b) u. a. die These, daß die lexikalische Aktivierung und die kontextspezifische Interpretation von Bedeutungen zwei getrennt verlaufende Operationen im Bededeutungskonstitutionsprozeß sind. Bei der Wahrnehmung eines Wortes wird zunächst dessen Bedeutungsrepräsentation im LZG aktiviert. Diese kognitive Operation ist ein automatisch ablaufender Mechanismus auf der lexikalischen Ebene, der unbeeinflußt von kontextuellen und situativen Faktoren geschieht. (35) Peter ging zur Bank, um Geld zu holen. Bei der Interpretation von Bank in (35) sind prinzipiell zwei Prozeßverläufe möglich: Nach dem Tiefe-zuerst-Prinzip wird eine Lesart ausgewählt und bei entsprechendem Kontext bestätigt oder zugunsten einer kontextadäquaten Lesart verworfen. Nach dem Breite-zuerst-Prinzip werden alle möglichen Lesarten des ambigen Worts aktiviert und erst bei Rezeption der seiegierenden Kontextinfomation wird die passende Lesart ausgewählt. In einer Art Rückwärtsinferenz wird Bank dann in der Bedeutung von Geldinstitut interpretiert. Die Anwendung der jeweiligen Strategie ist aber kontextabhängig. (36) Peter brauchte dringend Geld. Er ging deshalb zur Bank. Der vorhergehende Satz in (36) legt dem Rezipienten die Lesart Bank als Geldinstitut und nicht Bank als Sitzgelegenheit oder Teil eines Flusses bereits nahe. Die Voraktivierung des semantisch-konzeptuellen Schemas GELD und seinen Verknüpfungen im LZG steuert in einer Art Vorwärtsinferenz die Selektion der Bedeutung von Bank. Die der neueren Forschung vorliegenden Ergebnisse sprechen für die simultane Aktivierung und Repräsentation mehrerer Bedeutungen bei der lexikalischen Verarbeitung ambiger Wörter, also für das Breite-zuerst-Prinzip. Swinney (1979) konnte in einem Experiment zeigen, daß Priming-Effekte von ambigen Wörtern auch in Kontexten, die eine bestimmte Lesart nahelegen, für beide Bedeutungen vorliegen. (37) Rumour had it that, for years, the government building had been plagued with problems. The man was not surprised when he found several (spiders, roaches, and other) bugs (1) in the corner (2) of his room. Die Wörter in der runden Klammer wurden entweder weggelassen, um einen neutralen Kontext für die Bedeutungen von bug (Ungeziefer oder Abhörgerät) zu erhalten, oder

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hinzugefügt, um die Bedeutung im Sinne von Ungeziefer zu evozieren. (1) und (2) indizieren die Stellen, an denen Testwörter zur lexikalischen Identifizierung eingeblendet wurden. Priming-Effekte, d.h. schnellere Identifizierung, konnten sowohl bei ant als auch bei spy in beiden Satzkontexten beobachtet werden, wenn die Testwörter an Punkt (1) eingeblendet wurden. An Punkt (2) dagegen wurde im spezifischen Kontext (mit der Lesart Ungeziefer) nur ant schneller identifiziert. Dieses Resultat legt den Schluß nahe, daß bei der Wahrnehmung eines Wortes alle seine Bedeutungen für kurze Zeit aktiviert werden (daher auch Priming für beide Bedeutungen). Die Bedeutung, die vom Kontext favorisiert wird, unterdrückt aber dann sehr schnell die andere Bedeutung. Marcel (1983) hat in seinen Priming-Experimenten zeigen können, daß unbewußt ablaufende Prozesse eine größere Repräsentationskapazität haben als bewußt erfahrbare Prozesse. Er überprüfte ebenfalls den Priming-Effekt ambiger Wörter (beispielsweise von palm mit den Bedeutungen Handfläche und Palme) bei bewußter und unbewußter Verarbeitung. (38) a hand - palm - wrist btree - palm - wrist Wenn palm nach hand gegeben wurde, beschleunigte palm als Prime die Identifikationszeit für wrist. Wenn aber palm nach tree gezeigt wurde, hatte es keinen PrimingEffekt für wrist, da nur die Baum-Lesart evoziert worden war und damit ein Hemmungseffekt für die Hand-Lesart und ihre assoziativen Verbindungen erzeugt wurde. Wurde jedoch das Bewußtsein durch Maskierung (Verdeckung des Reizes, so daß die Bewußtseinsschwelle nicht erreicht wird) bei der Verarbeitung vpn palm ausgeschaltet, erleichterte palm die lexikalische Identifikation von wrist auch dann, wenn palm nach tree präsentiert worden war. In der unbewußten Repräsentation kann mehr als eine Bedeutung zur gleichen Zeit aktiv gespeichert sein, während das Bewußtsein eine Bedeutung herausfiltert und die andere(n) unterdrückt, da seine Kapazität restringierter ist. Bei ambigen Wörtern werden alle mentalen Bedeutungsvarianten (für den Bruchteil einer Sekunde) simultan aktiviert. Dies ist aufgrund der großen Kapazität des LZG möglich. Es gibt noch eine ganze Reihe derartiger Untersuchungen, die ähnliche Resultate vorzuweisen haben (s. z.B. Kintsch/Mross 1985) und die These unterstützen, daß die lexikalische Aktivierung im LZG ein vom Kontext weitgehend unabhängig ablaufender Vorgang ist.

124 6.3.2 Aktivierungsausbreitung und kognitionsinhärente Kontextualisierung Die lexikalische Aktivierung ist nur ein Teilprozeß im Vorgang der Bedeutungskonstitution. Nachdem durch den Prozeß der lexikalischen Aktivierung ein Bedeutungsknoten im LZG aktiviert worden ist, setzt der Prozeß der Aktivierungsausbreitung ein. Wie bereits in Kapitel 5 erörtert wurde, sind Bedeutungseinheiten nicht isoliert abgespeichert, sondern über vielfältige Relationen mit anderen Bedeutungseinheiten zu vernetzten Strukturen verknüpft. Wird ein Knoten eines solchen semantischen Netzes aktiviert, gibt er seinen mentalen Erregungszustand an die von ihm ausgehenden Relationen weiter an die anderen Knoten. Bedeutungen haben damit Input- und Outputfunktionen. Die Voraktivierungen von LZG-Einheiten sind verantwortlich für die empirisch beobachtbaren Priming-Effekte. Die Aktivierung findet innerhalb einer bestimmten Zeitspanne statt. Wird die Aktivierung nicht durch eine erneute Reizung stabil gehalten, klingt der Aktivierungszustand ab. Durch die Aktivierungsausbreitung werden weite Teile vernetzter Strukturen (d.h. komplexe Schemata wie das in Kapitel 5 skizzierte RESTAURANT-BESUCHSchema) latent in den Zustand der lexikalischen Aktivierung versetzt. Diese Teile fungieren als kognitionsinhärente Kontexte für die jeweils aktivierte Bedeutungseinheit. Schemata sind in diesem Sinne kognitive Kontexttypen, da sie Rahmeninformationen bereitstellen. Diese Informationen stellen permanente Kontextfaktoren dar (im Gegensatz zu den variablen Kontextfaktoren, die von der jeweiligen syntaktischen Struktur und der spezifischen Situation, in der ein Wort rezipiert wird, abhängen). Formen der definiten anaphorischen Referenz, wie sie schon in 5.2.3 besprochen wurden, sind sprachliche Belege für den Einfluß dieser permanenten Kontextfaktoren, die über die Anknüpfbarkeit von LZG-Wissen mittels top-down-Strategien an KZG-Knoten aktiv sind. Mit der Annahme von Aktivierungsausbreitungsmechanismen ist das Problem verbunden, eine Erklärung zu liefern, wodurch die Ausbreitung restringiert wird, d.h. auf relevante Netzwerke bzw. Netzwerkteile begrenzt bleibt und sich nicht auf das gesamte LZG ausbreitet. Eine solche Hyperaktivierung würde das Gedächtnis überlasten und zu einem prozessualen Chaos führen. Zwei Faktoren kontrollieren und begrenzen die Aktivierungsausbreitung: Zum einen ist die strukturelle Organisation der semantischen Komponente im LZG verantwortlich für eine Beschränkung der Aktivierungsausbreitung. Das semantische Kenntnissystem weist einen modularen Aufbau auf. Daß semantische Netzwerkmodule im LZG existieren, ist durch die Befunde der empirischen und klinischen Forschung weitgehend bestätigt. Die Aktivierungsausbreitung findet im Rahmen eines spezifischen semantischen Netzes statt. Zum anderen liegt die Begrenzung der Aktivierungsausbreitung aber auch in der prozeduralen Organisation. Als ein Grundprinzip kognitiver

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Prozessualität kann die Schwellenregulation angesehen werden. Wie die neuronalen Netze bestehen mentale semantische Netze aus einer Menge von Einheiten, die Erregungszustände an andere Verbindungen dieser Menge weitergeben können und gleichzeitig andere Verbindungen hemmen. Hemmungseffekte verhindern eine exzessive Erregungausbreitung. Die Schwellen für die Erregbarkeit anderer semantischer Netze sind während des Aktivierungszustandes eines bestimmten Bedeutungsknotens und seiner Relationen sehr hoch. Je weniger Ähnlichkeit zwischen zwei semantischen Netzen besteht, desto höher ist die Schwelle für die Aktivierbarkeit und desto geringer die Wahrscheinlichkeit, daß beide Netze simultan voraktiviert werden. Bestehen zwischen zwei semantischen Netzen (z.B. dem Netzwerk, das die Bedeutungen von Ausdrücken speichert, die Tiere bezeichnen und dem Netzwerk, das Bedeutungswissen über den Zoo speichert) viele Ähnlichkeitsrelationen, ist der Schwellenwert entsprechend niedriger und die Wahrscheinlichkeit für eine (wenigstens partielle) gemeinsame Aktivierung größer. An die Annahme der Schwellenregulation ist die These gebunden, daß hochfrequente semantische Einheiten schneller und einfacher zu aktivieren sind, da sie aufgrund ihrer Gebrauchshäufigkeit einen niedrigeren Schwellenwert für Aktivierbarkeit haben als weniger häufig gebrauchte Einheiten (s. hierzu auch Birbaumer/Schmidt 1988). Im Ruhezustand sind die Einheiten neutral. Während der Aktivierung werden Teile des erregten Netzwerkes positiv geladen, andere Netzwerke dagegen negativ, wodurch Hemmungseffekte auftreten, die die Weiterleitung der kognitiven Erregung verhindern. Diese Kontrollmechanismen verhindern die unbegrenzte Ausbreitung der Aktivierung im semantischen Kenntnissystem.

6.3.3

Selektion

Bis jetzt ist die Bedeutungskonsitution als Vorgang auf der Ebene des LZG, der die Operationen der lexikalische Aktivierung und der Aktivierungsausbreitung umfaßt, beschrieben worden. Es können nun unmöglich alle Informationen, die aufgrund dieser Operationen zugänglich sind, in das KZG überführt werden, da die kapazitäre Beschränkung dieses Speichers nur eine kleine Menge von Wissenseinheiten aufnehmen und repräsentieren kann. Schon bei einem Satz wie Das Auto steht in der Garage käme es zu einer Überlastung des KZG, wenn alle Informationen, die ein Rezipient über Autos und Garagen im LZG gespeichert hat, aktualisiert würden. Schon die Aktivierung aller Bedeutungskomponenten eines Wortes kann die KZG-Spanne vollständig auslasten. Das bedeutet, daß nicht alle Wissenseinheiten, die durch die lexikalische Aktivierung angesprochen werden, automatisch dem KZG (und damit der kontrollierten und bewußten Repräsentation und Verarbeitung) zugeleitet werden. Nur ein sehr geringer Teil der im LZG aktivierten Informationen gelangt bei der Bedeutungskonstitution in das KZG. Ich vertrete hier die Annahme, daß ein vom Kontext gesteuerter Selektionsprozeß nur re-

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levante (d.h. vom jeweiligen situativen und sprachlichen Kontext induzierte) Bedeutungskomponenten ins AG und dann in das KZG überführt. Dieser Vorgang richtet sich nach der folgenden Strategie: Projiziere nur die Information, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt relevant ist, auf das bewußte Aktivationsniveau des KZG, damit sie dort kognitiv präsent und je nach Bedarf manipulierbar ist. Dadurch wird die fundamentale Operation PROJIZIERE kapazitätsmäßig eingeschränkt und kontextuell affiziert. Bevor eine Bedeutungseinheit ins Bewußtsein projiziert wird, unterliegt sie einer Reihe von Operationen im AG. Diese These wird durch eine Reihe von Experimentergebnissen untermauert, die zeigen, daß der Kontext Bedeutungskomponenten selegiert (Garnham 1981, LeNy 1982, Roth/Shoben 1983). So legte Denis (1982) einer Gruppe von Vpn den folgenden Satz vor: (39) The eagle suddenly swooped down and snatched the weasel. Einer anderen Gruppe wurde Satz (40) vorgelegt: (40) The eagle soared slowly and majestically into the heaven. Unmittelbar nachdem die Vpn die Sätze gelesen hatten, wurden ihnen zwei Bilder vorgelegt, die den Flügel eines Adlers und die Kralle eines Adlers zeigten. Die Vpn sollten angeben, ob eines der auf den Bildern abgebildeten Körperteile zu einem Adler gehören. Diejenigen Vpn, die Satz (39) rezipiert hatten, identifizierten eher die die Kralle, die anderen Vpn eher den Flügel. Wurden die Bilder den Vpn nach Rezeption des jeweiligen Satzes hintereinander gezeigt, so war die Identifizierungszeit für das Krallenbild von der Gruppe mit Satz (39) kürzer als für das Flügelbild (und entsprechend umgekehrt für die Gruppe mit Satz (40)). Für Denis ist dieses Resultat ein Indikator dafür, daß bei der Satzrezeption nur bestimmte, vom Kontext präferierte semantische Merkmale aktualisiert werden. Der Satzkontext übt hier einen rückwirkenden Effekt auf die Aktivierung semantischer Merkmale aus. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Unterschied hinweisen, der oft übersehen wird: die on-line-Repräsentation und die off-line-Repräsentation bei der Sprachverarbeitung. On-line-Repräsentationen werden während des Verarbeitungsprozesses gebildet, off-line-Repräsentationen sind das Resultat des Verarbeitungsprozesses. Denis erhält mit seiner off-line-Methode nur Aufschluß über die Repräsentation nach dem eigentlichen Sprachverarbeitungsprozeß. Inwieweit Merkmalsselektion schon während der Verarbeitung stattfindet, wird damit nicht erfaßt. Der Selektionsprozeß ist einerseits kontextunabhängig und aufgrund der beschränkten Kapazität des KZG als eine notwendige Operation im Prozessor verankert.

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Nach der lexikalischen Aktivierung wird eine semantische Repräsentationseinheit in das AG überführt. Die Selektion ist andererseits auch kontextabhängig, indem sie aus der AG-Repräsentation relevante (d.h. vom jeweiligen Kontext induzierte) semantische Komponenten herausfiltert, die dann dem Bewußtsein zugänglich gemacht werden. Verantwortlich für die Selektionsprozesse sind Hemmeffekte, welche die Aktualisierung irrelevanter Bedeutungskomponenten unterdrücken. Das Ausmaß der Selektion hängt davon ab, wieviele Einheiten im KZG gespeichert werden müssen. Handelt es sich bei der Bedeutungskonstitution um die Aktivierung eines einzelnen Wortes, können dementsprechend mehr Informationen abgerufen werden, als wenn ein Satz mit mehreren Wörtern interpretiert werden muß. Wenn ein Wort rezipiert wird, ohne in einen bestimmten syntaktischen und/oder situativen Kontext eingebettet zu sein, wird eine Bedeutungsrepräsentation projiziert, die eine Durchschnittsmenge semantischer komponenten beinhaltet. Präferierte Kandidaten bei den Konkreta sind hierfür die prototypischen Instanzen einer semantischen Kategorie. Die Repräsentation im KZG ist abhängig von der Kapazitätsstärke m^) (wobei m die allgemeine Kapazitätsstärke angibt und (k) die Komponente des KZG indiziert), m stellt die Gesamtkapazität des Gedächtnisses dar und ergibt sich als Summe über die Kapazitätsstärken der einzelnen Gedächtniskomponenten des UKZG, KZG, AG und LZG (vgl. hierzu auch Wickelgren 1979):

(41) m= m Der Prozeß, der AG-Informationen in das KZG überträgt, wird durch einen Übertragungsparameter Q determiniert, der affiziert wird durch die spezifische Informationseinheit i, die Zahl der bereits besetzten Speicherzellen j im KZG und die Kapazitätsstärke m(k). m(^) legt fest, wieviele Einheiten gleichzeitig im KZG repräsentiert werden können. Ein weiterer Faktor ist das Maß an kognitiver Aufmerksamkeit: Je elaborierter und zeitaufwendiger die Analyse, desto mehr Bedeutungskomponenten werden aktualisiert. Der Selektionsprozeß ist also ein durch bestimmte kognitive Parameter determinierter Vorgang, der das Projektionsprinzip entscheidend einschränkt.

6.3.4 Spezifizierung Ein weiterer, empirisch gut dokumentierter post-lexikalischer Prozeß ist die semantische Instantiierung, im folgenden Spezifizierung genannt. In dem Satz Das Tier rannte kläffend über die Straße wird Tier sicherlich als Hund (und nicht als Katze oder Maus) interpretiert. Durch allgemeine sprachliche Ausdrücke evozierte mentale Einheiten werden also kontextspezifisch verstanden.

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Die an den Experimenten von Denis geübte Kritik trifft allerdings auch auf die Experimente zu, die zu zeigen versuchen, daß der Kontext allgemeine Bedeutungseinheiten im Rezeptionsprozeß spezifiziert (Bransford et al. 1972, Anderson et al. 1976, Garnham 1981 und 1985, LeNy 1982). Beispielsweise gab LeNy seinen Vpn den folgenden Satz vor: (42) Under the eyes of the cook, who had quickly run onto the bridge, a fish swam past the boat and ferociously devoured the sailor fallen overboard. Unmittelbar nach der Präsentation des Satzes sollten die Vpn angeben, ob fish oder shark in Beziehung zu dem Satz stehe. Daß sich keine Differenz zwischen den Reaktionszeiten für die beiden Wörter zeigte, nahm LeNy als Evidenz für die kontextspezifische Interpretation von fish im Sinne von shark. Die semantische Repräsentation von fish enthält nach LeNy nicht nur die Merkmale der Bedeutungseinheit von fish, sondern auch die Merkmale eines Raubfisches (wobei shark das typischste Exemplar eines Raubfisches ist und daher aktiviert wird). Die Synthese der beiden Bedeutungseinheiten geschieht im Rezeptionsprozeß so schnell, daß der Rezipient im nachfolgenden Verifikationstest shark "wiedererkennt". Über den genauen Zeitpunkt der semantischen Spezifizierung kann aber mittels dieser Methoden nichts ausgesagt werden. Unklar ist, ob die Spezifizierung schon im Rezeptionsprozeß durch eine Rückwärtsspezifizierung stattfindet oder erst bei der Verarbeitung des Test-Wortes shark durch eine Art Rückwärtsinferenz. Die Spezifizierung in dem oben genannten Satz findet wahrscheinlich nicht unmittelbar während der Rezeption des jeweiligen Wortes statt, da die lexikalische Aktivierung kontextunabhängig ist (wie die on-line-Priming-Experimente von Swinney 1979, Marcel 1983 und Kintsch/Mross 1985 gezeigt haben). Es handelt sich vielmehr um einen postlexikalischen Prozeß, der auf der vom Lexikon abgerufenen und im AG repräsentierten Repräsentation operiert (und das noch während der Verarbeitung der restlichen Satzinformationen). Zu beachten bleibt, daß diese Kontexteffekte sehr oft erst die off-line-Repräsentationen spezifizieren. Bei der unmittelbaren Verarbeitung von Schaf in einem Satz wie Ein Schaf läuft über die Weide wird eine Bedeutungseinheit ins KZG projiziert, die eine Durchschnittsmenge semantischer Informationen repräsentiert, die einer prototypischen Instanz entspricht. Der Prozessor wartet schließlich nicht ab, bis kontextuelle Spezifizierungen vorhanden sind, sondern besetzt die KZG-Knoten zunächst mit Standardrepräsentationen. Diese Standardrepräsentationen werden dann durch vom AG gesteuerte und parallel ablaufende Operationen spezifiziert, wenn entsprechende Informationen hinzukommen. Selektion und Spezifizierung sind nicht gleichzusetzen. Der Selektionsprozeß begrenzt die Menge an semantischen Informationen, die vom LZG über das AG in das KZG

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gelangen. Spezifizierungsprozesse operieren erst auf den Repräsentationen im AG. Ihre Funktion ist es, die jeweils ausgewählten Standardkomponenten (Defaults) der Bedeutungsrepräsentationen mit spezifischen Komponenten (als Instanzen) zu füllen. Die in Abhängigkeit vom Kontext variierende aktuelle Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist als das Resultat eines komplexen, mehrere Operationen umfassenden Prozesses dargestellt worden. Die determininierenden Faktoren dieses Prozesses sind -

das im LZG des Rezipienten gespeicherte Wissen, die momentane Situation, in der sich der Rezipient befindet, der (zeitabhängige) kognitive Verarbeitungsaufwand, der sprachliche Kontext, in den das jeweilige Wort eingebettet ist.

Der Spezifizierungsprozeß, der eine spezifische aktuelle Bedeutung auf Kosten anderer möglicher Bedeutungen auswählt, wird von den drei zuletzt genannten Faktoren determiniert. Diese drei kontextuellen Faktoren können verschiedene Auswirkungen auf die Repräsentation der aktuellen Bedeutung im KZG haben: -

die Selektion einer Bedeutungslesart bei mehrdeutigen Wörtern, die Spezifizierung einer Bedeutung, die Hervorhebung bestimmter Bedeutungsmerkmale, die Verschiebung typischer Bedeutungsmerkmale bzw. Instanzen.

Diese postlexikalischen Kontexteffekte kann man sich anhand der folgenden Beispielsätze verdeutlichen: (43) (44) (45) (46)

Auf dieser Bank legt Valery sein Geld an. Der antike, mit Mustern verzierte Stuhl steht in der Ecke. Der majestätisch durch die Lüfte gleitende Adler erfreut ihn. Der über den Bauernhof gackernde Vogel erschreckte sie.

In (43) wird die Bedeutung "Bank als Geldinstitut" selegiert. In (44) wird die allgemeine und vage Bedeutung von Stuhl spezifiziert. Der kontextuelle Rahmen von (45) hebt die Merkmale (Fliegen - Flügel) hervor (wie experimentell von Denis 1982 und LeNy 1982 nachgewiesen wurde). Bei (46) werden nicht wie normalerweise (d.h. wie in den erläuterten Verifikationstests) die prototypischen Merkmale (oder Instanzen) von Vogel (also Spatz oder Fink) aktiviert, sondern es findet eine mentale Verschiebung der Durchschnittmenge zugunsten des Kontextes statt, die einen weniger typischen Vertreter (nämlich das Huhn) zum Kandidaten der aktuellen Bedeutung machen. Roth/Shoben (1983) haben das Vorkommen dieser Verschiebung experimentell zeigen können.

130 AG

LZG m

l ^phon Kon Sem syn

UKZG mu

Abb. 1

+ Selektion Spezifizierung

m

hon

Modell zur Bedeutungskonstitution

In Abbildung l sind die eben erläuterten Vorgänge bei der Bedeutungskonstitution noch einmal schematisch dargestellt. Die im KZG gespeicherte aktuelle Bedeutung m ist dabei an phon gekoppelt, da die Repräsentationen im KZG stets modalitätsspezifisch gebunden sind. ( ^, , ) zeigt an, daß - aufgrund der seiegierenden und spezifizierenden Operationen - nur eine spezifische Auswahl semantischer Informationen in der aktuellen Bedeutung repräsentiert wird. Die aktuelle Bedeutung einer lexikalischen Einheit kann je nach Verarbeitungstiefe und Kontext unterschiedlich realisiert sein. Aktuelle Bedeutungen sind weder bloße Projektionen der lexikalischen Bedeutungen (wie Jackendoff (1983) es annimmt) noch vom Kontext lediglich ausgewählte Konzepte (wie Bierwisch 1982 und 1983a) es vorschlägt). Die Relation zwischen aktueller und lexikalischer Bedeutung wird vielmehr von einer ganzen Reihe regelhafter Prozeßmechanismen sowie kognitiver Parameter determiniert. Aktuelle Bedeutungen lassen sich nur über kognitive Vorgänge von lexikalischen Bedeutungen herleiten. Die in empirischen und experimentellen Untersuchungen festgestellte Flexibilität und Variabilität der Bedeutungskonstitution wird durch die regelgeleiteten Operationen des Sprachverarbeitungsprozessors (der eingebunden in die menschlichen Gedächtnisfunktionen ist) systematisch begrenzt.

131 6.3.5 Aktuelle Bedeutungen als KZG-Knoten Eng verbunden mit dem Problem der Repräsentation der aktuellen Bedeutungen im KZG ist die Frage nach den repräsentationalen und prozessualen Eigenschaften der Aktivationsstufe des Bewußtseins. Das Bewußtsein ist im Rahmen des Gedächtnismodells als eine Funktion des KZGSpeichers beschrieben worden. Bewußte Repräsentation und Verarbeitung wird von kontrollierten Prozessen determiniert und stellt eine kognitive Ebene dar, die an die kapazitätsbeschränkte Speicherfunktion des kurzfristigen Gedächtnisses und an den modalitätsspezifischen Repräsentationsmodus gebunden ist. Daß im KZG nur eine begrenzte Anzahl von Einheiten simultan gehalten werden kann, wurde bereits beschrieben. Pöppel (1987) hat daher das Bewußtsein als die "Aktivität im 3-Sekunden-Fenster des Jetzt" definiert. Unmittelbare Aufmerksamkeit ist im Rahmen der zeitlichen Limitierung von 3 Sekunden möglich. Bewußtsein stellt damit einerseits eine zeitlich und kapazitär limitierte Aktivationsstufe dar. Andererseits ermöglicht gerade diese Aktivationsstufe die höchsten mentalen Leistungen, da sie repräsentational und prozedural kontrolliert und elaboriert werden kann. Im Bewußtseinszustand hat der menschliche Organismus Kontrolle über einen kleinen ausgewählten Teil der Flußaktivität seiner Kognition. Nur auf der Stufe der bewußten Aktiviertheit können systemimmanente Repräsentationen (im internen Modus) durch selbstgesteuerte Operationen intentional affiziert werden. Dadurch ist es beispielsweise möglich, daß wir kognitive Operationen auf einer Bedeutungseinheit (z.B. von Wasser) anwenden und diese systematisch (unter Rekurs auf unser gespeichertes Wissen) elaborieren (d.h. mehr und mehr mentale Merkmale ins KZG abrufen). Die semantische Verarbeitung im bewußt erfahrbaren Prozeßmodus ist zunächst holistischer An, da eine automatische Dekomposition zuviel der begrenzten Kapazität in Anspruch nehmen würde. Nach Bedarf (d.h. situationsspezifischer Anforderung) können die Bedeutungseinheiten aber in ihre Bestandteile zerlegt werden. Es werden Repräsentationsknoten im KZG gespeichert, die eine Durchschnittsmenge von Merkmalen schnell aktivierbar haben, während alle weiteren Merkmale mittels kognitiver Suchprozeduren (die zusätzliche Zeit benötigen) abgerufen werden müssen. So erklärt sich z.B. das Phänomen, daß wir eigentlich wissen, was ein bestimmtes Wort bedeutet, trotzdem eine Weile brauchen, um genau angeben zu können, durch welche Merkmale es sich semantisch paraphrasieren läßt. Präferierte Kandidaten für die Durchschnittsmenge sind die typischen und oft frequentierten Bedeutungskomponenten. Die Durchschnittsmenge wird in ihrer jeweiligen Zusammensetzung aber auch von kontextuellen Faktoren determiniert. Eine allgemein anerkannte, für die Kognitionsforschung valide (d.h. empirisch operationalisierbare) Bewußtseinsdefinition existiert nicht (s. hierzu Pöppel 1987, Beaumont 1987, Benesch 1988). Erst in jüngster Zeit ist der in Philosophie und Psychologie

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lange intuitiv-introspektiv gehandhabte Bewußtseinsbegriff in seiner Relevanz für die empirische und theoretische Kognitions- und Neurowissenschaft erkannt worden. Insbesondere Befunde aus der klinischen Pathologie bestärken die Vermutung, daß das kognitive Vermögen des Menschen unterschiedliche Stufen der repräsentationalen und prozessualen Aktiviertheit aufweist (Stillings et al. 1988, Blumstein 1988). Die Aktivierung eines Stimulus kann ohne Zuschaltung des Bewußtseins stattfinden. Patienten mit Prosopagnosie können bekannte von unbekannten Gesichtern nicht bewußt unterscheiden. Bei der Messung ihrer Hautreflexe aber zeigen sich signifikant andere Potentiale bei bekannten Gesichtern, im Gehirn hat ein Wiedererkennen stattgefunden, aber das Resultat dieses Aktivierungsvorgangs wird nicht auf die Stufe der bewußt erfahrbaren Repräsentation projiziert. Blindsight-Patienten sind aufgrund von Durchblutungsstörungen für bestimmte Teile des Gesichtsfeldes blind. In Experimenten, in denen Lichtreize im blinden Bereich des Gesichtsfeldes gezeigt werden, schauen die Patienten dorthin, wo der Lichtpunkt ist, obgleich sie nicht wissen, wohin sie schauen sollen und leugnen, daß sie etwas sehen. Auch hier wird der Input zwar vom Gehirn verarbeitet, erreicht aber nicht die ins Bewußtsein projizierbare Aktivationsstufe. Diese Störungen ähneln den bereits in Kapitel 5 erläuterten semantischen Zugangsstörungen (z.B. bei Dyslexic). Daß auch beim normalen Menschen semantische Prozesse ablaufen und Repräsentationen erstellt werden, die nicht bewußt erlebt werden, wurde anhand der Experimente von MacKay (1973) und Marcel (1983) erörtert. Aktiviertheit ist in medizinischer Sicht ein Zustand des menschlichen Organismus, der in seinem Ausprägungsgrad variiert zwischen "sehr gering" im Koma- oder Schlafzustand bis "sehr hoch" bei Situationen mit starker kognitiver und selbstreflektierender Leistung. Bewußtsein ist an eine hohe Ebene der Aktiviertheit geknüpft. Ich habe in diesem Sinne eine Ebenentheorie der prozeduralen Kognition vorgeschlagen, die besagt, daß jeder komplexe kognitive Informationsverarbeitungsprozeß zu unterteilen ist in verschiedene Aktivationsstufen. Diese Aktivationsstufen gehen normalerweise fließend ineinander über und stellen daher ein Kontinuum von kognitiven Repräsentationsebenen dar, auf denen teils parallele und autonome, teils serielle und kontrollierbare Prozesse ablaufen. Bei neuronal bedingten Störungen sind eine oder mehrere Prozeßebenen blockiert und/oder unzugänglich für die Analyseergebnisse der anderen Ebenen. Die neuronalen Korrelate des Bewußtseins lassen sich nicht exakt angeben. Auf der neurophysiologischen Ebene spielt offensichtlich die Formatio reticularis (ein Areal des Hirnstamms) eine bedeutende Rolle bei der Bewußtseinsbildung. Die genaue Verschaltung mentaler Bewußtseinsvorgänge mit der Formatio reticularis und dem Cortex ist aber noch weitgehend unerforscht. Ich gehe davon aus, daß sich Bewußtsein nicht in einem Areal des Gehirns lokalisieren läßt, sondern vielmehr über die neuronalen Netze verteilt ist. Damit ist Bewußtsein im jeweils aktiven Teil eines neuronalen Netzes zu suchen und stellt eine funktionale Eigenschaft neuronaler Aktivität dar. Eine solche Auffassung wird auch von Oeser und Seitelberger (1988) vertreten.

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Wie ich bereits in Kapitel 4 und 5 erläutert habe, sind unserem Bewußtsein modalitätsunspezifische Repräsentationen verschlossen. Völlig amodale Erfahrungen gibt es für den menschlichen Kognitionsapparat nicht (wenn er sich im Zustand des Bewußtseins befindet). Daher können wir die konzeptuelle Ebene nur indirekt über ihre Ausdrucksformen erfahren. Das sprachliche Bewußtsein ist an die morpho-phonologische (und bei komplexeren Strukturen an die syntaktische) Repräsentation geknüpft (s. hierzu auch Jackendoff 1987). Bewußtseinsinhalte im KZG (wozu auch die aktuellen Bedeutungen gehören) sind das Produkt komplexer Verarbeitungsvorgänge und stehen auf einer mentalen Aktivierungsstufe, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als die unbewußten Aktivierungsstufen im AG und im LZG. Bewußte Repräsentationen sind nur sequentiell erfahrbar, während unbewußte Repräsentationen parallel und simultan auf mehreren Ebenen verschiedener Art verarbeitet werden können. In diesem Sinne hat auch Johnson-Laird (1983 und 1987) darauf hingewiesen, daß Bewußtsein nicht nur prozedural, sondern auch repräsentational anders als unbewußte Kognition beschaffen ist. Die Beziehung zwischen lexikalischer LZG-Bedeutung und aktueller KZG-Bedeutung wird von diesem Unterschied entscheidend geprägt, daher muß die zukünftige Forschung sich auf diesen Bereich konzentrieren. Ich habe den Vorgang der Bedeutungskonstitution als einen Prozeß beschrieben, der eine Reihe von unterschiedlichen Operationen umfaßt: die lexikalische Aktivierung, die kognitionsinhärente Kontextualisierung, die kapazitätsbedingte (und kontextuell induzierte) Selektion, die kontextuelle Spezifizierung und die Projektion auf die Aktivationsstufe des Bewußtseins. Während die ersten beiden Operationen lexikalischer Natur sind, stellen Selektion und Spezifizierung postlexikalische Operationen dar. Semantische Störungen bei Aphasikern können auf den lexikalischen und/oder post-lexikalischen Prozeßebenen entstehen. Die grundlegende Operation der Projektion schließlich transferiert die Bedeutungseinheit auf die bewußt erfahrbare Aktivationsstufe des KZG. Es wurde erläutert, inwiefern die Bedeutungskonstitution und die aktuelle Bedeutung (als deren jeweiliges Resultat) von dem kognitiven Zustand des Bewußtseins im KZG determiniert wird. Eine theoretische und empirische Rekonstruktion des kognitiven Zustandes "Bewußtsein" steht aber noch weitgehend aus. Ich konnte nur einige mutmaßliche Charakteristika dieser wichtigen Aktivations- und Repräsentationsstufe unserer Kognition postulieren: Kontrollierbarkeit, repräsentationale Modalitätsspezifizität und Kapazitätsbeschränkung.

7. Schluß und Ausblick Ich habe in dieser Arbeit zunächst die Grundzüge einer Kognitiven Semantiktheorie erörtert. Dabei ist die Berücksichtigung externer Daten als eine methodische Notwendigkeit für die Weiterentwicklung semantischer Theorien und Modelle dargestellt worden. In diesem Sinne ist die vorliegende Arbeit auch ein großangelegtes Plädoyer für mehr Interdisziplinarität in der Linguistik. Die grundlegenden Adäquatheitsbedingungen für eine kognitive Semantiktheorie sind die Postulate der ontogenetischen, der neuronalen, der repräsentationalen und der prozeduralen Adäquatheit. Das Erkenntnisinteresse richtet sich dabei auf die Representations-, Referentialitäts- und Prozeßproblematik von Bedeutungen. Die semantische Komponente ist als ein funktionales Kenntnissystem, das im LZG des Menschen gespeichert ist und durch ein strukturelles Repräsentationssystem und ein prozedurales System konstituiert wird, expliziert worden. Die Referentialität des semantischen Systems liegt in der Möglichkeit des menschlichen Kognitionssystems verankert, mentale Eeinheiten als im externen Modus wahrnehmbare Perzepte und im internen Modus als mental erfahrbare (d.h. an modalitätsspezifische Formen gekoppelte) Konzepte zu repräsentieren und auf die Aktivationsstufe des Bewußtseins zu projizieren. Die neuronalen Programme des menschlichen Gehirns ermöglichen die Herausbildung der beiden fundamentalen Referenzbereiche Wp und Wm. Als grundlegende Bedingung für die Konstitution und die Aktivation von Referenzbereichen habe ich das kognitive Projektionsprinzip postuliert. Dieses Prinzip ermöglicht die Erfahrbarkeit von Repräsentationen auf der Aktivationsebene des Bewußtseins. Bei dem Versuch, die Onto- und Neurogenese der semantischen Komponente in ihren Grundzügen theoretisch zu rekonstruieren, hat sich gezeigt, daß semantische Strukturen in untrennbarer Interaktion mit dem konzeptuellen System der Kognition entstehen. Dieses Kenntnissystem ist das Resultat eines ontogenetischen Prozesses, der angeborene, aber parametrisierte Programme in stabile Kognitionszustände mit fixierten konzeptuellen Werten verwandelt. Konzeptuelle Strukturen werden durch die Prinzipien der im Genotyp des Menschen verankerten mentalen Ontologie entscheidend determiniert. Dieses modalitätsunspezifische und universale Kenntnissystem fungiert als Vermittler und Integrator für alle modalitätsspezifischen Informationen. Das semantische System einer Sprache entsteht aus der Kopplung von sprachspezifischen (aber von UG-Prinzipien determinierten) Repräsentationen und universalen Konzepten. Auf der neuronalen Ebene läßt sich das konzeptuelle System keinem bestimmten Gehirnareal zuordnen; vielmehr ist offensichtlich die Aktivität der inter- und supramodalen Rindenfelder des Cortex verantwortlich für die Synthetisierung und Vereinheitlichung modaler Erfahrungen. Ein Blick auf die neuronale Basis der Kognition hat ge-

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zeigt, daß die Idee einer strikten Modularität relativiert werden muß. Es gibt keine Evidenzen für die in der Linguistik postulierten "großen Module". Die spezialisierten Kolumnen und Säulen des Cortex stellen vielmehr sehr viel kleinere Module dar. Die strukturelle und funktionale Homogenität des Cortex und die vielfältigen intermodalen Konnektivitätsmuster lassen die Annahme einer strikten Modularität und Autonomie als unwahrscheinlich erscheinen. Andererseits liefern die bereichsspezifischen Dissoziationen, die in der Pathologie zu beobachten sind, Evidenz für eine mentale Modularität auf prozeduraler Ebene. Ich habe darauf hingewiesen, daß neuronale und mentale Ebene nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden können. Mentale Funktionen sind emergente Eigenschaften, die sich nicht völlig auf ihre neuronalen Träger reduzieren lassen. Ein neuronaler Holismus schließt daher nicht zwingend einen mentalen Modularismus aus. Die neuronale Basis der Kognition kann aus distribuierten und miteinander verknüpften Schaltkreisen bestehen, und trotzdem können auf der mentalen Ebene, die sich aufgrund komplexer Musteraktivitäten ergibt, modulare Gesetzmäßigkeiten operieren. Funktionale Spezialisierungen sind damit Realisierungen interagierender Neuronenverbände. Um das Verhältnis zwischen neuronalen Strukturen, Aktivationsmustern und mentalen Funktionen adäquat beschreiben zu können, bedarf es allerdings noch umfassender Forschung auf dem Gebiet der Kognitiven Neurowissenschaft. Zwar hat die Gehirnforschung in den letzten Jahren unglaubliche Erkenntnisfortschritte erzielt, doch darf dies nicht darüber hinweg täuschen, daß wir bei der Erforschung der Funktionalität des Gehirns noch am Anfang stehen. Hinsichtlich der Frage, wie Bedeutungen im LZG repräsentiert werden, ergibt sich das folgende Bild: Bedeutungen sind als Prototypen aufzufassen, die durch mentale Standardwerte informationeil begrenzt werden. Die einzelnen Bestandteile der semantischen Einheiten weisen (abhängig vom Grad ihrer Typikalität) unterschiedliche Aktivationshöhen auf. Das semantische Kenntnissystem im LZG ist als komplexes Netzwerk zu modellieren, in dem die einzelnen Bedeutungen durch bestimmte Relationen miteinander verbunden sind und sowohl Input- als auch Output-Funktionen haben. Dieses Netzwerk weist eine modulare Organisationsstruktur auf (die sich in den spezifischen Dissoziationen zeigt). Die Bedeutungen von Konkreta und Abstrakta unterscheiden sich hinsichtlich ihrer perzeptuellen Referentialisierbarkeit, ihrer Konnektivität und ihrer Prädikabilität. Die Bedeutungen von Konkreta sind an andere Repräsentationsmodi anknüpfbar und sind untereinander stringenter durch semantische Relationen verbunden. Abstrakta haben zudem keine Referenten in Wp (wohl aber in einer von Wm abgeleiteten Domäne). Für eine strikte Trennung von genuin semantischem und allgemein enzyklopädischem Wissen liegen keine adäquaten Kriterien vor. Die Befunde der Gehirn- und Gedächtnisforschung legen vielmehr die Annahme nahe, daß beide Wissenskomponenten in einer engen Relation zueinander stehen und im selben Speichersystem repräsentiert werden.

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Daß intermodales Priming möglich ist, wird als Indiz dafür gesehen, daß semantische Einheiten über unterschiedliche Prozeßwege aktiviert werden können und somit nicht informationeil eingekapselt sind. Diese Annahme wird auch durch die modalitätsspezifischen Deblockierungen von Benenunngsstörungen bei Aphasikern unterstützt. Ich habe im Rahmen eines multimodalen Repräsentationsansatzes die These vertreten, daß die semantischen Einträge des mentalen Lexikons über prozedurale Routen sowohl mit den konzeptuellen Wissenseinheiten als auch mit den Einheiten modalitätsspezifischer Kenntnissysteme verbunden sind. Deshalb ist das semantische Kenntnissystem als ein Semi-Modul zu verstehen. Das semantische Lexikon ist kein autonomes und informationell eingekapseltes Modul, das nur über sprachliche Verarbeitungsprozesse zugänglich ist. Vielmehr kann es über mehrere modalitätsspezifische Prozeßwege aktiviert werden. Das semantische System ist Schnittstelle zwischen sprachlichem und konzeptuellem System. Die Einheiten der Sprache beziehen ihre Inhalte ausschnittartig aus den konzeptuellen Repräsentationen. Konzeptuelle Primitiva werden dabei durch sprachspezifische Kategorisierungsraster und phonologische Repräsentationen modalitätsspezifisch gebunden. Das Verhältnis zwischen konzeptuellen Einheiten, lexikalischen Bedeutungen und aktuellen Bedeutungen ist im gedächtnisfunktionalen Modell einer Drei-Stufen-Semantik expliziert worden. Demnach gibt es drei Repräsentationsebenen: Die amodale konzeptuelle Ebene stellt die Basisebene dar und enthält die mentalen Inhalte für die Semantik einer Sprache. Lexikalische Bedeutungen stellen die zweite Stufe dar: Konzeptinhalte, die an phonologische Formen und syntaktische Raster gekoppelt sind. Die dritte Ebene ist die Ebene der aktuellen Bedeutungen. Während die Einheiten der konzeptuellen und der semantischen Repräsentationsebene im LZG gespeichert sind, sind die Einheiten dieser Ebene das Resultat eines komplexen Informationsverarbeitungsprozesses und werden im KZG repräsentiert. Ein wichtiges Anliegen der Arbeit war es auch, zu zeigen, daß die prozedurale Kompetenz ein wichtiger, nicht zu vernachlässigender Bereich der Semantikforschung ist. Mit der Annahme lexikalischer Bedeutungen ergibt sich das Problem, das Verhältnis zwischen lexikalischer und aktueller Bedeutung zu spezifizieren. Aktuelle Bedeutungen sind im KZG repräsentierte Einheiten. Das Verhältnis zwischen lexikalischer und aktueller Bedeutung läßt sich weder durch bloße Projektion noch durch kontextuelle Auswahl psychologisch adäquat erklären, sondern über die prozeduralen Invarianten und kognitiven Parameter bei der Sprachverarbeitung. Ich habe die Bedeutungskonstitution als einen komplexen Vorgang beschrieben, bei dem lexikalische Bedeutungen über eine Reihe von Aktivationsstufen unterschiedlicher Repräsentations- und Prozeßeigenschaften als aktuelle Bedeutungen realisiert werden. Die grundlegende Operation der Projektion schließlich transferiert die aktuelle Bedeutungseinheit auf die bewußt erfahrbare Aktivationsstufe des KZG.

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Die mentalen Größen, die an dem Bedeutungskonstitutionsvorgang beteiligt sind, müssen in ihrem Zusammenwirken und ihrer wechselseitigen Beeinflussung aber noch intensiver erforscht werden.

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