Kirchwerdung im Zeichen der deutschen Teilung: Die Verfassungsreformen von EKD und BEK als Anfrage an ihre »besondere Gemeinschaft« 9783666557378, 352555737X, 9783525557372

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Kirchwerdung im Zeichen der deutschen Teilung: Die Verfassungsreformen von EKD und BEK als Anfrage an ihre »besondere Gemeinschaft«
 9783666557378, 352555737X, 9783525557372

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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Carsten Nicolaisen und Harald Schultze

Reihe B: Darstellungen Band 37

Vandenhoeck & Ruprecht

Peter Beier

„Kirchwerdung“ im Zeichen der deutschen Teilung Die Verfassungsreformen von EKD und BEK als Anfrage an ihre „besondere Gemeinschaft“

Vandenhoeck & Ruprecht

Redaktionelle Betreuung dieses Bandes: Carsten Nicolaisen

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-55737-X

© 2004 Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen / Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Satzspiegel, Nörten-Hardenberg Druck und Bindung: Hubert & Co. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Inhalt

Inhalt

1. Thema

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Vorklärungen

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2.1. Die „bestehende Gemeinschaft“ nach der Grundordnung der EKD von 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

2.2. Die „besondere Gemeinschaft“ nach der Ordnung des BEK von 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Bemühungen um ein neues Verständnis der Evangelischen Kirche in Deutschland nach dem Ende ihrer gesamtdeutschen Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.1. Erste Überlegungen zur Reform der EKD-Grundordnung

21

3.1.1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Die Regionalsynode der EKD 1970 in Stuttgart . . . . . . 3.1.3. Grundsätzliche Differenzen im Struktur- und Verfassungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4. Die mehrheitliche Bestätigung des Reformvorhabens durch die EKD-Synode 1971 in Berlin-Spandau . . . . . . . . . .

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21 23

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39

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3.2. Die EKD zwischen „Föderation“ und „Kirche im vollen Sinne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.2.1. Auf der Suche nach dem ekklesialen „Mehr“ . . . . . . . 3.2.2. Diskussion des „Rohentwurfs“ (EGO I) auf der EKD-Synode 1971 in Frankfurt am Main . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3. Stellungnahmen pro und contra EGO I . . . . . . . . . 3.2.4. Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner (EGO II) 3.2.5. Wachsende Resignation und „Tristesse“ auf der EKD-Synode 1972 in Spandau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6. EGO III und die Synode der EKD 1973 in Bremen . . . .

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73 83 95

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104 116

6

Inhalt

3.3. Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Aufnahme und Abschluss der Reformarbeiten durch die 5. Synode 3.3.2. Vergebliche Bemühungen um einen erfolgreichen Abschluss des Zustimmungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3. Die Korrektur der bestehenden Grundordnung in den 1980erJahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127 127 132 137

4. Die Initiative zur Bildung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4.1. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151

4.1.1. Zum Selbstverständnis des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Die Positionen von EKU und VELK in der DDR . . . . . . 4.1.3. Der Bund zwischen Konkordie und Kirche . . . . . . . . 4.1.4. Grundsätzliche Vorbehalte im Staats- und Parteiapparat der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 153 160 173

4.2. Sachklärungen im Vorfeld der Delegiertenkonferenz . . .

176

4.3. Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188

4.3.1. Vorgeschichte und Planung . . . . . . . . . . . . . 4.3.2. „Politisch-operative“ Vorbereitung und Begleitung . . . . 4.3.3. Ablauf und „Atmosphäre“ . . . . . . . . . . . . . 4.3.4. Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.1. Zum Selbstverständnis eines neuen Zusammenschlusses (Arbeitsgruppe I) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.2. Zum föderativen Charakter des neuen Zusammenschlusses (Arbeitsgruppe II) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.3. „Aufgaben gesamtkirchlicher Arbeit“ (Arbeitsgruppe III) 4.3.4.4. „Strukturen gesamtkirchlicher Arbeit“ (Arbeitsgruppe IV) 4.3.4.5. „Besondere Gemeinschaft“ . . . . . . . . . . . . 4.3.5. Die „Empfehlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.6. Die Berichterstattung in der Presse . . . . . . . . . .

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188 205 205 210

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215

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222 229 233 240 247 252

. . . . . .

7

Inhalt

5. Der Verständigungsprozess im Anschluss an die „Eisenacher Empfehlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258

5.1. Standortsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258

5.1.1. Geteiltes Echo in den Landeskirchen . . . . . . . . . . . 5.1.2. Das Ausbleiben der angestrebten „Aneignungsbeschlüsse“ durch die gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse . . . . . . . . . 5.1.3. Akzentsetzungen in der VELK . . . . . . . . . . . . . 5.1.4. Ausgangspunkt oder Richtung – die Diskussion der „Empfehlungen“ auf der Bundessynode 1979 in Dessau . . . . . . . . 5.1.5. Grundlagenforschung in der EKU . . . . . . . . . . . .

258

277 284

5.2. Übereinstimmung in der Tendenz

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300

5.2.1. Die Neubildung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe . . . 5.2.2. Die Auseinandersetzung um die Beteiligung westdeutscher Gäste 5.2.3. Die GVG und die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4. Konzentration auf die „Beratergruppe“ – Zur Arbeit der Untergruppe IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5. Der Zwischenbericht der GVG . . . . . . . . . . . . . 5.2.6. Das Scheitern des Modells einer „vergrößerten EKU“ auf der EKU-Synode 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

300 305

5.3. Ambivalente Meinungsbildung innerhalb des Staats- und Parteiapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

268 273

312 323 340 345 351

5.3.1. Hüttners Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2. Vorsichtige Überlegungen zur kirchenpolitischen Profilierung einer VEK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3. Die Ablehnung der VEK-Pläne durch Paul Verner und Klaus Gysi

358 364

6. Vorbereitung und Scheitern einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

370

6.1. Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

351

. .

370

6.1.1. Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2. Die „Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft“ . . . . . 6.1.3. Das „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ . . . . . . . . . . . 6.1.4. Die Arbeit an den „Grundartikeln“ . . . . . . . . . . . . 6.1.5. Der Beschluss der GVG zur „besonderen Gemeinschaft“ . . .

370 377 392 404 412

8

Inhalt

6.2. „. . . in der Mark versandet“?

. . . . . . . . . . . . .

423

6.2.1. Stellungnahmen zur Gemeinsamen Entschließung und zum Änderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2. Vergebliche Schadensbegrenzung . . . . . . . . . . . . . 6.2.3. Von den „Grundartikeln“ zur „Gemeinsamen Erklärung“ . . .

423 429 439

6.3. Die Bewertung des VEK-Prozesses innerhalb des Staatsund Parteiapparates . . . . . . . . . . . . . . . . .

447

6.3.1. Konzentration und Konkretion der kirchenpolitischen Arbeit . . 6.3.2. Neubewertung und Desinteresse nach dem Scheitern des VEKVorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7. Ergebnis (Thesen) Dokumente

447 454

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Nr. 1: Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und zur Rechtslage innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland. 15. Mai 1970 . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 2: Entschließung der Synode der EKD zum künftigen Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland. 15. Mai 1970 . . . . . Nr. 3: Zweiter Zwischenbericht des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Erläuterungen zum Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (EGO I). Auszug. November 1971 Nr. 4: Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (EGO II). Vorlage des Entwurfs-Ausschusses für den Struktur- und Verfassungsausschuss. Auszug. November 1972 Nr. 5: Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (EGO III). Bericht des Struktur- und Verfassungsausschusses. Auszug. Dezember 1972 . . . . . . . . . . . Nr. 6: Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland. Auszug. 7. November 1974 . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 7: Beschluss der 4. Tagung der 2. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zum Thema „Kirchengemeinschaft – Einheit und Vielfalt“. 28. September 1976 . . . . . . . . Nr. 8: Evangelische Kirche der Union/Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche/Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR/ Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Empfehlungen der Delegiertenversammlung. 28. Januar 1979 . . . . . . . . .

465 466

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474

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486

488

Inhalt Nr. 9: O. Lingner: Skizze für ein Modell der verbindlichen Bruderschaft. 20. Dezember 1979 . . . . . . . . . . . . . . Nr. 10: Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zwischenbericht. 13. März 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 11: Entwurf für eine Regelung für die Bildung und Arbeitsweise einer Gemeinsamen Beratungsgruppe. 30. Mai 1980 . . . . Nr. 12: Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die Formulierung der Grundartikel. 23. September 1980 . . . . . . Nr. 13: H. Waitz: Entwurf für eine Beschlussvorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe. 8. Januar 1981 . . Nr. 14: Beschlussvorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe. 30. Januar 1981 . . . . . . . . . . . . Nr. 15: Vorlage der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe. 5. Februar 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 16: Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft. 10. September 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 17: Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. 21. September 1981 . . Nr. 18: Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche in BerlinBrandenburg zur intensiveren Gemeinschaft. 12. April 1983 . Nr. 19: Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen/Rat der EKU – Bereich DDR/Kirchenleitung der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche in der DDR: Positionspapier. 2. September 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 20: Stellungnahme der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen zum weiteren gemeinsamen Weg der Evangelischen Kirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR. 12. Mai 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

494 496 502 503 505 507 508 510 515 519

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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

527

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister

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Thema Thema

1. Thema

Auf der Kirchenversammlung 1948 in Eisenach hatte der württembergische Landesbischof Theophil Wurm die EKD angesichts ihrer nach vielen Mühen und Kompromissen verabschiedeten Grundordnung mit einer „Baracke“ verglichen, „wie wir sie neben den zerstörten Domen in unseren Großstädten auch finden“,1 und damit bereits damals die Vorläufigkeit ihrer gerade eben erst verabschiedeten Verfassung angedeutet. Insbesondere die Diskrepanz zwischen dem Verständnis der EKD als „bekennender Kirche“ (Art. 1 [2] GO) und ihrem Erscheinungsbild als Bund von Kirchen (Art. 1 [1] GO), in dem ausdrücklich keine Abendmahlsgemeinschaft bestand (Art. 4 [4] GO), sowie die Spannung zwischen einer in der EKD sich herausbildenden Gemeinschaft und ihrer alten Ordnung ließen bald den Wunsch nach einer Struktur- und Verfassungsreform laut werden, die dieser inzwischen gewachsenen und weiter wachsenden Gemeinschaft sowie den gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben Rechnung trage. Infolge der von Anfang an vorhandenen Trennung in Ost und West und der damit verbundenen unterschiedlichen gesellschaftlichen Situation vollzog sich dieses Streben nach wachsender Gemeinschaft in zwei unterschiedlichen Horizonten mit ihren zwischen Ost und West differierenden Herausforderungen und Aufgaben für Zeugnis und Dienst der Kirchen. In dem Maße, wie sich diese Herausforderungen in Ost und West immer weiter voneinander entfernten, entstanden unter dem weiterhin existierenden gemeinsamen Dach der einen EKD zunehmend zwei unterschiedliche Gemeinschaftserfahrungen und Gemeinschaftsbestrebungen, die innerhalb einer gesamtdeutschen EKD nicht mehr umzusetzen waren und deshalb vorerst unverwirklicht blieben. Dieser durch die weiter bestehende organisatorische und rechtliche Einheit der östlichen und westlichen EKD-Kirchen hervorgerufene „Reformstau“ betraf nicht nur die als notwendig angesehene gemeinschaftliche Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben in den einzelnen Arbeitsbereichen, sondern auch eine grundsätzliche Verständigung dieser in Zeugnis und Dienst zusammengeführten Kirchen unterschiedlichen Bekenntnisses über die gemeinsamen theologischen Grundlagen. Der gesamtdeutsche Rahmen der EKD als äußerer Hinderungsgrund für eine umfassende Reform entfiel 1969 mit der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und der damit verbundenen or1 A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 376; vgl. KJ 72–75 (1945–1948), S. 95.

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Thema

ganisatorischen und rechtlichen Trennung zwischen den östlichen und westlichen Landeskirchen. Auch wenn diese Trennung keineswegs nur als Chance, sondern vielfach vor allem als ein schmerzlicher Eingriff empfunden wurde, eröffnete sie die Möglichkeit, die Gemeinschaft der östlichen Kirchen untereinander und die Gemeinschaft der westlichen Kirchen untereinander – ohne die bis dahin notwendigen Rücksichtnahmen aufeinander – in struktureller sowie theologischer Hinsicht weiter zu intensivieren.2 Diese Chance wurde in Ost und West gleichermaßen unmittelbar genutzt: Der neu gegründete Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR stellte sich als „Zusammenschluß von bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen“ in seiner Ordnung die Aufgabe, „in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus zusammenzuwachsen“ (Art. 1 [2] BO). Auf westlicher Seite wiederum begrüßte die Regionalsynode der EKD 1970 in Stuttgart ausdrücklich das in ihrem Bereich erkennbare Bestreben, die „bestehende Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes unserer bekenntnisbestimmten Kirchen“ zu vertiefen und zu stärken, und beschloss ihrerseits, dieser vertieften und gestärkten Gemeinschaft in einer neuen Grundordnung Ausdruck zu verleihen. Dabei war es das Ziel sowohl der ostdeutschen als auch der westdeutschen Kirchen, auf diesem Wege ein Verständnis ihres jeweiligen Zusammenschlusses nicht nur als eines „Bundes von Kirchen“, sondern als einer „Kirche im vollen Sinne“ zu erreichen.3 Diesem Streben der ostdeutschen und westdeutschen Kirchen nach mehr regionaler Binnengemeinschaft stand von Anfang an die erklärte Absicht gegenüber, trotz der erfolgten organisatorischen Trennung an der grenzübergreifenden und nunmehr vor allem geistlich zu verstehenden Gemeinschaft zwischen Ost und West festzuhalten. Entsprechend bekannte sich der Bund der Evangelischen Kirchen in Artikel 4 (4) seiner Ordnung ausdrücklich zu der „besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen 2 Der Leiter der (West-)Berliner Stelle der Kirchenkanzlei der EKD, Olav Lingner, sprach deshalb gern davon, dass „die EKD-Reform . . . eigentlich in der DDR“ begann (O. Lingner: Die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft, 24.11.1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 313], S. 1; Ders., Einführung in die vorgelegten Dokumente, in: DERS./R. HENKYS, Struktur- und Verfassungsreform, S. 9–25, 9). 3 Allerdings war die Ausgangslage innerhalb der EKD wegen der größeren konfessionellen Bandbreite komplizierter: Im Osten existierten acht Landeskirchen überwiegend lutherischer Prägung, von denen drei der VELK DDR und fünf der EKU angehörten. Im Westen existierten 1970 zwanzig Landeskirchen mit zum Teil auch reformierter Tradition, von denen acht der VELKD und drei der EKU (einschl. der Westregion der EKiBB) angehörten. Von den verbleibenden neun Kirchen hatten sich sieben zusammen mit den drei EKU-Kirchen zur Arnoldshainer Konferenz zusammengeschlossen (wobei Oldenburg als Gast auch der VELKD angehörte). Zwei Kirchen – Württemberg und Lippe – gehörten keinem Zusammenschluss an, hatten dort jedoch Gaststatus inne (Württemberg in der VELKD und in der Arnoldshainer Konferenz, Lippe nur in der Arnoldshainer Konferenz).

Thema

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Christenheit in Deutschland“ und damit zur bleibenden, wenn auch nicht mehr institutionalisierten Gemeinschaft mit den westdeutschen Kirchen. Dieses Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ griff wiederum die Regionalsynode West der EKD auf ihrer Tagung 1970 in Stuttgart auf und verlieh ihm, indem sie es in ihre „Erklärung zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und zur Rechtslage innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland“ übernahm, kirchengesetzlichen Rang.4 So weit die Beschreibung der Lage, als die Evangelische Kirche in Deutschland und der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR je für sich daran gingen, die Baracke, von der Bischof Wurm einst gesprochen hatte, nunmehr durch zwei wohnliche Gemeinschaftshäuser zu ersetzen. Im Rückblick werfen diese vergleichbaren Bauvorhaben in Ost und West mehrere Fragen auf. Insbesondere ist zu fragen, ob von den jeweiligen Kirchenarchitekten bereits im Bauplan berücksichtigt wurde, dass eine wichtige Funktion der neuen Gebäude in der Pflege gutnachbarschaftlicher Beziehungen bestehen sollte. Ebenso ist der Verlauf der Bauvorhaben selbst, insbesondere die dabei hüben wie drüben zu bewältigenden Probleme und versuchten Lösungen von Interesse. Ohne Bild gesprochen: Es ist einerseits zu fragen, welcher Stellenwert dem Festhalten an der „besonderen Gemeinschaft“ bei der angestrebten ekklesiologischen und organisatorischen Neuprofilierung von EKD und BEK jeweils beigemessen wurde, wobei nicht nur die organisatorische Regelung der Ost-West-Beziehungen im Blick ist, sondern auch die Einbeziehung der „besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ in die Neuformulierung der Grundlagen der sich zunehmend als Kirchen verstehenden Zusammenschlüsse. Andererseits fordert die Parallelität beider Kirchwerdungsbemühungen, die nicht nur einen gemeinsamen Ausgangspunkt 1969/70 besaßen und ein vergleichbares Ziel verfolgten, sondern auch mit diesem Ziel in Ost und West gleichermaßen scheiterten, um schließlich im Zuge der kirchlichen Wiedervereinigung in einer gemeinsam verantworteten Änderung des Artikels 1 der Grundordnung der EKD einzumünden,5 zu einem Problemvergleich und einem Vergleich der eingeschlagenen Lösungswege heraus. Beide Problemkreise sind Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, die zum einen die Frage nach dem Verhältnis von „Kirchwerdung“ und „besonderer Gemeinschaft“ stellt, dabei aber zum anderen den Begriff der „besonderen Gemeinschaft“ so weit fasst, dass er nicht nur die direkten 4 Abl. EKD 24 (1970), S. 277. – Die Stuttgarter Erklärung war kein Kirchengesetz, wurde jedoch wegen ihres „konstitutiven Inhalts“ „formell als Gesetz“ behandelt (siehe unten S. 32, Anm. 59). 5 Siehe unten S. 149 f., Anm. 661.

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Thema

Kontakte zwischen Ost und West im Zusammenhang der Kirchwerdungsprozesse sowie die dabei vorgenommenen Interpretationen und Reflexionen zur „besonderen Gemeinschaft“, sondern auch eine eventuelle deutschdeutsche Problemgemeinschaft in ekklesiologischen Grundsatzfragen einschließt.6 Unter dieser Perspektive werden jene Vorgänge dargestellt, bei denen sowohl eine ekklesiologische Neubeschreibung von EKD und BEK versucht als auch eine Neuformulierung ihres Bekenntnisses zu einer „besonderen Gemeinschaft“ vorgenommen wurde: die Erarbeitung einer neuen Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (1970–1974 [1983/1984]) auf der einen und die Vorbereitung und Planung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ (1979–1984) auf der anderen Seite. Beide Themenkomplexe werden allerdings mit unterschiedlicher Ausführlichkeit behandelt. Während die Darstellung der Grundordnungsdebatte sich vor allem auf die Grundlagendiskussion konzentriert, werden Vorbereitung und Planung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ in ihren Einzelheiten ausführlicher und unter Auswertung der zur Zeit erreichbaren Quellen dargestellt. Dieses unterschiedliche Vorgehen hat mehrere Gründe: Zum einen ist der Gang der Erarbeitung der neuen EKD-Grundordnung von 1974 – im Gegensatz zu den Bemühungen um eine „VEK“ – bereits eingehend dargestellt7 und durch gedruckte Quellen relativ gut dokumentiert.8 Zum anderen zeigt sich, dass bei der Erarbeitung der EKD-Grundordnung die Frage der „besonderen Gemeinschaft“ weit weniger mit der Gesamtdiskussion verknüpft war, als das bei den Überlegungen zur „VEK“ in der DDR der Fall war. Die Studie ist Teil und Ergebnis des Forschungsprojektes der EKD zur „Rolle der evangelischen Kirche im geteilten Deutschland“ und wurde für die Drucklegung deutlich gekürzt.9 Sie wäre ohne die Unterstützung der zuständigen Archive sowie einzelner in dieser Form nicht möglich gewesen. Dank zu sagen ist insbesondere dem Evangelischen Zentralarchiv in Berlin,

6 Bereits Lingner bezeichnete – freilich mit reichlich Ironie – in seinem Rückblick anlässlich des 15jährigen Bestehens der „Beratergruppe“ (vgl. dazu O. LINGNER, Erinnerungen, S. 227 f. sowie unten S. 328, Anm. 328) die Tatsache, dass sowohl die westdeutschen als auch die ostdeutschen Kirchen mit ihren Bemühungen zur Intensivierung ihrer jeweiligen Gemeinschaft scheiterten, als einen „gelungenen Akt besonderer Gemeinschaft“ zwischen BEK und EKD (O. Lingner: [Gesprächseinstieg zu Geschichte, Aufgaben und Arbeitsweise der Beratergruppe], 19.6.1985 [EZA BERLIN, 4/92, Nr. 16], S. 5). 7 M. AHME, Reformversuch (allerdings ohne die Verwendung von Archivmaterial). 8 Hinzuweisen wäre hier vor allem auf die von der EKD-Kirchenkanzlei herausgegebenen Berichtsbände zu den jeweiligen Tagungen der EKD-Synode sowie auf den im Rahmen der epd Dokumentation erschienenen Materialdienst zur Struktur- und Verfassungsreform der EKD (freilich nur für die erste Periode der Grundordnungsdebatte). 9 Die „Langfassung“ kann beim Autor eingesehen werden.

Thema

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dem Landeskirchlichen Archiv in Hannover, der Berliner Stelle des Bundesarchivs sowie Herrn Oberkirchenrat i. R. Uwe-Peter Heidingsfeld, Herrn Oberkirchenrat i. R. Rudolf Schulze, Herrn Präsident i. R. Dr. Friedrich Winter und Herrn Oberkirchenrat i. R. Dr. Helmut Zeddies.

Die „bestehende Gemeinschaft“ nach der Grundordnung Vorklärungen von 1948

2. Vorklärungen

2.1. Die „bestehende Gemeinschaft“ nach der Grundordnung der EKD von 1948 Als die Kirchenversammlung 1948 in Eisenach die Grundordnung einer Evangelischen Kirche in Deutschland beschloss, charakterisierte sie diesen Zusammenschluss der deutschen evangelischen Landeskirchen in zweifacher Hinsicht. In Absatz 1 des ersten Verfassungsartikels bezeichnete sie die EKD zurückhaltend als einen „Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen“, in Absatz 2 desselben Artikels hingegen als eine „bekennende Kirche“, in der die „bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar“ werde.1 Diese bestehende Gemeinschaft von Lutheranern, Unierten und Reformierten in Deutschland war der EKD nach dem Verständnis ihrer Grundordnung vorgegeben und resultierte geschichtlich aus der durch Jahrhunderte gewachsenen, festgehaltenen und bewährten Verbundenheit der lutherischen und reformierten Gemeinden in Deutschland.2 Inhaltlich gründete sie „in dem gemeinsamen theologischen Ansatzpunkt der lutherischen und reformierten Bekenntnisse, im vierfachen ‚Allein‘, in der Formel ‚sola fide, sola gratia, sola scriptura, solus Christus‘“.3 Zwar entspringe die Gemeinschaft damit nicht einem umfassenden Lehrkonsens, nicht der „doctrina“, jedoch einer gleichen, im Sinne des vierfachen „allein“ verstandenen „intentio“ der „doctrina“.4 Auf das wesentlichste Gemeinschaft stiftende Ereignis, in dem sich sowohl das äußere Element gemeinsamer Geschichte als auch das innere Element einer gemeinsamen „intentio doctrinae“ verbanden, verwies die Grundordnung im Absatz 2 ihres ersten Artikels selbst: auf „die im Kirchenkampf von 1933 bis 1945 entstandene Kampf- und Leidensgemeinschaft“.5 Insbesondere die erste Bekenntnissynode in Barmen habe – so 1 Grundordnung der EKD vom 13.7.1948 (Abl. EKD 2 [1948], S. 109–113). Zu ihrer Entstehung vgl. A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, das Referat von Joachim Mehlhausen zum Gedenkakt „50 Jahre Grundordnung der EKD“ am 15.5.1998 in Eisenach (KJ 125 [1998], S. 514–522) sowie Martin Greschat in: C. LEPP/K. NOWAK, Kirche, S. 33–38. 2 Vgl. H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 125–130. 3 CH. HECKEL, Kirchengemeinschaft, S. 170 (dort entsprechende Quellenangaben). 4 EBD. 5 H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 130.

Die „bestehende Gemeinschaft“ nach der Grundordnung von 1948

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Brunotte in seinem Kommentar – „der EKD und ihren Gliedkirchen ein für alle Mal die Erkenntnis geschenkt, die ein starkes Band der Gemeinschaft bleibt, daß eine Kirche nur dann Kirche bleibt, wenn sie bereit ist, Zeugnis abzulegen und ‚in actu‘ zu bekennen“.6 Deshalb sei der neu konstituierten EKD ausdrücklich die Verpflichtung auferlegt worden, „als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen“ (Art. 1 [2] GO 48). Im Vergleich zu dieser Charakterisierung der EKD als einer „bekennenden Kirche“ fielen die Konsequenzen, die in der Grundordnung aus der gerade in Barmen bewährten und deshalb gegenwärtig bestehenden Gemeinschaft von Lutheranern und Reformierten gezogen wurden, deutlich zurückhaltender aus. Auch wenn die Gliedkirchen in den „Grundbestimmungen“ zum „Hören auf das Zeugnis der Brüder“ aufgerufen wurden7 und es der EKD zur „Aufgabe“ gemacht wurde, „sich um die Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen“ zu bemühen (Art. 6 [1] GO 48), brachte die Grundordnung selbst die der EKD vorgegebene Gemeinschaft nicht hinreichend zur Geltung.8 Diese Diskrepanz zwischen der Ordnung und ihren Grundlagen bzw. zwischen Artikel 1, Absatz 1 (die EKD als Kirchenbund) und Artikel 1, Absatz 2 (die EKD als bekennende Kirche) musste 1948 im Interesse eines erfolgreichen Abschlusses der Verfassungsgebung in Kauf genommen werden und wurde wenig später – nach vorausgegangener Kontroverse zwischen dem Rat der EKD und der Kirchenleitung der Evangelisch-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland – noch einmal als für die neu gegründete EKD konstitutiv bestätigt. Als Ergebnis dieser Klärung fasste Brunotte in seinem Kommentar zusammen: „Zwischen Absatz 1 und 2 besteht eine echte Spannung! Es bedeutet nicht einen logischen Widerspruch, wenn in Absatz 1 von Kirchenbund und in Absatz 2 von der EKD als ‚bekennender Kirche‘ die Rede ist. Die Absätze 1 und 2 schließen sich nicht gegenseitig aus, sie bedingen sich vielmehr gegenseitig. . . . Wenn man einen der beiden Absätze für sich allein nehmen würde, so würde er das Wesen der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht erschöpfend und also auch nicht zutreffend wiedergeben. . . . Es genügt nicht, von der Differenziertheit der EKD zu reden. Es sind, um ihr Wesen zutreffend auszudrücken, gleichzeitig Aussagen über die trotz aller Differenziertheit bestehende Gemeinsamkeit in der EKD zu machen. . . . Es wäre wiederum falsch, nur den Absatz 2 für sich interpretieren und aus ihm ableiten zu wollen, daß die EKD eine wirkliche kirchliche Einheit und also dennoch eine echte Kirche sei. Die Aus-

6 EBD., S. 131. 7 Art. 1 (2) GO 48. 8 Vgl. CH. HECKEL, Kirchengemeinschaft, S. 169.

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Vorklärungen sagen über die tatsächlich bestehenden Gemeinsamkeiten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß neben der aufgezeigten Gemeinschaft eine Fülle von Differenzen bestehen, die es ausschließen, die EKD als Kirche anzusehen.“9

Es bestand in der EKD allerdings die Tendenz, über diese bereits 1948 als unbefriedigend empfundene Diskrepanz hinauszugelangen und die Spannung zwischen einem Verständnis der EKD als „Kirchenbund“ und ihrem Verständnis als „bekennender Kirche“, in der eine über Jahrhunderte gewachsene und weiter wachsende Gemeinschaft zwischen den Konfessionen besteht, zugunsten eines Kircheseins der EKD aufzulösen. Nachdem bereits in der Vereinbarung über die Kirchenmitgliedschaft vom 27./28. November 1969 Konsequenzen aus der „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ gezogen worden waren, die über die aktuelle Grundordnung hinausgingen,10 bildete das Bestreben, diese „bestehende Gemeinschaft“ in der Grundordnung insgesamt deutlicher zum Ausdruck zu bringen, ein wesentliches Motiv für ihre 1970 in Angriff genommene Reform. Die „beson dere Gemeinschaft“ nach der Ordnung des BEK von 1969

2.2. Die „besondere Gemeinschaft“ nach der Ordnung des BEK von 1969 Die Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR griff den Gedanken einer „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ auf, setzte die Akzente jedoch entsprechend der aktuellen Situation anders.11 War es 1948 notwendig gewesen, die in Deutschland bestehende Gemeinschaft trotz der unterschiedlichen Bekenntnisbindungen der EKD-Gliedkirchen hervorzuheben, war es im Zusammenhang der organisatorischen und rechtlichen Trennung der ostdeutschen Landeskirchen von der EKD wichtig, trotz dieser Trennung in Ost und West und der politischen Gegebenheiten die ungeteilte „Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ festzuhalten. Diese Gemeinschaft, von der die Bundesordnung in Artikel 4, Absatz 4 sprach, meinte 9 H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 120 f. (Hervorhebung original). 10 Aus der Zugehörigkeit zur „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ wurden „Rechte und Pflichten . . . im gesamten Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland“ abgeleitet: „In dieser Gemeinschaft und in gegenseitiger Anerkennung bieten die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland jedem Mitglied einer Gliedkirche den Dienst der Verkündigung, der Seelsorge und der Diakonie an und lassen es nach Maßgabe ihrer Ordnungen zum Heiligen Abendmahl zu“ (Abl. EKD 24 [1970], S. 2). 11 Vgl. O. Lingner: Die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland, Januar 1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 149), S. 2.

Die „besondere Gemeinschaft“ nach der Ordnung des BEK von 1969

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insofern weniger die Gemeinschaft zwischen Unierten, Reformierten und Lutheranern als vielmehr die Gemeinschaft zwischen den evangelischen Christen in der DDR und den evangelischen Christen in der Bundesrepublik Deutschland.12 Die Grundlagen dieser Gemeinschaft wurden zurzeit der Bundesgründung ähnlich beschrieben wie zuvor die konfessionsübergreifende Gemeinschaft, die mit der Bildung der EKD ihren sichtbaren Ausdruck gefunden hatte. Auch der Vorsitzende der im Vorfeld der Bundesgründung gebildeten Strukturkommission, Albrecht Schönherr, unterließ es in seinem am 15. Januar 1969 veröffentlichten epd-Interview,13 zur Charakterisierung der „spezifischen Gemeinschaft“, wie es zu diesem Zeitpunkt noch hieß, Gemeinschaft stiftende Elemente profaner Natur heranzuziehen (etwa eine gemeinsame deutsche Nationalkultur) oder diese Gemeinschaft lediglich mit dem gemeinsamen Bekenntnis zu Jesus Christus zu begründen (also in Analogie zur ökumenischen Gemeinschaft).14 Vielmehr verwies Schönherr – wie es seinerzeit auch bei der Interpretation der EKD-Grundordnung durch Brunotte geschehen war – auf die gemeinsame Geschichte der Kirchen, insbesondere auf die Gemeinschaft stiftende Funktion gemeinsamen Bekennens in jüngster Vergangenheit, sowie im Anschluss daran auf die aus dieser gemeinsamen Geschichte erwachsenen Gemeinsamkeiten kirchlichen Lebens. „Mit den Kirchen in der Bundesrepublik verbindet uns nicht nur die gemeinsame Sprache wie mit den Kirchen in Österreich und in der Schweiz, uns verbindet auch eine gemeinsame Geschichte, die gezeichnet ist von dem mühevollen Weg bis hin zu jenem seinerzeit im Jahre 1948 in Eisenach vollzogenen Zusammenschluß zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Auf diesem Weg gab es die Theologische Erklärung von Barmen, aber auch das Schuldbekenntnis von Stuttgart, das Darmstädter Wort des Bruderrates und das Friedenswort der Synode von Weißensee 1950. Das gemeinsame Band aller Kirchen, die sich zu Christus als ihrem Herrn und Heiland bekennen, ist ihr erhöhter Herr selbst. Das ist die Ermächtigung zur ökumenischen Bewegung und zu jeder Bemühung um die Einheit der Kirchen. Aber es gibt eine zweite Ebene darunter. Auf ihr haben geschichtliche Bande ihren Wert. Man löst sie nicht ohne Not. Zeichen solcher geschichtlichen Verbundenheit sind z. B. das gemeinsame evangelische Kirchengesangbuch und die revidierte Bibelübersetzung. Hier ist der Ausdruck ‚spezifische Gemeinschaft‘ am Platze, der in der Debatte der letzten Monate fiel. Die uns allen vorgegebene

12 Anders P. KRASKE, Besondere Gemeinschaft, S. 49. 13 Leicht gekürzte Wiedergabe in R. HENKYS, Bund, S. 127–134. 14 Zu diesen beiden Möglichkeiten vgl. aus späterer Zeit u. a. die Reaktion von Olav Lingner auf Hartmut Löwe (H. LÖWE, Gemeinschaftsaufgaben, S. 207; O. Lingner: Thesen zur besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland, Januar 1983 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 373], S. 1, 4).

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Vorklärungen Einheit in Jesus Christus kann nicht aufgegeben werden, die spezifische Einheit geschichtlicher Verbundenheit soll nicht aufgegeben werden.“15

Im Unterschied zur EKD-Grundordnung, die die Aussage zur „bestehenden Gemeinschaft“ bereits im ersten Artikel und damit im Abschnitt „Grundbestimmungen“ bot, fand das Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ in der Bundesordnung seinen Platz erst im zweiten Abschnitt unter „Aufgaben“. Mit dieser bemerkenswerten Anordnung, die die inhaltlich weiterhin festgehaltene Verbindung von gesamtdeutscher Gemeinschaft und Barmer Theologischer Erklärung formal auflöste, sollte der verpflichtende Charakter der „besonderen Gemeinschaft“ hervorgehoben werden – eine Akzentuierung, die durch das ursprünglich aus anderen Überlegungen heraus gewählte16 Wort „bekennen“ noch unterstrichen wurde. Auf eine Konkretisierung dieser Verpflichtung innerhalb der Bundesordnung wurde angesichts der kirchenpolitischen Brisanz dieses Artikels17 allerdings verzichtet und nur allgemein von „Aufgaben“ gesprochen, „die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam betreffen“. Angesichts der skizzierten Wurzeln der „besonderen Gemeinschaft“ ist hier – neben der Wahrung geschichtlich gewachsener Gemeinsamkeiten – zuallererst an die Verpflichtung zu denken, im gemeinsamen Hören auf das Evangelium, im gemeinsamen Zeugendienst und im gemeinsamen Bekennen angesichts aktueller Herausforderungen fortzufahren und auf diese Weise den Grund der Gemeinschaft festzuhalten. 15 R. HENKYS, Bund, S. 133. 16 Der Bischof der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Werner Krusche, vermerkte bei seiner „Einführung in die Sachproblematik des Bundes der evangelischen Kirche in der DDR und seiner Ordnung“ auf der außerordentlichen Synode der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg am 12.4.1969, dass der „starke Ausdruck“ „bekennen“ lediglich deshalb gewählt worden sei, „da diese Gemeinschaft über die Staatsgrenzen hinweg von außen angegriffen wird“ (KJ 96 [1969], S. 240). 17 Bereits bei der Ausarbeitung der Ordnung des neu zu gründenden Bundes wurde seitens des DDR-Staates versucht, eine Aufnahme des betreffenden Artikels 4 (4) zu verhindern. Auch später waren die Ost-West-Beziehungen ein dauernder Kritikpunkt seitens des DDRStaats- und Parteiapparates, wobei vor allem zwei Argumentationsrichtungen hervortraten: Zum einen wurde die auch „nach der organisatorischen Trennung von der EKD praktizierte Form gesamtdeutscher kirchlicher Verbundenheit . . . objektiv im Sinne der Politik des Offenhaltens der deutschen Frage“ und damit als ständige Anfrage an die Souveränität und den Bestand der Deutschen Demokratischen Republik verstanden. Zum anderen kritisierten die zuständigen Staats- und Parteistellen den negativen Einfluss der EKD auf die Bewusstseinsbildung der DDR-Kirche als „Kirche im Sozialismus“. Entsprechend lehnten die Staatsund Parteistellen der DDR jede Mitverantwortung der westlichen Kirchen für die „besondere Gemeinschaft“, die auch nur im Entferntesten als Einmischung in die Angelegenheiten der DDR-Kirchen und damit als Verletzung der Souveränität der DDR verstanden werden konnte, kategorisch ab und forderten ein Verständnis der innerdeutschen Kirchenkontakte im Sinne „normaler“ ökumenischer Beziehungen.

Erste Überlegungen Bemühungen zur Reform um ein neues der EKD-Grundordnun Verständnis der EKDg

3. Bemühungen um ein neues Verständnis der Evangelischen Kirche in Deutschland nach dem Ende ihrer gesamtdeutschen Existenz

3.1. Erste Überlegungen zur Reform der EKD-Grundordnung 3.1.1. Ausgangslage Nachdem mit der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR die rechtliche und organisatorische Einheit zwischen den ostdeutschen und westdeutschen Landeskirchen, die bis dahin eine tief greifende EKD-Reform verhindert hatte, weggefallen war, stand einem Abbau des im Westen seit längerem konstatierten „Reformstaus“ nichts mehr im Wege. Dabei wurde nicht nur die Notwendigkeit gesehen, im Interesse gemeinsam zu erledigender Aufgaben organisatorische und strukturelle Konsequenzen zu ziehen, sondern auch die Bereitschaft bekundet, die Gemeinschaft der Kirchen in theologischer Hinsicht zu vertiefen.1 Zwar war nicht zu erwarten, dass die bestehenden Bekenntnisunterschiede zugunsten eines Einheitsbekenntnisses aufgegeben werden würden, jedoch bestand „Grund zu der Hoffnung, daß eine weitgehende Bereitschaft bestehen“ werde, „die Bekenntnisunterschiede nicht mehr als kirchentrennend zu betrachten“ und insofern eine „Kirchwerdung der EKD“ zu ermöglichen.2 Insbesondere von lutherischer Seite wurde aus der Sorge heraus, die wachsende Gemeinschaft im Bereich der westdeutschen EKD könnte zu einem rein pragmatischen Unionismus führen,3 immer wieder eine bewusste und theologisch reflektierte Gestaltung und Begründung dieses Gemeinschaftsprozesses angemahnt. Noch vor der offiziellen Gründung des BEK war im Mai 1969 von der Lutherischen Generalsynode im Interesse einer „Verstärkung kirchlicher Gemeinschaft“ ein „Planungsausschuß“ berufen worden,4 der im März 1970 „Thesen zur Neuordnung 1 Einen kurzen Überblick gibt O. LINGNER, Neuordnung, S. 249. 2 E.-V. Benn: Verfassungsprobleme der Evangelischen Kirche in Deutschland, 24.2.1970 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 334), S. 4. 3 Vgl. O. Lingner: Stand und Diskussion um die Neuordnung der EKD (epd Dokumentation 44/70, S. 2–21), S. 11; Ders.: Die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft, 24.11.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 313), S. 2. 4 Entschließung der Generalsynode der VELKD zur kirchlichen Gemeinschaft vom

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

der EKD“ vorlegte.5 Darin stellte er eingangs ausdrücklich fest, dass „die zunehmend gewachsene Gemeinschaft innerhalb der EKD, die theologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit und die Bildung des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR . . . ein engeres Zusammenrücken der westlichen Gliedkirchen der EKD“ verlangen (These 1), und entwickelte aus dieser Einsicht heraus für den westdeutschen Bereich das Ziel einer „territorial gegliederten Bundeskirche mit konstruktiver Kooperation der bekenntnisbestimmten Gliedkirchen und mit Verantwortung der Gesamtkirche für Grundsatzfragen und anerkannte Gemeinschaftsaufgaben“ (These 5). Dabei verstand der Planungsausschuss den später strittigen Begriff „Bundeskirche“ sowohl im Sinne einer engeren organisatorischen Gemeinschaft als auch im Sinne einer engeren „Gemeinschaft in Bekenntnis und Lehre“ (These 2). Erste Schritte in diese Richtung waren bereits Anfang des Jahres in Angriff genommen worden. Am 22. Januar 1970 trafen sich in Frankfurt am Main Vertreter der VELKD, der Arnoldshainer Konferenz und des Moderamens des Reformierten Bundes, um Wege aus der verwirrenden geistigen und theologischen Situation hin zu stärkerer Gemeinsamkeit zu suchen. Im Ergebnis beschlossen sie, eine „gemeinsame theologische Erklärung“ in Auftrag zu geben und damit „einen entscheidenden Beitrag zur Vertiefung der Gemeinschaft der EKD“ zu leisten. Diese Erklärung wurde von der dafür eingesetzten Kommission am 4. Mai unter dem Titel „Thesen zur Kirchengemeinschaft“ verabschiedet. Im Begleitschreiben vom 1. Juni erklärten die Ausschussmitglieder, dass sie diese Thesen als „Vorschlag einer Konkordie“ verstünden, „die es ermöglicht, zwischen den Kirchen, die den in diesen Thesen formulierten Konsensus anerkennen, Kirchengemeinschaft festzustellen“.6 Der Grundgedanke in diesen Thesen7 entsprach dem Ansatz der Leuenberger Gespräche, wie er in dem späteren Konkordienentwurf zum Ausdruck kam. Ausgehend von den in CA VII genannten Bedingungen „für die Einheit der Kirche“ erschien darin ein Grundkonsens in der Verkündigung des Evangeliums (konkret: „in der Lehre von der Rechtfertigung des Sünders“) und in der rechten Verwaltung der Sakramente für eine Kirchengemeinschaft als ausreichend. Die Notwendigkeit weiterer Voraussetzungen, etwa „eine organisatorische Gleichheit bzw. Vereinigung“, wurde ausdrücklich abgelehnt. Sofern diese Position von den beteiligten Kirchen geteilt würde, bildete ein solcher Grundkonsens 8.5.1969 (abgedruckt in: KJ 96 [1969], S. 11 f.; O. LINGNER/R. HENKYS, EKD Strukturund Verfassungsreform, S. 156 f.). 5 Thesen des Planungsausschusses der VELKD zur Neuordnung der EKD vom 20.3.1970 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 357 – abgedruckt in: KJ 97 [1970], S. 23–25). 6 Vgl. dazu KJ 97 (1970), S. 46–54. 7 Zur Interpretation vgl. den Bericht von Wenzel Lohff auf der Tagung der Generalsynode 1970 in Eutin (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1970, S. 84–87).

Erste Überlegungen zur Reform der EKD-Grundordnung

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in der Verkündigung des Evangeliums und in der Verwaltung der Sakramente nach Meinung des Begleitschreibens eine hinreichende Grundlage für Kanzelund Sakramentsgemeinschaft sowie für die Erklärung, dass „die aufgrund der reformatorischen Bekenntnisse zwischen den Kirchen stehenden Verwerfungen . . . den Partner heute nicht mehr“ betreffen.8

Der mit den Thesen zur Kirchengemeinschaft beschrittene Weg eines westdeutschen „Konsensus im Fundamentalen“ führte allerdings nicht, wie beabsichtigt, zu einer Vertiefung der Gemeinschaft der westdeutschen Landeskirchen, sondern wurde, da die Diskussion der Thesen zunehmend von den Auseinandersetzungen über die inzwischen auf EKD-Ebene begonnene Grundordnungsreform überlagert wurde, schließlich mehr oder weniger ergebnislos abgebrochen. Während die Kirchen der Arnoldshainer Konferenz sowie diese selbst die Thesen begrüßten und ihnen zustimmten,9 erhob sich auf lutherischer Seite – vor allem innerhalb der bayerischen Landeskirche – die Befürchtung, diese Thesen könnten nicht als Beginn einer fortzuführenden Verständigung über die Gemeinsamkeiten in Lehre und Bekenntnis, sondern bereits als ein tragfähiger Konsens gewertet werden, der für die im Zusammenhang der Grundordnungsreform angestrebte ekklesiologische Neubeschreibung der EKD als „Bundeskirche“ ausreiche. Die Stellungnahme der VELKD zu den Thesen10 hob dementsprechend den bleibenden Klärungsbedarf in Grundsatzfragen hervor und war damit auch ein Votum gegen den Reformprozess, der die Kirchwerdung der EKD weniger auf dem Wege theologischer Grundsatzklärung als vielmehr auf dem Wege einer Neubeschreibung des ekklesiologischen Charakters der EKD und ihrer strukturellen Neuordnung voranzutreiben suchte.

3.1.2. Die Regionalsynode der EKD 1970 in Stuttgart Bevor sich die EKD dem Problem, wie die in ihr gewachsene Gemeinschaft zu verstehen, zum Ausdruck zu bringen und zu vertiefen sei, zuwenden konnte, waren erst einmal die unmittelbaren Folgen des Ausscheidens der ostdeutschen Landeskirchen für den westdeutschen Bereich zu bedenken und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Diese Aufgabe barg 8 Vgl. KJ 97 (1970), S. 47 f. 9 Vgl. etwa die Stellungnahme der EKU (West) vom 16.6.1970 sowie die der Arnoldshainer Konferenz vom 2.10.1970 (abgedruckt in: KJ 97 [1970], S. 49 f.). 10 Vgl. das kritische Votum der VELKD-Konsultationsgruppe „Lutherisch-reformiertes Gespräch“ vom 19.7.1971 (KJ 98 [1971], S. 59 f.). – Weitere Stellungnahmen der VELKD, insbesondere der Synode, zu den Thesen unterblieben angesichts der als wichtiger empfundenen Diskussion über die Ergebnisse der Leuenberger Gespräche (vgl. M. AHME, Reformversuch, S. 59 f.).

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erhebliche Probleme, da einerseits in der Grundordnung von 1948 ein Austritt von Mitgliedskirchen nicht vorgesehen war11 und andererseits die EKD-Synode als gesetzgebendes Organ durch das Vorgehen der ostdeutschen Landeskirchen formal ihre Handlungsfähigkeit verloren hatte.12 Entsprechend kontrovers wurde die Frage nach dem weiteren Weg der zumindest erheblich reduzierten EKD beantwortet, wobei auch die Meinung vertreten wurde, dass durch den Austritt der acht ostdeutschen Landeskirchen die EKD nicht nur in ihrem Wirkungsbereich begrenzt oder in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt worden sei, sondern in ihrer 1948 fixierten Form überhaupt aufgehört habe zu existieren.13 Da allerdings keine der in der Grundordnung genannten Grundlagen der EKD mit dem Ausscheiden der ostdeutschen Landeskirchen hinfällig geworden war,14 fand diese Position wenig Zustimmung, zumal darauf verwiesen werden konnte, dass bereits bei Inkraftsetzung der Grundordnung deren Geltung nicht an die Zustimmung aller Landeskirchen gebunden war.15 Eine Feststellung des Endes der EKD und ihre nachfolgende Neugründung (etwa als „Bund der Evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutsch-

11 Nach Meinung des Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei, Walter Hammer, war ein „Austritt aus der EKD . . . nicht nur nicht vorgesehen“, sondern „wäre auch systemwidrig und nach der Grundordnung nicht möglich“, sodass er die Bundesgründung als einen „quasi-revolutionären Akt“ einschätzte, der „vom Westbereich her lediglich respektiert, jedoch in keiner rechtlich relevanten Weise mitgestaltet worden“ sei (W. Hammer: Skizze für einen Gesprächsgang in der Januar-Ratssitzung 1970, 11.1.1970 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 753], S. 2; vgl. auch O. Lingner: Die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft, 24.11.1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 313], S. 1 sowie M. HECKEL, Vereinigung S. 31–46, 66). 12 Da die Regionalsynode West auch bei Anwesenheit aller Synodalen (79) mit einer Stimme unter der Beschlussfähigkeit der Gesamtsynode (80) blieb, war die EKD-Synode nach Wegfall der Regionalsynode Ost nicht mehr beschlussfähig. 13 Vgl. dazu KJ 97 (1970), S. 16; O. LINGNER/R. HENKYS, EKD Struktur- und Verfassungsreform, S. 9–25, 10. 14 Lediglich der erste Satz von Artikel 1, Absatz 2 („In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar“) warf die Frage auf, ob und wie die auch nach Gründung des BEK fraglos weiterhin „bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ von der EKD „sichtbar“ gemacht werden könne. 15 In Paragraf 10 der Verordnung über das Zustandekommen einer Grundordnung der EKD vom 14.1.1948 (Abl. EKD 2 [1948], S. 5–8) wurde ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, „die Grundordnung für den Bereich derjenigen Gliedkirchen, die ihr zugestimmt haben“, auch dann in Kraft zu setzen, wenn ihr nicht alle Gliedkirchen zugestimmt haben. Da die Bremische Evangelische Kirche erst 1952 ihre Zustimmung zur Grundordnung rechtswirksam erklären konnte, wurde dieser Paragraf auch angewandt. Folgerung: „War aber die Zustimmung und Mitwirkung aller Gliedkirchen nicht die Voraussetzung für das Zustandekommen der EKD und ihrer Grundordnung, dann kann auch ihr Fortbestand durch das – sei es rechtlich oder nur tatsächlich wirksame – Ausscheiden von einer oder mehreren Gliedkirchen nicht berührt werden“ (STUTTGART 1970, S. 277).

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land“)16 wurde dementsprechend nicht in Betracht gezogen, sondern lediglich eine Begrenzung des Geltungsbereiches der EKD für notwendig gehalten.17 Die erste Entscheidung der EKD West, die bereits den weiteren Klärungen die Richtung wies, fiel auf der Zusammenkunft der westlichen Ratsmitglieder am 25./26. September 1969.18 In Übereinstimmung mit einem Gutachten des Bonner Kirchenrechtlers Ulrich Scheuner19 kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Gründung des DDR-Kirchenbundes die EKD in ihrem Fortbestand nicht berühre, sondern lediglich ihren Wirkungsbereich eingrenze. Aus dieser Einsicht folgerten sie als Hauptaufgabe nicht eine westdeutsche Neukonstituierung der EKD, sondern eine möglichst umgehende Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit ihrer Organe. Entsprechend legten die westlichen Ratsmitglieder in ihrer Erklärung vom 26. September, in der sie zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Stellung nahmen, ausdrücklich fest, dass sie „nunmehr als Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die in der Grundordnung der EKD festgelegten Aufgaben des Rates für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)“ wahrnehmen.20 Weitere Entscheidungen zur künftigen Ordnung im Bereich der westlichen Gliedkirchen der EKD blieben der Synode vorbehalten, die (noch) als „Regionale Tagung (West)“ für die Zeit vom 10. bis 15. Mai 1970 nach Stuttgart einberufen wurde. Bei der Vorbereitung der dort zu fällenden Entscheidungen wurde von Anfang an ein ähnlicher Schritt vorgesehen, wie er am 26. September innerhalb des Rates vollzogen worden war.21 Allerdings waren die Probleme bei der Synode, insbesondere hinsichtlich ihrer Beschlussfähigkeit, ungleich größer. Um diesen Schwierigkeiten nicht erst auf der Synodaltagung zu begegnen, sondern ihnen bereits bei der Vorbereitung gerecht werden zu können, wurden vor der Synode vier vorbereitende Regionaltagungen der westlichen Synodalen durchgeführt,22 die darüber hinaus auch als Zeichen für die im Westen angestrebte engere 16 Vgl. W. Hammer: Vortragsnotiz zu Punkt 14 der Tagesordnung für die Sitzung des Rates der EKD am 21. und 22.7.1969 in Stuttgart, 16.7.1969 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 1421), S. 6 f. 17 Vgl. auch E.-V. Benn: Verfassungsprobleme der Evangelischen Kirche in Deutschland, 24.2.1970 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 334), S. 24 f. sowie M. HECKEL, Vereinigung, S. 53–55. 18 W. Hammer/C. A. v. Heyl: Niederschrift über die 32. Sitzung des Rates der EKD am 25. und 26.9.1969 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 750), S. 3 ff. 19 U. Scheuner: Bericht über die rechtliche Bedeutung der Gründung des BEK für die EKD, 25.9.1969 (EZA BERLIN, 4, Nr. 23). 20 Erklärung des Rates der EKD zur Gründung des BEK, 26.9.1969 (EZA 2/93, Nr. 750), abgedruckt in: KJ 96 (1969), S. 6. 21 Vgl. W. Hammer: Skizze für einen Gesprächsgang in der Januar-Ratssitzung 1970, 11.1.1970 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 753), S. 3 f. 22 23./24. Februar in Hoisbüttel, 26./27. Februar in Bielefeld, 3./4. März in Herrenalb, 3./4. März in Hofgeismar.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD Gemeinschaft innerhalb der EKD gelten sollten.23 Bei der Problemdiskussion auf diesen vorbereitenden Tagungen, die bereits auf Entwürfe der geplanten Beschlussvorschläge des Rates zurückgreifen konnten,24 wurden insbesondere „Bedenken hinsichtlich der Rechtsgrundlagen“ für die in Aussicht genommene Erklärung der Synode, dass sie nunmehr „als Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland . . . die Aufgaben und Befugnisse der Synode für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)“ wahrnehme, ausgesprochen, woraufhin das Präsidium der Synode dem Rat empfahl, die betreffenden „Vorlagen mit einer eingehenden rechtlichen Begründung zu versehen“.25

Konkret lagen vor der Synode drei notwendig zu erledigende Aufgaben. Als Erstes war in Fortführung der Erklärung des Rates zum Geschehen in der DDR Stellung zu nehmen und die mit der Bundesgründung entstandene Rechtslage im Blick auf die Gliedkirchen der EKD in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu klären. Als Zweites waren daraus die unmittelbar notwendigen Konsequenzen zu ziehen (Neuverteilung der Sitze in der Synode, Nachwahlen zum Rat). Der dritte Aufgabenkomplex betraf, nachdem die Stuttgarter Synode bereits im Vorfeld als „Planungssynode“ bezeichnet worden war, die EKD-Reform, in deren Interesse „Beschlüsse zur Weiterarbeit“ zu fassen waren.26 Während für die ersten beiden Aufgaben der Synode zusammen mit der geforderten „Rechtlichen Begründung“27 bereits Formulierungsvorschläge des Rates vorlagen (Vorlagen 2a28 23 Vgl. H. Puttfarcken/O. v. Harling: Ergebnisprotokoll über die Sitzung des Präsidiums der EKD-Synode in Hannover am 14./15.5.1969, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 267), S. 2. 24 Das betraf insbesondere den Entwurf für die Erklärung zur Gründung des Bundes und zur Rechtslage innerhalb der EKD, die auf der Sitzung des Rates am 11./12. Februar, also vor den Regionaltagungen, fertig gestellt und auf der Sitzung am 18./19. März, also nach den Regionaltagungen, beschlossen wurde (vgl. W. Hammer/G. Niemeier: Niederschrift über die 36. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.2.1970 in Hannover, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 754], S. 4; W. Hammer/O. Lingner: Niederschrift über die 37. Sitzung des Rates der EKD vom 18. bis 19.3.1970 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 755], S. 8). 25 Vgl. W. Hammer/G. Niemeier: Niederschrift über die 36. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.2.1970 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 754), S. 4; E. Wilkens: Vermerk. Betr. Regionale Vorbereitungstagung Süddeutschland am 3./4.3.1970 in Herrenalb für die Tagung der EKD-Synode vom 10.–15.5.1970 in Stuttgart, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 268), S. 1; H. Puttfarcken/O. v. Harling: Ergebnisprotokoll über die Sitzung des Präsidiums der Synode der EKD in Stuttgart am 15./16.3.1970, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 268), S. 1. 26 E. Wilkens: Vor wichtigen Entscheidungen. Planungssynode der EKD in Stuttgart (in: epd, Ausgabe für kirchliche Presse, Nr. 12 vom 25.3.1970, S. 1 f.), S. 1. 27 Rechtliche Begründung zu den Entwürfen einer Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz zur Gründung des BEK und zur Rechtslage innerhalb der EKD/einer Neufassung des Kirchengesetzes über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der EKD, undatiert (STUTTGART 1970, S. 276–282). 28 Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Gründung des BEK und zur Rechtslage innerhalb der EKD (Entwurf), undatiert (STUTTGART 1970, S. 272–273).

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und 2b29), hatte der Rat angesichts der unterschiedlichen Positionen zur EKD-Reform bewusst auf eine diesbezügliche Vorlage verzichtet. Zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR erklärte die Synode übereinstimmend mit der bereits erwähnten Stellungnahme des Rates vom 26. September 1969 und der vom Rat vorbereiteten Vorlage 2a, dass die Bundesgründung zwar „einen tiefen Einschnitt in der über hundertjährigen Geschichte des Zusammenschlusses der evangelischen Kirchen in Deutschland“ bedeute, die „von den Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik getroffenen Entscheidungen“ jedoch „respektiert“ werden würden. Wohl seien „äußere Formen“ der Gemeinschaft zerbrochen, aber: „Die Gemeinsamkeit der Verantwortung für das Zeugnis und den Dienst der Kirche bleibt bestehen.“30 In der Diskussion über die Vorlage 2a kritisierten allerdings mehrere Synodale den „elegischen Ton“, der vor allem in dem zweiten, aus der Ratserklärung vom 26. September übernommenen Absatz zum Ausdruck komme. Dadurch kämen in die Vorlage „emotionale Züge“, „die der Situation nicht mehr entsprechen“.31 Weiterhin könne aus den Aussagen über die nunmehr von der Regionalsynode West wahrgenommenen Aufgaben und Befugnisse ein „gewisser Alleinvertretungsanspruch der EKD West gegenüber der DDR-Kirche“ herausgelesen werden.32 Aus ähnlichen Gründen beantragte der Synodale Gustav Jäger, das mit Bedacht gewählte und vom Rechtsausschuss beibehaltene Verb „respektieren“33 durch „akzeptieren“ zu ersetzen. Der Synodale Karl-Heinz Sohn zur Vorlage insgesamt: „Mir scheint die Vorlage immer noch von der Fiktion auszugehen, daß doch am Tage X es wieder zu einer Vereinigung beider Kirchen kommen könnte. Das mag von mir aus subjektiv gesehen sein und sich aus der Vorlage nicht zwingend ergeben. Wir sollten aber auch den Anschein vermeiden, unseren Brüdern ‚drüben‘ den Eindruck zu vermitteln, wir ließen immer noch die Möglichkeit offen, sie eines Tages unter die Fittiche unserer Grundordnung zurückzubekommen.“34 Gegen diese Kritik und die daraus resultierenden Änderungsanträge wandte sich wiederum der Synodale Richard v. Weizsäcker: „Wenn wir in der Vorlage 2a zum Ausdruck bringen, daß wir nicht nur Anlaß zum Jubeln haben, dann ist das nichts anderes als die Wahrheit. Wir können doch nicht unsere Kraft für die Zukunft und unsere Freude daran, daß wir jetzt ein freies Feld haben, in der Vorlage vor allem zum Ausdruck bringen, in der wir erst einmal fest-

29 Kirchengesetz über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der EKD (Entwurf), undatiert (STUTTGART 1970, S. 274–275). 30 Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Gründung des BEK und zur Rechtslage innerhalb der EKD 15.5.1970 (Abl. EKD 24 [1970], S. 277 – siehe unten Dok. 1). 31 Vgl. STUTTGART 1970, S. 174–177. 32 EBD., S. 176 (K.-H. Sohn). 33 EBD., S. 169 (O. R. Kissel); vgl. dazu M. HECKEL, Vereinigung, S. 68–71. 34 STUTTGART 1970, S. 175.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD stellen müssen, daß etwas gegen unseren Willen zerbrochen ist und daß eine Gemeinsamkeit, die wir hüben und drüben wollen, als solche gegen unseren Willen nicht fortgeführt werden kann. . . . Wenn einer von uns zum Ausdruck bringen möchte, daß es Gemeinsamkeiten über das Zerbrochene hinweg gibt, dann können wir ihm nicht unterstellen, daß er deswegen Vertretungs- oder Alleinvertretungsansprüche zum Ausdruck bringen will. Und ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, für mein Gefühl entscheidet sich die Frage, welches Selbstbewußtsein und welche Kraft wir für die Zukunft haben, genau daran, nicht wie wir auf irgendwelche Mißdeutungen und Mißtrauen, die uns von außen her entgegengebracht werden, reagieren, sondern daran, daß wir im Vertrauen auf unsere Sache sowohl unsere Trauer über zerbrochene Gemeinsamkeit wie unseren Willen zu fortdauernder geistiger und geistlicher Gemeinsamkeit dann zum Ausdruck bringen können, wenn wir die Kraft dazu haben, unsere eigenen Angelegenheiten hier unverzüglich in Angriff zu nehmen und unsere Verhältnisse dementsprechend zu ordnen.“35 Später brach diese Auseinandersetzung im Zusammenhang der Diskussion über den Antrag des Ratswahlausschusses, alle durch Ausscheiden der östlichen Ratsmitglieder frei gewordenen Sitze im Rat der EKD wieder zu besetzen,36 erneut auf. Dabei wurde empfohlen, einige Plätze leer zu lassen, um auf diese Weise „ein Zeichen der Verbundenheit und ein Zeichen der Trauer“ zu setzen. Der Einschnitt, der durch die Gründung des Bundes geschehen sei, sei so groß, dass die Lücken, die er riss, nicht sofort aufgefüllt werden dürften. Vielmehr sollte – gerade angesichts der nur erzwungenermaßen erfolgten Trennung – eine Tür offen gehalten werden.37 Dieser Position wurde entschieden widersprochen. Der Braunschweiger Bischof Gerhard Heintze: „Ich bin der festen Überzeugung, daß der Vorstand des Bundes und wahrscheinlich überhaupt weithin die Mitglieder dieses Bundes von uns ein solches Zeichen nicht erwarten, sondern hoffen, daß wir das Respektieren der dort getroffenen Entscheidung wirklich ernst meinen, nämlich daß wir bereit sind, sie wirklich freizugeben, ihnen die Möglichkeit ihrer eigenen Gestaltung ihrer Angelegenheiten einzuräumen und so wie sie es selber zum Ausdruck gebracht haben, nun damit rechnen, daß eine rechtliche Gemeinschaft der bisherigen EKD nicht mehr weiter möglich ist.“38 – Die dennoch beschlossene lediglich teilweise Nachwahl zum Rat erfolgte dann allerdings, um der nächsten Synode, die wieder die in der Grundordnung vorgeschriebene Mitgliederzahl aufweisen würde, nicht vorzugreifen.

Eine wesentliche Rolle innerhalb der Synodalaussprache spielte der Artikel 4 (4) der Ordnung des Bundes, in dem sich dieser „zu der besonderen 35 EBD., S. 177 f. 36 Nach dem Kirchengesetz über die Zahl der Mitglieder des Rates der EKD vom 18.3.1966 umfasste der Rat – abweichend von Artikel 30, Absatz 1 GO 48, der 12 Mitglieder vorsah – 15 Mitglieder einschließlich des Präses der Synode (Abl. EKD 20 [1966], S. 153). 37 Vgl. STUTTGART 1970, S. 195–198 (J. Rieger, H. Vogel). 38 EBD., S. 199 f.; vgl. auch EBD., S. 198 f. (O. R. Kissel) sowie H. J. Behm: Vermerk. Betr. EKD-Synode in Stuttgart, 20.5.1970 (EZA BERLIN, 102, Nr. 67), S. 2.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD nommen würden.44 Diese Formulierung schien wiederum dem Rat missverständlich (als ob es daneben auch noch andere Gliedkirchen gäbe), der deshalb lediglich vom „ihrem Bereich“ sprach (d. h. der Synode, der Kirchenkonferenz und des Rates) und in deutlicherer Anlehnung an den Artikel 4 (4) das Bekenntnis „zur Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ voranstellte.45 Diese Formulierung, die auf der Sitzung des Rates am 11./12. Februar verabschiedet wurde, lag sowohl auf den regionalen Vorbereitungstagungen als auch dem Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, dessen Votum Lingner einholen sollte, vor.46 Während diese Formulierung beim Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, der sich im März47 „mit der vorbereiteten Grundsatzerklärung der kommenden Synode der EKD zur Frage der Gründung des Bundes“ befasste, auf Zustimmung stieß,48 wurde auf den regionalen Vorbereitungstagungen zum Teil erneut die Forderung erhoben, diesen Passus zum Zeichen der Verbundenheit genau analog zum Artikel 4 (4) der Bundesordnung, also „spiegelbildlich zu formulieren“.49 Entsprechende Änderungsvorschläge lehnte der Rat jedoch – nicht zu-

44 „Die Evangelische Kirche in Deutschland nimmt die Aufgaben, die sich aus der Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit ergeben, für den Bereich der Gliedkirchen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) in freier Partnerschaft mit dem Bund der evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr“ (Entwurf der Kirchenkanzlei für die Ratssitzung am 11./12.2.1970. Vorlage für die 3. Regionale Tagung [West] der 4. Synode der EKD, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 754], S. 2). 45 „Synode und Kirchenkonferenz und Rat bekennen sich zur Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit und nehmen die Aufgaben, die sich daraus ergeben, für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr“ (W. Hammer/G. Niemeier: Niederschrift über die 36. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.2.1970 in Hannover, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 754], S. 4; vgl. STUTTGART 1970, S. 273). 46 W. Hammer/G. Niemeier: Niederschrift über die 36. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.2.1970 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 754), S. 4 f. 47 Vermutlich auf der Sitzung am 12.3.1970, auch wenn das Protokoll davon nichts verrät (A. Schönherr/M. Kramer: Protokoll der Sitzung des Vorstandes der KKL am 12.3.1970 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 102, Nr. 47]). 48 Seitens des Sekretariats des Bundes wurde am 17. März dazu erläuternd ausgeführt, dass „für den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR die Erklärung der Synode der EKD“ zwar „nicht unmittelbar von Bedeutung sein“, diese jedoch „die Möglichkeit offizieller Beziehungen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und der EKD“ beeinflussen werde. Diese könnten „möglicherweise davon abhängen, daß das Verhältnis von Bund und EKD eindeutig gleichberechtigt“ beschrieben würde. Jede Erklärung der EKD, die vermuten lasse, „daß eine heimliche Rechtsklammer zwischen den Kirchen in der DDR und den Kirchen in der Bundesrepublik verbleiben soll, würde in den Augen der staatlichen Vertreter die Gleichberechtigung der Partner ausschließen“ (O. Lingner: Vermerk, 18.3.1970 [EZA BERLIN, 4, Nr. 293]). 49 E. Wilkens: Vermerk. Betr. Regionale Vorbereitungstagung Süddeutschland am 3./4.3. 1970 in Herrenalb für die Tagung der EKD-Synode vom 10.–15.5.1970 in Stuttgart, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 268), S. 2. – Auf der regionalen Vorbereitungstagung in Hofgeismar wurde dementsprechend als Formulierung vorgeschlagen: „Synode und Kirchenkonferenz

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letzt angesichts des Berichts über die Meinungsbildung innerhalb des Bundes – ab.50 Auf der Synodaltagung in Stuttgart erneuerten die Synodalen, die vermutlich intern über das Votum des Bundes informiert worden waren,51 ihre Forderungen nach spiegelbildlicher Formulierung dieses Absatzes nicht und akzeptierten damit die Argumente kirchenpolitischer Vorsicht. Allerdings nahmen sie dennoch eine zusätzliche Angleichung des Beschlusstextes an den Artikel 4 (4) der Bundesordnung vor und betonten damit an einer kirchenpolitisch nicht ganz so brisanten Stelle die bleibende Verbundenheit mit den Kirchen des Bundes. Hatte die Ratsvorlage davon gesprochen, dass sich Synode, Kirchenkonferenz und Rat zur „Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft“ bekennen, formulierte die Synode parallel zur Bundesordnung, dass sich Synode, Kirchenkonferenz und Rat „zu der besonderen Gemeinschaft“ bekennen. Erst der zweite Satzteil sprach dann von der Mitverantwortung und den sich daraus ergebenden Aufgaben: „Synode, Kirchenkonferenz und Rat bekennen sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nehmen sie die Aufgaben, die sich daraus ergeben, für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr.“52

Bei ihrer Entscheidung war der Synode durchaus bewusst, dass die anstehende Reform der EKD diese und den DDR-Kirchenbund hinsichtlich ihrer Struktur und Organisationsform trotz der beiderseits bekannten „besonderen Gemeinschaft“ weiter voneinander entfernen werde. Entsprechend wurde nicht nur mehrfach auf die Erklärung der Regionaltagung von 196853 Bezug genommen,54 die auf die gemeinschaftsbildende Funktion der gemeinsamen Aufgabe des „Zeugendienstes für den einen Herrn“ hingewiesen hatte, sondern auch betont, dass die bevorstehende Reform dort ihre Grenze finden müsse, wo die „besondere Gemeinschaft“ verletzt werde.55

der Evangelischen Kirche in Deutschland bekennen sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland und nehmen in der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft Aufgaben, die alle evangelischen Christen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr“ (G. Niemeier: Vermerk. Betr. Regionale Vorbereitungstagung in Hofgeismar am 3./4.3.1970, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 268], S. 1). 50 W. Hammer/O. Lingner: Niederschrift über die 37. Sitzung des Rates der EKD vom 18. bis 19.3.1970 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 755), S. 7 f. 51 Am Abend vor der Eröffnung der Synode fand eine nichtprotokollierte „vertrauliche, brüderliche Aussprache“ statt (vgl. STUTTGART 1970, S. 54). 52 Abl. EKD 24 (1970), S. 277. 53 Erklärung zur Gemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 11.10.1968 (BERLIN-SPANDAU 1968, S. 347). 54 Vgl. etwa STUTTGART 1970, S. 84. 55 Bischof Kurt Scharf im Rechenschaftsbericht des Rates: „Wir müssen an der Rechts-

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Hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen, die der EKD aus der Bundesgründung erwuchsen, ging auch die Synode uneingeschränkt davon aus, dass „die EKD als solche . . . in der Bundesrepublik und Berlin (West) nach wie vor“ weiter bestehe.56 Die im Vorfeld erhobene Forderung, nunmehr das Ende der EKD zu konstatieren, wurde betont abgewiesen.57 Ging diese Forderung vor allem davon aus, dass erst ein Ende der EKD die allgemein erstrebten kirchlichen Reformen ermögliche, war die überwiegende Mehrheit in der Synode, die für einen Fortbestand der EKD eintrat, der Meinung, dass eine weiter bestehende EKD die bessere Grundlage für eine unverzügliche Inangriffnahme des Reformwerkes biete. Unter der Voraussetzung des Fortbestandes der EKD sei es auch nicht nötig, „neues Recht zu schaffen“. Vielmehr genüge „eine feststellende Auslegung gültigen und nunmehr allein für unseren Bereich wirksamen Rechts“.58 Diese von der Synode vorgenommene Auslegung beinhaltete zum einen die Feststellung, dass die Grundordnung – begrenzt auf den West-Bereich – weiter in Geltung stehe, woraus sich zum anderen die Notwendigkeit ergab, dass sich die versammelte regionale Tagung (West) zur Synode der EKD erklärte. Entsprechend beschloss die Synode mit großer Mehrheit,59 dass „die Grundordnung der Evangelischen Kirgestalt und den Organisationsformen weiterarbeiten. Wir müssen bessere, brauchbarere, ja auch neue Organisationsformen, Institute und Organe entwickeln, brauchbarere als das, was uns im Westbereich an Instrumentarium für die leitende Verantwortung der Synode, des Rates und der Amtsstellen, der kirchlichen Werke, Kammern und Arbeitsgemeinschaften zur Verfügung steht. Wir haben dies zu tun und müssen dabei ständig prüfen, daß über diesem nötigen Reformprozeß die Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland nicht aufgegeben wird, von der der Artikel 4,4 der Satzung des Kirchenbundes als von einer besonderen Gemeinschaft spricht“ (STUTTGART 1970, S. 11). 56 Vgl. EBD., S. 277. 57 Rudolf Kissel als Berichterstatter des Ausschusses für Struktur- und Verfassungsfragen: „Wir haben nun im Verlauf dieser Tagung in Gesprächen, in Zuschriften die Forderung gehört, das Ende der EKD solle festgestellt werden. Hierzu sieht der Ausschuß weder Anlaß noch Möglichkeit. Feststellen läßt sich nach unserer Überzeugung nur etwas Bestehendes, rechtlich steht aber nach Überzeugung des Ausschusses fest, daß die EKD fortbesteht, wenn auch in einem begrenzten Gebiet“ (EBD., S. 167). 58 EBD., S. 83. 59 Die „Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und zur Rechtslage innerhalb der EKD“ (Vorlage 2a) wurde in erster Lesung bei 4 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen (STUTTGART 1970, S. 178), in zweiter Lesung bei 2 Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen (EBD., S. 235). Die Kirchenkonferenz stimmte ihr auf ihrer Zusammenkunft am 15. Mai einstimmig zu (W. Hammer: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 15.5.1970 in Stuttgart [Hospitalhof], undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 314]). Die eigentlich für Kirchengesetze vorgesehene Form einer Beschlussfassung mit zweifacher Lesung wurde bewusst gewählt, weil die mit dieser Erklärung vorgenommene Umwandlung der Regionalsynode West zur EKD-Vollsynode für die künftige EKD von „konstitutiver“ Bedeutung war (vgl. STUTTGART 1970, S. 170).

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che in Deutschland . . . für die im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) gelegenen Gliedkirchen“ fortgelte und sich „die regionale Tagung (West) . . . damit zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland“ erkläre und deren „Aufgaben und Befugnisse nach Maßgabe des geltenden Rechts für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)“ wahrnehme.60 Dieser Passus war vom Synodalausschuss im Vergleich zur Ratsvorlage leicht – der Berichterstatter sprach von einem „im wesentlichen formellen Charakter“ der Änderung – umformuliert worden. Zwar ging es dem Ausschuss dabei vor allem um eine ausdrückliche Entsprechung nicht nur zur Grundordnung, sondern auch zum „geltenden Recht“,61 die von ihm vorgenommene Umformulierung, insbesondere die Feststellung, dass sich die Synode zur EKD-Synode „erklärt“, dürfte jedoch auch den Interessen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR entgegengekommen sein. Dieser, genauer: der Vorstand der KKL, hatte sich im Zusammenhang der Ost-West-Verständigung im Vorfeld der Synode62 gegen die vorgelegte Fassung der Ratsvorlage und für eine frühere, demgegenüber knappere und klarere Formulierung der EKD-Kirchenkanzlei ausgesprochen, da diese weniger Anlass für die Vermutung böte, „daß eine heimliche Rechtsklammer zwischen den Kirchen in der DDR und den Kirchen in der Bundesrepublik verbleiben“ solle.63 Vielmehr müsse – wie auf der Zusammenkunft der Berater- bzw. Berlin-Gruppe am 27. April von östlicher Seite vorgetragen wurde – „eine eindeutige Begrenzung der Zuständigkeit der EKD auf den Bereich der Bundesrepublik und Westberlin erfolgen“.64 Diesem Anliegen schien die knappe Formulierung der Kirchenkanzlei: „Die regionale Tagung (West) der Synode ist nunmehr die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland“,65 entgegenzukommen. Demgegenüber wollte der Rat jedoch stärker zum Ausdruck bringen, dass es sich bei dieser Maßnahme lediglich um eine Reaktion auf die durch Gründung des Bundes entstandenen Gegebenheiten handele,66 und formulierte entsprechend vorsichtiger: „Die bisherige regionale Tagung (West) nimmt nunmehr als Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und nach Maßgabe der Grundordnung die Aufgaben und Befug-

60 Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Gründung des BEK und zur Rechtslage innerhalb der EKD vom 15.5.1970 (Abl. EKD 24 [1970], S. 277). 61 Vgl. STUTTGART 1970, S. 169. 62 Siehe oben S. 30. 63 Vermerk Lingners, 18.3.1970 (EZA BERLIN, 4, Nr. 293). 64 O. Lingner: Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Gruppe am 27.4.1970 (Berlin-Gruppe), undatiert (EZA BERLIN, 4, Nr. 293), S. 4. 65 Entwurf der Kirchenkanzlei für die Ratssitzung am 11./12.2.1970: Vorlage für die 3. Regionale Tagung (West) der 4. Synode der EKD, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 754), S. 2. 66 Vgl. dazu W. Hammer: Skizze für einen Gesprächsgang in der Januar-Ratssitzung 1970, 11.1.1970 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 753), S. 2 f. sowie das oben zitierte Votum des Synodalen R. v. Weizsäcker (S. 27 f.).

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD nisse der Synode für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) wahr“.67 An dieser Formulierung hielt er auch angesichts der genannten Stellungnahmen aus dem Bereich des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR fest.68

Völlig ohne Rechtsänderungen ging es allerdings dennoch nicht ab. Insbesondere musste die Synode, die durch den Austritt der ostdeutschen Landeskirchen auf weniger als zwei Drittel ihres Bestandes reduziert worden war und damit als Synode der EKD unter der Beschlussfähigkeitsgrenze lag, erweitert werden. Mit einer vereinzelt auch hier erwogenen „Politik der leeren Plätze“69, also dem Freihalten der ostdeutschen Synodalsitze für eine eventuelle Heimkehr der ostdeutschen Landeskirchen in die EKD, hätte die Synode nicht nur den ausdrücklichen Wunsch der DDR-Kirchen missachtet,70 sondern sich selbst auch zur Handlungsunfähigkeit verurteilt.71 Da in der Grundordnung lediglich die Gesamtanzahl der von den Landeskirchen zu entsendenden Synodalen (100),72 nicht jedoch die Aufschlüsselung festgelegt war,73 konnte unter Beibehaltung der Gesamtzahl auch diese Neuregelung ohne Änderung der Grundordnung erfolgen. Das beschlossene „Kirchengesetz über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland“ schlüsselte die durch Ausscheiden der östlichen Landeskirchen frei gewordenen Sitze nunmehr – je nach Größe – auf die verbleibenden, westlichen Landeskirchen auf.74

67 W. Hammer/G. Niemeier: Niederschrift über die 36. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.2.1970 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 754), S. 4. 68 W. Hammer/O. Lingner: Niederschrift über die 37. Sitzung des Rates der EKD vom 18. bis 19.3.1970 in Berlin, undatiert (EZA 2/93, Nr. 755), S. 7. – Die zurückhaltende Tendenz wurde noch dadurch verstärkt, dass in der Endfassung der Vorlage 2a die Präzisierung „als Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland“ weggelassen wurde. 69 Vgl. R. HENKYS, Von der EKD zum Kirchenbund, S. 27. 70 Auf der Zusammenkunft der Berater- bzw. Berlin-Gruppe am 27.4.1970 war von ostdeutscher Seite als „um der Klarheit willen wichtig“ vorgetragen worden, „daß die EKD-Synode als solche tagt und ihre Synodalen auf die in der Grundordnung vorgeschriebene Zahl ergänzt“ (O. Lingner: Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Gruppe am 2.7.1970 [Berlin-Gruppe], undatiert [EZA BERLIN, 4, Nr. 293], S. 4). 71 Siehe oben S. 24, Anm. 12. 72 Hinzu kamen nach Art. 24 (1) GO 48 zwanzig vom Rat zu berufende Synodale. 73 Die Zusammensetzung im Einzelnen war durch Kirchengesetz geregelt: Kirchengesetz über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der EKD vom 18.3.1954 (Abl. EKD 8 [1954], S. 92]). 74 Dieses Kirchengesetz über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der EKD (Abl. EKD 24 [1970], S. 278), das hinsichtlich der Aufschlüsselung der Synodalsitze der Vorlage 2b des Rates entsprach, wurde von der Synode bei lediglich einer Enthaltung beschlossen (STUTTGART 1970, S. 178).

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Wie bereits zuvor erwartet, bildete neben einer Stellungnahme zur Gründung des Bundes einerseits und den notwendigen Klärungen zum unmittelbaren Fortbestand der EKD andererseits die Frage der Strukturreform das eigentlich beherrschende Thema der Synode. Obwohl die Synode mit einer eindringlichen Warnung des Vorsitzenden des Rates der EKD, des bayerischen Landesbischofs Hermann Dietzfelbinger, vor „voreiligen Einheitsparolen“ begonnen hatte,75 herrschte in der Synode in dieser Hinsicht Aufbruchsstimmung. Vor allem zwei Gesichtspunkte wurden für eine dringliche Reform der EKD geltend gemacht: Zum einen wurde darauf hingewiesen, dass „die Grundordnung der EKD aus dem Jahre 1948 als Ausdruck unserer kirchlichen Gemeinschaft die Verfassungswirklichkeit in unserem Bereich längst nicht mehr“ decke. Denn die Gemeinschaft innerhalb der EKD sowie zwischen ihren Gliedkirchen sei bereits weitaus enger, als dies nach der Grundordnung zu erwarten wäre. Zum anderen werde immer deutlicher, dass Aufgaben, die allen Kirchen gemeinsam aufgegeben seien (z. B. in Mission, Diakonie und Ökumene), auch gemeinsam als „Gemeinschaftsaufgaben“ gelöst werden müssten, was in der gegenwärtigen EKDStruktur jedoch kaum effektiv möglich sei.76 Vielmehr seien für die Durchführung dieser Gemeinschaftsaufgaben „wirksamere Arbeitsformen denkbar und nötig“,77 wobei sowohl Überlegungen zur Effektivität als auch zur Finanzierbarkeit eine Rolle spielten. Der Beschlussentwurf „zum künftigen Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland“, der diesen dritten Problemkreis betraf, wurde der Synode vom Tagungsausschuss für Struktur- und Verfassungsfragen als „Produkt langer und harter Diskussionen“78 vorgelegt. In diesem Entwurf habe sich der Ausschuss, so der Berichterstatter, um Ehrlichkeit und Nüchternheit bemüht und deshalb bewusst verzichtet, große, aber unrealistische Ziele zu skizzieren. Vielmehr habe der Ausschuss „einen Kompromiß gesucht . . . zwischen der Erklärung von völlig Neuem einerseits und dem lediglich sicher voraussehbar Erreichbaren auf der anderen Seite“.79 Die dem Bericht folgende Synodalaussprache bezog sich dann vor allem auf den in der Vorlage verwendeten Begriff „Bundeskirche“ als Charakteristikum für die künftige EKD sowie auf den Punkt 6 der Vorlage, in dem versucht worden 75 Dietzfelbinger verwies dabei auf die fatalen Folgen solcher Parolen im Jahre 1933. Darüber hinaus würde auch „die derzeitige Wirklichkeit“ verkannt, „wenn wir über dem vielfach vorhandenen ehrlichen Drang nach weiterer Einigung die sich vertiefenden Klüfte übersähen, die durch die evangelische Christenheit in Deutschland, ihre Pfarrerschaft, ihre Gemeinden und ihre Jugend gehen“ und die – so ist Dietzfelbinger wohl zu verstehen – zuvörderst in Angriff zu nehmen wären (EBD., S. 43). 76 EBD., S. 85 (R. Weeber). 77 EBD. 78 EBD., S. 173 (O. R. Kissel). 79 EBD., S. 174.

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war, den Auftrag der Kirche u. a. mit der Formulierung „Kirche für andere“ kurz zu umreißen.80 Der Begriff „Bundeskirche“ wurde – neben Einwänden, die die Parallelität zu Formulierungen im Staatsrecht („Bundesstaat“ und „Staatenbund“) als misslich empfanden81 – von bayerischer Seite insbesondere deshalb angefragt, weil er neben einer notwendigen Änderung der Arbeitsstruktur auch bereits die Bildung einer neuen Form von Kirchengemeinschaft festschreibe.82 Dazu sei jedoch ein „Bewußtseinsprozeß erforderlich, der eine gewisse Zeit“ brauche sowie eine „ganze Reihe von theologischen und juristischen Fragen“ aufwerfe. Entsprechend wollten die Kritiker die Zielstellung einer „Bundeskirche“ nicht als Nahziel, sondern lediglich als ein im Laufe der Entwicklung mögliches Fernziel angesprochen wissen.83 Darin erfuhren sie allerdings unter anderem auch Widerspruch seitens des Leitenden Bischofs der VELKD, Hans-Otto Wölber, der „die Brüder aus Bayern darauf aufmerksam“ machte, dass die VELKD „auf den Synoden von Tutzing und von Augsburg sehr deutlich gesagt“ habe, „daß wir die Einheit im Zeugnis suchen“.84

Während Punkt 6 aufgrund der Synodalaussprache noch einmal überarbeitet wurde, blieb der Begriff „Bundeskirche“ als unmittelbare Zielbeschreibung für den „künftigen Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland“ erhalten. Trotzdem wurde die Vorlage in ihrer überarbeiteten Fassung einstimmig angenommen.85 Punkt 1 dieser „Entschließung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zum künftigen Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland“86 fasste die Begründung für die geplante Neugestaltung in die Form eines dankbaren Rückblicks: „Die Synode stellt dankbar fest, daß in den Jahren seit 1945 die Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit über die Ordnung des im Jahre 1948 auf der Wartburg bei Eisenach beschlossenen Bundes lutherischer, reformierter und unierter Kirchen hinausgewachsen ist. Die Gemeinsamkeit ihres Zeugnisses und Dienstes fand im Laufe dieser Jahre zunehmend verstärkten Ausdruck in der Zusammenarbeit der Gliedkirchen bei zahlreichen missionarischen und diakonischen Aufgaben.“87

80 Vgl. EBD., S. 191 ff. 81 Vgl. EBD., S. 187 f. (G. Fricke, G. Wachsmann). 82 Vgl. EBD., S. 178–181. 83 Vgl. EBD., S. 181. – Eine solche Differenzierung zwischen Strukturreform einerseits und Vertiefung der Kirchengemeinschaft andererseits wurde von bayerischer Seite auch später immer wieder ins Gespräch gebracht (vgl. u. a. LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1970, S. 204–206). 84 Vgl. STUTTGART 1970, S. 182. 85 Vgl. EBD., S. 195. 86 Abl. EKD 24 (1970), S. 279 f. – siehe unten Dok. 2. 87 EBD., S. 279.

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Begrüßt wurde die Bewegung, die „unter uns . . . im Gange“ ist und „welche die bestehende Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes unserer bekenntnisbestimmten Kirchen vertiefen und stärken will“.88 An die Stelle des bisherigen Kirchenbundes solle deshalb eine „Bundeskirche“ treten, die sich „der Fragen und Aufgaben“ annehme, „die alle Gliedkirchen miteinander sowie die Werke und Einrichtungen der Evangelischen Kirche in Deutschland und nicht nur einzelne Gliedkirchen oder Gruppen von Gliedkirchen betreffen“.89 Um aus dieser Zielstellung die notwendigen Folgerungen zu ziehen und Vorschläge für die Neugestaltung der Grundordnung zu unterbreiten, wurde ein aus 24 Mitgliedern (16 Synodale und 8 Vertreter der Kirchenkonferenz) bestehender ständiger Ausschuss für Struktur- und Verfassungsfragen eingesetzt. Dieser Ausschuss wurde ermächtigt, „Unterausschüsse zu bilden“, „sachkundige Berater zuzuziehen“ und die „Ergebnisse seiner Arbeit jeweils zu veröffentlichen, um insbesondere Gemeinden und Synoden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben“.90 Als Einzelfragen, die vom Ausschuss insbesondere zu prüfen seien, wurden hervorgehoben: „Vermehrung der Befugnisse der Synode und der Kirchenkonferenz Überprüfung der Struktur und Arbeitsweise der Leitungsorgane Vermehrte Funktionsgliederung und Verringerung der Ämterhäufung Finanzausgleich Revision des Wahlrechts der Synode.“91

Ausdrücklich genannt wurde – angesichts der dazu bereits seit längerem im Gange befindlichen Diskussion – auch die Aufgabe, „vorzuschlagen, welchen Namen die Evangelische Kirche in Deutschland künftig tragen soll“.92 88 EBD. (Punkt 2). – Gedacht war dabei insbesondere an die Begegnung von Vertretern der VELKD und der Arnoldshainer Konferenz am 22.1.1970, aus der die oben genannten „Thesen zur Kirchengemeinschaft“ erwachsen waren (siehe oben S. 22 f.). 89 Ausdrücklich genannt wurden „Fragen und Aufgaben“ insbesondere aus folgenden Bereichen: theologische Grundsatzfragen, Diakonie und Mission, Mitverantwortung für Frieden und soziale Gerechtigkeit in der Welt, interkonfessionelle und ökumenische Arbeit, Auslandsarbeit, Verantwortung in Staat und Gesellschaft, Bildung und Erziehung, Öffentlichkeitsarbeit, Ausbildung und Fortbildung aller kirchlichen Mitarbeiter, Angleichung des gliedkirchlichen Rechts (Abl. EKD 24 [1970], S. 279). 90 Abl. EKD 24 (1970), S. 279. – Der letzte Punkt wurde dadurch verwirklicht, dass ein „Materialdienst zur Struktur- und Verfassungsreform“ herausgegeben wurde (Nummer 1 wurde von der Kirchenkanzlei Hannover vertrieben, ab Nummer 2 erschien der Materialdienst im Rahmen der epd Dokumentation). 91 EBD., S. 279 f. 92 EBD., S. 280; gegen M. HECKEL, Vereinigung, S. 54. – Eine Änderung des Namens, etwa in „EKD (BR)“, war im Interesse eines ungehinderten „Zusammenkommens des Rates mit den Organen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ (also im Interesse eines weniger restriktiven Verhaltens der DDR-Behörden bei entsprechenden Ein- und Ausreisen) vom Vorstand der KKL nach der Gründung des Bundes mehrmals erbeten worden

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Seitens des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR wurden die Beschlüsse der Stuttgarter Synode begrüßt. Allerdings ließen Fehldeutungen seitens der DDR-Propaganda und damit einhergehende Forderungen nach einer Überprüfung des Artikels 4 (4) der Bundesordnung93 eine richtig stellende Interpretation der Stuttgarter Beschlüsse aus der Sicht des Kirchenbundes notwendig erscheinen. Diese erfolgte im Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen auf der 2. Tagung der Bundessynode (26.–29. Juni 1970 in Potsdam-Hermannswerder), der angesichts der Stuttgarter Beschlüsse feststellte, dass damit „die nunmehr vorhandene organisatorische Trennung ebenso klar anerkannt“ sei „wie die weiterbestehende geistliche Gemeinschaft“. Diese Einsicht wurde im Anschluss unmittelbar umgesetzt, indem einerseits zur Entschließung der EKD-Synode zum künftigen Weg der EKD inhaltlich ausdrücklich nicht Stellung genommen,94 andererseits aber die gemeinsame Arbeit an theologischen Sachfragen zwischen EKD und BEK besonders hervorgehoben wurde.95 Diese Betonung der organisatorischen Unabhängigkeit bei gleichzeitiger geistlicher Gemeinschaft wurde von der Synode in ihrem Beschluss zum Bericht der Konferenz ausdrücklich bestätigt.96 (vgl. etwa O. Lingner: Protokoll über die Sitzung des Vorstandes der KKL mit der Beratergruppe des Rates der EKD [West] am 15.12.1969, undatiert [EZA BERLIN, 4, Nr. 67], S. 2), war innerhalb des Rates der EKD allerdings auf wenig Entgegenkommen gestoßen (vgl. W. Hammer/O. v. Harling: Niederschrift über die gemeinsame Sitzung des Rates und des Präsidiums der Synode der EKD, 12.2.1970 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 268], S. 3). 93 Vgl. den Juni 1970 am Vortag der Tagung der Bundessynode in der „Neuen Zeit“ veröffentlichten Artikel von Friedrich Kind, der sich insbesondere auf die „Rechtliche Begründung“ der der Entschließung zu Grunde liegenden Ratsvorlage (vgl. oben S. 26, Anm. 27) bezog (abgedruckt in: KJ 97 [1970], S. 222–224). 94 „Die Synode hat einen Ausschuß eingesetzt, der u. a. die Grundordnung der EKD zu überprüfen und Vorschläge für eine Neuordnung zu machen hat. Unter den Aufträgen an den Ausschuß ist auch der ‚vorzuschlagen, welchen Namen die EKD künftig tragen soll‘. Der Ausschuß soll der nächsten Tagung der Synode erste Ergebnisse vorlegen. Strukturund Namensfragen in der EKD liegen allein in deren Verantwortung. Wir wünschen den Kirchen in der Bundesrepublik von Herzen, daß die nächste Zeit sie der vollen Kirchengemeinschaft ein erhebliches Stück näher bringen möge, wie wir das auch für unseren Bund erhoffen.“ Allerdings verhehlte der Bericht nicht, dass er bei der Namensfrage auch ein eigenes Interesse habe: „Wir wünschen dem Ausschuß guten Erfolg auch in den Bemühungen, einen Namen zu finden, der Mißdeutungen der zwischen uns bestehenden Gemeinschaft so weit wie möglich ausschließt“ (Bericht der KKL vor der Synode des BEK, 2. Tagung, 26.–29.6.1970 [Vorlage Nr. 4], undatiert [EZA BERLIN, 4, Nr. 67], S. 9, abgedruckt in: KJ 97 [1970], S. 248). 95 EBD., S. 10. 96 „Im Blick auf das Verhältnis zu den Kirchen der EKD haben wir von der Erklärung der Synode in Stuttgart vom Mai 1970 Kenntnis genommen und sind wie die Konferenz der Auffassung, daß ‚die nunmehr vorhandene organisatorische Trennung ebenso klar anerkannt (ist) wie die weiterbestehende geistliche Gemeinschaft‘. Nach Meinung der Synode ist mit dieser Aussage des Konferenzberichtes die einzig legitime Interpretation des Artikels 4,4 der

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Damit war das Problem allerdings nicht beseitigt. Insbesondere Äußerungen von Bischof Scharf bzw. deren Wiedergabe in der Presse, die im Sinne eines unveränderten Fortbestehens der EKD verstanden werden konnten,97 gaben der staatlichen Kritik am Artikel 4 (4) BO neue Nahrung98 und warfen auch innerhalb des Bundes die Frage auf, ob die EKD noch zu den Stuttgarter Beschlüssen stehe.99

3.1.3. Grundsätzliche Differenzen im Struktur- und Verfassungsausschuss Der Struktur- und Verfassungsausschuss sollte nach dem Stuttgarter Synodalbeschluss aus 16 Synodalen und 8 Vertretern der Kirchenkonferenz bestehen. Hinzu kamen nach Paragraf 14 der Geschäftsordnung der EKDSynode Vertreter des Präsidiums der Synode (zwei)100 und des Rates der EKD (drei)101 sowie ein von der Kirchenkanzlei gestellter Geschäftsführer (Lingner),102 sodass sich bis zur Erweiterung des Ausschusses im Februar 1971 eine Zahl von 30 ständigen Mitgliedern ergab.103 Nachdem die 16 synodalen Mitglieder noch am 15. Mai von der Synode berufen worden Bundesordnung gegeben. Wir weisen alle Versuche zurück, die bestehende geistliche Gemeinschaft zu entleeren oder sie so zu interpretieren, daß dadurch die organisatorisch-rechtliche und institutionelle Selbständigkeit des Bundes in Frage gestellt wird“ (in: M. FALKENAU, Kundgebungen BEK I, S. 17 f.; KJ 97 [1970], S. 249). 97 Vgl. etwa seinen Rechenschaftsbericht vor der Regionalsynode West der EKiBB Juni 1970 (in: KJ 97 [1970], S. 261 f.). 98 Vgl. O. Lingner: Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Gruppe am 2.7.1970 (Berlin-Gruppe), undatiert (EZA BERLIN, 4, Nr. 293), S. 3; Ders.: Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Gruppe am 15.11.1970 (Berater-Gruppe), undatiert (EZA BERLIN, 4, Nr. 67), S. 3. 99 Vgl. G. Niemeier/H. Becker: Niederschrift über die 43. Sitzung des Rates der EKD am 29. und 30.7.1970 in München, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 760), S. 14 f.; dazu insgesamt M. HECKEL, Vereinigung, S. 77. 100 Ludwig Raiser, Gerhard Wachsmann. 101 Wilhelm Niesel, Gerta Scharffenorth, Rudolf Weeber. 102 Beauftragte der Kirchenkanzlei oder des Kirchlichen Außenamtes der EKD waren nicht vertreten. Eine Empfehlung des Rates, „zu den Sitzungen Teilnehmer von Amts- u. Dienststellen sowie von kirchlichen Einrichtungen und Werken mit Beraterstatus hinzuzuziehen“, lehnte der Struktur- und Verfassungsausschuss ab (O. Lingner: Niederschrift über die zweite Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 6.11.1970 in Frankfurt/M., undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315], S. 4). 103 Vgl. die namentlichen Aufstellungen in EZA BERLIN, 2/93, Nr. 314, auch bei M. AHME, Reformversuch, S. 44 (der dafür allerdings die Teilnehmerliste der ersten Zusammenkunft zu Grunde legt und deshalb irrtümlicherweise neben Lingner noch zwei weitere Vertreter der Kirchenkanzlei als ständige Mitglieder aufführt).

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waren,104 bestimmte der Rat seine ständigen Vertreter Mitte Juni,105 die Kirchenkonferenz Anfang Juli.106 Unter den Delegierten der Synode befand sich kein Vertreter der Westregion der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, was deren Präses noch auf der Stuttgarter Synodaltagung mit dem Hinweis auf den besonderen grenzübergreifenden Charakter und den daraus resultierenden besonderen Erfahrungen dieser Kirche in Ost-West-Fragen kritisierte.107 Daraufhin entsandte die Kirchenkonferenz den Vizepräsidenten der Kirchenkanzlei der EKU und Vertreter der berlin-brandenburgischen Kirchenleitung, Martin Fischer, als ordentliches Mitglied. Darüber hinaus empfahl sie, dass in der Funktion eines im Stuttgarter Synodalbeschluss vorgesehenen „sachkundigen Beraters“ – also nicht im Status eines ständigen Beraters – der Westberliner Konsistorialpräsident Hansjürg Ranke zur Arbeit „an Ost-West-Problemen“ hinzugezogen werden möchte.108 Diese modifizierte Regelung hielt auch der Struktur- und Verfassungsausschuss für ausreichend und lehnte damit die weiter gehende Bitte Berlin-Brandenburgs ab.109 Sie wurde auch im Februar 1971, als eine Ergänzung und Erweiterung des Ausschusses anstand, nicht noch einmal aufgegriffen, was auf die geringe Bedeutung hinweist, die dem Bereich der Ost-West-Fragen im Zusammenhang der EKD-Reform – nicht zuletzt angesichts der aufbrechenden theologischen Probleme – beigemessen wurde.

Wegen der relativ späten Nominierung der Mitglieder der Kirchenkonferenz und der sich anschließenden Sommerpause fand die erste Zusammenkunft des Struktur- und Verfassungsausschusses erst am 9. Oktober 1970 statt. Zu seinem Vorsitzenden wählte der Ausschuss den neuen Präses der EKD-Synode, Prof. Ludwig Raiser, zu Stellvertretern jeweils einen Repräsentanten der VELKD (Werner Hofmann, Bayern) und der Arnoldshainer Konferenz (Werner Danielsmeyer, Westfalen).110 Die Geschäftsführung übernahm Oberkonsistorialrat Olav Lingner, der zu diesem Zweck als 104 Vgl. STUTTGART 1970, S. 246; Der Präses der Synode der EKD (L. Raiser) an die Kirchenkanzlei der EKD, Betr. Ausschuß für Struktur- und Verfassungsfragen, 21.5.1970 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 314). 105 W. Hammer/O. Dibelius: Niederschrift über die 41. Sitzung des Rates der EKD vom 9. bis 11.6.1970 in Stapelage (Lippe), undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 758), S. 8. 106 W. Hammer/G. Grimme: Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 8.7.1970 in Hannover (EZA BERLIN, 4, Nr. 152). 107 Vgl. STUTTGART 1970, S. 240 f. 108 W. Hammer/G. Grimme: Auszug aus der Niederschrift (vgl. Anm. 106). 109 Vgl. O. Lingner: Niederschrift über die 1. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 9.10.1970 in Frankfurt/Main, undatiert (EZA BERLIN, 4, Nr. 152), S. 2; Ders.: Stenographische Niederschrift der Verhandlungen des Struktur- und Verfassungsausschusses am 9.10.1970 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 50), S. 1. 110 Vgl. O. Lingner: Niederschrift über die 1. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses (vgl. Anm. 109), S. 4; Ders.: Niederschrift über die zweite Sitzung des Strukturund Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 6.11.1970 in Frankfurt/M., undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315), S. 4.

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hauptamtlicher Referent von der EKU-Kirchenkanzlei in den Dienst der EKD wechselte.111 Die Sacharbeit des Ausschusses auf dieser ersten Zusammenkunft, deren Arbeitsatmosphäre von Raiser im Nachhinein als „gut“ bezeichnet wurde,112 begann mit einem ausführlichen Referat Lingners, in dem dieser in einem ersten Teil „die grundsätzliche Problematik der Neuordnung der EKD“ entfaltete, um in einem zweiten Teil die bis dahin geleisteten Vorarbeiten und vorgelegten Konzeptionen113 für eine Neuordnung der EKD darzustellen.114 Er machte deutlich, dass sowohl das Ziel einer engeren Dienstgemeinschaft der Kirchen als auch dasjenige einer inhaltlich qualifizierten Kirchengemeinschaft im Bereich der EKD allgemein als erstrebenswert und notwendig angesehen wurden. Als strittig erschienen angesichts der bis dahin geführten Diskussion freilich Voraussetzungen und organisatorische Konsequenzen einer inhaltlich qualifizierten Kirchengemeinschaft. Während die Lutheraner als Voraussetzung dafür einen „Consensus de doctrina“ forderten,115 hielten die Kirchen der Arnoldshainer Konferenz einen solchen Konsens nicht unbedingt für erforderlich, sondern betonten stattdessen die einigende Kraft des Vollzugs von Gemeinschaft.116 In diesem Zusammenhang zitierte Lingner den schleswig-holsteinischen Bischof Friedrich Hübner mit den Worten: „Die Lutheraner suchen die Einheit unter dem Stichwort: Kirchengemeinschaft entsteht durch Konsensus. Die Unierten meinen dagegen: Konsensus entsteht durch bereits vollzogene

111 Vgl. W. Nuyken: Niederschrift über die Besprechung der leitenden Juristen aus den Gliedkirchen am 24.6.1970 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 268), S. 2; O. v. Harling: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der Synode der EKD in Frankfurt am 3.7.1970, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 268), S. 2. 112 W. Hammer/O. Dibelius: Niederschrift über die 45. Sitzung des Rates der EKD am 14., 15. und 16.10.1970 in Stuttgart, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 762), S. 7. 113 Das waren insbesondere (vgl. Kommuniqué über die konstituierende Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der EKD am 9.10.1970 [epd Dokumentation 44/70, S. 1]): (1) die Thesen des Planungsausschusses der VELKD vom 20.3.1970 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 357, abgedruckt in: KJ 97 [1970], S. 23–25), (2) die Thesen der Arnoldshainer Konferenz zur Verfassungsreform vom 3.10.1970 (KJ 97 [1970], S. 25–32; epd Dokumentation 44/70, S. 37–45), (3) eine Vorlage der Studiengruppe für Planungsfragen zur Neuordnung der EKD (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315, abgedruckt in: epd Dokumentation 44/70, S. 22–36). 114 O. Lingner: Stand der Diskussion um die Neuordnung der EKD (epd Dokumentation 44/70, S. 2–21); vgl. Ders.: Niederschrift über die 1. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 9.10.1970 in Frankfurt/Main, undatiert (EZA BERLIN, 4, Nr. 152), S. 3. 115 O. Lingner: Stand der Diskussion (vgl. Anm. 114), S. 11; zur Differenzierung dieses lutherischen Standpunktes vgl. H.-O. Wölber: Anmerkungen zum Referat Lingners (epd Dokumentation 2/71, S. 15). 116 O. Lingner: Stand der Diskussion (vgl. Anm. 114), S. 11.

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Kirchengemeinschaft.“117 Hinsichtlich der organisatorischen Konsequenzen – so Lingner weiter – würde von lutherischer Seite betont, „daß ein Lehrkonsensus notwendigerweise zu einer organisierten Kirchengemeinschaft“ führen müsse, während dies von den Kirchen der Arnoldshainer Konferenz wiederum nicht für notwendig gehalten werde.118 Bei seinem Überblick über die vorhandenen Entwürfe griff Lingner – abgesehen von einer Würdigung ihrer Einzelvorschläge – insbesondere ein methodisches Problem auf, das in der „Vorlage der Studiengruppe für Planungsfragen zur Neuordnung der EKD“ skizziert worden war.119 Dieses Problem stellte sich dar als Alternative zwischen einem Verfahren, bei dem die Grundordnung in Abwägung einzelner „Endmodelle“ lediglich dahingehend korrigiert werde, dass eine Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben möglich sei, und das damit „eine Priorität juristischer Rahmenregelungen vor einer Konzipierung der die Kirchengemeinschaft konstituierenden Aufgaben“ postuliere, und einem entgegengesetzten Verfahren, das konstruktiv von einer „Bestimmung und Beschreibung der anstehenden Gemeinschaftsaufgaben“ ausgehe und dementsprechend nicht „eine Überwindung der genannten und allgemein anerkannten Anpassungsrückstände im Sinne einer Teilrevision der Grundordnung“ intendiere, „sondern eine grundlegende Analyse der gemeinschaftsbildenden Aufgaben der Kirchen“ erfordere.120 Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten eines pragmatisch-korrigierenden bzw. grundsätzlich-konstruktiven Vorgehens legte Lingner in seinem Schlusswort dem Ausschuss als die zuvörderst zu klärende Grundfrage vor: „Der Strukturausschuß scheint nun als erstes eine Grundfrage klären zu müssen: Ist die Zeit reif für eine mehr oder weniger schnelle Entscheidung, die sich an den vorhandenen Ordnungsentwürfen orientiert und hier und da Harmonisierungen vornimmt? . . . Oder ist die Zeit noch nicht reif? Müssen die ungeklärten Fragen aufgegriffen werden? Das würde natürlich bedeuten, daß die Neuordnung der EKD zu einer langfristigen Arbeit würde. Dies würde aber auch zur Voraussetzung haben, daß sich der Strukturausschuß grundsätzlich für weitreichende Reformpläne aufgeschlossen zeigen müßte, wenn ein Sachzwang dies erfordert.“121

117 EBD., S. 11 f. 118 EBD., S. 12 f. 119 EBD., S. 19. – Bei dieser „Studiengruppe für Planungsfragen bei der Kirchenkanzlei der EKD“ handelte es sich nicht um eine Planungsgruppe der Kirchenkanzlei, sondern um einen 1969 aus privater Initiative gebildeten Arbeitskreis „zur Beratung der innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland anstehenden Strukturfragen“ (epd Dokumentation 44/70, S. 22). 120 Vorlage der Studiengruppe für Planungsfragen zur Neuordnung der EKD, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315), S. 2 f. 121 O. Lingner: Stand der Diskussion (vgl. Anm. 114), S. 20 f.

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In der anschließenden Diskussion bestätigte auch der Ausschuss insgesamt noch einmal das von der Stuttgarter Synode formulierte Ziel einer „engeren Gemeinschaft der Kirchen“. Von lutherischer und unierter Seite wurden dafür allerdings – und zwar in scheinbarer Umkehrung der von Lingner skizzierten Positionen – unterschiedliche Wege empfohlen. Während Werner Hofmann (Bayern) die Meinung vertrat, dass erst an der praktizierten Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben deutlich werde, wie weit eine solche engere „Gemeinschaft vorhanden ist und verwirklicht werden“ könne, wurde von Martin Fischer (EKU) ausdrücklich die Notwendigkeit betont, für die gemeinsame Wahrnehmung wesentlicher Aufgaben auch „theologisch eine gemeinsame Grundlage zu finden“.122 Nur so werde deutlich, dass die EKD „eben mehr“ sei „als die Summe der Landeskirchen“.123 Mit dieser Alternative zwischen einer primär theologischen (Fischer) und einer primär aufgabenbezogenen Grundsatzarbeit (Hofmann) überschnitt sich zum Teil die von Lingner am Schluss seines Referates gestellte methodische Grundfrage eines eher pragmatisch-korrigierenden oder eher grundsätzlich-konstruktiven Vorgehens. Der Ausschuss entschied sich angesichts dieser Möglichkeiten nicht für einen bestimmten Zugang, sondern für die Berücksichtigung aller gangbar erscheinenden Wege. Er sah für seine weitere Tätigkeit sowohl theologische Grundsatzarbeit als auch eine Bestimmung und Beschreibung der Gemeinschaftsaufgaben sowie eine Überprüfung der EKD-Struktur vor.124 Dabei beschritt er sowohl den analytischen Weg einer Bestandsaufnahme als auch den konstruktiven einer grundsätzlichen Bestimmung und Beschreibung ausgewählter Gemeinschaftsaufgaben, denn „nur auf diesem Wege“ ließen „sich Kriterien für eine künftige Struktur und Verfassung der EKD finden“.125 Während die theologische Arbeit im Gesamtausschuss geleistet wurde, bildete der Ausschuss für die struktur- und aufgabenbezogenen Fragen vier Arbeitsgruppen, die sich mit den Aufgabenbereichen „Diakonie und Ökumene“ (AG I), „Öffentlichkeitsarbeit und Publizistik“ (AG II), „Bildung und Ausbildung“ 122 O. Lingner: Niederschrift über die 1. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses (vgl. Anm. 109), S. 3. 123 O. Lingner: Stenographische Niederschrift der Verhandlungen des Struktur- und Verfassungsausschusses am 9.10.1970 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 50), S. 3, 5. 124 Entsprechend vermerkte der Ausschuss auf seiner zweiten Zusammenkunft, „daß es drei Zugänge zu dem Reformprogramm der EKD gibt: 1. einen theologischen Zugang, 2. einen Zugang von der Bestimmung und Beschreibung von Gemeinschaftsaufgaben und 3. einen Zugang von der Organverfassung der EKD“. Alle drei Zugänge wolle man verfolgen (O. Lingner: Niederschrift über die 2. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 6.11.1970 in Frankfurt/M., undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315], S. 5; vgl. O. LINGNER, Neuordnung, S. 251). 125 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 109), S. 5.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD (AG III) sowie „Finanzen“ (AG IV) befassen sollten.126 „Die Arbeitsgruppen erhielten den Auftrag, zunächst eine ‚Ist-Beschreibung‘ im Sinne einer Bestandsaufnahme durchzuführen. . . . Danach ist als ‚Soll-Beschreibung‘ die künftige Bewältigung der Gemeinschaftsaufgaben darzustellen. . . . Abschließend sollen die Arbeitsgruppen die künftige Struktur für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben darstellen, insbesondere auch beurteilen, ob die EKD die Aufgaben selbst durchführen oder lediglich Koordinierungsfunktionen wahrnehmen soll.“127

Die theologische Grundsatzarbeit konzentrierte sich angesichts der von allen akzeptierten Voraussetzung, dass einerseits „auch in einer neuen EKD bekenntnisbestimmte Landeskirchen ihre Funktion behalten“ sollten, andererseits aber auch die theologische Gemeinsamkeit innerhalb der EKD präzise zum Ausdruck gebracht werden müsste, auf die Frage nach der Funktion der Bekenntnisse für eine Beschreibung der gemeinsamen theologischen Grundlagen der angestrebten engeren Gemeinschaft der Kirchen in der EKD.128 Als Einstieg in diese Thematik hielt Martin Fischer auf der zweiten Zusammenkunft des Ausschusses ein Referat über die „Funktion des Bekenntnisses für eine kirchliche Ordnung“129 sowie Werner Danielsmeyer auf der dritten Zusammenkunft ein Referat „Bekenntnis und kirchliche Ordnung“.130 Daneben ergaben sich zunehmend kontroverse Diskussionen in theologischen Grundsatzfragen angesichts der dezidiert ablehnenden Reaktion der bayerischen Landessynode (19.–23. Oktober)131 auf die Thesen der Arnoldshainer Konferenz zur Verfassungsreform vom 3. Oktober.132 Obwohl sich im Zusammenhang dieser Diskussion etliche kontroverse Positionen im Ausschuss als Missverständnisse erwiesen133 und die daraufhin erfolgten Verständigungen eine „gemeinsame theologische Basis sichtbar“

126 EBD., S. 6. 127 Werner Hofmann in seinem Bericht vor der EKD-Synode 1971 in Berlin (BERLIN 1971, S. 93); vgl. Arbeitsauftrag für die Arbeitsgruppen, November 1970 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 50); O. LINGNER, Neuordnung, S. 260–264. 128 O. Lingner: Niederschrift über die 3. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der EKD am 12.12.1970 in Frankfurt/Main, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315), S. 5–7. 129 Epd Dokumentation 2/71, S. 3–11; vgl. O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 109), S. 7; Ders.: Niederschrift (vgl. Anm. 124), S. 2. 130 Epd Dokumentation 2/71, S. 12–14; vgl. O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 128), S. 2. 131 Bericht des Synodalausschusses (KJ 97 [1970], S. 32–34; epd Dokumentation 2/71, S. 16–18); Beschluss der Synode (KJ 97 [1970], S. 34 f.; epd Dokumentation 2/71, S. 16). 132 Thesen der Arnoldshainer Konferenz zur Verfassungsreform der EKD vom 3.10.1970 (KJ 97 [1970], S. 25–32; epd Dokumentation 44/70, S. 37–45). 133 Dazu gehörte vor allem das Missverständnis, als ginge es der Arnoldshainer Konferenz um eine „zentralistische Einheitskirche“ (vgl. O. Lingner: Niederschrift [vgl. Anm. 128], S. 3 f.).

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werden ließen, die eine „sachliche Weiterarbeit“ ermöglichte,134 blieben grundsätzliche Differenzen bestehen. Während insbesondere die Vertreter der bayerischen Kirche, Werner Hofmann und Emil Flurschütz, die Bekenntnisse als eine uneingeschränkt verbindliche Grundlage für Verkündigung und Lehre im Sinne einer norma normans zur Sprache brachten, verstanden Vertreter der in der Arnoldshainer Konferenz zusammengeschlossenen Kirchen die Bekenntnisse als Teil situationsbezogenen und situationsgeprägten theologischen Denkens und damit als eine immer wieder neu zu vollziehende Annäherung an die Wahrheit.135 War an dieser Stelle noch eine Einigung dahingehend möglich gewesen, dass die Bekenntnisse verbindliche „Antwort auf das Evangelium“ seien, auf die auch heute nicht verzichtet werden könne,136 gingen die Vorstellungen, wie weit eine gemeinsame Aneignung dieser verbindlichen Antworten gehen müsse, um als hinreichende Grundlage für die angestrebte Kirchengemeinschaft in der EKD gelten zu können, deutlich auseinander. Während aus bayerischer Perspektive die Bedeutung der Bekenntnisse einen umfassenden Lehrkonsens in den zwischen den verschiedenen Bekenntnistraditionen strittigen Fragen erforderte, hielten die unierten Vertreter eine Verständigung in der zentralen Botschaft von der Rechtfertigung für nötig und ausreichend137 – womit sich der von Lingner in seinem Eröffnungsreferat benannte Grunddissens zwischen Lutheranern (genauer: ihrem konservativen Flügel) und Unierten nun auch im Ausschuss bestätigte. Dieser im Ausschuss nicht beigelegte Dissens hatte erhebliche Konsequenzen für die Gesamtdiskussion und die Klärung der damit zusammenhängenden Einzelfragen. Grundsätzliche Bedeutung kam in diesem Zusammenhang der Frage zu, als was die EKD in Artikel 1 ihrer künftigen bzw. revidierten Grundordnung zu beschreiben sei. Angesichts des aus bayerischer Perspektive für eine qualifizierte Kirchengemeinschaft notwendigen umfassenden Lehrkonsenses, der – sofern überhaupt – höchstens langfristig zu erreichen war, wurde vor einer Festschreibung einer bereits bestehenden, aber auch einer erst noch zu verwirklichenden Kirchengemeinschaft gewarnt. Die unierten Vertreter hingegen, die einen Grundlagenkonsens zur Rechtfertigungslehre, wie er in den Thesen zur Kirchengemeinschaft bereits formuliert war, für ausreichend hielten, drängten auf eine entsprechende Formulierung auch im Artikel 1 der Grundordnung.138 Dabei führte die

134 EBD., S. 4. 135 Vgl. EBD., S. 5 (H. Hild). 136 EBD., S. 6. 137 Vgl. EBD., S. 6 f. 138 Vgl. O. Lingner: Niederschrift über die 4. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 22./23.1.1971 in Frankfurt/M., undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315), S. 3 f.

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Frage nach der Qualität der angestrebten Kirchengemeinschaft unmittelbar zum Problem der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, da eine „Bezeichnung der EKD als ‚volle Kirchengemeinschaft‘ oder als ‚Kirche‘ . . . eine Gemeinschaft“ meine, „die über eine bloße Zeugnis und Dienstgemeinschaft hinaus die Abendmahlsgemeinschaft zwischen den Kirchen einschließt“. Entsprechend müsse – so die Ausschussmehrheit – die Formulierung von Artikel 1 GO „in strenger Abhängigkeit zu einer möglichen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gesehen werden“ (Artikel 4 GO).139 Bei dieser Frage brach freilich sofort der Grunddissens nicht nur erneut auf, sondern war auch an seinem entscheidenden Punkt angelangt. Von den Vertretern Bayerns wurde für eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft wiederum ein umfassender Lehrkonsens gefordert. Gegenüber der insbesondere von unierter Seite als ausreichend angesehenen „Einigung in der Rechtfertigungslehre“ (unter Hinweis auf die „Thesen zur Kirchengemeinschaft“) machten sie geltend, dass die Betonung dieses Grundkonsenses „andere schwere Differenzen in Lehrfragen . . ., besonders in Fragen der politischen Diakonie der Kirche“ lediglich verdecke.140 Andererseits sei der angeführte Zusammenhang von Kirchengemeinschaft und Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft nicht schlüssig, da Kirchengemeinschaft ebenso gut in einer Zeugnis- und Dienstgemeinschaft sichtbar werden könne.141 Auch an anderen Punkten bestanden deutliche Differenzen zwischen der Ausschussmehrheit und den bayerischen Vertretern, wobei sich „je länger je mehr“ zeigte, dass „alle Einzelfragen einer Neuordnung der EKD ihre theologische Relevanz haben“. Denn bei jeder der offenen und strittigen Probleme gehe es im Kern um die eminent theologische Frage, „was eine engere Gemeinschaft der Gliedkirchen in der EKD bedeuten soll“.142 Die Übereinstimmungen waren demgegenüber von weniger grundsätzlicher Bedeutung. Auf allgemeine Zustimmung stießen etwa die Forderungen, „bei einer Neuordnung der EKD strukturell und verfassungsrechtlich den Bezug zur Gemeinde zu suchen“ sowie die innerdeutsche Ökumene (Verhältnis zu den Freikirchen und zur römisch-katholischen Kirche) weiter zu profilieren.143 Einmütigkeit bestand auch darin, dass der Grundordnungsartikel zur „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ einer Neuformulierung bedürfe. Allerdings gingen in der Frage, ob die in Stuttgart vorgenommene Begrenzung der EKD auf ihren 139 EBD., S. 4; vgl. O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 128), S. 6. 140 EBD., S. 6; vgl. O. LINGNER, Neuordnung, S. 257 f. 141 Vgl. die Diskussion auf der 3. und 4. Sitzung (Niederschrift [vgl. Anm. 128], S. 3 ff.; Niederschrift [vgl. Anm. 138], S. 4 ff.). 142 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 128), S. 7. 143 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 109), S. 4.

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Westbereich eine Namensänderung der EKD erforderlich mache, die Meinungen erneut auseinander.144 Beide Fragen wurden innerhalb des Struktur- und Verfassungsausschusses als sachlich zusammengehörig jeweils im Verbund behandelt, spielten jedoch insgesamt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Da die Namensänderung nicht mit der Neuordnung der EKD, sondern letztlich mit der Bildung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR verknüpft war, schwand mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur Bundesgründung auch die Notwendigkeit einer nunmehr nachträglichen Umbenennung, zumal mit der bestehenden Namensformulierung „in Deutschland“ bereits eine – wenn auch unkonkrete – Begrenzung des Geltungsbereichs angezeigt war. Die unterschiedlichen Positionen in der Namensfrage traten auf der dritten Zusammenkunft des Ausschusses zu Tage, allerdings ohne dass eine Entscheidung getroffen wurde. Vielmehr sollte erst einmal beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR „rückgefragt werden, wie sie zu der Namensänderung der EKD“ stünden.145 Darüber, ob und auf welchem Wege dies geschehen ist, geben die Protokolle allerdings keine Auskunft. Auf der nächsten Zusammenkunft des Ausschusses wurde weder auf eine erfolgte Anfrage an den Bund noch auf eine eventuell von dort erfolgte Meinungsäußerung Bezug genommen, sondern lediglich vermerkt, dass innerhalb des Ausschusses „Vorstellungen über eine evtl. Namensänderung . . . noch nicht sichtbar“ seien und ansonsten „eine Namensänderung . . . aus verschiedenen Gesichtspunkten für nicht vordringlich angesehen“ werde.146 Auch hinsichtlich der Ost-West-Gemeinschaft beschränkte sich die Diskussion im Ausschuss lediglich darauf festzustellen, dass der Artikel zur bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit weder so stehen bleiben noch einfach gestrichen werden könne. Die Thesen der Arnoldshainer Konferenz vom 3. Oktober hatten es für sinnvoll gehalten, in Artikel 1 der Grundordnung die Aussage aufzunehmen, „daß sich die EKD, ungeachtet der Begrenzung ihres organisatorischen und rechtlichen Wirkungsbereichs auf die Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) zur Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland bekennt und die hieraus sich ergebenden gemeinsamen Aufgaben in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR wahrnehmen“ werde.147 Diese Aussage lehnte sich an Artikel 4 (4) der Bundesordnung bzw. an die Stuttgarter Erklärung an, vermied es jedoch, den dort benutzten Begriff „besondere Gemeinschaft“ zu gebrauchen. Gegen diesen Vorschlag regte sich, als die Thesen am 12. Dezember 1970 im Struktur- und Verfassungsausschuss diskutiert wurden, zwar kein erkennbarer Widerspruch,148 er wurde jedoch auch nicht als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen genutzt, sodass auf der nächsten Zusammen-

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O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 128), S. 12. EBD. O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 138), S. 16. KJ 97 (1970), S. 26. Vgl. O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 128), S. 8.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD kunft lediglich vermerkt werden konnte, dass für eine Neuformulierung des betreffenden Absatzes der Grundordnung noch keine Vorschläge vorlägen.149

Die im Ausschuss vorhandenen grundsätzlich unterschiedlichen Zielvorstellungen für eine EKD-Reform – Kirchengemeinschaft als Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft auf der Grundlage eines theologischen Grundkonsenses im Sinne einer „Kirchwerdung der EKD“ einerseits und Kirchengemeinschaft als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft im Interesse einer gemeinsamen Bewältigung anstehender Aufgaben andererseits150 – stellten den Ausschuss unmittelbar vor die Frage, wie es angesichts dieser nicht zu vereinbarenden Positionen zwischen einer Mehrheit und einer Minderheit weitergehen könne. Der Vorsitzende des Ausschusses, Ludwig Raiser, sprach diese Frage in seinem Bericht „Zum Stand der Arbeit des Ausschusses für Struktur- und Verfassungsfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland“, den er kurz vor der nächsten EKD-Synode im Materialdienst zur Struktur- und Verfassungsreform veröffentlichte, mit sehr großer Deutlichkeit an.151 „Der Ausschuß und mit ihm die ganze EKD wird möglicherweise vor die Frage gestellt werden, ob die Rücksichtnahme auf eine kleine Minderheit den Weg nach vorn versperren muß; anders ausgedrückt: ob sich eine EKD-Reform ungeachtet des Drängens einer großen Mehrheit ernster Christen und des Kopfschüttelns der Öffentlichkeit mit halben Maßnahmen begnügen darf. Die ‚Theologischen Schlagbäume‘ alter Art überzeugen weithin nicht mehr. Auf der anderen Seite würde es dem Stil des Miteinanders von Kirchen nicht gerecht, Kirchengemeinschaft demokratisch-mehrheitlich zu erzwingen. Brüderliches Verhalten in Glaubensfragen ist im kirchlichen Miteinander höher zu bewerten als Mehrheitsbeschlüsse. Aber auch das Sperrvotum einer Minderheit kann unbrüderlich sein, jedenfalls dann, wenn die dafür angeführten theologischen Begründungen nicht ganz einsichtig sind. Die Minderheit beruft sich auf die Wahrheitsfrage, in der sie sich nicht vergewaltigt sehen möchte. Aber könnte es nicht sein, daß sich hinter der Wahrheitsfrage nur das Beharren auf einer Tradition verbirgt? Auch die Kirchen und Christen, die für die EKD eine ‚volle Kirchengemeinschaft‘ anstreben, tun dies unter Berufung auf die Wahrheit, wie sie sie heute, 450 Jahre nach der Reformation, sehen. Um die Wahrheitsfrage muß also weiter gerungen werden.“152

149 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 138), S. 16. 150 Vgl. O. LINGNER, Neuordnung, S. 252–256. 151 L. Raiser: Zum Stand der Arbeit des Ausschusses für Struktur- und Verfassungsfragen der EKD (epd Dokumentation 8/71, S. 1–3). 152 EBD., S. 1 f.

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3.1.4. Die mehrheitliche Bestätigung des Reformvorhabens durch die EKD-Synode 1971 in Berlin-Spandau Bereits zu Beginn der Arbeit des Struktur- und Verfassungsausschusses war vorgesehen worden, dass die für Februar 1971 geplante EKD-Synode (18. bis 21. Februar 1971 in Berlin-Spandau) „vorwiegend der Erörterung der Leitsätze für die Arbeit an der Strukturreform vorbehalten“ bleiben solle.153 Angesichts der Grundsätzlichkeit und der Fülle der im Einzelnen offenen Fragen sah sich der Struktur- und Verfassungsausschuss allerdings nicht in der Lage, solche „Leitlinien“, d. h. „konkrete Ergebnisse in Form von Thesen oder Vorschlägen für eine Änderung der Grundordnung“, bereits auf der Frühjahrssynode vorzulegen.154 Stattdessen einigte sich der Ausschuss darauf, dass seine beiden stellvertretenden Vorsitzenden jeweils einen Sachstandsbericht zu den diskutierten juristischen Fragen (Hofmann) sowie einen Bericht über die anstehenden theologischen Probleme (Danielsmeyer) der Synode vorlegen155 und damit sowohl über die „Tendenzen im Ausschuß zu Einzelfragen“ als auch über die „besonderen Probleme“ informieren sollten.156 Die Entscheidung, welchen Weg der Struktur- und Verfassungsausschuss bei seiner Arbeit künftig einschlagen solle, war damit der Synode überlassen, wobei die Ausschussmehrheit die Hoffnung hegte, dass „die Synode den Ausschuß ermutigen“ werde, „den Weg der Bemühung um eine stärkere Kirchwerdung der EKD weiterzugehen“.157 Da die Synode entsprechend der Entschließung der Stuttgarter regionalen Tagung vom Mai 1970 nunmehr als Vollsynode der EKD mit der in der Grundordnung festgelegten Mitgliederzahl von 120 Synodalen tagte, wodurch ein Drittel der Synodalen neu hinzugekommen war, stand darüber hinaus allerdings auch die Frage im Raum, ob und inwieweit diese Synode überhaupt die Kontinuität zur Stuttgarter Tagung und ihrer Entschließung zum künftigen Weg der EKD wahren werde. Hatte der Vorsitzende des Struktur- und Verfassungsausschusses und Präses der Synode, Raiser, bereits im Vorfeld der Tagung deutlich auf die 153 W. Hammer/O. Dibelius: Niederschrift über die 45. Sitzung des Rates der EKD am 14., 15. und 16.10.1970 in Stuttgart, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 762), S. 7. 154 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 138), S. 3. 155 Vgl. O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 128), S. 11; W. Hammer/W. Nuyken: Niederschrift über die 48. Sitzung des Rates der EKD am 13. und 14.1.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 765), S. 9. 156 O. Lingner: Niederschrift über die 4. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 22./23.1.1971 in Frankfurt/M., undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315), S. 3. 157 So Raiser auf der Februar-Sitzung des Rates der EKD (W. Hammer/O. Dibelius: Niederschrift über die 49. Sitzung des Rates der EKD am 17. und 18.2.1971 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 766], S. 9 f.).

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Widerstände einer „kleinen Minderheit“ gegen eine umfassende Reform hingewiesen,158 so wurde gleich zu Beginn der Synode erneut deutlich, dass diese Minderheit auch im Rat der EKD nicht nur vertreten war, sondern auch den Ratsvorsitzenden, den bayerischen Landesbischof Dietzfelbinger, auf ihrer Seite hatte. Im letzten Teil seines Berichtes erhob dieser grundsätzliche und deshalb schwer wiegende Einwände gegenüber einer Verfassungsreform, die sich nicht nur auf notwendige Korrekturen an der alten Grundordnung beschränke, sondern eine neue Struktur anstrebe. Eine solche Verfassungsreform verkenne – so Dietzfelbinger – zum einen in eklatanter Weise die Herausforderungen der Zeit, während sie zum anderen an die Reform Erwartungen knüpfe, denen diese nicht gerecht werden könne. Dabei beschrieb er sehr eindringlich die nach seiner Meinung an Unglauben grenzende Beliebigkeit theologischer Meinungen als die bedrängendste Herausforderung für die Kirche der Gegenwart.159 Dieser als Pluralismus verharmlosten Beliebigkeit könne nicht mit einer Strukturreform, sondern müsse mit Bekenntnistreue begegnet werden. Wenn die Reform hingegen ein Mehr an Gemeinschaft von einer Veränderung der Struktur erwarte, konzentriere sie sich auf etwas, was nach CA VII im Gegensatz zur reinen Predigt des Evangeliums und zur rechten Verwaltung der Sakramente für die wahre Einigkeit der christlichen Kirche nicht notwendig sei.160 Mit diesem Votum erhob Dietzfelbinger gegenüber der Reform zwar nicht direkt den Vorwurf, sie würde dem als Unglauben verstandenen Pluralismus Vorschub leisten,161 beschuldigte sie jedoch, sie würde von den eigentlichen Aufgaben ablenken.162 Damit wurde er freilich weder dem Reformanliegen, wie es in der Stuttgarter Entschließung formuliert noch wie es bis dahin im Struktur- und Verfassungsausschuss in Angriff genommen worden war, gerecht, denn hier wie dort wurde die Änderung der Struktur nur als eine Seite der angestrebten Kirchengemeinschaft betrachtet, der auf der anderen Seite gerade eine Besinnung auf die gemeinsamen theologischen Grundlagen korrespondierte. Obwohl Dietzfelbinger damit 158 Siehe oben S. 48. 159 „Ich muß noch offener reden und greife über das Theologische hinaus. Haben diejenigen ganz unrecht, die von einer Epoche geistlicher Verwirrung reden, in deren Anfang wir uns befinden? Anders gesagt: wenn nicht alles täuscht, so stehen wir heute in einem Glaubenskampf, einem Kirchenkampf, gegenüber dem der Kirchenkampf des Dritten Reiches ein Vorhutgefecht war. Das Unheimliche dabei ist, daß dieser heutige Kampf vielfach kaum erkannt, zu allermeist verharmlost wird und unter Tarnworten wie Pluralismus voranschreitet“ (BERLIN 1971, S. 33 f.). 160 Vgl. EBD., S. 35 f. 161 Anders M. AHME, Strukturreform, S. 53. 162 „Was ist Predigt, was ist Gottesdienst, Rechtfertigung, Abendmahlsverständnis und die daraus folgende Gestalt, was ist Gebet? – dies alles scheint beliebig geworden zu sein, während auf die Strukturreform große Hoffnung gesetzt wird. Wir sollten nicht einem Denken verfallen, in dem die Prioritäten umgekehrt werden“ (BERLIN 1971, S. 36).

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das Reformanliegen verzeichnete, erfuhr er – was das eigentlich Bemerkenswerte an diesem Vorgang war163 – aus der Synode zu seinem Bericht insgesamt kaum, an diesem konkreten Punkt keinen Widerspruch. Für die thematische Arbeit an den damit bereits angedeuteten grundsätzlichen Fragen einer Strukturreform wurden auf der Tagung zwei Sachreferate gehalten, zum einen ein Bericht über die zwischenkirchlichen Lehrgespräche (Hans-Gernot Jung),164 zum anderen ein Korreferat aus ökumenischer Perspektive zum Thema „Wachsende Gemeinschaft – ungelöste Spannungen“ (Lukas Vischer).165 Beide Referate gingen von der Notwendigkeit des interkonfessionellen Einigungsprozesses aus und versuchten dessen Einsichten für die Struktur- und Verfassungsreform der EKD nutzbar zu machen. Jung zog aus dem von ihm vorgetragenen Sachstandsbericht die Konsequenz, dass die Erklärungen der stattgefundenen Lehrgespräche einen „absoluten Charakter des Bekenntnisses“, wie er nach „landläufigem Verständnis“ gelte, in zweifacher Hinsicht eingrenzten, und zwar „ohne den Ernst und die Verbindlichkeit der darin gemachten Aussage preiszugeben“.166 Zunächst werde „das Bekenntnis zum Heilsgeschehen hin relativiert“, denn dieses und nicht das Bekenntnis sei das „fundamentum der Kirche“. Die Bekenntnisse bezeugten vielmehr, „daß das schlechthin unbegreifliche Handeln Gottes durch Jesus Christus für die Kirche fundamental sei“.167 Ähnlich sei auch zwischen dem formulierten Bekenntnis und dem Bekenntnis als „Urakt des antwortenden Glaubens“, nämlich dem „Wort, das derjenige spricht, der im Umgang mit Jesus oder mit der Botschaft von Christus Vertrauen zu Gottes Heilshandeln gefaßt hat und nun den Grund seines Glaubens ausspricht“, zu differenzieren.168 Aus diesem Verständnis des Bekenntnisses als Ergebnis eines Bekenntnisaktes in einer konkreten Situation folgte die Verpflichtung, sich angesichts neuer Entscheidungssituationen nicht mit den in den Bekenntnissen einmal gegebenen Antworten des Glaubens zu begnügen, sondern zu aktuellen Antworten des Glaubens voranzuschreiten. Entsprechend wies Jung auf die theologische Aufgabe in der Entscheidungssituation einer Struktur- und Verfassungsreform hin, die nicht von den strukturellen und organisatorischen Fragen abgekoppelt werden dürfe: „Wenn die praktischen und organisatorischen Aufgaben der Kirche einer pragmatischen und bürokratischen Lösung überlassen werden – wozu viele theologische Kritiker und viele Kritiker der Theologie neigen –, dann werden sie ihren Bezug zum Bekenntnis verlieren und fremden Gesetzen erliegen.“169

163 164 165 166 167 168 169

So auch M. AHME, Reformversuch, S. 52. BERLIN 1971, S. 52–69; auszugsweise abgedruckt in: KJ 98 (1971), S. 16–20. BERLIN 1971, S. 73–82; der Schlussabschnitt ist abgedruckt in: KJ 98 (1971), S. 20 f. BERLIN 1971, S. 64. EBD. Vgl. EBD., S. 65 f. EBD., S. 69.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD Vischer wiederum hob in seinem Referat abschließend die besondere Bedeutung hervor, die eine Einigung zwischen den Konfessionen im deutschen Raum für die ökumenische Bewegung insgesamt haben würde. Wenn es nämlich „der evangelischen Christenheit in Deutschland“ gelänge, „sich auf Grund von Lehrgesprächen, also in vollem Bewußtsein dessen, was sie tut, als eine Kirche zu verstehen, vor allem wenn dies in West und Ost zwar unabhängig voneinander aber zugleich gelingen sollte“, würden „andere Kirchen . . . zu ähnlichen Schritten ermutigt werden“.170 Die Möglichkeit einer solchen Einigung sah Vischer in dem „satis est“ von CA VII begründet, dem er – auch wenn es vor Missbrauch nicht gefeit sei – „eine befreiende Wirkung“ zuschrieb.171 Auf dem Hintergrund seiner Ausführungen zu den Unionsbemühungen in anderen Ländern erschien diese von ihm befürwortete Einigung den Synodalen allerdings als „Einheitskirche in Gestalt einer unionistischen Verschmelzung“ und wurde dementsprechend später ausdrücklich zurückgewiesen.172

Entsprechend der im Struktur- und Verfassungsausschuss getroffenen Vereinbarungen berichtete Oberkirchenrat Danielsmeyer über die theologische Diskussion innerhalb des Ausschusses sowie über erste Konsequenzen für die theologischen Aussagen einer neuen bzw. veränderten Grundordnung, wobei er die im Ausschuss vorhandenen Differenzen lediglich vorsichtig andeutete.173 So verwies er ausdrücklich auf die einhellige Meinung des Ausschusses, dass auch weiterhin „von der Bekenntnisbestimmtheit der Kirchen“ auszugehen sei und diese in der Grundordnung in einem entsprechenden Vorbehalt berücksichtigt werden könne, ohne dass dadurch „der Weg zu einer engeren kirchlichen Gemeinschaft, wie ihn die Synodalentschließung sich wünschte, in der Evangelischen Kirche in Deutschland blockiert würde“.174 Bei der Frage, wie beides zusammengeht, konnte er freilich angesichts der Meinungsverschiedenheit im Ausschuss lediglich die Richtung angeben, in die die Überlegungen (der Mehrheit) gingen. Der Ausschuss prüfe – so Danielsmeyer –, ob diese Vorstellung einer „Kirche ohne eine gemeinsame Bekenntnisgrundlage theologisch nicht . . . mit dem Begriff des ‚Konsensus im Fundamentalen‘ verbunden werden“ könne.175 Bei diesen Überlegungen stoße man freilich auf das „zentrale Problem“ der „Abendmahlsgemeinschaft, deren Erörterung in dieser Stunde unter uns unumgänglich ist“.176 Zwar sei neben der Bejahung der Zeugnis- und Dienstgemeinschaft in allen Landeskirchen „das Begehren, die Gemeinschaft am Tisch des Herrn über Artikel 4,4 der Grundordnung hinaus zu 170 171 172 173 174 175 176

EBD., S. 81. EBD. EBD., S. 169 (L. Goppelt). EBD., S. 85–93; gekürzt wiedergegeben in KJ 98 (1971), S. 21–25. BERLIN 1971, S. 86 f. EBD., S. 87. EBD., S. 88.

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bezeugen, stark“, es sei jedoch nicht ganz unstrittig, ob der angestrebte Konsens im Fundamentalen als Basis für die Erklärung voller Abendmahlsgemeinschaft ausreiche. „Unbestritten“ sei, „daß die nicht überwundenen Lehrunterschiede eine Gemeinschaft am Tisch des Herrn nicht ausschließen“, umstritten hingegen, „wie weit diese Gemeinschaft am Tisch des Herrn bei bestehenden Lehrunterschieden“ reiche.177 Zur Verdeutlichung skizzierte Danielsmeyer die beiden gegensätzlichen Positionen einer Kirchengemeinschaft als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft ohne volle Abendmahlsgemeinschaft sowie einer Kirchengemeinschaft, deren Qualität in einer vollen Abendmahlsgemeinschaft zum Ausdruck komme. Klärung erhoffe man sich in dieser Frage von der Diskussion über die „Thesen zur Kirchengemeinschaft“ in den Gliedkirchen, zumindest halte es der Ausschuss „nicht für richtig, seine Überlegungen ohne Überwindung des noch bestehenden Dissensus vorzeitig aufzugeben“.178 Die von Danielsmeyer vorgetragenen Folgerungen für die konkreten Aussagen der Grundordnung betrafen insbesondere den Vorspruch sowie die Artikel 1 und 4 GO, die – sofern die „Thesen zur Kirchengemeinschaft“ einmal akzeptiert sein würden – entsprechend zu verändern wären. Beim Vorspruch wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, die Gemeinsamkeiten deutlicher zu benennen, etwa durch Hinweis „auf die gemeinsame reformatorische Bekenntnisgrundlage im gemeinsamen Bekenntnis zur Rechtfertigungsbotschaft“ oder durch eine Erklärung, die die „Bekenntnisunterschiede als nicht kirchentrennend“ und die „Verwerfungen als den Partner von heute nicht mehr treffend“ charakterisiere. Da die Beschreibung der EKD als „Bund“ in Artikel 1 (1) „durch die Wirklichkeit überholt“ sei,179 wären drei Alternativen denkbar: die Bezeichnung der EKD als „Kirche“, als „Gemeinschaft von Kirchen“ oder aber ein genereller Verzicht, den Ist-Zustand zu beschreiben, zugunsten der Zielvorstellung, „daß die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland die Aufgabe haben, in Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes die eine Kirche sichtbar zu machen“. In Artikel 4 sei der Absatz 4 über die Abendmahlszulassung nach übereinstimmender Überzeugung des Struktur- und Verfassungsausschusses durch die Entwicklung überholt, da bereits gegenwärtig in allen Gliedkirchen die Mitglieder der anderen Gliedkirchen und die Angehörigen eines in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnisses zum Abendmahl zugelassen seien. Allerdings sei das Gespräch darüber, wie die über die bereits bestehende Abendmahlszulassung hinausgehende Abendmahlsgemeinschaft zu beschreiben sei, wohl noch längere Zeit zu führen.

177 EBD., S. 89. 178 EBD., S. 90. 179 So auch O. LINGNER, Neuordnung, S. 256.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD Als überholt müsse auch der erste Satz von Artikel 1 (2) bezeichnet werden, allerdings ohne dass hier Alternativvorschläge unterbreitet wurden. Dazu Danielsmeyer: „In Artikel 1,2 können wir den ersten Satz mit gutem Gewissen leider nicht mehr verantworten. Ich verlese ihn, weil er Geschichte geworden ist: ‚In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar.‘ Diesen Satz können wir nicht mehr verantworten. Wir haben das in Stuttgart zur Kenntnis genommen und die uns betreffenden Folgerungen daraus gezogen. Sichtbar wird die Gemeinschaft nicht mehr. Damit ist noch nicht gesagt, daß eine solche Gemeinschaft nicht bestehen soll, wie es dann ausgesagt werden kann; wie das in der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik ausgesagt ist, wissen wir. Wie es einmal ausgesagt werden kann in einer Grundordnung, muß noch überlegt werden.“180

Über der Arbeit des Ausschusses und seiner Untergruppen zum Problem der Gemeinschaftsaufgaben berichtete Oberkirchenrat Hofmann.181 Nach einer Beschreibung des Diskussionsstandes in den vier Arbeitsgruppen stellte dieser einige erwogene Änderungen in der Organverfassung der EKD und deren Konsequenzen vor (z. B. die Bildung einer „Konferenz der kirchlichen Werke und Verbände“ oder eines „ständigen Synodalausschusses“ zur Wahrnehmung der Belange der Synode zwischen den Tagungen),182 um im Anschluss daran einige Einzelprobleme zu benennen. In diesem Zusammenhang kam er insbesondere auf die Frage „von erheblicher Bedeutung“ zu sprechen, „welche Befugnisse die Organe im Verhältnis zu den Gliedkirchen künftig erhalten sollen“, sowie auf das mit vielen Schwierigkeiten behaftete Problem des Mitgliedschaftsrechts und auf die Finanzverfassung. Bei der ersten Frage sei der Ausschuss einmütig der Meinung gewesen, dass eine Kompetenzerweiterung der EKD notwendig sei. So sollte sie auf dem Gebiet der anerkannten Gemeinschaftsaufgaben das Recht zur Festlegung verbindlicher Richtlinien erhalten, die dann jeweils von den Gliedkirchen in das gliedkirchliche Recht umzusetzen wären. Im Bereich der Gesetzgebung sollte vor allem „das Recht zur Rahmengesetzgebung ausgebaut werden“. Denn „die verbindliche Absteckung eines Rahmen“ sichere einerseits „die notwendige Gemeinschaft“, lasse jedoch andererseits „den Gliedkirchen die Freiheit, bei der Ausfüllung der Rahmengesetze die besonderen Verhältnisse in den Gliedkirchen zu berücksichtigen“.183 Freilich sei ungeklärt, ob der Schutz der Landeskirchen vor Eingriffen der Gesamtkirche lediglich den Bekenntnisstand oder auch die Verfassungsstrukturen betreffen solle.184 180 181 182 183 184

BERLIN 1971, S. 91 f. EBD., S. 93–102; auszugsweise wiedergegeben in KJ 98 (1971), S. 13–16. BERLIN 1971, S. 98 f. EBD., S. 99; KJ 98 (1971), S. 15. BERLIN 1971, S. 100.

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Beim Mitgliedschaftsrecht befürworte – so Hofmann – zwar niemand im Ausschuss die Möglichkeit einer direkten Mitgliedschaft der einzelnen Christen in der EKD. Die Alternativen einer Beibehaltung der Mitgliedschaft lediglich in einer Landeskirche und einer durch diese Mitgliedschaft vermittelten Mitgliedschaft auch in der EKD seien jedoch kontrovers diskutiert worden, ohne dass sich der Ausschuss – angesichts der damit zusammenhängenden ekklesiologischen Fragen – zu einer Entscheidung in der Lage gesehen hätte.185 Hinsichtlich der Finanzverfassung plädiere der Ausschuss dafür, das bestehende „Bedarfsdeckungsprinzip“ (Kosten, die durch eigene Einnahmen nicht gedeckt sind, werden auf die Gliedkirchen umgelegt) durch ein Beteiligungssystem zu ersetzen, bei dem die EKD eine festen Prozentsatz der landeskirchlichen Einnahmen erhalte.186

Sowohl die Sachreferate als auch die Berichte aus dem Struktur- und Verfassungsausschuss wurden im Plenum nicht diskutiert, sondern lediglich zur Kenntnis genommen, da sich andere, brisantere Themen – das „AntiRassismus-Programm“ des ÖRK, die interkonfessionelle Ausarbeitung „Das Gesetz des Staates und die sittliche Ordnung“ (zur Reform des Paragrafen 218 StGB) – in der Plenardiskussion in den Vordergrund drängten.187 Die eigentliche Diskussion des Reformvorhabens erfolgte in den Tagungsausschüssen II (Lehrgespräche) und III (Struktur- und Verfassungsfragen),188 während sie im Plenum erst am letzten Verhandlungstag angesichts des von diesen Ausschüssen vorgelegten gemeinsamen Beschlussentwurfs begann. Nach diesem Beschlussentwurf189 machte sich die Synode – „auch in ihrer ergänzten Zusammensetzung“ – die Entschließung der Stuttgarter Regionalsynode zum künftigen Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Eigen, dankte dem Struktur- und Verfassungsausschuss für seine bisher geleistete Arbeit und ermutigte ihn, „seine Arbeit entsprechend den bisherigen Planungen und Überlegungen fortzuführen“. Angesichts der im Ausschuss vorhandenen kontroversen Haltung zur Frage der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft190 beauftragte sie diesen ausdrücklich, „bei seinen Vorschlägen für die notwendigen Neuregelungen davon auszugehen, daß eine vertiefte Kirchengemeinschaft verwirklicht wird“.191 185 EBD. 186 EBD., S. 100 f.; KJ 98 (1971), S. 15. 187 Vgl. M. AHME, Strukturreform, S. 48. 188 Während sich der Ausschuss III mehr den konkreten Strukturfragen, insbesondere den Gemeinschaftsaufgaben zuwandte, wurde im Ausschuss II zu den grundsätzlichen Fragen nach Voraussetzung, Ziel und Gestalt der angestrebten Kirchengemeinschaft gearbeitet (vgl. BERLIN 1971, S. 169). 189 Entschließung der Synode der EKD betr. Struktur- und Verfassungsreform der EKD (Abl. EKD 25 [1971], S. 150 f.; BERLIN 1971, S. 220 f.). 190 Vgl. den Bericht von W. Danielsmeyer (EBD., S. 89 f.). 191 EBD., S. 220.

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Da der Tagungsausschuss II eine Klärung der Frage nach den Voraussetzungen für diese „vertiefte Kirchengemeinschaft“ vor allem von den Stellungnahmen der Gliedkirchen zu den Thesen zur Kirchengemeinschaft sowie von den Leuenberger Gesprächen erwartete, schlug er der Synode weiterhin vor, die Gliedkirchen zu bitten, „die Thesen zur Kirchengemeinschaft vom 4. Mai 1970 und den Leuenberger Bericht ‚Kirchengemeinschaft und Kirchentrennung‘ vom Juni 1970 zu beraten und ihre Stellungnahme dem Struktur- und Verfassungsausschuß zuzuleiten“.192 Hauptdiskussionspunkt in der Plenaraussprache über den vorgelegten Beschlussentwurf war erwartungsgemäß die Zielstellung einer „vertieften Kirchengemeinschaft“, die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließe. Diese Zielbeschreibung hatte bereits im Tagungsausschuss keine vollständige Zustimmung erfahren.193 Weitere zu erwartende Einreden im Plenum versuchte bereits der Berichterstatter des Ausschusses mit dem Hinweis auszuräumen, dass die Aufgaben der Strukturreform ja nicht an diese Kirchengemeinschaft geknüpft seien, sie also erst einmal als Zielvorstellung aufgenommen werden und später – falls sie sich nicht verwirklichen lasse – ohne nachteilige Auswirkungen auf die Ergebnisse der Strukturreform wieder gestrichen werden könne.194 Dieser lediglich pragmatische Kompromiss, der auch zu den zuvor vorgetragenen grundsätzlichen Einsichten des Tagungsausschusses II über die Einheit von Strukturreform und theologischer Verständigung nicht im Einklang stand, überzeugte allerdings wenig. Wie wohl bereits im Tagungsausschuss selbst meldete Oberkirchenrat Hofmann Bedenken gegen diesen Teil der Beschlussvorlage an und beantragte seine Änderung. Hofmann kritisierte als erstes die Formulierung „vertiefte Kirchengemeinschaft“, da unklar wäre, was damit gemeint sei, insbesondere ob damit über die Entschließung der Stuttgarter Synode hinausgegangen werden solle. Mit ähnlicher Begründung wandte er sich gegen die Erwähnung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, da auch hier nicht zu erkennen wäre, welche Form zwischen voller Abendmahlsgemeinschaft und offener Kommunion gemeint sei. Schließlich erwecke die Formulierung, dass die solche Abendmahlsgemeinschaft einschließende Kirchengemeinschaft „verwirklicht“ werde, den Verdacht, dass dies an den Landeskirchen vorbei auf der Ebene der EKD geschehen solle. Wenn man – so Hofmann – dies alles so in dem Beschluss stehen ließe, würde man nur Verwirrung stiften und „dem geordneten Fortgang der lutherisch-reformierten Gespräche und den notwendigen Verhandlungen zwischen den Kirchen einen Bärendienst erweisen“. Entsprechend beantragte er, den Halbsatz „die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließt“ zu streichen und im

192 EBD., S. 220. 193 EBD., S. 170. 194 EBD., S. 170 f. (C. A. v. Heyl).

Erste Überlegungen zur Reform der EKD-Grundordnung

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nächsten Absatz klarzustellen, dass nicht die EKD, sondern die Gliedkirchen in dieser Angelegenheit das handelnde Subjekt sind.195

Diese Einwände wurden von den Synodalen der anderen Landeskirchen196 weithin als verklausulierte Ablehnung des Strebens nach einer engeren Kirchengemeinschaft überhaupt verstanden,197 auch wenn im Einzelnen durchaus unterschiedliche Meinungen zu den konkret angesprochenen Punkten zum Ausdruck kamen. Während einerseits an der Erwähnung der Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft festgehalten wurde, um damit das Mehr der angestrebten Kirchengemeinschaft zum Ausdruck zu bringen,198 konnte andererseits auch vor einer Fixierung auf diese Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewarnt werden, weil Kirchengemeinschaft weitaus mehr beinhalte.199 Darüber hinaus schien die Rede von einer „vertieften“ Kirchengemeinschaft sowohl im Verhältnis zur Abendmahlsgemeinschaft als auch im Verhältnis zur Stuttgarter Entschließung selbst jenen nicht ganz klar, die für eine ausdrückliche Erwähnung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft eintraten.200 Es wurde jedoch mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, dem Ausschuss eine Arbeitsgrundlage an die Hand zu geben, aus der deutlich werde, dass nicht alles beim Alten bleiben solle.201 Am Ende einigten sich die Kritiker des Beschlussentwurfs auf einen Änderungsvorschlag zu Abschnitt 2, in dem zwar die Erwähnung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erhalten blieb, jedoch nicht mehr von einer „vertieften Kirchengemeinschaft“ gesprochen wurde, die „verwirklicht“, sondern von einer „Kirchengemeinschaft“, die „angestrebt“ werde.202 Dagegen wandte sich wiederum der Berichterstatter des Tagungsausschusses für Struktur- und Verfassungsfragen: 195 Vgl. EBD., S. 173–175. 196 Hofmanns Position wurde lediglich vom bayerischen Vertreter in der Kirchenkonferenz unterstützt (EBD., S. 186 f. [H. Greifenstein]). 197 Martin Fischer: „Ich habe den Eindruck, daß wir im Ausschuß an einer Rechtsordnung für eine Ehe arbeiten sollen, in der der Vollzug der Ehe von vornherein nicht in Aussicht genommen ist, sondern Mauern lotrecht erhalten werden sollen bei gewisser einheitlicher Verwaltung der Grundstücke“ (BERLIN 1971, S. 181). Hans von Keler verwies auf einen Ausspruch Kaiser Ferdinands von 1848: „Ich genehmige alle Veränderungen, wenn alles beim alten bleibt“ (EBD., S. 183). Auch die lutherische Synodale Annemarie Grosch mahnte mehr Offenheit an: „Wir reden in verschlüsseltem Text statt im Klartext und verstecken uns hinter Formulierungen. Im Klartext würde es doch heißen: wir Lutheraner können und wollen nicht mit den anderen in eine Kirche. Das ist erlaubt und möglich. Aber ich finde, dann soll man es so offen sagen, statt z. B. in der Frage der Kirchengemeinschaft Formulierungen auseinanderzufalten, die ich als Theologe schon nicht mehr kapiere, aber die Laien bestimmt erst recht nicht“ (EBD., S. 179). 198 EBD., S. 180 (S. Sellke). 199 EBD., S. 183 (H. v. Keler). 200 EBD., S. 182 (M. Fischer), 185 f. (J. Frank). 201 EBD., S. 178 (W. Danielsmeyer), 180 (S. Sellke), 185 f. (J. Frank). 202 Vorschlag Fischer/Frank, dem sich Hofmann anschloss (EBD., S. 190 f.).

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD „Als Arbeitsgrundlage ist es nicht ausreichend, wenn der Verfassungsausschuß nur davon ausgehen soll, daß Kirchengemeinschaft in der EKD angestrebt wird. Daß sie nur angestrebt wird, ist seit Generationen bekannt und gar nichts Neues. Daß der Verfassungsausschuß aber davon ausgehen soll, daß Kirchengemeinschaft entsteht, das bedeutet eine klare Zielrichtung für seine Arbeit, die jedoch die Entscheidungen, die darüber noch fallen müssen, nicht präjudiziert.“203

Der Änderungsantrag wurde ebenso wie der Antrag von Hofmann zu Absatz 3, der die Zuständigkeit der Landeskirchen für die Verhandlungen über Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ausdrücklich hervorgehoben hatte, mehrheitlich von der Synode abgelehnt,204 sodass die ursprüngliche Fassung schließlich „mit großer Mehrheit“ verabschiedet werden konnte. Vordergründig war damit Klarheit geschaffen und der Reformauftrag der Stuttgarter Regionalsynode bestätigt und erläutert. Zufrieden war mit diesem Ergebnis und seinem Zustandekommen allerdings kaum jemand.205 Während die Reformgegner auch weiterhin ihre Vorbehalte zum Ausdruck brachten, standen die Reformbefürworter inhaltlich zwar hinter dem Beschluss, sahen angesichts dieser weiterhin vorgebrachten Vorbehalte jedoch keinen Sinn darin, ihn in seinem umstrittenen Teil zur Grundlage der weiteren Reformarbeiten zu machen, wenn von vornherein absehbar schien, dass das Ergebnis dann in Bayern nicht akzeptiert werden würde. Hinzu kam, dass sich gerade auf dieser Synode die in der Stuttgarter Entschließung dankbar festgestellte Gemeinschaft innerhalb der EKD nicht bestätigt hatte, sondern neben den theologischen Gräben auch Vorbehalte ganz untheologischer Art zu Tage getreten waren.206 Die EKD zwischen „Föderation“ und „Kirche im vollen Sinne“

203 EBD., S. 191 (C. A. v. Heyl). 204 64 Stimmen für die ursprüngliche Fassung, 40 Stimmen für die veränderte Fassung (EBD., S. 192). 205 Vgl. auch Einschätzung auf der Referentenbesprechung der EKD-Kirchenkanzlei am 24. März (W. Hammer/H. Echternach: Niederschrift über die Referentenbesprechung am Mittwoch, dem 24.3.1971, 14.30 Uhr, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 1313], S. 1). 206 Der württembergische Bischof Helmut Claß verwies auf „ein bisher so nicht spürbar gewesenes Mißtrauen, das umgeht unter uns“ und das ihn bedrücke (BERLIN 1971, S. 188). Der bayerische Vertreter Hermann Greifenstein hatte zuvor von „einigen unguten Tönen im Plenum“ gesprochen, gegen die er sich „in aller Form“ wende (EBD., S. 187).

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3.2. Die EKD zwischen „Föderation“ und „Kirche im vollen Sinne“ 3.2.1. Auf der Suche nach dem ekklesialen „Mehr“ Nach der Berliner Synodaltagung trat der Struktur- und Verfassungsausschuss am 13. März 1971 zu seiner ersten Zusammenkunft in einer von Synode und Kirchenkonferenz vorgenommenen Ergänzung und Erweiterung207 zusammen, um das weitere Vorgehen nach der Synodalentschließung „betreffend Struktur- und Verfassungsreform der EKD“ zu beraten. Dabei zeigte sich auch im Ausschuss eine recht unterschiedliche Einschätzung dieser Entschließung. Während die einen „von einer atmosphärischen Belastung der Arbeit an der EKD-Reform“ sprachen und eine „Verfestigung der Standpunkte, die einer Weiterarbeit im Wege stehen können“, befürchteten, nahmen andere Ausschussmitglieder eine uneingeschränkt positive Wertung der Synodalentschließung vor.208 Dennoch stand der Ausschuss insgesamt vor der Frage, inwieweit er diese Synodalentschließung, deren vorliegende Fassung sich gegenüber der von bayerischer Seite vorgeschlagenen Form nur mit relativ knapper Mehrheit durchgesetzt hatte,209 bei der weiteren Arbeit zu Grunde legen könne oder solle. Im Einzelnen war zu entscheiden, ob sich der Ausschuss im Sinne eines Votums der bayerischen Landessynode lediglich mit pragmatischen Lösungen zur sachgerechten Wahrnehmung anerkannter Gemeinschaftsaufgaben begnügen 207 Eine Ergänzung des Struktur- und Verfassungsausschusses durch die Synode war notwendig geworden, weil vier Mitglieder (Otto Rudolf Kissel, Ernst Köhnlein, Karl Reinhard Ortmann und Karl-Heinz Sohn) inzwischen aus dem Ausschuss ausgeschieden waren. An ihre Stelle traten Ludwig Metzger, Cornelius Adalbert Freiherr v. Heyl zu Herrnsheim, Dietlinde Hübner und Erwin Ponto. Darüber hinaus war eine Erweiterung um weitere vier Mitglieder vom Ausschuss erbeten worden, um die bestehenden vier Unterausschüsse um jeweils ein weiteres Mitglied verstärken zu können. Eine solche Erweiterung schien auch im Interesse einer stärkeren Beteiligung von neu hinzugekommenen Synodalen sinnvoll, bedeutete allerdings, dass zur Wahrung des Proporzes zwischen synodalen Vertretern und Delegierten der Kirchenkonferenz dieser ebenfalls die Möglichkeit eingeräumt werden musste, weitere zwei Vertreter zu entsenden. Die Synode bestimmte Axel Freiherr v. Campenhausen, Klaus Lubkoll, Klaus Scholder und Werner Dollinger (vgl. dazu O. Lingner: Niederschrift über die 4. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 22./23.1.1971 in Frankfurt/M. [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315], S. 3; BERLIN 1971, S. 162, 203; epd Dokumentation 12/71, S. 32 f.), die Kirchenkonferenz Hans-Heinrich Harms und Jürgen Kaulitz (epd Dokumentation 15/71, S. 24). Damit zählte der Ausschuss 36 ständige Mitglieder (vgl. Ausschuss für Struktur- und Verfassungsfragen. Stand: Februar 1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 314]). 208 Vgl. O. Lingner: Niederschrift über die 5. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 13.3.1971 in Frankfurt/Main, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315), S. 2. 209 Vgl. oben S. 58, Anm. 204.

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und damit den bestehenden und weiterhin zum Ausdruck gebrachten Bedenken gegenüber einer „theologischen Neuordnung“ der EKD gleich von vornherein Rechnung tragen wolle oder ob er zumindest konkrete Vorschläge für eine theologische Neubeschreibung der EKD erarbeiten solle, um dann auf dieser Grundlage eine Verständigung mit den bayerischen Kritikern zu versuchen. In einer „längeren Diskussion“ setzten sich die Befürworter einer „großen Lösung“ durch, wobei sie im Sinne der von den Kirchen der Arnoldshainer Konferenz vertretenen Position mit der bereits bestehenden Gemeinschaft innerhalb der EKD argumentierten, die nunmehr nach einer theologischen Beschreibung verlange. Damit hielt der Ausschuss an dem von der Stuttgarter Entschließung gewiesenen Weg fest, die ebenfalls von der empirischen Gemeinschaftserfahrung ausgegangen war, und widersprach der pointiert lutherischen Anschauung von der Notwendigkeit eines umfassenden Lehrkonsenses. Für eine solche „große Lösung“ wurde im Ausschuss insbesondere geltend gemacht, dass die EKD eben mehr sei als ein bloßer Zweckverband. Weil dies zutreffe, müsste das darüber hinausgehende Gemeinsame auch theologisch ausgesagt werden können und in verfassungsrechtlichen Bestimmungen seinen Ausdruck finden. Eine solche klare Aussage über das Verbindende werde nicht nur von den Gemeindegliedern erhofft, sondern sei auch ein Gebot der Stunde. Denn „die nicht zu bestreitende Pluralität und Differenzierung der Lehrmeinungen und die vorhandenen Auseinandersetzungen in der Theologie und besonders in Fragen der sozialen Ethik können von der EKD nur dann sinnvoll getragen werden, wenn Klarheit über eine alle Kirchen verbindende Gemeinsamkeit im Glauben besteht“.210 Entsprechend sah der Ausschuss eine Neuformulierung der gesamten Grundordnung einschließlich ihrer Präambel vor. Dabei werde sich vor allem bei der Neuformulierung der Präambel „zeigen, ob es gelingt, eine gemeinsame Glaubensgrundlage für alle Gliedkirchen der EKD auszusagen, die nicht nur in unverbindlichen Formulierungen besteht“.211 Anhand der konkreten Formulierungsvorschläge zu Präambel und Grundbestimmungen werde dann zu prüfen sein, „ob die Einwendungen der bayerischen Landeskirche weiterhin aufrechterhalten bleiben“.212 Zur Erarbeitung dieses Textentwurfs wurden zusätzlich zu den bereits bestehenden Arbeitsgruppen, die sich mit den einzelnen Gemeinschaftsaufgaben befassten, aus dem Ausschuss heraus zwei neue Arbeitsgruppen gebildet, von denen die Arbeitsgruppe „Verfassung I“ eine Neuformulie210 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 208), S. 3. 211 O. Lingner: Zur Weiterarbeit nach der Berliner Synode (epd Dokumentation 15/71, S. 1). 212 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 208), S. 4.

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rung der Präambel und des Grundlagenteils (Artikel 1–5) erarbeiten und die Arbeitsgruppe „Verfassung II“ einen entsprechenden Entwurf zu den restlichen Grundordnungsteilen – Aufgaben, Gliederung, Organe (Artikel 6 ff.) – vorlegen sollte.213 Die Formulierung der Artikel zur Finanzverfassung (bisher Art. 33) wurde der bereits bestehenden Untergruppe IV „Finanzen“214 übertragen. Arbeitsgruppe II konnte bei ihren Überlegungen insbesondere auf die Vorschläge der Arnoldshainer Konferenz215 und des Planungsausschusses der VELKD216 zurückgreifen, während Arbeitsgruppe I darüber hinaus die im Ausschuss geführten grundsätzlichen Überlegungen und Kontroversen zu berücksichtigen hatte. Damit war dieser Arbeitsgruppe „zwar nicht dem Umfang, aber dem Inhalt nach die schwierigste Aufgabe“ übertragen, da „bei der Formulierung der Grundbestimmungen“ versucht werden musste, die nicht nur unterschiedlichen, sondern gegensätzlichen „Vorstellungen von der Kirchwerdung der EKD zu berücksichtigen“.217 Angesichts der nur noch zwei Jahre währenden Amtszeit der amtierenden Synode und der vor Verabschiedung einer neuen Grundordnung noch notwendigen umfangreichen Diskussionen in den Gliedkirchen sollte ein entsprechender Grundordnungsentwurf der EKD-Synode bereits im Herbst 1971 vorgelegt werden. Die Arbeitsgruppe Verfassung I setzte mit ihren Überlegungen nicht bei der Präambel, sondern bei der grundsätzlichen und deshalb zuallererst zu klärenden Frage ein, wie die Evangelische Kirche in Deutschland in einer künftigen Grundordnung, die die in ihr bestehende Gemeinschaft deutlicher zum Ausdruck bringen solle, ekklesiologisch zu qualifizieren sei (Artikel 1, Absatz 1) und woran sich diese ekklesiologische Qualität zeige (Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, Artikel 4).218 Während sich die Arbeitsgruppe hinsichtlich des Artikels 4 bereits auf ihrer ersten Zusammenkunft am 30. April auf eine vorläufige Formulierung einigte, nach der „innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland . . . Abendmahlsgemeinschaft“ bestehe, die durch die jeweiligen gliedkirchlichen Ordnungen 213 Den Vorsitz übernahmen jeweils die beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Gesamtausschusses, OKR W. Danielsmeyer für den Ausschuss I (12 Mitglieder), OKR W. Hofmann für den Ausschuss II (16 Mitglieder und O. Lingner als Sekretär). Sieben Mitglieder des Gesamtausschusses gehörten damit, ohne dass eine Begründung gegeben wurde, keiner der beiden Gruppen an (vgl. dazu EBD.). 214 Siehe oben S. 44. 215 Thesen zur Verfassungsreform der EKD vom 3.10.1970 (KJ 97 [1970], S. 25–32). 216 Thesen des Planungsausschusses der VELKD zur Neuordnung der EKD vom 20.3.1970 (KJ 97 [1970], S. 23–25). 217 Vgl. O. Lingner: Zum Stand der Arbeit und zur Terminplanung des Struktur- und Verfassungsausschusses der EKD (epd Dokumentation 40/71, S. 1). 218 Vgl. W. Danielsmeyer, Protokoll über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD [am 30.4.1971], undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 78), S. 1.

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näher geregelt werde,219 kam bei den Formulierungsvorschlägen zu Artikel 1, Absatz 1 noch einmal die gesamte Meinungsvielfalt zum Ausdruck.220 Die unterbreiteten Vorschläge reichten von einer Bezeichnung der EKD als „Kirche“, in der „lutherische, reformierte und unierte Gliedkirchen“ in einer „Kirchengemeinschaft“ leben, „die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft“ einschließe, über eine Beschreibung der EKD nur als „Kirchengemeinschaft“ bis hin zu einer Formulierung, die im Wesentlichen der Grundordnung von 1948 entsprach und lediglich die dort verwendete Bezeichnung „Bund“ durch „Gemeinschaft“ ersetzte.221 Eine Entscheidung zwischen diesen verschiedenen Varianten erfolgte nicht, vielmehr sollten auf der nächsten Zusammenkunft Gesamtentwürfe zum Artikel 1 diskutiert werden, dessen sonstige Punkte (u. a. eine Aussage zur „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“) nur noch kurz benannt werden konnten.222 Auf der nächsten Zusammenkunft am 28. Mai, lagen dann drei Formulierungsvorschläge vor, von denen sich die Entwürfe von Oberlandeskirchenrat Kaulitz und Vizepräsident Fischer auf Artikel 1 beschränkten, während Professor Scholder bereits einen Entwurf für alle vom Ausschuss zu bedenkenden Artikel vorlegte.223 Dabei repräsentierte die Vorlage von Fischer (EKU) den inhaltlich am weitestgehenden Entwurf, dessen Kernaussage der oben genannten Formulierung zum Kirchesein der EKD entsprach. Darüber hinaus brachte er ausdrücklich die Vorordnung der Heiligen Schrift gegenüber den Bekenntnissen zum Ausdruck und formulierte: „Sie [die EKD] bejaht die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen. Sie anerkennt die Aufgabe, ihre Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen und kirchenzerstörende Irrlehre gemeinsam abzuwehren.“224 Kaulitz (VELKD) lehnte sich dagegen enger an die bestehende Grundordnung an und beschrieb die EKD dementsprechend lediglich als „Gemeinschaft der in ihr zusammengeschlossenen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen“, brachte dafür jedoch Barmen – wie in der alten Grundordnung – auch inhaltlich zur Sprache, indem er von einer Bejahung

219 EBD., S. 2. 220 Das Protokoll vermerkt bei neun Teilnehmern insgesamt sechs Formulierungsvorschläge, die der EKD eine jeweils abgestufte ekklesiale Qualität zubilligten (EBD., S. 1). 221 „Die Evangelische Kirche in Deutschland ist eine Gemeinschaft, in der lutherische, reformierte und unierte Kirchen zusammengeschlossen sind“ (EBD.). 222 EBD., S. 2. 223 Artikel 1 (Entwurf Kaulitz), undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316); Artikel 1 (Entwurf Fischer), undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316); K. Scholder, Entwurf, Mai 1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316). 224 Artikel 1 (Entwurf Fischer), undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316).

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der „von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche“ sprach.225 Scholders Entwurf nahm gegenüber den beiden anderen Entwürfen nicht nur durch seinen Umfang, sondern auch durch seine eigenen Akzentsetzungen eine Sonderstellung ein. Bei ihm war die Präambel nicht wie in der alten Grundordnung unbeziffert und unnummeriert vorangestellt, sondern erhielt nunmehr eine gesonderte Artikelzählung und mit „I. Grundlagen“ eine eigene Überschrift und Nummerierung. Des Weiteren bezog er anders als Fischer und Kaulitz auch die Frage des Namens einer künftigen EKD in seine Überlegungen mit ein und sprach durchgängig von der „Evangelischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland“.226 Ebenfalls im Unterschied zu den anderen beiden Entwürfen verstand er diese EKiBRD ausdrücklich nicht als Gemeinschaft von Kirchen, sondern – worin er den eigentlichen ekklesiologischen Fortschritt gegenüber der alten Grundordnung sah – als „Gemeinschaft der evangelischen Christen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland“.227 Diesen ausführlicheren Entwurf Scholders legte die Arbeitsgruppe ihren Beratungen zu Grunde und folgte ihm bei der Formulierung ihres Gesamtentwurfs sowohl im Bereich der Präambel/„Grundlagen“ als auch im Bereich der „Grundbestimmungen“ weitgehend.228 Insbesondere übernahm sie Scholders Gliederung (einschließlich der besonderen Überschrift für die Präambel) sowie seine Beschreibung der EKD als Gemeinschaft von Christen.229 Keine Entscheidung wurde dagegen hinsichtlich des Namens getroffen,230 allerdings die Bezeichnung „Evangelische Kirche in West-Deutschland“ für möglich gehalten.231 Ergänzt wurde Scholders Entwurf im Artikel 3 des Grundlagenteils, womit wiederum das Neue in der Gemeinschaft der EKD zum Ausdruck gebracht werden sollte, um einen noch nicht ausformulierten Satz darüber, „daß die verschiedenen Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung haben“.232 Darüber hinaus wurde aus dem Entwurf Fischers in diesen Artikel die Aussage übernommen, dass die EKD

225 Artikel 1 (Entwurf Kaulitz), undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316). 226 K. Scholder, Entwurf, Mai 1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316). 227 EBD., S. 2 (Teil II: Grundbestimmungen, Artikel 1, Absatz 1). 228 Grundordnung der EKD, 28.5.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316). 229 In leicht variierender Formulierung, die nunmehr auch West-Berlin berücksichtigte: „Die Evangelische Kirche in Deutschland (oder in West-Deutschland) ist die Gemeinschaft evangelischer Christen, deren Gemeinden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) liegen“ (EBD.). 230 W. Danielsmeyer: Protokoll über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 28.5.1971 in Stuttgart, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316), S. 2. 231 Grundordnung der EKD, 28.5.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316), S. 1. 232 EBD., S. 1 (Artikel 3).

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die Aufgabe anerkenne, „die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen und kirchenzerstörende Irrlehre gemeinsam abzuwehren“.233 Weggelassen wurde im Abschnitt „Grundlagen“ hingegen ein Artikel 4, in dem Scholder versucht hatte, Auftrag und Dienst der EKD, näher zu beschreiben. Im Bereich der „Grundbestimmungen“ übernahm der vorläufige Entwurf der Arbeitsgruppe aus dem Entwurf von Kaulitz dessen Aussage zu Barmen.234 Der im Zusammenhang von Artikel 1 zu klärenden Frage, was in einer künftigen Grundordnung der EKD zur Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland auszusagen sei, wurde in allen Entwürfen nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, was insofern verständlich ist, als an dieser Stelle im Vergleich zur alten Grundordnung kein Mehr, sondern eher ein Weniger festzuhalten war. Am weitesten ging der Entwurf von Scholder an dieser Stelle, der ein Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“, da diese etwas der EKD Vorgegebenes sei, unter „Grundlagen“, also in die Präambel, aufgenommen hatte (ohne Bezugnahme auf daraus sich ergebende Aufgaben).235 Bei Fischer hingegen fehlte eine Aussage zur „besonderen Gemeinschaft“ völlig, während Kaulitz eine Formulierung bot, die auf einen älteren Vorschlag von Vizepräsident Winfried Stolz zurückging.236 Stolz hatte in seinem Formulierungsvorschlag für die Artikel 1 und 4 – anscheinend in Unkenntnis der im Vorfeld der Stuttgarter Synode geführten Diskussion über die kirchenpolitische Problematik einer genau spiegelbildlichen Formulierung zu Artikel 4 (4) BO237 – erneut eine solche Formulierung vorgeschlagen und damit wiederum von einer Wahrnahme von Aufgaben, die auch die Kirchen in der DDR betreffen, durch die EKD gesprochen. Diese kirchenpolitisch problematische Aussage übernahm Kaulitz, während er den ersten Satz mit seinem Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ ohne erkennbare Begründung wegließ. Damit wurde – abgesehen von dem kirchenpolitischen Sprengstoff dieser Aussage – auch das Verhältnis der EKD zur „besonderen Gemeinschaft“ im Vergleich zur Stuttgarter Erklärung erheblich reduziert.

233 EBD. 234 EBD., S. 2 (Artikel 4 [3]). 235 K. Scholder: Entwurf, Mai 1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316), S. 1 (I. Grundlagen, Artikel 2): „Sie [die EKiBRD] bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland.“ 236 W. Stolz an Oberkirchenrat Prof. Dr. G. Wendt: Betr. Formulierungsvorschlag für die Artikel 1 und 4 der Grundordnung der EKD, 16.2.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 315), S. 1. – Dieser Entwurf lag der Arbeitsgruppe I auf ihrer Sitzung am 30. April vor (W. Danielsmeyer: Protokoll über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD [am 30. April], undatiert [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 78], S. 1). 237 Siehe oben S. 29–31.

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Diese minimalistische Fassung war der Arbeitsgruppe I allerdings zu wenig. Zwar konnte sie sich auf ihrer Zusammenkunft am 28. Mai nicht dazu verstehen, stattdessen ein Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ zu formulieren und dieses – wie bei Scholder – in die Präambel aufzunehmen, sie stellte jedoch der Formulierung von Kaulitz noch die Versicherung voran, dass die EKD an der „besonderen Gemeinschaft“ festhalte. An der kirchenpolitisch brisanten Aussage wurde hingegen kein Anstoß genommen, ihre Brisanz sogar – sicher ungewollt – noch dadurch verstärkt, dass Berlin (West) gesondert aufgeführt wurde, sodass sich die DDR nunmehr im Einflussbereich der EKD auf gleicher Stufe mit Westberlin befand. An dieser Formulierung änderte die Arbeitsgruppe auch auf ihrer Zusammenkunft am 2. Juli, auf der sie ihren vorläufigen Entwurf für eine Formulierung der „Grundlagen“ und der „Grundbestimmungen“ (nach der neuen Zählung Artikel 1–10) verabschiedete, nichts mehr. Der von der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ zur Diskussion im Gesamtausschuss vorgeschlagene Artikel 5, Absatz 4 lautete damit in seiner Endfassung: „Die Evangelische Kirche in Deutschland hält an der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland fest. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt die Evangelische Kirche in Deutschland Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, in Berlin (West) und in der Deutschen Demokratischen Republik gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch ihre Organe wahr.“238

Die Punkte, die am 2. Juli zur Diskussion standen, betrafen vielmehr noch einmal jene Artikel, in denen im Vergleich zur alten Ordnung ein Mehr an Gemeinschaft innerhalb der EKD ausgesagt werden sollte. Im Wesentlichen ging es dabei um Artikel 3 zur Geltung der Bekenntnisse sowie um die Frage des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts. Hinsichtlich dieses letzten Problems konnte sich der Vorschlag, im Interesse einer vertieften Gemeinschaft in der EKD nunmehr auch eine vermittelte Einzelmitgliedschaft239 der Gemeindeglieder expressis verbis vorzusehen, angesichts bestehender Bedenken der EKD-Kommission zur Klärung des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts nicht durchsetzen. Dementsprechend wurde in dem betreffenden Artikel 7 lediglich festgehalten, dass „der getaufte evangelische Christ . . . durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich“ der EKD „angehöre“. Zur Frage der Geltung der Bekenntnisse wurde in Artikel 3 der noch nicht ausformulierte Satz darüber, „daß die verschiedenen Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung 238 Entwurf der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses: Grundordnung der EKD, 2.7.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316), S. 2. 239 Eine durch die Mitgliedschaft in einer Gliedkirche vermittelte Mitgliedschaft in der EKD. Eine „unmittelbare Mitgliedschaft“, die Mitgliedschaft einzelner Christen in der EKD, unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in einer Gliedkirche, wurde nicht erwogen.

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haben“, nunmehr in seinem Wortlaut festgelegt. Er entsprach im Wesentlichen der zuvor notierten Bedarfsanzeige und griff damit eine Formulierung aus den Leuenberger Gesprächen auf.240 Dieser mehrfach umstrittene Artikel 3 hatte damit im Entwurf der Arbeitsgruppe I folgende, für den Gesamtentwurf später nur noch geringfügig geänderte Fassung: „Gemeinsam mit der ganzen Christenheit241 steht die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Sie ist den in ihren Gliedkirchen geltenden reformatorischen Bekenntnissen verpflichtet. Die Gliedkirchen erkennen an,242 daß die Verschiedenheit der Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung mehr hat. Die Evangelische Kirche in Deutschland anerkennt die Aufgabe, die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen und kirchenzerstörende Irrlehre gemeinsam abzuwehren.“243

Weiterhin übernahm die Arbeitsgruppe aus dem Entwurf Scholders nun auch den anfangs weggelassenen Artikel 4 zu Auftrag und Dienst der EKD und benannte in geringfügiger Abwandlung von Scholders Vorschlag die „Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus“ als „Auftrag“244 der EKD, wobei diese „den Dienst der Kirche in Staat und Gesellschaft, der im Gehorsam gegen diesen Auftrag geschieht“, bejahe.245 Darüber hinaus wurde nunmehr die Alternativbezeichnung „Evangelische Kirche in WestDeutschland“ endgültig getilgt und wieder uneingeschränkt von der Evangelischen Kirche in Deutschland gesprochen. Dieser so veränderte Entwurf wurde von der Arbeitsgruppe Verfassung I einstimmig verabschiedet246 und der Gesamtgruppe am nächsten Tag (3. Juli 1971) vorgelegt. 240 Eine solche Erklärung war bereits im Abschlussbericht zu den Leuenberger Gesprächen vom Juni 1970 vorgeschlagen worden (E. SCHIEFFER, Leuenberg, A 65). 241 Vom Gesamtausschuss am 3. Juli in Anlehnung an die alte Grundordnung geändert in: „Gemeinsam mit der alten Kirche . . .“ (O. Lingner: Niederschrift über die 6. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 3.7.1971 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316], S. 6). 242 Von der Arbeitsgruppe I am 27. Juni geändert in: „Die Gliedkirchen erklären, . . .“ (Entwurf der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses, 27.7.1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 318], S. 1). Die endgültige Fassung, die auf der Klausurtagung im Oktober festgelegt wurde, lautete schließlich: „In der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht Übereinstimmung, . . .“ (FRANKFURT/MAIN 1971, S. 488). 243 Entwurf der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses. Grundordnung der EKD, 2.7.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316), S. 1; vgl. W. Danielsmeyer, Protokoll über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD am 2.7.1971 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 79). 244 Scholder hatte vom „einzigen Auftrag“ gesprochen (K. Scholder: Entwurf, Mai 1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316], S. 1). 245 Entwurf der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses: Grundordnung der EKD, 2.7.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 316), S. 1; zur Bedeutung insgesamt vgl. G. PICHT, Freiheit. 246 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 241), S. 2.

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Bei dieser Diskussion des Entwurfes in der Gesamtgruppe, an der nun auch die Mitglieder der Arbeitsgruppe Verfassung II beteiligt waren, stießen jene Punkte, mit denen die vertiefte Gemeinschaft in der EKD zum Ausdruck gebracht werden sollte, zum Teil auf erheblichen Widerspruch. Dieser betraf vor allem den dritten Satz von Artikel 3, der davon sprach, „daß die Verschiedenheit der Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung mehr“ habe. Von bayerischer Seite wurde eingewandt, „daß es allein Sache der Gliedkirchen und nicht der EKD sei“, eine solche Feststellung zu treffen.247 Dem daraufhin unterbreiteten Vorschlag, die in Leuenberg ebenfalls gebrauchte vorsichtigere Formulierung zu verwenden, dass „die Verwerfungen in den Bekenntnissen die Gliedkirchen als Partner nicht mehr betreffen“, wurde jedoch entgegengehalten, dass „eine solche vorsichtigere Formulierung auf einen Stand“ zurückgehe, „der dem heutigen Stand nicht mehr“ entspreche.248 Gegen die in Artikel 3 gebrauchte Formulierung wurde freilich ebenfalls geltend gemacht, dass sie als ein „negatives Urteil über das Verhalten der bekenntnisbestimmten Kirchen der Vergangenheit“ verstanden werden könnte, was zu vermeiden sei: „Wenn heute die Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung mehr haben, so darf daraus nicht geschlossen werden, daß die Väter insoweit einem Irrtum aufgesessen waren.“249 Da allerdings kein Alternativvorschlag „allgemeine Anerkennung“ im Ausschuss fand, blieb es trotz der genannten Bedenken im Großen und Ganzen250 bei der von der Arbeitsgruppe Verfassung I vorgelegten Fassung. In mehrfacher Hinsicht diskutiert wurde der von der Gruppe Verfassung I unter Grundlagen eingefügte vierte Artikel zum Auftrag der EKD. Seine Kritiker machten geltend, dass es sich hierbei um eine Aufgabe der EKD handele, dieser Artikel also nicht unter „Grundlagen“, sondern unter „Grundbestimmungen“ einzuordnen sei. Dagegen wurde wiederum eingewandt, „daß der Artikel 4 inhaltlich den Auftrag der EKD nach einer bestimmten Seite hin entfaltet und darum zu den Grundlagen“ gehöre.251 Schließlich wurden etliche Vorschläge zur Umformulierung unterbreitet, von denen sich jedoch keiner durchzusetzen vermochte.

Die weitere Kritik innerhalb des Gesamtausschusses betraf vor allen den Artikel 5 und die darin vorgenommene Beschreibung der EKD als einer Gemeinschaft von Christen. Während die Kritiker einwandten, dass die EKD „nicht nur eine Gemeinschaft von Christen, sondern auch und besonders eine Gemeinschaft von Gliedkirchen“ sei, hoben die Befürworter 247 248 249 250 251

EBD., S. 6 (W. Hofmann). EBD. EBD. (H. v. Keler). Vgl. oben Anm. 241. O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 241), S. 5.

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des Ausschussentwurfs noch einmal hervor, dass gerade damit der Fortschritt gegenüber der alten Grundordnung zum Ausdruck gebracht werde. Denn einen „Unterschied zwischen einem Bund von Kirchen und einer Gemeinschaft von Kirchen“ gebe „es wohl kaum“.252 Die Diskussion darüber gewann an Schärfe, als im Zusammenhang von Artikel 7 erneut der Vorschlag einer ausdrücklichen (vermittelten) Einzelmitgliedschaft der Gemeindeglieder in der EKD unterbreitet wurde, wobei es sowohl um ein weiteres Merkmal der vertieften Gemeinschaft in der EKD ging als auch darum, „die Kirchensteuerfrage in unanfechtbarer Weise regeln zu können“.253 Eine solche Einzelmitgliedschaft lehnte Hofmann in Übereinstimmung mit einem entsprechenden Votum der bayerischen Landessynode vom März254 nicht nur entschieden ab, da dies „den Weg zur Einheitskirche eröffnen“ würde, sondern drohte für den Fall ihrer Umsetzung auch mit dem Scheitern des Reformwerks insgesamt.255 Unter dieser Voraussetzung schien dem Ausschuss „eine weitere Diskussion in dieser Sache wertlos zu sein“.256 Allerdings entschied er sich, zu Artikel 7 eine zumindest etwas weiter gehende Alternativfassung zu erarbeiten, während zu Artikel 5 eine Alternativfassung ergänzt werden sollte, die die EKD lediglich als Gemeinschaft von Kirchen beschrieb.257 Beide Alternativfassungen sollten in den endgültigen Rohentwurf einer Grundordnung aufgenommen und der EKDSynode im Herbst vorgelegt werden. Die Endfassungen dieser Alternativen für den in mehrfacher Hinsicht wichtigen Artikel 5 lauteten: Erste Fassung: „(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist die Gemeinschaft der evangelischen Christen, die den Gliedkirchen und ihren Gemeinden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) angehören. (2) Sie umfaßt lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen), die nach Maßgabe dieser Grundordnung in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander stehen. Sie achtet die Bekenntnisgrundlagen ihrer Gliedkirchen und Gemeinden. Sie hält dazu an, auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören.“ Zweite Fassung: „(1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland sind lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen) im Bereich der Bundesrepublik Deutschland 252 EBD., S. 7. 253 EBD., S. 9. 254 Beschluss zur Entwicklung in der EKD vom 12.3.1971 (KJ 98 [1971], S. 39 f.). 255 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 241), S. 9. 256 EBD. 257 Ausformuliert auf der Zusammenkunft der Arbeitsgruppe am 27. Juli (Entwurf der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ des Struktur- und Verfassungsausschusses, 27.7.1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 318]).

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und in Berlin (West) mit ihren Kirchengemeinden und Kirchengliedern zu einer Kirchengemeinschaft zusammengeschlossen,258 die nach Maßgabe dieser Grundordnung Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließt. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland achtet die Bekenntnisgrundlagen ihrer Gliedkirchen und Gemeinden. Sie hält dazu an, auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören.“ Gemeinsame Fortsetzung beider Fassungen: „(3) Sie bejaht mit ihren Gliedkirchen die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche. (4) Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu ihrer Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland.“259

Die kontroverse Diskussion innerhalb des Ausschusses sowie ein vorläufiger Entwurf260 waren auch Gegenstand auf den nachfolgenden Sitzungen des Rates der EKD.261 Die dortige Aussprache – ähnlich kontrovers wie die im Verfassungsausschuss – wirkte sich jedoch nur auf die Formulierung von Artikel 5, Absatz 4 zur „besonderen Gemeinschaft“ aus und führte schließlich zu der soeben zitierten Kurzfassung. Dieser Artikel hatte auf der Zusammenkunft der Arbeitsgruppe I am 27. Juli sowie auf der Oktobertagung des Gesamtausschusses im Vergleich zur Fassung vom 2./3. Juli noch einmal eine deutliche Veränderung erfahren. War bereits am 3. Juli im Gesamtausschuss zumindest erwogen worden, die blasse Formulierung, dass die EKD an der „besonderen Gemeinschaft“ festhalte, analog zur Bundesordnung durch ein Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ zu ersetzen,262 folgte die Arbeitsgruppe I am 27. Juli diesem Vorschlag anscheinend ohne nennenswerte Diskussion. Damit bot der Absatz im Vergleich zu Artikel 4 (4) der Bundesordnung – abgesehen von der Erwähnung Westberlins, die dort verständ258 Diese Verwendung des Begriffes „Kirchengemeinschaft“ in rein organisatorischem Sinne ist insofern überraschend, als „Kirchengemeinschaft“ innerhalb des Struktur- und Verfassungsausschusses zwar unterschiedlich gefüllt, jedoch stets als ekklesiologischer Begriff verstanden wurde. 259 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 489 f. 260 Die Fassung war von einem kleinen Formulierungsausschuss (Lingner, v. Heyl und Benn) erstellt worden (E.-V. Benn/C. A. v. Heyl/O. Lingner: Entwurf für die Artikel einer neuen Grundordnung der EKD. Fassung vom 10.9.1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 320]). Benn (EKU) war zwar nicht Mitglied des Struktur- und Verfassungsausschusses, wurde jedoch von Lingner – freilich ohne ausdrückliches Mandat des Ausschusses – an dessen Arbeit beteiligt. 261 Vgl. W. Hammer/R. Krapp: Niederschrift über die 54. Sitzung des Rates der EKD am 7. und 8.7.1971 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 771), S. 17; W. Hammer/J. Linnewedel: Niederschrift über die 55. Sitzung des Rates der EKD am 15. und 16.9.1971 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 772), S. 11; W. Hammer/H. Echternach: Niederschrift über die 56. Sitzung des Rates der EKD am 13. und 14.10.1971 in Bonn, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 773), S. 18. 262 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 241), S. 8.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD licherweise fehlte – nunmehr wiederum eine völlig spiegelbildliche Fassung.263 Die kirchenpolitische Brisanz des zweiten Satzes, in dem die EKD für sich eine Wahrnehmung von Aufgaben beanspruchte, die die Kirchen in der DDR mit betreffen, wurde im Ausschuss offenkundig nicht gesehen. Erst die Kirchenkanzlei der EKD, der der Entwurf zur Kenntnis gegeben worden war, machte auf dieses Problem aufmerksam. In einem Schreiben von Oberkirchenrat Otto v. Harling wies diese neben anderen Kritikpunkten auch ausdrücklich darauf hin, dass der zweite Satz im Absatz 4 des fünften Artikels „erneut als Geltendmachung eines Alleinvertretungsanspruches seitens der EKD ausgelegt werden“ könnte.264 Harling empfahl deshalb, analog zur Stuttgarter Erklärung die eingrenzende Wendung „für ihren Bereich“ einzufügen. Diesem Vorschlag war jedoch weder der Formulierungsausschuss in seinem Entwurf vom 10. September noch der Gesamtausschuss auf seiner Klausurtagung im Oktober gefolgt. Ersterer nahm an dem betreffenden Artikel 5 (4) keinerlei Änderungen vor; Letzterer blieb bei der grundsätzlich spiegelbildlichen Formulierung und trug den geäußerten Bedenken lediglich dadurch Rechnung, dass die Erwähnung der Staatsgebiete durch die Namen der kirchlichen Zusammenschlüsse ersetzt wurde. Diese Korrektur ging allerdings nicht in erster Linie auf Überlegungen zur Ost-West-Problematik zurück, sondern versuchte zuallererst den Eindruck eines Alleinvertretungsanspruches der EKD gegenüber den anderen evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik (also etwa gegenüber den Methodisten und den lutherischen Freikirchen) zu vermeiden.265 Aufgrund des Einwandes v. Harlings wurde diese für den Westbereich erwogene Umformulierung lediglich auf den Ostbereich ausgedehnt und nun auch dort von den Kirchen „im Bereich des Bundes“ und nicht von den Kirchen „in der Deutschen Demokratischen Republik“ gesprochen. Des Weiteren wurde das Wort „gemeinsam“ vor „betreffen“ getilgt. Die auf der Klausurtagung verabschiedete und dem Rat auf seiner Sitzung am 14. Oktober vorliegende Fassung lautete dementsprechend: „Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt die Evangelische Kirche in Deutschland Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen im

263 Die Gründe für diese bereits bei Stolz und Kaulitz zu beobachtende Tendenz zur spiegelbildlichen Formulierung wurden anders als im Vorfeld der Stuttgarter Synode 1970, wo die spiegelbildliche Formulierung die bleibende Verbundenheit mit den ostdeutschen Kirchen ausdrücken solle, nicht genannt. Angesichts dessen, dass in den Entwürfen anfangs der für die Verbundenheit wesentliche erste Satz weggelassen und später neu formuliert wurde, ist zumindest damit zu rechnen, dass die Anlehnung Artikel 4 (4) BO nunmehr lediglich einen Rückgriff auf bewährte Formulierungen bedeutete. 264 Kirchenkanzlei der EKD (O. v. Harling) an Lingner: Betr. Entwurf der Arbeitsgruppe „Verfassung I“ für Artikel 1–10 der Grundordnung, 1.9.1971 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 79). 265 Entsprechend formulierte der erste Vorschlag von v. Heyl auf der Sitzung des Strukturund Verfassungsausschusses am 3.7.1971 lediglich für den Westbereich um: „In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt die Evangelische Kirche in Deutschland alle Aufgaben, die ihre Gliedkirchen und die Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch ihre Organe wahr“ (O. Lingner: Niederschrift [vgl. Anm. 241], S. 8 – Hervorhebung vom Verf.).

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Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland und im Bereich des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch ihre Organe wahr.“266

Auf der Sitzung des Rates am 13./14. Oktober stießen diese Formulierungen auf ähnliche Bedenken, wie sie bereits zuvor seitens der Kirchenkanzlei geäußert worden waren. Angesichts der „Erfahrungen aus Gesprächen mit Vertretern des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ wurde darauf hingewiesen, dass diese „Fassung dort als nicht förderlich empfunden“ werden wird. Insbesondere sei es nötig, für den Ausdruck „besondere Gemeinschaft“ eine „andere Formulierung“ zu finden. Zur weiteren Klärung einigte man sich darauf, über Lingner noch einmal „Kontakt mit dem Vorsitzenden des Vorstandes der Konferenz der Kirchenleitungen“ herzustellen. Raiser wiederum nahm es als Vorsitzender des Struktur- und Verfassungsausschusses „auf sich, eine von dem jetzigen Entwurf abweichende Fassung in den Rohentwurf einzusetzen, wenn man sich darüber mit dem Bund Evangelischer Kirchen in der DDR verständigt“ habe.267 Der Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR befasste sich daraufhin auf seiner Sitzung am 21. Oktober 1971 mit der EKD-Verfassungsreform. Er vertrat dabei die Meinung, dass eine wörtliche Wiederholung von Artikel 4 (4) BO „nicht ohne Probleme“ sei, „zumal wenn das unter der Überschrift ‚Evangelische Kirche in Deutschland‘“ geschehe. Sofern an dem Namen „Evangelische Kirche in Deutschland“ festgehalten würde, müsste „die Formulierung des entsprechenden Artikels etwas disparater als in der Bundesordnung ausfallen“. Werde hingegen der Name geändert, könne „die Formulierung etwas enger angelehnt sein“. Da der Bund jedoch darauf Wert legte, dass BEK und EKD trotz bleibender geistlicher Gemeinschaft organisatorisch völlig unabhängig seien, enthielt er sich wiederum – wie bereits in seiner Stellungnahme zu den Stuttgarter Beschlüssen – bewusst jeglicher Formulierungsvorschläge, um nicht der EKD gegenüber das zu praktizieren, was man sich im umgekehrten Falle verbeten hätte. Zur Erläuterung verwies er lediglich auf „die Ausführungen von D. Schönherr am 24.2.1971268 und auf die Ausführungen 266 Grundordnung der EKD – Entwurf. Fassung vom 10.10.1971 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 16), Artikel 5 (4). 267 Auszugweise Niederschrift über die geschlossene Sitzung des Rates der EKD am 14.10.1971 in Bonn, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 318). – Auf den Zusammenkünften der Beratergruppe, zu deren Mitgliedern von östlicher Seite insbesondere die Mitglieder des Vorstandes der KKL gehörten, war von Lingner zwar jeweils über den Stand der Verfassungsreform berichtet, nicht jedoch das Problem der Formulierung eines Artikels zur besonderen Gemeinschaft angesprochen worden (vgl. H. J. Behm: Notizen vom Gespräch mit den Beauftragten, 14.5 1971 [EZA BERLIN, 101, Nr. 358]; Ders.: Vermerk. Betr. Sitzung der Berlin-Gruppe am 28.9.1971, 29.9.1971 [EZA BERLIN, 101, Nr. 358], S. 4). 268 Ansprache des Vorsitzenden der KKL, Bischof D. Schönherr, beim Empfang des

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von D. Scharf vor der Synode Berlin-Brandenburg (West) im Sommer 1971 zur Sachfrage“.269 Allerdings fügte er an: „Es erschiene uns gut, dasselbe mit anderen Worten zu sagen. In der Sache sind wir einig, aber auch die Formulierung ist für uns nicht ohne Belang. Wir möchten nicht in die Lage kommen, die Formulierung von Art. 4,4 der Ordnung des Bundes neu zu diskutieren; das erscheint bei einer Formulierung gleicher Art im Westen aber unvermeidbar.“270

Dieses Votum wurde vom Leiter des Sekretariats des Kirchenbundes, Manfred Stolpe, anscheinend direkt an den Präsidenten der Kirchenkanzlei, Walter Hammer, übermittelt, der daraufhin – „da der Vorstand der Konferenz keinen formulierten Gegenentwurf aufgestellt hatte, der Entwurf einer Grundordnung aber nun erst recht nicht in der bisherigen Fassung, sicher auch nicht mit einer ‚Leerstelle‘ zu dieser Frage der Synode vorgelegt werden“ könne – „im Einvernehmen mit Herrn Stolpe“ eine vorläufige271 Beschränkung auf den ersten Satz vorschlug.272 Diesem Vorschlag stimmte Raiser als Vorsitzender des Struktur- und Verfassungsausschusses telefonisch zu, sodass sich der betreffende Absatz der seinerzeit von Scholder vorgeschlagenen (und bereits oben zitierten)273 Fassung annäherte und sich von Scholders Entwurf lediglich durch die Einordnung und den Bezug auf die „Mitverantwortung“ unterschied.274 Diese Fassung wurde der EKD-Synode auf ihrer Tagung in Frankfurt am Main vorgelegt, ohne dass in den beigefügten Erläuterungen zum Vorstandes des BEK durch den Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR (in: M. FALKundgebungen BEK I, S. 29–35). – Dort hatte Schönherr die geschichtliche und geistliche Dimension der Gemeinschaft mit den evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik erläutert (siehe oben S. 19 f.), um im Anschluss daran den Beschluss der Bundessynode auf ihrer 2. Tagung 1970 in Potsdam (siehe oben S. 38 f., Anm. 96) zu zitieren. 269 A. Schönherr/M. Kramer: Protokoll des Vorstandes der KKL in Halle am 21.10.1971, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 114), S. 1. 270 EBD. 271 Entsprechend wurde von westlicher Seite für die nächste Zusammenkunft der Beratergruppe vorgesehen, „sich Gedanken über die Formulierung des Artikels 5 Absatz 4 des Entwurfs für eine neue Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu machen“ (O. Lingner an Präses i. R. D. Wilm u. a.: Betr. Nächstes Zusammenkommen zwischen den Beratern des Rates der EKD und dem Vorstand der KKL, 4.11.1971 [EZA BERLIN, 4, Nr. 68]). Auf der Zusammenkunft am 18. November berichtete dann allerdings Lingner lediglich über die der Synode in Frankfurt vorgelegte Formulierung, ohne dass darüber eine Aussprache stattfand (Sekretariat des BEK [H. J. Behm]: Vermerk. betr. Sitzung der Berlin-Gruppe am 18.11.1971, 25.11.1971 [EZA BERLIN, 101, Nr. 35], S. 2; vgl. O. Lingner: Vermerk, 28.11.1971 [EZA BERLIN, 4, Nr. 68]). 272 W. Hammer: Betr. Zweiter Zwischenbericht des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der EKD, 26.10.1971 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 318). 273 Siehe oben S. 64, Anm. 235. 274 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 490.

KENAU,

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Artikel 5 auf diesen Absatz 4 eingegangen wurde. Erst in den Erläuterungen zu Artikel 27, der in seinem ersten Absatz im Unterschied zur alten Grundordnung die Gliedkirchen der EKD namentlich aufführte, wurde das Problem kurz gestreift und festgehalten, dass mit dieser Aufzählung der Mitgliedskirchen „Mißverständnisse eines ‚gesamtdeutschen Charakters‘ der Evangelischen Kirche in Deutschland . . . nicht auftreten“ können.275

3.2.2. Diskussion des „Rohentwurfs“ (EGO I) auf der EKD-Synode 1971 in Frankfurt am Main Obwohl der vom 7. bis 12. November 1971 in Frankfurt am Main tagenden EKD-Synode als Hauptthema eine Stellungnahme zur Bildungspolitik aufgegeben war, wurde die Reform der Grundordnung zu ihrem beherrschenden Thema.276 Dieser Stellenwert war zum einen durch den an sich bereits kontroversen Gegenstand selbst bedingt, zum anderen lag den Synodalen mit dem Entwurf des Struktur- und Verfassungsausschusses erstmals ein konkreter und damit diskutierbarer Text vor.277 Nicht zuletzt regte dieser Text selbst, indem er an Stellen mit grundsätzlicher Bedeutung nicht wie sonst die im Ausschuss vorhandene Mehrheitsmeinung bot, sondern in Alternativfassungen die kontroversen Meinungen vorstellte, auch noch ausdrücklich zur Auseinandersetzung an. Diese Art und Weise der Präsentation des Ausschussergebnisses war – wie Raiser in seiner Einführung erklärte – bewusst gewählt worden, „um die Synode und die weitere kirchliche Öffentlichkeit an der Meinungsbildung zu beteiligen und so die letzten Endes hier wie in allen übrigen Punkten von der Synode zu treffende Entscheidung gründlich vorzubereiten“.278 In diesem Sinne war von Anfang an geplant, den Grundordnungsentwurf nach der EKD-Synode den Landeskirchen zur Stellungnahme vorzulegen. Der vorgelegte „Entwurf“ – später als EGO I bezeichnet – umfasste 64 Artikel und war in sieben Teile untergliedert. Teil I (Art. 1–4) beschrieb die der EKD 275 EBD., S. 507. Entsprechend wurde hinsichtlich der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg vermerkt, dass von dieser Kirche „lediglich die Region West als Gliedkirche aufgeführt“ werde (EBD.). 276 Bericht und Aussprache beanspruchten den gesamten 4. Verhandlungstag (10. November). Das Kirchliche Jahrbuch vermerkte, dass die Diskussion darüber mit 40 Rednern die „umfassendste Plenardebatte seit Beobachtergedenken“ gebildet habe (KJ 98 [1971], S. 26). 277 Der Grundordnungsentwurf war den Synodalen Ende Oktober zugegangen. Auf der Synodaltagung lag ihnen dieser Entwurf in einer erläuterten Fassung vor (abgedruckt in: FRANKFURT/MAIN 1971, S. 487–527 – siehe unten Dok. 3). Die Erläuterungen wurden nicht vom Gesamtausschuss verantwortet, sondern von den jeweiligen Autoren. Die Erläuterungen der Artikel 1 bis 10 gingen auf einen Entwurf von OKR Danielsmeyer zurück. 278 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 208.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD „vorgegebenen Grundlagen“ und trat damit an die Stelle der unbezifferten Präambel in der Grundordnung von 1948. Teil II „Grundbestimmungen“ (Art. 5–10) entsprach formal dem gleichnamigen ersten Abschnitt der alten Fassung. Teil III „Aufgaben“ (Art. 11–15) enthielt die Beschreibung der von der EKD wahrzunehmenden Gemeinschaftsaufgaben, während Teil IV das „Instrumentarium“ (Art. 16–26) zur Wahrnehmung dieser Aufgaben umriss. Teil V „Gliederung“ (Art. 27) und Teil VI „Organe“ (Art. 28–54) griffen wiederum den entsprechenden Teil der alten Grundordnung auf, während Teil VII „Finanzen“ (Art. 55–64) als gesonderter Abschnitt neu hinzugekommen war.

In seinem Einführungsreferat hob der Ausschussvorsitzende, Präses Raiser, zur Erläuterung des Entwurfs einige Kernfragen hervor, von denen sich der Struktur- und Verfassungsausschuss bei seiner Arbeit habe leiten lassen und auf die er mit seinem Entwurf einer Grundordnung Antworten – zum Teil eben in Alternativfassungen – zu geben versuchte. Hinsichtlich des Kirchenverständnisses bzw. des theologischen Fundaments der EKD habe sich der Ausschuss – so Raiser – durch den Synodalbeschluss von Berlin-Spandau „ermutigt“ gefühlt, „nunmehr in den Art. 1–4 die Grundlagen kirchlicher Gemeinschaft in der EKD zu formulieren“ und in Artikel 5–10 die EKD als eine Gemeinschaft zu beschreiben, die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließe. An dem Bekenntnisvorbehalt zugunsten der bekenntnisbestimmten Gliedkirchen werde dabei zwar festgehalten, „aber vorausgesetzt, daß die Gliedkirchen untereinander diese Unterschiede nicht mehr als kirchentrennend betrachten“.279 Ungeklärt und umstritten sei trotz der umfangreichen Ausschussarbeit freilich geblieben, ob die EKD „im vollen Sinne als Kirche gelten“ könne, womit unmittelbar die Frage zusammenhänge, ob die EKD eine Gemeinschaft von Christen (Artikel 5 EGO, erste Fassung) oder eine Gemeinschaft von Kirchen (Artikel 5 EGO, zweite Fassung) sei. Die zweite von Raiser besonders hervorgehobene Kernfrage betraf das Verhältnis der EKD zu ihren Gliedkirchen. Hier habe der Ausschuss entsprechend dem Stuttgarter Auftrag eine Stärkung der EKD angestrebt, damit diese die gemeinschaftlichen Aufgaben besser erfüllen könne. Denn Sinn der EKD-Reform sei es, „in einer Umwelt, die der christlichen Botschaft und den diese Botschaft verkündigenden Kirchen zunehmend kühl, zweifelnd oder abweisend gegenübersteht, die Kräfte der evangelischen Christenheit besser als bisher zusammenzufassen“.280 Dieser Aufgabe würden weder ein von manchen befürchteter „Zentralismus“ noch der vielfach vorhandene „Partikularismus“ gerecht werden, vielmehr erfordere sie einen „kooperativen Föderalismus“, womit der Sache nach der umstrittene und deshalb vom Ausschuss fallen gelassene Begriff „Bundeskirche“ aufgegrif279 EBD., S. 209. 280 EBD.

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fen werden sollte.281 Diesem kooperativen Föderalismus entspreche es, der angestrebten Stärkung der EKD auch „eine Erweiterung der Mitwirkungsrechte der Gliedkirchen bei den sie betreffenden Rechtsakten der EKD“ an die Seite zu stellen, wie sie vor allem in einem erweiterten Mitspracherecht der Kirchenkonferenz zum Ausdruck komme.282 Hingegen sei, um eine Überlastung der Synode der EKD zu vermeiden, entgegen der Stuttgarter Entschließung im Grundordnungsentwurf eine Stärkung der Position der Synode nicht vorgesehen worden.283 Der dritte wesentliche Fragenkreis betraf die Ordnung der Gemeinschaftsaufgaben, wobei zwei Modelle im Ausschuss zur Diskussion standen und sich im Entwurf in entsprechenden Alternativfassungen niederschlugen. Das eine Modell ging davon aus, „daß die Kirche auf diesen Arbeitsfeldern mehr als im Kernbereich des gottesdienstlichen und seelsorgerlichen Handelns gegenüber der ganzen Gesellschaft in Erscheinung tritt und auf sie einwirkt“, und zog daraus die Konsequenz, „daß diese Arbeit auch voll der Verantwortung der Leitungsorgane der EKD unterstellt werden müsse“. Das zweite Modell hielt dagegen an der Selbstständigkeit der auf diesem Gebiet bestehenden Einrichtungen fest und sicherte „ihre Verbindung zur EKD dadurch . . ., daß sie zu einer ‚Konferenz der kirchlichen Werke und Verbände‘ zusammengeschlossen würden, die den Rang eines der Kirchenkonferenz vergleichbaren, wenn schon mit weit geringeren Rechten ausgestatteten Organs der EKD“ erhalte.284 In jedem Fall sollte mit diesen Regelungen „ein landeskirchlicher Partikularismus eingedämmt und das Nebeneinander von 20 Kirchenverwaltungen, die für alle Aufgaben eigene Referate unterhalten müssen, auf ein vernünftiges Maß reduziert“ werden.285 Die Synodalaussprache über den vorgelegten „Zweiten Zwischenbericht des Struktur- und Verfassungsausschusses“, die sich unmittelbar an Raisers Einführungsreferat anschloss, ließ deutlicher, als dies in Berlin-Spandau der Fall gewesen war, erkennen, dass nicht nur innerhalb der bayerischen Landeskirche, sondern in der VELKD insgesamt erhebliche Bedenken gegenüber dem vorgelegten Grundordnungsentwurf wie gegenüber der in dem Reformwerk zum Ausdruck kommenden Tendenz bestanden. Dabei spielte die Frage der Abendmahlsgemeinschaft, die noch im Mittelpunkt der Reformdiskussion auf der Spandauer Synode gestanden hatte, eine nur untergeordnete Rolle, da der Entwurf in seinem Artikel 6 (4) lediglich davon

281 EBD., S. 210. 282 EBD. – Dabei wurde eine bereits in Berlin-Spandau vorgeschlagene Veränderung des Stimmenschlüssels entsprechend der Zahl der Kirchenmitglieder der Gliedkirchen übernommen (BERLIN-SPANDAU 1972, S. 515 [Artikel 43]). 283 EBD., S. 214. 284 EBD., S. 211 f. 285 EBD., S. 209.

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sprach, dass „innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland . . . Abendmahlsgemeinschaft“ bestünde, ohne diese als „volle“ Abendmahlsgemeinschaft zu qualifizieren.286 Die Bedenken auf lutherischer Seite richteten sich vielmehr grundsätzlicher gegen die im Entwurf angestrebte Kirchwerdung der EKD, wobei die Furcht vor einer damit verbundenen „Union“ eine entscheidende Rolle spielte.287 Während die Synodalen aus den Mitgliedskirchen der Arnoldshainer Konferenz eher dazu neigten, die von Raiser eingangs als offen bezeichnete Frage, ob die EKD Kirche „im vollen Sinne“ sei oder nicht, zu bejahen, formierte sich unter den lutherischen Synodalen eine relativ einhellige Ablehnung eines solchen Verständnisses der EKD. Deren Kirchesein wurde freilich nicht mit dem bis dahin gebrauchten Argument abgelehnt, dass dafür die theologische Basis fehle (Lehrkonsens), sondern durch gezielte Einbringung einer theologischen Konsensformel, die ein solches Kirchesein ausdrücklich nicht im Blick hatte: des kurz zuvor in Leuenberg verabschiedeten „Entwurfs einer Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa“ (ELK).288 Dieser Konkordienentwurf, der im Oktober den beteiligten Kirchen übermittelt worden war, bot sich insofern an, als er eine „Kirchengemeinschaft“ reformatorischer Kirchen auf europäischer Ebene anstrebte und dementsprechend eine gemeinsame Kirchbildung oder Kirchwerdung der beteiligten Kirchen nicht als zwingend vorsah.289 Dieser taktische Kurswechsel der VELKD hatte sich bereits auf der Lutherischen Generalsynode im Oktober angekündigt. Dort war die Leuenberger Konkordie von dem Leitenden Bischof der VELKD, Wölber, der der von bayerischer Seite empfohlenen rein pragmatischen Lösung ohnehin ablehnend gegenüberstand,290 gezielt als mögliche theologische Grundlage der EKD-Reform ins Gespräch gebracht worden. Wölber hatte gefordert, „nachdem jetzt der Entwurf für eine europäische Konkordie vorliegt, . . . daß wir unsere theologischen Überlegungen mit Priorität dem europäischen Konkordienentwurf zuwenden“.291 Dementsprechend erklärte er auf der

286 EBD., S. 491. 287 Vgl. Auszüge aus „Kirchliche Lage 1971“. Bericht, erstattet von Bischof D. Wölber vor der Synode der Ev.-Luth. Kirche im Hamburgischen Staate, am 18.3.1971 (epd Dokumentation 20/71, S. 47 f.), S. 47; Der Präsident der Generalsynode (O. Buhbe): Entschließung der Generalsynode zur Neuordnung der EKD vom 7.10.1971 (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1971, S. 352); FRANKFURT/MAIN 1971, S. 218 (H.-O. Wölber). 288 Abgedruckt: E. SCHIEFFER, Leuenberg, A 113–121. – Scholder sprach in seiner späteren Kritik des Reformprozesses davon, dass „lutherische Kreise das Kunststück fertig gebracht“ hätten, „selbst aus ‚Leuenberg‘ ein Argument gegen die EKD-Reform zu machen“ (M. AHME, Reformversuch, S. 95 f. sowie unten S. 103 f. mit Anm. 426). 289 Vgl. vor allem Artikel 42–45 ELK (E. SCHIEFFER, Leuenberg, A 120 f.). 290 Vgl. Auszüge aus „Kirchliche Lage 1971“ (vgl. Anm. 287), S. 47 f.. 291 LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1971, S. 50.

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einen Monat später tagenden EKD-Synode eingangs zwar ausdrücklich die Bereitschaft der Lutheraner „zu einer vertieften Gemeinschaft der Kirchen in der EKD“,292 wollte diese Gemeinschaft jedoch nunmehr ausdrücklich im Sinne der Leuenberger Konkordie, die er sogleich als eine mögliche „Schubkraft“ für die Grundordnungsreform empfahl, verstanden wissen. Diese Verknüpfung des Reformwerkes mit den Leuenberger Gesprächen sowie die daraufhin von lutherischer Seite mehrfach erhobene Forderung nach einer Berücksichtigung und Aufnahme der Leuenberger Konkordie im Grundordnungsentwurf293 eröffnete nicht nur einen größeren zeitlichen Spielraum, da die Konkordie erst im Entwurf vorlag, sondern präjudizierte auch ein Verständnis der in der EKD angestrebten Gemeinschaft im Sinne der Leuenberger Kirchengemeinschaft. „Kirchengemeinschaft“ im Sinne der Leuenberger Konkordie bedeutete aber, wie von bayerischer Seite noch einmal ausdrücklich betont wurde,294 eindeutig Gemeinschaft von Kirchen. Von daher ergab sich unmittelbar die Ablehnung einer Beschreibung der EKD als Gemeinschaft von Christen (Artikel 5, erste Fassung) und als Kirche im „vollen Sinne“, auch wenn vonseiten der VELKD in positiver Aufnahme der bis dahin abgelehnten Abendmahlsgemeinschaft zum Ausdruck gebracht wurde, dass auch solche „Kirchengemeinschaft“ über die alte Grundordnung hinausgehe und mehr sei als nur ein „Nebeneinander in einem Bund getrennter Kirchen“.295 Die Reaktion innerhalb der Synode auf dieses lutherische Plädoyer für Leuenberg war zwiespältig. Zwar wurde der Leuenberger Konkordienentwurf allgemein befürwortet,296 jedoch sehr deutlich davor gewarnt,297 die EKD-Reform zeitlich oder sachlich an die zu erwartende Konkordie zu binden. Denn einerseits werde es bis zur Verabschiedung der endgültigen Konkordienfassung noch einige Zeit dauern, andererseits treffe die Zielstellung der Konkordie eben nicht die Situation in der EKD, da sie davon ausgehe, dass „relativ ferne Kirchen sich aufeinander zubewegen und Kirchengemeinschaft neu durch Beitritt vollziehen“.298 Insofern könne die 292 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 217. 293 Vgl. v. a. EBD., S. 229 f. (H. Meyer – Lübeck), 239 (W. Hofmann – Bayern), 275 f. (H. Greifenstein – Bayern). 294 EBD., S. 275 f. (H. Greifenstein). 295 Entschließung der Generalsynode zur Neuordnung der EKD vom 7.10.1971 (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1971, S. 352). Wölber hatte diese Position bereits im März in seinem Bericht vor der Hamburgischen Synode vertreten (vgl. oben Anm. 287) und unter Hinweis auf eine (im Einzelnen noch zu klärende) Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft von einer „Kirchenfamilie“ als Gegensatz zum Kirchenbund einerseits und zur Union andererseits gesprochen. 296 Vgl. auch W. LOHFF, Schritt. 297 M. AHME, Reformversuch, S. 61, sprach in diesem Zusammenhang von „einem echten Streit“. 298 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 271 (M. Fischer), vgl. S. 227 (H. M. Müller).

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Konkordie lediglich als Bestätigung der mit der EKD-Reform angestrebten Vertiefung der Gemeinschaft, nicht jedoch als deren Voraussetzung betrachtet werden.299 Aufgrund dessen warnte der Synodale Helmut Simon unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Votum von Wölber davor, „Leuenberg nur theoretisch als Schubkraft zu bezeichnen und praktisch als Bremskraft zu benutzen“.300 Darüber hinaus wandte sich der Synodale Hans Martin Müller, der an den Leuenberger Gesprächen selbst beteiligt gewesen war, mit Blick auf die genannten inkompatiblen Zielstellungen dagegen, „Leuenberg als eine Art Zauberformel oder Beschwörungsformel zu benutzen“, ohne sich „Gedanken darüber zu machen, was dort eigentlich herausgekommen“ sei.301 In der Sache wurde die Gegenposition zur lutherischen Beschreibung des Reformzieles vor allem von Scholder und Fischer vertreten. Fischer interpretierte mit Blick auf die EKD-Reform den Begriff „Kirchengemeinschaft“ ausdrücklich nicht im Sinne der Leuenberger Konkordie als „genitiv pluralis, Gemeinschaft von Kirchen“, sondern als „Gemeinschaft in Kirche“,302 und sprach sich damit für eine Beschreibung der EKD als Kirche „im vollen Sinne“ aus. Scholder wiederum, auf den die Variante in Artikel 5, nach der die EKD eine Gemeinschaft von Christen sei, vor allem zurückging, bezeichnete diese Bestimmung „materiell“ erneut als den „entscheidenden Schritt“ überhaupt, „den diese neue Grundordnung über die alte hinaus“ vollziehe.303 Zu dieser Grunddifferenz traten weitere Kritikpunkte an dem Grundordnungsentwurf hinzu, allerdings ohne dass diese der einen oder anderen Grundposition zuzuordnen waren. Tief greifende Kritik kam sowohl von den im Gaststatus anwesenden „Vertretern der jungen Generation“304, die in ökumenischer Offenheit und Weite jegliche Konfessions- und Landeskirchengrenzen hinter sich lassen wollten und denen der Entwurf deshalb insgesamt noch zu sehr in den traditionellen Bahnen verlief,305 als auch von der „Arbeitsgruppe EKD-Synode“, einer in Eigeninitiative gebildeten Gruppe von EKD-Synodalen. In deren schriftlich vorgelegtem Votum maßen sie den Grundordnungsentwurf an der Stuttgarter Entschließung von 1970 und kamen dabei zu dem negativen Ergebnis, dass „der vorliegende Verfassungsentwurf den Intentionen von Stuttgart nicht gerecht“ werde, da hier „allzu pragmatisch“ die vorhandene Aufgabenwahrnehmung lediglich neu zu-

299 EBD., S. 232 f. (W. Danielsmeyer), 252 f. (H. Thimme). 300 EBD., S. 224; vgl. dazu EBD., S. 236 (K. Burkhardt). 301 EBD., S. 227. 302 EBD., S. 271. 303 EBD., S. 244. 304 Insgesamt 8 Teilnehmer, die von der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend Deutschlands vorgeschlagen worden waren. 305 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 285–287 (D. Heesemann).

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geordnet würde und die in Stuttgart „als wesentliche Gemeinschaftsaufgabe der Kirchen“ ausdrücklich genannte „Mitverantwortung für Frieden und soziale Gerechtigkeit in der Welt“ völlig fehle. Darüber hinaus werde die Kompetenzstärkung, die die EKD erfahre, „fast ausschließlich von den Leitungen der Gliedkirchen verwaltet“, da eine Stärkung der Synode eben nicht vorgenommen worden sei.306 Hinsichtlich des Grundlagenteils (Art. 1–4) konzentrierte sich die synodale Kritik am Verfassungsentwurf vor allem auf Artikel 3307 und die Art und Weise, wie dort die reformatorischen Bekenntnisse zur Sprache gebracht würden. Dabei waren die Einwände im Einzelnen durchaus entgegengesetzter Natur, sodass sowohl eine Relativierung der Bekenntnisse befürchtet als auch eine zu starre Bindung an deren Aussagen kritisiert werden konnte. Es wurde bemängelt, dass sich die EKD den reformatorischen Bekenntnissen lediglich „verpflichtet“ wisse und dass die in Artikel 3 formulierte „Aufgabe, die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen“, als Freibrief zu ihrer Relativierung verstanden werden könne.308 Ebenso erfuhr die pauschale Formulierung, dass „die Verschiedenheit der Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung mehr“ habe, erneut Widerspruch, und zwar gerade von Kennern der Leuenberger Gespräche, da diese Formulierung im Sinne einer Kritik an den Entscheidungen der Väter verstanden werden könne.309 Dieser bekenntnisorientierten Kritik an Artikel 3 korrespondierte auf der anderen Seite eine Kritik an dieser Bekenntnisorientierung, da sie der Mehrheit der Gemeindeglieder, die einfach „evangelische Christen“ sein wollten und bei einem Wohnsitzwechsel ohne Substanzverlust – zumindest formal – die Bekenntnisbindung wechseln könnten, nicht gerecht werde.310 Bei den Grundbestimmungen setzte sich relativ schnell, wenn auch aus unterschiedlichen Erwägungen heraus, die Einsicht durch, dass der Artikel 5 mit seiner Alternative zwischen einer Beschreibung der EKD als Gemeinschaft von Christen (erste Fassung) bzw. als Gemeinschaft von Kirchen (zweite Fassung) einer Neuformulierung bedürfe, „die die unglückliche Alternative, die jetzt vorliegt, in der wir nicht festfahren sollten, überwindet“.311 Auf den vierten Absatz dieses Artikels 5 hingegen, der von der „Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutsch306 Votum der Arbeitsgruppe EKD-Synode zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD (EBD., S. 407 f.). 307 Siehe oben S. 66. 308 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 255 (O. Seitter). 309 EBD., S. 228 (H. M. Müller), 247 f. (J. Beckmann). – Da im Artikel 3 die im Konkordienentwurf vorangestellte Aussage zu den Lehrverurteilungen weggelassen war, stellte sich einerseits die Frage nach der Grundlage der Aussage, dass die Verschiedenheit der Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung mehr habe, und zum anderen die Frage nach der Bedeutung der seinerzeit vollzogenen Lehrverurteilungen. Insofern konnte Artikel 3 als Absage an die Tradition verstanden werden in dem Sinne: „Nun ja, die Väter haben sich über manches den Kopf zerbrochen, wir haben heute andere Sorgen, und infolgedessen wollen wir vergessen, was unsere Väter getan haben“ (EBD., S. 228 [H. M. Müller]). 310 EBD., S. 282 f. (W. Pareigis), 296 (O. Herrmann). 311 EBD., S. 258 (L. Goppelt).

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD land“ sprach, wurde – wie auf die kürzlich vollzogene Trennung der ostdeutschen Landeskirchen von der EKD überhaupt – in der Diskussion nicht eingegangen. Lediglich der württembergische Landesbischof Claß, der in seinem Votum den von Bischof Wurm 1948 geprägten Vergleich der EKD mit einer Baracke aufgriff, wies auf die „schmerzliche Tatsache“ hin, dass seit 1948 „die Baracke . . . kleiner geworden“ sei, und fuhr fort: „Es wäre doch wohl gut, wenn wir es auch zur Kenntnis nehmen würden, daß die DDR-Kirchen nicht mehr mit von der Partie sein können. Das ist ein tiefer Schmerz, den ich jedenfalls meinerseits zum Ausdruck bringen möchte.“312 An die im Entwurf vorgelegte Organstruktur der EKD wurde – abgesehen von der bewusst unterlassenen Stärkung der Synode – vor allem seitens der Kirchenkanzlei (W. Hammer) die Frage der Praktikabilität gerichtet. Diese stelle sich insbesondere angesichts der vorgenommenen Stärkung der Kirchenkonferenz und ihrer damit an etlichen Stellen vorgesehenen Zustimmungspflicht, wodurch Entscheidungsvorgänge innerhalb der EKD langwieriger und komplizierter zu werden drohten.313 Zur Kritik am Entwurf selbst kam die Frage des weiteren Vorgehens, die nicht nur strittig war, sondern auch erhebliche Probleme in sich barg. Zum einen sollte eine umfassende Diskussion des Rohentwurfs in den Landeskirchen ermöglicht, zum anderen das Reformwerk angesichts wachsender Widerstände und einer nur noch anderthalb Jahre währenden Amtszeit der Synode jedoch auch zügig abgeschlossen werden. Raiser hatte sich in seinem Bericht deshalb wiederum dafür ausgesprochen, „daß die Synode, die 1970 den Entschluß zur Reform gefaßt hat, ihn auch ausführen sollte“, und daraus gefolgert, dass der Grundordnungsentwurf „Ende 1972 entscheidungsreif sein und Anfang Januar 1973 der Synode in einer außerordentlichen Tagung zur Beschlußfassung vorgelegt werden“ müsse. Dieser Fahrplan ließ freilich für die geplante Diskussion des vorgelegten Rohentwurfs in den Landeskirchen, deren Voten dann „etwa bis Ende Mai 1972“ vorliegen müssten, „nur 6 bis 7 Monate“ Zeit314 und wurde deshalb von mehreren Seiten, obwohl die Landeskirchen im Interesse notwendiger organisatorischer Vorbereitungen bereits vor der Synode entsprechend

312 EBD., S. 288. 313 Vgl. EBD., S. 221. – Während die Kirchenkonferenz nach Artikel 28 GO 48 ausschließlich ein Beratungsgremium war, dessen Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren lediglich darin bestand, der Synode zur Einbringung von Kirchengesetzen eine Stellungnahme vorzulegen (Art. 26 [3] GO 48), wurde sie im Entwurf als ein Initiativ- und Beschlussgremium beschrieben (Art. 42 EGO). Entsprechend konnte die Kirchenkonferenz über notwendige Stellungnahmen zu vorgelegten Gesetzentwürfen hinaus selbst Entwürfe von Kirchengesetzen einbringen (Art. 37 [1] EGO). Beschlossene Kirchengesetze sowie Ratsverordnungen bedurften wiederum ihrer Zustimmung mit entsprechend qualifizierter Mehrheit (Art. 38 [1], 47 [2] EGO). Auch die vom Rat zu berufenden 20 Mitglieder der Synode waren von diesem nunmehr erst „nach Anhörung der Kirchenkonferenz“ zu bestimmen (Art. 30 [1] EGO). Nicht zuletzt kam die Bedeutung der Kirchenkonferenz (und ihre Konkurrenz zum Rat) darin zum Ausdruck, dass sie nicht mehr vom Ratsvorsitzenden geleitet wurde (Art. 28 [3] GO), sondern einen eigenen Vorsitzenden (und zwei Stellvertreter) bestimmte (Art. 44 [1] EGO). 314 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 215.

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informiert worden waren, für unrealistisch gehalten. Besonderes Gewicht hatte dabei Hofmanns Auskunft, dass die bayerische Landessynode Fragen des Bekenntnisses, wie sie in dem Grundordnungsentwurf berührt würden, nach dort geltendem Recht nicht allein entscheiden könne, sondern darüber in der Landeskirche einen „Gesamtkonsensus“ (Beteiligung der Gemeinden, der Pfarrerschaft, der Dekanatssynoden) herbeiführen müsse. Da dies ein längerer Prozess sei, schlug Hofmann entsprechend der in Bayern favorisierten pragmatischen Lösung einen „Zweistufenplan“ vor, dessen erster Teil die Verbesserung der Arbeitsstrukturen betreffe, die nicht an die Zustimmung der Gliedkirchen gebunden sei, während der zweite Teil die grundsätzlichen Änderungen beinhalte, die einer solchen Zustimmung bedürften.315 Mit diesem Vorschlag erfuhr Hofmann sowohl Zustimmung316 als auch Ablehnung, wobei darauf verwiesen wurde, dass es gar nicht möglich sei, „die theologischen und die juristischen Belange auseinander[zu]dividieren“.317 Weitere Stimmen – auch von lutherischer Seite – hielten den Zeitplan bei konzentrierter Arbeit in den Landeskirchen (vorbereitende Ausschüsse) zu diesem Zeitpunkt hingegen durchaus noch für durchführbar.318 Auf jeden Fall sollte entgegen dem ursprünglichen Plan der Struktur- und Verfassungsausschuss nach der EKD-Synode sofort weiterarbeiten und nicht erst auf die Synodalvoten aus den einzelnen Landeskirchen warten. Verschiedentlich wurde zur Lösung des Zeitproblems auch vorgeschlagen, die Amtsperiode der 4. EKD-Synode zu verlängern.319

Bischof Wölber hatte angesichts des vorgelegten Grundordnungsentwurfs erklärt, dass er „das Gefühl“ habe, „als ob hier ein Schiff einen Stapellauf machen soll, obwohl der Boden noch nicht ganz eingezogen“ sei,320 und damit die Haltung der Synode insgesamt, wie sie im Diskussionsverlauf zum Ausdruck kam, durchaus treffend wiedergegeben. Auch wenn dieser von Kritik und Bedenken geprägte Diskussionsverlauf der tatsächlichen Diskussionslage möglicherweise nicht entsprochen haben sollte,321 stand damit doch die Frage eines eventuellen Scheiterns des Reformwerks im Raum, was durch ein nochmaliges warnendes Votum des Ratsvorsitzenden,322 das nach Raiser im Grunde darauf hinauslief, „es bei der alten 315 EBD., S. 239 f. (W. Hofmann). – Der bayerische Landeskirchenrat hatte schon auf die Vorabinformation zum Zeitplan mit dem Hinweis auf die zu Ende gehende Legislaturperiode der Synode reagiert und darum gebeten, „bereits jetzt zu prüfen, ob nicht ein anderer Terminplan erarbeitet werden kann, der längere Fristen für Stellungnahmen ermöglicht“ (W. Hofmann an die Kirchenkanzlei der EKD: Betr. Stellungnahmen der Gliedkirchen zu dem Rohentwurf einer neuen Verfassung der EKD, 17.9.1971 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 334]). 316 FRANKFURT/MAIN 1971, S. 260 (O. R. Kissel). 317 EBD., S. 267 (A. Petersen), 285 (H. v. Keler). 318 EBD., S. 231 (G. Heintze). 319 EBD., S. 267 (A. Petersen). 320 EBD., S. 220. 321 Bischof Claß vertrat aufgrund geführter Gespräche die Meinung, „daß wir aller Wahrscheinlichkeit näher beieinander sind, als es den Anschein hat“ (EBD., S. 288). 322 EBD., S. 261–266.

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Grundordnung zu belassen“,323 noch verstärkt wurde. Angesichts dessen mahnten einige Synodale zur Kompromissbereitschaft und warnten eindringlich vor einem Scheitern der Reform und deren Folgen. Misslinge die Reform, wäre nicht nur eine Chance verpasst, die so leicht nicht wiederkäme, sondern es würde auch eine Schwächung der EKD und insgesamt ein Rückschritt eintreten, der in den Gemeinden Unverständnis und Enttäuschung hervorrufen würde. „Wenn wir heute nicht den Mut aufbringen zu sagen, daß wir schon längst zusammengewachsen sind und zusammengehören, dann vollziehen wir einen Rückschritt. Wenn wir nicht den Mut aufbringen, uns das wenigstens gegenseitig einzugestehen und auch in Ordnungen zu gießen, was längst Realität ist, dann wird uns das die Öffentlichkeit nicht abnehmen und auch unsere Gemeinden nicht. Wenn wir nicht den Entschluß fassen, jetzt diese vertiefte Gemeinschaft der Kirche, wie wir das im Februar noch einmal ausdrücklich unterstrichen und betont haben, nun auch wirklich in Angriff zu nehmen und diesen Entwurf in die Landeskirchen hinauszugeben, wird morgen in der Presse stehen, daß wir versagt haben. Und niemand von uns kann sagen, wann wir wieder die Kraft und den Mut haben, einen neuen Anlauf zu nehmen.“324

Angesichts „der sehr zahlreich gewordenen Voten, die vor Übereilung oder überhaupt vor einem Weitermachen an dieser Art der Reform“ warnten, forderte Raiser als Vorsitzender des Struktur- und Verfassungsausschusses ein klares Votum der Synode, dem der Ausschuss entnehmen könne, auf welcher Grundlage und in welche Richtung er weiterarbeiten solle.325 Raiser selbst legte dazu einen entsprechenden Beschlussentwurf vor,326 der sich dann mit einer nur geringfügigen Erweiterung mehrheitlich gegen zwei variierende Fassungen durchsetzte. In diesem Beschluss billigte die Synode – trotz der geäußerten Kritik – „die Grundlinien des erarbeiteten Entwurfs einer Grundordnung für die EKD“.327 Darüber hinaus wurden die Gliedkirchen gebeten, „schon in diesem Stadium der Reformarbeit zu prüfen, ob sie den Grundgedanken des Entwurfs zustimmen können“. Ihre Stellungnahmen wie auch die Stellungnahme des Rates sollten „möglichst bis Ende Juni 1972“ vorliegen. Der Struktur- und Verfassungsausschuss wiederum wurde „beauftragt, den Entwurf eines Kirchengesetzes zur Änderung der Grundordnung so rechtzeitig vorzubereiten, daß er mit einer

323 EBD., S. 266. 324 EBD., S. 296 (O. Herrmann), vgl. S. 289 f. (L. Metzger). 325 EBD., S. 266. 326 EBD., S. 280 f. 327 Bekanntgabe der von der vierten Synode der EKD auf ihrer 4. Tagung in Frankfurt/Main vom 7.–12.11.1971 gefassten Entschließungen: 1. Zum Zweiten Zwischenbericht des Struktur- und Verfassungsausschusses vom 12.11.1971 (Abl. EKD 25 [1971], S. 689; FRANKFURT/MAIN 1971, S. 531).

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Stellungnahme des Rates und der Kirchenkonferenz möglichst bei einer im Januar 1973 vorgesehenen Tagung der Synode der EKD eingebracht werden kann“.328 Die einzige Sachaussage in diesem vor allem Verfahrensfragen betreffenden Beschluss war – neben der grundsätzlichen Billigung des vorgelegten Grundordnungsentwurfs – die ausdrückliche Befürwortung dessen, dass „die Gliedkirchen in die Beratungen des Entwurfs für eine neue Grundordnung der EKD den Entwurf für eine Konkordie reformatorischen Kirchen in Europa einbeziehen“.329 Diese formal an die Gliedkirchen gerichtete Empfehlung war ebenso als Auftrag an den Strukturund Verfassungsausschuss gedacht330 und kennzeichnete damit die Grundtendenz für die weitere Arbeit an einer neuen Grundordnung überhaupt. Insgesamt erbrachte die Synode mit diesem Beschluss ein „klareres Ergebnisse, als ihr Verlauf es erwarten ließ“.331

3.2.3. Stellungnahmen pro und contra EGO I Der Grundordnungsentwurf wurde in den Landeskirchen trotz der Kürze der Zeit zum Teil sehr intensiv diskutiert und geprüft.332 Während sich die meisten Voten neben einer allgemeinen Einschätzung des Entwurfes auf einige wenige Artikel konzentrierten, um dazu Änderungsvorschläge zu unterbreiten, oder auf eine Zusammenstellung von Richtlinien beschränkten, deren Beachtung sie bei der Überarbeitung des Entwurfs durch den Struktur- und Verfassungsausschuss mit unterschiedlicher Dringlichkeit empfahlen,333 erarbeiteten einige Landessynoden ausgeführte Alternativvorschläge für nahezu die gesamte Grundordnung.334 Zusätzlich zu diesen Voten der Landeskirchen legten auch die kirchlichen Zusammenschlüsse – VELKD, Arnoldshainer Konferenz, EKU und Reformierter Bund –, obwohl deren Zustimmung zur Grundordnung nicht erforderlich schien, eigene Stellungnahmen vor, wobei insbesondere der vom Planungsausschuss 328 EBD. 329 EBD. 330 Vgl. FRANKFURT/MAIN 1971, S. 298. 331 So Gottfried Niemeier in KJ 98 (1971), S. 26; ähnlich M. AHME, Reformversuch, S. 75. Dabei wird Ahmes Deutung dieses überraschenden Ergebnisses wohl zutreffen: „Die nahezu einstimmige [?] Billigung der Grundlinien des EGO I kam wahrscheinlich nur deshalb zustande, weil jedermann klar war, daß die definitiven Entscheidungen über das Ausmaß der Reform doch in den Organen der Gliedkirchen getroffen werden würden, denen der EGO I nun zur Stellungnahme übergeben wurde“ (EBD.). 332 Vgl. das Verzeichnis der wichtigsten Stellungnahmen zum Grundordnungsentwurf in: BERLIN-SPANDAU 1972, S. 332–334. – In einigen Landeskirchen wurden zu diesem Zweck Sondersynoden einberufen. 333 Z. B. Hamburg, Hannover, Lippe, Nordwestdeutschland, Oldenburg. 334 Z. B. Baden, Bayern, Schaumburg-Lippe, Westfalen, Württemberg.

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der VELKD vorgelegte Gegenentwurf als eine Art lutherisches Konsenspapier Bedeutung gewann.335 Inhaltlich setzte sich mit den Voten der grundsätzliche Dissens im Verständnis der ekklesialen Qualität einer künftigen EKD, wie er von den Alternativfassungen der Artikel 5 und 7 provoziert und in der Frankfurter Synodaldiskussion zum Ausdruck gekommen war, unmittelbar fort. Dabei erfuhr der von lutherischer Seite eingebrachte Vorschlag, die EKD-Reform auf die theologischen Grundlagen der im Entwurf vorliegenden Leuenberger Konkordie zu stellen, relativ breite Zustimmung, allerdings ohne dass die damit verbundene Intention, auf diese Weise ein Kirchesein der EKD „im vollen Sinne“ auszuschließen, in jedem Falle geteilt wurde. Die in den Voten mehrheitlich befürwortete Verknüpfung von EKD-Reform und Konkordie ging weniger auf Vorbehalte gegenüber einem Kirchesein der EKD an sich zurück als vielmehr auf eine verbreitete Skepsis gegenüber dem im Grundordnungsentwurf vorgelegten Versuch einer Konkretisierung dieses Kircheseins. Selbst für jene Landeskirchen, die ausdrücklich für ein Verständnis der EKD als „Kirche“ eintraten, war die in den Artikeln 5 (erste Fassung) und 7 (zweite Fassung) angebotene These, dass die EKD als „Kirche“ nunmehr eine „Gemeinschaft der evangelischen Christen“ und nicht mehr nur eine Gemeinschaft der Landeskirchen sei, mitunter wenig überzeugend,336 wobei juristische Bedenken gegen eine vermittelte Einzelmitgliedschaft der Christen in der EKD eine zusätzliche Rolle spielten. Infolgedessen schien die Frage, inwiefern die EKD bei bleibender unterschiedlicher Bekenntnisbindung ihrer Gliedkirchen eine „Kirche“ sein könne und worin dieses Kirchesein zum Ausdruck komme, auch angesichts des vorgelegten Grundordnungsentwurfs weitgehend ungeklärt und bot den Reformkritikern damit hinreichend Raum zu Spekulationen und Befürchtungen. Zum Ausdruck gebracht wurde in dieser Hinsicht insbesondere der Verdacht, dass ein Verständnis der EKD als „Kirche“ entweder in 335 Empfehlungen des Planungsausschusses der VELKD zum Entwurf einer neuen Grundordnung der EKD, 9.6.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 319, abgedruckt in: LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 611–624); Erklärung der Arnoldshainer Konferenz vom 23.3.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 25; abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 22 f.); Vorschläge des Theologischen Ausschusses der Arnoldshainer Konferenz zu Art. 1 bis 6 der Grundordnung der EKD, 18.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 29); Stellungnahme der Synode der EKU zum Rohentwurf einer Grundordnung der EKD, 7.5.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 26, abgedruckt in: VERHANDLUNGEN der 2. Tagung der 4. Synode der EKU [Regionalbereich West], S. 139 f.); Das Moderamen des Reformierten Bundes (W. Niesel): Betr. Stellungnahme zum Rohentwurf einer Grundordnung der EKD, 24.6.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28, abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 29–30). 336 Vgl. Stellungnahme der Regionalen Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg in Berlin (West) zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD, 18.6.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28; teilweise abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 34), S. 3; Stellungnahme des Moderamens des Reformierten Bundes (vgl. Anm. 335), S. 3.

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theologischer Hinsicht – trotz gegenteiliger Beteuerungen – zu einer Nivellierung der Bekenntnisbindung oder in organisatorischer Hinsicht zu einem unerwünschten Zentralismus führen könnte. Gegenüber beiden Tendenzen formulierte der von lutherischer Seite ins Feld geführte Konkordienentwurf Vorbehalte, sodass er in dieser Hinsicht als unverdächtige Grundlage gelten konnte. Den Reformbefürwortern insbesondere kam der Konkordienentwurf dadurch entgegen, dass er ausdrücklich eine „Stärkung und Vertiefung der gewonnenen Gemeinschaft“ anmahnte (Artikel 35) und dabei der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft – analog zum Beschluss der EKD-Synode 1971 in Berlin-Spandau – eine wesentliche Rolle beimaß.337 Angesichts dessen wurde in etlichen Landeskirchen, die durchaus eine weiter gehende Reform einschließlich eines Kircheseins der EKD befürworteten, die Möglichkeit erwartet, auf der Grundlage der Konkordie über die Konkordie selbst hinauszugelangen und auf diese Weise das Ziel einer Kirchwerdung der EKD festhalten zu können. Insofern vermochte jede Fraktion der Leuenberger Konkordie einen – wenn auch unterschiedlichen – Nutzen für die EKD-Reform abzugewinnen, sodass ihre Einbeziehung das Reformwerk erst einmal voranzubringen schien.338 Die minimalistische Position, die sich im Wesentlichen auf eine Neubestimmung des Verhältnisses der Gliedkirchen im Sinne der Konkordie beschränkte, wurde exemplarisch vertreten von den „Empfehlungen des Planungsausschusses der VELKD zum Entwurf einer neuen Grundordnung der EKD“ (EPlA). Diese Empfehlungen, die auf einen Beschluss der Lutherischen Generalsynode von Osnabrück zurückgingen,339 verwehrten der EKD jede eigenständige ekklesiologische Bedeutung. Vielmehr betonten sie ausdrücklich, dass „auch in Zukunft . . . die EKD durch den Zusammenschluß bekenntnisbestimmter Gliedkirchen konstituiert“ werde.340 Dieser konsequente Ansatz bei den Gliedkirchen bedeutete wiederum für die Anlage der Grundordnung, wie sie vom Planungsausschuss exemplarisch vorgeführt wurde, dass über die EKD nur dann etwas Konstitutives ausgesagt werden könne, wenn etwas über die Gliedkirchen ausgesagt werde. Dementsprechend wurden in den Empfehlungen des Planungsausschusses die Aussagen zur „Kirchengemeinschaft“ sowie zur „Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums“ nicht als primäre Merkmale der EKD formuliert, sondern als eine Beschreibung des Verhältnisses 337 „Die unterzeichnenden Kirchen erkennen einander als Kirche Jesu Christi an, indem sie sich Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewähren. Diese schließt die gegenseitige Anerkennung der Ordination und die Ermöglichung der Interzelebration ein“ (E. SCHIEFFER, Leuenberg, A 119). 338 In diesem Sinne vermerkte die berlin-brandenburgische Synode in ihrer Stellungnahme (vgl. Anm. 336): „Der Leuenberger Entwurf einer Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa gibt denen, die bisher für eine solche Kirchengemeinschaft nicht offen waren, die Möglichkeit, mit der ganzen EKD den Weg einer vertieften Kirchengemeinschaft zu finden.“ 339 Vgl. LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1971, S. 352. 340 LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 154.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD ihrer Gliedkirchen zueinander. Auf der Grundlage der Leuenberger Konkordie war dieses Verhältnis für die VELKD in theologischer Hinsicht dabei kein anderes oder engeres als zwischen jenen Kirchen in Europa, die einmal der Leuenberger Konkordie beitreten würden. Sie alle verband nicht mehr und nicht weniger als die Teilhabe an der wahren Einheit der Kirche nach Maßgabe von CA VII und das in der Konkordie formulierte gemeinsame Evangeliumsverständnis. Folgerichtig lehnten die Empfehlungen die erste Fassung von Artikel 5, der die EKD als „Gemeinschaft der evangelischen Christen“ beschrieben hatte, sowie die damit zusammenhängende zweite Fassung von Artikel 7 (vermittelte Einzelmitgliedschaft) ausdrücklich ab.341 So zentral für den Planungsausschuss die theologische Grundlegung der Konkordie zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen den Gliedkirchen der EKD war, so zurückhaltend zeigte er sich gegenüber den Konsequenzen, die der Konkordienentwurf selbst aus dieser Grundlegung zog und die im Kontext einer neuen Grundordnung durchaus als erste Schritte in Richtung auf eine Kirchwerdung verstanden werden konnten. Zwar wurde in Artikel 2, Absatz 1 EPlA entsprechend Artikel 32 ELK erklärt, dass „die in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen . . . nicht den gegenwärtigen Stand der Lehre der Gliedkirchen betreffen“.342 Die in Artikel 32 des Konkordienentwurfes allerdings auch noch formulierte und vom Struktur- und Verfassungsausschuss in EGO I (Artikel 3) aufgegriffene Aussage, dass „vorhandene Unterschiede in kirchlicher Lehre, Ordnung und Lebensform . . . keine kirchentrennende Bedeutung“ haben, wurde hingegen übergangen. Dabei spielte sowohl die Befürchtung eine Rolle, diese Aussage könnte im Kontext von Artikel 3 als erster Schritt zu einer „Union“ verstanden werden, als auch die Unkonkretheit der gewählten Formulierung.343 Auch die „Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst“, die nach Artikel 35 ELK ohne Abstriche und Einschränkungen aus der erklärten Kirchengemeinschaft folgte, wurde in den Empfehlungen zu einem „Bemühen um gemeinsame Ausrichtung“ verdünnt (Artikel 3, Absatz 1). Damit blieben als primäre Merkmale der EKD lediglich die organisatorischen Aspekte übrig, sodass sie nur noch als lokaler Zweckverband innerhalb der größeren und umfassenderen Leuenberger Kirchengemeinschaft erschien.

Dieser Position des Planungsausschusses der VELKD entsprachen weitere Voten vor allem lutherischer Kirchen.344 Dabei gingen die bayerische und 341 EBD., S. 612, 615; vgl. H. Schnell: Niederschrift über die Sitzung des Planungsausschusses am 16./17.3.1972, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 24), S. 6 f. 342 LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 613. 343 Vgl. H. Schnell: Niederschrift über die Sitzung des Planungsausschusses am 5.1.1972 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 334), S. 3; Vermerk [Tagung des Planungsausschusses der VELKD zusammen mit den Bischöfen und leitenden Juristen der Gliedkirchen der VELKD am 5.1.1972], undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52), S. 6; auch M. AHME, Reformversuch, S. 84. 344 Vgl. Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD vom 29.5.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28; auszugsweise abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 42 f.); Der Präsident der Hamburgischen Landessynode an den Rat der EKD: Betr. Stellungnahme der Evang-Luth. Kirche im

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die württembergische Landeskirche in jeweils unterschiedlicher Weise noch über die Empfehlungen des Planungsausschusses hinaus. Württemberg empfahl, nicht nur die Aussagen der Konkordie aufzunehmen, sondern – um alle Unklarheiten über den Umfang des „gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums“ auszuräumen – ausdrücklich auf die Konkordie selbst hinzuweisen.345 Bayern wiederum band die Reform nicht nur der Sache nach an die Konkordie, sondern machte die Reform direkt von einer Annahme der – zu diesem Zeitpunkt in der Endfassung noch gar nicht vorliegenden – Konkordie abhängig.346 Demgegenüber vertraten andere Landeskirchen eine mehr vermittelnde Position, bei der die Konkordie als theologische Grundlegung der Reform zwar begrüßt, jedoch nicht als ausschließliche Grundlage, sondern als Ausgangspunkt für weitere Grundlegung verstanden wurde. Auch wenn der Vorschlag des Struktur- und Verfassungsausschusses, die EKD künftig als Gemeinschaft der Christen zu verstehen, nicht akzeptiert wurde, hielten diese Voten an einem künftigen Kirchesein der EKD fest und eine Umsetzung solchen Kircheseins auf der Grundlage der Konkordie für möglich. Bei der Bildung dieser „Kirchengemeinschafts-Kirche“347 räumten sie der Gewährung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft eine entscheidende Rolle ein. In diesem Sinne begrüßte etwa die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Braunschweig „die angestrebte Bildung einer Bundeskirche, in der eine vertiefte Kirchengemeinschaft besteht, die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließt“.348 Andere Voten hoben darüber hinaus – Hamburgischen Staate zum Rohentwurf einer neuen Grundordnung der EKD zu den Artikeln 1–10 und 11 ff., 29.6.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28; auszugsweise abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 36 f.); Erklärung der 18. Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers zu dem Entwurf einer neuen Grundordnung der EKD, 23.6.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 29, abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 37 f.); Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (Neuendettelsau Mai/Juni 1972), undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28); auch Stellungnahme der Württembergischen Landessynode zu dem Entwurf einer neuen Grundordnung für die EKD vom 20.6.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28; auszugsweise abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 45 f.). 345 Stellungnahme der Württembergischen Landessynode (vgl. Anm. 344), S. 2. 346 Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (vgl. Anm. 344), S. 1 f. 347 So das Votum der badischen Kirche im Blick auf die hinter Artikel 5 (zweite Fassung) und Artikel 7 (erste Fassung) stehende Vorstellung (Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche in Baden zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD, April 1972 [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 26], S. 2). 348 Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche in Braunschweig zu dem Entwurf einer Grundordnung der EKD, 6.5.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 318; auszugsweise abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 34); vgl. Lippisches Landeskirchenamt an die EKD, die Arnoldshainer Konferenz, die in der Arnoldshainer Konferenz vertretenen Gliedkirchen, das Moderamen des Reformierten Bundes: Betr. Rohentwurf der neuen Grundordnung der EKD, 4.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28), S. 1; Landeskirchenvorstand der Ev.-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland an die Kirchenkanzlei der EKD – Berliner Stelle: Betr.

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trotz der Diskussion, die in Frankfurt über Artikel 3 EGO geführt worden war – die vom Planungsausschuss der VELKD verworfene Feststellung besonders hervor, dass die Verschiedenheit der Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung (mehr) habe.349 Eine dritte Gruppe von Stellungnahmen teilte die von der VELKD und einigen ihrer Gliedkirchen pointiert ins Gespräch gebrachte und geforderte direkte Verknüpfung von Grundordnungsreform und Leuenberger Konkordie ausdrücklich nicht. Sie verstanden die Konkordie weder als theologische Grundlegung noch als Ausgangspunkt der Reform, sondern lediglich als ihre Ergänzung, sodass eine Aufnahme von Formulierungen aus der Konkordie zwar als möglich und sinnvoll, aber nicht als notwendig angesehen wurde. In diesem Sinne betonte Berlin-Brandenburg in seiner Stellungnahme, dass „die Kirchengemeinschaft, die zwischen den Kirchen in Europa oft erst noch geschlossen werden“ müsse, „innerhalb der EKD besteht“.350 Die Beschreibung der EKD als Kirche wurde von dieser Position einer bereits vorhandenen und weiter zu vertiefenden Kirchengemeinschaft zwischen den Gliedkirchen der EKD begrüßt und dementsprechend auch der Grundordnungsentwurf in seinen Intentionen und wesentlichen Aussagen befürwortet, wobei mitunter gerade die von lutherischer Seite kritisierten Grundlagenabschnitte I und II positiver bewertet werden konnten als die folgenden Abschnitte zur Struktur der EKD.351 Angesichts einer solchen positiven Einschätzung des Entwurfs erübrigte es sich in der Regel, umfangreiche Umformulierungen oder Gegenvorschläge vorzulegen. Sofern zu den Alternativen in Stellungnahmen der Gliedkirchen zu dem Entwurf für eine neue Grundordnung der EKD, 15.6.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28), S. 1. 349 Stellungnahme der Landeskirche Eutin zu dem Entwurf einer neuen Grundordnung der EKD, 15.5.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 26), S. 1; Vorlage des Sonderausschusses der 40. Synode für die Tagung der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg vom 30. Mai bis zum 2.6.1972: Betr. Stellungnahme zum Entwurf einer neuen Grundordnung für die EKD, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28), S. 1; vgl. Erklärung der Arnoldshainer Konferenz vom 23.3.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 25; abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 22 f.). 350 Stellungnahme der Regionalen Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg in Berlin (West) zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD, 18.6.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 28), S. 2 (Hervorhebung original); vgl. Westfälische Landessynode: Beschlüsse und Empfehlungen der Landessynode zu den Abschnitten I und II des Entwurfs, 11.3.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 24); Stellungnahme der Ev. Landeskirche in Baden (vgl. Anm. 347), S. 1. 351 Vgl. Stellungnahme der Synode der Pfälzischen Landeskirche, in: KJ 99 (1972), S. 41; Stellungnahme der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck zur Verfassungsreform der EKD, 4.5.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 27; auszugsweise abgedruckt in: KJ 99 [1972], S. 39); Stellungnahme der Landessynode der Ev. Kirche in Baden (vgl. Anm. 347); Ev. Kirche im Rheinland (Drucksache IV Nr. 1): Stellungnahme des Theologischen Ausschusses zu den Artikeln 1 – 10 des Entwurfs der Grundordnung der EKD, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 26); Stellungnahme der Regionalen Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (West) (vgl. Anm. 350), S. 1.

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Artikel 5 und 7 EGO Stellung genommen wurde, fiel die Entscheidung im Rahmen dieses Gesamtkonzepts meist zugunsten der ersten Fassung von Artikel 5 (die EKD als Gemeinschaft der evangelischen Christen) sowie der zweiten Fassung von Artikel 7 (vermittelte Einzelmitgliedschaft) aus, „da diese Fassungen das Kirchesein der EKD klarer zum Ausdruck bringen“.352 Zu den unterschiedlichen Grundpositionen kamen weitere Einzelfragen, die in etlichen Voten besonders angesprochen wurden, allerdings nur zum Teil diese unterschiedlichen Grundpositionen zum Ausdruck brachten: Der erste Kritikpunkt in diesem Zusammenhang, der vor allem von lutherischer Seite gegenüber dem vorgelegten Grundordnungsentwurf geltend gemacht wurde, betraf die Einordnung der „Vorgegebenheiten“ als Abschnitt „Grundlagen“ in die laufende Artikelzählung. Stattdessen wurde, wie es auch in der alten Grundordnung gehandhabt worden war, die Voranstellung der Vorgegebenheiten in einer Präambel empfohlen. Denn „das Gewicht des Inhalts dieser Aussagen“ als Grundlage für alle weiteren Festlegungen komme „in einer Präambel besser zum Ausdruck als in der Folge der Artikel, die stets als disponible Bestimmungen verstanden“ werden würden.353 Meist wurde diesen Empfehlungen ein Formulierungsvorschlag beigegeben, der in der Regel – mitunter noch erweitert durch eine Aussage zur Funktion der reformatorischen Bekenntnisse – das Evangelium als Grundlage der EKD, seine Verkündigung als Auftrag der EKD und das Bekenntnis der EKD zur einen heiligen, allgemeinen, apostolischen Kirche enthielt.354 Ebenfalls vor allem von lutherischer Seite wurde die im Grundordnungsentwurf formulierte Zusicherung, dass die EKD die Bekenntnisgrundlagen ihrer Gliedkirchen und Gemeinden „achtet“ (Artikel 5, Absatz 2), als nicht ausreichend angesehen und dementsprechend von einer Anerkennung der „fortdauernden Geltung der in den Gliedkirchen in Kraft stehenden reformatorischen Bekenntnisse“ gesprochen.355 Einige lutherische Voten wiesen in der Präambel zusätzlich auf die „maßgebende“ Funktion der reformatorischen Bekenntnisse

352 Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche in Baden (vgl. Anm. 347), S. 2; entsprechend Vorlage des Sonderausschusses Oldenburg (vgl. Anm. 349), S. 2; Entschließung der Kirchensynode der Ev. Kirche in Hessen und Nassau zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 23), S. 2 f. 353 Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche in Braunschweig (vgl. Anm. 348), S. 1; ebenso: Bayern, Hamburg, Hannover, Schaumburg-Lippe, Württemberg, EPlA sowie die Vorschläge des Theologischen Ausschusses der AKf; dagegen akzeptierten Baden, Bremen, Berlin-Brandenburg, Eutin, Hessen-Nassau, Lippe, Oldenburg, Rheinland, Westfalen, das Moderamen des Reformiertem Bundes die vorgelegte Gliederung in „Grundlagen“ und „Grundbestimmungen“. 354 Vgl. z. B. Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche in Braunschweig (vgl. Anm. 348), S. 2; ebenso Schaumburg-Lippe, ähnlich Württemberg, Bayern und EPlA. 355 EPlA 2 (2) (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 613); Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (vgl. Anm. 344), S. 3; Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe (vgl. Anm. 344), S. 2.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD für das Verständnis der Heiligen Schrift hin,356 während sie im Gegensatz zu anderen, etwa unierten Kirchen357 den entsprechenden Vorgang – die notwendige Prüfung der Bekenntnisse an der Schrift – aus Artikel 3 EGO nicht übernahmen.358 Vor allem von unierter Seite wurde in diesem Zusammenhang kritisiert, dass die Bejahung der in Barmen getroffenen Entscheidungen erst im zweiten Abschnitt und nicht im Rahmen der für die EKD grundlegenden Aussagen aufgeführt werde, und votierten angesichts der grundsätzlichen Bedeutung von Barmen für eine entsprechende Umstellung (Artikel 3).359 Meist befürwortet wurde in den landeskirchlichen Voten die Intention des Grundordnungsentwurfes, die EKD künftig in die Lage zu versetzen, Aufgaben, die ein gesamtkirchliches Handeln erfordern, besser wahrzunehmen.360 In diesem Zusammenhang konnte – unter der Voraussetzung einer „Ordnung der Brüderlichkeit“ (Artikel 10 EGO) – sogar ausdrücklich akzeptiert werden, „daß ein größeres Maß an Gemeinsamkeit auch Verzichte der einzelnen Gliedkirchen auf unbegrenzte Möglichkeiten zur Entscheidung aller Grundsatzfragen zur Folge“ habe.361 Häufiger wurde allerdings eine „zu weitgehende Ausdehnung der Aufgaben und Befugnisse der EKD“ befürchtet und demgegenüber die bleibende Eigenständigkeit der Landeskirchen betont.362 Insbesondere die würt-

356 EPlA (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 612); Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (vgl. Anm. 344), S. 2. 357 Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche in Baden (vgl. Anm. 347); Ev. Kirche in Rheinland: Ergebnis der Besprechung im Theologischen Ausschuss am 21.2.1972 zur Formulierung der Artikel 1–10 des Entwurfs einer Grundordnung für die EKD, April 1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 26); Beschlüsse und Empfehlungen der westfälischen Landessynode (vgl. Anm. 350), S. 76; auch Stellungnahme der Ev.-Luth. Landeskirche in Braunschweig (vgl. Anm. 348), S. 2. 358 Anders EPlA, Art. 3 (2) (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 613). 359 Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche in Baden (vgl. Anm. 347), S. 1; Ev. Kirche im Rheinland: Ergebnis der Besprechung im Theologischen Ausschuss (vgl. Anm. 357); Beschlüsse und Empfehlungen der westfälischen Landessynode (vgl. Anm. 350), S. 76; Vorlage des Sonderausschusses Oldenburg (vgl. Anm. 349), S. 2. 360 Vgl. Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche in Braunschweig (vgl. Anm. 348), S. 1; Stellungnahme der Ev.-Luth. Kirche in Lübeck zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD, Juni 1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 30), S. 4; Vorlage des Sonderausschusses Oldenburg (vgl. Anm. 349), S. 1; auch Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (vgl. Anm. 344), S. 1; aber Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe (vgl. Anm. 344), S. 2. 361 Entschließung der Kirchensynode der Ev. Kirche in Hessen und Nassau (vgl. Anm. 352), S. 1. 362 Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (vgl. Anm. 344), S. 1; Stellungnahme der Landeskirche Eutin (vgl. Anm. 349). Schaumburg-Lippe und Bremen wandten sich ausdrücklich gegen eine „Zentralkirche“ (Stellungnahme [vgl. Anm. 344], S. 1) bzw. eine „Bundeskirche mit zentraler Leitung und Kontrolle“ (Beschluss des Kirchentages der Bremischen Evangelischen Kirche vom 31.5.1972 [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 27]). Die Landessynode Schaumburg-Lippe lehnte aus diesem Grund die Umwandlung des Finanzsystems der EKD von einem Umlagesystem in ein Beteiligungssystem ab (Stellungnahme [vgl. Anm. 344], S. 1 f.). Auch die Empfehlungen des Planungsausschusses der VELKD hoben in

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tembergische Landessynode machte – worin sich die spätere Ablehnung der neuen Grundordnung bereits andeutete363 – dezidiert geltend, dass bei der Neustrukturierung der EKD „die gewachsene Eigenständigkeit der Gliedkirchen gewahrt“ bleiben müsse,364 und forderte eine entsprechende Ergänzung von Artikel 8 des Entwurfes. Dieser hatte in seinem zweiten Absatz zwar festgehalten, dass „die gesamtkirchliche Rechtsetzung . . . das Bekenntnis und wesentliche Verfassungsgrundsätze der Gliedkirchen nicht verletzen dürfe“, dabei aber offen gelassen, wer darüber entscheidet, ob Bekenntnis und Verfassungsgrundsätze tangiert würden. Während hinsichtlich des Bekenntnisses bereits von reformierter Seite klargestellt worden war, dass selbstverständlich nicht die EKD, sondern die betreffende Gliedkirche selbst darüber befinde,365 und in der Diskussion vielfach davon ausgegangen wurde, dass diese gliedkirchliche Kompetenz auch die Verfassungsgrundsätze betreffe,366 verlangte Württemberg, diese Klarstellung in der Grundordnung selbst vorzunehmen. Als Formulierung sah die Landessynode dabei vor: „Die Feststellung, ob das Bekenntnis oder die Grundsätze der Verfassung verletzt sind, obliegt der Gliedkirche.“367 Da Württemberg dabei auch die ungeschriebenen Grundsätze einer Landeskirche einbezog, beinhaltete diese Klarstellung eine grundsätzliche Einspruchsmöglichkeit der Gliedkirchen gegen jedes EKD-Gesetz.368 Begründet wurde diese starke Position der Gliedkirchen damit, dass sich dort das eigentliche kirchliche Leben vollziehe, wobei „der Sinn der Reform, die Gliedkirchen zu ihrer Neuformulierung von Artikel 11 (3) EGO in Artikel 10a, den sie unter die Grundbestimmungen aufgenommen wissen wollten, die Eigenständigkeit der Landeskirchen stärker hervor (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 616). 363 Vgl. dazu insgesamt M. AHME, Reformversuch, S. 85–89 sowie unten Kap. 3.3.2. 364 Stellungnahme der Württembergischen Landessynode zu dem Entwurf einer neuen Grundordnung (vgl. Anm. 344). 365 Landeskirchenvorstand der Ev.-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland an die Kirchenkanzlei der EKD – Berliner Stelle (vgl. Anm. 348); Stellungnahme des Moderamens des Reformierten Bundes (vgl. Anm. 335), S. 3. 366 Vgl. E. Dalhoff/R. Bürgel/J. Rohde: Niederschrift über die Sitzung des Rechtsausschusses der Arnoldshainer Konferenz mit den Vorsitzenden der Vorbereitungsausschüsse für Stellungnahmen zur Verfassungsreform der EKD am Dienstag, 15.2.1972, in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 24), S. 5. 367 Stellungnahme der Württembergischen Landessynode (vgl. Anm. 344), S. 3. 368 Der Vorsitzende des württembergischen „Sonderausschusses für EKD-Fragen“, Hans v. Keler, erläuterte dazu: „Wir wollen mit dieser Formulierung die Auslegungskompetenz der Gliedkirchen wahren. Was Bekenntnis und Verfassungsgrundsätze sind, bestimmt jede Gliedkirche selbst. Mit dieser Formulierung soll auch festgehalten sein, daß Verfassungsgrundsätze nicht nur formal geschriebenes Recht sind. Nicht nur die geschriebene Kirchenverfassung, sondern auch alle ‚materiale Verfassung‘, alles für die Gliedkirchen Wesentliche und Charakteristische“ (M. AHME, Reformversuch, S. 86). Auf der Zusammenkunft des Struktur- und Verfassungsausschusses am 26./27.5.1972 ergänzte er, dass „hinter diesem Wunsch nach Absicherung . . . in gewisser Weise mangelndes Vertrauen zu der gesetzgeberischen Arbeit der EKD“ stehe (O. Lingner: Niederschrift über die 8. Sitzung des Strukturund Verfassungsausschusses am 26./27.5.1972 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52], S. 6).

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD entlasten und ihnen mehr Raum für ihre gemeindenahe Arbeit zu geben, . . . nicht in den Blick“ kam.369 Mit dem Problem der Eigenständigkeit der Landeskirchen hing unmittelbar die Frage nach ihrer Vertretung in der künftigen EKD zusammen. Die Diskussion darüber entzündete sich an der Zusammensetzung der Kirchenkonferenz, die nach dem Grundordnungsentwurf die Funktion eines landeskirchlichen Gegengewichts zu einer in ihren Aufgaben und Befugnissen gestärkten EKD wahrnahm. Die Zusammensetzung dieses Organs hatte der Grundordnungsentwurf offen gelassen und lediglich eine Regelung „durch Kirchengesetz“ vorgesehen, bei der „auf die Zahl der Kirchenmitglieder der Gliedkirchen Rücksicht zu nehmen“ sei (Artikel 43). Dieser Verzicht auf eine Regelung in der Grundordnung wurde allerdings mehrheitlich – auch von der Kirchenkonferenz selbst – als der neu gewonnenen Bedeutung der Kirchenkonferenz unangemessen abgelehnt.370 Die im Entwurf vorgesehene Bindung der Anzahl der gliedkirchlichen Vertreter an die Größe der betreffenden Gliedkirche stieß vor allem bei den kleineren Landeskirchen auf erheblichen Widerstand. Es wurde gefordert, dass jede Landeskirche – auch die kleinste – mindestens eine Stimme in der Kirchenkonferenz erhalten371 oder generell alle Landeskirchen jeweils die gleiche Stimmenzahl führen sollten.372 Letzteres wurde von der badischen Kirche mit der in der EKD geltenden „Ordnung der Brüderlichkeit“ (Art. 10 EGO) begründet.373

369 M. AHME, Reformversuch, S. 87. 370 Vgl. Änderungsvorschläge der Kirchenkonferenz zum Rohentwurf der Grundordnung der EKD, 9.6.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 690), S. 2 f., 10 f.; Erklärung der 18. Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers (vgl. Anm. 344), S. 2; Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (vgl. Anm. 344), S. 20; Stellungnahme der Landeskirche Eutin (vgl. Anm. 349), S. 3; Württemberg verlangte nicht eine Regelung in der Grundordnung selbst, sondern vor ihrer Verabschiedung die Vorlage eines „verbindlichen Vorschlags über die Verteilung der Sitze“ (Stellungnahme der Württembergischen Landessynode [vgl. Anm. 344], S. 5). 371 Beschluss des Kirchentages der Bremischen Evangelischen Kirche (vgl. Anm. 362); Stellungnahme der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck (vgl. Anm. 351); Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe (vgl. Anm. 344), S. 11; Landeskirchenvorstand der Ev.-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland an die Kirchenkanzlei der EKD – Berliner Stelle (vgl. Anm. 348), S. 2. Die Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg sprach sich dabei für eine Stimmenzahl von ein bis drei Stimmen je nach Größe der Landeskirche aus (Stellungnahme der Regionalen Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg in Berlin [West] [vgl. Anm. 350], S. 8). Die Kirchenkonferenz selbst votierte dafür, dass die großen Kirchen zwei Stimmen führen, war sich allerdings nicht einig, ob die Kirchen mit zwei oder erst mit drei Millionen Mitgliedern als eine solche große Kirche zu verstehen seien (Änderungsvorschläge des Arbeitsausschusses der Kirchenkonferenz zum Rohentwurf der Grundordnung der EKD, 9.6.1972 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 690], S. 9). 372 Stellungnahme des Moderamens des Reformierten Bundes (vgl. Anm. 335), S. 3; Lippisches Kirchenamt an die EKD u. a. (vgl. Anm. 348), S. 3 (als „Zustimmungsvoraussetzung“). 373 Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche in Baden (vgl. Anm. 347), S. 5. Sie fügte hinzu: „Der Beitrag der einzelnen Gliedkirchen für gesamtkirchliche Entwicklungen und Entscheidungen wird nicht wesentlich durch die Zahl der Kirchenmitglieder bestimmt. Der freie Meinungs- und Willensprozeß in der Kirchenkonferenz wird durch ein gleiches

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Etliche Voten nahmen direkt oder indirekt zum vorgesehenen Zeitplan Stellung, der bis dahin trotz erheblicher interner Bedenken – nicht zuletzt auf Betreiben des Rates374 – nach außen hin aufrechterhalten worden war. Dabei standen der Erwartung, dass der auf der Frankfurter Synode in Aussicht genommene Zeitplan eingehalten werde, Vorbehalte und das Anliegen gegenüber, den Grundordnungsentwurf entgegen der ursprünglichen Planung vor seiner Verabschiedung durch die EKD-Synode erneut zur Prüfung vorgelegt zu bekommen.375 Dieser Wunsch wurde vor allem damit begründet, dass der vorgelegte Entwurf vom Struktur- und Verfassungsausschuss nicht nur redaktionell noch einmal überarbeitet, sondern „in wesentlichen Teilen umgearbeitet“ werden müsse.376 Auch bei einem zügigen Vorgehen bedeutete eine solche nochmalige Vorlage des Entwurfs, dass die Grundordnung erst von der nächsten Synode – wenn auch „möglichst zu Beginn ihrer Amtszeit“ – verabschiedet werden würde.377 Am meisten Zeit veranschlagte die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, indem sie die Verabschiedung der neuen Grundordnung direkt an den ungewissen Termin einer formellen Zustimmung zur Leuenberger Konkordie band. Waren bereits auf der Frankfurter Synode Zweifel am Zeitplan laut geworden, machten die nicht zu übergehenden Wünsche der Landeskirchen endgültig und auch nach außen sichtbar deutlich, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht mehr durchführbar war. Wenig Interesse fand der im Grundordnungsentwurf enthaltene Artikel zur „besonderen Gemeinschaft“ (Artikel 5, Absatz 4), der von den Gegenentwürfen kommentarlos übernommen und in den Stellungnahmen in der Regel übergangen wurde. Lediglich Württemberg kritisierte die Wortwahl und sprach sich dafür aus, „die anspruchsvollere Formulierung ‚bekennt sich‘ . . . durch das schlichtere ‚bejaht‘“ zu ersetzen, da zuvor von einem Bekennen im theologi-

Stimmrecht der Gliedkirchen gefördert, dagegen durch Verteilung der Stimmen nach Größe der Gliedkirchen möglicherweise blockiert“ (EBD.). 374 Vgl. W. Hammer/J. Linnewedel: Niederschrift über die 61. Sitzung des Rates der EKD am 19. und 20.1.1972 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 778), S. 11. 375 Zuerst von der Synode der Ev. Kirche im Rheinland (9.–14.4.1972) erhoben (vgl. KJ 99 [1972], S. 42), die sich bei der Beschlussfassung darüber im Klaren war, „dass damit die Absicht, eine neue Grundordnung im Januar 1973 jedenfalls in erster Lesung von der EKD-Synode verabschieden zu lassen, faktisch undurchführbar wird“ (W. Hammer/H.-U. Kirchhoff: Auszug aus der Niederschrift über die 64. Sitzung des Rates der EKD am 20./21.4.1972 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 4, Nr. 152]). Weitere Synoden schlossen sich dem Wunsch der rheinischen Kirche an: Bayern, Berlin-Brandenburg, Hamburg, Hannover, Schaumburg-Lippe. 376 Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe (vgl. Anm. 344), S. 1; vgl. Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche in Bayern (vgl. Anm. 344), S. 1. – Bei einer Vorlage des Entwurfs nach seiner Verabschiedung durch die EKD-Synode waren nur noch Zustimmung oder Ablehnung möglich, jedoch keine Veränderungen mehr. 377 Erklärung der 18. Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers (vgl. Anm. 344), S. 3 f.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD schen Sinne gesprochen worden sei (Bekenntnisbindung, reformatorische Bekenntnisse, Bekenntnissynode von Barmen).378 Die Frage des Verhältnisses der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zur EKD war verständlicherweise vor allem für die Zusammenschlüsse selbst von besonderem Interesse. Der Grundordnungsentwurf hatte ihre Mitgliedschaft in der EKD nicht vorgesehen. Allerdings hielt Artikel 27, Absatz 3 fest, dass sich bildende „Vereinigungen“ von Kirchen „in den ihr von den Gliedkirchen übertragenen Aufgaben der Verwaltung und Rechtsetzung . . . im Verhältnis zur Evangelischen Kirche in Deutschland die gleichen Rechte und Pflichten“ haben „wie die Gliedkirchen“, und dehnte diesen Grundsatz ausdrücklich auch auf die „bereits bestehenden Vereinigungen“ aus. Diese Festlegung wurde von den bestehenden Zusammenschlüssen je nach dem, ob sie sich als Mitgliedskirche der EKD verstanden oder nicht, unterschiedlich bewertet, auf jeden Fall aber kritisiert. Der Planungsausschuss der VELKD, die nicht Mitgliedskirche der EKD war, verstand diese Passage als Vereinnahmung der bestehenden Vereinigungen und ersetzte sie durch die zurückhaltendere Formulierung, dass die „bestehenden konfessionellen und territorialen Zusammenschlüsse und Vereinigungen . . . ihre Aufgaben in Fühlungnahme mit den Organen“ der EKD erfüllen.379 Die EKU, die sich als Gliedkirche der EKD verstand,380 „begrüßte“ es hingegen auf ihrer Synodaltagung im Mai 1972, dass der Entwurf in diesem Artikel die Zugehörigkeit der Zusammenschlüsse zur EKD „voraussetze“, hielt es jedoch darüber hinaus „für notwendig, deren Mitverantwortung und Zusammenarbeit untereinander und mit der Evangelischen Kirche in Deutschland in den entsprechenden Bestimmungen des Entwurfs deutlicher“ zum Ausdruck zu bringen: „Weil die Evangelische Kirche der Union und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands sich als Kirchen verstehen, sollte ihre Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche in Deutschland in der Grundordnung auch ausdrücklich festgestellt werden.“381 Der Reformierte Bund wiederum begrüßte es, „daß im Entwurf einer neuen Grundordnung eine Mitgliedschaft gliedkirchlicher Vereinigungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht mehr vorgesehen“ sei, meldete freilich, „sollte für gliedkirchliche Vereinigungen in der neuen Grundordnung ein Ort als Sprecherinnen eines Bekenntnisses vorgesehen werden“, seinen Anspruch auf entsprechende Berücksichtigung an.382

378 Stellungnahme der Württembergischen Landessynode (vgl. Anm. 344), S. 2. 379 LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 622. 380 Die EKU war der EKD-Grundordnung von 1948 beigetreten (vgl. H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 314) und verstand sich nach ihrer eigenen Ordnung als Gliedkirche der EKD (vgl. Artikel 3 [1] der Ordnung der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union vom 20.2.1951 [Abl. EKD 5, 1951, S. 150–153]), entsandte allerdings keine Vertreter in die EKD-Synode, sondern lediglich in die Kirchenkonferenz. 381 Stellungnahme der Synode der EKU zum Rohentwurf einer Grundordnung der EKD, 7.5.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 26), S. 2; vgl. den Formulierungsvorschlag EBD., S. 3. 382 Stellungnahme des Moderamen des Reformierten Bundes (vgl. Anm. 335), S. 3; vgl. Landeskirchenvorstand der Ev.-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland an die Kirchenkanzlei der EKD – Berliner Stelle (vgl. Anm. 348). – Im Formulierungsvorschlag der EKU für Artikel 27 war der Reformierte Bund in der Tat neben EKU und VELKD unerwähnt geblieben (Stellungnahme der Synode der EKU [vgl. Anm. 381], S. 3).

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3.2.4. Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner (EGO II) Die auf der Frankfurter Synode mehrfach empfohlene unmittelbare Weiterarbeit des Struktur- und Verfassungsausschusses beschränkte sich, da EGO I nicht verändert werden konnte, solange seine Diskussion in den Landeskirchen noch nicht abgeschlossen war, und auch frühzeitige Voten landeskirchlicher Synoden nicht zu erwarten waren, vorerst auf eine Auswertung der in Frankfurt zur Sprache gekommenen Kritik sowie – um „die spätere Einarbeitung der gliedkirchlichen Stellungnahmen zu erleichtern“ – auf eine vorsorgliche Diskussion eventueller Alternativformulierungen.383 Formal vollzog sich die Arbeit des Struktur- und Verfassungsausschusses wiederum vor allem in Unterausschüssen, wobei allerdings – anders als bei der Erarbeitung von EGO I – lediglich die vorbereitende Problemdiskussion nach Sachgebieten aufgeteilt wurde. Die Neuformulierung des Grundordnungsentwurfs selbst hingegen erfolgte im Interesse eines zügigen Vorankommens sowie einer größeren Geschlossenheit des Entwurfs für alle Grundordnungsabschnitte in ein und demselben Unterausschuss. Eröffnet wurde die vorbereitende Problemdiskussion von einem siebenköpfigen Ad-hoc-Ausschuss, der sich in der Zeit vom 6. bis 8. Januar 1972 zusammenfand, um dem Struktur- und Verfassungsausschuss auf seiner ersten Zusammenkunft nach der Frankfurter Synode am 21./22. Januar Vorschläge für dessen weitere Arbeit unterbreiten zu können.384 Auf seinen Vorschlag hin beschloss der Gesamtausschuss, die Problemdiskussion im Wesentlichen in vier Unterausschüssen zu führen, von denen sich die Arbeitsgruppe Grundlagen mit den Artikeln 1 bis 4, die Arbeitsgruppe Grundbestimmungen mit den Artikeln 5 bis 10 und der Formulierungsausschuss mit der rechtstechnischen Überarbeitung des Grundordnungsentwurfes befassen sollte. Die Überlegungen zur Finanzverfassung erfolgten weiterhin in der bereits bestehenden Arbeitsgruppe Finanzen.385 Diese vier Unterausschüsse arbeiteten bis zur 8. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 26./27. Mai 1972, auf der dieser in Erwartung der landeskirchlichen Voten einen besonderen „Entwurfs-Ausschuß_“ mit der Neuformulierung des Grundordnungsentwurfs beauftragte.386 Bereits vor der ersten 383 O. Lingner: Niederschrift über die 7. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 21./22.1.1972 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 317), S. 6. 384 Vgl. O. Lingner: Vermerk, Januar 1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52). Ihm gehörten neben fünf Ausschussmitgliedern als Berater Oberkirchenrat Erwin Wilkens von der EKDKirchenkanzlei und Ernst-Viktor Benn von der EKU an. 385 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 383), S. 8. 386 O. Lingner: Niederschrift über die 8. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 26./27.5.1972 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52), S. 3. – Dem Ausschuss gehörten acht Mitglieder (v. Campenhausen, Danielsmeyer, Fischer, Frank, Hofmann, v. Keler, Wendt, Wilkens) sowie Lingner als Geschäftsführer an. Benn und Bürgel konnten gegebenenfalls als Berater hinzugezogen werden. Damit waren insbesondere die Kritiker der Konzeption des EGO I (Hofmann, v. Campenhausen, Wilkens) sowie die Vertreter einer

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD Zusammenkunft dieses Ausschusses war unter der Federführung von Lingner ein Formulierungsvorschlag erarbeitet worden, der zusammen mit den Ergebnissen der vorbereitenden Problemdiskussion sowie den Voten der Landeskirchen und kirchlichen Zusammenschlüsse die Grundlage für die weitere Arbeit bildete.387 Die daraufhin innerhalb des „Entwurfs-Ausschusses“ auf mehreren Sitzungen388 erarbeitete Neufassung wurde im September den Mitgliedern des Struktur- und Verfassungsausschusses sowie der Kirchenkanzlei und dem Rat übermittelt. Eine Aussprache darüber fand auf der 9. Plenarsitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 29./30. September – unmittelbar vor der EKD-Synode in Berlin-Spandau – statt, auf der sich der Ausschuss angesichts kontroverser Positionen und mangelnder Zeit allerdings nicht in der Lage sah, diesen Entwurf zu verabschieden oder auch nur in allen seinen Einzelheiten zu diskutieren.389

Obwohl der mit der Neuformulierung der Grundordnung beauftragte „Entwurfs-Ausschuß“ auf seiner ersten Zusammenkunft am 18./20. Juli grundsätzlich festgehalten hatte, dass er „für die Überarbeitung des ersten Entwurfs nicht zwingend nach dem jeweils ‚kleinsten gemeinsamen Nenner‘ der Stellungnahmen suchen müsse“,390 fand faktisch genau dieses statt, indem sich der Ausschuss vor allem an den kritischen Einwänden gegenüber EGO I orientierte, die zustimmenden Voten hingegen weitgehend unberücksichtigt ließ.391 Entsprechend musste der Vorsitzende des Entwurfsausschusses, Danielsmeyer, auf der Herbstsynode angesichts herber Kritik an dem vorgelegten Entwurf einräumen, dass dieser lediglich ein „Arbeitsmaterial für die Synodalen“ darstelle, aus dem sich ergebe, „wie eine Grundordnung der EKD gestaltet sein würde, wenn die Voten der Gliedkirchen nach dem jetzigen Stand berücksichtigt werden“ würden.392 Die vom Ausschuss vorgenommene weitgehende Berücksichtigung der zum Teil auch ausdrücklich als Bedingung gekennzeichneten Wünsche aus den reformkritischen Landeskirchen war insofern verständlich, als es bei der landeskirchlichen Zustimmung zur neuen Grundordnung nicht um die Zustimmung einer

mittleren Position (Danielsmeyer, Fischer) im Ausschuss vertreten, während die dezidierten Befürworter einer möglichst weitgehenden Reform (Metzger, Scholder) nicht berücksichtigt worden waren. 387 Entwurf für eine Grundordnung der EKD, 13.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85); Lingner an die Mitglieder des „Entwurfs-Ausschusses“ der Synode der EKD: Betr. Nächste Sitzung, 13.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85). 388 18./20.7, 21./22.8 und 30.8./1.9.1972. 389 Vgl. Vermerk über die Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 29.9. und 30.9.1972, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52). 390 Ergebnisprotokoll über die Sitzung des Entwurfs-Ausschusses des Struktur- und Verfassungsausschusses am 18./20.7.1972 in Herrenberg, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85), S. 1. 391 Vgl. dazu BERLIN-SPANDAU 1972, S. 130 (H. Simon). 392 EBD., S. 119.

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wie auch immer qualifizierten Mehrheit von Landeskirchen, sondern um die Zustimmung aller Landeskirchen ging. Ein einziges Nein an dieser Stelle hätte entweder die Grundordnung blockiert oder ein Ausscheiden der betreffenden Landeskirche aus der EKD riskiert, was Bayern als letzte Möglichkeit durchaus andeutete,393 und hätte damit statt der beabsichtigten Stärkung der EKD ihre tatsächliche Schwächung zur Folge gehabt. In der Sache bedeutete dieses Vorgehen freilich eine Abkehr von dem Anliegen der Stuttgarter Entschließung, nicht nur die Grundordnung neu zu formulieren, sondern darin auch ein neues Verständnis der in der EKD gewachsenen Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen.

Eine wesentliche Rolle spielten bei der Erarbeitung der Neufassung die „Empfehlungen des Planungsausschusses der VELKD zum Entwurf einer neuen Grundordnung“,394 da sie nicht nur eine Bündelung landeskirchlicher Positionen, sondern auch ein wesentliches Votum der zurückhaltenden Fraktion darstellten und damit im Interesse der angestrebten Konsensfähigkeit als Richtschnur gelten konnten. Nachdem bereits in der Arbeitsgruppe „Grundlagen“ eine Vorfassung der EPlA ausführlich diskutiert worden war,395 schien den Mitgliedern des Struktur- und Verfassungsausschusses auf ihrer Zusammenkunft am 26./27. Mai – wenn auch „ohne abschließendes Urteil“ – „die Vorlage des Planungsausschusses eine gute Grundlage für die Neukonzipierung der ersten zehn Artikel zu sein“. Mit „großer Mehrheit“ wurde dabei die Meinung vertreten, „daß bei der Bearbeitung des EGO II versucht werden soll, die Grundlagen entsprechend des Vorschlags des Planungsausschusses in einer Präambel voranzustellen“.396 Bei der Formulierung dieser Präambel erfolgte entsprechend der vom VELKD-Planungsausschuss und den flankierenden landeskirchlichen Voten vertretenen Bedeutung der Landeskirchen eine im Vergleich zu EGO I deutlichere Betonung des Stellenwertes der dort geltenden reformatorischen Bekenntnisse. Zwar übernahm der Ausschuss die Formulierung der EPlA von der „maßgebenden“ Rolle der reformatorischen Bekenntnisse für das Verständnis der Heiligen Schrift letztlich nicht, hielt jedoch stattdessen in einem neu formulierten zweiten Satz der Präambel ausdrücklich fest, dass das zuvor als Grundlage für die EKD in Anspruch genommene Evangelium bezeugt sei „in den altkirchlichen Bekenntnissen und in den reformatorischen Bekenntnissen, die in den Gliedkirchen gelten“. Im Gegenzug dazu wurden jene Aussagen, die auf eine sachliche Begrenzung dieser

393 Vgl. M. AHME, Reformversuch, S. 83. 394 Siehe oben S. 85 f. 395 O. Lingner: Niederschrift über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Grundlagen“ am 7.3.1972, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 82), S. 1 f. 396 O. Lingner: Niederschrift über die 8. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 26./27.5.1972 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52), S. 3.

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Bekenntnisse hinwiesen oder im Sinne ihrer unsachgemäßen Relativierung missverstanden werden konnten, weggelassen. War bereits im ersten Satz der neuen Präambel das auf die Schrift bezogene „allein“ (sola scriptura) entfallen, wurde an dieser hervorgehobenen Stelle nunmehr ebenfalls darauf verzichtet, analog zu Artikel 3 EGO I von der Aufgabe zu reden, „die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen und kirchenzerstörende Irrlehre gemeinsam abzuwehren“. Während diese Aussagen nunmehr dem nachgeordneten Abschnitt „Grundbestimmungen“ zugewiesen wurden, entfiel die Aussage, dass „die Verschiedenheit der Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung mehr“ habe, in der vom „Entwurfs-Ausschuß“ vorgeschlagenen Präambel ersatzlos. Ein besonderes Problem stellte der letzte „Grundlagen“-Artikel von EGO I dar, der eine Bejahung des Dienstes „der Kirche in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt“ ausgesprochen hatte (Art. 4 EGO I). Nachdem dieser Artikel bereits im Zuge der Erarbeitung des ersten Grundordnungsentwurfes sowohl Befürwortung als auch Kritik erfahren hatte,397 wurde er im Neuentwurf nach mehreren Umformulierungsversuchen ebenfalls völlig gestrichen. Bereits Anfang Januar 1972 hatte der Ad-hoc-Ausschuss seine (erneute) Streichung empfohlen.398 Auch der Grundlagen-Ausschuss machte gegenüber diesem Artikel erhebliche Bedenken geltend bis hin zu der Frage, ob derartige Aussagen überhaupt in eine Verfassung gehören. Zwar wurde anerkannt, dass hier „der Dienst der Kirche in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt in die Verkündigung eingebunden werden“ solle, jedoch befürchtet, „die Formulierung könnte als eine Art Freibrief für alle mögliche politisch-diakonische Betätigung der Kirche angesehen werden“.399 In Alternativfassungen wurde deshalb versucht, diese Einbindung unmissverständlicher zum Ausdruck zu bringen.400 Allerdings wurde auch die zuletzt diskutierte Fassung vom „Entwurfs-Ausschuß“ schließlich verworfen, die lautete: „Auftrag der EKD ist die Verkündigung von Jesus Christus, die in Zeugnis und Dienst an allen Menschen auch in Gesellschaft, Staat und Völkerwelt geschieht.“401

Im Bereich der Grundbestimmungen stand der Struktur- und Verfassungsausschuss angesichts des Votums der Frankfurter Synode vor der Frage, in welcher Weise und inwieweit eine Verknüpfung von Grundordnung und 397 Siehe oben S. 67. 398 O. Lingner: Vermerk [Beratungen des Ad-hoc-Ausschusses in der Zeit vom 6.–8.1.1972], undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52), S. 1. 399 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 395), S. 4. 400 Vgl. Entwurf für eine Grundordnung der EKD, 13.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85), S. 1. 401 Ergebnisprotokoll über die Sitzung des Entwurfs-Ausschusses des Struktur- und Verfassungsausschusses am 18./20.7.1972 in Herrenberg, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85), S. 3.

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Leuenberger Konkordie vorgenommen werden solle oder – da eine Endfassung der Konkordie noch ausstand – überhaupt vorgenommen werden könne. Dabei wurde sowohl die Möglichkeit diskutiert, angesichts der Zeitverzögerung, die möglicherweise sogar in mehrfacher Hinsicht mit einer solchen direkten Bezugnahme verbunden war,402 auf eine „‚Einarbeitung‘ der Leuenberger Konkordie“ völlig zu verzichten, als auch erwogen, die Konkordie noch vor ihrer Verabschiedung zur „Grundlage für eine neue EKD“ zu machen und durch diese „Vorwegnahme der Leuenberger Konkordie innerhalb des deutschen Bereichs den europäischen Einigungsprozeß zu fördern“.403 Angesichts der mehrheitlichen Befürwortung einer Berücksichtigung des Konkordienentwurfs seitens der Landeskirchen entschied sich der „Entwurfs-Ausschuß“ schließlich analog zu EPlA404 für eine indirekte Bezugnahme auf die Konkordie durch betonte Verwendung des Begriffes „Kirchengemeinschaft“ einerseits (Artikel 1) sowie durch Übernahme des Gedankenganges der Konkordie mit den Schritten Begründung und Erklärung von Kirchengemeinschaft (Artikel 2) und Verwirklichung von Kirchengemeinschaft (Artikel 3) andererseits.405 Artikel 1 des Neuentwurfs, der an die Stelle der in EGO I vorhandenen Alternativen des dortigen Artikels 5 trat, entsprach völlig der Fassung der EPlA, die an dieser Stelle Formulierungen der zweiten Fassung von Artikel 5 (1) EGO I aufnahmen,406 allerdings das dort zu Grunde gelegte rein organisatorische Verständnis von Kirchengemeinschaft (Zusammenschluss zu einer Kirchengemeinschaft) im Sinne der Leuenberger Konkordie korrigierten. Anders als dies in der ersten Fassung von Artikel 5 EGO I der Fall gewesen war, blieb damit offen, was die EKD eigentlich sei. Zu ihrer Charakterisierung wurde lediglich festgehalten, dass sie durch Zusammenschluss von „lutherischen, reformierten und unierten Kirchen (Gliedkirchen), die in Kirchengemeinschaft miteinander stehen“, zustande gekommen war.407 Allerdings wurde aus EGO I ebenfalls der Zusatz übernommen, dass die genannten Kirchen „mit ihren Kirchengemeinden und Kirchenmitgliedern“ in der EKD zusammengeschlossen seien,

402 Warten auf die Endfassung, erneute Konsultation der Gliedkirchen wegen der dabei berührten Bekenntnisfragen. 403 O. Lingner: Niederschrift über die 7. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 21./22.1.1972 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 317), S. 2 f. 404 Vgl. die Erläuterungen in: LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 612 f. 405 Ergebnis der Zusammenkunft des Entwurfs-Ausschusses am 18./20. Juli (vgl. Ergebnisprotokoll über die Sitzung des Entwurfs-Ausschusses des Struktur- und Verfassungsausschusses am 18./20.7.1972 in Herrenberg, undatiert [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85]); noch nicht in: Entwurf für eine Grundordnung der EKD, 13.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85). 406 In diesem Sinne bereits die Arbeitsgruppe „Grundlagen“ (O. Lingner: Niederschrift [vgl. Anm. 395], S. 5). 407 Ursprünglich hatte der „Entwurfs-Ausschuß“ es für notwendig gehalten, den Bereich der EKD geographisch näher zu bezeichnen: „im Bereich der BRD und Berlin (West)“ (Ergebnisprotokoll [vgl. Anm. 405]), S. 4).

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womit – wie in EGO I – als Entgegenkommen an die Reformbefürworter angedeutet werden sollte, dass die EKD doch in irgendeinem Sinne mehr sei als nur eine Gemeinschaft der Landeskirchen.408 Schließlich entfiel in der Neufassung von Artikel 1 infolge der weitgehenden Übernahme von EPlA409 an dieser Stelle auch die ausdrückliche geografische Begrenzung der EKD auf die Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West, die nunmehr im Zusammenhang von Artikel 27 und der dort aufgeführten Liste der Mitgliedskirchen zu stehen kam. Artikel 2 des Neuentwurfs stellte in einem ersten Absatz fest, dass „unter den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland“ (nicht in der EKD!) „Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums“ bestehe, woraus analog zum Entwurf der Leuenberger Konkordie die Folgerung gezogen wurde, dass „die in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen . . . nicht den gegenwärtigen Stand der Lehre der Gliedkirchen“ beträfen. Die im Konkordienentwurf weiterhin gezogene Folgerung, dass „vorhandene Unterschiede in kirchlicher Lehre, Ordnung und Lebensform . . . keine kirchentrennende Bedeutung“ haben, wurde – trotz landeskirchlicher Voten, die diese Aussage ausdrücklich befürworteten – entsprechend EPlA weggelassen. Absatz 2 dieses zweiten Artikels nahm noch einmal ausdrücklich zum Verhältnis der EKD zu den trotz der festgestellten Kirchengemeinschaft weiterhin gültigen Bekenntnisgrundlagen ihrer Gliedkirchen Stellung und erklärte, dass die EKD diese Bekenntnisgrundlagen achte und dazu anhalte, „auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören“ (vgl. Art. 5 [2] EGO I). Es folgte der an dieser Stelle in mehrfacher Hinsicht deplatzierte Satz, dass „die Bekenntnisse . . . immer neu an der Heiligen Schrift zu prüfen“ seien, der in dieser Formulierung zum einen weder etwas über die EKD noch über ihre Gliedkirchen aussagte410 und zum anderen seinem Inhalt nach – da ebenfalls der EKD vorgegeben – in die Präambel gehörte hätte.411 Absatz 3 (Barmen) entsprach unverändert Artikel 5 (3) EGO I. Obwohl in der Arbeitsgruppe „Grundlagen“ erwogen worden war, den Hinweis auf Barmen entsprechend dem Wunsch unierter Kirchen vorzuziehen (Artikel 3 des Grundlagenteils),412 wurde dieser Gedanke mit der Voranstellung einer Präambel, in der Barmen dann seinen Platz hätte finden müssen, sowie der weitgehenden Anlehnung an EPlA (dort ebenfalls Art. 2 [3]) wieder aufgegeben. Artikel 3 formulierte als „Verwirklichung von Kirchengemeinschaft“413 die 408 Vgl. FRANKFURT/MAIN 1971, S. 274 (J. Frank). – Es stellt sich freilich die Frage, ob der gegenteilige Fall – eine Gemeinschaft der Landeskirchen ohne ihre Kirchengemeinden und Kirchenmitglieder – überhaupt möglich war. 409 Vgl. LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 612. 410 EGO I hatte deshalb formuliert: „Die Evangelische Kirche in Deutschland anerkennt die Aufgabe, die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen“ (Hervorhebung vom Verf.). 411 So auch Hammer an Raiser, 18.9.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 31), S. 5. 412 O. Lingner: Niederschrift über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Grundlagen“ (vgl. Anm. 395), S. 3 f.

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Verpflichtung zu „gemeinsamer Ausrichtung von Zeugnis und Dienst“ sowie zur Vertiefung des gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums in theologischer Arbeit und seine Abgrenzung „gegenüber Entstellungen“.414 Der dritte Absatz entsprach dabei Artikel 5 (4) EGO I zur „besonderen Gemeinschaft“. Allerdings wurde in Aufnahme des württembergischen Votums das Wort „bekennt sich zu“ – anscheinend ohne nennenswerte Diskussion – durch „bejaht“ ersetzt. Erläuternd wurde lediglich festgehalten, dass die endgültige Formulierung dieses Absatzes „noch mit den Kirchen in der DDR abzustimmen sein“ werde.415 Artikel 6 zum „Dienst der Verkündigung und der Sakramentsverwaltung“ sowie Artikel 7 zur Mitgliedschaft entsprachen im Großen und Ganzen den Vorschlägen des EPlA, wobei Formulierung und Wortstellung zum Teil in Anlehnung an einzelne landeskirchliche Voten geändert wurden. Die entscheidende Veränderung im Artikel 7 gegenüber den Alternativfassungen von EGO I war, dass nunmehr weder von einer vermittelten Mitgliedschaft des einzelnen Christen in der EKD (Art. 7 EGO I, erste Fassung) noch davon gesprochen wurde, dass er der EKD „angehört“ (Art. 7 EGO I, zweite Fassung), sondern entsprechend dem Vorschlag der Kommission für das Mitgliedschaftsrecht416 formuliert wurde, dass er „Anteil an der Kirchengemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland“ habe. Obwohl „Kirchengemeinschaft“ hier analog zu Art. 5 (1) EGO I (zweite Fassung) in rein organisatorischem Sinn verstanden war, zog sich diese Formulierung von da an durch alle Entwürfe hindurch.417

Ein weiteres Problem, das vor allem seitens der Kirchenkanzlei ins Gespräch gebracht wurde, betraf die Organverfassung, wie sie in EGO I vorgelegt worden war. Sowohl die Kirchenkanzlei als auch der Rat befürchteten, dass die in EGO I vorgenommene Stärkung der Kirchenkonferenz zu einer Schwerfälligkeit der Arbeitsvollzüge innerhalb der EKD führen und damit gerade die Erledigung der neuen von der EKD wahrzunehmenden Aufgaben behindern könnte.418 Weder der Auftrag des Struktur- und Verfassungsausschusses, Überlegungen für eine Verbesserung der Organverfassung anzustellen, noch ein entsprechendes Votum des Rates419 wirkten sich bei der Überarbeitung des 413 Vgl. Ergebnisprotokoll (vgl. Anm. 405), S. 7. 414 Die Rede von „kirchenzerstörender Irrlehre“ (Art. 3 EGO I) wurde damit in Anlehnung an Art. 41 des Konkordienentwurfes geändert. 415 Entwurf für eine Grundordnung der EKD, 13.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85), S. 5; Ergebnisprotokoll (vgl. Anm. 405), S. 6 f. 416 J. Frank/W. Nuyken: Niederschrift über die Sitzung der Mitgliedschaftsrechtskommission am 19.11.1971 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 233), S. 9 f. 417 O. Lingner: Vermerk [Sitzung der Arbeitsgruppe „Grundbestimmungen“ am 15.3.1972], undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 83), S. 1; Entwurf einer Grundordnung der EKD, 13.7.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85), S. 8; Ergebnisprotokoll (vgl. Anm. 405), S. 8. 418 Vgl. u. a. Stellungnahme des Rates der EKD zum Entwurf einer Grundordnung für die EKD, 8.6.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 783). 419 EBD., S. 2.

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EGO I aus. Im Gegenteil: Bei der Neufassung des Grundordnungsentwurfes wurde die Profilierung der Kirchenkonferenz (deren Zusammensetzung nunmehr in der Grundordnung selbst geregelt war)420 als eines Entscheidungsund Initiativorgans noch weiter vorangetrieben. Zwar entfiel die allgemeine Aussage von Artikel 42 (2) EGO I, nach der die Kirchenkonferenz dem Rat und der Synode Anregungen geben und Vorlagen einbringen konnte, dafür wurde jedoch in einem neu formulierten Artikel 16b nicht nur die Inkraftsetzung von Richtlinien des Rates an einen entsprechenden Vorschlag der Kirchenkonferenz und einen Beschluss der Synode gebunden, sondern bereits das Recht des Rates, solche Richtlinien überhaupt erst einmal vorzuschlagen, von einer Zustimmung der Kirchenkonferenz abhängig gemacht (Art. 16b EGO II). Darüber hinaus wurde durch Wegfall von Artikel 17 (1) Punkt 1, der in EGO I eine Rahmengesetzgebung durch die EKD für die Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 12 vorgesehen hatte, eine solche rahmengesetzliche Regelung nunmehr ebenfalls an die Zustimmung der Kirchenkonferenz gebunden. Dieser Tendenz entsprach es, dass trotz geäußerter Bedenken auch das Verordnungsrecht des Rates – wie bereits in EGO I – nicht nur die Zustimmung des Präsidiums der Synode, sondern auch die Zustimmung der Kirchenkonferenz erforderte (Art. 47 [2]).421 Im Gegenzug wurden bei der Neufassung aus etlichen Bestimmungen, die Befugnisse des Rates in EGO I noch im Indikativ beschrieben hatten, nunmehr lediglich Kann- bzw. Soll-Bestimmungen.422 Eine weitere Stärkung der Landeskirchen bedeutete weiterhin die Neuformulierung von Artikel 8 EGO I, der ihr Vetorecht gegenüber dem EKD-Recht regelte. Zwar entsprach der „Entwurfs-Ausschuß“ in dem neu formulierten Artikel 10c nicht dem Wunsch der württembergischen Kirche,

420 Der „Entwurfs-Ausschuß“ folgte dabei dem Vorschlag der Kirchenkonferenz, Gliedkirchen mit einer Mitgliederzahl von unter 2 Millionen eine Stimme und Kirchen mit mehr als 2 Millionen Kirchenmitgliedern zwei Stimmen zuzubilligen (vgl. Beschluss der Kirchenkonferenz zum Rohentwurf der Grundordnung der EKD/Änderungsvorschläge des Arbeitsausschusses der Kirchenkonferenz zum Rohentwurf der Grundordnung der EKD, 9.12.1972 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 690], S. 1, 10; BERLIN-SPANDAU 1972, S. 348). 421 Dazu der Präsident der Kirchenkanzlei, Walter Hammer: „Daß der Rat etwas nur soll empfehlen können, falls er dazu die Zustimmung der Kirchenkonferenz eingeholt hat, dürfte bei aller Anerkennung der gliedkirchlichen Interessen die Fesseln überspannen, die an so vielen Stellen dem Rat in diesem Entwurf erneut angelegt werden.“ Hinsichtlich dessen, dass das Verordnungsrecht des Rates Regelungen im Blick hatte, die „keinen Aufschub“ duldeten, bezeichnete er die geforderte Zustimmung des Präsidiums der Synode und der Kirchenkonferenz (die lediglich vier- bis fünfmal im Jahr zusammentrat) als „schwarzen Humor“ (an Raiser, 18.9.1972 [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 31], S. 8, 11 – Hervorhebung original). 422 Zum Beispiel hatte Artikel 23 EGO I noch formuliert: „Die Gliedkirchen nehmen über die Bestellung des Vorsitzenden ihrer Kirchenleitung mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland Fühlung.“ EGO II änderte: „Die Gliedkirchen sollen vor der Bestellung des Vorsitzenden ihrer Kirchenleitung mit dem Rat Fühlung nehmen“ (Art. 23).

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in der Grundordnung ausdrücklich festzuschreiben, dass das Feststellungsrecht, ob das Bekenntnis oder Verfassungsgrundsätze durch EKD-Recht verletzt seien, bei den Landeskirchen liege.423 Dennoch stärkte er durch seine Umformulierung auch in diesem Fall deren Position. Zum einen erweiterte er die Vorbehaltsgründe und sprach nicht mehr nur von „wesentlichen Verfassungsgrundsätzen“, die nicht verletzt werden dürften, sondern umfassender von „Verfassungsgrundsätzen“ (womit freilich auch das Problem umgangen werden sollte, wer denn zwischen wesentlichen und unwesentlichen Verfassungsgrundsätzen entscheidet).424 Zum anderen wurde eine Formulierung gewählt, die zumindest nach Ansicht des Strukturund Verfassungsausschusses für die EKD eine bedenkliche „Umkehrung der Beweislast“ bedeutete. Das hieß konkret: Während nach EGO I die Landeskirchen hätten erläutern müssen, inwiefern Bekenntnis oder wesentliche Verfassungsgrundsätze verletzt seien, müsste nach dem Wortlaut des Neuentwurfs hingegen die EKD darlegen, dass „Bekenntnis oder Verfassungsgrundsätze der Gliedkirchen“ ihrem Recht nicht entgegenstünden.425 Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu EGO I, der zwar nicht direkt auf eine Stärkung der Landeskirchen zielte, im Ergebnis aber dennoch zumindest die Position einiger Landeskirchen stärkte, bestand darin, dass der Neuentwurf in Artikel 10a (2) entsprechend dem Wunsch der EKU vorsah, dass EKU und VELKD „als gliedkirchliche Zusammenschlüsse“ der EKD angehören, was für deren Mitgliedskirchen eine gewisse Doppelvertretung in der EKD bedeutete. Dieser vom „Entwurfs-Ausschuß“ erarbeitete Neuentwurf für eine Grundordnung lag dem Struktur- und Verfassungsausschuss auf seiner Zusammenkunft am 29./30. September vor und stieß dort auf zum Teil heftige Kritik. Obwohl die Voranstellung einer Präambel vom Ausschuss insgesamt ausdrücklich befürwortet worden war, erschien diese Änderung gegenüber EGO I angesichts der vorgelegten Fassung, deren Formulierung „nicht als ideal empfunden“ wurde, nunmehr lediglich als Ermessensfrage. Der Abschnitt „Grundbestimmungen“, insbesondere die Artikel 1 bis 3, wurde „kritisch beurteilt“ und deshalb eine weitere Überarbeitung für notwendig angesehen. Scholder, der seine Kritik an diesem Entwurf am gleichen Tage bereits öffentlich kundgetan hatte,426 ging dabei so weit, den 423 Vgl. dazu O. Lingner: Niederschrift über die 8. Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 26./27.5.1972 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52), S. 6. 424 O. Lingner: Vermerk [Beratungen des Ad-hoc-Ausschusses in der Zeit vom 6.–8.1.1972], undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52), S. 2. 425 Vermerk über die Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 29.9. und 30.9.1972, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52), S. 3. 426 In einem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dessen Erscheinungstermin kurz vor der Synode (ohne die Diskussion des neuen Grundordnungsentwurfs im Strukturund Verfassungsausschuss abzuwarten) es nahe legte, ihn als Versuch zu verstehen, durch

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gesamten Entwurf angesichts dessen, dass in seinem Mittelpunkt analog zu den EPlA nicht die EKD, sondern die Gliedkirchen stünden, als fatalen Rückschritt abzulehnen.427 Auch die Organstruktur wurde erneut kritisch angefragt und in diesem Zusammenhang die „Funktionsfähigkeit der verschiedenen Organe und besonders die Funktionsfähigkeit des Rates“ angezweifelt. Der Ausschuss hielt es freilich zeitlich nicht mehr machbar, „in eine Grundsatzdiskussion von so großem Gewicht einzutreten“.428 Hauptkritikpunkt war naturgemäß die „Schlüsselfunktion“, die der Kirchenkonferenz innerhalb des Neuentwurfs zugebilligt wurde. Zwar sei es berechtigt, die Wahrung der landeskirchlichen Interessen bei der Kirchenkonferenz anzusiedeln und ihr deshalb „bei allen gesetzgebenden Akten der EKD ein Vetorecht als votum negativum einzuräumen“, wenn aber „die Kirchenkonferenz ein Exekutivorgan werde, dem besondere Initiativrechte vorbehalten sind, dann werde nicht nur der Arbeitsvollzug innerhalb der EKD gefährdet, sondern das Mißtrauen gegen die EKD institutionalisiert“.429

3.2.5. Wachsende Resignation und „Tristesse“ auf der EKD-Synode 1972 in Spandau Angesichts des umfassenden und andauernden Meinungsbildungsprozesses in den Landeskirchen, insbesondere hinsichtlich der grundsätzlichen Fragen, war für die Herbsttagung der EKD-Synode, die vom 1. bis 5. Oktober nach Berlin-Spandau einberufen worden war, ursprünglich nicht eine Aussprache über einen neuerlichen Grundordnungsentwurf, sondern lediglich eine Diskussion über die „Grundfragen der Verfassungsreform“ vorgesehen worden.430 Diesem Beschluss des Präsidiums stand freilich das Anliegen des Struktur- und Verfassungsausschusses entgegen, im Interesse klarer Direktiven für die Weiterarbeit bereits dieser Synode die inzwischen vom „Entwurfs-Ausschuß“ erarbeitete Neufassung zur Kenntnisnahme und Meinungsbildung vorzulegen, auch wenn dieser Neuentwurf im Struktur- und eine „schonungslose Analyse der Gründe für die Vorbehalte gegenüber der EKD-Reform das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit für das Projekt zu mobilisieren und seine Konsynodalen zu ermahnen, den einmal beschrittenen Reformweg jetzt nicht resigniert zu verlassen“ (M. AHME, Reformversuch, S. 95). 427 Vermerk (vgl. Anm. 425), S. 2. – Vgl. auch unten S. 109 f. 428 EBD., S. 6; vgl. O. LINGNER, Grundordnung, S. 367. 429 Vermerk (vgl. Anm. 425), S. 5. 430 L. Raiser/O. v. Harling: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der EKD-Synode in Berlin am Sonnabend, den 22.1.1972, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 269), S. 3 f.; Dies.: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der EKD-Synode in Berlin am 27.5.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 269), S. 3; Kirchenkanzlei der EKD (O. v. Harling) an Lingner: Betr. EGO II, 12.9.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 31).

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Verfassungsausschuss selbst noch nicht mit der notwendigen Ausführlichkeit beraten werden konnte.431 Während der Ausschuss mit diesem Anliegen beim Präsidium der Synode im Wesentlichen auf Verständnis stieß, machten Rat und Kirchenkanzlei Bedenken geltend,432 da sie es für wenig sinnvoll und wohl auch für riskant hielten, der Synode ein Papier vorzulegen, das weder im Rat noch im zuständigen Synodalausschuss hinreichend vorberaten worden war. Rat und Kirchenkanzlei sahen dabei die Gefahr, dass sich die Synode auf diesen Entwurf festlegen und auf diese Weise eine weitere Bearbeitung und notwendige Verbesserung blockieren könnte.433 Da eine endgültige Festlegung der Synode und damit eine „Überrumpelung“ des Rates allerdings ausgeschlossen war, „weil ein Gesetzentwurf nur mit der Stellungnahme des Rates und der Kirchenkonferenz eingebracht werden“ konnte,434 einigte man sich auf einen Kompromiss: Der Neuentwurf wurde der Synode weder als eine Vorlage des Struktur- und Verfassungsausschusses noch als ein neuer Grundordnungsentwurf vorgelegt, sondern lediglich als „Arbeitshilfe, namentlich auch für die Beratungen in den auf dieser Synodaltagung zu bildenden Ausschüssen“.435 Der vom „Entwurfs-Ausschuß“ erarbeitete Grundordnungsentwurf436 bot neben der Neufassung einzelner Artikel auch eine teilweise Umordnung und Neugliederung: An erster Stelle stand wie in der alten Grundordnung wieder eine Präambel. Es folgten die Abschnitte „I. Grundbestimmungen“, „II. Gliederung“, „III. Aufgaben“, „IV. Organe“, „V. Finanzen“ und „VI. Gerichtsbarkeit“. Entfallen war damit im Vergleich zu EGO I neben dem Abschnitt „Grundlagen“ 431 Lingner an Danielsmeyer, Benn, Bürgel, von Campenhausen, Fischer, Frank, Hofmann, von Keler, Wendt und Wilkens, 6.9.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 321), S. 3. 432 Vgl. v. Harling an Lingner (vgl. Anm. 430); W. Hammer/J. Linnewedel: Niederschrift über die Referentenbesprechung (Plenum) der Kirchenkanzlei am 14.9.1972, 20.9.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 1314), S. 2. 433 Hammer formulierte seine Bedenken „in der Sprache eines Amateur-Fotolaboranten . . .: Es schien uns die Gefahr zu bestehen, daß das Bild zu früh aus dem Entwickler genommen und in’s Fixierbad gegeben wird. Damit wird der Entwicklungsvorgang gestoppt, das Bild in seinem nicht voll ausentwickelten Zustand festgelegt. Die im Negativ angelegten Möglichkeiten werden damit nicht ausgeschöpft, die Konturen bleiben unscharf. Es wäre mehr aus der Aufnahme herauszuholen gewesen“ (an Raiser, 18.9.1972 [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 31], S. 2). 434 W. Hammer/H. Echternach: Auszug aus der Niederschrift der 68. Sitzung des Rates der EKD am 21./22.9.1972 in Hannover (EZA BERLIN, 4, Nr. 152). 435 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 92 (L. Raiser). Entsprechend lautete sein Untertitel „Vorlage des Entwurfs-Ausschusses für den Struktur- und Verfassungsausschuß“ (EBD., S. 331). 436 Entwurf einer Grundordnung für die EKD (BERLIN-SPANDAU 1972, S. 331–335 – siehe unten Dok. 4). – Im Interesse einer besseren Vergleichbarkeit der einzelnen Fassungen wurde die Artikelzählung von EGO I im Großen und Ganzen beibehalten. Diese Vorgehensweise brachte es allerdings mit sich, dass neue Artikel behelfsweise durch Beifügung von Buchstaben in die vorhandene Zählung integriert werden mussten, während auf der andere Seite die Nummern entfallener Artikel leer blieben.

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auch der Abschnitt „Instrumentarium“. Neu hinzugekommen war der Abschnitt „Gerichtsbarkeit“, während der Abschnitt „Gliederung“ erweitert und an die zweite Stelle vorgezogen worden war.

In seinem Bericht als Vorsitzender des Struktur- und Verfassungsausschusses ging Präses Raiser auf diesen Entwurf, der den Synodalen am ersten Verhandlungstag als Tischvorlage ausgehändigt worden war, dann auch nicht näher ein, sondern konzentrierte sich auf die aus den landeskirchlichen Stellungnahmen resultierenden Probleme für das Reformwerk sowie auf die weiteren Aufgaben. Dabei reduzierte sich angesichts der zum Teil tief greifenden Änderungswünsche einiger Landeskirchen das positive Ergebnis dieses Meinungsbildungsprozesses im Wesentlichen darauf, dass keine landeskirchliche Synode dem Fortgang der Reformarbeit grundsätzlich widersprochen oder den Entwurf im Ganzen als ungeeignet abgelehnt hätte.437 Darüber hinaus sah Raiser in den Landeskirchen nur wenig Bereitschaft, zugunsten einer Stärkung der EKD in organisatorischer Hinsicht auf eigene Unabhängigkeit zu verzichten438 oder in theologischer Hinsicht der EKD ein Kirchesein zuzubilligen.439 Daran ändere – so Raiser – auch die an sich zu begrüßende Aufnahme des Leuenberger Konkordienentwurfes durch die landeskirchlichen Voten nichts, da die Konkordie angesichts ihrer europäischen Ausrichtung weder etwas für die Frage des Kircheseins der EKD auszutragen vermag noch die dort angestrebte „Kirchengemeinschaft“ in der Lage sei, die innerhalb der EKD gewachsene Gemeinschaft angemessen zum Ausdruck zu bringen. Die in der Konkordie selbst vorgenommene Unterscheidung „zwischen Herstellung und Verwirklichung der Kirchengemeinschaft“ bedeutete nach Raiser, „daß mit einer Feststellung in der Grundordnung, die in der Evangelischen Kirche in Deutschland zusammengeschlossenen Gliedkirchen verschiedenen Bekenntnisses stünden untereinander in Kirchengemeinschaft, über die ekklesiologische Qualität der Evangelischen Kirche in Deutschland selbst weder positiv noch negativ etwas ausgesagt“ sei. Das könne – so Raiser weiter – „auch nicht anders sein, wenn man sich gegenwärtig hält, daß die geplante Konkordie ja nicht mehr leisten kann und will, als alten Lehrdifferenzen aus der Reformationsgeschichte ihren kirchentrennenden Stachel zu nehmen. So verdienstlich und gerade auch für die deutsche kirchliche Situation notwendig diese in Leuenberg geleistete Arbeit ist, so ist damit doch, wie ich fürchte, für die EKD 437 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 93. 438 Wofür Raiser als Ursachen zum einen fehlende Einsicht in die dringende Notwendigkeit einer Reform und zum anderen ein „schwer greifbares, aber als Realität in Rechnung zu stellendes Mißtrauen gegen diese EKD“ anführte (EBD., S. 93 f.). 439 „Es entspricht dem durch allen politischen und sozialen Wandel nicht gebrochenen Selbstbewußtsein der Landeskirchen, daß sie, ohne ihr eigenes Kirche-Sein in Frage zu stellen, weiterhin wie schon bei der Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland vor 25 Jahren zögern, auch sie eindeutig als Kirche anzuerkennen“ (EBD., S. 94).

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noch nicht genug getan. In ihrem Raum ist durch die lange gemeinsame Geschichte der deutschen evangelischen Christenheit, und zuletzt durch die intensive Zeugnis- und Dienstgemeinschaft der vergangenen 25 Jahre im theologischen Denken und kirchlichen Handeln mehr an Gemeinschaft gewachsen, als was Leuenberg Kirchengemeinschaft im ersten Akt der Herstellung nennt.“440

Angesichts dessen bedauerte es Raiser ausdrücklich, dass es weder im Grundordnungsentwurf (EGO I) noch in der „Theologischen Erklärung zu den Herausforderungen der Zeit“441 oder auf der Theologischen Tagung der EKD in Mauloff442 gelungen sei, das „Mehr an Gemeinschaft“, das die EKD auszeichne, „zu einem angemessenen Ausdruck zu bringen und damit den Boden, auf dem die EKD selbst als Einheit in der Vielfalt der gliedkirchlichen Bekenntnisse steht, deutlich zu bezeichnen“. Dementsprechend sei aus der Sicht der Landeskirchen die „bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit . . . auch heute noch allenfalls ideeller Hintergrund der EKD, aber keine rechtlich faßbare Realität“. Vielmehr solle nach deren Willen die EKD im Rechtssinn „weiterhin ein Verband der 20 Landeskirchen zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben“ bleiben und das „Ziel der jetzt eingeleiteten Reform“ sich auf den „Versuch“ beschränken, „die Zuständigkeit der Verbandsorgane zu erweitern“.443 Diese von einigen Landeskirchen zum Ausdruck gebrachte Zurückhaltung warf unmittelbar die Frage auf, in welchem Umfang diese Zurückhaltung bei der weiteren Arbeit am Reformwerk zu berücksichtigen sei, wobei Raiser weder der eine noch der andere Extremfall praktikabel schien. Würden nämlich alle Einwände und Bedenken berücksichtigt, bliebe „von der Reform wenig mehr als eine Anzahl vielleicht ganz praktischer, aber für die Zukunft unserer Kirche nicht sonderlich interessanter Korrekturen an der alten Grundordnung“ übrig. Würden hingegen alle Einwände ignoriert, „so setzen wir das Gelingen der ganzen Reform aufs Spiel, weil uns dann einige Landeskirchen die Gefolgschaft versagen“.444 Insofern sei als Mittelweg zwischen beiden Extremen eine Verbindung des „Wünschbaren“ mit dem „Erreichbaren“ anzustreben. Diesen Mittelweg habe – so Raiser – der „Entwurfs-Ausschuß“ mit der vorgelegten Neufassung auch bereits eingeschlagen, benötige von der Synode jedoch konkrete Direktiven für

440 EBD., S. 95 f. 441 KJ 98 (1971), S. 68–83. 442 Vgl. Theologische Arbeitstagung der EKD, Mauloff, 9. bis 12.6.1972: Arbeitsergebnis der Gruppe 6: Kirchengemeinschaft innerhalb der EKD, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 29). 443 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 96. 444 EBD., S. 94.

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die Weiterarbeit. Darüber hinaus müsse die Synode auf dieser Tagung zum Zeitplan insgesamt Stellung nehmen, da durch den Wunsch mehrerer Landessynoden, den Neuentwurf vor einer Verabschiedung durch die EKDSynode noch einmal zugeleitet zu bekommen, der ursprüngliche Zeitplan nicht mehr zu halten sei. Raiser empfahl in diesem Zusammenhang, der nächsten Synode zumindest einen fertigen Entwurf der neuen Grundordnung als „Vermächtnis“ zu übergeben.445 Die nachfolgende Plenaraussprache setzte inhaltlich und personell die am 29./30. September innerhalb des Struktur- und Verfassungsausschusses geführte Kontroverse fort und machte damit noch einmal öffentlich, wie tief die Differenzen selbst in diesem vorbereitenden Gremium waren.446 Im Einzelnen übten die Befürworter einer weiter gehenden Reform erneut heftige Kritik an der Konzeption von „EGO II“ (wie der Entwurf nunmehr nahezu einhellig bezeichnet wurde) und brachten ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass von der Intention der Stuttgarter Entschließung, mit einer neuen Grundordnung eine engere Gemeinschaft innerhalb der EKD zum Ausdruck zu bringen, nichts übrig geblieben sei. EGO II sei eben nicht, wie es Raiser formuliert hatte und es von Frank später noch einmal bekräftigt wurde,447 der Versuch einer Verbindung des „Wünschbaren“ mit dem „Erreichbaren“, sondern stehe für ein einseitiges Nachgeben und Eingehen auf die Wünsche der Landeskirchen und damit für eine Abkehr von dem, was 1970 in Stuttgart gewollt worden war. Anstatt den bestehenden Kirchenbund durch eine „engere Gemeinschaft der Kirchen“ zu ersetzen, biete EGO II lediglich „die Verfassung eines betont föderalistischen Bundes selbständiger Landeskirchen“.448 Dieser Neuentwurf markiere somit einen „Schritt weiter weg von dem Ziel . . ., das sich die Synode in Stuttgart gestellt hat, nämlich daß wir Kirche werden, und daß sich diese Gemeinschaft der Kirche auch in ihren Institutionen, Zuständigkeiten usw. ausdrückt“.449 Angesichts dieser Ausrichtung des Neuentwurfs wurde die Aufnahme von Formulierungen des Leuenberger Konkordienentwurfs einschließlich des in EGO II mehrfach gebrauchten Begriffes „Kirchengemeinschaft“ in unterschiedlicher Hinsicht kritisch angefragt. Während einerseits, wie das bereits von Raiser in seinem Bericht zum Ausdruck gebracht worden war, lediglich vor einer Überschätzung des Konkordienentwurfs in seiner Bedeutung für die EKD gewarnt

445 EBD., S. 92. 446 Da sich vor allem Mitglieder des Struktur- und Verfassungsausschusses zu Wort meldeten, sprach Frank von einem „öffentlichen Podiumsgespräch“, das der Struktur- und Verfassungsausschuss der Synode biete (EBD., S. 141 f.). 447 EBD., S. 142. 448 EBD., S. 110 (K. Scholder). 449 EBD., S. 102 (L. Metzger); vgl. EBD., S. 110 (K. Scholder).

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wurde,450 konnte andererseits – je nachdem welche gemeinschaftsbildende Kraft der Konkordie beigemessen wurde – gerade die mangelnde oder auch eine zu weit gehende Aufnahme von Leuenberg für die kritisierte Unzulänglichkeit des EGO II verantwortlich gemacht werden.451

Diesem Mangel an theologisch begründeter Gemeinschaft trat in der Kritik an EGO II die als Gegengewicht zur beabsichtigten Stärkung der EKD bewusst vorgenommene Stärkung der Position der Landeskirchen bzw. der Kirchenkonferenz an die Seite. In der Kritik wurde geltend gemacht, dass bereits rein sprachlich im Mittelpunkt des Neuentwurfs nicht mehr die EKD stünde, sondern die Landeskirchen.452 Dabei komme die vorgenommene Erweiterung der Befugnisse und Kompetenzen der Kirchenkonferenz in der Sache einer Entmachtung von Rat und Synode gleich,453 da alle wesentlichen Vorgänge und Entscheidungen eine Zustimmung der Kirchenkonferenz erforderten.454 Insbesondere sei die Wahrnehmung der in Artikel 12 genannten Gemeinschaftsaufgaben anders als in EGO I nunmehr ebenfalls an die Zustimmung der Kirchenkonferenz gebunden. Darüber hinaus werde der Vorrang von EKD-Recht vor gliedkirchlichem Recht in Art. 10c zu sehr eingeschränkt. Mit dem dort formulierten Vorbehalt nicht nur in Bekenntnis-, sondern auch in Verfassungsfragen455 erhalte jede Gliedkirche zumindest die theoretische Möglichkeit, EKD-Recht nach Belieben zu unterlaufen.456 Wie groß der mit EGO II unternommene Rückschritt genau war, wurde im Kreis der Kritiker freilich unterschiedlich bewertet. Während die einen den Neuentwurf, weil er keinerlei Ansätze zu einem vertieften Verständnis der in der EKD vorhandenen Gemeinschaft mehr bot, vor allem als Rückschritt hinter EGO I kritisierten,457 vermochten weitere Kritiker auch zur bestehenden Grundordnung von 1948 keine nennenswerten Verbesserungen mehr zu erken450 Leuenberg sei „im Grunde nur die längst fällige Zusammenfassung einer bereits vollzogenen Entwicklung“ (EBD., S. 131 [H. Simon]). 451 Vgl. EBD., S. 103 (L. Metzger), 106 f. (H.-G. Jung), 108 (W. Lohff). 452 Artikel 1 EGO II lautete: „In der Evangelischen Kirche in Deutschland sind lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen) . . . zusammengeschlossen“. Dagegen hatte Artikel 5, Absatz 1 EGO I zumindest in der ersten Fassung formuliert: „Die Evangelische Kirche in Deutschland ist die Gemeinschaft der . . .“ (vgl. EBD., S. 105 [H.-G. Jung]). 453 „Nach dem jetzt vorliegenden Entwurf, auch schon nach EGO I, hat man den Eindruck, die Kirchenkonferenz ‚hält sich‘ eine Synode“ (BERLIN-SPANDAU 1972, S. 117 [B. Suin de Boutemard]; vgl. EBD., S. 112 [K. Scholder]). 454 „Die Gliedkirchen sind Träger aller Aufgaben. Sie delegieren. . . . Überspitzt gesagt, liest sich schon der Anfang von EGO II – im ersten Anfang jedenfalls – weniger wie ein Entwurf einer Grundordnung der EKD, sondern wie eine Apotheose der Gliedkirchen“ (BERLIN-SPANDAU 1972, S. 106 [H.-G. Jung]). 455 Vgl. oben S. 102 f. 456 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 104 f. (L. Metzger). 457 EBD., S. 102 (L. Metzger), 106 f. (H.-G. Jung).

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nen, da die in EGO II lapidar vermerkte Abendmahlsgemeinschaft ohnehin nur festhalte, was schon längst bestehe.458 Noch einen Schritt weiter ging der Tübinger Professor für Neuere Kirchengeschichte und Kirchenordnung, Klaus Scholder, der – wie bereits auf der Zusammenkunft des Struktur- und Verfassungsausschusses und in seinem FAZ-Artikel459 – EGO II sogar im Vergleich zur bestehenden Grundordnung als rückschrittlich wertete, da wesentliche Aussagen des dortigen Artikels 1, Absatz 2, der von einer „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ und von der EKD als einer „bekennenden Kirche“ gesprochen hatte, in EGO II ersatzlos gestrichen worden seien.460 Scholder stellte EGO II deshalb auf eine Stufe mit der Verfassung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes von 1922461 und schloss seinen Redebeitrag mit der Feststellung, dass die EKD „mit EGO II auf der ganzen Linie auf dem Rückmarsch in die kirchlichen Verfassungsprinzipien der zwanziger Jahre“ sei.462 Die Synode hätte deshalb zu entscheiden, ob sie diesen mit EGO II eingeschlagenen Weg gehen oder zu dem mit EGO I begonnenen Weg zurückkehren wolle.463 Freilich verstand ein Großteil der Reformbefürworter die Synodaltagung angesichts der landeskirchlichen Voten weniger als Stunde der Entscheidung zwischen Fortschritt und Rückschritt, sondern vor allem als Stunde der Ernüchterung. Es stellte sich ihnen die resignierte Frage, ob es überhaupt noch lohne, sich mit dem Reformwerk weiter zu befassen, wenn dabei nicht mehr herauskomme als ein solcher EGO II. Diese Stimmung der Resignation brachte der Synodale Simon mit den Worten zum Ausdruck: „Wer diese Synode mit Sensibilität erlebt, möchte fast sagen, das ist die Synode der Tristesse, der Entmutigung.“464

Insgesamt vermochten allerdings nicht nur die Vertreter der lutherischen Landeskirchen, die in EGO II ihre Anliegen vielfach aufgenommen sahen,465 sondern auch die Vertreter des synodalen Mittelfeldes weder einer resignativen Einschätzung noch der dezidiert vorgetragenen Kritik an EGO II zu folgen und warnten dementsprechend davor, das Reformwerk durch vorschnelle Resignation, unangemessene Dramatisierung oder ungerechtfertigte Schuldzuweisungen zu belasten oder zu blockieren. Schließlich enthalte der vorgelegte Entwurf mit der Festschreibung der Abendmahlsgemeinschaft durchaus Verbesserungen gegenüber GO 48466 458 EBD., S. 131 (H. Simon). 459 Vgl. oben S. 103 f. mit Anm. 426. 460 EBD., S. 111 (K. Scholder). 461 EBD. Gegen diese Parallelisierung legten wiederum W. Danielsmeyer (EBD., S. 121) und J. Frank (EBD., S. 142) energischen Widerspruch ein. 462 EBD., S. 113. 463 EBD. 464 EBD., S. 131. 465 In diesem Sinne stellte die kurz nach der EKD-Synode tagende Lutherische Generalsynode fest, „daß EGO II erhebliche Verbesserungen gegenüber EGO I“ aufweise (Entschließung der Generalsynode der VELKD zur Neuordnung der EKD, 26.10.1972 [LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 678 f.]).

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und könne, sofern die Alternativen in EGO I ernst gemeint waren, auch nicht lediglich deshalb als Rückschritt bezeichnet werden, weil diese Alternativen nun entschieden seien.467 Es wurde dem Eindruck ausdrücklich widersprochen, als „ob wir eigentlich am Ende unserer Arbeit wären und resigniert davontreten müßten“.468 Auch Raiser wandte sich, obwohl sein Bericht ebenfalls nicht sehr ermutigend ausgefallen war, in seinem Schlusswort gegen die in der Synodalaussprache zum Ausdruck gekommenen resignativen Tendenzen, wobei er vor allem auf die Konsequenzen eines Abbruchs der Reform hinwies. Denn der „negative Effekt eines solchen Scheiterns“ wäre „unendlich viel größer, nämlich eine allgemeine Entmutigung nicht nur bei denen, die daran mitgearbeitet haben, sondern draußen bei denen, die von dieser Reform etwas erwarten“. Allerdings erwartete vom konkreten Ergebnis der Reform wohl auch er nur noch wenig und formulierte dementsprechend als Hoffnung für die weitere Arbeit der Synode lediglich, dass es ihr gelingen möge, die Spannung des Artikels 1 der bestehenden Grundordnung (die EKD als „Bund bekenntnisbestimmter Kirchen“ einerseits und als Zeichen der „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ andererseits) „sowohl in den theologischen wie in den rechtlichen Grundbestimmungen . . . wenigstens anzudeuten“.469 Die Sacharbeit der Synode zum Thema, die den gesamten dritten Verhandlungstag in Anspruch nahm, erfolgte in vier Arbeitsgruppen (SV 1–4), deren Einteilung den Schwerpunktfragen der Verfassungsreform folgte.470 Dabei oblag es dem Ausschuss SV 1 („Grundlagen und Grundbestimmungen“) die Frage der Grundtendenz einer neuen Grundordnung zu diskutieren und dabei den bereits mehrfach beschworenen Weg zwischen dem „Wünschbaren“ und dem „Machbaren“ zu finden. Als Ergebnis dieser Überlegungen legte er der Synode einen einmütig gefassten Formulierungsvorschlag für die Präambel sowie einige, jeweils mit unterschiedlichen Mehrheiten471 verabschiedete Richtlinien zur Gestaltung der Artikel 1 bis 9 vor.472 Hinsichtlich der Präambel orientierte sich dieser Vorschlag wieder stärker an EGO I,473 was inhaltlich vor allem daran deutlich wurde, dass 466 BERLIN-SPANDAU, S. 113 (A. v. Campenhausen). 467 EBD., S. 121 f. (W. Danielsmeyer), 135 (R. Weeber). 468 EBD., S. 122 (W. Danielsmeyer). 469 EBD., S. 147. 470 SV 1: „Grundlagen und Grundbestimmungen“, SV 2: „Gemeinschaftsaufgaben, kirchliche Werke, Diakonie, Mission“, SV 3: „Instrumentarium und Organverfassung“, SV 4: „Finanzverfassung“ (EBD., S. 90, 386 f.). 471 EBD., S. 160. 472 Empfehlung des Struktur- und Verfassungsausschusses 1 (SV 1) (Grundlagen und Grundbestimmungen), 4.10.1972 (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52).

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dessen umstrittener Artikel 4 zum Auftrag der EKD in abgewandelter Formulierung nunmehr als Absatz 4 Eingang in die Präambel fand. Auf diese Weise entfiel zwar der Hinweis auf den ökumenischen Kontext des auch von der EKD zu erfüllenden Auftrags,474 dafür wurde der „Dienst der Kirche in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt“ als Teil dieses Auftrags wieder besonders hervorgehoben. Darüber hinaus wurde in Absatz 1 wie in Artikel 1 EGO I wieder ausdrücklich betont, dass das Evangelium „allein“ in der Heiligen Schrift gegeben sei. Bei den Grundbestimmungen versuchte der Ausschuss mehrheitlich, indem er die Qualität der in der EKD bestehenden Gemeinschaft näher zu erfassen und zu beschreiben suchte, einen Kompromiss zwischen EGO II und der Intention von EGO I zu finden. Dabei entschied er sich dafür, in Artikel 1 nicht nur das Verhältnis der Gliedkirchen untereinander, sondern auch die Gemeinschaft in der EKD als „Kirchengemeinschaft“ zu beschreiben. Diese in der EKD vorhandene „Kirchengemeinschaft“ verstand er als eine „Gemeinschaft von ‚Gliedkirchen, Kirchengemeinden und Kirchenmitgliedern‘“, die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließe.475 Nach dieser grundsätzlichen Beschreibung der in der EKD vorhandenen „Kirchengemeinschaft“ folgten entsprechend EGO II Aussagen zu den Grundlagen dieser „Kirchengemeinschaft“ (Art. 2)476 sowie zur Verwirklichung der „Kirchengemeinschaft“ (Art. 3). Der mit Artikel 1 zum Ausdruck gebrachten Intention entsprach es weiterhin, dass in Artikel 7 zwar nicht von einer „Mitgliedschaft“ der Kirchenglieder in der EKD (Artikel 7, zweite Fassung, EGO I), aber doch im Gegensatz zu EGO II und dem Votum der mitgliedschaftsrechtlichen Kommission davon gesprochen wurde, dass die Kirchenmitglieder „durch ihre Mitgliedschaft zur Kirchengemeinde und Gliedkirche des Wohnsitzes“ der EKD „angehören“.477 473 Für das in Absatz 3 angesprochene Verhältnis von Evangelium und Bekenntnis enthielt der Vorschlag allerdings lediglich eine Bedarfsanzeige und umging damit das Problem, wie dieses Verhältnis konkret zu beschreiben sei. Der Berichterstatter erläuterte – womit er die Problematik einer solchen Aussage andeutete –, dass der Bezeugung des Evangeliums in den Bekenntnissen die ständige Prüfung der Bekenntnisse am Evangelium korrespondieren müsse. Erst „beides zusammengenommen“ ergebe „die für die EKD grundlegende Aufgabe theologischer Arbeit“ (BERLIN-SPANDAU 1972, S. 159). 474 EGO II hatte im dritten Absatz der Präambel formuliert: „Mit der ganzen Christenheit hat die Evangelische Kirche in Deutschland den Auftrag, das Evangelium von Jesus Christus in der Welt zu bezeugen“ (EBD., S. 335). 475 Empfehlung (vgl. Anm. 472), S. 1. – In EGO II war von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erst in Art. 3 gesprochen worden. 476 Dabei wurde im Blick auf den Leuenberger Fundamentalkonsens die „Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums“ (EGO II) als „Übereinstimmung im Verständnis der entscheidenden Aussagen des Evangeliums“ präzisiert und in diesem Zusammenhang ein direkter Hinweis auf die Leuenberger Konkordie empfohlen (EBD., S. 2). 477 EBD.

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Die Diskussion dieser Kompromissversuche war – wie nicht anders zu erwarten – sowohl im Ausschuss selbst als auch in der Synode kontrovers, wobei zu den unterschiedlichen Vorstellungen über die Qualität der in der EKD vorhandenen oder zu erreichenden Gemeinschaft gegensätzliche Akzentuierungen der zentralen Begriffe „Kirche“ und „Kirchengemeinschaft“ hinzutraten und eine Klärung dieser Begriffe und ihres Verhältnisses zueinander nahezu unmöglich machten. Während die einen – vor allem die Befürworter einer weiter gehenden Reform – beide Begriffe vor allem in grundsätzlich-theologischer Hinsicht verstanden, betonte die Gegenseite insbesondere die institutionell-organisatorischen Aspekte. Unter grundsätzlich-theologischem Blickwinkel konnte unter Hinweis auf die notae ecclesiae nach CA VII gefolgert werden, dass „Kirchengemeinschaft“ „nicht weniger“ sei „als ‚Kirche‘, sondern Kirche unter den Bedingungen einer dynamischen pluralen und spannungsreichen Welt“.478 Unter institutionellorganisatorischem Aspekt hingegen erschien „Kirchengemeinschaft“ als eine Gemeinschaftsform von Kirchen, die ein wenig – nämlich in der Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft – über einen Kirchenbund hinausgehe, sich jedoch entscheidend von der Gemeinschaft in einer Kirche unterscheide, die Übereinstimmung in Lehre und Bekenntnis sowie organisatorische Verknüpfungen erfordere.479 Aus diesem Blickwinkel konnte „Kirchengemeinschaft“ bestenfalls „als eine Gemeinschaft auf dem Wege zur Kirche im Vollsinn des Wortes verstanden werden“,480 sodass eine Mitgliedschaft im Sinne des vorgeschlagenen Artikels 7 ausscheide. Vor allem diese unterschiedliche Akzentuierung der Kernbegriffe führte im Ausschuss und noch deutlicher in der Synode zu einem tief greifenden Dissens, von dem der Berichterstatter der Arbeitsgruppe SV 1 sagte, er sei „mit Argumenten kaum auszudrücken“.481 Angesichts dessen schien die Empfehlung des Ausschusses mit ihrer Verwendung des Begriffes „Kirchengemeinschaft“ in Anlehnung an die Leuenberger Konkordie bereits das Äußerste dessen zu sein, was machbar war. Entsprechend begrüßte es Bischof Wölber erneut, „daß uns ausgerechnet in dieser Phase ein geradezu kirchengeschichtliches Ereignis begegnet ist, nämlich diese Leuenberger Konkordie, die den Versuch macht, das qualifizierte, ekklesiale, kirchliche Miteinander zu formulieren, ohne daß die Bekenntnisbestimmtheit der Glieder, das heißt ihr Kirchesein, aufgehoben wird“. Gleichzeitig warnte er jedoch davor, „Leuenberg so zu interpretieren, als ginge es bereits in dem Miteinander der Konfessionen dann doch um die eine Kirche“.482 478 479 480 481 482

BERLIN-SPANDAU 1972, S. 160 f. (Referat H.-G. Jung), vgl. S. 174 (W. Kreck). Vgl. EBD., S. 168 (W. Vocke). EBD., S. 161 (Referat H.-G. Jung). EBD., S. 163 (H.-G. Jung). EBD., S. 169 f.

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Freilich ließ anderen der offenkundige „Dissens über die Auslegung von ‚Kirchengemeinschaft‘“ den von Wölber gepriesenen Konkordienentwurf noch immer nicht als sichere Bastion erscheinen, sondern sogar als mögliche Belastung auf dem Wege zu einem „Verständnis der EKD als ‚Kirche‘“. Deshalb unterbreiteten sie den Vorschlag, „auf die Verwendung des Ausdrucks zu verzichten und statt dessen den in der EKD vorliegenden Sachverhalt unmißverständlich zu beschreiben“.483 Während dieser Vorschlag im Ausschuss abgelehnt worden war, erfuhr er in abgewandelter Form in der Synode durchaus Zustimmung.484 Überraschenderweise ließ Präses Raiser dann aber nicht über die Verwendung des Begriffes „Kirchengemeinschaft“ abstimmen, sondern über den vermeintlichen „Akzentunterschied“, ob die EKD (Vorschlag Scholder) oder die Gliedkirchen (Vorschlag SV 1) in der Formulierung von Artikel 1 Subjekt sein sollten, wobei sich eine klare Mehrheit für die EKD als Subjekt aussprach485 und damit zum Ausdruck brachte, „daß die vierte EKD-Synode auch 1972 mehrheitlich nicht gewillt war, das 1970 gesteckte Ziel einer ekklesiologischen Neubestimmung der EKD fallenzulassen“.486 Ansonsten wurden die Empfehlungen des Ausschusses SV 1 zusammen mit dem Ergebnis der Aussprache ohne weitere Abstimmung dem Struktur- und Verfassungsausschuss zur weiteren Arbeit überwiesen.487 Die Arbeit in den anderen drei Ausschüssen verlief demgegenüber weit weniger kontrovers und führte zum Teil sogar zu einer positiven Bewertung des vorgelegten Grundordnungsentwurfes. So bestätigte der Ausschuss SV 4 („Finanzen“) „trotz ablehnender Stellungnahmen zweier Gliedkirchen . . . und einer besorgten persönlichen bayerischen Stimme“ das von EGO I und EGO II vorgesehene Anteilsprinzip und schloss mit dem Fazit, dass sich in der Aus-

483 EBD., S. 161 (Referat H.-G. Jung). 484 Vorschlag K. Scholder: „Die Evangelische Kirche in Deutschland umfaßt lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen). Unter den Gliedkirchen besteht Kirchengemeinschaft. Die Kirchengemeinschaft schließt Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ein“ (SV 1: Vorschlag Professor Scholder für Artikel 1 [EGO], 4.10.1972 [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52]; vgl. BERLIN-SPANDAU 1972, S. 167 [K. Scholder], 182 [W. Danielsmeyer]). 485 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 184, 186. 486 M. AHME, Reformversuch, S. 103. – Dass es bei dieser Abstimmung nicht um einen „Akzentunterschied“, sondern um eine entscheidende Sachfrage gegangen war, zeigte auch der nachfolgende Protest des Leitenden Bischofs der VELKD, Wölber. Dieser warf Raiser, der diese Abstimmung von sich aus und ohne vorherige Aussprache zu diesem Punkt vorgenommen hatte, indirekt eine parteiliche Amtsführung vor, was von der Synode freilich zurückgewiesen wurde (BERLIN-SPANDAU 1972, S. 188 f.). Wie sehr wiederum Raiser an dieser Entscheidung gelegen war, wird aus seinem Bericht vor der nachfolgenden Synode in Bremen deutlich, in dem er noch einmal ausdrücklich auf diesen Beschluss hinwies (BREMEN 1973, S. 95), auch wenn dessen Umsetzung kaum in seinem Sinne gewesen sein dürfte (vgl. unten S. 119). 487 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 192.

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schussarbeit „das Sprichwort, daß beim Geld die Gemütlichkeit aufhört“, nicht bewahrheitet habe.488 Vor allem kam jedoch der Ausschuss SV 3, der sich mit den Bereichen „Instrumentarium und Organverfassung“ befasste, zu dem Ergebnis, dass EGO II in diesen Bereichen „besser“ sei „als sein Ruf“.489 Er hielt dabei ausdrücklich fest, dass der gegenüber EGO II erhobene Vorwurf, die dortige Beschreibung der Gemeinschaftsaufgaben sei eine Abkehr von den Intentionen der Stuttgarter Entschließung, bei genauerem Hinsehen nicht zutreffe. Auch die kritisierte starke Position der Kirchenkonferenz hielt er – wie bereits vor ihm die Kirchenkonferenz selbst490 – für angemessen, befürwortete allerdings eine Berichtstätigkeit der Kirchenkonferenz gegenüber der Synode und stellte klar, dass die Kirchenkonferenz ausschließlich ein Organ mit Innenwirkung sei, das nach außen nur über den Rat und die Amtsstellen wirksam werden könne.491 Zum Teil unbefriedigend waren die Ergebnisse des Ausschusses SV 2, der unter anderem die Frage nach dem Verhältnis der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zur EKD (Art. 10a [2] EGO II) zu klären versuchte. Dabei bestand Übereinstimmung darüber, dass VELKD und EKU weder den Landeskirchen vergleichbare Gliedkirchen der EKD werden sollten noch beziehungslos neben der EKD stehen bleiben dürften. Eine Lösung dieses Problems bot der Ausschuss selbst allerdings nicht an, sondern schlug dazu ein Gespräch zwischen dem Rat der EKD und den zuständigen Gremien von VELKD und EKU vor.492 Auch hinsichtlich des umstrittenen Artikels 10c EGO II sah sich der Ausschuss weder in der Lage, dessen als wenig gelungen empfundene sprachliche Gestalt zu korrigieren noch zum Problem eines Vetorechts der Gliedkirchen wegen verletzter „Verfassungsgrundsätze“ einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, und verwies deshalb lediglich auf den Struktur- und Verfassungsausschuss, der sich auch mit diesem Problem noch einmal befassen müsse.493 Die daraufhin in der Synode geführte Diskussion tendierte zum einen dahin, zu der sprachlich klareren Formulierung von EGO I zurückzukehren und zum anderen zwischen Bekenntnisvorbehalt und Vorbehalt in Grundsatzfragen der Verfassung zu differenzieren. Letzterer sollte EKD-Recht nicht von vornherein einschränken, sondern erst einmal auf dem Wege der Verwaltungsgerichtsbarkeit geklärt werden.494

488 EBD., S. 265. 489 EBD., S. 253 f. 490 Vgl. Änderungsvorschläge des Arbeitsausschusses der Kirchenkonferenz zum Rohentwurf der Grundordnung der EKD (Anlage zum Beschluss der Kirchenkonferenz zum Rohentwurf der Grundordnung der EKD), 9.6.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 690), S. 11. 491 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 256–258. – Dieser Versuch einer Klarstellung des Verhältnisses zwischen Rat, Kirchenkonferenz und Synode reichte einigen Synodalen nicht. Sie gaben eine von 42 Synodalen (einem Drittel der Synodalen, unter ihnen auch Mitglieder des Struktur- und Verfassungsausschusses) unterzeichnete Erklärung zu Protokoll, die vor allem das Ungleichgewicht im Planungs- und Gesetzgebungsverfahren zwischen Synode und Kirchenkonferenz kritisierte (EBD., S. 259 f., 354 f.). 492 BERLIN-SPANDAU 1972, S. 194. 493 EBD., S. 195. 494 EBD., S. 201.

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Als Beschluss der Synode zur Struktur- und Verfassungsreform hatte das Präsidium ein Papier zum Verfahren vorbereitet, das von der Synode im Großen und Ganzen akzeptiert wurde.495 Absatz 1 dankte den Gliedkirchen für ihre intensiven Stellungnahmen und konstatierte,496 „daß alle Gliedkirchen eine Struktur- und Verfassungsreform bejahen, die eine engere Gemeinschaft in der EKD anstrebt“. Abschnitt 2 umriss die auf der Synodaltagung geleistete Arbeit. Abschnitt 3 beauftragte den Struktur- und Verfassungsausschuss, „der Synode auf ihrer Tagung im Januar 1973 einen zweiten Entwurf für eine neue Grundordnung der EKD vorzulegen“. Der Beschluss endete in Absatz 4 mit der Willenserklärung der Synode, „die Arbeit für eine neue Grundordnung der EKD auf ihrer letzten Tagung im Januar 1973 soweit abzuschließen, daß die neue Grundordnung in der Form eines Gesetzentwurfs vorliegt und nach Gelegenheit zur Stellungnahme durch die Gliedkirchen von der neuen Synode verabschiedet werden kann“. 3.2.6. EGO III und die Synode der EKD 1973 in Bremen Obwohl der Erfolg der Spandauer Synode von kirchenleitender Seite immer wieder hervorgehoben worden war, waren die vom Struktur- und Verfassungsausschuss erhofften klaren Direktiven für die Weiterarbeit gerade in den Grundsatzfragen ausgeblieben. Vielmehr sah sich der Ausschuss angesichts der kontroversen Diskussion sowie der knappen Mehrheiten, mit denen die Entscheidungen in den Synodalausschüssen zum Teil gefallen waren, in wichtigen Fragen auch weiterhin auf sich gestellt und zu eigenen Lösungen und Entscheidungen herausgefordert.497 Diesen Freiraum nutzte er allerdings weniger im Interesse des „Wünschbaren“ – das hieß: zugunsten eines Neuentwurfs, der der geäußerten Kritik an EGO II Rechnung getragen hätte –, als vielmehr im Interesse des Machbaren – das hieß: zugunsten eines auch für die Reformkritiker annehmbaren Vorschlags. Dementsprechend wurde in der von ihm erarbeiteten Neufassung einerseits die EKD als Arbeitsgemeinschaft zwar weiter gestärkt, dabei jedoch andererseits in Fortsetzung der Intention von EGO II jeder Eindruck vermieden, die EKD könnte mehr sein als lediglich eine gut organisierte Arbeitsgemeinschaft von Landeskirchen.498 495 EBD., S. 364. 496 Die vom Präsidium vorgeschlagene Fassung, nach der die Synode diese Feststellung „mit Befriedigung“ getroffen habe, wurde als der tatsächlichen Situation unangemessen gestrichen (EBD., S. 268, 272). 497 Vgl. Raisers Bericht vor der Synode in Bremen (BREMEN 1973, S. 94). 498 Anders Lingner in seiner „einleitenden Problemskizze über EGO IV“ für den von der 5. EKD-Synode neu berufenen Verfassungsausschuss (O. Lingner: Vermerk, 15.7.1973 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 317], S. 1).

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Der Struktur- und Verfassungsausschuss setzte seine Arbeit am Grundordnungsentwurf unmittelbar im Anschluss an die Spandauer Synodaltagung fort.499 Analog zu den dort gebildeten Arbeitsgruppen (SV 1–4) erfolgte diese Weiterarbeit in vier Unterausschüssen (UA 1–4), die den Auftrag erhielten, „anhand der Berichte der synodalen Arbeitsausschüsse EGO II zu beraten und Änderungsvorschläge für die einzelnen Artikel zu erarbeiten“.500 Aufgrund dieser Vorschläge erstellte ein erneut berufener Formulierungsausschuss im Laufe zweier Arbeitssitzungen einen neuerlichen Grundordnungsentwurf,501 der am 29. November vom Plenum des Struktur- und Verfassungsausschusses verabschiedet wurde.502 Dieser „EGO III“503 wurde noch im Dezember zusammen mit einer von Lingner verfassten Erläuterung an die Mitglieder der EKD-Synode versandt. Im Interesse der Vergleichbarkeit blieb auch diese Neufassung, obwohl sie gegenüber EGO II kaum tief greifende Veränderungen oder Textumstellungen bot, bei dessen provisorischer Artikelzählung,504 wodurch von vornherein klar war, dass es sich bei diesem EGO III, auch wenn er die Billigung der Synode finden sollte, noch nicht um die Endfassung, sondern um einen zumindest noch redaktionell zu überarbeitenden Entwurf handelte.

Die Präambel des EGO III, die nach Auffassung des Struktur- und Verfassungsausschusses nunmehr „Grundartikel“ heißen sollte, folgte im Wesentlichen – freilich mit einigen bezeichnenden Variationen – den Empfehlungen des betreffenden Synodalausschusses (SV 1). Entsprechend seinem Votum erhielt der erste Absatz dieses „Grundartikels“, der die EKD auf das Fundament des Evangeliums von Jesus Christus stellte, wieder ein reformatorisches „allein“, jedoch an einer anderen Stelle, als es der Synodalausschuss vorgeschlagen hatte. Es bezog sich nun nicht mehr auf die Heilige Schrift als die alleinige Offenbarungsquelle für das Evangelium, sondern auf das Evangelium als alleinige Grundlage der EKD, womit das reformatorische „sola scriptura“ einschließlich der Einsicht, dass eben auch die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu überprüfen seien, aus dem Grundartikel des EGO III entfernt wurde.505 499 Vermerk über die Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 5./6.10.1972 in Berlin-Spandau (im Anschluss an die Synodal-Tagung), undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52). 500 EBD., S. 2. 501 O. Lingner: Niederschrift über die Sitzung des Entwurfs-Ausschusses des Struktur- und Verfassungsausschusses am 10./11.11.1972 in Bonn, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85), S. 2. 502 O. Lingner: Vermerk über die Sitzung des Entwurfsausschusses am 29.11.1972 in Frankfurt, undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85). 503 So die offizielle Bezeichnung, obwohl es einen „EGO II“ nominell nicht gegeben hatte (vgl. O. Lingner: Niederschrift [vgl. Anm. 501], S. 2; EGO III ist abgedruckt in: BREMEN 1973, S. 251–275 – siehe unten Dok. 5). 504 Siehe oben S. 105, Anm. 436. 505 „Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist allein das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist“

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Während Absatz 2 die Fassung von EGO II beibehielt, griff Absatz 3 dieses Grundartikels auf die ersten beiden Sätze des dritten Artikels von EGO I zurück und entsprach damit wiederum nicht der in Berlin-Spandau an EGO II geäußerten Kritik. Denn auf diese Weise wurden die reformatorischen Bekenntnisse nicht in ihrer Funktion als auf das Evangelium verweisende Zeugnisse (so noch SV 1) zur Sprache gebracht, sondern im Interesse der bekenntnisbestimmten Gliedkirchen lediglich als Verpflichtung für die EKD.506 Diesem Stellenwert der Bekenntnisse in EGO III entsprach es, dass der Struktur- und Verfassungsausschuss der Empfehlung von SV 1 und dem Wunsche einiger Landeskirchen,507 bereits in der Präambel auf die notwendige Prüfung der Bekenntnisse an der Heiligen Schrift (Art. 2 [2] EGO II) hinzuweisen,508 analog zur Entfernung des sola scriptura in Absatz 1 nicht folgte.509 Absatz 4 schloss sich im Wesentlichen dem Votum von SV 1 an und sprach nun wieder vom Dienst der EKD „in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt“ (Art. 4 EGO I), ordnete diesen Dienst jedoch, um eine vielfach befürchtete Engführung des Auftrags der EKD zu vermeiden, ein in den „Dienst der Kirche an allen Menschen und Gruppen“.510 Im Vergleich zu EGO II entfiel damit der Bezug auf die ökumenische Gemeinschaft, in die dort die Wahrnehmung des kirchlichen Auftrags durch die EKD eingeordnet worden war. Bei der Formulierung des Artikels 1 für EGO III lag sowohl die Direktive des Synodalausschusses vor, „Kirchengemeinschaft . . . als eine Gemeinschaft von . . . Gliedkirchen, Kirchengemeinden und Kirchenmitgliedern“ zu beschreiben, als auch der von Raiser herbeigeführte Synodalbeschluss, (BREMEN 1973, S. 154). Von lutherischer Seite wurde das „allein“ an dieser Stelle allerdings als Relativierung der Zusammengehörigkeit von „Gesetz“ und „Evangelium“ kritisiert (Bericht des Sonderausschusses für Fragen der EKD-Reform der 18. Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers zu dem Entwurf einer Grundordnung der EKD [EGO IV], undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 335], S. 1) und dementsprechend in EGO V völlig gestrichen (O. Lingner: Niederschrift über die 1. Sitzung des Formulierungsausschusses des Verfassungsausschusses der 5. Synode der EKD am 5./6.3.1974 in Herrenberg, undatiert [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 53], S. 1). 506 EBD., S. 255. Damit erschienen die Gliedkirchen – was an EGO II kritisiert und von SV 1 vermieden worden war – wiederum bereits in der Präambel. 507 Vgl. oben S. 90. 508 Vgl. oben S. 112, Anm. 473. 509 In Artikel 3 EGO I war diese Aussage unmittelbar auf die beiden übernommenen Sätze gefolgt und hatte auf diese Weise deren Aussage interpretiert. 510 „Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus. Der Dienst der Kirche an allen Menschen und Gruppen, auch ihr Dienst in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt, ist an diesen Auftrag gebunden“ (BERLIN-SPANDAU 1972, S. 255; vgl. Vermerk über die Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 5./6.10.1972 in Berlin-Spandau [im Anschluss an die Synodal-Tagung], undatiert [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52], S. 3).

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die EKD und nicht die Gliedkirchen als Subjekt dieses ersten Artikels zu nennen. Mit beiden Vorgaben war die Intention verbunden, „Kirchengemeinschaft“ nicht nur als Verhältnisbestimmung der in der EKD zusammengeschlossenen Gliedkirchen, sondern auch als Merkmal der EKD selbst auszusagen.511 Dieser Intention folgte der Struktur- und Verfassungsausschuss, indem er sich nicht nur in der Frage des Satzsubjekts, sondern auch in der Formulierung an den von Raiser gerade nicht im Wortlaut zur Abstimmung gestellten Vorschlag Scholders hielt, nicht. Zwar erschien die EKD als Subjekt des ersten Satzes, erfuhr damit jedoch keinerlei besondere Qualifizierung, vielmehr wurde darin lediglich ausgesagt, dass sie „lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen) mit ihren Kirchengemeinden und Kirchenmitgliedern“ umfasse. Erst der zweite Satz sprach von der Kirchengemeinschaft und bezog diese nicht auf die EKD, sondern ausschließlich auf das Verhältnis „zwischen den Gliedkirchen“. Auch die entsprechend dem Votum von SV 1 direkt angeschlossene Erläuterung (in EGO II erst in Art. 3 [1]), dass es sich um eine Kirchengemeinschaft handele, „die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließt“,512 beschrieb damit primär das Verhältnis zwischen den Gliedkirchen und nicht ein Merkmal der EKD. Die Diskussion innerhalb des Ausschusses zu Artikel 2, Absatz 1, der die Grundlagen der nach Artikel 1 zwischen den Gliedkirchen bestehenden Kirchengemeinschaft beschrieb, führte analog zu Vorschlägen der Lutherischen Generalsynode513 zu zwei Varianten, die je nach Stand des Zustimmungsverfahrens zur Leuenberger Konkordie die mehrheitlich geforderte engere Bezugnahme auf die Konkordie umzusetzen versuchten. Sofern die Gliedkirchen der EKD bis dahin der Endfassung der Konkordie bereits zugestimmt hätten, sollte das Kirchengemeinschaft begründende gemeinsame Verständnis des Evangeliums durch den Zusatz konkretisiert werden: „wie es in der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie) beschrieben wird“.514 Sollte diese Zustimmung hingegen noch nicht erfolgt sein, was die wahrscheinlichere Variante war, wurde ein erläuternder Hinweis auf die in Leuenberg geführten Lehrgespräche vorgesehen („wie es in den Lehrgesprächen reformatorischer Kirchen in Europa seinen Ausdruck gefunden hat“)515 und darüber hinaus eine „gemeinsame theologische Erklärung der Gliedkirchen“ empfohlen, „die die we511 Vgl. dazu oben S. 114. 512 BREMEN 1973, S. 255; vgl. Vermerk (vgl. Anm. 510), S. 3. 513 LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1972, S. 406 f. 514 BREMEN 1973, S. 255; vgl. O. Lingner: Anlage zum Protokoll des Entwurfs-Ausschusses 10./11.11.1972: Vorlage des Entwurfs-Ausschusses für den Struktur- und Verfassungsausschuss, Entwurf einer Grundordnung für die EKD (EGO III), undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 85), S. 4. 515 BREMEN 1973, S. 255; vgl. O. Lingner: Anlage zum Protokoll (vgl. Anm. 514), S. 4.

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sentlichen Elemente der zwischen ihnen bestehenden Kirchengemeinschaft darlegen sollte“.516 Die von SV 1 weiterhin vorgeschlagene und auch innerhalb des Struktur- und Verfassungsausschusses zeitweise befürwortete Eingrenzung des gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums auf seine „entscheidenden Aussagen“ fand im Ausschuss letztlich keine Zustimmung. An direkten Folgerungen aus dem gemeinsamen Verständnis des Evangeliums wurde – wie bereits in EGO II – lediglich die Konsequenz gezogen, dass „die in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen . . . nicht den gegenwärtigen Stand der Lehre der Gliedkirchen“ betreffen. Hingegen wurde die im Konkordienentwurf gleichfalls formulierte Folgerung, dass „vorhandene Unterschiede in kirchlicher Lehre, Ordnung und Lebensform keine kirchentrennende Bedeutung“ haben, in Art. 2 (1) EGO III nicht übernommen. Absatz 2 und 3 dieses zweiten Artikels blieben entsprechend dem Votum von SV 1 gegenüber EGO II unverändert. Obwohl EGO III im Unterschied zu SV 1 bereits im Grundartikel auf die verpflichtende Bindung der EKD an die „in ihren Gliedkirchen geltenden reformatorischen Bekenntnisse“ hingewiesen hatte, übernahm er damit in Absatz 2 auch die nochmalige Aussage, dass die EKD die Bekenntnisgrundlagen der Gliedkirchen achte. Hingegen wurde der Anregung des EKD-Ausschusses der VELKD, den letzten Satz von Artikel 2 (2) EGO II, dass die „Bekenntnisse . . . immer wieder neu an der Heiligen Schrift zu prüfen“ seien, auch an dieser Stelle und damit generell wegzulassen, ausdrücklich nicht gefolgt.517 Auch in Artikel 3, der vom Synodalausschuss ebenfalls im Großen und Ganzen nicht verändert worden war, blieb die Fassung von EGO II erhalten. Lediglich die Erwähnung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, die bereits in Artikel 1 genannt worden war, entfiel in EGO III an dieser Stelle. Mit dieser Beibehaltung von EGO II wurde auch die Kurzfassung des Absatzes zur „besonderen Gemeinschaft“ (Art. 3 [3]) einschließlich des Gebrauchs von „bejahen“ statt „bekennen“, da der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR dagegen keine Einwände erhoben hatte, übernommen. Auf der Zusammenkunft der Beratergruppe am 20. Dezember 1972 hatte Lingner in seiner Vorschau auf die bevorstehende EKD-Synode in Bremen den neuen Grundordnungsentwurf kurz vorgestellt und dabei vermutlich auch auf den Artikel zur „besonderen Gemeinschaft“ hingewiesen.518 Dieser war daraufhin Gegenstand der Beratung innerhalb des Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, der am nächsten Tag zu seiner 516 BREMEN 1973, S. 95 (L. Raiser). 517 O. Lingner: Anlage zum Protokoll (vgl. Anm. 514), S. 5. 518 H. J. Behm: Vermerk betr. Sitzung der Berlin-Gruppe am 20.12.1972, 21.12.1972 (EZA BERLIN, 101, Nr. 358).

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regulären Sitzung zusammentrat. In seiner Stellungnahme hielt der Vorstand fest: „Der Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland bietet in Artikel 3,3 eine ähnliche Formulierung wie die Ordnung des Bundes in Artikel 4,4. Gegen diese Formulierung bestehen keine Einwände.“519 Die gegenüber Artikel 4 (4) seiner eigenen Ordnung zurückhaltendere Fassung kam ihm sogar insofern entgegen, als dadurch die Gefahr kirchenpolitischer Komplikationen vermindert wurde. Damit stand die Fassung von Artikel 3 (3) fest, die weder in den gliedkirchlichen Stellungnahmen zu EGO IV angefragt noch in EGO V oder GO 74 noch einmal geändert wurde. Lediglich die rheinische Kirche verwies in ihrem Votum zu EGO IV darauf, dass der „Ausdruck ‚ganze evangelische Christenheit in Deutschland‘ in 3.3 . . . doppeldeutig“ sei, da er sich „sowohl auf die evangelischen Kirchen in der DDR als auch auf die Freikirchen beziehen“ lasse. Beide Interpretationsmöglichkeiten hielt die rheinische Synode für angemessen und „für Hinweise auf offene Fragen“.520

Während Artikel 6,521 der vom Synodalausschuss wiederum nicht verändert worden war, lediglich einige inhaltlich nicht relevante Präzisierungen erfuhr, entschied sich der Struktur- und Verfassungsausschuss bei Artikel 7 (Mitgliedschaft) angesichts des synodalen Votums dazu, in den wichtigsten Aussagen (Absatz 2) endgültig zu EGO I (erste Fassung) zurückzukehren und davon zu sprechen, dass „der getaufte evangelische Christ . . . durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich der Evangelischen Kirche in Deutschland“ angehört.522 Eine vermittelte Mitgliedschaft des einzelnen Christen in der EKD (Art. 5 EGO I, zweite Fassung) wurde dabei ebenso wenig noch einmal erwogen wie der Vorschlag der mitgliedschaftsrechtlichen Kommission, der den Begriff der „Kirchengemeinschaft“ an dieser Stelle nicht im Sinne der Leuenberger Konkordie benutzt hatte.523 Während sich EGO III damit im Bereich der Grundlagen gegen alle Hinweise auf ein besonderes Selbstverständnis der EKD sperrte und auf diese Weise den Reformkritikern weithin entgegenkam, folgte er den von 519 A. Schönherr/M. Kramer: Protokoll der Sitzung des Vorstandes der KKL in Berlin am 21.12.1972, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 115). Am 17. Januar – also erst nach der Synode in Bremen – an Lingner übermittelt (Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR [H. J. Behm] an Lingner: Betr. EGO III, 17.1.1973 [EZA BERLIN, 86/78, Nr. 10]). 520 Ev. Kirche im Rheinland: Grundordnung der EKD (EGO IV), undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 335), S. 2. 521 Artikel 4 und 5 waren bereits in EGO II durch die Voranstellung einer Präambel entfallen. 522 BREMEN 1973, S. 256 f. 523 Vermerk über die Sitzung des Struktur- und Verfassungsausschusses am 5./6.10.1972 in Berlin-Spandau (im Anschluss an die Synodal-Tagung), undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 52).

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gleicher Seite erhobenen Bedenken gegenüber einer Kompetenzerweiterung und organisatorischen Stärkung der EKD bewusst nicht. Entsprechend blieb es trotz des württembergischen Einspruchs in Artikel 10c bei dem grundsätzlichen Vorrang von EKD-Recht vor gliedkirchlichem Recht, ohne dass an dieser Stelle ein Feststellungsrecht der Gliedkirchen über die Berechtigung eventueller Vorbehalte aus Bekenntnis- oder Verfassungsgründen festgeschrieben wurde. In der Formulierung griff der Ausschuss dabei auf die allgemein als klarer und präziser empfundene Fassung von EGO I (keine Verlagerung der Beweislast zuungunsten der EKD) zurück, die darüber hinaus die Gründe für ein landeskirchliches Veto in Verfassungsfragen auf die Verletzung „wesentlicher Verfassungsgrundsätze“ begrenzte. Dem Anliegen der württembergischen Kirche wurde lediglich mit einer Verfahrensregelung in Artikel 41a Rechnung getragen, die zwar die Letztentscheidung bei der jeweiligen landeskirchlichen Synode ansiedelte, zuvor jedoch ein Gutachten des Verfassungsgerichts der EKD vorsah und für die betreffende Entscheidung der Landessynode eine Zwei-Drittel-Mehrheit forderte.524 Darüber hinaus wurde in EGO III der Katalog von Gemeinschaftsaufgaben in Artikel 12 durch einen neuen Punkt a) erweitert, der auch eine „Zusammenarbeit in Fragen des Gottesdienstes, der Bibelübersetzung und Bibelverbreitung, der Seelsorge und Beratungsdienste“ vorsah. An der Organverfassung und damit an der hervorgehobenen Position der Kirchenkonferenz änderte EGO III zwar wenig, stärkte jedoch die Position der EKD-Synode, die nunmehr in bestimmten Fällen die Möglichkeit erhielt, ein Veto der Kirchenkonferenz zu überwinden (Art. 38). Im Interesse einer stärkeren Einbindung der kirchlichen Werke und Verbände wurde weiterhin eine Erhöhung der Anzahl der vom Rat zu berufenden Synodalen von 20 auf 25 vorgesehen, von denen 10 nunmehr „aus dem Bereich der kirchlichen Werke, Verbände und Einrichtungen“ kommen sollten (Art. 30; 31). Völlig neu war in EGO III ein eigener Abschnitt IV „Gliedkirchliche Vereinigungen und Zusammenschlüsse“, der vor allem das Verhältnis von VELKD und EKU zur neu geordneten EKD näher präzisierte und im Kern auf eine Verständigung zwischen Rat der EKU und Kirchenleitung der VELKD zurückging. In diesem neuen Abschnitt wurden den „gliedkirchlichen Vereinigungen“ (Art. 27) nunmehr EKU und VELKD „als gliedkirchliche Zusammenschlüsse“, die „nach Maßgabe dieser Grundordnung und besonderer Vereinbarungen an der Erfüllung von Aufgaben nach dieser Grundordnung“ teilnehmen, in einem besonderen Artikel (Art. 27a) gegenübergestellt und ihnen dabei in Teilbereichen die Rechte und Pflichten von Gliedkirchen sowie die Möglichkeit zugebilligt, „je einen Vertreter ohne Stimmrecht“ in die Kirchenkonferenz zu entsenden. Die EKD verpflichtete sich ihrerseits, vor einer „rechtlichen Regelung mit Wirkung für 524 BREMEN 1973, S. 268 f.; vgl. Vermerk (vgl. Anm. 523), S. 6.

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die Gliedkirchen auf Sachgebieten . . ., die durch Recht der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse geordnet sind“, deren Stellungnahme einzuholen.525 Dieser EGO III lag der 4. EKD-Synode auf ihrer letzten Tagung vom 3. bis 6. Januar 1973 in Bremen vor. Da allerdings von vornherein klar war, dass es sich hierbei nicht um eine fertige Beschlussvorlage, sondern lediglich um einen Vorschlag der 4. Synode an die 5. Synode handelte, fand dieser überarbeitete Entwurf nicht mehr in gleicher Weise die Aufmerksamkeit der Synodalen, wie das noch bei den vorangegangenen Entwürfen der Fall gewesen war. Heftige Kontroversen, die im Zusammenhang der politischen Ereignisse des Jahres 1972 innerhalb der EKD geführt worden waren, wirkten sich ebenfalls nachteilig auf den Gemeinschaftswillen in der EKD aus und minderten dementsprechend das Interesse an ihrer Neuordnung.526 Trotz aller Widrigkeiten, mit der der Reformprozess in den zurückliegenden drei Jahren zunehmend zu kämpfen hatte, zog Präses Raiser, der als Vorsitzender den Abschlussbericht des Struktur- und Verfassungsausschusses vor der Synode erstattete, eine positive Bilanz. Obwohl der Grundordnungsentwurf in der für eine Verfassung kurzen Erarbeitungszeit von nur zwei Jahren erstellt worden war, hielt ihn Raiser nunmehr „für genügend ausgereift . . ., um ihn zur Annahme als Grundordnung der EKD empfehlen zu können“. Denn in EGO III komme nicht nur zur Geltung, was „in den letzten 25 Jahren in der EKD an Gemeinsamkeit zugewachsen“ sei, EGO III verhindere darüber hinaus auch nicht, „was künftig an noch engerer Gemeinsamkeit wachsen“ möge.527 Entsprechend bat er die Synode, „den Entwurf noch einmal zu überprüfen, ihn dann nach Möglichkeit förmlich zu billigen und danach den Rat mit der Aufgabe zu betrauen, alle weiteren Maßnahmen zu treffen, damit der Entwurf gemäß Art. 26 Abs. 3 der geltenden Grundordnung der nächsten Synode als Gesetzesvorlage zugeleitet wird“.528 Angesichts des fortgeschrittenen Stadiums der Reformarbeiten wurden weder in der kurzen Synodalaussprache noch im Tagungsausschuss, an den der Entwurf verwiesen worden war, grundsätzliche Einwände gegen EGO III erhoben. In der Synodalaussprache wurden im Großen und Ganzen lediglich die Verfahrensregelung von Artikel 41a529 sowie die Sonderstellung von EKU und VELKD nach Artikel 27a (Scholder)530 angefragt. Der Ausschuss wiederum konzentrierte sich bewusst auf jene Artikel, zu 525 BREMEN 1973, S. 264. 526 M. AHME, Reformversuch, S. 79, weist insbesondere auf die Kontroverse über die „Ostverträge“ hin. 527 BREMEN 1973, S. 97. 528 EBD., S. 98. 529 EBD., S. 104 (S. Sellke). 530 EBD., S. 103 f.

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denen Änderungsvorschläge eingebracht worden waren,531 ohne erneut die Frage aufzuwerfen, ob und inwieweit der Entwurf den Intentionen von Stuttgart gerecht werde oder nicht. Dennoch entstand – wie der Berichterstatter des Ausschusses mitteilte – bei der Beratung der Einzelpunkte der Eindruck, „daß der nun vorgelegte Entwurf zumindest eine brauchbare Grundlage für eine Weiterarbeit und ein Weiterwachsen der Evangelischen Kirche in Deutschland sein“ könne.532 Als verheißungsvolles Zeichen für diesen Stand des Reformprozesses erschien es, dass die Entscheidungen im Ausschuss – anders als noch auf der Spandauer Synode – jeweils mit klaren Mehrheiten getroffen werden konnten.533 Hauptdiskussionspunkte im Tagungsausschuss waren im Einzelnen die bereits in der Synodalaussprache angesprochenen Problemkreise des landeskirchlichen Vorbehalts sowie der in EGO III den gliedkirchlichen Zusammenschlüssen eingeräumten Sonderstellung. Erneut gestrichen wurde dabei die vom Struktur- und Verfassungsausschuss in EGO III wieder aufgegriffene Rede von „wesentlichen“ Verfassungsgrundsätzen in Artikel 10c, da damit zusätzlich zur Frage der Vereinbarkeit des EKD-Rechts mit den gliedkirchlichen Verfassungsgrundsätzen noch das Problem der Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Verfassungsgrundsätzen aufgeworfen würde.534 Zum einen sei in dem Begriff „Verfassungsgrundsatz“ bereits enthalten, dass „es Dinge von Gewicht sind“,535 die einer Übernahme von EKD-Recht entgegenstehen müssten, zum anderen werde auch in der Verfahrensregelung des Artikel 41a nicht von „wesentlichen“ Verfassungsgrundsätzen gesprochen.536 An dieser Verfahrensregelung nach Artikel 41a wurde wie bereits in der Synodalaussprache kritisiert, dass in Rechtsfragen darin das Votum einer landeskirchlichen Synode dem Gutachten des Verfassungsgerichtes der EKD übergeordnet werde, und dazu der Vorschlag wiederholt, die Letztentscheidung über die Vereinbarkeit von EKD-Recht mit den landeskirchlichen Verfassungsgrundsätzen dem Verfassungsgericht der EKD zu überlassen.537 Bedenken gegen Artikel 41a erhoben sich auch deshalb, weil dadurch zumindest theoretisch die Möglichkeit bestand, dass es im Rahmen der neuen Grundordnung innerhalb der EKD zu „uneinheitlichem Recht“ kommen könnte.538 Da allerdings

531 O. Lingner: Vermerk über die Sitzung des Ausschusses zur Beratung des EGO III (auf der 6. Tagung der vierten Synode der EKD in Bremen, Januar 1973), undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 3576), S. 1; BREMEN 1973, S. 140. 532 EBD. (C. A. v. Heyl). 533 EBD. 534 EBD., S. 12. 535 EBD., S. 152. 536 EBD., S. 141. 537 EBD., S. 144. 538 Vgl. auch Auszug aus dem Protokoll der Sitzung der Kirchenkonferenz am 13.12.1972 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 322).

Die EKD zwischen „Föderation“ und „Kirche im vollen Sinne“

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deutlich war und von Raiser noch einmal hervorgehoben wurde, „daß Artikel 41a in der vorgelegten Fassung ein Kompromiß“ sei, der auf „sehr schwerwiegende“ und vom Ausschuss „ernst genommene Bedenken aus der württembergischen Gliedkirche“ eingehe, wurde von einer Änderung, die möglicherweise eine Ablehnung des Entwurfs durch die württembergische Kirche provoziert hätte, Abstand genommen.539 Stattdessen sollte der Präses noch einmal den Kontakt zur württembergischen Kirche suchen und in einem Schreiben „zum Ausdruck bringen, daß in Artikel 41a unter Rücksichtnahme auf die aus der württembergischen Gliedkirche vorgetragenen Bedenken ein Kompromiß als Regelung angeboten worden ist, der uns von der Sache her nicht unbedingt geboten erscheint, und damit die Frage verbinden, ob die württembergische Gliedkirche nicht auch einer Regelung zustimmen könnte, in der die letzte Entscheidung darüber, ob ein Verfassungsgrundsatz der Gliedkirche verletzt ist, dem Verfassungsgericht überlassen bleibt“.540 Der umfangreichste Diskussionspunkt innerhalb des Ausschusses betraf die bereits im Plenum von Scholder erhobene und im Ausschuss wiederholte Kritik an Artikel 27a und dem dort fixierten Sonderstatus von EKU und VELKD.541 Scholder, der für eine ersatzlose Streichung von Artikel 27a plädierte, gab dabei zu bedenken, dass dieser Sonderstatus der Intention der Grundordnungsreform, eine engere Gemeinschaft innerhalb der EKD sowie ihre Kirchwerdung zu ermöglichen, zuwiderlaufe. Mit dieser Sonderregelung bestünde die Gefahr, dass EKU und VELKD nicht nur in ihrer Existenz, sondern auch als Gemeinschaft hindernde Zwischeninstanz zwischen der EKD und ihren Gliedkirchen festgeschrieben würden. Im Interesse einer Stärkung der Gemeinschaft in der EKD müsse es hingegen das Ziel sein, „die berechtigten Interessen der konfessionellen Vereinigungen innerhalb der EKD selbst wahrzunehmen“, während die „konfessionellen Vereinigungen . . . mit der engeren Gemeinschaft der Gliedkirchen in der EKD als rechtlich geordnete Kirchen aufhören“ sollten zu bestehen.542 Als weitere Gegenargumente verwies Scholder auf die damit verbundene Doppelvertretung einiger Gliedkirchen in der EKD sowie darauf, dass die Einbindung der EKU bereits 1948 „mit einem Fragezeichen versehen“ worden sei.543 Die Ursache, warum dennoch diese Sonderregelung befürwortet werde, sah Scholder im Wesentlichen in einem „tiefen Mißtrauen“ gegenüber der VELKD und in die Befürchtung, dass sie „ohne diese ‚Einbindung‘ zu einer Art Gegen-EKD werden“ könnte.544 Diese Argumentation wurde im Ausschuss weithin nicht geteilt.545 Bereits im Plenum hatte Raiser dem entgegengehalten, dass es ein solches Angebot der VELKD, sich für die EKD in die

539 BREMEN 1973, S. 144. 540 EBD., S. 145; vgl. O. Lingner: Vermerk über die Sitzung des Ausschusses zur Beratung des EGO III (auf der 6. Tagung der vierten Synode der EKD, Januar 1973), undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 3576), S. 13. 541 BREMEN 1973, S. 141 f.; O. Lingner: Vermerk (vgl. Anm. 540), S. 8. 542 EBD.; vgl. BREMEN 1973, S. 142. 543 EBD., S. 103. 544 EBD., S. 103 f. 545 Vgl. auch O. LINGNER, Grundordnung, S. 364.

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Pflicht nehmen zu lassen, „in den bisherigen 25 Jahren der EKD nicht gegeben“ habe und man sich deshalb „sehr wohl überlegen“ müsse, „was man tut, wenn man dieses Angebot ausschlägt“.546 Während Scholders Antrag auf Streichung von Artikel 27a im Ausschuss mehrheitlich abgelehnt wurde, fand ein Vorschlag v. Heyls, der das Verhältnis der Artikel 27 und 27a zueinander betraf, Zustimmung. Dieser hatte vorgeschlagen, EKU und VELKD den in Artikel 27 genannten „Vereinigungen“ nicht mehr als „gliedkirchliche Zusammenschlüsse“ gegenüberzustellen, sondern sie als Sonderfall dieser in Artikel 27 genannten Vereinigungen, nämlich als „Vereinigungen besonderer Art“, zu verstehen.547 Diese Klärung zog einige wenige Korrekturen im Text nach sich, die der Ausschuss der Synode empfahl. Erstens entfiel in der Überschrift von Abschnitt IV der Hinweis auf die „gliedkirchlichen Zusammenschlüsse“; seine Überschrift lautete nunmehr lediglich „Gliedkirchliche Vereinigungen“. Zweitens wurde die Zusammenstellung von Grundordnungsartikeln, mit der in Artikel 27a die Rechte und Pflichten von EKU und VELKD beschrieben worden war, nach Artikel 27 vorgezogen und betraf damit alle „Vereinigungen“. Damit konnte drittens der betreffende Absatz in Artikel 27a, der ebenfalls die zu tilgende Formulierung „gliedkirchliche Zusammenschlüsse“ benutzt hatte, gänzlich entfallen.548

Die Synode billigte die vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungen an EGO III nach nur kurzer Diskussion.549 Während in der zuvor freigestellten Generaldebatte zum Entwurf lediglich ein Jugenddelegierter grundsätzliche Kritik an EGO III sowie am Gang des Reformprozesses insgesamt übte, traten bei der Aussprache über einen vom Ausschuss vorbereiteten Beschlussentwurf550 und der damit anstehenden Frage, wie sich die Synode den Grundordnungsentwurf zu Eigen machen solle, noch einmal die weiterhin vorhandenen gegensätzlichen Positionen kurz an die Oberfläche.551 Diese hatten allerdings mehr den Charakter eines Epilogs und wirkten sich auf den endgültigen Synodalbeschluss, der abgesehen von redaktionellen Änderungen den vom Ausschuss vorgeschlagenen Text beibehielt, nicht weiter aus. Mit ihrem Beschluss „Zum Entwurf III einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland“,552 der bei nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen verabschiedet wurde,553 machte sich die Synode „den Entwurf für eine Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland“ zu Eigen und übergab „ihn der 5. Synode . . . mit der Bitte, 546 547 548 549 550 551 552 553

BREMEN 1973, S. 107. O. Lingner: Vermerk (vgl. Anm. 540), S. 7; vgl. BREMEN 1973, S. 142. O. Lingner: Vermerk (vgl. Anm. 540), S. 8 f.; BREMEN 1973, S. 142. EBD., S. 152 ff. EBD., S. 146. EBD., S. 151 (F. E. Anhelm), 158 (W. Hofmann), 160 f. (B. Suin de Boutemard). EBD., S. 325. EBD., S. 166.

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ihn aufzunehmen und für die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens zu sorgen“. Das Präsidium wurde beauftragt, „den Text unter Berichtigung redaktioneller Unstimmigkeiten in neuer Zählung der Artikel festzustellen“, und der Rat gebeten, diesen Text den Gliedkirchen zuzuleiten, die damit die Gelegenheit erhielten, „den vorliegenden Entwurf erneut zu prüfen und Bedenken, die eine spätere Annahme der Grundordnung in den Gliedkirchen in Frage stellen könnten, geltend zu machen“.554 Die entsprechend den vorgenommenen Korrekturen veränderte und redaktionell überarbeitete Fassung bildete als EGO IV555 die Grundlage für die Weiterarbeit am Reformprozess durch die 5. Synode der EKD. Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme

3.3. Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 3.3.1. Aufnahme und Abschluss der Reformarbeiten durch die 5. Synode Mit der Legislaturperiode der 4. Synode der EKD endete jeweils auch die Amtszeit sowohl des einflussreichsten Reformgegners, des bayerischen Landesbischofs und Vorsitzenden des Rates der EKD Dietzfelbinger, als auch die des profiliertesten Reformbefürworters, des Präses der EKD-Synode Ludwig Raiser. Ihre gegensätzlichen Positionen hinsichtlich des Verhältnisses von Kirchenorganisation und Gemeinschaft – Dietzfelbinger: Kirchenorganisation kann lediglich eine bereits erreichte Gemeinschaft abbilden, Raiser: Kirchenorganisation muss auch zu einer vertieften Gemeinschaft hinführen – blieben der neuen Synode jedoch erhalten und überschnitten sich nunmehr noch mit einem weiteren Problem: dem zunehmenden landeskirchlichen Partikularismus. Eine inhaltliche Auseinandersetzung der 5. Synode mit EGO IV fand auf ihrer konstituierenden Tagung in Coburg (29. Mai bis 2. Juni) allerdings aus Zeitgründen wie auch aus der Einsicht heraus, dass sinnvollerweise erst die landeskirchlichen Voten abzuwarten waren, nicht statt. Der neue Präses, v. Heyl, wies lediglich vorsorglich darauf hin, dass die Synode „das eigentlich fertig gebündelte Paket ‚EGO IV‘“ wohl noch einmal kurz werde „aufbündeln“ müssen.556 Entsprechend beschränkte sich die Synode auf dieser Tagung vorerst darauf, einen neuen Verfassungsausschuss zu 554 EBD. 555 Am 7.3.1973 an die Landeskirchen versandt (Kirchenkanzlei der EKD [W. Hammer] an die Gliedkirchen der EKD: Betr. Entwurf IV für eine Grundordnung der EKD, 7.3.1973 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 323]). 556 COBURG 1973, S. 192.

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berufen557 und gemäß der Bitte der 4. Synode Vorbereitungen für das Gesetzgebungsverfahren zu treffen. Die nur zögernd beim Verfassungsausschuss eingehenden landeskirchlichen Stellungnahmen zeigten dann allerdings, dass es mit einem „kurzen Aufbündeln“ nicht getan war. Vielmehr wurde deutlich, dass auch dem vierten Grundordnungsentwurf trotz seines Kompromisscharakters keineswegs die uneingeschränkte Zustimmung aller Landeskirchen sicher war. Auch wenn sich einige von ihnen in ihren Stellungnahmen bewusst zurückhielten, brachten etliche noch entschiedener, als dies bei dem vergleichbaren Vorgang des Vorjahres der Fall gewesen war, Kritik und zum Teil gegensätzliche Forderungen zum Ausdruck.558 Dabei bekräftigten nicht nur reformkritische Landeskirchen ihre bereits zuvor angekündigten Bedingungen,559 sondern auch Reform befürwortende Kirchen, deren Voten bei der Überarbeitung von EGO I im Wesentlichen unbeachtet geblieben waren, 557 Ihm gehörten zwanzig von der Synode gewählte und neun von der Kirchenkonferenz entsandte Mitglieder an. Vier Vertreter des Rates sowie die Mitglieder des Präsidiums der Synode nahmen mit beratender Stimme teil. Im Interesse der Kontinuität wählte die Synode alle noch zur Verfügung stehenden Mitglieder des vorigen Struktur- und Verfassungsausschusses – insgesamt neun – in den neuen Verfassungsausschuss. Über die Kirchenkonferenz und den Rat kamen weitere Mitglieder des vorigen Ausschusses hinzu (z. B. Johann Frank, Martin Fischer, Werner Hofmann). Den Vorsitz in diesem neuen Gremium übernahm der stellvertretende Vorsitzende des ersten Ausschusses, Vizepräsident Danielsmeyer (vgl. COBURG 1973, S. 228, 348; O. Lingner: Niederschrift über die erste Sitzung des Verfassungsausschusses der 5. Synode der EKD am 18.7.1973 in Hannover, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 317], S. 2). 558 Vgl. KASSEL 1974, S. 249 (W. Danielsmeyer). 559 Die bayerische Landessynode wiederholte ihre bereits gegenüber EGO I zum Ausdruck gebrachte Position, dass nur dann in Artikel 2 von einem „gemeinsamen Verständnis des Evangeliums“ gesprochen werden könne, wenn die Leuenberger Konkordie von allen Gliedkirchen der EKD unterzeichnet sei. Erfolge „eine Unterzeichnung nicht“ und komme „auch keine verbindliche theologische Erklärung im Sinne des Konkordienentwurfes zustande“, dürfe „Abschnitt I keine Aussagen enthalten, die über die Aussagen der geltenden Grundordnung hinausgehen“. Zu Artikel 4 (1) wurde erneut gefordert, dass die dortigen Regelungen für den Dienst der Verkündigung und der Sakramentsverwaltung deutlicher als in Absatz 2 den gliedkirchlichen Ordnungen und zwischenkirchlichen Vereinbarungen unterstellt werden müssten, da nicht zwischen allen Gliedkirchen der EKD volle Abendmahlsgemeinschaft bestehe (Landessynode Schweinfurt, Vorlage des Ausschusses für Grundfragen des Kirchlichen Lebens: Betr. Stellungnahme der Landessynode zum 4. Entwurf einer Grundordnung der EKD [EGO IV], November 1973 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 323], S. 1 f.). Darüber hinaus erwartete die bayerische Landessynode vor einer Beschlussfassung durch die EKD-Synode die Vorlage eines überarbeiteten Entwurfs zur neuerlichen Stellungnahme (EBD., S. 2). Württemberg wiederum lehnte nicht nur die von der EKD-Synode vorgeschlagene Feststellungskompetenz des Verfassungsgerichts bei der Verletzung gliedkirchlicher Verfassungsgrundsätze ab, sondern bestand darüber hinaus – anders als in EGO IV vorgesehen – auf einer Entscheidungsmöglichkeit der jeweiligen Landessynode mit einfacher Mehrheit (Württembergische Landessynode: Stellungnahme zu dem Entwurf einer neuen Grundordnung für die EKD, undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 335], S. 1).

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übten nunmehr verstärkt Kritik und warnten vor einer weiteren Reduktion der ursprünglichen Reformintentionen.560 Eine erneute Überarbeitung des Grundordnungsentwurfs erschien damit zwar unumgänglich, der dafür zur Verfügung stehende Spielraum war jedoch äußerst begrenzt. Darüber hinaus wurde die Arbeit des Verfassungsausschusses noch dadurch erschwert, dass die Stellungnahmen sich im Einzelnen nicht – wie von der Bremer Synode erbeten – auf jene Bedenken beschränkten, „die eine spätere Annahme der Grundordnung in den Gliedkirchen in Frage stellen könnten“, sondern zum Teil eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen unterbreiteten, ohne dass die Gewichtung der empfohlenen Änderungen immer erkennbar war. Eine deutliche Entlastung bedeutete es hingegen, dass die Leuenberger Konkordie nicht nur unerwartet zügig fertig gestellt wurde, sodass der Inhalt des in Artikel 2 (1) festgestellten gemeinsamen Evangeliumsverständnisses eindeutig beschrieben werden konnte, sondern in ihrer Endfassung auch den gemeinschaftskritischen Bedenken lutherischer Landeskirchen, die Konkordie und Grundordnung gleichermaßen betrafen, weitgehend Rechnung trug.561 Freilich führte die notwendige und in diesem Zusammenhang abzuwartende Diskussion der Konkordie in den Landeskirchen zu einer erneuten zeitlichen Verzögerung der Reformarbeiten, sodass der 5. EKD-Synode auf ihrer zweiten Tagung vom 13. bis 17. Januar in Kassel – anders als ursprünglich vorgesehen – noch kein neuer Grundordnungsentwurf, sondern lediglich ein Zwischenbericht vorgelegt wer560 Während die Arnoldshainer Konferenz und einige Landeskirchen lediglich ihre Enttäuschung über den Entwurf, der „in weiten Teilen nicht dem Beschluß der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 15.5.1970 in Stuttgart“ folge (Arnoldshainer Konferenz: Stellungnahme zum Entwurf einer neuen Grundordnung für die EKD [EGO IV], in: KJ 100 [1973], S. 13), zum Ausdruck brachten, formulierte unter anderem die badische Synode ausdrücklich als Bedingung für die „spätere Annahme einer neuen GO . . ., daß die Überarbeitung von EGO IV aufgrund der erneuten gliedkirchlichen Stellungnahmen nicht zu wesentlichen Veränderungen des Entwurfs auf Kosten gesamtkirchlicher Verantwortung und Kompetenz führt“ (Stellungnahme der Badischen Landessynode zum Entwurf IV einer Grundordnung für die EKD [EGO IV], undatiert [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 323], S. 1; vgl. KASSEL 1974, S. 249 [W. Danielsmeyer]). 561 Auf der einen Seite erweiterte die Endfassung der Leuenberger Konkordie im Vergleich zum Konkordienentwurf die für die Erklärung von „Kirchengemeinschaft“ erforderliche Basis im gemeinsamen Verständnis des Evangeliums, indem in Artikel 31 nunmehr auch die Konsensformulierungen des Abschnitts III (und nicht nur Abschnitt II wie in ELK) zum gemeinsamen Verständnis des Evangeliums und damit zum „Zentralen“, in dem Übereinstimmung notwendig sei, gezählt wurden. Auf der anderen Seite entfiel in Artikel 32 die Feststellung, dass „vorhandene Unterschiede in kirchlicher Lehre, Ordnung und Lebensform . . . keine kirchentrennende Bedeutung“ haben, sodass es lediglich bei der parallelen Aussage von Artikel 28 blieb, der dieses allerdings nur im Blick auf die bestehenden „Unterschiede in der Gestaltung des Gottesdienstes, in den Ausprägungen der Frömmigkeit und in den kirchlichen Ordnungen“ festgehalten hatte.

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den konnte.562 Erst Anfang März 1974 nahm eine Formulierungsgruppe des Verfassungsausschusses ihre Tätigkeit auf und erarbeitete auf zwei mehrtägigen Sitzungen563 einen fünften Grundordnungsentwurf, der vom Plenum des Verfassungsausschusses am 24./25. Mai 1974 verabschiedet wurde (EGO V).564 Angesichts der Fülle der erneut von den Landeskirchen unterbreiteten Änderungsvorschläge und ihres zum Teil gegensätzlichen Charakters entschied sich der Verfassungsausschuss – auch um durch neuerliche Umformulierungen nicht zusätzliche Probleme heraufzubeschwören – bei dieser Neufassung für eine möglichst weitgehende Beibehaltung des Textes von EGO IV. Insbesondere Vorbehalte, die von einigen Landeskirchen gegenüber den als zu weitgehend empfundenen Kompetenzen der EKD geltend gemacht worden waren, wurden in der Regel nicht berücksichtigt. Eine wesentliche Ausnahme davon bildete allerdings die erneut von Württemberg aufgeworfene Frage, in welcher Weise auf landeskirchlicher Ebene die Verletzung gliedkirchlicher Verfassungsgrundsätze festzustellen sei, die trotz erheblicher Bedenken innerhalb des Ausschusses im Sinne der württembergischen Kirche und dem anderer Landeskirchen geregelt wurde.565 Weniger Zurückhaltung zeigte der Ausschuss hingegen im Bereich der Grundlagen, wo analog zu den vorangegangenen Überarbeitungen weitere Formulierungen, die einst im Interesse einer engeren Gemeinschaft innerhalb der EKD in den Entwurf aufgenommen worden waren, verändert oder gestrichen wurden. Eine inhaltlich wie für den weiteren Diskussionsverlauf folgenschwere Änderung des Artikels 1 wurde von Vizepräsident Wilkens ausgelöst, der darauf hingewiesen hatte, „daß die gegenwärtige Formulierung in Artikel 1 unkorrekt“ sei. „Kirchengemeinschaft im Sinne der Leuenberger Konkordie (und nur um diese Kirchengemeinschaft ginge es in Artikel 1) bestehe im Kern aus Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft“, sodass nicht davon gesprochen werden könne, „daß die Kirchengemeinschaft im Sinne von Leuenberg Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließt“.566 Wilkens unterbreitete daraufhin mehrere Alternativvorschläge, um dieses enge Verhältnis von Kirchengemeinschaft sowie 562 Vgl. KASSEL 1974, S. 248–250. 563 5./6. März und 29./30. April 1974. 564 O. Lingner: Niederschrift über die 3. Sitzung des Verfassungsausschusses der 5. Synode der EKD am 24. und 25.5.1974 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 317). 565 Es entfiel die Forderung einer Entscheidung mit Zwei-Drittel-Mehrheit sowie im Interesse jener Gliedkirchen, deren Synoden nur einmal im Jahr zusammentraten, die Festschreibung, dass diese Entscheidung von der Synode gefällt werden müsse (jetzt: Entscheidung durch das „gesetzgebende Organ“, also unter Umständen auch durch die Kirchenleitung) (vgl. O. Lingner: Niederschrift über die 1. Sitzung des Formulierungsausschusses des Verfassungsausschusses der 5. Synode der EKD am 5./6.3.1974 in Herrenberg, undatiert [EZA BERLIN, 86/90, Nr. 53], S. 6 f.). 566 EBD., S. 2 (Hervorhebung vom Verf.).

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 131 Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besser zum Ausdruck zu bringen. Der Formulierungsausschuss entschied sich jedoch – ohne dass das Protokoll eine Begründung vermerkt – für keine dieser Alternativen, sondern für die offensichtlich auf ihn selbst zurückgehende Fassung: „Zwischen den Gliedkirchen besteht Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, die Kirchengemeinschaft begründet“567 (später geändert in: „. . ., die sich auf Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gründet“). Diese Formulierung, gegen die anscheinend auch Wilkens nichts einzuwenden hatte, wurde freilich, da sie an die Stelle des gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums, das nach der Leuenberger Konkordie „Kirchengemeinschaft“ begründet, die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft setzte, weder der Leuenberger Konkordie noch dem darauf aufbauenden Verständnis der Gemeinschaft innerhalb der EKD gerecht. Mit dieser Korrektur wurde – wie später von lutherischer Seite zu Recht angemerkt wurde – die „Kirchengemeinschaft“ von Artikel 1 eine unklare Größe neben und unabhängig von dem in Artikel 2 (1) festgestellten gemeinsamen Verständnis des Evangeliums im Sinne der Leuenberger Konkordie. Eine weitere Korrektur betraf den zweiten Satz von Artikel 2 (1), der analog zur Leuenberger Konkordie (Art. 32) aus dem gemeinsamen Verständnis des Evangeliums gefolgert hatte, dass „die in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen . . . nicht den gegenwärtigen Stand der Lehre der Gliedkirchen“ betreffen. Bayern hatte diesen Satz wegen seiner Erklärungsbedürftigkeit erneut zur Streichung vorgeschlagen568 und fand damit innerhalb des Formulierungsausschusses Zustimmung. Allerdings stellte dieser fest, dass damit nicht die Sache selbst in Zweifel gezogen, sondern lediglich eine klarstellende Neuformulierung vermieden werden sollte.569

Trotz der Zugeständnisse an die Reformgegner stieß der vom Verfassungsausschuss vorgelegte EGO V nach seinem Bekanntwerden innerhalb der bayerischen Landeskirche auf heftigen Widerspruch, obwohl es vor seiner Verabschiedung noch zu einer Verständigung zwischen dem Formulierungsausschuss und dem bayerischen EKD-Ausschuss gekommen war.570 Während dort von bayerischer Seite die Fassung von Artikel 1 und 2 ausdrücklich akzeptiert und im Bereich der Grundbestimmungen lediglich bei Artikel 4 (Abendmahlsgemeinschaft) die Forderung nach einer deutlicheren Vorordnung der gliedkirchlichen Regelungen wiederholt worden war,571 wurden nunmehr auch die Artikel 1 und 2 heftig kritisiert. Insbe-

567 EBD. (Hervorhebung vom Verf.). 568 Landessynode Schweinfurt, Vorlage des Ausschusses für Grundfragen des Kirchlichen Lebens: Betr. Stellungnahme der Landessynode zum 4. Entwurf einer Grundordnung der EKD (EGO IV), November 1973 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 323), S. 1. 569 O. Lingner: Niederschrift (vgl. Anm. 565), S. 3. 570 O. Lingner: Vermerk über die gemeinsame Sitzung des EKD-Ausschusses der Bayerischen Landeskirche mit Mitgliedern der Formulierungsgruppe des Verfassungsausschusses [am 29.4.1974], undatiert (EZA BERLIN, 86/90, Nr. 53). 571 EBD., S. 1 f.

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sondere Artikel 1, der in seiner von Wilkens angestoßenen Neufassung auch in dem Sinne verstanden werden konnte, als setze er in der EKD volle Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft voraus, wurde als nicht in Übereinstimmung mit der Leuenberger Konkordie kategorisch abgelehnt. Dieser bayerische Einspruch führte dazu, dass bereits vor der EKD-Synode, die über EGO V beschließen sollte, eine intensive Diskussion über eventuelle Veränderungen dieses Entwurfs im Gange war.572 Auf der Synode selbst, die vom 3. bis 8. November 1974 in Berlin-Spandau zusammentrat, kamen weitere Gegensätze hinzu. Zwar gelang es dem Tagungsausschuss, durch neuerliche Umformulierung von Artikel 1 (die weitgehend zu EGO IV zurückkehrte) den Einspruch der bayerischen Seite an dieser Stelle zu entschärfen, dafür verstärkten sich die landeskirchlichen Vorbehalte gegenüber einer als zu weit reichend empfundenen Kompetenz der EKD erheblich und fanden schließlich darin ihren Ausdruck, dass sich einige Synodale der württembergischen Kirche bei der Beschlussfassung der Stimme enthielten. Dennoch konnte die Grundordnung573 am 7. November nicht nur bereits in zweiter Lesung, sondern auch ohne Gegenstimmen verabschiedet werden. Allerdings stand hinter dieser Entschlossenheit wohl weniger das Vertrauen in die Qualität des Reformwerkes als vielmehr das Verlangen, diese Kräfte und Zeit zehrende und für etliche auch leidige Angelegenheit endlich zum Abschluss zu bringen. Begünstigt wurde diese Haltung dadurch, dass mit der notwendigen Zustimmung aller Landeskirchen (einschließlich der EKU und VELKD) vor dem Inkrafttreten noch genügend Sicherungs- und Einspruchsmöglichkeiten vorhanden waren.

3.3.2. Vergebliche Bemühungen um einen erfolgreichen Abschluss des Zustimmungsprozesses Der Bereitschaft der Gliedkirchen, nach Verabschiedung der Grundordnung durch die EKD-Synode ihrerseits die notwendige Entscheidung über Annahme oder Ablehnung herbeizuführen, war unterschiedlich und entsprach ihrer jeweiligen Einstellung zum Reformprozess insgesamt. Während jene Kirchen, die der Reform bis dahin befürwortend gegenübergestanden hatten, die Grundordnung zügig zur Entscheidung stellten, ließ die Entscheidung der reformkritischen, d. h. der meisten lutherischen Kirchen, auf sich warten. In der württembergischen Kirche führten die sich weiter verfestigenden Vorbehalte dazu, dass die vom württembergischen Oberkirchenrat einge572 Vgl. etwa die Diskussion auf der Lutherischen Generalsynode sowie deren Entschließung (LUTHERISCHE GENERALSYNODE 1974, S. 128–164). 573 Abgedruckt in: BERLIN-SPANDAU 1974, S. 496–521 – siehe unten Dok. 6.

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brachte „Erklärung der württembergischen evangelischen Landessynode zur Grundordnung der EKD“574 am 17. Februar 1976 in der württembergischen Synode die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlte,575 womit die neue Grundordnung zumindest in einer Landeskirche abgelehnt war. Ursache für diese Ablehnung, die sich bereits vor und auf der Spandauer EKD-Synode 1974 angekündigt hatte, waren Vorbehalte evangelikaler Kreise, die zum einen eine Bevormundung der württembergische Kirche durch eine übermächtige nicht-evangelikale EKD befürchteten576 und zum anderen angesichts der in der EKD vorhandenen gravierenden theologischen Differenzen die notwendige geistliche Grundlage für eine in ihren Kompetenzen erweiterte EKD („Bundeskirche“) vermissten.577 Württemberg bestätigte damit im Nachhinein den von Dietzfelbinger während des Reformprozesses immer wieder zur Sprache gebrachten Einwand, dass eine Grundordnung, die auf eine Vertiefung der Gemeinschaft in der EKD ziele, durch die tatsächlich vorhandenen Gemeinsamkeiten nicht gedeckt sei, und machte mit seiner Ablehnung deutlich, dass es diese notwendigen Voraussetzungen ebenfalls nicht sehe und die von einigen Landeskirchen angestrebte Gemeinschaft innerhalb der EKD auch nicht wolle. Die Reaktionen auf die württembergische Entscheidung waren, insbesondere bei den Landeskirchen, die der Grundordnung bereits mit großer Mehrheit zugestimmt hatten, überwiegend kritisch. Auch der württembergische Evangelische Oberkirchenrat bekundete gegenüber dem Präses der EKD-Synode sein Bedauern über diese Entscheidung.578 Rat und Kirchenkonferenz der EKD wiederum bedauerten in einer Erklärung vom 28. Februar „die damit für die EKD geschaffene Lage“ und verliehen ihrer Erwartung Ausdruck, dass dennoch „die Bereitschaft der Gliedkirchen und der Kirchlichen Werke zu verstärkter Zusammenarbeit in der EKD fortbesteht“.579 Die dadurch für die EKD entstandene Lage war freilich nicht völlig klar. Es erhob sich vielmehr die Frage, ob mit dem württembergischen 574 Abgedruckt in: KJ 103/104 (1976/77), S. 63 f. 575 Von den anwesenden 85 Synodalen stimmten 54 für und 31 gegen den Antrag des Oberkirchenrates (vgl. KJ 103/104 [1976/77], S. 63; BRAUNSCHWEIG 1976, S. 30). 576 Vgl. die Begründung der Ablehnung der EKD-Grundordnung (KJ 103/104 [1976/77], S. 65) sowie das Votum des württembergischen Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“ zur EKD-Grundordnung (EBD., S. 61). 577 „Warum wir aber einer Bundeskirche und darum der hier zur Abstimmung stehenden Grundordnung nicht zustimmen können, das hat seinen Grund zuerst und zuletzt in den gravierenden theologischen Differenzen und zum Teil Dissonanzen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland“ (EBD., S. 65). 578 Vgl. BRAUNSCHWEIG 1976, S. 30. 579 Erklärung des Rates und der Kirchenkonferenz der EKD zur Ablehnung einer neuen Grundordnung durch die Landessynode der Ev. Kirche in Württemberg (KJ 103/104 [1976/77], S. 68).

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Votum die Grundordnung endgültig gescheitert sei oder ihre Einführung lediglich verschoben werden müsse, bis die jetzt verweigerte Zustimmung aus Württemberg (und die ebenfalls fragliche Zustimmung aus Bayern) gegeben werde. Nachdem unmittelbar nach der württembergischen Entscheidung die Meinung vorherrschte, dass das Zustimmungsverfahren zur Grundordnung nunmehr gescheitert und die neue Grundordnung damit erledigt sei,580 setzte sich angesichts dessen, dass in den Übergangsbestimmungen der GO 74 (Art. 70) keine Fristen für die notwendige Zustimmung der Gliedkirchen genannt worden waren und bestehende juristische Bedenken sich ausräumen ließen,581 die Meinung durch, dass mit dem württembergischen Votum weder eo ipso das Zustimmungsverfahren abgebrochen werden müsse noch eine künftige Revision der württembergischen Entscheidung ausgeschlossen sei.582 Dieser Sicht folgte auch die EKD-Synode auf ihrer Tagung 1976 in Braunschweig und beschloss dementsprechend ausdrücklich die Fortsetzung des Zustimmungsverfahrens und bat die Gliedkirchen, die bis dahin noch nicht zugestimmt hatten,583 von der weiter bestehenden Möglichkeit einer Zustimmung Gebrauch zu machen. Darüber hinaus wurde das Präsidium gebeten, „ein Gespräch mit der württembergischen Landessynode über die Gründe ihrer Entscheidung vom 17. Februar 1976 in Sachen Grundordnung zu suchen“.584 Dieses Gespräch fand im Mai 1977 in Öhringen statt, verlief allerdings erfolglos. 580 So etwa Präses v. Heyl in einer Mitteilung an die Landeskirchen vom 8.3.1978 (vgl. KJ 103/104 [1976/77], S. 65; J. FRANK, Verfassungsreform, S. 33). In Schleswig-Holstein wurde die bereits fertige Gesetzesvorlage für eine Zustimmung zurückgezogen, da die dortigen Kirchenjuristen das Zustimmungsverfahren ebenfalls für erledigt hielten (vgl. BRAUNSCHWEIG 1976, S. 81). 581 Zu den in diesem Zusammenhang diskutierten Fragen vgl. J. MÜLLER-VOLBEHR/F.-G. v. BUSSE, Zustimmungsverfahren; J. FRANK, Verfassungsreform, S. 35. 582 Vgl. etwa Beschluss der Arnoldshainer Konferenz zur Kirchwerdung der EKD, 15.6.1976 (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 337); auch J. FRANK, Verfassungsreform, S. 33 f. 583 Zugestimmt hatten bis zu diesem Zeitpunkt (in zeitlicher Reihenfolge): die Ev. Kirche im Rheinland, die Ev. Landeskirche in Baden, die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers, die Ev.-Reformierte Kirche in Nordwestdeutschland, die Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Regionalsynode West), die Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig, die Bremische Ev. Kirche, die Ev. Kirche von Westfalen, die Vereinigte Protestantisch-Evangelisch-Christliche Kirche der Pfalz, die Lippische Landeskirche, die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und die Ev. Kirche in Hessen und Nassau. Beschlossen, aber noch nicht erklärt wurde die Zustimmung von der EKU (Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West) und der VELKD. Es standen – abgesehen von Württemberg – immer noch aus die Zustimmungen der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, der Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe, der Ev.-Luth. Landeskirche Eutin, der Ev.-Luth. Kirche im Hamburgischen Staate, der Ev.-Luth. Kirche in Lübeck und der Ev.-Luth. Landeskirche SchleswigHolsteins (vgl. BRAUNSCHWEIG 1976, S. 30). 584 EBD., S. 464.

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 135 Bei diesem Gespräch kam es lediglich – so Präses v. Heyl – zu „lange[n], tiefgehende[n] Beratungen, in denen wir aufeinander hörten, uns aber nicht verstanden“.585 Als wesentlichster Differenzpunkt erschien dabei wiederum die Bewertung des in der EKD herrschenden Pluralismus und seiner Bedeutung für die angestrebte Neuordnung der EKD. Während die Württemberger in der EKD einen „illegitimen Pluralismus“ vorherrschen sahen, der durch eine Stärkung der EKD ebenfalls gestärkt würde, räumten die Vertreter der EKD zwar ein, dass es durchaus Missbräuchliches gäbe, folgerten daraus jedoch im Sinne der Reform genau entgegengesetzt, dass „eine Überwindung eines falschen Pluralismus zum wirklichen Auftrag der Kirchen hin nur in starker Gemeinsamkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland geschafft werden“ könne „oder überhaupt nicht geschafft“ werde. Aus der Sicht der EKD-Teilnehmer blieb dementsprechend in der württembergischen Argumentation die „Frage nach dem ‚Gelenk‘ zwischen der Analyse der kirchlichen Wirklichkeit und der aufgrund dieser Analyse gefaßten Entscheidung in Württemberg . . . quälend unbeantwortet“.586

Angesichts neuer Akzente in der württembergischen Pluralismusdebatte hielt die EKD-Synode 1977 in Saarbrücken allerdings trotz dieses negativen Ergebnisses einen erfolgreichen Abschluss des Zustimmungsverfahrens zur Grundordnung in absehbarer Zeit für möglich.587 Aus dieser Erwartung heraus begrenzte sie zum einen dessen Laufzeit auf den 31. Dezember 1980, sodass „eine Zustimmung, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht erklärt“ war, „als verweigert“ galt.588 Zum anderen bat sie, alle Möglichkeiten des Gesprächs zur Klärung der einer Zustimmung entgegenstehenden Fragen zu nutzen, und richtete insbesondere „die Bitte an die Gliedkirchen, deren Erklärungen noch ausstehen, sich an diesen Gesprächen zu beteiligen“.589 Diese Anregung zum Gespräch griffen die damit besonders angesprochen Kirchen Bayern und Württemberg auf und baten ihrerseits den Rat der EKD, „zusammen mit der Kirchenleitung der VELKD und dem Vorstand der AKf, dafür zu sorgen, daß auf Grund theologischer Gespräche eine Erklärung über theologisch relevante Grundsatzfragen der Gegenwart erarbeitet“ werde.590 Daraufhin beschloss der Rat im Mai 1978, „eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die Fragen der Gemeinschaft und der theolo585 SAARBRÜCKEN 1977, S. 215. 586 EBD., S. 216 f. 587 Am 19.2.1977 war von der Württembergischen Landessynode die „Gemeinsame Aussage zu Fragen unseres christlichen Glaubens“, die so etwas wie eine württembergische Konkordie zwischen Pietismus und moderner Theologie darstellte, verabschiedet worden (auszugsweise abgedruckt in: KJ 103/104 [1976/77], S. 44–46). 588 SAARBRÜCKEN 1977, S. 509 f. Mit neun Enthaltungen – vor allem aus Württemberg und Bayern – angenommen (EBD., S. 361). 589 EBD., S. 509. 590 Die Landesbischöfe Hanselmann, München und Claß, Stuttgart an den Rat der EKD: Betr. Erklärung über theologische Grundsatzfragen, 10.2.1978 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 366).

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

gischen Zusammenarbeit in der EKD . . . erörtert und Vorschläge macht“. Allerdings stieß die Bildung dieser Arbeitsgruppe auf Schwierigkeiten, sodass sie erst im Januar 1979 zu ihrer ersten Sitzung zusammentreten konnte. Im Laufe ihrer Arbeit musste sie darüber hinaus feststellen, dass die kontroversen Standpunkte ihre Ursachen in Positionen hatten, „die sich bei allem geistlichen Gewicht nicht durch eine neue theologische Ausarbeitung beseitigen lassen“.591 Kurze Zeit schien es so, als könnte die Grundordnungsdebatte in der EKD durch die Entwicklungen innerhalb des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, wo die Rezeption der Leuenberger Konkordie weiter vorangeschritten592 und Anfang 1979 von der Eisenacher Delegiertenversammlung die Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR (VEK) empfohlen worden war,593 eine Neubelebung erfahren. Insbesondere in der westlichen Presse wurden Parallelen zwischen den in Eisenach mit großer Einmütigkeit beschlossenen Empfehlungen und der seit Jahren stecken gebliebenen Grundordnungsreform gezogen mit dem Fazit, dass die Kirchen in der DDR „jetzt mit weniger Aufwand und größerem Effekt“ das verwirklichten, „was den evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik nicht gelungen“ sei.594 Allerdings wurden diese Erwartungen durch den schleppenden Fortgang des VEK-Prozesses einerseits wie auch durch das vorläufige Zurückstellen der auf westlicher Seite vor allem interessierenden theologischen Grundsatzfragen innerhalb der DDR-Diskussion andererseits schnell enttäuscht, sodass die erwartete Neubelebung ausblieb.

Angesichts der mit Jahresende ablaufenden Zustimmungsfrist bat die EKDSynode 1980 in Garmisch-Partenkirchen die betroffenen Kirchen – Bayern, Schaumburg-Lippe und Württemberg –, nunmehr „die Beschlußfassung herbeizuführen und über die getroffene Entscheidung Auskunft zu geben“.595 Die Ev.-Luth. Kirche in Bayern entsprach dieser Aufforderung auf ihrer Tagung am 24./25. April 1980 und versagte als zweite Landeskirche der neuen Grundordnung ihre Zustimmung, womit diese endgültig gescheitert war.

591 Bericht über Gemeinschaft und theologische Zusammenarbeit in der EKD (OSNABRÜCK 1980, S. 327b). 592 Siehe dazu unten Kap. 4.1.3. 593 Siehe unten Kap. 4.3.5. 594 R. Henkys, Über den Schatten gesprungen (Berliner Sonntagsblatt vom 14.2.1979); siehe unten S. 257. 595 GARMISCH-PARTENKIRCHEN 1980, S. 478 f.

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 137

3.3.3. Die Korrektur der bestehenden Grundordnung in den 1980er-Jahren Nach dem endgültigen Scheitern des Zustimmungsprozesses zur EKDGrundordnung von 1974 war eine Umsetzung der Reformanliegen, die seinerzeit zur Erarbeitung einer neuen Grundordnung geführt hatten, nur noch auf dem Wege einer partiellen Änderung der weiterhin gültigen Grundordnung von 1948 möglich.596 Die Chancen, auf dem Wege einer solchen „kleinen Reform“597 wesentliche Reformanliegen umsetzen zu können, wurden allerdings meist als nicht sehr hoch eingeschätzt. Zum einen war bewusst, dass auch bei einer solchen Teilreform jene kontroversen Fragen, deren unterschiedliche Bewertung schließlich zur Ablehnung der Grundordnung von 1974 geführt hatte, nicht völlig übergangen werden konnten. Zum anderen wurde die Gefahr gesehen, dass umfangreichere Nachbesserungen der GO 48 deren Gesamtkonzept und damit ihre „Ausgewogenheit“ stören könnten.598 Aus diesem Grund blieb es innerhalb des Rates lediglich bei einer „ersten Aussprache“ zur Problematik,599 während die Initiativen, die in der ersten Hälfte der 80er Jahre dennoch zu einer Korrektur der geltenden Grundordnung führten, aus der „Mitte“ der Synode kamen (entsprechend Art. 26 [3] GO 48). Die erste Änderung dieser Art betraf die Zusammenführung von EKDKirchenkanzlei und Kirchlichem Außenamt zu einem „Kirchenamt der EKD“ gemäß Art. 56–58 GO 74 sowie die damit zusammenhängende Aufgabenbeschreibung dieses neuen Kirchenamtes. Die dafür notwendigen Änderungen der Artikel 31 und 34 GO 48 wurden auf der EKD-Synode 1982 in Berlin-Spandau verhandelt und beschlossen,600 was – noch auf der Spandauer Synode – als Ermutigung zu weiteren Änderungsanträgen aus der Mitte der Synode verstanden wurde. Zum einen nahm der Berliner Synodale Werner Radatz mit einem Antrag Bezug auf den Bericht des EKD-Ratsvorsitzenden, in dem dieser erneut die Bedeutung der „ständigen Konsultationen und Gespräche mit dem 596 Vgl. OSNABRÜCK 1980, S. 195 (O. Lingner). 597 Wohl zuerst gebraucht in einem Konzeptionspapier der Ev.-Luth. Kirche in Bayern „‚Kleine Reform‘ der Grundordnung der EKD von 1948“ vom Januar 1976 (also noch vor dem ablehnenden Votum der Württembergischen Synode). 598 Zur Problematik einer „kleinen Reform“ vgl. W. Hammer: Die Grundordnung der EKD, 12.1.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 564); Ders.: Vorlage für die 21. Sitzung des Rates der EKD im Februar 1981. Betr. Grundordnung der EKD, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 564); auch O. LINGNER, Leuenberg, S. 339–342. 599 Vgl. W. Hammer: Niederschrift über die 21. Sitzung des Rates der EKD am 13. und 14.2.1981 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 895), S. 2. 600 Kirchengesetz zur Änderung der Artikel 31 und 34 der Grundordnung der EKD vom 9.12.1982 (Abl. EKD 37 [1983], S. 1; BERLIN-SPANDAU 1982, S. 684 f.).

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR“ hervorgehoben hatte,601 und schlug vor, diese positiven Beziehungen zwischen den Kirchen in der DDR und denen der EKD nunmehr auch in der Grundordnung festzuschreiben.602 Sein Formulierungsvorschlag, den er „zumindest sinngemäß“ übernommen wissen wollte, orientierte sich dabei weitestgehend an Artikel 4 (4) der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR: „Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt die EKD Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch ihre Organe wahr.“603

Da eine solche Grundordnungsergänzung, wie Radatz betonte, in der Konsequenz sowohl der Stuttgarter Erklärung von 1970 als auch der Grundordnung von 1974 (Art. 3 [3]) liege, setzte er in der Synode weit gehendes Einvernehmen voraus, sodass sich eine weitere Begründung seines Antrages erübrige.604 Er fügte lediglich die Bitte hinzu, dass der geänderte Grundordnungstext vor der Beschlussfassung durch die EKDSynode dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zur Kenntnis gebracht werde. Der Rechtsausschuss der Synode, dem dieser Antrag überwiesen worden war, „billigte“ dessen Anliegen denn auch ohne weiteres und empfahl der Synode, den Rat zu bitten, „zu ihrer nächsten Tagung ein Kirchengesetz zur Änderung der Grundordnung vorzulegen, in dem die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland zum Ausdruck“ komme. Diesem Beschlussvorschlag stimmte die Synode ohne Gegenstimmen (bei 5 Enthaltungen) zu.605 Zuvor hatte der Berichterstatter des Rechtsausschusses angesichts entsprechender Deutungen in der Vergangenheit606 noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Wendung „ganze evangelische Christenheit . . . räumlich zu verstehen“ sei und „die Verbundenheit zwischen den Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik“, nicht etwa das „Verhältnis zu den evangelischen Freikirchen in der Bundesrepublik“ meine.607

601 BERLIN-SPANDAU 1982, S. 57. 602 EBD., S. 171. 603 EBD.; W. Radatz: Antrag betr. Änderung der Grundordnung – Beziehung EKD zu BEK, 7.11.1982 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3132). 604 BERLIN-SPANDAU 1982, S. 171. 605 EBD., S. 400. 606 Siehe oben S. 121. 607 EBD., S. 399 f.

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 139

Ein zweiter noch in Berlin-Spandau „aus der Mitte der Synode“ eingebrachter Antrag von 22 Synodalen608 betraf die Angleichung der „Grundbestimmungen“ der GO 48 an die Situation nach Annahme der Leuenberger Konkordie durch alle Gliedkirchen der EKD. Dieser Antrag schlug vor, Artikel 1, Absatz 1 der alten Grundordnung durch die Artikel 1 und 2 der GO 74 zu ersetzen, die in der Nummerierung als Absätze 1 bis 4 erscheinen sollten, während der alte Absatz 2 zu Absatz 5 wurde. Weiterhin sollte Artikel 4 GO 48 (Dienst am Wort und Verwaltung der Sakramente) weitgehend an den entsprechenden Artikel 4 der neuen Grundordnung angepasst und um die „Ermöglichung der Interzelebration“ erweitert werden. Schließlich kam Artikel 5 GO 74 über die Kirchenmitgliedschaft als zusätzlicher Artikel 4a neu hinzu. Die Begründung dieses recht weit gehenden Antrages machte geltend, dass „alle Gliedkirchen der EKD inzwischen der Leuenberger Konkordie von 1973 zugestimmt“ hätten und deshalb „nunmehr die Kirchengemeinschaft im Sinne dieser Konkordie mit Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft auch in der Grundordnung der EKD erklärt werden“ könne. Das bevorstehende „Lutherjahr 1983“ gebe „dazu den geeigneten Rahmen“.609 Obwohl beide Anträge auf ein relativ breites Einvernehmen in der Synode verweisen konnten, barg ihre Umsetzung etliche Probleme. Insbesondere eine Änderung von Artikel 1 der Grundordnung, wie sie der Initiativantrag zur Kirchengemeinschaft vorgeschlagen hatte, konnte nach allgemeiner Überzeugung nicht von der EKD-Synode allein vorgenommen werden, sondern bedurfte wiederum der Zustimmung aller Landeskirchen. Damit bestand die Gefahr, dass sich bei der Inangriffnahme einer solchen Grundordnungsänderung das Desaster des Zustimmungsprozesses zur GO 74, da sich die Vorbehalte in den betreffenden Landeskirchen keineswegs verringert hatten, erneut wiederholen könnte. Dieses war umso mehr zu befürchten, als die so veränderte Grundordnung in den Grundbestimmungen für die EKD eine engere Gemeinschaft voraussetzte, als dies bei der GO 74 der Fall gewesen war. Schließlich entfiel durch die vorgeschlagene Änderung einerseits in Artikel 1, Absatz 1 die Beschreibung der EKD als „Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen“ und wurde durch die Aussage ersetzt, dass zwischen den Gliedkirchen der EKD „Kirchengemeinschaft im Sinne der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa“ sowie „Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums, wie es in der Leuenberger Konkordie seinen Ausdruck gefunden“ habe, bestehe. Andererseits blieb aber Artikel 1, Absatz 2 der alten Grundordnung, der von der EKD als „bekennender Kirche“ gesprochen hatte 608 A. Echte u. a. an den Präses der 6. Synode der EKD: Betr. Initiativantrag, 11.11.1982 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 571; abgedruckt in: WORMS 1983, S. 348–351). 609 EBD., S. 2 f.

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und damit ohne das Korrektiv des alten Absatzes 1 deutlich über die Aussagen der GO 74 hinausging, erhalten. Hinzu kam in Artikel 4 das weiterhin bestehende Problem der Abendmahlsgemeinschaft, das durch die ausdrückliche Aufnahme der Interzelebration in Anlehnung an die Leuenberger Konkordie noch verstärkt wurde. Der Initiativantrag zur Klärung des Verhältnisses zwischen EKD und BEK wiederum warf die Frage auf, ob eine solche Klärung nicht auch hinsichtlich des Verhältnisses der EKD zu VELKD und EKU (West) notwendig wäre.610 Da eine solche Klärung allerdings kaum möglich schien, verdeutlichte der Antrag zur „besonderen Gemeinschaft“ noch einmal die begrenzten Möglichkeiten einer solchen „kleinen Reform“. Darüber hinaus waren bei dieser Grundordnungsänderung kirchenpolitische Auswirkungen für die Kirchen in der DDR mit zu bedenken,611 zumal sich bei der von Radatz vorgeschlagenen Formulierung erneut das Problem einer „spiegelbildlichen“ Formulierung zu Artikel 4 (4) BO stellte, worauf seitens des Kirchlichen Außenamtes frühzeitig hingewiesen wurde.612 Angesichts der auf der Spandauer Synode eingebrachten Initiativanträge setzte der Rat der EKD einen Ad-hoc-Ausschuss ein, der dessen Stellungnahme zu diesen beiden Anträgen vorbereiten sollte. Dieser Ausschuss trat am 28. Februar 1983 zusammen und erarbeitete einen Entwurf für ein Kirchengesetz zur Änderung der bestehenden Grundordnung von 1948, der beide Initiativanträge zu einem gemeinsamen Gesetzesvorschlag zusammenfasste, allerdings in mehrfacher Hinsicht hinter den Initiativanträgen zurückblieb.613 Insbesondere der Antrag zur Aufnahme der Leuenberger Konkordie wurde nur zum Teil umgesetzt, da der Ausschuss einen erneuten Zustimmungsprozess der Landeskirchen vermeiden wollte und dementsprechend die Grundlagen der „paktierten Verfassung“, vor allem Artikel 1, im Wesentlichen unangetastet ließ.614 Dadurch blieb dessen Absatz 1 (die 610 Vgl. W. Hammer: Die Grundordnung der EKD, 12.1.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 564), S. 5 f. 611 Bereits im Zusammenhang der kanzleiinternen Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen einer „kleinen Reform“ hatte Hammer darauf hingewiesen, dass dieses Problem, sofern man sich überhaupt zu partiellen Grundordnungsänderungen entschließt, nicht zu umgehen sei: „Eine Entscheidung, ob das Verhältnis zum Bund verfassungsrechtlich im Wege einer Verfassungsänderung beschrieben werden soll, ist politisch von hoher Brisanz. Dabei ist es egal, was man macht: Ändert bzw. ergänzt man die GO 48 nicht, wird dies politisch mit einem ‚Aha‘ vermerkt. Ändert bzw. ergänzt man die GO 48 im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GO 74, so wird das ‚Aha‘ auch laut werden. Ein ‚sich-Herumdrücken‘ gibt es in dieser Sache nicht“ (Die Grundordnung der EKD, 12.1.1981 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 564], S. 6). 612 Kirchliches Außenamt der EKD (U.-P. Heidingsfeld) an Lingner: Betr. Nächste Zusammenkunft der Beratergruppe, Dezember d. J., 9.11.1982 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3132). 613 Kirchengesetz zur Änderung der Artikel 1 und 4 der Grundordnung der EKD vom . . . (Entwurf), 9.3.1983 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 571). 614 Nach Meinung des Ad-hoc-Ausschusses gehörten die Aussagen von Artikel 1 „zu den

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 141

EKD als „Bund“ von Kirchen) weiterhin als Korrektiv zu Absatz 2 (die EKD als „bekennende Kirche“) bestehen, womit das Grundanliegen des Initiativantrags, das Spannungsverhältnis von Absatz 1 und Absatz 2 zugunsten eines Verständnisses der EKD als „Kirche“ zu verschieben, nicht aufgenommen wurde. In dem vom Ausschuss erarbeiteten Gesetzesentwurf wurde Artikel 1 lediglich durch zwei neue Absätze ergänzt, von denen Absatz 3 das Verhältnis der EKD-internen Gemeinschaft zur Leuenberger Konkordie und Absatz 4 die „besondere Gemeinschaft“ betrafen. Absatz 3 folgerte aus der in allen Landeskirchen erteilten Zustimmung zur Konkordie für die EKD und ihre Gliedkirchen die Verpflichtung, ihre bestehende Gemeinschaft „auch“ im Sinne der Konkordie zu stärken und die Gemeinsamkeit im Verständnis des Evangeliums zu vertiefen,615 und versuchte damit zumindest ansatzweise dem Anliegen des Initiativantrages gerecht zu werden. Zwar wurde aus diesem Antrag die Feststellung, dass „Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums“ im Sinne der Leuenberger Konkordie bereits bestehe, ebenfalls nicht übernommen. Dafür bezeichnete der Entwurf die Gemeinschaft in der EKD bewusst nicht mit dem festgelegten Begriff „Kirchengemeinschaft“, sondern inhaltlich offener als „bestehende Gemeinschaft“ und ermöglichte damit ihre Interpretation im Sinne der gemeinschaftsintensiven Aussagen des vorangegangenen Absatzes 2. Auf diese Weise sollte – wie später noch einmal erläutert wurde – zum Ausdruck gebracht werden, „daß die Gemeinschaft innerhalb der evangelischen Kirche nicht mit dem Tage des Inkrafttretens der Leuenberger Konkordie begonnen“ habe, „sondern daß es schon in den Jahren und Jahrzehnten davor eine solche Gemeinschaft gegeben hat, die durch die Leuenberger Konkordie nicht neu begründet“, sondern lediglich „durch die Konkordie gestärkt worden“ sei.616 Der neue Absatz 4 von Artikel 1 zur „besonderen Gemeinschaft“ übernahm die knappe Formulierung aus Artikel 3 (3) GO 74, womit das Problem einer „spiegelbildlichen“ Formulierung zwar vermieden war, allerdings auch offen blieb, ob und welche Folgerungen aus der erklärten Bejahung einer „Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ zu ziehen wären.617 Zusätzlich wurde vorgesehen, im

grundlegenden Feststellungen der zwischenkirchlichen Gemeinschaft in der EKD. Die Änderung solcher Grundaussagen in der als ‚paktierte Verfassung‘ zu wertenden Grundordnung der EKD kann nicht ohne Mitwirkung der Gliedkirchen rechtswirksam beschlossen werden“ (EBD., S. 3). 615 „(3) Die Gliedkirchen haben der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie) zugestimmt. Die Evangelische Kirche in Deutschland weiß sich mit ihren Gliedkirchen verpflichtet, ihre bestehende Gemeinschaft auch im Sinne der Konkordie zu stärken und die Gemeinsamkeit im Verständnis des Evangeliums zu vertiefen“ (EBD., S. 1). 616 WORMS 1983, S. 90 (W. Hofmann); vgl. EBD., S. 266 (K. Schlaich). 617 „Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht ihre Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ (Kirchengesetz

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

Zusammenhang der Einfügung dieses neuen Artikels 4 den ersten Satz von Art. 1 (2) der geltenden Grundordnung zur „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ – als einzige Änderung am geltenden Text von Artikel 1 – zu streichen, da er nunmehr überholt sei. Hinsichtlich des Artikels 4 beschränkte sich der Gesetzesentwurf auf eine Übernahme des entsprechenden Artikels aus der GO 74 und entschied sich damit gegen eine Erwähnung der Interzelebration, da „nicht alle Kirchen . . . in dem Begriff ‚Ermöglichung‘ [nach LK 33] eine Verpflichtung, aus der Möglichkeit alsbald Wirklichkeit werden zu lassen“, sähen.618 Ein neuer Artikel 4a zur Kirchenmitgliedschaft wurde angesichts der seinerzeit geführten Kontroversen und der inzwischen erfolgten kirchengesetzlichen Regelung619 nicht für notwendig gehalten.

Dieser moderate Entwurf für ein Änderungsgesetz, das auch nach Meinung der landeskirchlichen Leitenden Juristen außerhalb der Zustimmungspflicht der Gliedkirchen blieb,620 wurde im März 1983 nicht nur vom Rat der EKD und der EKD-Kirchenkonferenz, sondern auch vom Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR beraten. Rat und Kirchenkonferenz stimmten dem Entwurf dabei im Wesentlichen zu, hielten allerdings noch einige klärende Korrekturen für notwendig. Der anscheinend am intensivsten diskutierte Punkt betraf die Frage, um was für eine Gemeinschaft es sich bei der nach Absatz 3 zu stärkenden „bestehenden Gemeinschaft“ handele: um die durch Zustimmung zur Leuenberger Konkordie entstandene Gemeinschaft oder um die in der EKD bereits „bestehende Gemeinschaft“. Die Mehrheit sprach sich angesichts dieser Alternative entsprechend der Intention des Ausschusses für die zweite Interpretation aus und schlug, um den noch immer möglichen Eindruck zu vermeiden, „als sei die Gemeinschaft erst durch die Leuenberger Konkordie entstanden“, als Klarstellung vor, ausdrücklich von der „in ihr“ – nämlich in der EKD – bestehenden Gemeinschaft zu reden.621 Weiterer Diskussionspunkt war die Formulierung zur „besonderen Gemeinschaft“, allerdings ohne dass angesichts der zu erwartenden Stellungnahme des BEK an dieser Stelle Änderungsvorschläge formuliert wurden. Es wurde lediglich geltend gemacht, dass die Verwendung von „bejahen“ statt „bekennen“ als „Distanzierung verstanden werden“ könne und die Formulierung von „der ganzur Änderung der Artikel 1 und 4 der Grundordnung der EKD vom . . . [Entwurf], 9.3.1983 [EZA BERLIN, 2/01, Nr. 571], S. 1). 618 EBD., S. 3. 619 Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft, das kirchliche Meldewesen und den Schutz der Daten der Kirchenmitglieder vom 10.11.1976 (Abl. EKD 30 [1976], S. 389–391). 620 Auszug aus der Niederschrift der Besprechung der Leitenden Juristen vom 16.3.1983 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 571). 621 W. Hammer/R. Hinz: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 17.3.1983 in Frankfurt am Main, undatiert (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 572), S. 5. – Die Gegenposition hatte die Formulierung „erklärte Gemeinschaft“ vorgeschlagen.

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 143 zen evangelischen Christenheit in Deutschland“ noch besonders bedacht werden müsse.622 In der Beurteilung des ersten Satzes von Artikel 1, Absatz 2 folgte der Rat einem Votum des Kirchenamtes, das diese Aussage unter Hinweis auf die ursprünglich konfessionsübergreifende Bedeutung ebenfalls zu den unveränderbaren Grundlagen zählte und damit für unverzichtbar hielt.623

Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, dem zusätzlich zu dem bereits übermittelten Initiativantrag von Radatz ebenfalls eine Kopie des vom Ad-hoc-Ausschuss erarbeiteten Kirchengesetzes zur Änderung der EKD-Grundordnung übersandt worden war, konzentrierte sich bei seinen Überlegungen naturgemäß auf den Artikel zur „besonderen Gemeinschaft“. Verhandelt wurde das Problem auf der 150. Sitzung des Vorstandes der KKL am 16. März, wobei das Vorhaben, innerhalb der EKD-Grundordnung der „besonderen Gemeinschaft“ einen gesonderten Absatz zu widmen, allerdings auf „erhebliche Bedenken“ stieß.624 In seinem diesbezüglichen Schreiben an Walter Hammer erläuterte der Leiter des Sekretariats, Christoph Demke, diese Bedenken mit dem Worten: „So wichtig es ist, daß unsere Kirchen sich sachlich und theologisch über den Inhalt dessen, was die besondere Gemeinschaft umschließt, klar sind, so wenig erscheint es ratsam, diese Frage in einer umfänglichen Aussage zu behandeln.“ Der Vorstand plädiere deshalb für „eine möglichst knappe Verankerung in der Grundordnung“.625 Demke schloss mit der Bitte des Vorstandes, über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden gehalten zu werden.626 Angesichts der verschiedenen Änderungsvorschläge beauftragte der Rat den Ad-hoc-Ausschuss mit einer erneuten Überarbeitung des vorgelegten Gesetzesentwurfs. Da allerdings innerhalb des Ausschusses offensichtlich Unsicherheiten bei der Interpretation des BEK-Votums bestanden, legte er diese Überarbeitung in zwei Varianten vor, die zwar beide die von Rat und Kirchenkonferenz vorgeschlagenen Änderungen gleichermaßen berücksichtigten, sich jedoch in der Formulierung zur „besonderen Gemeinschaft“ unterschieden.627 Während Variante I überhaupt keine Formulierung zur „besonderen Gemeinschaft“ mehr enthielt, bot Variante II in einem neu aufgenommenen Absatz 2 des ersten Artikels eine kombinierte 622 EBD. 623 Vgl. W. Hammer: Tischvorlage für die Sitzung der Kirchenkonferenz am 2.6.1983 in Hannover, 30.5.1983 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 572). 624 M. Stolpe/Ch. Demke/Ch. Lewek: Protokoll über die 150. Sitzung des Vorstandes am 16.3.1983 in Berlin, 24.3.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3081), S. 1. 625 Demke an Hammer: Betr. Besondere Gemeinschaft – Veränderung der Grundordnung, 4.4.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3152). 626 EBD.; M. Stolpe/Ch. Demke/Ch. Lewek: Protokoll (vgl. Anm. 624), S. 1. 627 Vgl. Anlage zur Tischvorlage für die Sitzung der Kirchenkonferenz am 2.6.1983 in Hannover, 30.5.1983 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 572).

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

Formulierung zur „bestehenden Gemeinschaft“ (Art. 1 [2], Satz 1 GO 48) einerseits, wobei der mit Gründung des Bundes veränderten Situation durch den Zusatz „für den Bereich ihrer Gliedkirchen“ Rechnung getragen wurde, und zur „besonderen Gemeinschaft“ andererseits. Auf diese Weise wurde dem Wunsch des BEK nach einer knappen Formulierung ebenso Rechnung getragen wie seinem Anliegen, der „besonderen Gemeinschaft“ keinen eigenen Absatz zu widmen. Darüber hinaus wurde die Priorität der „bestehenden Gemeinschaft“ als Grundlage auch für die „besondere Gemeinschaft“ zum Ausdruck gebracht. „(2) In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit für den Bereich ihrer Gliedkirchen sichtbar. Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu ihrer Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland.“628

Diese überarbeitete Fassung lag dem Rat der EKD auf seiner Sitzung am 22./23. April 1983 vor, wobei er sich für die Variante II mit dem Artikel zur „besonderen Gemeinschaft“ aussprach, eine endgültige Entscheidung jedoch erst „nach Führung der erforderlichen Gespräche mit dem BEKDDR“ treffen wollte.629 Diese Position wurde von der Kirchenkonferenz zur Kenntnis genommen630 und dem BEK zusammen mit dem überarbeiteten Entwurf übermittelt.631 Gleichzeitig wurde dem Vorstand der KKL ein Gespräch mit dem Präses der EKD-Synode, v. Heyl, am 16. Juni zur Klärung weiterer Fragen angeboten, woraufhin der Vorstand der KKL den Sachverhalt am 26. Mai erneut verhandelte. Im Unterschied zu seinem vorangegangen Votum tendierte er allerdings nunmehr „zu einer Formulierung im Text, die möglichst nahe an den Text der Bundesordnung heranführt und den Gesichtspunkt der freien Partnerschaft zum Ausdruck bringt“.632 Um jedoch einer genau spiegelbildlichen Formulierung zu Artikel 4 (4) BO vorzubeugen, präzisierte der Vorstand dieses Votum im Gespräch am 16. Juni im Sinne einer Orientierung an der Stuttgarter Erklärung der EKD-Synode von 1970.633 Dieser neuerliche Wunsch des BEK erforderte wiederum eine Überarbeitung des Entwurfstextes, bei der in Alternative II der zweite Satz von Art. 1 (2) durch die entsprechende Formulierung aus 628 EBD., S. 1. 629 Nach: W. Hammer: Tischvorlage (vgl. Anm. 623), S. 2. 630 W. Hammer: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 2.6.1983 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 572), S. 4. 631 Lingner an Demke: Betr. Änderung der Grundordnung der EKD, 4.5.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3128). 632 J. Hempel/Ch. Demke: Protokoll über die 152. Sitzung des Vorstandes am 26.5.1983 in Dresden, 2.6.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3081), S. 1. 633 Lingner an Demke (vgl. Anm. 631); handschriftliche Notiz Demkes vom 24.7.1983.

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 145

lierung aus der Stuttgarter Erklärung ersetzt wurde. Diese Neufassung fand die Zustimmung sowohl des Rates als auch der Kirchenkonferenz, die sich lediglich für eine stilistische Korrektur aussprach,634 und konnte dementsprechend der EKD-Synode in Worms mit der erforderlichen befürwortenden und begründenden Stellungnahme von Rat und Kirchenkonferenz zur Beschlussfassung vorgelegt werden.635 Die neuen Absätze 2 und 4 (Absatz 3 übernahm unverändert den verbleibenden Text des alten Absatzes 2) lauteten: „(2) In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit für den Bereich ihrer Gliedkirchen sichtbar. Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt sie Aufgaben, die sich daraus ergeben, in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr.“ „(4) Die Gliedkirchen haben der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie) zugestimmt *). Die Evangelische Kirche in Deutschland weiß sich mit ihren Gliedkirchen verpflichtet, die in ihr bestehende Gemeinschaft auch im Sinne der Konkordie zu stärken und die Gemeinsamkeit im Verständnis des Evangeliums zu vertiefen. . . . *) In der Bremischen Evangelischen Kirche hat eine Mehrheit der Kirchengemeinden zugestimmt.“636

Die Begründung des Rates und der Kirchenkonferenz ging vor allem auf die Frage ein, warum dem Initiativantrag zur Aufnahme der Leuenberger Konkordie in dem vorgelegten Gesetzesentwurf nicht voll entsprochen worden sei, wobei erneut auf die bei weiter gehenden Änderungen eintretende Zustimmungspflicht der Gliedkirchen hingewiesen wurde.637 Bischof Kruse, der den Gesetzesentwurf für den Rat in die Synode einbrachte, ergänzte, dass es sich bei diesem Entwurf insofern zwar nicht um einen großen Schritt in Richtung auf eine vertiefte Gemeinschaft innerhalb der EKD handele, aber immerhin um einen kleinen Schritt, der die EKD „dem Ziel gelebter Einheit näher“ bringe.638 Dabei komme die „besondere Gemeinschaft“ mit den Kirchen in der DDR, die nun ebenfalls in die Grundordnung aufgenommen werde, auch darin zum Ausdruck, dass dieser kleine Schritt dort bereits gegangen worden sei. 634 Streichung des zweiten „für ihren Bereich“ (F. Lang: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 15.9.1983 in Hannover, undatiert [EZA BERLIN, 2/01, Nr. 573], S. 5 f.). 635 WORMS 1983, S. 352–355. 636 EBD., S. 352. 637 EBD., S. 354 f. 638 EBD., S. 82 f.

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

„Die Brüder und Schwestern dort haben bei ihren Überlegungen für eine Neuordnung ihrer Gemeinschaft in einer ‚Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR‘ die Leuenberger Konkordie berücksichtigt. Sie sind uns einen kleinen Schritt voraus. Sie haben klar formuliert, daß der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR in einem gewissen Sinne Kirche ist. Wir in der EKD haben das noch nicht getan. Es ist gut zu wissen, daß der mit der Änderung der Grundordnung vorgeschlagene kleine Schritt nach vorn von der EKD nicht isoliert getan wird; unsere Brüder im Bund sind diesen Schritt schon gegangen, wir folgen ihnen nur.“639

In der Synodaldiskussion erhob sich allerdings gegenüber dem vorgelegten Gesetzesentwurf ein mehrfacher Widerspruch. Zum einen wurde von den Unterzeichnern des Initiativantrags das Argument, dass der Rat mit seiner Vorlage unterhalb der Zustimmungsschwelle der Gliedkirchen bleiben wolle, im Prinzip zwar akzeptiert, jedoch geltend gemacht, dass wesentliche Aussagen, die vom Rat aus dem Initiativantrag nicht übernommen worden waren, ebenfalls unterhalb dieser Schwelle geblieben wären. Sie wiesen dabei insbesondere auf jene Formulierungen hin, die direkt aus der Leuenberger Konkordie übernommen worden waren und deren Aufnahme in die EKD-Grundordnung nur noch einmal bestätige, was durch die Zustimmung der Landeskirchen zur Konkordie bereits vollzogen sei.640 Sie baten dementsprechend darum, im Rechtsausschuss zu prüfen, ob nicht ein Kompromiss möglich sei, in den zumindest der Begriff „Kirchengemeinschaft“ sowie die Aussage der Konkordie, dass Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft die „Ermöglichung der Interzelebration“ einschließe, aufgenommen werden.641 Darüber hinaus wurde der Erklärung des Rates zum beantragten Artikel 4a, dass die dort vorgesehene Aufnahme einer Regelung für das Mitgliedschaftsrecht vor allem spätere Änderungen der entsprechenden kirchengesetzlichen Regelungen erschweren würde,642 die grundsätzliche Bedeutung einer solchen Aussage zur Kirchenmitgliedschaft innerhalb der Grundordnung entgegengesetzt, damit allerdings auch die Brisanz einer solchen Formulierung deutlich gemacht. „Wir sollten doch wissen, daß mit dem Kirchenmitgliedschaftsgesetz ein ganzes Stück Kirche-Sein der EKD vorweggenommen wurde. Es heißt dort und in unserem Entwurf: ‚Der getaufte Christ gehört durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich der Evangelischen Kirche in Deutschland an.‘ Das zielt auf die berühmte ‚mittelbare Mitgliedschaft‘ in der EKD. Wenn es diese gibt, dann muß die EKD ja so etwas wie Kirche sein, nicht im vollen Sinn, aber so etwas Ähnliches. Das haben wir im Kirchenmit-

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EBD., S. 83; vgl. O. LINGNER, Leuenberg, S. 347. WORMS 1983, S. 86 (A. Echte). EBD., S. 87 (A. Echte). EBD., S. 354.

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 147 gliedschaftsgesetz beschlossen mit Zustimmung aller Landessynoden. Es ist sicher von erheblichem Gewicht, ob wir diese Aussage über die EKD aus dem einfachen Gesetz in die Grundordnung heraufnehmen.“643

Der zweite Einwand, der bezeichnenderweise von einem Vertreter der württembergischen Kirche geltend gemacht wurde, widersprach der allgemeinen Einschätzung, dass die Vorlage unterhalb der Zustimmungsgrenze bliebe, und beantragte dementsprechend, das Kirchengesetz erst nach Zustimmung durch die Landeskirchen in Kraft treten zu lassen.644 Ein dritter innerhalb der Synode erhobener Einwand bezog sich auf die aktuelle Kontroverse über die nukleare Bewaffnung, die als so tief greifend empfunden wurde, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Änderung der Grundordnung, die eine engere Gemeinschaft festschreibe, nicht angebracht sei.645 Während der Rechtsausschuss, an den das Kirchengesetz überwiesen worden war, die letzten beiden Einwände für nicht gerechtfertigt hielt, versuchte er das Anliegen der Unterzeichner des Initiativantrages646 weit gehend aufzunehmen und legte der Synode einen entsprechend überarbeitenden Entwurf für ein Kirchengesetz zur Änderung der Grundordnung vor. Darin wurde – abgesehen von einer mehr redaktionellen Änderung in der Formulierung zur „bestehenden Gemeinschaft“647 – zum einen die deklaratorische Aussage der Ratsvorlage, dass die Gliedkirchen der EKD der Leuenberger Konkordie zugestimmt haben, durch die Feststellung ersetzt, dass „zwischen den Gliedkirchen . . . Kirchengemeinschaft im Sinne der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie)“ bestehe. Zweitens erhielt Artikel 1 einen neuen Absatz 5 zur Kirchenmitgliedschaft, der nun nicht mehr wie im Initiativantrag auf Artikel 4 GO 74 zurückgriff, sondern den bereits in der Synodalaussprache besonders hervorgehobenen Paragraf 2, Absatz 2 des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes übernahm.648 Drittens konnte sich der Ausschuss zwar nicht dazu entschließen, in Artikel 4 die „Ermöglichung der Interzelebration“ aufzu643 EBD., S. 88 (K. Schlaich). 644 EBD., S. 89 f. (K. Hennig). 645 EBD., S. 92 f. (G. Sprondel). 646 Die mit fünf Synodalen in dem 20köpfigen Rechtsausschuss vertreten waren und mit dem Richter Wolfgang Kappe dessen Vorsitzenden stellten (vgl. EBD., S. 592 f.). 647 Der erste Satz von Artikel 1, Absatz 2 lautete nun: „Die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit wird in der Evangelischen Kirche in Deutschland für ihren Bereich sichtbar.“ Die Sätze zur „besonderen Gemeinschaft“ blieben unverändert, da es sich „um eine volle Entsprechung dessen“ handelte, „was im Bund der Kirchen der DDR Verfassungsrecht ist“, und dem Rechtsausschuss „sehr“ daran gelegen war, „daß wir hier so gemeinsam sprechen“ (EBD., S. 265 [K. Schlaich]). 648 „Durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und in einer Gliedkirche gehört das Kirchenmitglied zugleich der Evangelischen Kirche in Deutschland an.“

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

nehmen, sprach dafür dort aber nicht mehr nur von einer in der EKD bestehenden „Abendmahlsgemeinschaft“, sondern von einer bestehenden „Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft“. Dieser Vorschlag ging damit insgesamt deutlich über die Ratsvorlage hinaus. Zwar wurde die EKD nach Artikel 1 (1) weiterhin als Bund bezeichnet, dieser Beschreibung standen jedoch die folgenden Aussagen gegenüber, die in mehrfacher Hinsicht auf eine darüber hinausgehende Gemeinschaft in der EKD hinwiesen. Vor allem der neue Absatz 5, der davon sprach, dass das Mitglied einer Gliedkirche zugleich der Evangelischen Kirche in Deutschland „angehöre“, veränderte den Interpretationsrahmen, sodass die in der EKD bestehende Gemeinschaft nach Absatz 4 (neue Zählung) nun nicht mehr nur im Lichte von Absatz 3, sondern auch im Lichte von Absatz 5 und damit als Gemeinschaft in einer Kirche verstanden werden konnte. Trotz dieser Änderungen vertraten Rechtsausschuss und Synode die Auffassung, dass das Kirchengesetz auch weiterhin nicht der Zustimmung der Landeskirchen bedürfe.649 Es wurde von der Synode ohne weitere Veränderungen bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen beschlossen.650 Die nach Art. 26 (3) GO 48 notwendige Zustimmung der Kirchenkonferenz zu diesem Kirchengesetz verzögerte sich jedoch, wobei der von der Synode im ersten Artikel neu hinzugefügte Absatz 5 sowie „Unbehagen gegenüber einer Kirchwerdung der EKD“651 eine entscheidende Rolle spielten und die Frage aufwarfen, ob damit nicht doch die Schwelle einer Zustimmungspflicht der Gliedkirchen überschritten sei. Anstelle der für den 9. Dezember 1983 vorgesehenen Zustimmung der Kirchenkonferenz652 beauftragte diese ihren Arbeitsausschuss, „die Rechtslage zu prüfen und der Kirchenkonferenz zur nächsten Sitzung im März 1984 eine Vorlage zu unterbreiten“.653 Dieser Arbeitsausschuss kam auf seiner Zusammenkunft am 16. Februar 1984 zu dem Ergebnis, der Kirchenkonferenz zwar die Zustimmung zum Kirchengesetz, jedoch zusätzlich einen erläuternden Feststellungsbeschluss zu empfehlen. Dieser sollte vier Punkte enthalten, und zwar die Feststellung: – dass Art. 1 (5) lediglich die „deklaratorische Übernahme einer Bestimmung darstellt, die bereits im Rahmen der geltenden Grundordnung mit Zustim-

649 EBD., S. 265, 275. 650 EBD., S. 275. 651 W. Hammer/H.-G. Babke: Niederschrift über die Referentenbesprechung der Hauptabteilungen I und II des Kirchenamtes der EKD am 13.12.1983, 21.12.1983 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 1029), S. 1. 652 Vgl. H.-J. Höner: Vorlage für die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 8.12.1983 in Bonn. Betr. Kirchengesetz zur Änderung der Artikel 1 und 4 GO EKD, 15.11.1983 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 574). 653 E. Schlieper/W. Hammer: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 9.12.1983 in Bonn, undatiert (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 576), S. 4.

Das Scheitern des Reformwerkes und seine partielle Wiederaufnahme 149 mung aller Gliedkirchen durch Kirchengesetz der EKD übereinstimmend getroffen worden“ sei, ihre Aufnahme in die Grundordnung also nicht bedeute, „daß die Absätze 1 bis 4 des Artikels 1 künftig im Lichte oder in Abgrenzung zu dem neuen Absatz 5 auszulegen“ wären;654 – dass Art. 1 (5) nur von den Bestimmungen des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes her ausgelegt werden kann und dementsprechend „keinen Verfassungsauftrag“ enthalte, „der über diese Bestimmungen hinausgeht“;655 – dass „die durch das Kirchengesetz zur Änderung der Artikel 1 und 4 der Grundordnung im November 1983 beschlossenen Bestimmungen der GO.EKD . . . zu denjenigen Grundsätzen“ gehören, „die nur mit Zustimmung aller Gliedkirchen geändert werden können“;656 – sowie die Bitte an den Rat, eine Grundordnungsergänzung vorzubereiten, nach der eine Änderung der Grundbestimmungen künftig nur mit Zustimmung aller Gliedkirchen möglich sei.657 Diesen Vorschlag nahm die Kirchenkonferenz „mit grundsätzlicher Zustimmung“ entgegen.658 In der nachfolgenden Verständigung zwischen Kirchenkonferenz und Präsidium der Synode, die diesen Feststellungsbeschluss übernehmen sollte, wurden Punkt 3 und 4 allerdings fallen gelassen. Weder wurde eine weitere Grundordnungsänderung im Sinne von Punkt 4 für sinnvoll gehalten, noch dürfe die Synode ins Unrecht gesetzt werden, indem erklärt würde, dass die Dinge, die sie gerade geändert habe, zu denen gehörten, die sie nicht ändern dürfte. Stattdessen wurde unter Punkt 2 die Feststellung ergänzt, dass Art. 1 (5) nur mit Zustimmung aller Gliedkirchen geändert werden könne.659

Am 14. Juni 1984 erteilte die Kirchenkonferenz ihre Zustimmung unter gleichzeitiger Verabschiedung des so veränderten Feststellungsbeschlusses.660 Diese Fassung der „Grundbestimmungen“ blieb bis zur „Herstellung der Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland“ in Geltung.661 654 Zu TOP 2 der Tagesordnung der Kirchenkonferenz, Betr. Kirchengesetz zur Änderung der Artikel 1 und 4 der Grundordnung der EKD (beschlossen von der EKD-Synode im November 1983), 16.2.1984 (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 373), S. 2. 655 EBD. 656 EBD. 657 EBD., S. 3. 658 W. Hammer/J. Linnewedel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 15.3.1984 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 577), S. 5. 659 Niederschrift über die 48. Sitzung des Arbeitsausschusses der Kirchenkonferenz der EKD am 21. und 22.5.1984 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 373), S. 2; vgl. R. Gritzka: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der Synode der EKD am 6./7.4.1984 in Bonn, undatiert (EZA BERLIN, 2/02, Nr. 373), S. 2 f. 660 C. Grütter: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 14.6.1984 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/01, Nr. 578), S. 5 f.; Zustimmung der Kirchenkonferenz zu dem Kirchengesetz zur Änderung der Artikel 1 und 4 der Grundordnung der EKD 15.6.1984 (Abl. EKD 38 [1984], S. 250). 661 Mit der beabsichtigten Wahrnehmung der Rechte und Pflichten von Gliedkirchen der EKD brachten die ostdeutschen Landeskirchen ihr Streben nach einer verbindlicheren Gemeinschaft in die EKD ein, was zu einer entsprechenden Änderung des Artikels 1 der

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Bemühungen um ein neues Verständnis der EKD

Grundordnung führte. Abgesehen von Absatz 2 zur „besonderen Gemeinschaft“, der nunmehr entfiel und durch den vorgezogenen Absatz 4 ersetzt wurde, entfiel in dieser Neufassung auch die Bezeichnung der EKD als „Bund“ in Absatz 1. Stattdessen wurde formuliert: „Die Evangelische Kirche in Deutschland ist die Gemeinschaft ihrer lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen. Sie versteht sich als Teil der einen Kirche Jesu Christi.“ Auch der alte Absatz 4 erfuhr als Absatz 2 eine stärkere Akzentuierung, indem er nicht nur an die zweite Stelle rückte, sondern in seinem zweiten Teil ebenfalls umformuliert wurde: „Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert . . . das Zusammenwachsen ihrer Gliedkirchen in der Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus“ (Kirchengesetz der EKD zur Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit der EKD vom 24.2.1991, in: Abl. EKD 45 [1991], S. 89 f.).

Die Initiative zur Bildung einer „VE K Vorgeschichte in der DD R“

4. Die Initiative zur Bildung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“

4.1. Vorgeschichte 4.1.1. Zum Selbstverständnis des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Anders als die EKD in ihrer Grundordnung von 1948 war der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR in seiner Ordnung von 1969 als eine dynamische Gemeinschaft beschrieben, die gemeinsam auf ein Ziel hin unterwegs ist und sich von diesem Ziel her versteht. Dieses Ziel war nicht der Kirchenbund selbst, auch nicht seine Stärkung, sondern ein weiteres Zusammenwachsen der Landeskirchen „in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus“, also ihr Zusammenwachsen zu einer Kirche (im theologischen Sinne). Der Kirchenbund als organisatorisch-institutioneller Ausdruck dieses Bestrebens sollte dafür lediglich die Rahmenbedingungen schaffen und somit den Weg auf dieses Ziel hin erleichtern. Er „verstand sich nicht als Ende, sondern als Anfang eines kirchlichen Einigungsprozesses.“1 Dementsprechend setzte die Ordnung des Bundes in den Grundbestimmungen auch nicht mit einer Beschreibung dessen ein, was der Bund sei, sondern beschrieb an erster Stelle eben dieses sein Ziel (Artikel 1, Absatz 1 und 2 BO): „(1) Ziel des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik ist, die diesen Kirchen vorgegebene Gemeinschaft und ihre in der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik geübte Zusammenarbeit zu vertiefen. (2) Der Bund als ein Zusammenschluß von bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen strebt an, in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus zusammenzuwachsen.“2

Mit der Verpflichtung, die den Kirchen in der DDR „vorgegebene Gemeinschaft und . . . Zusammenarbeit zu vertiefen“, war nicht nur die dem 1 U. SCHRÖTER/H. ZEDDIES, Nach-Denken, S. 26. 2 Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 10.6.1969 (Abl. EKD 23 [1969], S. 410–413).

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

Bund gestellte Aufgabe beschrieben, sondern im Prinzip auch seine institutionelle Vorläufigkeit vorausgesetzt. Denn in dieser Zielstellung war mit enthalten, dass sich der Bund als Ausdruck der bestehenden Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR in der Erfüllung seiner Aufgabe, „Kirche“ zu werden, in seiner gegenwärtigen Form selbst überholen, vielleicht sogar überflüssig machen, zumindest aber verändern müsse.3 Im Interesse dieser „Kirchwerdung“ des Bundes konnten und mussten alle weiteren Aussagen über den Bund, seine Struktur und konkreten Kompetenzen zu gegebener Zeit zur Disposition stehen. Ein wesentliches Problem bei der Kirchwerdung des Bundes war sein ungeklärtes Verhältnis zu den anderen gliedkirchlichen Zusammenschlüssen in der DDR – zur Evangelischen Kirche der Union (Bereich DDR) und zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR.4 Beide Zusammenschlüsse waren 1969 weder als Mitgliedskirchen an der Bildung des Kirchenbundes beteiligt, noch war der Bund – obwohl ein solcher Plan auf lutherischer Seite teilweise bestanden hatte5 – als Zusammenschluss aus EKU und VELK gebildet worden. Der Bund war damit vorerst lediglich ein (neben EKU und VELK weiterer) Zusammenschluss derselben Landeskirchen,6 der sich von den beiden anderen allein dadurch unterschied, dass er nicht einer besonderen Bekenntnisbindung verpflichtet war und somit alle evangelischen Landeskirchen in der DDR in sich vereinen konnte. Sein Verhältnis zu den konfessionellen Zusammenschlüssen7 blieb einer zukünftigen Klärung überlassen. 3 Im Bericht des Vorsitzenden der KKL auf der Bundessynode 1982 in Herrnhut wurde dies trotz der inzwischen eingetretenen Schwierigkeiten bei der Verwirklichung noch einmal ausdrücklich bekräftigt: „Der Bund der Evangelischen Kirchen ist nach Aussage der grundlegenden Artikel seiner Ordnung auf eine beständige Überholung seiner gegenwärtigen Wirklichkeit angelegt. Ein häusliches Sich-Einrichten in der gegenwärtigen Gestalt würde in Widerspruch zu Anliegen und Ziel des Bundes stehen. Stillstand der Bemühungen um eine Vertiefung der unter unseren Kirchen geschenkten Gemeinschaft würde uns zurückwerfen auf die Anfänge des Bundes. Niemand will das“ (1. Tagung der IV. Bundessynode – 29. bis 31.1.1982 in Herrnhut, Tonbandabschrift, Bd. 2 [EZA BERLIN, 101, Nr. 5351], S. 175). 4 Vgl. unten Kap. 4.1.2. 5 Etwa vonseiten des Leitenden Bischofs der VELK DDR, Niklot Beste, der einen Zusammenschluss „auf klarer lutherischer Bekenntnisgrundlage“ anstrebte (vgl. Beste an Stolpe, 11.10.1978 [EZA BERLIN, 101, Nr. 17] sowie die entsprechenden Erläuterungen von Bischof Schönherr auf der Eisenacher Delegiertenversammlung: EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 [EZA BERLIN, 101, Nr. 6116], S. 99). 6 Damit war das Verhältnis von EKU und VELK in der DDR zum Bund etwas anders als das Verhältnis der entsprechenden Zusammenschlüsse in Westdeutschland zur EKD, wo sich die EKU – im Gegensatz zur VELKD – als Gliedkirche der EKD verstand (siehe oben S. 94, 125 f.). 7 Wenn hier und im Folgenden von der VELK und der EKU als von „konfessionellen Zusammenschlüssen“ gesprochen wird, so ist dies als Arbeitsbegriff zu verstehen, der ledig-

Vorgeschichte

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Die Ursachen für dieses im Rückblick mitunter als Fehler bezeichnete Vorgehen8 bei der Bildung des Bundes lagen zum einen in dem Bestreben, seine Gründung nicht mit der ungeklärten konfessionellen Frage zu belasten, zumal auf lutherischer Seite Bestrebungen zur Stärkung des lutherischen Elements im Bereich der DDR nicht zu verkennen waren. Zum anderen war eine Einbeziehung der konfessionellen Zusammenschlüsse aus strukturellen Gründen gar nicht möglich, da die Ostregion der EKU noch nicht über die dafür notwendige Eigenständigkeit gegenüber der Westregion verfügte. Während die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR die organisatorische Trennung von der VELKD bereits vollzogen hatte, war ein entsprechender Schritt innerhalb der EKU zum Zeitpunkt der Bundesgründung weder zu erwarten noch ernsthaft im Gespräch.

Die faktische Verkomplizierung der gesamtkirchlichen Landschaft im Interesse ihrer Vereinfachung stellte wohl eine grundlegende Aporie bei der Bildung des Bundes dar. Er versuchte diese Aporie gemäß seiner Zielstellung dadurch zu überwinden, dass er sich nicht als ein Drittes neben EKU und VELK verstand, sondern als koordinierendes und integrierendes Bindeglied zwischen EKU und VELK und als Moderator ihrer gegenseitigen Verständigung und Annäherung tätig zu werden suchte. Diese Intention fand in zahlreichen gemeinsamen Arbeitsgremien ihren Ausdruck, in denen es unter der Geschäftsführung des Bundes zu gemeinsamer Sacharbeit von EKU und VELK kam. Eine Chance zur Auflösung der genannten Aporie und zur erkennbaren Umsetzung der in Artikel 1 BO formulierten Zielstellung bot sich, als 1979 eine Delegiertenversammlung aus Vertretern von EKU, VELK und Bund deren Auflösung zugunsten einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ empfahl.9 So unerwartet diese Empfehlungen vor allem hinsichtlich des darin enthaltenen konkreten Zeitplans waren, so sehr entsprachen sie sachlich dem, was seit der Gründung des Bundes angestrebt und in seiner Ordnung festgelegt worden war.10

4.1.2. Die Positionen von EKU und VELK in der DDR Die Haltung der „konfessionellen“ Zusammenschlüsse EKU und VELK zur Zielstellung des neu gegründeten Bundes, „in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisse und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn lich ihre im Unterschied zum Bund jeweils besondere Bekenntnisbindung zum Ausdruck bringen, ihnen jedoch nicht „Konfessionalismus“ unterstellen soll. 8 Unter anderem auch auf der Eisenacher Delegiertenkonferenz, 25.–28.1.1979 (Tonbandabschrift, Bd. 1 [vgl. Anm. 5], S. 98). 9 Empfehlungen der Delegiertenversammlung in Eisenach vom 28.1.1979 (abgedruckt u. a. in: M. FALKENAU, Kundgebungen BEK I, S. 284–290). – Vgl. dazu unten Kap. 4.3.5. 10 Vgl. unten Kap. 4.1.3.

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

Jesus Christus zusammenzuwachsen“, war unterschiedlich, zum Teil innerhalb der Zusammenschlüsse selbst kontrovers (etwa zwischen Leitungsorgan und Synode) sowie in beiden Zusammenschlüssen einer Entwicklung unterworfen, in deren Verlauf das konfessionelle Problem zugunsten der Frage nach der Zukunft der Ost-West-Gemeinschaft in den Hintergrund trat. Für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, die erst 1948 gebildet worden11 und damit – deutlicher als die EKU – bereits von Anfang an in ost- und westdeutsche Gliedkirchen differenziert war, erschien die mit der Intensivierung der Gemeinschaft zwischen den ostdeutschen Kirchen einhergehende organisatorische Trennung von den westdeutschen Kirchen zwar als bedauerlich, jedoch keineswegs als ein Hinderungsgrund, der eine Umsetzung der Zielstellung von Artikel 1 der Bundesordnung hätte in Frage stellen können. Nachdem die VELK bereits 1963 die Regionalisierung ihrer Organe (Regionaltagungen der Synode, Regionalisierung der Aufgaben und Befugnisse der Kirchenleitungsmitglieder) durchgeführt hatte,12 zog sie als erster Zusammenschluss die Konsequenzen aus Artikel 39, Absatz 213 der neuen DDR-Verfassung von 1968 und gründete im November 1968 in Freiberg die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR.14 Das bedeutete freilich nicht, dass für die VELK in der DDR die Ost-West-Gemeinschaft unwichtig gewesen und mit der institutionellen Trennung von der VELKD völlig aufgegeben worden wäre. Bereits auf der Gesamtsitzung der VELKD-Kirchenleitung am 2. September 1968 war von allen Anwesenden „die Notwendigkeit und der Wille unterstrichen“ worden, „im Rahmen des Möglichen an der Gemeinschaft und am gemeinsamen Handeln der Organe und Gremien festzuhalten“.15 Ebenso

11 Vgl. Verlautbarung über das Inkrafttreten der Verfassung der VELKD vom 23.12.1948 (Abl. EKD 3 [1949], S. 26). 12 Vgl. Kirchengesetz über eine regionale Gliederung der Organe der Vereinigten Kirche vom 14.6.1963 (Abl. EKD 17 [1963], S. 233 f.). 13 „Die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten und üben ihre Tätigkeit aus in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik. Näheres kann durch Vereinbarungen geregelt werden.“ – Innerhalb der VELK wurde – zu Recht – befürchtet, dass dieser Artikel dazu benutzt werden könnte, die grenzüberschreitenden kirchlichen Zusammenschlüsse als „verfassungswidrig“ einzustufen (vgl. F. Heidler, LB D. Dr. Beste, Schwerin/LB D. Noth, Dresden/B D. Krummacher, Greifswald: Betr. Neuregelung kirchlicher Zusammenschlüsse, 5.4.1968 [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 149]). – Zur offiziellen Interpretation dieses Verfassungsartikels vgl. K. SORGENICHT, Verfassung II, S. 173, zur inoffiziellen z. B. Staatssekretär für Kirchenfragen. Abteilung II (E. Fitzner): Einschätzung der Rechtswidrigkeit der EKD, 13.9.1968 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 423), S. 2 f. 14 Beschluss der 2. Regionalen Tagung der IV. Generalsynode der VELKD in Freiberg vom 30.11.1968 (KJ 95 [1968], S. 251). 15 J. Frank: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche am 2.9.1968 in Berlin, Auguststraße 80, 14.00–17.00 Uhr, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 370), S. 2.

Vorgeschichte

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bekundete die Freiberger Gründungssynode ihren Willen, „auch künftig, so gut das möglich ist, die Gemeinschaft des Glaubens und des Dienstes“ fortzuführen.16 Diese Fortführung der Ost-West-Gemeinschaft gestaltete sich innerhalb der VELK jedoch weniger intensiv als etwa innerhalb der EKU. Die im Rahmen dieser Gemeinschaft durchgeführten regelmäßigen Begegnungen der VELKKirchenleitungen, der beiden Dienststellen sowie einiger Fachausschüsse fanden zum Beispiel weit seltener statt (meist einmal im Jahr), als dies auf EKU-Ebene üblich war. Anregungen zu einer weiteren Intensivierung der Beziehungen zwischen VELKDDR und VELKD hat es gegeben,17 diese führten allerdings kaum zu nennenswerten Änderungen.

Vielmehr engagierte sich die VELK in der DDR von Anfang an für eine engere Gemeinschaft der DDR-Kirchen und betonte mehrfach, dass die Gründung einer eigenen VELK in der DDR nicht gegen eine engere Gemeinschaft der DDR-Kirchen gerichtet, sondern gerade auch im Interesse dieser Gemeinschaft vollzogen worden sei.18 Das wichtigste und zuallererst zu klärende Problem war für die VELK dabei nicht eine wie auch immer geartete Einbeziehung der westlichen Partnerkirchen in die östliche Kirchwerdung, sondern die Klärung der Bekenntnisgrundlage der zwischen den ostdeutschen Kirchen angestrebten Gemeinschaft. Hatten die lutherischen Kirchen anfangs noch für einen Zusammenschluss auf lutherischer Bekenntnisgrundlage, genauer für eine Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses plädiert,19 wurde dieser Plan – auch wenn er gerade im Zusammenhang der späteren Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR immer wieder einmal zur Diskussion gestellt wurde – im Interesse der anzustrebenden Gemeinschaft bald fallen gelassen. Den entscheidenden Schritt in diese Richtung unternahm die Lutherische Generalsynode der VELK DDR bereits auf ihrer konstituierenden Tagung 16 Beschluss der 2. Regionalen Tagung der IV. Generalsynode der VELKD in Freiberg vom 30.11.1968 (KJ 95 [1968], S. 250). 17 Vgl. etwa G. Gaßmann an „die Herren Referenten im Hause“: Beziehungen zwischen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands/Deutsches Nationalkomitee und Vereinigter Evangelisch-Lutherischer Kirche in der DDR und Nationalkomitee in der DDR, 11.1.1977 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 377). 18 Memorandum über die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR (VELK), April 1969 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 357), S. 3 f. In diesem Sinne hatte der Mecklenburger Bischof Beste auf der Zusammenkunft der KKL am 10. Dezember 1968 nicht nur über das Ergebnis der Freiberger Synode und die dort beschlossene Bildung einer VELK DDR informiert, sondern auch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Schritt „der Zusammenarbeit aller Kirchen in der DDR dienen und nicht trennend wirken“ solle (M. Stolpe: Niederschrift über die Sitzung der KKL am 10.12.1968 in Berlin-Weißensee, undatiert [EZA BERLIN, 102, Nr. 13], S. 2; Beste an Stolpe, 23.12.1968 [EZA BERLIN, 102, Nr. 13]). 19 Vgl. H. Zeddies: Niederschrift über die regionale Sitzung der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche am 9. April 1968 in Berlin – Auguststraße, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 370), S. 3.

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vom 3. bis 6. Juli 1969 in Eisenach. In ihrer dort verabschiedeten „Eisenacher Entschließung“20 bestätigte sie, dass sie „eine Kirchengemeinschaft aller evangelischen Kirchen in der DDR“ anstrebe, „die über den bisher unter den Kirchen in der DDR erreichten Grad der Gemeinschaft“ hinausgehe. Dabei verzichtete sie sowohl darauf, diese engere Gemeinschaft als Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses zu skizzieren, als auch auf die bis dahin erhobene Forderung, diese Gemeinschaft überhaupt auf ein gemeinsames Bekenntnis zu gründen.21 Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine solche „Kirchengemeinschaft“ formulierte sie vielmehr offen und sprach von einer „Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung“. Damit übertrug sie ihr eigenes Modell einer Kirche mit gemeinsamer Bekenntnisgrundlage bewusst nicht auf die künftige engere Gemeinschaft der Kirchen in der DDR, sondern erklärte stattdessen ausdrücklich, dass sie sich „nicht als eine ein für allemal gültige Form des kirchlichen Zusammenschlusses verstehe, sondern . . . nach vorn hin offen sein“ wolle.22 Daraus ergab sich für die Generalsynode einerseits die Bitte an die Kirchenleitung, „einen ständigen Ausschuß zur Intensivierung der kirchlichen Gemeinschaft zu bilden“, und zum anderen die Notwendigkeit einer umgehenden Verständigung mit der EKU über die „Grundlagen der Verkündigung“ („Lehrgespräche“). Beides wurde unmittelbar in Angriff genommen: Die Lehrgespräche begannen bereits im Dezember 1969; der eingesetzte „Intensivierungsausschuß“ konnte auf der nächsten Tagung der Generalsynode (16.–20.9.1970 in Schwerin) konkrete Vorschläge sowohl für eine Intensivierung der Zusammenarbeit innerhalb der VELK als auch für eine engere Zusammenarbeit innerhalb des Bundes (Delegierung bestimmter Aufgabenbereiche) unterbreiten.23 Als die Generalsynode zwei Jahre später (27.9.–1.10.1972 in Weimar) unter dem Thema „Unterwegs zur größeren Gemeinschaft“ Bilanz zog, stellte sie fest, dass „die Impulse der Generalsynode . . . auf gesamtkirchlicher Ebene schnell und nachhaltig gewirkt haben“.24 In ihrem Beschluss bestätigte sie noch einmal die Zielstellung der Eisenacher Entschließung und betonte hinsichtlich der im Entwurf vorliegenden Leuenberger Konkordie, dass mit der Verabschiedung dieser Konkordie auf europäischer Ebene „die Endphase kirchlicher Gemeinschaft in der DDR noch nicht erreicht“ sei. Vielmehr halte es die Synode „für wünschenswert, auf 20 Abgedruckt in: KJ 96 (1969), S. 282 f. 21 Nach H. Zeddies, der an der Formulierung der Eisenacher Entschließung maßgeblich beteiligt war, sind die Lutheraner damit in Eisenach „über ihren Schatten gesprungen“ (Gespräch mit OKR Dr. Helmut Zeddies am 5.2.2001, S. 2). 22 KJ 96 (1969), S. 282. 23 Vgl. Bericht des Ausschusses der VELK in der DDR zur Intensivierung der kirchlichen Gemeinschaft (KJ 97 [1970], S. 292 f.). 24 Zeddies in seinem Referat zum Synodalthema (KJ 99 [1972], S. 385).

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dem Wege zu einer durch Intensität und Konkretion geprägten größeren Gemeinschaft noch weiter voranzukommen“.25 Mit dem positiven Ergebnis der Lehrgespräche, die eine wesentliche Übereinstimmung in der Verkündigung der Rechtfertigung feststellen konnten,26 war für die VELK die Voraussetzung für eine solche größere Gemeinschaft gegeben. Weitere Grundsatzfragen oder Vorbedingungen wurden von ihrer Seite nicht ins Gespräch gebracht, sondern ihrerseits auf eine Verwirklichung der nunmehr möglichen Gemeinschaft gedrängt. Völlig anders waren Situation und Diskussionsverlauf innerhalb der Evangelischen Kirche der Union, die auf eine über 150jährige Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen in Ost und West zurückblicken konnte und an dieser Gemeinschaft auch angesichts der veränderten gesellschaftlichen und politischen Situation festhielt. Im Zusammenhang der mit der Verfassung der DDR von 1968 geschaffenen neuen Rechtslage wurden zwar erste Schritte in Richtung auf eine organisatorische Differenzierung zwischen Ost und West in Angriff genommen (Regionalisierung der Synode und Bildung von Sektionen innerhalb des einen Rates der EKU),27 jedoch ohne dass der Ostbereich Eigenständigkeit erlangte oder auch nur anstrebte. Eineinhalb Jahre später wurde diese 1968 festgelegte Regionalisierung durch den Rat der EKU lediglich dahingehend erweitert, dass jede Regionalsynode nunmehr jeweils ein eigenes Präsidium bestimmen konnte.28 Auch das 1972 auf der Regionalsynode Ost in Magdeburg beschlossene „Kirchengesetz über die Organe und Dienststellen der Evangelischen Kirche der Union“,29 das die Regionalisierung innerhalb der EKU regelte, hielt an der Gemeinschaft zwischen Ost und West fest. Inhalt der Regionalisierung war zwar die Bildung zweier Bereiche innerhalb der einen EKU mit jeweils eigenständigen Organen (Rat, Synode, Kanzlei), die die Aufgaben für ihren Bereich unabhängig voneinander wahrnehmen sollten. Das Gesetz verpflichtete jedoch sowohl die Bereichssynoden als auch insbesondere die Bereichsräte dazu, die brüderliche Gemeinschaft beider Be25 Vgl. KJ 99 (1972), S. 395 f. 26 Die Arbeitsergebnisse dieser (ersten) Lehrgesprächskommission wurden in fünf Werkstattberichten zusammengefasst, von denen jeder die Rechtfertigungsbotschaft auf jeweils eine bestimmte Fragestellung hin zu entfalten versuchte: I: „Verkündigung, Lehre und Kirchengemeinschaft“, II: „Rechtfertigung und heutige Rede von Gott“, III: „Rechtfertigung und Gesellschaft“, IV: „Rechtfertigung, Glaube und Bewußtsein“, V: „Rechtfertigung und Zukunft“ (der letzte Arbeitsbericht wurde im September 1973 vorgelegt). 27 Vgl. Regionalordnung der EKU vom 1.10.1968 (Abl. EKD 22 [1968], S. 469 f.); Verordnung über die Sektionen des Rates der EKU vom 1.10.1968 (Abl. EKD 22 [1968], S. 470). 28 Verordnung zur Abänderung der Regionalordnung der EKU und der Verordnung über die Sektionen des Rates der EKU vom 1.10.1968 vom 3.2.1970 (Abl. EKD 24 [1970], S. 179 f.). 29 Kirchengesetz über die Organe und Dienststellen der EKU vom 23. April/8.5.1972 (Abl. EKD 26 [1972], S. 346 f.).

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reiche weiter zu fördern. Für die Bereichsräte waren gemeinsame Sitzungen vorgesehen, „die der unmittelbaren gegenseitigen Information und Abstimmung über Vorhaben in beiden Bereichen dienen“ (§ 4, Absatz 2). Vor der Verabschiedung von Ordnungsänderungen, die nur einen Bereich betrafen, war dem anderen Bereich „Gelegenheit zur Stellungnahme“ zu geben. Änderungen, die für beide Bereiche gelten sollten, bedurften „übereinstimmender Beschlüsse der beiden Synoden“ (§ 3, Absatz 2).

Nach der Regionalisierung von 1972 gab es damit zwar eine Synode der EKU für den Bereich der DDR, aber keine Evangelische Kirche der Union in der DDR, sodass die Ost und West übergreifende Gemeinschaft innerhalb der EKU keine Gemeinschaft zwischen Kirchen, sondern auch weiterhin Gemeinschaft in einer Kirche war und damit qualitativ über das hinausging, was etwa der Artikel 4 (4) der Bundesordnung vorsah. Hinzu kam – da sich die staatlichen Stellen der DDR mit der 1972 vorgenommenen Regionalisierung begnügten und die Ost-West-Beziehungen nicht weiter behinderten30 – die konkrete Erfahrung von praktizierter und trotz der bestehenden Grenzen praktikabler Ost-West-Gemeinschaft – einschließlich des Bewusstseins, der letzte gesamtdeutsche kirchliche Zusammenschluss zu sein. Infolge dieser „besonderen Gemeinschaft“ wurde für die EKU die Frage nach deren Fortführung und deren Integration in die Gemeinschaft der DDR-Kirchen zunehmend ein Hauptproblem bei der Verwirklichung des in Artikel 1 der Bundesordnung gesteckten Zieles. Vor allem im Rat, später auch in der Synode wurde befürchtet, im Zuge einer Umsetzung dieses Zieles die qualifizierte Gemeinschaft in der EKU für eine nicht in gleicher Weise qualifizierte Gemeinschaft aufgeben zu müssen. Während die EKU das Ziel von Artikel 1 BO – unter Hinweis auf den „konduktiven“ Charakter einer Evangelischen Kirche der Union31 – im Grundsatz stets bejahte, wurden gegenüber der Konsequenz einer damit verbundenen Auflösung der EKU Bedenken geltend gemacht und eine – wenn auch nur begrenzte – Integration der EKU an Vorbedingungen geknüpft. Bereits auf der Regionalisierungssynode 1972 in Magdeburg interpretierte der Ratsvorsitzende, der Görlitzer Bischof Fränkel, den zwei Jahre zuvor beschlossenen Satz vom Fortbestand der EKU32 dahingehend, dass diese Formulierung „nicht mehr besagen wollte, als daß, solange der Bund die Zielstellung, eine 30 G. BESIER/E. LESSING, Geschichte der EKU 3, S. 683; vgl. AG Kirchenfragen (W. Barth) an die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros: Information über die Ergebnisse der EKU-Synode, 3.5.1972 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV B 2/14, Nr. 147, Bl. 1–4), S. 3; Ministerium für Staatssicherheit: Information über die 2. Tagung der 4. Synode der „Evangelischen Kirche der Union“ (EKU) vom 21. bis 23.4.1972 in Magdeburg, 3.5.1972 (BStU, MfS – HA XX/4, Nr. 1262, S. 302–313), S. 9. 31 Vgl. u. a. [R. Pietz]: Überlegungen zum Weg der EKU im Bereich DDR, April 1973 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 14). 32 „Die EKU soll erhalten bleiben und nicht aufgegeben werden“ (KJ 97 [1970], S. 277).

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evangelische Kirche in der DDR zu werden, noch nicht erreicht hat, die EKU nicht aufgegeben werden könne“. Er ergänzte, dass das „Ja zur Integration in die volle Kirchengemeinschaft des Bundes . . . nur die eine Bedingung“ kenne, „daß wir mit dem, was das Spezifische unserer Kirche ausmacht, angenommen und aufgenommen werden, also im doppelten Sinn des Wortes in der größeren Kirchengemeinschaft aufgehoben sind“.33 Griff die Synode 1972 bei ihrer Beschlussfassung diese Vorbedingung noch nicht auf, schwenkte sie auf ihrer nächsten Tagung 1974 angesichts des mühsamen Voranschreitens des Kirchwerdungsprozesses in Ost und West (EKD-Grundordnungsreform) auf die zurückhaltendere Position des Rates ein und erklärte nicht mehr – wie noch 197234 –, dass die EKU bereit sei, ihr „Eigendasein“ in eine größere Gemeinschaft hineinzugeben, sondern lediglich ihre Bereitschaft, „um der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR willen zu Gunsten des Bundes auf die rechtliche Selbständigkeit ihrer Organe und Institutionen35 zu verzichten“. Diese Bereitschaft wurde noch dahingehend eingeschränkt, dass „diese Zusage . . . unter der Voraussetzung“ gelte, „daß der Bund, an den die EKU ihre Arbeit abgeben würde, für die zu ihm gehörenden Gliedkirchen keine weniger verbindliche Gemeinschaft darstellte, als sie gegenwärtig für die Gliedkirchen der EKU gegeben ist“.36 Unter Bezugnahme auf diesen Beschluss sah es die Synode 1978 in Berlin als notwendig an, „Termine festzulegen und konkrete Zwischenschritte ins Auge zu fassen“, und stellte in diesem Zusammenhang fest: „Dies soll in Absprache mit dem Rat der EKU, Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West, geschehen. Dabei müssen Formen gefunden werden, in denen die bestehende Gemeinschaft der EKU erhalten bleibt.“37 Noch weiter ging – in mehrfacher Hinsicht – ein umfangreiches Arbeitspapier der Kirchenkanzleien für die gemeinsame Sitzung der Bereichsräte am 6. Dezember 1978.38 Diese Ausarbeitung sprach zwar wieder von einer Integration der EKU und nicht nur von einer Integration ihrer Organe, dafür erfuhr darin die bereits früher formulierte und zuletzt von der Synode bestätigte Notwendigkeit, die in der EKU bestehende Gemeinschaft auch in dieser grö33 Dokumentation zu der Frage: Ist gegenüber 1972 eine Situation entstanden, die ein neues Überdenken der Gemeinschaft erforderlich macht? (Vorlage 2), undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 90), S. 3. 34 Erklärung der EKU-Regionalsynode Ost über die Gemeinschaft und Zusammenarbeit der Kirchen vom 23.4.1972 (KJ 99 [1972], S. 363). 35 Hervorhebung vom Verf. – Seit der Regionalisierung wurde innerhalb der EKU sehr genau zwischen der EKU als Kirche einerseits und ihren Organen und Dienststellen andererseits unterschieden. 36 1. Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR – vom 18.–20.6.1976 in Berlin (M. Becker): Stellungnahme der Synode der EKU – Bereich DDR – zum Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“, 20.6.1976 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 100), S. 3. 37 2. Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR – vom 30. Juni – 2.7.1978: Beschluss zum Bericht des Ratsvorsitzenden, 2.7.1978 (abgedruckt in: MATERIALIEN zur 2. Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR, S. 49). 38 Ein in vier Kapitel eingeteiltes 13seitiges Papier ohne Titel mit dreiseitiger Anlage „Integrationsmodelle“ (EZA BERLIN, 688, Nr. 90). – Vgl. unten S. 179–181.

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ßeren Gemeinschaft uneingeschränkt fortzuführen, unter Hinweis auf Barmen III nunmehr eine grundsätzliche, ekklesiologische Begründung.39 Entsprechend der Bedeutung, die damit der Ost-West-Gemeinschaft innerhalb der EKU zukam, verlangte das Arbeitspapier nicht nur eine Fortführung der in der EKU vorhandenen Ost-West-Gemeinschaft, sondern im Hinblick auf die Beziehungen des Bundes zur EKD auch eine Anhebung dieser Beziehungen auf EKUNiveau.

Die Rollen im Prozess des Zusammenwachsens der evangelischen Landeskirchen in der DDR zu einer engeren Gemeinschaft waren damit verteilt. Während sich die EKU selbst – auch wenn diese Konsequenz nicht von allen in dieser Deutlichkeit gesehen und vertreten wurde – auf die Haltung eines unentschlossen scheinenden Ja-Aber festgelegt hatte, fiel der VELK – trotz differierender Positionen ihrer Gliedkirchen – die Rolle des vorwärts drängenden und Ergebnisse anmahnenden Motors zu. Sie war es, die den Anstoß gab, der zur Einberufung der Eisenacher Delegiertenversammlung im Januar 1979 führte, auf der ihre Vertreter wiederum eine genaue Terminierung der angestrebten Schritte anmahnten. Als die Bildung des mit der VEK angestrebten neuen und engeren Zusammenschlusses scheiterte, suchte die VELK ihrerseits nach anderen Wegen, die in der Eisenacher Entschließung von 1969 formulierte Zielstellung umzusetzen. Sie entschied sich – wenn auch nicht ohne erhebliche interne Auseinandersetzungen – für eine Stärkung der Gemeinschaft innerhalb des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und im Zusammenhang damit für eine Übertragung ihrer verbliebenen Aufgaben an den Bund und für eine nachfolgende Aufgabe ihrer organisatorischen Eigenexistenz. Ein entsprechender Beschluss wurde von der Lutherischen Generalsynode auf ihrer Tagung vom 18. bis 21. Juni 1987 in Saalfeld gefasst und von der Generalsynode 1988 in Dresden in Kraft gesetzt. Ab 1. Januar 1989 gab es für die lutherischen Kirchen in der DDR nur noch einen einzigen gesamtkirchlichen Zusammenschluss, den Bund der Evangelischen Kirchen.

4.1.3. Der Bund zwischen Konkordie und Kirche Die Diskussion um eine Kirchwerdung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR wurde durch die 1973 verabschiedete „Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa“ (Leuenberger Konkordie), der alle acht evangelischen Landeskirchen in der DDR beitraten, entscheidend beeinflusst. Indem diese Konkordie die Voraussetzung für die angestrebte „Kirchengemeinschaft“ auf einen Grundsatzkonsens nach CA VII begrenzte, 39 EBD., S. 9.

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ermöglichte sie ein Verständnis der Gemeinschaft im Bund als „Kirchengemeinschaft“, ohne dass dafür ein zusätzlicher Lehrkonsens oder eine gemeinsame Bekenntnisgrundlage, wie sie von lutherischer Seite trotz der Eisenacher Entschließung vereinzelt immer wieder gefordert worden war, notwendig gewesen wäre. Mit der Leuenberger Konkordie erhielten die im Bund zusammengeschlossenen Kirchen, dessen Ordnung keinerlei theologische Basisformel oder Präambel enthielt (wie etwa die Grundordnungen der EKD von 1948 und 1974), darüber hinaus eine ausformulierte gemeinsame theologische Grundlage für ihre Gemeinschaft. Bereits das Bemühen um eine Gemeinsame Stellungnahme der DDR-Kirchen zu dem Konkordienentwurf vom 24. September 1971 erhielt den Charakter eines Tests für die angestrebte intensivere Gemeinschaft.40 Vor allem die große Einmütigkeit, mit der dieser Gemeinsamen Stellungnahme in den Synoden zugestimmt wurde, schien die Möglichkeit engerer Gemeinschaft trotz unterschiedlicher Positionen im Einzelnen unter Beweis zu stellen. „Zum ersten Mal“ war es auf synodaler Ebene „zu einer einheitlichen, übergreifenden Stellungnahme zu Grundfragen des christlichen Glaubens gekommen“.41 Angesichts dessen wurde die gemeinsame Stellungnahme in der Synodaldiskussion auch als Absichtserklärung der Kirchen verstanden, auf dem Weg zu einer größeren Gemeinschaft untereinander weiterzugehen.

Allerdings blieb die Leuenberger Konkordie, die auf europäischer Ebene lutherische und reformierte Kirchen zueinander führen wollte, die bis dahin noch durch die Verwerfungen der Reformationszeit voneinander getrennt waren, mit ihren Vorstellungen von „Kirchengemeinschaft“ hinter dem zurück, was innerhalb des Bundes – und auch innerhalb der EKD – angestrebt worden war. Den Kirchen in der DDR fehlte im Vergleich zur Leuenberger Kirchengemeinschaft lediglich die gegenseitige Erklärung der Interzelebration, während sie auf der anderen Seite in ihrem geographisch überschaubaren und durch die sozialistische Gesellschaft einheitlich geprägten Bereich bereits einen Grad an Zeugnis- und Dienstgemeinschaft sowie an lehrmäßiger Übereinstimmung (Lehrgespräche) erreicht hatten, der die in Leuenberg angestrebte Form von Kirchengemeinschaft deutlich übertraf. Damit bot die Konkordie dem Streben nach einer intensiveren Gemeinschaft zwar eine theologische Grundlage, erbrachte jedoch keinen direkten Zuwachs an Gemeinschaft. Vielmehr barg sie – neben einer unwillkürlichen Konturierung der zu überwindenden konfessionellen Barrieren – auch hier die Gefahr, sich mit der Erklärung von Kirchengemein40 So Helmut Zeddies in seinem Kommentar zur Unterzeichnung der Gemeinsamen Stellungnahme (KJ 99 [1972], S. 314). – Die Gemeinsame Stellungnahme ist abgedruckt: EBD., S. 309–312. 41 EBD., S. 314; vgl. 5. Tagung der I. Bundessynode – 26. bis 29.5.1973 in Schwerin, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5331), S. 43 (A. Schönherr).

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schaft nach der Leuenberger Konkordie zu begnügen und damit hinter bereits Erreichtes oder ursprünglich Angestrebtes zurückzugehen.42 Sowohl die Kirchen des Bundes als auch die Kirchen der EKD standen angesichts der Leuenberger Konkordie damit jeweils vor der Alternative, entweder bei einer Kirchengemeinschaft, wie sie die Konkordie auf europäischer Ebene vorsah, stehen zu bleiben oder auf dieser Grundlage weiterzudenken und selbst zu klären, was ihre über Leuenberg hinausgehende Gemeinschaft ausmacht und wie diese zu verstehen sei. Die Kirchen des Bundes entschieden sich – anders als die der EKD – für den zweiten Weg. In diesem Sinne wurde nach Vorlage der Konkordie in ihrer Endfassung im März 1973 seitens der ostdeutschen Landeskirchen ausdrücklich davor gewarnt, die von der Konkordie angestrebte Kirchengemeinschaft ohne weiteres als Modell für die Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR zu übernehmen. Nachdem 1972 auf und von der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche diese Problematik bereits angesprochen worden war,43 hob auch der Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, Bischof Albrecht Schönherr, auf der Bundessynode 1973 in Schwerin im Rahmen des Konferenzberichtes neben den Chancen deutlich die Grenzen der Konkordie hinsichtlich der von den DDR-Kirchen angestrebten Gemeinschaft hervor. „Die Konkordie ist für die europäische Ebene notwendig. Für die uns gegebenen Chancen und Aufgaben reicht sie aber nicht. Was sich innerhalb des Bundes und zwischen den gesamtkirchlichen Zusammenschlüssen an praktizierter Gemeinschaft entwickelt hat, geht schon jetzt in seiner ekklesialen Bedeutung über das Leuenberger Modell erheblich hinaus. . . . Wir werden deshalb darauf achten müssen, daß wir mit der Leuenberger Konkordie, so erfreulich der Fortschritt ist, nicht auf halbem Wege, bei einer ‚kalten Kirchengemeinschaft‘, stehenbleiben, sondern ihn zielstrebig weitergehen. Das Ziel kann nur eine Gemeinschaft sein, die ihrem theologischen Verständnis nach als Kirche in vollem Sinn zu beschreiben ist, während sie sich in ihrer geschichtlichen Gestalt als Gemeinschaft gewachsener Kirchengebilde darstellen dürfte.“44

Dieser Einschätzung schloss sich die Bundessynode an und bekräftigte erneut das Bemühen, „unser Einssein in Christus in dem Einigwerden 42 Insbesondere im lutherischen Lager wurden einzelne Stimmen laut, die den mit Leuenberg verbundenen Verzicht auf eine weiter gehende theologische Grundlegung für die angestrebte Kirchengemeinschaft bedauerten und die Tragfähigkeit des Leuenberger Fundamentalkonsenses anzweifelten (J. Rogge: Niederschrift über die gemeinsame Beratung der Kirchenleitung der VELK in der DDR und des Rates der EKU – Bereich DDR – am 29.4.1976 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 175], S. 6 f., 21). 43 Vgl. KJ 99 (1972), S. 392. 44 Bericht der KKL an die Synode Mai 1973 (Vorlage 6) (EZA BERLIN, 101, Nr. 53), S. 20 f.; vgl. 5. Tagung der I. Bundessynode – 26. bis 29.5.1973 in Schwerin, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5331), S. 44 f.

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unserer Kirche auszudrücken“. Als Zielvorstellung übernahm sie wörtlich aus dem Konferenzbericht die Beschreibung einer im theologischen Sinne als Kirche zu verstehenden Gemeinschaft geschichtlich gewachsener Kirchenkörper.45 Bereits vor der Synode hatte die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen beschlossen, die Bedeutung der Leuenberger Konkordie für die Gemeinschaft innerhalb des Bundes durch ein besonderes Arbeitsgremium klären zu lassen.46 Zu diesem Zweck wurde die Theologische Kommission des Bundes durch Hinzuziehung weiterer Vertreter der EKU und der VELK zum Gemeinsamen Ausschuss „Kirchengemeinschaft“ erweitert und mit dieser Aufgabe beauftragt. Dieser Gemeinsame Ausschuss, der im Frühjahr 1973 seine Arbeit aufnahm, arbeitete etwa ein Jahr und legte im Sommer 1974 unter dem Titel „Zwischen Konkordie und Kirche“ ein umfassendes „Arbeitsergebnis“ vor.47 Als Ausgangspunkte seiner Überlegungen benannte er darin zum einen die nach Unterzeichnung der Leuenberger Konkordie entstandene Situation, zum anderen die Zielstellung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (Artikel 1 BO) und drittens Einsichten der ökumenischen Diskussion über Vorstellungen und Modelle für eine Einigung von Kirchen (Kapitel 1). Auf dieser Grundlage erfolgte sowohl eine Klärung „theologischer Grundsatzfragen“ (Kapitel 2) als auch eine Beschreibung der „nächsten Schritte“ im Prozess eines Zusammenwachsens der im Bund zusammengeschlossenen Kirchen (Kapitel 3). Auch in der Argumentation dieses Arbeitsergebnisses, die sich letztendlich im Großen und Ganzen durchsetzte, bestand der wesentliche Ertrag der Leuenberger Konkordie in ihrer Konzentration auf einen Fundamentalkonsens im Sinne von CA VII.48 Daraus folgerte das Arbeitsergebnis für die Gemeinschaft der Kirchen in der DDR allerdings nicht nur die Möglichkeit, diese Gemeinschaft nunmehr als „Kirchengemeinschaft“ zu verstehen, sondern – da alle bestehenden Unterschiede als historisch und situativ bedingte Ausprägungen gemeinsamen Kirchenseins erkannt waren – auch die Verpflichtung, dieses gemeinsame Kirchesein in der Gemeinschaft auch auf allen Ebenen sichtbar werden zu lassen. Das schloss sowohl ein Selbstverständnis des Bundes, das diesem gemeinsamen Kirchesein Rechnung trage, als auch strukturelle Konsequenzen49 ein. Das Ziel

45 Stellungnahme der Bundessynode in Schwerin zum Bericht der KKL vom 29. Mai 1973 (abgedruckt in: M. FALKENAU, Kundgebungen BEK I, S. 91–95, 94). 46 Niederschrift über die 23. Tagung der KKL am 9./10.3.1973 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 97), S. 8. 47 Abgedruckt in: BEK DDR, Kirche als Lerngemeinschaft, S. 13–47. 48 Dabei ließ sich das Arbeitsergebnis nicht auf die Frage ein, ob die in der Konkordie bekundete Übereinstimmung wirklich als eine Übereinstimmung im Zentralen zu bewerten sei oder ob dazu noch weitere, in der Konkordie ungenannte zentrale Aussagen gehören würden. 49 Die Konkordie selbst schloss organisatorische Konsequenzen zwar nicht aus, wollte diese jedoch auch nicht präjudizieren (Art. 42–45).

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war freilich nicht, da die bestehenden Unterschiede eben auch nicht als beliebig eingestuft wurden, eine zentralistische Einheitskirche, aber doch eine Gemeinschaft, die über das hinausging, was die Konkordie selbst auf europäischer Ebene anstrebte.

Noch im Sommer wurde das Arbeitsergebnis dem Rat der EKU, der Kirchenleitung der VELK und der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen übermittelt. Der Bundessynode lag es auf ihrer Tagung im Herbst 1974 in Potsdam-Hermannswerder vor, die beschloss, die Gliedkirchen zu bitten, „sich eingehend mit der Ausarbeitung ‚Zwischen Konkordie und Kirche‘ zu befassen“, und dazu vier Fragen formulierte.50 Die Gliedkirchen befassten sich mit dem Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“ vor allem im Rahmen ihrer theologischen Ausschüsse, deren Abschlussberichte den jeweiligen Synoden übermittelt wurden und dort die Grundlage für die entsprechenden Voten bildeten. Die Generalsynode der VELK formulierte ihre Stellungnahme auf ihrer Zusammenkunft vom 19. bis 23. Mai 1976 in Dresden, die Synode der EKU wenig später auf ihrer Tagung vom 18. bis 20. Juni 1976 in Berlin. Beide Synoden stellten in ihren Voten bewusst nicht die vorhandenen Differenzen, sondern ihren Willen in den Vordergrund, auf eine engere oder bessere Gemeinschaft weiterhin zuzugehen. Die VELK-Synode verwies in diesem Zusammenhang – neben konkreten Vorschlägen für nächste Schritte – noch einmal auf ihre wiederholt erklärte Bereitschaft, „sich bis zur Selbstauflösung in diese Gemeinschaft einzubringen, unter der Bedingung, daß diese fähig und bereit ist, die bisher von der VELK wahrgenommenen Aufgaben zu übernehmen“.51 Die EKU-Synode nahm ihrerseits 50 Frage 1: „Ist die vorgenommene Beschreibung des durch die Unterschrift der Gliedkirchen zu Leuenberg erreichten ekklesiologischen Status des Bundes richtig? Ist es insbesondere zutreffend, daß, obwohl der Bund in einem grundlegenden theologischen Sinn seit und durch Leuenberg eine Kirche ist, er dennoch in einem anderen (aber in welchem?) Sinne noch zu einer Kirche werden muß?“ Frage 2: „Ist die Beschreibung des Zieles der Kirchwerdung des Bundes als einer ‚förderativ gegliederten evangelischen Kirche in der DDR‘ angemessen und wird dieses Ziel von den Gliedkirchen bejaht?“ Frage 3: „Sind die nächsten Schritte in Teil III der Ausarbeitung richtig und vollständig beschrieben, und sind die Gliedkirchen willens, diese Schritte zu vollziehen bzw. sich an ihrem Vollzug zu beteiligen?“ Frage 4: „Sind die Gliedkirchen bereit, eine dem Vorschlag in Ziffer 3.2.6. der Ausarbeitung des Ausschusses Kirchengemeinschaft entsprechende Willenserklärung [für eine Kirchwerdung des Bundes] abzugeben?“ (Beschluss der Synode zum Bericht des Ausschusses Kirchengemeinschaft vom 1. Oktober 1974; abgedruckt in: Mbl. BEK 5–6/1974, S. 73; KJ 103/104 [1976/77], S. 374). 51 Der Präsident der Generalsynode (K. Domsch): Stellungnahme der Generalsynode der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche in der DDR zum Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“, 22.5.1976 (EZA BERLIN, 101, Nr. 64), S. 7.

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in ihrem Votum mehrfach Bezug auf das VELK-Votum und konkretisierte ihre Bereitschaft, sich in eine größere Gemeinschaft hineinzugeben dahingehend, dass sie bereit sei, „um der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR willen zu Gunsten des Bundes auf die rechtliche Selbständigkeit ihrer Organe und Institutionen zu verzichten“.52 Von VELK-Seite wurde dieses durchaus einschränkende Votum als ein Gesprächsangebot verstanden, auf das sie nach der bevorstehenden Bundessynode mit einem entsprechenden Schreiben zu reagieren gedachte.53 Der Bundessynode, die vom 24. bis 28. September 1976 in Züssow unter dem Hauptthema „Kirchengemeinschaft – Einheit und Vielfalt“ zusammenkam, gelang es schließlich, die in den Synodalvoten zum Ausdruck gekommenen unterschiedlichen Positionen zu einem Grundsatzbeschluss zur Kirchengemeinschaft zusammenzuführen, der dem Bund in bestimmtem Sinne ein Kirchesein zusprach und damit eine Voraussetzung für die weiter gehenden Empfehlungen der späteren Eisenacher Delegiertenkonferenz bildete. Die Arbeit am Hauptthema begann mit einem zusammenfassenden Bericht des Sekretärs der Theologischen Kommission des Bundes, Demke, über die Synodalvoten zu den auf der Grundlage des Arbeitsergebnisses „Zwischen Konkordie und Kirche“ formulierten Fragen.54 Demke stellte hinsichtlich der ersten, grundsätzlichen Frage nach dem ekklesiologischen Status des Bundes fest, „daß ein recht breiter Konsensus darin bestehe, daß die Gemeinschaft im Bund als Kirche im grundlegend theologischen Sinne angesprochen werden“ könne,55 wobei allerdings die Bedeutung, 52 Vgl. oben S. 159. 53 Vgl. H. Tschoerner: Niederschrift zur Sitzung der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche in der DDR am 10.9.1976 in Berlin, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 373), S. 4. 54 4. Tagung der II. Bundessynode – 25.9. bis 28.9.1976 in Züssow, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 101, Nr. 5339), S. 8–12; vgl. 4. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage 4/1: Bericht über die Stellungnahmen der Synoden der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zu den Fragen der 2. Tagung der 2. Bundessynode (EZA BERLIN, 688, Nr. 92); auszugsweise abgedruckt in: KJ 103/104 (1976/77), S. 375 f., vollständig in epd Dokumentation 49/76, S. 40–43. 55 Vgl. 4. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage 4/1: Bericht über die Stellungnahmen der Synoden der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zu den Fragen der 2. Tagung der 2. Bundessynode (EZA BERLIN, 688, Nr. 92), S. 2; epd Dokumentation 49/76, S. 41. – Die Positionen innerhalb dieses „Konsenses“ waren im Einzelnen jedoch recht weit voneinander entfernt. Es traf zwar zu, dass nahezu alle Voten dem Bund ein Kirchesein im Sinne von CA VII zuerkannten, jedoch bestanden vonseiten lutherischer Kirchen durchaus Bedenken, ob das angesichts der schmalen Basis an theologischer Übereinkunft in Grundsatzfragen ausreiche, um den Bund als „Kirche“ zu bezeichnen (Der Präsident der Generalsynode [Domsch]: Stellungnahme der Generalsynode der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche in der DDR zum Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“, Mai 1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 7; vgl. auch Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1).

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die in diesem Zusammenhang der Leuenberger Konkordie zukomme, gegensätzlich eingeschätzt werde.56 Ebenso wenig bestehe – insbesondere in den lutherischen Landeskirchen – Einmütigkeit darüber, welcher Stellenwert einer Verständigung über die Funktion der Bekenntnisse in diesem Zusammenhang zukomme. Doch werde – so Demke – „die Tendenz sichtbar, das Bekenntnis nicht als Schwelle zu verstehen, die erst überschritten werden muß, um Einheit zu erlangen, sondern als erforderliche Bewährung geschenkter und erfahrener Einheit“.57 Auch der zweite Punkt, die Zielbeschreibung einer „föderativ gegliederten evangelischen Kirche in der DDR“, wurde von den meisten Voten grundsätzlich bejaht, allerdings implizit oder explizit an die Wahrung einer sachgerechten Eigenständigkeit der Landeskirchen gebunden. Eine Entwicklung des Bundes zu einer Kirche im rechtlich-organisatorischen Sinne (entsprechend den Landeskirchen) wurde auch von sonst divergierenden Voten übereinstimmend abgelehnt.58 Bei der Beantwortung der Frage nach den nächsten Schritten bestand ein gewisser Konsens vor allem in der Auffassung, dass die Vorschläge der Leuenberger Konkordie selbst sowie die Möglichkeiten, die in der vorhandenen Bundesordnung enthalten wären, erst einmal genutzt werden müssten.59 Weitere

56 Die EKU-Kirchen auf der einen Seite maßen dem Beitritt zur Leuenberger Konkordie erhebliche Bedeutung für den ekklesialen Status des Bundes bei (Stellungnahme der Synode der Kirchenprovinz Sachsen vom November 1975 und Stellungnahme der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen, soweit sie von der Synode als Anlage mit beschlossen wurde, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1). Demgegenüber sahen die lutherischen Kirchen in der Leuenberger Konkordie höchstens einen Erkenntnisfortschritt, der jedoch an dem Status des Bundes an sich nichts geändert habe (vgl. etwa Beschluss der Landessynode Mecklenburg zur „Kirchwerdung des Bundes“, 14.11.1975 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1; unentschlossen Thüringen in seiner Stellungnahme des Ad-hoc-Ausschusses zum Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1). 57 4. Tagung der II. Bundessynode – 25.9. bis 28.9.1976 in Züssow, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 101, Nr. 5339), S. 10; KJ 103/104 (1976/77), S. 375; vgl. 4. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage 4/1: Bericht über die Stellungnahmen der Synoden der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zu den Fragen der 2. Tagung der 2. Bundessynode (EZA BERLIN, 688, Nr. 92), S. 2; epd Dokumentation 49/76, S. 41. 58 Vgl. die Voten Sachsens auf der einen (Stellungnahme der Landessynode, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 5) und Berlin-Brandenburgs auf der anderen Seite (Der Präses der Synode [M. Becker]: Stellungnahme, 27.4.1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1 f.). Am weitesten wagte sich hier die Synode der Kirchenprovinz Sachsen vor, die mit der Feststellung des ekklesialen Status des Bundes den Wunsch verband, „daß der BEK diesem Status in institutioneller und organisatorischer Form noch stärker entsprechen möchte“ (Stellungnahme der Synode der Kirchenprovinz Sachsen vom November 1975 und Stellungnahme der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen, soweit sie von der Synode als Anlage mit beschlossen wurde, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1). 59 Insbesondere Thüringen (I. Braecklein: Stellungnahme des Landeskirchenrates der Ev.Luth. Kirche in Thüringen. Betr.Memorandum „Zwischen Konkordie und Kirche“, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1) und Mecklenburg (Beschluss der Landessynode Mecklenburg zur „Kirchwerdung des Bundes“, 14.11.1975 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1), aber auch Berlin-Brandenburg (vgl. Der Präses der Synode [M. Becker]: Stellungnahme, 27.4.1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 2 f.).

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Vorschläge kamen insbesondere von der Generalsynode der VELK (u. a. für eine Kooperation der gesamtkirchlichen Synoden). Darüber hinaus wurden noch einmal die bereits zu den vorangegangenen beiden Punkten benannten Anliegen und Probleme zum Ausdruck gebracht. Insbesondere wurde ein unterschiedliches Verständnis des von allen an sich befürworteten föderativen Charakters einer Evangelischen Kirche in der DDR deutlich. Während einige zur Umsetzung dieser föderativen Struktur eine stärkere Beteiligung der Landeskirchen an der Arbeit des Bundes vorschlugen,60 forderten andere aus dem gleichen Grund eine deutliche Stärkung der Stellung des Bundes im Gegenüber zu den Landeskirchen.61 Für die vom Ausschuss Kirchengemeinschaft als Grundlage für weitere Schritte empfohlene Bereitschaftserklärung wurde in etlichen Voten keine Notwendigkeit gesehen.62

Insgesamt eröffnete sich trotz der bekundeten grundsätzlichen Bereitschaft der Kirchen zur Vertiefung der Gemeinschaft angesichts ihrer disparaten Voten kein unmittelbar weiterführender Weg zu einer solchen intensiveren Gemeinschaft,63 sodass Demke in seinem Überblicksreferat auch nur ein sehr allgemeines Resümee zu ziehen vermochte: „1. Alle Stellungnahmen bringen eine Bekräftigung der Ziele, die in Artikel 1 (1) und 1 (2) der Bundesordnung ausgesprochen sind. Diese Ziele sind nicht eine bloß momentane Notwendigkeit, sondern werden als im Auftrag des Herrn begründet anerkannt. 60 Vor allem die Voten der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und der Generalsynode der VELK; letztere schlug unter anderem die Beauftragung von „Bevollmächtigten oder Ständigen Vertretern der Gliedkirchen beim Bund“ vor (Der Präsident der Generalsynode [K. Domsch]: Stellungnahme der Generalsynode der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche in der DDR zum Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“, Mai 1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 5 f.). 61 Etwa die Synode der Ev. Landeskirche Greifswald (Der Präses der Landessynode [D. Affeld]: Stellungnahme der Landessynode zu den Fragen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR hinsichtlich des Papiers „Zwischen Konkordie und Kirche“, 24.4.1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64]) und die der Kirchenprovinz Sachsen (Stellungnahme der Synode der Kirchenprovinz Sachsen vom November 1975 und Stellungnahme der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen, soweit sie von der Synode als Anlage mit beschlossen wurde, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1). 62 Mecklenburg (Beschluss der Landessynode Mecklenburg zur „Kirchwerdung des Bundes“, 14.11.1975 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 2), Sachsen (Stellungnahme der Landessynode, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 5), Thüringen (I. Braecklein: Stellungnahme des Landeskirchenrates betr. Memorandum „Zwischen Konkordie und Kirche“, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 1). Ausführlich abgegeben jedoch von Berlin-Brandenburg (Der Präses der Synode [M. Becker]: Stellungnahme, 27.4.1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 4), knapp von Greifswald (Der Präses der Landessynode [D. Affeld]: Stellungnahme der Landessynode zu den Fragen des BEK hinsichtlich des Papiers „Zwischen Konkordie und Kirche“, 24.4.1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 2) und Görlitz (Stellungnahme der Provinzialsynode, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 64], S. 2). 63 Olav Lingner sprach im Kirchlichen Jahrbuch von einem „im Grunde recht mageren Ergebnis“ (KJ 103/104 [1976/77], S. 380).

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2. Auch wenn die Bedeutung der Zustimmung zur Leuenberger Konkordie nicht einhellig beurteilt wird, so wird die Konkordie doch als eine Verstärkung der Verpflichtung zum ‚Zusammenwachsen‘, wie es Artikel 1 (2) Bundesordnung heißt, angesehen. 3. Es scheint notwendig, Verfahren dafür, wie Eigenständigkeit und gegenseitige Verpflichtung wirksam verknüpft werden können, genauer zu entwickeln und zu prüfen. 4. Notwendigkeit und Gewinn der Gemeinsamkeit müssen an einzelnen Aufgaben konkret begründet und belegt werden.“64

Als Anregung für die inhaltliche Arbeit der vorgesehenen fünf synodalen Arbeitsgruppen dienten zwei Einführungsreferate in das Gesamtthema, die von dem Potsdamer Generalsuperintendenten Horst Lahr und dem sächsischen Oberlandeskirchenrat Werner Tannert gehalten wurden.65 Beide Referenten trafen sich in dem Versuch, die Begriffe „Bund“, „Kirchengemeinschaft“ und „Kirche“ zueinander in Beziehung zu setzen, wobei sie zu der übereinstimmenden Grundeinsicht gelangten, dass Kirchengemeinschaft – und damit die Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen im Bund – „im Entscheidenden nicht eine Annäherungsform zu Kirche“ sei, sondern „im Wechselbezug mit gemeinsamem Grundverständnis des Wortes Gottes selbst Kirche, nämlich Kirche ‚in actu‘“.66 Freilich setzten beide Referenten entsprechend ihrer Herkunft (Lahr – EKU, Tannert – VELK) die Akzente bei der Beschreibung dieses für ein ekklesiales Verständnis des Bundes konstitutiven Vollzugs von Kirchesein jeweils ein wenig anders. Lahr hob vor allem die gemeinsame Aufgabe hervor, die die Kirchen zusammenführe und ihre Gemeinschaft festige, und forderte dementsprechend, dass „das Schwergewicht der theologischen Gespräche beim Zeugnis- und Dienstauftrag im Miteinander unserer Gemeinden“ liegen „und der Gefahr nicht weiterführender ekklesiologischer Auseinandersetzungen entgegengewirkt“ werden solle.67 Auch Tannert verstand Kirchengemeinschaft als „die heute gemäße Form des Kircheseins“, das sich in der Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst an der Welt verwirkliche.68 Freilich ergänzte er unter Hinweis auf Hempels Referat in Sigtuna69, dass zum 64 4. Tagung der II. Bundessynode – 25.9. bis 28.9.1976 in Züssow, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 101, Nr. 5339), S. 12; vgl. KJ 103/104 (1976/77), S. 376; 4. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage 4/1: Bericht über die Stellungnahmen der Synoden der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zu den Fragen der 2. Tagung der 2. Bundessynode (EZA BERLIN, 688, Nr. 92), S. 4; epd Dokumentation 49/76, S. 43. 65 Da Tannert aufgrund einer Erkrankung nicht selbst an der Synode teilnehmen konnte, wurde sein Referat von dem sächsischen Synodalen Reinhold Fritz vorgetragen. 66 Referat Lahr (EZA BERLIN, 101, Nr. 64), S. 8 f.; epd Dokumentation 49/76, S. 58 f. 67 Referat Lahr (EZA BERLIN, 101, Nr. 64), S. 17; epd Dokumentation 49/76, S. 67. 68 Referat Tannert (EZA BERLIN, 101, Nr. 64), S. 1; epd Dokumentation 49/76, S. 78. 69 Darin hatte Hempel unter anderem darauf hingewiesen, dass sich Kirchengemeinschaft

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gemeinsamen Zeugnis und Dienst – also zur Kirche „in actu“ – nicht nur die gemeinsame Praxis des Christseins gehöre, sondern auch das sich im Interesse größerer Gemeinsamkeit vollziehende Reflektieren des Evangeliums.70 Darüber hinaus zeigte sich Tannert gegenüber tiefer greifenden Veränderungen im Zusammenleben der Landeskirchen deutlich zurückhaltender als Lahr. In der Plenaraussprache brachten dann insbesondere die „Laien“-Synodalen deutlich ihren Wunsch zum Ausdruck, zu einer größeren Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen in der DDR zu gelangen. Dabei wurde auch das in den Gemeinden bereits vorhandene Bewusstsein, in einer Kirche zu leben, den „konfessionalistischen“ Abgrenzungen und Einwänden der Theologen entgegengestellt71 und die Notwendigkeit betont, diesem Bewusstsein auch strukturell Ausdruck zu verleihen. Angesichts dessen forderte der Saalfelder Superintendent Ludwig Große, bei diesem gemeinsamen Glaubensvollzug der Christen in der DDR anzusetzen, sodass die Frage nicht sei, ob und in welcher Hinsicht diese Gemeinschaft bestehe, sondern weiterführend gefragt werden müsse: „Welche praktischen, juristischen, finanziellen und weiteren strukturellen Schritte sind heute schon dringend notwendig, damit wir auch in diesen Bereichen der geschenkten Gemeinschaft entsprechen?“72 Dabei war freilich bewusst, dass es oft gerade die aus der grundsätzlich vorhandenen Gemeinschaft zu ziehenden konkreten Konsequenzen waren, die deren Verwirklichung behinderten. Der Beschlussentwurf zur Kirchengemeinschaft, der dem Plenum vom Themenausschuss vorgelegt wurde (Vorlage 18) und den die Bundessynode ohne Gegenstimme annahm,73 versuchte im Wesentlichen den Diskussionsstand zu bündeln und ein Verständnis der Gemeinschaft im Bund zu formulieren, wie es angesichts der landeskirchlichen Voten möglich schien und nach Diskussion der Referate von Lahr und Tannert in den synodalen Arbeitsgruppen erreicht war. Der erste Teil des Beschlusses74, der im We-

nach dem Verständnis der Konkordie sowohl in einer Vertiefung des Lehrkonsenses als auch in einer Vertiefung der Lebensgemeinschaft verwirkliche (M. LIENHARD, Zeugnis und Dienst, S. 40). 70 Referat Tannert (EZA BERLIN, 101, Nr. 64), S. 2 f.; epd Dokumentation 49/76, S. 79. 71 Etwa der Synodale Bernhard Opitz (4. Tagung der II. Bundessynode – 25.9. bis 28.9.1976 in Züssow, Tonbandabschrift [EZA BERLIN, 101, Nr. 5339], S. 49 f.). 72 EBD., S. 60. 73 4. Tagung der II. Bundessynode – 25.9. bis 28.9.1976 in Züssow, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 101, Nr. 5339), S. 146. 74 4. Tagung der 2. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Vorlage 18, 28.9.1976 (EZA BERLIN, 101, Nr. 91), abgedruckt in KJ 103/104 (1976/77), S. 381 f.; epd Dokumentation 49/76, S. 90 f.; ohne die Einleitung auch in: BEK DDR, Kirche als Lerngemeinschaft, S. 47–49 – siehe unten Dok. 7.

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sentlichen die Leitgedanken der Referate aufnahm, folgerte aus dem in vier Absätzen skizzierten Profil der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen im Bund, dass diese Gemeinschaft von Kirchen selbst „Kirche“ sei. Begründet wurde diese Einsicht zum einen mit „dem gemeinsam gewonnenen Grundverständnis des Wortes Gottes“ und zum anderen mit „der faktischen Zeugnis- und Dienstgemeinschaft in der gegenwärtigen Situation“, in der sich die auf dem gemeinsamen Grundverständnis des Wortes Gottes beruhende Zusammenarbeit verwirkliche.75 Insbesondere werde die Gemeinschaft daran deutlich, dass die Gliedkirchen einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewährten „trotz verschiedenen Bekenntnisstandes, z. T. unterschiedlicher Auslegung der Einheitskriterien von CA VII und noch nicht befriedigender Übereinkunft in einigen theologischen Grundsatzfragen“. In diesem Sinne einer Kirche im Vollzug sei „die Kirchengemeinschaft im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR eine heute für unseren Raum angemessene Form des Kircheseins“, das als eine „notwendige Ergänzung zum Kirchesein der Landeskirchen“ zu verstehen sei.76 Der zweite Teil des Beschlusses stellte an den Anfang die Verpflichtung „zur Vertiefung der Gemeinschaft des kirchlichen Lebens in dessen vielfältigen Bereichen und auf allen Ebenen“ und benannte als eine der in diesem Zusammenhang zu klärenden Fragen, „wie hierbei dem Bewußtsein sehr vieler Gemeinden, ‚evangelisch‘ zu sein, das von konfessionellen Unterschieden kaum berührt ist, Rechnung getragen werden“ könne.77 Vor allem benannte er in Aufnahme der insbesondere in den lutherischen Voten zu den seinerzeit gestellten Fragen zum Ausdruck gekommenen Bedenken78 einige Gefahren für das weitere Zusammenwachsen der Kirchen im Bund und wies Wege auf, wie diesen Gefahren begegnet werden könne.

75 KJ 103/104 (1976/77), S. 382; epd Dokumentation 49/76, S. 90. 76 EBD. 77 KJ 103/104 (1976/77), S. 382; epd Dokumentation 49/76, S. 91. Zu diesem Punkt lag eine kurze Bestandsaufnahme zur „Fluktuation“ zwischen den Landeskirchen vor, die nicht nur feststellte, dass sich der Wechsel zwischen Gemeinden unterschiedlichen Bekenntnisstandes in der Regel problemlos vollziehe, sondern auch auf die Chance hinwies, die in diesem Geschehen für das Zusammenwachsen der Landeskirchen im Bund liege (4. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage 18, Anlage: Feststellung zu Fragen der Fluktuation, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 91], abgedruckt in: KJ 103/104 [1976/77], S. 382; epd Dokumentation 49/76, S. 92). 78 Wofür sich der thüringische Landesbischof Braecklein im Namen der VELK DDR ausdrücklich bedankte und dem Ausschuss seinen Respekt bezeugte: „Ich kann nur sagen, daß ich wirklich dankbar bin, in diesem Papier zu spüren, wie man auf das gehört hat, was wir an Sorgen haben“ (4. Tagung der II. Bundessynode – 25.9. bis 28.9.1976 in Züssow, Tonbandabschrift [EZA BERLIN, 101, Nr. 5339], S. 145).

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„Für das weitere Zusammenwachsen der Kirchen im Bund muß insbesondere vermieden werden, – daß trotz der Ablehnung einer ‚Superkirche‘ faktisch ein administrativer Zentralismus wirksam wird; – daß der Bund mit Aufgabenstellungen überhäuft wird, die seine Leistungsfähigkeit untergraben; – daß sich ein Trend auf eine theologische Uniformität einstellt, der die Verschiedenheit der Bekenntnisstände überspielt; – daß also auf die eine oder andere Weise der föderative Charakter des Zusammenschlusses der Gliedkirchen im Bund gefährdet wird. Solchen Gefahren kann z. B. dann begegnet werden, – wenn bei der Fortführung der Lehrgespräche die verschiedenen Bekenntnisse so fruchtbar werden, daß deutlich wird, wie wir angesichts der Herausforderungen unserer Zeit Jesus Christus gemeinsam bekennen können; – wenn der Reichtum verschiedener Frömmigkeitsformen in der Gemeinschaft des Bundes wirksam wird; – wenn die Gliedkirchen Lösungen, die sich bewährt haben, auch anderen Gliedkirchen vermitteln oder von ihnen übernehmen; – wenn sie stärker als bisher stellvertretend die Bearbeitung von gemeinsamen Aufgaben im Bund übernehmen.“79

An konkreten Schritten, mit denen das erkannte und nunmehr näher bestimmte Kirchesein des Bundes zum Ausdruck gebracht werden sollte, erbrachte die Synode relativ wenig. Entsprechend wurden „nach Beendigung der Synode . . . Stimmen laut, die das Ergebnis mit Enttäuschung registrierten“.80 Allerdings wurde auch vermerkt – freilich aus der Position des nicht direkt beteiligten Beobachters heraus (O. Lingner) –, dass diese Enttäuschung wohl „zu voreilig“ sei, denn „die Synode“ habe „etwas in Gang gesetzt oder in Gang gehalten“.81 Beide Einschätzungen hatten ihre Berechtigung, indem sie auf einen jeweils anderen Aspekt des Züssower Ergebnisses hinwiesen. Die Stärke des Züssower Beschlusses bestand in der mit ihm erfolgten grundsätzlichen Klärung. Nunmehr gab es einen zitierfähigen Beschluss zur Sache, der nach seiner Entstehungsgeschichte nicht nur als Willensäußerung der Bundessynode, sondern als Zusammenfassung eines alle landeskirchlichen und gesamtkirchlichen Synoden umfassenden Diskussionsprozesses zu verstehen war. Damit war ein verbindlicher Ausgangspunkt für weitere Schritte markiert, hinter den künftig nicht mehr zurückgegangen werden konnte. Inhaltlich waren mit dem Beschluss wesentliche Vorentscheidungen gefallen, wozu auch die erneute Bekräftigung des Willens aller Gliedkirchen gehörte, „‚in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses 79 KJ 103/104 (1976/77), S. 382; epd Dokumentation 49/76, S. 91. 80 KJ 103/104 (1976/77), S. 381. 81 EBD.

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und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus zusammenzuwachsen‘ (Artikel 1 (2) BO)“.82 Vor allem aber erwies sich die einmütig getroffene Feststellung als wesentlich, dass der Bund in einem grundlegenden Sinne nicht erst zur Kirche entwickelt werden müsse, sondern in dem genannten Sinne bereits Kirche sei und sich in der aktuellen Zusammenarbeit seiner Gliedkirchen immer auch als solche Kirche erweise.83 Von Bedeutung war dabei insbesondere, wie die ekklesiale Qualität des Bundes begründet wurde. Indem sich die Synode mit ihrem Beschluss neben dem gemeinsam gewonnenen Grundverständnis des Wortes Gottes auf die faktische Zeugnis- und Dienstgemeinschaft gründete, stellte sie das Kirchesein des Bundes auf eine sowohl zwischen den konfessionellen Zusammenschlüssen als auch zwischen den Landeskirchen relativ unstrittige Grundlage, die zudem angesichts der Verhältnisse in der DDR auch für die Zukunft Gültigkeit versprach. Entsprechend dem Ansatz einer Kirche in actu verzichtete sie – anders als dies im Zusammenhang der EKDGrundordnungsreform geschehen war – weiterhin darauf, dieses neue Gemeinschaftsverständnis in grundsätzlichen und im Einzelnen dann vermutlich strittigen Zustandsbeschreibungen zu entfalten oder zu verfestigen. Insgesamt unterschied sich diese Grundlage schließlich deutlich von jenen, auf die die Landeskirchen ihr Kirchesein gründeten, sodass das Kirchesein des Bundes nicht in eine Konkurrenz zum Kirchesein der Landeskirchen trat, sondern als deren „notwendige Ergänzung“ verstanden werden konnte. Während letzteres vor allem den lutherischen Kirchen wichtig war, kam der Gedanke der „Zeugnis- und Dienstgemeinschaft“ dem unierten Anliegen in besonderer Weise entgegen, sodass die Züssower Formulierung in jeder Hinsicht und für alle Beteiligten konsensfähig war. Diese durch Rückgriff auf die faktische Zeugnis- und Dienstgemeinschaft ermöglichte Konsensfähigkeit bedeutete freilich auf der anderen Seite auch, dass mit dem Züssower Beschluss keinerlei Klärung in den konkreten Sachfragen verbunden war, sodass die Frage nach dem konkreten Ergebnis der Züssower Synode neben einer Würdigung ihres grundsätzlichen Ergebnisses

82 4. Tagung der 2. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Vorlage 18, 28.9.1976 (EZA BERLIN, 101, Nr. 91), S. 1. 83 Die Theologische Kommission des Bundes, der die Vorlage 18 zur weiteren Behandlung vom Vorstand der KKL überwiesen worden war, resümierte: „Die theologischen Aussagen der Vorlage 18 interpretieren die ekklesiologische Bedeutung der Gemeinschaft im Bund, wie sie bisher entsprechend dem Auftrag der Bundesordnung (Art. 1) erreicht worden ist. Diese Interpretation hat nicht nur dadurch Gewicht, daß in ihr nun ekklesiologische Einsichten wirksam werden, sondern auch durch die große Einmütigkeit, mit der diese Aussagen aufgenommen werden konnten. Sie gibt gute Voraussetzungen für die Vertiefung der Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst“ (Demke an das Präsidium der 2. Synode des Bundes, Präses O. Schröder: Betr. Auswertung der 4. Tagung der 2. Synode [Züssow] durch die Theologische Kommission, 23.12.1976 [EZA BERLIN, 101, Nr. 38], S. 1).

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durchaus berechtigt war. In diesem Sinne wurde Züssow einerseits zu einem Grunddatum der Kirchwerdung des Bundes, während es andererseits in dem weiteren Verständigungsprozess zwischen EKU und VELK, die beide den Züssower Beschluss ausdrücklich akzeptierten, kaum eine Rolle spielte. 4.1.4. Grundsätzliche Vorbehalte im Staats- und Parteiapparat der DDR In den für Kirchenfragen zuständigen Dienststellen der DDR wurden die Bemühungen um eine engere Zusammenarbeit der evangelischen Landeskirchen aufmerksam und vor allem kritisch verfolgt. Die Hauptursache für die dort vertretene überwiegend negative Einschätzung des innerkirchlichen Einigungsprozesses war die mit diesem Vorgang unmittelbar verbundene größere Geschlossenheit der Landeskirchen in der DDR nicht nur nach innen, sondern auch nach außen dem Staat gegenüber, womit dessen auf dem Gebiet der Kirchenpolitik praktiziertes „divide et impera“ zum Teil zumindest unmöglich geworden wäre. Eine evangelische Zentralkirche in der DDR wurde deshalb seitens des Staats- und Parteiapparates stets abgelehnt. Diese Ablehnung hatte bereits 1969 bei der Gründung des Bundes eine Rolle gespielt84 und betraf zehn Jahre später ebenso die Pläne zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR, mit denen aus staatlicher Perspektive die befürchtete zentralistische Einheitskirche erneut auf der kirchlichen Tagesordnung stand. Im Zusammenhang der Bundesgründung hatte die Furcht vor einer zentralistischen Einheitskirche mit dazu beigetragen, dass dem Kirchenbund seitens der DDR, obwohl mit seiner Gründung das Ende der von der SED abgelehnten gesamtdeutschen EKD verbunden war, die gewünschte offizielle Anerkennung erst einmal versagt wurde. Zwar nahmen die zuständigen Gremien innerhalb des Staats- und Parteiapparates, insbesondere die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, durchaus zur Kenntnis, dass der Bund vorerst nicht die befürchtete Einheitskirche war, sondern nach seiner Ordnung eine föderale Struktur besaß,85 „im beabsichtigten Wirken des neuen Bundes“ wurden jedoch „objektiv vorhandene und auch kirchenrechtlich abgesicherte Erscheinungen des Zentralismus“86 sowie „Bestrebungen zur . . . späteren Bildung einer Einheitskirche“87 konstatiert. Vor allem 84 Vgl. A. Schönherr: Aktennotiz über ein Gespräch mit Herrn Staatssekretär Seigewasser am 4.9.1968 in dessen Diensträumen, 9.9.1968 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 188). 85 Vgl. Abteilung II (E. Fitzner): Vorlage für die Dienstbesprechung am 8.9.1969: Politisch-rechtliche Konsequenzen, die sich aus der Bildung des „Bundes evangelischer Kirchen in der DDR“ ergeben, 5.9.1969 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1274), S. 2. 86 EBD., S. 3. 87 Vgl. Arbeitsgruppe Kirchenfragen: Information. Zu Entwicklungstendenzen des BEK, 2.9.1970 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV A 2/14, Nr. 19, Bl. 112–128), S. 11.

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die Bemühungen um Lehrgespräche zwischen VELK und EKU sowie Überlegungen, Aufgaben der konfessionellen Zusammenschlüsse an den Bund zu übertragen, schienen in diese Richtung zu weisen.88 Den Zweck dieser Einigungs- und Zentralisierungsbemühungen sah die staatliche Seite darin, „die Potenzen der Kirchen zur Behauptung ihrer Positionen zusammenzuschließen und die kirchlichen Interessen effektiver und in größerer Geschlossenheit gegenüber dem sozialistischen Staat vertreten zu können“.89 Angesichts dieser Tendenzen wurde die Bedeutung der „föderalistischen“ Struktur des Bundes für die staatliche Kirchenpolitik mehrfach hervorgehoben und festgehalten, dass es „allein durch Ausnutzung des Prinzips des Föderalismus . . . möglich“ sei, „weiterhin in der politischen Arbeit mit den Landeskirchen und deren einzelnen Vertretern zu differenzieren, mit dem Ziel der Unterstützung positiver Kräfte und der Zurückdrängung des Einflusses negativer Kräfte“.90 Entsprechend wurde es als „günstig“ angesehen, wenn „der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR durch verschiedene Präzisierungen seiner Ordnung seinen föderativen Charakter beibehielte und die Rechte und Selbständigkeit der Landeskirchen deutlich fixiert blieben“. Hingegen könne es „keine staatliche Zustimmung finden, daß versucht wird, kirchliche Institutionen, Einrichtungen und Gruppierungen in den Bund zu vereinnahmen bzw. sie anzugliedern und zu zentralisieren“.91 Auch nach der offiziellen „Anerkennung“ des DDR-Kirchenbundes im Jahre 1971,92 bei der Staatssekretär Seigewasser das „föderalistische Prinzip des Bundes“ ausdrücklich hervorhob,93 blieben die staatlichen Vorbehalte gegenüber seinen Bemühungen um eine weitere Förderung der Gemeinsamkeiten und der Gemeinschaft der in ihm verbundenen Landeskirchen bestehen. Neue Nahrung erhielten die staatlichen Befürchtungen, in der DDR könnte sich eine Einheitskirche herausbilden, allerdings erst einmal nicht aufgrund der Aktivitäten des Bundes, sondern aufgrund des Einigungsgeschehens auf europäischer Ebene in der ersten Hälfte der 70er Jahre („Leuenberger Konkordie“). Entsprechend zeigte sich die Dienststelle 88 EBD. 89 EBD., S. 9. 90 Abteilung II (E. Fitzner): Vorlage (vgl. Anm. 85), S. 3. 91 EBD., S. 10. Hinsichtlich der besonders von der VELK in der DDR betriebenen weiteren Einigungsbemühungen wurde zusätzlich festgehalten: „Die Vertreter der VELK (DDR) dürfen die Zentralisierungsbestrebungen im Bund nicht forcieren“ (EBD., Anhang I: Konzeption für eine langfristige Einflußnahme auf den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, S. 1). 92 Empfang des Vorstandes durch den Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, am 24.2.1971 (Unterlagen dazu in BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1437 und EZA BERLIN, 101, Nr. 114). 93 M. Stolpe: Vertraulicher Vermerk über ein Gespräch des Staatssekretärs für Kirchenfragen mit dem Vorstand der Konferenz am 24.2.1971, 9.3.1971 (EZA BERLIN, 101, Nr. 114), S. 3.

Vorgeschichte

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des Staatssekretärs für Kirchenfragen angesichts der bevorstehenden Verabschiedung der Leuenberger Konkordie nicht nur allgemein an den „Perspektiven“ interessiert, „die sich aus dem zu erwartenden Abschluß der Konkordie bzw. dem beabsichtigten Beitritt der Gliedkirchen in der DDR zu ihr für den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR ergeben“, sondern vor allem daran, „etwas über die Struktur des Zusammenschlusses der Kirchen im Gefälle von Leuenberg und über den Zeitplan der Zusammenlegung gliedkirchlicher Aktivitäten zu erfahren“.94 Angesichts des vollzogenen Beitritts aller acht evangelischen Landeskirchen in der DDR zur Konkordie wurde dann auf der Dienstbesprechung im Staatssekretariat für Kirchenfragen am 8. April 1974 festgehalten, dass die Leuenberger Konkordie „von großer gesellschaftspolitischer Bedeutung“ sei, da sie „die Grundlage für das Zusammenwachsen der Kirchen zu einer Einheitskirche“ bilde. Seigewasser ergänzte, dass dieser „Prozeß des Zusammenwachsens der Kirchen wahrscheinlich nicht verhindert werden“ könne. Deshalb sei es „umso notwendiger . . ., ihn mit allen möglichen Mitteln zu hemmen“.95 Zwar bewahrheitete sich die Befürchtung, dass die Zustimmung zur Leuenberger Konkordie in der DDR zu einer Strukturveränderung auf gesamtkirchlicher Ebene führen könnte, nicht, die Tendenz zur Zentralisierung innerhalb des Bundes bestand jedoch aus staatlicher Perspektive weiter und schien sogar Fortschritte zu machen.96

94 H. Lahr: Aktenvermerk über ein Gespräch im Staatssekretariat für Kirchenfragen am Freitag, dem 2.3.73 in der Zeit von 11.00–12.15 Uhr, 5.3.1973 (EZA BERLIN, 687, Nr. 11), S. 1. 95 Juristischer Mitarbeiter: Protokoll der Dienstbesprechung beim Staatssekretär am 8.4.1974, 29.4.1974 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 403), S. 5. 96 Eine Vorlage aus der Dienststelle des Staatssekretärs von 1975 resümiert die Entwicklung des Bundes auf diesem Gebiet: „Es wurde begonnen, einen funktionstüchtigen Leitungsapparat auf- und auszubauen. Schrittweise wird dazu übergegangen, alle landeskirchlichen Einrichtungen, wie Werke, Ausschüsse, Arbeitskreise, Interessengemeinschaften, diakonische Einrichtungen, die Kirchentagsarbeit, Erziehung und Weiterbildung, Kinder-, Jugend-, Frauen- und Männerarbeit in zentralen Ausschüssen und Kommissionen zu erfassen, um ihre Tätigkeit rationeller zu gestalten und gleichzeitig ein einheitliches Vorgehen in allen Bereichen der Landeskirchen zu gewährleisten“ (Abt. II [Ch. Arlt/R. Gotthardt/E. SchumannFitzner], Vorlage für die Dienstbesprechung am 20.02.1975: Studie zur Durchsetzung der kirchlichen Raumordnung und struktureller Entwicklungen in den Landeskirchen einschließlich der Darstellung von Zentralisierungsbestrebungen der Werke und Gruppen in evangelischen Landeskirchen mit Schlußfolgerungen für die staatliche Leitungstätigkeit, 14.2.1975 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1274], S. 3).

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4.2. Sachklärungen im Vorfeld der Delegiertenkonferenz Mit dem Beschluss der Bundessynode von Züssow war zwar ein Kirchesein des Bundes in einem bestimmten Sinne festgestellt worden, jedoch offen geblieben, welche praktischen Konsequenzen aus diesem neuen Verständnis der Gemeinschaft der Landeskirchen im Bund zu ziehen wären. Unstrittig war allerdings, dass ein sich aufgrund „faktischer Zeugnis- und Dienstgemeinschaft“ als Kirche verstehender Bund nun auch nach den Erfordernissen von Zeugnis und Dienst deutlicher aus- bzw. umgestaltet werden müsste. Dabei trat, da die Vertiefung der Gemeinschaft in den Grundfragen der Verkündigung mit der Bildung einer weiteren, zweiten Lehrgesprächskommission bereits in Angriff genommen worden war, vor allem der organisatorisch-strukturelle Aspekt in den Vordergrund, der schließlich in den Eisenacher Empfehlungen zur Bildung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ (VEK) Gestalt annahm. Von Bedeutung waren in dieser Hinsicht insbesondere die Vorarbeiten aus der Gemeinsamen Planungsgruppe (GPG), einer informellen Arbeitsgruppe aus Vertretern der drei gesamtkirchlichen Dienststellen, die zum Teil lange vor den Eisenacher Plänen die Strukturen einer künftigen „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ diskutierte.97 Nachdem dort im Jahre 1977 mehrfach „Thesen zur Grundordnung einer VEK“ auf der Tagesordnung gestanden hatten, erarbeitete im direkten Vorfeld der Delegiertenversammlung der Kirchenrat im Lutherischen Kirchenamt Burghard Winkel ausführliche „Grundsätze zur Ordnung der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR (VEK)“98 und legte diese auf der Sitzung der Gemeinsamen Planungsgruppe am 11./12. September 1978 vor.99 Diese Grundsätze umfassten nicht nur eine Beschreibung von Wesen und Aufgaben einer VEK, sondern enthielten auch detaillierte Ausführungen zu den Organen. Von der Sache her handelte es sich dabei nicht um eine völlige Neuformulierung, sondern um eine Komposition aus entsprechenden Artikeln der Bundesordnung, der Verfassung der VELK, der Ordnung der EKU sowie der neuen EKD-Grundordnung von 1974. Hinsichtlich der „besonderen Gemeinschaft“ wurde darin unter Punkt 5 „Aufgaben der VEK“ Artikel 4 (4) der Bundesordnung wörtlich übernommen.100

97 Sekretariat (M. Stolpe) an die Mitglieder der Gemeinsamen Planungsgruppe, 2.2.1976 (EZA BERLIN, 688, Nr. 93). 98 B. Winkel an Demke: Betr. GPG am 11./12.9.78, TOP 2.3, Grundsätze zur Ordnung der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR (VEK), undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 93). 99 M. Kramer: Protokoll der Gemeinsamen Planungsgruppe am 11. und 12.9.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 93), S. 2. 100 B. Winkel an Demke (vgl. Anm. 98), S. 5.

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Kurz vor der Delegiertenversammlung verdichtete die Gemeinsame Planungsgruppe auf ihrer Zusammenkunft am 17./18. Januar 1979 die möglichen „Denkmodelle einer gemeinsamen Wahrnehmung der Verantwortung auf gesamtkirchlicher Ebene“101 zu zwei „Grundtypen“ für ein Verfahren zur Bildung einer Gesamtkirche.102 Sie unterschied dabei zum einen ein „Anschlußmodell“, bei dem EKU und VELK sich dem Bund mit Zustimmung ihrer Gliedkirchen anschlössen, um dann ihre Tätigkeit einzustellen bzw. sich aufzulösen.103 Nach dem anderen Modell, dem „Vereinigungsmodell“ bzw. Fusionsmodell, würden sich Bund, EKU und VELK mit Zustimmung ihrer Gliedkirchen „sukzessive“ zusammenschließen, um dann aufgelöst zu werden bzw. ihre Tätigkeit einzustellen.104 Darüber hinaus skizzierte die GPG auch bereits kurz den weiteren Verfahrensweg nach der Delegiertenversammlung bis zum „Inkrafttreten der Neuregelung“, wobei sie es sogar für möglich hielt, „sofern eine zweimalige Beschlußfassung bereits ausreicht“, dass „das ganze Verfahren bis Ende 1981 abgeschlossen sein“ könnte.105 Die Überlegungen in den Leitungsgremien von Bund, EKU und VELK zur Gestalt eines künftigen Zusammenschlusses entsprachen deren unterschiedlichen Interessenlagen. Während die Konferenz der Kirchenleitungen, nachdem bereits ihre Klausurtagung vom 12. bis 14. März 1976 in Buckow unter dem Thema „Verfahrensregelung für eine föderative Gemeinschaft“ gestanden hatte,106 vor allem zum Problem der Föderalität arbeitete, befasste sich die Kirchenleitung der VELK auf ihrer Klausurtagung vom 8. bis 11. November 1978 ausführlich mit den theologischen Grundlagen, wozu Zeddies „Überlegungen zur Präambel eines zukünftigen Zusammenschlusses“ vortrug.107 Im Unterschied zu den oben erwähnten „Grundsätzen zur Ordnung“ einer VEK bot er darin eine zusammenhängende Um- bzw. Neuformulierung des Grundlagenteils einer künftigen Verfassung. In der schriftlichen Fassung seiner Überlegungen, die aufgrund 101 „Ersatzmodell“, „Vereinigungsmodell“, „Kooperationsmodell“ (Skizze. Denkmodelle einer gemeinsamen Wahrnehmung der Verantwortung auf gesamtkirchlicher Ebene, 2.1.1979 [PRIVATARCHIV ZEDDIES]; vgl. Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Sekretariat [M. Stolpe] an die Mitglieder der Gemeinsamen Planungsgruppe, 8.1.1979 [EBD.]). 102 Gemeinsame Planungsgruppe der drei gesamtkirchlichen Dienststellen: Skizze. Denkmodelle einer gemeinsamen Wahrnehmung der Verantwortung auf gesamtkirchlicher Ebene, 17.1.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 90). 103 EBD., S. 1. 104 EBD., S. 2. 105 EBD. 106 Protokoll der 41. Tagung der KKL (Klausurtagung) vom 12.–14. März in 1976 in Buckow, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 101), S. 2. 107 Vgl. E. Brinkel: Gesprächsprotokoll zum Gedankenaustausch der Kirchenleitung im Rahmen ihrer Klausurtagung vom 8.–10.11.1978, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 373), S. 4–7.

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der Diskussion in der Kirchenleitung noch einmal überarbeitet worden waren,108 wurden einem in vier Absätze geteilten „Grundartikel“, der beschrieb, dass die VEK Kirche ist (Bekenntnis zu Jesus Christus, Leben aus dem Wort, Bekenntnisbindung, Auftrag zur Evangeliumsverkündigung und zur Sakramentsverwaltung), Grundbestimmungen gegenübergestellt, in denen erläutert wurde, was für eine Kirche die VEK sei.109 In diesen „Grundbestimmungen“ wurde die „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ beschrieben als „die Gemeinschaft der in ihr zusammengeschlossenen bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen“ (Artikel 1),110 zwischen denen aufgrund eines gemeinsamen Evangeliumsverständnisses und übereinstimmender Verwaltung von Taufe und Abendmahl Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst bestehen (Artikel 2). Die VEK verstehe die Bekenntnisse der Reformation „als Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen“ und erkenne sie in diesem Sinne „für sich in Verkündigung und Lehre als bindend an“ (Artikel 3). Darüber hinaus bejahe sie „die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche“ und helfe „ihren Gliedkirchen zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre, wie sie dabei selber auf ihre Hilfe angewiesen bleibt“ (Artikel 4).111 In den folgenden Artikeln wurden ihre Struktur als die einer föderativen Gemeinschaft (Artikel 5), ihre Teilhabe an der ökumenischen Gemeinschaft (Artikel 6) sowie die in ihr vorhandene Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft (Artikel 7) näher beschrieben. Nicht aufgenommen wurde hingegen ein Artikel zur „besonderen Gemeinschaft“, da diese in der Perspektive der VELK nicht zu den grundsätzlichen Aussagen einer Präambel, sondern – wie die Ausführungen von Winkel zur Struktur des Zusammenschlusses bestätigten – zu den von einer künftigen VEK wahrzunehmenden Aufgaben zählte.112

Anders gestaltete sich die Diskussionslage innerhalb des Rates der EKU, wo die Frage der Weiterführung der Ost-West-Gemeinschaft und das Prob108 Vgl. Lutherisches Kirchenamt der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR (H. Zeddies) an die Mitglieder der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche, 10.1.1979 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 362). 109 [H. Zeddies]: Überlegungen zur Verfassung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR (Entwurf), 10.1.1979 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 362). – Mit dem Gegenüber von „Grundartikel“ und „Grundbestimmungen“ lehnte sich Zeddies an die Gliederung der Grundordnung der EKD von 1974 an. 110 In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich notiert, dass die „bisher bestehenden gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR . . . in der Vereinigten Evangelischen Kirche“ aufgehen (EBD., S. 1). 111 Diese Formulierung ist eine Kombination von Artikel 1 (2) GO 48 und Artikel 2 (3) GO 74. Die später strittige positive Erwähnung der Erkenntnisse bzw. Entscheidungen „über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche“ ist in beiden enthalten. 112 E. Brinkel: Gesprächsprotokoll zum Gedankenaustausch der Kirchenleitung im Rahmen ihrer Klausurtagung vom 8.–10.11.1978, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 373), S. 8.

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lem einer eventuellen Auflösung der EKU eine wesentliche Rolle spielten. Angesichts der deutlichen Tendenz in Richtung einer tiefer greifenden Änderung der kirchlichen Strukturen innerhalb der DDR hielten es die Bereichsräte Ost und West auf ihrer gemeinsamen Beratung am 5. Juli 1978 für notwendig, über das Verhältnis der EKU „zu EKD/Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und VELKD/VELK in der DDR“ ausführlicher zu sprechen. Diese notwendige Klärung wurde für die (übernächste) gemeinsame Beratung am 6. Dezember 1978 vorgesehen, für die beide Kanzleien um eine entsprechende Ausarbeitung gebeten wurden.113 Deren Ausarbeitung geriet zu einem ausführlichen Grundsatzpapier, das sowohl die Situation der EKU in beiden Bereichen analysierte (I) als auch die Besonderheiten der EKU zusammenstellte (II) und die Bedeutung der in der EKU bestehenden Ost-West-Gemeinschaft eingehend skizzierte (III), um daraus unter Berücksichtigung von vier denkbaren „Integrationsmodellen“ (Anlage) Schlussfolgerungen für die angestrebten strukturellen Veränderungen zu ziehen (IV).114 Für die weitere Diskussion waren im Großen und Ganzen drei Einsichten dieses Papiers von Bedeutung. Erstens machte die Analyse der Situation der EKU im Westbereich deutlich, wie schwierig es seit dem Ende der gesamtdeutschen EKD für die in der Arnoldshainer Konferenz zusammengefassten Kirchen sei, angesichts der zunehmenden Bedeutung der VELKD innerhalb der nunmehr auf Westdeutschland begrenzten EKD ein eigenes Profil zur Geltung zu bringen. Daraus folgte wiederum die Einsicht, dass bei den Strukturüberlegungen im Osten, da eine Auflösung der EKU das genannte Problem unweigerlich verschärfen würde, jeweils auch die Konsequenzen für den Westbereich mitbedacht werden müssten.115 Als zweiter wesentlicher Punkt wurde im Kapitel über die Besonderheiten der EKU im Vergleich zu „anderen evangelischen Kirchen“ noch einmal die „Bereitschaft zur Auflösung und zur vollen Integration in [eine] neu geordnete und gestärkte grössere Gemeinschaft“ ausdrücklich bekräftigt und in zweifacher Weise begründet: „a) Es gehört zum Wesen von Kirchenunionen, dass sie sich ‚als Stufen auf dem Wege zu einer noch umfassenderen Einheit‘ verstehen (J.W. Grant). b) Die EKU hat als Auswirkung politischer Ereignisse in den 160 Jahren ihrer Existenz einen mehrfachen Gestaltwandel erfahren.“116 Diese Begründung beinhaltete für die EKU die Verpflichtung, „um ihres Wesens und ihrer Geschichte willen“ an der bereits mehrfach erklärten Bereitschaft 113 Vgl. W. Krusche/B. Küntscher: Niederschrift über die 46. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 5.7.1978, 5.7.1978 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186), S. 1. 114 Ein in vier Kapitel eingeteiltes 13seitiges Papier ohne Titel mit dreiseitiger Anlage „Integrationsmodelle“ (EZA BERLIN, 688, Nr. 90). 115 EBD., S. 6. 116 EBD., S. 8.

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zur organisatorischen Auflösung festzuhalten, auch wenn dies eine unerwünschte Gewichtsverlagerung innerhalb der EKD zur Folge habe. Entscheidend sei dabei – drittens –, dass in diesem Prozess das grenzüberschreitende Kirchesein der EKU erhalten bleibe. Ausdrücklich wurde in diesem Zusammenhang auf die dritte Barmer These hingewiesen, in der Kirche als „Gemeinde von Brüdern“ beschrieben sei, „die sich nicht durch wechselnde menschliche Verhältnisse bedingt“ wisse, „sondern alle menschlichen Grenzen und Unterscheidungen“ überschreite.117 Diese „Einheit der EKU über Grenzen hinweg“ habe in vielfacher Weise „ihren Ausdruck in Konsultation und Kommunikation gefunden“118 und für beide Bereiche gerade unter den jeweiligen politischen Bedingungen besondere Bedeutung erlangt. Damit unterscheide sich die grenzüberschreitende Gemeinschaft der EKU deutlich von den „Bemühungen des Bundes, durch Artikel 4,4 seiner Ordnung ein ähnliches Zeichen zu setzen“. Denn „die Rechtsgemeinschaft“, die die EKU „auf einigen Gebieten (Liturgie, Pfarrerdienstrecht, Ausbildungsgesetz) seit langem“ habe, „die ständige gegenseitige Information und Abstimmung sowie die gemeinsam gegebenen und gemeinsam verteilten Hilfeleistungen“ hätten „einen höheren Grad an Verbindlichkeit der Zusammenarbeit in der EKU notwendig gemacht“. Dieses Anliegen gelte es „auch in Zukunft zu wahren“.119 Die Überlegungen, wie dieses Anliegen innerhalb des DDR-bezogenen Integrationsprozesses zu wahren sei, gingen dabei von vier denkbaren „Integrationsmodellen“ aus: Modell 1: „Der Bund wird ersetzt durch eine Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR. EKU und VELK/DDR lösen sich auf.“120 Modell 2: „Der Bund wird ersetzt durch eine Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR. EKU und VELK/DDR verzichten auf ihre rechtliche Selbständigkeit und werden unierte bzw. lutherische Sektionen dieser Vereinigten Evangelischen Kirche.“121 Modell 3: „Der Bund wird ersetzt durch eine Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR. EKU und VELK/DDR werden Bestandteile dieser Kirche, bleiben aber rechtlich selbständig.“122 Modell 4: „Bund, EKU und VELK/DDR bleiben rechtlich unverändert, regeln ihre neue Zusammenarbeit aber durch Vereinbarungen.“123 Bei der Einschätzung dieser Modelle wurde deutlich, dass die Modelle 1 und 2 für sich genommen, da sie die unmittelbare Aufgabe der rechtlichen Selbständigkeit der EKU voraussetzten, nicht in der Lage wären, die „bestehende Gemeinschaft der EKU“ fortzuführen. Beide Modelle würden lediglich unter der Voraussetzung in Betracht kommen, dass „die bestehende Gemeinschaft 117 118 119 120 121 122 123

EBD., S. 9. EBD., S. 9 f. EBD. Integrationsmodelle, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 90), S. 1. EBD., S. 2. EBD. EBD., S. 3.

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über Grenzen hinweg auf das Verhältnis VEK/EKD transferiert werden könnte“.124 Eine solche Übertragung hielt das Papier im Rahmen eines schrittweise zu vollziehenden Prozesses für möglich und brachte als Vorschlag die Modelle 3 bis 1 zur Darstellung dieses Prozesses in ein zeitliches Nacheinander. Dieser Prozess führte damit über ein Weiterbestehen der konfessionellen Zusammenschlüsse unter dem Dach einer VEK (Modell 3) über einen Verzicht ihrer Selbständigkeit im Sinne einer Sektionenlösung (Modell 2) schließlich zu ihrer Auflösung (Modell 1). Voraussetzung dafür, insbesondere für den letzten Schritt sei, dass der Bund bzw. die VEK „eine neue geistliche und rechtliche Qualität“ besitze: „Er muß Kirche sein“ (und zwar in einem über Züssow hinausgehenden Sinne). Weiterhin müssten „EKD und Bund mit den zu ihnen gehörenden Gliedkirchen bereit“ sein, die von der EKU in grenzüberschreitender Gemeinschaft wahrgenommenen Funktionen zu übernehmen.125 Ziel sei also nicht eine Integration der konfessionellen Zusammenschlüsse in den Bund in seiner gegenwärtigen Gestalt, sondern ihre Integration in einen künftigen Bund mit anerkannter ekklesialer Qualität und intensiver Ost-West-Gemeinschaft. „Mindestbedingung“ in letzterer Hinsicht sei freilich nicht nur eine Intensivierung der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen BEK und EKD (im Sinne eines Angleichungsmodells), sondern auch für die EKU die Möglichkeit einer Beibehaltung ihrer Gemeinschaft mit dem Westbereich (im Sinne eines Fortführungsmodells). Demnach sei „eine Fassung von Artikel 4,4 Bundesordnung“ erforderlich, „die das dort formulierte Minimum durch eine Bestimmung ablösen würde, die engere Gemeinschaft als bisher mit der EKD und für die EKU Fortsetzung enger Gemeinschaft zum Inhalt haben müsste“. Außerdem sei „die in der EKU – Bereich DDR – erreichte Rechtsgemeinschaft festzuhalten“ und „müsste von einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR übernommen und zielstrebig erweitert werden“,126 was allerdings letztendlich bedeutete, dass sich die EKU eine „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ lediglich als eine vergrößerte EKU vorstellen konnte.

Die Räte schlossen sich auf ihrer Beratung am 6. Dezember weitgehend den Überlegungen dieses von den Kanzleien erarbeiteten Papiers an. In der Diskussion über die verschiedenen Integrationsmodelle wurde „von Vertretern beider Räte die Sorge ausgesprochen, daß ohne rechtliches Band die bestehende Gemeinschaft sowie ohne gemeinsame Aufgaben das notwendige Minimum institutioneller Gemeinsamkeit innerhalb der EKU nicht aufrechterhalten werden könne“.127 Damit bestanden „überwiegend Bedenken gegen die Modelle 1 und 2“ als Einzellösung. Hingegen wurde der in 124 EBD. 125 [Vorlage für die gemeinsame Sitzung der Räte der EKU am 6.12.1978], undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 90), S. 11. 126 EBD., Teil IV, S. 1. 127 So die endgültige Fassung dieser Protokollnotiz (vgl. M. Kruse/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 52. Beratung der Bereichsräte der EKU am 6.6.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186], S. 1).

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dem Kanzleipapier entworfene kombinierte Weg – Auflösung ja, aber erst nach erfolgreicher Überführung der EKU-Gemeinschaft in den neuen Zusammenschluss – für „diskutabel“ gehalten.128 Freilich wurden auch grundsätzliche Bedenken laut. Insbesondere bestanden unterschiedliche Vorstellungen darüber, was bei diesem Modell zur Aufrechterhaltung der in der EKU vorhandenen Gemeinschaft nach deren Auflösung noch notwendig sei. Während die einen gemeinsame Ordnungen als ein „rechtliches Band“ hervorhoben, betonten andere darüber hinausgehend die Notwendigkeit gemeinsamer Arbeitsgremien zur Bewältigung gemeinsamer Aufgaben, also eine weiter bestehende institutionelle Verknüpfung. Da die Sitzung zugleich im Zeichen der Vorbereitung der am nächsten Tag aus gleichem Anlass stattfindenden Begegnung zwischen Rat der EKU – Bereich DDR – und Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche stand, blieb die eigentlich nahe liegende Frage, wie diese Position auf der späteren Delegiertenversammlung hinreichend zur Geltung gebracht werden könne, unberücksichtigt. Für dieses Gespräch zwischen den Leitungsgremien von EKU und VELK am 7. Dezember 1978, dem bereits eine längere Vorbereitungsphase vorausgegangen war, waren unter der Federführung der beiden Dienststellenleiter, Rogge und Zeddies, zwei Vorlagen – „Was haben wir einzubringen?“129 und „Die Verbindlichkeit föderativer Gemeinschaft?“130 – erarbeitet worden, die die Grundlage des Gespräches bildeten. Die Ausarbeitung „Was haben wir einzubringen?“ ging aus von der wiederholt bekräftigten Bereitschaft sowohl der EKU als auch der VELK, ihre Existenz als kirchliche Zusammenschlüsse im Interesse einer größeren Gemeinschaft zu beenden. Angesichts der „sachgemäß“ erscheinenden Leitvorstellung eines „allmählichen Verschmelzens von Bund, EKU und VELK in einer neuen, gemeinsamen Größe“ versuchte sie deshalb die Frage zu klären, was EKU einerseits und VELK andererseits um ihres Wesens willen in diese neue Größe einbringen müssen und was sie aufgrund ihrer besonderen Prägung darüber hinaus noch einbringen können und wollen. Dieses geschah nicht nur durch eigene Darstellung, sondern wurde, um eventuell bis dahin nicht offen zur Sprache gebrachte Reibungspunkte deutlich zu machen, durch kritische Anfragen der jeweils anderen Seite ergänzt. Von besonderer Bedeutung war dabei, dass EKU und VELK ihr Wesen (Proprium) übereinstimmend und gemeinsam mit den konstitutiven Merkmalen einer „Kirche aus dem Wort Gottes“ beschrieben, sodass gefolgert werden konnte: „Lutherische und unierte Kirchen in der DDR haben ihrer Herkunft und ihrem Selbstverständnis nach nicht ein verschiedenes Proprium. Sie stimmen 128 W. Krusche/B. Küntscher: Niederschrift über die 48. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 6.12.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186), S. 2. 129 In: EZA BERLIN, 688, Nr. 90. 130 In: EZA BERLIN, 688, Nr. 92.

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im ‚Eigentlichen‘ überein. Sie gehen mit dem gemeinsamen Proprium nur verschieden um. Dadurch haben sich bestimmte ‚Eigentümlichkeiten‘ entwickelt, die das jeweils Besondere von EKU und VELK ausmachen.“131 Diese im Vergleich zum gemeinsamen Proprium sekundären Eigentümlichkeiten („Proprietäten“) wurden dann in den folgenden vier Abschnitten in Darstellung und kritischer Rückfrage jeweils für beide Zusammenschlüsse entfaltet. Als Besonderheiten der EKU wurden theologische Vielfalt und Offenheit aufgrund der dort vorhandenen zwei Bekenntnisse, „das Gefühl der Zusammengehörigkeit und ‚Stallwärme‘“, die Bedeutung der „Ordnung der Kirche“ als „integrierender Bestandteil ihrer Verkündigung“ sowie der kontinuierliche Interpretationsprozess von Schrift und Bekenntnis „angesichts der Herausforderungen der Kirche in unserer Zeit“ hervorgehoben.132 Nicht eigens erwähnt wurde hingegen die grenzüberschreitende Gemeinschaft innerhalb der EKU. Die von lutherischer Seite an diese Position gerichteten kritischen Rückfragen wiesen ihrerseits auf die „Gefahr eines theologischen Pluralismus“ und „Mangels an theologischer Profilierung“ sowie die Gefahr einer Überhöhung der Faktoren „Stallwärme“ und „Ordnung“ zu ekklesialen Werten hin. Insbesondere hinsichtlich der „Ordnung“ wurde geltend gemacht, „daß ihr nichts anderes als eine dem Zeugnis des Evangeliums dienende Funktion“ zukomme. Darüber hinaus erscheine „die Stellung der EKU zu den Bekenntnissen der Reformation“ präzisierungsbedürftig.133 Als eigene Besonderheiten nannte die lutherische Seite – wobei gewisse Einseitigkeiten in der Vergangenheit eingeräumt wurden – das Bemühen um Klärung von theologischen Grundsatzfragen wie das Bestreben nach theologischer Klarheit insgesamt, die Hochschätzung der Bekenntnisse „als exemplarische Schriftauslegung und als Hilfe zum aktuellen Bekennen“ sowie die Struktur der VELK als einer „föderativen Gemeinschaft, die auf der Eigenständigkeit ihrer Gliedkirchen wie der Verbindlichkeit gemeinsamen Handelns beruht“.134 Die Anfragen von unierter Seite bestanden zum Teil darin, der VELK das Recht zu bestreiten, die genannten Punkte allein für sich in Anspruch zu nehmen, da etwa die Klärung theologischer Grundsatzfragen und die Inan131 Was haben wir einzubringen? (Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 90), S. 2. – Mit dieser Feststellung wurde eine zwischen EKU und VELK herrschende Sprachverwirrung beendet, die in einem unterschiedlichen Gebrauch des Wortes „Proprium“ und daraus resultierenden Missverständnissen bestand: Während die lutherischen Kirchen unter „Proprium“ das Eigentliche verstanden, also das, was Kirche zur Kirche macht, wurde „Proprium“ von den EKU-Kirchen in diesem Zusammenhang mehr als Bezeichnung für das einer Kirche Eigentümliche angesehen. Dieses hatte zur Folge, dass sofern die VELK mit Bezug auf CA VII ihr Eigentliches zur Sprache brachte, die EKU dieses als Beschreibung des den lutherischen Kirchen Eigentümlichen verstand, womit den unierten Kirchen abgesprochen würde, dass sie im Sinne von CA VII Kirche sind. Sprachen andererseits die unierten Kirchen von ihrem Eigentümlichen, das sie von den lutherischen Kirchen unterscheide, wurde das von diesen als das Eigentliche und damit als Infragestellung dessen verstanden, was sie als das Eigentliche im Sinne von CA VII ansahen. 132 Vgl. EBD., S. 2–4. 133 Vgl. EBD., S. 4–6. 134 Vgl. EBD., S. 6–8.

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spruchnahme der Bekenntnisse der Reformation „als exemplare Schriftauslegung und Hilfe zum aktuellen Bekennen“ auch für die EKU wichtig wären. Als Anfrage wurde formuliert, ob in der VELK „die gemeinsame theologische Reflexion über Zeugnis und Dienst der Kirche angesichts der Herausforderungen der Gegenwart“ den notwendigen Stellenwert einnehme. Überhaupt sei von „großer Bedeutung . . . die Frage an die VELK, welche theologische und kirchenstrukturelle Relevanz sie der Tatsache beimißt, daß ihre Gliedkirchen in dem gleichen gesellschaftlichen Bezugshorizont wie die Gliedkirchen der EKU leben“.135 In einem letzten Abschnitt zur Frage des „Festhaltens und Aufgebens“ ergab sich als Voraussetzung für ein Aufgeben der „institutionellen Existenz“ beider Zusammenschlüsse folgerichtig das Wirksamwerden ihres gemeinsamen Propriums in der größeren Gemeinschaft, das freilich in Fortführung des bereits begonnenen Lernprozesses noch weiter vertieft werden müsse. Dabei könne, weil auch die „Eigentümlichkeiten . . . bei aller geschichtlichen Bedingtheit Wegzeichen der Kirche Gottes auf Erden“ sind, von den Partnern nicht von vornherein erwartet werden, diese „für sie entscheidenden Einsichten und Erfahrungen zurückzudrängen oder preiszugeben“. Allerdings seien diese Eigentümlichkeiten „der gemeinsamen Prüfung an dem Wort Gottes auszusetzen“.136 Damit blieb dieses Ergebnis innerhalb der Festlegungen der gemeinsamen Ratssitzung vom 6. Dezember, sofern darin den EKU-Kirchen die Fortführung ihrer Gemeinschaft mit den westlichen EKU-Kirchen nicht bestritten wurde; es blieb für die EKU hinter diesen Festlegungen zurück, sofern es ausschloss, die Intensität der Ost-West-Gemeinschaft der EKU für die größere Gemeinschaft insgesamt verbindlich zu machen. In dem wesentlich kürzeren Thesenpapier „Die Verbindlichkeit föderativer Gemeinschaft“ wurde Föderalität – in Fortführung vor allem von lutherischer Seite vorgenommener Klärungen – als ein Strukturmodell dargestellt, das in sich sowohl Verbindlichkeit von Gemeinschaft einerseits (Desiderat der EKU) als auch Gabenvielfalt anderseits (Desiderat der VELK) vereine und insofern sowohl einer Uniformität auf der einen (Befürchtung der VELK) wie einem Partikularismus auf der anderen Seite (Befürchtung der EKU) wehre. Eine „föderativ gegliederte Gemeinschaft“ sei „Ausdruck des Bestrebens, notwendige Einheit und wünschenswerte Vielfalt, Eigenständigkeit der Gliedkirchen und gegenseitige Verbindlichkeit der Zusammenarbeit in sachgemäße Beziehung zu setzen“.137 In Kombination spezifischer EKU- und VELK-Anliegen bedeute verbindliche föderative Gemeinschaft im Einzelnen, dass „spirituelle Besonderheiten, theologische Lehrausprägungen, kirchenpolitische Gegebenheiten, ethnische Spezifizierungen . . . nicht zuerst zu überwinden oder zur Uniformität hin zu nivellieren, sondern auf die mögliche Bereicherung für die Gemeinschaft hin 135 Vgl. EBD., S. 8 f. 136 Vgl. EBD., S. 9 f. 137 Die Verbindlichkeit föderativer Gemeinschaft. Thesen zum Gespräch zwischen Rat der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 92), S. 1.

Sachklärungen im Vorfeld der Delegiertenkonferenz

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zu prüfen und in sie einzuholen“ seien.138 Dazu gehörten weiterhin sowohl das Bemühen um eine Intensivierung der Gemeinschaft als auch eine weitere Klärung der theologischen Übereinstimmungen. Diese theologischen Gespräche seien jedoch – was noch einmal ausdrücklich betont wurde – „nicht als Voraussetzung, sondern als integrierender Bestandteil von Kirchengemeinschaft“ zu verstehen.139

Auf der gemeinsamen Beratung am 7. Dezember lagen zwar beide Papiere vor, die Aussprache beschränkte sich jedoch auf die Vorlage „Was haben wir einzubringen?“,140 konnte freilich auch dazu nicht alle Fragen ausdiskutieren. Während die Grundsatzaussagen zum gemeinsamen Proprium ohne nennenswerte Diskussion akzeptiert wurden, drehte sich die Diskussion – neben der Frage nach dem Stellenwert der Bekenntnisse (der Reformation, aber auch von Barmen) – im Wesentlichen um die Bedeutung der institutionellen Integration von EKU Ost und VELK in grenzübergreifenden Zusammenschlüssen (Gesamt-EKU und LWB) für deren Beteiligung an einem engeren Zusammenschluss der DDR-Kirchen, wobei es auch hier nur bei einem Abstecken der jeweiligen Positionen blieb. War in der Diskussionsgrundlage das Problem der Ost-West-Beziehungen unberücksichtigt geblieben, so bestimmte diese Frage die Aussprache in weiten Teilen. Bereits bei der Sichtung der jeweiligen Besonderheiten wies Werner Krusche darauf hin, dass die EKU 1972 „bei den Beschlüssen von Magdeburg anders verfahren“ sei als 1968 „die VELK in Freiberg“. Das gehöre „zu den Besonderheiten der EKU“.141 Diese indirekte Kritik wurde direkt, als Johannes Hempel nachfragte, inwiefern Ordnungen nach dem Verständnis der EKU verkündigen können. Krusche präzisierte, dass „Ordnungen . . . Verkündigung glaubhaft und unglaubhaft machen“ können, und stellte die Frage: „Wird die Verkündigung von der Versöhnung, der grenzüberschreitenden Liebe Gottes nicht durch die Entscheidung der VELK 1968 in Freiberg durchgestrichen?“142 Diese pointierte Zuspitzung rief freilich auch Bedenken seitens einiger EKURatsmitglieder hervor. Eberhard Natho etwa stellte die Frage, ob man es 1968 denn hätte anders machen können. Harald Schultze hingegen bestritt grundsätzlich einen „unmittelbaren Zusammenhang“ zwischen „Ordnungs- und Ver138 EBD., S. 2. 139 EBD., S. 3. 140 Das nicht diskutierte Papier „Die Verbindlichkeit föderativer Gemeinschaft“ wurde der Delegiertenversammlung als Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt (Delegiertenversammlung, Drucksache 14: Die Verbindlichkeit föderativer Gemeinschaft. Thesen zum Gespräch zwischen Rat der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 22]). 141 E. Brinkel: Niederschrift über die gemeinsame Beratung des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK in der DDR am 7.12.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 175), S. 3. 142 EBD., S. 4 f.

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kündigungsfragen“.143 In diesem Sinne lehnten auch die Lutheraner die von Hans-Martin Harder noch einmal bekräftigte These, dass Ordnung Verkündigung nicht nur behindern, sondern auch positiv fördern könne, ab und verwiesen auf die dienende Funktion von Ordnungen. Hinsichtlich der kritisierten Entscheidung von Freiberg bekräftigte Kurt Domsch, dass er „nach wie vor zu der Entscheidung, die 1968 in Freiberg getroffen worden ist“, stehe.144 Helmut Zeddies wiederum stellte die Frage, ob „sich die VELK 1968 mit ihrer Entscheidung etwa in die Hände des Staates begeben“ habe.145 Demgegenüber unterstrich Hans-Joachim Fränkel noch einmal die von Krusche erhobene Anfrage: „Versöhnung . . . kann ich nur predigen, wenn Gemeinschaft gewahrt ist.“ Hinsichtlich der Entscheidung von Freiberg griff er eine Bemerkung von Krusche auf, dass die Freiberger Entscheidung ohne Rücksprache mit der EKU erfolgt sei, und betonte: Eine „Rückkopplung mit der EKU wäre 1968 besser gewesen“.146 Die darin enthaltene Tatsachenbehauptung konnte von den Lutheranern offensichtlich weder bestätigt noch bestritten werden.147 Zeddies konzedierte lediglich, dass es „ein betrübliches Versäumnis“ gewesen wäre, falls „die Entscheidung von Freiberg im Jahre 1968 ohne Kontakt zur EKU geschehen“ sein sollte. Dagegen bestritt er, dass 1968 mit der Ordnungsänderung auch die Gemeinschaft aufgegeben worden sei: „Die Generalsynode von Freiberg gab eine Erklärung zur geistlichen Gemeinschaft ab, an der sie festhalten wollte.“ Diese geistliche Gemeinschaft werde „ohne viel Aufhebens vielfältig praktiziert“.148 Bei der Erläuterung der von VELK einerseits und EKU andererseits praktizierten Gemeinschaft wurde allerdings deren grundsätzliche Verschiedenheit deutlich. Während die von der VELK wahrgenommene geistliche Gemeinschaft sich auf informelle Kontakte beschränkte, war die Wahrnehmung der Gemeinschaft auf EKU-Seite in die Arbeitsabläufe der Organe (Rat, Kanzlei, Synode) integriert und insofern institutionalisiert.149 Eine gewisse Wendung nahm das Gespräch, als die Mitgliedschaft der lutherischen Kirchen im Lutherischen Weltbund in den Blick kam. Da damit 143 EBD., S. 6. 144 EBD. 145 EBD., S. 7. 146 EBD., S. 8. 147 Angesichts kritischer Reaktionen der EKU kurz nach der Freiberger Synode hatte die Kirchenleitung der VELK DDR auf ihrer ersten Zusammenkunft am 11.12.1968 ausdrücklich festgehalten, dass die EKU über die Absichten der VELK „bei vielen Gelegenheiten in Ost und West“ informiert und ihr auch die „Konzeption des Freiberger Gesetzentwurfs“ ausgehändigt worden sei (H. Zeddies: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche in der DDR am 11.12.1968 in Berlin, undatiert [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 370], S. 5). Nach den Erinnerungen von Zeddies, der sich hierbei auf Aussagen von Fritz Heidler beruft, erfolgte diese Information insbesondere innerhalb der Strukturkommission, zu der sowohl Heidler (VELKD) als auch Franz-Reinhold Hildebrandt (EKU) gehörten (Gespräch mit OKR Dr. Helmut Zeddies am 20.10.2000, S. 3). 148 E. Brinkel: Niederschrift über die gemeinsame Beratung des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK in der DDR am 7.12.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 175), S. 8. 149 Vgl. EBD., S. 10 f.

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auch auf lutherischer Seite eine in der Problematik vergleichbare institutionelle Bindung an eine grenzübergreifende Gemeinschaft vorlag, erhielt die Frage nach der Fortführung der Ost-West-Gemeinschaft der EKU innerhalb eines neuen Zusammenschlusses nunmehr ihr Pendant in der Frage nach der Fortführung der Mitgliedschaft der Lutheraner im Lutherischen Weltbund und dem Weiterbestehen des Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes. Die Haltung von EKU einerseits und VELK andererseits zu der von der jeweils anderen Seite mehr oder weniger angedeuteten Erwartung, diese Bindung aufzugeben, war freilich unterschiedlich. Zeddies erklärte zwar, es müsse so etwas geben „wie das Nationalkomitee auch innerhalb einer Gesamtkirche“, hielt dabei aber eine Trägerschaft dieses Nationalkomitees durch die Gesamtkirche für möglich150 und ging damit weiter als der Rat der EKU, der sich am Tag zuvor nicht auf ein Übertragungsmodell, sondern auf ein kombiniertes Angleichungsund Fortführungsmodell verständigt hatte. Entsprechend gab Krusche zu bedenken: „Wir haben die Sorge: Wenn wir die Beziehungen zur EKU in der BRD nur auf geistliche Gemeinschaft beschränken, dann kann das ohne institutionelle Verflechtung schnell zurückgehen. Einen Verzicht auf alle institutionelle Verflechtung können wir uns nicht vorstellen.“151

Am Ende des Gesprächs blieben etliche Fragen unbeantwortet.152 Auch die von einigen Teilnehmern (Zeddies, Hempel, Schönherr) bekräftigte Zielvorstellung einer Verschmelzung von EKU, VELK und Bund „zu einer neuen Größe“ gab wohl nicht die Position aller Beteiligten wieder. Dennoch hatte eine intensive Aussprache stattgefunden, die aus der Perspektive der Teilnehmer an einigen Punkten durchaus eine gewisse Annäherung gebracht hatte. Für die VELK betraf das gerade auch die Frage des strittigen Verhältnisses von Verkündigung und Ordnung.153 „Erstaunen“ hingegen hatte bei den Vertretern der VELK-Kirchenleitung der Stellenwert hervorgerufen, „den die EKU ihren Beziehungen mit den Gliedkirchen in der BRD“ beimaß. Dieser Stellenwert schien den Lutheranern „ekklesiologisch nicht hinreichend reflektiert“ zu sein, wobei sie jedoch durchaus der Meinung waren, dass die geistliche Gemeinschaft zwischen den Kirchen in der DDR und denen in der BRD erhalten werden und in diesem Zusammenhang auch eine Institutionalisierung erfahren müsse. Allerdings erforderte dies nach ihrer Meinung eine generelle Neuüberlegung und nicht einfach die Übernahme des EKU-Modus.154

150 Vgl. EBD., S. 12, 14. 151 EBD., S. 13. 152 Dazu gehörte auch die mehrfach gestellte Frage, ob die VELK eine Fortführung der Ost-West-Gemeinschaft der EKU in einer Gesamtkirche akzeptieren würde (EBD., S. 9 [J. Rogge], 10 [A. Schönherr]). 153 E. Brinkel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche in der DDR am 12.1.1979, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 374), S. 1. 154 EBD., S. 2.

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“ Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

4.3. Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“ 4.3.1. Vorgeschichte und Planung Wie alle Synoden hatte sich auch die Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche auf ihrer Tagung vom 19. bis 23. Mai 1976 in Dresden mit den von der Bundessynode 1974 formulierten Fragen zum Arbeitsergebnis des Ausschusses Kirchengemeinschaft „Zwischen Konkordie und Kirche“ befasst. In ihrer Stellungnahme zu der dort vorgenommenen Zielbeschreibung einer „föderativen Gemeinschaft“ war von ihr nicht nur betont das Moment der Föderalität unterstrichen, sondern auch eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet worden, wie die föderative Struktur einer solchen Gemeinschaft umgesetzt werden könnte. Unter den Gesichtspunkten, nach denen, „die ‚synodale Struktur einer föderativ gegliederten Kirche‘ . . . verbessert werden“ könnte, hieß es an erster Stelle: „Es ist empfehlenswert, daß die Synoden der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse sowie die Bundessynode, ausgehend von den gegenwärtigen Tagungsrhythmen, wenigstens alle zwei Jahre zur gleichen Zeit und am gleichen Ort tagen. Solche gemeinsamen Tagungen sollten vor allem thematisch akzentuiert sein. Sie würden den Prozeß des Zusammenwachsens fördern und ein sichtbares Maß an Gemeinsamkeit signalisieren, ohne daß es zu einer vorschnellen Aufgabe gewachsener Strukturen kommen müßte.“ Dabei wurde es für möglich gehalten, dass „die Synodalen der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse gleichzeitig die Synodalen der Bundessynode sein“ könnten.155

Während dieser Vorschlag auf der wenig später tagenden EKU-Synode (18.–20. Juni) nur auf verhaltene Zustimmung stieß und eine befürwortende Vorlage des Tagungsausschusses von der Synode nicht beschlossen, sondern an den Rat der EKU zur weiteren Bearbeitung überwiesen wurde,156 erfuhr diese Anregung im September 1976 auf der Bundessynode in Züssow157 zum Teil vehemente Zustimmung, die gerade auch den Vorschlag betraf, im Zusammenhang damit auf eine Wahl von Bundessynodalen zusätzlich zu den Synodalen der EKU und der VELK zu verzichten. Entsprechend verabschiedete die Bundessynode eine Erklärung, dass sie „die thematische, personelle und terminliche Koppelung der Synode des Bundes, der Generalsynode der VELK und der Synode der EKU . . . für erwägens155 Der Präsident der Generalsynode (K. Domsch), Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR zum Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“, 22.5.1976 (EZA BERLIN, 101, Nr. 64), S. 6. 156 Vgl. 1. Tagung der 5. Synode der EKU, Bereich DDR, 18.–20.6.1976 in Berlin, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 108/99, Nr. 2), S. 160 f. 157 Siehe oben S. 165–173.

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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wert“ halte, und beauftragte das Präsidium, „mit den Synodalpräsidien der beiden anderen Zusammenschlüsse zu prüfen, wie dies durchführbar“ sei, und auf der nächsten Synode einen „Bericht über das Ergebnis dieser Beratungen“ zu geben.158 Nachdem der Rat der EKU auf seiner Sitzung am 6. Oktober 1976 gemäß dem Synodalauftrag ebenfalls zum Vorschlag Stellung genommen und – mit Zurückhaltung – seine Bereitschaft zur Mitarbeit erklärt hatte,159 wandte sich das Sekretariat des Bundes unter dem Datum des 27. Oktober an die Leitungen und Synodalpräsidien der EKU wie der VELK und lud sie für den 24. Januar 1977 zu einer Verständigung über den Beschluss der Züssower Synode ein.160 Diese Einladung wurde von beiden Zusammenschlüssen an- und wahrgenommen, wobei Bund und VELK durch ihre Beteiligung erkennen ließen, welche Bedeutung sie dem Thema beimaßen.161 In ihren einleitenden Voten entwickelten sowohl Präsident Domsch als auch der Leiter des Sekretariats, Stolpe, einen im Wesentlichen übereinstimmenden Stufenplan mit dem Ziel einer einzigen Gesamtsynode. Dieser sah jeweils drei Schritte vor.162 Herrschte hinsichtlich des Weges relative Einmütigkeit, so gab es hinsichtlich der Frage, ob es überhaupt sinnvoll sei, diesen Weg zu beschreiten, zwischen den Beteiligten durchaus kontroverse Meinungen. Bereits in ihrem einführenden Votum hatte die Vertreterin der EKU-Kirchenkanzlei „die Möglichkeit einer gemeinsamen Synode bezweifelt“, da die „EKU Gemeinsamkeit Ost-West wahren möchte“.163 In der Diskussion kamen weitere Argumente pro und contra 158 4. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage 17/1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 91), abgedruckt in: KJ 103/104 (1976/77), S. 384; epd Dokumentation 49/76, S. 95; vgl. 4. Tagung der II. Bundessynode – 25.9. bis 28.9.1976 Züssow, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 101, Nr. 5339), S. 60 f., 135. 159 W. Krusche: Auszug aus der Niederschrift über die 45. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 6.10.1976 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 38). 160 [Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Sekretariat] an den Rat der EKU/das Präsidium der Synode der EKU über Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR/die Kirchenleitung der VELK/das Präsidium der Generalsynode über Lutherisches Kirchenamt: Betr. Behandlung der Synodalbeschlüsse der 4. Tagung der 2. Synode des Bundes, 27.10.1976 (EZA BERLIN, 101, Nr. 91). 161 Seitens des Bundes nahmen das gesamte Präsidium der Bundessynode (O. Schröder, J. Cieslak, S. Wahrmann, E. Fuhrmann, U. Radke) sowie zwei Vertreter des Sekretariats (M. Stolpe, H. J. Behm) teil; seitens der VELK ein Vertreter des Lutherischen Kirchenamtes (B. Winkel), der Vorsitzende der Kirchenleitung der VELK (H. Rathke) und der Präsident der Generalsynode (K. Domsch); seitens der EKU der stellvertretende Ratsvorsitzende (W. Kupas) und eine Vertreterin der Kirchenkanzlei (B. Küntscher) (vgl. H. J. Behm: Vermerk Betr. Besprechung Bund-EKU-VELK betr. Koppelung der Synoden am 24.1.1977, 31.1.1977 [EZA BERLIN, 101, Nr. 91], S. 1). Der Präses der EKU-Synode (M. Becker), der ebenfalls teilnehmen wollte, entschuldigte sich kurzfristig wegen beruflicher Verpflichtungen (An die Teilnehmer des Gespräches zwischen Vertretern der drei gliedkirchlichen Zusammenschlüsse am 24.1.1977 über die Möglichkeit einer gemeinsamen Synodenversammlung, 24.1.12977 [EZA BERLIN, 101, Nr. 28]). 162 H. J. Behm: Vermerk (vgl. Anm. 161), S. 1 f. (siehe Tabelle S. 190). 163 EBD., S. 1; skeptisch auch der Präses der EKU-Synode in seinem Schreiben an die

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“ Domsch

Stolpe

1. Schritt

„Eine oder zwei gemeinsame Tagungen aller Synoden mit einem zentralen Thema. 1. Tagung 1978“

„Synodenversammlung“ (drei Modelle zur organisatorischen Durchführung)

2. Schritt

„Eine gemeinsame Synode mit luth. und uniertem Konvent, etwa 1980 oder 1981“

„Gemeinsame Synode mit Restaufgaben der EKU und VELK“

3. Schritt

„Eine Synode, etwa 1983“ (Zusammensetzung „nach den realen Zahlen der Kirchenglieder“)

„Gesamtsynode“

hinzu. Kritisiert wurde die Kompliziertheit des Verfahrens und darüber hinaus befürchtet, dass auf der einen Seite die Leitungen ein zu großes Übergewicht bekämen, während auf der anderen Seite die Synode schon aufgrund ihrer Größe kaum zu effektiver Arbeit fähig sein dürfte. Schließlich wurde die Gefahr gesehen, dass aufgrund der erst einmal zu erwartenden Mehrbelastung164 die Synode „nur noch eine Sache der ‚Hauptamtlichen‘“ werde und „echte Laien ausgeschlossen“ würden. Positiv wurde hingegen die Bedeutung des gegenseitigen Kennenlernens und der gemeinsamen thematischen Arbeit hervorgehoben. Im Ergebnis wurde eine Gruppe aus dem Leiter des Sekretariats und den Präsides der drei Synoden eingesetzt, um das von der Bundessynode erbetene Votum zu erarbeiten (M. Becker, K. Domsch, O. Schröder, M. Stolpe).165 Die dreiteilige Vorlage, die diese Gruppe in zwei Zusammenkünften erstellte, widmete sich in ihrem ersten Teil der möglichen „Aufgabenstellung“ einer solchen „Synodenversammlung“ und hob insbesondere die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der gesamtkirchlichen Synoden hervor. Angesichts des bereits begonnenen Prozesses des Zusammenwachsens wurde die vorgeschlagene stärkere Zusammenfassung der gesamtkirchlichen Aktivitäten nicht nur als ökonomisch nötig, sondern auch als theologisch möglich bezeichnet. Ebenso erfordere die „geistliche Glaubwürdigkeit . . . ein gemeinsames Handeln in Grundfragen“. Dabei sollte „der bewährte Prozeß eines Zusammenwachsens durch Zusammenarbeit fortgesetzt werden, der im Gespräch die Gemeinsamkeiten erkennt und die Unterschiede respektiert sowie in der Aktion den gemeinsamen Auftrag bezeugt“.166 Als „Wegbeschreibung“ wurde in diesem Zusammenhang der bereits auf der ersten Sitzung dargestellte Dreischritt übernommen. Der zweite Teil der Vorlage, der zu Inhalt und Form der Synodenversammlung Stellung Teilnehmer des Gespräches (M. Becker an die Teilnehmer des Gespräches zwischen Vertretern der drei gliedkirchlichen Zusammenschlüsse am 24.1.77 über die Möglichkeit einer gemeinsamen Synodenversammlung, 24.1.1977 [EZA BERLIN, 101, Nr. 28], S. 4). 164 Bei den ersten beiden von Stolpe vorgetragenen Modellen zur organisatorischen Durchführung der „ersten Stufe“, die von einem zeitlichen Zusammenhang der Synodenversammlung und der Einzeltagungen ausgingen, kam dieser jeweils auf eine Tagungsdauer von (mindestens) 6 Tagen (H. J. Behm: Vermerk [vgl. Anm. 161], S. 2). 165 EBD., S. 2 f. 166 H. J. Behm: Vorlage zur Sitzung des Präsidiums der Bundessynode mit Vertretern der EKU und der VELK am 4.3.1977 (EZA BERLIN, 101, Nr. 91), S. 1.

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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nahm, unterstrich für deren Gelingen die Bedeutung der thematische Arbeit, die als „gemeinsamer Klärungsprozeß“ zu „grundsätzlichen Erkenntnissen für Zeugnis und Dienst unserer Kirchen“ führen und im Interesse eines „wirksamen missionarischen Impulses“ in „Vorbereitung und Nacharbeit“ unter „breiter Gemeindebeteiligung“ geschehen solle. Für den äußeren Ablauf wurden 5 Modelle skizziert, von denen die dritte Variante (Synodenversammlung ohne zeitliche Bindung an die Synodaltagungen der Zusammenschlüsse) als „die unkomplizierteste“ favorisiert wurde. Eine erste derartige Synodenversammlung wurde für 1979 empfohlen, ihre Vorbereitung sollte einem paritätisch zu besetzenden Gremium übertragen werden.167 In einem dritten Teil der Vorlage wurde dieses Ergebnis in einen Beschlussentwurf für die Bundessynode umgesetzt. Auf der Sitzung des Gesamtausschusses am 4. März fand diese Vorlage freilich nicht in allen Punkten Zustimmung, sondern wurde „nach längerer Grundsatzaussprache“ noch einmal verändert. Abgesehen von der nunmehr wörtlichen Aufnahme der zu Grunde liegenden Beschlüsse bestand die wichtigste Änderung in der ersatzlosen Streichung des Dreischritts (aufgrund bestehender Vorbehalte in der sächsischen Landeskirche) und damit der Zielstellung, in einer „3. Phase“ zu einer „Gesamtsynode“ zu gelangen.168 Bevor dieses veränderte Arbeitsergebnis der Bundessynode vorgelegt wurde, informierten die Vertreter der Zusammenschlüsse ihre jeweiligen Leitungsgremien. Während die Kirchenleitung der VELK der Durchführung einer Synodenversammlung im Jahre 1979 „grundsätzlich“ zustimmte,169 erhoben sich innerhalb des Rates der EKU „Bedenken gegen die Durchführung einer derartigen Versammlung“.170 Als Alternative wurde angeregt, „darüber in einen Meinungsaustausch einzutreten, ob nicht eine gemeinsame Versammlung von Delegierten der Synoden der Zusammenschlüsse sinnvoller und bei geringerem Aufwand wirkungsvoller sein könnte“.171

Auf der nächsten Bundessynode, die vom 13. bis 17. Mai 1977 in Görlitz tagte, erstattete entsprechend einer in der Arbeitsgruppe am 4. März getroffenen Vereinbarung Präses Otto Schröder selbst den erbetenen Bericht über das Ergebnis der Beratungen. Er brachte die erarbeitete Vorlage ein (Vorlage 8)172, erläuterte diese kurz und teilte abschließend mit, dass hinter dieser Vorlage, wie es ja zuweilen vorkomme, nicht „die Einmütigkeit aller 167 EBD., S. 2 f. 168 H. J. Behm: Vermerk Betr. Sitzung von Bund (Präsidium der Synode), EKU und VELK betr. Zusammenarbeit der gesamtkirchlichen Synoden, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 91). 169 H. Tschoerner: Niederschrift zur Sitzung der Kirchenleitung der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche am 11.3.1977 in Berlin, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 373), S. 4. 170 K. Immer/D. Jungklaus/B. Küntscher: Niederschrift über die 36. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 4.5.1977 in Berlin, 4.5.1977 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186), S. 2. 171 Der Präses der Synode (M. Becker) an das Präsidium der Synode des BEK, Synodenversammlung des BEK, der VELK und der EKU, 10.5.1977 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 109). 172 5. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage Nr. 8: Zusammenarbeit der gesamtkirchlichen Synoden, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 92).

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

Ausschußmitglieder“ stehe.173 Die Synode wiederum überwies die Vorlage nach einer Aussprache an einen Synodalausschuss, der sich jedoch nicht dazu entschließen konnte, der Synode deren Annahme zu empfehlen. Zwar bejahte er in seinem Beschlussvorschlag (Vorlage 15) ausdrücklich „die in der Vorlage 8 gegebene Motivation zur Zusammenarbeit der Synoden“, hielt jedoch „abweichend von der Vorlage des Präsidiums . . . in seiner Mehrheit einen differenzierteren Weg zur Verwirklichung des beschriebenen Zieles für geeigneter“.174 Dieser „differenziertere Weg“, den der Ausschuss in seinem Beschlussentwurf vorschlug, entsprach im Wesentlichen der im Rat der EKU geäußerten, von der VELK allerdings als weniger effektiv eingestuften Anregung,175 die weitere Planung der Zusammenarbeit einer Delegiertenkonferenz zu übertragen und diese zu beauftragen, „nach Wegen zur Vertiefung der Kirchengemeinschaft mit den Mitteln synodaler Arbeit zu suchen“.176 Diese Delegiertenkonferenz, die nach der beibehaltenen Terminplanung für 1979 vorgesehen wurde, sollte paritätisch besetzt sein: 12 Delegierte aus der Synode der EKU, 12 Delegierte aus der Lutherischen Generalsynode, 12 Delegierte aus der Bundessynode (je 6 aus dem EKU- bzw. VELK-Bereich) sowie je zwei Vertreter der Leitungen der Zusammenschlüsse und die Leiter ihrer Verwaltungsbehörden (insgesamt 45 Teilnehmer).177 Dieser Vorschlag wurde von der Bundessynode – abgesehen von einigen redaktionellen Korrekturen178 – mit großer Mehrheit bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen179 und am 2. Juni 1977 den Leitungsgremien der beiden anderen Zusammenschlüsse zusammen mit der Anfrage übermittelt, „ob sie die gemäß Abs. 4 des Beschlusses erbetene Zustimmung zu diesem Verfahren aussprechen können“.180 173 Vgl. 5. Tagung der II. Bundessynode – 13. bis 17.5.1977 Görlitz, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5342), S. 137–139. 174 So der Synodale Reinhold Fritz bei der Einbringung der Vorlage 15 (EBD., S. 195). 175 Vgl. Vermerk, 22.11.1976 (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 2 f. 176 5. Tagung der 2. Synode des BEK, Vorlage 15/1, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 109), abgedruckt in KJ 103/104 (1976/77), S. 386. 177 EBD. 178 Inhaltlich relevant war im Wesentlichen nur die Anregung Schönherrs, die Festlegung, dass sich unter den Delegierten der EKU ein reformiertes Mitglied befinden solle, dahingehend zu präzisieren, dass die EKU „mindestens“ ein reformiertes Mitglied entsendet, falls sie dies wünsche, also auch mehrere reformierte Delegierte entsenden könne (vgl. 5. Tagung der II. Bundessynode – 13. bis 17.5.1977 Görlitz, Tonbandabschrift, Bd. 2 [EZA BERLIN, 101, Nr. 5342], S. 198–200). 179 EBD., S. 200. – Der Beschluss wurde später als Dokument C/2 in das Vorbereitungsmaterial für die Delegiertenversammlung aufgenommen (vgl. Delegiertenversammlung, Drucksache 1: Informationsmaterial, Dokument C/2: Beschluss der Synode des Bundes über eine Delegiertenversammlung vom 17.5.1977 [EZA BERLIN, 688, Nr. 92]). 180 Sekretariat des BEK (H. J. Behm): An die Kirchenleitung der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche/das Präsidium der Generalsynode der VELK/den Rat der EKU/das Präsidium der

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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EKU und VELK erteilten diese Zustimmung jeweils auf ihren nächsten Synodaltagungen im September 1977 in Neustrelitz (VELK)181 bzw. im Juni 1978 in Berlin (EKU)182 und nahmen in diesem Zusammenhang die Wahl ihrer synodalen Delegierten vor. Das Präsidium der Bundessynode wiederum entschloss sich angesichts zustimmender Signale sowohl aus der VELK als auch aus der EKU,183 mit der Wahl der synodalen Delegierten des Bundes nicht bis zur offiziellen Zustimmung der anderen beiden Zusammenschlüsse zu warten, sondern die Bundesdelegierten bereits auf der konstituierenden Tagung der 3. Bundessynode (21.–23. Oktober 1977 in Herrnhut) wählen zu lassen.184 Die Leitungsgremien der drei Zusammenschlüsse wiederum benannten ihre Delegierten jeweils bewusst nach ihren Synoden, um Personen eventuell noch berücksichtigen zu können, die von den Synoden nicht delegiert worden waren, aus der Perspektive der jeweiligen Leitung jedoch beteiligt werden sollten.

Die Vorbereitung der Delegiertenkonferenz lag bei den Präsidien der gesamtkirchlichen Synoden, die diese unter Einbeziehung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe (GVG)185 und der Gemeinsamen Planungsgruppe (GPG)186 durchführten. Insgesamt fanden sechs Sitzungen „der Präsidien von Bund, VELK, EKU betr. Delegiertenversammlung“ statt (am 14. Februar,187 2. Mai,188 10. Juli,189 19. Oktober,190 28. November 1978191 und am 3. Januar 1979192). Synode der EKU betr. Zusammenarbeit der gesamtkirchlichen Synoden, 2.6.1977 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 109). 181 Der Präsident der Generalsynode: Beschluss zur Zusammenarbeit der gesamtkirchlichen Synoden, 23.9.1977 (EZA BERLIN, 101, Nr. 28). Dabei ging die Generalsynode davon aus, „daß es sich um eine einmalige Tagung handelt, die vor dem Zusammentreten der III. Generalsynode der VELK in der DDR zu ihrer ersten Tagung stattfindet“. 182 Synode der EKU – Bereich DDR. Tagung vom 30.6. bis 2.7.1978, Vorlage 12: Betr. Delegiertenversammlung, 30.6.1978 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110). 183 Vgl. H. J. Behm: Vermerk betr. Sitzung des Präsidiums der Synode am 13.7.1977 in Krakow am See, 20.7.1977 (EZA BERLIN, 101, Nr. 38); Präses Becker an das Sekretariat des BEK: Betr. Zusammenarbeit gesamtkirchlicher Synoden, 5.10.1977 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 109). 184 Vgl. 1. Tagung der 3. Synode – 21.10. bis 23.10.1977 Herrnhut, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 101, Nr. 5343), S. 95. 185 Die „Gemeinsame Vorbereitungsgruppe“ (GVG) war 1970 gebildet worden, um eine engere Zusammenarbeit der drei gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse und ihr Zusammenwachsen „vorzubereiten“. Ihr gehörten ursprünglich je vier leitende Vertreter der drei gliedkirchlichen Zusammenschlüsse – insgesamt also zwölf Personen – an, die zwei- bis dreimal im Jahr in (fast) geheimer Sitzung zusammentraten. 1977 wurde diese Gemeinsame Vorbereitungsgruppe um Vertreter der drei gesamtkirchlichen Synoden erweitert. 186 Siehe oben S. 176. 187 H. J. Behm: Betr. Vermerk über die 1. Sitzung der Präsidien von Bund, VELK, EKU betr. Delegiertenversammlung am 14.2.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17). 188 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 2. Sitzung der Vorbereitungsgruppe für die Delegiertenversammlung am 2.5.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 189 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung am 10.7.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 24).

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

Während der Zeitpunkt der Tagung bereits bei der ersten Zusammenkunft auf den Zeitraum vom 25. Januar (abends) bis 28. Januar 1979 (mittags) festgelegt wurde,193 entschied sich die Vorbereitungsgruppe hinsichtlich des Ortes erst nach längerem Zögern für das vom Sekretariat vorgeschlagene „Haus Hainstein“ in Eisenach.194 Für die organisatorisch-technische Vorbereitung und Durchführung der Delegiertenversammlung wurde die Einrichtung einer Geschäftsstelle vorgesehen, die „für die Vorbereitungsphase knapp, für die Durchführung der DV selbst aber reichlich ausgestattet werden“ sollte.195 Nachdem der von Demke am 10. Juli vorgetragene Personalvorschlag von der Vorbereitungsgruppe gebilligt worden war,196 konnte die Geschäftsstelle Ende Juli 1978 ihre Arbeit aufnehmen.197 Die Formulierung einer Geschäftsordnung für die Delegiertenversammlung erfolgte auf der Grundlage eines Entwurfs der Gemeinsamen Planungsgruppe für „Verfahrensrichtlinien“.198 Die weiterführenden Überlegungen in der Vorbereitungsgruppe betrafen vor allem Fragen der Leitung, des Teilnehmerkreises und der Beteiligung der Öffentlichkeit: Hinsichtlich der Leitung entschied sich der Vorbereitungskreis für eine dreiköpfige Leitungsgruppe, die von der Delegiertenversammlung zu wählen sei und deren Mitglieder die Beratungen der Versammlung im Wechsel leiten sollten.199 Um ein umständliches Nominierungsverfahren auf der Delegiertenversammlung zu vermeiden, schlug die Vorbereitungsgruppe ihrerseits die Präsides der drei gesamtkirchlichen Synoden für diese Leitungsgruppe vor. Bis zu deren Wahl durch die Delegiertenversammlung sollte die Leitung der Versammlung in der Hand des ältesten Delegierten liegen.200 190 Ch. Demke: Niederschrift über die 4. Sitzung der Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung am 19.10.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 191 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung am 28.11.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 192 Ch. Demke: Niederschrift über die 6. Sitzung der Vorbereitungsgruppe für die Delegiertenversammlung am 3.1.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110). 193 H. J. Behm: Betr. Vermerk (vgl. Anm. 187), S. 1. 194 Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 189), S. 3. 195 Ch. Demke: Niederschrift über die 2. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 188), S. 2. 196 Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 189), S. 3. 197 Bis zur Delegiertenversammlung bestand sie lediglich aus dem stellvertretenden Leiter des Sekretariats des Bundes, Christoph Demke, und – für technisch-organisatorische Angelegenheiten – aus dem Kirchenamtmann in der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR) Hans-Rüdiger Kintzel. 198 Verfahrensrichtlinien für die Delegiertenversammlung (Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17). 199 Vgl. H. J. Behm: Betr. Vermerk (vgl. Anm. 187), S. 2; Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 189), S. 2 f. 200 Ch. Demke: Niederschrift über die 6. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 192), S. 2.

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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Um „die volle Zahl der Teilnehmer auf jeden Fall“ zu gewährleisten, wurde von Anfang an eine Vertretungsregelung für notwendig erachtet.201 Die Entscheidung fiel entsprechend einem Vorschlag der GPG202 und der Meinungsbildung in den delegierenden Gremien gegen eine Nominierung von personengebundenen Stellvertretern und zugunsten von nicht personengebundenen Ersatzleuten, die bei Ausfall eines Delegierten ihres Zusammenschlusses jeweils nachrückten.203 Bei der Frage einer eventuellen Einladung von „mitarbeitenden Gästen“ bestand anfangs in der Vorbereitungsgruppe „keine volle Einmütigkeit“. Allerdings sprach sie sich am 14. Februar überwiegend „gegen eine solche Teilnahme“ aus, während eine ebenfalls erwogene Hinzuziehung von Beratern als möglich angesehen wurde.204 Nachdem sich der Rat der EKU allerdings gegen eine „Hinzuziehung von Beratern“ ausgesprochen hatte,205 entschied sich am 2. Mai auch die Vorbereitungsgruppe gegen diese Möglichkeit.206 Nachdem bereits in den „Verfahrensrichtlinien“ der GPG ein Ausschluss der Öffentlichkeit vorgesehen war und nur die Abschlusssitzung öffentlich gehalten werden sollte,207 sprach sich die Vorbereitungsgruppe am 14. Februar „dafür aus, grundsätzlich nicht öffentlich zu tagen“.208 Am 10. Juli wurde dementsprechend als Formulierung des Paragrafen 5 der Geschäftsordnung festgelegt: „Die Beratungen der Delegiertenversammlung sind nicht öffentlich, soweit die Delegiertenversammlung nicht anders beschließt.“209 Die mit Ausschluss der Öffentlichkeit notwendig gewordene besondere publizistische Vorbereitung und Aufarbeitung der Tagung wurde den beiden Dienststellenleitern der konfessionellen Zusammenschlüsse, Rogge und Zeddies, übertragen. Darüber hinaus empfahl die Vorbereitungsgruppe eine Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit mit dem Chefredakteur der Mecklenburgischen Kirchenzeitung, Gerhard Thomas.210 Dieser legte auf der Zusammenkunft am 19. Oktober, an der er als Gast teilnahm, einen „Plan für vorbereitende Artikel in der kirchlichen Presse“ vor, der eine „Artikelreihe zum Thema Kirchengemeinschaft aus Anlaß der 201 H. J. Behm: Betr. Vermerk (vgl. Anm. 187), S. 2. 202 [Ch. Demke]: GPG 14./12.77 (EZA BERLIN, 688, Nr. 93), S. 6. 203 Vgl. W. Krusche/J. Rogge: Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift über die 61. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – vom 5.4.1978, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110); Ch. Demke: Niederschrift über die 2. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 188), S. 2. 204 H. J. Behm: Betr. Vermerk (vgl. Anm. 187), S. 2. 205 Vgl. W. Krusche/J. Rogge: Auszugsweise Abschrift (vgl. Anm. 203). Präses Becker hatte die Vorbereitungsgruppe von dieser Meinungsbildung unterrichtet (handschriftliche Notiz, EBD.). 206 Ch. Demke: Niederschrift über die 2. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 188), S. 2. 207 Verfahrensrichtlinien für die Delegiertenversammlung (Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17), S. 2. 208 H. J. Behm: Betr. Vermerk (vgl. Anm. 187). S. 2. 209 Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 189), S. 2. 210 EBD., S. 3.

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bevorstehenden Delegiertenversammlung“ vorsah211 und in dieser Form auch die Zustimmung der Vorbereitungsgruppe erhielt.212 Anfang Dezember wurden die vier Artikel den kirchlichen Redaktionen zugesandt,213 allerdings ohne dass diese davon hinreichenden Gebrauch machten. Zur Information der auf der Versammlung selbst nicht zugelassenen Presse über die Ergebnisse der Delegiertenversammlung sah die Vorbereitungsgruppe eine Pressekonferenz in Eisenach im Anschluss an die Versammlung vor. Thomas erklärte sich bereit, während der Delegiertenversammlung zur Vorbereitung des Pressegespräches in der Geschäftsstelle mitzuarbeiten. Den Delegierten wiederum sollte unter Hinweis auf die publizistische Vorbereitung der Versammlung durch die Vorbereitungsgruppe „im nächsten Brief“ „Zurückhaltung“ gegenüber der Presse empfohlen werden.214 Die getroffene Entscheidung, die Öffentlichkeit auszuschließen, erfuhr in der Folgezeit allerdings zunehmend Kritik und wurde auch innerhalb der Vorbereitungsgruppe strittig. Nachdem am 19. Oktober im Zusammenhang der Themenfestlegung für die Arbeitsgruppen dazu „eine ausgedehnte Aussprache“ stattgefunden hatte, „in deren Verlauf noch einmal die Gründe für die Nichtöffentlichkeit der Delegiertenversammlung erörtert und bestätigt“ worden waren,215 kam es am 28. November in der Vorbereitungsgruppe darüber zu einer kontroversen Diskussion. Angesichts des im Zusammenhang der Lutherischen Generalsynode bekundeten „Interesses der Pressevertreter an der Delegierten211 G. Thomas: Vorschlag für eine Artikelreihe zum Thema Kirchengemeinschaft aus Anlaß der bevorstehenden Delegiertenversammlung (Anlage zur Niederschrift über die 4. Sitzung der Vorbereitungsgruppe für die Delegiertenversammlung), undatiert [EZA BERLIN, 688, Nr. 91]). 212 Ch. Demke: Niederschrift über die 4. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 190), S. 2. 213 Kirchlicher Pressedienst Schwerin: Betr. Artikelreihe zur Delegiertenversammlung, 6.12.1978 (EZA BERLIN, 688, Nr. 92). Im Einzelnen: Werner Schnoor: „Acht Landeskirchen in drei Zusammenschlüssen“ (zur Entstehung der gegenwärtigen kirchlichen Struktur mit Landeskirchen einerseits und konfessionellen Zusammenschlüssen andererseits); Günter Krusche: „Unterwegs zu einer einfachen Kirche“ (zur Notwendigkeit einer Vereinfachung der kirchlichen Struktur); Brigitte Grell: „Eine Gemeinschaft eigenständiger und verpflichteter Kirchen“ (zur Gestalt einer föderativen Gemeinschaft); Christian Bunners: „Konzentriert auf die Aufgaben von morgen“ (zu den künftig zu bedenkenden Problemen). Ein ursprünglich geplanter fünfter Artikel zur Zielstellung der Delegiertenversammlung entfiel, weil er nur hätte wiederholen können, was in den anderen Beiträgen bereits gesagt worden war. 214 Ch. Demke: Niederschrift über die 4. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 190), S. 2. 215 EBD., S. 1 f. – Nach Informationen des IM „Winter“, der freilich selbst nicht Mitglied der Vorbereitungsgruppe war, hätte sich Domsch für die ursprüngliche Regelung ausgesprochen, wenigstens den letzten Sitzungstag öffentlich zu halten, während Thomas mindestens drei öffentliche Sitzungen für notwendig hielt, damit sich die Tagung für die anreisenden Pressevertreter lohne. Auch Demke habe bei gänzlich nicht öffentlicher Tagung ein Fernbleiben der Presse befürchtet. Im Ergebnis hätten aber vor allem Forck und Dudey eine Beibehaltung der Nichtöffentlichkeit durchgesetzt (Dienststelle Görlitz: Tonbandbericht IM „Winter“ am 24.10.78: Sitzung des Präsidium des Bundes am 19.10.78 in Berlin, 25.10.1978 [BSTU, MfS, HA XX/4, Nr. 3011, S. 124–125], S. 2.).

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versammlung“ baten sowohl Zeddies als auch Thomas „um eine stärkere Öffnung der Delegiertenversammlung für Vertreter der kirchlichen Presse“.216 Dieses wurde „nach einer eingehenden Aussprache“ mehrheitlich abgelehnt, „um eine offene und direkte Aussprache zu befördern“.217 Daraufhin nahm Thomas seine Zusage, das in Eisenach geplante Pressegespräch mit vorzubereiten, zurück, was die Vorbereitungsgruppe wiederum veranlasste, das Gespräch von Eisenach in das ohnehin verkehrsgünstigere Berlin zu verlegen.218 Entsprechend wurden die Redaktionen der kirchlichen Sonntagsblätter, des ENA usw. am 9. Januar 1979 zu einem „Pressegespräch am 29. Januar 1979, 16.30 Uhr“ in das Dienstgebäude der drei Zusammenschlüsse eingeladen.219

Den wohl breitesten Raum in der Vorbereitungsphase nahmen die Überlegungen zum Arbeitsauftrag der Delegiertenversammlung ein. Zuvor waren dazu bereits in der Gemeinsamen Planungsgruppe wie auch in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe Vorüberlegungen angestellt und von der GVG in diesem Zusammenhang ausdrücklich empfohlen worden, dass sich die Delegiertenkonferenz nicht „einseitig nur mit Strukturproblemen“ befassen, sondern auch thematisch arbeiten solle, wobei „durch eine entsprechende Themenformulierung . . . sachliche und strukturelle Fragen so miteinander verbunden werden“ könnten, dass „strukturelle Konsequenzen auf Grund sachlicher Übereinstimmung möglich“ würden.220 Am 14. Februar führte die Vorbereitungsgruppe für die Delegiertenversammlung „einen ersten Gesprächsgang über inhaltliche Fragen“, trug allerdings erst einmal nur einzelne Aspekte der Fragestellung, wie „das Ziel ‚Vertiefung der Kirchengemeinschaft auf synodaler Ebene‘ verwirklicht werden“ könne, zusammen. Eine Entscheidung wurde noch nicht getroffen, angesichts der Fülle möglicher Fragestellungen jedoch festgelegt, dass an der endgültigen Themenfindung die Delegierten in geeigneter Weise beteiligt werden müssten. Zu diesem Zwecke sollte eine einführende Problemskizze und ein Anschreiben an die Delegierten entworfen werden, worum der Leiter des Lutherischen Kirchenamtes (H. Zeddies), der dabei von einem Mitglied des Präsidiums der EKU-Synode unterstützt werde sollte (I. Dudey), gebeten wurde.221 Beide Textentwürfe lagen auf der zweiten Sitzung der Vorbereitungsgruppe am 2. Mai 1978 vor und wurden von Zeddies erläutert. 216 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (Anm. 191), S. 2. 217 Berlin-Brandenburg. Synodaltagung 1979, Information Nr. 2 vom 20.4.1979: [Ch. Demke], Bericht über die Delegiertenversammlung in Eisenach (EZA BERLIN, 688, Nr. 97), S. 3. 218 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 191), S. 3. 219 EKU/VELK DDR/BEK/Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (Ch. Demke) an die Redaktionen der kirchlichen Sonntagsblätter, ENA usw.: Betr. Pressegespräch zur Delegiertenversammlung am 29.1.1979, 9.1.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25). 220 M. Stolpe/J. Rogge/H. Zeddies. Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 5.9.1977 in Schwerin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 16), S. 2. 221 H. J. Behm: Betr. Vermerk (vgl. Anm. 187), S. 3 f.

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Die Problemskizze mit dem Titel „Überlegungen zur Delegiertenversammlung“ bot auf fünf Seiten eine geraffte Einführung in die Problematik einer Kirchwerdung des Bundes. Sie ging dabei aus von den Erwartungen der Gemeinden einerseits und den gesamtkirchlichen Erfordernissen andererseits, wies auf den bereits erreichten Stand von Gemeinschaft der Kirchen innerhalb des Bundes hin und skizzierte die Richtung weiteren Zusammengehens sowie die damit zusammenhängenden Probleme. An den Anfang stellte sie eine knappe und eingängige dreifache Beschreibung der Erwartung der evangelischen Gemeinden in der DDR an ihre Kirche: „Gemeinden in unserer Situation erwarten eine einfache Kirche: – einmütig in ihrem Zeugnis . . ., – glaubwürdig in ihrem Dienst . . ., – durchschaubar in ihrer Gestalt.“222 Diese Erwartung wie auch die Einsicht, dass eine „stärkere Zusammenfassung der gesamtkirchlichen Aktivitäten theologisch möglich und kräftemäßig nötig“ sei, würden die Landeskirchen zu engerer Gemeinschaft untereinander und verstärkter Zusammenarbeit miteinander verpflichten. Innerhalb dieses bereits begonnenen Prozesses des Zusammenwachsens hätten „das erreichte Maß an gemeinsamer Arbeit und die ekklesiale Qualität der kirchlichen Gemeinschaft wie auch die begrenzten Kapazitäten . . . zu dem Gedanken einer gemeinsamen Synode für die drei Zusammenschlüsse geführt“. Der direkte Zusammenhang zwischen der Einberufung einer Delegiertenversammlung und dieser als möglich angesehenen gemeinsamen Synode wurde allerdings im Interesse einer möglichst umfassenden Aufgabenbestimmung der Delegiertenversammlung nicht ausdrücklich hergestellt. Abgeschlossen wurde die Problemskizze durch einige Fragen, die den Delegierten zum weiteren Bedenken mitgegeben werden sollten.

Bei der Diskussion des Entwurfes wurde freilich deutlich, dass innerhalb der Vorbereitungsgruppe durchaus unterschiedliche Erwartungen an eine solche Problemskizze bestanden. Während die einen „eine genaue Bestimmung des Stellenwertes der Delegiertenversammlung . . . und eine klare Zielbestimmung“ vermissten, machten andere demgegenüber geltend, dass die Problemskizze gerade nicht festschreiben, sondern Impulse geben solle „für den weiteren Weg und die nächsten Schritte“. Die Mehrheit neigte dieser offeneren Zielbeschreibung zu und bat Demke, Dudey, Forck und Zeddies um eine Überarbeitung der Problemskizze (wie auch des Anschreibens) in diesem Sinne. Besonderes Augenmerk sei dabei auf jene Fragen zu legen, „auf die eine Antwort von den Delegierten erwartet“ werde und die „griffiger gestaltet“ werden sollten.223 Diese überarbeitete Fassung lag auf der nächsten Zusammenkunft der Vorbereitungsgruppe am 10. Juli vor. Abgesehen von einigen unwesentli222 [H. Zeddies]: Überlegungen zur Delegiertenversammlung (Entwurf), 2.5.1978 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110), S. 1. 223 Ch. Demke: Niederschrift über die 2. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 188).

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chen Korrekturen entsprach diese Überarbeitung dem zu Grunde liegenden Entwurf von Zeddies. Auch die Vorbereitungsgruppe selbst nahm am Haupttext der Problemskizze lediglich geringe Änderungen vor, die allerdings trotz ihres geringen Umfangs die bevorzugte Aufgabenbeschreibung, von der Delegiertenversammlung Impulse für das weitere Zusammenwachsen der Kirchen insgesamt zu erwarten, weiter unterstrichen.224 Vor allem die Fragen am Schluss der Skizze, deren Beantwortung die Grundlage für eine genaue Themenbeschreibung der für die Delegiertenversammlung vorgesehenen Arbeitsgruppen bilden sollte, wurden in diesem Sinne umformuliert und nahmen jetzt noch deutlicher, als dies im ersten Entwurf der Fall gewesen war, den Gesamtprozess des Zusammenwachsens in den Blick.225 Der endgültige Text der Problemskizze sollte durch Demke und Zeddies „festgestellt“ werden und ihr Versand zusammen mit dem Anschreiben „umgehend erfolgen“.226 Letzteres geschah unter dem Datum des 26. Juli 1978. Bis zum 28. September 1978 (also 3 Tage vor dem 1. Oktober, dem im Anschreiben genannten Stichtag) waren bei der Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung allerdings lediglich vier Antworten eingegangen. Der Plan, die Themen für die Arbeitsgruppen aufgrund der von den Delegierten gegebenen Antworten festzulegen, war damit hinfällig. Nachdem Demke auf der Zusammenkunft der Vorbereitungsgruppe am 19. Oktober „einen Überblick über die bisher spärlich eingegangenen Antworten“ gegeben hatte, beauftragte ihn die Vorbereitungsgruppe in der Erwartung weiterer Antworten, auf der nächsten Sitzung einen „sowohl nach Einzelfragen als auch nach Sachkomplexen“ geordneten Bericht über die eingegangen Antworten zu geben.227 Darüber hinaus wurden als Arbeitsschwerpunkte für die Delegiertenversammlung „vorläufig herausgestellt: 1. Kirchen- und Leitungsstruktur 2. Bekenntnis und Kirchengemeinschaft (Elemente einer Basisformel – Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung) 3. Aufgaben gesamtkirchlicher Arbeit 4. Das Verhältnis zwischen Gesamtkirche und Gliedkirchen (föderativ)“.228 224 Ein an zwei Stellen eingefügtes „z. B.“ machte deutlich, dass es sich bei den dort genannten Vorhaben (etwa die Fusion der Synoden) lediglich um Möglichkeiten neben weiteren – von der Delegiertenversammlung zu diskutierenden – handelte (Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Vorbereitungsgruppe [vgl. Anm. 189]). 225 Insbesondere wurden sie um eine weitere grundsätzlichere Frage erweitert (Frage 2): „Was schätzen Sie an den drei vorhandenen Zusammenschlüssen? Was hindert nach Ihrer Meinung die Zusammenarbeit innerhalb der drei vorhandenen Zusammenschlüsse?“ (Überlegungen zur Delegiertenversammlung, 10.7.1978 [EZA BERLIN, 101, Nr. 24], S. 6). 226 Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 189), S. 2. 227 Ch. Demke: Niederschrift über die 4. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 190), S. 1. 228 EBD.

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Der erbetene Bericht Demkes über die eingegangenen Antworten (inzwischen waren es 11) bestätigten diese „von der Vorbereitungsgruppe anvisierten Schwerpunkte für die 4 Arbeitsgruppen“.229 Der Gedankengang der insgesamt sieben Fragen, die der Problemskizze beigegeben waren, setzte an bei einer Verständigung über das Anliegen einer stärkeren Zusammenfassung gesamtkirchlicher Aktivitäten (Stellungnahme zur Problemskizze), erbat als nächstes eine Einschätzung der positiven wie negativen Funktionen der drei gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse (grundsätzlich und insbesondere hinsichtlich der Förderung gesamtkirchlicher Verantwortung), um dann Vorstellungen und Vorschläge für die nächsten Schritte (vor allem hinsichtlich der vorgeschlagenen Bildung einer gemeinsamen Synode) zu erfragen.230 Die meisten Antworten folgten diesem Gedankengang. Alle Antworten stimmten der Problemskizze und damit dem Anliegen, im „Prozeß des Zusammenwachsens der evangelischen Kirche in der DDR“ zu einer „stärkeren Zusammenfassung und sinnvolleren Strukturierung der gesamtkirchlichen Aktivitäten“231 zu gelangen, grundsätzlich zu. Zum Teil wurde die Skizze ohne Ergänzungen akzeptiert oder auch ausdrücklich als „gut ausgewogen“, „richtig“ und „behutsam“ bezeichnet,232 zum Teil wurden zusätzliche Hinweise gegeben oder Akzente anders gesetzt. Insbesondere die Begrenztheit des „personalen Reservoirs“ und dessen Überforderung bei der gegenwärtigen Anzahl von Beratungsgremien wurde als ein weiterer zu beachtender Gesichtspunkt geltend gemacht.233 Obwohl in Voten aus Thüringen noch einmal ausdrücklich auf die Bedeutung des Bekenntnisses für das Aufeinanderzugehen der Kirchen hingewiesen worden war,234 nannten die meisten Voten als Hindernis für eine angestrebte Vertiefung der Gemeinschaft nicht an erster Stelle die „konfessionelle Barriere“, sondern den „landeskirchliche Partikularismus“.235 Denn in den Landeskirchen bestünde 229 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe (vgl. Anm. 191), S. 3. – Sofern die Sammlung in EZA BERLIN, 101, Nr. 24 vollständig ist, gingen bis zur Delegiertenversammlung selbst insgesamt 13 Antworten ein (die letzte unter dem Datum des 29. Dezember). Davon kamen acht Voten von Delegierten, die hauptamtlich in einer kirchenleitenden Position tätig waren (Bischöfe, Präsidenten, Oberkirchenräte), ein Votum von einer kirchlichen Mitarbeiterin und vier Voten von „Laiendelegierten“. 230 Überlegungen zur Delegiertenversammlung, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 6. 231 Vgl. EBD, S. 1. 232 H. Kleinert an BEK. Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Betr. Bh 2 zu 1050–837/78, 29.8.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 233 J. Wiebering an Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Betr. Fragen zur Vorarbeit, 16.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24); ähnlich im Blick auf die „Mitarbeiter“: Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens (U. v. Brück) an BEK. Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung, 9.10.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 234 [D. Vogel von Frommannshausen-Schubart]: Bemerkungen zu den Fragen zur Vorarbeit für die Delegiertenversammlung, 11.10.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1; H. Mitzenheim: Bemerkungen zu den Fragen zur Vorarbeit für die Delegiertenversammlung, 10.10.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 235 Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR (J. Rogge) an die EKU/VELK DDR/BEK/

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lediglich eine „geringe Bereitschaft . . ., Hoheitsrechte einzuschränken, um zu gemeinsamen Regelungen zu kommen“.236 Während die einen dahinter eine „Image-Pflege“237 vermuteten, sahen andere die Ursache im „Argwohn der Landeskirchen“, dass „durch zentralistische Tendenzen und uniforme Einheitsstrukturen gewachsene und bewährte landeskirchliche Strukturen überfremdet werden könnten“.238 Mehrere Voten sprachen die bestehenden, jedoch unterschiedlichen Westbindungen der Zusammenschlüsse als ein weiteres zu klärendes Problem an, obwohl darauf in der Problemskizze nicht hingewiesen worden war: Es sei zu überlegen, „wie die spezifischen Beziehungen zur VELKD und zur EKU-West weitergeführt werden“ könnten,239 wobei naturgemäß vor allem bei der EKU ein vorrangiger Klärungsbedarf gesehen wurde. Die Brisanz dieses Problems machten die kontroversen Stellungnahmen des EKU-Ratsvorsitzenden auf der einen und der Thüringer Lutheraner auf der anderen Seite deutlich. So hob Krusche die in der Ordnung der EKU festgelegte Gemeinschaft mit dem Westbereich als einen „besonderen Gewinn“240 hervor. Denn diese sei „eine viel stärkere Verbindung mit den Gliedkirchen in der BRD, als sie in Praktizierung von Art. 4,4 der Bundesordnung“ geschehe.241 Die beiden lutherischen Voten aus Thüringen hingegen, die sich auf die juristische Seite beschränkten, verstanden diese Ost-West-Bindung der EKU als „das Hindernis für ein weiteres Zusammenwachsen bzw. für einen neuen kirchlichen Zusammenschluß“.242 Denn: „Solange die EKU rechtlich eine gesamtdeutsche Kirche ist, die nur in ihren Funktionen und Organen nach Bereichen sich gliedert und in Bereichen wirksam wird, ist sie nicht in den Bund auflösbar.“243 Sie stellten damit der „konfessionellen Barriere“ eine „rechtlich-organisatorische Barriere“ für ein weiteres Zusammenwachsen der Landeskirchen an die Seite. Zumindest eines der beiden Voten hielt allerdings die Überwindung dieser „rechtlich-organisatorischen Barriere“ für erheblich leichter als die Überwindung der „konfessionellen“,244 ohne auszuführen, wie eine solche Lösung aussehen könnte. Ein Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Betr. Vorbereitung der Delegiertenversammlung im Januar 1979, 31.7.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1; ausdrücklich Rolf Milker: Betr. Delegiertenversammlung Jan. 1979 in Eisenach. Fragen zur Vorarbeit, 6.10.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 236 Der evangelische Bischof der Kirchenprovinz Sachsen (W. Krusche) an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung der kirchlichen Zusammenschlüsse, 7.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 237 EBD.; vgl. M. Bähr: Betr. Delegiertenversammlung. Fragen zur Vorarbeit, 22.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 238 H. Mitzenheim: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 2; [D. Vogel von FrommannshausenSchubart]: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 1. 239 J. Wiebering an Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 233). 240 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung am 28.11.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 3. 241 W. Krusche an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 236). 242 H. Mitzenheim: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 3. 243 EBD.; vgl. [D. Vogel von Frommannshausen-Schubart]: Bemerkungen (vgl. Anm. 234). 244 EBD.

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Vorschlag aus dem lutherischen Bereich empfahl in diesem Zusammenhang, die Ost-West-Kontakte auf der gesamtkirchlichen Ebene generell zu lösen und auf die landeskirchliche Ebene zurückzuverlagern.245 Dabei wurde auch eine eventuelle Rücksichtnahme auf die westlichen Partnerkirchen abgelehnt, „weil für uns die personelle und finanzielle Lage ungleich angespannter ist als für die Kirchen in der Bundesrepublik“.246 Das Ziel der Bildung einer gemeinsamen Synode wurde in fast allen Voten als Konsequenz aus den angestellten Überlegungen bejaht. Denn mit einer gemeinsamen Synode könnte die Kirche für Gemeindeglieder „einsichtiger, durch- und überschaubarer“ werden.247 Hinsichtlich der Zusammensetzung wurde nahezu durchgängig eine Personenidentität zwischen EKU- bzw. VELKSynodalen einerseits und Bundessynodalen andererseits befürwortet.248 Eine Addition der bestehenden drei Synoden zu einer „Großsynode“ wurde abgelehnt.249 Vor allem aber sprach für den allgemein befürworteten Modus die damit vorhandene Möglichkeit, dass die Bundessynode bei Bedarf in eine EKUund eine VELK-Sektion auseinander treten könne, um – zumindest für eine Übergangszeit – Aufgaben und Kompetenzen der konfessionellen Zusammenschlüsse gesondert wahrzunehmen.250 Darauf, dass für eine Bildung der Bundessynode aus EKU- und VELK-Synode „Mitgliederstärke, Tagungsrhythmus und Bildungsmodus der gesamtkirchlichen Synoden zumindest teilweise verändert werden“ müssten, wurde in der Regel hingewiesen.251 Diese Notwendigkeit und die damit unweigerlich auftretende Frage des Proporzes (Parität) veranlasste ein Votum, diese Sektionenlösung höchstens als eine Übergangsregelung zu befürworten. Denn „die Bildung einer gemeinsamen Synode“ sei „nur dann sinnvoll, wenn sie eine echte Synode der acht Landeskirchen ist und nicht gleichzeitig eine Synode der Vertreter von EKU und VELK. Im letzteren Falle ist eine Verschärfung des sog. Proporzdenkens zu befürchten.“252

245 J. Wiebering an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 233). 246 EBD. 247 M. Bähr: Betr. Delegiertenversammlung. Fragen zur Vorarbeit, 22.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 248 W. Krusche an an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 236), S. 1; U. v. Brück an BEK (vgl. Anm. 233), S. 2. 249 R. Milker: Betr. Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 235); W. König an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Betr. Überlegungen zur Delegiertenversammlung, 24.10.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 250 H. Kleinert an BEK (vgl. Anm. 232), S. 2; J. Wiebering an Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 233); H. Mitzenheim: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 3; [D. Vogel von Frommannshausen-Schubart]: Bemerkungen (vgl. Anm. 234) 1; G. Forck: Antwort auf die Fragen zur Delegiertenversammlung, 28.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 251 H. Kleinert an BEK (vgl. Anm. 232), S. 2; vgl. Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR (J. Rogge) an die EKU u. a. (vgl. Anm. 235), S. 2; H. Mitzenheim: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 3; [D. Vogel von Frommannshausen-Schubart]: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 1. 252 S. Haberecht an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung. Betr. Anfrage vom 26.7.78 – Bh 2 zu 1050–837/78, 16.10.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24).

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Die weiter gehenden Zielvorstellungen, die in den Voten zum Ausdruck kamen, gingen im Wesentlichen von einem in seiner Ordnung geänderten Bund aus beziehungsweise legten sich auf diese Form fest.253 Entsprechend konstatierte Demke in seinem Bericht, „der Gedanke, daß die 3 vorhandenen Zusammenschlüsse in eine neue, vierte Größe aufgehen sollen“, bereite offensichtlich „Schwierigkeiten“ und sei „weitgehend schwer vorstellbar“.254 Mehrere Anfragen und Vorschläge bezogen sich auf die föderative Struktur der neuen Gemeinschaft, wobei vor allem das Verhältnis der Landeskirchen zu dieser neuen oder geänderten alten Gemeinschaft wichtig schien. Gewarnt wurde in diesem Zusammenhang sowohl vor einer „Vereinerleiung“ auf der einen Seite als auch vor einem „konturenkomplizierten Dezentralismus“ auf der anderen Seite.255 Positiv wurden als erhoffte Kennzeichen der neuen Gemeinschaft genannt: eine Beteiligung möglichst vieler Personen an der Leitung,256 ein „höherer Grad an Gemeinsamkeit“257 sowie die Förderung synodaler Mündigkeit.258 Dabei wurde es auch als möglich angesehen, einzelne übergreifende Aufgaben an eine einzelne Landeskirche zu delegieren, damit diese die betreffende Aufgabe für die Gesamtheit wahrnehme.259 Als eventuelles Fernziel kam in den meisten Voten auch die Auflösung der konfessionellen Zusammenschlüsse in den Blick. Allerdings wurden zu diesem Punkt am deutlichsten zu erfüllende Vorbedingungen formuliert. Für die EKU wurde hervorgehoben, dass die von ihr auf- bzw. abgegebenen Funktionen in gleicher Verbindlichkeit weitergeführt werden müssten.260 Die lutherischen Voten verlangten als Grundlage ein „Minimum an gemeinsamem (traditionellem) Bekenntnis“261 und erwarteten deshalb die Bildung einer Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses.262

253 G. Forck: Antwort auf die Fragen zur Delegiertenversammlung, 28.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24); W. König an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Betr. Überlegungen zur Delegiertenversammlung, 24.10.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1. 254 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung am 28.11.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 3. 255 Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR (J. Rogge) an die EKU u. a. (vgl. Anm. 235), S. 2. 256 U. v. Brück an den BEK (vgl. Anm. 233), S. 2. 257 Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR (J. Rogge) an die EKU u. a. (vgl. Anm. 235), S. 1. 258 M. Bähr: Betr. Delegiertenversammlung. Fragen zur Vorarbeit, 22.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 2. 259 Oberkirchenrat der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs (S. Siegert) an das Sekretariat des Bundes: Betr. Überlegung zur Delegiertenversammlung, 29.12.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 260 W. Krusche an die Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 236), S. 2. 261 H. Mitzenheim: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 3; [D. Vogel von FrommannshausenSchubart]: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 1. 262 H. Mitzenheim: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 3; [D. Vogel von FrommannshausenSchubart]: Bemerkungen (vgl. Anm. 234), S. 1; Siegert an das Sekretariat des Bundes (vgl. Anm. 259).

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Ein Votum schließlich plädierte nicht nur für die Auflösung der konfessionellen Zusammenschlüsse, sondern auch für eine „Aufgabe der kleinsten Gliedkirchen, d. h. ihrer schrittweisen Angliederung an größere, denen sie so schon sehr nahestehen“.263

Nachdem sowohl die Bundessynode (22.–26. September 1978 in Berlin)264 als auch die Lutherische Generalsynode (27.–31. Oktober 1978 in Weimar)265 ihre Erwartungen an die Delegiertenversammlung formuliert hatten, benannte die Vorbereitungsgruppe am 28. November die endgültigen Themenformulierungen für die vier Arbeitsgruppen. Besondere Berücksichtigung fand dabei der von der Lutherischen Generalsynode formulierte Themenvorschlag, der den in der Vorbereitungsgruppe bereits angestellten Vorüberlegungen sehr nahe kam, sodass in Analogie dazu vier zu klärende Problemfelder benannt wurden.266 Bewusst ungenannt blieb dabei das in den Delegiertenvoten angesprochene Problem der Ost-West-Gemeinschaft, da angesichts der dazu geführten Diskussion ohnehin zu erwarten war, dass diese Frage auf der Delegiertenversammlung deutlich zur Sprache kommen würde. Die festgelegten Themenbereiche lauteten in der Fassung, wie sie den Delegierten mitgeteilt wurden: „I Selbstverständnis Gemeinsame Grundlagen der Verkündigung – Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft – Kirche als Gemeinschaft von Kirchen – Stellenwert der Bekenntnisse – Basisartikel II Föderative Gemeinschaft Einheit/Vielfalt – Gliedkirchen unterschiedlicher Größe und Tradition – Gesamtkirche/Gliedkirchen – Eigenständigkeit/Verbindlichkeit – Leitfaden föderativen Handelns III Aufgaben gesamtkirchlicher Arbeit Einmütiges Zeugnis und glaubwürdiger Dienst: Erfordernisse, Möglichkeiten, Beschränkungen – Intensität, Prioritäten, Kompetenzverteilung, Kosten IV Strukturen gesamtkirchlicher Arbeit Zusammenarbeit der Synoden – Gemeinsame Synode – Zusammenfas-

263 H. Kleinert an BEK (vgl. Anm. 232), S. 3. 264 Der Präses der Synode des BEK (S. Wahrmann): Beschluss der Synode zum Bericht der KKL vom 26.9.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 70), S. 4 f. – mit einer veränderten Reihenfolge der einzelnen Teile des Beschlusses abgedruckt in: KJ 105 (1978), S. 299–302. 265 6. Tagung der II. Generalsynode, 27.–31.Oktober 1978 in Weimar, Drucksache 33: Entschließung der Generalsynode, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 266 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung am 28.11.1978 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 4 mit Anlage: Beschluss der Generalsynode.

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sung der Zusammenschlüsse (Künftige Leitungsorgane, Fachgremien und Dienststellen)“.267 Um einen zügigen Einstieg in die einzelnen Themen zu ermöglichen, wurde für jedes Thema ein Kurzreferat vorgesehen, das durch Skizzierung der Probleme Impulse für die Weiterarbeit geben und dementsprechend nicht „eine ausgefeilte Position“ bieten sollte.268

4.3.2. „Politisch-operative“ Vorbereitung und Begleitung Obwohl die Delegiertenversammlung von ihrer Zielstellung her als Bestätigung des staatlicherseits kritisierten Strebens nach einem kirchlichen Zentralismus hätte verstanden werden können, fiel innerhalb des Staats- und Parteiapparates die Reaktion auf dieses Vorhaben eher verhalten aus. War noch 1975 den mit Kirchenpolitik befassten staatlichen Organen angesichts der wahrgenommenen kirchlichen Zentralisierungskonzeption zur Aufgabe gemacht worden, „alle sich bietenden Möglichkeiten – Administration und politisch-ideologische Überzeugungsarbeit – zur Behinderung der kirchlichen Konzeption auszuschöpfen“,269 scheint es ähnliche Anweisungen im Zusammenhang der Delegiertenkonferenz nicht gegeben zu haben. Zwar wurde deren Vorbereitung seit dem Beschluss der Züssower Bundessynode von 1976 aufmerksam verfolgt,270 der Stellenwert, der der Delegiertenversammlung innerhalb der kirchenpolitischen Arbeit der zuständigen Dienststellen eingeräumt wurde, war jedoch gering und ihre Reaktion vor allem abwartend. Eine „Konzeption der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK und des Staatssekretariats für Kirchenfragen zur Eisenacher Tagung“ lief 267 EKU/VELK DDR/BEK/Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung an die Mitglieder der Delegiertenversammlung: Betr. Einladung zur Delegiertenversammlung, 5.12.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24), S. 1 f. 268 So Ch. Demke an Oberkonsistorialrat H.M. Harder: Betr. Delegiertenversammlung, 5.12.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24) – in den Schreiben an die anderen drei Referenten wurde entsprechend formuliert. 269 Abt. II (Ch. Arlt/R. Gotthardt/E. Schumann-Fitzner): Vorlage für die Dienstbesprechung am 20.02.1975: Studie zur Durchsetzung der kirchlichen Raumordnung und struktureller Entwicklungen in den Landeskirchen einschließlich der Darstellung von Zentralisierungsbestrebungen der Werke und Gruppen in evangelischen Landeskirchen mit Schlußfolgerungen für die staatliche Leitungstätigkeit, 14.2.1975 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1274), S. 11. 270 Vgl. die jeweiligen Synodeneinschätzungen, z. B. die relativ ausführliche Erwähnung des VEK-Themas in der Einschätzung der Lutherischen Generalsynode 1978 in Weimar durch die Arbeitsgruppe Kirchenfragen (Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Information über die VELK-Synode in Weimar, 1.11.1978 [SAPMO-BARCH, DY 30 / IV B 2/14, Nr. 148, Bl. 40– 42], S. 2).

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lediglich allgemein darauf hinaus, „den Plänen zur Schaffung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR vorerst [!] keinerlei Unterstützung zu geben“.271 In der Präambel für den Arbeitsplan I/79 der Dienststelle des Staatssekretärs kam die Delegiertenversammlung vor allem als kirchliches Novum in den Blick, das ansonsten nur noch einmal die generelle Notwendigkeit einer Intensivierung der Arbeit mit Synodalen sowie staatlicher Einflussnahme auf Vorbereitung und Durchführung von Synoden unter Beweis stellte, ohne dass in diesem Zusammenhang auf Anlass und Zielstellung der Delegiertenversammlung näher eingegangen wurde.272 Der Arbeitsplan selbst verzeichnete gemäß der zuvor genannten Einsicht unter Januar als Aufgabe für die Abteilung I, „auf die Delegiertenkonferenz des BEK, der VELK-DDR und der EKU“ operativ Einfluss zu nehmen (Punkt 3), und erwartete auf der Dienstbesprechung im Februar eine „schriftliche Information über die Delegiertenkonferenz des BEK in Eisenach“ (Punkt 21).273 Ob es freilich eine entsprechende operative Einsatzgruppe des Staatssekretariats für Kirchenfragen zur Delegiertenkonferenz gegeben hat, scheint fraglich.274 Auch Hinweise auf Gesprächskonzeptionen, die in Vorbereitung der Delegiertenversammlung staatlichen Positionen oder Erwartungen Nachdruck verleihen sollten, finden sich nicht. Ein Gespräch, um das der Leiter des Sekretariats des Bundes, Stolpe, gebeten wurde, sollte lediglich der eigenen Information über Thematik und Zielstellung der Delegiertenversammlung dienen und wurde darüber hinaus von Stolpe offensichtlich mit der Intention geführt, eventuelle staatliche Vorbehalte in dieser Sache abzubauen.275 271 Nach einer Information des MfS (Hauptabteilung XX, Information, 4.1.1979 [BSTU, MfS, HA XX/4, Nr. 3011, S. 103–104], S. 2); die erwähnte Konzeption selbst, sofern es sie in schriftlicher Form gegeben haben sollte, hat sich in den Akten nicht erhalten. 272 Staatssekretär für Kirchenfragen: Präambel zum Arbeitsplan I. Halbjahr 1979 (2. Entwurf), 7.12.1978 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 406), S. 4. 273 Arbeitsplan der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, I. Halbjahr 1979, undatiert (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 2709), S. 1, 5. 274 Während das MfS davon ausging, dass eine solche „Einsatzgruppe des Staatssekretariats für Kirchenfragen“ tätig werden würde (Hauptabteilung XX/4 [J. Wiegand]: Maßnahmeplan zur operativen Einflußnahme, Absicherung und Kontrolle der gemeinsamen Delegiertenversammlung von Vertretern der Synoden des BEK und der Synode der EKU sowie der Generalsynode der VELK DDR vom 25.–28. Januar in Eisenach, 4.1.1979 [BSTU, MfS, HA XX/4, Nr. 3011, S. 105–107], S. 3), finden sich in den Akten des Staatssekretariats keinerlei Hinweise darauf. 275 Die Informationen, die Stolpe bei diesem Gespräch dem Staatssekretariat zukommen ließ, entsprachen etwa dem, was auch den Delegierten über die Planung der Delegiertenversammlung mitgeteilt worden war. Darüber hinaus versicherte es, dass nicht die Absicht bestehe, auf dieser Tagung in Eisenach ein „‚Schutz- und Trutzbündnis‘ gegen den Staat zu organisieren“ (Abteilung I [H. Wilke]: Information für den Staatssekretär. Betr. Delegiertentagung der evangelischen Kirchen, 18.12.1978 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1460], S. 2 f.).

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Intensiver als die Bemühungen des Staatssekretariats für Kirchenfragen waren die Aktivitäten des MfS. In dem betreffenden Maßnahmeplan wurde als Zielstellung des vorgesehenen „operativen Einsatzes“ ausdrücklich festgehalten, „unter dem gegenwärtigen Kräfteverhältnis eine weitere Vereinheitlichung der Evangelischen Kirche zu verhindern und im Rahmen des Einsatzes operativ bedeutsame Differenzen und Spannungen zwischen den Kirchenbünden zu ermitteln, aufzuklären und effektiv operativ zu nutzen“.276 Konkret bedeutete das, die „vorhandenen Spannungen zu forcieren“ und, wie es in einer „Treffvorbereitung“ hieß, die „Rolle der luth. Delegierten“ als Gegengewicht zur EKU und der von ihr festgehaltenen engen Ost-West-Gemeinschaft zu festigen.277 Zur Umsetzung dieses Vorhabens war eine Steuerung der unter den Delegierten befindlichen Inoffiziellen Mitarbeiter des MfS direkt vor Ort vorgesehen. Zu diesem Zweck reiste ein achtköpfiges Einsatzteam nach Eisenach, darunter die Führungsoffiziere der für den Einsatz vorgesehenen Inoffiziellen Mitarbeiter.278 Tatsächlich zur Mitarbeit herangezogen wurde jedoch nur ein Teil der als IM geführten Delegierten.279 Dabei gelang es trotz der im Einzelnen nicht voraussehbaren Zeitplanung der Delegiertenversammlung sowie ihres geschlossenen Charakters, mit mindestens zwei Inoffiziellen Mitarbeitern konspirative Treffs durchzuführen, sich dabei berichten zu lassen und Aufträge zu erteilen. IMV „Hans Klinger“ wohnte als Oberkirchenrat der Thüringer Landeskirche in Eisenach und konnte damit zeitweilige Abwesenheiten unverfänglich erklären. In seiner Eisenacher Wohnung traf er sich während der Delegiertenversammlung zweimal mit seinem Führungsoffizier, um mit ihm den bisherigen Verlauf der Delegiertenversammlung auszuwerten.280 Dabei erhielt er Sachge-

276 Hauptabteilung XX/4 (J. Wiegand): Maßnahmeplan (vgl. Anm. 274), S. 1 f. 277 XX/4 (A. Hermann): Treffbericht IMV „Hans Klinger“, 15.2.1979 (BSTU, AST GERA, AIM 504/81, II/1, S. 76–77), S. 1. 278 Zum Einsatz vorgesehen waren die Inoffiziellen Mitarbeiter „Zwinger“, „Horst“, „Lorenz“, „Dietrich“, „Hans Günther“, „Rene“, „Salzmann“ und „Haupt“ sowie zwei namentlich nicht genannte IMs der Bezirksverwaltung Gera (u. a. „Hans Klinger“) und ein IM der BV Erfurt (vgl. Hauptabteilung XX [H. Ludwig] an Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Erfurt. Abteilung VI. Leiter betr. Bereitstellung von Hotelunterkünften für einen operativen Einsatz vom 25.–28.01.1979 in Eisenach, 4.1.1979 [BSTU, MfS – HA XX/4, Nr. 3011, S. 115]; Teilnehmer am Einsatz – Delegiertenvers., undatiert [BSTU, MfS – HA XX/4, Nr. 3011, S. 101]). 279 Zwischen dem IMV „Zwinger“, der in Eisenach zu den profilierten Rednern gehörte, und seinem Führungsoffizier fand erst am 12. Juni – also fünf Monate nach der Delegiertenkonferenz – ein „Meinungsaustausch“ zu verschiedenen „Grundsatzproblemen“ statt, bei dem auch die Delegiertenversammlung angesprochen wurde, ohne dass im Treffbericht Einzelheiten dazu festgehalten wurden (HA XX/4 [K. Roßberg]: Treffbericht, 12.6.79/16–17 Uhr, 15.6.1979 [BSTU, MfS, AIM 4066/86, Bd. II/1, S. 14–15], S. 2). 280 Am 26. Januar (Freitag) von 16 bis 18 Uhr (also zwischen Gruppenarbeit und der um

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schenke sowie den Auftrag, „luther. Positionen in der Delegiertenversammlung“ weiter konsequent vorzutragen und gegenüber der EKU das „luther. Zus.gehörigkeitsgefühl“ zu stärken.281 Dabei wagte sich „Hans Klinger“ dann allerdings so weit vor, dass ihm auch von lutherischer Seite die notwendige Unterstützung versagt blieb.282 Der IMF „Haupt“, der bereits im Vorfeld der Delegiertenversammlung ausführlich über deren Vorbereitung berichtet und dabei seine ablehnende Haltung gegenüber dieser Unternehmung deutlich zum Ausdruck gebracht hatte,283 traf sich mit seinem Führungsoffizier – ebenfalls zweimal – in Eisenacher Gaststätten.284 Dabei zeigte er sich nach Einschätzung seines Führungsoffiziers „in der Lage, die Delegiertenversammlung entsprechend der Zielstellung der HA XX/4 zu beeinflussen und wertvolle Informationen über Verlauf und Tendenzen der Delegiertenversammlung zu erarbeiten“, woraufhin dieser ihn für eine Auszeichnung „zum 29. Jahrestag des MfS mit einem Sachgeschenk von 250,—M“ vorschlug.285

Die Effektivität dieses IM-Einsatzes ist schwer einzuschätzen. Der Vorstoß des IM „Hans Klinger“ scheiterte – nicht zuletzt am Einspruch des IM „Haupt“ (der von dem Hintergrund dieses Vorstoßes natürlich nichts wusste). Dieser wiederum nahm zwar an der Plenardiskussion teil, jedoch ohne dass sich seine Voten an irgendeiner Stelle als Vollzug eines MfS-Auftrages verstehen ließen. Auch die direkten Informationen über das Geschehen im Plenum und in den Arbeitsgruppen waren anscheinend nur in geringem Maße verwertbar, sodass der Abschlussbericht des MfS über die Delegiertenversammlung286 im Wesentlichen auf die Textfassungen der Einstiegsreferate sowie auf die Empfehlungen selbst zurückgriff.287 Der im Großen und Ganzen geringe Stellenwert, den die Vorbereitung auf die Eisenacher Delegiertenkonferenz innerhalb der kirchenpolitischen 19 Uhr beginnenden Plenaraussprachen) sowie am 27. Januar (Sonnabend) in der Mittagspause (12.00 – 13.45 Uhr) (XX/4 [A. Hermann]: Treffbericht IMV „Hans Klinger“, 15.2.1979 [BSTU, AST GERA, AIM 504/81, II/1, S. 76–77], S. 1). 281 EBD., S. 2. 282 Siehe unten S. 221 f. 283 Abteilung XX/4 (W. Rintorf): Anlage zum Treffbericht mit IMF „Haupt“ vom 3.11.78 und 8.12.78, 14.12.1978 (BSTU, MfS – HA XX/4, Nr. 3011, S. 121 f.), S. 1. 284 Am 26.1. von 13 bis 14 Uhr im „Thüringer Hof“ und am 27.1. von 12.30 bis 14.00 Uhr im „Hotel Stadt Eisenach“ (BV Potsdam XX/4 [W. Rintorf]: Treffbericht IMF „Haupt“, 31.1.1979 [BSTU, AST POTSDAM, AIM 2068/84, II/1, S. 173 f.], S. 1). 285 EBD., S. 2. 286 Gemeinsame Delegiertenversammlung des BEK, der VELK DDR und der EKU – Bereich DDR – vom 25. bis 28.1.1979 in Eisenach, 30.1.1979 (BSTU, MfS – HA XX/AKG, Nr. 5910, S. 9–18). 287 Allerdings erweckte der Bericht den Eindruck, als handele es sich bei seiner Zusammenstellung von Aussagen aus den Einstiegsreferaten um eine Wiedergabe der Diskussion in den Arbeitsgruppen. Einige Mitteilungen des operativen Anhangs sind, was sich aus den in Eisenach kirchenintern angefertigten Tonbandmitschnitten ergibt, denn auch falsch.

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Arbeit des Staats- und Parteiapparates (einschließlich des MfS) einnahm, ergab sich wohl vor allem daraus, dass sich andere Themen und Arbeitsschwerpunkte mit größerer Bedeutung in den Vordergrund drängten (vor allem die Auswertung und Ausnutzung des Grundsatzgesprächs vom 6. März 1978, aber auch die Diskussion über die Einführung des Wehrkundeunterrichts an den Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen). Ein weiterer Grund scheint der in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen vorhandene Eindruck gewesen zu sein, dass es trotz des Beschlusses zur Durchführung einer Delegiertenkonferenz mit den kirchlichen Einigungsbemühungen nur sehr langsam vorangehe. Anfang 1977 konnte das Staatssekretariat für Kirchenfragen – trotz der Ergebnisse der Bundessynode von Züssow – feststellen, dass der Kirchenbund „auf dem Weg zur Einheit der ev. Kirchen . . . im Verlauf des letzten Jahres kaum ein Stück vorangekommen“ sei. „Obwohl es einen Beschluß der VELK DDR und der EKU-Synode“ gäbe, „eine gemeinsame Synode mit dem BEK im Jahre 1978 durchzuführen“, stagnierten „gegenwärtig alle weitergehenden grundsätzlichen Zentralisierungsvorhaben“.288 Die Ursache für dieses Stagnieren war für die staatliche Kirchenpolitik durchaus entlastend, denn es war deutlich, dass die Landeskirchen ebenso wenig eine Einheitskirche wollten wie die staatliche Seite und entsprechend ähnliche Vorbehalte hegten. Nicht sicher erkennbar ist, inwieweit sich in den geringen Aktivitäten der staatlichen Kirchenpolitik im Vorfeld der Eisenacher Delegiertenkonferenz eine veränderte Haltung zu den kirchlichen Einigungsbestrebungen insgesamt widerspiegelte. Angesichts der Diskussion nach Eisenach ist nicht auszuschließen, dass die für Kirchenpolitik zuständigen Stellen nach dem Spitzengespräch vom 6. März einer Einheitskirche, sofern an ihrer Spitze die richtigen Leute stünden, durchaus etwas abzugewinnen vermochten.289 Allerdings war weiterhin bewusst, dass damit eine Einschränkung der Differenzierungsmöglichkeiten verbunden sein würde.

288 Abt. I (H. Wilke): Information zur Situation in den evangelischen Kirchen in der DDR im Jahre 1976, 3.1.1977 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 4717). 289 Auch das Ziel des MfS scheint es später weniger gewesen zu sein, den VEK-Prozess selbst zu beeinflussen, als vielmehr Kirchenvertreter mit „loyalen“ Positionen in die künftigen Gremien einer solchen VEK zu lancieren (vgl. etwa Dienststelle Görlitz [H. Babucke]: Vorschlag zur Registrierung des IMF „Winter“ Reg. Nr. XII 1764/64, 17.4.1980 [BSTU, AST DRESDEN, AIM 6830/90, I/1, S. 211–216], S. 6).

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4.3.3. Ablauf und „Atmosphäre“ Nachdem am 5. Dezember die offizielle Einladung zur Delegiertenversammlung ergangen war,290 tagte diese, wie vorgesehen, vom 25. bis 28. Januar 1979 im Haus „Hainstein“ in Eisenach. Von den insgesamt 45 Delegierten waren bei Eröffnung der Versammlung 44 Delegierte anwesend, ein Delegierter kam später. Für einen weiteren Delegierten, der selbst nicht teilnehmen konnte, war ein Stellvertreter eingeladen worden und gekommen. Zwei Drittel der Delegierten (30) standen hauptamtlich im kirchlichen Dienst, von dem verbleibenden Drittel nahmen wiederum sechs Delegierte eine kirchliche Leitungsfunktion als Synodalpräses wahr. Die Versammlung, deren Sitze „in einem großen Karree“291 angeordnet waren, konstituierte sich unter der Leitung des ältesten Delegierten, des Delegierten der Bundessynode und anhaltischen Laiensynodalen Günter Hanff. Unter seinem Vorsitz erfolgten die Feststellung der Beschlussfähigkeit und die Wahl der Leitungsgruppe (Präsidium). Dabei wurde bei drei Enthaltungen dem Vorschlag der Vorbereitungsgruppe zugestimmt, die drei Präsidenten bzw. Präsides der gesamtkirchlichen Synoden als Leitungsgruppe zu bestellen: Manfred Becker für die EKU-Synode, Kurt Domsch für die Lutherische Generalsynode und Siegfried Wahrmann für die Bundessynode.292 Nach Beschluss über Geschäftsordnung (Drucksache 4) und Tagesordnung (Drucksache 5) sowie nach Wahl der Schriftführer gab der Delegierte Gottfried Forck als Mitglied der Vorbereitungsgruppe einen „Bericht über die Vorbereitung der Delegiertenversammlung“, den er als eine kurze Erläuterung des Arbeitsmaterials, das den Delegierten vorlag, sowie als Begründung der Themenwahl für die vier Arbeitsgruppen gestaltete.293 Es folgten die vorbereiteten Problemskizzen zu den Themenbereichen der einzelnen Arbeitsgruppen, für die jeweils 20 Minuten veranschlagt waren. Die Gruppenarbeit umfasste insgesamt drei Arbeitsblöcke, nach denen jeweils im Plenum über die Ergebnisse berichtet und in der Regel eine entsprechende Vorlage unterbreitet wurde, die die Grundlage für die nachfolgende Plenaraussprache und eine diesbezügliche Beschlussfassung der Versammlung bildete.294 290 EKU/VELK DDR/BEK/Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung an die Mitglieder der Delegiertenversammlung: Betr. Einladung zur Delegiertenversammlung, 5.12.1978 (EZA BERLIN, 101, Nr. 24). 291 Berlin-Brandenburg. Synodaltagung 1979, Information Nr. 2 vom 20.4.1979: [Ch. Demke], Bericht über die Delegiertenversammlung in Eisenach (EZA BERLIN, 688, Nr. 97), S. 3. 292 Vgl. Delegiertenversammlung (J. Keppler): Protokoll, 1. Teil – 25.1.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25), S. 1. 293 [G. Forck]: Bericht über die Vorbereitung der Delegiertenversammlung, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 25). 294 Trotz des Ausschlusses der Öffentlichkeit fertigte die Ton- und Bild-Stelle der Thü-

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Obwohl die Delegiertenkonferenz im Vorfeld vielfach mit den Erwartungen der Gemeinden an eine zeitgemäße Kirche begründet worden war und diese vermeintlichen oder tatsächlichen Erwartungen auf der Tagung selbst immer wieder eine Rolle spielten, waren die Hoffnungen, die sich an diese konkrete Zusammenkunft in Eisenach knüpften, in den Gemeinden – und auch in den kirchlichen Leitungsgremien – eher gering. Selbst bei den Delegierten bildeten im Vorfeld der Konferenz hochgesteckte Erwartungen die Ausnahme. Den meisten von ihnen waren aufgrund ihrer Tätigkeit als Synodale die Probleme, die mit dem Thema „Kirchwerdung des Bundes“ bzw. mit der Zielstellung einer engeren Gemeinschaft verbunden waren, bekannt und schienen nicht zu kurzfristigem Optimismus zu berechtigen. Allerdings bejahten wohl alle Delegierten die Zielstellung einer engeren Gemeinschaft zumindest im Grundsatz und fühlten sich ihr als Teilnehmer dieser Konferenz vermutlich auch in besonderer Weise verpflichtet. Infolge dieser gemeinsamen Disposition stand in Eisenach trotz vorheriger Skepsis nicht die Erfahrung trennender Probleme, sondern die Erfahrung eines gemeinsamen und verbindenden Zieles im Vordergrund und ermöglichte ein schnelles, nahezu konfliktfreies und ertragreiches Arbeiten.295 Die daraus erwachsende Aufbruchsstimmung wurde in der Andacht, die die Delegierte der EKU-Synode Gisela Fengler zu Beginn der Versammlung hielt, noch verstärkt. Als Text hatte Fengler nicht die Tageslosung gewählt,296 sondern eine Passage aus Deuterojesaja (Jes. 43,16–21), in der die Erwartung der Exulanten auf ein baldiges Ende ihres Exils und auf einen Neuanfang unter Gottes direkter Führung zum Ausdruck kam. Insbesondere die Verse 18 und 19 schienen dabei die Situation der Delegier-

ringer Landeskirche, die auch die Tontechnik für die Plenarsitzungen (Verstärkeranlage mit mehreren Sprechstellen) stellte, im Auftrag der Geschäftsstelle Mitschnitte des Plenumsgeschehens an (vgl. u. a. Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung am 28.11.1978 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 24], S. 1). – Die Mitschnitte liegen auf 6 Tonbändern zu jeweils 540m vor, die im Doppelspurverfahren bei einer Geschwindigkeit von 9,5 cm/s (ca. 1 h 25’ Spieldauer je Spur) bespielt wurden. Um eine nachvollziehbare Zitation zu ermöglichen, wurden diese Mitschnitte vom Verfasser in eine schriftliche Form gebracht. Ein Exemplar dieser Bandabschrift befindet sich im Evangelischen Zentralarchiv Berlin (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116 [Bd. 1] und 6117 [Bd. 2]), ein weiteres im Bestand der Informations- und Dokumentationsstelle der EKD. 295 Entsprechend stellte der Delegierte Gottfried Forck, der nach eigenen Worten „wie viele andere Delegierte . . . nach Eisenach mit sehr geringen Erwartungen gefahren“ war, diesen geringen Erwartungen die überraschende Erfahrung gegenüber: „In Eisenach aber stellte sich heraus, daß alle Delegierten übereinstimmend der Meinung waren, die Gliedkirchen des Bundes müßten zu einem engeren Zusammenschluß kommen. Diese Übereinstimmung war dann die Grundlage für eine intensive Arbeit. . . .“ (3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979, Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 1 [EZA BERLIN, 101, Nr. 5346], S. 11). 296 Die Losung des 25.1.1979 war Hos. 10,12, der Lehrtext Röm. 13,9.

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tenversammlung, die sich unter der Zielstellung einer engeren Gemeinschaft trotz unterschiedlicher Traditionen zusammengefunden hatte, aufzugreifen: „Gedenket nicht mehr der früheren Dinge, und des Vergangenen achtet nicht. Siehe, nun schaffe ich Neues. Schon sproßt es. Gewahrt ihr es nicht?“ In ihrer kurzen Auslegung wies Fengler darauf hin, dass das im Text ausgesprochene Verbot einer Rückschau nicht in der Bedeutungslosigkeit des Vergangenen, sondern in der Art und Weise des Kommenden begründet liege. Jeder sei schließlich – was insbesondere auch in der Arbeit der Delegiertenversammlung zum Ausdruck kommen werde – „geprägt . . . durch die Vergangenheit seiner Kirche“. Diese Prägung solle nicht geleugnet werden, verliere aber an Bedeutung, weil etwas Neues im Anbruch sei: „Wir erwarten, daß Gott etwas Neues in unseren Kirchen in der DDR schaffen will. – Schon sproßt es. Gewahrt ihr es nicht?“297 Und weil Gott Neues in einer „leisen, kaum merklichen Weise“ schaffe, „brauchen wir unsere ganze Aufmerksamkeit, um davon etwas wahrzunehmen“. Der uneingeschränkte Blick nach vorn sei damit notwendig, um genau dieses zu erkennen: „Hier sproßt Neues – Neues, das Gott schafft, damit seine Gemeinde weitergehen kann und sich nicht verliert und verdurstet.“298 Mit dieser Auslegung war den Delegierten, ohne dass dies im Einzelnen entfaltet wurde, ein Zweifaches zu bedenken gegeben: zum einen die Einsicht, dass der Weg zu mehr Gemeinschaft nicht ein eigenmächtig beschrittener, sondern ein von Gott geführter Weg sei; zum andern die Mahnung, sich von den traditionellen Differenzen zwischen den konfessionellen Zusammenschlüssen nicht den Blick für diesen Weg verstellen zu lassen.

Die Aufbruchsstimmung wurde allerdings nicht von allen geteilt und wohl auch nicht bis zum Ende der Tagung mit der anfänglichen Intensität durchgehalten. Grundsätzliche Bedenken brachte der Delegierte Harder – auch auf dem Hintergrund der in der gemeinsamen Ratssitzung vom 6. Dezember getroffenen Vereinbarungen – am Sonntagvormittag in einer längeren Erklärung ins Plenum ein. Harder warnte darin vor einer „gewissen Vereinigungseuphorie“ oder „Rütlischwurstimmung“, die zu Beschlüssen führen könne, die sich nach reiflicher Überlegung dann als vorschnell sowie als der Kompliziertheit der Materie unangemessen erwiesen.299 Er mahnte deshalb – vor Verabschiedung der endgültigen Beschlusstexte, die an diesem letzten Tag der Konferenz anstand – in mehrfacher Hinsicht zur Solidität. Als erstes mahnte Harder Solidität gegenüber jenen an dem Vereinigungsprozess nicht unmittelbar beteiligten, von ihm aber dennoch betroffenen Partnern

297 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 3. 298 EBD., S. 4. 299 Vgl. EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 229 f.

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an, wobei er insbesondere an die westlichen EKU-Kirchen dachte, denen gegenüber das Ergebnis der Delegiertenversammlung entsprechend den am 6. Dezember getroffenen Verabredungen300 vertreten werden müsse.301 Als zweites mahnte er zur Solidität im Miteinander der beiden konfessionellen Zusammenschlüsse EKU und VELK, damit nicht in der besonderen Situation der Delegiertenversammlung einander Zusagen gemacht würden, die dann, wenn die Probleme im Detail sich zeigten, nicht eingehalten werden könnten.302 Und drittens, so Harder, sollte man auch solide bleiben dem angestrebten Ziel gegenüber und die damit verbundenen Probleme sowie den damit zusammenhängenden Arbeitsaufwand nicht unterschätzen. „Denn ein drittes Mal können wir mit einem Bund nicht anfangen. Wenn es uns jetzt in der zweiten Runde nicht gelingt und wir die Gunst der Stunde, die heute und hier sicher ist, nicht ausnutzen und wirklich Nägel mit Köpfen machen, die aber dann auch eben hinhauen, dann – glaube ich – in eine dritte Runde wird sich keiner mehr mit uns begeben wollen mit dem Bund.“303

Zwar wurde die Mahnung zur Solidität unter Hinweis darauf, dass man die Grundlage der Solidität bis dahin auch noch gar nicht verlassen habe, ohne weiteres aufgegriffen, es entstand freilich mit diesem Votum dennoch der Eindruck, dass die Vertreter der EKU eher dazu neigten, das Tempo des Zusammenwachsens abzubremsen, während die Vertreter der VELK mehr vorwärts drängen würden. Obwohl Präses Becker als Verhandlungsleiter diesem Eindruck entgegenzuwirken versuchte, war das Wort von den „EKU-Bremsern“ schnell geprägt. Am letzten Tag der Versammlung (Sonntag) trat dann wohl auch auf VELK-Seite eine gewisse Ernüchterung ein. An diesem letzten Verhandlungstag wurde deutlich, dass die von Harder kritisierte Rütlischwurstimmung der zurückliegenden Tage eben nicht aus einer umfassenden Bewältigung der zwischen EKU und VELK stehenden Probleme erwachsen war, sondern – ganz im Sinne der Eröffnungsandacht – aus dem Engagement für das gemeinsam angestrebte und nun auch gemeinsam in Angriff genommene Ziel. Der mitgebrachte oder auch auf der Delegiertenversammlung selbst produzierte „Sprengstoff“ wurde auf diese Weise zwar nicht gezündet, aber auch nicht entschärft, sodass er sich dann am Sonntagnachmittag zumindest in einem kurzen Wetterleuchten entlud. Der Auslöser dazu war eher nebensächlicher Natur: ein keineswegs konfrontativ gemeinter Änderungsantrag von Harder zum Arbeitsergebnis der Arbeitsgruppe IV (Drucksache 15/5). Die von ihm kritisierte Passage des Arbeitsergebnisses304 300 301 302 303 304

Siehe oben S. 181 f. Tonbandabschrift, Bd. 2 (vgl. Anm. 299), S. 229 f. EBD., S. 230. EBD., S. 231. Siehe unten S. 243.

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war an sich aufgenommen worden, um der EKU zuzusichern, dass ihre Kirchen für sich auch weiterhin die für sie unaufgebbaren Kontakte zu den westlichen EKU-Kirchen fortführen können, bot allerdings vom Wortlaut her auch allen anderen Landeskirchen, etwa den lutherischen, die Möglichkeit, eigene Aktivitäten ohne Vermittlung der Gesamtkirche zu entfalten. Obwohl der von Harder vorgetragene Änderungsantrag diese Möglichkeit gar nicht beschneiden wollte, wurde er von lutherischer Seite genau in diesem Sinne verstanden und veranlasste den Präsidenten der Lutherischen Generalsynode, Domsch, dazu, in ziemlicher Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass die lutherische Kompromissbereitschaft durchaus ihre Grenzen habe: „Wir haben Föderativität zu praktizieren versucht, ohne partikularistisch zu handeln. Wir leben in den lutherischen Kirchen tatsächlich in der Angst, ich sage bewußt ‚Angst‘, wir könnten einen Weg einschreiten in Zukunft, der zu zentralistischen Lösungen führt, und zwar aufgrund einer Automatik, nicht so, daß jemand festlegt, das muß zentralistisch gemacht werden, nicht daß jemand von sich aus sagt, wir wollten eine Superkirche.“305 Als Grund für diese Befürchtungen verwies Domsch – neben dem missverstandenen Antrag von Harder – generell auf die auch auf der Delegiertenversammlung zu beobachtende Tendenz, man müsse „alles, was irgend geht, gemeinsam machen“.306 Harder zog daraufhin – überrascht von dieser scharfen Reaktion – seinen Antrag zurück. Eine kurze Entgegnung, die zeigte, dass beide Seiten bis dahin ihre Vorbehalte zurückgestellt hatten, kam hingegen vom Ratsvorsitzenden der EKU. Krusche wies – nach eigenen Worten, ohne die Schärfe des Domschen Votums zu wiederholen – darauf hin, dass auch die EKU ihre Ängste habe. Diese bestünden insbesondere in der Befürchtung, dass im Zuge der geplanten Strukturänderungen Gemeinsamkeiten aufgegeben würden „zugunsten partikularistischer Lösungen“.307

Konsequenzen für die Beschlusstexte oder die Beschlussfassung hatte dieser kurze Schlagabtausch einschließlich der darin aufleuchtenden Kontroverspunkte nicht. Auch die weiteren Vorlagen wurden – wie bereits die vorangegangenen – mit großer Einmütigkeit beschlossen, die strittige Vorlage 15/5 sogar einstimmig.

305 Tonbandabschrift, Bd. 2 (vgl. Anm. 299), S. 273. 306 EBD. 307 EBD., S. 275.

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4.3.4. Themen 4.3.4.1. Zum Selbstverständnis eines neuen Zusammenschlusses (Arbeitsgruppe I) Die einleitende Problemskizze zum Thema der Arbeitsgruppe I, die von dem Leipziger Dozenten Joachim Wiebering vorgetragen wurde, bot als Einführung keine inhaltliche Skizze für das Selbstverständnis einer künftigen Evangelischen Kirche in der DDR, sondern beschränkte sich im Wesentlichen darauf, Möglichkeiten aufzuzeigen und gegeneinander abzuwägen, wie zu einer Beschreibung dieses Selbstverständnisses vorangeschritten werden könnte. Er benannte dabei zwei Möglichkeiten, die sich jeweils im Umgang mit dem Erbe, das die Landeskirchen und deren Zusammenschlüsse mitbrächten, unterschieden. Die erste vorgetragene Möglichkeit sah eine bewusste Aufnahme dieses Erbes vor im Sinne einer Materialsammlung, anhand derer das allen Gemeinsame herauszuarbeiten und zu einer Beschreibung eines gemeinsamen Selbstverständnisses zu verdichten sei. Die zweite Möglichkeit orientierte sich hingegen nicht am Erbe, sondern an der aktuellen Gemeindesituation, wo kaum Verständnis für die von Theologen und Juristen beschworenen Probleme, dafür aber der deutliche Wunsch nach einer in ihrem Zeugnis einmütigen Evangelischen Kirche in der DDR bestünde. In den nachfolgenden Ausführungen Wieberings wurden dann gegen jede der beiden Möglichkeiten jeweils kritische Einwände geltend gemacht. So werfe die zweite Möglichkeit, da es aufgrund der Arbeit der Lehrgesprächskommission bereits Einmütigkeit in den Grundlagen der Verkündigung gebe, die Frage nach dem Sinn einer darüber hinausgehenden Einmütigkeit auf: Sei es wirklich sinnvoll, in allen Detailfragen Einmütigkeit zu erreichen und „die Vielfalt der theologisch-kirchlichen Überzeugungen auf einen Nenner zu bringen“? Das auf diese Frage erwartete Nein unterstrich Wiebering noch mit dem Hinweis auf die kräftemäßige Überforderung, die die Herstellung einer solchen umfassenden Einmütigkeit für die beteiligten Kirchen bedeuten würde. Hinsichtlich der ersten Möglichkeit wären nach Wiebering wiederum zwei Verfahrensweisen denkbar, von denen allerdings ebenfalls jede ihre eigene Problematik besäße. Das Erbe könnte zum Beispiel in der Weise aufgenommen werden, dass man sich in Form eines Minimalkonsenses auf eine Bekenntnisschrift, etwa die Augsburgische Konfession, einigte. Damit würde freilich Wesentliches wegfallen. Das Erbe der Reformierten etwa wäre überhaupt nicht berücksichtigt, und auch die Lutheraner müssten, etwa auf die Konkordienformel, verzichten. Auf der anderen Seite könnte aber das Erbe der Bekenntnisschriften, das die Landeskirchen in unterschiedlicher Weise mitbringen, jeweils in

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Geltung bleiben, sofern „das Selbstverständnis der evangelischen Kirche in der DDR durch eine neuformulierte Basiserklärung“ beschrieben werden würde. Dieses Verfahren entspräche dem Weg, der mit der Barmer Theologischen Erklärung und der Leuenberger Konkordie beschritten worden sei, werfe allerdings auch Fragen auf: „Wie kommt eine solche Erklärung zustande? Wer hat sie zu ratifizieren? Welche Einmütigkeit ist dafür erforderlich?“308 Trotz dieser als problematisch benannten Fragen schien diese Möglichkeit für Wiebering am meisten für sich zu haben, auch wenn er dieses nicht expressis verbis zum Ausdruck brachte, da lediglich „Probleme benannt, Richtungen gezeigt, aber keine Lösungen vorgeschlagen werden“ sollten. Seine Empfehlung an die Delegiertenversammlung lautete: „Zwischen dem Fixiertsein auf das Erbe, das in vollem Maß erhalten bleiben soll und dabei dann die Erneuerung blockiert, als dem einen Pol und dem Ignorieren der Probleme, die sich bei dem Weg zu einer neuen Gemeinschaft unserer Kirchen auftun, als dem andern Pol ist ein Weg zu suchen, der zu Neuem führt, ohne die Brücken zur Vergangenheit abzubrechen.“309

Die mit diesem Thema betraute Arbeitsgruppe I setzte in ihren Überlegungen nicht mit der von Wiebering vorgetragenen Verfahrensdiskussion ein, sondern mit der Frage nach dem Grundspezifikum, das das Selbstverständnis dieses neuen Zusammenschlusses auszeichnen müsse, damit sich der Überleitungsprozess überhaupt lohne. Dabei war man sich schnell einig: „Die Qualität dieser neuen Kirche muß beschrieben werden können als eine ekklesiale Qualität.“310 Von dieser Einsicht her kamen dann die einzelnen Problemkreise in den Blick, die bei der Beschreibung der ekklesialen Qualität des neuen Zusammenschlusses zu bedenken wären. Dabei konnte hinsichtlich der notwendigen Einigung in theologischen Grundsatzfragen auf das in der Lehrgesprächskommission bereits Erreichte verwiesen werden, während die Frage nach dem Stellenwert der Bekenntnisschriften erneut dahingehend entschieden wurde, dass diese keine Kirchen gründende Bedeutung hätten.311 Angesichts der im Zusammenhang mit der Frage nach der ekklesialen Qualität zu erörternden Probleme erwuchs der Vorschlag, diese in einer „Basisformel“ zu klären, womit der von Wiebering nur verhalten favorisierte Weg einer Neuformulierung anscheinend ohne nennenswerten Widerspruch übernommen wurde. Diese Basisformel sollte sich – entsprechend dem der Arbeitsgruppe vorliegenden Papier des Lutherischen Kirchenam308 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 30. 309 EBD., S. 31. 310 EBD., S. 59. 311 EBD., S. 60.

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tes312 – zum einen aus „Grundartikeln“ und zum andern aus „Grundbestimmungen“ zusammensetzen. Die „Grundartikel würden die Wesenszüge dieser Kirche herausstellen, die Grundbestimmungen würden stärker auf die Aufgaben gewiesen sein“.313 Das Vorhaben einer Formulierung von „Grundbestimmungen“, also von grundlegenden Aufgaben des neuen Zusammenschlusses, zog dann einen weiteren ausführlichen Gesprächsgang zur Eingrenzung dieser Aufgabenbereiche nach sich. In ihm brachten die zu dieser Arbeitsgruppe gehörenden Vertreter von EKU und VELK „aus der Verantwortung heraus, daß die neue Gestalt nicht weniger bedeuten kann als die bisherigen Zusammenschlüsse“, jeweils Desiderate ein, die sie in dem neuen Zusammenschluss erhalten wissen wollten. Für die VELK waren das neben einer Fortführung ihrer ökumenischen Beziehungen vor allem die Klärung von Grundsatzfragen, die in der VELK in spezifischer Weise gelöst, für den neuen Zusammenschluss jedoch erneut zu bedenken wären (Rolle der Bekenntnisse, Verhältnis von Gesamtkirche und Landeskirchen). Für die EKU wurden vor allem die Kirchengemeinschaft mit den Reformierten, die Gemeinschaft mit den westlichen EKU-Kirchen sowie ebenfalls die ökumenischen Beziehungen angeführt.314 In der Plenaraussprache über diesen ersten Bericht zur Arbeit der Gruppe I am Sonnabendmorgen ging es vor allem um den Sinn der von dieser Gruppe vorgeschlagenen „Basisformel“, deren Notwendigkeit vor allem von einigen EKU-Delegierten angefragt wurde. Sie wiesen auf den damit verbundenen Arbeitsaufwand, der die Möglichkeiten der Delegiertenversammlung übersteige,315 auf das dabei vermutlich zu Tage tretende Konfliktpotenzial316 sowie die generelle Schwierigkeit hin, „das Selbstverständnis einer Kirche einfließen zu lassen in kurze Formulierungen von wenigen Seiten“.317 Demgegenüber erläuterten Vertreter der VELK den Sinn einer solchen Erklärung und bekräftigten damit noch einmal deren Notwendigkeit: Eine „Basisformel“ sei deshalb erforderlich, um dem neuen Zusammenschluss von Anfang an Profil zu geben und damit eventuellen Einwänden ihm gegenüber von vornherein die Grundlage zu entziehen sowie Verunsicherungen ökumenischer Partner vorzubeugen.318 Nach dem abschließenden Votum des Berichterstatters sollte eine solche Basisformel deutlich machen, dass es sich bei dem neuen Zusammenschluss nicht um 312 Siehe oben S. 177 f. (dort war freilich entsprechend der EKD-Grundordnung von 1974 nicht von „Grundartikeln“ im Plural, sondern von dem „Grundartikel“ im Singular die Rede gewesen). 313 Tonbandabschrift, Bd. 1 (vgl. Anm. 308), S. 60. 314 EBD., S. 60 f. 315 EBD., S. 89 (J. Rogge). 316 EBD., S. 90 (H. Schultze). 317 EBD., S. 89 (J. Rogge). 318 EBD., S. 94 f. (U. v. Brück).

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einen aus taktischen, ökonomischen oder finanziellen Gründen gebildeten „Zweckverband“ handele, sondern „daß hier wirklich eine Qualität von Kirchesein angesprochen wird, die dann für viele zur Heimat werden kann“.319 Das Plenum folgte mehrheitlich dieser Argumentation und beschloss (ohne Gegenstimmen, aber bei zwölf Enthaltungen), die Arbeitsgruppe I mit der Vorbereitung eines Entwurfs für eine solche Basisformel zu beauftragen. Um die Arbeitsgruppe bei diesem schwierigen Unterfangen nicht unter Erfolgsdruck zu setzen, sollte es sich dabei erst einmal nur um Gesichtspunkte für einen solchen Entwurf handeln.320 Der Zwischenentwurf, den die Arbeitsgruppe I am Sonnabendabend mit der Drucksache 16321 vorlegte, fußte im Wesentlichen auf dem erwähnten Papier des Lutherischen Kirchenamtes. Dieser erste Entwurf der Arbeitsgruppe I war in fünf Punkte gegliedert, von denen der erste die Vereinigung der drei bestehenden Zusammenschlüsse zu einem neuen Zusammenschluss empfahl, der den Namen „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ tragen sollte. Punkt 2 kündigte die Entfaltung des Selbstverständnisses dieses neuen Zusammenschlusses in der Form von „Grundaussagen“ und „Grundbestimmungen“ an, die dann in Punkt 3 („Grundaussagen“) und Punkt 4 („Grundbestimmungen“) skizzenhaft vorgeführt wurde. Punkt 5 wies auf die Unvollständigkeit der einzelnen Artikel hin, die „der Ergänzung durch Übernahme weiterer Bestimmungen aus der Ordnung des Bundes“ bedürften. Punkt 6 empfahl die Bildung einer „gemeinsamen Arbeitsgruppe“, die „den Entwurf einer Verfassung für eine künftige Vereinigte Evangelische Kirche erarbeitet“. Als „Grundaussagen“ wurden aufgeführt: das Bekenntnis zum dreieinigen Gott (3.1), der Bezug auf das grundlegende Wort Gottes in der Heiligen Schrift (3.2), die Ausrichtung von „Glaube, Lehre und Leben“ an dem „Evangelium von Jesus Christus als dem unüberbietbaren Wort Gottes“ (3.3), die Bindung an die altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisse (3.4) sowie die Beauftragung zur Verkündigung des Evangeliums (3.5).322 Deutlich umfangreicher fielen die „Grundbestimmungen“ aus. In ihnen wurden unter 4.2 als Merkmale dieser neuen Gemeinschaft das „in der Leuenberger Konkordie enthaltene gemeinsame Verständnis des Evangeliums“, die „mit der Leuenberger Konkordie gegebene Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft“ sowie „die Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst“ hervorgehoben.323 Punkt 4.3 nahm unter der bereits zuvor benannten Voraussetzung, dass „die Bekenntnisse 319 EBD., S. 93 (H. Wagner). 320 EBD., S. 93 f. 321 Delegiertenversammlung, Drucksache-Nr. 16: Vorlage der Arbeitsgruppe I, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES). 322 Vgl. EBD., S. 1. 323 EBD., S. 2.

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. . . nicht kirchengründenden Charakter tragen, sondern kirchentragend werden wollen“, zur Funktion der reformatorischen Bekenntnisse Stellung. Er beschrieb diese als „schriftgemäße Auslegung des Wortes Gottes in ihrer Zeit“, deren Absicht sich die Vereinigte Evangelische Kirche verpflichtet wisse, sodass sie „bei bleibender Bekenntnisbindung der Gliedkirchen . . . die bei den jeweils anderen324 in Geltung stehenden Bekenntnisse als unerläßliche Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen“ anerkenne.325 4.5 ging auf die Bedeutung der Bekenntnissynode von Barmen ein, deren Entscheidungen bejaht würden, allerdings ohne diese – wie etwa in der Vorarbeit des Lutherischen Kirchenamtes – näher zu beschreiben. 4.6 verwies auf die föderative Struktur der Vereinigten Evangelischen Kirche, während die beiden folgenden Artikel die Wahrnehmung der ökumenischen Verpflichtung (4.7) und – gegenüber der lutherischen Vorarbeit neu – der „besonderen Gemeinschaft“ (4.8) beschrieben.326

Die damit vorgelegte Zweiteilung der Basisformel in „Grundaussagen“ und „Grundbestimmungen“ wurde vom Plenum auf Vorschlag von Bischof Schönherr abgelehnt.327 Die weitere Diskussion griff vor allem die Frage nach der künftigen Gestaltung der Ost-West-Beziehungen,328 das Problem der Namensgebung für den neuen Zusammenschluss sowie die Frage nach der Bedeutung der reformatorischen Bekenntnisse in dieser angestrebten Gemeinschaft auf. Der von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene – und keineswegs neue – Name „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“329 rief verschiedentlich Bedenken hervor. Allerdings sprach sich die Delegiertenversammlung trotz der kontroversen Diskussion mit großer Mehrheit für den Namen „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ aus.330

324 Diese Zuspitzung auf die Bekenntnisse der anderen war eine Veränderung gegenüber dem zu Grunde gelegten Papier des Lutherischen Kirchenamtes. 325 EBD. 326 EBD., S. 3. 327 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 146 – bei vier Gegenstimmung und vier Enthaltungen (Delegiertenversammlung, Protokoll, 27.1.1979 [EZA BERLIN, 101, Nr. 25], S. 2). 328 Siehe unten S. 244–246. 329 Der Ausdruck „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ begegnet bereits auf der konstituierenden Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vom 2.10.1970 als ein mögliches Modell der angestrebten engeren Kirchengemeinschaft (M. Stolpe/F.-R. Hildebrandt/F. Heidler: Protokoll über die Zusammenkunft der gemeinsamen Vorbereitungsgruppe der K.-Ltg. der Vereinigten Ev.-Lutherischen Kirche [VELK], des Rates der EKU und der KKL am 2.10.1970 in Potsdam-Babelsberg, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 14], S. 2). Nach Eisenach wurde er problematisiert und dann schließlich vermieden (siehe unten S. 388, Anm. 67). 330 Bei drei Gegenstimmung und 5 Enthaltungen (Delegiertenversammlung, Protokoll, 27.1.1979 [EZA BERLIN, 101, Nr. 25], S. 2).

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Obwohl die Arbeitsgruppe I mit ihrer gegenüber dem Entwurf vorsichtigeren Formulierung zur Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung gerade eine „neue Diskussion über Barmen“ vermeiden wollte,331 ließ sich dieses Thema in der Plenaraussprache nicht völlig umgehen. So sahen einige das Barmenthema in der Formulierung von Artikel 3.3 angesprochen, der Jesus Christus als das „unüberbietbare Wort Gottes“ bezeichnete. Der Eindruck, hier solle Barmen I aufgegriffen und korrigiert werden,332 wurde allerdings von Vertretern der AG I als Missverständnis zurückgewiesen.333 Schönherr kritisierte darüber hinaus die in der Abfolge der Artikel späte Erwähnung von Barmen – insbesondere auch im Vergleich zur ausführlichen Bezugnahme auf die Leuenberger Konkordie – und regte eine entsprechende Umordnung an.334 Auch die Ausführungen zum Stellenwert der reformatorischen Bekenntnisse wurden teilweise als zu blass empfunden. Es erhob sich die Frage, ob es nicht etwas wenig sei, wenn den Bekenntnisschriften in 4.3 lediglich in ihrer Intention, sich dem Maßstab der Schrift zu unterstellen, Vorbildcharakter zugebilligt würde.335 Dieses Verständnis von 4.3 wurde allerdings unter Hinweis auf die Gesamtaussage des betreffenden Artikels als ungerechtfertigt zurückgewiesen. Denn dort sei „nicht nur ein hermeneutischer Vorgang beschrieben, dem wir uns weiter verpflichtet fühlen, sondern . . . auch der Inhalt dessen, was durch so einen hermeneutischen Vorgang erstellt worden ist, festgehalten“.336

Die endgültige Vorlage der Arbeitsgruppe I (Drucksache 16/1) behielt Inhalt und Aufriss der Vorlage 16 im Wesentlichen bei. Die in der Plenaraussprache gegebenen Anregungen wurden „soweit wie möglich“ aufgenommen. Nicht umgesetzt wurde der vom Plenum empfohlene Verzicht auf die Unterscheidung zwischen „Grundaussagen“ und „Grundbestimmungen“, die in der Neufassung entsprechend dem ursprünglichen Vorschlag als Unterscheidung zwischen „Grundartikeln“ und „Grundbestimmungen“ wiederkehrte. Es sei in der Gruppe als notwendig angesehen worden, mit den Grundartikeln eine „Beschreibung der ekklesiologischen Qualität dieser neuen Kirche“ voranzustellen, die unter anderem auch als „eine Kennkarte für die Ökumene“ dienen könne.337 Auch der Kritik an der Rede von Jesus Christus als „dem unüberbietbaren Wort Gottes“ wurde nicht nachgegeben, weil „in dieser Aussage eine gewisse Schutzwehr gegen schwärmerische Tendenzen gebaut“ werde, „die heute doch als Phänomene auch in den Landeskirchen anzutreffen“ seien: „daß das Wort überboten 331 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 134. 332 EBD., S. 138 (U. v. Brück). 333 EBD., S. 141 (H. Zeddies). 334 EBD., S. 146. 335 EBD., S. 143. 336 EBD., S. 145. 337 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 298 f. (H. Wagner).

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werden soll durch neue, größere, attraktivere Offenbarungen“.338 Dagegen wurde die Anregung Schönherrs aufgegriffen und der Artikel, der sich auf die Barmer Theologische Erklärung bezog, unter gleichzeitiger stilistischer Glättung um eine Position (von 4.5 nach 4.4) vorgezogen. Der Artikel 4.8 zur „besonderen Gemeinschaft“ wurde neu formuliert und bestimmte dann auch zu weiten Teilen die nachfolgende Diskussion.339 Die Vorlage insgesamt rief, obwohl nur ein Teil der vom Plenum gegebenen Hinweise umgesetzt war, keinen wesentlichen Einspruch hervor und wurde mit großer Mehrheit – allerdings mit einer Gegenstimme – verabschiedet. Ein Änderungsantrag des Delegierten Mitzenheim, der die Wahrung der Rechte der Reformierten tangierte, stieß auf deutlichen Widerstand und scheiterte bereits im Ansatz. Eine Kontroverse über den Minderheitenstatus der Reformierten war bis dahin vor allem dadurch vermieden worden, dass die Reformierten bei der Abfassung der Vorlagen, auch wenn sie nicht ausdrücklich Erwähnung fanden, in der Regel nicht aus dem Blick verloren wurden. Wurden sie doch einmal nicht hinreichend berücksichtigt (etwa bei ihrer Vertretung im Exekutivorgan) konnte dies auf Antrag von EKU-Seite problemlos korrigiert werden, sodass der reformierte Delegierte Langhoff sich nicht genötigt sah, das Wort in eigener Sache zu ergreifen. Das änderte sich, als der lutherische Delegierte Hartmut Mitzenheim beantragte, in Absatz 4.1 ohne weitere Erläuterung mit einer kurzen Partizipialkonstruktion darauf hinzuweisen, dass die Gliedkirchen der VEK „aus der lutherischen Reformation hervorgegangen“ sind.340 Er begründete diesen Antrag damit, dass er ohne inhaltliche Veränderung mehr Deutlichkeit schaffe im Blick auf „den ökumenischen Kontext“ sowie die „Brüder in den lutherischen und auch zum Teil unierten Landeskirchen, die von einem konfessionell geprägten Luthertum herkommen und die sicherlich es beanstanden würden, wenn nicht ein solcher Hinweis . . . enthalten ist“.341 Demgegenüber machte der unierte Delegierte Harald Schultze – unter Zustimmung von Schönherr – geltend, dass diese Formulierung, auch wenn sie gewisse Parallelen in den Grundordnungen der Kirchenprovinz Sachsen und Berlin-Brandenburgs habe, in dieser knappen Form den „legitimen Ort der reformierten Gemeinden innerhalb unserer Gemeinschaft nicht mehr präzise bezeichne“.342 Langhoff selbst erläuterte, dass sich die Reformierten im Bereich der DDR in einem reflektierten Sinne durchaus als „Kinder der lutherischen Reformation“ verstehen können. Das Problem sei jedoch, dass aus so einer 338 EBD., S. 299 (H. Wagner). 339 Siehe unten S. 446 f. 340 Absatz 4.1 hätte damit folgenden Wortlaut erhalten: „Die Vereinigte Evangelische Kirche ist die Gemeinschaft der in ihr zusammengeschlossenen, aus der lutherischen Reformation hervorgegangenen, bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen“ (Tonbandabschrift, Bd. 2 [vgl. Anm. 337], S. 303). 341 EBD., S. 303 f. 342 EBD., S. 304.

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kurzen Nebenbemerkung die Auffassung entstehen könnte, die VEK sei eine lutherische Kirche. Diese Gefahr bestünde zweifellos, betonte Langhoff und schloss: „Und dieser Gefahr möchte ich gerne ausweichen und möchte gern, daß wir alle ihr ausweichen.“343 Dieser Aufforderung folgte die Versammlung unmittelbar und verweigerte dem Antrag von Mitzenheim bereits die für eine Beschlussfassung notwendige Unterstützung von sechs Stimmen. Daraufhin erklärte Mitzenheim – angesichts der von ihm gegebenen Begründung ein wenig überraschend –, dass er dann der Vorlage nicht zustimmen könne.344

4.3.4.2. Zum föderativen Charakter des neuen Zusammenschlusses (Arbeitsgruppe II) Das Einstiegsreferat zum Thema „Föderative Gemeinschaft“ hielt der Jurist im Konsistorium der Görlitzer Kirche, Eberhard Völz, der einleitend die Notwendigkeit einer föderativ strukturierten Gemeinschaft dadurch unterstrich, dass er die dazu denkbaren Alternativen kurz skizzierte und verwarf. So sei die erste Alternative, „die Rückkehr zur vollen gliedkirchlichen Eigenständigkeit“, deshalb „keine echte Alternative mehr in unserer Zeit und in unserer Situation“, weil dieser Weg lediglich für die großen Gliedkirchen gangbar wäre und sich seit Bestehen des Bundes eine „Dienst- und Zeugnisgemeinschaft“ herausgebildet habe, die damit aufgegeben werden würde. Auch die zweite Alternative, die Bildung einer „zentralistisch strukturierten Gesamtkirche, gegliedert in etwa gleich große überschaubare Bereiche“, erfordere mit der Aufgabe gewachsener Tradition und anregender Vielfalt einen entschieden zu hohen Preis.345 Realistischer – und damit für das angestrebte Ziel einer „föderativen Gemeinschaft“ auch gefährlicher – erscheine hingegen die dritte Möglichkeit, die Völz in der erneuten Stärkung der konfessionellen Zusammenschlüsse sah. Denn in ihnen bestünde ja bereits die Gemeinschaft, die man für die Gesamtkirche erst noch erreichen wolle. Außerdem habe die Diskussion über das Thema Kirchengemeinschaft, in deren Zusammenhang EKU und VELK jeweils versuchten, ihr Eigenprofil herauszuarbeiten, auch zur Stärkung des jeweiligen Eigenbewusstseins geführt. Ein Ausbleiben gesamtkirchlich verbindlicher Regelungen würde damit unweigerlich zur Folge haben, dass die konfessionellen Zusammenschlüsse wieder stärker je für ihren Bereich Kompetenzen wahrnähmen.346 343 EBD., S. 305. 344 EBD., S. 306. 345 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 34. 346 EBD., S. 34 f., 36.

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Die Konsequenz, die Völz insbesondere auf dem Hintergrund der dritten Möglichkeit zog und mit der er ein spezifisches EKU-Anliegen zur Sprache brachte, war die Forderung, dass ein neuer gesamtkirchlicher Zusammenschluss ein Mehr an Gemeinschaft bieten müsse gegenüber dem, was in den konfessionellen Zusammenschlüssen bereits vorhanden sei. Zum einen hätte die angestrebte „föderative Gemeinschaft“ angesichts der bereits erkennbaren Tendenz zur Stärkung der konfessionellen Zusammenschlüsse allein unter dieser Voraussetzung eine Chance. Zum anderen sei dieses Mehr an Gemeinschaft auch von der Sache her geboten: „Ein Mehr an Gemeinschaft ist einfach deswegen notwendig, weil wir nur dadurch ein glaubwürdiges Zeugnis von der befreienden und befriedenden Botschaft unseres Herrn Jesus Christus in unserer sozialistischen und gleichermaßen säkularisierten Gesellschaft geben können. Gemeinschaft und Glaubwürdigkeit in Zeugnis und Dienst stehen in einem engen dialektischen Zusammenhang.“347

Bei der sich daraus ergebenden Frage, wie es zu diesem als notwendig erkannten Mehr an Gemeinschaft kommen könne, lehnte Völz den denkbaren – allerdings bei der EKD-Grundordnungsreform gescheiterten – Weg über eine „Änderung von Ordnungen“ von vornherein als wenig Erfolg versprechend ab. Entscheidend, dass ein solches Mehr an Gemeinschaft entstünde, seien vielmehr die inhaltlichen Aspekte einer solchen Gemeinschaft, nicht ihre in Ordnungen festgeschriebene Struktur, sondern ihre erfahrbare Qualität. Als solche Aspekte, die die Qualität einer föderativen Gemeinschaft ausmachten und damit das geforderte Mehr an Gemeinschaft ermöglichten, nannte Völz: – gegenseitiges Vertrauen, – „Verbindlichkeit“ („kein Sandkastenspiel, sondern ernsthaftes Engagement für- und untereinander“), – Kompromissbereitschaft, – die Integration aller (insbesondere von EKU und VELK), – die Übertragung von Kompetenzen, – die gemeinsame Arbeit an zu lösenden Aufgaben.348 Im Zusammenhang damit ging Völz auch kurz auf die Frage nach der Zukunft der konfessionellen Zusammenschlüsse EKU und VELK ein, die er – entsprechend seinem Ansatz bei der Qualität der zukünftigen Gemeinschaft und nicht bei ihrer strukturellen Gestaltung – dahingehend beantwortete, dass dieser neuen Gemeinschaft mit einer Vorleistung im Sinne einer formellen Auflösung von EKU und VELK wenig gedient sei. Deren Auflösung sei keine Voraussetzung für ein Zustandekommen der neuen Gemeinschaft, sondern vielmehr eine 347 EBD., S. 35. 348 Vgl. EBD., S. 37–39.

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Folge dessen, dass diese Gemeinschaft erfolgreich gebildet worden sei und das angestrebte Maß an Intensität und Verbindlichkeit erreicht habe. Sofern es „in dieser umfassenden Gemeinschaft zu dem Mehr an einheitlichem Zeugnis und Dienst, an brüderlichem Miteinander in vielen Frage und Aufgaben“ gekommen sei, reduziere sich „die rechtliche und strukturelle Bedeutung der Zusammenschlüsse von selbst“.349

Die von Völz vorgetragenen Überlegungen zum Charakter föderativer Gemeinschaft wurden von der Arbeitsgruppe II, obwohl er dort selbst mitarbeitete, kaum aufgegriffen. Die Mehrheit in diesem Gremium folgte nicht seinem qualitativen Kriterium für die Beschreibung föderativer Gemeinschaft, sondern dem von Bischof Hempel zur Geltung gebrachten integrativen Kriterium, das lutherischer Tradition entsprach und zusammengefasst formuliert lautete: „Möglichst viele Verbündete tun möglichst vieles gemeinsam.“350 Dementsprechend kam es nicht zu einer Weiterarbeit an den von Völz genannten inhaltlichen Aspekten, sondern in Anwendung des Hempelschen Ansatzes vor allem zu strukturellen Überlegungen, wobei aus dem genannten Verständnis „föderativer Gemeinschaft“ im Wesentlichen zwei Folgerungen gezogen wurden. Als Erstes wurde im Interesse einer möglichst umfassenden Beteiligung an der Arbeit des neuen Zusammenschlusses eine Stärkung des synodalen Elements gefordert, die in einer Richtlinien- und Sachkompetenz der Gesamtsynode, bei der Zusammensetzung der bisherigen „Konferenz“ zur Hälfte aus Synodalen sowie in der Bildung des bisherigen „Vorstandes“ durch Konferenz und Synode zum Ausdruck kommen sollte. Als Zweites wurde eine stärkere Beteiligung der Gliedkirchen als notwendig angesehen, was zu dem Vorschlag führte, an der Arbeit des „Vorstandes“ (der KKL) zukünftig alle acht Landeskirchen zu beteiligen, während in der Konferenz die Präsenz der großen Landeskirchen entsprechend ihren Gemeindegliederzahlen zu erhöhen sei. Darüber hinaus wurde für die Funktion des leitenden Geistlichen „ein Wechsel in einem bestimmten Rhythmus im Hinblick auf die Gliedkirchen“ vorgesehen.351 Die Kontroverse zwischen dem Völzschen Gemeinschaftsmodell und dem Hempelschen Integrationsmodell zog sich folgerichtig durch die Diskussion auch der weiteren Problemkreise und wiederholte sich insbesondere bei der Konkretisierung des von Völz geforderten „Mehr“ an Gemeinschaft sowie bei der Frage nach der Zukunft der konfessionellen Zusammenschlüsse. Während die einen „keine Notwendigkeit der Auflösung der EKU 349 EBD., S. 38. 350 EBD., S. 62 (Referat S. Siegert); vgl. Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 168 (J. Hempel). 351 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 63 (S. Siegert).

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als Vorleistung“ sahen, „solange nicht die praktischen Aufgaben von der neuen Bundeskirche voll wahrgenommen werden“, wurde von anderen an der Notwendigkeit der „Auflösung der Vereinigten Kirche und der EKU in die neue Bundeskirche“ festgehalten. Eine gewisse Verständigung wurde freilich dadurch erreicht, dass die beiden gegensätzlichen Positionen in ein zeitliches Nacheinander gebracht wurden: „Erstes Ziel: Bundeskirche, zweites Ziel: Aufgehen von EKU und VELK DDR in die Bundeskirche.“352 Kompromisscharakter trug auch die Stellungnahme der Gruppe zur Intensität der angestrebten Gemeinschaft. Zwar wurde der Forderung zugestimmt, dass der neue Zusammenschluss ein Mehr an Gemeinschaft bringen müsse, diese Mehr wurde jedoch nicht an der in EKU und VELK jeweils für sich vorhandenen Gemeinschaft gemessen, sondern an der im Bund vorhandenen Gemeinschaft der acht Landeskirchen.353 Die Aussprache zum ersten Bericht der Arbeitsgruppe II konzentrierte sich im Wesentlichen auf das gewisse Neben- und möglicherweise Gegeneinander von „Konferenz“ und „Vorstand“, das sich nach den vorgeschlagenen Strukturveränderungen („Konferenz“ gebildet von Gliedkirchen und Synode, „Vorstand“ gebildet von „Konferenz“ und „Synode“ unter Berücksichtigung aller acht Landeskirchen) ergeben könnte. Insbesondere Schönherr befürchtete, dass dadurch der Apparat des neuen Zusammenschlusses schwieriger handhabbar würde. Denn bei dieser Konstruktion käme man „ziemlich häufig“ in eine Situation, „daß in dem Leitungsgremium Dinge beschlossen werden, die nachher von der sogenannten Kirchenkonferenz in Frage gestellt werden, weil man das Föderative nicht genug bedacht oder gewürdigt“ habe. Genau dieses sei bereits 1969 in der Ordnung des Bundes bewusst vermieden worden, sodass die hier angedachte Lösung eigentlich ein Rückschritt sei.354 Dem stimmte Stolpe im Prinzip zu, wobei er allerdings die Möglichkeit offen hielt, dass das Ergebnis der Arbeitsgruppe II vielleicht doch nicht im Sinne dieses problematischen Zwei-Kammern-Systems zu verstehen sei, sondern im Sinne eines „gestaffelten Leitungssystems mit einem größeren Leitungskreis mit mehr Richtlinientätigkeit und einem kleineren Leitungssystem für die operativen Entscheidungen“, wozu er selbst dringlichst raten würde.355 Die Forderung, einen Kompetenzenstreit zwischen den beiden vorgesehenen Gremien möglichst zu vermeiden, sowie die in der Diskussion deutlich gewordene Alternative zwischen einem Zwei-Kammern-System auf der 352 EBD., S. 64. 353 EBD., S. 65. Ein bundesbezogenes Mehr konnte freilich im Blick auf die EKU ein Weniger bedeuten, worauf der Berichterstatter allerdings wohlweislich nicht ausdrücklich hinwies. 354 EBD., S. 96. 355 EBD.

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einen und einem gestaffelten Leitungssystem auf der anderen Seite veranlassten die Arbeitsgruppe II, im Folgenden diese beiden Möglichkeiten auf der Grundlage der „föderativen“ Grundsätze zu zwei Modellen weiterzuentwickeln, bei denen der „Leitungsschwerpunkt“ jeweils nur bei einem der beiden Gremien angesiedelt war. Im Modell des Zwei-Kammern-Systems lag dieser bei dem kleineren Leitungsgremium, während die Konferenz der Landeskirchen nur Beratungs- und Hilfsfunktion haben sollte. Innerhalb des gestaffelten Leitungssystems lag der „Leitungsschwerpunkt“ bei der bisherigen Konferenz, während dem kleineren Gremium lediglich die Funktion eines Vorstandes zukam. Dieses Ergebnis legte die Arbeitsgruppe II dem Plenum am Sonnabendabend in der Drucksache 18 vor, in der nach einer kurzen grundsätzlichen Beschreibung des föderativen Charakters der „anzustrebenden größeren Gemeinschaft (VEK)“ im Hempelschen Sinne und der Betonung des synodalen Prinzips, wonach die „Synode . . . oberstes Leitungsorgan mit Sach- und Richtlinienkompetenz“ sei, im Wesentlichen diese beiden Modelle für die Bildung von „Konferenz“ und „Vorstand“ entfaltet wurden. Hinzu kamen weitere Überlegungen zur Arbeit der Dienststelle (Sekretariat) sowie ein Formulierungsvorschlag „zur Frage der Beziehung zu den Kirchen in der BRD“, der allerdings bereits im Zusammenhang des Zwischenberichts der Gruppe I vom Plenum zur

Leitungsgremium

Modell 1: Zwei-Kammern-System (das „Leitungsschwergewicht“ liegt beim Leitungsgremium)

Modell 2: gestaffeltes Leitungssystem (das „Leitungsschwergewicht“ liegt bei der Konferenz)

Wahl durch die Synode

Bildung durch die „Konferenz“

Es sind alle acht Gliedkirchen vertreten, keine Parität, 9–12 Mitglieder (leitende Geistliche, leitende Juristen bzw. Dienststellenleiter, Synodale, die in den gliedkirchlichen Kirchenleitungen verankert sind). Die Mitglieder haben kein imperatives Mandat, sind aber berichtsberechtigt an ihre Kirchenleitungen. Vorsitzender ist ein leitender Geistlicher. Rechenschaftspflicht gegenüber der Synode

Konferenz Besetzung durch die Gliedkirchen

Rechenschaftspflicht gegenüber der „Konferenz“ Bildung durch die Gliedkirchen und die Synode

paritätische Besetzung (2 × 8)

keine paritätische Zusammensetzung (die großen Gliedkirchen entsenden zwei, die kleineren Kirchen einen Vertreter)

imperatives Mandat

kein imperatives Mandat

Berichtspflicht gegenüber der Synode

Rechenschaftspflicht gegenüber der Synode

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Kenntnis genommen worden war und deshalb nicht noch einmal diskutiert wurde.356 In einer kurzen Ergänzung zum Einbringungsreferat fassten Hempel und Völz noch einmal die Vorzüge des einen beziehungsweise des anderen Modells zusammen, wobei Völz Modell 1 vertrat und als dessen Vorzug die klare Zuweisung der Leitungsverantwortung an eines der beiden Gremien hervorhob, während Hempel die breite Beteiligung an der Leitungsverantwortung im Modell 2 unterstrich.357 Die Diskussion über das Für und Wider der beiden vorgetragenen Modelle, die die Plenaraussprache zu Vorlage 18 bestimmte, gestaltete sich dann freilich im Wesentlichen als kritische Auseinandersetzung mit dem ersten der beiden Modelle. Insbesondere Stolpe sprach sich nicht nur für eine klare Entscheidung der Delegiertenversammlung für eines der beiden Modelle aus, sondern ließ auch keinen Zweifel daran, dass für ihn nur Modell 2 in Frage käme. Modell 1, bei dem „das föderative Prinzip und das gesamtkirchlich-synodale Element voll parallel geschaltet“ seien, entspräche hingegen „nicht dem Entwicklungsstand, den unsere Gemeinschaft hat, und auch nicht der Größenordnung, die wir haben“. Für ihn sei es „mehr ein konföderiertes Modell in einer Phase vor einer wirklich intensiven Kirchengemeinschaft“ mit „einer Art Überwachungs- und Kontrollinstanz“. Da sich die Verbindung der beiden genannten Elemente bei der Praktizierung der Bundesordnung bewährt habe, sollte diese entsprechend Modell 2 fortgeführt werden.358 In diesem Sinne entschied sich die Versammlung mit 30 zu 4 Stimmen gegen Modell 1 und für Modell 2.359 Darüber hinaus war mit Vorlage 18 unübersehbar geworden war, dass sich die Gruppe II auf die Erarbeitung ausgeführter Strukturmodelle konzentrierte, was angesichts der von Völz in seiner einleitenden Problemskizze gestellten Frage nach der Qualität föderativer Gemeinschaft nicht allen Delegierten selbstverständlich und sinnvoll schien. Insbesondere von EKU-Seite wurde kritisiert, dass in dem Papier nichts über „das Zusammenwirken der Gliedkirchen in dieser Gemeinschaft“ und „mit dieser Gemeinschaft“ gesagt sei,360 und Enttäuschung darüber geäußert, dass nichts darüber zu hören war, „welche Gedanken man sich gemacht hat, um den Reichtum der verschiedenen Äußerungen der Kirche, der kirchlichen Gruppen, der kirchlichen Aktivitäten in der DDR einzufangen“.361 Daraufhin erweiterte die Arbeitsgruppe in ihrem endgültigen 356 Vgl. unten S. 246. 357 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 167 f. 358 EBD., S. 171, 179. 359 Delegiertenversammlung, Protokoll, 27.1.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25), S. 3. 360 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 169 f., 176 (H.-M. Harder). 361 EBD., S. 175 (H. Langhoff).

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Text (Drucksache 18/2) die bereits in Vorlage 18 enthaltene Beschreibung des zu Grunde liegenden Verständnisses von „föderativer Gemeinschaft“,362 was jedoch im Plenum noch immer als ungenügend empfunden wurde und deshalb zu der Forderung führte, „bestimmte Spielregeln für föderatives Zusammenwirken künftig zu entwickeln“.363

Entsprechend dem Beschluss der Delegiertenversammlung zur Vorlage 18 enthielt das mit Drucksache 18/2 am Sonntag vorgelegte endgültige Arbeitsergebnis der Gruppe II nur noch das zweite, vor allem hinsichtlich der Zusammensetzung der Leitungsgremien weiter präzisierte Modell. Diese Präzisierungen bezogen sich vor allem auf das an die Stelle der bisherigen Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen tretende „Leitungsorgan“. Ihm sollten künftig zu mehr als einem Drittel von der Synode zu wählende Mitglieder sowie der Leiter der gesamtkirchlichen Dienststelle und als Vertreter der Landeskirchen deren leitende Geistliche sowie weitere Mitglieder der jeweiligen Kirchenleitungen angehören.364 Eine Entscheidung, ob diese Vertretung der Landeskirchen paritätisch oder entsprechend ihrer Größe erfolgen solle, ließ die Arbeitsgruppe offen. Auch das Plenum sah keine Veranlassung, die Frage der Parität aufzugreifen. Es beschloss lediglich, für das Leitungsorgan (entsprechend der Bundesordnung) mindestens ein reformiertes Mitglied vorzusehen.365 Die Beschreibung des „Exekutivgremiums“, das an die Stelle des bisherigen Vorstandes der KKL treten sollte, blieb gegenüber dem Modell 2 im Wesentlichen unverändert, lediglich auf eine Festlegung der Mitgliederzahl wurde „bewußt verzichtet“.366 Da allerdings diesem Gremium weiterhin Vertreter aller acht Gliedkirchen angehören sollten und außerdem vorgesehen war, seine Zuständigkeiten im Vergleich zum bisherigen Vorstand der KKL zu erweitern, ergab sich erneut die Frage, ob damit nicht Kompetenzstreitigkeiten zwischen beiden Gremien begünstigt würden.367 Aus diesem Grund plädierte Schönherr für ein kleines Exekutivgremium sowie für eine Umwandlung der vorgeschriebenen Beteiligung aller acht Landes-

362 Delegiertenversammlung, Drucksache 18/2: Beschlussvorlage der Arbeitsgruppe II, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 1. 363 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 259 (H.-M. Harder). 364 Delegiertenversammlung, Drucksache 18/2: Beschlussvorlage der Arbeitsgruppe II, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 1. 365 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 264. 366 EBD., S. 257 (S. Siegert als Berichterstatter der Gruppe). Gegen die zuvor genannte Zahl „9–12“ waren im Plenum vereinzelt Einwände erhoben worden (vgl. EBD., S. 169 [H.-M. Harder]). 367 EBD., S. 259 f. (H.-M. Harder), 261 (A. Schönherr).

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kirchen in eine entsprechende Empfehlung.368 Diesem Vorschlag schloss sich die Delegiertenversammlung an.369 Hinsichtlich der Zusammensetzung der Gesamtsynode, die aufgrund erhobener Bedenken nun nicht mehr als „oberstes Leitungsorgan“, sondern lediglich als „oberstes Organ“ bezeichnet wurde, sah die Vorlage 18/2 ergänzend vor, „daß ein Drittel der Mitglieder der Synode nicht hauptamtlich im kirchlichen Dienst“ stehen solle.370

4.3.4.3. „Aufgaben gesamtkirchlicher Arbeit“ (Arbeitsgruppe III) Die Problemskizze für diese Arbeitsgruppe trug der juristische Oberkonsistorialrat im Konsistorium der Greifswalder Landeskirche Hans-Martin Harder vor, der die in der Themenformulierung genannte Aufgabenstellung eingangs dahingehend konkretisierte, dass es bei diesem Thema um „die möglichst große Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst an der Welt“ gehe.371 Diese zeugnis- und dienstorientierte Gemeinschaft werde – so Harder – in den drei bestehenden Zusammenschlüssen freilich nicht nur verschieden wahrgenommen, sondern sei auch bereits in deren Verfassungen sehr unterschiedlich konkretisiert (am umfassendsten bei der EKU), womit sich eine jeweils unterschiedliche Ausgangslage ergäbe.372 Neben dieser Ausgangslage sei bei der Diskussion über die Intensivierung der gesamtkirchlichen Arbeit auch der Kontext sowohl auf Gemeindeebene als auch auf gesellschaftlicher und ökumenischer Ebene zu beachten, auch wenn man sich davon nicht unter Druck setzen lassen solle, dass dieser Kontext im Großen und Ganzen durch ein breites Unverständnis für die komplizierte Struktur der DDR-Kirchen und die schwer durchschaubaren Zuständigkeiten auf gesamtkirchlicher Ebene gekennzeichnet sei (Thesen 1–3).373 Nach dieser Skizzierung von Ausgangslage und Kontext formulierte Harder nun seinerseits einige Anforderungen, die aus seiner Perspektive an eine sinnvolle und erfolgreiche Intensivierung und Profilierung gesamt368 EBD., S. 261. – Darüber hinaus wies er auch noch auf „eine ganz praktische Frage“ hin: „Wenn es zu Verhandlungen kommt zwischen Vorstand und Staat, dann beschwören wir durch die Zahl Acht herauf, daß der Staat auch mit acht Figuren ankommt, und das brauchen wir nicht unbedingt.“ 369 Bei einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen (Delegiertenversammlung, Protokoll, 28.1.1979 [EZA BERLIN, 101, Nr. 25], S. 3). 370 Delegiertenversammlung, Drucksache 18/2: Beschlussvorlage der Arbeitsgruppe II, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 1. 371 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 40. 372 EBD., S. 40–42. 373 EBD., S. 42–44.

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kirchlicher Arbeit zu stellen seien (Thesen 4–9). Insbesondere wies er darauf hin, dass es im Interesse einer zeugnis- und dienstorientierten Gemeinschaft ohne Frage zu einer Abgabe von Kompetenzen und zu gegenseitigen Absprachen kommen müsse, ebenso sei jedoch auch sicherzustellen, dass die abgegebenen Kompetenzen und übertragenen Aufgaben auch tatsächlich in vollem Umfang wahrgenommen (These 4) und bis auf die unterste Ebene effektiv umgesetzt würden (These 5).374 Auf diese Notwendigkeit sei vor allem aus der Perspektive der gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse hinzuweisen, weil sie sich anders als etwa die Landeskirchen in den neuen Zusammenschluss hinein auflösen sollen. Deshalb werde es „für die vorhandenen Zusammenschlüsse . . . vor allem darum gehen, ihren Bestand, ihre Aktivitäten in den größeren Zusammenschluß möglichst verlustlos und nahtlos einzubringen, um sie dort jedenfalls wiederzufinden oder möglichst fortgeführt zu sehen“. Für die EKU betreffe das – so Harder – vor allem auch ihre Gemeinsamkeit mit den EKU-Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland (These 8).375 Hinsichtlich der Verwirklichung der angestrebten Intensivierung gesamtkirchlicher Arbeit hob Harder hervor, dass diese zum einen durchaus an Vorhandenes anknüpfen und sich auf bereits erreichte Gemeinsamkeit stützen könne, wobei er auf die den Delegierten vorliegende Aktivitätenliste (Drucksache 12) verweisen konnte (These 6).376 Zum anderen seien der gesamtkirchlichen Wahrnehmung von Aufgaben aber auch Grenzen gesetzt, etwa durch die sachlichen Erfordernisse, da es auch Aktivitäten gäbe, bei denen eine gesamtkirchliche Wahrnehmung nicht sinnvoll sei (etwa kirchliche Ausbildung),377 sowie durch die geringen finanziellen Möglichkeiten, die eine „Setzung von Prioritäten in der gesamtkirchlichen Arbeit unerläßlich“ erscheinen ließen (These 9).378 Die Diskussion in der mit diesem Thema betrauten Arbeitsgruppe III setzte – wie in den anderen Arbeitsgruppen auch – erst einmal mit allgemeineren Überlegungen ein, zu denen unter anderem die Frage gehörte, ob der neue Zusammenschluss lediglich durch Addition von EKU und VELK, also ohne den Bund, oder durch Integration dieser beiden Zusammenschlüsse in den Bund gebildet werden sollte. Eine Favorisierung des einen oder anderen Weges erfolgte allerdings nicht und wurde angesichts der Arbeitsergebnisse der Gruppe IV später auch nicht noch einmal diskutiert.379 Trotz dieser zumindest anfangs bestehenden Unsicherheit hin374 375 376 377 378 379

EBD., S. 44 f. EBD., S. 46. EBD., S. 45. EBD., S. 45 f. EBD., S. 47. Vgl. aber unten S. 236.

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sichtlich des Weges herrschte hinsichtlich des Zieles völlige Einhelligkeit. „Ziel oder Vision müsse sein: eine evangelische Kirche in der DDR.“ Aus dieser Zielstellung ergab sich unmittelbar die Frage, was von dem in den Zusammenschlüssen Vorhandenen in dieser einen evangelischen Kirche auf jeden Fall erhalten bleiben müsse. Die Antwort darauf war eine doppelte. Erhalten bleiben sollte zum einen die Verbindung zu den Kirchen in der Bundesrepublik und zum anderen „eine ganz erhebliche Gemeindenähe“, als deren Gegensatz der Arbeitsgruppe „ein noch forscherer Zentralismus“ erschien.380 Nach dieser grundsätzlichen Verständigung bestand die Hauptarbeit der Gruppe in einer Sichtung und Bearbeitung der als Drucksache 12 vorliegenden Liste gegenwärtig vorhandener Aktivitäten auf zwischenkirchlicher und gesamtkirchlicher Ebene darauf hin, was zukünftig gesamtkirchlich, also von dem neuen Zusammenschluss, und was weiterhin auf gliedkirchlicher Ebene wahrzunehmen sei, wobei auf gesamtkirchlicher Ebene noch einmal zwischen „gesamtkirchlichen Aktivitäten“, „Gesetzgebungsvollmachten“ und „Richtlinienkompetenzen“ differenziert wurde.381 Bei der Zuordnung der einzelnen Aufgaben ließ sich die Arbeitsgruppe von dem Prinzip leiten, dass Tätigkeiten, die bereits gesamtkirchlich geregelt wären, nicht wieder auf die landeskirchliche Ebene zurückfallen dürften, es aber auch möglich sein sollte, gesamtkirchliche Aktivitäten an einzelne Landeskirchen zu delegieren wie auch landeskirchliche Aktivitäten im Namen der Gesamtheit zu bejahen.382 Entsprechend einem während der ersten Plenaraussprache geäußerten Wunsch, die Neuordnung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten in konkreten Vorlagen zu verdeutlichen, stellte die Gruppe III bis zur nächsten Plenaraussprache ihre Arbeitsergebnisse in Form von drei Listen zusammen, deren Struktur sie in einer beigefügten Drucksache 17 erläuterte.383 Ausgehend von der Einsicht, dass der Weg zu einem neuen Zusammenschluss „als Prozeß gestaltet werden“ müsse, sollte jede der vorgelegten drei Listen „hinsichtlich der wahrzunehmenden Aufgaben“ jeweils eine Etappe in diesem Prozess darstellen. Liste 1 bot einen Überblick über „Aufgaben, die sich bereits jetzt in gesamtkirchlicher Verantwortung befinden“; Liste 2 fasste jene Aufgaben zusammen, „die bereits in nächster Zeit (etwa bis spätestens 1981) nur gemeinsam wahrgenommen werden sollen“; Liste 3 enthielt schließlich jene „Aufgaben, deren gemeinsame Wahrnehmung bis zur Konstituierung des einen gesamtkirchlichen Zusammenschlusses (etwa 1985) erreicht sein muß“.384 Diese Listen unterschieden jeweils 380 Tonbandabschrift, Bd. 1 (vgl. Anm. 371), S. 66 (U. v. Brück als Berichterstatter). 381 EBD., S. 67 f. (U. v. Brück als Berichterstatter). 382 EBD., S. 106 (A. Schönherr). 383 Delegiertenversammlung, Drucksache Nr. 17, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 384 EBD., S. 1; EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 188 f.

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– wie bereits im ersten Bericht der Arbeitsgruppe angedeutet – vier Spalten. Der große Block der gesamtkirchlich wahrzunehmenden Aufgaben wurde noch einmal in „Aktivitäten, einschl. Beratung und Anregung“ (Spalte A), „Verbindliche Regelungen (u. a. Kirchengesetze)“ (Spalte B) und „Richtlinien“ (Spalte C) unterteilt, während die entsprechenden weiterhin bei den Landeskirchen verbleibenden Zuständigkeiten unter „Gliedkirchen“ (Spalte D) vermerkt wurden.385 Die Zuordnung der Aufgaben erfolgte jeweils nach Sachgebieten.

Die Plenardiskussion zu den von der Arbeitsgruppe erstellten Listen konzentrierte sich im Wesentlichen auf konkrete Rückfragen, ohne dass gegenüber der zu Grunde liegenden Konzeption grundsätzliche Einwände geltend gemacht wurden. Dass solche vor allem auf lutherischer Seite vorhanden waren, zeigte sich dann allerdings bei der Diskussion um die weitere Verwendung dieser Listen. Zwar war schnell Einigkeit darüber erreicht, dass sie lediglich für die Leitungsgremien der drei Zusammenschlüsse bestimmt seien, wo sie durchgearbeitet und beschlossen werden sollten,386 das eigentliche Problem lag jedoch in der Begründung, mit der die lutherische Seite für deren Geheimhaltung plädierte. Sie verwies darauf, dass in den Listen Aufgaben, die bislang lediglich innerhalb der EKU zentral geregelt waren, nunmehr unter „Gesamtkirche“ erschienen. Das bedeutete, dass an diesen Stellen von den lutherischen Kirchen nicht die Abgabe von Kompetenzen ihres gesamtkirchlichen Zusammenschlusses (der VELK), sondern die Abgabe landeskirchlicher Kompetenzen erwartet würde.387 Dass diese aus den Listen zu entnehmende Erwartung in den lutherischen Kirchen erheblichen Widerstand gegenüber dem ganzen Unternehmen hervorrufen würde, wurde in dem zurückhaltend formulierten lutherischen Votum zwar nicht ausdrücklich gesagt, dürfte den Anwesenden allerdings deutlich gewesen sein. Dennoch wurde die Frage des den Listen zu Grunde liegenden Ordnungsprinzips nicht weiter diskutiert, sondern von Schönherr als Vertreter der Gruppe III lediglich noch einmal erläutert, wobei er deutlich zum Ausdruck brachte, dass man sich, wenn man überhaupt etwas erreichen wolle, an dieser Stelle eben nach dem richten müsse, was in der EKU bereits erreicht sei. „Wir haben in der EKU gesagt, wir möchten keine größere Gemeinschaft, die weniger verbindlich ist als die, die wir schon haben. Und von daher mußten wir in der Gruppe erst einmal die EKU-Aktivitäten als das Maß nehmen. Das wird dann abgestimmt und verhandelt werden müssen, ob das nun überall auch 385 Vgl. Delegiertenversammlung, Drucksache Nr. 17, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91), S. 1 sowie die als Anlage beigefügten Listen 1–3 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25). 386 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 197 f. (A. Schönherr), 199 (H.-M. Harder), 200 (U. v. Brück). 387 EBD., S. 199 (H. Mitzenheim).

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das Maß bleiben kann. Aber zuerst einmal müßte sich, also wenn man es jetzt mal umgekehrt sagt, der ganze Konvoi nach den schnellsten Schiffen richten, wenn man es mal so sagen darf. Und nun muß man sehen, ob man in dem Tempo bleiben kann . . . Aber wenn man jetzt von vornherein die Sache auf die langsamsten Schiffe dann abstellt, dann wird das nicht viel werden . . .“388

Mit diesem Ordnungsprinzip, das in den Listen zu einer Reduzierung der Zuständigkeiten der lutherischen Landeskirchen führte und damit auch dem von Hempel formulierten lutherischen Verständnis von Föderalität widersprach, war – wie Domsch später erklärte – „eine Menge Sprengstoff“ angehäuft, „der beinahe eigentlich die Delegiertenversammlung sprengen könnte“.389 Im Zusammenhang der Arbeit der Gruppe III wurde dieser Sprengstoff freilich nicht gezündet,390 sondern führte nach Vorlage des Endergebnisse der Gruppe III lediglich noch einmal zu einer weiteren sehr intensiven Diskussion zur Frage einer Veröffentlichung der erarbeiteten Listen, an deren Ende der Beschluss stand, im zu veröffentlichenden Arbeitsergebnis nicht nur den Inhalt der Listen, sondern auch ihre Existenz zu verschweigen.391

4.3.4.4. „Strukturen gesamtkirchlicher Arbeit“ (Arbeitsgruppe IV) Die Problemskizze zum letzten Arbeitsgruppenthema der Delegiertenversammlung hielt der Leipziger Superintendent Johannes Richter, der darin noch einmal sowohl die Notwendigkeit einer Strukturreform auf gesamtkirchlicher Ebene als auch deren Problematik unterstrich, um schließlich seinerseits zwei konkrete Vorschläge zur Strukturveränderung zur Diskussion zu stellen. Die Ursache dafür, dass nach zehn Jahren Bund die in Artikel 1, Absatz 2 der Bundesordnung festgeschriebene Vertiefung der Gemeinschaft so wenig Fortschritte gemacht hätte, sah Richter vor allem in den gegensätzlichen Vorstellungen über den Charakter dieser Gemeinschaft, wie sie jeweils von EKU und VELK vertretenen würden.392 Allerdings habe auch 388 EBD., S. 202. 389 EBD., S. 273 f. 390 Vgl. oben S. 213 f. 391 Beschluss zur Drucksache 17/2 (EBD., S. 254). 392 Richters Skizze des EKU-Modells: „Wir wollen den Bund als Gemeinschaft, die ‚soviel wie möglich an gemeinsamen Ordnungen hat. Wir haben auf diesem Gebiet eine über anderthalb Jahrhunderte reichende Erfahrung. Es wäre schade, wenn davon das Entscheidende verlorenginge und dafür weniger Verbindlichkeit eingehandelt würde.‘“ Demgegenüber die VELK-Position: „Laßt den Bund sein, was er nach seiner Definition sein will, ein Bund. Und das ist ein föderativer Zusammenschluß von Kirchen, die nach wie vor ihre volle Selbständigkeit behalten und bewahren. Das würde auch längst praktiziert, und damit haben

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der Bund selbst zu wenig für die Umsetzung dieses Verfassungsauftrags getan und sei angesichts der Spannung zwischen den Vorstellungen der konfessionellen Zusammenschlüsse auf die Repräsentationsebene ausgewichen.393 Die damit unverändert weiter bestehende Dreifachstruktur auf gesamtkirchlicher Ebene bedeute freilich eine „gewaltige“ Belastung für die „Kräfte- und Zeithaushalte der Betroffenen“, woraus sich unmittelbar die Frage ergebe, „wie lange diese Belastung noch verantwortbar“ sei. Darüber hinaus erfordere auch die geringe Effektivität der Arbeit des Bundes, die nach Richter vielfach an den Bedürfnissen der Gemeinden vorübergehe, eine Änderung der Struktur gesamtkirchlicher Arbeit.394 Welche Punkte bei einer solchen Umstrukturierung gesamtkirchlicher Arbeit zu beachten wären, fasste Richter in sechs Thesen zusammen,395 die zwar durchaus auch auf zu erwartende Belastungen und notwendige Voraussetzungen hinwiesen, in ihrer Intention aber wohl vor allem Mut machen wollten, die überfällige Reform endlich in Angriff zu nehmen. Richter schloss diese von ihm als „sehr subjektiv“ bezeichnete Skizze mit zwei Vorschlägen, von denen der erste zur „Konkretisierung der föderativen Struktur des Bundes“ die Einrichtung einer gesonderten Vertretung der Landeskirchen beim Bund als eines „offiziellen Informationsmittlers“ empfahl,396 während der zweite mit Blick auf den Anlass der Delegiertenversammlung die Intensivierung der synodalen Zusammenarbeit betraf. Hierbei sprach er sich gegen eine Kombination der drei bestehenden Synoden und für die Bildung einer Bundessynode aus EKU- und VELK-Synode aus.397 Die Arbeitsgruppe IV, die dieses Thema weiter zu bedenken hatte, widmete sich zuerst der Frage, auf welche Weise die bestehenden gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse in eine engere Beziehung zueinander zu setzen wären. Dabei sprach sie sich von Anfang an – anders als etwa die Arbeitsgruppe III – für eine gleichberechtigte Beteiligung aller drei Zusammenschlüsse aus. Der Berichterstatter der Arbeitsgruppe verwies dazu auf ein in der Gruppe gebrauchtes „blumiges Bild“, nach dem „die drei Blumen, die zur Zeit in unseren Kirchen blühen“ und „im Augenblick je in ihrer Vase stehen“, zwar erhalten, aber „in einer Vase“ zusammengefasst werden sollten.398 Die Klärung der sich unmittelbar anschließenden Frage, wie dieses neue Blumenarrangement konkret zu gestalten wäre, vollzog sich wir durchaus die besten Erfahrungen gemacht“ (EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 [EZA BERLIN, 101, Nr. 6116], S. 48 f.). 393 EBD., S. 49. 394 EBD., S. 49–51. 395 EBD., S. 51. 396 EBD., S. 51–53. 397 EBD., S. 53 f. 398 EBD., S. 70 (K.-P. Hertzsch).

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auf der Grundlage einer von der Gemeinsamen Planungsgruppe erarbeiteten Modellskizze,399 wobei sich die Arbeitsgruppe gegen das darin skizzierte Anschlussmodell und für das Fusionsmodell entschied. Das bedeutete, dass durch Beitritt von EKU und VELK zum Bund nicht nunmehr das nachgeholt werden sollte, was 1969 nicht möglich war (Anschlussmodell), sondern dass – wie die Gruppe in Vorlage 15 formulierte400 – „die 3 gliedkirchlichen Zusammenschlüsse Bund, EKU und VELK . . . sich zu einer gemeinsamen Institution vereinigen“.401 Auch die Arbeitsgruppe IV hielt in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest, „daß diese Ersetzung des Bisherigen durch etwas Neues ein Prozeß sein soll, also nicht ein plötzlicher Sprung, sondern ein Sprung . . ., wo die Quantität eines Tages überspringt in die neue Qualität“.402 In verfassungsrechtlicher Hinsicht stellte sich die Arbeitsgruppe diesen Prozess als schrittweise Veränderung der Ordnung des Bundes vor, wohingegen eine tief greifende Änderung der Verfassungen von EKU und VELK als nicht nötig erachtet wurde.403 Aus diesen grundsätzlichen Entscheidungen wurden Konsequenzen für den synodalen Bereich gezogen. Insbesondere schlug die Arbeitsgruppe vor, die 1981 anstehende Neuwahl der Bundessynode bereits als Bildung einer Gesamtsynode zu gestalten, die „im Bedarfsfalle“ zur Entscheidung der Angelegenheiten von EKU und VELK in entsprechende Sektionen auseinander treten könne.404 Anstelle der bisherigen drei Synoden gäbe es damit nur noch eine einzige Synode, die als Plenum die bisherige Bundessynode und in ihren Sektionen die Synoden der konfessionellen Zusammenschlüsse repräsentierte. Nach Meinung der Arbeitsgruppe würde dies auch für die Synodalen „eine Entlastung bedeuten“.405 Auch für weitere Fragen, die sich aus diesem Synodenmodell ergaben, bot die Arbeitsgruppe zum Teil bereits Lösungsvorschläge an. Angesichts der unterschiedlichen Größe von EKU- und VELK-Synode wie auch der 399 Vgl. oben S. 177 (Gemeinsame Planungsgruppe der drei gesamtkirchlichen Dienststellen, Denkmodelle einer gemeinsamen Wahrnehmung der Verantwortung auf gesamtkirchlicher Ebene [Skizze], 17.1.1979 [EZA BERLIN, 688, Nr. 90]). Dieses Papier lag erst einmal nur der Arbeitsgruppe IV vor, die es ihrerseits zusammen mit Drucksache 15 in das Plenum einbrachte. 400 Die Arbeitsgruppe IV unterbreitete dem Plenum als einzige bereits nach der ersten Gruppenarbeitsphase eine schriftliche Vorlage. 401 Drucksache 15, 26.1.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 402 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 71 (K.-P. Hertzsch als Berichterstatter). 403 Drucksache 15, 26.1.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 91); vgl. EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 76 (M. Becker). 404 Drucksache 15, 26.1.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 405 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 73.

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unterschiedlichen Größe der Landeskirchen überhaupt war vor allem die Frage der anteilmäßigen Zusammensetzung der neuen Gesamtsynode zu klären. Die Arbeitsgruppe empfahl, im Interesse der großen Landeskirchen einen „Schlüssel“ zu erarbeiten, „der den Größenverhältnissen der einzelnen Gliedkirchen besser“ entspräche. Im Interesse der kleinen Landeskirchen fügte sie allerdings hinzu, dass „keine Gliedkirche . . . dabei weniger als zwei Synodale stellen“ solle.406 Darüber hinaus sprach sie sich zum einen gegen eine geborene Mitgliedschaft der leitenden Geistlichen (wie das in der EKU-Synode der Fall war) aus und sah zum anderen die Berufung von zwei reformierten Synodalen in die neue Gesamtsynode, die insgesamt 80 Mitglieder haben sollte, vor.407 Erste Rückfragen aus dem Plenum betrafen vor allem den von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Weg, über eine Änderung der Bundesordnung zu einer engeren Zusammenarbeit auf gesamtkirchlicher Ebene zu gelangen, sowie die Beteiligung der Gliedkirchen an diesem Weg, woraufhin Stolpe als Vertreter der Arbeitsgruppe IV noch einmal unterstrich, dass dieser Wegbeschreibung die Vorstellung zu Grunde gelegen habe, „den vorhandenen rechtlichen Rahmen in der Ordnung des Bundes benutzen zu können als rechtliches Vehikel mit dem einerseits nötigen Aufwand, denn es geht um Verfassungsänderung und es muß um Beteiligung der Gliedkirchen gehen, andererseits dem möglichst geringen Aufwand, den man hier betreiben kann, um zu einem solchen neuen Ergebnis in Gestalt eines qualitativen Sprunges zu kommen“.408 Die weitere Diskussion wurde im Großen und Ganzen unter dem Stichwort des von der Gruppe betonten prozessualen Vorgehens geführt. Neben Voten, die die Endlichkeit dieses Prozesses hervorhoben und dementsprechend eine deutlichere Terminierung anmahnten,409 und solchen, die mehr Verfahrensfragen im Blick hatten (wer achtet darauf, dass dieser Prozess nicht zum Stillstand kommt?), wurden erneut Grundsatzfragen angesprochen. So erweiterte Harder das von Gruppe IV erarbeitete Sektionenmodell und plädierte dafür, auch die auf anderen Gebieten notwendigen Organe aus den entsprechenden Gremien von EKU und VELK zu bilden, die „in dem Moment, wo sie rund an einem Tisch sitzen, das Bundesgremium sind“.410 Faktisch bedeutete das eine Zweierlösung unter Ausschluss des Bundes, die wenig Zustimmung, dafür aber Widerspruch hervorrief.411 406 Drucksache 15, 26.1.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 407 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 73; Drucksache 15, 26.1.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 408 Tonbandabschrift, Bd. 1 (vgl. Anm. 407), S. 80. 409 Vgl. EBD., S. 78 (H. Zeddies), 112 f. (J. Hempel), 116 (E. Völz). 410 EBD., S. 110. 411 EBD., S. 115–119.

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Darüber hinaus gab es einen grundsätzlichen Gesprächsgang zur Frage des verlustlosen Einbringens des in den Zusammenschlüssen bereits Erreichten. Ausgelöst wurde er durch eine Anfrage des EKU-Ratsvorsitzenden, ob es die künftige Kirche tolerieren würde, wenn die EKU-Kirchen auch weiterhin besondere Beziehungen sowohl zu den EKU-Kirchen des Westbereiches als auch zu anderen Kirchen unterhielten, mit denen sie Kirchengemeinschaft verbinde, der wiederum die lutherischen Kirchen vermutlich nicht beitreten würden.412 Er verband diese Anfrage mit dem Hinweis auf den Synodalbeschluss der letzten EKU-Synode, dass die EKU lediglich dann zur Aufgabe ihrer organisatorischen und rechtlichen Selbständigkeit bereit sei, wenn „Formen gefunden werden, in denen die bestehende Gemeinschaft der EKU erhalten bleibt“.413 Während Krusches konkrete Anfragen ohne direkte Antwort blieben, nahm Hempel zu der mehrfach von EKU-Seite geäußerten Erwartung eines verlustlosen Überganges in den neuen Zusammenschluss Stellung und wies auf die Notwendigkeit des Opfers hin: „Wir haben gesagt, daß VELK und EKU in der neueren, größeren Gemeinschaft nicht einfach nichtig nichts verschwunden sein können. Dies haben wir gesagt, daß sie aufgehen sollen. Das ist richtig. Aber ich hoffe, nichts besonders Überraschendes zu sagen, wenn ich jetzt andererseits vermerke, daß das nur mit Verlusten gelingen kann, und zwar auch mit schmerzenden Verlusten, die unter die Kategorie des Opfers einzureihen sind. Ich halte also . . . einen Grundsatz: Ein Verschwinden von VELK und EKU kann erst dann gelingen, wenn die jeweilige Proprietät sozusagen mehr oder weniger hundertprozentig wieder auffindbar ist in der neuen Einheit. Ich halte diesen Grundsatz nicht für machbar.“414

In ihrer Weiterarbeit nahm die Arbeitsgruppe die Plenumsanregungen auf und hielt die daraus erwachsenen Ergebnisse in mehreren Drucksachen fest, die am Sonnabendabend zur Diskussion standen. Drucksache 15/1 ergänzte die bereits vorliegende Drucksache 15 und übertrug das dort auf die Synode angewandte Sektionenprinzip nunmehr auch auf das „Leitungsorgan der neuen Institution“ sowie auf deren „Dienststelle“ (in Form von Dezernaten),415 was allerdings wegen der unterschiedlichen Struktur der vorhandenen Gremien im Plenum auf gewisse Bedenken stieß,416 dann aber akzeptiert wurde.417 Darüber hinaus sah sie vor – was in einer Erläuterung 412 EBD., S. 121 f. – Krusche dachte hierbei vor allem an die nordamerikanische United Church of Christ, mit der die EKU eine Erklärung von Kirchengemeinschaft beabsichtigte und 1980 in beiden Bereichen vollzog. 413 Siehe oben S. 159. 414 Tonbandabschrift, Bd. 1 (vgl. Anm. 407), S. 123. 415 Delegiertenversammlung, Arbeitsgruppe IV, Drucksache 15/1: Ergänzungen zur Drucksache 15, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 416 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 213 f. (H. Schultze), 214 (A. Schönherr). 417 Drucksache 15/1 wurde mit einer Gegenstimme bei neun Enthaltungen angenommen (Delegiertenversammlung [W. König], Protokoll, 27.1.1979 [EZA BERLIN, 101, Nr. 25], S. 4).

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der Vorlage als deren „Kernaussage“ bezeichnet wurde418 –, dass die neue Gesamtsynode „am Ende ihrer ersten Legislaturperiode . . . beschlußmäßig feststellen“ solle, „daß der Prozeß der Vereinigung der drei Zusammenschlüsse abgeschlossen ist“, und dabei über die Handhabung „nicht integrierbarer Regelungen von EKU und VELK“ entscheide.419 Damit war die Diskussion zu diesen Punkten im Wesentlichen abgeschlossen. Die als Endergebnis vorgelegten Drucksachen 15/6 und 15/7420 waren gegenüber den Vorlagen 15 und 15/1 in der Sache kaum verändert. Drucksache 15/2 trug der Forderung nach Beauftragung eines Gremiums zur Vorbereitung und Begleitung des Vereinigungsprozesses Rechnung, wobei die Vorlage die Beauftragung eines bereits vorhandenen Gremiums empfahl. Gedacht war an die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, freilich ohne dass diese in der Vorlage namentlich genannt wurde. Ein zweiter Abschnitt entwarf einige Richtlinien, um künftig Doppelungen in der Ausschussarbeit zu vermeiden. Eine umfangreiche Diskussion rief Drucksache 15/3 hervor, in der die Arbeitsgruppe Vorschläge für das weitere Vorgehen nach Abschluss der Delegiertenversammlung unterbreitete.421 In dieser Drucksache wurden vier gleichlaufende Prozesse vorgeschlagen: eine Ergebnisdiskussion auf allen Ebenen, eine verstärkte Suche nach Möglichkeiten arbeitsteiliger Zusammenarbeit der Gliedkirchen, eine möglichst gemeinsame Wahrnehmung gesamtkirchlicher Aktivitäten durch die drei Zusammenschlüsse sowie ein in seinen Schritten festgelegtes Beschlussverfahren zur Bildung des angestrebten Zusammenschlusses. Letzteres war nicht nur allgemein gefordert, sondern mit konkreten Terminen versehen worden, die unter der Voraussetzung gewählt waren, dass die im Herbst 1981 zu konstituierende neue Bundessynode bereits als Gesamtsynode arbeiten solle und könne.422 Entsprechend sollten die angeregten Prozesse einschließlich des Beschlussverfahrens „1981 ihren vorläufigen Abschluß“ finden.423 Im Einzelnen war nach diesem Terminplan vorgesehen, dass ein gemeinsames Planungsgremium (also die GVG) bis zum 31.8.1979 entsprechende Beschluss418 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 210 (M. Becker). 419 Delegiertenversammlung, Arbeitsgruppe IV, Drucksache 15/1: Ergänzungen zur Drucksache 15, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 420 Bei den Drucksachen 15/6 und 15/7 handelt es sich um einen fortlaufenden Text, der lediglich aus Versehen als zwei Drucksachen geschrieben wurde (Delegiertenversammlung, Drucksache 15/6, 28.1.1979 [EZA BERLIN, 687, Nr. 12]; Delegiertenversammlung, Drucksache 15/7, undatiert [EZA BERLIN, 687, Nr. 12]). 421 Delegiertenversammlung, Drucksache 15/3, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). 422 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 218 (S. Wahrmann). 423 Delegiertenversammlung, Drucksache 15/3, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91).

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vorlagen für die Synoden und Leitungen erarbeitet, die dazu wiederum bis zum 15.12.1979 zu votieren hatten. Die daraufhin voraussichtlich notwendige Überarbeitung der Beschlussvorlagen sollte bis zum 1.3.1980 erfolgt sein, sodass eine übereinstimmende Beschlussfassung der Synoden und Leitungen bis zum 15.12.1980 vorliegen könne. Danach erfolgen das Inkrafttreten der Neuregelung, die Konstituierung der neuen gemeinsamen Organe sowie die Zusammenfassung der Dienststellen.

Der vorgelegte Terminplan wurde, auch nach Beseitigung des Missverständnisses, als solle der neue Zusammenschluss bereits im Laufe des Jahres 1980 mit allen seinen Organen fertig gestellt sein,424 als zu eng empfunden. Vor allem wurde es als unwahrscheinlich angesehen, dass bereits bis Ende August des laufenden Jahres Beschlussvorlagen für die Entscheidungsgremien vorlägen. Aber auch wenn das der Fall sein sollte, könnten – so wurde zu bedenken gegeben – die Synoden nicht bis Jahresende dazu votieren.425 Folglich wurden die Ausführungen zum Beschlussverfahren von der Delegiertenversammlung nicht akzeptiert und an den Ausschuss zur Neuvorlage zurückverwiesen.426 Diese Neuvorlage (Drucksache 15/4)427 hielt an der Setzung konkreter Termine fest, weil – wie der Berichterstatter erklärte – sonst zu befürchten sei, dass „die Sache nicht recht in Gang komme“.428 In diesem Sinne wurde nun auch der Zeitpunkt terminiert, bis zu dem sich die Leitungen der Zusammenschlüsse „die Empfehlungen der Delegiertenversammlung zu eigen“ gemacht haben sollten (20. März 1979). Hingegen wurde versucht, die Terminierung für die Synoden etwas flexibler zu gestalten. Zum einen wurde der Termin für die abschließende übereinstimmende Beschlussfassung der Landeskirchen und Zusammenschlüsse vom 15. Dezember 1980 auf den 30. Juni 1981 hinausgeschoben. Zum anderen entfiel die Terminierung des Zeitpunktes, bis zu dem die Entscheidungsgremien zur Erstfassung der von der Vorbereitungsgruppe zu erarbeitenden Beschlussvorlagen votiert haben sollten (ursprünglich 15. Dezember 1979). Zeit war damit freilich nicht gewonnen, da der nächstfolgende Termin unverändert blieb.

424 Vgl. die Voten Völz (EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 [EZA BERLIN, 101, Nr. 6117], S. 218 f.) und Harder (EBD., S. 219) sowie die Richtigstellung von Becker (EBD., S. 220). 425 EBD., S. 220 (H. Schultze). 426 Lediglich 19 Ja-Stimmen; bei 44 im Raum anwesenden Delegierten wären laut Geschäftsordnung (§ 10) 23 Ja-Stimmen erforderlich gewesen (vgl. Delegiertenversammlung [W. König]: Protokoll, 27.1.1979 [EZA BERLIN, 101, Nr. 25], S. 5; EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 [EZA BERLIN, 101, Nr. 6117], S. 222). 427 Delegiertenversammlung, Drucksache – Nr. 15/4, undatiert (EZA BERLIN, 687, Nr. 12). 428 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 283 (G. Forck).

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Auch nach diesem neuen Fahrplan sollten die aufgrund dieser Voten überarbeiteten Beschlussvorlagen bis zum 1. März 1980 vorliegen. Dementsprechend konzentrierte sich die Diskussion nach einem allgemeinen und engagiert geführten Pro und Contra auf diesen Termin, der schließlich, nachdem bereits der 1. November 1980 im Gespräch war,429 auf den 1. Juli 1980 verschoben wurde. Mit der genannten Terminänderung wurde die Vorlage 15/4 beschlossen.

4.3.4.5. „Besondere Gemeinschaft“ Die Frage, wie der künftige Zusammenschluss die bisherigen Beziehungen zwischen den ostdeutschen Kirchen und denen in der Bundesrepublik aufund wahrnehmen werde, war zwar nicht Gegenstand einer eigens dafür gebildeten Arbeitsgruppe, zog sich aber als eines der zu bewältigenden Hauptprobleme durch die gesamte Delegiertenversammlung hindurch.430 Dabei waren es im Wesentlichen Vertreter der EKU, die dieses Thema in der Erwartung einer verlustlosen Einbringung aller Aktivitäten in den neuen Zusammenschluss immer wieder zur Sprache brachten. Bereits in seiner Problemskizze zum Thema der Arbeitsgruppe III wies Hans-Martin Harder im Zusammenhang seiner Forderung, dass die von EKU und VELK bisher wahrgenommenen gesamtkirchlichen Aktivitäten von dem neuen Zusammenschluss „nahtlos“ auf- und wahrgenommen werden müssten, insbesondere auf die „erreichte Gemeinsamkeit mit Kirchen in der Bundesrepublik“ hin, „die nicht aufgegeben werden soll“.431 Er fuhr fort: „Dies gilt ganz besonders, soweit ich dies übersehe, für die EKU, deren Gemeinsamkeiten historisch wie aber auch gegenwärtig weit über das hinausreichen, was mit Artikel 4, Absatz 4 der Ordnung des Bundes erfaßt werden kann. Mit im Blick müssen dabei Konsequenzen sein, die möglicherweise durch Profilierung der Zusammenschlüsse innerhalb der DDR für Schwesterkirchen außerhalb der DDR entstehen. Hier gilt es, so vorzugehen, daß kurz- und mittelfristige Vorhaben auf diesem Gebiet sich nicht langfristig als für die kirchliche Arbeit einschließlich der Gesamtkirche hinderlich herausstellen.“432

Im Zusammenhang seiner späteren Mahnung an die Delegiertenversammlung zur Solidität bildete die Solidität „gegenüber unseren Partnern außerhalb“ die erste von ihm erhobene Forderung. So sei die EKU des DDR429 EBD., S. 291 (I. Dudey). 430 Neben den Arbeitsgruppen I und III auch AG II (EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 [EZA BERLIN, 101, Nr. 6116], S. 65) und AG IV (EBD., S. 74). 431 EBD., S. 46. 432 EBD.

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Bereiches bei der EKU des West-Bereiches im Wort,433 dass die Auflösung der EKU „in einer Art und Weise geschieht, in der hinreichend gesichert und klargestellt ist, daß das, was wir an Gemeinschaft haben und was für uns eben über die Grenze hinaus die Gemeinschaft ausmacht, auch künftig gesichert ist und gesichert bleibt“.434 Schließlich sei zu bedenken, dass die Auflösung der EKU im Bereich der DDR die Auflösung der EKU insgesamt bedeute, da eine Rest-EKU aus zweieinhalb Kirchen wenig Sinn mache. Entsprechend wurde in der ersten Gruppenarbeitsphase innerhalb der AG I, die der Frage nach den erhaltenswerten Errungenschaften einen eigenen Gesprächsgang widmete, von den Vertretern der EKU noch einmal ausdrücklich deutlich gemacht, dass sie von oder in dem neuen Zusammenschluss eine Fortführung ihrer Gemeinschaft mit den westlichen EKUKirchen erwarten. Dabei wiesen sie darauf hin, dass es dabei nicht lediglich um die Beibehaltung einer Organisationsform gehe, sondern um die Fortführung praktizierter „Brüderlichkeit, die gewachsen ist, die unter dem Zeichen der Treue und der Hilfe steht“. Eine besondere Note empfing diese Aussage durch die These, dass das Zeugnis des Evangeliums in zwei Gesellschaftsformen ein Spezifikum der EKU sei.435 Diesem von EKU-Delegierten mehrfach angesprochenen Anliegen versuchte insbesondere die Arbeitsgruppe III, in der es um die zukünftige Wahrnehmung gesamtkirchlicher Aufgaben ging, in ihrem Arbeitsergebnis Rechnung zu tragen. Dort herrschte nach einer grundsätzlichen Verständigung Einigkeit darüber, dass die Verbindung der DDR-Kirchen zu den „Schwester- und Bruderkirchen in der BRD“ ein ganz wesentlicher Punkt sei, der auch in dem zukünftigen Zusammenschluss erhalten bleiben und wahrgenommen werden sollte.436 Nach ihrer Meinung bedeutete das freilich nicht, dass die bisherige Struktur der Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ bestehen bleiben solle, sondern dass diese vielmehr ihrem Wesen nach erhalten bleiben müsse. Hinsichtlich der Struktur dachte man an eine stärkere Institutionalisierung der von BEK und EKD betriebenen Beratergruppe, die dann „unter Umständen auch die sehr engen und regelmäßigen Beziehungen, die bislang die Kirchen der EKU zu ihren Schwesterkirchen in der BRD haben, mitaufnehmen“ könnte.437 Um diese Integration langfristig vorzubereiten, vermerkte die Gruppe III im Teil 2 433 Unter Hinweis auf die gemeinsame Sitzung der Bereichsräte am 6.12.1978 (vgl. oben S. 179–182.). 434 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 229. 435 So der Delegierte Heinz Wagner als Berichterstatter der Arbeitsgruppe I (EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 [EZA BERLIN, 101, Nr. 6116], S. 60). 436 EBD., S. 66 (U. v. Brück als Berichterstatter). 437 EBD., S. 69 (U. v. Brück als Berichterstatter).

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der von ihr erarbeiteten Listen die Wahrnehmung der „Verbindung zur EKD, EKU (West), VELKD“ als eine Aufgabe, „die bereits in nächster Zeit (etwa bis spätestens 1981) nur gemeinsam wahrgenommen werden“ sollte.438 Mit dieser relativ frühen Ansetzung wollte die Arbeitsgruppe der Einsicht Rechnung tragen, dass die Überleitung der Ost-West-Beziehungen der EKU in den Verantwortungsbereich des neuen Zusammenschlusses „einen erheblichen Lernprozeß bedeutet“, dessen Beginn deshalb möglichst früh anzusetzen sei.439 In der Plenumsdiskussion wurde das Ziel dieser zeitigen Ansetzung von Schönherr noch dahingehend erläutert, dass diese Aufgabe in Liste 2 aufgenommen worden sei, damit über „die Frage, was wird mit der Verbindung der EKU mit ihren speziellen Partnerkirchen, nicht bloß die EKU nachdenkt, sondern alle verantwortlich mitdenken“.440 Dieses als Entgegenkommen gegenüber der EKU gedachte Vorgehen wurde freilich von einigen EKU-Vertretern nicht nur in dieser seiner Intention missverstanden, sondern führte auch zu einer Diskussion, die noch einmal deutlich machte, dass das am 6. Dezember in der gemeinsamen Ratssitzung diskutierte Modell zweiteilig gewesen war und nicht nur eine intentionale Angleichung der von der künftigen Gemeinschaft wahrzunehmenden Ost-West-Beziehungen an EKU-Niveau, sondern darüber hinaus auch eine separate (und institutionalisierte) Fortführung der „besonderen Gemeinschaft der EKU“ beinhaltet hatte. Entsprechend rief die erwähnte Notiz in Liste 2 der Arbeitsgruppe III die Rückfrage des EKU-Ratsvorsitzenden, Krusche, hervor, ob dieses etwa bedeute, dass die Bereichsräte ab dem genannten Zeitpunkt nicht mehr zusammenkommen dürften, weil dieser Kontakt dann von einem anderen Gremium wahrgenommen würde.441 Diese Rückfrage, die sich in diesem Zusammenhang auf den von Liste 2 angesprochenen Zeitraum („etwa bis 1981“) bezog, konnte problemlos als Missverständnis ausgeräumt werden, da diese Notiz eben nicht bedeutete, „daß dann ab sofort nicht mehr Sie tagen können“.442 Die Diskussion an anderer Stelle machte freilich deutlich, dass Krusche seine Rückfrage grundsätzlich gemeint hatte und keineswegs nur auf diesen konkreten Zeitraum bezogen wissen wollte. Bereits angesichts des ersten Berichts der Arbeitsgruppe IV, in dem der einzuschlagende Weg in Richtung auf eine qualitativ neue Gemeinschaft näher bestimmt worden war, hatte Krusche pointiert die Frage gestellt, ob es die Delegiertenversamm-

438 Liste 2: Aufgaben, die bereits in nächster Zeit (etwa bis 1981) nur gemeinsam wahrgenommen werden sollen, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 25), S. 1. 439 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 196 (U. v. Brück). 440 EBD., S. 197. 441 EBD., S. 193. 442 EBD., S. 196 (U. v. Brück).

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lung „für unerträglich“ halte, wenn in dieser „künftigen gemeinsamen Kirche etwa fünf ihrer Gliedkirchen zu zwei oder zweieinhalb anderen Kirchen in der Bundesrepublik bilaterale Beziehungen pflegen“.443 Daraufhin auf die Art und Weise der von der EKU geplanten Fortführung ihrer OstWest-Gemeinschaft angesprochen, antwortete Krusche, dass man die Form noch nicht wisse. „Aber es wäre etwa an die Form der Konsultation zu denken, wie wir sie etwa in den Räten wahrnehmen.“444 Eine Beantwortung dieser Rückfrage im Plenum erfolgte nicht, sondern wurde den Arbeitsgruppen übertragen und von Arbeitsgruppe IV, deren Bericht diese Anfrage hervorgerufen hatte, aufgegriffen. Das Ergebnis legte sie am Sonntag in Drucksache 15/5 vor, deren Text unter Punkt IV noch in das Abschlussergebnis der Delegiertenversammlung aufgenommen werden und damit dem Rechnung tragen sollte, „was durch Bruder Krusche verschiedentlich hier zur Geltung gebracht worden ist“.445 Der Wortlaut war relativ kurz und räumte, ohne die EKU oder deren Ost-West-Bindungen eigens zu nennen, allen Gliedkirchen die Möglichkeit zur Wahrnehmung besonderer Aktivitäten ein: „Der Regelfall ist, daß alle acht Gliedkirchen gemeinsam handeln. Das setzt die Bereitschaft zu vertretbaren Kompromissen voraus. In bestimmten Fällen können mehrere Gliedkirchen im Einvernehmen mit den zuständigen Organen der Vereinigten Evangelischen Kirche zur Wahrnehmung spezifischer Anliegen besondere Aktivitäten entfalten und Regelungen treffen.“446

Ein weiteres Problem betraf die Frage nach eventuellen aktuellen Konsequenzen, die sich aus der von allen bejahten Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ für den begonnenen Diskussions- und Reformprozess selbst ergeben könnten. Insbesondere der Delegierte v. Brück wies darauf hin, dass die von der Delegiertenversammlung gefällten Entscheidungen auch für die westdeutschen Kirchen nachvollziehbar zu gestalten wären. Es müsse deutlich werden, dass dieser Schritt „auf ein neues Eines“, bei dem unweigerlich mehrere Ost und West verbindende übergliedkirchliche Gemeinsamkeiten wegfallen werden, nicht Vollzug eines „politischen Kotaus“ sei. Es müsse vielmehr erkennbar sein: „Wir wollen einen gemeinsamen Schritt tun geistlicher Verantwortung, ohne deshalb die Besonderheit der Verbindung zu den Brüdern und Schwestern

443 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 122. 444 EBD., S. 125. 445 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 271. 446 [Delegiertenversammlung], Drucksache 15/5: Zur föderativen Gemeinschaft, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91).

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

drüben, aus deren gleicher Tradition wir kommen, aufzugeben. Und wir vollziehen das, was wir in der Verantwortung für uns und in unserem Bereich miteinander für nötig und vertretbar halten.“447

Die grundsätzliche Frage, inwieweit und in welcher Form der angestrebte künftige Zusammenschluss die „besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ wahrnehmen wolle, stand innerhalb der Arbeitsgruppe I („Selbstverständnis“) zur Klärung an. Angesichts der Bedeutung, die dieser Frage nach Ansicht der Delegiertenversammlung beizumessen war, nahm die AG I die Frage der „besonderen Gemeinschaft“ – im Unterschied zur Vorarbeit des Lutherischen Kirchenamtes – in den Entwurf der Basisformel, den sie am Sonnabendabend dem Plenum vorlegte, unter Punkt 4.8 der „Grundbestimmungen“ bewusst mit auf: „Die besondere Gemeinschaft mit den evangelischen Kirchen in der BRD ist von der Vereinigten Evangelischen Kirche weiterzuführen und unter sachlichen Erfordernissen zu intensivieren und zu ordnen. Diese Gemeinschaft sieht sich vor der Aufgabe, das Zeugnis des Evangeliums in zwei unterschiedlichen Gesellschaftssystemen auszurichten.“448

Dieser Artikel griff mit der Formulierung, dass die besondere Gemeinschaft „weiterzuführen und unter sachlichen Erfordernissen zu intensivieren“ sei, auf „Überlegungen zum Zusammenwachsen der kirchlichen Zusammenschlüsse“ vom 8. November zurück.449 Neu war demgegenüber die auf EKU-Wunsch aufgenommene Festlegung, dass diese Gemeinschaft auch „zu ordnen“ sei. Dieser Vorschlag hatte allerdings bereits während der Gruppenarbeit Bedenken seitens der ebenfalls einbezogenen Arbeitsgruppe II hervorgerufen. Nach deren Vorstellungen sollte es durch das offenere „ausgestalten“ ersetzt werden,450 was jedoch wiederum von der Arbeitsgruppe I nicht als sinnvoll angesehen worden war. Ihr lag vielmehr daran, dass an der „Ordentlichkeit des Unternehmens“ festgehalten würde und „der Charakter dieser Beziehungen erhalten und in feste und bewährte Bahnen“ gelenkt werde. „Es sollte an diesem Vorgang etwas Selbstverständliches zum Ausdruck kommen und etwas, was regelmäßig geschieht.“ Der Vorschlag der Arbeitsgruppe II, statt „ordnen“ „ausgestalten“ zu wäh447 EBD., S. 112. 448 Delegiertenversammlung, Drucksache-Nr. 16: Vorlage der Arbeitsgruppe I, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 3. 449 Anlage zur Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 8.11.1978: Überlegungen zum Zusammenwachsen der kirchlichen Zusammenschlüsse, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17), S. 3. 450 Vom Berichterstatter der AG I wurde anfangs nur von „gestalten“ gesprochen (vgl. EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 [EZA BERLIN, 101, Nr. 6116], S. 135), was dann von der AG II in der nachfolgenden Diskussion korrigiert wurde (vgl. EBD., S. 143).

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len, führe hingegen „leicht in die Räume auch der Phantasie und der Beliebigkeit“.451 Infolge dieser vorausgegangenen Kontroverse zwischen den beiden Arbeitsgruppen setzte die Aussprache zu Artikel 4.8 bei diesen Verben des ersten Satzes ein, die – so Hempel – den Eindruck erweckten, als ob an dieser Stelle eine erhebliche Steigerung der bisherigen Bemühungen geplant wäre, was ihm wiederum nicht ganz realistisch scheine.452 Dieser Eindruck einer beabsichtigten Steigerung wurde daraufhin vom Ratsvorsitzenden der EKU als Mitglied der AG I bestätigt und mit der geforderten Anhebung der Ost-West-Beziehungen auf EKU-Niveau begründet. Denn die Arbeitsgruppe sei der Meinung gewesen, „daß das, was etwa jetzt in Praktizierung von 4 (4) geschieht, nicht entfernt dem entspricht, was in der EKU an diesem Punkte“ praktiziert werde. Die Tätigkeit der „Beratergruppe“ wolle man angesichts ihrer Uneffektivität eben nicht einfach weiterführen, sondern die Ost-West-Beziehungen intensivieren und ihnen „tatsächlich auch einen gewissen institutionellen Stellenwert“ geben, was mit dem Wort „ordnen“ ausgesagt werden sollte.453 Krusches Kritik an der Beratergruppe rief wiederum den entschiedenen Einspruch Schönherrs und Krusches Begründung dessen kritische Rückfrage hervor. Dabei akzeptierte Schönherr zwar ohne weiteres die von Krusche vorgetragene Intention (Einbringung der Ost-West-Gemeinschaft der EKU), warf ihm aber indirekt vor, dabei von falschen Voraussetzungen (Beratergruppe als Maßstab) ausgegangen zu sein und dementsprechend auch die falschen Schlussfolgerungen (notwendige Intensivierung) gezogen zu haben. Denn bei einer neuen Gemeinschaft der drei Zusammenschlüsse könne nicht lediglich das zum Maßstab genommen werden, was bisher auf Bundesebene geschehen sei, sondern solle erklärtermaßen alles Berücksichtigung finden, was die drei Zusammenschlüsse in die neue Gemeinschaft einzubringen hätten. Unter dieser Voraussetzung halte er auch ein „weiterführen“ für angemessen, ein „Mehr“ hingegen sei nicht notwendig. Denn: „Wenn das alles wirklich zusammengefaßt wird, was da in EKU, VELK und Bund geschieht, dann geschieht eine ganze Menge.“454 Verhaltene Kritik an dieser Diskussion um Mehr oder Weniger kam vom Leiter des Lutherischen Kirchenamtes, Helmut Zeddies, der – als Mitglied der Arbeitsgruppe I und Autor der zu Grunde liegenden Formulierung vom 8. November – darauf hinwies, dass sich der Gehalt des „intensivieren“ und „ordnen“ dem Wortlaut entsprechend nach „sachlichen Erfordernissen“ bemesse, man also jetzt noch gar nicht sagen könne, ob das „intensivieren“ gegenüber den 451 452 453 454

EBD., S. 135. EBD., S. 143. EBD., S. 145. EBD.

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jetzigen Aktivitäten in Bund oder EKU ein Mehr bedeute oder nicht. Es könne auch genauso gut sein, „daß man gerade unter Sachgesichtspunkten sagt: Wir brauchen nicht mehr zu tun, wir haben vielleicht auch zuviel getan – wäre auch denkbar“. Freilich sei – so Zeddies – dieser Sachbezug anscheinend im vorliegenden Text noch nicht hinreichend genug deutlich geworden.455

Auch der zweite Satz von 4.8 rief Widerspruch hervor. Hempel hielt ihn für missverständlich, als solle die eine Seite der anderen mehr oder weniger Ratschläge geben, wie sie das Evangelium in ihrer Gesellschaft auszurichten hätte.456 Krusche stellte daraufhin klar, dass der Gedanke von Ratschlägen, die den anderen zu geben seien, in der Tat ein Missverständnis sei. Die angefragte Formulierung meine nicht, „daß wir den anderen sagen sollen, was sie in ihrem Gesellschaftssystem zu sagen haben, sondern daß wir durch gegenseitiges Befragen uns helfen in je unserem Bereich, das Evangelium recht auszurichten“. Und dazu sei es hilfreich, „wenn man die kritischen Anfragen des anderen hört“. Diese kritische und damit helfende Begleitung an der Nahtstelle zweier Gesellschaftssysteme sei eine Aufgabe, vor der die Kirchen gestellt seien und die „von sonst niemandem wahrgenommen werden könne“.457 In diesem Sinne wandte er sich auch gegen eine Formulierung der Arbeitsgruppe II (deren Arbeitsergebnis zu diesem Punkt vorgezogen worden war), die von einer „besonderen geistlichen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirche in der BRD“ sprach.458 Dieses könne – so Krusche – in einem spiritualisierenden Sinne missverstanden werden, und unter so einem spiritualisierenden Verständnis „wären die Beziehungen, wie sie bisher in der EKU bestanden haben, nicht . . . zu verrechnen“.459 Diese „helfende und kritische Aufgabe“, die die Kirchen in Ost und West aneinander haben, wurde auch von Schönherr unterstrichen, allerdings fand er eben dieses in dem vorliegenden Text noch nicht klar und deutlich genug ausgesagt.460 Im Ergebnis wurde den Arbeitsgruppen I und II empfohlen, sich in der Frage der „besonderen Gemeinschaft“ weiter zu verständigen und eine von beiden Gruppen getragene Formulierung vorzulegen. Dieses geschah mit einer Neuformulierung in der Drucksache 16/1: „Die VEK bleibt der besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der BRD, wie sie bisher von den einzelnen Zusammenschlüssen wahrgenommen wurde, verpflichtet. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemein-

455 EBD., S. 151. 456 EBD., S. 144 f. 457 EBD., S. 146. 458 Delegiertenversammlung, Drucksache 18: Beschlussvorlage der Arbeitsgruppe II, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 3. 459 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 150. 460 EBD., S. 147.

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schaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so auszugestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen dienen. Dabei nimmt sie die Erfahrungen auf, die die Zusammenschlüsse bisher gemacht haben.“461

Diese Neuformulierung rief erneut eine umfangreiche Diskussion hervor, in deren Verlauf eine Umstellung von Satz 2 und 3 einschließlich der damit einhergehenden Erweiterung des von der VEK aufzunehmenden Erfahrungspotentials der Zusammenschlüsse beschlossen wurde.462 Insgesamt wurden damit auf der Delegiertenversammlung im Wesentlichen drei unterschiedliche Schwerpunktsetzungen hinsichtlich der Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ durch eine künftige Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR deutlich: – Die VEK orientiert sich in der Gestaltung ihrer Ost-West-Beziehungen an der Intensität dieser Beziehungen innerhalb der EKU (Angleichungsmodell), wobei die Wahrnehmung der konkreten EKU-Beziehungen auch weiterhin von den betreffenden Landeskirchen gemeinsam als nicht integrierbare Aktivität weitergeführt wird (Fortführungsmodell). – Die VEK übernimmt die in den gliedkirchlichen Zusammenschlüssen vorhandenen Aktivitäten auf diesem Gebiet und führt sie fort, wobei zusätzliche Aktivitäten einzelner Landeskirchen durchaus als möglich, aber nicht als unbedingt nötig angesehen werden (Übertragungsmodell). – Der Umfang und Inhalt der von der VEK wahrzunehmenden Aktivitäten bemisst sich nicht nach dem gegenwärtigen Stand der Aktivitäten auf diesem Gebiet, sondern daran, was zur Erfüllung des gemeinsamen Auftrags erforderlich ist. Eine sich daraus ergebende Reduzierung der Aktivitäten gegenüber dem gegenwärtigen Stand wird für möglich gehalten (Anpassungsmodell).

4.3.5. Die „Empfehlungen“ Mit der Vorlage von Zwischenergebnissen durch die einzelnen Arbeitsgruppen stellte sich die Frage nach der Form, in der diese von der Delegiertenversammlung erarbeiteten Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert werden sollten. Dabei erschien es der Leitungsgruppe als „unbefriedigend, daß dieses Endprodukt eine Summe von nichtkoordinierten Einzelpapieren sein könnte“.463 Demzufolge wurde von Christoph Demke ein Textvor461 Delegiertenversammlung, Drucksache Nr. 16/1: Vorlage der Arbeitsgruppe I, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 3. 462 EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6117), S. 301 f., 311, 313. 463 EBD., S. 225 f. (M. Stolpe).

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

Kap. Titel

Inhalt

Zu Grunde liegende Drucksachen

I

Ohne

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Delegiertenversammlung

Drucksache 19

II

„Zum Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses“

Arbeitsergebnis der Gruppe I

Drucksache 16/1

III

„Zur Aufgabenverteilung“ Arbeitsergebnis der Gruppe III

Drucksache 17/1

IV

„Zur föderativen Struktur des neuen Zusammenschlusses“

Drucksachen 18/2 und 15/5

V

„Zum Verfahren der Zu- Teilergebnis der Gruppe IV Drucksachen 15/2 sammenführung“ (zweiter Teil), 15/6 und 15/7

VI

„Zum Beschlußverfahren“ Teilergebnis der Gruppe IV Drucksache 15/4

Arbeitsergebnis der Gruppe II, Teilergebnis der Gruppe IV

schlag erarbeitet (Drucksache 19), der zum einen die grundlegenden Entscheidungen der Delegiertenversammlung vorab als eine Art Präambel zusammenfasste und zum anderen einen Rahmen bot, in den die einzelnen Ergebnispapiere der Arbeitsgruppen eingefügt werden konnten.464 Dieser Verfahrens- wie auch der vorgelegte Textvorschlag wurden von der Delegiertenversammlung mehrheitlich angenommen und bestimmte damit die Struktur der am 29. Januar 1979 der Öffentlichkeit vorgelegten „Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 28. Januar 1979“. Diese „Eisenacher Empfehlungen“ setzten im Abschnitt I mit einer grundsätzlichen Beschreibung des angestrebten Zieles ein (1): „Die in der DDR bestehenden kirchlichen Zusammenschlüsse – Bund, Evangelische Kirche der Union und Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche – vereinigen sich mit Zustimmung ihrer Gliedkirchen schrittweise zu einem neuen Zusammenschluß, in dem die bisherigen Zusammenschlüsse aufgehen. Der neue Zusammenschluß sollte den Namen ‚Vereinigte Evangelische Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik‘ tragen.“465

Hinsichtlich der Ausarbeitung einer Verfassung für diesen neuen Zusammenschluss empfahl die Delegiertenversammlung, die bereits von ihr dis464 Delegiertenversammlung, Drucksache Nr. 19, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91). – Vgl. Tabelle. 465 EKU/VELK DDR/BEK/Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 28.1.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25 – siehe unten Dok 8), S. 1.

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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kutierten und in den Abschnitten II bis IV angesprochenen Themen „Selbstverständnis“, „Aufgaben“ und „Struktur“ zu berücksichtigen (2), und verwies hinsichtlich des Verfahrens auf ihre Ergebnisse in den Abschnitten V und VI (3). Nach den Empfehlungen zur baldigen Veröffentlichung (4) und zur Beauftragung einer Reflektorengruppe, die den Umgestaltungsprozess begleiten soll (5), wurde der Zeitrahmen für diesen Prozess skizziert, der so zu gestalten sei, „daß ab 1981 die Organe des neuen Zusammenschlusses gebildet werden können und am Ende der ersten Legislaturperiode der neuen Gesamtsynode der Prozeß der Vereinigung als abgeschlossen festgestellt werden kann.“466 Der bei Ausarbeitung einer Verfassung zuallererst zu berücksichtigende Abschnitt II „zum Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses“ empfahl, dieses Selbstverständnis „in einer Reihe von Grundartikeln im Sinne einer Präambel und von Grundbestimmungen“ zu entfalten, „die Bestandteil einer künftigen Verfassung der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR werden sollen“ (1). Die Grundartikel sollten diese Kirche „als Teil der einen Kirche Jesu Christi“ beschreiben (2), die Grundbestimmungen hingegen „die besonderen Merkmale der Vereinigten Evangelischen Kirche im Blick auf ihr Selbstverständnis“ entfalten und „ihre Aufgaben“ kennzeichnen (3). Die Grundartikel wurden im Weiteren durch eine Skizze der „nach reformatorischer Erkenntnis“ wesentlichen Inhalte erläutert (2.1 – 2.5).467 Zur inhaltlichen Füllung der Grundbestimmungen wurden im Folgenden acht Punkte aufgeführt, die nach Meinung der Delegiertenversammlung bei der Formulierung der Grundbestimmungen zu beachten wären. Dazu gehörte neben weiteren Fragen des geistlichen und strukturellen Charakters dieser neuen Gemeinschaft insbesondere das Problem der Bekenntnisbindung (3.3). Der betreffende Punkt schloss, nachdem er (entsprechend Vorlage 16/1, 4.3) die Intention der Bekenntnisse, „in schriftgemäßer Auslegung das Wort Gottes in ihrer Zeit“ zu bezeugen, hervorgehoben hatte, wie in der Vorlage mit dem Satz: „Bei bleibender Bindung der Gliedkirchen an ihre Bekenntnisse erkennt die Vereinigte Evangelische Kirche mit ihren Gliedkirchen die bei den jeweils anderen in Geltung stehenden Bekenntnisse als unerläßliche Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen an.“468 Insofern bedeutete „Bekenntnisbindung“ für die VEK nicht die inhaltliche Bindung an bestimmte Bekenntnisschriften und ihre Aussagen, sondern die Verpflichtung zu eigenem Bekennen in schriftgemäßer Auslegung des Wortes Gottes unter Zuhilfenahme aller in den Gliedkirchen der VEK in Geltung stehenden Bekenntnisschriften.469

466 EBD., S. 2. 467 EBD., S. 3. 468 EBD., S. 4. 469 Peter Müller sprach in diesem Zusammenhang von einer „dialogischen Bekenntnisbestimmtheit“ (P. MÜLLER, Kirchenrechtliche Aspekte, S. 381).

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

Weitere Punkte waren die Frage der Bedeutung der „von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen“ (3.4) und die föderative Struktur der künftigen Gemeinschaft (3.5). Nach einer Bejahung der „ökumenischen Verpflichtung“ der Vereinigten Evangelischen Kirche (3.7) wurde unter Punkt 3.8 die Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ seitens der VEK beschrieben. „Die Vereinigte Evangelische Kirche bleibt der besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie bisher von den einzelnen Zusammenschlüssen wahrgenommen wurde, verpflichtet. Dabei nimmt sie die Erfahrungen auf, die die Zusammenschlüsse bisher gemacht haben. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so auszugestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen dienen.“470 Da in dieser endgültigen Formulierung von II 3.8 die „besondere Gemeinschaft“, der sich die VEK verpflichtet wisse, als Zusammenfassung der jeweiligen Aktivitäten der drei Zusammenschlüsse erschien, trug sie auch dem Anliegen der EKU Rechnung, dass die VEK nicht hinter dem zurückgehen dürfe, was in der EKU auf diesem Gebiet praktiziert werde.471

Am Schluss des Abschnitts II wurde auf die Unvollständigkeit der aufgeführten Punkte und auf weitere, noch zu klärende Fragen hingewiesen (4). Abschnitt III „zur Aufgabenverteilung“ enthielt im Wesentlichen das von der Arbeitsgruppe III erarbeitete dreistufige Schema zur Wahrnehmung gesamtkirchlicher Aufgaben im Prozess des Zusammenwachsens zu einem gesamtkirchlichen Zusammenschluss (1)472 sowie die Forderung, dass dieser Weg zu einer Gesamtkirche „durch Konzentration zu einer Einsparung an personellem, finanziellem und sachlichem Aufwand führen“ müsse (2).473 Abschnitt IV „zur föderativen Struktur des neuen Zusammenschlusses“ enthielt sowohl Festlegungen zum vorausgesetzten Verständnis von Föderalität (1; 2) als auch die auf der Delegiertenversammlung vorgenommene

470 Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 28.1.1979 (vgl. Anm. 465), S. 5. 471 Vgl. u. a. 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979, Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5346), S. 14 (G. Forck). 472 Durch die Redaktion ergab sich eine unbeabsichtigte Parallelität zwischen VI 4, wo von der „Konstituierung der neuen gemeinsamen Organe“ im Herbst 1981 die Rede war, und III 1 a, wonach die gemeinsame Wahrnehmung aller dort beschriebenen Aufgaben „bis zur Konstituierung des einen gesamtkirchlichen Zusammenschlusses erreicht sein sollte“. Entgegen dem nahe liegenden Missverständnis, dass die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung also ebenfalls bis Herbst 1981 erreicht sein sollte – was undurchführbar schien –, hatte III 1 a jedoch, ohne dass dies hinreichend deutlich wurde, den Abschluss der Zusammenführung im Blick: nach I 6 etwa 1986 (vgl. Berlin-Brandenburg. Synodaltagung 1979, Information Nr. 2 vom 20.4.1979: [Ch. Demke], Bericht über die Delegiertenversammlung in Eisenach [EZA BERLIN, 688, Nr. 89], S. 4). 473 Empfehlungen der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 465), S. 6.

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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Umsetzung hinsichtlich der Organe des neuen Zusammenschlusses (3: Synode; 4: Leitungsorgan; 5: Exekutivgremium; 6: Dienststelle).474 Abschnitt V beschrieb das „Verfahren der Zusammenführung“ sowohl in juristischer Hinsicht als auch hinsichtlich der einzelnen Gremien. Der juristische Weg sollte ohne tief greifende Änderungen der Ordnungen von EKU und VELK (2.1) über eine schrittweise Veränderung der Bundesordnung führen, ohne dass damit die Bereitschaft, aus allen drei bestehenden Zusammenschlüssen etwas Neues zu bilden, in Frage gestellt wurde (2.2). Für die einzelnen Organe war jeweils eine Zwischenlösung im Sinne eines gemeinsamen Gremiums mit sektionaler Gliederung vorgesehen, wobei die Bildung der neuen Gesamtsynode im Jahre 1981 anstelle der 4. Bundessynode im Mittelpunkt stand (3). Unter anderem sollte für ihre Zusammensetzung „ein Schlüssel erarbeitet werden, der den Größenverhältnissen der einzelnen Gliedkirchen besser entspricht“.475 Darüber hinaus wurde als Sofortprogramm eine „Neuregelung der Ausschußarbeit“ im Sinne einer Koordinierung und Überführung in gesamtkirchliche Verantwortung für notwendig gehalten.476 Abschnitt VI „zum Beschlußverfahren“ enthielt den Terminplan für die im Zusammenhang des Vereinigungsprozesses zu erarbeitenden Beschlussvorlagen und für die entsprechenden von den Entscheidungsgremien der Zusammenschlüsse und der Gliedkirchen zu fällenden Beschlüsse.477 Die Intention der „Empfehlungen“ beschrieb der Leiter der Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung, Demke, vor der berlin-brandenburgischen Synode im April mit den Worten: „Ich sehe in den Empfehlungen der Delegiertenversammlung die Aufforderung an unsere Kirchen, der Ordnung ihrer Gemeinschaft eine Gestalt zu geben, die der Ausrichtung des kirchlichen Auftrages heute und in nächster Zeit angemessen und dienlich ist. Wir haben viel und mit Recht davon gesprochen, daß Gemeinschaft zwischen den Kirchen eine Sache geistlichen Wachstums und Reifens ist und nicht einfach ‚gemacht‘ werden kann. Aber Organisationen, was die Kirchen nun einmal auch sind, pflegen zwar im allgemeinen ganz kräftig zu wachsen, aber nicht zusammenzuwachsen. Dies tun sie in der Regel nur unter dem Eindruck äußerer Zwänge. Sie müssen zusammengeführt werden. Es wäre schön, wenn unsere Kirchen im Abweichen von dieser Regel die Freiheit im Gestalten ihrer Ordnung – bei nüchterner Abschätzung aller Zwänge – bewähren könnten.“478

Am 29. Januar wurden diese „Empfehlungen“ der Öffentlichkeit vorgestellt, am 30. Januar den Mitgliedern der Konferenz der Evangelischen Kirchen474 EBD., S. 7 f. 475 EBD., S. 9 f. 476 Vgl. dazu oben S. 238 und unten S. 387, Anm. 64. 477 Empfehlungen der Delegiertenversammlung (vgl. Anm. 465), S. 11. 478 Berlin-Brandenburg. Synodaltagung 1979, Information Nr. 2 vom 20.4.1979: [Ch. Demke], Bericht über die Delegiertenversammlung in Eisenach (EZA BERLIN, 688, Nr. 97), S. 6.

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

leitung, der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche und des Rates der EKU zugesandt, wobei im Begleitschreiben insbesondere auf die Notwendigkeit einer breiten Information und Diskussion in der Öffentlichkeit (I 4) und der Bildung einer Reflektorengruppe (I 5) hingewiesen wurde.479 Rat der EKU und Kirchenleitung der VELK beschlossen wiederum ihrerseits, die Eisenacher Empfehlungen ihren Gliedkirchen mit der Bitte um Stellungnahme zuzuleiten.480 Einen entsprechenden Beschluss fasste das Präsidium der Bundessynode hinsichtlich der gliedkirchlichen Synodalpräsidien.481 Die direkte Information der westlichen Schwesterzusammenschlüsse erfolgte für die EKU auf der gemeinsamen Ratssitzung am 31. Januar;482 EKD und VELKD wurden von Präsident Domsch, der sich im Anschluss an die Delegiertenversammlung auf eine Dienstreise nach Hannover begab, informiert.483 4.3.6. Die Berichterstattung in der Presse Nachdem der Ausschluss der Öffentlichkeit bereits im Vorfeld der Delegiertenversammlung für Verärgerung innerhalb der kirchlichen Presse gesorgt hatte,484 war deren Interesse an der für den 29. Januar in Berlin angesetzten nachträglichen Pressekonferenz „äußerst gering“,485 sodass von 479 EKU/VELK DDR/BEK/Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung (M. Becker/K. Domsch/S. Wahrmann) an die Mitglieder der KKL/die Mitglieder der Kirchenleitung der VELK DDR/die Mitglieder des Rates der EKU: Betr. Empfehlungen der Delegiertenversammlung, 30.1.1979 (EZA BERLIN, 687, Nr. 12). 480 Beschluss des Rates der EKU – Bereich DDR – vom 31.1.1979 (W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 69. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 31.1.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 171], S. 2), Beschluss der Kirchenleitung der VELK vom 9.3.1979 (Meinungsbildung der Kirchenleitung der VELK zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 9.3.1979 [PRIVATARCHIV ZEDDIES], S. 2). 481 Ch. Demke: Niederschrift über die 7. Sitzung des Präsidiums am 3.2.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 39), S. 2. 482 Siehe unten S. 269. 483 Vgl. W. Hammer/D. Rohde: Niederschrift über die 101. Referentenbesprechung der Kirchenkanzlei am 30.1.1979, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 563), S. 4. Am 1. Februar leitete die EKD-Kirchenkanzlei die Empfehlungen an die Mitglieder des Rates der EKD weiter (Evangelische Kirche in Deutschland. Kirchenkanzlei [E. Wilkens]: Betr. Bildung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik“, 1.2.1979 [EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1546]). 484 Vgl. EKU/VELK/BEK, Delegiertenversammlung, Eisenach, 25.–28.1.1979, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 6116), S. 54 (S. Siegert). 485 So die Einschätzung des Bundes (BEK Sekretariat. Presse und Information [L. Borgmann] an die Mitglieder des FAK kirchliche Presse/die Mitglieder des FAK Information: Delegiertenversammlung, 5.2.1979 [EZA BERLIN, 688, Nr. 91]).

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den insgesamt 40 eingeladenen Pressevertretern lediglich die Hälfte kam. Diese stellten – nach einer vorbereitenden Erläuterung der vervielfältigt vorliegenden „Eisenacher Empfehlungen“ durch die Leitungsgruppe der Delegiertenversammlung (M. Becker, K. Domsch, S. Wahrmann) und die drei Dienststellenleiter (J. Rogge, H. Zeddies, M. Stolpe) – „etwa zehn Fragen“.486 Die nachfolgende Berichterstattung entsprach der Bedeutung, die jeweils kirchlichen Ereignissen in der DDR beigemessen wurde. Während die DDR-Kirchenpresse trotz ihrer geringen Beteiligung an der Pressekonferenz ausführlich berichtete,487 fand die Delegiertenversammlung in der nichtkirchlichen DDR-Presse kaum Beachtung. Obwohl die ostdeutsche Nachrichtenagentur ADN unmittelbar nach der Pressekonferenz eine entsprechende Meldung herausgegeben hatte, wurde diese von den DDR-Medien – anders als im Westen – nicht übernommen. Lediglich das in Weimar erscheinende Thüringer Tageblatt informierte seine Leser am 30. Januar kurz über die Delegiertenkonferenz, allerdings nicht auf der Grundlage der ADN-Meldung und ohne auf die Empfehlungen selbst näher einzugehen.488 Erst am Wochenende berichtete das Zentralorgan der CDU „Neue Zeit“ auf seiner Kirchenseite ausführlicher über die Delegiertenversammlung und deren Ergebnisse, enthielt sich aber jeglicher Bewertung.489 Diese ihre Zurückhaltung wie auch die der DDR-Medien insgesamt erklärte die „Neue Zeit“ damit, dass es „nicht üblich“ sei, „nicht abgeschlossene Vorgänge innerhalb der Kirchenorganisationen zu kommentieren“. Diesen Bericht vom Wochenende griff am nachfolgenden Montag das „Neue Deutschland“ in einem knappen Artikel auf, der wiederum unkommentiert die wichtigsten Fakten wiedergab.490 Einen Tag später brachten noch einige regionale CDU-Blätter – ebenfalls unter Berufung auf die „Neue Zeit“ – ähnliche Meldungen,491 womit die Berichterstattung in der nichtkirchlichen DDR-Presse ihr Ende gefunden hatte.

486 Zusammenfassender Bericht über die Pressekonferenz am 29.1.1979 in Berlin zu den Ergebnissen der Delegiertenversammlung, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91), S. 1. 487 In der Zeit zwischen Januar und März 1979 (ab April setzte die Berichterstattung über die Diskussion auf den Landessynoden ein) erschienen ca. zehn Artikel. 488 Zusammenarbeit beraten. Versammlung evangelischer Kirchen in Eisenach (Thüringer Tageblatt vom 30.1.1979). 489 Engere Gemeinschaft. Ergebnisse der Eisenacher Delegiertenversammlung (Neue Zeit vom 3.2.1979; abgedruckt, in: epd Dokumentation 19/1979, S. 34). 490 Vertreter der Kirchen berieten in Eisenach. „Neue Zeit“ über Ergebnisse der Tagung (Neues Deutschland vom 5.2.1979). 491 Bildung Vereinigter Kirche empfohlen. Ergebnisse der Eisenacher Delegiertenversammlung (Der Neue Weg [Halle] vom 6.2.1979); Vereinigte Evang. Kirche. Empfehlungen aus Eisenach (Die Union [Dresden] vom 6.2.1979).

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Die Initiative zur Bildung einer „VEK in der DDR“

Erheblich breiteren Raum nahm demgegenüber die Berichterstattung in der kirchlichen wie nichtkirchlichen Westpresse ein.492 Sie war – wenn auch im Einzelnen nicht völlig frei von Irrtümern493 – „mit ganz wenigen Ausnahmen positiv und anerkennend“.494 Nahezu einhellig wurde der Plan zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR als bedeutsam gewürdigt,495 und zwar sowohl in seiner Bedeutung als ein die konfessionelle Spaltung überbrückendes gemeinsames Vorhaben von Unierten und Lutheranern als auch als Schritt zu einem qualitativ neuen Zusammenschluss.496 Die meisten Artikel zitierten in diesem Zusammenhang eine Äußerung von Manfred Becker auf der Pressekonferenz, dass man bei der Verabschiedung der Empfehlungen vielfach über den eigenen Schatten gesprungen sei.497 Der Berichterstattung war allerdings nicht in jedem Fall zu entnehmen, dass es sich bei dem Ergebnis der Delegiertenkonferenz lediglich um „Empfehlungen“ und nicht um bindende Beschlüsse handelte. Vereinzelt wurde ausdrücklich von einem Beschluss der „evangelischen Kirche in der ‚DDR‘“ gesprochen.498 492 Der Materialdienst „Kirche im Sozialismus“ verzeichnet in seiner Übersicht über bundesdeutsche Presseartikel zu DDR-Themen für die Monate Januar bis April 1979 insgesamt 26 Artikel in Tages- und Wochenzeitungen, die sich mit der Delegiertenversammlung und ihren Empfehlungen befassten. Davon erschienen 12 in nichtkirchlichen, 14 in kirchlichen Blättern. Bei letzteren handelte es sich allerdings zum Teil jeweils um dieselben Artikel, die (wie etwa der Artikel von Reinhard Henkys „Über den Schatten gesprungen“) in mehreren Blättern abgedruckt wurden (vgl. KiS 1–3/79). Die Berichterstattung setzte unmittelbar nach der ADN-Meldung ein, wurde aber schnell wieder von der Diskussion um Einführung des Unterrichtsfaches „Wehrkunde“ an den Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen in der DDR verdrängt. 493 Ein mehrfach wiederholter Irrtum war, dass alle evangelischen Bischöfe an der Delegiertenversammlung teilgenommen hätten (vgl. „Vereinigte Evangelische Kirche“ beschlossen [Berliner Morgenpost vom 31.1.1979]; W.-D. Zimmermann: Ein größeres Dach wird gebaut. Mehr Vereinheitlichung und Gemeinsamkeit [Deutsche Zeitung vom 9.2.1979]). Tatsächlich fehlten die Bischöfe H. Gienke (Greifswald), H.-J. Wollstadt (Görlitz) sowie der Bischof der gastgebenden Thüringer Landeskirche W. Leich. 494 R. HENKYS, Der Plan von Eisenach, S. 22. 495 „Der Tagesspiegel“ sprach sogar davon, dass „die Absicht der drei evangelischen Kirchenverbände in der DDR . . ., künftig eine gemeinsame ‚Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR‘ zu bilden, . . . vermutlich eines Tages als Vorgang von kirchenhistorischer Bedeutung gewertet werden“ würde (Sti.: Unsere Meinung: Die Entscheidung von Eisenach [Der Tagesspiegel vom 31.1.1979]). 496 Vgl. R. Henkys: Über den Schatten gesprungen (Berliner Sonntagsblatt vom 14.2.1979); G. Müller: Auf dem Weg zu einer einzigen Kirche. Evangelische Reform in der DDR (Kölnische Rundschau vom 1.2.1979); Sti.: Unsere Meinung (vgl. Anm. 495); Protestanten in der DDR schließen sich zusammen. Bis 1981 Vereinigung der Kirchen/Ein Stufenplan/Fast einstimmige Annahme in Eisenach (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.1.1979). 497 Zusammenfassender Bericht über die Pressekonferenz am 29.1.1979 in Berlin zu den Ergebnissen der Delegiertenversammlung, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 91), S. 1. 498 Gemeinsames Dach für alle Protestanten in der „DDR“ (Die Welt vom 31.1.1979).

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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Als Ursachen für den in Eisenach vorgelegten Plan zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche wurden sowohl äußere Zwänge (Personalknappheit und Finanznot sowie die generelle Notwendigkeit, in einem atheistischen Staat näher zusammenzurücken)499 als auch innere Beweggründe namhaft gemacht. Insbesondere wurde dabei auf den „innerprotestantischen Ökumenismus“ hingewiesen, den die „evangelische Kirche in der DDR der Kirche im Westen voraus“ habe500 und in dessen Gefolge die „Basis“ zunehmend eine Umsetzung der bereits praktizierten Gemeinschaft auch auf der Strukturebene einfordere: „Die Gemeinden wollen eine Kirche, die ‚einmütig‘ handelt, sie wollen verstehen, was ihre Kirche tut und sagt – und das gleichermaßen in Sachsen und in Berlin.“501 Das „Theoretisieren“ der Delegiertenversammlung, so wurde vermerkt, laufe also im Grunde dem in den Gemeinden selbstverständlichen „Praktizieren“ hinterher.502 Als weiterer Beweggrund – zum Teil als Hauptgrund – für die Bildung einer engeren Gemeinschaft kam für einige Blätter die kirchenpolitische Zielstellung hinzu, auf diese Weise dem SED-Regime geschlossener und entschiedener als Kirche gegenübertreten zu können503 – was freilich auch ausdrücklich bezweifelt werden konnte.504 Einig waren sich die Kommentatoren wiederum – auch dort, wo der genannte kirchenpolitische Beweggrund so nicht gesehen wurde – darin, dass die Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR Konsequenzen für das dortige Staat-Kirche-Verhältnis haben werde. Denn auch das erklärte Ziel, „die Einmütigkeit und die Glaubwürdigkeit von Zeugnis und Dienst der Kirche im gesellschaftlichen Kontext der DDR“ zu stärken, sei kein unpolitisches Ziel.505 Dementsprechend wurde in den meisten Artikeln die Frage nach der vermutlichen Einschätzung des kirchlichen Vereinigungsplanes innerhalb des Staats- und Parteiapparates der DDR gestellt. Dabei gelangte ein Teil zu dem Ergebnis, dass die mit der Bildung einer VEK verbundene Stärkung der evangelischen Kirche in der DDR dem Staat „nicht unbedingt angenehm sein“ werde.506 499 Vgl. etwa G. Müller: Auf dem Weg zu einer einzigen Kirche (vgl. Anm. 496); K[arl] A[lfred] O[din]: Einigung in Eisenach (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.1.1979); Sti.: Unsere Meinung (vgl. Anm. 495). 500 Einigung in Eisenach (vgl. Anm. 499). 501 G. Horstmeier: Ein Schritt voraus (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 11.2.1979). 502 W.-D. Zimmermann: Ein größeres Dach wird gebaut (vgl. Anm. 493). 503 Als die „Frankfurter Rundschau“ am 20.4.1979 die Empfehlungen abdruckte, stellte sie diese – in Anlehnung an II 3.4 der Empfehlungen – unter die Überschrift „Gemeinsame Abwehr kirchenzerstörender Irrlehren. Die evangelischen Kirchen in der DDR wollen sich zusammenschließen, um eine größere Gemeinsamkeit gegenüber dem Staat zu erreichen“ (vgl. auch W.-D. Zimmermann: Ein größeres Dach wird gebaut [vgl. Anm. 493]). 504 K[arl] A[lfred] O[din]: Einigung in Eisenach (vgl. Anm. 499). 505 R. Henkys: Über den Schatten gesprungen (vgl. Anm. 496).

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Andere vermuteten hingegen – zu Recht, wie sich aus heutiger Kenntnis der Akten ergibt – eine durchaus ambivalente Haltung des Staats- und Parteiapparates zum Plan eines engeren gliedkirchlichen Zusammenschlusses und gaben – neben dem Hinweis auf die staatlicherseits vermutlich unerwünschte Geschlossenheit der ostdeutschen Landeskirchen – auch zu bedenken, dass die neue Kirchenstruktur der staatlichen mehr entspräche und auch die stärkere DDR-Bezogenheit einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ den staatlichen Intentionen durchaus entgegenkäme.507 Die dabei wesentliche Frage nach der staatlichen Position zur zukünftigen Ausgestaltung der kirchlichen Ost-West-Beziehungen wurde in diesem Zusammenhang nur von wenigen angesprochen. Wo das geschah, legten die angekündigte Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ einerseits und die notwendige Beendigung formell geregelter Gemeinsamkeit andererseits allerdings ebenfalls eine ambivalente Einschätzung des Vorhabens durch die staatliche Seite nahe.508 Meist richtete sich das Interesse auf die in nahezu allen Artikeln angesprochene Frage der „besonderen Gemeinschaft“ selbst. Während die einen angesichts der „Empfehlungen“ (II 3.8) und ihrer nachfolgenden Erläuterung auf der Pressekonferenz hervorhoben, dass die Bildung einer engeren Gemeinschaft der DDR-Kirchen „nicht zu Lasten der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland geschehen soll“,509 wiesen andere darauf hin, dass sich „die Trennung zwischen den Kirchen in der Bundesrepublik und der DDR“ infolge der Auflösung des Ostbereichs der bis dahin grenzüberschreitend existierenden EKU zumindest „formal . . . noch weiter vertiefen“ werde.510 Allerdings wurde diese Feststellung dahingehend ergänzt, dass „diese ‚besondere Gemeinschaft‘ . . . auch in Zukunft mehr vom Bewußtsein und vom Verhalten der einzelnen Christen in Ost und West abhängen“ werde als von „juristischen Konstruktionen“, die „nämlich keine Garantie dafür“ wären, „daß diese ‚Gemeinsamkeit‘ auch gelebt“ werde.511

506 G. Horstmeier: Ein Schritt voraus (vgl. Anm. 501); R. Henkys: Über den Schatten gesprungen (vgl. Anm. 496). 507 Vgl. K.-H. Baum: Ziel ist ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit. Die evangelischen Kirchen in der DDR erörtern einen neuen Zusammenschluß (Frankfurter Rundschau vom 16.3.1979); Sti.: Unsere Meinung: (vgl. Anm. 495). Am ausführlichsten sind die unterschiedlichen aus damaliger Perspektive zu veranschlagenden Aspekte aufgeführt bei R. HENKYS, Der Plan von Eisenach, S. 22. 508 EBD.; auch K.-H. Baum: Ziel ist ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit (vgl. Anm. 507). 509 R. Henkys: Über den Schatten gesprungen (vgl. Anm. 496). 510 G. Müller: Auf dem Weg zu einer einzigen Kirche (vgl. Anm. 496); G. Horstmeier: Ein Schritt voraus (vgl. Anm. 501); vgl. auch K.-H. Baum: Ziel ist ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit (vgl. Anm. 507). 511 G. Horstmeier, Ein Schritt voraus (vgl. Anm. 501).

Die Eisenacher Delegiertenkonferenz und ihre „Empfehlungen“

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Schließlich drängte sich angesichts der oben genannten inneren Beweggründe für einen engeren Zusammenschluss der Landeskirchen für einige der Vergleich mit der gescheiterten Grundordnungsreform im Bereich der EKD auf.512 Dabei stellte sich ihnen das Verhältnis beider Vorhaben so dar, dass die Kirchen in der DDR „jetzt mit weniger Aufwand und größerem Effekt verwirklichen“ wollten, „was den evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik nicht gelungen“ sei: „die Bildung einer handlungsfähigen Gesamtkirche, die nicht mehr den Charakter eines bloßen Kirchenbundes hat, sondern – unbeschadet der weiterbestehenden rechtlichen und theologischen Selbständigkeit der Landeskirchen – selbst in vollem Sinne Kirche ist“.513 Entsprechend wurde vermutet, dass „die Evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik . . . etwas neidisch auf das blicken“ werden, „was da in der DDR vor sich geht“.514 Insgesamt wurde davon ausgegangen, dass der in Eisenach vorgelegte Plan auch umgesetzt werde – und zwar nicht nur, weil man die Empfehlungen fälschlicherweise für Beschlüsse hielt, an deren Zustandekommen alle Bischöfe beteiligt gewesen seien, sondern auch weil der Plan zur Bildung einer VEK – anders als die Grundordnungsreform im Bereich der EKD – „die VELK und die EKU von vornherein“ einbeziehe.515

512 R. Henkys: Über den Schatten gesprungen (vgl. Anm. 496); G. Horstmeier: Ein Schritt voraus (vgl. Anm. 501); W.-D. Zimmermann: Ein größeres Dach wird gebaut (vgl. Anm. 493); G. Müller: Auf dem Weg zu einer einzigen Kirche (vgl. Anm. 495); Sti.: Unsere Meinung (vgl. Anm. 495). 513 R. Henkys: Über den Schatten gesprungen (vgl. Anm. 496); G. Horstmeier: Ein Schritt voraus (vgl. Anm. 501); auch K[arl] A[lfred] O[din]: Einigung in Eisenach (vgl. Anm. 499). 514 W.-D. Zimmermann: Ein größeres Dach wird gebaut (vgl. Anm. 493), der fortfährt: „In der DDR soll ‚eine handlungsfähige‘ Gesamtkirche ‚im gesellschaftlichen Kontext‘ der dortigen Gegebenheiten geschaffen werden, – um der Glaubwürdigkeit der Kirchen willen. Stehen wir im Westen nicht vor der gleichen Aufgabe? Das Ansehen, das die Kirche in letzter Zeit gerade bei der jüngeren und mittleren Generation eingebüßt hat, ist doch wohl eine unüberhörbare Mahnung für die westdeutschen Kirchen.“ 515 R. Henkys: Über den Schatten gesprungen (vgl. Anm. 496). Allerdings sah Henkys, indem er auf die „Beharrungstendenz der EKU“, die Bedeutung ihrer Ost-West-Gemeinschaft sowie auf die Furcht der drei kleinen EKU-Kirchen vor einer Majorisierung hinwies, bereits zu diesem Zeitpunkt die sich später stellenden Probleme voraus (DERS., Kirche, S. 133).

Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“ Standortsuche

5. Der Verständigungsprozess im Anschluss an die „Eisenacher Empfehlungen“

5.1. Standortsuche 5.1.1. Geteiltes Echo in den Landeskirchen Die ersten Reaktionen in den DDR-Kirchen zu den „Eisenacher Empfehlungen“ reichten von Überraschung und Misstrauen bis zu Unverständnis und Kopfschütteln darüber, dass eine solche Strukturreform nicht schon längst auf den Weg gebracht worden war. Der Leiter der Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung, Demke, vor der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg: „Die Ergebnisse der Delegiertenversammlung haben vielfach als ausgesprochene Überraschung gewirkt, sei es, daß diese Überraschung mit dem Ton der Verärgerung, dem Seufzer der Erleichterung oder dem Gefühl hochgestimmter Erwartung aufgenommen wurde. Viele Menschen haben sie aber auch – auch in den Gemeinden – mit desinteressierter Verwunderung aufgenommen und manche aus der Erregung – ihnen ganz und gar unverständlich –, die sie bei manchen Kirchenmenschen beobachteten, geschlossen, daß wohl die Überwindung des Landeskirchentums oder gar die Wiedervereinigung zwischen katholischer und evangelischer Kirche in Eisenach beschlossen worden sein müsse.“1

Überraschung herrschte vor allem in den Leitungsgremien der Landeskirchen, in denen ein so eindeutiges Votum für eine Auflösung der drei bestehenden Zusammenschlüsse zugunsten einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR nicht erwartet worden war.2 Angesichts der ungelösten Probleme und des als unrealistisch eingestuften Zeitplanes3 wurden die Empfehlungen dort vielfach als vorschnell und unüberlegt eingestuft4 und 1 Berlin-Brandenburg. Synodaltagung 1979: [Ch. Demke], Information Nr. 2 vom 20.4.1979: Bericht über die Delegiertenversammlung in Eisenach (EZA BERLIN, 688, Nr. 97), S. 1. 2 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 7. Sitzung des Präsidiums am 3.2.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 39), S. 2 (G. Forck); 3. Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR – , 16.–18.5.1980 in Berlin-Mitte, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 108/99, Nr. 4), S. 20 (E. Natho). 3 Vgl. 21. Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Frühjahrs-Tagung 1979. Vorschau Informationen, Thomas Küttler: Fragen eines verwunderten Lesers (PRIVATARCHIV BÖTTCHER), S. 11. 4 Die „Tendenz der Bischöfe zu den Eisenacher Empfehlungen“, die diese auf ihrer Rüste

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ihre unmittelbare Veröffentlichung, die ohne neuerliche Rücksprache mit den Leitungen der drei Zusammenschlüsse erfolgt war, deshalb als Fehler angesehen.5 Auf der mittleren und unteren Ebene verband sich diese Überraschung angesichts der Begleitumstände der Delegiertenversammlung zum Teil mit deutlichem Misstrauen. Auf der einen Seite bestand Unklarheit darüber, wie die Empfehlungen hinter den verschlossenen Türen von Eisenach zu Stande gekommen waren, auf der anderen Seite wurde es für unwahrscheinlich gehalten, dass ein solches umfangreiches Papier wie die „Empfehlungen“ auf einer 3½tägigen Konferenz erarbeitet worden sein sollte. Insofern entstand der Verdacht, „daß einige Delegierte fertige Konzepte nach Eisenach mitgebracht hätten, auf die dann die anderen Delegierten allzu unkritisch eingegangen“ seien.6 In den Gemeinden wurden die Eisenacher Empfehlungen anscheinend nur in geringem Maße wahrgenommen oder unterstützt, sodass im Nachhinein das Scheitern des VEK-Vorhabens mit dem fehlenden „Schub von unten“ in Zusammenhang gebracht werden konnte.7 Sofern die Empfehlungen in den Gemeinden überhaupt zur Kenntnis genommen wurden, erschienen sie angesichts der als kompliziert und unverständlich empfundenen kirchlichen Struktur als etwas völlig Selbstverständliches, ohne dass deren besonderes Anliegen hinreichend zur Geltung kam und wahrgenommen wurde.8 Die ersten Reaktionen der westdeutschen Kirchen bemühten sich in ihren öffentlichen Stellungnahmen weitgehend um eine positive Würdigung der Eisenacher Empfehlungen, obwohl auch hier eine gewisse Überraschung über dieses weit reichende Ergebnis nicht verschwiegen wurde.9 vom 5. bis 8. Februar „ausführlich“ diskutiert hatten, war dementsprechend: „Im Prinzip ja, aber langsam, langsam“ (M. Stolpe, handschriftliche Mitteilung an Demke, 11.2.1979 [EZA BERLIN, 688, Nr. 91]). 5 Vgl. die Diskussion innerhalb der KKL am 10.3.1979, bei der die Meinung vertreten wurde, dass zumindest eine Sperrfrist sinnvoll gewesen wäre ([Ch. Demke]: Mitschrift der KKL-Sitzung, 10.3.79. TOP Delegiertenversammlung [EZA BERLIN, 688, Nr. 90], S. 3). – Am weitesten ging der Görlitzer Bischof Fränkel in seiner Kritik, der in der Veröffentlichung des Eisenacher Ergebnisses einen Eingriff in den Verantwortungsbereich der Kirchenleitungen sah (EBD., S. 6). 6 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979, Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5346), S. 11 (Referat G. Forck). 7 Gespräch mit OKR Dr. Helmut Zeddies am 20.10.2000, S. 1. 8 Vgl. etwa den Bericht des Ruppiner Superintendenten Leopold Esselbach über seine Erfahrungen mit diesem Thema in zwei Gemeindekreisen (Der Superintendent des Kirchenkreises Ruppin [L. Esselbach] an den BEK über das Ev. Konsistorium Berlin-Brandenburg: Betr. Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 28.1.1979 [EZA BERLIN, 101, Nr. 25]). 9 Zum Beispiel Landesbischof Claß als Vorsitzender des Rates der EKD (vgl. „Vereinigte Kirche in der DDR“ keine Distanzierung von der EKD [Der Tagesspiegel vom 3.2.1979]) und Bischof Kruse als Vorsitzender des Rates der EKU (vgl. Evangelischer Pressedienst.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Anders als in einigen Kommentaren westlicher Blätter wurde dabei die Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ nicht problematisiert.10 Dieser Position entsprach – abgesehen von der EKU West, deren Rat grundsätzliche Bedenken den Empfehlungen gegenüber erhob11 – auch die interne Diskussion. Die Kirchenleitung der VELKD erklärte sich auf ihrer Märzsitzung, auf der sie von Oberkirchenrat Zeddies „über die Hintergründe und Erwartungen der Empfehlungen der Delegiertenversammlung“ informiert worden war, bereit, die Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen zu begleiten, und benannte – als erster der drei westlichen Zusammenschlüsse – zwei Kontaktpersonen, „die für die Vorbereitung von evtl. Gesprächen als Ansprechpartner der VELK fungieren“ sollten.12 Innerhalb der EKD befassten sich auf ihren Märzsitzungen sowohl Kirchenkonferenz als auch Rat mit den Eisenacher Empfehlungen.13 Dabei hielt der Rat im Anschluss an einen Bericht Hammers über die vorangegangene Diskussion in der Kirchenkonferenz als Verhaltensregel der EKD in dieser Angelegenheit fest, dass es „der EKD geboten“ sei, „im Blick auf die Bemühungen der Kirchen in der DDR engagiert und innerlich beteiligt mitzudenken“, sie „sich aber öffentlicher Erklärungen zu dem Vorhaben und jeglicher Einmischung zu enthalten“ habe.14 Im Rahmen bilateraler Gespräche zwischen EKD- und BEK-Gremien wurde in der Diskussion über die Eisenacher Empfehlungen unter anderem der in den westlichen Pressemeldungen vielfach hergestellte Vergleich zur gescheiterten Reform der EKD-Grundordnung aufgegriffen und dabei den Eisenacher Empfehlungen bescheinigt, dass in dem dort vorgeschlagenen Vorgehen „unverkennbar . . . Fehler, die bei der neuen Grundordnung für die EKD gemacht worden sind, vermieden werden sollen“.15 Zwar könne „das Vorgehen der Landesdienst Berlin, Nr. 18 vom 1.2.1979; Bischof Kruse zum geplanten neuen Kirchenzusammenschluß. Im Namen der EKU Beschluß von Eisenach begrüßt [Der Tagesspiegel vom 2.2.1979]; „Vereinigte Evangelische Kirche“ beschlossen [Berliner Morgenpost vom 31.1.1979]). 10 Martin Kruse: Evangelischer Pressedienst. Landesdienst Berlin, Nr. 18 vom 1.2.1979; Helmut Claß: „Vereinigte Kirche in der DDR“ keine Distanzierung von der EKD (Der Tagesspiegel vom 3.2.1979); Berliner Kirchenreport A 7 vom 7.2.1979, S. 7. 11 Siehe unten S. 268 f. 12 R. Fritzsche: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung am 15./16.3.1979 im Lutherischen Kirchenamt Hannover, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 X, Nr. 224, Bd. 28), S. 8. 13 Vgl. Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 22.3.1979 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 720), S. 10; W. Hammer: Niederschrift über die 81. Sitzung des Rates der EKD am 23. und 24.3.1979 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 2/93, Nr. 873), S. 14. 14 EBD. 15 Ch. Demke: Vermerk über die Begegnung des Präsidiums der Bundessynode mit dem Präsidium der EKD-Synode am 3.2.1979 in Berlin, 20.2.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 39). – Diese Einschätzung bezog sich weniger darauf, dass die Hauptstreitfrage der EKD-Re-

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Kirchen in der DDR nicht als Modellfall für die Kirchen in der EKD gewertet werden“,16 eine Wiederbelebung der EKD-Grundordnungsdebatte angesichts der Ereignisse in der DDR schien jedoch möglich und vielen auch wünschenswert. Deutlich ausgesprochen wurde diese Erwartung in einer Ausarbeitung des Vizepräsidenten der EKD-Kirchenkanzlei, Erwin Wilkens,17 der darin nicht nur ausführlich die Intention der Empfehlungen würdigte, sondern auch das Interesse an jenen Problemlösungen hervorhob, an denen die EKD-Grundordnungsreform gescheitert war. Mit dem Vorhaben der DDR-Kirchen wiederhole „sich die Aufgabe kirchlicher Ordnung im deutschen Protestantismus, gesamtkirchliche Leitung und Organisation und überlieferte föderale Struktur in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu bringen und dabei zugleich den Primat des Bekenntnisstandes unangetastet zu lassen“. Daher – so Wilkens – werde das „ekklesiologische Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses auch außerhalb der DDR das eigentliche kirchliche und theologische Interesse finden“.18

Der offizielle Meinungsbildungsprozess der evangelischen Landeskirchen in der DDR, die an der Vorbereitung und Durchführung der Delegiertenversammlung direkt nicht beteiligt waren, als Gliedkirchen des künftigen Zusammenschlusses jedoch in jeder Hinsicht eine entscheidende Funktion einnahmen, setzte im Frühjahr 1979 ein. Alle gliedkirchlichen Synoden, die in dieser Zeit zu Tagungen zusammenkamen, nahmen die Möglichkeit wahr, „sich in die Weiterarbeit einzuschalten: nahezu alle ließen sich von Eisenach berichten“ und führten „erste Aussprachen“. „Zur Vorbereitung fundierter Stellungnahmen auf späteren Synodaltagungen wurden besondere Ausschüsse eingesetzt (Mecklenburg, Sachsen, Thüringen) oder die Bildung einer Arbeitsgruppe in Auftrag gegeben (Görlitz) oder das Ergebnis eines Tagungsausschusses der Kirchenleitung für die Weiterarbeit überwiesen (Berlin-Brandenburg).“19 Erste Synodalbeschlüsse zu den Empfehlungen wurden in Anhalt und Thüringen gefasst und von den Synoden Berlin-Brandenburgs sowie der Kirchenprovinz Sachsen lediglich aus Zeitgründen verschoben. Während sich Anhalt in seiner Stellungnahme auf den zurückhaltenden Beschluss der Konferenz der Kirchenleitungen vom 11. März 197920 beform, die Frage nach der ekklesiologischen Qualität, in den Empfehlungen erst einmal offen gelassen worden war, sondern auf das in Aussicht genommene schrittweise Vorgehen. 16 Ch. Demke: Vermerk über die Sitzung der Beratergruppe am 19.3.1979, 21.3.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 361), S. 2. 17 E. Wilkens: Erste Erwägungen zu den Empfehlungen für eine „Vereinigte Evangelische Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik“, 1.2.1979 (PRIVATARCHIV ZEDDIES). 18 EBD., S. 2. 19 3. Tagung der 3. Synode des BEK, 21.–25.9.1979 in Dessau, Vorlage Nr. 10: Demke, Delegiertenversammlung: Bericht über den Stand der Weiterarbeit, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 97), S. 2 f. 20 Siehe unten S. 272 mit Anm. 64.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

schränkte21 und die Thüringer Synode die Empfehlungen nur summarisch „als Ausgangspunkt für die Weiterarbeit“ in Richtung auf eine neue Gemeinschaft mit handhabbarer und durchschaubarer Struktur würdigte,22 enthielt die vom Tagungsberichtsausschuss der berlin-brandenburgischen Synode erarbeitete Vorlage bereits eine ausführliche und im Einzelnen positive Einschätzung der Eisenacher Empfehlungen.23 Die Vorlage befürwortete „die in den Eisenacher Empfehlungen aufgenommenen Zielvorstellungen einer Vereinigten Evangelischen Kirche“ uneingeschränkt und bejahte ausdrücklich die darin erkennbaren „Tendenzen, a) der Zeugnis- und Dienstgemeinschaft der Evangelischen Kirchen in der DDR verbindlichen Ausdruck zu geben, b) den längst in Gang befindlichen Entwicklungen in den Kirchen und den Erwartungen vieler Gemeindeglieder zu entsprechen, c) den Finanz-, Personal- und Zeitaufwand zu mindern“.24 Als „besonders wichtig“ benannte die Vorlage darüber hinaus zum einen die unter II 3.3 der Empfehlungen formulierte (und von lutherischer Seite25 von Anfang an kritisierte) Verhältnisbestimmung von lutherischen und reformierten Bekenntnissen, nach der „die bei den jeweils anderen in Geltung stehenden Bekenntnisse eine Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen“ seien. Zum anderen hob sie als weiteren wichtigen Punkt „die bleibende Verpflichtung zur besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie bisher von den einzelnen Zusammenschlüssen wahrgenommen wurde“, hervor.26 Aus diesen Akzentsetzungen folgerte sie wiederum für die Weiterarbeit an den Empfehlungen, dass 21 „Die Synode sieht in den Empfehlungen der Delegiertenversammlung einen wichtigen Ertrag der Bemühungen um das Verständnis und die Entwicklung der Kirchengemeinschaft in den vergangenen Jahren und betrachtet sie als Ausgangspunkt für den Versuch, das erzielte Verständnis der Kirchengemeinschaft für die Gestaltung der gesamtkirchlichen Arbeit im Bereich der Evangelischen Kirchen in der DDR fruchtbar zu machen“ (3. Tagung der 3. Synode des BEK, 21.–25.9.1979 in Dessau, Anlage zu Vorlage 10: Bisherige Stellungnahmen kirchenleitender Gremien zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung, undatiert [EZA BERLIN, 688, Nr. 95], S. 8). 22 EBD., S. 10. 23 EBD., S. 9 f. 24 EBD., S. 9. 25 Thomas Küttler verglich in der Vorschau auf die Frühjahrstagung der sächsischen Landessynode die geplante VEK mit der „Konstruktion der alten ‚Preußischen Union‘“ und fuhr fort: „Auch wenn mir das Wort ‚Union‘ keine Gänsehaut verursacht: Daß ich künftig den Kleinen Katechismus als sächsisches Sondergut betrachten soll, zu dem ich mich obendrein nur mit der ‚unerläßlichen Hilfe‘ des Heidelberger Katechismus bekennen kann (vgl. 3.3.!) – das ist eine Vorstellung, die mir schwer eingeht“ (21. Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Frühjahrstagung 1979. Vorschau, Informationen, Thomas Küttler: Fragen eines verwunderten Lesers [PRIVATARCHIV BÖTTCHER], S. 10). 26 3. Tagung der 3. Synode des BEK, 21.–25.9.1979 in Dessau, Anlage zu Vorlage 10: Bisherige Stellungnahmen kirchenleitender Gremien zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 95), S. 9.

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die „bisherigen gewachsenen Bindungen der jeweiligen kirchlichen Zusammenschlüsse in sachgemäßer Weise beachtet werden und erhalten bleiben“ müssen, „ohne daß die Einrichtung von Sektionen (EKU/VELK) zu bleibenden Fraktionen führen“ dürfe, sowie die Notwendigkeit, dass „die in der EKU vorhandene gute Gemeinschaft mit den reformierten Gemeinden erhalten bleibt und auch in der Vereinigten Ev. Kirche in rechtlicher Hinsicht abgesichert wird“.27 Die Vorlage wurde von der Synode ohne eingehende Diskussion an die Kirchenleitung und ihren Theologischen Ausschuss überwiesen. Dessen Votum lag im Herbst vor, woraufhin die Kirchenleitung in zwei Beschlüssen (vom 2. und 30. November 1979) ihrerseits zur Bildung einer VEK Stellung nahm. In Aufnahme der Synodalvorlage vom Frühjahr hielt sie in diesen Beschlüssen zwar an der positiven Wertung der in den Eisenacher Empfehlungen „deutlich werdenden Tendenzen“ fest, brachte jedoch angesichts des Beschlusses der sächsischen Landessynode vom 22. Oktober,28 der eine Bindung der künftigen VEK an die lutherischen Bekenntnisschriften vorsah, vor allem ihre abweichende Haltung in dieser Frage zum Ausdruck: „Unsere Kirche als eine ‚Kirche der lutherischen Reformation‘ hat ihren besonderen Charakter darin, daß in ihr lutherische und reformierte Bekenntnisbindung gleichwertig in Geltung steht (Vorspr. 4). Von daher ist eine einseitige Betonung der lutherischen Tradition zu vermeiden.“29 Folglich forderte die Kirchenleitung für die Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen eine stärkere Akzentuierung, „wie die ‚bleibende Bindung der Gliedkirchen an ihre Bekenntnisse‘ (Eisenach II 3.3) als eine Hilfe zum Zusammenwachsen zu einem gemeinsamen Bekenntnis angesehen werden kann“.30

Sofern Herbsttagungen der landeskirchlichen Synoden stattfanden, lagen dort erste Ergebnisse der auf den Frühjahrstagungen eingesetzten Ausschüsse zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen vor und wurden diskutiert, wobei auch das von der GVG am 18. Oktober versandte vorläufige Arbeitsmaterial (die von deren Untergruppe I erarbeitete „Aufgaben-Synopse“ sowie das „Vorläufige Arbeitsmaterial“ ihrer Untergruppe III)31 zumindest zur Kenntnis genommen wurde. Vor allem in den lutherischen Landeskirchen führte dieses Arbeitsmaterial (einschließlich seiner Vorfassungen) wie auch die Sache selbst zu heftigen Kontroversen, in denen deutliche Vorbehalte gegenüber den Eisenacher Empfehlungen zum Ausdruck kamen. In der sächsischen Landeskirche sah sich der von der Frühjahrssynode eingesetzte Ad-hoc-Ausschuss angesichts grundsätzlicher Meinungsver27 EBD. 28 Siehe unten S. 264 f. 29 Ev. Konsistorium Berlin-Brandenburg (F. Winter) an die Kirchenkanzlei der EKU: Betr. Beschlüsse der Kirchenleitung der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg – VEK, 4.12.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 1. 30 EBD., S. 2. 31 Siehe unten S. 316, 320.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

schiedenheiten in seiner Mitte außer Stande, der vom 20. bis 24. Oktober 1979 in Dresden versammelten Landessynode einen einheitlichen Beschlussvorschlag vorzulegen, und stellte dementsprechend zwei unterschiedliche Formulierungsvorschläge zur Bekenntnisbestimmtheit einer künftigen VEK zur Auswahl.32 Die eine Position ging davon aus, dass das gemeinsame Verständnis des Evangeliums, wie es in der Leuenberger Konkordie zum Ausdruck gekommen sei, auch das Miteinander unterschiedlicher Bekenntnisse der Reformation in einer Kirche ermögliche. Bei einer Beschreibung der Bekenntnisbestimmtheit in der VEK-Grundordnung reiche es somit aus, auf die unterschiedliche Geltung der Bekenntnisse in den Gliedkirchen hinzuweisen. Eine ausdrückliche Nennung von Confessio Augustana und Kleinem Katechismus sei zwar wünschenswert, aber nicht notwendig und könne von den unierten Kirchen angesichts deren Bekenntnisstandes auch nicht gefordert werden.33 Dem stand auf der anderen Seite die Meinung gegenüber, dass für das Miteinander in einer Kirche eine gemeinsame Lehrgrundlage, die über die in der Leuenberger Konkordie festgehaltene Übereinstimmung hinausgehe, unerlässlich sei. Die Konkordie ermögliche zwar Gemeinschaft von Kirchen unterschiedlichen Bekenntnisses, nicht jedoch die Gemeinschaft in einer Kirche, da sie die unterschiedliche Bekenntnisbindung ausdrücklich in Geltung lasse.34 Deshalb sei die Nennung von Confessio Augustana und Kleinem Katechismus in der künftigen Grundordnung einer VEK als Zeichen für eine „Übereinstimmung in der Lehre des Evangeliums und der Verwaltung der Sakramente“ unbedingt notwendig und aus lutherischer Sicht auch für die unierten Kirchen akzeptierbar, da „alle auf dem Gebiet der DDR liegenden Landeskirchen . . . aus der lutherischen Reformation hervorgegangen“ und beide Bekenntnisschriften „älter sind als die Kontroversen zwischen Reformierten und Lutheranern“.35

Der von der Synode am 22. Oktober verabschiedete Beschluss, in dem diese eingangs ihre Bereitschaft, „in der Frage des gesamtkirchlichen Zusammenschlusses . . . konstruktiv mitzuarbeiten“, bekundete, allerdings dessen Kirchesein „von der Klärung der organisatorischen und der das Bekenntnis betreffenden Fragen“ abhängig machte,36 ging in seinem Formulierungsvorschlag zur Bekenntnisbestimmtheit von der zweiten Position aus, um auf dieser Grundlage einen Kompromissversuch vorzulegen. In der Sache kam dieser Kompromissversuch darin zum Ausdruck, dass der Synodalbeschluss zwar die Bindung „an die Augsburgische Konfession von 32 Vgl. 1. Teilbericht des ad-hoc-Ausschusses an die Landessynode, [20.10.1979] (EZA BERLIN, 688, Nr. 94). 33 EBD., S. 1 ff. 34 EBD. 35 EBD., S. 3 f. 36 Beschluss der Ev.-Luth. Landessynode Sachsens: Betr. Vorschlag zur Weiterarbeit in den Fragen des gesamtkirchlichen Zusammenschlusses, 22.10.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18; abgedruckt in: epd Dokumentation 51/1979, S. 32), S. 1.

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1530 und an den Kleinen Katechismus Martin Luthers als rechte Auslegung der Heiligen Schrift“ in seinen Formulierungsvorschlag aufnahm, jedoch darüber hinaus festhielt, dass „in den reformierten Gemeinden . . . der Heidelberger Katechismus bzw. die Confession de foi und die Discipline ecclésiastique in Geltung“ stünden (3.1.).37 Weiterhin wurde ausdrücklich auf die Bedeutung der Leuenberger Konkordie für „die Gemeinschaft der in der ‚VEK‘ zusammengeschlossenen Kirchen“ hingewiesen (3.3.) und an der Zielstellung eines engeren Miteinanders festgehalten (3.4.). Dennoch bedeutete dieser Beschluss in der Sache eine Ablehnung wesentlicher Elemente der Eisenacher Empfehlungen. Bei den Reformierten führte die Diskussion dieses Beschlusses „zu kräftigen Rückfragen“ unter Hinweis darauf, „für die Reformierten gäbe es in der neuen Kirche dann wohl nicht viel anderes als eine Art ‚Sorben-Status‘“.38 Ein uneingeschränkt positives Votum zu den Eisenacher Empfehlungen verabschiedete hingegen die Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs auf ihrer Tagung vom 1. bis 4. November, wobei sie in der Frage der Bekenntnisbestimmtheit die kurz zuvor von der sächsischen Synode diskutierte, jedoch abgelehnte (erste) Position vertrat. Unter Berufung auf die Eisenacher Entschließung der VELK von 1969 sowie auf die Leuenberger Konkordie von 1973 sah sie „in dieser Bekenntnisbestimmtheit kein Hindernis, Kirche zu werden in der Gemeinschaft von Kirchen mit anderen reformatorischen Bekenntnissen“. Vielmehr erhoffte sie sich dadurch „Möglichkeiten eines intensiven geistlich-theologischen Gespräches mit Kirchen anderer Bekenntnistraditionen“.39 Wieder anders stellte sich die Diskussionslage in der Thüringer Kirche dar, wo die unterschiedliche Einschätzung der Eisenacher Empfehlungen zu einer Kontroverse zwischen Synode und Landeskirchenrat führte. Der Synode, die vom 1. bis 2. Dezember zusammentrat, lag ein umfangreiches Arbeitspapier des von ihr eingesetzten Ad-hoc-Ausschusses vor.40 Darin 37 Dabei vermied der Formulierungsvorschlag nicht in jedem Fall – was sicher zum Teil auf die Entstehungsgeschichte des Beschlusstextes zurückzuführen ist – das Missverständnis, als sei die reformierte Tradition der lutherischen nachgeordnet. Insbesondere die Nebeneinanderstellung von lutherischen und reformierten Bekenntnisschriften in Abschnitt 3.1, wobei allein die ersteren als „rechte Auslegung der Heiligen Schrift“ bezeichnet wurden, konnte den Eindruck erwecken (und erweckte diesen auch), als werde damit angedeutet, dass Heidelberger Katechismus und Discipline ecclésiastique nicht in gleicher Weise „rechte Auslegung der Heiligen Schrift“ seien. 38 [J. Rogge]: Bericht auf der EKU-Synodalrüste am 22.3.1980 in Berlin-Karlshorst über den Sachstand der Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen vom 28.1.1979 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 111), S. 7. 39 Beschluss der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs vom 4.11.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25; abgedruckt in: epd Dokumentation 51/1979, S. 17 f.), S. 1. 40 Vgl. Anlage zum Beschluss der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen vom 2.12.1979 (PRIVATARCHIV ZEDDIES).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

wurde nicht nur das Eisenacher Modell einer „Bundeskirche“, sondern auch das Modell eines im Vergleich zum bestehenden BEK „verbesserten“ Kirchenbundes diskutiert, allerdings ohne dass eine Entscheidung zwischen beiden Modellen gefällt wurde. Die Vorlage benannte lediglich etliche Rahmenbedingungen, die bei der Bildung einer „Bundeskirche“ im Sinne der Eisenacher Empfehlungen erfüllt sein müssten. Vor allem zwei Rahmenbedingungen wurden hervorgehoben und entfaltet. Zum einen müsste diese Bundeskirche eine „einheitliche Bekenntnisgrundlage“ besitzen, wobei der „Bekenntnisstand der Einzelkirchen entsprechend ihren Verfassungen . . . unberührt“ bliebe. Zum andern sei der föderative Charakter dieser Bundeskirche zu sichern, und zwar in der Weise, „daß Struktur und Charakter der Einzelkirchen sinnvollerweise erhalten bleiben und daß die Mitwirkung und Mitbestimmung der Organe dieser Kirchen wie auch deren Zuständigkeit für die Aufgaben in den Einzelkirchen gesichert bleiben wird“.41 Dabei schlug sich das Anliegen eines weiter gehenden Einflusses der Landeskirchen in einer alternativen Skizze der Leitungsstruktur einer Bundeskirche nieder,42 während hinsichtlich des Selbstverständnisses des neuen Zusammenschlusses insgesamt sieben „allgemeine Grundsätze“ aufgestellt und deren Umsetzung in einer Überarbeitung des Abschnitts II der Eisenacher Empfehlungen vorgeführt wurden. Da sich diese Überarbeitung allerdings weitgehend an den Eisenacher Text anlehnte, erhielt das Ausschussvotum weniger den Charakter einer Korrektur, als vielmehr den einer Bestätigung des Eisenacher Ergebnisses.

Hatte das Ausschussvotum offen gelassen, welches der beiden Modelle zu favorisieren sei, entschied sich die Synode in ihrem Beschluss für das Modell einer Bundeskirche, an dem auch als Fernziel festzuhalten und das bei eintretenden Schwierigkeiten auf dem Wege über einen „verbesserten Kirchenbund“ zu verwirklichen sei. Weitere Konkretionen enthielt der Synodalbeschluss nicht, sondern verwies auf das als Anlage beigefügte Ausschussvotum (einschließlich der überarbeiteten Fassung des zweiten Abschnitts der Eisenacher Empfehlungen), das „als Interpretation der Erwartungen der Synode im Hinblick auf die Beschreibung des künftigen Zusammenschlusses gelten“ könne.43 Darüber hinaus verwies sie im unmittelbar nächsten Absatz auch auf den Vorschlag der sächsischen Landessynode vom 22. Oktober „als hilfreiche Konkretisierung“ im Hinblick „auf die Bekenntnisgrundlage des künftigen Zusammenschlusses“, obwohl dieser Vorschlag mit dem Ausschussvotum nicht so ohne weiteres übereinstimmte.44

41 EBD., S. 1. 42 EBD., S. 2. 43 Beschluss der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen vom 2.12.1979 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767; abgedruckt in: epd Dokumentation 19/1980, S. 36). 44 EBD.

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Dass sich hinter der relativen Unkonkretheit des Synodalbeschlusses erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Synode einerseits und Landeskirchenrat andererseits verbargen, wurde Anfang Januar 1980 deutlich, als der Landeskirchenrat eine Interpretation des Synodalbeschlusses gab, in dem er nicht nur die im Ausschussvotum benannten Rahmenbedingungen für die Bildung einer „Bundeskirche“ zum Teil deutlich enger zog, sondern angesichts der bisherigen Entwicklung auch insgesamt von dem Modell einer „Bundeskirche“ zugunsten des Modells „verbesserter Bund“ abrückte.45 Insbesondere in der Frage der Bekenntnisbindung bedeutete die Richtigstellung des Synodalbeschlusses durch den Landeskirchenrat eine deutliche Akzentverschiebung. Aus der Bindung der VEK an die „reformatorischen Bekenntnisschriften nach dem jeweiligen Bekenntnisstand ihrer Gliedkirchen und Gemeinden“ wurde ähnlich der sächsischen Position eine „Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der DDR“ mit „Wahrung eines bekenntnismäßigen Sonderstatus der wenigen reformierten Gemeinden“.46 Hinsichtlich der bereits im Ausschussvotum geforderten Wahrung der Selbstbestimmung der Landeskirchen innerhalb einer föderativen Struktur ergänzte der Landeskirchenrat, dass dies „nach den Erfahrungen in den bisherigen Zusammenschlüssen effektiv nur möglich sein“ werde, „wenn es nicht nur als auf der Bereitschaft aller Beteiligten beruhender Lernprozeß verstanden wird, sondern an klare, eindeutige, für alle verbindliche Spielregeln gebunden“ sei. Dabei werde „die Evang.-Luth. Kirche in Thüringen . . . auf jeden Fall darauf dringen, daß eine Majorisierung einzelner Gliedkirchen nicht möglich sein wird“.47 Der wesentlichste Teil der Erklärung des Landeskirchenrates war freilich das Schlussresümee: „Der Landeskirchenrat stellt mit allem Ernst und mit besonderem Nachdruck fest, daß die bisherigen Diskussionen zu den ‚Empfehlungen der Delegiertenversammlung‘ nicht zu der Hoffnung ermutigen, das Modell einer Bundeskirche sei in absehbarer Zeit zu verwirklichen. Es erscheint daher dringend geboten, von vornherein die Möglichkeit eines verbesserten Kirchenbundes ins Auge zu fassen und in stärkerem Maße, als dies bisher geschehen ist, in die Beratungen der Vorbereitungsgruppe einzubeziehen.“48

Dieser Interpretation ihres Beschlusses vom 2. Dezember 1979 durch den Landeskirchenrat setzte die Synode auf ihrer nächsten Tagung einen weiteren Beschluss zu den Eisenacher Empfehlungen entgegen, der die Erläuterungen des Landeskirchenrates in der Sache zurückwies. 45 Der Landeskirchenrat der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen (H. Mitzenheim) an den BEK: Betr. Stellungnahme der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 28.1.1979, 11.2.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25; abgedruckt in: epd Dokumentation 19/1980, S. 37). 46 EBD., S. 2. 47 EBD. 48 EBD.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

„Die Synode bleibt bei ihrem Beschluß vom 2.12.1979. Sie ist der Meinung, daß das Bemühen um Bildung einer Bundeskirche nicht aufgegeben werden soll. Sofort mögliche Verbesserungen der Bundesarbeit sieht sie als Schritte auf diesem Wege an. Deshalb wird der Ad-hoc-Ausschuß gebeten, seine Arbeit unverzüglich fortzusetzen und die nächsten Schritte zu beraten.“49

Damit erschien Thüringen mit seiner Kontroverse zwischen Synode und Landeskirchenrat einerseits und der Ablehnung des in den Eisenacher Empfehlungen formulierten Zieles durch den Landeskirchenrat andererseits vorerst als der größte Unsicherheitsfaktor innerhalb des VEK-Prozesses. 5.1.2. Das Ausbleiben der angestrebten „Aneignungsbeschlüsse“ durch die gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse Als erster Schritt zur Umsetzung des in Eisenach formulierten Zieles sahen die „Empfehlungen“ unter Artikel VI 1 vor, dass sich „die Leitungen der Zusammenschlüsse“ bis zum 20. März 1979 „die Empfehlungen der Delegiertenversammlung zu eigen“ machen und „sie als Tendenzpapier den Synoden und Leitungen der Landeskirchen“ zuleiten.50 Daraufhin verständigten sich die Leitungsgremien von EKU, VELK und Bund auf ein gemeinsames Vorgehen und sahen eine Klärung der mit diesem Schritt zusammenhängenden Fragen für die Klausurtagung der Konferenz der Kirchenleitungen vom 9. bis 11. März in Buckow vor. Allerdings wurde noch vor dieser Klausurtagung deutlich, dass der in Eisenach empfohlene Zeitplan nicht eingehalten werden würde. Vor allem innerhalb des Rates der EKU setzte sich in Anbetracht der Kritik, die die Eisenacher Empfehlungen sowohl seitens des westlichen Bereichsrates als auch jener Ratsmitglieder erfuhren, die nicht an der Delegiertenkonferenz teilgenommen hatten, eine zunehmend zurückhaltende Position durch, die eine schnelle „Aneignung“ der Empfehlungen ablehnte und stattdessen eine eingehende Problemdiskussion forderte. Da diese Problemdiskussion gemeinsam mit dem westlichen Bereichsrat erfolgen sollte und die nächste gemeinsame Sitzung der beiden Räte erst für den 4. April vorgesehen war, stand bereits Anfang Februar fest, dass der in den Eisenacher Empfehlungen genannte Termin zumindest von der EKU nicht eingehalten werden konnte. Widerstand innerhalb der EKU gegenüber den Eisenacher Empfehlungen war bereits unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden, und zwar insbesondere auf der 49 Beschluss der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen zu den Eisenacher Empfehlungen vom 17.4.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19). 50 EKU/VELK DDR/BEK/Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 28.1.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 25), S. 11.

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Sitzung des westlichen Bereichsrates am 30. Januar, laut geworden.51 Unverständnis wurde dort vor allem darüber geäußert, „daß nach dem Gespräch in der letzten gemeinsamen Beratung beider Bereichsräte eine so weitreichende und ins einzelne gehende Konzeption vorgelegt worden“ sei. Im Blick der Kritik waren dabei sowohl das vorgesehene Vereinigungstempo, bei dem eine der am 6. Dezember diskutierten Stufen (Modell 3) einfach übersprungen werden sollte, als auch der Artikel zur „besonderen Gemeinschaft“, dem nicht ohne weiteres zu entnehmen war, dass sich diese Ost-West-Gemeinschaft, wie gefordert, auf EKU-Niveau bewegen werde.52 Auf der am nächsten Tag stattfindenden gemeinsamen Beratung beider Bereichsräte wiederholten die westlichen Ratsmitglieder ihre Kritik, die auch von einigen Mitgliedern des östlichen Bereichsrates unterstützt wurde.53 Bischof Fränkel stellte in diesem Zusammenhang fest, „daß er die Eisenacher Konzeptionen zutiefst bedauert“.54 Obwohl „diese Auffassung . . . nicht von allen Mitgliedern des Rates – Bereich DDR – geteilt“ wurde, erfolgte darauf auch von ihrer Seite kein direkter Widerspruch.

Der Bereichsrat Ost stand damit auf seiner nächsten Sitzung am 7. März vor dem Problem, die auf der Klausurtagung der KKL einzubringende Position der EKU einerseits festzulegen, dabei jedoch andererseits der noch ausstehenden Meinungsbildung zu den Eisenacher Empfehlungen nicht vorzugreifen. Angesichts dessen entschied der Rat, zu den Empfehlungen selbst nicht Stellung zu nehmen, sondern stattdessen auf die unstrittigen, in Eisenach zwar angesprochenen, aber in den Empfehlungen nach Meinung etlicher Ratsmitglieder nicht hinreichend berücksichtigten Anliegen der EKU auf dem Wege zu einer größeren Gemeinschaft hinzuweisen. Dazu wurden vier Punkte formuliert, die dem Inhalt nach das bereits in Eisenach von EKU-Seite vorgetragene Anliegen, dass der neue Zusammenschluss ein „Mehr“ an Gemeinsamkeiten bringen müsse, auf die Frage der geregelten und zentralen Wahrnehmung von Kompetenzen zuspitzten, in der Form jedoch, da sie nunmehr nicht nur als Anliegen, sondern als Bedingungen formuliert wurden, über Eisenach hinausgingen:

51 Vgl. auch F. WINTER, Evangelische Kirche der Union, S. 260. 52 P. Kraske/M. Kruse/J. Rohde: Niederschrift über die 48. Sitzung des Rates der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin West – am 30.1.1979, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 195), S. 3. 53 M. Kruse/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 49. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 31.1.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186), S. 1. 54 EBD.

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„1. Der Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR ist nur dann zuzustimmen, wenn nicht anstelle der bisherigen gliedkirchlichen Zusammenschlüsse eine neue Kompetenzbereicherung der Gliedkirchen entsteht. 2. Der neue Zusammenschluß ist nur dann zu bejahen, wenn er mehr Kompetenzen als der bisherige Bund der Evangelischen Kirchen erhält. 3. Der Katalog gemeinsamer Aufgaben, die ausschließlich in die Kompetenz der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR fallen sollen, muß verbindlich festgelegt werden. 4. Für die Schritte zur Kompetenzübertragung ist ein fester Zeitplan erforderlich.“55

Darüber hinaus diskutierte der Rat auf der Grundlage eines Arbeitspapiers, das für die Grundsatzaussprache auf der gemeinsamen Ratssitzung am 4. April bestimmt war,56 ausführlich und kontrovers das Problem der „besonderen Gemeinschaft“ (II 3.8 der Empfehlungen). Strittig war dabei vor allem die Frage, ob und wie die Ost-West-Gemeinschaft als Gemeinschaft in einer Kirche auch bei Auflösung der Organe der EKU fortgeführt werden könne oder müsse (im Sinne des Beschlusses der EKU-Synode – Bereich DDR – vom 2. Juli 1978).57 Wie bereits auf der gemeinsamen Ratssitzung am 6. Dezember 1978 wurde die Notwendigkeit einer weiter bestehenden organisatorischen Verknüpfung zwischen EKU Ost und EKU West unterschiedlich eingeschätzt. Die grundsätzliche Fortführung der Gemeinschaft mit dem Westbereich war hingegen unstrittig und wurde dementsprechend zusammen mit der in den vier Punkten als notwendig angesehenen Kompetenzerweiterung und Kompetenzstärkung eines künftigen Zusammenschlusses ebenfalls als unabdingbare Forderung der EKU im Hinblick auf die bevorstehende Klausurtagung der KKL festgehalten.58 Obwohl die Eisenacher Empfehlungen auch innerhalb der Kirchenleitung der VELK zum Teil sehr kritisch gesehen wurden,59 schloss die Lutherische Kirchenleitung im Gegensatz zum Rat der EKU einen fristgerechten Aneignungsbeschluss keineswegs aus. Zwar wurde auf der Kirchenleitungssitzung am 9. März deutlich, dass sie eine klare Beschreibung des theologischen Profils einer künftigen VEK vermisse und insbesondere die Formulierung zur Bekenntnisbindung in II 3.3 als unzureichend ablehne, eine Verständigung auf der Grundlage der Eisenacher Empfehlungen 55 W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 70. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 7.3.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 171), S. 2. 56 Beschlussvorschlag zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung (Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 687, Nr. 12). 57 Vgl. oben S. 159. 58 W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 70. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR (vgl. Anm. 55), S. 2. 59 Kritik kam vor allem aus der sächsischen Landeskirche (vgl. J. Cieslak an die Mitglieder der Kirchenleitung der VELK DDR, 5.3.1979 [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 362]).

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wurde aber dennoch für möglich gehalten. An erster Stelle stand dabei folgerichtig der Wunsch nach einer Klärung der Bekenntnisgrundlage einer künftigen VEK sowie der Funktion, die in diesem Zusammenhang der Leuenberger Konkordie zukomme. Weiterhin wurde in der Diskussion hervorgehoben, „daß eine präzise Beschreibung des föderativen Prinzips . . . eine vordringliche Aufgabe“ sei, wobei „die positiven Erfahrungen in der bisherigen Gemeinschaft der Gliedkirchen“ einbezogen werden müssten. Uneingeschränkt unterstützt wurde hingegen die Zielstellung einer „einfachen“ und in ihrer Struktur „durchschaubaren“ Kirche, wobei ohne Wenn und Aber im Sinne der Eisenacher Empfehlungen gefolgert wurde, dass sich „VELK und die EKU . . . auflösen“ müssen.60 In ihrem abschließenden Votum würdigte die Kirchenleitung die „Ergebnisse der Delegiertenversammlung“ als einen „geeigneten Ausgangspunkt für die Weiterarbeit in Richtung auf einen neuen Zusammenschluß“ und beschloss, „die Empfehlungen der Delegiertenversammlung den Gliedkirchen der VELK i.d. DDR mit der Bitte um Stellungnahme zuzuleiten“.61 Mit diesen unterschiedlichen und in den Bereichen Aufgabenübertragung und föderaler Struktur gegensätzlichen Positionen gingen die Vertreter der beiden Zusammenschlüsse am 10. März in die Klausurtagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, auf der die EKU ihre zuvor formulierten Bedingungen vortrug und darüber hinaus um Verständnis dafür warb, dass sie in dieser Angelegenheit nichts ohne den Westbereich unternehmen könne und wolle. Von VELK-Seite wurden diese „geistlichen und rechtlichen Rücksichtnahmen“ respektiert, allerdings darauf hingewiesen, dass die Eisenacher Empfehlungen Teil eines Prozesses seien, an dem auch die EKU beteiligt war, ihre jetzige Zurückhaltung also nicht ohne weiteres zu verstehen sei. Verstärkt wurde das Unverständnis dadurch, dass von EKU-Seite nicht nur Rahmenbedingungen für eine Umsetzung der Eisenacher Empfehlungen benannt, sondern auch ihre Durchführbarkeit grundsätzlich in Frage gestellt wurde.62 Angesichts dessen, dass damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine gemeinsame Weitergabe der Eisenacher Empfehlungen mit einem abgestimmten Votum nicht möglich war und es nicht sicher schien, dass sich diese Lage nach dem 4. April (der gemeinsamen Ratssitzung der beiden EKU-Bereiche) ändern würde, bestimmte die Frage nach dem weiteren Vorgehen die Diskussion. Die Lösung wurde in einer Neuinterpretation 60 Meinungsbildung der Kirchenleitung der VELK zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 9.3.1979, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 1. 61 E. Brinkel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche in der DDR am 9.3.1979 in Berlin, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 374), S. 2. 62 [Ch. Demke]: Mitschrift der KKL-Sitzung, 10.3.79. TOP Delegiertenversammlung (EZA BERLIN, 688, Nr. 90).

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dessen gesehen, was in Abschnitt VI 1 der Eisenacher Empfehlungen unter „zu eigen machen“ zu verstehen sei. Es wurde nicht mehr als Zustimmung zu allen Einzelheiten der Empfehlungen gedeutet, sondern – unter Aufnahme der in der „Meinungsbildung“ der VELK-Kirchenleitung gebrauchten Formulierung – als deren Würdigung im Sinne eines „Ausgangspunktes“ für das weitere Vorgehen verstanden. Da auch die EKU gegenüber den Empfehlungen als einer „Verhandlungsgrundlage“ keine „Grundsatzbedenken“ geltend machte, war damit eine gemeinsame, wenn auch schmale Basis gefunden, auf der eine Erklärung der KKL möglich schien. Nachdem am letzten Tag der Klausurtagung (11. März) die Aussprache noch einmal aufgegriffen worden war, wurde ein Protokollvermerk beschlossen, der allerdings die gemeinsame Einschätzung der Empfehlungen – im Interesse „größtmöglicher Rücksichtnahme auf den Rat“ der EKU63 – noch einmal reduzierte. Aus dem „Ausgangspunkt für die Weiterarbeit“ wurde darin ein „Ausgangspunkt für den Versuch [!], das erzielte Verständnis der Kirchengemeinschaft für die Gestaltung der gesamtkirchlichen Arbeit in unserem Bereich fruchtbar zu machen“.64 Darüber hinaus wies der Beschluss auf den Empfehlungscharakter des Eisenacher Ergebnisses sowie auf den noch nicht abgeschlossenen Meinungsbildungsprozess hin und benannte als offene Fragen die Ausgestaltung der Verbindlichkeit der Zusammenarbeit, die Ausgestaltung des föderativen Charakters der Gemeinschaft und die Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“.65 Nachdem der Vorstand der Konferenz auf seiner Beratung am 22. März den Beschluss der KKL noch einmal als „gute Ausgangslage für die Weiterarbeit . . ., die sowohl Bereitschaft zur Zusammenfassung als auch Offenheit für Modalitäten gewährleistet“, gewürdigt hatte, richtete er an den Rat der EKU die Bitte, auf der gemeinsamen Sitzung der Räte am 4. April „nach Möglichkeit in ähnlicher Weise Bereitschaft und Offenheit zu artikulieren“.66 Dieses lehnten die Räte ab, da ein solcher Beschluss „erst nach

63 Sekretariat des BEK (M. Stolpe) an den Vorsitzenden des Rates der EKU, Bischof Dr. W. Krusche/den Leiter der Kirchenkanzlei der EKU, Präsident Dr. J. Rogge, 23.3.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 17). 64 Insgesamt: „Die Konferenz sieht in den Empfehlungen der Delegiertenversammlung einen wichtigen Ertrag der Bemühungen um das Verständnis und die Entwicklung der Kirchengemeinschaft in den vergangenen Jahren und betrachtet sie als Ausgangspunkt für den Versuch, das erzielte Verständnis der Kirchengemeinschaft für die Gestaltung der gesamtkirchlichen Arbeit in unserem Bereich fruchtbar zu machen“ (A. Schönherr/M. Stolpe/L. Borgmann/Ch. Demke: Protokoll der 60. Tagung der KKL am 9./11.3.1979 in Buckow [Klausurtagung], undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 106], S. 4). 65 EBD. 66 Sekretariat des BEK an den Vorsitzenden des Rates und den Leiter der Kirchenkanzlei (vgl. Anm. 63).

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Klärung der anstehenden Fragen“ erfolgen könne.67 Diese Klärung verzögerte sich jedoch erheblich und war erst ein Jahr nach dem ursprünglichen Termin für die Aneignungsbeschlüsse beendet, und zwar ohne dass danach eine solche Aneignung erfolgte. Damit war bereits der erste Schritt zur Umsetzung der Eisenacher Empfehlungen gescheitert, sodass auch das zehnjährige Jubiläum der Bundesgründung am 10. Juni 1979 keinen Anlass zu hoffnungsvollen Prognosen hinsichtlich des weiteren Zusammenwachsens der Landeskirchen bot. Die kirchliche Wochenzeitung „Die Kirche“ sprach in ihrer Ausgabe vom 10. Juni hinsichtlich der Verzögerungen bei der Umsetzung der Eisenacher Empfehlungen von einem „Kirchenstreich“: „Nach dem frohgemuten Aufbruch der synodalen Delegierten von Eisenach muß man . . . fürchten, daß ihre Vorschläge auf die lange Bank geschoben werden. Muß man nun auch – ähnlich dem Staatsstreich in manchen Ländern – mit einem Kirchenstreich rechnen, der die Eisenacher Empfehlungen mit einem Schlage zunichte machte? Ganz gewiß nicht im klassischen Stil. Denn auch ihre entschiedensten Gegner werden sie zwar in scheinbar freundlich geführten, endlosen und verwirrenden Debatten auszuhöhlen suchen, die eindeutige Ablehnung dagegen wird selten sein. Wer sich so äußert, riskiert wohl, seine letzten Gefolgsleute in den Gemeinden zu verlieren. Wer nun aber gar keine zu verlieren hat, ist unberechenbar. Auf jeden Fall müssen wir mit vielen kleinlichen Streichen rechnen, die schon lähmend genug wirken können. Ob derlei Dinge je offen ausgesprochen werden, bleibt abzuwarten; denn jeder, der dies tut, weiß natürlich, daß er damit Heinzelmännchens Krachparade inszeniert.“68

5.1.3. Akzentsetzungen in der VELK Bereits auf der Zusammenkunft der Lutherischen Kirchenleitung am 9. März war deutlich geworden, dass innerhalb der VELK zwar ebenfalls erhebliche Vorbehalte gegenüber den Eisenacher Empfehlungen bestanden (etwa gegenüber der dort vorgeschlagenen dialogischen Bekenntnisbestimmtheit), dass an deren Anliegen jedoch in Fortführung der Eisenacher Entschließung von 1969 weiterhin festgehalten werde. Folglich bejahte sie in ihrer Stellungnahme zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 11. Mai erneut das Ziel einer in ihrer Struktur einfacheren und durchschaubareren Kirche,69 benannte gleichzeitig aber jene Gesichtspunkte, die auf dem Wege dorthin weiterer Klärung bedürften. Dazu zählte sie insbe67 W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 4.4.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 2. 68 Die Kirche vom 10.6.1979 (nach KiS 3/79, S. 15). 69 Stellungnahme der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR vom 19.3./11.5.1979 zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung (EZA BERLIN, 101, Nr. 25), S. 1 f.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

sondere die Notwendigkeit einer „klaren Verhältnisbestimmung der VEK zu den altkirchlichen Bekenntnissen, den Bekenntnissen der lutherischen Reformation, der Stellung zu den reformierten Gemeinden und ihren Bekenntnissen“70 sowie die Notwendigkeit einer klärenden Beschreibung des föderativen Freiraums der Landeskirchen innerhalb der künftigen VEK (Rahmenbedingungen für eine wechselseitige Aufgabenübertragung zwischen Gesamtkirche und Gliedkirche sowie für Eigeninitiativen und eigene Projekte einzelner Landeskirchen).71 Hinsichtlich der Frage der „Stellung der Reformierten“, die in Eisenach eigentlich nicht diskutiert, sondern auf Initiative von EKU-Vertretern mehr oder weniger diskussionslos im Sinne ihrer besonderen strukturellen Verankerung entschieden worden war, nahm die Lutherische Kirchenleitung bereits selbst eine Präzisierung vor, indem sie zwischen der Respektierung der reformierten Tradition auf der einen und der „strukturellen Verankerung der reformierten Gemeinden in der VEK“ auf der anderen Seite unterschied. Während Ersteres unabhängig „von quantitativen Größenordnungen“ zu garantieren sei, würden hingegen „für die strukturelle Verankerung reformierter Gemeinden in der VEK ihre Anzahl und ihre gliedkirchliche Einbindung zu berücksichtigen sein“.72 Mit diesem differenzierenden Votum trug die VELK zwar Bedenken in den eigenen Reihen Rechnung, verstärkte andererseits jedoch die zunehmenden Sorgen der Reformierten, mit denen diese nach anfänglicher Zustimmung73 einer Umsetzung der VEK-Pläne entgegensahen.74 Auch die von der EKU immer wieder ins Gespräch gebrachte Ausgestaltung der „Beziehungen zu den Partnerkirchen“ wurde von der VELKKirchenleitung in einem eigenen Vorschlag präzisiert, der das Anliegen der EKU nach Institutionalisierung dieser Beziehungen mit dem eigenen Anliegen einer föderalen Wahrnehmung auf breiter Basis und unter möglichst großer Beteiligung der Landeskirchen verband. Im Einzelnen erschien der VELK-Kirchenleitung hinsichtlich der Beziehungen zu den Partnerkirchen „ab 1981“, also in der Phase der Bildung der neuen Organe, „folgendes denkbar: – Die Aufgabe ständiger Beobachtung der Gesamtentwicklung liegt bei einer dafür beauftragten Gruppe. Sie ist paritätisch zusammengesetzt und besteht

70 EBD., S. 2 f. 71 EBD., S. 3 f.; vgl. dazu die Diskussion der Drucksache 15/5 auf der Delegiertenversammlung. 72 EBD., S. 3. 73 Vgl. Reformierter Generalkonvent in der DDR: Stellungnahme zu den Eisenacher Empfehlungen, 26.4.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20). 74 Vgl. C. de Maizière/H. Grüber: Entschließung der Vereinigten Reformierten Synode von Berlin-Brandenburg, 27.5.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 2.

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vorerst (vgl. Empfehlungen V.6) aus Vertretern von Bund, EKU (DDR), VELK sowie von EKD, EKU (BRD), VELKD. – In bestimmten Abständen (1–2 jährlich) finden Konsultationen auf der Ebene der Kirchenleitungen statt. – Bei sachlichen Erfordernissen sind zeitlich befristete, projektorientierte gemeinsame Arbeitsgruppen zu bilden. – In der Dienststelle der VEK wird ein Referat für die Beziehungen zu den Partnerkirchen eingerichtet.“75

Langfristig vielleicht noch wichtiger als die Stellungnahme der Kirchenleitung zu den Eisenacher Empfehlungen waren die von ihr ebenfalls im Mai verabschiedeten „Überlegungen zum Kirchenverständnis“,76 die zwar bewusst das lutherische Kirchenverständnis entfalteten, dabei jedoch auch die Ergebnisse der über mehrere Jahre hinweg geführten Gespräche zwischen ihr und dem Rat der EKU einfließen ließen.77 Damit erhielten diese „Überlegungen“ nicht nur den Charakter einer lutherischen Selbstreflexion, sondern auch den eines Konsenspapieres, das – wenige Monate nach den Eisenacher Empfehlungen verabschiedet und veröffentlicht – als Gesprächsangebot an die EKU über die theologischen Grundlagen des angestrebten Zusammenschlusses und als mögliche Basis für ein solches Gespräch erschien. Nachdem das Papier bereits eingangs zu der Einsicht gelangt war, dass das „lutherische Proprium“ trotz seiner besonderen Ausprägung „kein anderes als das christliche“ sei,78 entfaltete das letzte Kapitel diese Einsicht unter Rückgriff auf Ergebnisse des Gespräches zwischen Lutherischer Kirchenleitung und Rat der EKU vom 7. Dezember 1978 (Vorlage „Was haben wir einzubringen?“).79 Analog zu der seinerzeit bestätigten Formel wurde noch einmal bekräftigt, dass „ihrer Herkunft und ihrem Selbstverständnis nach . . . lutherische und unierte Kirchen in der DDR nicht ein verschiedenes Proprium“ haben, sondern „im Eigentlichen“ übereinstimmen. „Sie sind mit dem gemeinsamen Proprium nur verschieden umgegangen.“80 Auf der Basis dieses gemeinsamen Propriums sei es möglich und – angesichts der „gemeinsamen Herausforderung durch die säkularisierte atheistische Gesellschaft“ sowie der „gewachsenen kirchlichen Gemeinschaft“ – auch nötig, den unterschiedlichen Umgang gegenseitig „in der 75 Stellungnahme der Kirchenleitung der VELK DDR vom 19.3./11.5.1979 zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung (EZA BERLIN, 101, Nr. 25), S. 4. 76 Überlegungen zum Kirchenverständnis. Thesen der Kirchenleitung der VELK DDR, 10.5.1979 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 362), abgedruckt in: ena XXXII/21 vom 23.5.1979, S. 13–17. 77 Vgl. E. Brinkel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der VELK in der DDR vom 10./11.5.1979 in Zwickau, Domgemeindehaus, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 374), S. 1. 78 Überlegungen zum Kirchenverständnis (vgl. Anm. 76), S. 2. 79 Vgl. oben S. 182–184. 80 Überlegungen zum Kirchenverständnis (vgl. Anm. 76), S. 6.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Bindung an das Wort Gottes . . . auf Recht und Grenzen, Bereicherung und Gefahren“ zu befragen.81

Dieses Thesenpapier lag wenig später der 1. Tagung der III. Generalsynode (7.–10. Juni) in Plauen vor, wurde dort jedoch nicht in allen seinen Aussagen, sondern vor allem mit seinen Überlegungen zum spezifisch Lutherischen aufgegriffen. Insbesondere bei der VEK-Diskussion ging es der Generalsynode auf dieser ersten Tagung nach der Delegiertenkonferenz (ähnlich wie dem Rat der EKU) erst einmal darum, die eigenen Anliegen deutlicher, als dies in Eisenach geschehen war, zur Geltung zu bringen. Die dabei ebenfalls an dem Eisenacher Ergebnis geäußerte Kritik richtete sich vor allem gegen Abschnitt II der Empfehlungen („Zum Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses“), wobei auch die Forderung nach Bildung einer VEK „allein auf der Basis des Augsburger Bekenntnisses“ wiederholt, allerdings ebenso kritisiert wurde.82 Trotz dieser kontroversen Vorstellungen über die Ausgestaltung der empfohlenen VEK blieb das Ziel einer „Kirchengemeinschaft aller evangelischen Kirchen in der DDR“, das 1969 in der Eisenacher Entschließung von der VELK selbst formuliert worden war, in dessen Interesse sie zum Teil auf eigene Aktivitäten verzichtet hatte und zu dem es keine Alternative zu geben schien,83 im Großen und Ganzen unbestritten. In diesem Sinne verstand die Generalsynode ihren auf Vorschlag des Ausschusses „Delegiertenversammlung“ gefassten Beschluss weniger als Stellungnahme zu den „Eisenacher Empfehlungen“ als vielmehr umfassender als Stellungnahme zu dem 1969 von ihr mit der Eisenacher Entschließung in Gang gesetzten Prozess. Aus der Eisenacher Entschließung wurde nicht nur wörtlich zitiert, sondern auch eingangs mit Nachdruck erklärt: „Die Generalsynode bekennt sich zu dem Prozeß, der mit ihrer Entschließung auf der Tagung in Eisenach 1969 eingeleitet worden ist.“84 Im Zusammenhang dieses Prozesses in Richtung auf eine „Kirchengemeinschaft aller evangelischen Kirchen in der DDR“ sei die VELK auch weiterhin 81 EBD., S. 7. 82 Vgl. 1. Tagung der III. Generalsynode, 7.–10.6.1979 in Plauen/Vogtl.: Protokoll 9.6. 1979, 19.35 Uhr – Fortsetzung der Plenardebatte, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 328), S. 1 f.; 1. Information über den Verlauf der Synode der VELK-DDR vom 7.– 10.6.1979 in Plauen, 9.6.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 560), S. 4 f. 83 Vgl. die Darstellung der Vorgeschichte der Eisenacher Empfehlungen durch H. Zeddies (1. Tagung der III. Generalsynode, 7.–10.6.1979 in Plauen/Vogtl., Protokoll 9.6.1979, 9.30 Uhr [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 328], S. 3) sowie das Einführungsreferat von Bischof Rathke (H. Rathke: Einführung zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung von Eisenach, 8.6.1979 [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 328], S. 4). 84 Beschluss der 1. Tagung der III. Generalsynode (7.–10.6.1979) zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung (abgedruckt in: epd Dokumentation 37/1979, S. 57 f.); vgl. 1. Tagung der III. Generalsynode, 7.–10.6.1979 in Plauen/Vogtl., Drucksache Nr. 32/1: Vorlage Nr. 7/1 (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 328).

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bereit, „in einem größeren Zusammenschluß aufzugehen“. Freilich wolle sie dabei „Erkenntnisse und Erfahrungen einbringen, die sie auf ihrem eigenen Weg gemacht“ habe. Einige dieser Erfahrungen führte sie unter Rückgriff auf den speziell lutherischen Teil der „Überlegungen zum Kirchenverständnis“ (vor allem Abschnitt IV „Einfache Kirche“) besonders auf: „a) Die Gestalt der Kirche sollte so einfach und durchschaubar sein, daß sie Zeugnis und Dienst der Gemeinden fördert. b) Der größere Zusammenschluß sollte gemeindebezogene Themen als wichtige Aufgabe erkennen und bearbeiten. c) Der Grundsatz des allgemeinen Priestertums der Gläubigen sollte in den Leitungsgremien angemessen zur Geltung kommen. d) Im größeren Zusammenschluß sollte das Kirchesein in föderativer Gemeinschaft gelebt werden.“85

Im letzten Abschnitt benannte der Synodalbeschluss weitere Anliegen und Probleme, die bei einer Integration der VELK mit diesen ihren einzubringenden Erkenntnissen und Erfahrungen in einen größeren Zusammenschluss zu berücksichtigen bzw. zu klären seien. Im Wesentlichen wurden dabei aus dem Beschluss der Kirchenleitung vom 11. Mai, der ausdrücklich „zustimmend zur Kenntnis“ genommen worden war, die Problemskizzen zu den Bereichen Bekenntnisbindung und föderative Gemeinschaft aufgegriffen und fortgeschrieben.86

5.1.4. Ausgangspunkt oder Richtung – die Diskussion der „Empfehlungen“ auf der Bundessynode 1979 in Dessau Nachdem die vorgesehenen Aneignungsbeschlüsse der drei Leitungsgremien (KKL, Rat der EKU, VELK-Kirchenleitung) ausgeblieben waren und sich diese – ähnlich den meisten Landeskirchen – lediglich zu mehr oder weniger zurückhaltenden Stellungnahmen entschließen konnten, richteten sich die Erwartungen in besonderer Weise auf die Ende September in Dessau tagende Bundessynode (21.–25. September 1979), da dort „alle die unterschiedlichen Träger und verantwortlichen Gruppierungen, die hier zu votieren“ hatten, vereint87 und als Bundessynode in besonderer Weise dem Artikel 1 der Bundesordnung verpflichtet waren. Nicht völlig zu Unrecht wurde deshalb die Arbeit an den Eisenacher Empfehlungen als das „ge85 Beschluss der 1. Tagung der III. Generalsynode (vgl. Anm. 84). 86 EBD., S. 58. 87 Vgl. 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 3 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5348), S. 274 (U. v. Brück).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

heime eigentliche Thema“ dieser Synodaltagung,88 die offiziell unter dem Thema „Zeugnis heute“ stand, angesehen.89 Hatte bereits der mündlich vorgetragene Bericht der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen90 angesichts der inzwischen deutlicher als in Eisenach hervortretenden Probleme vor zu hohen Erwartungen gewarnt,91 ließ die Synodaldiskussion zu den einleitenden Berichten erkennen, dass die Bewertung der Eisenacher Empfehlungen auch in der Bundessynode umstritten war. Die Bedenken entzündeten sich vor allem an den Forderungen nach höherer Verbindlichkeit auf der einen und föderativer Struktur auf der anderen Seite und verglichen die Verbindung von beidem mit „einer Quadratur des Kreises“.92 Aufgeworfen wurde das Problem von dem Synodalen Heinz Blauert, der auf dem Hintergrund seiner Enttäuschung über den Ertrag der Bundesgründung und angesichts der Betonung des föderativen Charakters der neuen Gemeinschaft befürchtete, die Verbindlichkeit könne erneut und dieses Mal noch nachhaltiger auf der Strecke bleiben. Denn die Beschreibung der VEK als einer „föderativen Gemeinschaft“ könne – so Blauert – nur bedeuten, dass sie „eben keine Kirche“ sei. Dieses ekklesiale Manko sei um so schwer wiegender, als auch noch beabsichtigt sei, „zugunsten dieser neuen Föderation die beiden Kirchen, wirkliche Kirchen, nämlich die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche und die Evangelische Kirche der Union aufzugeben, diese beiden Kirchen, in denen wenigstens ein Rest von Verbindlichkeit“ bestünde. „Unter diesen Aspekten“ konnte Blauert „die Vereinigte Kirche, wie sie da vorgeschlagen“ sei, nur als einen „Rückschritt“ verstehen.93 88 Diesem Stellenwert trug das Präsidium dadurch Rechnung, dass es das Thema „Eisenacher Empfehlungen“ gleich als erstes mit zwei Berichten auf die Tagesordnung setzte, die weniger noch einmal informieren als vielmehr eine weiterführende Stellungnahme zu dem Eisenacher Ergebnis ermöglichen sollten. Den ersten Bericht, eine schwerpunktmäßige Erläuterung der Eisenacher Empfehlungen, erstattete der Vizepräses der Synode, Gottfried Forck, den zweiten Bericht, eine Einführung in den Stand der Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, der Sekretär der neu beauftragten Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, Christoph Demke (vgl. Niederschrift über die 8. Sitzung des Präsidiums am 5.5.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 39]). 89 Vgl. 3. Tagung der III. Bundessynode (vgl. Anm. 87), S. 273. 90 Der Bericht der KKL bestand aus zwei Teilen, einem mündlich vorgetragenen Bericht, der versuchte „Schwerpunkte zu setzen“, und einem vom Sekretariat erstellten schriftlichen „Bericht über die Arbeit des Bundes“ (3. Tagung der 3. Synode des BEK. 21.–25.9.1979 in Dessau, Vorlage – Nr. 2: Bericht der KKL [EZA BERLIN, 101, Nr. 72], S. 1; 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 1 [EZA BERLIN, 101, Nr. 5346], S. 96). 91 Vgl. 3. Tagung der Synode des BEK. 21.–25.9.1979 in Dessau, Vorlage – Nr. 2: Bericht der KKL (EZA BERLIN, 101, Nr. 72), S. 10; 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5346), S. 105 (H. Domke). 92 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5347), S. 177 (Th. Küttler).

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Während Domsch demgegenüber hervorhob, dass sich föderative Struktur und Kirchesein keineswegs ausschlössen, warnte Kramer davor, sich in Sachen Verbindlichkeit an Maximalforderungen zu orientieren und dabei den Blick für das jetzt Machbare und jetzt Notwendige zu verlieren. Es gehe eben nicht um die Verwirklichung von Idealvorstellungen, sondern um eine wegen des begrenzten Kräftevorrats notwendige Vereinfachung. Dementsprechend sei zu überlegen: „Wie können wir so viel Kraft wie möglich in die Aufgaben, mit Menschen zu reden, das Zeugnis in unserer Situation zu erkennen, das Wort des Herrn weiterzutragen, investieren und so wenig wie möglich auf die Dinge verwenden, die nun einmal zur Verwaltung der Kirche, auch zu dem Geschäft einer Synode gehören.“94

Der Berichtsausschuss, dem das in den unterschiedlichen Vorlagen95 zur Sprache gekommene Thema „Eisenacher Delegiertenversammlung“ als besonderer Arbeitspunkt überwiesen worden war, erledigte diese Aufgabe vorrangig und unterbreitete dem Plenum bereits am vorletzten Sitzungstag mit Drucksache 18 einen Beschlussvorschlag.96 Diese Vorlage war – wie der Berichterstatter betonte – zwar bewusst ausgewogen formuliert, weil die Bundessynode in dieser Angelegenheit nur eines der Gremien wäre, die zu votieren hätten, ging aber dennoch im Kern über den Beschluss der Konferenz der Kirchenleitungen vom 11. März hinaus. Waren dort die Empfehlungen lediglich als „Ausgangspunkt für den Versuch, das erzielte Verständnis der Kirchengemeinschaft für die Gestaltung der gesamtkirchlichen Arbeit in unserem Bereich fruchtbar zu machen“, beschrieben worden,97 würdigte sie der Vorschlag des Berichtsausschusses im Sinne einer weiter zu verfolgenden Richtung: „1. . . . Die Bundessynode bejaht die den Eisenacher Empfehlungen zugrunde liegende Tendenz, aus den bisher bestehenden drei kirchlichen Zusammenschlüssen eine neue Gemeinschaft zu entwickeln (Arbeitstitel: Vereinigte Evangelische Kirche). Die Bundessynode ist dankbar für die in Eisenach geleistete Arbeit. 2. Die bisher vorliegenden Stellungnahmen lassen erkennen – auch dort, wo konstruktiv-kritische Stimmen zu hören sind –, daß Bereitschaft vorhanden ist, 93 EBD., S. 166; ähnlich S. 175 f. (M. Rudloff). 94 EBD., S. 168; vgl. EBD., S. 175 (Dorothea Demke). 95 Neben den hier genannten Vorlagen enthielt auch der „Bericht des Ausschusses für die Arbeit der Kommissionen“ einen Teil „Folgerungen aus den Empfehlungen der Delegiertenversammlung“ (3. Tagung der 3. Synode des BEK, 21.–25.9.1979 in Dessau, Vorlage Nr. 5: Bericht des Ausschusses für die Arbeit der Kommissionen, undatiert [PRIVATARCHIV ZEDDIES], S. 8–11), der auf Beschluss der Synode dem Berichtsausschuss überwiesen worden war (3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 2 [EZA BERLIN, 101, Nr. 5347], S. 203). 96 3. Tagung der 3. Synode des BEK, 21.–25.9.1979 in Dessau, Vorlage 18, Berichtsausschuß. Teil Delegiertenversammlung, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 72). 97 60. Tagung der KKL: [Beschluss], 11.3.1979 (PRIVATARCHIV ZEDDIES).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

in der Richtung der Eisenacher Empfehlungen weiterzuarbeiten. Die Bundessynode erklärt auch ihrerseits ihre Bereitschaft hierzu und hofft, daß alle Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse diesen Weg mitgehen.“98

Auf die Frage nach dem Stellenwert der Eisenacher Empfehlungen für die von allen befürwortete Strukturvereinfachung konzentrierte sich dann auch die weitere Synodaldiskussion, wobei die unterschiedlichen Positionen, die bereits bei der ersten Aussprache über die gegebenen Berichte zu Tage getreten waren, noch deutlicher artikuliert wurden. Der Synodale Helmut Domke, der als Delegierter der Bundessynode an der Eisenacher Konferenz teilgenommen hatte, wollte die vom Berichtsausschuss vorgeschlagene Stellungnahme so verstanden wissen, dass darin die in Eisenach beschlossenen Aussagen materialiter als Ausgangspunkt für die weitere Arbeit, insbesondere hinsichtlich des in der Vorlage besonders genannten Problems des Selbstverständnisses, bestätigt würden. Sein Anliegen war, dass „die Bundessynode sich hinter die in Eisenach gegebenen Aussagen stellt, als ein Startpunkt, und nicht noch einmal einen Beginn von Null wünscht“.99 Demgegenüber verwies der Synodale Thomas Küttler auf den Wortlaut des ersten Punktes der Vorlage, der lediglich von einer Bejahung der „den Eisenacher Empfehlungen zugrunde liegenden Tendenz, aus den bisher bestehenden drei kirchlichen Zusammenschlüssen eine neue Gemeinschaft zu entwickeln“, spreche. Darüber hinaus gab er in direktem Gegensatz zum Domkeschen Anliegen zu bedenken, ob nicht auch nach Eisenach noch Alternativen zu den dort beschlossenen Empfehlungen zu erwägen wären, wie sie etwa in seiner Landessynode, der sächsischen, diskutiert würden. Dabei hatte er nicht nur Alternativen zu den einzelnen in Eisenach gemachten Vorschlägen im Blick, sondern „Alternativen, die also noch mehr an die Substanz der Eisenacher Tendenz gehen, als es hier in dem Papier offenbar vorausgesetzt wird“.100 Die von Küttler aufgeworfene Frage nach Alternativen griff die Synodale Hanna Kahl (ebenfalls Sachsen) auf und kritisierte die in dem Vorschlag vorgenommene Festlegung der Weiterarbeit „in Richtung der Eisenacher Empfehlungen“ unter Hinwies auf die dort empfohlene Leitungsstruktur, mit der sie nicht einverstanden sei und deshalb „erst einmal durchspielen“ wolle, „ob es wirklich die beste Möglichkeit“ wäre. Dieses sei jedoch bei Zustimmung zu der Formulierung unter Punkt 2 eigentlich nicht mehr möglich.101 In den Entgegnungen wurde einerseits die Meinung des Berichtsausschusses bekräftigt, dass in der Tat hinter die genannte Tendenz von Eisenach nicht zurückgegangen werden sollte,102 zumal nennenswerte Alternativen bisher nicht bekannt geworden seien. Anderseits schließe das aber ohne Frage ein, dass die 98 Vorlage 18 (vgl. Anm. 96), S. 1. 99 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 3 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5348), S. 281. 100 EBD., S. 282. 101 EBD., S. 284. 102 EBD., S. 286 (U. v. Brück).

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einzelnen in Eisenach unterbreiteten Vorschläge noch einmal zu überprüfen seien.103

Angesichts der insbesondere von sächsischen Synodalen artikulierten Bedenken gegen Teile der Beschlussvorlage wurde deren Verabschiedung, die eigentlich direkt nach der Aussprache erfolgen sollte, auf den nächsten Tag verschoben.104 Der dort erneut geführten Aussprache lag ein Änderungsantrag des Synodalen Küttler zu Grunde, der sich auf den ersten Satz des zweiten Absatzes, der bereits in der ersten Aussprache eine Rolle gespielt hatte, konzentrierte. Dort war von der Bereitschaft die Rede gewesen, „in Richtung der Eisenacher Empfehlungen weiterzuarbeiten“, womit im Zusammenhang der Vorlage sowohl der Tenor der bis dahin zur Kenntnis genommenen Stellungnahmen der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zu den Eisenacher Erklärungen zusammengefasst als auch die Position der Bundessynode selbst beschrieben wurde, um daraufhin „alle Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse“ zu bitten, „diesen Weg mitzugehen“. Aufgrund dieses dreifachen Bezuges erhielt diese Wendung bereits rein formal ein besonderes Gewicht. Da sie inhaltlich die am weitesten gehende Bindung an die Eisenacher Empfehlungen enthielt, wurde sie für alle zum Anstoß, die zwar von Eisenach ausgehen, jedoch auch noch andere Richtungen als die von Eisenach gewiesene bedenken wollten. Entsprechend beantragte Küttler, an dieser Stelle lediglich von der Bereitschaft zu sprechen, „ausgehend von den Eisenacher Empfehlungen“ weiterzuarbeiten.105 Küttler führte in der Begründung seines Antrages aus, dass diese Korrektur, die bewusst nicht nur die Möglichkeit von Präzisierungen der Empfehlungen, sondern auch die von Alternativlösungen einbeziehe, um der Ehrlichkeit und Klarheit willen notwendig sei. Denn angesichts der bestehenden Unterschiede dürfe man nicht so tun, als hätte man bereits das gefunden, was alle eint. Vielmehr müssten im Miteinander die bestehenden Vorbehalte, Befürchtungen und Ängste offen gelegt werden. Nur so könne die angestrebte Gemeinschaft von innen her wachsen.106 Dahinter stand wohl auch die Befürchtung, der mit Eisenach in Gang gesetzte Prozess könnte viel Zeit und Kraft verschlingen, um am Ende – wie etwa die Reform der EKD-Grundordnung – an der fehlenden gemeinsamen Grundlage zu scheitern. Küttler dementsprechend weiter: „Das Schlimmste, was uns in dieser Frage passieren könnte, wäre, daß wir dächten, nun ja, ist ja an und für sich eine schöne Sache, lassen wir’s mal so

103 EBD., S. 285 (L. Große). 104 EBD., S. 288 f. 105 Th. Küttler: Abänderungsantrag zu Vorlage Nr. 18, 24.9.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 72); 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 3 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5348), S. 310. 106 EBD., S. 311 ff.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

weitergehen. Es werden sich bestimmt welche finden, die dagegen argumentieren, und dann ist es sehr bedauerlich, aber wir sind es nicht gewesen.“107 Küttlers Antrag fand vereinzelt Unterstützung,108 erfuhr jedoch überwiegend Widerspruch, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die von Küttler genannten Gegensätze keineswegs zwischen den Landeskirchen, sondern innerhalb der Landeskirchen bestünden. Ansonsten sei die von ihm kritisierte Formulierung „das mühsame Ergebnis eines Gesprächs“ zwischen denen, die eine weiter gehende Zustimmung zu Eisenach befürworteten, und jenen, die eigentlich noch zurückhaltender formulieren würden.109 Weitere Voten wiesen auf die Zielstellung der Strukturreform hin, die nicht nur darin bestehe, einer auf Gemeindeebene bereits gelebten und theologisch nunmehr möglichen Gemeinschaft auch strukturell Ausdruck zu verleihen,110 sondern in einer Konzentration der vorhandenen Kräfte „auf die Aufgaben, die die Wirklichkeit uns stellt“.111 Die Lösung – nicht des Sach-, aber des Formulierungsproblems – brachte ein von Stolpe vorgelegter Änderungsantrag, der der problematischen Verknüpfung einer Interpretation dessen, was andere gesagt haben, mit dem, was die Bundessynode selbst sagen wollte, Rechnung zu tragen suchte. In der Sache brachte er allerdings keine Entflechtung der unterschiedlichen Bezüge, sondern eine inhaltliche Abschwächung der Aussage. Angesichts der als ausreichend empfundenen (inhaltlich freilich nicht so weit gehenden) Aussagen des vorangehenden Abschnittes sollte an dieser Stelle jede inhaltliche Wertung der Eisenacher Empfehlungen vermieden und lediglich von der vorhandenen „Bereitschaft“ gesprochen werden, „zügig weiterzuarbeiten, um bald zu Ergebnissen zu kommen“.112 Inhaltlich ging dieser Antrag noch weit über den Küttlerschen hinaus. Nach diesem hätte die Synode zumindest ihre Bereitschaft erklärt, ausgehend von den Eisenacher Empfehlungen weiterzuarbeiten, und die Gliedkirchen um ein gleiches gebeten. Dennoch stimmte die Synode dem Antrag von Stolpe mehrheitlich zu.113

Die Stellungnahme der Synode zur Eisenacher Delegiertenkonferenz floss als Abschnitt I „Delegiertenversammlung“ ein in den Gesamtbeschluss der Bundessynode zum Bericht der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen.114 Entsprechend der Vorlage des Berichtsausschusses und seiner

107 EBD., S. 313. 108 EBD., S. 321 (H. Kahl). 109 EBD., S. 314 f. (L. Große). 110 EBD., S. 315 f. (L. Große). 111 EBD., S. 317 (K.-P. Hertzsch). 112 M. Stolpe: Antrag, 25.9.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 72); 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 3 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5348), S. 322 f. 113 30 Ja-Stimmen, 14 Gegenstimmen, 12 Enthaltungen (EBD.). 114 3. Tagung der 3. Synode des BEK, 21.–25.9.1979 in Dessau: Beschluss der Synode zum Bericht der KKL vom 25.9.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 72), S. 1–3, abgedruckt in: M. FALKENAU, Kundgebungen BEK 1, S. 309–314. – Abschnitt II: „Beziehungen zwischen Kirche und Staat“, Abschnitt III: „Einzelfragen“, Abschnitt IV: „Diakonisches Werk – IMHW“.

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nachfolgenden Korrektur „bejahte“ die Bundessynode darin (nur noch) „die den Eisenacher Empfehlungen zugrunde liegende Tendenz, aus den bisher bestehenden drei kirchlichen Zusammenschlüssen eine neue Gemeinschaft zu entwickeln (Arbeitstitel: Vereinigte Evangelische Kirche)“.115 Sie verwies auf die „bisher vorliegenden Stellungnahmen“, die erkennen ließen – „auch dort, wo konstruktiv-kritische Stimmen zu hören sind –, daß Bereitschaft vorhanden ist, zügig weiterzuarbeiten, um bald zu Ergebnissen zu kommen“. Die Synode erklärte „auch ihrerseits ihre Bereitschaft hierzu“ und sprach ihre Hoffnung aus, „daß alle Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse diesen Weg mitgehen“.116 Nach einem Hinweis auf die in den „bisherigen Arbeitsergebnissen“ noch nicht umgesetzten Erwartungen der Gemeinden wurden „erhebliche Probleme“ angesprochen, die noch „einer Lösung harren, damit diese neue Gemeinschaft eine tragfähige Basis“ erhalte. Genannt wurden zwei Fragen, die in besonderer Weise einer Klärung bedürften. Dazu gehörte erstens die Klärung der „Relevanz der verschiedenen reformatorischen Bekenntnisse einerseits und ihrer gemeinsamen Bedeutung für unser Bekennen heute andererseits“ (Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses) sowie zweitens die inhaltliche Beschreibung und strukturelle Umsetzung der Zielvorstellung einer „föderativen Gemeinschaft“.117 Aus der im Rückblick auf zehn Jahre Bund gewonnenen Einsicht heraus, „daß wir schon mehr an Gemeinsamkeit hätten erreichen können, wenn zum Zeitpunkt der Bildung des Bundes schon entschlossener die Bereiche bezeichnet worden wären, in denen wir nicht mehr getrennt arbeiten dürften“, schloss die Synode konkrete Vorschläge zur Zusammenführung von bestimmten Aktivitäten der drei Zusammenschlüsse an, wobei sie sich entsprechende Anregungen des Ausschusses für die Arbeit der Kommissionen (AAK) zu Eigen machte.118 Hinsichtlich des Zeitplans der Empfehlungen, der bereits in Eisenach strittig gewesen und inzwischen durch die eingetretenen Verzögerungen ohnehin nicht mehr völlig einzuhalten war, formulierte die Synode einen Kompromiss zwischen jenen, die vor übereilten, weil unter Zeitdruck vollzogenen Schritten warnten, und jenen, die eine endlose, Kräfte bindende Diskussion fürchteten: „Wir dürfen uns einerseits in einer solchen gewichtigen Sache gewiß nicht unter Zeitdruck setzen lassen, doch muß auch vermieden werden, daß wesentliche Kräfte auf unabsehbare Zeit gebunden sind.“119 Abschließend wurde die KKL gebeten, „diese Meinungsbildung der Vorbereitungsgruppe zuzuleiten“.120 115 116 117 118 119 120

EBD., EBD., EBD., EBD., EBD., EBD.

S. 1. S. 1 f. S. 2. S. 2 f. S. 3.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

So gut wie gar keine Rolle spielte in der Synodaldiskussion die Frage nach der Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ mit den westdeutschen Kirchen. In dieser Frage blieb es im Wesentlichen bei den Hinweisen in den einleitenden Berichten sowie der positiven Würdigung, die die „besondere Gemeinschaft“ im rückblickenden Teil des Konferenzberichts121 und im Grußwort des Vertreters des Rates der EKD, v. Keler, erfahren hatte.122 Lediglich in einem Vergleich, mit dem der bereits erwähnte Synodale Küttler die Problematik der angestrebten föderativen Gemeinschaft verdeutlichen wollte, klang diese Frage – EKU-bezogen – an: „Mir kommt es so vor, wie wenn 8 erwachsene Geschwister . . . zusammen eine Hausgemeinschaft bilden wollen. Da ist es ein Problem, daß sie unterschiedlich groß sind, aber das ist ein Problem, das läßt sich ja vielleicht lösen. Ein größeres Problem ist, daß einige davon noch enger miteinander verbunden sind als die anderen und daß dann auch einige noch Patentanten haben, die Pakete schicken, und die dann sagen, das ist auch jetzt unsere Angelegenheit nicht eure, und daß da noch dies und jenes alles im Hintergrund steht, was der einzelne noch an Beziehungen und Freundschaften hat.“123

5.1.5. Grundlagenforschung in der EKU Zur Vorbereitung einer Stellungnahme des Rates der EKU zu den Eisenacher Empfehlungen, deren Verabschiedung für die gemeinsame Beratung der Räte am 4. April vorgesehen war, lag den Räten umfangreiches Vorbereitungsmaterial der beiden Kanzleien vor, das die bis dahin in der EKU geführte Diskussion noch einmal ausführlich zusammenfasste. Vorlage 2 („Dokumentation zu der Frage: Ist gegenüber 1972 eine Situation entstanden, die ein neues Überdenken der Gemeinschaft erforderlich macht?“) stellte die Äußerungen der Ratsvorsitzenden der EKU und der EKU-Synoden zum Stellenwert der Ost-West-Gemeinschaft und der Gemeinschaft im Bund sowie zum Verhältnis von beidem und damit zur Frage nach den Bedingungen für eine Auflösung der EKU zusammen.124 Vorlage 3 („Hauptfragen zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung“) wiederholte in ihrem zweiten Teil die am 7. März im Hinblick auf die Klausurtagung der KKL aufgestellten, nun allerdings nicht mehr ganz so apodiktisch formulierten Anliegen zur künftigen 121 Vgl. 3. Tagung der 3. Synode des BEK. 21.–25.9.1979 in Dessau, Vorlage – Nr. 2: Bericht der KKL (EZA BERLIN, 101, Nr. 72), S. 3 f.; 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 1 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5346), S. 98 f. (P. Müller). 122 Vgl. 3. Tagung der III. Bundessynode – 21. bis 25.9.1979 Dessau, Tonbandabschrift, Bd. 2 (EZA BERLIN, 101, Nr. 5347), S. 161 f. 123 EBD., S. 177. 124 [Vorlagen zur gemeinsamen Beratung der Räte am 4.4.79], Vorlage 2 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1546).

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Kompetenzverteilung.125 Vorlage 4 listete offene „Einzelfragen zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung“ auf,126 während Vorlage 5 Personalvorschläge für Arbeitsgruppen und Vorlage 6 einen Beschlussvorschlag zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung unterbreiteten.127

Von besonderem Gewicht waren Vorlage 4 sowie der erste Teil von Vorlage 3, der nicht – wie die Überschrift nahe legte – „Hauptfragen zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung“ stellte, sondern die Bedeutung der „in einer über 160jährigen gemeinsamen Geschichte“ begründeten Gemeinsamkeit in der EKU entfaltete, „die aus einer besonderen Theologie und Frömmigkeit heraus gewachsen“ sei und „zu einer spezifischen Prägung kirchlicher Gemeinschaft geführt“ habe. Diese Gemeinschaft habe „im Kampf der Bekennenden Kirche eine Gestalt gewonnen, in der Evangeliumsverständnis und Ordnung der Kirche lebendig aufeinander bezogen wurden“ (Barmen III). Aufgrund ihres nunmehr grenzübergreifenden Charakters komme ihr eine zusätzliche Bedeutung zu, sodass die EKU für sich einen spezifischen „Auftrag in dem gemeinsamen Zeugnis des Evangeliums in zwei unterschiedlichen Gesellschaftssystemen unter Beachtung der jeweiligen gesellschaftlichen Gegebenheiten“ sehe sowie in „der dadurch gegebenen Notwendigkeit, aufeinander zu hören, damit Verständnis füreinander erhalten, Bruderschaft bestehen bleiben und gegenseitige Hilfe geleistet werden kann“. Die sich daraus ergebende „große Anzahl geschichts- und gegenwartsbezogener Aufgaben“ mache die „Fortsetzung bewährter Konsultation direkt erforderlich“. Da eine solche „verbindliche Konsultation“ ohne eine „feste Form kirchlicher Gemeinschaft“ jedoch „illusorisch“ sei, stelle sich nicht die Frage, ob eine institutionelle Ordnung, sondern „welches Maß institutioneller Ordnung für die Beibehaltung bestehender geistlicher Gemeinschaft unverzichtbar“ sei.128 Auch die „Einzelfragen“ der Vorlage 4 gingen ausführlich auf die „besondere Gemeinschaft“ ein und forderten hinsichtlich ihrer Wahrnehmung durch die künftige VEK eine Präzisierung der betreffenden Aussagen der Eisenacher Empfehlungen. Neben Inhalt und Art der dort vorgesehenen Wahrnehmung stieß vor allem die Formulierung, dass die „Beziehungen . . . nach den Erfordernissen von Sachaufgaben“ auszugestalten seien, auf

125 [Vorlagen zur 8/91, Nr. 1546). 126 [Vorlagen zur 8/91, Nr. 1546). 127 [Vorlagen zur 8/91, Nr. 1546). 128 [Vorlagen zur 8/91, Nr. 1546).

gemeinsamen Beratung der Räte am 4.4.79], Vorlage 3 (EZA BERLIN, gemeinsamen Beratung der Räte am 4.4.79], Vorlage 4 (EZA BERLIN, gemeinsamen Beratung der Räte am 4.4.79], Vorlage 6 (EZA BERLIN, gemeinsamen Beratung der Räte am 4.4.79], Vorlage 3 (EZA BERLIN,

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Kritik, da diese Aussage durchaus auch im Sinne einer Reduzierung der Beziehungen verstanden werden konnte.129 Die weiteren Anfragen dieser Vorlage 4 betrafen Stellenwert und Beschreibung der Entscheidungen der Barmer Bekenntnissynode, die inhaltlich gefüllt und angesichts ihrer grundlegenden Bedeutung bei der Beschreibung des Selbstverständnisses des neuen Zusammenschlusses unter die „Grundartikel“ (und nicht nur unter die „Grundbestimmungen“) aufgenommen werden müssten,130 sowie die künftige Mitarbeit in konfessionellen Weltbünden.131 Aus diesen umfangreichen Vorarbeiten zogen die Räte am 4. April das nahe liegende Fazit, dass sowohl äußerste Zurückhaltung gegenüber den mit ungeklärten Fragen belasteten Eisenacher Empfehlungen angeraten sei als auch ein Festhalten am Bewährten und Unaufgebbaren der EKU. Ihr Beschluss beschränkte sich dementsprechend lediglich auf eine Würdigung des Anliegens der Eisenacher Empfehlungen, ohne auf das aus dieser Intention erwachsene Ergebnis näher einzugehen. In der Sache blieb ihr Beschluss damit noch hinter der vorsichtigen Formulierung des Beschlusses der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom 11. März zurück. „Die Räte haben die Ergebnisse der Delegiertenversammlung beraten. Sie ließen sich über die Aufnahme der Empfehlungen in den Gliedkirchen und über den Beschluß der KKL vom 11.3.1979 berichten. Die Räte sehen in den Empfehlungen der Delegiertenversammlung das zu begrüßende Bestreben, die erreichte Kirchengemeinschaft zu verdichten. Sie erklären sich bereit, an der Weiterarbeit an den Empfehlungen und an der Klärung aller damit zusammenhängenden Fragen mitzuwirken.“132

Darüber hinaus folgten die Räte dem Vorschlag der Vorlage 5, zusätzlich zu dem von der Delegiertenversammlung empfohlenen gemeinsamen Gremium der drei Zusammenschlüsse einen besonderen Arbeitsausschuss der EKU zu berufen, um „die theologischen und rechtlichen Folgerungen der Empfehlungen und die Voraussetzungen zur Ermöglichung zustimmender Voten“ zu prüfen und die EKU-Mitglieder in der gemeinsamen Arbeits129 [Vorlagen zur gemeinsamen Beratung der Räte am 4.4.79], Vorlage 4 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1546), S. 1. – Vgl. oben S. 245 f. 130 EBD. 131 Dabei stellte sich vor allem die Frage, ob das an dieser Stelle vorhandene Ungleichgewicht zwischen lutherischen Kirchen, die Mitglieder im Lutherischen Weltbund waren, und der EKU nicht ausgeglichen werden müsste. Als denkbar wurde entweder eine Reduktion auf lutherischer Seite (Auflösung des Nationalkomitees des LWB in der DDR) oder die Schaffung eines Gegengewichts auf unierter Seite („Konvent unierter Kirchen Europas“) angesehen (EBD., S. 1 f.). 132 W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 50. gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 4.4.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 343), S. 1 f.

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gruppe zur Vorbereitung einer Verfassung für die künftige Gesamtkirche zu beraten.133 Angesichts der Konsequenzen, die die Bildung einer VEK für die EKU insgesamt sowie für ihren Westbereich im Besonderen nach sich ziehen würde, wurde eine paritätische Zusammensetzung der Arbeitsgruppe aus beiden Bereichen vorgesehen und im Anschluss an die gemeinsame Sitzung vom östlichen Bereichsrat beschlossen.134 Das Ergebnis der ersten Beratung dieser EKU-internen Arbeitsgruppe am 6. Juni 1979,135 das von Joachim Rogge und Rudolf Schulze in sieben Thesen zusammengefasst wurde,136 setzte die Linie der von Bedenken und Zurückhaltung geprägten Überlegungen, wie sie nach der Eisenacher Delegiertenkonferenz in der EKU angestellt worden waren, fort. Die vor Eisenach zumindest diskutierte und in Eisenach dann erklärte Bereitschaft zur Integration und Auflösung der EKU wurde nicht aufgegriffen, sondern nunmehr weiter problematisiert. Eine „Auflösung der EKU“ sei „von ihrer Ordnung her problematisch“, eine „vollständige Auflösung . . . rechtlich bedenklich und in der Durchführung sehr schwierig“ (These 2). Zwar sei – wie die Thesen eingangs feststellten – die EKU „von ihrem theologischen Selbstverständnis als Union her bereit, in einer größeren Gemeinschaft aufzugehen“, dies setze jedoch voraus, dass diese Gemeinschaft „die we133 [Vorlagen zur Beratung der Räte am 4.4.79], Vorlage 5 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1546); vgl. J. Rogge/W. Fischer: Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift über die Sitzung des Kollegiums der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR – vom 16.4.1979, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 184); P. Kraske/M. Kruse/J. Rohde: Niederschrift über die 50. Sitzung des Rates der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – am 8.5.1979, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 195), S. 5. 134 W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 71. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 4.4.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 171), S. 2 („4. Beschlüsse aufgrund der gemeinsamen Vormittagsberatung der Räte“). Für den Ostbereich gehörten ihr an: Kirchenpräsident Eberhard Natho, Präsident Joachim Rogge, Oberkirchenrat Rudolf Schulze, Propst Friedrich Winter, Oberkonsistorialrat Eberhard Völz als Jurist, für den Westbereich: Präsident Peter Kraske, Bischof Martin Kruse, Vizepräsident Wolfgang Martens als Jurist, Oberkirchenrat Werner Salzmann (vgl. P. Kraske/M. Kruse/J. Rohde: Niederschrift über die 50. Sitzung des Rates der EKU [vgl. Anm. 133], S. 5; E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 51. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 9.5.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186], S. 2; E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 72. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 9.5.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 171]; J. Rogge: Aktenvermerk. Betr. EKU-interne Arbeitsgruppe im Zusammenhang der Weiterarbeit über die Delegiertenversammlung in Eisenach. Anruf von Präsident Kraske am 16.5., 17.5.1979 [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 184]). 135 Vgl. R. Schulze: Kurzprotokoll der 1. Sitzung der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Empfehlungen der Delegiertenversammlung in Eisenach am 6.6.1979 in Berlin, Auguststraße, undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1546). 136 R. Schulze/J. Rogge: Zusammenfassende Thesen der 1. Sitzung der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Empfehlungen der Delegiertenversammlung in Eisenach, 6.6.1979 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110).

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sentlichen Kriterien“ des Kirchenverständnisses der EKU bewahre (These 1). Die EKU müsse also „so lange ihr Kirchesein aufrechterhalten . . ., wie eine neue kirchliche Organisationsform nicht die ekklesiale Qualität zu ersetzen vermag, die der EKU aus Geschichte, Erfahrung und Bekennen erwachsen“ sei (These 4). Da dies eine neue kirchliche Organisationsform kaum leisten könne, sei der Fortbestand zumindest einer Rest-EKU, die bestimmte Aufgaben und Kompetenzen weiter wahrnehme, notwendig. Deshalb sei hinsichtlich des Integrationsprozesses lediglich zu klären, „was in eine größere Gemeinschaft hineinzugeben wäre und was in der bisherigen Organisationsform bestehen bleiben“ müsse (These 3). Diese Aufgabe warf ihrerseits die grundsätzliche Frage nach dem EKU-Spezifischen auf und verlangte eine weitere Entfaltung der zu bewahrenden ekklesialen Qualität der EKU, wodurch diese zu weiterer Selbstbesinnung herausgefordert war. Entsprechend hielt das Thesenpapier fest, dass es sich bei der Weiterarbeit nicht lediglich um „Gegenerklärungen gegen lutherische Aussagen über den Vereinigungsprozeß“ handeln könne, sondern dass die EKU – in der natürlich notwendigen Auseinandersetzung mit lutherischen Positionen – „eigene Stellungnahmen zu erarbeiten“ habe (These 6). In Umsetzung dieser Forderung nach eigenständigen Stellungnahmen und der im Zusammenhang damit erkannten Notwendigkeit einer Besinnung auf die eigenen Grundlagen setzte die Gruppe mehrere Arbeitsvorhaben in Gang. Angesichts der Bedeutung von Barmen III für die VEKDiskussion und der nahezu abgeschlossenen Untersuchung des Theologischen Ausschusses der EKU zur „Vergegenwärtigung“ der III. Barmer These bat sie den Ausschuss um „eine Erklärung zu den Empfehlungen im Lichte“ von Barmen III (These 7). Für die eigene Weiterarbeit wurden zwei Schwerpunkte gesetzt: Zum einen sollten die Überlegungen zum Selbstverständnis der EKU nach einer längeren Zeit der Abstinenz wieder aufgegriffen und weiter vorangetrieben, zum anderen die erklärte Bereitschaft zur begrenzten Abgabe von Aktivitäten an eine größere Gemeinschaft konkretisiert werden. Die von der EKU-internen Arbeitsgruppe erbetene Stellungnahme des Theologischen Ausschusses, die die Eisenacher Empfehlungen insbesondere aus der Perspektive der Barmer Theologischen Erklärung analysieren sollte, lag am 28. September vor.137 Als Kriterium für die darin vorgenommene Beurteilung benannte sie in Anlehnung an die III. These die Frage, inwiefern die Empfehlungen „dem Aspekt des Zeugnischarakters der kirchlichen Ordnung und dem Entwurf einer Gemeinde von Brüdern, die dem in Jesus Christus offenbarten einen Wort Gottes dienen will“, gerecht würden.138 137 Stellungnahme des Theologischen Ausschusses der EKU zu den Empfehlungen der Delegiertenkonferenz von Eisenach (28.1.1979), 28.9.1979 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110). 138 EBD., S. 4.

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Unter dieser Perspektive der Wahrung der Bruderschaft in einer „Gemeinde von Brüdern“ erwies sich für den Theologischen Ausschuss die Fortführung der Ost-West-Gemeinschaft der EKU erwartungsgemäß als ein wichtiger Punkt, ohne jedoch den Haupteinwand gegenüber den Eisenacher Empfehlungen zu bilden. Dieser richtete sich weitaus grundsätzlicher gegen die in den Empfehlungen vorgetragene Struktur der geplanten „VEK“ als eines föderativen Zusammenschlusses selbständiger, bekenntnisbestimmter Landeskirchen (womit wesentliche Grundlagen, auf denen das Eisenacher Konzept errichtet worden war, sowie ein Hauptanliegen der Lutheraner angefragt wurden). Zwar könne „die vorgeschlagene organisatorische Vereinfachung nur begrüßt werden“, da „jede Art von organisatorischer Dysfunktionalität in der empirischen Gestalt der Kirche“ dem „Gebot größtmöglicher Zeugnisangemessenheit“ kirchlicher Ordnung und Organisation widerspreche,139 die in den Eisenacher Empfehlungen vorgenommene Umsetzung ihres begrüßenswerten Anliegens lasse jedoch nicht nur eine Lösung der wichtigsten Probleme (etwa die Frage nach einer verbindlichen Bekenntnisgrundlage) vermissen, sondern gehe stellenweise auch hinter das zurück, was in VELK und EKU bereits erreicht sei (geringere „ekklesiologische Qualität“ des Zusammenschlusses sowie seine Tendenz zum Partikularismus infolge des föderalen Prinzips).140 Hinsichtlich des grenzüberschreitenden Kircheseins der EKU machte das Votum geltend, dass sie zwar „in beiden Bereichen selbständig und jeweils verantwortlich“ handele, „aber im Gehorsam gegenüber der im Kampf der Bekennenden Kirche gewonnenen und bezeugten Lehre (Barmen III) ihre Einheit über die Grenzen zweier Staaten hinweg bewahrt und in einer Vielfalt an Gemeinsamkeit festgehalten“ habe. Die „Bruderschaft in einer ‚Gemeinde von Brüdern‘“ bewähre sich somit für die EKU in der Gemeinschaft der Gemeinden und Gliedkirchen beider Bereiche.141 Diese „rechtliche und tatsächliche Einheit der EKU“ sei „mehr, als die Empfehlungen im Blick auf die VEK in Aussicht nehmen“. Insgesamt dürfe – nach Meinung des Ausschusses – „das Ziel der Neuordnung durch eine ‚Vereinigte Evangelische Kirche‘ . . . nicht ein bloßer Zweckverband sein, der weniger Einheit gewährt, als jetzt – sowohl in den Zusammenschlüssen EKU und VELK wie auch in ihrer Zusammenarbeit – schon vorhanden sei. Angestrebt werden sollte eine ‚Evangelische Kirche‘, die, in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegründet, an die reformatorischen Bekenntnisse gebunden und zu gegenwärtigem Bekennen berufen, sich eine Ordnung gibt, die nicht nur ‚durch Konzentration zu einer Einsparung an personellem, finanziellem und sachlichen Aufwand‘ (III,2) gelangt, sondern aus der Enge von Partikularismus und Konfessionalismus herausführt.“142 139 140 141 142

EBD., S. 4 f. EBD., S. 5–7. EBD. EBD., S. 8 f.

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Bereits am 4. September war die EKU-interne Arbeitsgruppe zu ihrer zweiten Beratung zusammengekommen, um die beiden anderen Arbeitsvorhaben, die sie sich auf ihrer konstituierenden Sitzung vorgenommen hatte, in Angriff zu nehmen. Zur Frage einer begrenzten Abgabe von Aktivitäten an einen neuen Zusammenschluss unterbreitete Oberkonsistorialrat Völz einen kurzen, relativ zurückhaltenden „Vorschlag“,143 während zur Frage des einzubringenden Selbstverständnisses der EKU Propst Winter unter der Überschrift „Gibt es theologische Grundlagen der EKU?“ ein ausführliches Arbeitspapier vorlegte.144 Als Basis für weiterführende Überlegungen skizzierte Winter darin die theologischen Grundlagen der EKU vor allem anhand des Grundartikels ihrer Ordnung145, um in einem weiteren Schritt diese Grundlagen mit dem im Abschnitt II der Eisenacher Empfehlungen umrissenen Selbstverständnis eines künftigen Zusammenschlusses zu vergleichen. Im Ergebnis stellte er fest, dass verschiedene Aussagen der Delegiertenkonferenz in positiver Weise über Aussagen der Ordnung der EKU hinausgingen, während sich andere „sprachlich und intentional“ deckten. Freilich bedürften „verschiedene Aussagen“ im Abschnitt II der Empfehlungen „einer theologischen Präzision durch die theologischen Grundanliegen der EKU“. Dabei benannte er nicht nur eine „inhaltlich genauere Aussage zu dem, was das Evangelium (von der Rechtfertigung)“ sei (II 2.3), sondern auch eine bleibende Akzentuierung des gleichberechtigten Miteinanders von lutherischer, reformierter und unierter Tradition (zu II 3.3), eine Entfaltung der positiven Bedeutung der Barmer Thesen (II 3.4 sprach nur von der „Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre“) und eine Absicherung des Maßes „institutioneller Verbindlichkeit . . ., wie es sich in der EKU ergeben“ habe.146 Abschließend fasste er seine Vorstellungen von einer VEK, die den Anliegen der EKU entsprechen würde, zusammen, indem er die zuvor benannten EKU-spezifischen Grundsätze147 auf die VEK übertrug: „Eine neue VEK sollte die Züge der EKU realisieren, daß sie Bekenntniskirche, die reformatorischen Bekenntnisse gleichwertig anerkennende Kirche, konduktive Kirche, koinonische Kirche, ökumenisch offene Kirche wird.“148

Sah der Theologische Ausschuss die Eisenacher Empfehlungen gemessen am Modell einer „Gemeinde von Brüdern“ vor allem kritisch und die

143 E. Völz: Vorschlag für eine Aufteilung von vorhandenen EKU-Aktivitäten im Bereich der DDR nach der Möglichkeit der Abgabe an eine neue, größere Gemeinschaft (VEK) bzw. des Verbleibens bei der EKU, 4.9.1979 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1546). 144 F. Winter: Gibt es theologische Grundlagen der EKU?, 4.9.1979 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1546). 145 Ordnung der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union vom 20.2.1951 (Abl. EKD 5 [1951], S. 150–153). 146 F. Winter: Grundlagen (vgl. Anm. 144), S. 6 f. 147 EBD., S. 2. 148 EBD., S. 7.

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Umsetzung ihres bejahten Grundanliegens eher als einen Schritt in die falsche Richtung, kam Winter, indem er die Empfehlungen mit dem EKUGrundartikel verglich, zu einer durchaus positiven Bewertung nicht nur des Eisenacher Anliegens, sondern auch der in Eisenach eingeschlagenen Richtung, wobei er ausdrücklich auf die inhaltlichen Beziehungen zwischen Grundartikel und der für Eisenach wesentlichen Leuenberger Konkordie (II 3.2) hinwies. Freilich müsse dieser Weg an einigen konkreten Punkten, an denen Winter dann zum großen Teil wieder mit dem Theologischen Ausschuss übereinstimmte, entsprechend den theologischen Grundlagen der EKU noch konsequenter weiter gegangen werden. Dieses gezielte Fortschreiben des Eisenacher Anliegens auf der Basis des Grundartikels der Ordnung der EKU entfernte sich freilich unweigerlich von der Position der Lutheraner, die diesen Grundartikel nicht teilten und darüber hinaus argwöhnten, die EKU wolle die Leuenberger Konkordie entgegen ihrer Intention als ein neues, gemeinsames Bekenntnis verstehen. Es überrascht daher nicht, dass etliche der von Winter angeführten Desiderata in Eisenach gerade aus Rücksicht auf lutherische Positionen nicht in der von ihm gewünschten Weise formuliert worden waren (die positive Bedeutung von Barmen, die gleichberechtigte Gemeinschaft der lutherischen, reformierten und unierten Tradition, aber auch die „bleibende institutionelle Verbindlichkeit“ zwischen den beiden EKU-Bereichen). Dass sich die genannten Desiderata dementsprechend innerhalb des VEK-Prozesses nicht so ohne weiteres verwirklichen lassen würden, war durchaus bewusst, sodass Winter den Fortbestand einer „verkleinerten EKU“, die „bestimmte Spezialaufgaben des EKU-Bestandes auch unter theologischer Verantwortung weiter stellvertretend für die VEK“ wahrnehme, ebenfalls für erforderlich hielt.149 Die beiden Papiere der EKU-internen Arbeitsgruppe, das von ihr erbetene Votum des Theologischen Ausschusses sowie ein Votum des Verfassungsausschusses der EKU, der die Anliegen und Wünsche der EKU noch einmal unter verfassungsrechtlicher Perspektive untermauerte,150 wurden auf der gemeinsamen Beratung der Bereichsräte am 3. Oktober vorgestellt und diskutiert, allerdings als noch nicht prägnant genug für eine inhaltliche Stellungnahme des Rates zu den Eisenacher Empfehlungen angesehen, woraufhin Winter „für die nächste Sitzung eine knappe richtungweisende Vorlage“ ankündigte.151 Diese knappe Vorlage wurde von Rudolf Schulze 149 EBD., S. 7. 150 J. Rohde/R. Schulze/H.-G. Hafa: Stellungnahme zur verfassungsrechtlichen Situation der EKU bei der Bildung einer größeren kirchlichen Gemeinschaft (aufgrund der Arbeitsergebnisse des Verfassungsausschusses der EKU vom 27.9.1979), undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547). 151 M. Kruse/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 54. Gemeinsame Beratung der

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

entworfen und auf der Sitzung der EKU-internen Arbeitsgruppe am 6. November diskutiert.152 In diesem Papier stellte Schulze der in der Leuenberger Konkordie erklärten und in den bilateralen Lehrgesprächen „festgestellten Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung“, die eine „zukünftige kirchliche Gemeinschaft aller evangelischen Kirchen in der DDR“ überhaupt erst ermögliche, das Selbstverständnis der EKU an die Seite und benannte damit weitere Punkte, die für die Bildung der „zukünftigen kirchlichen Gemeinschaft“ nach Meinung der EKU konstitutiv sein müssten.153 Dabei wurden aus den Grundlagen der EKU (Bindung an das Wort der Heiligen Schrift, an die altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisse sowie an die Theologische Erklärung von Barmen als „aktueller Wegweisung“) vor allem zwei in einen neuen Zusammenschluss einzubringende Grundzüge des EKU-Selbstverständnisses entwickelt: zum einen die „Gemeinschaft im Dienst am Evangelium zwischen unterschiedlichen Traditionen“ (als Umsetzung der Bindung an die reformatorischen Bekenntnisse), zum anderen „die Bereitschaft zum aktuellen Bekennen und Handeln in öffentlicher und kirchlicher Verantwortung“ (als Umsetzung des Bestimmtseins durch die Barmer Theologische Erklärung).154 Die Bindung der EKU an die reformatorischen Bekenntnisse wurde im weiteren dahingehend entfaltet, dass die EKU „Bekenntniskirche“ sei, „die die reformatorischen Bekenntnisse gleichwertig anerkennt, die in ihr vertretenen unterschiedlichen Traditionen nicht als Anders- oder Minderheiten qualifiziert, sondern partnerschaftlich zueinanderbringt und sie gemeinschaftlich aufnimmt und vertritt“. Von daher sei die Bekenntnisbindung der EKU nicht „exklusiv“, sondern „inklusiv“ zu verstehen als Bemühen, durch das Gespräch zwischen den Traditionen „in der zeitbezogenen Schriftauslegung zu wachsen und in der Gemeinschaft des Dienstes voranzukommen“.155 Der andere Wesenszug der EKU – ihr aktuelles Denken, Reden und Handeln in Umsetzung ihrer „Bejahung der Theologischen Erklärung von Barmen als ein Glaubenszeugnis von wegweisender Bedeutung“ – wurde vor allem an der Entscheidung der EKU von 1972, ihre Regionalisierung unter Beibehaltung der Gemeinschaft beider Bereiche in einer Kirche durchzuführen, verdeutlicht, womit der „Sachzusammenhang von Zeugnis und Ordnung nach Barmen III“ als Kennzeichen der EKU in den Vordergrund trat. Dieser Sachzusammenhang sei – so Schulze – von der EKU damals „aktuell praktiziert und damit in der Weise der Gestaltung ihrer Ordnung erneut bekannt worden“. An dieser Entscheidung der EKU werde „ihr Verständnis ihrer selbst als Kirche deutlich ablesbar“.156 Entsprechend wende sie „der Frage nach grösstmöglicher Klarheit Bereichsräte der EKU am 3.10.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186), S. 2. 152 R. Schulze: Vorlage für die Sitzung der EKU-internen Arbeitsgruppe am 6.11.1979, undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547). 153 Vgl. EBD., S. 1 (Punkt 1) und 3 (Punkt 5). 154 EBD., S. 1. 155 EBD.

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des Zeugnisses in den Strukturen und Ordnungen höchstmögliche Aufmerksamkeit zu“.157 Zwar sei die „Ordnung der EKU grundsätzlich offen für die Festigung und Vertiefung grösserer kirchlicher Gemeinschaft“, diese Grundsätzlichkeit beinhalte aber, dass „die in der EKU erreichte kirchliche Gemeinschaft in einer neuen Gemeinschaft kirchlich-theologisch erhalten oder überboten werden“ müsse, „wenn diese mit einem Aufgeben der EKU verbunden werden soll“. Insbesondere gelte „dies im Blick auf die von der EKU bewahrte Einheit ihrer Bereiche“ in Ost und West.158 Darüber hinaus müsse die EKU – unabhängig von der Frage ihres „Aufgebens“ – zur Geltung bringen, dass „die anzustrebende grössere kirchliche Gemeinschaft . . . organisatorisch, rechtlich und finanziell nur sinnvoll“ sei, „wenn sie, wie die EKU aus ihrer Geschichte, in diesen Hinsichten das grösstmögliche Mass von Einfachheit und Durchschaubarkeit“ erreiche.159 Abschließend wurde klargestellt, dass durch die zum Ausdruck gebrachte Betonung der Ordnung „die Frage der Ordnung der Kirche . . . nicht auf eine Ebene mit der Wortverkündigung gestellt, wohl aber die Gestaltung kirchlicher Institution in den Rang der Verantwortlichkeit für das nichtverbale Zeugnis gehoben“ werde.160

Schulzes Papier, das in der Frage der Bekenntnisbindung als Entfaltung von Artikel II 3.3 der Eisenacher Empfehlungen gelten konnte, hinsichtlich des Sachzusammenhanges von Zeugnis und Ordnung jedoch weit über das hinausging, was in Eisenach als möglich und sinnvoll angesehen worden war, bildete am 7. November 1979 die Grundlage für einen Beschlusstext des Rates der EKU „zu den Eisenacher Empfehlungen I und II“.161 Dieser erste Beschluss der EKU „zu den Eisenacher Empfehlungen“ hielt sich im Wesentlichen an die Konzeption der Vorlage und war dementsprechend weder ein Aneignungsbeschluss noch von den Aussagen her überhaupt ein Beschluss zu dem Eisenacher Ergebnis, sondern vor allem eine Reflexion der EKU über sich selbst und ihre Grundlagen. Wenn diese Überlegungen dennoch unter die Überschrift „Beschluß des Rates der EKU . . . zu den Eisenacher Empfehlungen . . .“ gestellt werden konnten, geschah das unter 156 EBD., S. 2 (die Hervorhebung ist im Original als Unterstreichung ausgeführt). 157 EBD. 158 EBD. 159 EBD., S. 3. 160 EBD. 161 Beschluss des Rates der EKU – Bereich DDR – zu den Eisenacher Empfehlungen I und II, 7.11.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18). – Erarbeitet wurde der Beschluss auf der gemeinsamen Sitzung beider Räte (vgl. E. Natho/J. Rogge/W. Fischer: Niederschrift über die 55. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 7.11.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 186], S. 1), förmlich beschlossen im Bereichsrat Ost (vgl. E. Natho/J. Rogge/W. Fischer: Niederschrift über die 77. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 7.11.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 171], S. 2) und am 4. Dezember vom westlichen Bereichsrat übernommen (P. Kraske/M. Kruse/J. Rohde: Niederschrift über die 54. Sitzung des Rates der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – am 4.12.1979 [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 195], S. 5).

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der bereits bei Winter zu beobachtenden und bei Schulze zum Ausdruck gebrachten, im Beschluss selbst allerdings nicht ausdrücklich genannten Voraussetzung, dass das Profil der in Eisenach empfohlenen VEK durch die theologischen Grundlagen der EKU ergänzt werden müsse und könne. Gedacht war dabei vor allem an eine deutliche Berücksichtigung der Einsicht von Barmen III, dass das Selbstverständnis der Kirche als „Gemeinde von Brüdern“ auch in ihrer Gestalt und in ihrer Ordnung zum Ausdruck kommen müsse, womit sich die EKU allerdings auf ein Anliegen konzentrierte, das zwischen ihr und der lutherischen Seite kontrovers war und voraussichtlich auch kontrovers bleiben würde. Insofern stand die EKU bereits mit diesem Beschluss in der Gefahr, den gemeinsamen Boden, der in Eisenach gesucht und beschrieben worden war, zu verlassen und den angestrebten Zusammenschluss von seinem Profil her nicht mehr als eine Neubildung aus allen drei gesamtkirchlichen Zusammenschlüssen, sondern vor allem als eine vergrößerte EKU zu begreifen.162 Der Beschluss ging von den vorhandenen Gemeinsamkeiten aus und stellte das „gemeinsame Grundverständnis des Evangeliums“, wie es in der EKU als Basis für ihre „Gemeinschaft . . . im Dienst am Evangelium“ (Art. 1.1 OEKU) vorhanden und durch die Leuenberger Konkordie sowie die Lehrgespräche mit den Lutheranern weiter vertieft worden sei (Absatz 2), an den Anfang. Erst danach wurde die Bekenntnisbindung der EKU im Sinne der Vorlage skizziert, allerdings ohne die von Schulze gezogene Konsequenz einer in der EKU vorhandenen inklusiven Bekenntnisbindung, die vom Ansatz her auch Offenheit gegenüber weiteren Bekenntnissen bedeutet hätte, zu übernehmen: „Die EKU ist bekenntnisgebundene Kirche, die die in ihren Gemeinden in Geltung stehenden reformatorischen Bekenntnisse als unerläßliche Hilfe zum Verständnis der Schrift anerkennt, die in ihr vertretenen unterschiedlichen Traditionen nicht als Minderheiten qualifiziert, sondern partnerschaftlich zueinanderbringt und sie gemeinschaftlich aufnimmt und vertritt.“163 Absatz 3 bekräftigte dann noch einmal – neben der Bindung an die Heilige Schrift und die altkirchlichen Bekenntnisse – die Bindung der EKU an die „in ihren Gemeinden geltenden reformatorischen Bekenntnisse“, um im Anschluss daran – wie von Winter gefordert – die „Negationen“ und „Positionen“ der Theologischen Erklärung von Barmen „als aktueller Wegweisung“ ausdrücklich zu bejahen. Während Absatz 4 auf die Bedeutung der Beziehungen „zum Ökumenischen Rat und zu anderen unierten Kirchen“ einging, trug Punkt 5 dem zweiten Schwerpunkt der Vorlage Rechnung und hob unter Hinweis auf den „Sachzusammenhang von Zeugnis und Ordnung nach Barmen III“ die bleibende Bedeutung der Ost-West-Gemeinschaft der beiden „Regionen“ der EKU hervor. 162 Ähnlich F. WINTER, Evangelische Kirche der Union, S. 261. 163 Beschluss des Rates der EKU – Bereich DDR – zu den Eisenacher Empfehlungen I und II, 7. 11. 1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18).

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Auch hier wurde weniger pointiert als in der Vorlage – und damit freilich auch weniger klar – formuliert: „Der Sachzusammenhang von Zeugnis und Ordnung nach Barmen III ist 1972 von der EKU im Zusammenbleiben in einer Kirche aktuell praktiziert worden. Diese theologische Entscheidung ist für das Zusammenleben in zwei Regionen auch weiterhin von Bedeutung und bedarf einer neuen Auslegung angesichts des Werdens einer Vereinigten Kirche.164 Insbesondere die letzte Formulierung konnte bei Nichtkenntnis der Vorlage den Eindruck einer gewissen Bereitschaft der EKU erwecken, sich auf die neue Situation im Zusammenhang der Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche einzustellen. Freilich sprach der Beschluss nicht von einer Modifizierung der Entscheidung von 1972, sondern lediglich von ihrer Neuinterpretation und ließ zudem offen, in welche Richtung diese Neuinterpretation gehen sollte.165

Nach dem Beschluss des Rates zu den Abschnitten I und II der Empfehlungen wandte sich die EKU-interne Arbeitsgruppe in Vorbereitung eines noch ausstehenden Ratsbeschlusses zu den Abschnitten III–VI, der für die Sitzungsreihe am 4./5. März 1980 vorgesehen war,166 verstärkt Verfahrensfragen zu, wozu der westfälische Vizepräsident Wolfgang Martens (EKU West) als Jurist entsprechende Vorarbeiten leistete,167 in denen er eine stufenweise Integration der EKU in eine VEK durchaus für möglich hielt. Mit dieser das Eisenacher Modell grundsätzlich befürwortenden Intention traf sich Martens’ Entwurf mit einem späteren Beschlussentwurf des juristischen Mitglieds des Ostbereichs in der EKU-internen Arbeitsgruppe, Eberhard Völz. Beide vermochten sich damit jedoch nicht durchzusetzen. Aufgrund im Einzelnen nicht mehr zu klärender Vorgänge168 wurde ein Beschlussentwurf erstellt und dem Rat am 4./5. März zur Beschlussfassung vorgelegt, der im Wesentlichen an einem unveränderten Fortbestand der EKU festhielt und die Bildung einer VEK, die damit nur noch den Charakter eines veränderten Bundes trug, in eine ferne und unbestimmte Zukunft schob. Der Entwurf von Martens bejahte eingangs ausdrücklich „die Bildung eines neuen kirchlichen Zusammenschlusses im Sinne der Eisenacher Empfehlungen 164 EBD. 165 Die auffallende Verwendung der Begrifflichkeit aus der Zeit vor 1972 („Regionen“ und nicht „Bereiche“ wie in der Vorlage) ist nach einer Mitteilung von Präsident i. R. Friedrich Winter lediglich als ein „sprachlicher Irrtum“ zu bewerten (Schreiben vom 5.7.2001). 166 E. Natho/W. Fischer/B. Küntscher: Niederschrift über die 57. gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 6.2.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 187), S. 2. 167 W. Martens: Überlegungen zur Integration der EKU – Bereich DDR in einen neuen Zusammenschluß der Kirchen in der DDR (1. Entwurf), 14.1.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547); [Ders.]: Entschluß des Rates der EKU – Bereich DDR – zu den Eisenacher Empfehlungen (III–V) vom . . . (Entwurf), 15.2.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547). 168 Rückfragen bei Präsident i. R. Friedrich Winter als Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe und Oberkirchenrat i. R. Rudolf Schulze als deren Sekretär brachten an dieser Stelle keine Klarheit.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

als das von den evangelischen Kirchen in der DDR gemeinsam zu erstrebende Ziel“. Darüber hinaus hielt er es auch für möglich, in dem anstehenden Ratsbeschluss eine grundsätzliche Bejahung der „in den Abschnitten III–V der Eisenacher Empfehlungen enthaltenen Zielvorstellungen“ auszusprechen. Als Weg zur Umsetzung des genannten Ziels wurde ein schrittweiser Integrationsprozess für sinnvoll gehalten, dessen Tempo und Verlauf in dem zu fassenden Beschluss gegebenenfalls ausdrücklich an „das Maß der in Sachfragen jeweils erreichten Übereinstimmung“ zu binden sei. Im Rahmen dieses Integrationsprozesses sei die EKU bereit, sowohl „ihre Organisation sowie die Aufgaben und Zusammensetzung ihrer Organe“ zu verändern als auch „ihre Aufgaben und Einrichtungen auf den neuen kirchlichen Zusammenschluß zu übertragen“. Voraussetzung dafür sei freilich, „daß – insbesondere in den spezifischen Aufgaben und Arbeitsbereichen der EKU – die Arbeit mit der ursprünglichen Intention fortgesetzt werden“ könne. Zu den „Einzelheiten und zur Zeitfolge der Integration sowie zu den in Abschnitt V der Eisenacher Empfehlungen enthaltenen Vorschlägen“ könne allerdings „erst Stellung genommen werden, wenn die Arbeitsergebnisse der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zu den einzelnen Sachfragen vorliegen“.169 Eine ohne Verfasserangabe überlieferte, von Rogge später als „provozierend“ bezeichnete Beschlussvorlage170 war demgegenüber weitaus zurückhaltender. Zwar übernahm sie aus dem Martensschen Entwurf die dort eingangs erklärte Bejahung einer „Bildung des neuen kirchlichen Zusammenschlusses als ein von den evangelischen Kirchen und ihren Zusammenschlüssen in der DDR gemeinsam zu erstrebendes Ziel“, forderte jedoch gleichzeitig als Voraussetzung für dessen Umsetzung eine genauere Ausarbeitung der Zielstellung. Darüber hinaus legte sie deutlich größeres Gewicht auf den unangetasteten Fortbestand der EKU und ließ folglich alle Formulierungen weg, aus denen eine Bereitschaft der EKU zur Veränderung ihrer Struktur oder zur Übertragung von Aufgaben gefolgert werden könnte. Ausdrücklich erklärte dieser Entwurf: „Die EKU bleibt bestehen. Sie ist aus theologischen und rechtlichen Gründen nicht auflösbar.“ Die Vorstellung eines schrittweisen Integrationsprozesses wurde nicht übernommen, sondern lediglich ein Beitritt der EKU „in den neuen kirchlichen Zusammenschluß als Gliedkirche“ als möglich, allerdings auch nicht als unbedingt notwendig angesehen. Nähere Aussagen zum „Verfahren der Zusammenführung insgesamt sowie zu den in Abschnitt V der Eisenacher Empfehlungen enthaltenen Vorschlägen“ wurden nicht wie bei Martens unbestimmt an „Arbeitsergebnisse der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zu den einzelnen Sachfragen“ gebunden, sondern an das Vorliegen eines „Verfassungsentwurfs des künftigen Zusammenschlusses“.171 169 [W. Martens]: Entschluß des Rates der EKU – Bereich DDR – zu den Eisenacher Empfehlungen (III–V) vom . . . (Entwurf), 15.2.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547). 170 [J. Rogge]: Bericht auf der EKU-Synodalrüste am 22.3.1980 in Berlin-Karlshorst über den Sachstand der Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen vom 28.1.1979 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 111), S. 9. 171 Beschluss des Rates der EKU – Bereich DDR – zu den Eisenacher Empfehlungen III–V (Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1548).

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Inwieweit das dritte Papier von Völz172 als Gegenentwurf zu dieser Beschlussvorlage gedacht war, ist nicht erkennbar, allerdings wurde darin eine deutlich größere Bereitschaft zur Beteiligung an der Bildung einer VEK zum Ausdruck gebracht. Freilich folgte auch Völz dem Martensschen Vorschlag nicht in allen Punkten, sondern nahm eine unauffällige, aber wesentliche Korrektur vor. Hatte Martens die erklärte Bereitschaft zur Abgabe von Aufgaben daran gebunden, dass die Arbeiten in den spezifischen Arbeitsbereichen der EKU auch weiterhin mit der ursprünglichen Intention fortgesetzt werden könnten, was eine Fortsetzung der genannten Aufgaben im Rahmen der VEK nicht von vornherein ausschloss, ging Völz nicht nur davon aus, dass diese spezifischen Aufgaben bei der EKU verbleiben, sondern bezeichnete die Konzentration der EKU auf diese spezifischen Aufgaben auch als das eigentliche Ziel der Aufgabenabgabe. Motiv für eine Beteiligung der EKU an einer VEK war damit nicht eine größere Gemeinschaft und auch nicht in erster Linie eine Strukturvereinfachung, sondern die Chance für die EKU, sich der für sie unspezifischen Aufgaben zu entledigen und sich auf das Eigentliche zu konzentrieren. Darüber hinaus übernahm Völz die bei Martens noch als Auswahlformulierung in Klammern gesetzte Bindung von „Zeitablauf und Verlauf des Integrationsprozesses“ an „das Maß der in Sachfragen jeweils erreichten Gemeinschaft“ in den Haupttext.173

Auf der gemeinsamen Beratung der Bereichsräte am Vormittag des 5. März wurden anhand der einzelnen Beschlussentwürfe, nachdem diese bereits am Tag zuvor in der Sitzung des westlichen Bereichsrates diskutiert worden waren,174 „ausführlich und grundsätzlich Fragen der EKU, die sich aus den Eisenacher Empfehlungen III–V im Blick auf die Zusammenführung der gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse und des damit verbundenen Verfahrens ergeben“, beraten.175 Dabei entzündete sich die Kontroverse insbesondere an dem abwartenden Beschlussentwurf, der von einigen Vertretern des Bereichsrates DDR deutlich favorisiert, von anderen jedoch ebenso deutlich abgelehnt wurde. Angesichts dessen bat Bischof Schönherr in der Nachmittagssitzung des östlichen Bereichsrates, der den formellen Beschluss zu fassen hatte, bei diesem Tagesordnungspunkt darum, „die Diskussion über den vorliegenden Text zurückzustellen“ und erst einmal die vorhandenen „Meinungen und Befürchtungen“ auszusprechen.176 Daraufhin 172 E. Völz: Beschluß des Rates der EKU – Bereich DDR – zu den Eisenacher Empfehlungen (III–V) vom . . ., 28.2.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1548). 173 EBD. 174 P. Kraske/M. Kruse/J. Rohde: Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift über die 56. Sitzung des Rates der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – am 4.3.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1548). 175 E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 58. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 5.3.1980, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 187), S. 2. 176 Vermerk betr. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 5.3.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1548), S. 1.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

wurden entsprechende Befürchtungen insbesondere von den Vertretern der drei kleineren Kirchen (Anhalt, Görlitz, Greifswald) geäußert. Kirchenpräsident Natho fasste seine Bedenken in drei Punkten zusammen: „1. Wir geben Bewährtes auf. Was wir bekommen, ist zweifelhaft. 2. Immer deutlicher kommt heraus, daß es in der DDR nicht drei, sondern vier kirchliche Zusammenschlüsse gibt, von denen drei in der neuen Kirche aufgehen sollen, einer aber (das Nationalkomitee des LWB) neben der neuen Kirche bestehen bleibt. 3. Der neue Zusammenschluß wird für die Gliedkirchen bei weitem nicht dieselbe Verbindlichkeit haben wie die EKU.“177 Die Bischöfe Gienke und Wollstadt führten darüber hinaus die gewachsene Verbundenheit mit der EKU an sowie „die vielen Enttäuschungen“, die man „in der Gemeinschaft des Kirchenbundes bisher schon erlebt habe“. Des Weiteren bestünde auch – so Gienke – eine „emotionale Barriere“. Denn: „Mit der Bildung einer VEK geben wir der DDR doch fast so etwas wie eine ‚ekklesiale Qualität‘“.178

Zwar wandten sich auch die Gegner des konservativen Beschlussentwurfs gegen eine vollständige Umsetzung der Eisenacher Empfehlungen, wiesen aber gleichzeitig auf die dringlich notwendige Vereinfachung der gesamtkirchlichen Strukturen hin. Schönherr erläuterte, dass deswegen für ihn „die Hauptsache keineswegs dies“ sei, „daß es zu einem ‚neuen ekklesialen Gebilde‘ kommen müsse“, hier reiche der Bund aus. Entscheidend sei vielmehr eine neue und vereinfachende Aufgabenverteilung. Aus diesem Grund melde er „gegen die Beibehaltung einer ‚vollen EKU‘ mit Synode, Rat und Kanzlei . . . seinen energischen Protest an“. Über den Fortbestand einer „Rest-EKU“ ließe sich hingegen reden. Entsprechend riet er dringlich dazu, die strittige Vorlage fallen zu lassen und einen neuen Entwurf zu formulieren.179 Wollstadt brachte daraufhin den Beschlussentwurf von Völz ins Gespräch, der nach einer Erläuterung durch den Autor „Punkt für Punkt durchberaten und am Ende mit einigen Veränderungen einstimmig beschlossen“ wurde.180 Übernommen wurden in diesen „Beschluß des Rates des EKU – Bereich DDR – zu den Eisenacher Empfehlungen (III bis V)“ vom 5. März181 aus dem Entwurf von Völz die dort in Anlehnung an Martens formulierte Position, dass das Ziel einer Verdichtung der Kirchengemeinschaft „nur

177 EBD. 178 EBD., S. 2. 179 EBD., S. 2 f. 180 EBD., S. 4. 181 E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 81. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 5.3.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 172), S. 2 f. (der Beschluss ist abgedruckt in: epd Dokumentation 19/1980, S. 35).

Standortsuche

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schrittweise, im Vollzug eines Integrationsprozesses, verwirklicht werden“ könne, dessen „Zeitablauf und Verlauf . . . dabei durch das Maß der in den Sachfragen jeweils erreichten Gemeinsamkeit bestimmt werden“ (und nicht durch einen vorgegebenen Zeitplan), wobei „zu den Einzelheiten und zur Zeitfolge der Integration“ erst nach konkreten Arbeitsergebnissen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe Stellung genommen werden könne.182 Übernommen wurde auch die bei Martens und Völz erklärte Bereitschaft der EKU, „im Vollzug des Integrationsprozesses Aufgaben und Einrichtungen auf den neuen kirchlichen Zusammenschluß zu übertragen“ und „Organisation sowie Aufgaben und Zusammensetzung ihrer Organe entsprechend dem Verlauf des Integrationsprozesses zu verändern“.183 Übernommen wurde aus der Völzschen Vorlage aber auch die Motivation dieser Bereitschaft, dass sich die EKU „damit . . . auf die für sie spezifischen Aufgaben und Arbeitsbereiche konzentrieren“ wolle, womit ein Fortbestand nicht nur einer Rest-EKU, sondern einer Kern-EKU vorausgesetzt war. Nicht übernommen wurde hingegen die in allen Entwürfen vorangestellte Bejahung der „Bildung eines neuen kirchlichen Zusammenschlusses im Sinne der Eisenacher Empfehlungen als das von den evangelischen Kirchen in der DDR gemeinsam zu erstrebende Ziel“. Der Rat griff stattdessen auf seinen Beschluss vom 4. April 1979 zurück und formulierte in wörtlicher Übereinstimmung: „Der Rat der EKU – Bereich DDR – sieht in den Empfehlungen der Delegiertenversammlung von Eisenach das zu begrüßende Bestreben, die erreichte Kirchengemeinschaft zu verdichten.“184 Auf diese Weise erhielt der Beschluss ein deutlich anderes Gefälle als der Entwurf von Völz und unterschied sich damit – auch wenn es über seine Auslegung unterschiedliche Ansichten gab185 – nur noch wenig von der zuvor zurückgezogenen Ratsvorlage. Seinem Inhalt nach war er ein Kompromiss zwischen der völlig ablehnenden Position, die am liebsten alles beim Alten gelassen hätte (Natho), und der Einsicht in die Notwendigkeit von Strukturvereinfachungen (Schönherr). Im Verbund mit dem Votum des Thüringer Landeskirchenrates, das lediglich für einen „verbesserten“ Bund eingetreten war,186 nährte der Beschluss deshalb allgemein die Vermutung, dass es wohl nicht zu der in Eisenach angestrebten VEK kommen werde.187 182 EBD. 183 EBD., S. 2. 184 EBD. 185 Siehe unten S. 318. 186 Siehe oben S. 267. 187 Vgl. die Diskussion in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe (unten S. 318 f.) sowie E. Brinkel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der VELK DDR am Freitag, dem 7.3.1980, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 374), S. 3 f.; O. Lingner: Vermerk über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 12.3.1980, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 362), S. 2.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“ Übereinstimmung in der Tendenz

5.2. Übereinstimmung in der Tendenz 5.2.1. Die Neubildung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe Im Interesse einer zügigen Weiterarbeit an ihren „Empfehlungen“ hatten die in Eisenach versammelten Delegierten vorgeschlagen, ein gemeinsames Gremium der drei gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zu bilden, das diese Weiterarbeit in Gang halten und organisieren sollte, wobei sie an eine entsprechende Beauftragung der bereits bestehenden Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe (GVG)188 dachten. Daraufhin entwickelte die GVG auf ihrer nächsten Beratung am 19. Februar 1979 eine Konzeption für ein solches Gremium, nach der sich eine Koordinierungsgruppe auf der einen und Themengruppen auf der anderen Seite die Arbeit teilten. Die Koordinierungsgruppe sollte zum einen die Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen insgesamt koordinieren und zum anderen selbst an der Frage des Selbstverständnisses des neuen Zusammenschlusses weiterarbeiten. Dabei wurde ihre Beauftragung ausdrücklich auf die Vorbereitung von Vorlagen und Entwürfen ohne Entscheidungskompetenz eingegrenzt, sodass ihre Ergebnisse in jedem Fall noch „den Zusammenschlüssen und Gliedkirchen zur Beschlußfassung vorzulegen sein“ würden.189 Hinsichtlich ihrer Zusammensetzung wurde eine Beteiligung aller Landeskirchen und gesamtkirchlichen Gremien vorgesehen, sodass sich in etwa eine Zahl von 15 Mitgliedern ergab.190 Dieser Koordinierungsgruppe stellte der Vorschlag der GVG zwei Spezialgruppen an die Seite, von denen sich die erste mit der „Struktur der künftigen Gesamtkirche, wie sie in ihrer Verfassung zum Ausdruck kommen müßte“, und die zweite mit der „künftigen Gestaltung der Beziehung zu den Kirchen in der BRD“ befassen sollte.191 Für die Arbeitsgruppe zur besonderen Gemeinschaft (später vielfach als „kleine Arbeitsgruppe“ bezeichnet) war an eine Entsendung von jeweils zwei Vertretern der drei Zusammenschlüsse gedacht, die unter Hinzuziehung „geeigneter Gesprächspartner“ aus den westdeutschen Kirchen „möglichst bald“ ihre Arbeit aufnehmen sollten.192 Die Zusammensetzung der größeren Arbeitsgruppe für Verfassungsfragen (später vielfach als „spezielle Arbeitsgruppe“ bezeichnet) wurde zwar nicht in dieser Weise aufgeschlüsselt, eine ausgewogene Vertretung der drei Zusammenschlüsse war aber ebenfalls vorausgesetzt.

Während der Rat der EKU auf seiner Zusammenkunft am 7. März eine Stellungnahme zu diesen Vorschlägen der GVG zurückstellte, „bis es zu 188 Siehe oben S. 193, Anm. 185. 189 J. Rogge/Ch. Demke/H. Zeddies: Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 19.2.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17), S. 2. 190 EBD., S. 2 f. 191 EBD. 192 EBD., S. 3.

Übereinstimmung in der Tendenz

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den Aneignungsbeschlüssen nach VI/1 der Empfehlungen gekommen“ sei,193 akzeptierte die Kirchenleitung der VELK auf ihrer Sitzung am 9. März die Bildung der „vorgeschlagenen Koordinierungsgruppe“, wobei eine konkrete Beschreibung „ihrer Aufgabe hinsichtlich Aufgaben, Selbstverständnis und Struktur einer VEK“ als notwendig festgehalten wurde. Ebenso hielt es die VELK-Kirchenleitung „für möglich, durch eine Verringerung der Gesamtzahl der Mitglieder die Effektivität der Arbeit zu erhöhen und Kriterien zur Geltung zu bringen, die beim gegenwärtigen Vorschlag nicht berücksichtigt sind (mehr Synodale, Frauen)“.194 Von den Spezialgruppen wurde die angestrebte Bildung einer „besonderen Gruppe für Struktur- und Verfassungsfragen einer VEK zur Kenntnis“ genommen, die „Notwendigkeit einer Personengruppe, die sich möglichst bald den Beziehungen zu den Partnerkirchen zuwendet“, hingegen ausdrücklich bejaht und bereits die zu entsendenden Vertreter der VELK benannt.195 Dieses Votum der Lutherischen Kirchenleitung griff die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen auf ihrer Klausurtagung vom 9. bis 11. März auf, sprach sich jedoch nicht – wie von der VELK vorgeschlagen – für eine Reduzierung der Mitgliederzahl im Interesse größerer Arbeitseffektivität, sondern für ihre Erhöhung von 15 auf 21 im Interesse einer möglichst umfassenden Beteiligung der Zusammenschlüsse und Gliedkirchen aus. „Gespräche mit Vertretern aus der BRD“ sollten nach Ansicht des KKL „möglichst bald“ beginnen, weshalb sie – wie bereits zuvor die Kirchenleitung der VELK – ihrerseits zwei in das entsprechende Gremium zu entsendende Vertreter benannte.196 Während die VELK dieser Empfehlung, „eine Vorbereitungsgruppe zu bilden, die etwa 21 Mitglieder hat und Untergruppen bildet“,197 am 11. Mai mit der Bestätigung ihrer Meinungsbildung vom 9. März Rechnung trug,198 in der sie ihren Wunsch nach einer Reduzierung der Mitgliederzahl nicht noch einmal wiederholte, äußerte sich der Rat der EKU in seinem Beschluss vom 4. April wiederum nicht zu Einzelheiten der Weiterarbeit, 193 W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 70. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 7.3.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 171), S. 2. 194 Meinungsbildung der Kirchenleitung der VELK zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 9.3.1979, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 1. 195 EBD., S. 2. 196 [Ch. Demke]: Mitschrift der KKL-Sitzung, 10.3. 79. TOP Delegiertenversammlung (EZA BERLIN, 688, Nr. 90), S. 6; A. Schönherr/M. Stolpe/L. Borgmann/Ch. Demke: Protokoll der 60. Tagung der KKL am 9./11.3.1979 in Buckow (Klausurtagung), undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 106), S. 4. 197 A. Schönherr/M. Stolpe/W. Pabst: Protokoll über die 99. Sitzung des Vorstandes am 22.3.1979 in Dresden, 27.3.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 118), S. 2. 198 Vgl. Stellungnahme der Kirchenleitung der VELK DDR vom 9.3./11.5.1979 zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung (EZA BERLIN, 101, Nr. 25).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

sondern erwartete von der GVG, die am 8. Mai zu ihrer nächsten Sitzung zusammentreten sollte, erst einmal weitere Präzisierungen.199 Noch vor der genannten Zusammenkunft der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe kam aus der EKU allerdings ein zusätzlicher Impuls, der die weitere Diskussion nicht unwesentlich beeinflusste. Auf ihrer gemeinsamen Beratung am 7. Mai hatten die Kollegien beider Kanzleien beschlossen, „daß der GVG am 8.5. vorgeschlagen wird, zur GVG Vertreter aus der Bundesrepublik Deutschland in einem noch festzulegenden Status hinzuziehen“. Darüber hinaus wurde „verbindlich vorgemerkt, daß die Frage eines gleichen Vorschlages für die ‚spezielle AG‘ noch am 8.5. erneut beraten“ werden solle.200 Nach diesem Plan wären Vertreter der westlichen Kirchen in allen drei Arbeitsgruppen vertreten gewesen, denn für die „kleine Arbeitsgruppe“, die die Frage der besonderen Gemeinschaft klären sollte, war dies ohnehin von Anfang an vorgesehen.

Auf der Zusammenkunft der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 8. Mai wurden dann letzte Hindernisse für die Bildung eines Vorbereitungsgremiums durch entsprechende Beschlüsse von Bund, EKU und VELK ausgeräumt. Die GVG fasste auf dieser Beratung nicht nur die von den Zusammenschlüssen bereits inoffiziell benannten Delegierten in einem Gesamtpersonalvorschlag zusammen, sondern umriss auch in einer ausführlichen Diskussion jene Aufgabengebiete, auf die sich die Weiterarbeit insgesamt und damit auch die der neu zu berufenden Vorbereitungsgruppe konzentrieren müsste.201 Die Diskussion innerhalb der GVG bestätigte noch einmal die bereits bekannten und zum Teil auf der Delegiertenkonferenz oder auch unabhängig davon bereits diskutierten Probleme. Das von ihr vorgeschlagene Verfahren entsprach dem von Anfang an favorisierten Modell eines größeren Gremiums auf der einen Seite, das als ganzes vor allem für Grundsatzentscheidungen zuständig war und erarbeitete Vorlagen zu diskutieren sowie entsprechende Beschlüsse zu fassen hatte, und mehreren daraus gebildeten Untergruppen auf der anderen Seite, in denen die eigentliche Sacharbeit stattfinden sollte. Insgesamt sah die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe in ihrem Vorschlag fünf Untergruppen vor: Gruppe I – und nicht mehr, wie anfangs vorgeschlagen, das Gesamtgremium – sollte sich der Klärung des Selbstverständnisses des neuen Zusammenschlusses widmen, wobei als besondere Probleme nach wie vor die Frage der Bekennt199 W. Krusche/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 4.4.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 2. 200 J. Rogge/W. Fischer: Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift über die gemeinsame Beratung der Kollegien der Kirchenkanzlei der EKU vom 7.5.1979 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110). 201 Vgl. J. Rogge/M. Stolpe/H. Zeddies: Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 8.5.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110).

Übereinstimmung in der Tendenz

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nisbindung der geplanten VEK und im Zusammenhang damit die Frage ihres Kircheseins anstanden.202 Gruppe II hatte die Frage der Aufgabenverteilung zwischen Gliedkirchen und Gesamtkirche weiter zu durchdenken, was neben einer Überprüfung des bereits vorliegenden Materials (vor allem die „Aktivitätenliste“ sowie die auf deren Grundlage von der Delegiertenversammlung erstellten Listen) auch Überlegungen zur Verbindlichkeit („Toleranzrahmen“) einer einmal festgelegten Aufgabenverteilung beinhaltete.203 Thema einer dritten Gruppe sollte die Struktur des neuen Zusammenschlusses sein, wobei nicht nur an eine Beschreibung seiner Organe und Gremien und ihres Verhältnisses zueinander gedacht war, sondern auch an grundsätzliche Überlegungen zu Formen und Inhalten föderativen Handelns.204 Der Aufgabenbereich dieser Gruppe entsprach damit in etwa dem der bis dahin diskutierten „speziellen Arbeitsgruppe“. Das Thema der Gruppe IV ergab sich nicht unmittelbar aus der Diskussion der Eisenacher Empfehlungen, sondern aus dem bereits seit 1977 bestehenden Auftrag an die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, „eine Konzeption über den Umfang gesamtkirchlicher Arbeit und ihre Finanzierung zu erarbeiten und ein Modell zur Wahrnahme gesamtkirchlicher Verantwortung vorzulegen“ (Finanzkonzeption).205 Da eine Klärung dieser Frage unmittelbar von der künftigen Struktur gesamtkirchlicher Arbeit abhing, bot es sich an, sie zumindest in engem Kontakt mit der weiteren Arbeit an den Eisenacher Empfehlungen weiter zu verfolgen.206 Der Aufgabenbereich der Gruppe V entsprach dem, was bis dahin für die „kleine Arbeitsgruppe“ vorgesehen war. Sie sollte sich ausschließlich der Frage nach Umfang, Inhalt und organisatorischer Struktur einer künftigen Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft widmen.207

Zusammen mit diesen Themenbeschreibungen formulierte die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe „Empfehlungen“ zum weiteren Verfahren, in denen die bereits erwähnten Personalvorschläge sowie die Anregung der EKU enthalten waren, zu den Beratungen der Vorbereitungsgruppe „je einen Vertreter von EKD, EKU (Bereich BRD) und VELKD als mitarbeitende Gäste hinzuziehen“.208 Die Gruppe selbst sollte aus jeweils acht Vertretern der drei gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR und damit aus 24 (bzw. 27) Personen bestehen. 202 Vgl. EBD., S. 3 f. 203 Vgl. EBD., S. 1 f. 204 Vgl. EBD., S. 2–4. 205 KKL (I. Braecklein): Beschluß der Konferenz zur Durchführung der Beschlüsse der 5. Tagung der 2. Synode vom 9. Juli 1977 (Anlage 4), 9.7.1977 (EZA BERLIN, 101, Nr. 103). 206 Vgl. J. Rogge/M. Stolpe/H. Zeddies: Niederschrift (vgl. Anm. 201), S. 4 f. 207 Vgl. EBD., S. 5. 208 Empfehlungen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe an den Rat der EKU (Bereich DDR), die Kirchenleitung der VELK und die KKL des Bundes vom 8.5.1979 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 343).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Diese Vorschläge der GVG lagen den Leitungsgremien der drei gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse auf ihren unmittelbar folgenden Beratungen vor und wurden von ihnen im Wesentlichen akzeptiert. Der Rat der EKU stimmte am 9. Mai zu,209 die Kirchenleitung der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche am 10./11. Mai210 und die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen auf ihrer 61. Tagung am 11./12. Mai.211 VELKKirchenleitung und KKL akzeptierten dabei auch die auf Vorschlag der EKU formulierte Empfehlung der GVG, an der Arbeit der (neuen) „gemeinsamen Vorbereitungsgruppe“ Vertreter der westdeutschen Kirchen zu beteiligen. Am 14. Mai wurden die gleich lautenden Beschlüsse der drei Leitungsgremien zu einem „Gemeinsamen Beschluß des Rates der EKU (Bereich DDR), der Kirchenleitung der VELK in der DDR und der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen des Bundes“ zusammengefasst.212 Abgesehen von geringfügigen personellen Korrekturen folgte dieser Gemeinsame Beschluss dem Vorschlag der GVG vom 8. Mai. „Für die Weiterarbeit an den Empfehlungen der Delegiertenversammlung wird den [Eisenacher] Empfehlungen entsprechend eine gemeinsame Vorbereitungsgruppe gebildet. Schwerpunkte sind Fragen des Selbstverständnisses und der Ordnung des vorgesehenen Zusammenschlusses, der Aufgaben, Struktur und Finanzierung gesamtkirchlicher Arbeit, des föderativen Handelns und der besonderen Gemeinschaft mit den Partnerkirchen. Die Vorbereitungsgruppe bildet aus ihrer Mitte Untergruppen für die anstehenden Problembereiche. Die Koordinierung der Vorarbeiten ist Aufgabe der Vorbereitungsgruppe.“ Zu ihr sollten im Einzelnen gehören: Bund: Johannes Cieslak, Kurt Domsch, Martin Kramer, Ingemar Pettelkau, Albrecht Schönherr, Otto Schröder, Christina Schultheiß und Manfred Stolpe; EKU: Hans-Joachim Fränkel (nach dessen Ruhestand: Eberhard Völz), Horst Gienke, Hartmut Grüber (ref.), Hans-Martin Harder, Werner Krusche, Eberhard Natho, Joachim Rogge und Helmut Waitz; VELK: Margot Bähr, Eberhard Beyer, Johannes Hempel, Werner Leich, Hartmut Mitzenheim, Peter Müller, Heinrich Rathke und Helmut Zeddies. Dieser Vorbereitungsgruppe wurde ausdrücklich „empfohlen, zu ihren Beratungen je einen Vertreter von EKD, EKU (Bereich BRD) und VELKD als mitarbeitende Gäste hinzuzuziehen“.213

209 E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 72. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 9.5.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 171). 210 E. Brinkel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der VELK in der DDR vom 10./11.5.1979 in Zwickau, Domgemeindehaus, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 374), S. 2. 211 A. Schönherr: Auszug aus dem Protokoll der 61. Tagung der KKL am 11. und 12.5.1979 in Zwickau, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17). 212 In: EZA BERLIN, 108/92, Nr. 110. 213 EBD.

Übereinstimmung in der Tendenz

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Diese neue Gemeinsame Vorbereitungsgruppe trat am 5. Juli 1979 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen, woraufhin das Mandat der alten Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe erlosch.214

5.2.2. Die Auseinandersetzung um die Beteiligung westdeutscher Gäste Obwohl der Passus über die mitarbeitenden Gäste von den Leitungsgremien der gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR ohne wesentliche Einwände beschlossen worden war – in der Konferenz der Kirchenleitungen gab es lediglich eine Stimmenthaltung215 –, bestand zumindest im Sekretariat des Bundes von Anfang an Klarheit darüber, dass gegen diesen Teil des Gemeinsamen Beschlusses ein Einspruch der für Kirchenfragen zuständigen staatlichen Stellen zu erwarten war. Um die Intensität dieses Einspruchs zu klären, bemühte sich der Leiter des Sekretariats, Stolpe, um einen Gesprächstermin im SED-Zentralkomitee, der für den 25. Juni 1979 zugestanden wurde. Bei diesem Gespräch, an dem seitens der Arbeitsgruppe Kirchenfragen deren Leiter Rudolf Bellmann sowie Eberhard Hüttner teilnahmen, überreichte Stolpe den Gemeinsamen Beschluss vom 14. Mai,216 gab dazu einige Erläuterungen, um dann – so das SED-Protokoll – „unsere Haltung zu Punkt 3) des ‚Gemeinsamen Beschlusses‘ in Erfahrung“ zu bringen, „der die Empfehlung an die Vorbereitungsgruppe enthält, je einen Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der EKU (Bereich BRD) und der VELKD als mitarbeitende Gäste hinzuzuziehen“.217 Dazu habe Stolpe erläutert, dass „ursprünglich diesen westdeutschen Kirchenvertretern der Status ordentlicher Mitglieder in der Vorbereitungsgruppe zuerkannt werden sollte“. Die „Einbeziehung westdeutscher Kirchenvertreter in die Vorbereitungsgruppe mit dem Status von mitarbeitenden Gästen“ sei ein „Kompromiß an die EKU-Kirchen“, die die „‚Zusammenarbeit‘ zwischen den unierten Kirchen in der DDR und der BRD für den neuen Zusammenschluß verbindlich“ machen wollten. Schließlich müsse man die EKUKirchen „auf dem Wege zum Endziel mitnehmen“, das – wie Stolpe ver214 M. Stolpe: Niederschrift über die konstituierende Sitzung der Vorbereitungsgruppe am 5.7.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17). 215 A. Schönherr: Auszug (vgl. Anm. 211). 216 Das Original wurde an Paul Verner weitergeleitet, in dessen Aktenbestand es sich befindet (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 44, Bl. 167). Eine Kopie ging an den Staatssekretär für Kirchenfragen. 217 Arbeitsgruppe Kirchenfragen: Information über ein Gespräch mit dem Leiter des Sekretariats des BEK, Oberkonsistorialrat Stolpe, 27.6.1979 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 44, Bl. 164–166), S. 1 f. (Hervorhebung original).

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sichert habe – „natürlich in der Weiterführung des Selbstverständnisses des BEK, ‚Kirche im Sozialismus‘ zu sein, bestünde“.218 Obwohl Stolpe damit zu verstehen gegeben hatte, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können und der Bund sich lediglich auf Drängen der EKU auf diese Regelung eingelassen habe, wurde der Absicht einer Beteiligung westdeutscher Gäste seitens der beiden ZK-Mitarbeiter entschieden und „prinzipiell widersprochen“. Es „widerspreche der Eigenständigkeit und Selbständigkeit der Kirchen in der DDR“, wenn Kirchenvertreter aus dem Ausland über Angelegenheiten der DDR-Kirchen mitreden würden. „Es handele sich hier um eine politische Entscheidung, die die Selbständigkeit der DDR-Kirchen in Frage stelle und ein Zugeständnis an jene Kräfte darstelle, die die kirchenpolitische Relevanz der Existenz zweier souveräner deutscher Staaten nicht wahrhaben wollen.“ Darum sei ein solches Vorhaben auch „nicht mit den am 6. März 1978 bekräftigten Prinzipien in Übereinstimmung zu bringen“.219 Der von Stolpe angeführte Hinweis auf das ökumenische Interesse der westdeutschen Kirchen an der Herausbildung einer VEK wurde zurückgewiesen, da die Funktion von mitarbeitenden Gästen weit über ein ökumenisches Interesse hinausginge. Stolpe bedankte sich daraufhin für die Offenheit der Ausführungen, und kündigte an, Bischof Schönherr „über die dargelegten Standpunkte“ zu unterrichten.220 Unmittelbar nach dem Gespräch im ZK setzte sich Stolpe mit den Dienststellenleitern der beiden anderen Zusammenschlüsse, Rogge und Zeddies, in Verbindung, um sie über die „prinzipielle“ Ablehnung des Vorhabens durch die zuständigen SED-Funktionäre zu informieren.221 Bereits auf dieser Konsultation wurde vermutlich als Kompromiss erwogen, die Beteiligung von Vertretern der drei westdeutschen Partnerzusammenschlüsse im Sinne des ursprünglichen Vorschlags der GVG vom 19. Februar (Beteiligung lediglich in der „kleinen Arbeitsgruppe“ zur künftigen Gestaltung der besonderen Gemeinschaft) zu begrenzen. Die Notwendigkeit eines solchen Kompromisses wurde noch dadurch unterstrichen, dass wenig später auch die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen offiziell Einspruch gegen eine Beteiligung westdeutscher Gäste erhob und der kirchlichen Seite in einer kurzfristig angesetzten Gesprächsreihe am 2. Juli klar machte, dass – wie das MfS später knapp zusammenfasste – „derartige Praktiken nicht im Übereinklang mit den 218 EBD., S. 2. 219 EBD. 220 EBD., S. 3. 221 Vgl. Gespräch mit OKR Dr. Helmut Zeddies am 20.10.2000, S. 4; AL I (H. Wilke), Aktenvermerk über ein Gespräch mit OKR Stolpe am 3.7.1979, 3.7.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425), S. 1.

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Prinzipien der Politik von Partei und Regierung in Kirchenfragen“ stünden, sowie die Erwartung zum Ausdruck brachte, dass die DDR-Kirchen „ihre Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit klären“.222 Die Gespräche wurden von staatlicher Seite entweder von Staatssekretär Hans Seigewasser selbst oder vom Leiter der Abteilung Evangelische Kirchen, Hans Wilke, geführt. Adressaten waren der Vorsitzende des Rates der EKU, Natho, der Präsident der EKU-Kirchenkanzlei, Rogge,223 der Vorsitzende der Konferenz der Kirchenleitungen, Schönherr,224 sowie der Leiter des Lutherischen Kirchenamtes, Zeddies. Am 3. Juli folgte ein weiteres Gespräch mit dem Leiter des Sekretariates des Bundes, Stolpe.225 In diesen Gesprächen226 wurde staatlicherseits die Position vertreten, dass die Planung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR ausschließlich Sache der DDR-Kirchen selbst sei.227 Es ginge nicht, „das Modell der EKU auf die ganzen Kirchen in der DDR“ zu übertragen.228 Die Beteiligung von mitarbeitenden Gästen aus der BRD sei nicht nur eine Einmischung von außen in kirchliche Belange, sondern würde die Souveränität der DDR berühren.229 Daraus „ergebe sich das Erfordernis, in aller Offenheit von seiten unserer Dienststelle auf die Tragweite derartiger Bestrebungen aufmerksam zu machen“.230 Gegenüber Schönherr erklärte Seigewasser – nach eigenem Protokoll – darüber hinaus, „daß die mit den Eisenacher Empfehlungen angestrebten und eingeleiteten Strukturänderungen staatlicherseits als innerkirchlicher Vor222 HA XX/4 (K. Roßberg): Bildung einer Vorbereitungsgruppe zur Gründung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ (VEK), 9.7.1979 (BSTU, MfS – HA XX/4, Nr. 170, S. 1–3), S. 1. 223 H. Seigewasser: Information über ein Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden der EKU, Bereich DDR, Kirchenpräsident Natho und dem Präsidenten der Kirchenkanzlei der EKU, Dr. Rogge am 2.7.1979, 3.7.1979 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 44, Bl. 159– 162). 224 H. Seigewasser: Aktenvermerk über ein Gespräch des Staatssekretärs Genossen Hans Seigewasser mit Bischof D. Schönherr in unserer Dienststelle am 2.7.1979, 3.7.1979 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 44, Bl. 153–158). 225 AL I (H. Wilke): Aktenvermerk über ein Gespräch mit OKR Stolpe am 3.7.1979, 3.7.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425). 226 Die Vermerke über diese Gespräche gingen an die Arbeitsgruppe Kirchenfragen, die wiederum die wichtigsten (Schönherr, Natho/Rogge) an das für Kirchenfragen zuständige Politbüromitglied Paul Verner weiterleitete – mit dem Hinweis, dass es in ihnen „um die beabsichtigte Einbeziehung ‚mitarbeitender Gäste‘ aus den Kirchen der BRD in die Beratungen um die VEK-Gründung“ ginge (Arbeitsgruppe Kirchenfragen [R. Bellmann]: SED Hausmitteilung an Paul Verner, 4.7.1979 [SAPMO-BARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 44, Bl. 152]). 227 H. Seigewasser: Information (vgl. Anm. 223), S. 3. 228 Kirchenkanzlei der EKD – Berliner Stelle – (O. Lingner): Vermerk über die Zusammenkunft der „Beratergruppe“ am 2.7.1979, 16.7.1979 (EZA BERLIN, 4/92, Nr. 9), S. 2. 229 H. Seigewasser: Aktenvermerk (vgl. Anm. 224), S. 1; A. Schönherr: Vermerk über ein Gespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen am 2.7.1979 in dessen Dienstsitz, 4.7.1979 (EZA BERLIN, 687, Nr. 12), S. 1; Vermerk Lingners (vgl. Anm. 228), S. 2. 230 H. Seigewasser: Aktenvermerk (vgl. Anm. 224), S. 1.

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gang angesehen und respektiert worden seien und auch weiterhin werden. Dies setze jedoch voraus, daß sich dieser Prozeß in voller Eigenständigkeit der DDR-Kirchen vollziehe“ – was sowohl als Versprechen als auch als Drohung verstanden werden konnte.231 Die Reaktionen der kirchlichen Gesprächspartner scheinen nach den staatlichen Protokollen zwar unterschiedlich entgegenkommend und unterschiedlich verständnisvoll gewesen zu sein, in der Sache stimmten sie jedoch – wohl aufgrund der von Stolpe nach seinem Gespräch im ZK geführten Verständigung der drei Dienststellenleiter – im Wesentlichen überein. Sie alle stellten das Verhältnis der DDR-Kirchen zu den Kirchen in der Bundesrepublik in den Kontext ökumenischer Beziehungen, wozu ihnen allerdings seitens der Staatsvertreter, die zum Teil gezielt nach der Bedeutung des Begriffes „Partnerkirchen“ im ersten Teil des Gemeinsamen Beschlusses gefragt hatten, das Stichwort geliefert worden war.232 Ebenso wurde die mit dieser Einordnung provozierte Rückfrage, wie sich dazu die Beteiligung von „mitarbeitenden Gäste“ in der Vorbereitungsgruppe verhalte, nahezu übereinstimmend, wenn auch unterschiedlich deutlich, im Sinne einer lediglich partiellen Beteiligung, die sich auf das Gebiet ihrer zukünftigen Beziehungen beschränke, beantwortet. Der Vorsitzende der Konferenz, Schönherr, erklärte, dass er „keinen Sinn darin“ sehe, „Vertretern der EKD ein Mitspracherecht in der Entscheidung von Fragen einzuräumen, die die Beziehungen der Kirche zu unserem Staat und ihren Dienst in der sozialistischen Gesellschaft zum Inhalt haben. Freilich dürfe nicht ausgeschlossen werden, daß so wie bisher auch künftig im Rahmen der ökumenischen Arbeit mit Gliedern und Persönlichkeiten der EKD Kontakte gepflegt werden und Konsultationen über gemeinsame Glaubensanliegen wünschenswert bleiben.“233 Der Leiter des Lutherischen Kirchenamtes, Zeddies, wies ebenfalls auf die Ost und West übergreifende Gemeinsamkeit in der Verkündigung des Evangeliums hin und brachte dabei zum Ausdruck, bei der kritisierten Beteiligung westdeutscher Gäste käme es „lediglich darauf an“, deren „Erfahrungen einzubringen“. Die VELK wolle „gerade keinen gesamtdeutschen Charakter, sondern nur Fragen, in denen die BRD-Kirchen unmittelbar betroffen sind, besprechen“.234 Am weitesten wurde die Beteiligung der „mitarbeitenden Gäste“ von den Vertretern der EKU eingegrenzt, die ihnen 231 EBD. – Schönherr selbst maß dieser Äußerung, sofern sie wirklich in dieser Weise gemacht worden sein sollte, offenbar keine besondere Bedeutung bei. In seinem Vermerk blieb die Frage einer staatlichen Respektierung der innerkirchlich in Aussicht genommenen Strukturänderungen unerwähnt (A. Schönherr: Vermerk [vgl. Anm. 229]). 232 Vgl. AL I (H. Wilke): Aktenvermerk über ein Gespräch mit OKR Dr. Zeddies am 2.7.1979, 3.7.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425); H. Seigewasser: Information (vgl. Anm. 223), S. 1. 233 H. Seigewasser: Aktenvermerk (vgl. Anm. 224), S. 5 f. – In seinem eigenen Vermerk fasste Schönherr seine Entgegnung mit den Worten zusammen, er habe versucht, „deutlich zu machen, daß dieser Beschluß keine prinzipielle Bedeutung habe, sondern daß es lediglich darum gehe, die Beziehungen zu den Kirchen in der Bundesrepublik einvernehmlich zu regeln“ (Vermerk [vgl. Anm. 229], S. 1). 234 AL I (H. Wilke): Aktenvermerk über ein Gespräch mit OKR Dr. Zeddies am 2.7.1979, 3.7.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425), S. 2.

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lediglich eine Beobachterfunktion zubilligten. An dieser Einschätzung hielten sie auch gegenüber den skeptischen Rückfragen des Staatssekretärs fest. Der EKU-Ratsvorsitzende, Natho, verwies dabei auf das politische Fingerspitzengefühl der Gäste: „Ihm sei es nicht denkbar, daß die am Tisch sitzenden Gäste das Wort nehmen, um in direkte Probleme und Aufgaben der Kirchen der DDR hineinzureden“.235 Der Präsident der Kirchenkanzlei, Rogge, betonte, „daß es sich nicht um irgendein Mitspracherecht handele, sondern nur darum, den westdeutschen Kirchen mitzuteilen, was sich bei uns entwickelt. . . . Eine andere Deutung müsse er ausschließen.“236 Da direkt nach den Gesprächen im Staatssekretariat die „Beratergruppe“ zusammentrat, konnten deren westliche Mitglieder unmittelbar über diese jüngste Entwicklung informiert werden, wobei Schönherr und Natho ausführlich über die staatlicherseits erhobenen Einwände berichteten237 und zumindest Natho andeutete, dass der Gemeinsame Beschluss möglicherweise nicht in der ursprünglich vorgesehenen Form, sondern lediglich partiell umgesetzt werden könne.238

Einzelheiten des durch staatlichen Einspruch notwendig gewordenen Kompromisses wurden auf der konstituierenden Sitzung der Vorbereitungsgruppe am 5. Juli 1979 festgelegt. Diese einigte sich nach ausführlicher Diskussion der anstehenden Aufgaben und einer Festlegung von nunmehr vier Untergruppen in einer wohl nur kurz und kaum kontrovers239 geführten Aussprache endgültig darauf, Vertreter der westlichen Partnerzusammenschlüsse als „mitarbeitende Gäste“ lediglich an der Arbeit der Untergruppe IV („Besondere Gemeinschaft“) kontinuierlich zu beteiligen. Entsprechend dem Anliegen der EKU240 sollte allerdings ihre „gelegentliche Konsultation“ in der Gesamtgruppe möglich sein, ohne dass ihnen jedoch in dieser Hin235 H. Seigewasser: Information (vgl. Anm. 223), S. 2. 236 EBD., S. 3. 237 Vermerk Lingners (vgl. Anm. 228), S. 1 f. 238 Lingner zitierte Natho, der seinen Bericht über sein Gespräch im Staatssekretariat mit den Worten schloss: „Ich verhehle Ihnen nicht, daß mir der Verdacht gekommen ist, daß wir uns als normal eingeredet haben, was nicht normal ist“ (EBD., S. 5). 239 Während die ausführlichen kirchlichen Unterlagen keine Kontroverse erkennen lassen, notierte das MfS auch für diese Sitzung einen Kampf zwischen negativen und loyalen Kräften, der nur durch konsequentes Eintreten von Schönherr und Stolpe zugunsten realistischer Positionen entschieden worden sei (HA XX/4 [K. Roßberg]: Bildung einer Vorbereitungsgruppe zur Gründung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ [VEK], 9.7.1979 [BSTU, MfS – HA XX/4, Nr. 170, S. 1–3], S. 1). 240 Nachdem Rogge eingangs noch einmal auf die Bedeutung der „besonderen Gemeinschaft“ für die EKU hingewiesen hatte ([A. Schönherr]: Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Konstituierende Sitzung 5.7.79 [EZA BERLIN, 687, Nr. 11], S. 1), brachte Krusche im Zusammenhang der Diskussion über die Beteiligung mitarbeitender Gäste zum Ausdruck, dass für die EKU die Frage der besonderen Gemeinschaft nicht nur die spezielle Themenstellung der Untergruppe IV, sondern auch die Arbeitsbereiche der anderen Gruppen tangiere ([H. Zeddies]: Mitschrift Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, 5.7.79 [PRIVATARCHIV ZEDDIES], S. 4).

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sicht ein besonderer Status als „mitarbeitende Gäste“ zuerkannt werden sollte. Vielmehr sei – wie Schönherr in seinem handschriftlichen Protokoll festhielt – ihre jeweilige „Teilnahme an der Gesamtgruppe mit leichter Hand“ ins Werk zu setzen.241 Die Ausformulierung einer entsprechenden Beschlussvorlage wurde an die nunmehr zuständige Untergruppe IV verwiesen, die ihren Vorschlag bis zur nächsten Zusammenkunft der Gesamtgruppe ausarbeiten sollte. Personell standen die „mitarbeitenden Gäste“ bereits seit einiger Zeit fest. Die VELKD hatte frühzeitig den Leiter der (West-)Berliner Stelle des Lutherischen Kirchenamtes, Karlheinz Schmale, bestimmt. Der Rat der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – hatte am 5. Juni beschlossen, dass „mit Rücksicht auf eine personelle Verbindung zu der EKU-internen Arbeitsgruppe“ der Präsident der Westberliner Kirchenkanzlei, Peter Kraske, „für den Fall einer entsprechenden Einladung den Westbereich der EKU in der Vorbereitungsgruppe“ vertreten solle.242 Auf EKD-Ebene war eine Zeit lang erwogen worden, den Vertreter der EKD per Ratsbeschluss zu beauftragen.243 Angesichts des Einspruchs der staatlichen Stellen in der DDR gegen eine Beteiligung westdeutscher Gäste wurde allerdings eine solche förmliche Entsendung durch den Rat nicht mehr für sinnvoll gehalten, sondern eine Regelung seitens der Kirchenkanzlei vorgesehen.244 Damit stand von EKD-Seite Präsident Hammer zur Verfügung, der sich wiederum von Oberkirchenrat Lingner vertreten lassen konnte.245

Den Auftrag der GVG nahm die Untergruppe IV auf der ersten Arbeitstagung am 16. Oktober als Erstes in Angriff. Sie diskutierte den am 5. Juli in Aussicht genommene Kompromiss noch einmal ausführlich und erläuterte ihn den erstmals anwesenden Vertretern der westlichen Partnerzusammenschlüsse. Dabei wurde betont, „daß die Mitarbeit von Vertretern der westlichen gliedkirchlichen Zusammenschlüsse als Ausdruck und Praktizierung der ‚besonderen Gemeinschaft‘ zu werten und deswegen über die spezielle Thematik der Untergruppe IV hinaus für den Gesamtkomplex der nach Eisenach anstehenden Entscheidungen wünschenswert sei“. Eine direkte 241 [A. Schönherr]: Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Konstituierende Sitzung, 5.7.79 (EZA BERLIN, 687, Nr. 11), S. 4. 242 P. Kraske/M. Kruse/J. Rohde: Niederschrift über die 51. Sitzung des Rates der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – am 5.6.1979, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 195), S. 3. 243 Lingner an Hammer: Betr. Anmeldung für die Tagesordnung der Juli-Sitzung des Rates der EKD, 22.6.1979 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767). 244 Vgl. W. Hammer: Niederschrift über die 1. Sitzung der Kommission des Rates der EKD am 5.7.1979 in Hannover, undatiert (EZA BERLIN, 4/93, Nr. 879), S. 1. 245 Vgl. Lingner an Hammer: Betr. Untergruppe IV. „Besondere Gemeinschaft“ der Vorbereitungsgruppe, 20.9.1979 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767). – Womit keine ständige Vertretung gemeint war. Vielmehr behielt sich Hammer vor, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob er an den Beratungen teilnehmen werde oder nicht.

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Beteiligung an den Zusammenkünften der GVG selbst sei lediglich aus taktischen Erwägungen heraus verworfen worden, „weil sie u. U. die spätere Durchsetzung und Verwirklichung der zu erwartenden Beschlüsse belasten und erschweren“ könnte.246 Das Ergebnis der Beratungen zu diesem Punkt wurde in einem kurzen Beschlussentwurf zu Papier gebracht, in dem die Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe empfahl: – „Vertreter der drei Partner nehmen regelmäßig an den Sitzungen der Untergruppe IV als mitarbeitende Gäste teil. – Es soll vorgesehen werden, zu den Sitzungen der Gesamtgruppe nach thematischen Erfordernissen auch Vertreter der drei Partner einzuladen. – Die in Untergruppe IV mitarbeitenden Gäste sollen die Protokolle der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe (möglichst auch der Untergruppen) zur vertraulichen Information erhalten.“247 Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe machte sich diesen Vorschlag der Untergruppe IV am nächsten Tag auf ihrer zweiten Sitzung per Beschluss zu Eigen. Der damit gefundene Modus bedeutete formal zwar eine erhebliche Minderung des Status der westdeutschen Gäste, musste jedoch, da diese zu jeder Sitzung der GVG hätten eingeladen werden können, nicht automatisch auch eine Minderung ihrer praktischen Beteiligung nach sich ziehen. Insofern erschien diese Lösung als ein gelungener Kompromiss, dem auch die EKU zuzustimmen vermochte. Freilich war der Grad der Beteiligung innerhalb dieser Konstruktion in ganz erheblichem Maße von dem entsprechenden Interesse der ostdeutschen Mitglieder in der Vorbereitungsgruppe abhängig, die die ihrem Status nach nur sehr partiell zur Mitarbeit berechtigten westdeutschen Gäste immer wieder neu hätten beteiligen müssen. In dieser Hinsicht zeigte sich allerdings bald, dass die Empfehlung des Gemeinsamen Beschlusses vom 14. Mai wohl mehr als ein grundsätzliches Zeichen der Verbundenheit der ost- und westdeutschen Kirchen zu verstehen war und weniger als Vorschlag zur besseren Bewältigung der anstehenden Probleme bei der Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR. Bemühungen zu einer Einbeziehung der westdeutschen Gäste, die immerhin reiche Erfahrungen aus der EKD-Grundordnungsreform mitbrachten,248 in die Überlegungen zur Bildung einer VEK, wie sie auf der Grundlage des Kompromisses vom 5. Juli „mit leichter Hand“ 246 P. Kraske: Vermerk betr. Weiterarbeit an den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung, 22.10.1979 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547), S. 2. 247 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Untergruppe IV (Besondere Gemeinschaft) (Ch. Demke), Niederschrift über die Sitzung am 16.10.1979 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767), S. 1. 248 Zwar wurde die EKD-Grundordnung von 1974 mehrfach erkennbar herangezogen, zu einem intensiven Meinungsaustausch über die bei der Grundordnungsreform aufgetretenen Probleme, die eingeschlagenen Lösungswege und die Gründe des Scheiterns der Reform kam es jedoch nicht (vgl. Gespräch mit OKR Dr. Helmut Zeddies am 8.5.2001, S. 3).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

möglich gewesen wäre, gab es – bis auf eine Ausnahme249 – nicht. Auch die EKU engagierte sich an dieser Stelle nicht weiter, da sie mit der EKU-internen Arbeitsgruppe ein eigenes deutsch-deutsches Arbeitsgremium besaß, von dem drei Mitglieder (E. Natho, J. Rogge, E. Völz) ebenfalls in der GVG vertreten waren und zu der auch der vom Westbereich vorgesehene „mitarbeitende Gast“ in der Untergruppe IV (P. Kraske) gehörte.

5.2.3. Die GVG und die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner Angesichts der Vorbehalte gegenüber dem Eisenacher Ergebnis sowohl in den kirchlichen Leitungsgremien als auch innerhalb der Vorbereitungsgruppe selbst war eine nahtlose Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen seitens der neu bestimmten Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe weder möglich noch sinnvoll. Vielmehr schien es notwendig, von dem in den Landeskirchen und ihren Zusammenschlüssen vorhandenen Diskussionsstand auszugehen und somit in der Sache noch einmal vor Eisenach zurückzugehen, um nunmehr jenen Diskussionsprozess, der in Eisenach in 3½ Tagen absolviert worden war, in Auseinandersetzung mit dem Eisenacher Ergebnis und unter breiter Beteiligung der Landeskirchen noch einmal nachzuvollziehen. Aus diesem Grund wandte sich die Vorbereitungsgruppe auf ihrer konstituierenden Sitzung am 5. Juli – nach den notwendigen organisatorischen Festlegungen250 – im Sinne einer Bestandsaufnahme zuerst den Fragen und Anfragen zu, die in der bisherigen Diskussion der Eisenacher Empfehlungen erkennbar geworden waren: das Selbstverständnis eines neuen Zusammenschlusses, die Aufgabenverteilung, die Finanzierung, seine föderative Struktur, die notwendig vorzusehenden Organe, sein Verhältnis zu den Partnerkirchen sowie das Gründungsverfahren. Bei dieser Bestandsaufnahme wurde insgesamt zwar erkennbar, „daß das Streben nach größerer 249 Sie wurden lediglich zu jener Vollsitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe eingeladen, auf der die Endfassung des Papiers zur besonderen Gemeinschaft verabschiedet wurde (siehe unten S. 421), nicht jedoch zu der Zusammenkunft der GVG am 11.11.1980, bei der es ebenfalls vor allem um die Frage der besonderen Gemeinschaft ging (vgl. Ch. Demke/M. Stolpe: Niederschrift über die 8. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 11. November 1980, undatiert [EZA BERLIN, 688, Nr. 94]). 250 Wahl einer Leitungsgruppe aus den Leitenden Geistlichen der drei Zusammenschlüsse (A. Schönherr, E. Natho, H. Rathke), Berufung von Helmut Hickel als Vertreter der Brüder-Unität und Oberkirchenrat Ernst Petzold als Vertreter des Diakonischen Werkes zu beratenden Mitgliedern (M. Stolpe: Niederschrift über die konstituierende Sitzung der Vorbereitungsgruppe am 5.7.1979 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 17], S. 1, 5).

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Gemeinschaft allgemein“ geteilt wurde und „schnelles Herangehen nötig“ sei,251 bei der Frage nach der Gestalt der von allen befürworteten größeren Gemeinschaft stießen jedoch – selbst in die Vorbereitungsgruppe – zum Teil recht gegensätzliche Vorstellungen aufeinander. Vor allem jene Mitglieder, die nicht an der Delegiertenkonferenz teilgenommen hatten, stellten dem Eisenacher Modell einer „Vereinigten Evangelischen Kirche“ eine weitere Kompetenzübertragung an den Bund und damit dessen Stärkung ohne Auflösung der bestehenden Zusammenschlüsse als bessere und einfachere Alternative gegenüber („verbesserter Bund“). Der Görlitzer Bischof Fränkel wies – ganz im Sinne der bereits erwähnten, zeitlich jedoch späteren Stellungnahme des Theologischen Ausschusses der EKU252 – auf den Gegensatz zwischen der angestrebten Intensivierung der Gemeinschaft und ihrer Charakterisierung als einer Föderation hin. Diese Betonung der föderativen Struktur – wie auch der Zusatz „Vereinigt“ im vorgeschlagenen Namen – deute eine bleibende „Prävalenz der bekenntnisbestimmten, rechtlich selbständigen Gliedkirchen“ an, sodass sich die Frage stelle: „Lohnt die reine Namensänderung den Aufwand, wenn nicht mehr Gemeinschaft erreichbar ist?“253 Hinzu kamen Kritik an der geplanten Auflösung der konfessionellen Zusammenschlüsse, die gerade eine stabilisierende Funktion übernehmen könnten (H. Gienke), sowie Zweifel daran, ob das Eisenacher Modell wirklich „das billigere, einfache, überzeugendere Modell“ darstelle (E. Natho) oder der Zeitpunkt für eine so tief greifende Strukturänderung geeignet sei (H. Waitz).254 Demgegenüber betonten der sächsische Landesbischof Hempel sowie Präsident Domsch die Chancen eines föderativen Zusammenschlusses, während Zeddies nach einleuchtenden Gründen für ein Weiterbestehen der vorhandenen Dreifachstruktur fragte. Stolpe ergänzte: „Die Realität gesamtkirchlicher Institutionen behindert Zeugnis, verbraucht unnötig Kräfte, entspricht nicht der Gemeinderealität.“ Deshalb treffe die Beweislast „heute die, die den status quo erhalten wollen“.255

Obwohl sich damit die in der Vorbereitungsgruppe vertretenen Zielvorstellungen erheblich voneinander unterschieden und von einer Umsetzung des Eisenacher Modells über eine mehr oder weniger umfangreiche Reform des Bundes bis hin zur Behebung lediglich seiner bekannten Schwachstellen reichten, stimmten die Vorstellungen hinsichtlich des zunächst einzuschlagenden Weges im Großen und Ganzen durchaus überein. In jedem Fall schien eine schrittweise „Verbesserung“ des Bundes mittels einer Änderung der Bundesordnung als eines ersten Schrittes sinnvoll und praktikabel, sodass sich die Gruppe trotz der disparaten Einschätzungen der in Eisenach 251 252 253 254 255

EBD., S. 4 (A. Schönherr). Siehe oben S. 288 f. M. Stolpe: Niederschrift (vgl. Anm. 250), S. 3. EBD., S. 3 f. EBD., S. 3 f.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

beschlossenen Empfehlungen zur gemeinsamen Weiterarbeit bereit finden konnte. Entsprechend allgemein fasste Schönherr das Selbstverständnis der Gruppe zusammen, wobei er einerseits eine Bezugnahme auf die strittigen Eisenacher Empfehlungen unterließ und zum anderen ausdrücklich hinzufügte, dass die Vorbereitungsgruppe selbst kein Entscheidungsgremium sei: Die „Vorbereitungsgruppe (VG) ist eine Impuls- und Reflexionsgruppe, die die Überlegungen im Lande aufnimmt, verstärkt und zu konkreten Vorschlägen kommen sollte“.256 Für diese Weiterarbeit sah die Vorbereitungsgruppe – in Abwandlung des Vorschlags der alten GVG vom 8. Mai – vier Untergruppen vor, die sich jeweils in besonderer Weise den als wichtig erkannten Problemstellungen widmen sollten, wobei – wie bereits angedeutet – das innerkirchlich kontroverse und kirchenpolitisch brisante Thema der „besonderen Gemeinschaft“ angesichts der zurückliegenden Diskussion auch in dieser veränderten Konzeption einer eigenen Arbeitsgruppe zugewiesen wurde257: – Untergruppe I: „Aufgaben, Finanzen“, – Untergruppe II: „Verfahren, Struktur und Ordnung“, – Untergruppe III: „Selbstverständnis“, – Untergruppe IV: „Besondere Gemeinschaft“.258 Da das Thema der Untergruppe III „Selbstverständnis“ für die Arbeit der anderen Untergruppen zum Teil eine grundlegende Bedeutung besaß, wurde es – und damit noch einmal die Frage nach dem Gesamtziel – als Schwerpunktthema für die zweite Zusammenkunft der GVG am 17. Oktober 1979 vorgesehen.259 Als Grundlage dafür hatte die Untergruppe III am Vortag in separater Sitzung eine Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Vereinigungs- und Alternativmodelle zu den Eisenacher Empfehlungen zusammengestellt.260 256 EBD. 257 Die damit verbundene formale Auskopplung des Themas „besondere Gemeinschaft“ aus dem Komplex „Selbstverständnis“ sollte – wie auf Rückfragen von EKU-Seite noch einmal betont wurde – keine Vorentscheidung im Sinne eines unabhängig vom Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses zu klärenden Themenbereichs oder gar eines „Appendix“ bedeuten, sondern stellte lediglich eine angesichts der besonderen Problematik dieses Bereiches nahe liegende arbeitstechnische Maßnahme dar (vgl. [Ch. Demke]: Mitschrift Untergruppe IV, 16.10.1979 [EZA BERLIN, 688, Nr. 94], S. 2; P. Kraske: Vermerk betr. Weiterarbeit an den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung, 22.10.1979 [EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547], S. 2). 258 M. Stolpe: Niederschrift über die konstituierende Sitzung der Vorbereitungsgruppe am 5.7.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 17), S. 3 f. 259 Vgl. Ch. Demke an die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe: Betr. 2. Sitzung am 16./17.10.1979, 28.9.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18). 260 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Vorlage der Arbeitsgruppe 3 (Selbstverständnis) für die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 17.10.1979 (Material-Nr. 3), undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 94).

Übereinstimmung in der Tendenz

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Ein erster Teil skizzierte die Intentionen der einzelnen Alternativmodelle, wie sie in Auseinandersetzung mit den Eisenacher Empfehlungen – speziell auch auf der zurückliegenden Zusammenkunft der Vorbereitungsgruppe – entwickelt worden waren, und wog deren Vor- und Nachteile gegeneinander ab: – Modell 1: Erweiterung des Bundes durch Integration von EKU und VELK als dessen Gliedkirchen, – Modell 2: Stärkung des Bundes bei gleichzeitiger Auflösung von EKU und VELK, – Modell 3: Bildung einer Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (unter Auflösung von EKU und VELK), – Modell 4: Bildung einer Lutherischen Kirche mit Bekenntnisvorbehalt für Reformierte (ebenfalls unter Auflösung von EKU und VELK). Ein zweiter Teil warf die Frage nach daraus resultierenden Konsequenzen für eine Bestätigung oder Modifizierung des Eisenacher Vorschlags auf, während ein dritter Teil angesichts des Stellenwertes, den diese Frage in der zurückliegenden Diskussion eingenommen hatte, „zur Bedeutung der Bekenntnisse“ Stellung nahm. Dieser letzte Teil bot – ausgehend von der weiterführenden Einsicht einer intentionalen Übereinstimmung der unterschiedlichen Bekenntnisse – am Schluss bereits einen entsprechenden Formulierungsvorschlag für die Grundordnung einer VEK.261

Diskutiert wurden in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe – von einigen Rückfragen abgesehen – allerdings nur die ersten beiden Teile dieser Ausarbeitung.262 Dabei boten insbesondere die vier skizzierten Alternativmodelle hinreichend Material zu kontroverser Diskussion. Während die Modelle 2 und 3 lediglich als außerhalb der Vorbereitungsgruppe vertretene Konzeptionen zur Diskussion standen und damit schnell abgearbeitet waren, fanden sich für die Modelle 1 und 4 in der Gruppe selbst engagierte Befürworter, freilich auch ebenso entschiedene Gegner. Für Modell 1 engagierte sich der Greifswalder Bischof Gienke und bat darum, „auf dieses Modell zuzugehen“.263 Dem wurde allerdings nicht nur entgegengehalten, dass dieser „Vorschlag . . . nichts mit den Empfehlungen von Eisenach zu tun“ habe,264 sondern auch, dass er nicht mit dem Beschluss der zurückliegenden Bundessynode in Dessau übereinstimme, die GVG in diesem Fall also eingestehen müsste: „Wir kommen zu anderen Ergebnissen als die Bundessynode.“265 261 EBD., S. 7 f. 262 Ch. Demke: Niederschrift über die 2. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 17.10.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767), S. 2–4. – Dagegen spielte insbesondere der dritte Teil bei der Eisenach-Diskussion auf der wenige Tage später stattfindenden sächsischen Landessynode eine wichtige Rolle (vgl. oben S. 264 f.). 263 [Ch. Demke]: Mitschrift Vorbereitungsgruppe 17.10.79 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 4. 264 EBD., S. 5 (M. Kramer). 265 EBD. (H. Hickel).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Noch intensiver war die Kontroverse zu Modell 4, da dieses von einigen lutherischen Vertretern favorisiert,266 von unierter Seite jedoch strikt abgelehnt wurde. Der anwesende reformierte Vertreter erklärte angesichts dieses Modells für den Fall seiner Umsetzung kurz und knapp: „Wir Reformierten machen dann eine Freikirche.“267 Im Ergebnis hielt das Protokoll fest, dass „nachdrücklich geltend gemacht“ worden sei, „daß dieses Modell für Reformierte und Unierte nicht annehmbar ist, weil ein Modell, das auf Minderheitenschutz und Bekenntnisvorbehalt aufgebaut wird, dem Verhältnis der verschiedenen Bekenntnistraditionen in der Union nicht gerecht“ werde. Das „bloße, von beiden Seiten respektierte Nebeneinander“ gehe „nicht nur hinter die Leuenberger Konkordie, sondern auch hinter den Stand von 1948 zurück“.268 Damit blieb insgesamt auch auf dieser zweiten Zusammenkunft der GVG offen, an welchem Modell sich ihre weitere Arbeit orientieren sollte. Als Ertrag der Diskussion wurden lediglich ausführliche Hinweise für eine Überarbeitung des Papiers gegeben, die einer präziseren Konturierung der einzelnen Modelle dienen sollte, in der Umsetzung durch Demke und Zeddies freilich auch zu einer gewissen Relativierung dieser Alternativen im Vergleich zum Eisenacher Modell führte. Die überarbeitete Fassung sollte „als vorläufiges Arbeitsmaterial für die Kirchenleitungen der Gliedkirchen und für bei ihnen mit der Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen befaßte Gremien zur Verfügung gestellt werden“.269 Wichtigste Neuerung in diesem vorläufigen Arbeitspapier270 war – neben einer Streichung des als problematisch empfundenen dritten Teiles zur Bedeutung der Bekenntnisse – der von der GVG geforderte Vergleich der vier genannten Alternativmodelle mit dem Eisenacher Entwurf, der in der Ausführung indirekt auf einen qualitativen Vorrang des Eisenacher Modells hinauslief, da jede dieser Alternativen hinter dem in Eisenach Angestrebten zurückzubleiben schien. Entweder wurde in ihnen die gleichberechtigte Zusammenführung von Bund, EKU und VELK einschließlich ihrer erhaltenswerten Eigentümlichkeiten oder das angestrebte Kirchesein des neuen Zusammenschlusses nicht erreicht. Damit erhielten die Modelle deutlicher, als dies in der Vorfassung der Fall gewesen war, weniger den Charakter realer Alternativen, als vielmehr den von Problemanzeigen und Anhaltspunkten für eine Modifizierung der Eisenacher Vorschläge (Teil 2). Als ein wichtiges Desiderat erschien hierbei angesichts der in dieser Frage eindeutigen Modelle 3 und 4 eine ausführliche Beschreibung,

266 Insbesondere vom sächsischen Landesbischof Hempel: „Hier schlägt mein Herz“ (EBD., S. 7). 267 EBD. (H. Grüber). 268 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 262), S. 3. 269 EBD., S. 4. 270 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zur Frage des Selbstverständnisses (Vorläufiges Arbeitsmaterial 3/1), undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767).

Übereinstimmung in der Tendenz

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„inwiefern der künftige Zusammenschluß berechtigterweise als Kirche zu verstehen“ sei.271

Nachdem inzwischen weitere Voten kirchlicher Leitungsgremien verabschiedet worden waren (Rat der EKU, Synoden von Sachsen, Mecklenburg, Greifswald und Thüringen), musste die GVG auf ihrer dritten Zusammenkunft am 19. Dezember freilich feststellen, dass der auf der zurückliegenden Sitzung eingeschlagene Weg, über ein Abwägen einzelner Modelle dem Zielmodell näher zu kommen, nicht gangbar war, da sich die in diesen Voten enthaltenen Vorstellungen nicht mit den im Vorläufigen Arbeitsmaterial skizzierten Modellen deckten.272 Allerdings hatten sich alle Voten „für eine verbindlichere Zusammenarbeit auf gesamtkirchlicher Ebene und für eine Verbesserung der Zusammenarbeit“ ausgesprochen, was nicht nur zu einer gemeinsamen Grundtendenz, sondern auch zu einer Reihe übereinstimmender Einzelaspekte führte. Angesichts dessen schlug die Arbeitsgruppe III vor, in der weiteren Arbeit nicht mehr von einem Für und Wider einzelner Modelle auszugehen, „sondern sich der Frage nach übereinstimmenden Tendenzen in der Diskussion und den Stellungnahmen zuzuwenden“, also das allen Stellungnahmen Gemeinsame der weiteren Arbeit zu Grunde zu legen.273 Dieser Vorschlag wurde von der GVG akzeptiert und auf der Grundlage einer von der Untergruppe III am Vortage entwickelten Übersicht über die Tendenzübereinstimmungen unmittelbar umgesetzt. In dieser Übersicht waren als solche „Übereinstimmungen in der Tendenz“ festgehalten worden: „1. Zusammenführung der Zusammenschlüsse 2. Neuer Zusammenschluß soll als Kirche verstanden werden können (Beschreibung seines theologischen Anspruches, seiner Basis und seiner Aufgaben) 3. Beschreibung des Selbstverständnisses 3.1. Im Blick auf die Bekenntnisbestimmtheit 3.2. Im Blick auf die Stellung in der Ökumene 3.3. Im Blick auf die Stellung in der Gesellschaft 3.4. Im Blick auf die besondere Gemeinschaft 4. Bestimmung der Aufgaben des Zusammenschlusses 5. Verabredung des Verfahrens in dem Zusammenschluß nach dem föderativen Prinzip 271 EBD., S. 5. 272 Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 19.12.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767), S. 2 (einen Überblick über die verschiedenen Vereinigungsmodelle, die nach der Eisenacher Delegiertenversammlung diskutiert wurden, gibt P. MÜLLER, Kirchenrechtliche Gesichtspunkte, S. 375–380). 273 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 272), S. 2.; vgl. H. Zeddies: Niederschrift über die Beratung der Untergruppe III am 18.12.1979, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767), S. 2.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

6. Wahrnehmung der Aufgaben durch gemeinsame Organe: Synode, Leitung, Dienststelle 7. Künftiger Zusammenschluß muß zu finanziellen Einsparungen und schrittweise zu Personaleinsparungen führen.“274

Als Ertrag beschloss die GVG, „eine Studie auszuarbeiten, in der die Übereinstimmungen in der Tendenz . . . präzisiert werden“, und erteilte den einzelnen Untergruppen entsprechende Arbeitsaufträge. Diese „Studie“ sollte der Klärung innerhalb der GVG selbst dienen, aber auch „die Weiterarbeit in den Gliedkirchen anregen und zur Klärung der Willensbildung beitragen“.275 Als eine bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbare Tendenzübereinstimmung hielt die GVG ausdrücklich fest, „daß in keiner der bisher vorliegenden Stellungnahmen die Möglichkeit einer Vereinigten Evangelischen Kirche ausgeschlossen worden“ sei.276 Da diese Feststellung nicht nur als Wertung der bisherigen Diskussion, sondern indirekt auch als Zielbeschreibung der eigenen Arbeit gemeint war, setzte sich damit – fast ein Jahr nach Eisenach – die Zielvorstellung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ zumindest in der Vorbereitungsgruppe, die die Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen befördern und koordinieren sollte, als Arbeitsmodell, das im Einzelnen freilich noch zu korrigieren und zu präzisieren war, durch. Dieses Arbeitsmodell musste allerdings bereits auf der nächsten Zusammenkunft am 6. März 1980 angesichts inzwischen vorliegender Papiere des Landeskirchenrates der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen und des Beschlusses des Rates der EKU zu den Eisenacher Empfehlungen III–V erneut überdacht werden. Angesichts der Uneindeutigkeit des EKU-Votums hinsichtlich des Fortbestehens der EKU277 und der von Thüringen im Sinne einer Evangelischen Kirche AB angesprochen Bekenntnisfrage schien fraglich, welches Ziel überhaupt noch verwirklicht werden könne.278 In der „zusam274 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 272), S. 3. 275 EBD., S. 5; vgl. auch Sekretariat des BEK. Presse und Information (L. Borgmann) an die Redaktionen der kirchlichen Sonntagsblätter, ena und andere (Information des Pressestelle 33), Dritte Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 28.12.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18). 276 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 272), S. 3. 277 Während Schönherr aus der Bemerkung, die EKU solle dem neuen Zusammenschluss nicht als Gliedkirche angehören, die Möglichkeit einer eventuellen Auflösung schloss, wies Völz, aus dessen Feder der Beschlusstext größtenteils stammte, darauf hin, dass der Beschluss ansonsten eindeutig von einem Fortbestand der EKU ausgehe. In diesem Sinne bestätigte auch Rogge, dass „nicht intendiert“ sei, „jetzt einen Anfang des Prozesses im Sinne einer Auflösung in Gang zu setzen“ (Ch. Demke: Niederschrift über die 4. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 6.3.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768], S. 2). 278 Hinsichtlich des Gesamtzieles war die Untergruppe II (Struktur und Verfahren) auf ihrer Zusammenkunft am Vortage „aufgrund der jetzt vorliegenden Stellungnahmen zu den

Übereinstimmung in der Tendenz

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menfassenden Aussprache“ setzte sich allerdings die Auffassung durch, dass die Arbeit der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe trotz dieser beiden Voten fortgeführt werden müsse und könne. Da beide Voten ebenfalls von der Zielstellung einer engeren Gemeinschaft der Landeskirchen ausgingen, stünden sie nicht in einem „absoluten Gegensatz“ zum Arbeitsauftrag der GVG. Freilich sei eine baldige Klärung sowohl hinsichtlich des Zielmodells (Bundeskirche oder verbesserter Bund) als auch hinsichtlich der Bekenntnisfrage notwendig.279 Beides wurde für die Mai-Sitzung vorgesehen – wohl auch in der Erwartung, dass die in Arbeit befindliche „Studie“ und die Reaktionen darauf in diesen Fragen möglicherweise eine gewisse Klärung herbeiführen könnten. Somit wurde die planmäßige Arbeit fortgeführt, „unterschwellig“ blieb jedoch – wie Stolpe auf der Zusammenkunft der Beratergruppe am 12. März erklärte – eine „Unkenstimmung“ vorhanden.280 Das Hauptaugenmerk der weiteren Arbeit auf dieser vierten Zusammenkunft der GVG galt der zu erarbeitenden „Studie“. Während die Untergruppe IV in diesem Zusammenhang lediglich zu berichten vermochte, dass die entsprechende Formulierung der Eisenacher Empfehlungen (II 3.8) aus ihrer Sicht übernommen werden könne,281 hatten die anderen drei Untergruppen jeweils Arbeitspapiere vorbereitet, die von einem Vertreter der Gruppe erläutert und dann ausgiebig diskutiert wurden. Das Arbeitspapier der Gruppe III zur „Theologischen Basis der VEK“282 skizzierte in einer einleitenden „Problembeschreibung“ die theologischen Voraussetzungen einer Vereinigten Evangelischen Kirche, um dann in einem „Formulierungsvorschlag“ deren theologisches Selbstverständnis, wie es „in einer künftigen Verfassung oder Grundordnung in Form einer Präambel“ zu entfalten war, zumindest ansatzweise zu entwerfen. Die vorangestellte Problembeschreibung verwies dabei auf das in Züssow – aufgrund bestehender „Übereinstimmung in den theologischen Grundfragen“ einerseits und erfahrener „Gemeinsamkeit in Eisenacher Empfehlungen“ zu dem Ergebnis gelangt, dass „eine Weiterarbeit am Modell einer VEK zum gegenwärtigen Zeitpunkt . . . nicht aussichtsreich“ sei. In der Zusammenkunft der Beratergruppe eine Woche später brachte W. Krusche das Problem auf den Punkt: „Die Union von lutherischen und reformierten Gemeinden kann nicht rückgängig gemacht werden (eine VEK AB/HB wäre also keine Lösung); ein Beitritt der lutherischen Kirche zu einer unierten Kirche wäre ebenso nicht denkbar. Es stellt sich darum die Frage, ob es zwischen diesen beiden Möglichkeiten einen gangbaren dritten Weg gibt“ (O. Lingner: Vermerk über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 12.3.1980, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 362], S. 3; vgl. EBD., S. 2 [M. Stolpe]). 279 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 277), S. 2. 280 O. Lingner: Vermerk (vgl. Anm. 278), S. 2. 281 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 277), S. 2; vgl. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Entwurf für die Studie zur Übereinstimmung in der Tendenz. Abschnitt 3.4. Beschreibung des Selbstverständnisses im Blick auf die besondere Gemeinschaft, 6.3.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 282 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zu Ziffer 2 der Tendenzübereinstimmungen: Theologische Basis der VEK (Entwurf), 6.3.1980 (PRIVATARCHIV ZEDDIES).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Zeugnis und Dienst“ andererseits – festgestellte Kirchesein des Bundes und folgerte daraus die Notwendigkeit, dieses gemeinsame Kirchesein nunmehr auch strukturell zum Ausdruck zu bringen.283 Der anschließende Formulierungsvorschlag zum Selbstverständnis enthielt neben der im Grundsätzlichen unstrittigen Bindung der VEK an „Jesus Christus als den gekreuzigten, auferstandenen und erhöhten Herrn“, ihrer Bindung an das „Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist“, sowie ihrem „Auftrag, das Evangelium zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten“, auch einen Absatz zur kontroversen Frage der Bekenntnisbindung. Darin wurde versucht, den Gedanken einer intentionalen Gemeinsamkeit der verschiedenen Bekenntnisse erneut in knapper Formulierung zur Geltung zu bringen. Entsprechend hielt auch dieser Formulierungsvorschlag an der übergreifenden Nennung der „reformatorischen Bekenntnisse“ neben den altkirchlichen fest und begründete das Gewiesensein der VEK an diese Bekenntnisse mit deren gemeinsamer Intention und Funktion, „das Wort Gottes schriftgemäß“ zu „bezeugen und damit die Kirche an das“ zu „binden, was sie begründet“.284 Die Vorbereitungsgruppe, die diese Vorlage ansonsten im Wesentlichen akzeptierte, hielt es angesichts des entschiedenen Einspruchs ihrer sächsischen Mitglieder gegen den Begriff „reformatorisch“285 allerdings nicht für sinnvoll, in dieser Sache eine Entscheidung zu treffen und einen entsprechenden Formulierungsvorschlag vorzulegen. Vielmehr griff sie den Wunsch von Bischof Hempel nach einer Problemskizze auf und legte fest, diesen Absatz durch eine entsprechende Fehlanzeige zu ersetzen und dafür im „ersten Teil der Vorlage als Punkt 4 eine Beschreibung der Faktoren“ zu formulieren, „die bei der Klärung der Bekenntnisfrage zu beachten“ seien.286 Noch während der Sitzung wurde von der Gruppe III ein entsprechender Vorschlag erarbeitet, der die Zustimmung des Plenums fand.287 Die Vorlage der Untergruppe I288 zur Aufgabenverteilung verzichtete – wie Stolpe in seiner Einführung deutlich machte – auf ausgeführte Formulierungsvorschläge und beschränkte sich auf die Zusammenstellung von Grundsätzen, die im Wesentlichen „aus den bestehenden Ordnungen und den Eisenacher Empfehlungen entwickelt“ waren.289 Dabei ergab sich im Vergleich zu den Empfehlungen eine stärkere Betonung des föderativen Charakters, wie er insbesondere von lutherischer Seite gefordert worden war. Die in der Vorlage vorgesehene Delegierung von Aufgaben sowohl von den Gliedkirchen zur Gesamtkirche als auch von der Gesamtkirche zu den Gliedkirchen war zwar bereits in den Empfehlungen intentional enthalten, dort jedoch – insbesondere 283 EBD. 284 EBD. 285 Vgl. [Ch. Demke]: Niederschrift über die 4. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 6.3.1980 in Berlin (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 3 (handschriftliche Fassung). 286 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 277), S. 3. 287 EBD.; vgl. Vorlage für GVG 6.3.1980, Studie Ziff. 2 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 288 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. 5.–6.3.1980, Vorlage der Untergruppe 1: Vereinigte Kirche. Studie Aufgaben (PRIVATARCHIV ZEDDIES). 289 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 277), S. 3.

Übereinstimmung in der Tendenz

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hinsichtlich der Delegierung von der Gesamtkirche zu den Gliedkirchen – nicht in gleicher Deutlichkeit ausgeführt worden. Entsprechend dieser Akzentsetzung fehlte in dem von der Gruppe I vorgelegten Papier auch der Satz aus den Eisenacher Empfehlungen (IV 2), der davon gesprochen hatte, dass „im Regelfall . . . alle acht Gliedkirchen gemeinsam handeln“, während der zweite Teil des betreffenden Absatzes, dass „zur Wahrnehmung spezifischer Anliegen . . . mehrere Gliedkirchen im Einvernehmen mit der Vereinigten Ev. Kirche besondere Aktivitäten entfalten und Regelungen treffen“ können, übernommen wurde.290 Die sich unmittelbar aufdrängende Frage, ob diese Aufgabenverteilung noch im Rahmen des eingangs diskutierten Beschlusses des Rates der EKU liege, wurde angesichts der Offenheit der Vorlage „für verschiedene Zielmodelle“ seitens der EKU-Vertreter bejaht.291 Die Vorlagen der Untergruppe II betrafen „Struktur und Verfahren“, wobei sich ein Thesenpapier vor allem mit der Struktur des künftigen Zusammenschlusses befasste,292 während hinsichtlich der Frage des Verfahrens bereits ein Entwurf für ein Änderungsgesetz zur bestehenden Ordnung des Bundes vorgelegt werden konnte, allerdings ohne in der GVG diskutiert zu werden.293 Das Thesenpapier behielt im Wesentlichen das „Instrumentarium des Bundes“ bei, führte jedoch zum Teil neue Bezeichnungen ein: „Kirchenleitung“, „Rat der Kirchenleitung“, „Kirchenamt“. Für die Synode sahen die Thesen eine Stärke von 100 Mitgliedern vor und empfahlen entgegen sächsischem Einspruch294 eine Einbeziehung der Leitenden Geistlichen in die synodale Verantwortung. Darüber hinaus wurde eine stärkere Berücksichtigung der Größe der Landeskirchen bei der Mandatsverteilung in der Synode vorgesehen. Größe und Zusammensetzung der Kirchenleitung (entsprechend der bisherigen Konferenz) blieben demgegenüber relativ offen. Lediglich „die Zugehörigkeit von mindestens 2 Mitgliedern aus jeder der 8 Gliedkirchen“ sei „zu gewährleisten“. Der Vorsitz sollte jeweils „nach einer bestimmten Zeit“ wechseln, ohne dass entschieden wurde, ob dieser jeweils von einem Leitenden Geistlichen wahrzunehmen sei. Der Rat der Kirchenleitung wurde gegenüber dem bisherigen Vorstand sowohl personell als auch in seinen Kompetenzen erweitert. Er sollte nunmehr aus neun Personen bestehen und dabei alle Gliedkirchen berücksichtigen, was eine nahezu paritätische Besetzung ergab. Darüber hinaus wurde ihm nicht nur die Erfüllung der Aufgaben der Konferenz zwischen deren Tagungen zugewiesen, sondern ihm auch zugestanden, dass er „in Eilfällen tätig werden“ und ihm die Kirchenleitung „Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen“ könne.295

290 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. 5.–6.3.1980 (vgl. Anm. 288), S. 1. 291 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 277), S. 3 f. (E. Völz). 292 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Vorlage der Untergruppe II: Thesen zu Struktur und Verfahren, 5./6.3.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 293 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 277), S. 4. 294 Vgl. I. Pettelkau: Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe – Untergruppe II am 5.3.80 in Berlin, Auguststraße 80, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 295 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Vorlage der Untergruppe II: Thesen zu Struktur und Verfahren, 5./6.3.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 1.

322

Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Das Thesenpapier ging auf Mehrheitsentscheidung zurück und war in etlichen Punkten in der Gruppe selbst strittig gewesen. Entsprechend führten die betreffenden Punkte im Plenum zu erneuter Diskussion, in der insbesondere die Größe und damit die Bedeutung des „Rates“ im Verhältnis zur „Kirchenleitung“ kontrovers waren. Schließlich verständigte man sich auf den Grundsatz, „daß eine Struktur zu finden“ sei, „die eine zügige Arbeit und zügige Entscheidungen der Kirchenleitung (Konferenz) ermögliche“, sowie auf den Verfahrensweg, in der Studie hinsichtlich der Struktur nicht nur ein einziges Modell, sondern „mehrere Alternativmodelle“ zu beschreiben (einschließlich der Argumente pro und contra).296

Eine Zusammenfassung des Diskussionsergebnisses wurde – wobei das Ergebnis der Untergruppe IV angesichts des fehlenden Kontextes im Bereich Selbstverständnis, in den dieses Ergebnis hätte eingebettet werden müssen, ausgespart bleiben sollte297 – den drei Dienststellenleitern übertragen. Sie wurden „beauftragt, aufgrund der Aussprache einen Text zu erstellen, der über den Sachstand in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe unterrichtet“.298 Am 12. März ging der Textentwurf, der nunmehr den treffenderen Titel „Zwischenbericht“ statt „Studie“ trug, an die Vorsitzenden der drei Zusammenschlüsse.299 Nachdem von ihrer Seite keine Einwände erhoben worden waren und die Leitungsgruppe der GVG den Text bestätigt hatte, wurde er am 17. März (unter dem Datum des 13. März) an die Gliedkirchen des Bundes, die EKU und die VELK versandt mit der Bitte „um weitere Vorschläge und Stellungnahmen“.300

296 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 277), S. 4 f. 297 EBD., S. 3. 298 EBD., S. 5. 299 Ch. Demke an Landesbischof Dr. Hempel/Kirchenpräsident Natho/Bischof Schönherr: Betr. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Sogenannte Studie, 12.3.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18). 300 EKU/VELK DDR/BEK. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (Ch. Demke) an die Gliedkirchen des Bundes/die EKU/VELK DDR/die Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR/die Evangelische Brüder-Unität: Betr. Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen. Zwischenbericht der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 13.3.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768); vgl. Ch. Demke an den Vorsitzenden des Rates der EKU – Bereich DDR. Kirchenpräsident Natho: Betr. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe; hier: Zwischenbericht, 17.3.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18). Die Kirchenprovinz Sachsen sowie die Mecklenburgische Landeskirche erhielten angesichts der bevorstehenden Synodaltagungen den unbestätigten Textentwurf bereits am 12. März zur „vertraulichen Behandlung“ (Ch. Demke an Pfarrer M. Kramer/Präsident P. Müller: Betr. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Sogenannte „Studie“, 12.3.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 18]).

Übereinstimmung in der Tendenz

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5.2.4. Konzentration auf die „Beratergruppe“ – Zur Arbeit der Untergruppe IV Die Aufgabe, die der Arbeitsgruppe IV von der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe gestellt worden war, nämlich Vorschläge zu erarbeiten, wie die bestehenden Ost-West-Verbindungen von einem neuen Zusammenschluss (VEK) aufgegriffen und fortgeführt werden könnten, war neben der Frage nach den Bekenntnisgrundlagen des künftigen Zusammenschlusses das zweite kaum lösbar erscheinende Problem, das sich aus den Eisenacher Empfehlungen ergab. Im Gegensatz zu den anderen anstehenden Fragen war zu diesem Problem der „besonderen Gemeinschaft“ nicht nur ein Konsens zu finden, dem alle Landeskirchen und gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR zuzustimmen vermochten, sondern auch eine Lösung, die zum einen unter den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten durchführbar schien und zum anderen auch von den westdeutschen Kirchen als den Partnern in der „besonderen Gemeinschaft“ als sinnvolle Lösung akzeptiert werden konnte. Nachdem sich die Arbeitsgruppe IV im Anschluss an die Zusammenkunft der GVG am 5. Juli konstituiert hatte, trat sie am 16. Oktober 1979 zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammen,301 zu der auch die „mitarbeitenden Gäste“ aus den westdeutschen Partnerzusammenschlüssen eingeladen worden waren. Der Untergruppe IV, die sich entsprechend dem für alle Untergruppen vorgesehenen Modus in der Regel jeweils am Tag vor der Plenumssitzung der GVG traf, gehörten von östlicher Seite H. Rathke (VELK), O. Schröder (Bund), H. Waitz als Vorsitzender (EKU) sowie J. Rogge als Geschäftsführer (EKU) und Ch. Demke für die Schriftführung an.302 Hinzu kamen von westlicher Seite als „mitarbeitende Gäste“ W. Hammer (EKD), P. Kraske (EKU) und K. Schmale (VELKD). Präsident Hammer nahm allerdings, obwohl er sich diese Möglichkeit offen gehalten hatte, an keiner der Sitzungen teil, sondern ließ sich jeweils von Oberkirchenrat Lingner vertreten.

301 Von dieser Zusammenkunft liegen das endgültige Protokoll (Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Untergruppe IV [Ch. Demke]: Niederschrift über die Sitzung am 16.10.1979, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 18]), dessen handschriftliche Vorlage ([Ch. Demke]: Untergruppe IV, 16.10.1979 [EZA BERLIN, 688, Nr. 94]), ein Bericht Lingners an Hammer: Betr. Untergruppe IV der Vorbereitungsgruppe, 19.10.1979 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767]) sowie ein interner Vermerk Kraskes vor (P. Kraske: Vermerk betr. Weiterarbeit an den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung, 22.10.1979 [EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547]). 302 Da der Vertreter des Bundes aus einer lutherischen Kirche kam, gehörten damit der Untergruppe IV zwei Lutheraner und zwei Unierte an. Demke war als beauftragter Schriftführer kein ordentliches Mitglied der Untergruppe IV.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Im Mittelpunkt der ersten Arbeitssitzung stand – abgesehen von dem ebenfalls zu klärenden Status der drei bundesdeutschen Gäste303 – erst einmal eine Verständigung über den Arbeitsauftrag der Gruppe und den voraussichtlichen Charakter des künftigen Zusammenschlusses (VEK). Um diese Fragen, insbesondere jene nach der Perspektive, unter der die Arbeitsgruppe die Neuordnung der „besonderen Gemeinschaft“ durchdenken solle und könne, deutlicher in den Blick zu bekommen, war Oberkirchenrat Rudolf Schulze von der EKU-Kirchenkanzlei gastweise (in Vertretung des verhinderten Präsidenten Rogge) hinzugezogen und gebeten worden, über den inzwischen in der EKU-internen Arbeitsgruppe erreichten Diskussionsstand zu den Eisenacher Empfehlungen zu berichten.304 Dieser Bericht, der die kritischen Thesen vom 6. Juni,305 aber auch die Ausarbeitung Winters zu den Theologischen Grundlagen der EKU306 sowie das Votum des Theologischen Ausschusses der EKU vom 28. September307 bündelte, bot eine ausführliche und grundsätzliche Kritik an dem in Eisenach empfohlenen Weg. Vor allem die darin vorausgesetzte Auflösung der EKU sei – so Schulze – problematisch und angesichts der in der EKU vorhandenen Gegebenheiten – gerade auch der Ost-WestGemeinschaft – inakzeptabel. Schulze verwies in diesem Zusammenhang erneut auf das Kirchesein der Gesamt-EKU, auf die Einsicht in die Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung, insbesondere auf die Mahnung von Barmen III, dass eben „nicht alle Strukturen . . . disponibel“ seien, sowie auf die Notwendigkeit gleich lautender Beschlüsse beider Bereiche der EKU in Grundordnungsfragen.308 Angesichts dieser Problemlage – so Kraske als westliches Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe – habe sich die EKU „zwar bereit erklärt, an der Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen und an der Klärung aller damit zusammenhängenden Fragen mitzuwirken, habe es aber bewußt vermieden, die Empfehlungen selbst als Ausgangspunkt der Weiterarbeit zu bezeichnen“.309 Beide EKU-Vertreter fügten hinzu, dass innerhalb der EKU Alternativen zum Eisenacher Modell im Gespräch seien, bei denen die EKU lediglich auf einige ihrer Einrichtungen und Funktionen verzichte, etwa auf eine eigene Synode. Die EKU selbst müsse jedoch bestehen bleiben, da die VEK eben nicht gemäß II 3.5 der Empfehlungen in der Lage sei, alle Aufgaben, die die EKU wahrnehme, fortzuführen 303 Vgl. oben S. 310 f. 304 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Untergruppe IV (Ch. Demke): Niederschrift über die Sitzung am 16.10.1979, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 1. 305 Siehe oben S. 287 f. 306 Siehe oben S. 290. 307 Siehe oben S. 288 f. 308 Niederschrift Demkes (vgl. Anm. 304), S. 1. 309 P. Kraske: Vermerk (vgl. Anm. 301), S. 3.

Übereinstimmung in der Tendenz

325

(etwa die Gemeinschaft zwischen den beiden Bereichen).310 Deshalb müsse die EKU selbst „dafür Sorge tragen, daß die bestehende Gemeinschaft in der EKU (rechtlich und praktisch) in keiner Weise in einem größeren Verband nur eingeschränkt fortgesetzt“ werde. Neben einer weiter bestehenden Rechtseinheit bedeutete das weiterhin, dass „auch der Unionsgedanke . . . in einer evt. größeren Gemeinschaft voll zum Tragen kommen“ müsse.311 In dieser Hinsicht sei die Rede in den Empfehlungen „von den reformierten Gemeinden als ‚Minderheit‘ oder als die ‚jeweils Anderen‘ (II 3.3) . . . dem geistlich-theologischen Sachverhalt in der EKU nicht angemessen“.312 Diese schwer wiegenden Einwände lösten bei den anderen Teilnehmern zwar „unwilliges Erstaunen“ aus,313 konnten jedoch in der Sache kaum entkräftet werden. Weder der Hinweis von Rathke, dass in den Empfehlungen ja nicht von einem Auflösen, sondern von einem Aufgehen der Zusammenschlüsse in einem größeren Ganzen geredet werde,314 noch Schmales Feststellung, dass man in der Gruppe eigentlich nur arbeiten könne, „wenn das, was ist, von allem Beteiligten zur Disposition gestellt“ werde,315 vermochten etwas zu bewirken. Auch die von Schröder mehrfach betonte These, „daß die anzustrebende Lösung nicht ein Weniger an besonderer Gemeinschaft bringen dürfe“, wurde von diesem selbst dahingehend eingegrenzt, „daß ‚natürlich‘ nicht daran zu denken“ sei, „daß die Entscheidungen von 1969 rückgängig gemacht werden könnten und zwischen Bund und EKD ein Verhältnis begründet werden könnte, wie es heute zwischen den beiden Bereichen innerhalb der EKU bestehe“.316 Angesichts der damit deutlich gewordenen Aporie schlussfolgerte Lingner im Konzept seines Berichts an Hammer: „Wenn der Bericht von Dr. Schulze die Meinung der EKU treffend wiedergegeben hat, dürften die Bemühungen in der DDR um eine neue, vertiefte Gemeinschaft in Form einer VEK kaum Aussichten auf Erfolg haben. . . . Mein persönlicher Eindruck geht dahin, daß

310 Niederschrift Demkes (vgl. Anm. 304), S. 3 f. – Damit war einer Gestaltung der OstWest-Beziehungen im Sinne eines Angleichungsmodells eigentlich eine Absage erteilt. 311 Lingner an Hammer (vgl. Anm. 301), S. 1. 312 Niederschrift Demkes (vgl. Anm. 304), S. 2. 313 P. Kraske: Vermerk (vgl. Anm. 301), S. 3. – Die Ankündigung von Schulze, „daß die EKU Anfang November ihre Position in wichtigen Fragen der Eisenacher Empfehlungen deutlich markieren werde“ (gemeint war der in Vorbereitung befindliche Beschluss des Rates zu den Empfehlungen I–II), wurde in diesem Zusammenhang „von einigen Gesprächsteilnehmern eher als eine Drohung, weniger als Andeutung eines hilfreichen Beitrages verstanden“ (EBD.). 314 Niederschrift Demkes (vgl. Anm. 304), S. 4. 315 EBD., S. 2. 316 P. Kraske: Vermerk (vgl. Anm. 301), S. 3.

326

Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

seitens der EKU die Vorbehalte gegen die VEK so stark sind, daß man dort gewillt ist, das ins Auge gefaßte Ziel einer VEK preiszugeben.“317

Die nach Schulzes Ausführungen im Raum stehende Frage nach der nunmehr überhaupt noch vorhandenen Basis für eine gemeinsame Arbeit wurde noch dadurch verstärkt, dass von EKU-Seite darauf hingewiesen wurde, dass nach ihrer Meinung die Frage der besonderen Gemeinschaft nur in engem Zusammenhang mit den anderen zu behandelnden Themenbereichen, insbesondere der Frage des Selbstverständnisses des neuen Zusammenschlusses, geklärt werden könne318 – was wiederum organisatorisch kaum machbar war. Die im Laufe der Diskussion zunehmend schwindende Existenzberechtigung und Arbeitsmöglichkeit einer Untergruppe mit diesem Thema und zu diesem Zeitpunkt konnte allerdings mit dem Kompromissvorschlag aufgefangen werden, sich auf die allgemeinere Arbeitshypothese zu gründen, es werde „ein einziger gesamtkirchlicher Zusammenschluß in der Weise gebildet, daß das Nebeneinander dreier Synoden, Leitungsorgane und Dienststellen beendet“ werde (Demke).319 Diese Übereinstimmung in der Tendenz, die die Frage einer Auflösung der Zusammenschlüsse umging, war zwar bei allen Beteiligten vorhanden und wurde deshalb auch der weiteren Arbeit zu Grunde gelegt, war jedoch eigentlich nur bedingt tragfähig, da die zur Sprache gekommenen und nunmehr ausgeblendeten Probleme auch die Verwirklichung einer solchen MinimalVEK in Frage stellen konnten. Abschließend wurde die Aufgabenbestimmung der Gruppe dahingehend formuliert, dass sie die „Gesamtentscheidung unter dem Aspekt der ‚besonderen Gemeinschaft‘ vorzubereiten“ habe, „und zwar in weitestgehender hypothetischer Anlehnung an die Gesamttendenz der Eisenacher Empfehlungen“. Angesichts von II 3.8 der Empfehlungen und der insbesondere von der EKU erhobenen Forderungen, dass die künftige Gemeinschaft nicht schlechter sein dürfe als die vorhandene, wurde diese Aufgabe in drei Punkten konkretisiert: „1) Die bisherigen Erfahrungen in den drei Zusammenschlüssen sind auszuwerten, kritisch zu prüfen und daraufhin zu sondieren, wieweit sie in einen neuen Zusammenschluß eingebracht werden können. 2) Es ist zu erkunden, was die Forderung konkret bedeutet, die neue Gestaltung der besonderen Gemeinschaft dürfe nicht ‚schlechter als bisher‘ sein. 3) Welche Sacherfordernisse sind zu berücksichtigen, wenn die Ordnung der besonderen Gemeinschaft ihr Ziel darin haben soll, daß sie der Ausrichtung des Zeugnisses des Evangeliums je an dem besonderen Ort dient.“320 317 Lingner an Hammer (vgl. Anm. 301), S. 1 f. 318 Niederschrift Demkes (vgl. Anm. 304), S. 2. 319 EBD., S. 2; vgl. [Ch. Demke], Untergruppe IV, 16.10.1979 [handschriftlich] (vgl. Anm. 301), S. 3; vgl. P. Kraske: Vermerk (vgl. Anm. 301), S. 3.

Übereinstimmung in der Tendenz

327

Dieses Arbeitsvorhaben der Untergruppe IV wurde von Waitz als Vorsitzendem der Gruppe am nächsten Tag in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vorgetragen, die es ohne wesentliche Einwände zur Kenntnis nahm und lediglich ihr Interesse an einer „breiten Information über den Gesprächsstand innerhalb der EKU“ bekundete.321 Entsprechend dem unter Punkt 1 formulierten Arbeitsvorhaben stand die nächste Zusammenkunft der Untergruppe IV am 18. Dezember im Zeichen der Bestandsaufnahme.322 Dabei „wurde aus dem Bereich der EKU, der VELK und der EKD berichtet, wie die speziellen Verbindungen zwischen Ost und West wahrgenommen werden und welche Erfahrungswerte bei der Wahrnehmung der Gemeinschaft eine Bedeutung haben“.323 Dieser Erfahrungsaustausch erfolgte „in großen Offenheit und kritischer Analyse“.324 Breiten Raum nahm der Bericht Rogges über die vielfältige Wahrnehmung der Gemeinschaft innerhalb der EKU ein (gemeinsame Ratssitzungen, Absprachen zwischen den Synoden, gemeinsame Ausschüsse, weitgehende Rechtseinheit, Begegnungen u. a.). Dabei habe man die Erfahrung gemacht, dass Gemeinschaft, um ihre Verbindlichkeit zu wahren, eine gewisse Institutionalisierung erfordere, wobei die Überlegungen innerhalb der EKU, ob diese Institutionalisierung der Rechtsform bedürfe, noch nicht abgeschlossen seien.325 Auch Rathke konnte für die VELK eine positive Bilanz der Verbindungen zur VELKD ziehen, wobei er „als Erfahrenswert der lutherischen Gemeinschaft besonders die ‚Familiarität‘ und die ‚Vertrauensatmosphäre‘“ hervorhob. Die Beziehungen seien „besser, als vor 1969“. Denn: „Jetzt merkt man wieder, wir brauchen einander, gehen aufeinander zu. Man ist selbstbewußter auf beiden Seiten.“326 Schmale wies ergänzend auf die Bedeutung gemeinsamer Sachaufgaben hin und empfahl – wie von lutherischer Seite auch vorher schon – hinsichtlich der weiteren Arbeit der Untergruppe, nicht von einer nur schwer greifbaren Gemeinschaft an sich auszugehen, 320 Niederschrift Demkes (vgl. Anm. 304), S. 2. 321 Ch. Demke: Niederschrift über die 2. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 17.10.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 1. 322 Auch von dieser Sitzung liegen das endgültige Protokoll (Ch. Demke: Niederschrift über die Sitzung der Untergruppe IV – Gemeinsame Vorbereitungsgruppe [Besondere Gemeinschaft] am 18.12.1979, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 18]), dessen handschriftliche Vorlage ([Ch. Demke]: Untergruppe IV, 18.12.1979 [EZA BERLIN, 688, Nr. 94]) sowie ein Bericht Lingners an Hammer vor: Betr. Untergruppe IV der Vorbereitungsgruppe, 20.12.1979 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767]). 323 EBD., S. 1; vgl. Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 322). 324 Ch. Demke: Niederschrift über die 3. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 19.12.1979 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 5. 325 Lingner an Hammer (vgl. Anm. 322), S. 1. 326 [Ch. Demke], Untergruppe IV, 18.12.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 2.

328

Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

sondern von den konkreten Sachaufgaben, die eine solche Zusammenarbeit erforderlich machten.327 Deutlich anders als die Berichte aus EKU und VELK gestaltete sich die Bestandsaufnahme der Beziehungen zwischen BEK und EKD, die sich nahezu ausschließlich um die Arbeit der „Beratergruppe“328 drehte, die dabei eine vor allem kritische Würdigung erfuhr (fehlende Kontinuität in der Zusammensetzung, mangelnde Verbindlichkeit der Gespräche, ungenügende thematische Vorbereitung).329 Es bestand freilich Übereinkunft darin, dass auch weiterhin in der Beratergruppe „Themen, die sich aus der unterschiedlichen Einbindung der Kirchen in die politischen Kontexte ergeben“, verhandelt werden sollten.330 Darüber hinaus erfolgte diese Kritik nicht aus der Intention heraus, die Beziehungen des BEK zur EKD gegenüber den zuvor positiv herausgestellten Beziehungen auf lutherischer bzw. unierter Ebene abzuwerten, sondern unter der Frage, ob eine künftige „Beratergruppe“ einer VEK eventuell in der Lage wäre, die Aktivitäten von EKU und VELK im Rahmen der „besonderen Gemeinschaft“ ohne Verluste aufzugreifen.331 327 EBD. 328 Die Beratergruppe aus Vertretern des Bundes und der EKD war kurz nach dessen Gründung als ein Gesprächskreis gebildet worden, in dem die unter Artikel 4, Absatz 4 der Ordnung des Bundes genannten „Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam betreffen“, besprochen – nicht entschieden – werden sollten. Nachdem es 1970 bei einer relativ allgemeinen Beschreibung der Aufgaben dieses damals noch namenlosen, später zeitweise als „Berlin-Gruppe“ bezeichneten Gesprächskreises geblieben war, erhielt sie 1976 eine konkretere Aufgabenbeschreibung: „. . . Sie berichtet gegenseitig über die kirchliche Arbeit und besondere kirchliche Probleme aus dem Bereich der EKD und dem Bereich des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR; . . . sie regt theologische Gespräche über wichtige kirchliche Themen zwischen den Kirchen in der EKD und denen des Bundes an und fördert diese; . . . sie erörtert Fragen, die die ganze evangelische Christenheit in Deutschland angehen und trägt dazu bei, daß die Organe der EKD und des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in partnerschaftlicher Arbeit ihre jeweilige Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland wahrnehmen können“ (vgl. Tischvorlage für die 46. Sitzung des Rates der EKD im Juni 1976: Betr. Aufgaben der Beratergruppe, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 360]). Eine EKD-Initiative vom Sommer 1979, die Arbeit der Beratergruppe auf eine breitere Grundlage zu stellen und effizienter zu gestalten („Konferenz der Verbindungs-Beauftragten“), wurde angesichts des Einspruchs der DDR-Staatsvertreter gegen eine Beteiligung westdeutscher Gäste an der Arbeit der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe fallen gelassen (vgl. dazu u. a. W. Hammer: Vorlage für die 2. Sitzung des Rates der EKD im Juli 1979. Betr.: Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ mit den Kirchen des BEKDDR [bisher „Beratergruppe“], 25.6.1979 [EZA BERLIN, 2/93, Nr. 878]; O. Lingner: Vermerk über die Zusammenkunft der „Beratergruppe“ am 2.7.1979, 16.7.1979 [EZA BERLIN, 4/92, Nr. 9]). 329 Lingner an Hammer (vgl. Anm. 322), S. 2; vgl. [Ch. Demke]: Untergruppe IV (vgl. Anm. 322), S. 2. 330 Lingner an Hammer (vgl. Anm. 322), S. 3. 331 Vgl. EBD., S. 2.

Übereinstimmung in der Tendenz

329

Der Gedanke einer solchen Überführung der Ost-West-Aktivitäten in die Beratergruppe kam vom Präsidenten der EKU-Kirchenkanzlei West, Kraske,332 und schien erst einmal so viel für sich zu haben, dass er von den anderen Teilnehmern erfreut aufgegriffen, zumindest aber als weiterführende Fragestellung akzeptiert wurde. Er traf sich nicht nur mit dem latenten Interesse Lingners als Geschäftsführer der Beratergruppe, deren Arbeit effizienter zu gestalten, sondern ermöglichte es auch, bei einem bereits bestehenden Gremium ansetzen und in diesem Zusammenhang das Problem einer etwaigen Auflösung der Zusammenschlüsse sowie die offene Frage der Struktur einer künftigen VEK zu umgehen. Die Arbeitsgruppe konnte sich vielmehr darauf beschränken zu prüfen, ob und in welcher Form eine neu strukturierte Beratergruppe die insgesamt vorhandenen Ost-West-Beziehungen auf den Leitungsebenen wahrzunehmen in der Lage sei, wobei die Erfahrungen aus der bisherigen Arbeit der Beratergruppe zu berücksichtigen waren. Insofern ergaben sich aus der Diskussion der Bestandsaufnahmen weitere zu beachtende Sachgesichtspunkte: in inhaltlicher Hinsicht die „Frage nach den Aufgaben, die zu gemeinsamer Beratung herausfordern“, und in struktureller Hinsicht die einer notwendigen Verbindung von „personeller Kontinuität“, „Verbindlichkeit (Offenheit)“ und „deutlicher Vorbereitung“ sowie die nach der Einbeziehung der jeweiligen Institutionen.333 Im Ergebnis wurde für die Weiterarbeit ein Modell darüber in Auftrag gegeben, „wie bei einer Zusammenfassung der drei Zusammenschlüsse verfahren werden könnte“.334 Mit der Ausarbeitung dieses Modells beauftragte die Untergruppe Demke und Lingner.335 Dieser an Lingner und Demke vergebene Auftrag zur Ausarbeitung eines Modells zur Neustrukturierung der Beratergruppe wurde von Lingner umgehend ausgeführt. Bereits zwei Tage nach der Zusammenkunft der Untergruppe IV, am 20. Dezember, hatte er zum Thema eine „erste Vorüberlegung“336 beziehungsweise „erste Gedankenskizze“337 vollendet, die er 332 „Müßte man nicht alles in der Beratergruppe unterbringen, was zwischen beiden [Seiten] lebt und webt“ ([Ch. Demke]: Untergruppe IV [vgl. Anm. 322], S. 3). 333 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 322). 334 EBD. 335 [Ch. Demke]: Untergruppe IV (vgl. Anm. 322), S. 4; Lingner an Hammer (vgl. Anm. 322), S. 3. – In das endgültige Protokoll wurde – wohl aus Rücksicht auf den Einspruch der staatlichen Stellen gegen die beabsichtigte Beteiligung westdeutscher Vertreter als „mitarbeitende Gäste“ an der GVG – die abweichende Festlegung aufgenommen, dass dieses Modell von Demke und Rogge zu entwerfen sei, die sich mit Lingner lediglich ins Benehmen zu setzen hätten (Ch. Demke: Niederschrift [vgl. Anm. 322]). 336 So im Schreiben an Demke, 20.12.1979 [EZA BERLIN, 688, Nr. 94], S. 1). 337 Lingner an Präsident Kraske/Kirchenrat Schmale/Heidingsfeld: Betr. Modell der verbindlichen Bruderschaft zwischen EKD, VELKD und EKU einerseits und VEK andererseits, 20.12.1979 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Demke zur Prüfung zusandte. In diesem Entwurf338 ging Lingner einerseits von dem Grundsatz aus, dass „all das, was bisher auf der Kanzlei- und Kirchenleitungsebene bei EKD/Bund, EKU und VELK/VELKD geschah, tatsächlich weitergeführt werden“ solle, und zum anderen von der Einsicht, dass „eine einzige Beratergruppe“ überfordert wäre, wenn man ihr dementsprechend „sowohl kirchliche und theologische Themen aufgeben und zusätzlich die politisch-ethischen Fragen zudiktieren wollte“.339 Als Lösung, die nicht nur der Aufgaben- und Themenfülle, sondern auch den neu hinzukommenden konfessionellen Anliegen von EKU und VELK Rechnung zu tragen suchte, schlug er entweder die Bildung von konfessionellen Beratungskonventen neben der eigentlichen Beratergruppe vor (Modell 1) oder die Untergliederung der Beratergruppe selbst in zwei konfessionelle Konvente und einen „mehr allgemeinen Beratungskonvent“, der „die politisch-ethischen Fragen (Kirche zwischen den Weltsystemen) zu beraten hätte“ (Modell 2).340 Darüber hinaus ersetzte Lingner – ohne ausgeführte Begründung – den Ausdruck „besondere Gemeinschaft“ durch „verbindliche Bruderschaft“ – womit er nach eigenen Angaben eine von Otto Schröder auf der Zusammenkunft vom 18. Dezember eingebrachte Formulierung aufgriff. Voraussetzung seiner „Skizze für ein Modell“ war, „daß es am Tag X eine VEK gibt, aber keine EKU mehr und keine VELKDDR“. Lingner hatte diesen Entwurf nicht nur an Demke als vorgesehenen Mitautor von östlicher Seite, sondern auch an die Vertreter der anderen beiden westdeutschen Zusammenschlüsse innerhalb der Untergruppe IV, Kraske und Schmale, gesandt. Deren Reaktion war jedoch eher kritisch. Differenzen bestanden insbesondere zwischen Lingners Entwurf und den „Überlegungen zur besonderen Gemeinschaft“, wie sie innerhalb der VELKD angestellt worden waren.341 Diese gingen davon aus, dass die Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft zwar zu erhalten, gegebenenfalls sogar zu vertiefen sei, diese Wahrnehmung aber nicht Selbstzweck sein könne, sondern – wie in den Eisenacher Empfehlungen formuliert – „dem Zeugnis in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen dienen“ müsse. Diese Sachaufgabe verlange eine flexible Ausgestaltung der besonderen Gemeinschaft, damit diese den jeweiligen Erfordernissen Rechnung tragen könne. Insofern sei es nicht „erstrebenswert . . ., die Beziehungen durch den Flaschenhals einer einzigen Kontaktgruppe zu führen“. Vielmehr müsse jeweils die Freiheit bestehen, nach den sachlichen Erfordernissen zu entscheiden, wie die VEK und mit welchem Partner in der BRD (EKU, VELKD oder EKD) sie in der jeweiligen Frage am besten zusammen-

338 O. Lingner: Skizze für ein Modell der verbindlichen Bruderschaft, 20.12.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94) – siehe unten Dok 9. 339 Lingner an Demke: Betr. Untergruppe IV, 20.12.1979 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 1 f. 340 EBD. 341 Vgl. L. Mohaupt: Vermerk betr. Überlegungen zur besonderen Gemeinschaft zwischen VELKD und zukünftiger VEK, 8.2.1980 (LKA HANNOVER, D 15 X, Nr. 201, Bd. 8).

Übereinstimmung in der Tendenz

331

arbeitet.342 Diese Einwände seitens der VELKD trafen sich wiederum mit Bestrebungen innerhalb der EKU, vor der anstehenden Entscheidung der Räte zu den Eisenacher Empfehlungen III–V alle Vorschläge zu vermeiden, die eine Vorentscheidung hinsichtlich der Struktur einer künftigen VEK bedeutet hätten.343 Als Lingners Entwurf Thema des turnusmäßigen Informationsgesprächs zwischen Vertretern des EKU-Kollegiums (West) und den Leitern der (West-)Berliner Stellen von EKD und VELKD, Lingner und Schmale, am 25. Februar war,344 wurden dementsprechend mehrere Korrekturen bzw. Ergänzungen des Entwurfes „in Erwägung gezogen“,345 die letztlich auf eine Rücknahme der am 18. Dezember vorgeschlagenen Konzentration der Ost-West-Beziehungen in einer neu strukturierten Beratergruppe abzielten und sich deutlicher als Lingners Entwurf an dem Bisherigen orientierten. Zum einen wurde eine genauere Beschreibung der Aufgaben der Beratergruppe für sinnvoll gehalten, wobei weniger an eine Grundsatzaussage, als vielmehr an einen ausdrücklichen Hinweis auf ihre Funktion als Forum zur gegenseitigen Information gedacht war. Zum anderen wurde die Bildung von konfessionellen Beratungskonventen sowohl neben der eigentlichen Beratergruppe (Modell 1) als auch innerhalb der Beratergruppe (Modell 2) abgelehnt und statt der im Modell 2 vorgesehenen konfessionell orientierten Untergruppen eine Bildung von „projektorientierten Unterausschüssen“ angeregt.346

Lingner erläuterte seinen Modellentwurf zusammen mit den dazu von westlicher Seite angemerkten Korrekturvorschlägen auf der nächsten Zusammenkunft der Untergruppe IV am 5. März 1980. Da diese Beratung unmittelbar nach der Sitzung des Rates der EKU (DDR) stattfand, auf der eine deutliche Ablehnung der VEK-Pläne insbesondere durch den EKURatsvorsitzenden (Natho) zum Ausdruck gekommen war,347 blieb es seitens der EKU bei der konsequenten Ablehnung aller Regelungen, die eine grundsätzliche Änderung der in der DDR bestehenden gesamtkirchlichen

342 EBD., S. 1 f. 343 Auf der Kollegiumssitzung West am 19. Februar besprochen (P. Kraske/G. Lahmann: Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift über die Sitzung des Kollegiums der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – am 19.2.1980 [EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547]). 344 Vgl. EBD.; P. Kraske/G. Lahmann: Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift über die Sitzung des Kollegiums der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – am 25.2.1980, undatiert (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1547). 345 Besprechung EKU, VELKD, EKD: betr. Modell für die Zusammensetzung der Beratergruppe, Untergruppe IV der GVG (Gemeinsame Vorbereitungsgruppe), 25.2.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767). 346 EBD. 347 Siehe oben S. 297–299. – Die Ratssitzung endete um 16 Uhr, die Beratung der Untergruppe begann um 17.30 Uhr. Drei ihrer Mitglieder (P. Kraske, J. Rogge, H. Waitz) hatten an der Ratssitzung teilgenommen (vgl. Anwesenheitsliste. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR am 5.3.1980 in Berlin [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 172]).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Struktur präjudizierten. Wenig Anlass zur Diskussion boten hingegen die Fragen der Zusammensetzung der Beratergruppe und ihrer Koordination. Ohne weiteres wurde entsprechend dem Wunsch der östlichen Seite eine Beteiligung aller acht ostdeutschen Landeskirchen akzeptiert. Ebenso fanden Lingners Vorschläge für eine Vertretungsregelung sowie zur Bildung eines geschäftsführenden Ausschusses Billigung. Die im Entwurf vorgesehene Beteiligung der Synodalpräsides an der Beratergruppe wurde noch einmal bestätigt und die Hinzuziehung weiterer Berater vorgesehen.348

Zum Teil diskutiert, aber nicht entschieden wurde die Frage der Terminologie. Während die Lingnersche Formulierung von der „verbindlichen Bruderschaft“ in der Diskussion unerwähnt blieb und stattdessen durchgängig von „besonderer Gemeinschaft“ gesprochen wurde, schien es der Untergruppe durchaus überlegenswert, ob die neu strukturierte Beratergruppe nicht auch einen neuen Namen erhalten sollte. Allerdings fand sich keine rechte Alternative. Der von Kraske (EKU West) unterbreitete Vorschlag, lediglich von einem „Kontaktausschuß“ zu reden, fand als „zu schwache“ Formulierung (Schmale, VELKD) keine Zustimmung, sodass dieser Punkt schließlich vertagt wurde. Eine begrenzte Klärung erfuhr der Auftrag der neuen Beratergruppe. Zwar wurde akzeptiert, dass im Modellentwurf – wie in der west-internen Besprechung am 25. Februar bereits festgehalten – deutlicher die Aufgabe der gegenseitigen Information zum Ausdruck gebracht werden müsste, darüber hinaus jedoch auch die Aufgabe der Koordination für wichtig gehalten. Freilich gab es in diesem Zusammenhang auch die Befürchtung, dass diese Koordinierungsfunktion an den zuständigen Leitungsgremien vorbei wahrgenommen werden könnte, woraufhin klargestellt wurde, dass die Entscheidungen selbstverständlich bei den Leitungsgremien lägen, jedoch nicht ohne die Beratergruppe gefällt werden sollten. Den breitesten Raum nahm in der Diskussion der Untergruppe naturgemäß die künftige Struktur des Beratungsgremiums ein, wobei der ursprüngliche Anlass für die Neustrukturierung, nämlich an dieser zentralen Stelle die Fortführung aller Ost-West-Bindungen der drei Zusammenschlüsse zu ermöglichen, kaum noch eine Rolle spielte. Die von Lingner vorgeschlagenen Beratungskonvente wurden – wie bereits am 25. Februar – abgelehnt, und zwar in beiden Varianten. Auch der einstige Vorschlag der Vertreter der westlichen Zusammenschlüsse, projektorientierte Unterausschüsse zu bilden, erfuhr aufgrund verstärkter EKU-Bedenken noch einmal eine Präzisierung dahingehend, dass es sich dabei nicht um ständige Untergruppen, sondern um „Ad-hoc-Ausschüsse“ handeln solle. Als Argument gegen den Lingnerschen Entwurf hatte Kraske geltend gemacht, dass die 348 [Ch. Demke]: Mitschrift. Untergruppe IV am 5.3.1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94).

Übereinstimmung in der Tendenz

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Möglichkeiten der von Lingner vorgeschlagenen Beratungskonvente „nicht weit genug“ gingen349 und diese deshalb nicht in der Lage seien, die besonderen grenzübergreifenden Aktivitäten der konfessionellen Zusammenschlüsse aufzufangen. Für die EKU nannte er dabei unter anderem die Ausschussarbeit (Theologischer Ausschuss),350 für die VELK die Arbeit des Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes.351 Die sich damit stellende Frage, ob und wie diese Aktivitäten dennoch in eine VEK eingebunden werden könnten, wurde nicht diskutiert.352 Angesichts dieser und weiterer offener Fragen war das Resümee des endgültigen Protokolls dann auch recht spärlich und allgemein gehalten: „Die Untergruppe diskutiert Modelle für die Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft. Es muß ein Gremium zur ständigen Wahrnehmung der Kontakte geschaffen werden, an dem aus dem Bereich des Bundes alle Gliedkirchen zu beteiligen sind. Die Einbeziehung von VELKD und EKU – Bereich West – muß gewährleistet sein. . . . Die Zusammenkünfte dieses Gremiums müssen zeitlich so geordnet werden, daß eine kontinuierliche Arbeit möglich ist. Für eine sachgerechte Vorbereitung ist Sorge zu tragen. Es ist klar festzulegen, daß die Entscheidungen jeweils getrennt in den Leitungsgremien fallen. Für die einzelnen Sachaufgaben werden ad-hoc-Kontakte verabredet werden müssen. In der ständigen Gruppe sollten alle Koordinierungen vorgenommen werden.“353

Für die Weiterarbeit wurde Lingner um eine Überarbeitung seines Modellentwurfs entsprechend der stattgefundenen Diskussion gebeten.354 Diese Überarbeitung war wiederum bereits wenige Tage später – am 10. März – fertig gestellt. In diesem Neuentwurf einer „Regelung für die Bildung einer Beratergruppe“355 ließ er angesichts der am 5. März geäußerten Kritik die von ihm zuvor eingeführte neue Begrifflichkeit wieder fallen und sprach statt von „verbindlicher Bruderschaft“ nunmehr von der „bestehenden Gemeinschaft 349 EBD., S. 3. 350 Lingner an Oberkirchenrat Dr. Rohde, Berlin, 12.3.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767), S. 3. 351 [Ch. Demke]: Mitschrift (vgl. Anm. 348), S. 3. – Schmale als Vertreter der VELKD scheint dagegen die Möglichkeit einer Einbindung des Nationalkomitees keineswegs von vornherein ausgeschlossen zu haben (EBD.). 352 Lingner an Rohde (vgl. Anm. 350), S. 3. 353 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (Ch. Demke): Niederschrift über die Sitzung der Untergruppe IV am 5.3.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 18). 354 Ch. Demke: Mitschrift (vgl. Anm. 348), S. 3. – In der offiziellen Lesart des Protokolls wurden erneut Demke und Rogge als Beauftragte genannt, die sich mit Lingner ins „Benehmen“ zu setzen hätten (Gemeinsame Vorbereitungsgruppe [Ch. Demke]: Niederschrift über die Sitzung der Untergruppe IV am 5.3.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 18]). 355 O. Lingner: Regelung für die Bildung einer Beratergruppe, 10.3.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 767).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

zwischen der VEK mit ihren Gliedkirchen und der EKD mit ihren kirchlichen Zusammenschlüssen und Gliedkirchen“.356 Den Begriff „besondere Gemeinschaft“ vermied er allerdings weiterhin, da dieser „in der staatlichen Optik der DDR belastend sein“ könnte.357 Dementsprechend sollte die Rede von der „bestehenden Gemeinschaft“ auch nicht an die EKD-Grundordnung von 1948 anknüpfen, sondern lediglich den betreffenden staatlichen Stellen der DDR signalisieren, dass hier bereits Bestehendes fortgeführt, nicht jedoch Neues eingeführt werde. Den Namen des Gremiums selbst (Beratergruppe) ließ Lingner offen, da dieser Punkt in der Untergruppe zwar angesprochen, aber nicht entschieden worden war. Darüber hinaus bot die Überarbeitung im Vergleich zum Vorgängermodell aufgrund der Diskussion sowohl Änderungen in struktureller und organisatorischer Hinsicht als auch eine erweiterte und verdeutlichende Beschreibung der Aufgaben dieses Nachfolgegremiums der bestehenden Beratergruppe. Die strukturellen Korrekturen betrafen: – die Einsetzung eines „geschäftsführenden Ausschusses“, der zu den Beratungen einlädt, die Termine festsetzt und die Tagesordnung aufstellt, – die Zusammensetzung der Gruppe (8 Vertreter der VEK; 6 aus dem Bereich von EKD, EKU, VELKD; die Präsides der Synoden von VEK und EKD, der geschäftsführende Ausschuss sowie weitere Berater), – die Wahl eines „ersten und zweiten Sprechers, die die Beratungen leiten“ und – die ohne nähere Erläuterungen genannte Möglichkeit, „für die Erledigung besonderer Aufgaben . . . projektorientierte Unterausschüsse“ einzusetzen.358

Bei der Neuformulierung der Aufgabenbeschreibung versuchte Lingner nach eigenen Angaben, „allgemeine Gesichtspunkte und konkrete Aufgaben miteinander zu verbinden“ und dabei insbesondere – wie am 25. Februar gefordert und am 5. März bestätigt – „die gegenseitige Information als Aufgabe“ sicherzustellen.359 Aus der vorigen Fassung seines Entwurfs übernahm er die Verpflichtung zur thematischen Arbeit sowie die Möglichkeit, „gemeinsame Erklärungen zu formulieren“. Neu aufgenommen wurden von ihm die Aufgaben der Förderung und der Koordinierung der Ost-WestGemeinschaft, womit er ebenfalls versuchte, der Diskussion am 5. März gerecht zu werden, auf der die Koordinierungsfunktion der künftigen Beratergruppe als besonders wichtig eingestuft worden war.

356 EBD., S. 1. 357 Lingner an Rohde (vgl. Anm. 350), S. 2. – Eine aktuelle Ursache für diese Vermutung nennt Lingner nicht, sodass es sich hierbei möglicherweise noch um Nachwirkungen des staatlichen Einspruchs vom Sommer 1979 handeln könnte (vgl. oben Kap. 5.2.2). 358 O. Lingner: Regelung (vgl. Anm. 355). 359 Lingner an Rohde (vgl. Anm. 350), S. 2 f.

Übereinstimmung in der Tendenz

335

Sein Vorschlag dazu lautete: „Die (Beratergruppe) hat die Aufgabe, sich über die vielfältig gelebte Gemeinschaft zwischen den Kirchen des Bundes und denen der EKD auf allen Ebenen zu unterrichten, diese zu fördern und soweit erforderlich zu koordinieren. Sie bespricht die kirchliche Arbeit und kirchliche Aufgaben in den Kirchen. Kirchliche Voten und Stellungnahmen zu Fragen gemeinsamen Interesses sind zu erörtern und ggf. gemeinsame Erklärungen vorzubereiten. Über Verlauf und evtl. Ergebnisse der Beratungen sind die jeweiligen Leitungsgremien zu unterrichten. Notwendige Beschlüsse, die sich aus den Beratungen ergeben, werden von diesen gefaßt.“

Bevor dieser Entwurf in der Untergruppe IV besprochen wurde, stellte Lingner ihn innerhalb des Kollegiums der EKU-Kirchenkanzlei West zur Diskussion.360 Überraschenderweise wurde dabei „mit Rücksicht darauf, daß die praktizierte Gemeinschaft in der EKU und in der VELKD fortgesetzt und weiter entwickelt werden soll“, erneut das Modell konfessioneller Konvente ins Gespräch gebracht und als Formulierung vorgeschlagen: „Die Mitglieder der Beratergruppe gehören je einem Konvent an. Die Konvente sind in besonderer Weise der lutherischen bzw. der unierten Tradition verpflichtet. Die Konvente können zu gesonderten Beratungen zusammentreten.“361

Entscheidender Unterschied zu dem am 25. Februar abgelehnten Vorschlag Lingners war freilich, dass diese Konvente nunmehr nicht die vorhandenen konfessionellen Aktivitäten auffangen, sondern zusätzlich zu ihnen tätig sein sollten, sodass dieser neuerliche Vorschlag nicht unbedingt als eine Vorentscheidung hinsichtlich der künftigen Struktur einer VEK oder hinsichtlich einer Fortführung bestehender Arbeitsfelder, Ausschüsse und Kommissionen verstanden werden musste. Diese letzte Frage wurde vielmehr ausdrücklich als offen und klärungsbedürftig bezeichnet. Darüber hinaus wurde deutlich gemacht, dass es nicht ausreichen werde, „lediglich die Versicherung abzugeben, daß die bisherige Gemeinschaft in der EKU und in der VELKD auch von der VEK fortgeführt“ werde.362 Angesichts dieser vorangegangenen Diskussion erläuterte Lingner auf der nächsten Zusammenkunft der Untergruppe IV am 28. Mai363 nicht nur 360 Vgl. Vermerk Lingners für Demke: Betr.Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 28.5.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 1; vgl. P. Kraske/G. Lahmann: Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift über die Sitzung des Kollegiums der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – am 23.4.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1548). 361 Lingner an Demke (vgl. Anm. 360), S. 1. 362 EBD., S. 2. 363 Von dieser Zusammenkunft existieren eine Mitschrift Demkes ([Ch. Demke]: Untergruppe IV, 28.5.1980 [EZA BERLIN, 688, Nr. 94]), der endgültige Protokollvermerk (Ge-

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

seinen Entwurf, sondern unterbreitete auch die Vorschläge der innerwestlichen Vorbesprechung. Auf dieser Grundlage wurde „nach ausführlicher Beratung und Überarbeitung des vorgelegten Entwurfs“ von der Untergruppe IV ein neuer Text „als weitere Beratungsgrundlage“ festgestellt,364 der freilich nicht entscheidend von der Vorlage Lingners abwich. Zum einen wurde die von ihm formulierte Aufgabenbeschreibung der künftigen Beratergruppe unverändert beibehalten, zum anderen sah sich die Gruppe nicht in der Lage, jene Fragen zu entscheiden, deren Klärung möglicherweise zu einer wesentlichen Änderung geführt hätten. Auch nach dieser Überarbeitung blieb offen, welchen Namen die neue Beratergruppe tragen sollte. Zwar bestand Einigkeit darüber, dass die Bezeichnung „Beratergruppe“ den Eindruck erwecke, „als handele es sich um eine Zusammenkunft von Einzelpersönlichkeiten“,365 und deshalb ersetzt werden sollte, jedoch zeichnete sich keine überzeugende Alternative ab. Diskutiert wurden: „Verbindungsausschuß, Verbindungskommission, Komitee . . ., Gemeinsame Beratungsgruppe“.366 Als Arbeitsformulierung wurde – zumindest von Lingner – „Gemeinsame Beratungsgruppe“ zu Grunde gelegt.367 Klarheit herrschte hingegen in der Frage, wie die wahrzunehmende Gemeinschaft zu bezeichnen sei. Hatte Lingner den Begriff „besondere“ Gemeinschaft lediglich in Klammern als weitere Möglichkeit neben der von ihm bevorzugten „bestehenden“ Gemeinschaft angeboten, wurde von der Gruppe nunmehr übereinstimmend festgehalten, dass es um die Wahrnehmung jener Aufgaben gehe, „die sich aus der besonderen Gemeinschaft zwischen der VEK mit ihren Gliedkirchen und der EKD mit ihren kirchlichen Zusammenschlüssen und Gliedkirchen ergeben“.368 Bei der Zusammensetzung der „Gemeinsamen Beratungsgruppe“ wurde eine von westlicher Seite vorgeschlagene stärkere Beteiligung von EKU (West) und VELKD sowie die von EKU-Seite gewünschte Möglichkeit zur Einbeziehung der Arnoldshainer Konferenz zur Kenntnis genommen, allerdings vorausgesetzt, dass sich die drei westlichen Zusammenschlüsse auch ohne ausdrückliche Festlegung in dieser Hinsicht einigen werden. Ausführlicher wurde dagegen der Wunsch diskutiert, im Text klarer „zum meinsame Vorbereitungsgruppe [Ch. Demke]: Niederschrift über die Sitzung der Untergruppe IV am 28.5.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 19]) sowie der Vermerk Lingners für Demke (vgl. Anm. 360). 364 Vermerk Lingners, 30.5.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 1. 365 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (Ch. Demke): Niederschrift (vgl. Anm. 363). 366 EBD., S. 1; vgl. [Ch. Demke]: Untergruppe IV, 28.5.1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 2; Vermerk Lingners (vgl. Anm. 364), S. 2. 367 [O. Lingner]: Entwurf für eine Regelung für die Bildung und Arbeitsweise einer (Gemeinsamen Beratungsgruppe), 30.5.1980 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1549). – Siehe unten Dokument 11. 368 EBD., S. 1; vgl. Vermerk Lingners (vgl. Anm. 364), S. 1.

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Ausdruck zu bringen, daß die Mitglieder ‚Beauftragte der entsendenden Leitungsgremien‘ sind“.369 Abschnitt 2a des Entwurfs erhielt darauf die Fassung: „Als Mitglieder in die (gemeinsame Beratungsgruppe) entsenden die VEK bzw. die EKD gemeinsam mit der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – und der VELKD Beauftragte ihrer Leitungsgremien.“370

Unverändert blieb hingegen die Zahl der Beauftragten von acht für die VEK und sechs für den Westbereich, obwohl auch darüber noch einmal gesprochen worden war. Dabei hatte Rathke (VELKDDR) die Meinung vertreten, dass „von der VEK . . . nicht alle Gliedkirchen berücksichtigt werden“ müssten,371 die Mehrheit hielt jedoch an einer Beteiligung aller acht Landeskirchen auf VEK-Seite fest.372 Die Frage, „ob besondere Konvente für die Verbindungen in Aufnahme der lutherischen und der unierten (reformierten) Tradition vorzusehen seien“, wurde zwar eingehend diskutiert, jedoch letztlich „als noch nicht entscheidbar zurückgestellt“, da eine Entscheidung in dieser Sache von der „Gesamtstruktur der geplanten ‚VEK‘ abhänge“.373 Dementsprechend seien erst die „Entscheidungen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe hinsichtlich der Organisation der VEK“, denen nicht vorgegriffen werden könne, abzuwarten.374 Aus diesem Grund wurde in der überarbeiteten „Beratungsgrundlage“ eine möglichst offene Formulierung gewählt, die die Möglichkeit zumindest nicht ausschloss, „daß Untergruppierungen entsprechend der konfessionellen Zugehörigkeit gebildet werden können“. In diesem Sinne sprach die Überarbeitung nicht mehr von „projektorientierten Ausschüssen“, sondern allgemeiner von „Arbeitsgruppen“, die „für die Erledigung besonderer Aufgaben“ eingesetzt werden können. Der ebenfalls noch für möglich gehaltene Vorschlag, „theologische Konvente“ neben den „Arbeitsgruppen“ direkt zu nennen, wurde nicht mehr ausdiskutiert.375 Allerdings wies Waitz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Frage der Durchführbarkeit solcher deutsch-deutschen Konvente unter den gegebenen politischen Verhältnissen zu bedenken sei.376 Offen blieb auch die von Lingner noch einmal ausdrücklich in Erinnerung gebrachte Frage, „ob und wie Bezug genommen werden soll auf die 369 EBD.; vgl. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (Ch. Demke): Niederschrift (vgl. Anm. 363), S. 1. 370 [O. Lingner]: Entwurf für eine Regelung (vgl. Anm. 367). 371 [Ch. Demke]: Untergruppe IV (vgl. Anm. 363), S. 1. 372 EBD., S. 2. 373 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (Ch. Demke): Niederschrift (vgl. Anm. 363), S. 1 f. 374 Vermerk Lingners (vgl. Anm. 364), S. 2. 375 EBD.; vgl. [O. Lingner]: Entwurf für eine Regelung (vgl. Anm. 367). 376 [Ch. Demke]: Untergruppe IV (vgl. Anm. 363), S. 2.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Arbeit von weiterlaufenden Ausschüssen und gemeinsamen Arbeitsgruppen u. a.“,377 womit im Wesentlichen „die Zukunft der bestehenden EKU-Aktivitäten“ gemeint war.378 Die Gruppe sah sich lediglich in der Lage, eine künftige Klärung vorzubereiten, und bat die EKU-Kirchenkanzlei, dafür „eine Liste der bestehenden EKU-Aktivitäten zur Verfügung zu stellen“.379 Im Ergebnis der Diskussion wurden Demke (und Lingner) beauftragt, „die Regelung für die Bildung einer Beratergruppe aufgrund der Aussprache zu überarbeiten und die Dienststellen über den Beratungsstand zu informieren“.380 Die Überarbeitung wurde zwei Tage später, am 30. Mai, von Lingner an die Mitglieder der Untergruppe IV versandt.381 Darüber hinaus setzte er nun auch Präsident Hammer, dem er bis dahin lediglich als dessen Vertreter in der Untergruppe berichtet hatte, offiziell in dessen Funktion als Präsident der Kirchenkanzlei der EKD über das Arbeitsergebnis in Kenntnis,382 woraufhin es noch einmal zu einem veränderten Entwurf kam. In einer kurzen Verständigung zwischen Lingner und Hammer am 11. Juni hatte dieser die Notwendigkeit hervorgehoben, in den Regelungen jeden Anschein zu vermeiden, die Beratergruppe nehme in irgendeiner Weise Kirchen leitende Funktionen wahr. Die von Hammer dabei unterbreiteten Formulierungsvorschläge wurden daraufhin von Lingner zu einem neuerlich überarbeiteten Entwurf verdichtet,383 dessen Tendenz zur Kompetenzenreduzierung der „gemeinsamen Beratungsgruppe“ freilich nicht der Forderung der EKU nach bleibender Verbindlichkeit entsprach und damit noch weniger konsensfähig war als die Ausgangsvorlage. Die wesentlichste Änderung, die Hammer angeregt hatte, betraf – abgesehen davon, dass er eine paritätische Besetzung (8 zu 8) für sinnvoll gehalten hatte – folgerichtig den Abschnitt über die Aufgaben der Beratergruppe. Zum einen wurde diese Aufgabenbeschreibung, die im Entwurf der Untergruppe IV an letzter Stelle gestanden hatte, nunmehr an die zweite Stelle gerückt, um auf 377 Lingner an Demke (vgl. Anm. 360), S. 2. 378 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (Ch. Demke): Niederschrift (vgl. Anm. 363), S. 1. 379 EBD., S. 2. 380 EBD. – Das endgültige Protokoll nennt wiederum nicht Lingner, sondern allein Demke als Beauftragten, während das handschriftliche Protokoll an dieser Stelle schweigt. Da die überarbeitete Fassung allerdings wiederum von Lingner erstellt und versandt wurde, ist mit einer Regelung wie in den vorangegangenen Fällen zu rechnen (vgl. oben S. 329 und 333). 381 [O. Lingner]: Entwurf für eine Regelung (vgl. Anm. 367). 382 O. Lingner an Hammer: Betr. Beratungen der Untergruppe IV, 30.5.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). In gleicher Weise informierte Schmale den Präsidenten des Lutherischen Kirchenamtes Hannover (Schmale an Dr. G. Gaßmann: Betr. Beratungen der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Gründung einer VEK in der DDR, 10.6.1980 [LKA HANNOVER, D 15 X, Nr. 201, Bd. 8]). 383 Vgl. O. Lingner: Vermerk, 20.6.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768); Lingner an die Kirchenkanzlei der EKD, OKR Dahrmann: Betr. Vorschlag für einen Entwurf einer Regelung für die Bildung und Arbeitsweise einer (Gemeinsamen Beratungsgruppe), 20.6.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768).

Übereinstimmung in der Tendenz

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diese Weise die zuvor in Ziffer 1 genannte „Wahrnehmung von Aufgaben, die sich aus der besonderen Gemeinschaft . . . ergeben“, eindeutig zu interpretieren und weiter gehende Deutungen auszuschließen.384 Zum anderen wurde der betreffende Abschnitt selbst verändert, wobei aus Hammers Perspektive vor allem die der Beratergruppe beigelegte Koordinierungsfunktion erklärungsbedürftig schien. Um klarzustellen, dass die Beratergruppe im Rahmen dieser Koordinierungsfunktion keine Beschlüsse fasse, sondern lediglich Empfehlungen zu geben vermag, wurde formuliert: „Die (Gemeinsame Beratungsgruppe) hat die Aufgabe, sich über die vielfältige gelebte Gemeinschaft zwischen den Kirchen des Bundes und denen der EKD auf allen Ebenen zu unterrichten, diese durch Empfehlungen oder Anregungen zu fördern und soweit erforderlich zu koordinieren. Sie bespricht die kirchliche Arbeit in den Kirchen. Kirchliche Voten oder Stellungnahmen zu Fragen gemeinsamen Interesses sind zu erörtern und ggf. gemeinsame Erklärungen der Leitungsgremien vorzubereiten. Über Verlauf und Ergebnisse der Beratungen sind die jeweiligen Leitungsgremien zu unterrichten, die evt. erforderliche Beschlüsse fassen.“385 – Eine von Lingner erbetene Stellungnahme der Kirchenkanzlei zu diesem überarbeiteten Entwurf fand nicht statt.

Von den anderen beiden Zusammenschlüssen wurden im Unterschied zur EKD keine Änderungen zum Entwurf der Untergruppe IV vom 30. Mai 1980 vorgeschlagen. Während die lutherische Seite ihn im Wesentlichen nur zur Kenntnis nahm, brachten die Räte der EKU auf ihrer gemeinsamen Beratung am 3. September zum Ausdruck, dass sie dieses Papier nicht als eine Lösung des Problems der besonderen Gemeinschaft, wie es sich im Zusammenhang der VEK-Pläne stelle, ansehen könnten. Es sei nicht in der Lage, die „relativ dichte Verbindlichkeit der Beratung der Räte“ zu ersetzen.386 Dementsprechend gelangten die Räte zu der „deutlichen Auffassung“, „in der Frage der . . . ‚besonderen Gemeinschaft‘ nicht von dem bestehenden unverbindlichen Modus auf der Ebene Bund EKD auszugehen, sondern von den verbindlich geordneten Beratungsgremien, wie sie auf der Ebene der EKU existieren“.387 384 Vermerk Lingners (vgl. Anm. 383), S. 1; [O. Lingner]: Vorschlag (vgl. Anm. 383), S. 1. 385 EBD. (Hervorhebung der wichtigsten Änderungen vom Verf.). 386 Ch. Demke/M. Stolpe: Niederschrift über die 8. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 11.11.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 1 (J. Rogge). 387 M. Kruse/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 62. gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 3.9.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 187), S. 2. – Diese Position wurde auf der Sitzung des östlichen Bereichsrates am 7. November noch einmal bestätigt. Zum einen sei bei der Entwicklung eines Modells für eine „Beratungsgruppe“ nicht von der vorhandenen „Beratergruppe“ auszugehen, sondern von der „geordneten Gemeinsamen Beratung der Räte“ der EKU, zum anderen erscheine es als „schwer vorstellbar, dass die ‚besondere Gemeinschaft‘ in Zukunft allein von einem Gremium wahrgenommen werden könne“ (E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 88. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 7.11.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 172], S. 5).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Dieses Votum der EKU bestätigte noch einmal, dass es der Untergruppe IV trotz ihrer vielfältigen Überlegungen zur Neuordnung der Beratergruppe und der dabei erfolgten intensiven Einbeziehung der EKU West nicht gelungen war, eine Regelung zu finden, bei der die bestehenden Ost-WestAktivitäten sowohl unvermindert fortgeführt als auch als gemeinschaftliche Aktivität eines größeren Ganzen (VEK) verstanden werden konnten. Insbesondere der nur sehr allgemein formulierte Punkt 5 des Entwurfs, der von der Möglichkeit besonderer Arbeitsgruppen sprach, konnte den Eindruck nicht verhindern, dass es im Wesentlichen doch nur um eine Fortführung der besonderen Gemeinschaft im Sinne der bestehenden Kontakte zwischen BEK und EKD gehe und nicht um ein umfassendes Konzept zur Zusammenführung der Partnerschaftsaktivitäten aller drei Zusammenschlüsse. Die sich angesichts dessen unmittelbar stellende Frage, warum die Untergruppe IV dennoch am Thema Beratergruppe festhielt, obwohl sich die Eingangsintention, die bestehenden Partnerschaftsbeziehungen der drei Zusammenschlüsse in diese Gruppe zu integrieren bzw. an sie zu binden, als kaum durchführbar erwies, kann nur vermutungsweise beantwortet werden. Eine wesentliche Rolle spielte dabei wohl Oberkirchenrat Lingner, dem es als Geschäftsführer der bestehenden Beratergruppe von westlicher Seite weniger um eine gemeinschaftliche Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft einer künftigen VEK als vielmehr um eine effektive und kontinuierliche Arbeit der Beratergruppe ging und der in dieser Weise die Arbeit der Untergruppe IV durch eine zuvorkommende Erarbeitung entsprechender Vorlagen entscheidend beeinflusste.

5.2.5. Der Zwischenbericht der GVG Der „Zwischenbericht“ (Studie) der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vom März 1980 erschien gut ein Jahr nach den „Eisenacher Empfehlungen“, bedeutete allerdings in der Sache weniger einen Fortschritt auf dem dort gewiesenen Weg, sondern markierte in vielem eher einen Rückschritt zurück hinter die in Eisenach erzielten Einigungen. Seine Skizze der Diskussionslage, die dem in Eisenach angestrebten Modell einer Bundeskirche als Alternative das eines lediglich verbesserten Kirchenbundes an die Seite stellen musste, sowie die Tatsache, dass er zur Frage des Selbstverständnisses lediglich Probleme zu skizzieren, aber keine Lösungen anzubieten vermochte, machten deutlich, wie weit die evangelischen Landeskirchen in der DDR und ihre Zusammenschlüsse von der in Eisenach gefundenen Einigkeit entfernt waren.388 Zu einem Zeitpunkt, an dem eigentlich bereits 388 So auch P. MÜLLER, Kirchenrechtliche Gesichtspunkte, S. 371.

Übereinstimmung in der Tendenz

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diskussionsreife Beschlussvorlagen hätten vorliegen sollen, stellte der Zwischenbericht lediglich „Übereinstimmungen in der Tendenz“ fest, deren Fortschritt im Vergleich zur Situation nach dem Entscheid der Bundessynode 1976 von Züssow nicht ohne weiteres erkennbar war.389 Entsprechend benannte er als wesentlichste Tendenzübereinstimmung die Bejahung einer „Zusammenführung der bestehenden Zusammenschlüsse zu einer verbindlicheren Gemeinschaft, die sich im Sinne des Beschlusses der Bundessynode in Züssow 1976 theologisch als Kirche versteht“.390 Weiterhin konstatierte er Einigkeit darin, dass in dieser verbindlicheren Gemeinschaft „das föderative Element . . . sowohl in der Struktur der Organe als auch im Arbeitsverfahren zur Geltung kommen“ solle und lediglich ein schrittweises Vorgehen sinnvoll erscheine. Offen ließ er hingegen die Zielbeschreibung im Sinne eines „Kirchenbundes“ oder einer „Bundeskirche“. Allerdings deutete der Bericht an, dass beide Modelle nach Ansicht der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe nicht unbedingt als Alternativen verstanden werden müssten, sondern im Sinne eines schrittweisen Vorgehens – das damit stärker als in Eisenach akzentuiert wurde – auch als zwei aufeinander folgende Stufen angesehen werden könnten. Aufbauend auf diesen erkannten Grundübereinstimmungen wollte der Zwischenbericht als ein Versuch verstanden werden, „die Übereinstimmung in der Tendenz weiter zu erkunden und so zu beschreiben, daß die Entwicklung von Ordnungstexten möglich“ werde. Dazu legte er in teilweiser Überarbeitung die am 6. März 1980 in der GVG diskutierten Arbeitsergebnisse der Untergruppen I bis III vor und stellte sie mit dem Ziel zur Diskussion, „zu weiteren Reaktionen, Stellungnahmen und konkreten Vorschlägen anzuregen, die in die Weiterarbeit einfließen können“.391 Abschnitt I zum Selbstverständnis der „Vereinigten Evangelischen Kirche“392 verwies auf das Züssower Ergebnis mit seiner doppelten Wurzel (Übereinstimmung in theologischen Grundfragen einerseits und Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst andererseits) als Grundlage für die angestrebte verbindlichere Gemeinschaft, die – auch diese Formulierung stammt aus der Zeit vor Eisenach – mit Züssow „theologisch möglich“, inzwischen 389 Ch. Demke vor der berlin-brandenburgischen Synode mit Blick auf die vor Eisenach erarbeiteten Papiere zur Kirchengemeinschaft: „Liest man dieses Material erneut, gewinnt man tatsächlich den Eindruck, daß wir auf der Stelle treten, wenn nicht gar uns im Kreise drehen“ (Bericht aus der Arbeit des Bundes [Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen], undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 19; abgedruckt in: epd Dokumentation 30/1980, S. 121– 125], S. 2). 390 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zwischenbericht, 13.3.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18; abgedruckt in: epd Dokumentation 30/1980, S. 116–120 – siehe unten Dok. 10), S. 1. 391 EBD., S. 1 f. 392 Angesichts bestehender Bedenken wurde diese Bezeichnung im Zwischenbericht ausdrücklich lediglich als „Arbeitstitel“ verwendet (EBD., S. 2).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

aber auch „kräftemäßig nötig“ geworden sei.393 Die angestrebte „Zusammenführung der bestehenden Zusammenschlüsse“ habe freilich zur „Voraussetzung, daß diese sich mit ihren entscheidenden Einsichten und Aufgaben und mit der ihnen bisher eigenen Verbindlichkeit in den neuen, gemeinsamen Zusammenschluß einbringen können“.394 Im Weiteren wurden vor allem noch zu erledigende Arbeitsvorhaben benannt. So sei in der Weiterarbeit das „theologische Verständnis“ dieser Gemeinschaft „als bekenntnisbestimmter Kirche“ in Form einer Präambel zu entfalten (auf den als Anlage beigegebenen Formulierungsvorschlag der Gruppe III wurde hingewiesen), wobei insbesondere „eine Beschreibung der Bekenntnisbindung“ erfolgen müsse.395 Dabei seien – entsprechend der Problemskizze vom 6. März – „zu berücksichtigen: – die unterschiedliche Art der Geltung der Bekenntnisse in den lutherischen und unierten Gliedkirchen, wobei nach Meinung der lutherischen Kirchen die überwiegend lutherische Prägung aller Gliedkirchen ausgesprochen werden müßte; – die Tatsache, daß aufgrund der Leuenberger Konkordie Kirchengemeinschaft zwischen Lutheranern und Unierten besteht; – die Tatsache, daß die unterschiedliche Bekenntnisbindung nach der Leuenberger Konkordie Kirchengemeinschaft nicht in Frage stellt, sondern in ihr als gegenseitige Herausforderung erfahren wird; – die Bedeutung der Bekenntnisse für Zeugnis und Dienst der Kirchen heute.“396 Abschnitt II zur Aufgabenverteilung ging aus von der übereinstimmend festgestellten „Bereitschaft, die Verteilung der Aufgaben zwischen der gesamtkirchlichen Ebene und den Gliedkirchen präziser zu beschreiben und zu regeln, wobei die Erfüllung der Aufgaben nach föderativen Gesichtspunkten geordnet werden“ sollte.397 Entsprechend lautete der Grundsatz für die nachfolgend recht detailliert vorgetragenen Vorschläge398: „Die Vereinigte Evangelische Kirche nimmt ihre Aufgaben gemeinsam mit ihren Gliedkirchen in einer föderativen Gemeinschaft wahr. Bei der Wahrnehmung aller Aufgaben stehen Gesamtkirche und Gliedkirche in einer gegenseitigen Verantwortung. Dazu gehören Delegierung und Initiative auf beiden Seiten.“399 393 EBD., S. 2. 394 EBD., S. 2 f. 395 Siehe oben S. 320. – Der kontroverse Absatz 3 des Formulierungsvorschlags war entfernt und durch einen redaktionellen Hinweis ersetzt worden: „Hier folgt eine Formulierung zur Bekenntnisbindung, die noch zu entwickeln ist“ (EBD., S. 11). 396 EBD., S. 3. 397 EBD. 398 Die sich zum Teil an der Ordnung der EKU orientierten (vgl. II 6.7 des Zwischenberichts mit Artikel 6 [2] OEKU). 399 EBD., S. 4.

Übereinstimmung in der Tendenz

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Die Umsetzung dieses Grundsatzes sah sowohl eine Überführung aller von EKU, VELK und Bund wahrgenommenen Aufgaben in die Verantwortung der künftigen VEK vor – was „Bereitschaft, sich zu wandeln und Kompromisse zu schließen“, erfordere – als auch die Beschreibung weiterer, sachlich gebotener Gemeinschaftsaufgaben. Ihre Wahrnehmung wurde sowohl unmittelbar durch die VEK als auch in deren Auftrag durch eine oder mehrere Gliedkirchen für möglich gehalten. Darüber hinaus wurde den Landeskirchen zugestanden, „zur Wahrnehmung spezifischer Anliegen . . . im Einvernehmen mit der Vereinigten Evangelischen Kirche besondere Aktivitäten [zu] entfalten und Regelungen [zu] treffen“.400 Abschnitt III zu den Organen einer VEK sowie zum Verfahren machte erneut deutlich, dass in wichtigen Punkten auch in der Vorbereitungsgruppe keine Übereinstimmung in der Tendenz erreicht werden konnte, und bot dementsprechend beim Vorstand und bei der Dienststelle in ihren Vorund Nachteilen jeweils gewichtete Alternativen an. Für die Synode, die im Vergleich zur bisherigen Bundessynode eine erweiterte Kompetenz erhalten sollte, wurde eine Mitgliederzahl von 80 bis 100 Personen vorgesehen, wobei auch eine Aufschlüsselung in „ordinierte Theologen“ (etwa ein Drittel), „sonstige kirchliche Mitarbeiter“ (ein Sechstel) und „nicht im kirchlichen Dienst stehende Synodale“ (die Hälfte) vorgenommen wurde. Bei der „Verteilung der Mandate auf die Gliedkirchen“ werde darüber hinaus „deren unterschiedliche Größe stärker berücksichtigt“.401 Für die Kirchenleitung (die bisherige KKL) sah der Zwischenbericht entsprechend dem Vorschlag der Untergruppe II eine stärkere Beteiligung der Synode (nicht wie bisher sieben, sondern neun synodale Mitglieder), eine Vertretung aller acht Landeskirchen durch mindestens zwei Mitglieder sowie eine rechtliche Absicherung vor, „daß der Vorsitz der Kirchenleitung nach einer bestimmten Zeit wechselt“.402 Weggefallen war hingegen – wie bereits in der Vorlage der Untergruppe II – die Festlegung der Eisenacher Empfehlungen, dass sicherzustellen sei, „daß ein Mitglied reformierten Bekenntnisses ist“.403 Hinsichtlich der Zusammensetzung und Kompetenzen des Vorstandes/Rates der Kirchenleitung wurden drei Alternativmodelle angeboten. In Modell A und B umfasste der Vorstand jeweils 9 Mitglieder in paritätischer Besetzung (ein Mitglied aus jeder Landeskirche und der Präses der Synode), wobei Modell A (der ursprüngliche Vorschlag der Untergruppe II) eine erweiterte Kompetenz des Vorstandes vorsah, die auch in einem neuen Namen („Rat der Kirchenleitung“) zum Ausdruck kommen sollte. Modell C behielt hingegen die bestehende Zusammensetzung und Aufgabenbeschreibung des Vorstandes bei, was freilich bedeutete, dass in ihm wegen seiner geringeren Größe (6 Mitglieder) nicht jede 400 EBD. 401 EBD., S. 7. 402 EBD., S. 7 f. – An der Spitze der Konferenz der Kirchenleitung hatte seit Gründung des Bundes bis 1981 jeweils ein und derselbe Vorsitzende gestanden: Albrecht Schönherr. 403 Eisenacher Empfehlungen IV 4.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Landeskirche repräsentiert sein konnte.404 Die im Bericht beigegebenen Argumente sprachen dabei für Modell B, da in ihm der föderative Charakter festgehalten, jedoch die Gefahr einer zu großen Selbständigkeit des Vorstandes gegenüber der Kirchenleitung (Konferenz) vermieden sei.405 Auch zur Struktur der Dienststelle einer VEK wurden zwei Modelle zur Auswahl gestellt. Diese unterschieden sich jeweils darin, ob sie die Dienststelle mehr nach EKU-Vorbild („Kirchenamt mit Dezernaten und Kollegialverfassung“) oder mehr nach BEK-Vorbild („Dienststelle mit Sekretären für bestimmte Aufgabengebiete und Beratungsgremien“) gestalteten.406

Der kurze Vermerk zum Verfahren, der Abschnitt III abschloss, sah die Bildung der VEK mittels eines Änderungsgesetzes zur bestehenden Ordnung des Bundes vor, wobei dieses Änderungsgesetz erst nach Zustimmung aller gliedkirchlichen Synoden in Kraft treten sollte.407 Weitere Konkretionen zum weiteren Vorgehen oder zu den nächsten Schritten – oder gar Terminierungen, wie sie in Eisenach gewagt worden waren – fehlten. Stattdessen erwartete die GVG erst einmal eine breite Diskussion ihres Zwischenberichts und erbat in ihrem Begleitschreiben entsprechende „Vorschläge und Stellungnahmen“.408 Dieser Aufforderung entsprachen die landeskirchlichen Synoden, indem sie nahezu alle auf ihren Frühjahrstagungen Beschlüsse zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen fassten.409 In ihnen traten zwar eine 404 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zwischenbericht, 13.3.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 8 f. 405 EBD., S. 9. 406 EBD. 407 EBD., S. 10. 408 Dabei sollten drei Fragen bedacht werden: „Stimmen Sie den angegebenen Tendenzen zu? Welche anderen Vorstellungen bestehen bei Ihnen? Was betrachten Sie als die ersten Schritte?“ (Demke an die Gliedkirchen des Bundes/die EKU – Bereich DDR/die VELK DDR/die Ev. Brüder-Unität: Betr. Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen. Zwischenbericht der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 13.3.1980 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768]). 409 Vgl. Beschluss der Landessynode Anhalts zu den Eisenacher Empfehlungen vom 20.4.1980; Beschluss der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen vom 15.4.1980; Beschluss der Landessynode Greifswald vom 13.4.1980; Beschluss der Provinzialsynode Görlitz vom 21.4.1980 zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung; Stellungnahme der Synode der Kirchenprovinz Sachsen zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung, 26.4.1980; Vorschläge der Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zu Fragen des gesamtkirchlichen Zusammenschlusses, 26.3.1980; Beschluss der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen zu den Eisenacher Empfehlungen vom 17.4.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19; zum Teil abgedruckt in: epd Dokumentation, Nr. 19/80 vom 28.4.1980). – Auf der mecklenburgischen Landessynode (13.–16. März), zu der der Zwischenbericht offiziell noch nicht vorlag, wurde kein Beschluss zur Sache gefasst. Stattdessen nahm zwei Monate später die Kirchenleitung Stellung ([H. Rathke]: Stellungnahme der Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs zum Zwischenbericht der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 23.5.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 18]).

Übereinstimmung in der Tendenz

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erhebliche Bandbreite (etwa hinsichtlich des anzustrebenden Zieles)410 und gegensätzliche Positionen (etwa hinsichtlich der Zukunft der bisherigen Zusammenschlüsse)411 zu Tage, wodurch die Beschränkung des Zwischenberichts auf Übereinstimmungen in der Tendenz noch einmal als der Diskussionslage angemessen bestätigt wurde. Es kam jedoch auch zum Ausdruck, dass alle Gliedkirchen bereit waren, zumindest einen ersten Schritt in Richtung auf einen im Sinne der Eisenacher Empfehlungen verbesserten Bund mitzugehen.

5.2.6. Das Scheitern des Modells einer „vergrößerten EKU“ auf der EKU-Synode 1980 Die Synode der EKU, die vom 16. bis 18. Mai in Berlin stattfand, war deren erste Tagung nach der Eisenacher Delegiertenversammlung und wurde dementsprechend – auch angesichts der zurückhaltenden Voten des Rates – mit besonderem Interesse erwartet. Als „Hilfe für eine Stellung410 Nachdem der Thüringer Landeskirchenrat in seiner Stellungnahme vom 11.2.1980 für eine Beschränkung der Zielvorstellung auf einen „verbesserten Kirchenbund“ eingetreten war ([H. Mitzenheim]: Betr. Stellungnahme der Evang.-Luth. Kirche in Thüringen zu den Empfehlungen der Delegiertenversammlung vom 28.1.1979, 11.2.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 25], S. 2), plädierte auch die Greifswalder Synode dafür, es vorerst bei einem Kirchenbund unter „Beibehaltung des Namens ‚Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik‘“ zu belassen (Beschluss der Landessynode Greifswald vom 13.4.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 1, 3). Die sächsische Landessynode nahm zwar zur Alternative „Bundeskirche oder Kirchenbund“ nicht direkt Stellung, betonte jedoch ausdrücklich den föderativen Charakter des künftigen gesamtkirchlichen Zusammenschlusses und sprach dementsprechend in ihrem Beschluss nicht von „föderativer Gemeinschaft“, sondern von einer „Föderation“ (Vorschläge der Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zu Fragen des gesamtkirchlichen Zusammenschlusses, 26.3.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 19]). 411 Während von den lutherischen Landeskirchen die Notwendigkeit einer Auflösung der Zusammenschlüsse bekräftigt wurde, hielt von unierter Seite lediglich die Synode der Kirchenprovinz Sachsen „es rechtlich für vertretbar und sachlich für geboten, daß die Evangelische Kirche der Union mit der endgültigen Gründung der Vereinigten Evangelischen Kirche auf ein eigenes Kirchesein verzichtet“ (Stellungnahme der Synode der Kirchenprovinz Sachsen zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenkonferenz, 26.4.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 6). Berlin-Brandenburg legte dagegen Wert auf die Feststellung, dass „angesichts der besonderen geistlichen und rechtlichen Struktur der EKU und ihrer Bedeutung für ihre Gliedkirchen . . . ihre sofortige vollständige Einbringung in eine größere Gemeinschaft nicht möglich“ sei (Beschluss der Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen vom 15.4.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 4). Die Görlitzer Synode nahm den Beschluss des Rates der EKU vom 5. März auf (siehe oben S. 298 f.) und sprach sich damit anstelle einer Aufgabe der EKU für eine Konzentration „auf die für sie spezifischen Aufgaben“ aus (Beschluss der Provinzialsynode Görlitz vom 21.4.1980 zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 1).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

nahme zu den Empfehlungen“ lag ihr ein Beschlussentwurf des Rates vor (Vorlage 6),412 der „für die EKU ergebnisartig“ zusammenfasste, „was in den vergangenen 1½ Jahren zu dieser außerordentlich komplizierten Sache gedacht, gesagt und geschrieben worden“ sei.413 Diese Vorlage setzte die gegenüber den Eisenacher Empfehlungen bis dahin vom Rat der EKU zum Ausdruck gebrachte Zurückhaltung sowie die Position ihrer Ergänzungsbedürftigkeit durch die Grundlagen der EKU fort, wobei insbesondere Gedanken aus den Arbeitspapieren der EKU-internen Arbeitsgruppe (F. Winter,414 R. Schulze415) aufgenommen wurden. Eingangs „bekräftigte“ sie zwar noch einmal die in früheren Synodalbeschlüssen erklärte Bereitschaft der EKU, „sich in eine grössere Gemeinschaft hineinzubegeben“, indem die Vorlage allerdings unmittelbar im Anschluss an diese Erklärung die „in der jetzigen Phase der Bemühungen“ notwendige Frage aufwarf, „ob der neue Zusammenschluss in eben dem Sinne Kirche sein kann, wie es die EKU ihrer eigenen Verfassung nach ist“, band sie diese zuvor bekräftigte Bereitschaft indirekt an die Bedingung eines Kircheseins der VEK „im Sinne“ der EKU.416 Entsprechend der eingangs gestellten Frage bot die Vorlage im Wesentlichen eine Entfaltung des Kirchenverständnisses der EKU, wie es bei der Formulierung einer „theologischen Bekenntnisaussage“ des neuen Zusammenschlusses einzubringen sei. Breiten Raum nahm dabei – neben der Bekenntnisgemeinschaft innerhalb der EKU und neben ihren ökumenischen Verbindungen – die „praktizierte Einheit“ zwischen ihren beiden Bereichen ein. Wie bereits in der Vorbereitung des Ratsbeschlusses vom 5. März zu den Eisenacher Empfehlungen III bis V wurde dabei auf die Entscheidung der EKU von 1972 verwiesen und das damalige Festhalten an ihrer Einheit als Orientierung an der Barmer Theologischen Erklärung beschrieben. Indem die EKU seinerzeit „ekklesiologisch am Wesensmerkmal ihrer Einheit als Kirche“ festgehalten habe, habe sie nicht nur eine organisatorische Entscheidung getroffen, sondern „aktuelles Zeugnis von der Versöhnung“ abgelegt. Darüber hinaus habe „die damals festgehaltene Einheit der EKU in den beiden Bereichen“ seither etliche positive Erfahrungen erbracht. Insbesondere praktiziere die EKU auf diese Weise „Gemeinschaft an der Grenze zweier gegensätzlicher Gesellschaftssysteme“.417 412 5. Synode der EKU – Bereich DDR – dritte ordentliche Tagung, 16. bis 18.5.1980, Vorlage 6, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 188); vgl. E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 82. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – vom 2.4.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 172), S. 2. 413 So R. Schulze als Einbringer der Vorlage (3. Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR –, 16.–18.5.1980 in Berlin-Mitte, Tonbandabschrift [EZA BERLIN, 108/99, Nr. 4], S. 33). 414 Vgl. oben S. 290. 415 Vgl. oben S. 292 f. 416 5. Synode der EKU, Vorlage 6 (vgl. Anm. 412), S. 1. 417 EBD., S. 2.

Übereinstimmung in der Tendenz

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Die Bedeutung des in diesem (umfangreichsten) Abschnitt der Vorlage Vorgetragenen hob ihr Einbringer bei seinem Vortrag noch einmal pointiert hervor. Bei der Frage des künftigen Verhältnisses der beiden Bereiche zueinander gehe es eben nicht in erster Linie nur um eine organisatorische Entscheidung, sondern: „Es geht um die Einheit der EKU als Kirche, um ihr Kirchesein in beiden Bereichen ohne irgendwelche Abstriche. Die 1972 in Magdeburg beschlossene Regionalisierung hat Bekenntnischarakter. Ich wiederhole diesen Satz: Die 1972 in Magdeburg beschlossene Regionalisierung hat Bekenntnischarakter.“418

Hinsichtlich einer Beteiligung der EKU an einem größeren Zusammenschluss ergab sich aus dem in der Vorlage skizzierten gemeinschaftsorientierten Kirchenverständnis, dass für sie „ein neuer Zusammenschluss grössere Gemeinschaft bringen oder mindestens die Gemeinschaft bewahren muss, wie sie gegenwärtig in ihr besteht“,419 was dem Zusammenhang nach alle drei zuvor beschriebenen Bereiche – die Gemeinschaft zwischen den beiden Bekenntnistraditionen, die Gemeinschaft zwischen beiden Bereichen wie auch die Gemeinschaft in der Ökumene – einschloss. Konkrete Folgerungen wurden in zweifacher Hinsicht benannt. Zum einen sei „zur Wahrung der Belange der reformierten Gemeinden . . . unter den gegebenen Verhältnissen ihre rechtliche Absicherung in den Strukturen nötig“.420 Zum anderen betreffe „das Hineingeben eines Teils der EKU in eine grössere Gemeinschaft“ beide Bereiche, sodass „gleichlautende Beschlüsse beider Bereichssynoden notwendig“ wären.421 Bei den nächsten aus Sicht der EKU denkbaren Schritten zeigte sich die Vorlage, da sie das skizzierte Kirchenverständnis erst einmal noch nicht tangierten,422 relativ aufgeschlossen. Nach „entsprechenden Beschlüssen der zuständigen Leitungsgremien“ wurde nicht nur eine Wahl ihrer Synodalen „in Personalunion mit der Bundessynode“, sondern auch eine „Überlassung der Zuständigkeit für die Ordnung des Gottesdienstes, die Ordnung des kirchlichen Lebens“ u. a. für möglich gehalten, sofern dadurch keine Einbußen an „rechtlicher und praktizierter Verbindlichkeit“ entstünden.423 Die Ausarbeitung eines Stufenplanes zur Integration sollte innerhalb der GVG erfolgen, während „die Vorbereitung der gemeinsamen Bekenntnisaussage . . . Sache der Leitungsgremien“ selbst sein sollte.424 418 3. Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR –, 16.–18.5.1980 in Berlin-Mitte, Tonbandabschrift (EZA BERLIN, 108/99, Nr. 4), S. 32. 419 5. Synode der EKU, Vorlage 6 (vgl. Anm. 412), S. 2. 420 EBD., S. 3. 421 EBD.; vgl. Kirchengesetz über die Organe und Dienststellen der EKU vom 23. 4./ 8.5.1972, § 3 (2). 422 Die Reformierten sahen freilich mit der vorgesehenen Übertragung der Verantwortung für die Ordnung des Gottesdienstes und die Ordnung des kirchlichen Lebens Bekenntnisfragen berührt. 423 5. Synode der EKU, Vorlage 6 (vgl. Anm. 412), S. 3. 424 EBD.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Die Vorlage wurde nicht im Plenum, sondern in dem dafür vorgesehenen Synodalausschuss diskutiert, der in seinem Entwurf425 die Sätze der Ratsvorlage – wie es der Einbringer (U. Schröter) formulierte – „in alle Winde“ zerstreute.426 Zwar blieben die einzelnen Abschnitte in ihrem Textbestand zumeist erhalten, wurden jedoch vielfach in einen veränderten Zusammenhang oder in eine andere Beziehung zueinander gestellt. Dadurch erhielt das Ergebnis ein anderes Gefälle als die Ratsvorlage und zeigte sich gerade in den Grundsatzfragen deutlich gesprächs-, kompromiss- und veränderungsbereiter, als dies in der Vorlage der Fall gewesen war. Insbesondere die in der Ratsvorlage programmatisch an den Anfang gestellte Frage, ob der neue Zusammenschluss „Kirche“ entsprechend der Verfassung der EKU sein werde, wurde in der Ausschussvorlage zugunsten direkt und weniger apodiktisch formulierter Erwartungen an eine Vereinigte Evangelische Kirche weggelassen. Zwar wurde die breite Skizzierung des EKUKirchenverständnisses übernommen, seine Einbringung in das Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses jedoch nicht mehr als unabdingbare Notwendigkeit, sondern bewusst lediglich als Wunsch formuliert.427 Hinsichtlich der für die VEK zu erarbeitenden Bekenntnisgrundlage hieß es entgegen der Intention der Ratsvorlage ausdrücklich: „Eine Vereinigte Evangelische Kirche kann weder eine vergrößerte Evangelische Kirche der Union noch eine vergrößerte Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche sein.“428 Diese Bereitschaft der EKU-Synode zur Veränderung wurde weiterhin daran deutlich, dass der Abschnitt zur bleibenden Gemeinschaft zwischen den beiden Bereichen – die als solche auch vom Ausschuss nicht in Frage gestellt wurde – in der Ausschussvorlage nicht mehr eine konservative, sondern eine durchaus vorwärts weisende Funktion erhielt. Der übernommene Hinweis auf die ekklesiologisch bedeutsame Entscheidung von 1972 und die im Anschluss daran gemachten positiven Erfahrungen erschienen im Zusammenhang der Ausschussvorlage nicht mehr als Argument gegen eine weitere Strukturveränderung im Verhältnis beider Bereiche, sondern als Argument dafür. Denn: Auch „die tiefgreifenden Strukturveränderungen der Evangelischen Kirche der Union nach 1945 sind kein Hindernis für ein lebendiges Zusammenwirken der Gliedkirchen [sc. beider Bereiche] gewesen“. In diesem Sinne wurde auch die Forderung, dass der neue Zusammenschluss „mindestens“ genauso viel Gemeinschaft aufweisen müsse, wie sie die bisherige EKU biete, nicht in dieser Schärfe wiederholt, sondern lediglich von der Er425 5. Synode der EKU – Bereich DDR – dritte ordentliche Tagung, 16.–18.5.1980, Vorlage 117 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 65). 426 3. Tagung der 5. Synode der EKU, Tonbandabschrift (vgl. Anm. 418), S. 105. 427 5. Synode der EKU, Vorlage 117 (vgl. Anm. 425); vgl. 3. Tagung der 5. Synode der EKU, Tonbandabschrift (vgl. Anm. 418), S. 106. 428 5. Synode der EKU, Vorlage 117 (vgl. Anm. 425), S. 3.

Übereinstimmung in der Tendenz

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wartung gesprochen, dass die Gemeinschaft nicht geringer werde und „die regelmäßigen Kontakte zu den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche der Union außerhalb der DDR im neuen Zusammenschluß erhalten“ blieben. Weitere Korrekturen unterstrichen den Wunsch der Synode, auf dem Wege zu einer verbindlicheren Gemeinschaft nunmehr zügig voranzukommen. Sie mahnte dafür nicht nur einen Stufenplan an, sondern wagte in diesem Zusammenhang sogar Terminierungen. Der Stufenplan, den die GVG ausarbeiten sollte, wurde „von der Synode bis zum Jahresende 1980 erwartet“;429 die bereits in der Ratsvorlage in Aussicht genommenen Gespräche zwischen Kirchenleitung der VELK und Rat der EKU sollten hingegen noch im laufenden Jahr beginnen.430

In der Synodaldiskussion wurde diese Vorlage kaum noch verändert. Versuche von konservativer Seite, die Intentionen des ursprünglichen Entwurfs erneut zur Geltung zu bringen, gab es nicht. Vehementen Einspruch legte hingegen der linksorientierte Berliner Theologieprofessor Hanfried Müller ein, für den – anders als bei den konservativen VEKGegnern – gerade die für die VEK geforderte Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ mit den westlichen Kirchen ein wesentlicher Grund für ihre Ablehnung war.431 Im Einzelnen begründete Müller seine Ablehnung dreifach.432 Zum einen vermisste er in der Vorlage eine deutliche Abgrenzung gegenüber „hierarchischzentralistisch-klerikalen Tendenzen“433 und befürchtete deshalb, die Bildung einer VEK könnte „womöglich ein heimlicher Weg nach Rom“ sein.434 Als Zweites hätte darin nach Müller „ausdrücklicher gesagt sein“ müssen, „daß diese Vereinigte Evangelische Kirche nicht zu einer Kirche Augsburgischen Bekenntnisses werden“ dürfe, sondern eine Unionskirche sein müsse, insbesondere „daß sie den Weg weitergehen möchte, der von der Theologischen Erklärung von Barmen zum Reichsbruderratswort von Darmstadt führte“.435 Als Drittes schließlich vermisste Müller eine Festlegung, dass die VEK eine von den westlichen Kirchen „selbständige Kirche im Sozialismus mit zunehmender 429 EBD., S. 4. 430 EBD., S. 3. 431 Ursprünglich war Müller für eine VEK gewesen, wobei er an eine „vereinigte Ev. Kirche in der DDR mit einer völlig neuen innerkirchlichen Struktur, die den Verwaltungen im staatlichen Bereich territorial angeglichen“ sei, dachte. Freilich war ihm von Anfang an klar, dass mit „dem derzeitigen Apparat . . . sich kaum qualitative und quantitative Veränderungen im Blick auf eine ‚staatstreue Kirche‘ verwirklichen“ ließen (IMV „Meyer“: Treffbericht, 12.1.1979 [BSTU, MfS 24851/91, Bd. II/2, S. 153–158], S. 3). 432 Diese Argumentation wurde auch später noch mehrfach wiederholt, etwa nach dem zweiten Negativvotum der berlin-brandenburgischen Synode vom April 1984 (vgl. Weißenseer Blätter 2/1984 sowie die Antwort Albrecht Schönherrs „Anmerkungen zum Bericht über die April-Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg“ [EZA BERLIN, 688, Nr. 99]). 433 3. Tagung der 5. Synode der EKU, Tonbandabschrift (vgl. Anm. 418), S. 108. 434 EBD., S. 34. 435 EBD., S. 34, 108.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Selbständigkeit und Offenheit auch von Christen für den Sozialismus“ sein werde.436

Die Synode nahm Müllers Erklärungen diskussionslos zur Kenntnis.437 Die Vorlage 117 wurde mit großer Mehrheit bei vier Enthaltungen und einer Gegenstimme angenommen.438 Damit wurde die Forderung eines „verlustlosen“ Einbringens der EKU in den neuen Zusammenschluss von der EKUSynode nicht nur nicht wiederholt, sondern in der Sache fallen gelassen. Auf der Synodaltagung des Westbereichs einen Monat später lag der Beschluss der östlichen Bereichssynode vor und wurde dort ebenfalls in einem Beschluss „zustimmend zur Kenntnis genommen“.439 In einer erläuternden Feststellung begrüßte die westliche Bereichssynode „alle Bemühungen, zu einer verbindlicheren Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in der DDR zu kommen“,440 und erklärte ihre Übereinstimmung mit der Erwartung der Synode des Ostbereichs, die an dieser Stelle freilich vorsichtiger formuliert hatte, dass dabei das im dortigen Beschluss skizzierte „Kirchenverständnis der EKU eingebracht“ werde. Zusätzlich zu den im östlichen Beschluss formulierten drei Erwartungen betonte sie in Fortführung des dort nur indirekt angedeuteten Zusammenhanges von Verkündigung und Ordnung, „daß das theologische Erbe der EKU, vor allem auch die Einsichten des Kirchenkampfes, in allen organisatorischen Veränderungen zu wahren und zu bewähren“ seien. Abschließend bekundete sie ihre Bereitschaft, die „bisher praktizierte Einheit an der Grenze zweier gegensätzlicher Gesellschaftssysteme“ fortzuführen sowie „an den noch ausstehenden Entscheidungen“ im Zusammenhang der Bildung einer verbindlicheren Gemeinschaft in der DDR „mitzuwirken und sie zu fördern, soweit dies nach der Ordnung der EKU erforderlich werden sollte“.441

Die Lutherische Generalsynode, die vom 5. bis 8. Juni 1980 in Kühlungsborn tagte, wertete den Beschluss der EKU-Synode ausschließlich positiv. Sie begrüßte nicht nur ausdrücklich, „daß die Synode der EKU – Bereich DDR – in ihrer Stellungnahme als ein Element des Zusammenwachsens eine theologische Aussage zur Bekenntnisgrundlage für unerläßlich“, sondern auch dass sie eine solche Aussage „für möglich“ gehalten hatte. Insgesamt erklärte die Generalsynode erneut ihr Einverständnis, die gesamt436 EBD., S. 108 f. 437 Müller war Mitglied des Synodalausschusses, in dem die von ihm abgelehnte Vorlage erarbeitet worden war, und hatte sich auch dort nicht durchsetzen können. 438 EBD., S. 133. – Stellungnahme der Synode der EKU – Bereich DDR – zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung vom 28.1.1979, 18.5.1980 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 111, abgedruckt in: MATERIALIEN zur 3. Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR – vom 16. bis 18.5.1980, S. 45–52). 439 Beschluss der Synode der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – vom 15.6.1980 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 112). 440 In einem zweiten Teil des Beschlusses hatte die Synode erneut ihr „Interesse an größerer und verbindlicherer Gemeinschaft in der EKD“ bekräftigt (EBD.). 441 EBD.

Ambivalente Meinungsbildung in Staat und Partei

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kirchlichen Zusammenschlüsse bei Wahrung der Zielstellung einer „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“ schrittweise zusammenzuführen und sprach sich für eine zügige Weiterarbeit und die baldige Vorlage von entsprechenden Texten aus.442 Mit diesen Stellungnahmen der Synoden von EKU und VELK fand die erste Phase im VEK-Prozess, die Phase der Meinungsbildung, ihren Abschluss. Ambivalente Meinungsbildung in Sta at und Partei

5.3. Ambivalente Meinungsbildung innerhalb des Staats- und Parteiapparates 5.3.1. Hüttners Thesen Die Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenkonferenz riefen keine unmittelbaren Reaktionen der staatlichen Seite hervor. Die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen beschränkte sich lediglich darauf, die kirchlichen wie nichtkirchlichen Reaktionen (Westpresse)443 zu beobachten und ansonsten Direktiven aus dem SED-Zentralkomitee abzuwarten. Die Monatsinformation der Abteilung Evangelische Kirchen der Dienststelle für den Monat Januar, die auf der Dienstbesprechung am 26. Februar 1979 vorgelegt wurde, ging dementsprechend nur kurz auf die Delegiertenkonferenz ein, nannte knapp deren Ziel und Zeitplan und notierte als einen wichtigen Punkt, dass „die Verbindungen zu den Kirchen in der BRD . . . in der bestehenden Form weitergeführt“ werden sollen.444 Die eigentlich laut Arbeitsplan Position 21 für diese Dienstbesprechung vorgesehene „schriftliche Information“ zur Delegiertenkonferenz wurde um einen Monat auf März verschoben.445 Darüber hinaus fand das Thema Delegiertenversammlung im Protokoll der Dienstbesprechung keine Erwähnung.

Erst auf der am 28. Februar durchgeführten „Operativberatung“ stand der Punkt „Zur Wertung der Delegiertenversammlung vom 25. bis 28. Januar 1979 in Eisenach (BEK, VELK und EKU), besonders in Vorbereitung der Frühjahrssynoden der Landeskirchen“ an erster Stelle auf der Tagesordnung.446 Die Ursache hierfür dürfte in dem inzwischen aus dem ZK eingetroffenen Konzeptionsentwurf zu suchen sein. 442 Beschluss der Generalsynode der VELK DDR vom 8.6.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19). 443 Gesammelt in BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 3027. 444 Abteilung I (B. Janott/H. Wilke): Vorlage an die Dienstbesprechung am 26.2.1979: Erste Monatsinformation, 19.2.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1275), S. 2. 445 Persönlicher Referent (H. Dohle): Protokoll der Dienstbesprechung am 26.2.1979, 19.3.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 407). 446 Stellvertreter (H. Kalb): Statistische Übersicht über operative Einsätze der Bezirksbe-

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Im Vorfeld dieses Entwurfs hatte ein dreistündiges Gespräch im Zentralkomitee zwischen dem Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Bellmann, und dem Leiter des Sekretariats des Bundes, Stolpe, stattgefunden. Bei diesem Gespräch, an dem auch der Verfasser des späteren Konzeptionsentwurfs, Eberhard Hüttner, teilnahm, ging es zwar in erster Linie um das Problem einer eventuellen Würdigung des 30. Jahrestages der DDR durch den DDR-Kirchenbund, Stolpe nahm diese Gelegenheit jedoch auch zum Anlass, seinen Gesprächspartnern ein Exemplar der Eisenacher Empfehlungen zu überreichen und ihnen zu erläutern, wie er diese verstanden wissen möchte. Dabei ordnete Stolpe die beabsichtigte Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche ein in den Prozess der Standortfindung der ostdeutschen Kirchen als Kirchen in der DDR. Was 1969 unter anderem wegen der „noch grenzüberschreitenden Struktur der EKU“ nicht möglich gewesen sei, könne – so Stolpe – jetzt in Angriff genommen werden, „weil theologische Klärungen erfolgt und übereinstimmende Auffassungen über den gesellschaftlichen Standort der Kirche sowie die Bedeutung des Gespräches vom 6. März 1978 erreicht worden seien“. Kommentare in der Westpresse, die den geplanten „Zusammenschluß als gegen Staat und Gesellschaft in der DDR gerichtet“ interpretierten,447 seien dem Kirchenbund deshalb „nicht angenehm“. Der zumindest zu vermutenden Befürchtung seines Gegenübers, der Zusammenschluss könnte zu einer Zentralkirche geraten, begegnete Stolpe mit dem Hinweis auf die geplante „föderative Struktur“ und der Versicherung, dass alle „gegen eine zentralisierte Kirche“ seien.448 Die beiden Mitarbeiter des Zentralkomitees nahmen „die Informationen und Erläuterungen Stolpes . . . ohne Kommentar und Wertung zur Kenntnis“. Nach der von Stolpe gegebenen Einordnung stellte sich für sie allerdings unmittelbar die Frage nach den – nunmehr eigentlich zu erwartenden – Ausführungen im Text der Empfehlungen über den gesellschaftlichen Standort der künftigen Vereinigten Evangelischen Kirche, woraufhin Stolpe ergänzte, „daß der gesellschaftliche Standort des neuen Zusammenschlusses in den ‚Empfehlungen‘ noch nicht oder nur unzureichend präzisiert sei“.449 Die „6 Thesen zur Einflußnahme auf den Prozeß der Bildung der ‚Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR‘“, die Eberhard Hüttner im Laufe des Februar entwarf,450 griffen die von Stolpe vorgetragene Einauftragten und weiterer politischer Mitarbeiter der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen im Monat Februar, 5.3.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 2707). 447 Vgl. oben S. 255. 448 Arbeitsgruppe Kirchenfragen (R. Bellmann): Information über ein Gespräch mit dem Leiter des Sekretariates des BEK, Oberkonsistorialrat Manfred Stolpe, 5.2.1979 (SAPMOBARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 44, Bl. 136–140), S. 3. 449 EBD., S. 4. 450 [E. Hüttner]: 6 Thesen zur Einflußnahme auf den Prozeß der Bildung der „Vereinigten

Ambivalente Meinungsbildung in Staat und Partei

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schätzung der Eisenacher Empfehlungen erwartungsgemäß nicht auf. Sie sahen die Empfehlungen vielmehr im Gegensatz dazu mit dem „wesentlichen Mangel“ behaftet, dass „Erkenntnisse und Aussagen über die Existenz und Aufgaben der Kirche als Kirche im Sozialismus nicht aufgenommen“ worden seien.451 Damit würden die Empfehlungen hinter bereits formulierten gesellschaftspolitischen Positionen des Bundes zurückbleiben, was „bei der Bestimmung des Selbstverständnisses der VEK destruktiven Kräften Raum geben“ könnte.452 Entsprechend sei es auch noch völlig offen,453 welche gesellschaftspolitische Position die künftige Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR einnehmen werde: Es sei „zu bedenken, daß die Bildung der VEK zu einem Zeitpunkt stattfindet, da sich die Linie des guten Einvernehmens mit den staatlichen Organen und eine durchgängige loyale Haltung der kirchlichen Amtsträger zum sozialistischen Staat gegenüber dem auf kritische Distanz oder Konfrontation gerichteten Kurs noch nicht eindeutig durchgesetzt haben. Das Dominieren der positiven oder negativen Aspekte bei der Bildung der VEK hängt primär davon ab, welche Kräfte in dem neuen Zusammenschluß bestimmend sein werden, welche Kader in die leitenden Organe gewählt werden.“454

Daraus folgte unmittelbar als Aufgabe für die SED-Kirchenpolitik, dass „der Prozeß der Bildung der VEK so beeinflußt werden muß, daß die für die kirchenpolitische Entwicklung nach dem VIII. und IX. Parteitag charakteristische Anpassung der evangelischen Kirchen an ihre realen gesellschaftlichen Existenzbedingungen und die damit im Zusammenhang stehende Entwicklung sachlicher und vertrauensvoller Beziehungen von Staat und Kirche, wie dies im Gespräch des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, mit dem Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom 6. März1978 zum Ausdruck kam, kontinuierlich fortgesetzt werden“ könne.455 Evangelischen Kirche in der DDR“ (Entwurf), undatiert (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425) – insgesamt 12 Seiten. 451 Genannt wurden unter anderem die Feststellung der Bundessynode 1971 in Eisenach mit ihrer Formulierung von der „Kirche in der sozialistischen Gesellschaft“, der freilich falsch datierte Brief der evangelischen Bischöfe aus Lehnin (1968) sowie das Treffen des Vorstandes der KKL mit dem Staatsratsvorsitzenden am 6.3.1978 (EBD., S. 4). 452 EBD. 453 Verdächtig erschien freilich Absatz II 3.4 der Empfehlungen, wo von der „gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre“ die Rede war. Hüttner argumentierte, dass sich diese Formulierung – da die Trennung von Staat und Kirche in der DDR einen Missbrauch der Religion durch den Staat ausschließe – „nur gegen die religiös motivierte Option für den Sozialismus richten“ könne. Deshalb sei „nicht auszuschließen, daß sich solche Tendenzen, die sich nicht zuletzt gegen die CDU und ihre Funktionäre richten, durch die Bildung der VEK verstärken“ (EBD., S. 12). 454 EBD., S. 2. 455 EBD.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Im Einzelnen vermochte Hüttner am VEK-Projekt sowohl „vorteilhafte“ als auch „nachteilige Seiten“ zu erkennen. Als positiv vermerkte er, dass „die Bildung einer Gesamtkirche sowohl in außenpolitischer als auch in innenpolitischer Hinsicht besser der Existenz der DDR als souveränem Staat“ entspreche. Insbesondere hinsichtlich der Kirchen in der BRD stelle die Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR „einen Fakt eigenständiger kirchenorganisatorischer und -rechtlicher Entwicklung“ dar, „selbst wenn die Zustimmung der EKD-Kirchen zu diesem Schritt beteuert“ werde.456 Weiterhin wies er darauf hin, dass sich „das Gewicht der DDRKirchen“ in der Ökumene durch die Bildung einer Gesamtkirche erhöhe und deren ökumenische Aktivitäten „überschaubarer und besser beeinflußbar“ würden. Positiv sei auch zu bewerten, dass in innenpolitischer Hinsicht eine Gesamtkirche der staatlichen Struktur des „demokratischen Zentralismus“ näher stünde „als eine Vielfalt kirchlicher Zusammenschlüsse und Leitungen“. So könne „ein mit mehr Kompetenz als der BEK ausgestatteter gesamtkirchlicher Zusammenschluß . . . mit größerer Verbindlichkeit jeweilige kirchenpolitische Konzeptionen durchsetzen, was bei gesicherter staatlicher Einflußnahme positive Wirkungen hätte“.457 Als negativer Aspekt wurde vermerkt, was bereits seit der Gründung des Bundes immer wieder festgehalten worden war, nämlich dass sich mit der Bildung einer Gesamtkirche „die Möglichkeiten kirchenpolitischer Differenzierung ungünstiger“ gestalteten, weil „die Profilierung einzelner Landeskirchen und kirchenleitender Kräfte im Sinne einer staatsbejahenden Haltung“ mit ihrer engeren Bindung an „gesamtkirchliche Orientierungen und Beschlüsse“ schwieriger werde.458 Als „entscheidendes Problem“ wurde allerdings – trotz des positiv gewerteten Faktums einer gegenüber den westdeutschen Kirchen eigenständigen Entwicklung – die Bestimmung und Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Kirchen in der BRD und der zukünftigen VEK angesehen. Angesichts der Formulierung des Absatzes II 3.8 der Eisenacher Empfehlungen, der von der bleibenden Verpflichtung zur „besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland“ sprach, wurde sogar – anders als in der erwähnten Monatsinformation des Staatssekretariats – die Tendenz konstatiert, „den Artikel 4/4 der Ordnung des BEK nicht nur zu konservieren, sondern ihn im Sinne einer Zurücknahme gewonnener Eigenständigkeit zu artikulieren und zu praktizieren“. Denn: „Während die Bundesordnung von der ‚besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland‘ spricht, also wohlweislich die In-

456 EBD., S. 1. 457 EBD., S. 2. 458 EBD.

Ambivalente Meinungsbildung in Staat und Partei

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stitution Kirche nicht erwähnt und spätere Synoden diese Gemeinschaft als ‚geistliche‘ präzisiert hatten, wird in Artikel 3,8 der Eisenacher Empfehlungen von der ‚besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik‘ gesprochen. Darüber hinaus muß man die empfohlene ‚Aufnahme von Erfahrungen der Zusammenarbeit‘ im Sinne der Übertragung der ‚gesamtdeutschen Praktiken der EKU‘ auf die VEK verstehen.“459

Insgesamt widerspreche damit der „Punkt 3/8 der Empfehlungen der organisatorisch-rechtlichen Selbständigkeit der Kirchen in der DDR“ und behindere „ihre Profilierung als ‚Kirche im Sozialismus‘“.460 Aus gleichem Grund erfuhr auch Artikel IV 2 der Eisenacher Empfehlungen, der den Gliedkirchen die Möglichkeit einräumte, „in bestimmten Fällen . . . im Einvernehmen mit den zuständigen Organen der Vereinigten Evangelischen Kirche zur Wahrnehmung spezifischer Anliegen besondere Aktivitäten“ zu entfalten „und Regelungen“ zu treffen, Kritik. Denn dieser Passus laufe, so Hüttner, auf einen „EKU-Separatismus innerhalb des neuen Zusammenschlusses, auf Konservierung negativer politischer Tradition der EKU, insbesondere deren Kontakte mit den EKU-Kirchen in der BRD hinaus“.461 Trotz dieser ambivalenten Begleiterscheinungen und der Einsicht, dass der Plan zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR im Zusammenhang mit weiteren in ihren Auswirkungen negativ zu beurteilenden Bestrebungen der Kirchen stehe („Ökumenismus“, „Interkonfessionalismus“), wurde dieses kirchliche Vorhaben in den Thesen grundsätzlich akzeptiert. Die Möglichkeit, die Bildung einer VEK zu be- oder verhindern, erwogen sie nicht, sondern setzten als „Generallinie“ voraus, „daß staatlicherseits der neue kirchliche Zusammenschluß nicht verhindert werden kann und soll“.462 Die Ursache für diese grundsätzliche Akzeptanz war freilich nicht die Wahrung einer Trennung von Staat und Kirche oder die Einsicht in die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten, sondern die These, dass die „objektiven Ursachen“ dieses Vorhabens „in den gesamtgesellschaftlichen Bedingungen kirchlicher Existenz im Sozialismus und dem damit im Zusammenhang stehenden Säkularisierungsprozeß“ lägen. Aus dieser Perspektive erschien jenes auf eine zunehmende Entkirchlichung der DDR-Bevölkerung reagierende Bestreben der DDR-Kirchen, sich enger, d. h. Kosten und Personal sparender zusammenschließen, als gesetzmäßige Folge der sozialistischen Produktionsverhältnisse, die zwar gesteuert werden müsse, als solche im Prinzip aber zu begrüßen sei. Entsprechend gingen die Thesen davon aus, dass die Verwirklichung der Eisenacher 459 460 461 462

EBD., S. 6. EBD. EBD., S. 8. EBD., S. 2.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Empfehlungen „trotz möglicher Hemmnisse und Widersprüche wahrscheinlich“ sei.463 Die notwendige Steuerung und Beeinflussung des Geschehens sollte im Wesentlichen auf dem Wege der Gesprächsarbeit seitens der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen sowie der für die einzelnen Gliedkirchen zuständigen Leitbezirke geschehen.464 Die konkreten Zielstellungen dieser Gespräche folgten den in der Analyse kritisierten Punkten. Insbesondere seien alle Gesprächsmöglichkeiten dazu zu nutzen, „um eine deutliche Profilierung der VEK im Sinne eines positiven und konstruktiven Verständnisses kirchlicher Existenz im Sozialismus zu erreichen“.465 Von besonderer Bedeutung erschienen in diesem Zusammenhang die Gespräche mit den Landeskirchen. Diese seien im Sinne des gemeinsamen antizentralistischen Interesses zu stärken, wobei „der Gefahr einer Manipulierung der Landeskirchen von oben . . . mit der positiven Profilierung der Landeskirchen begegnet werden“ müsse.466 „Vertrauliche Gespräche des Staatssekretärs mit den leitenden Geistlichen und Präsides der Zusammenschlüsse bzw. der Stellvertreter der Vorsitzenden der Räte der Bezirke (Leitbezirke) mit den Bischöfen und Präsides der Landeskirchen“ sollten dazu dienen, auf die Formulierung der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen DDR- und BRD-Kirchen in der künftigen Ordnung der VEK Einfluss zu nehmen. Hinsichtlich des Ergebnisses wurde auf das Erreichbare orientiert: „Entsprechend real weiterexistierender materieller Abhängigkeit der DDR-Kirchen von den Kirchen in der BRD ist die Bestimmung der Beziehungen als ‚normale ökumenische Beziehungen‘ kaum erreichbar. Angestrebt werden muß, daß eine den politischen Erfordernissen und der vollzogenen organisatorischen und rechtlichen Unabhängigkeit gemäßere Fassung dieses Problems in der Verfassung der VEK erreicht wird.“467

Die Thesen Hüttners gingen am 26. Februar in zwei Exemplaren an den Staatssekretär für Kirchenfragen,468 der sie nahezu wörtlich, freilich mit negativerer Akzentuierung469 in seinen Vortrag auf der Beratung mit den 463 EBD., S. 1. 464 Dazu wurde die Bildung einer „ständigen Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Analysen und Vorschlägen“ empfohlen (EBD., S. 3). Flankierend sollten eine Artikelserie in der CDUPresse und ein Kolloquium der staatlichen Sektionen Theologie zum Thema „Kirchwerdung und christliche Verantwortung in der sozialistischen Gesellschaft“ wirken (EBD., S. 5). 465 EBD., S. 4. 466 EBD., S. 8. 467 EBD., S. 6. 468 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Zentralkomitee. Kirchenfragen (E. Hüttner) an den Genossen Staatssekretär für Kirchenfragen. Hans Seigewasser, 26.2.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425). 469 Als „entscheidendes“ Motiv für die Bildung einer VEK nannte Seigewasser (analog zu

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Sektorenleitern Kirchenfragen der Räte der Bezirke am 14. März 1979470 übernahm. Allerdings ließ Seigewasser in seinem Referat weite Teile der von Hüttner vorgeschlagenen „Festlegungen“ (u. a. den Abschnitt, in dem es um die als notwendig angesehene Gesprächsarbeit der Bezirke mit den Landeskirchen ging) aus, was darauf hindeutet, dass sich Hüttners Vorschläge zum weiteren Vorgehen nicht durchzusetzen vermochten.471 Man beschränkte sich vielmehr weiterhin darauf, erst einmal die innerkirchliche Reaktion auf die Eisenacher Empfehlungen abzuwarten und zu beobachten, allerdings ohne der Empfehlung Hüttners zur Einrichtung einer „ständigen Arbeitsgruppe“ zur Analyse des VEK-Prozesses zu folgen.472 Gegenüber der kirchlichen Seite wurden weder besondere Aktivitäten auf der Gesprächsebene entfaltet, noch in den geführten Gesprächen staatliche Positionen zu diesem Vorgang oder staatliche Erwartungen formuliert. Als Stolpe am 21. März im ZK erneut mit Bellmann und Hüttner zusammentraf, um das Gespräch über eine Stellungnahme des BEK zum 30. Jahrestag der DDR fortzusetzen, wurde er lediglich „auf den Plan der Gründung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR angesprochen“, ohne dass die ZK-Mitarbeiter ihrerseits dazu Einschätzungen abgaben oder Erwartungen äußerten.473 Auch in einer Information zur Vorbereitung der Bundessynode im September 1979 in Dessau vom 22. Juni fehlte jegliche Zielstellung hinsichtlich der Herausbildung einer VEK, obwohl die Information selbst darauf hinwies, dass zu diesem Thema auf der Synode der stellvertretende Präses, Gottfried

einigen bundesdeutschen Presseartikeln), „daß man nach außen, insbesondere gegenüber dem Staat und der sozialistischen Gesellschaft mehr Einheitlichkeit demonstriert und damit das Gewicht der Kirche, ihre gesellschaftliche Relevanz erhöhen möchte“ (Vortrag Seigewassers am 14.3.1979 auf der Beratung mit den Sektorenleitern der Räte der Bezirke am 14./15.3.1979 in Berlin-Schmöckwitz [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 463], S. 15). Dass diese Einordnung in einer gewissen Spannung zu den anschließend vorgetragenen Thesen stand, die nicht von einer gegen den Staat gerichteten Intention ausgingen, sondern das künftige Verhältnis als noch offen beschrieben, wurde in Kauf genommen. 470 Diese „zentrale Arbeitsberatung“ war unabhängig von der Delegiertenversammlung geplant worden, und zwar „in Anbetracht der wesentlichen Prozesse, die sich bei der Durchsetzung der Staatspolitik in Kirchenfragen im vergangenen Jahr vollzogen haben und angesichts der im laufenden Jahr dabei zu erfüllenden Aufgaben“ (H. Seigewasser, Rat des Bezirkes . . .. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, 5.2.1979 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 463]). 471 Welche Rolle dabei die oben erwähnte Operativberatung vom 28. Februar spielte, muss – da kein Protokoll existiert – offen bleiben. 472 Die erste Information über das innerkirchliche Echo lag Ende Juni vor (vgl. AL I [H. Wilke]: Information über die Haltung der evangelischen Kirchen zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR, 29.6.1979 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425]). 473 Arbeitsgruppe Kirchenfragen (R. Bellmann): Information über ein Gespräch mit Oberkonsistorialrat Manfred Stolpe, Leiter des Sekretariats des BEK, 21.3.1979 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 44, Bl. 145–147), S. 3.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Forck, und der Sekretär der Delegiertenversammlung, Demke, „die Auffassung der Leitung des BEK“ vortragen würden.474

Infolge dieser Zurückhaltung blieb auf kirchlicher Seite bis zuletzt unklar, wie das VEK-Vorhaben innerhalb des Staats- und Parteiapparates beurteilt wurde, ob von dieser Seite mit besonderen Widerständen zu rechnen sei oder ob die Bildung einer VEK dort ohne weiteres akzeptiert werden würde.475 Noch im März 1980 bezeichnete Stolpe „die Einschätzung des staatlichen Verhaltens“ hinsichtlich der VEK-Pläne nicht nur als „die ‚große Unbekannte‘“, sondern rechnete auch mit erneutem, wenn auch nicht unüberwindlichem Einspruch,476 der freilich nicht erfolgte.

5.3.2. Vorsichtige Überlegungen zur kirchenpolitischen Profilierung einer VEK Bei der Beobachtung der weiteren Entwicklung kristallisierte sich für die Staats- und Parteistellen immer deutlicher als eines der Hauptprobleme des VEK-Prozesses die Frage nach dem Verhältnis dieses neuen Zusammenschlusses zu den westdeutschen Kirchen heraus. War bereits in Hüttners Thesen auf verdächtige Formulierungsunterschiede zwischen dem Artikel 4 (4) der Bundesordnung und dem Punkt II 3.8 der Empfehlungen hingewiesen worden, so schien die Diskussion der Eisenacher Empfehlungen auf den nachfolgenden Frühjahrssynoden und vor allem die beabsichtigte Beteiligung westdeutscher Gäste an der Arbeit der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe diesen Verdacht zu bestätigen. Eine Information des Staatssekretariats für Kirchenfragen „über die Haltung der evangelischen Kirchen zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ vom 29. Juni kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass auf den genannten Synoden „die ‚besonderen Beziehungen‘ zu den Kirchen in der BRD . . . nicht nur in der bisher geübten Praxis genannt“ würden. Vielmehr werde „versucht, darüber hinaus Festschreibungen vorzunehmen, wie wieder engere Verflechtungen von Kirchen in der DDR und in der BRD erfolgen“ könnten.477 Damit erschien die kirchliche Diskussion über die Wahrnehmung der Ost-West-Beziehungen durch die künftige Vereinigte Evangeli474 AL I (H. Wilke): Vertrauliche Information in Vorbereitung der Synode des BEK vom 21. bis 25.9.1979 in Dessau, 22.6.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425), S. 2 f. 475 Vgl. Gespräch mit OKR Dr. Helmut Zeddies am 20.10.2000, S. 5. 476 O. Lingner: Vermerk über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 12.3.1980, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 362), S. 3. 477 AL I (H. Wilke): Information über die Haltung der evangelischen Kirchen zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR, 29.6.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425), S. 1.

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sche Kirche als Teil des auch anderweitig wahrgenommenen Prozesses einer generellen Intensivierung der Beziehungen zwischen den Kirchen in der DDR und denen in der BRD. Insbesondere das gemeinsam von EKD und BEK verantwortete „Wort zum Frieden“ vom 24. August 1979478 brachte aus staatlicher Perspektive diese Tendenz deutlich und für alle erkennbar zum Ausdruck. Eine „Information über die ökumenischen Beziehungen zwischen dem Bund der evang. Kirchen und der Evangelischen Kirche in Deutschland“479 vom 4. März 1981 wies in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf „gesamtdeutsche Intentionen bei der Schaffung der VEK“ hin. „Unter Berufung auf die ‚besondere Gemeinschaft‘“ würden „bestehende Partnerschaftsbeziehungen über die Grenzen hinweg nicht nur konserviert, sondern in immer größerem Umfang ausgebaut“.480 „Durch das Festhalten des BEK an dieser ‚besonderen Gemeinschaft‘“ gelänge es der EKD „trotz der organisatorischen Trennung . . . nach wie vor, ihr gesamtdeutsches Konzept fortzusetzen“, „Spannungen zwischen Staat und Kirche“ in der DDR herbeizuführen und reaktionäre Kräfte als ihren „verlängerten Arm“ zu nutzen.481 „Vor allem negative Kräfte in der EKU“ hätten versucht, die inzwischen entstandenen und von der EKD für ihre Zwecke genutzten „deutsch-deutschen Formen kirchlicher Arbeit“ bei der Vorbereitung der Bildung einer VEK festzuschreiben.482

Auch wenn die Beteiligung „mitarbeitender Gäste“ aus den kirchlichen Zusammenschlüssen in der Bundesrepublik nicht in der staatlicherseits befürchteten Weise erfolgte (was – wohl nicht zu Unrecht – auf den eigenen Einspruch zurückgeführt wurde),483 hatte dieser Vorgang die von Anfang an gehegte Befürchtung nunmehr bestätigt, dass der VEK-Prozess dazu

478 Abgedruckt in W. HAMMER/U.-P. HEIDINGSFELD, Die Konsultationen, S. 289–291. 479 Abt. Internationale Beziehungen: Information über die ökumenischen Beziehungen zwischen dem Bund der evang. Kirchen und der EKD unter besonderer Beachtung „gesamtdeutscher Intentionen bei der Schaffung der VEK“, 4.3.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 4877). 480 EBD., S. 1. – In einer von Hauptabteilungsleiter Weise geringfügig veränderten Fassung der Information, die dem MfS zugeleitet wurde, ist diese Aussage noch weiter verstärkt. Danach würden „bestehende Partnerschaftsbeziehungen . . . nicht nur konserviert, sondern in immer größerem Umfang ausgebaut und neuentwickelt“ (Abt. Internationale Beziehungen [H. Weise]: Information über die ökumenischen Beziehungen zwischen dem Bund der Evangelischen Kirchen und der EKD unter besonderer Berücksichtigung „gesamtdeutscher Intentionen bei der Schaffung der VEK“, 9.4.1981 [BSTU, MfS – HA XX/4, Nr. 298, S. 85– 91], S. 1 – Hervorhebung vom Verf.). 481 Abt. Internationale Beziehungen: Information (vgl. Anm. 479), S. 2, 4. 482 EBD., S. 7. 483 Vgl. oben Kap. 5.2.2 sowie P. Verner: Rede auf dem Lehrgang mit den für Kirchenfragen verantwortlichen Genossen aus den Bezirks- und Kreisleitungen sowie aus den Räten der Bezirke und Kreise am 16.5.1980 in Kleinmachnow (SAPMO-BARCH, NY 4281, Nr. 110, Bl. 138–222), S. 76; Abt. Internationale Beziehungen: Information (vgl. Anm. 479), S. 2.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

genutzt werden würde, „gesamtdeutsche Ansätze“ zur Geltung zu bringen und festzuschreiben. Da es sich bei dieser Tendenz um ein grundsätzliches Bestreben der Kirchen handelte, wie das gemeinsame „Wort zum Frieden“ erkennen lasse, schien den für die staatliche Kirchenpolitik Verantwortlichen sowohl insgesamt als auch hinsichtlich des VEK-Prozesses besondere Wachsamkeit geboten. Als längerfristige Aufgabe wurde deshalb innerhalb des Staatssekretariats für Kirchenfragen die Abteilung Evangelische Kirchen mit der Erarbeitung einer Information zu Entwicklung und Stand der VEK-Vorbereitungen beauftragt, als deren Termin der Arbeitsplan die Dienstbesprechung im Januar 1980 festhielt.484 Unmittelbarer Handlungsbedarf bestand hingegen angesichts der für September angesetzten Bundessynode in Dessau. War in der Information vom 22. Juni zur Vorbereitung dieser Bundessynode – die anscheinend noch vor Bekanntwerden des „Gemeinsamen Beschlusses“ verfasst worden war – die VEK-Problematik nur nebenbei erwähnt worden, erschien sie Anfang September als ein nunmehr wesentlicher Punkt der im Vorfeld der Synode zu führenden Gespräche. Die Konzeption für diese Gespräche wurde von Wilke auf der Dienstbesprechung am 3. September, die sich unter TOP 2 der Vorbereitung der Dessauer Bundessynode widmete, noch einmal ausdrücklich erläutert: „Unmittelbarer Anlaß für diese Gespräche ist die vorgesehene Entscheidung der Bundessynode über den Fortgang der VEK-Entwicklung. Angesichts der dabei erscheinenden gesamtdeutschen Ansätze ist es in den Gesprächen nötig, die große Bedeutung der Eigenständigkeit der DDR-Kirchen zu betonen. Ziel dieser Gespräche kann nicht darin bestehen, eine weitergehende Abgrenzungsformulierung durch die Synode zu erreichen, sondern positive Aussagen zum selbständigen Weg und Charakter der Kirchen in der DDR zu erwirken.“485

Trotz dieser Zielstellung nutzte Wilke das Gespräch, das er in diesem Zusammenhang mit dem Sekretär der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, Demke, zu führen hatte,486 nicht zur Vorbereitung solcher „positiven Aussagen zum selbständigen Weg und Charakter der Kirchen in der DDR“, sondern um sich über den Sachstand in der Frage „der Weiterführung der besonderen geistlichen Gemeinschaft mit den Kirchen in der Bundesrepublik“ zu informieren und dabei noch einmal die staatlicherseits gehegten 484 Arbeitsplan der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, 1. Halbjahr 1980 (VD II 1/80), undatiert (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 2709), S. 1 (Punkt 5). 485 Persönlicher Referent (H. Dohle): Protokoll über die am 3.9.1979 durchgeführte Dienstbesprechung, 5.9.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 407), S. 3. 486 Insgesamt waren 15 Gespräche vorgesehen, von denen acht von Mitarbeitern des Staatssekretariats, die restlichen sieben von den zuständigen Räten der Bezirke beziehungsweise – wie im Falle Rostocks – von der dortigen SED-Bezirksleitung geführt werden sollten (EBD.).

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Bedenken deutlich zu machen. Wilke hob dabei noch einmal hervor, dass diese Bedenken insbesondere durch das Echo hervorgerufen seien, das das Gemeinsame Wort zum Frieden gefunden habe. Darin „sei das Bestreben erkennbar, die Entwicklung auf das Jahr 1968/69 zurückzudrehen mit dem Hinweis darauf, daß die nationale Frage von den Kirchen offengehalten werde“.487 Demke seinerseits erläuterte daraufhin das Gemeinsame Wort zum Frieden, bestätigte allerdings, dass „die besondere geistliche Gemeinschaft mit den Kirchen in der Bundesrepublik“ einer der vier Problemschwerpunkte sei, die auf dem Wege zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche der Klärung bedürften.488 Der Verlauf der Bundessynode in Dessau bestätigte die Befürchtungen der staatlichen Seite nicht.489 Angesichts der vorherigen Bedenken zeigte sie sich sogar in mehrfacher Hinsicht zufrieden über deren Ertrag. Im Rückblick konnte festgestellt werden, dass „die Eigenständigkeit der Kirchen der DDR, die in letzter Zeit durch verschiedene Vorkommnisse (versuchte Hereinnahme von Vertretern westdeutscher Kirchen in die Vorbereitungsgruppe zur Bildung der VEK, gemeinsames ‚Wort zum Frieden‘) fragwürdig zu werden drohte, . . . durch den Bericht und weitere Aussagen der Synode bekräftigt worden“ sei.490 Darüber hinaus wurde der kontroversen Diskussion über die Eisenacher Empfehlungen mit Interesse entnommen, dass innerkirchlich hinsichtlich der Bildung einer VEK „noch erhebliche ungelöste Probleme“ und Bedenken bestünden und deshalb von „der Synode lediglich die Tendenz der ‚Eisenacher Empfehlungen‘ bejaht“ worden sei.491 Insofern sei es „möglich, daß die neue Vereinigung letztlich auf eine Modifizierung der Bundesstruktur und -ordnung mit Delegierung bestimmter Kompetenzen nach oben und Bewahrung ausgeprägter Rechte der Landeskirchen“ hinauslaufe,492 was den antizentralistischen Interessen der staatliche Seite ohne Frage entgegenkam. 487 Ch. Demke: Vermerk über ein Gespräch mit Dr. Wilke (Staatssekretariat) am 11.9.1979 im Staatssekretariat, 9.00 bis 10.00 Uhr, 13.9.1979 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 1. 488 EBD. 489 Vgl. dazu oben Kap. 5.1.4. 490 AL I (E. Hüttner/H. Wilke): Vorlage an die Dienstbesprechung am 8.10.1979: Information über die 3. Tagung der 3. Synode des BEK, 3.10.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 407), S. 2. – Ausdrücklich notiert wurde, dass „der Vertreter der EKD, Prälat von Keler . . . in seinem Grußwort“ betont habe, „daß die Selbständigkeit der Kirchen in der DDR außerhalb jeder Erörterung stehe“. 491 EBD., S. 8; vgl. Abteilung II (Ch. Arlt): Vorlage zur Dienstbesprechung am 13.12.1979: Auswertung der Frühjahrs- und Herbstsynoden 1979 der Evangelischen Landeskirchen sowie der Synode des BEK unter politisch-rechtlichen Gesichtspunkten, 5.12.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 407), S. 6; Abt. I (H. Wilke): Entwurf für den Staatssekretär. Einschätzung der Herbstsynoden der Evangelischen Landeskirchen, 18.12.1979 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 407), S. 8. 492 AL I (E. Hüttner/H. Wilke): Vorlage (vgl. Anm. 490), S. 8.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Negativ war freilich zu vermerken, dass „eine absolute Übereinstimmung aller Gliedkirchen und der Zusammenschlüsse“ darin bestehe, „daß an der geistlichen Gemeinschaft mit den Kirchen der BRD festgehalten werden“ müsse.493 Insbesondere werde diese Auffassung von den EKU-Kirchen vertreten, sodass sich für die Kirchen nach wie vor „als ein Kernproblem die Frage“ erweise, „wie die noch bestehende Zusammenarbeit und institutionelle Verzahnung der EKU-Kirchen in der DDR und der BRD für den neuen Zusammenschluß erhalten werden“ könne.494 Die „Information zum gegenwärtigen Stand der Diskussion in den Kirchen zur Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche (VEK) in der DDR“, mit deren Ausarbeitung Wilke im Sommer 1979 beauftragt worden war,495 lag – wie im Arbeitsplan vorgesehen – auf der Dienstbesprechung am 28. Januar 1980 vor. In ihrem ersten Teil übernahm diese Information – teilweise wörtlich – die Kernaussagen der Hüttnerschen Thesen vom Februar und bekundete damit, dass sich an den grundsätzlichen Einschätzungen des VEK-Prozesses, seiner „objektiven Ursachen“ wie auch seiner ambivalenten Begleiterscheinungen, seit dem nichts geändert habe. Neu war die Darstellung der innerkirchlichen Diskussion seit den Eisenacher Empfehlungen, wobei Wilke insbesondere auf die zunehmende Verlangsamung des VEK-Prozesses hinwies. Deutlich sei freilich, dass die „politisch negativen Gruppierungen und Personen versuchen, den vorgegebenen Zeitplan der Kirchwerdung unbedingt einzuhalten“. Demgegenüber seien „die realistischen Kräfte . . . nicht einheitlich wirksam und häufig defensiv, während die negativen ihre Positionen z. T. bereits formuliert vortragen und über den kirchlichen Apparat auf Zielstellungen Einfluß nehmen“.496 Überraschend an dieser Studie ist die vergleichsweise geringe Bedeutung, die darin dem Problem der Beziehungen der künftigen VEK zu den westdeutschen Kirchen beigemessen wurde. Zwar wies sie im Rahmen der grundsätzlichen Einschätzung darauf hin, dass Bestrebungen bestünden, die „in der Praxis entstandene engere Verbindung der Kirchen“ nunmehr „kirchenrechtlich“ festzuschreiben, bei der Darstellung der Diskussion fehlt dieses Problem (einschließlich der Frage der „mitarbeitenden Gäste“) jedoch nahezu völlig. Lediglich im Zusammenhang der berlin-brandenburgischen Synode wurde erwähnt, dass diese „sich für die ‚besondere Gemeinschaft‘ mit den Kirchen in der BRD“ ausgesprochen habe. Unter den 493 Abteilung II (Ch. Arlt): Vorlage (vgl. Anm. 491), S. 6. 494 AL I (E. Hüttner/H. Wilke): Vorlage (vgl. Anm. 490), S. 8. 495 Abteilung I (H. Wilke): Vorlage an die Dienstbesprechung am 28.1.1980: Information zum gegenwärtigen Stand der Diskussion in den Kirchen zur Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche (VEK) in der DDR, 24.1.1980 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 408). 496 EBD., S. 3.

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Punkten, die in Vorbereitung der Frühjahrssynoden „in Gesprächen mit kirchlichen Kräften deutlich zu machen“ seien, erschien die Verhinderung der „Ausweitung oder Festschreibung bestimmter Praxi ‚gesamtdeutscher‘ Tätigkeit der Kirchen“ hingegen lediglich an letzter Stelle.497 In der Zusammenfassung wurde – wie schon ein halbes Jahr zuvor gegenüber Bischof Schönherr – „die Ausbildung der VEK“ als „eine innerkirchliche Angelegenheit“ charakterisiert, was bedeutete: „Die staatlichen Organe führen keine Grundsatzgespräche mit Vertretern der Kirchen zu Problemen einer zukünftigen VEK.“498 Korrekturen an dem bereits an den Eisenacher Empfehlungen kritisierten Schweigen zur Stellung der Kirche im gesellschaftlichen Umfeld seien allerdings weiterhin anzustreben und „positive Einflußnahmen zur besseren politischen Profilierung einer ‚Kirche im Sozialismus‘“ damit nötig (Punkt 4.1). Entsprechend wurde als Hauptaufgabe für die weitere Arbeit genannt: „4.2. . . . Es muß durch gesellschaftliche Kräfte organisiert, aber innerkirchlich formuliert, daran gearbeitet werden, daß eine positive inhaltliche Bestimmung der ‚Kirche im Sozialismus‘ so erfolgt, daß diese Aussagen ihren Niederschlag in einer zukünftigen ‚Ordnung‘ der VEK finden oder als ‚Präambel‘ oder ‚Vorspruch‘ formuliert werden. Eine weitere Ausklammerung dieser Probleme aus der kirchlichen Diskussion darf nicht zugelassen werden.“499

Wilkes Beschlussvorschlag wurde zusammen mit den Aussagen seiner Studie auf der Dienstbesprechung bestätigt.500 Darüber hinaus wurde festgelegt, „nach den Frühjahrssynoden und den Synodaltagungen der VELK und der EKU . . . dem Staatssekretär im Ergebnis einer Situationsanalyse eine Konzeption zur zielgerichteten Einflußnahme auf den weiteren Prozeß der VEK-Bildung vorzulegen“.501 Als Termin dafür wurde die Novemberbesprechung genannt sowie eine Mitarbeit der Abteilungen Rechts- und Grundsatzfragen sowie Internationale Beziehungen vorgesehen.502 Der 497 EBD., S. 7. 498 EBD., S. 6. 499 EBD. 500 Es wurde allerdings zur Auflage gemacht, dass Wilke die zusammenfassenden Festlegungen (Punkte 4.1 und 4.2) im Sinne der auf der Dienstbesprechung geführten „ausführlichen Diskussion“ noch einmal überarbeitet und neu einreicht (Persönlicher Referent [H. Dohle]: Protokoll der Dienstbesprechung vom 28.1.1980, 30.1.1980 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 408], S. 3). Dies geschah auftragsgemäß, wie ein handschriftliches „erl.“ am Rand des Protokolls zeigt. Der obigen Darstellung liegt die überarbeitete Fassung zu Grunde. Die Vorfassung der beiden Passagen ist nicht erhalten. 501 Abteilung I (H. Wilke): Vorlage (vgl. Anm. 495), Titelblatt. 502 Persönlicher Referent (H. Dohle): Protokoll der Dienstbesprechung vom 28.1.1980, 30.1.1980 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 408), S. 3; vgl. Arbeitsplan der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, 2. Halbjahr 1980 (VD II 11/80), undatiert (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 2709), S. 7 (Punkt 35).

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

schleppende Fortgang des VEK-Prozesses, wie er etwa im Zwischenbericht der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zum Ausdruck kam,503 sowie die in diesem Zusammenhang für die staatliche Seite wenig interessanten Diskussionspunkte brachten es allerdings mit sich, dass staatlicherseits in den folgenden Monaten kaum neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten. In den Staat-Kirche-Gesprächen wurde die VEK-Problematik, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Die Informationen, die der staatlichen Seite, dabei zur Kenntnis gelangten, wiesen alle darauf hin, dass der Prozess sich langwieriger gestaltete als vorgesehen und die Probleme vielfältiger waren als kirchlicherseits vorher angenommen.504

5.3.3. Die Ablehnung der VEK-Pläne durch Paul Verner und Klaus Gysi Die Beschränkung der staatlichen Überlegungen auf eine Profilierung der künftigen VEK zur „Kirche im Sozialismus“ unter Vernachlässigung der konkreten und aktuellen Kritikpunkte fand im Mai 1980 mit den Referaten des neuen Staatssekretärs für Kirchenfragen, Klaus Gysi, sowie des für Kirchenfragen zuständigen Politbüromitgliedes, Paul Verner, auf einem Lehrgang der für Kirchenfragen zuständigen Mitarbeiter aus den Bezirken und Kreisen an der Parteischule „Karl Liebknecht“505 ihr Ende. Sowohl Gysi, der am 13. Mai über „Ergebnisse und Aufgaben der staatlichen Führungstätigkeit auf kirchenpolitischem Gebiet bei der Einbeziehung der Kirchen in die politische und gesellschaftliche Entwicklung der DDR“ referierte,506 als auch Verner, der drei Tage später einen Vortrag über die „nächsten Aufgaben der Partei bei der weiteren Durchführung der Beschlüsse des IX. Parteitages und die Schlußfolgerungen für die Weiterführung der Politik gegenüber den Kirchen und Religionsgemeinschaften“ hielt,507 schätzten die Bildung einer VEK im Wesentlichen negativ ein und sahen dementsprechend die kirchenpolitische Aufgabe in einer gegenlenkenden bzw. steuernden Einflussnahme. Gysi, der mit den Eisenacher Empfehlungen „die Zentralisierungsbestrebungen der auf dem Territorium der DDR wirkenden Landeskirchen in 503 Siehe oben Kap. 5.2.5. 504 Vgl. z. B. Abteilung I (H. Wilke): Information über ein Gespräch mit Kirchenpräsident Natho am 31.1.1980, 4.2.1980 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 649). 505 Der Lehrgang fand vom 12. bis 16.5.1980 statt. An ihm waren die für Kirchenfragen zuständigen Mitarbeiter sowohl des Staats- (Räte der Bezirke und Kreise) als auch des Parteiapparates (Bezirks- und Kreisleitungen) beteiligt. 506 Vgl. Programm der Lehrveranstaltungen für den Lehrgang an der Parteischule „Karl Liebknecht“ beim ZK der SED, Kleinmachnow, 12. bis 16.5.1980, undatiert (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 463), S. 2. 507 EBD., S. 3.

Ambivalente Meinungsbildung in Staat und Partei

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eine neue Phase“ eintreten sah, forderte im Interesse einer weiter bestehenden Möglichkeit zur „Differenzierung“ eine Beschränkung dieser Zentralisierungstendenzen sowohl hinsichtlich der gesamtkirchlichen Struktur (bleibende Selbständigkeit der Landeskirchen) als auch hinsichtlich der innerkirchlichen Hierarchie (bleibende Selbständigkeit der einzelnen Geistlichen). Nach erneuter Bekräftigung, dass „die Bildung einer neuen Arbeitsform gemäß der sozialistischen Verfassung“ offiziell alleinige Angelegenheit der Kirchen sei,508 empfahl Gysi in der einen Hinsicht: „Wir sollten im Rahmen unserer Möglichkeiten weiter darauf hinwirken, daß möglichst auch in der neuen Kirchenordnung die Selbständigkeit der Landeskirchen und der föderative Charakter des neuen Zusammenschlusses gewahrt bleiben.“509 Des Weiteren forderte er auf, darauf zu achten, dass in der neu zu formulierenden Grundordnung „die demokratischen Rechte der Geistlichen voll erhalten bleiben“,510 ein eventuelles gesellschaftliches Engagement oder politisch progressives Auftreten einzelner Pfarrer also auch in einer künftigen VEK möglich sei.

Darüber hinaus werde man sich „gegen jeden Versuch wenden, bestehende Bindungen zu den Kirchen in der BRD auszuweiten“ oder „in der Praxis entstandenen Arbeitskontakten kirchenleitender Gremien aus der DDR und der BRD zusätzlich oder im Nachhinein bei dieser Gelegenheit eine kirchenrechtliche Ausformulierung und Festschreibung“ zuteil werden zu lassen,511 womit auch eine eventuelle Institutionalisierung etwa der Beratergruppe grundsätzlich abgelehnt war. Den zweiten Schwerpunkt in Gysis Ausführungen bildete die bereits auf der Dienstbesprechung vom 28. Januar diskutierte Aufgabe einer Beeinflussung des „politischen und kirchenpolitischen Profils“ der zukünftigen Kirche, die Gysi allerdings deutlicher, als das bis dahin geschehen war, hervorhob. Es sei – so Gysi – ein „legitimes Anliegen, wenn wir mit unseren Einflußmöglichkeiten darauf hinwirken, daß bei ihrer Konstituierung möglichst eine klare Positionsbestimmung als ‚Kirche im Sozialismus‘“ erfolge.512 Abschließend fasste Gysi die „Aufgabe der staatlichen Führungstätigkeit auf kirchenpolitischem Gebiet“ hinsichtlich der VEK dahingehend zusammen, „politisch-ideologisch so zu wirken, daß möglichst viele politisch-progressive Gedanken in die zukünftige Einheitskirche einfließen und entsprechende Persönlichkeiten in die Leitungsgremien gewählt werden“.513 508 K. Gysi: Ergebnisse und Aufgaben der staatlichen Führungstätigkeit auf kirchenpolitischem Gebiet bei der Einbeziehung der Kirchen in die politische und gesellschaftliche Entwicklung der DDR, 13.5.1980 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 463), S. 13. 509 EBD., S. 14. 510 EBD. 511 EBD. 512 EBD., S. 13. 513 EBD., S. 15.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

Für die gewandelte Einschätzung der VEK-Pläne bezeichnend fügte er hinzu: „Diese Ausführungen sind gewissermaßen prophylaktisch gemeint. Es sieht im Augenblick bei den Kirchen noch nicht so aus, als ob die Absichten in Richtung auf eine VEK verwirklicht werden. Ich brauche hoffentlich nicht zu sagen, daß wir darüber nicht traurig wären.“514

Noch negativer fiel der Teil des Referates von Paul Verner aus, in dem sich dieser dem VEK-Vorhaben widmete.515 Im Unterschied zu Gysi kehrten bei ihm zwar noch einmal die von Hüttner seinerzeit zusammengestellten verschiedenen Aspekte des VEK-Vorhabens wieder, Verner gewichtete diese jedoch deutlich anders, als dies bei Hüttner oder auch noch in der Information Wilkes vom Januar der Fall gewesen war. Während er die möglichen positiven Auswirkungen mehr oder weniger nur summarisch zusammenfasste,516 erfuhren die negativen Seiten eine ausführliche Auflistung, wobei er sie anders als Gysi und Hüttner nicht als negative Begleiterscheinungen eines innerkirchlichen oder gar objektiven Erfordernissen entsprechenden Vorgangs verstand, sondern als Ausdruck einer negativen, weil primär gegen den Staat gerichteten Grundtendenz der VEK-Bemühungen. Erschien bei Gysi die Profilierung als „Kirche im Sozialismus“ als Aufgabe der staatlichen Kirchenpolitik angesichts der geplanten Bildung einer Einheitskirche, ging es nach Verner den VEK-Plänen gerade darum, eine solche „Weiterprofilierung der Kirchen als ‚Kirche im Sozialismus‘ abzublocken und stärker auf die Linie ‚kritischer Distanz zum sozialistischen Staat‘ zu gehen“. Entsprechend diente nach Verner die geplante Zentralisierung vor allem dazu, „progressiven Gruppen und Persönlichkeiten in den Kirchen wirksamer entgegentreten zu können und sie zu disziplinieren“ und „die relativ positiveren kleinen Kirchen durch die großen, insbesondere die EvangelischLutherische Landeskirche Sachsens, zu majorisieren“.517 514 EBD. 515 Allerdings nahm die VEK-Problematik in Verners Referat keinen hervorgehobenen Platz ein. Von den 85 Seiten des Gesamtreferates umfasste der VEK-Teil fünf Seiten gegen Schluss der Ausführungen, in denen er auf die Gründung und Entwicklung des Kirchenbundes einging (P. Verner: Rede auf dem Lehrgang mit den für Kirchenfragen verantwortlichen Genossen aus den Bezirks- und Kreisleitungen sowie aus den Räten der Bezirke und Kreise am 16.5.1980 in Kleinmachnow [SAPMO-BARCH, NY 4281, Nr. 110, Bl. 138–222]). 516 Die Möglichkeit, dass ein „mit mehr Kompetenz als der BEK ausgestatteter gesamtkirchlicher Zusammenschluß . . . mit größerer Verbindlichkeit jeweilige kirchenpolitische Konzeptionen durchsetzen“ könne ([E. Hüttner]: 6 Thesen zur Einflußnahme auf den Prozeß der Bildung der „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ [Entwurf], undatiert [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 425], S. 2), wurde überhaupt nicht mehr erwähnt. Dafür skizzierte Verner den gegenwärtigen „föderativen Charakter“ des Bundes als die für die staatliche Kirchenpolitik optimale Struktur (P. Verner: Rede [vgl. Anm. 515], S. 74). 517 EBD., S. 76 f.

Ambivalente Meinungsbildung in Staat und Partei

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Ein wesentlicher Punkt auch in Verners Negativkatalog betraf das Verhältnis zwischen BEK und EKD. Er sprach dabei von der „Absicht, die Vereinigte Evangelische Kirche hinter den im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR erreichten Grad der organisatorisch-rechtlichen Selbständigkeit der DDR-Kirchen zurückzuführen, worauf die Übertragung der ‚gesamtdeutschen Praktiken der Evangelischen Kirche der Union‘ auf den neuen Zusammenschluß“ abziele.518 Als Beispiel für die latente „Gefahr der Einmischung von außen und der Unterwanderung der Selbständigkeit der Kirchen in der DDR“ diente das staatlicherseits „vereitelte Vorhaben, je einen Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Evangelischen Kirche der Union in der BRD als ‚mitarbeitende Gäste‘ in die zur Verwirklichung der Eisenacher Empfehlungen gebildete Vorbereitungsgruppe einzubeziehen“.519 Aufgrund dieser Einschätzung kam Verner zu der Direktive, zwar nicht „offen gegen die Bestrebungen zur Bildungen der VEK aufzutreten“, da „alle Leitungen und Synoden der Landeskirchen sowie der kirchlichen Zusammenschlüsse grundsätzlich dem Plan der Bildung der VEK“ zugestimmt haben, aber doch – worin er wieder mit Gysi übereinstimmte – die gegenläufigen und diesen Prozess hemmenden Tendenzen zu unterstützen: „Wir orientieren deshalb auf die Erhaltung und Fortsetzung des Bewährten, betonen die Rolle der Landeskirchen, wehren der Tendenz zur Unterwanderung der Selbständigkeit und arbeiten zielstrebig weiter an der Veränderung des innerkirchlichen Kräfteverhältnisses zu Gunsten der Kirchenvertreter, die an einem guten Verhältnis zu ihrem sozialistischen Staat interessiert sind.“520

Sowohl die Funktion der beiden Referenten als auch das Forum, vor dem sie ihre Einsichten vortrugen, garantierten, dass die von ihnen vertretene negative Einschätzung die Haltung innerhalb des Staats- und Parteiapparates zum VEK-Vorhaben für die nächste Zeit bestimmte. Gelegenheit, diese negative Einschätzung bestätigt zu finden und die Lehrgangsdirektiven umzusetzen, bot die unmittelbar nach dem Lehrgang in Berlin stattfindende EKU-Synode (16.–18. Mai), die sich ausführlich mit der Frage der Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen befasste.521 Angesichts der Bedeutung, die dort dem Erhalt der Gemeinschaft zwischen den beiden Bereichen bei der Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR beigemessen wurde, kam die von der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen zusammengestellte Einschätzung der Synode zu dem Ergebnis, dass die EKU nicht nur die bis dahin praktizierte Gemeinschaft beider Bereiche 518 519 520 521

EBD., S. 76. EBD., S. 76 f. EBD., S. 77 f. Vgl. oben Kap. 5.2.6.

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Der Verständigungsprozess nach den „Eisenacher Empfehlungen“

fortführen, sondern intensivieren und damit praktisch „hinter den auf der Magdeburger Synode 1972 beschlossenen Kompromiß in der Frage der organisatorischen Selbständigkeit der EKU-Kirchen“ zurückgehen wolle.522 Ein „eigenständiges Handeln der EKU-Organe“ des Ostbereichs sei damit „faktisch unmöglich“.523 Vielmehr werde „eine Zuständigkeit der EKUKirchen in der BRD für innere Probleme der DDR-Kirchen anerkannt“.524 Dementsprechend betrachte die EKU die von ihr „praktizierte ‚Einheit‘ als profilgebend für den neuen Zusammenschluß“ und halte deshalb den staatlicherseits bereits in der vorliegenden Form kritisierten Abschnitt der Eisenacher Empfehlungen zur „besonderen Gemeinschaft“ unbedingt für erweiterungsbedürftig.525 Die Schlussfolgerungen, die aus diesem Verlauf der EKU-Synode gezogen wurden, entsprachen den insbesondere von Verner gegebenen Lehrgangsempfehlungen – obwohl deren Konzept einer Zurückdrängung missliebiger Tendenzen auf der Synode gerade versagt hatte526 – und sahen dementsprechend als Hauptaufgabe lediglich vor, im Rahmen der sich bietenden Möglichkeiten zu versuchen, auf die zu Tage getretenen gesamtdeutschen Tendenzen Einfluss zu nehmen. In diesem Sinne legte die Information der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen zum einen fest, dass „mit einsichtigen Synodalen . . . über die genannten unakzeptablen Positionen der EKU-Synode eine Auswertung vorzunehmen“ sei, wobei insbesondere an „die Vertreter theologischer Sektionen und anderer staatlicher Institutionen“ gedacht war. Zum anderen sei „in den laufenden Gesprächen mit leitenden Geistlichen, insbesondere aus den EKU-Kirchen in der DDR . . . die irreale Ausweitung gesamtdeutscher Kirchenbeziehungen zurückzuweisen“. Dabei müsse klargestellt werden, „daß die Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche eine ausschließliche Angelegenheit der DDR-Kirchen zu bleiben“ habe. Weniger Anlass zur staatlichen Kritik gab in dieser Hinsicht die wenige Wochen später stattfindende Generalsynode der VELK in der DDR, sodass die Arbeitsgruppe Kirchenfragen in ihrer diesbezüglichen Information vermerken konnte, dass sich „im Unterschied zur Synode der unierten 522 Arbeitsgruppe Kirchenfragen: Information über die 3. Tagung der V. Synode der EKU, 19.5.1980 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 446), S. 3 f. 523 EBD., S. 4. 524 EBD., S. 5. 525 EBD., S. 5 f. 526 Angesichts der „offensiven gesamtdeutschen Konzeption“ auf der EKU-Synode hatte der auf der Synode als Gast anwesende Hauptabteilungsleiter aus der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Hans Weise, mehrere Gespräche mit leitenden Kirchenvertretern geführt, um sein „Missfallen über die offenkundige Unterwanderung der Selbständigkeit der EKU zum Ausdruck“ zu bringen – allerdings ohne greifbare Ergebnisse (Tagesinformation zur Synode der EKU, 18.5.1980 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 446], S. 3).

Ambivalente Meinungsbildung in Staat und Partei

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Kirchen in der DDR (EKU) . . . auf dieser Tagung hinsichtlich gesamtdeutscher Tendenzen und Konzeptionen eine bemerkenswerte Zurückhaltung“ gezeigt habe.527 Da sich damit innerkirchlich „keinerlei neue Tendenz“ ergab, wurde eine neuerliche Einschätzung der Entwicklung zur VEK, die eigentlich zur Dienstbesprechung im November 1980 vorzulegen war, als „gegenstandslos“ betrachtet und auf die Dienstbesprechung im Juni 1981 verschoben.528 Die von Verner und Gysi auf der Schulung vom Mai 1980 vertretene Ablehnung der VEK-Pläne wurde insofern umgesetzt, als der kirchlichen Diskussion zum Thema wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet, dieser Punkt etwa bei den Konzeptionen zur staatlichen Vorbereitung auf die kirchlichen Synodaltagungen Herbst 1980/Frühjahr 1981 wieder stärker berücksichtigt und der Gedanke der Abwehr unerwünschter Entwicklungen in den Vordergrund gestellt wurde.

527 Arbeitsgruppe Kirchenfragen: Information über die 2. Tagung der III. Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR, 10.6.1980 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 446), S. 5. 528 Abteilung I (H. Wilke): Information an die Dienstbesprechung am 24.11.1980, betr. Arbeitsplanpunkt 35: Vorlage an die Dienstbesprechung „über den Stand der Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“, 20.11.1980 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 642).

Die Entwürfe Vorbereitung derund Gemeinsamen Scheitern einer Vorbereitungsgru „VE K in der DDppe R“

6. Vorbereitung und Scheitern einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“

6.1. Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe 6.1.1. Problembeschreibung Nach ihrem Zwischenbericht vom März 1980 wandte sich die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe der Erarbeitung konkreter Beschlussvorlagen für die Synoden der Zusammenschlüsse und Gliedkirchen zu, wie sie unter Artikel VI 2 der Eisenacher Empfehlungen bereits für den 31. August 1979 vorgesehen waren. Dieses Voranschreiten war möglich und nötig, da jene Synoden, die auf ihren Frühjahrstagungen auf den Zwischenbericht eingegangen waren,1 nicht nur ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer engeren Gemeinschaft – trotz gegensätzlicher Positionen im Einzelnen – bekundet, sondern angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit und des betriebenen Kräfteaufwands auch konkrete Vorschläge angemahnt und in unterschiedlichem Umfang bereits selbst unterbreitet hatten. Unter Zugrundelegung des in Eisenach abgesteckten Rahmens, über eine Änderung der Ordnung des Bundes zu einer engeren Gemeinschaft zu gelangen, lag es nahe, in drei Richtungen an solchen Beschlussvorlagen zu arbeiten: Zum einen musste näher beschrieben werden, wie die Kompetenzen im Einzelnen neu geordnet und die neuen Strukturen gestaltet werden sollten. Zum zweiten war auszuformulieren, wie die Bundesordnung im Interesse dieser Ziele in einem ersten Schritt konkret zu ändern sei. Und als ein Drittes kam, weil das Neue nicht nur in einer veränderten Kompetenzverteilung und einer neuen kirchlichen Struktur bestehen, sondern auch in einer gemeinsamen Einsicht in die verbindenden theologischen Grundlagen zum Ausdruck kommen sollte, eine Formulierung des Selbstverständnisses der engeren Gemeinschaft hinzu. Die Beschreibung der Ziele und der auf dem Wege dorthin zu bewältigenden Aufgaben erfolgte in der „Gemeinsamen Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft“. Die dafür in einem ersten Schritt an der Bundesordnung vorzunehmenden Änderungen wurden in einem „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen 1 Siehe dazu oben S. 344, Anm. 409.

Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

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Kirchen in DDR“ niedergelegt. Das Selbstverständnis der neuen Gemeinschaft sollte entsprechend den Eisenacher Empfehlungen II 1 in neu zu formulierenden „Grundartikeln und Grundbestimmungen“ zum Ausdruck gebracht werden. Da der Meinungsbildungsprozess weitaus mehr Zeit in Anspruch genommen hatte, als in dem auf der Delegiertenversammlung aufgestellten Zeitplan veranschlagt worden war, die Voraussetzung dieses Zeitplans, die vierte Bundessynode bereits in einer veränderten Zusammensetzung zu konstituieren, jedoch beibehalten wurde, erfolgten Erarbeitung und Diskussion dieser Vorlagen unter einem gewissen Zeitdruck. Um die Veränderungen bereits für die vierte Bundessynode wirksam werden zu lassen, waren die Vorlagen noch von der dritten Synode des Bundes, deren Legislaturperiode im Oktober 1981 endete, zu beschließen und dementsprechend „spätestens bis Mitte September 1981“ in ihrer endgültigen Fassung vorzulegen.2 Zwischen dem Zwischenbericht und der Feststellung des endgültigen Textes der Beschlussvorlagen lagen damit lediglich 1½ Jahre, in denen diese nicht nur zu erarbeiten, sondern bereits in allen Synoden vorbereitend zu diskutieren waren.3

Neben der relativ knapp bemessenen Zeit, in der die Beschlussvorlagen zu erarbeiten waren, stand die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe zusätzlich vor der Aufgabe, den unterschiedlichen Positionen, wie sie in den Stellungnahmen zum Zwischenbericht noch einmal zum Ausdruck gekommen waren, so gerecht zu werden, dass nach Fertigstellung der Vorlagen alle Synoden ohne weitere Veränderungen mit der notwendigen Mehrheit zustimmen konnten.4 Da Erarbeitung und Diskussion der Entwürfe weitere gegensätzliche Positionen auch im Detail sowie verfahrenstechnische Probleme und unterschiedliche Vorstellungen über das weitere Vorgehen zu 2 Vgl. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (Ch. Demke): Mögliche Beschlußabläufe für die Gemeinsame Entschließung, 25.9.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19); Ch. Demke: Niederschrift über das Präsidientreffen am 11.10.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 41), S. 2. 3 Um diesen Zeitplan einhalten zu können, mussten einige Synoden zu außerordentlichen Tagungen zusammentreten (Görlitz, Berlin-Brandenburg, VELK, EKU) und der Tagungsrhythmus der Bundessynode – zu einer Verlängerung der Legislaturperiode konnte man sich nicht entschließen – verändert werden. Regulär hätte die 5. Tagung der dritten Bundessynode im Mai 1981 (und nicht September 1981) und die konstituierende Tagung der vierten Bundessynode im Herbst 1981 (und nicht Anfang 1982) stattgefunden (vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 11. Sitzung des Präsidiums der Bundessynode am 26.4.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 40], S. 2). Die Wahl der Synodalen für die neue Bundessynode erfolgte zusammen mit der Beschlussfassung über die Vorlagen, wobei die Synodalen – da der Ausgang des gesamten Abstimmungsprozesses noch offen war – nach altem und nach neuem Modus gewählt wurden. 4 Da das Beschlussverfahren nur dann sinnvoll war, wenn alle Synoden denselben Vorlagen zustimmten, war eine Veränderung oder Ergänzung der Vorlagen – abgesehen von der besonderen Zuständigkeit der Bundessynode für das Änderungsgesetz – im Zuge des Beschlussverfahrens nicht mehr möglich.

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Vorbereitung und Scheitern einer „VEK in der DDR“

Tage förderten, standen am Ende – wie auf der Bundessynode 1981 in Güstrow eingestanden wurde – „Texte voller Kompromisse“.5 Zum Teil waren diese Probleme durch das von der Delegiertenversammlung im Interesse der Rechtskontinuität empfohlene Verfahren einer „schrittweisen Veränderung der Bundesordnung“ (V 2.2) selbst verursacht. Obwohl die Eisenacher Empfehlungen eigentlich nur vier Schritte kannten, von denen drei die Vorbereitung der Beschlussvorlagen und lediglich ein Schritt die Bildung des neuen Zusammenschlusses umfassten (VI), wurde im Nachhinein das dort mehrfach genannte „schrittweise“ Vorgehen im Sinne eines längeren, sich aus mehreren Schritten zusammensetzenden Übergangsprozesses verstanden. Dieses Verständnis schien zwar die von Anfang an vorhandene Vorstellung eines prozesshaften Aufeinander-Zugehens besonders deutlich zum Ausdruck zu bringen und vorhandenen Befürchtungen eines übereilten Vorgehens zu wehren, stand jedoch ihrerseits in der Gefahr, die Bildung der neuen Gemeinschaft in ein zeitliches Nacheinander aufzulösen, ohne den Sachzusammenhang der einzelnen Schritte untereinander hinreichend zur Geltung zu bringen. Eine Beachtung dieses Zusammenhanges, das heißt: der jeweils notwendigen Voraussetzungen und Konsequenzen, war für das angestrebte Verfahren jedoch wesentlich, da nicht ein schrittweiser Neubau, sondern ein schrittweiser Umbau geplant war, bei dem auf der einen Seite das Neue unmittelbar funktionstüchtig sein musste, ohne auf der anderen Seite die Handlungsfähigkeit der drei bestehenden Zusammenschlüsse als Träger des Gesamtprozesses einzuschränken. Mit diesem in Eisenach nicht diskutierten verfahrenstechnischen Problem verbanden sich unterschiedliche Erwartungen an die neue Gemeinschaft, die wiederum zu unterschiedlichen Vorstellungen nicht nur hinsichtlich des ohnehin immer weiter sich entfernenden Endzieles, sondern auch hinsichtlich des Weges und seiner Gestaltung führten. Zwar waren sich alle Landeskirchen und Zusammenschlüsse im Prinzip einig, dass die neue Gemeinschaft zu einer gesamtkirchlichen Wahrnehmung der Gemeinschaftsaufgaben, zu einer Strukturvereinfachung und zu einer neu zu formulierenden gemeinsamen theologischen Grundlegung führen müsse, die Akzente zwischen diesen einzelnen Bereichen wurden jedoch unterschiedlich gesetzt. Während die EKU und ihre Gliedkirchen den eigentlichen Schwerpunkt im Bereich der Kompetenzbündelung sahen, ging es den lutherischen Kirchen vor allem um vereinfachende und Kosten sparende Veränderungen in der gesamtkirchlichen Struktur. Wohl waren sich beide hinsichtlich der Notwendigkeit und Bedeutung einer theologischen Grund5 5. Tagung der 3. Synode des BEK, 18.–22.9.1981: M. Kramer: Zur Gemeinsamen Entschließung, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 5. Tagung der 3. Bundessynode in Güstrow), S. 1.

Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

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legung einig, hinsichtlich der Dringlichkeit, mit der die theologischen Grundlagen der neuen Gemeinschaft zu bestimmen waren, bestanden jedoch wiederum Unterschiede. Das Anliegen der Kompetenzbündelung und gemeinsamen Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben wurde von der EKU und ihren Gliedkirchen unter dem Stichwort der „Verbindlichkeit“ zur Sprache gebracht und nicht nur für die neue Gemeinschaft, sondern bereits für den Weg dorthin, der damit als kontrollierter Prozess stetig wachsender „Verbindlichkeit“ erschien, eingefordert. Als unabdingbares Minimum erschien dabei die in der EKU bereits vorhandene „Verbindlichkeit“, sodass die EKUKirchen angesichts der im Entwurf zur Diskussion gestellten Beschlussvorlagen zum einen erklärten, dass „die in der EKU vorhandene Dichte ihrer Gemeinschaft . . . durch die geplanten Veränderungen nicht gemindert werden“ dürfe, und zum anderen einforderten, dass „die Verbindlichkeit der Gemeinschaft, die in der gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben ihren Ausdruck findet“, in den Beschlusstexten deutlicher zum Ausdruck kommen müsse.6 Im Interesse dieser stetig wachsenden Verbindlichkeit verlangten sie weiterhin, nach dem in der Gemeinsamen Entschließung vorgesehenen ersten Schritt – der Aufgabenübertragung an den Bund und der veränderten Zusammensetzung der Bundessynode entsprechend dem Änderungsgesetz – erst einmal innezuhalten, dessen Erfolg abzuwarten und zu überprüfen, ob und inwiefern dieser Schritt zu einem Mehr an Verbindlichkeit geführt habe.7 Ein solches Innehalten war aus EKU-Sicht 6 5. Synode der EKU – Bereich DDR – außerordentliche Tagung vom 23. bis 24.5.1981 (M. Becker): Beschluss, 24.5.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 2; vgl. Stellungnahme der Provinzialsynode der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes zur „Gemeinsamen Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft“ und zum „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 1; R. Koopmann: Stellungnahme der Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zu den Vorschlägen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die schrittweise Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft unter den Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüssen in der DDR, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 1. 7 Stellungnahme der Ev. Landeskirche Greifswald vom 16.11.1980 (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 1; Präses (G. Kootz): Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche Anhalts zur „Gemeinsamen Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft“, 24.4.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 1; Stellungnahme der Provinzialsynode der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes zur „Gemeinsamen Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft“ und zum „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 1; Beschluss der 5. Synode der EKU – Bereich DDR (vgl. Anm. 6), S. 2; vgl. R. Koopmann: Stellungnahme der Synode der Ev. Kirche in BerlinBrandenburg zu den Vorschlägen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die schrittweise Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft unter den Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüssen in der DDR, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 3. – In

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Vorbereitung und Scheitern einer „VEK in der DDR“

insofern möglich, als in der Perspektive der meisten EKU-Kirchen jeder Schritt seinen Wert in sich besaß und deshalb auch unabhängig von eventuellen Folgeschritten betrachtet und überprüft werden konnte. Für diese Überprüfungsphase zwischen dem ersten Schritt der Aufgabenübertragung und dem zweiten Schritt der Strukturvereinfachung veranschlagte die EKUSynode einen Zeitraum von zwei Jahren.8 Dabei schloss die Forderung nach Überprüfung des jeweils Erreichten in jeder Überprüfungsphase die Entscheidungsfreiheit ein, je nach Ergebnis der Überprüfung den Prozess zu korrigieren oder abzubrechen.9 Mitunter wurde auch die Möglichkeit eingefordert, bei seinem völligen Scheitern ohne Verluste zur Ausgangslage zurückkehren zu können.10 Dieses Konzept der isolierten Schritte11 signalisierte nicht nur eine deutliche Zurückhaltung gegenüber dem in Eisenach formulierten Endziel, sondern war auch deshalb problematisch, weil mit der Trennung des ersten und des zweiten Schrittes auch die Übertragung der Aufgaben und die Bildung jener Organe, die diese Aufgaben wahrnehmen sollten, voneinander getrennt wurden. Bis zur Inangriffnahme des zweiten Schrittes waren damit Übergangslösungen notwendig, was wiederum zur Folge hatte, dass nach dem ersten Schritt auch nur der Erfolg einer Übergangslösung überprüft werden konnte. Eine Umkehrung der Schrittfolge als eine mögliche Lösung dieses auf beiden Seiten bewussten Problems – zuerst eine Zusammenführung der Organe, die dann ihre jeweiligen Aufgaben in das gemein-

diesem Sinne bereits der Beschluss des Rates der EKU zu Eisenacher Empfehlungen III–V vom 5.3.1980 (siehe oben S. 297–299). 8 Beschluss der 5. Synode der EKU (vgl. Anm. 6), S. 6. 9 E. Völz an Oberkonsistorialrat M. Stolpe: 26.8.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 2; vgl. H.-M. Harder/M. Stolpe: Niederschrift über die Gemeinsame Beratung der Untergruppe I und II am 9.7.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 1 (E. Völz). 10 Vgl. EBD. (E. Natho). – Für das immer wieder zum Ausdruck kommende Streben nach vorheriger Absicherung wurde, wie Demke vor der Bundessynode in Leipzig erklärte, das Bonmot geprägt: „Wir wollen das wohlgelungene Omelett sehen, bevor wir das Ei dafür zerbrechen“ (4. Tagung der 3. Synode des BEK, 19.–23.9.1980 in Leipzig, Vorlage-Nr. 13: Ch. Demke, Sachstandsbericht Eisenacher Delegiertenversammlung, undatiert [INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 4. Tagung der 3. Bundessynode in Leipzig], S. 6). 11 Aufgrund der Tagungstermine der Synoden wurde diese Theorie zuerst von der Greifswalder Synode, die noch im November 1980 zusammentrat, in ihrer Stellungnahme zu den Entwürfen der GVG vorgetragen (Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche Greifswald vom 16.11.1980 [PRIVATARCHIV ZEDDIES], S. 1) und dann von Anhalt und Görlitz sowie der EKU-Synode übernommen. Ihre deutlichste Ausprägung erhielt das Konzept der isolierten Schritte im Entwurf des Rates der EKU für einen Mantelbeschluss zur Annahme der Gemeinsamen Entschließung durch die EKU-Synode (Anlage zur Niederschrift über die 101. [außerordentliche] Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – vom 4.12.1981: 5. Synode der EKU – Bereich DDR – a.o. Tagung 4./5.12.1981, Entwurf [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 111], S. 1).

Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

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same Organ hätten einbringen oder im Rahmen einer Sektionenlösung zumindest in Abstimmung mit der anderen Sektion hätten erledigen können – wurde zu keinem Zeitpunkt diskutiert, obwohl sie eigentlich der lutherischen Anregung zur Delegiertenversammlung eher entsprach. Die lutherischen Kirchen lehnten das Konzept der isolierten Schritte, das die wichtigen Komplexe der Strukturvereinfachung und der Klärung der Bekenntnisgrundlagen in eine ferne und unbestimmte Zukunft verlagerte, mehr oder weniger deutlich ab. Im Gegensatz zur Betonung der einzelnen Schritte innerhalb der EKU – insbesondere des ersten – hoben sie das zielgerichtete Vorgehen hervor, bei dem jeder Schritt nicht seinen Wert in sich habe, sondern seinen Sinn erst durch das Gesamtziel gewinne.12 Anders als die EKU und ihre Kirchen, die konkrete Terminierungen in der Regel ablehnten, legte die VELK deshalb Wert auf ein zügiges Vorgehen mit klaren terminlichen Vorgaben, worin sie mit der Intention der Bundessynode übereinstimmte. Da ein solches zielgerichtetes Vorgehen ein klar umrissenes Ziel voraussetzte, wurde von lutherischer Seite wie von der Bundessynode13 nicht nur an dem ursprünglichen Ziel einer Zusammenführung der drei Zusammenschlüsse ausdrücklich festgehalten und die Notwendigkeit betont, „daß sich EKU und VELKDDR in die verbindlichere Gemeinschaft hinein auflösen“,14 sondern es auch für erforderlich gehalten, „daß sowohl über das genannte Ziel der Zusammenführung der Zusammenschlüsse wie über die zu seiner Verwirklichung erforderlichen Schritte konkrete und verbindliche Vereinbarungen getroffen“ würden.15 Der Betonung der „Verbindlichkeit“ in der neuen Gemeinschaft seitens der EKU stellten sie dabei die Betonung des föderativen Charakters dieser Gemeinschaft an die Seite. Zwar wurde dieses betonte Miteinander von Verbindlichkeit einerseits und Föderalität andererseits zumindest im Prinzip allgemein akzeptiert, bei der Frage, worin dieser föderative Charakter der angestrebten Gemeinschaft konkret zum Ausdruck komme, wurden jedoch weitere Gegensätze deutlich, die schließlich zu den ent12 Vgl. E. Brinkel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der VELK DDR, 16.1.1981, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 375), S. 3. 13 Der Präses der Synode des BEK (S. Wahrmann): Beschluss der Synode zum Antrag des Rechtsausschusses zur „Verbindlicheren Gemeinschaft“ vom 23.9.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 3. 14 Stellungnahme der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen zum Entwurf einer „Gemeinsamen Entschließung“ vom März 1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 2; vgl. Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR zu den Vorlagen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 27.6.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 1, 4; H. Geisler/M. Huhn: Stellungnahme der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zum Entwurf der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für eine „Gemeinsame Entschließung“ und dem Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für ein „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes“, 24.3.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 2. 15 Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR (vgl. Anm. 14), S. 1.

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schiedensten Kontroversen des VEK-Prozesses überhaupt führten. Während sich aus lutherischer Sicht Verbindlichkeit und Föderalität jeweils gegenseitig begrenzten,16 sodass Föderalität als Kennzeichen der neuen Gemeinschaft vor allem eine Schutzfunktion vor übersteigerter Verbindlichkeit bzw. zentralistischen Tendenzen bildete und im Kern die Wahrung der Eigenständigkeit der Landeskirchen beinhaltete, brachten vor allem die kleinen EKU-Kirchen Föderalität als strukturelle Präzisierung von Verbindlichkeit zur Sprache. Unter dem Stichwort der Gleichberechtigung verstanden sie Föderalität nicht mehr als Schutz der Gliedkirchen vor einer übermächtigen Gesamtkirche, sondern als Garantie für die kleinen Gliedkirchen, an der Gestaltung dieser größeren Gemeinschaft hinreichend beteiligt zu werden.17 Angesichts dieser freilich erst nach und nach zum Ausdruck kommenden divergierenden Konzepte war die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe gezwungen, bei der Vorbereitung der Gemeinsamen Entschließung als „Fahrplanbeschluß“ einen konsensfähigen Kompromiss zu finden zwischen dem Konzept der isolierten Schritte und dem eines zielgerichteten Vorgehens. Dieser Kompromiss ging vor allem zu Lasten des zweiten Schrittes, der in eine fernere Zukunft verschoben wurde und dessen Beschreibung über allgemeine Absichtserklärungen kaum hinausgelangte. Das Änderungsgesetz zur Bundesordnung wiederum musste die Kompetenzen des Bundes so erweitern und seine Struktur dahingehend verändern, dass einerseits ein Mehr an Verbindlichkeit möglich und eine Beteiligung aller Gliedkirchen an ihrer Gestaltung gewährleistet schien, andererseits jedoch weder die Eigenständigkeit der Gliedkirchen beeinträchtigt noch der zwischen ihnen bestehende quantitative Unterschied vernachlässigt wurde. Die Probleme, die dabei zu Tage traten und nur mit Mühe ausgeräumt werden konnten, stellten zwar die Durchführbarkeit des VEK-Prozesses erst einmal nicht in Frage, ließen jedoch Zweifel daran aufkommen, ob dies wirklich der Weg zu einer „einfachen Kirche“ sei, „einmütig in ihrem Zeugnis . . ., glaubwürdig in ihrem Dienst . . ., durchschaubar in ihrer Gestalt“.

16 Vgl. u. a. Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens: Überlegungen zu föderativer Gemeinschaft (Anlage I zum Beschluß der Synode zu Fragen des gesamtkirchlichen Zusammenschlusses), März 1980 (PRIVATARCHIV BÖTTCHER; abgedruckt in: epd Dokumentation 19/1980, S. 44). 17 Exemplarisch wurde diese Sicht von der Görlitzer Synode in ihrem Beschluss zu den Eisenacher Empfehlungen sowie zum Zwischenbericht der GVG zum Ausdruck gebracht: „Zum föderativen Charakter gehört, daß in der Leitungsstruktur des Zusammenschlusses das Vorhandensein von acht gleichberechtigten Gliedkirchen zu berücksichtigen ist. Nur so können die in der Vielfalt vorhandenen Aktivitäten, geistlichen Erfahrungen und Traditionen unter Wahrung der eigenen Identität in die neue Gemeinschaft eingebracht werden und zur Wirkung kommen“ (Beschluss der Provinzialsynode Görlitz vom 21.4.1980 zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 2).

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6.1.2. Die „Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft“ Die als „Fahrplanbeschluß“ gedachte „Gemeinsame Entschließung“ vom September 1981 beschrieb zusammen mit einer Präambel in fünf Artikeln „Grundlagen und Ziel“ der Bildung einer neuen Gemeinschaft (Artikel 1), den dabei einzuschlagenden „Weg“ (Artikel 2), die trotz der geplanten Veränderungen weiterhin fortzuführende „besondere Gemeinschaft“ (Artikel 3), die „Durchführung“ der in der Entschließung getroffenen Festlegungen (Artikel 4) sowie das „Inkrafttreten“ der Entschließung selbst (Artikel 5). Der erste Entwurf dieses „Fahrplanbeschlusses“ stammte von Stolpe, der in Aufnahme der bis dahin in der Untergruppe I (Aufgaben) angestellten Überlegungen eine Ideenskizze für einen „Beschluß zur schrittweisen Verwirklichung einer dichteren Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen in der DDR“ formuliert18 und Anfang April an K. Domsch, W. Krusche, A. Schönherr, H. Zeddies und die Mitglieder der AGK mit der Bitte um Durchsicht und Übermittlung von Änderungsvorschlägen gesandt hatte.19 Eine ausführliche Reaktion erhielt er allerdings nur von Zeddies, der einige Bemerkungen sowie einen ausgeführten Überarbeitungsvorschlag übermittelte.20 Die darin enthaltenen Korrekturen und Vorschläge übernahm Stolpe wiederum in seinen Vorentwurf für einen „Beschluß zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen in der DDR“ vom 22. April 1980,21 der die Grundlage für den in der Untergruppe I der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 28. Mai erarbeiteten 1. Entwurf bildete.22 Dieser 1. Entwurf wurde auf der 5. Sitzung der GVG am 29. Mai 1980 eingehend erörtert, wobei sich die Notwendigkeit einer neuerlichen Überarbeitung abzeichnete, die den Untergruppen I (Aufgaben) und II (Struktur) gemeinsam übertragen wurde.23 Auf deren Zusammenkunft am 9. Juli wurde nach ausführlicher Diskussion wiederum Stolpe beauftragt, einen entsprechend überarbeiteten Entwurf bis zur nächsten gemeinsamen Sitzung der beiden Unter18 M. Stolpe: Ideenskizze. Beschluß zur schrittweisen Verwirklichung einer dichteren Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen in der DDR, undatiert (PRIVATARCHIV ZEDDIES). 19 Vgl. M. Stolpe: Handschriftliche Mitteilung an Zeddies, 2.4.1980 (EBD.). 20 H. Zeddies: Schreiben an Stolpe vom 10.4.1980 (EBD.); Ders.: Überarbeitungsvorschlag zur Ideenskizze. Beschluß zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen in der DDR, 10.4.1980 (EBD.). 21 Sekretariat des BEK: Beschluß zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen in der DDR (1. Entwurf), 22.4.1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 97). 22 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, Vorlage der Untergruppe I: Beschluß zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft der Landeskirchen in der DDR (1. Entwurf), 29.5.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 23 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 8 f.

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gruppen am 8. September vorzulegen.24 Dieser 2. Entwurf25 wurde dann nur noch einmal redaktionell überarbeitet und als „überarbeiteter 2. Entwurf“ auf der 6. Sitzung der GVG am 9. September 1980 zur Aussprache gestellt.26 Dort erfuhr der Text eine erneute Veränderung, um schließlich in seiner vorläufigen Endgestalt (Diskussionsentwurf) von der GVG festgestellt zu werden. Dieser Diskussionsentwurf wurde mit Zustimmung der KKL27 der vom 19. bis 23. September 1980 in Leipzig tagenden Bundessynode vorgelegt28 sowie am 29. September den anderen beiden Zusammenschlüssen sowie deren Gliedkirchen mit der Bitte um Diskussion und Stellungnahme übermittelt. Dabei sollte aus den erbetenen Stellungnahmen hervorgehen, wie weit sich die betreffende „Kirche in der Lage sieht, der Gemeinsamen Entschließung zuzustimmen und welche Ausgestaltung des Entschließungstextes für erforderlich bzw. wünschenswert angesehen“ werde.29 Die betreffenden Synoden votierten auf ihren Herbst- bzw. Frühjahrstagungen (die EKU-Synode auf einer außerordentlichen Tagung)30 in der Regel aufgrund von Vorlagen der bereits im Zusammenhang der Eisenacher Empfehlungen eingesetzten Ad-hoc-Ausschüsse. Mit dem Votum der Lutherischen Generalsynode Ende Juni 1981, das direkt auf das vorangegangene Votum der EKU-Synode reagierte, war der Meinungsbildungsprozess beendet und wurde daraufhin in der GVG am 1./2. Juli 1981 abschließend beraten. Auf dieser Grundlage erstellte eine Redaktionsgruppe während der Zusammenkunft der GVG am 10./11. August eine überarbeitete Fassung 24 H.-M. Harder/M. Stolpe: Niederschrift über die Gemeinsame Beratung der Untergruppen I und II am 9.7.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 4. 25 Vorlage zur Beratung der Untergruppen I und II am 8.9.1980: Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft (2. Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19). 26 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, Vorlage der Untergruppen I und II: Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft (überarbeiteter 2. Entwurf), 9.9.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19). 27 A. Schönherr/M. Stolpe/K. v. Rabenau: Protokoll der 69. Tagung der KKL am 12. und 13.9.1980 in Berlin, Auguststraße 80, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 108), S. 8. 28 4. Tagung der 3. Synode des BEK, 19.–23.9.1980, Vorlage Nr. 12: Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 4. Tagung der 3. Bundessynode in Leipzig). 29 Demke an die Gliedkirchen des Bundes/die EKU – Bereich DDR/die VELKD DDR/ die Ev. Brüder-Unität: Betr. Beschlußvorschläge der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 29.9.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 30 4. Tagung der 3. Synode des BEK: 19.–23.9.1980 in Leipzig; Synode der Ev. Landeskirche Greifswald: 14.–16.11.1980 in Züssow; Synode der Ev.-Luth. Kirche Mecklenburgs: 19.–22.3.1981 in Schwerin; Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens: 21.–25.3.1981 in Dresden; Synode der Ev. Landeskirche Anhalts: 24.–26.4.1981 in Dessau; Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Thüringens: 26.–29.3.1981 in Eisenach; Synode der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes: 27.–30.3.1981 in Görlitz; Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg: 24.–28.4.1981 in Berlin (Ost); Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen: 27.–29.4.1981 in Magdeburg; 1. außerordentliche Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR: 23.–24.5.1981 in Berlin (Ost); 3. Tagung der 3. Generalsynode der VELK DDR: 25.– 28.6.1981 in Gera-Lusan.

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der Gemeinsamen Entschließung,31 die nach nochmaliger Korrektur am 2./3. September32 von den Leitungsgremien der drei Zusammenschlüsse auf einer gemeinsamen Tagung am 10. September 1981 in ihrer Endfassung – jeweils einstimmig – festgestellt wurde.33

Der für diesen Beschlusstext gewählte Titel „Gemeinsame Entschließung“ anstelle der ebenfalls diskutierten Bezeichnungen „Vertrag“ bzw. „Vereinbarung“ sollte zum einen deutlich machen, dass es sich bei diesem Beschluss nicht nur um eine „bloße Willensbekundung“ handele, zum anderen aber auch dem Missverständnis wehren, als folgten aus ihm bereits Rechtsänderungen.34 Die im Titel weiterhin vorgenommene Beschreibung des Zieles als einer „verbindlichen föderativen Gemeinschaft“ stellte die beiden entscheidenden, in der zurückliegenden Diskussion zum Teil gegeneinander ausgespielten Strukturmerkmale der angestrebten Gemeinschaft – Verbindlichkeit einerseits und Föderalität andererseits – betont gleichberechtigt nebeneinander. Die Präambel der Gemeinsamen Entschließung beschränkte sich in ihrer Endfassung auf die knappe Aussage,35 dass sich die im Einzelnen namentlich genannten Kirchen „zur Bildung einer föderativen Gemeinschaft mit stärkerer Verbindlichkeit und zu ihrer Verwirklichung in den nachstehend beschriebenen Schritten“ verpflichten. Artikel 1 entfaltete und begründete das von den in der Präambel genannten Kirchen gemeinsam angestrebte Ziel einer „föderativen Gemeinschaft mit stärkerer Verbindlichkeit“. Er setzte dazu bei der unter ihnen bereits erreichten Gemeinschaft an, beschrieb diese bestehende Gemeinschaft, in der entsprechend der Einsicht der Züssower Synode gemeinsames Kirchesein erfahren werde, in vierfacher Hinsicht,36 um daraus die Ver31 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 12. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 10./11.8.1981 in Potsdam, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 5 f. 32 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 13. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 2./3.9.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 3 ff. 33 A. Schönherr/M. Stolpe/E. Natho/J. Rogge/H. Rathke/H. Zeddies/Ch. Demke: Niederschrift über die außerordentliche gemeinsame Tagung der KKL, des Rates der EKU und der Kirchenleitung der VELK DDR am 10.9.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 2; Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft . . ., 10.9.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 21 – siehe unten Dok. 16). 34 Vgl. 5. Tagung der 3. Synode des BEK, 18.–22.9.1981: M. Kramer, Zur Gemeinsamen Entschließung, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 5. Tagung der 3. Bundessynode in Güstrow), S. 4 f. 35 In den ersten Fassungen hatte sie noch mit einem feierlich gehaltenen Eingangsteil begonnen (Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, Vorlage der Untergruppe I [vgl. Anm. 22], S. 1; H.-M. Harder/M. Stolpe: Niederschrift [vgl. Anm. 24], S. 3). 36 Ihren Ausdruck finde diese bereits bestehende „Gemeinschaft in – der Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst, die sich in Predigt und Unterweisung, in Seelsorge

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pflichtung „zur Vertiefung der Gemeinschaft kirchlichen Lebens in dessen vielfältigen Bereichen und auf allen Ebenen“ zu folgern. Angesichts dieser Verpflichtung erklärten die genannten Kirchen ihre Bereitschaft, „innerhalb eines Zeitraumes von etwa sechs Jahren auf eine neue Gestalt ihrer Gemeinschaft zuzugehen, die – Kirche als Gemeinschaft von Kirchen ist; – in ihrem Selbstverständnis gekennzeichnet ist durch Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung, durch Wahrung der Bekenntnisbestimmtheit bei gegenseitigem Hören auf die unterschiedlichen Bekenntnisse sowie durch Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit der Gliedkirchen; – den Gemeinden und Christen Hilfen gibt, in Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung und diakonischem Handeln dem Auftrag Jesu Christi zu entsprechen; – verbindliche Zusammenarbeit bei den gegenwärtig wahrgenommenen und künftig wahrzunehmenden Aufgaben von Zeugnis und Dienst unter Berücksichtigung des föderativen Charakters unabdingbar macht.“37 Der Ansatz dieser Zielbeschreibung bei den bereits erreichten Gemeinsamkeiten sollte verdeutlichen, „daß unsere Kirchen nicht erst mit den Eisenacher Empfehlungen begonnen haben, auf das Ziel einer neuen Gestalt der Gemeinschaft zuzugehen, sondern daß sie zu diesem Weg schon durch die in die Gründung des Bundes eingebrachten und in der Arbeit des Bundes noch vertieften Erfahrungen bereits geschenkter Gemeinschaft bewogen, aber auch verpflichtet sind“.38 Ihr Inhalt, der im Kern auf den von Stolpe formulierten und von Zeddies ergänzten Vorentwurf zurückging, fasste den Ertrag der bis dahin geführten Diskussion zusammen, wobei nicht nur der ekklesiale Charakter des neuen Zusammenschlusses benannt (Punkt 1) und erläutert (Punkt 2),39 sondern auch festgehalten wurde, dass und Diakonie sowie in der Verantwortung für Ökumene und Gesellschaft vollzieht; – der Zustimmung aller Gliedkirchen zur Leuenberger Konkordie; – der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft unter Einschluß der wechselseitig erklärten Interzelebration; – den Ergebnissen der theologischen Lehrgespräche über die Grundlagen der Verkündigung“ (Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft, 10.9.1981 [EZA BERLIN, 101, Nr. 21], S. 1 f.). 37 EBD., S. 2. 38 4. Tagung der 3. Synode des BEK, 19.–23.9.1980 in Leipzig, Vorlage-Nr. 13: Ch. Demke, Sachstandsbericht Eisenacher Delegiertenversammlung, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 4. Tagung der 3. Bundessynode in Leipzig), S. 9. 39 Dieser direkte Bezug von Punkt 1 und 2 wurde erst in der Endfassung hergestellt. Im Diskussionsentwurf stand Punkt 2 noch an letzter Stelle (vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 12. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 10./11.8.1981 in Potsdam, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 21], S. 5).

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dieser neue Zusammenschluss nicht Selbstzweck, sondern als Hilfe für die Gemeinden und Christen gedacht sei (Punkt 3). Neu war die Beschreibung des ekklesialen Charakters der angestrebten Gemeinschaft mit der Formel „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“, mit der die Gemeinsame Entschließung der fruchtlosen Alternative „Kirchenbund“ oder „Bundeskirche“, von der noch der Zwischenbericht der GVG gesprochen hatte, zu entgehen versuchte. Während in der EKD-Grundordnungsdebatte Kirchesein einerseits und die Existenz als Gemeinschaft von Kirchen andererseits als Gegensätze empfunden und diskutiert worden waren, war in der DDR-Diskussion stets das Miteinander beider Aspekte betont worden. Auch die VEK sollte nach den Eisenacher Empfehlungen zwar in theologischer Hinsicht eine Kirche sein, jedoch in struktureller Hinsicht eine Gemeinschaft von Kirchen bleiben. Während diese unterschiedlichen Aspekte bis 1978 vor allem der Sache nach dargestellt worden waren, begegnete die Formulierung „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“ in diesem Jahr erstmalig im Vorbereitungsmaterial für die Delegiertenversammlung, das damit eine in der ökumenischen Diskussion zwar bereits geläufige Vorstellung aufgriff (H. Zeddies),40 jedoch ohne dass diese Formulierung von der Delegiertenversammlung übernommen wurde oder in der Zeit danach eine Rolle spielte. Nachdem der Zwischenbericht von einer „als Kirche verstandenen Gemeinschaft der Gliedkirchen“ gesprochen hatte (I 2), wurde die Formel „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“ nicht zuletzt durch die betonte Aufnahme dieser Wendung in den Beschluss der Lutherischen Generalsynode vom 8. Juni 198041 vorerst zur festen Formel für den besonderen Charakter der neuen Gemeinschaft. Erst bei der späteren Formulierung der Grundartikel entschied man sich, weil theologisch klarer, für die Bezeichnung „Kirche“.42

Nachdem Artikel 1 der Gemeinsamen Entschließung das in der Präambel genannte Ziel näher umrissen hatte, skizzierte Artikel 2, der den Hauptteil der Entschließung bildete, den Weg, auf dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Dieser Weg wurde dabei als Abfolge von zwei Schritten dargestellt, von denen der erste den Bereich der Aufgabenübertragung (1) und der zweite den der Strukturvereinfachung einschließlich der theologischen Grundlegung umfasste (2). Der erste Abschnitt zur Aufgabenübertragung benannte eingangs (1.1) noch einmal die Vorgehensweise bei der Umsetzung der im folgenden getroffenen Festlegungen: Die Ordnung des Bundes werde so geändert, „daß sie in der Beschreibung der Aufgaben und der Ausgestaltung der Organe und ihrer Arbeitsweise den Anforderungen der neuen Gemeinschaft besser“ entspreche, wobei „das Bekenntnis der Kirchen und Gemeinden“ 40 Siehe oben S. 204. 41 Siehe oben S. 351. 42 Siehe unten S. 441 f.

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sowie „die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Gliedkirchen“ zu berücksichtigen und „auf die Verbindlichkeit in der föderativen Gemeinschaft zu achten“ sei. Weiterhin sei „bei der Ausformung der Ordnung . . . die unterschiedliche Größe der Gliedkirchen so zu berücksichtigen, daß quantitative Gesichtspunkte zwar bedacht, aber nicht zum allein ausschlaggebenden Maßstab gemacht werden“.43 Die Zusammenstellung der bei der Änderung der Bundesordnung zu bedenkenden Punkte ging im Kern auf Zeddies zurück, der an dieser Stelle jene Faktoren zur Sprache bringen wollte, „die mehr als manch andere blockierend wirken, ohne bisher wirklich auf den Tisch gekommen zu sein“.44 Als besonders brisant erwies sich dabei die bereits in Eisenach geforderte45 und in den Zwischenbericht als Übereinstimmung in der Tendenz übernommene Berücksichtigung der Größe der Landeskirchen. Angesichts der Aussage im Diskussionsentwurf der Entschließung, dass die unterschiedliche Größe der Landeskirchen zu bedenken sei, befürchteten die kleinen Landeskirchen (die sämtlich zur EKU gehörten), als Folge dieses Bedenkens im Vergleich zu den großen Kirchen an der Gestaltung der neuen Gemeinschaft nicht hinreichend beteiligt zu werden, und fanden diese Furcht im Diskussionsentwurf des Änderungsgesetzes bestätigt.46 Um den daraufhin von ihnen erhobenen Einspruch aufzunehmen, schlug die EKU-Synode in Anlehnung an eine Formulierung des Greifswalder Votums47 eine Präzisierung dessen vor, wie die unterschiedliche Größe konkret zu bedenken sei: „Bei der Ausformung der Ordnung“ sei „die unterschiedliche Größe so zu berücksichtigen, daß quantitative Gesichtspunkte zwar bedacht, aber nicht zum ausschlaggebenden Maßstab gemacht“ würden.48 Dem setzte wiederum die Lutherische Generalsynode, der dieser Punkt ebenfalls besonders wichtig war, entgegen, „daß die Größe der Gliedkirchen ein wesentlicher Maßstab für die Zusammensetzung der Organe, insbesondere der Synode“ sei, und schlug dementsprechend die dann auch in die Endfassung übernommene Formulierung vor, dass „quantitative Gesichtspunkte zwar bedacht, aber nicht zum allein ausschlaggebenden Maßstab gemacht werden“ sollten.49

Auf der Grundlage dieser so veränderten Bundesordnung (vgl. Änderungsgesetz) sollte der Bund „die Gesetzgebung im Dienst- und sonstigen Mitarbeiterrecht, im Besoldungs-, Vergütungs- und Versorgungsrecht, zu 43 44 45 46 47

Gemeinsame Entschließung (vgl. Anm. 36), S. 3. H. Zeddies: Schreiben an Stolpe vom 10.4.1980 (PRIVATARCHIV ZEDDIES). Vgl. die Problemskizze von E. Völz und Artikel V 3.1 der Empfehlungen. Siehe unten S. 403. Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche Greifswald vom 16.11.1980 (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 5. 48 5. Synode der EKU – Bereich DDR – außerordentliche Tagung vom 23. bis 24.5.1981 (M. Becker): Beschluss, 24.5.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 4 f. 49 Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR zu den Vorlagen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 27.6.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 2 (Hervorhebung vom Verf.).

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Grundfragen der Ausbildung, zu Grundlagen der Kirchensteuer sowie gesamtkirchliche Beschlußfassungen für die Ordnungen der Gottesdienste und anderer kirchlicher Handlungen, für die kirchliche Lebensordnung, zur Herausgabe von Gesangbüchern und zur Autorisierung von Bibelübersetzungen“ wahrnehmen, während EKU und VELK „sowie deren Gliedkirchen . . . auf eigene Gesetzgebungsmaßnahmen und neue Festlegungen in diesen Sachgebieten“ verzichten (1.2). Für EKU, VELK „sowie deren Gliedkirchen“50 sollte lediglich dann die Möglichkeit bestehen, „Kirchengesetze oder Verordnungen auf Sachgebieten“ zu erlassen, für die nach Inkrafttreten der Gemeinsamen Entschließung und des Änderungsgesetzes „die Organe des Bundes eine Rechtsetzungskompetenz haben“, wenn der Bund keinen „Auftrag zur Vorbereitung einer Regelung dieses Sachgebietes für alle Gliedkirchen des Bundes erteilt“ habe oder „nach Feststellung der Konferenz eine solche Regelung durch die Organe des Bundes innerhalb von zwei Jahren nicht erwartet werden kann oder ein Aufschub der Regelung schwerwiegende Folgen hätte“ (1.3).51 Vor ihrem Inkrafttreten waren solche Regelungen jedoch dem Bund zuzuleiten, der seinerseits wiederum „Änderungen erbitten“ konnte, „wenn durch die beabsichtigte Regelung eine bereits bestehende Übereinstimmung aufgehoben, eine Rechtseinheit auf dem von der Regelung betroffenen Gebiet zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen oder eine spätere einheitliche Regelung erheblich erschwert würde“ (1.4). Um zu einer größeren Übereinstimmung in den Ordnungen zu gelangen, wurde darüber hinaus vorgesehen, dass EKU, VELK und deren Gliedkirchen auch Rechtsetzungsvorhaben in jenen Bereichen, in denen die Kompetenz weiterhin bei ihnen selbst lag, dem Bund mitteilen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben (1.5). Ebenso sollten Rat der EKU und Lutherische Kirchenleitung „ihre verbleibenden Aufgaben in Abstimmung mit der Konferenz“ durchführen (1.6). Der zweite Abschnitt des zweiten Artikels beschrieb als zweiten Schritt zu einer neuen Gestalt der Gemeinschaft die Zusammenführung der Organe der drei Zusammenschlüsse, wobei seine Beschreibung im Vergleich zum ersten Schritt deutlich unkonkreter ausfiel. Der erste Absatz regelte die Abfolge beider Schritte und vertrat dabei – in etwas abgemilderter Form – das von der EKU eingeforderte Konzept 50 Diese erst relativ spät eingefügte Ergänzung betraf lediglich die lutherischen Landeskirchen, da innerhalb der VELK – anders als in der EKU – die Zuständigkeiten für das Mitarbeiterrecht, das Besoldungs-, Vergütungs- und Versorgungsrecht, für die Gesetzgebung zu Grundfragen der Ausbildung und zu Grundlagen des Kirchensteuerwesens bei den Landeskirchen lagen (vgl. B. Winkel: Stellungnahme über verfassungsrechtliche Fragen zum Entwurf einer Gemeinsamen Entschließung [GE] und zum Entwurf eines Kirchengesetzes zur Änderung der Bundesordnung [KG], undatiert [PRIVATARCHIV ZEDDIES], S. 1). 51 Gemeinsame Entschließung (vgl. Anm. 36), S. 3 f.

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eigenständiger, aufeinander aufbauender und in ihrem Erfolg jeweils zu überprüfender Schritte (2.1). Zwar sollte dieser zweite Schritt bereits nach dem Inkrafttreten der Gemeinsamen Entschließung vorbereitet werden,52 seine „rechtliche Verwirklichung“ setzte jedoch nach den Festlegungen dieses Absatzes voraus, „daß eine Überprüfung des ersten Schrittes gemäß Artikel 2 Abs. 1.1. bis 1.5. unter Einbeziehung von Ziffer 4.2. in 2 Jahren ergibt, daß er zu einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft führt“.53 Dieser Absatz, der im Diskussionsentwurf der Gemeinsamen Entschließung noch nicht enthalten war, ging auf einen Vorschlag der EKU-Synode für einen Punkt 2.0 zurück. Darin hieß es: „Nach dem in den Abschnitten 1.1. bis 1.5. beschriebenen ersten Schritt ist nach Ablauf von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Änderung der Bundesordnung das Erreichte zu überprüfen und festzulegen, wann der nächste Schritt erfolgt.“54 Dieser sachlichen und zeitlichen Differenzierung zwischen erstem und zweitem Schritt hielt vor allem die kurz danach votierende Lutherische Generalsynode entgegen, dass die Maßnahmen des ersten Schrittes allein noch nicht ausreichend seien, „um wirklich eine Gemeinschaft mit verstärkter Verbindlichkeit zu praktizieren“, sondern dafür um die Maßnahmen des zweiten Schrittes ergänzt werden müssten. Aus diesem Sachzusammenhang ergaben sich für die Generalsynode einerseits Vorbehalte hinsichtlich der Bedeutung, die die EKU der Überprüfung des ersten Schrittes beimaß, und andererseits die Notwendigkeit, den zweiten Schritt unmittelbar auf den ersten folgen zu lassen. Ihre Alternativformulierung, die den Aspekt der Überprüfung des ersten Schrittes völlig fallen ließ, lautete dementsprechend: „Nach dem Inkrafttreten der Gemeinsamen Entschließung sind die in den Ziffern 2.1.–2.4. beschriebenen Schritte so rechtzeitig vorzubereiten und einer Beschlußfassung zuzuführen, daß sie nach Ablauf von zwei Jahren in Kraft treten können.“55 Bei der Vorbereitung der Endfassung der Gemeinsamen Entschließung entschied sich die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe in der Frage der Überprüfung für einen Kompromiss. Sie übernahm zwar die Forderung nach einer Überprüfung des ersten Schrittes, verstand diese Überprüfung jedoch nicht im Sinne einer Feststellung, ob der erste Schritt in sich erfolgreich gewesen sei, sondern ob der mit ihm beschrittene Weg zu dem angestrebten Ziel einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft führe.56 Hinsichtlich der Terminierung konnte ein vergleichbarer Kompromiss erst auf der gemeinsamen Tagung der GVG mit den drei Leitungsgremien am 10. September 1981 gefunden werden. Dieser bezog die von der EKU ins Gespräch gebrachte Zwei-Jahres-Angabe nicht – 52 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über das Präsidientreffen am 13./14.6.1981 in Leipzig, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 41), S. 1; 5. Tagung der 3. Synode des BEK, 18.–22.9.1981, M. Kramer: Zur Gemeinsamen Entschließung, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 5. Tagung der 3. Bundessynode in Güstrow), S. 7. 53 Gemeinsame Entschließung (vgl. Anm. 36), S. 4. 54 Beschluss der 5. Synode der EKU – Bereich DDR (vgl. Anm. 48), S. 6. 55 Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR (vgl. Anm. 49), S. 3. 56 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 31), S. 6.

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wie von der VELK vorgeschlagen – auf den Beginn des zweiten Schrittes, sondern zur Vermeidung eines Automatismus auf die Überprüfung des ersten Schrittes. Allerdings sollte nach diesen zwei Jahren nicht – wie von der EKU vorgeschlagen – die Überprüfung erst beginnen, sondern im Interesse eines zügigen Voranschreitens bereits abgeschlossen sein.57

Der nächste Abschnitt (2.2) formulierte als Arbeitsaufgabe die Vorbereitung der „Grundbestimmungen für die Ordnung der neuen Gemeinschaft einschließlich der Aussagen zur Bekenntnisbestimmtheit“, die in einer „Arbeitsgruppe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe“ erfolgen sollte, bei deren Zusammensetzung „die unterschiedlichen Bekenntnisbindungen zu berücksichtigen“ seien. Dabei blieb allerdings offen, wann diese Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit aufnehmen werde. Die Einordnung in den Zusammenhang des zweiten Schrittes ließ den Eindruck entstehen, dass die Arbeitsgruppe erst zu Beginn dieses zweiten Schrittes gebildet werden und damit die Formulierung der theologischen Grundlagen des neuen Zusammenschlusses faktisch vertagt werden sollte.58 Die folgenden vier Absätze beschrieben die angestrebten strukturellen Änderungen im Bereich der Synode (2.3.1), der Leitungsgremien (2.3.2), der Dienststellen (2.3.3) sowie der Beratungsgremien (2.3.4) und betrafen damit einen Bereich, zu dem auf der Eisenacher Delegiertenversammlung bereits intensive Vorarbeiten geleistet und relativ konkrete Vorstellungen über Weg (V 3) und Ergebnis einer Zusammenführung der Organe von Bund, EKU und VELK (IV 3 bis 6) vorgetragen worden waren.59 Allerdings fanden weder die in Eisenach unterbreiteten Empfehlungen noch die in diesem Bereich bereits vorher angestellten Überlegungen Eingang in die Gemeinsame Entschließung, die in der Regel lediglich das „dass“ der Zusammenführung festhielt und das „wie“ sowie die Beschreibung des angestrebten Ergebnisses weiteren Klärungen anheim stellte. 57 A. Schönherr/M. Stolpe/E. Natho/J. Rogge/H. Rathke/H. Zeddies/Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 33), S. 2. 58 Im Vergleich zum Diskussionsentwurf, der die Bildung einer Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Grundbestimmungen einem in der Endfassung entfallenen dritten Schritt zugeordnet hatte, war die Vorbereitung der Grundartikel in der Endfassung der Gemeinsamen Entschließung zwar vorgezogen worden, die Einordnung in den zweiten Schritt ließ jedoch nicht deutlich werden, obwohl dies beabsichtigt war, „daß die Arbeit an den Grundartikeln und Bestimmungen kontinuierlich weiter fortzusetzen“ sei (Ch. Demke: Niederschrift [vgl. Anm. 31], S. 5). Insofern blieben Bedenken – insbesondere der sächsischen Landeskirche – gegenüber einer zu späten Verständigung über die theologischen Grundlagen der neuen Gemeinschaft bestehen (H. Geisler/M. Huhn: Stellungnahme der Ev.-Luth. Landessynode Sachsens zum Entwurf der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für eine „Gemeinsame Entschließung“ und dem Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für ein „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes“, 24.3.1981 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769], S. 3). 59 Siehe oben S. 250 f.

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Absatz 2.3.1 legte fest, dass die Synoden der drei Zusammenschlüsse „zu einer gemeinsamen Synode zusammenwachsen“ sollen. Um dieses Zusammenwachsen zu erleichtern, sei bei der Neubildung der Synoden von Bund, EKU und VELK „Personenidentität“ zwischen Bundessynode und EKU- bzw. VELK-Synode anzustreben, „soweit dies nach den Ordnungen möglich“ sei. Ein genauer Plan, wie dieses Zusammenwachsen der Synoden vonstatten gehen könne, wurde von der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe und den drei Synodalpräsidien erwartet. Dabei wies die Forderung nach Personenidentität in Richtung des bereits im Vorfeld der Delegiertenversammlung diskutierten Sektionenmodells, allerdings ohne dass dieses – angesichts der langen, kontroversen und am Ende ergebnislosen Diskussion in der GVG und ihren Untergruppen I und II60 – in der Gemeinsamen Entschließung genannt wurde. Noch unkonkreter als die Festlegungen hinsichtlich des Zusammenwachsens zu einer gemeinsamen Synode blieben die Aussagen zur Zusammenführung der drei Leitungsgremien (KKL, Rat der EKU, Lutherische Kirchenleitung), die lediglich die Tatsache der Zusammenführung enthielten und Näheres wiederum von einem entsprechenden „Plan“ der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe erwarteten, den diese „den zuständigen Organen zu gegebener Zeit zur Verabschiedung vorzulegen“ habe (2.3.2).61 Ebenso unkonkret war in der Endfassung der Gemeinsamen Entschließung die Aussage zur Vereinigung der drei Dienststellen (Sekretariat des Bundes, Kirchenkanzlei der EKU, Lutherisches Kirchenamt), obwohl die internen Vorarbeiten an dieser Stelle bereits weit vorangeschritten waren62 und eine Vereinigung im Interesse einer Kostenersparnis als besonders dringlich erschien. Angesichts der sich unvermittelt in den Vordergrund drängenden Probleme im Detail (Unterschiede in der Struktur, den Zuständigkeiten, der Vergütung und den Dienstbezeichnungen) wurde auch hier – im Unterschied zum Diskussionsentwurf – auf die Nennung sowohl von Terminen als auch von Modellen verzichtet (2.3.3). 60 Neben dem letztlich favorisierten Sektionenmodell wurden diskutiert: ein Additionsmodell, eine Stärkung der Bundessynode bei gleichzeitiger Beschränkung der Aufgaben der EKU- und VELK-Synode sowie eine lediglich zeitliche Kopplung der drei Synodaltagungen am gleichen Ort. 61 Die internen Überlegungen gingen in Richtung einer „vorläufigen Kirchenleitung“, an die die drei Leitungsgremien sukzessive Aufgaben und Kompetenzen abzutreten hätten (vgl. J. Rogge/M. Stolpe/H. Zeddies: Niederschrift über die Beratung der Vorsitzenden der Leitungen und der Dienststellenleiter der kirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR am 16.3.1981 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 20], S. 1 f.; Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Vorlage der drei Vorsitzenden und der drei Dienststellenleiter, Vereinbarung zur gemeinsamen Wahrnehmung gesamtkirchlicher Aufgaben [Entwurf], 30.4.1981 [EZA BERLIN, 688, Nr. 96], S. 2 f.). 62 Vgl. u. a. Entwurf zur Vorlage bei der Hauskonferenz am 12.1.1981: Vereinbarung über die Bildung einer Gemeinsamen Dienststelle, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20).

Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

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Eine besondere Bedeutung kam der unter 2.3.4 vorgesehenen Zusammenfassung der Beratungsgremien von Bund, EKU und VELK zu, nach der ab 1. Januar 1982 für ein Sachgebiet nur noch ein einziges Beratungsgremium gleicher Funktion tätig sein sollte. Im Interesse einer „deutlich erkennbaren Konzentration“ sollte die bisherige Kommissions- und Ausschussarbeit überprüft werden, wobei die drei Leitungsgremien zu vereinbaren hatten, „welche Beratungsgremien für ihren Zusammenschluß zunächst selbständig tätig bleiben müssen“. Da die Zusammenführung der Beratungsgremien relativ einfach – ohne Ordnungsänderungen – umgesetzt werden konnte, wurde sie als „Testfeld für die Bereitschaft zur Veränderung“ verstanden.63 Freilich zeigten auch hier die Überlegungen zur Konkretisierung, dass „die Schwierigkeiten im Detail“ steckten,64 sodass der Diskussionsentwurf lediglich eine unbestimmte Terminierung – „möglichst bald“ – geboten hatte. Dass in der Endfassung dennoch ein konkreter Termin genannt wurde, ging auf einen entsprechenden Beschluss der Bundessynode zurück.65

Der letzte Absatz von 2.3 enthielt die ursprünglich im Zusammenhang des Absatzes über die Bildung einer gemeinsamen Dienststelle hervorgehobene Notwendigkeit von Einsparungen an Kräften und Mitteln, deren Bedeutung insbesondere von der VELK-Synode hervorgehoben worden war,66 und bezog sie nunmehr – freilich in vorsichtigerer Formulierung – auf die „Zusammenfassung der Organe, Dienststellen und Beratungsgremien“ (2.3.5).

63 4. Tagung der 3. Synode des BEK, 19.–23.9.1980 in Leipzig, Vorlage-Nr. 13: Ch. Demke: Sachstandsbericht Eisenacher Delegiertenversammlung, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 4. Tagung der 3. Bundessynode in Leipzig), S. 11. 64 Unter anderem war der Versuch, noch vor Verabschiedung der Gemeinsamen Entschließung die theologischen Beratungsgremien zusammenzuführen, am Widerstand der EKU gescheitert, die Ende des Jahres ihren Theologischen Ausschuss mit der Bearbeitung eines neuen Themas („Die Bedeutung der Reich-Gottes-Erwartung für das Zeugnis der christlichen Gemeinde“) beauftragte (E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 89. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 3.12.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 172], S. 2). Auch nachfolgende Bemühungen von Demke, angesichts der Bedeutung einer Zusammenführung der Beratungsgremien für das Bemühen um eine verbindlichere Gemeinschaft eine Aussetzung dieses Beschlusses zu erreichen, schlugen fehl (an den Rat der EKU – Bereich DDR: Betr. Zusammenführung von Beratungsgremien, 29.12.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 19]; vgl. M. Kruse/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 64. Gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 4.2.1981 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 187], S. 3). 65 Der Präses der Synode des BEK (S. Wahrmann): Beschluß der Synode zum Antrag des Rechtsausschusses zur „Verbindlicheren Gemeinschaft“ vom 23.9.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 3. 66 Vgl. Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR (vgl. Anm. 49), S. 4.

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Abschnitt 2.4 markierte den Abschluss des zweiten Schrittes: „Die Bildung der neuen Gemeinschaft“ sei „abgeschlossen, wenn die Grundartikel und Grundbestimmungen verabschiedet und auch die in Artikel 2 Abschnitt 1 und 2 vereinbarten Schritte getan worden“ seien. In diesem Zusammenhang sei, da der in den Eisenacher Empfehlungen benutzte Name „Vereinigte Evangelischen Kirche in der DDR“ lediglich als Arbeitstitel fungierte,67 über den künftigen Namen des Zusammenschlusses zu entscheiden. Schließlich werde „zugleich mit der Verabschiedung der Grundbestimmungen und der Übertragung der kirchenleitenden Funktionen“ der Organe der drei Zusammenschlüsse an die Organe der neuen Gemeinschaft „über Beendigung oder Fortbestand verbleibender Funktionen der Evangelischen Kirche der Union im Bereich der DDR und der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche in der DDR durch die zuständigen Organe entschieden“. In der Endfassung dieses Absatzes standen im Unterschied zum Diskussionsentwurf nicht mehr der „rechtliche und tatsächliche Fortbestand“ der Organe und Dienststellen der konfessionellen Zusammenschlüsse zur Disposition oder gar die konfessionellen Zusammenschlüsse selbst, wie das in Eisenach empfohlen und von den lutherischen Kirchen in ihren Voten noch einmal zum Ausdruck gebracht worden war, sondern „Beendigung und Fortbestand verbleibender Funktionen“. Diese Zuspitzung auf die Funktionen ging auf die Bundessynode zurück, die diese Veränderung in ihrer Stellungnahme allerdings nicht weiter erläutert, sondern die Formulierung „Beendigung und Fortbestand“ betont und diese damit begründet hatte, auf diese Weise „die Tendenz, daß EKU und VELK in der DDR sich vollständig in die neue Gemeinschaft einbringen,

67 Die Bezeichnung „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ war zunehmend in die Kritik geraten, wobei nicht nur von EKU-Seite eine Streichung des „Vereinigt“ angeregt wurde (wegen des damit angedeuteten minderen ekklesialen Charakters des Zusammenschlusses), sondern auch von lutherischer Seite, da die Übersetzung des Namens ins Englische („United . . . Church“) das Missverständnis provoziere, als handele es sich bei der VEK um eine Unionskirche (vgl. Erste Information zur Generalsynode der VELK in der DDR vom 5. bis 8.6.1980 in Kühlungsborn, 7.6.1980 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 560], S. 4; später v. a. VI. Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, 7. Tagung vom 26.–29.11.1981: Beschluss [zur Gemeinsamen Entschließung], undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 73]). Stattdessen wurde als Name „Evangelische Kirche in der DDR“ vorgeschlagen (Stellungnahme der Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs [H. Rathke] zum Zwischenbericht der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 23.5.1980 [EZA BERLIN, 101, Nr. 18], S. 1). Angesichts dieser Bedenken war auch auf einen ursprünglich im Kirchengesetz zur Änderung der Bundesordnung vorgesehenen Paragrafen zur Namensänderung – „Der Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik trägt unter Wahrung seiner Rechtspersönlichkeit fortan den Namen Vereinigte Evangelische Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik“ (Modell: Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des BEK, März 1980 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768], S. 1) – verzichtet worden (vgl. Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des BEK [Entwurf für den 8.9.1980], undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 1).

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verbindlicher“ auszudrücken.68 Die Rede von den „Funktionen“ ließ diese Tendenz allerdings gerade nicht deutlich werden, sondern schien eher die endgültige Aufgabe des Gedankens einer Zusammenführung der drei Zusammenschlüsse anzudeuten.

Artikel 3 zur besonderen Gemeinschaft wirkte im Ablauf der Gemeinsamen Entschließung als Fremdkörper und trat insofern besonders hervor. Seine Aufnahme ging auf einen Vorschlag der Untergruppe I vom 28. Mai 1980 zurück,69 wobei sich die Formulierung an dem Votum der Untergruppe IV orientierte, dass die „Aussage der Eisenacher Empfehlungen zur besonderen Gemeinschaft umfassend und ausreichend“ sei.70 In vereinfachender Aufnahme von Artikel II 3.8 der Empfehlungen wurde deshalb in ihrem Entwurf formuliert: „Die besondere Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, die bisher von den einzelnen Zusammenschlüssen wahrgenommen wurde, bleibt erhalten. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so auszugestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen dienen.“71

Obwohl in der GVG am 29. Mai Kritik an dieser Formulierung geübt worden war, weil sie die „gemeinsamen Aufgaben, die in partnerschaftlicher Freiheit wahrgenommen werden“, unerwähnt lasse und deshalb hinter Artikel 4 (4) BO zurückbleibe,72 und die Untergruppen I und II auf ihrer gemeinsamen Beratung am 9. Juli aus ähnlichen Überlegungen heraus empfohlen hatten, diesen Artikel „stärker mit Text der BO und der Eisenacher Empfehlungen aufzufüllen unter Zuhilfenahme der einschlägigen Passagen aus der Stellungnahme der EKU-Synode“ vom Mai 1980,73 ließ Stolpe diesen Text in seinem Entwurf für die nächste Zusammenkunft am 8. Sep68 Beschluss der Bundessynode (vgl. Anm. 65), S. 3. 69 Eine Begründung ist in dem äußerst knappen Protokoll dieser Beratung nicht genannt. Da außer Stolpe lediglich Lutheraner anwesend waren (H.-M. Harder und A. Schönherr fehlten; vgl. M. Stolpe: Vermerk über die Zusammenkunft der Untergruppe I der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 28.5.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 19]) und ein entsprechender Artikel in dem Entwurf von Stolpe noch nicht enthalten war, legt sich die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um einen Vorstoß von lutherischer Seite handelte, mit dem bewusst ein spezifisches EKU-Anliegen aufgegriffen werden sollte. 70 Siehe oben S. 319. 71 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, Vorlage der Untergruppe I: Beschluß zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft der Landeskirchen in der DDR (1. Entwurf), 29.5.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 3. 72 Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 4. 73 H.-M. Harder/M. Stolpe: Niederschrift über die Gemeinsame Beratung der Untergruppen I und II am 9.7.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 3. – Vgl. oben Kap. 5.2.6.

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tember unverändert.74 Dagegen schlug Mitzenheim in einem schriftlichen Votum vor, anstelle des Wortes „ausgestalten“ das blassere „gestalten“ zu verwenden.75 Mit diesem Vorschlag setzte er sich durch, ohne dass zu erkennen ist, inwieweit diese Korrektur auf der gemeinsamen Sitzung der Untergruppen I und II am 8. September, die sich vor allem mit dem Änderungsgesetz befasste,76 noch einmal beraten worden war. Der Text, der der GVG am 9. September als Vorschlag für den Diskussionsentwurf der Entschließung vorgelegt wurde, lautet damit: „Die besondere Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, die bisher von den Zusammenschlüssen wahrgenommen wurde, bleibt erhalten. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so zu gestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen dienen.“77

In seinen Erläuterungen zum vorgelegten Textentwurf der Gemeinsamen Entschließung ging Stolpe auf Artikel 3 nicht weiter ein, obwohl die dort vorgenommene Änderung nicht mit der Meinungsbildung der GVG vom 29. Mai übereinstimmte. In der nachfolgenden Aussprache wurde denn auch „darauf hingewiesen, daß der Text nicht die Formulierung einer Grundorientierung“ enthalte. Vielmehr sei davon „auszugehen, daß Artikel 4 (4) BO in seinen Aussagen erhalten“ bleibe. Das von Mitzenheim lancierte Verb „gestalten“ wurde wieder gestrichen und durch „fortführen“ ersetzt. In dieser Fassung verabschiedete die GVG Artikel 3 „bei einer Gegenstimme und 2 Enthaltungen“.78 Bei der Diskussion des Entwurfs der Gemeinsamen Entschließung in den Synoden sprach sich die Bundessynode dafür aus, im ersten Satz nicht nur von „den Zusammenschlüssen“, sondern „den drei Zusammenschlüssen“ zu reden und am Schluss die Wortstellung zu ändern. Während einige Synoden in ihren Voten auf Artikel 3 nicht näher eingingen (Görlitz, Mecklenburg, Thüringen, VELK) oder eigene Alternativen formulierten (Anhalt, Kirchenprovinz Sachsen), stimmten andere dem Vorschlag der 74 Vorlage zur Beratung der Untergruppe I und II am 8.9.1980: Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft (2. Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 6. 75 H. Mitzenheim an Stolpe: Betr. Gemeinsame Entschließung, 5.9.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 3. 76 Vgl. M. Stolpe: Niederschrift über die gemeinsame Beratung der Untergruppe I und II am 8.9.1980, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19). 77 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, Vorlage der Untergruppe I und II: Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft vom . . . (überarbeiteter 2. Entwurf), 9.9.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 7. 78 Ch. Demke: Niederschrift über die 6. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 9.9.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 7.

Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

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Bundessynode ausdrücklich zu (Berlin-Brandenburg, Greifswald, Landeskirche Sachsen). Der Formulierungsvorschlag der EKU-Synode griff ihn ebenfalls auf, führte ihn aber weiter, indem er im ersten Satz alle beteiligten Zusammenschlüsse (der DDR und der BRD) namentlich nannte und im zweiten Satz beide in der Diskussion erwogenen Verben aufnahm.79 Diesem letzteren Vorschlag schloss sich die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe an, sodass die Endfassung des Artikels 3 lautete: „Die besondere Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, die bislang vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Evangelischen Kirche der Union, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR und deren Gliedkirchen wahrgenommen wird, bleibt erhalten. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so fortzuführen und zu gestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen dienen.“80

Artikel 4 der Gemeinsamen Entschließung enthielt Festlegungen zu ihrer Durchführung. Er übertrug „die Vorbereitung der Durchführung dieser Festlegungen“ der GVG, die ihrerseits verpflichtet sei, zu den Organen der Gliedkirchen und der drei Zusammenschlüsse „ständig Verbindung zu halten“, und berechtigt sei, „ihnen Vorlagen zu unterbreiten“ und den Leitungsgremien der drei Zusammenschlüsse „Verfahrensentscheidungen vorzulegen“ (4.1).81 Ein weiterer, im Diskussionsentwurf noch nicht enthaltener Absatz 4.2 ermöglichte Übergangsregelungen, die infolge der deutlicheren Differenzierung zwischen Aufgabenübertragung einerseits und Zusammenführung der Organe andererseits notwendig schienen. Ihrem Inhalt nach blieb diese Übergangsregelung allerdings offen. Die drei Zusammenschlüsse verpflichteten sich lediglich bis zur Realisierung der Zusammenführung der Organe und Gremien „zur engen Zusammenarbeit im Sinne des Artikels 2 Ziffer 1“. Näheres werde durch Vereinbarungen geregelt.82 79 5. Synode der EKU – Bereich DDR – außerordentliche Tagung vom 23. bis 24.5.1981 (M. Becker): Beschluss, 24.5.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 8 f. 80 Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft (Entwurf). Überarbeiteter Text vom 2./3.9.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 7. 81 EBD. – Die letzte Formulierung war ein Kompromiss zwischen dem Diskussionsentwurf, der von einer Berechtigung, „Verfahrensentscheidungen zu treffen“, gesprochen hatte, und der von der Bundessynode vorgeschlagenen Fassung, nach der die GVG Verfahrensentscheidungen lediglich „vorschlagen“ könne (Der Präses der Synode des BEK [S. Wahrmann]: Beschluss der Synode zum Antrag des Rechtsausschusses zur „Verbindlicheren Gemeinschaft“ vom 23.9.1980 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768], S. 4). 82 Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft, 10.9.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 7 f.

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Der letzte Artikel der Gemeinsamen Entschließung (Artikel 5) enthielt Festlegungen zum Inkrafttreten. Da die Gemeinsame Entschließung selbst zwar keine Rechtsänderungen bewirkte, jedoch eine verbindliche Bereitschaftserklärung war, „zu gegebener Zeit entsprechende Verfassungsänderungen in Angriff zu nehmen“,83 sollte sie von den Synoden der Landeskirchen und Zusammenschlüsse „mit einer Mehrheit“ beschlossen werden, „wie sie auch für die Änderung einer Verfassung erforderlich wäre“.84 6.1.3. Das „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ Während die Gemeinsame Entschließung das Ziel und den Weg zu einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft aufzeigen sollte, bildete das Kirchengesetz zur Änderung der Bundesordnung eine Konkretion der dort allgemeiner beschriebenen ersten Maßnahmen (Art. 2, Abschnitt 1). Insofern bewahrte das Änderungsgesetz die Gemeinsame Entschließung davor, eine unverbindliche Erklärung zu bleiben, während es selbst durch die Gemeinsame Entschließung vor dem Missverständnis bewahrt wurde, als beinhalte es bereits alle vorgesehenen Änderungen.85 Dieser Zusammenhang von Änderungsgesetz und Gemeinsamer Entschließung wurde in der Präambel des Änderungsgesetzes dadurch zum Ausdruck gebracht, dass als Motiv für die vorgenommene Korrektur der Bundesordnung die „angestrebte schrittweise Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft“ ausdrücklich genannt wurde. Das Änderungsgesetz als Zusammenstellung der ersten Maßnahmen beinhaltete vor allem zwei Schwerpunkte. Der erste Komplex, der allerdings erst im Laufe der Erarbeitung und Diskussion seine Bedeutung erhielt,86 83 4. Tagung der 3. Synode des BEK, 19.–23.9.1980 in Leipzig, Vorlage-Nr. 13: Ch. Demke, Sachstandsbericht Eisenacher Delegiertenversammlung, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 4. Tagung der 3. Bundessynode in Leipzig), S. 8. 84 Die ursprünglich im Entwurf von September 1980 enthaltene Wendung „mit verfassungsändernder Mehrheit“ war von den meisten Synoden abgelehnt worden, da damit das Missverständnis provoziert werde, als bedeute die Annahme der Gemeinsamen Entschließung bereits eine Verfassungsänderung. 85 Vgl. A. Schönherr/M. Stolpe/E. Natho/J. Rogge/H. Rathke/H. Zeddies/Ch. Demke: Niederschrift über die außerordentliche gemeinsame Tagung der KKL, des Rates der EKU und der Kirchenleitung der VELK DDR am 10.9.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 3; 5. Tagung der 3. Synode des BEK, 18.–22.9.1981: M. Kramer, Zur Gemeinsamen Entschließung, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 5. Tagung der 3. Bundessynode in Güstrow), S. 4. 86 Im Modellentwurf für ein Änderungsgesetz vom März 1980 fehlte dieser Bereich noch völlig (vgl. Modell: Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des BEK, März 1980 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768]).

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umfasste eine Stärkung der Rechtsetzungskompetenz des Bundes und damit die geplante Aufgabenübertragung an den Bund innerhalb des in der Gemeinsamen Entschließung beschriebenen ersten Schrittes. Den zweiten (anfangs als vorrangig betrachteten) Schwerpunkt bildete die Vorbereitung der im zweiten Schritt vorgesehenen strukturellen Veränderungen, wobei diese vorbereitenden Korrekturen der Bundesordnung so vorzunehmen waren, dass sie die späteren Maßnahmen zwar erleichterten, nicht jedoch präjudizierten. Darüber hinaus wollte sich das Kirchengesetz auf solche Regelungen beschränken, die erwarten ließen, „daß sie auch Bestandteil der künftigen Ordnung sein können“.87 Weitere Änderungen der Bundesordnung innerhalb der nächsten Schritte wurden zwar erwartet, jedoch lediglich als Ergänzung des vorliegenden Änderungsgesetzes verstanden. Diese Endgültigkeit der im Änderungsgesetz getroffenen Regelungen – die auch nicht von allen akzeptiert wurde88 – war ein wesentlicher Grund für die Intensität, mit der um die Struktur des im Interesse künftiger Veränderungen veränderten Bundes gerungen wurde. Ein erstes „Modell_“ für ein solches Kirchengesetz,89 das im Wesentlichen Kapitel III A des „Zwischenberichtes“ zur „Struktur“ des neuen Zusammenschlusses entsprach, war von der Untergruppe II am 6. März und 29. Mai 1980 in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vorgestellt worden.90 Die nachfolgenden Überlegungen – insbesondere die zu Tage tretenden kontroversen Positionen in Strukturfragen (Größe des Vorstands, Zusammensetzung der Konferenz und der Synode) sowie die breite Zustimmung zum Gedanken der Kompetenzübertragung – führten zur Erarbeitung eines Neuentwurfs,91 der am 9. September 1980 der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vorgelegt wurde. In den 87 5. Tagung der 3. Synode des BEK, 18.–22.9.1981, Vorlage-Nr. 13a: P. Müller, Begründung zum Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 5. Tagung der 3. Bundessynode in Güstrow), S. 1; vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 11. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 1./2.7.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 2. 88 Die Lutherische Generalsynode verstand in ihrer Stellungnahme zum Diskussionsentwurf dessen Festlegungen ausdrücklich im Sinne von Übergangsregelungen, die einer nochmaligen Änderung bedürften (Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR zu den Vorlagen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 27.6.1981 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769], S. 3, 7). 89 Modell: Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des BEK, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 90 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 4. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 6.3.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 4; Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 5. 91 Vgl. H.-M. Harder/M. Stolpe: Niederschrift über die Gemeinsame Beratung der Untergruppen I und II am 9.7.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 4; M. Stolpe: Niederschrift über die gemeinsame Beratung der Untergruppen I und II am 8.9.1980, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768).

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Strukturfragen (einschließlich der Nomenklatur)92 kehrte dieser Neuentwurf weitgehend zu den Aussagen der bestehenden Bundesordnung zurück und versuchte demgegenüber „besonders der vorgesehenen Aufgabenübertragung und der gewachsenen Bedeutung der Bundessynode Rechnung zu tragen“.93 Aufgrund der als vorrangig betrachteten Arbeiten an der Gemeinsamen Entschließung nahm die GVG diesen Neuentwurf jedoch lediglich zur Kenntnis und vertagte die Aussprache darüber auf ihre im Zusammenhang der Leipziger Bundessynode vorgesehene Zusammenkunft, als deren Grundlage ein neuerlich überarbeiteter Entwurf, der den Text des Änderungsgesetzes mit dem der Gemeinsamen Entschließung abstimmen sollte (vor allem im Artikel zur Aufgabenübertragung), in Auftrag gegeben wurde.94 Dieser „2. Entwurf_“ des Änderungsgesetzes wurde von der GVG am 22. September 1980 in Leipzig nach weiterer Korrektur in seiner vorläufigen Endfassung („Diskussionsentwurf_“) festgestellt.95 Um eine Einbeziehung der parallel tagenden Bundessynode zu gewährleisten, die den Entwurf wegen seiner späten Fertigstellung nicht mehr eingehend zur Kenntnis nehmen und diskutieren konnte, waren zu diesem Tagesordnungspunkt auch die Mitglieder ihres Rechtsausschusses „als Zuhörer“ geladen.96 Diese erarbeiteten daraufhin einen kurzen Beschlussentwurf, der der Bundessynode an ihrem letzten Sitzungstag zusammen mit dem Diskussionsentwurf des Änderungsgesetzes vorgelegt wurde.97 Darin nahm die Synode den Entwurf zur Kenntnis und empfahl „den Gliedkirchen und den gesamtkirchlichen Zusammenschlüssen, diese Regelung als einen ersten Schritt auf dem gemeinsamen Weg zu sehen“ und unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen.98 In den Gliedkirchen des Bundes sowie innerhalb der EKU und VELK wurde der Entwurf für ein Änderungsgesetz entsprechend dem Sachzusammenhang beider Vorlagen gemeinsam mit dem Entwurf für eine Gemeinsame Entschließung zur Diskussion gestellt.99 Ihre Stellungnahmen und Änderungsvorschläge

92 Anstelle der im Zwischenbericht verwendeten Bezeichnungen „Vereinigte Evangelische Kirche“, „Kirchenleitung“, „Rat der Kirchenleitung“ und „Kirchenamt“, die im „Modell“ für ein Kirchengesetz vom März 1980 noch übernommen worden waren, wurde wieder vom „Bund der Evangelischen Kirchen“, der „Konferenz“, dem „Vorstand“ und dem „Sekretariat“ gesprochen (zu den Vorbehalten gegenüber der Bezeichnung „Vereinigte Evangelische Kirche“ vgl. oben S. 388, Anm. 67). 93 Ch. Demke: Niederschrift über die 6. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 9.9.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 7 (M. Kramer). 94 EBD. 95 Ch. Demke: Niederschrift über die 7. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 22./23.9.1980 in Leipzig, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 96 EBD., S. 1. 97 4. Tagung der 3. Synode des BEK, 19.–23.9.1980: Niederschrift über die Sitzungen am 23.9.1980, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 74), S. 3 f. 98 4. Tagung der 3. Synode des BEK, 19.–23.9.1980 in Leipzig, Vorlage 23: Antrag des Rechtsausschusses, 23.9.1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94). 99 Siehe oben S. 378, Anm. 30. – Formal war eine Zustimmung von EKU und VELK zum Änderungsgesetz zwar nicht notwendig, da sie nicht Gliedkirchen des Bundes waren, jedoch wünschenswert, weil sie zusammen mit dem Bund als Träger des künftigen Zusammenschlusses fungieren sollten.

Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

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wurden in der GVG wiederum parallel zu den Stellungnahmen zur Gemeinsamen Entschließung beraten (1./2. Juli, 10./11. August, 2./3. September 1981) und als Vorschlag ebenfalls auf der gemeinsamen Sitzung der GVG, der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, des Rates der EKU und der Kirchenleitung der VELK am 10. September 1981 verabschiedet.100 Von der wenig später in Güstrow tagenden Bundessynode wurde das Gesetz lediglich an einer Stelle noch einmal verändert.101

Hinsichtlich der vorgesehenen Aufgabenübertragung konzentrierte sich das Änderungsgesetz auf eine Neufassung der Artikel 5 bis 7 der Bundesordnung, die bereits in der Fassung von 1969 die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und die Möglichkeit zur Aufgabenübertragung an den Bund beschrieben hatten und deshalb immer wieder als „Grundlage für die Verwirklichung gemeinsamer Regelungen“ (z. B. Züssow 1976) in den Blick gekommen, allerdings kaum angewandt worden waren. Das Änderungsgesetz strukturierte und formulierte diesen Abschnitt der Bundesordnung völlig neu, wobei in Artikel 5 die veränderten Rechtsetzungskompetenzen des Bundes ihrem Inhalt nach beschrieben, in Artikel 6 die damit zusammenhängenden Verfahrensfragen geregelt und in Artikel 7 die Möglichkeiten zusätzlicher Aufgabenübertragung benannt wurden. Darüber hinaus enthielt Artikel 5 im Unterschied zur geltenden Fassung der Bundesordnung eine generelle Zielbeschreibung, die die Wahrnehmung der nachfolgend aufgeführten Rechtsetzungskompetenzen als Verwirklichung des in Artikel 1 (2) formulierten Anliegens des Bundes, „in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus zusammenzuwachsen“, auswies (Absatz 1).102 Absatz 2 und 3 des fünften Artikels konkretisierten die neue Rechtsetzungskompetenz des Bundes, indem sie ausdrücklich einzelne Bereiche benannten, in denen der Bund „gesamtkirchliche Beschlüsse“ herbeiführt103 und „kirchengesetzliche Bestimmungen“ erlässt,104 sodass für diese Sachgebiete weitere Übertragungsbeschlüsse der Gliedkirchen nicht mehr notwendig wa-

100 Niederschrift (vgl. Anm. 85). – Während die Endfassung der Gemeinsamen Entschließung als gemeinsame Vorlage von Bund, EKU und VELK am 10. September beschlossen wurde, wurde die Endfassung des Änderungsgesetzes als Kirchengesetz allein des Bundes von der Bundessynode festgestellt. 101 Vgl. unten S. 401, Anm. 127. 102 Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des BEK vom 21.9.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 21 – siehe unten Dok. 17), S. 1. 103 Im Einzelnen: „a) die Ordnungen der Gottesdienste und anderer kirchlicher Handlungen (Agenden), b) die Autorisierung von Bibelübersetzungen, c) das Gesangbuch, d) die kirchliche Lebensordnung“ (EBD.). 104 Im Einzelnen: „a) Ausbildung und Dienst der kirchlichen Mitarbeiter, b) Besoldung, Versorgung und Vergütung der kirchlichen Mitarbeiter, c) Kirchenzugehörigkeit, d) Grundlagen der Kirchensteuer“ (EBD.).

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Vorbereitung und Scheitern einer „VEK in der DDR“

ren.105 Absatz 4 übernahm aus der geltenden Fassung der Bundesordnung zusätzlich die Möglichkeit, kirchengesetzliche Bestimmungen auch für solche Sachgebiete zu erlassen, die bereits gesamtkirchlich geregelt oder von allen Gliedkirchen dem Bund zur selbständigen Regelung übertragen worden waren. In der Interpretation erfuhr die erste Möglichkeit im Vergleich zum bisherigen Verständnis noch eine Erweiterung, da als „bereits gesamtkirchlich geregelt“ nicht mehr nur solche Bereiche angesehen wurden, für die auf Bundesebene eine gesamtkirchliche Regelung bestand (was kaum vorkam), sondern auch jene Gebiete, „die bisher sowohl von der VELK als auch von der EKU jeweils gesamtkirchlich geregelt“ waren, einbezogen wurden.106 Während die inhaltliche Beschreibung der erweiterten Rechtsetzungskompetenz des Bundes nach Artikel 5 im Großen und Ganzen ohne tief greifende Einwände formuliert werden konnte, kam es hinsichtlich der Verfahrensfragen nach Artikel 6, der unter anderem die Beteiligung der Gliedkirchen bei der Wahrnehmung dieser gesamtkirchlichen Rechtsetzungskompetenz regelte, an mehreren Punkten zu deutlich erkennbaren Gegensätzen. Relativ unbestritten war die Einbeziehung der Gliedkirchen bei der Erarbeitung und Anregung gesamtkirchlicher Beschlüsse des Bundes (Absatz 1 und 2), zu der in der Diskussion des Änderungsgesetzes lediglich Klarstellungen gewünscht wurden.107 Bei der Frage der Inkraftsetzung dieser Beschlüsse kam allerdings die unterschiedliche Bedeutung, die der Gesamtkirche einerseits und den Gliedkirchen andererseits beigemessen wurde, in zwei gegensätzlichen Meinungen zum Ausdruck, von denen die eine die Inkraftsetzung einer Regelung für die Gliedkirchen an deren ausdrückliche Zustimmung band, während die andere ein Ausbleiben von Widerspruch seitens der zuständigen gliedkirchlichen Organe als ausreichend ansah.108 Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe entschied sich in der Endfassung des Änderungsgesetzes für das Widerspruchsmodell, verlängerte allerdings die ursprünglich nur auf drei Monate bemessene Widerspruchsfrist auf sechs Monate (Absatz 3).109 105 Vgl. 5. Tagung der 3. Synode des BEK, 18. bis 22.9.1981, Vorlage-Nr. 13a: P. Müller, Begründung zum Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes, undatiert (INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Materialsammlung: 5. Tagung der 3. Bundessynode in Güstrow), S. 2. 106 EBD.; vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 13. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 2./3.9.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 2. 107 Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR zu den Vorlagen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 27.6.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 5. 108 Insbesondere Sachsen betonte die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Zustimmung (H. Geisler/M. Huhn: Stellungnahme der Evang.-Luth. Landessynode Sachsens zum Entwurf der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für eine „Gemeinsame Entschließung“ und dem Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für ein „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes“, 24.3.1981 [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769], S. 5). 109 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 106), S. 2.

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Absatz 4 sah einen solchen Widerspruch insbesondere für Gliedkirchen mit reformierten Gemeinden vor. Diese konnten „die Inkraftsetzung von Gesetzen für ihren Bereich mit der Maßgabe erwirken, daß sie für diese Gemeinden keine Anwendung finden“, sofern die nach gliedkirchlichem Recht zuständige Vertretung der reformierten Gemeinden „darlegt, daß das Gesetz mit Bekenntnis und Ordnung der reformierten Gemeinden nicht im Einklang“ steht. Dieses mittelbare Einspruchsrecht der reformierten Gemeinden, das im Diskussionsentwurf noch nicht enthalten gewesen war, nahm ein Anliegen des Reformierten Generalkonventes auf, der allerdings an ein direktes Einspruchsrecht seitens der reformierten Vertreter in der Bundessynode oder der Konferenz gedacht hatte.110 Ein reformiertes Einspruchsrecht war insofern besonders wichtig, als die Bereiche der Lebensund der Gottesdienstordnung, für die der Bund nach Artikel 5 der geänderten Bundesordnung gesamtkirchliche Beschlüsse herbeiführte, nach reformierten Verständnis das Bekenntnis tangierten. Insbesondere für die Übergangszeit von Bedeutung waren die Bestimmungen des letzten Absatzes des neuen Artikel 6, der Regelungen traf, „solange und soweit der Bund von seinem Rechtsetzungsrecht keinen Gebrauch“ mache. In diesem Fall sollte es zwar bei den bisherigen Zuständigkeiten bleiben, dem Bund wurde jedoch ein Einspruchsrecht zugestanden, sofern die Zuständigen in den betreffenden Bereichen Regelungen träfen, „die eine einheitliche Rechtsetzung für alle Gliedkirchen erschweren“ würden. Bei der Frage, welche Konsequenzen solcher Einspruch haben sollte, kam dann erneut das unterschiedliche Gewicht, das zum einen der Gesamtkirche und zum anderen den Gliedkirchen beigemessen wurde, zum Tragen. Während die eine Position diesem Einspruch des Bundes eine endgültige Wirkung zugestehen wollte (was allerdings „einen erheblichen Eingriff in die Gesetzgebung der gliedkirchlichen Synode“ bedeutet hätte),111 sah die Gegenposition die Möglichkeit vor, diesen Einspruch lediglich unter Hinweis darauf, „daß ohne die vorgesehene Regelung eine erhebliche Erschwerung des kirchlichen Lebens“ einträte, abweisen zu können. Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe entschied sich für den Kompromiss, dass im Falle eines Einspruchs des Bundes „über die Regelung, gegen die sich der Einspruch richtet, . . . in dem beschließenden Organ erneut zu beraten und zu beschließen“ sei.112

110 H. Grüber: Stellungnahme des Reformierten Generalkonvents in der DDR zu der Verwirklichung der verbindlichen Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR, 9.4.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 1. 111 Vorlage der 5. Synode der 3. Tagung des BEK (vgl. Anm. 105), S. 4. 112 Ch. Demke: Niederschrift über die 12. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 10./11.8.1981 in Potsdam, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 3 f.

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Vorbereitung und Scheitern einer „VEK in der DDR“

Eine Ergänzung des Artikels 7 der Bundesordnung, der in der Fassung von 1969 eine Übertragung von Aufgaben und Entscheidungsbefugnissen seitens einzelner oder mehrerer Gliedkirchen ermöglichte, war erst aufgrund der synodalen Diskussionsphase in das Änderungsgesetz aufgenommen worden. Sie sah nunmehr auch die entgegengesetzte Möglichkeit einer Übertragung von Gemeinschaftsaufgaben an einzelne oder mehrere Gliedkirchen vor113 und griff damit einen Diskussionspunkt der Delegiertenkonferenz auf.114 Der zweite Schwerpunkt des Änderungsgesetzes umfasste den Bereich der Strukturveränderungen, die zum einen im Interesse einer besseren Bewältigung der mit Bildung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft wachsenden gesamtkirchlichen Aufgaben und zum anderen zur Vorbereitung der innerhalb des zweiten Schrittes vorgesehenen Zusammenführung der Organe notwendig und sinnvoll schienen. Diese Änderungen betrafen die Synode (Artikel 9–12 BO), die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (Artikel 13–14) sowie den Vorstand der Konferenz (Artikel 15). Ziel der Veränderungen im Bereich der Synode war es vor allem, „eine Bundessynode zu schaffen, die in ihrer Zusammensetzung auf die Zusammenführung der gesamtkirchlichen Synoden vorbereitet ist und zu gegebener Zeit die Funktionen der Bundessynode, der Generalsynode und der Synode der EKU in sich vereinen kann“.115 Hinsichtlich der dafür notwendigen Maßnahmen hatte der Zwischenbericht vom März 1980 drei Übereinstimmungen in der Tendenz festgestellt, die das Änderungsgesetz nunmehr umzusetzen versuchte: eine Stärkung der Stellung der Synode, ihre zahlenmäßige Erweiterung sowie eine veränderte Zusammensetzung, die die unterschiedliche Größe der Gliedkirchen stärker berücksichtigt.116 Unumstritten war davon lediglich die grundsätzliche Stärkung der Stellung der Synode, die – neben der allgemeinen Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 5 – vor allem in einer Änderung des Artikels 9 zum Ausdruck kam. Während die Bundesordnung von 1969 lediglich von einer Teilhabe der Synode „an der Verantwortung dafür, daß der Bund die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt“, gesprochen hatte, legte die Neuformulierung des Änderungsgesetzes der Synode die volle Verantwortung bei: „Die Synode trägt dafür Verantwortung, daß der Bund die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt. Sie ist das gesetzgebende Organ des Bundes.“ Darüber hinaus erhöhte das Änderungsgesetz, um eine stärkere 113 EBD., S. 4. 114 Vgl. Artikel III 1 der Eisenacher Empfehlungen. 115 Vorlage der 5. Synode der 3. Tagung des BEK (vgl. Anm. 105), S. 5. 116 Vgl. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zwischenbericht, 13.3.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 7.

Die Entwürfe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe

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Kontinuität der Synodalarbeit zu gewährleisten, die Legislaturperiode der Synode von vier auf sechs Jahre. Trotz breiter Einigkeit im Grundsatz bestanden an einer Stelle – bei der Frage der Zugehörigkeit der Bischöfe und gliedkirchlichen Synodalpräsides zur Synode – völlig entgegengesetzte Vorstellungen darüber, wie der gewachsenen Kompetenz der Synode am angemessensten Rechnung zu tragen sei. Während die einen bei einer gleichzeitigen Mitgliedschaft der Bischöfe in der Konferenz und in der Synode die Unabhängigkeit der Synode von der Konferenz beeinträchtigt sahen und aufgrund des Kenntnisvorlaufes der Bischöfe eine Dominierung der Synode befürchteten, sahen andere in deren Mitgliedschaft gerade ein Zeichen für die gewachsene Bedeutung der Synode, die nun auch die Leitenden Geistlichen in die Pflicht regulärer Mitarbeit nehme. Die Verständigung zwischen beiden Positionen wurde noch dadurch erschwert, dass sich beide Modelle mit den Gegebenheiten in der EKU, in deren Synode die Bischöfe und Präsides geborene Mitglieder waren, und in der VELK, in der eine Mitgliedschaft der Bischöfe in der Synode nicht vorgesehen war, deckten. Während der Zwischenbericht und das Modell für ein Änderungsgesetz vom März 1980 noch davon ausgegangen waren, dass die 16 gliedkirchlichen Mitglieder der Konferenz (die acht leitenden Geistlichen sowie je ein weiterer Vertreter) der Synode angehören,117 entschied sich die Untergruppe II aufgrund anhaltenden Einspruchs der sächsischen Landeskirche118 sowie angesichts der damit gegebenen Möglichkeit, im Interesse der Arbeitsfähigkeit die Größe der Synode zu verringern, gegen eine Mitgliedschaft der Bischöfe in der Synode.119 Entsprechend sah der Diskussionsentwurf des Änderungsgesetzes in Artikel 10 (6) lediglich vor, dass „die Mitglieder der Konferenz und die Präsides (Präsidenten) der Synoden der Gliedkirchen, die nicht der Synode angehören, . . . an den Beratungen der Synode ohne Stimmrecht“ teilnehmen.120 Diese von lutherischer Seite im Interesse „partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Synode und Kirchenleitung bei Beachtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche“ begrüßte Regelung121 stieß allerdings auf Widerstand der meisten EKU-Kirchen, die angesichts der Funktion der Synode als Leitungsorgan sowie im Interesse größerer Verbindlichkeit eine Zugehörigkeit der Bischöfe und 117 EBD. 118 Vgl. I. Pettelkau: Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe – Untergruppe II am 5.3.80 in Berlin, Auguststraße 80, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768); Vorschläge der Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zu Fragen des gesamtkirchlichen Zusammenschlusses, 26.3.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 2. 119 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Untergruppe II (I. Pettelkau): Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe – Untergruppe II – am 28.5.1980, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 1; vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 5. 120 Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vom 22.9.1980 für ein Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des BEK (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 3. 121 Stellungnahme der Generalsynode der VELK DDR zu den Vorlagen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 27.6.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 6.

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Präsides zur Synode einforderten.122 Die GVG entschied sich jedoch nach eingehender Beratung erneut gegen eine geborene Mitgliedschaft der Bischöfe und Präsides, schloss aber ihre Mitgliedschaft als gewählte Synodale nicht aus.123 Damit blieb es auch in der Endfassung des Änderungsgesetzes beim Text des Diskussionsentwurfes zu Artikel 10 (6).

Die Zusammensetzung der veränderten Bundessynode war hingegen der umstrittenste Teil des gesamten Änderungsgesetzes, da an dieser Stelle mehrere, im Einzelnen nicht ohne weiteres zu vereinbarende Anliegen aufeinander stießen: – Im Interesse einer späteren Funktion der Bundessynode als gemeinsamer Synode sowie als Ausdruck ihrer erweiterten Kompetenz sollte die Mitgliederzahl zwar erhöht, jedoch so begrenzt werden, dass die Arbeitsfähigkeit der Synode nicht beeinträchtigt wurde. – Ebenfalls im Interesse einer späteren gemeinsamen Synode sowie angesichts der jeweiligen Mitgliederzahlen wurde bei den gewählten Synodalen eine Parität zwischen EKU- und VELK-Kirchen für sinnvoll gehalten. – Darüber hinaus sollte die Zusammensetzung der Synode aber auch die unterschiedliche Größe der einzelnen Landeskirchen berücksichtigen, ohne diese wiederum – wie es dann in der Gemeinsamen Entschließung formuliert wurde – „zum allein ausschlaggebenden Maßstab“ zu machen.124 – Schließlich war den kleinen Kirchen eine Mindestzahl an Synodalen zuzubilligen, die es ihnen ermöglichte, in alle Synodalausschüsse mindestens einen Vertreter zu entsenden. Von diesen Anforderungen standen der erste und vierte sowie der zweite und dritte Punkt direkt gegeneinander. Eine Erhöhung der Mindestzahl von Synodalen einer Gliedkirche ohne Veränderung der prozentualen Zusammensetzung war nur durch eine Erhöhung der Gesamtmitglieder122 Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche Greifswald vom 16.11.1980 (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 5; Stellungnahme der Provinzialsynode der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes zur „Gemeinsamen Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft“ und zum „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 6; R. Koopmann: Stellungnahme der Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zu den Vorschlägen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die schrittweise Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft unter den Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüssen in der DDR, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 6; 5. Synode der EKU – Bereich DDR – außerordentliche Tagung vom 23. bis 24.5.1981 (M. Becker): Beschluss, 24.5.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 13. 123 Ch. Demke: Niederschrift über die 11. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 1./2.7.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 3; vgl. auch Vorlage der 5. Synode der 3. Tagung des BEK (vgl. Anm. 105), S. 4. 124 Vgl. oben S. 382.

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zahl möglich, wobei die Grenze der Arbeitsfähigkeit schnell erreicht war. Insbesondere von lutherischer Seite wurde aus diesem Grund eine Synode mit 80 bis 100 Mitgliedern, wie sie der Zwischenbericht vorgesehen hatte, abgelehnt. Auf der anderen Seite traf der Grundsatz, dass die Größe nicht zum allein ausschlaggebenden Maßstab gemacht werden solle, die großen Kirchen also zugunsten der kleinen Kirchen verzichten müssten, lediglich die EKU, zu der die drei kleinen Kirchen (Anhalt, Görlitz und Greifswald) gehörten, während die großen lutherischen Kirchen durch den bleibenden Grundsatz der Parität von einem Verzicht zugunsten der kleinen EKU-Kirchen verschont blieben. Damit entstand zu Lasten der beiden großen EKU-Kirchen (Kirchenprovinz Sachsen und Berlin-Brandenburg)125 ein Ungleichgewicht zwischen den großen Kirchen auf EKU- und VELK-Seite. Im Ergebnis sah der veränderte Artikel 10 der Bundesordnung eine Erhöhung der gewählten Mitglieder der Synode von 50 auf 72 Synodale vor. Die EKU- und die VELK-Kirchen entsandten jeweils 36 Synodale. Anhalt und Görlitz wählten je vier Synodale, Greifswald 5, Mecklenburg 7, Thüringen 10, Berlin-Brandenburg 11, Kirchenprovinz Sachsen 12 und Sachsen 19. Die Zahl der von der Konferenz zu berufenden Synodalen wurde von 10 auf 8 verringert, sodass die Synode eine Gesamtgröße von 80 Mitgliedern zählte. Entsprechend dem Vorschlag des Zwischenberichtes sollten von den gewählten und berufenen Synodalen nicht mehr als die Hälfte hauptberuflich im kirchlichen Dienst stehen126 und nicht mehr als ein Drittel ordinierte Theologen sein. Darüber hinaus wurden Berlin-Brandenburg und die Kirchenprovinz Sachsen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich unter den von ihnen gewählten Synodalen mindestens127 jeweils ein Synodaler reformierten Bekenntnisses befindet. Diese Regelung löste den alten Artikel 10 (3) BO ab, nach dem die Konferenz durch entsprechende Berufungen gewährleisten sollte, dass der Synode mindestens zwei Mitglieder reformierten Bekenntnisses angehören.128 125 In den verschiedenen Fassungen des Änderungsgesetzes wurde der prozentuale Anteil dieser beiden Kirchen an der Gesamtzahl der Synodalen kontinuierlich reduziert. Nach der Aufschlüsselung des Diskussionsentwurfes stellte die Kirchenprovinz Sachsen noch 20,00 % der gewählten Synodalen, im Kompromissvorschlag der EKU 18,57 % und in der Endfassung des Änderungsgesetzes nur noch 16,66 %. Für Berlin-Brandenburg sah der Diskussionsentwurf einen Anteil von 18,33 % vor, der EKU-Vorschlag 17,14 % und die Endfassung 15,28 %. Dem gegenüber stellte die sächsische Landeskirche 26,39 %. 126 Im Unterschied zur Bundesordnung von 1969 sah das Änderungsgesetz vor, dass auch der Präses der Synode „nicht hauptberuflich im kirchlichen Dienst stehen“ sollte (Artikel 12 [1]). 127 Dieses „mindestens“ wurde von der Güstrower Bundessynode, die die Endfassung des Änderungsgesetzes feststellte, ergänzt. 128 Diese Neuregelung war bereits im Diskussionsentwurf enthalten und wurde in der Endfassung auf Wunsch des Reformierten Generalkonvents und einiger EKU-Kirchen auch

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Abgesehen vom ersten Modell für das Änderungsgesetz vom März 1980 blieb bei allen Aufschlüsselungen die Parität zwischen EKU- und VELK-Kirchen gewahrt. Diese Parität wurde zwar mehrfach angefragt,129 jedoch ebenso ausdrücklich gefordert.130 Sie schien nicht nur angesichts der Gemeindegliederzahlen der lutherischen und unierten Kirchen gerechtfertigt,131 sondern auch deshalb sinnvoll, weil sie einen Ausgleich zwischen den beiden konfessionellen Zusammenschlüssen schuf und damit deren Zusammenführung erleichtern konnte. Um das Gegenüber der konfessionellen Blöcke allerdings nicht zu verfestigen, wurde der Grundsatz der Parität bei der Sitzverteilung zwar angewandt, jedoch nicht im Änderungsgesetz selbst verankert.132 Gleiches traf für die angestrebte Personenidentität zwischen Bundessynode und EKU- bzw. VELK-Synode zu, an der – wie in der Gemeinsamen Entschließung – ebenfalls festgehalten wurde,133 ohne sie jedoch, um spätere Entscheidungen nicht zu präjudizieren, im Zusammenhang der Übergangsregelungen des Paragrafen 2 ausdrücklich zu erwähnen.134 auf die Stellvertreter ausgedehnt (R. Koopmann: Stellungnahme [vgl. Anm. 122], S. 6; 5. Synode der EKU – Bereich DDR – außerordentliche Tagung vom 23. bis 24.5.1981 [M. Becker]: Beschluss, 24.5.1981 [EZA BERLIN, 101, Nr. 20], S. 13; H. Grüber: Stellungnahme des Reformierten Generalkonvents in der DDR zu der Verwirklichung der verbindlichen Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR, 9.4.1981 [EZA BERLIN, 101, Nr. 20], S. 1). 129 Am deutlichsten wurde die Parität auf der EKU-Synode im Mai 1981 aufgrund eines Antrages aus der Greifswalder Landeskirche in Frage stellt. Die daraufhin unter der Perspektive, „den Gedanken der Parität in die neue Gemeinschaft überhaupt gar nicht mit hinüberzunehmen“, zur Diskussion gestellte Vorlage sah bei 60 gewählten Synodalen ein Verhältnis von 27 zu 33 zugunsten der EKU vor (1. Außerordentliche Tagung der 5. Synode der EKU – Bereich DDR –, 23.–24.5.1981 in Berlin-Weißensee, Tonbandabschrift [EZA BERLIN, 108/99, Nr. 5], S. 89). Sie wurde aufgrund entschiedenen Einspruchs vor allem von W. Krusche abgelehnt: „Wenn sie diesen Gesichtspunkt der Parität aufgeben, können sie das ganze, den ganzen Laden sich ersparen. Darin werden die Lutheraner nicht mitmachen“ (EBD., S. 94; vgl. S. 97 [R. Höppner] und 99). Angesichts dessen hielt auch der Rat der EKU eine „Parität zwischen VELK- und EKU-Mitgliedern in der neu zu bildenden Synode“ als einen „äußersten Kompromiß“ für denkbar (E. Natho/R. Schulze/B. Küntscher: Niederschrift über die 96. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 1.7.1981 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 172]). Allerdings wurde eine Parität nicht nur von der EKU kritisch gesehen. Auch die Synodalpräsidien befürchteten auf ihrer Zusammenkunft am 13./14.6.1981, dass durch den Gedanken der Parität die konfessionelle Differenz stabilisiert würde (vgl. Ch. Demke: Niederschrift über das Präsidientreffen am 13./14.6.1981 in Leipzig, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 41], S. 2). 130 H. Geisler/M. Huhn: Stellungnahme (vgl. Anm. 108), S. 4. 131 Stellungnahme der Generalsynode der VELK in der DDR zu den Vorlagen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 27.6.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 6; Ch. Demke: Niederschrift über die 11. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 1./2.7.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 4. 132 EBD. 133 Vgl. Stellungnahme der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen zum Änderungsgesetz zur Bundesordnung, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20). 134 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe. Untergruppe II (I. Pettelkau): Niederschrift über die Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe – Untergruppe II – am 28.5.1980, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 1; vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung

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Die Verteilung der Mandate auf die einzelnen Landeskirchen wechselte von Entwurf zu Entwurf. Das erste Modell für ein Änderungsgesetz vom März 1980 hatte die im Zwischenbericht geforderte stärkere Berücksichtigung der unterschiedlichen Größe der Gliedkirchen noch relativ konsequent umgesetzt, sodass von 80 gewählten Synodalen Anhalt und Görlitz nur jeweils drei, Sachsen jedoch 22 Synodale in die neue Bundessynode entsenden konnten. Der Diskussionsentwurf veränderte diese Verteilung aufgrund der Verringerung der Gesamtgröße der Synode sowie unter Beachtung der Parität dahingehend, dass Anhalt und Görlitz nur noch jeweils zwei und Greifswald drei Synodale entsandten. Dagegen erhoben die drei genannten EKU-Kirchen allerdings – wie bereits erwähnt – vehement Einspruch und machten geltend, dass es „zum föderativen Charakter einer verbindlichen Gemeinschaft“ gehöre, „daß in der Leitungsstruktur des Zusammenschlusses das Vorhandensein von acht gleichberechtigten Gliedkirchen zu berücksichtigen“ sei. Konkret wurde deshalb eine Mindestzahl von drei Synodalen je Gliedkirche gefordert.135 Obwohl es für möglich gehalten wurde, diese Forderung ohne Vergrößerung der im Diskussionsentwurf festgelegten Zahl von 60 gewählten Synodalen durch Sitzabgabe seitens der großen Kirchen zu erfüllen, schien eine begrenzte Erhöhung der Mitgliederzahl sinnvoll, da sonst die beiden großen EKU-Kirchen – bei bleibender Parität – zu sehr benachteiligt worden wären. Die Endfassung gestand bei gleichzeitiger Erhöhung der Mitgliederzahl insgesamt allen Kirchen im Interesse einer geordneten Beteiligung an der Synodalarbeit mindestens vier Synodale zu und begrenzte die Höchstzahl (Sachsen) auf 19.

Die Festlegungen hinsichtlich der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in Artikel 13 und 14 wurden, obwohl an dieser Stelle zum Teil weitergehende Erwartungen vorhanden waren (konfessionelle Parität,136 Änderung der Regelung zur Wahl des Vorsitzenden u. a.), durch das Änderungsgesetz nur geringfügig korrigiert. Bei ihrer Zusammensetzung standen auch weiterhin ein föderatives Element (paritätische Vertretung der Gliedkirchen) und ein synodales Element nebeneinander, wobei die Zahl der von der Synode zu wählenden Mitglieder von sieben auf neun erhöht wurde. Neu war eine stärkere Berücksichtigung des konfessionellen Elements: Während in der alten Bundesordnung lediglich ein reformierter Berater in der Konferenz vorgeschrieben war, musste nach dem Ändeder Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 5. 135 Stellungnahme der Provinzialsynode der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes zur „Gemeinsamen Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft“ und zum „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 6; Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche Anhalts (G. Kootz) zur „Gemeinsamen Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft“, 24.4.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 4; vgl. Stellungnahme der Landessynode der Ev. Landeskirche Greifswald vom 16.11.1980 (PRIVATARCHIV ZEDDIES), S. 5. 136 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 131), S. 4.

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rungsgesetz von der Synode mindestens ein Mitglied reformierten Bekenntnisses als stimmberechtigtes Vollmitglied in die Konferenz entsandt und dafür Sorge getragen werden, dass seine Stellvertretung ebenfalls durch ein reformiertes Mitglied gesichert sei. Strittiger als die Regelungen zur KKL insgesamt waren Zusammensetzung und Kompetenzen ihres Vorstandes. Bereits der Zwischenbericht hatte sich außer Stande gesehen, an dieser Stelle zu entscheiden, und dementsprechend mehrere Modelle nebeneinander gestellt. Nach wechselvoller Diskussion entschied sich die GVG schließlich dafür, die Kompetenzen des Vorstandes nicht zu erweitern, sondern lediglich seine Mitgliederzahl zu erhöhen. Ihm sollten neben dem Vorsitzenden der Konferenz und seinen beiden Stellvertretern sowie dem Präses nicht mehr nur ein weiteres Mitglied der Konferenz, sondern drei weitere Mitglieder angehören, was mit der zu erwartenden Arbeitsbelastung begründet wurde. Weitere Strukturveränderungen, die zwischenzeitlich diskutiert worden waren (Veränderungen im Sekretariat,137 Bildung eines Ständigen Synodalausschusses138), wurden im Änderungsgesetz nicht aufgegriffen. Während Paragraf 3 des Änderungsgesetzes lediglich die Festlegungen zu seiner Verkündung enthielt, sah Paragraf 2 (also nicht als Teil der in Paragraf 1 geänderte Bundesordnung) noch eine Übergangsregelung für die Zeit bis zur endgültigen Bildung der neuen Gemeinschaft vor, die die direkte Übernahme von Bundesregelungen durch die in dieser Übergangszeit noch weiter bestehenden konfessionellen Zusammenschlüsse ermöglichte.

6.1.4. Die Arbeit an den „Grundartikeln“ Während der Grundsatzbeschluss zum weiteren Vorgehen sowie ein Kirchengesetz, das konkret festlegte, wie im Rahmen des ersten Schrittes die Ordnung des Bundes geändert werden sollte, unmittelbar notwendig waren, um die nächsten Maßnahmen einzuleiten, erschien eine Beschreibung des Selbstverständnisses des neuen Zusammenschlusses über das hinaus, was 137 Auf eine Veränderung des Artikels 17, die noch im Diskussionsentwurf enthalten war, wurde angesichts der geplanten Bildung einer gemeinsamen Dienststelle, die erst abzuwarten sei, verzichtet. 138 Die Bildung eines solchen Ständigen Synodalausschusses aus den synodalen Mitgliedern der Konferenz und dem Präses der Synode war von sächsischer Seite angeregt worden (H. Geisler/M. Huhn: Stellungnahme [vgl. Anm. 108], S. 6), fand jedoch angesichts des zu erwartenden Kompetenzenstreites mit der Konferenz kaum Zustimmung (Niederschrift Pettelkaus [vgl. Anm. 134], S. 2; vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 5).

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in Artikel 1 der Gemeinsamen Entschließung formuliert worden war, erst einmal nicht in gleicher Weise dringlich. Einerseits war eine solche Verständigung nach dem Zeitplan der Gemeinsamen Entschließung erst für den zweiten Schritt von Bedeutung; andererseits wurden von einer solchen Formulierung auch keine völlig neuen theologischen Einsichten erwartet, sondern vielmehr eine Bündelung dessen, was bisher – insbesondere im Gefolge der Leuenberger Konkordie – über die Gemeinschaft der bekenntnisbestimmten Landeskirchen in der DDR gedacht worden war. Dementsprechend wurden die Arbeiten an den Grundartikeln und Grundbestimmungen innerhalb der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe erst einmal lediglich bis zu einem „Modellversuch“ vorangetrieben, der zeigen sollte, „wie die Aussagen über das Selbstverständnis und die Aufgaben der künftigen Gesamtkirche in einer Verfassung oder Grundordnung aussehen könnten“.139 Dieser von der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vorgelegte „Modellversuch“ ging auf Vorarbeiten der Untergruppe III (Selbstverständnis) zurück, die einen auf der Grundlage der Eisenacher Empfehlungen, des Zwischenberichtes der GVG, inzwischen vorliegender Synodalvoten sowie eigener Erwägungen erarbeiteten Entwurf140 auf ihrer Zusammenkunft am 1. September 1980 diskutiert, korrigiert und zur Vorlage im Plenum der GVG verabschiedet hatte.141 Aus Zeitgründen konnte diese Vorlage auf der nächsten Zusammenkunft der GVG am 9. September allerdings weder diskutiert noch vorgestellt werden, sondern wurde auf die im Zusammenhang der Leipziger Bundessynode vorgesehene Sitzung vertagt.142 Dort erfuhr sie noch einmal eine Überarbeitung143 und wurde in dieser überarbeiteten Fassung am Nachmittag von Werner Leich der Bundessynode vorgestellt, die dazu allerdings weder Stellung nahm noch eine ausführliche Aussprache führte. Der Umfang dieses auf der Bundessynode in Leipzig vorgestellten „Modellversuchs“ beschränkte sich von Anfang an auf die „Grundartikel“, die allerdings in ihrer inhaltlichen Reichweite gegenüber dem Vorschlag der Eisenacher Empfehlungen deutlich erweitert worden waren. Während nach II 3 der Empfehlungen „die besonderen Merkmale der Vereinigten Evangelischen Kirche im

139 W. Leich/H. Zeddies: Sachstandsbericht zur Arbeit an den Grundartikeln, 10.9.1981, S. 1 (PRIVATARCHIV ZEDDIES). 140 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, Entwurf der Untergruppe III: Grundartikel 1.9.1980 (EBD.). 141 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, Vorlage der Untergruppe III zur Sitzung am 9.9.1980, Grundartikel (Entwurf), undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 97). 142 Ch. Demke: Niederschrift über die 6. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 9.9.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 8. 143 Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vom 23.9.1980 für die Formulierung der Grundartikel (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768 – siehe unten Dok. 12); vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 7. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 22./23.9.1980 in Leipzig, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 5 f.

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Blick auf ihr Selbstverständnis“ nicht zu den „Grundartikeln“, sondern zu den nachfolgenden „Grundbestimmungen“ zählten, wurden sie nunmehr weitgehend den Grundartikeln zugerechnet, während in den Grundbestimmung nur noch zusätzliche „Folgerungen aus den Grundsatzaussagen der Grundartikel gezogen“ werden sollten.144 Infolge dessen umfassten die Grundartikel des Modellversuchs im Unterschied zu denen der Eisenacher Empfehlungen auch Formulierungen zum gemeinsamen Verständnis des Evangeliums, zum Verhältnis der VEK zu den reformatorischen Bekenntnissen und zur Barmer Theologischen Erklärung sowie eine Beschreibung ihrer Position innerhalb der ökumenischen Gemeinschaft und ihrer Stellung zur Gesellschaft. Nachfolgende „Grundbestimmungen“ wurden dabei zwar vorausgesetzt, jedoch nicht ausgeführt, sondern lediglich durch eine Einleitungsformulierung und einige Stichpunkte angedeutet: „Anerkennung der Ordination“, „Anerkennung der Amtshandlungen“, „Interzelebration“, „Besondere Gemeinschaft“ und „Möglichkeit der Angliederung“ bekenntnisverwandter Gemeinschaften.

Das theologische Fundament des „erstrebten Zusammenschlusses der Evangelischen Kirchen in der DDR“145 sollte nach Artikel I (Absatz 1) in der zwischen ihnen festgestellten „Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums und in der Verwaltung von Taufe und Abendmahl“ entsprechend CA VII bestehen, wobei allerdings an dieser Stelle – im Unterschied zu II 4 – offen gelassen wurde, wann und wo diese Feststellung getroffen worden war und wie weit die festgestellte Übereinstimmung „de doctrina evangelii“ konkret reichte. Als Zweites wurde dieser theologischen Grundlage die Aussage an die Seite gestellt, dass die in der VEK zusammengeschlossenen Gliedkirchen „die gemeinsamen Aufgaben in verbindlicher Zusammenarbeit“ wahrnehmen. Obwohl diese Aussage innerhalb des ersten Absatzes keine besondere Betonung erfuhr, sollte sie auf das zweite Element hinweisen, mit dem 1976 in Züssow – neben dem gemeinsam gewonnenen Grundverständnis des Wortes Gottes – ein Kirchesein des Bundes begründet worden war: die faktische Zeugnis- und Dienstgemeinschaft. Aufgrund des damit angedeuteten Vollzugs gemeinsamen Kircheseins vermochten die Gliedkirchen der angestrebten VEK sich nicht nur gegenseitig als Kirche anzuerkennen, sondern waren innerhalb der VEK gemeinsam ebenfalls „Kirche“. Dabei beschrieb der letzte Satz dieses Kirchesein entsprechend der rechtlichen Selbständigkeit der Gliedkirchen und ihrer (unterschiedlichen) Bekenntnisbestimmtheit im Sinne einer „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“.146 144 W. Leich: Erläuterung des Vorschlages der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die Formulierung der Grundartikel, September 1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 1. 145 Der Titel „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ wurde wiederum ausdrücklich – im Entwurf der GVG noch deutlicher als in den Vorarbeiten der Untergruppe III – als „vorläufiger Arbeitstitel“ verstanden und entsprechend gekennzeichnet (vgl. Ch. Demke: Niederschrift [vgl. Anm. 143], S. 5; weiterhin oben S. 388, Anm. 67). 146 Vgl. dazu oben S. 381 sowie W. Leich: Erläuterung (vgl. Anm. 144), S. 1.

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Der zweite Absatz des ersten Artikels versuchte die im ersten Absatz angesprochene Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums in seinem Zentrum, dem Bekenntnis zu Jesus Christus, näher zu umreißen, wobei allerdings von Anfang an unterschiedliche Vorstellungen über den Umfang der an dieser Stelle vorzunehmenden Konkretisierung des gemeinsamen Evangeliumsverständnisses bestanden.147 Artikel II beschrieb unter Berücksichtigung des „Zusammenhangs von Schrift und Bekenntnis“ in einem Dreischritt die gemeinsame Bindung der Vereinigten Evangelischen Kirche an die Heilige Schrift (Absatz 3), die gemeinsame Bindung an die altkirchlichen Bekenntnisse und „unter Einbeziehung der Leuenberger Konkordie . . . die unterschiedliche Bindung an die Bekenntnisse der Reformation“ (Absatz 4).148 Dabei wurde der unterschiedlichen Bindung der Gliedkirchen an die Bekenntnisschriften der Reformation das gemeinsame Verständnis des Evangeliums, das nunmehr unter Hinweis auf die Leuenberger Konkordie konkretisiert wurde, an die Seite gestellt und daraus die Befähigung „zur Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst“ gefolgert sowie entsprechend Artikel I die Möglichkeit, „mit weiter bestehenden Bekenntnisunterschieden in einer Kirche zu leben“.149 Die Verpflichtung, das gemeinsame Verständnis des Evangeliums entsprechend Artikel 38 der Leuenberger Konkordie weiter zu vertiefen, deren Aufnahme an dieser Stelle nahe gelegen hätte, blieb – möglicherweise weil eine entsprechende Aussage in den Grundbestimmungen erwartet wurde – unerwähnt. Das Kernstück des zweiten Artikels bildete der Absatz 5, der im Unterschied zum vorangegangenen Absatz 4 nicht mehr die unterschiedliche Bekenntnisbestimmtheit der Gliedkirchen im Blick hatte, sondern die Frage nach der Bekenntnisbestimmtheit der VEK selbst aufwarf. Bei der Klärung dieser Frage ging die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe einerseits von der inzwischen von EKU und VELK gleichermaßen betonten Voraussetzung 147 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 8. – Später ergänzt wurden der eschatologische Aspekt des kommenden Herrn, durch den Gott seine Schöpfung erneuert (Gemeinsame Vorbereitungsgruppe [H. Zeddies]: Niederschrift über die Sitzung der Untergruppe III – 1.9.80 in Leipzig, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 19], S. 2), sowie der Titel „menschgewordener Sohn Gottes“ (Ch. Demke: Niederschrift [vgl. Anm. 143], S. 5). 148 W. Leich: Erläuterung (vgl. Anm. 144), S. 2. 149 Die EKU-Synode vom Mai 1980 hatte gefordert, diese Folgerungen auf eine breitere Basis zu stellen, und dabei auf die Grundbestimmungen der Ordnung des Bundes, die Ergebnisse der Lehrgespräche, die Zustimmung zur Leuenberger Konkordie, die Ausarbeitung „Zwischen Konkordie und Kirche“ sowie die Beschlüsse der Bundessynode 1976 verwiesen (vgl. M. Becker: Stellungnahme der Synode der EKU – Bereich DDR – zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung vom 28.1.1979, 18.5.1980 [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 111], S. 2 f.).

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aus, dass der neue Zusammenschluss weder eine „erweiterte EKU“ noch eine „erweiterte VELK“ sein könne, sondern ein „Zusammenschluß eigener Art“, sodass sich die Identifikation mit einem vorhandenen Bekenntnisstand verbiete. Andererseits wollte sie aber auch eine bekenntnismäßige Indifferenz der VEK, die weder von lutherischer Seite akzeptiert noch von der EKU befürwortet worden wäre, ausschließen.150 Die von der GVG angebotene Klärung erfolgte – wie bereits in den Eisenacher Empfehlungen – auf dem Wege einer Beschreibung der Intention der Bekenntnisse und der Aufnahme ihrer Intention innerhalb der VEK. Vorangestellt wurde dabei die Einsicht, dass die Bekenntnisse aufgrund ihrer „Konzentration auf das Evangelium vom Heil in Jesus Christus . . . Wegweiser zum Verständnis der Heiligen Schrift“ und Hilfen zu „aktuellem Bekennen“ seien. Diesem Anliegen der Bekenntnisse werde die VEK wiederum dadurch gerecht, dass sie „bei bleibender Bindung der Gliedkirchen an ihre Bekenntnisse . . . mit ihren Gliedkirchen das Hören auf die bei den jeweils anderen geltenden Bekenntnisse als Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen“ verstehe.151 Insofern – also im Verständnis der jeweils anderen Bekenntnistradition als Hilfe in dem genannten Sinne – habe die VEK an der „Bekenntnisbestimmtheit ihrer Gliedkirchen“ teil. Damit war – aufgrund lutherischer Vorbehalte – im Vergleich zu den Eisenacher Empfehlungen, deren Artikel II 3.3 hinsichtlich der bei „den jeweils anderen in Geltung stehenden Bekenntnisse“ noch von einer „unerläßlichen [!] Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen“ gesprochen hatte, eine deutliche Veränderung vorgenommen worden. Auf sie wies der Thüringer Landesbischof Leich bei seinen Erläuterungen des Entwurfs vor der Bundessynode in Leipzig auch pointiert hin: „Die unterschiedlichen Bekenntnisse der Reformation sind nicht mehr normativ aufeinander bezogen. Es wird nicht mehr gesagt, daß die lutherischen Bekenntnisse nur im Mithören der reformierten und die reformierten nur im Mithören der lutherischen echte Orientierungshilfe und Wegweisung zur Mitte der Schrift sein können.“152 Auf der anderen Seite wurde allerdings auch nicht – was im Zwischenbericht noch als Anliegen der lutherischen Kirchen vermerkt worden war – „die überwiegend lutherische Prägung aller Gliedkirchen ausgesprochen“.153 Insofern war die Formulierung ein Kompromiss, der die Hilfefunktion der jeweils anderen Bekenntnistradition zwar anerkannte, jedoch keine direkte Verpflichtung aussprach, diese Hilfe auch in Anspruch zu nehmen. Damit blieb, obwohl von 150 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift über die 5. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 29.5.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 6; Gemeinsame Vorbereitungsgruppe (H. Zeddies): Niederschrift über die Sitzung der Untergruppe III – 1.9.80 in Leipzig, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 2. 151 Vgl. Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 150), S. 7 (H. Zeddies). 152 W. Leich: Erläuterung (vgl. Anm. 144), S. 2. 153 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zwischenbericht, 13.3.1980 (EZA BERLIN, 101, Nr. 18), S. 3.

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einer Teilhabe an der Bekenntnisbestimmtheit der Gliedkirchen gesprochen wurde, offen, durch welche Bekenntnistradition sich die VEK und ihre Gliedkirchen tatsächlich „bestimmen“ lassen würden.

Als letzter Absatz im zweiten Artikel folgte die Bejahung der Theologischen Erklärung von Barmen „als Ausdruck gemeinsamen Bekennens von Vertretern lutherischer, unierter und reformierter Kirchen und Gemeinden, das in den Erfahrungen des Kirchenkampfes zur Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre erforderlich wurde und für das heutige Bekennen richtungweisend bleibt“ (Absatz 6). Mit dieser „funktionalen Bedeutung“154 der Barmer Theologischen Erklärung sollte angesichts ihrer in EKU und VELK unterschiedlichen Geltung deutlich gemacht werden, „inwiefern die theologische Erklärung von Barmen für alle von Bedeutung“ sei.155 Dabei wurde im Gegensatz zur Bundesordnung (Artikel 1 [3]) und den Eisenacher Empfehlungen (II 3.4) die Barmer Theologische Erklärung zwar ausdrücklich genannt, was als Präzisierung gedacht war,156 und ihre „richtungweisende“ Bedeutung für „heutiges Bekennen“ hervorgehoben, dafür jedoch auf ihre inhaltlichen Aussagen nicht näher Bezug genommen und mit der abschließenden Feststellung, dass die VEK und ihre Gliedkirchen „einander zur gemeinsamen Abwehr von Irrlehre“ helfen, bei einigen der unbeabsichtigte Eindruck erweckt, als sei das in Barmen praktizierte gemeinsame Bekennen vor allem negativ – zur Abwehr von Irrlehre – von Bedeutung. Artikel III formulierte den Auftrag der VEK „zur Verkündigung des Evangeliums und zur Verwaltung der Sakramente“ unter Hinweis auf das allgemeine Priestertum (Absatz 7) und beschrieb ihr Verhältnis zur ökumenischen Gemeinschaft (Absatz 8). Ein eigener Passus betraf die Stellung der VEK in der Gesellschaft. Dieser neunte Absatz folgerte aus dem Grundsatz, dass das Evangelium allen Menschen gelte, für die VEK nicht nur die Notwendigkeit, „es jedermann zu bezeugen“ und „die Gesellschaft, in der sie mit ihren Gliedkirchen und Gemeinden lebt, als den ihr von Gott zugewiesenen Ort zur Bewährung ihres Glaubens, ihrer Hoffnung und ihrer Liebe“ anzusehen, sondern auch die Förderung des Bemühens „der Christen, sich gemeinsam mit Menschen anderer Überzeugungen für das Wohl der Menschen, für ihre Grundrechte und für eine Gesinnung des Friedens einzusetzen“. Dabei gelte ihre „besondere Aufmerksamkeit . . . denen, die Not leiden oder in ihrem Gewissen bedrängt sind“. Der Inhalt der für die Endfassung vorgesehenen Grundbestimmungen wurde im Modellentwurf nur noch angedeutet. Eine vorangestellte Einleitung begründete die Formulierung besonderer Grundbestimmungen noch 154 W. Leich: Erläuterung (vgl. Anm. 144), S. 2. 155 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 150), S. 6. 156 Ch. Demke: Niederschrift über die 7. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 22./23.9.1980 in Leipzig (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 6.

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einmal mit der bereits mehrfach festgestellten „Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung“, die auch „in Lehre, Leben und Ordnung der Vereinigten Evangelischen Kirche wirksam“ werde. Nachdem auf die „volle Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft“ bereits zuvor hingewiesen worden war, folgte die oben genannte Aufzählung von fünf Einzelpunkten, an denen diese Verbindung von grundsätzlicher Übereinstimmung einerseits sowie Leben und Ordnung andererseits zum Ausdruck komme. Obwohl die Grundartikel erst in einem Modellversuch vorlagen und die Landeskirchen und Zusammenschlüsse dementsprechend von der GVG nicht ausdrücklich um eine Stellungnahme zum Grundartikelentwurf gebeten worden waren, nahmen einige von ihnen im Rahmen der Diskussion der anderen beiden Vorlagen auch zum Entwurf der Grundartikel Stellung. Wie diese fand auch der Entwurf der Grundartikel in keinem Fall uneingeschränkte Zustimmung, sondern rief im Einzelnen teilweise gegensätzliche Änderungsvorschläge hervor. Während Mecklenburg den zweiten Absatz des Entwurfes mit seinem ausgeführten Bekenntnis zu Jesus Christus angesichts der nachfolgenden Aussagen für entbehrlich hielt,157 wurde von einigen EKU-Kirchen eine demgegenüber klarere und noch umfassendere Ausformulierung des gemeinsamen Evangeliumsverständnisses gefordert.158 Aufgrund einer tatsächlich als umfassender angesehenen Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums wurde die Formel „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“ von Berlin-Brandenburg als schwer verständlich kritisiert159 und von der Kirchenprovinz Sachsen einfach durch „Kirche“ ersetzt.160 Nahezu alle Stellungnahmen gingen auf die Absätze zur Bekenntnisbestimmtheit ein. Während einige Voten hier allerdings lediglich einige Ergänzungen und Korrekturen vornahmen, empfahl Berlin-Brandenburg eine generelle Überprüfung der Absätze 3 bis 5,161 wohingegen Mecklenburg wiederum 157 Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs zum Vorschlag für die Formulierung der Grundartikel vom 22.3.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 1. 158 Bereits F. Winter in seiner Ausarbeitung zu den theologischen Grundlagen der EKU (vgl. oben S. 290) sowie M. Becker: Stellungnahme (vgl. Anm. 149), S. 3; ebenso R. Koopmann: Stellungnahme der Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zu den Vorschlägen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die schrittweise Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft unter den Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüssen in der DDR, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 8; 5. Synode der EKU – Bereich DDR – außerordentliche Tagung vom 23. bis 24.5.1981 (M. Becker): Beschluss, 24.5.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 14 f. 159 R. Koopmann: Stellungnahme (vgl. Anm. 158), S. 8. 160 Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 27. bis 29.4.1981: Beschluss (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 11. 161 R. Koopmann, Stellungnahme (vgl. Anm. 158), S. 9; vgl. Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 27. bis 29.4.1981: Beschluss (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 10.

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für eine Straffung eintrat.162 Einspruch von EKU-Seite rief der Verzicht auf eine materiale Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung hervor, die auch „in ihrem positiven theologischen Gehalt genannt werden“ sollte, da die Grundartikel einer VEK „nicht hinter den Aussagen der Bundesordnung zu Barmen zurückbleiben“ dürften, in denen noch von den „in Barmen getroffenen Entscheidungen“ die Rede gewesen war.163

Bedenken grundsätzlicher Art wurden von reformierter Seite erhoben, wobei die Vorbehalte nicht nur den Modellversuch zu den Grundartikeln, sondern die gesamte Richtung betrafen, in die sich die Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen bewegte und die die ursprünglich erwartete Berücksichtigung der reformierten Gemeinden und der reformierten Tradition bei der Bildung einer engeren Gemeinschaft nicht mehr zu gewährleisten schien.164 Nachdem alle synodalen Voten zu den Entwürfen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vorlagen, stellte die GVG – trotz des Votums der sächsischen Landeskirche, die eine „Einigung“ in der Bekenntnisfrage als Voraussetzung für den in der Gemeinsamen Entschließung vorgesehenen zweiten Schritt bezeichnet hatte165 – fest, „daß in keiner Stellungnahme eine Veränderung der Gemeinsamen Entschließung dahingehend gefordert worden“ sei, „daß der Beschluß über die Grundartikel vor dem 2. Schritt liegen“ müsse. Entsprechend wurde die Untergruppe III lediglich mit einer Auswertung der Stellungnahmen und – soweit erforderlich – mit einer weiteren Erläuterung des vorliegenden Entwurfes zur Beseitigung von Missverständnissen beauftragt.166 Daraufhin legte die Untergruppe III auf der gemeinsamen Tagung der GVG mit den drei Leitungsgremien am 10. September 1981 keinen neuen Formulierungsvorschlag für die Grundartikel oder einen ausgeführten Entwurf der Grundbestimmungen

162 Stellungnahme der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs zum Vorschlag für die Formulierung der Grundartikel vom 22.3.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 1. 163 5. Synode der EKU – Bereich DDR – außerordentliche Tagung vom 23. bis 24.5.1981 (M. Becker): Beschluss, 24.5.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 15; vgl. R. Koopmann, Stellungnahme (vgl. Anm. 158), S. 9. 164 Diese Vorbehalte konnten auch in einem Gespräch zwischen Vertretern der Vorbereitungsgruppe und Vertretern der reformierten Gemeinden am 18. März 1981 nicht ausgeräumt werden (vgl. Ch. Demke/H. Zeddies: Niederschrift über das Gespräch mit Vertretern der reformierten Gemeinden am 18.3.1981 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 20]; H. Grüber: Stellungnahme des Reformierten Generalkonvents in der DDR zu der Verwirklichung der verbindlichen Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR, 9.4.1981 [EZA BERLIN, 101, Nr. 20]). 165 H. Geisler/M. Huhn: Stellungnahme der Evang.-Luth. Landessynode Sachsens zum Entwurf der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für eine „Gemeinsame Entschließung“ und dem Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für ein „Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes“, 24.3.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 3. 166 Ch. Demke: Niederschrift über die 11. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 1./2.7.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769), S. 6.

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vor, sondern einen „Sachstandsbericht zur Arbeit an den Grundartikeln“167 und vertrat darüber hinaus die „Auffassung, daß sie jetzt selbst nicht weiterarbeiten sollte, sondern die Weiterarbeit der in der Gemeinsamen Entschließung vorgesehenen Gruppe zu übertragen“ sei. Dem wurde nicht widersprochen, vielmehr beschlossen, den gegebenen Sachstandsbericht auch der wenig später in Güstrow tagenden Bundessynode vorzulegen.168

6.1.5. Der Beschluss der GVG zur „besonderen Gemeinschaft“ War auf der gemeinsamen Beratung der Untergruppen I und II am 9. Juli 1980 noch die Erwartung ausgesprochen und im Protokoll festgehalten worden, dass die Untergruppe IV zur nächsten Zusammenkunft der GVG hinsichtlich der Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft „Modelle“ vorlegen werde,169 trat die Frage der „besonderen Gemeinschaft“ in der Perspektive der GVG aufgrund der Arbeit an der „Gemeinsamen Entschließung“ und dem „Änderungsgesetz“ erst einmal in den Hintergrund. Weder auf ihrer 6. Sitzung am 9. September noch auf ihrer 7. Beratung am 22./23. September (im Zusammenhang der Bundessynode in Leipzig) wurde diese Frage – abgesehen von dem knappen Artikel 3 der Gemeinsamen Entschließung – angesprochen, woraufhin wiederum die Untergruppe IV ein für den 10. Oktober vorgesehenes Treffen „im gegenseitigen Einvernehmen“ absagte.170 Zur Vorbereitung des nunmehr für die Sitzung der GVG am 11. November eingeplanten Sachstandsberichts der Untergruppe wurde lediglich eine kurze Vorbesprechung – ohne die westlichen Gäste – für notwendig gehalten und die nächste Vollsitzung der Untergruppe IV erst für Januar 1981 – also nach sieben Monaten Pause – in Aussicht genommen. Der von Waitz am 11. November innerhalb der GVG vorgestellte „Entwurf für eine Regelung und Arbeitsweise einer (Gemeinsamen Beratungsgruppe)“ in der Fassung vom 30. Mai 1980 (also ohne Lingners nachträgliche Korrekturen) stieß in der GVG – nachdem er bereits vom Rat der EKU abgelehnt worden war171 – ebenfalls vor allem auf Bedenken und Vorbehalte. Die Kritik betraf sowohl die Aufgabenbeschreibung der „Be167 W. Leich/H. Zeddies: Sachstandsbericht zur Arbeit an den Grundartikeln, 10.9.1981 (PRIVATARCHIV BÖTTCHER). 168 A. Schönherr/M. Stolpe/E. Natho/J. Rogge/H. Rathke/H. Zeddies/Ch. Demke: Niederschrift über die außerordentliche gemeinsame Tagung der KKL, des Rates der EKU und der Kirchenleitung der VELK DDR am 10.9.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 4. 169 H.-M. Harder/M. Stolpe: Niederschrift über die Gemeinsame Beratung der Untergruppen I und II am 9.7.1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 19), S. 4. 170 Sekretariat des BEK (Ch. Demke) an Präsident Kraske/Oberkirchenrat Lingner/Oberkirchenrat Schmale: Betr. Untergruppe IV, 29.10.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 171 Siehe oben S. 339.

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ratungsgruppe“ als auch damit zusammenhängend ihr Verhältnis zu der daneben und darüber hinaus weiterhin wahrgenommenen besonderen Gemeinschaft, wobei der betreffende Absatz 5 des Entwurfs mit der dort vorgesehenen Möglichkeit, Arbeitsgruppen bzw. theologische Konvente einzusetzen, allgemein keine Zustimmung fand. Wie bereits im Zusammenhang der Diskussion über Artikel 3 der Gemeinsamen Entschließung wurde wiederum eine Grundsatzformulierung zur besonderen Gemeinschaft in deutlicher Anlehnung an Artikel 4 (4) der Bundesordnung sowie an Artikel II 3.8 der Eisenacher Empfehlungen gefordert.172 Weiterhin sei – darauf aufbauend – eine flexible Beschreibung der Partnerschaftsbeziehungen notwendig, die sowohl dem Fortbestand besonderer EKU-Aktivitäten (z. B. gemeinsame Ratssitzungen)173 Rechnung trage als auch eine Einbeziehung anderer Gruppen (z. B. Konsultationsgruppe)174 sowie weiterer Aktivitäten175 in eine als Gemeinschaftsaufgabe wahrgenommene „besondere Gemeinschaft“ ermögliche. Diese notwendige Flexibilität schien am besten ebenfalls im Rahmen eines schrittweisen Vorgehens gewährleistet, bei dem die Gemeinsamkeit in der Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft jeweils dem erreichten Grad an BEK-interner Gemeinsamkeit angepasst werden könnte. Analog zur allgemeinen Diskussion über das weitere Vorgehen wurde dabei zwar übereinstimmend am Fernziel einer gemeinschaftlichen Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft festgehalten, hinsichtlich der Schrittfolge und des Tempos kamen jedoch auch in diesem Zusammenhang unterschiedliche Vorstellungen der EKU-Vertreter einerseits und der VELK-Vertreter andererseits zum Ausdruck. Zu diesem Grunddissens trat die ebenfalls zwischen EKU und VELK kontroverse Frage, ob und wie das Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes in die Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft durch einen künftigen Zusammenschluss integriert werden könne. Während die EKU-Seite eine den anderen Ost-West-Aktivitäten entsprechende Regelung erwartete,176 lehnte die lutherische Seite dies ab, da es beim Nationalkomitee nicht in erster Linie um die Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ mit den Kirchen in der Bundesrepublik gehe, sondern um die Wahrnehmung umfassenderer ökumenischer Kontakte.177 Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen diskutierte die GVG vor allem die Zusammensetzung einer künftigen Beratungsgruppe, wobei eine paritätische Besetzung Ost/West allgemein als sinnvoll angesehen wurde. 172 173 174 175 176 177

Vgl. [Ch. Demke]: GVG, 11.11.1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 2 (K. Domsch). EBD., S. 2 (W. Krusche). EBD., S. 1 (E. Natho). EBD., S. 2 (H. Zeddies). EBD., S. 2 (W. Krusche). EBD., S. 3 (H. Zeddies).

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Allerdings erschien eine Beteiligung von nur jeweils acht Vertretern als zu niedrig, ohne dass man sich auf eine Alternative zu einigen vermochte. Während die einen an 10 bis 12 Beauftragte aus jedem Bereich dachten,178 gingen andere von einer Obergrenze von jeweils 16 Vertretern aus.179 Am Ende der Diskussion stand ein umfangreicher Auftrag an die Untergruppe IV zur Überarbeitung des von ihr vorgelegten Entwurfes: „Die Untergruppe IV wird beauftragt, bis zur nächsten Vollsitzung (5.2.81) eine Überarbeitung vorzunehmen, die ein prozessuales Vorgehen in den Blick faßt, Regelungen vorsieht, die bald praktiziert werden können und auf künftige Lösungen hinweist.“180

Gedacht war dabei einerseits an ein Grundsatzpapier, das Artikel 4 (4) der Bundesordnung sowie die Eisenacher Empfehlungen stärker berücksichtigte und damit die Grundlage für das weitere Vorgehen bilden konnte, sowie andererseits an eine jeweils modifizierbare Verfahrensregelung, in der die angestrebte Neuordnung der Beratergruppe zu beschreiben und insbesondere die Frage ihres Verhältnisses zu anderen Aktivitäten der besonderen Gemeinschaft zu klären war.181 Angesichts dieses Arbeitsauftrages wartete die Untergruppe IV mit ihrer nächsten Zusammenkunft nicht, wie ursprünglich vorgesehen, bis Januar 1981, sondern vereinbarte bereits im Zusammenhang der Plenarsitzung vom 11. November als nächsten Termin den 10. Dezember 1980.182 Auf dieser Zusammenkunft, bei der der Redakteur des von der GVG zurückgewiesenen Papiers (Lingner) wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht zugegen war, erläuterte Waitz noch einmal den Arbeitsauftrag der GVG vom 11. November und führte dabei aus, dass bis zur nächsten Zusammenkunft der GVG am 5. Februar von der Untergruppe eine Vorlage zur Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft zu erstellen sei, „die den Prozeßcharakter wiedergibt und zwischen Grundaussagen und durch eine Geschäftsordnung zu regelnden Sachverhalten unterscheidet“.183 Mit der Erarbeitung eines solchen Entwurfs wurde Waitz selbst in Verbindung mit Rogge beauftragt (beide EKU). Die 178 EBD., S. 3 (K. Domsch). 179 EBD., S. 3 (M. Stolpe). 180 Ch. Demke/M. Stolpe: Niederschrift über die 8. Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 11. November 1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 2. 181 EBD. 182 [Ch. Demke]: GVG, 11.11.1980 (EZA BERLIN, 688, Nr. 94), S. 5. 183 Ch. Demke: Vermerk über die Sitzung der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am [20.] Dezember 1980 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20). – Bei dem im Protokoll angegebenen Datum, 20. Dezember, muss es sich, wie aus anderen Unterlagen hervorgeht, um einen Schreibfehler handeln. Die Beratung fand am 10. Dezember statt. Zwei Beratungen, am 10. und am 20. Dezember, sind nahezu auszuschließen.

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Endredaktion dieser Vorlage für die GVG sollte dann in der Untergruppe IV am 30. Januar erfolgen. Für den von Waitz/Rogge zu erstellenden Entwurf wurden in der weiteren Diskussion noch einige Gesichtspunkte benannt, wobei ausführlich die von der GVG am 11. November aufgeworfene Frage der „Größe des Gremiums“ zur Sprache kam.184 Nach einem Bericht Lingners, für den er sich auf Schmale als Gewährsmann berief, war diese „Sitzung der Untergruppe mit Spannungen geladen“ gewesen. Demke hätte der EKU vorgeworfen, „sie habe gegen ausdrückliche Bitten der GVG mit der Neukonstituierung eines theologischen Ausschusses die erklärten Ziele nach verbindlicher Gemeinsamkeit im Bereich der Kirchen unterlaufen“.185 Aus Protest habe sich Demke diesmal geweigert, den von der GVG geforderten „Entwurf für die Ordnung einer künftigen Beratergruppe zu erarbeiten und vorzulegen“, und Rogge aufgefordert, seinerseits eine „Vorlage zu erarbeiten und zu präsentieren“.186 Lingner, der bis dahin durch die Umsetzung der Diskussionsergebnisse in entsprechende Vorlagen die Arbeit der Untergruppe und ihre Ergebnisse entscheidend mitgeprägt hatte, stellte diesen Sachverhalt Hammer gegenüber entsprechend richtig: „Sie [sc. Hammer] wissen – natürlich war sich Dr. Demke dessen auch bewußt – daß solche Vorarbeiten von mir erstellt werden.“187 Freilich war Lingner niemals allein, sondern stets zusammen mit Demke von der Gruppe um die entsprechenden Arbeiten gebeten worden, wobei es Demkes Entscheidung gewesen war, Lingner weitgehend freie Hand zu lassen. Die sich daraus ergebende Folgerung, dass die Beauftragung an Waitz und Rogge auch für ihn ein (möglicherweise sogar beabsichtigtes) Ende der bisherigen Praxis bedeutete, sah Lingner nicht. Vielmehr ging er davon aus, dass seine Überarbeitung vom 20. Juni,188 obwohl diese in der Untergruppe IV gar nicht diskutiert worden war, die Grundlage für die weitere Arbeit bilden werde und verabredete eine Verständigung darüber mit Präsident Hammer für die Klausurtagung der EKD-Kirchenkanzlei in Klein-Sünteln (13.–15. Januar 1981).189 Des Weiteren sandte er gleich lautende Schreiben an die beiden anderen mitarbeitenden Gäste, P. Kraske und K. Schmale, in denen er ihnen mitteilte, dass „entsprechend früherer Absprachen in der Untergruppe IV . . . wir [!] unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Sitzung der GVG am 11. November 1980 das bisherige Ergebnis überarbeiten und Ihnen zur kritischen Durchsicht zuschicken“ werden.190 Ohne die nächste Beratung der Untergruppe IV weiter zu berücksichtigen, bat er um Verständnis dafür, dass sein Entwurf

184 EBD. 185 Vgl. oben S. 387, Anm. 64. 186 Lingner an Hammer: Betr. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, 12.12.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 1. 187 EBD. 188 Siehe oben S. 338 f. 189 Lingner an Hammer (vgl. Anm. 186), S. 1. 190 Lingner an die Kirchenkanzlei der EKU/das Lutherische Kirchenamt. Berliner Stelle: Betr. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe der Kirchen in der DDR und Untergruppe IV, 12.12.1980 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768).

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erst am 19. Januar 1981 (genauer: nach der Klausurtagung in Klein-Sünteln) versandt werden könne, und empfahl als Diskussionsforum die gemeinsame Dienstleiterbesprechung am 20. Januar 1981 in Ostberlin.191 Angesichts dieses Schreibens, das so gar nicht den in der Untergruppe IV getroffenen Verabredungen entsprach, wies Kraske Lingner noch einmal ausdrücklich darauf hin, „dass die Untergruppe IV Waitz und Rogge gebeten“ habe, „eine neue Vorlage zu machen“, ohne damit jedoch Lingner von seinem Vorhaben abhalten zu können. Vielmehr erklärte dieser, er wolle „trotzdem auch seinerseits arbeiten“.192

Während Lingner mit seinem Entwurf erst noch die Klausurtagung der EKD-Kirchenkanzlei in Klein-Sünteln abwartete, hatte Waitz seinen Entwurf, der eine durchgehende Neuerarbeitung darstellte und an keiner Stelle auf die alte Lingner-Vorlage zurückgriff, bereits am 8. Januar fertig gestellt. Sein zweiseitiges Papier enthielt – wie gefordert – eine Beschreibung der Grundlagen für die Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft gemäß Art. 4 (4) BO und II 3.8 der Eisenacher Empfehlungen (I), wobei es insbesondere auf die sich aus den bestehenden Gemeinschaftsbeziehungen ergebende „Pflicht zu möglichst umfassender wechselseitiger Konsultation bei grundsätzlicher Selbständigkeit in der Beschlußfassung“ hinwies;193 es formulierte Rahmenbedingungen für ein schrittweises Überführen der Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ in die Verantwortung gemeinsamer Organe (II) und skizzierte in einem dritten Teil Leitlinien, auf welche Weise diese Gemeinschaftsaufgabe der „besonderen Gemeinschaft“ künftig wahrgenommen werden soll, nämlich durch eine Erweiterung und Neuordnung der „vom Bund der Ev. Kirchen in der DDR und der EKD gebildete[n] Beratergruppe“ (III). Damit lief auch dieser Entwurf auf eine – freilich erst in einem schrittweisen Prozess zu erreichende – Profilierung der Beratergruppe als zentralem Ort zur Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft hinaus und setzte insofern trotz der Neuformulierung die Intention der vorangegangenen Vorlagen der Untergruppe IV fort. Zeitgleich mit dem Entwurf von Waitz lag dem Schriftführer der Untergruppe IV, Demke, unter der Überschrift „Überlegungen zu den künftigen Beziehungen“ ein von den Lutherischen Kirchenämtern Ost und West gemeinsam erarbeiteter Entwurf zur Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ vor, allerdings nur „zur persönlichen Information“.194 Diese Überlegungen unterschieden sich deutlich von den Überlegungen von Waitz (bzw. Lingner). Hatten diese die Verpflichtung zur besonderen Gemeinschaft nicht weiter hinterfragt, sondern als

191 EBD. 192 Handschriftliche Notiz Kraskes vom 13.1.1981 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1549). 193 [H. Waitz]: Entwurf für eine Beschlußvorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 8.1.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20 – siehe unten Dok. 13), S. 1. 194 Überlegungen zu den künftigen Beziehungen, 8.1.1981 (EZA BERLIN, 688, Nr. 96).

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gegeben hingenommen, warfen die „Überlegungen“ der VELK die Frage nach der theologischen Begründung dieser Gemeinschaft ausdrücklich auf. Unter Berufung auf die Eisenacher Empfehlungen wiesen sie wiederum darauf hin, dass die Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft nicht Selbstzweck sei, sondern einzig und allein durch ihr Ziel, nämlich „dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen (zu) dienen“,195 ihre Berechtigung erhalte. Unter dieser Perspektive erschien auch die Ost und West verbindende gemeinsame Tradition nicht als Verpflichtung zu besonderen Beziehungen, sondern als Ermöglichung solchen gemeinsamen Dienens trotz der unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen: „Die . . . in den Empfehlungen der Delegiertenversammlung formulierte Zielsetzung orientiert auf das Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen als dem Bezugsrahmen, in dem sich die besondere Gemeinschaft verwirklicht. Diese Orientierung setzt einmal die gemeinsame Tradition schlechthin voraus, zum anderen betont sie die damit gegebene besondere Gemeinschaft in der Ausrichtung des Evangeliums. Die gemeinsame Tradition und die besondere Gemeinschaft sind nicht ein Zweck an sich, sondern werden für das Zeugnis des Glaubens in unseren jeweils unterschiedlichen Situationen in Anspruch genommen.“196 Die künftige Gestaltung der Ost-West-Beziehungen war damit nicht – wie in der EKU – gemeinschaftsorientiert, sondern aufgabenorientiert. Zwar leide die Gemeinschaft, „wenn sie beliebig gestaltet“ werde, „eine kirchenrechtlich verbindliche Regelung“ scheine jedoch „verzichtbar . . ., gemeinsame Absprachen dagegen notwendig und ausreichend“.197 Dementsprechend wurden für die gemeinsame Arbeit Aufgabenschwerpunkte benannt, jedoch keine Forderungen hinsichtlich der Struktur oder der Intensität der „besonderen Gemeinschaft“ erhoben. Es schien lediglich erforderlich, „daß für die Kontakte zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands ein dafür verantwortlicher Referent bestimmt“ werde, „dem die Koordinierung der Anliegen ebenso der Gliedkirchen wie auch des Zusammenschlusses in bezug auf die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands obliegen sollte“.198

Nachdem es Lingner am 14. Januar in Klein-Sünteln gelungen war, Präsident Hammer zu einer Stellungnahme zu seinem Entwurf zu bewegen und dieser vor allem Kürzungen hinsichtlich des Textes als auch hinsichtlich der Kompetenzen der Beratergruppe empfohlen hatte,199 überarbeitete Lingner seinen früheren Entwurf noch einmal im Sinne der von Hammer gegebenen Empfehlungen. Diesen überarbeiteten Entwurf stellte er am 22. Januar 1981 auf der gemeinsamen Zusammenkunft der drei 195 EBD., S. 1. 196 EBD., S. 1 f. 197 EBD., S. 2. 198 EBD., S. 4. 199 O. Lingner: Vermerk, 23.1.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). – Hammer hatte ursprünglich eine Stellungnahme abgelehnt, da nicht klar sei, „für welche künftige Organisation von Kirchen in der DDR eine solche ‚Gemeinsame Beratergruppe‘ eine Funktion ausüben soll“ (EBD., S. 1 f.).

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Westberliner Dienststellen noch einmal zur Diskussion und leitete ihn am nächsten Tag an Demke als den Schriftführer der Untergruppe IV weiter. Angesichts der fehlenden Beauftragung durch die Untergruppe und der mangelnden Rückendeckung seitens der Kirchenkanzlei vermerkte Lingner in seinem Begleitschreiben an Demke allerdings, dass er diesen Entwurf „auf der Sitzung der Untergruppe IV ‚in der Tasche‘ lassen“ und lediglich „auf Rückfrage präsentieren“ wolle.200 Da eine solche Rückfrage ausblieb und der Entwurf auch von Demke nicht ins Gespräch gebracht wurde, war er auf der Zusammenkunft der Untergruppe IV am 30. Januar 1981 „nicht Gegenstand der Verhandlung“.201 Grundlage der Diskussion in der Untergruppe war der Waitzsche Entwurf, der entsprechend der Festlegung vom 10. Dezember von Rogge noch einmal überarbeitet worden war.202 Die dabei erfolgten Veränderungen waren allerdings lediglich formaler Natur. Die einzige inhaltliche Änderung betraf den geschäftsführenden Ausschuss, dessen Erwähnung Rogge im Artikel III gestrichen hatte. Zu einer vorherigen Verständigung zwischen Rogge und Demke über diesen Entwurf war es „aus Termingründen“ nicht gekommen, sodass Demke einen eigenen Teilentwurf vorlegte, der ebenfalls in die Diskussion einbezogen wurde.203 Nicht zur Diskussion stand hingegen das Papier der VELKD/DDR, das weder von Demke noch von einem anderen Mitglied der Arbeitsgruppe (Bischof Rathke als Vertreter der VELK war nicht anwesend) ins Gespräch gebracht wurde. Das von der Untergruppe IV nach ausführlicher Diskussion verabschiedete Ergebnis204 stellte eine Kombination aus den beiden Entwürfen von Waitz/Rogge einerseits und Demke andererseits dar. Zu Grunde lag der Entwurf von Waitz/Rogge, der im Abschnitt II durch Demkes Vorschlag ergänzt wurde. Das Gefälle der Waitzschen Vorlage, die Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft weiterhin in einer neu strukturierten und neu beauftragten Beratergruppe zu konzentrieren, blieb damit erhalten. Der grundlegende Artikel I dieser „Beschluß-Vorlage der Untergruppe IV“ ging entsprechend den Vorarbeiten von der Feststellung aus, dass zu den „Aufgaben der künftigen Gemeinschaft von Kirchen in der DDR“ auch die Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft gehöre und bezog sich dabei gemäß dem Wunsch der GVG ausdrücklich auf Artikel 4 (4) 200 Lingner an Demke, 23.1.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20). 201 O. Lingner: Vermerk über die Sitzung der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 30.1.1981 (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1550). 202 [H. Waitz/J. Rogge]: Entwurf für eine Beschlußvorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, undatiert (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 203 Ch. Demke: Vermerk über die Sitzung der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 30.1.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 1. 204 Beschluß-Vorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, Stand 30.1.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768 – siehe unten Dok. 14).

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der Bundesordnung und Artikel II 3.8 der Eisenacher Empfehlungen.205 Auf eine nähere Konkretisierung der aus dieser besonderen Gemeinschaft erwachsenden Aufgaben wurde bewusst verzichtet, „um den engen Anschluß an die bereits vorliegenden Formulierungen, die nicht strittig sind, zu gewährleisten“.206 Insbesondere sollte damit vermieden werden, diese beiden Grundsatzartikel in irgendeiner Weise einzuschränken. Aus diesem Grunde wurde auch die Charakterisierung der mit der besonderen Gemeinschaft gegebenen Verpflichtung als „Pflicht zu möglichst umfassender wechselseitiger Konsultation“ aus Artikel I des Entwurfes von Waitz/Rogge herausgenommen und an das Ende von Artikel III und damit an das Ende der gesamten Vorlage gerückt.207 Auf diese Weise sollte dem Eindruck gewehrt werden, „als ob diese Aussage die umfassende und abschließende Beschreibung dessen ist, was zur Wahrnehmung der Gemeinschaft zwischen den Kirchen der EKD und denen des Bundes gehört“.208 Auf der anderen Seite wurde eine solche inhaltliche Konkretisierung der aus der besonderen Gemeinschaft erwachsenden Aufgaben aber auch deshalb bewusst unterlassen, um der staatlichen Seite keine Handhabe für politisch motivierte Einwände zu geben.209 Artikel II beschrieb entsprechend dem Aufriss von Waitz die Rahmenbedingungen für eine zunehmend gemeinschaftliche Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“, folgte dabei in seinem ersten Absatz jedoch dem Vorschlag Demkes, der dafür leitende und zu verabredende Richtlinien „auf dem Weg zur schrittweisen Verwirklichung der neuen Gestalt“ kirchlicher Gemeinschaft formuliert hatte. In dieser prozessualen Übergangsphase, sei „die Verbindung zu den Kirchen und den kirchlichen Zusammenschlüssen im Bereich der EKD – in gegenseitiger Abstimmung wahrzunehmen, – füreinander zu erschließen – und zunehmend gemeinsam zu verantworten“.210 Dabei sollte der erste Punkt sicherstellen, „daß die während der Zwischenphase weiterlaufenden Verbindungen der EKU-Kirchen und der lutherischen Kirchen (in West und Ost) mit der Beratergruppe abgestimmt werden“.211 Absatz 2 nahm demgegenüber das Ende dieser Zwischenphase in den Blick und wiederholte die auch an anderer Stelle erhobene Forderung, 205 EBD. 206 Ch. Demke: Vermerk (vgl. Anm. 203), S. 1. 207 [H. Waitz/J. Rogge]: Entwurf (vgl. Anm. 202), S. 1; Beschluß-Vorlage der Untergruppe IV (vgl. Anm. 204). 208 [O. Lingner]: Erläuterungen zu der Beschluß-Vorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe (Stand 30.1.1981) (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 2. 209 EBD., S. 1. 210 Beschluß-Vorlage der Untergruppe IV (vgl. Anm. 204). 211 [O. Lingner]: Erläuterungen (vgl. Anm. 208), S. 1.

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dass eine VEK erst dann an die Stelle der drei bestehenden Zusammenschlüsse treten könne, wenn sie auch in der Lage sei, deren Gemeinschaftsaufgaben – in diesem Fall die aus der „besonderen Gemeinschaft“ erwachsenden Aufgaben – „uneingeschränkt“ wahrzunehmen. Artikel III skizzierte relativ knapp, auf welchem Wege dieses Ziel konkret zu erreichen sei: „Die vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und der EKD gebildete Beratergruppe“ werde „erweitert und in ihren Kompetenzen so geordnet, daß sie Koordinierungs- und Integrierungsaufgaben wahrnehmen“ könne (Absatz 1). Im Sinne der Zielstellung, die vorhandenen und von einer künftigen VEK weiterhin wahrzunehmenden Partnerschaftsbeziehungen an die Beratergruppe zu binden, betraf diese vorgesehene Neuordnung der Kompetenzen speziell Koordinierungs- und Integrierungsaufgaben innerhalb des Ostbereichs, nicht jedoch Koordinierungs- und Integrierungsaufgaben im Verhältnis der beiden Bereiche zueinander.212 Die Regelungen zur Zusammensetzung und Arbeitsweise der Beratergruppe im Absatz 2 waren gegenüber der Vorlage von Waitz/Rogge nicht nur sprachlich gestrafft, sondern auch inhaltlich bewusst offen gehalten, um in Ost und West unterschiedliche Lösungen zu ermöglichen.213 Insbesondere wurde von „Aussagen über die Art der Beteiligung von seiten der Kirchen im Bereich der EKD“ abgesehen, „weil der Text eine Verabredung zwischen den Kirchen im Bereich des Bundes“ darstelle.214 Die Forderung nach Parität entfiel dabei ebenso wie der ausdrückliche Hinweis darauf, dass der Beratergruppe keine Entscheidungsbefugnis zukomme. Dafür wurde die Notwendigkeit eines geschäftsführenden Ausschusses, die Rogge aus der Waitzschen Vorlage gestrichen hatte, erneut in den Text aufgenommen. Lediglich im letzten Absatz der Vorlage (Absatz 3), der erst von der Untergruppe an diese Stelle gerückt worden war, kamen die Aufgaben der Beratergruppe im Verhältnis der ostdeutschen und westdeutschen Kirchen zueinander in den Blick. Während Waitz an dieser Stelle lediglich von der „Pflicht zu möglichst umfassender wechselseitiger Konsultation“ gesprochen hatte,215 wurde nunmehr angesichts der Bedeutung, die der gegenseitigen Information in der zurückliegenden Diskussion beigemessen worden war, entsprechend ergänzt und von der „Pflicht zu möglichst umfassender wechselseitiger Information und Konsultation“ gesprochen.216 212 EBD. 213 EBD., S. 2. 214 Ch. Demke: Vermerk über die Sitzung der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 30.1.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 1. 215 [H. Waitz]: Entwurf für eine Beschlußvorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 8.1.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 1; vgl. [H. Waitz/J. Rogge]: Entwurf (vgl. Anm. 202), S. 1. 216 Beschluß-Vorlage der Untergruppe IV (vgl. Anm. 204).

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Insgesamt verstand die Untergruppe IV ihre Beschlussvorlage „als Konkretisierung zum Artikel 3 der Gemeinsamen Entschließung“ und empfahl, „daß dieser Text parallel zur Beschlußfassung über die Gemeinsame Entschließung in den Synoden durch die zuständigen Leitungsgremien behandelt und beschlossen“ werde. Eine Behandlung dieses Textes in den Synoden wurden angesichts der politischen Implikationen als unnötig und „nicht . . . empfehlenswert“ angesehen.217 Auf der Zusammenkunft der GVG am 5. Februar 1981, auf der die Vorlage der Untergruppe IV zur Diskussion stand und an der deshalb erstund letztmalig auch die „mitarbeitenden Gäste“ teilnahmen, erfuhr der Text zwar keine umfängliche, jedoch eine wesentliche Veränderung. Der als „mitarbeitender Gast“ anwesende Oberkirchenrat Schmale (VELKD) meinte hinterher sogar, mit diesen Änderungen sollte die Vorlage der Untergruppe IV „aus dem Verkehr gezogen werden“.218 Zum einen legte die GVG Wert darauf, dass es sich bei der unter Artikel I beschriebenen Verantwortung für die besondere Gemeinschaft nicht um eine neue Aufgabe eines angestrebten Zusammenschlusses, sondern um eine bereits jetzt wahrgenommene und darum auch künftig wahrzunehmende Aufgabe handelt. Entsprechend wurde nicht von den „Aufgaben der künftigen Gemeinschaft“ gesprochen, sondern davon, dass zu diesen Aufgaben „auch künftig“ die Verantwortung für die besondere Gemeinschaft gehöre.219 Zum zweiten wurde die von der Untergruppe IV verfolgte Intention, jede inhaltliche Beschreibung der aus der besonderen Gemeinschaft erwachsenden Aufgaben zu vermeiden, fortgesetzt und der bereits von der Untergruppe IV an den Schluss gerückte Absatz, der von der „Pflicht zu möglichst umfassender wechselseitiger Information und Konsultation“ gesprochen hatte, nunmehr gänzlich gestrichen. Zum dritten änderte die GVG die Funktion, die der „Beratergruppe“220 bei der Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft zugedacht war, entscheidend und bereitete damit dem von der Untergruppe IV vertretenen, auf die Beratergruppe konzentrierten Modell ein jähes Ende. Es entfiel nicht nur die in der Vorlage enthaltene Festlegung, dass die Beratergruppe „erweitert“ und „in ihren Kompetenzen“ neu geordnet werden solle, son217 Ch. Demke: Vermerk (vgl. Anm. 203); vgl. [O. Lingner], Erläuterungen (vgl. Anm. 208), S. 2. 218 VELKD. Lutherisches Kirchenamt. Berliner Stelle (K. Schmale) an Oberkirchenrat O. Lingner: Betr. Untergruppe IV/Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, 11.2.1981 (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768). 219 Vorlage der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 5.2.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20 – siehe unten Dok. 15), S. 1. 220 Der Name sollte noch einmal überprüft werden (M. Stolpe: Niederschrift über die Beratung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 5.2.1981 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 20], S. 1).

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dern auch die in der Vorlage enthaltene Funktionsbeschreibung dieser neuen Beratergruppe. Ging es der Vorlage bei der Neuordnung darum, dass die Beratergruppe im Prozess der zunehmend gemeinschaftlichen Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft „Koordinierungs- und Integrierungsaufgaben“ wahrnehme, formulierte die GVG als Ziel der Neuordnung nunmehr lediglich, „daß sie ihre Aufgaben für die besondere Gemeinschaft voll wahrnehmen“ könne.221 Damit zielte die Neuordnung der Beratergruppe nicht mehr auf eine Übernahme besonderer Funktionen im Prozess des Zusammenwachsens der drei ostdeutschen Zusammenschlüsse, sondern lediglich darauf, die Arbeit der bestehenden Beratergruppe effektiver zu gestalten, bestehende Mängel zu beseitigen und auf diese Weise zu gewährleisten, dass sie ihre Aufgaben „voll wahrnehmen“ könne. Entsprechend hob die GVG in der Aussprache ausdrücklich hervor, „daß die Beratergruppe ab sofort verändert werden sollte“.222 Nachdem die Beratergruppe durch die grundsätzlichen Korrekturen am Vorschlag der Untergruppe IV ihre zentrale Bedeutung für den VEK-Prozess verloren hatte, blieben als Ertrag der Vorlage für die Gestaltung einer verbindlicheren Gemeinschaft lediglich die Willenserklärung der „beteiligten Kirchen und Zusammenschlüsse in der DDR“ übrig, ihre Verbindungen zu den westlichen Kirchen und Zusammenschlüssen „in gegenseitiger Abstimmung wahrzunehmen und füreinander zu erschließen“ (Art. II), sowie das Vorhaben, in diesem Zusammenhang die Beratergruppe umzugestalten. Die Umgestaltung der Beratergruppe beantwortete damit nicht mehr die Frage, ob und wie eine künftige VEK in der Lage sein werde, die aus der „besonderen Gemeinschaft“ erwachsenden Aufgaben gesamtkirchlich wahrzunehmen, sondern bedeutete nur noch eine vorbereitende Maßnahme, um eine spätere Klärung dieser Frage zu ermöglichen. In der veränderten Fassung wurde die Vorlage von der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe „einstimmig verabschiedet“223 und am 24. Februar den Leitungsgremien der drei Zusammenschlüsse übermittelt.224 Diese stimmten der Vorlage zwar zu, jedoch ohne dass dies irgendwelche erkennbaren Folgen hatte.

221 Vorlage der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 5.2.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 1. 222 M. Stolpe: Niederschrift (vgl. Anm. 220), S. 1. 223 EBD., S. 1; vgl. Ch. Demke: Vermerk (vgl. Anm. 203), S. 1. 224 Sekretariat des BEK (Ch. Demke) an die Kirchenleitung der Ev.-Luth. Kirche in der DDR/den Rat der EKU – Bereich DDR/die KKL: Betr. Gemeinsame Vorbereitungsgruppe, 24.2.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20).

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6.2. „. . . in der Mark versandet“? 6.2.1. Stellungnahmen zur Gemeinsamen Entschließung und zum Änderungsgesetz Nachdem die „Gemeinsame Entschließung“ von den drei Leitungsgremien am 10. September 1981 verabschiedet und das Änderungsgesetz zur Bundesordnung von der Bundessynode in Güstrow (18.–22. September 1981) beschlossen worden war, standen – damit die Gemeinsame Entschließung am 1. Januar 1982 in Kraft treten und das Änderungsgesetz rechtswirksam werden konnte – im Herbst 1981 die Beschlussfassungen sämtlicher landeskirchlicher wie gesamtkirchlicher Synoden an, die dafür zum Teil zu außerordentlichen Tagungen zusammentraten.225 Angesichts der umfangreichen Diskussionsphase, in der die Synoden zweimal die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche und Bedenken zu äußern (zum „Zwischenbericht“ sowie zu den Diskussionsentwürfen), wurde nunmehr eine breite Zustimmung und Ablehnung nur noch bei unausgeräumten grundsätzlichen Einwänden erwartet. Als Mittelweg zwischen einer inopportunen Ablehnung und einer vorbehaltlosen Zustimmung verabschiedeten einige Synoden zusätzliche Text- bzw. Mantelbeschlüsse, in denen sie noch einmal ihre jeweiligen Erwartungen zum Ausdruck brachten, mit denen sie der Gemeinsamen Entschließung und dem Änderungsgesetz zustimmten.226 Diesen Mittelweg gingen insbesondere die kleinen EKU-Kirchen, die auf diese Weise noch einmal ihre Anliegen eines schrittweisen Vorgehens, einer notwendigen Überprüfungsphase nach dem ersten Schritt sowie einer wachsenden Verbindlichkeit und Gemeinschaft zur Sprache brachten.227 In gewissem Gegensatz dazu standen das Votum der Kirchenprovinz Sachsen, die ein möglichst zügiges Vorangehen erwartete,228 und der Textbeschluss der Lutherischen Generalsynode, die auf eine baldige Übertragung der Aufgaben der VELK auf den Bund sowie auf eine Übernahme kirchengesetzlicher Bestimmungen des Bundes durch die VELK 225 Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens: 17.–21.10.1981 in Dresden; Vereinigte Ev.-Luth. Kirche: 24.10.1981 in Leipzig; Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen: 4.–8.11.1981 in Halle; Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs: 5.–8.11.1981 in Schwerin; Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes: 6.–7.11.1981 in Görlitz; Ev. Landeskirche Anhalts: 6.–8.11.1981 in Dessau; Ev. Landeskirche Greifswald: 6.–8.11.1981 in Züssow; Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg: 15.–16.11.1981 in Berlin; Ev.-Luth. Kirche in Thüringen: 27.–29.11.1981 in Eisenach; EKU – Bereich DDR: 4.–5.12.1981 (abgesagt). 226 Die Beschlüsse sind abgedruckt in: epd Dokumentation 51/1981. 227 Beschlüsse der Provinzialsynode der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes auf der Tagung am 6./7.11.1981, 7.11.1981 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 111); Ev. Landeskirche Greifswald. Der Präses der Landessynode (D. Affeld): Beschluß, 8.11.1981 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 73). 228 Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, 4.–8.11.1981: Beschluß, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 108).

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drängte.229 Die größte Differenz bestand allerdings zur Stellungnahme der Thüringer Kirche, die nicht nur den auch weiterhin „ungeänderten Bekenntnisstand der Gliedkirchen“ hervorhob, sondern auch die klare Erwartung formulierte, „daß die Bildung einer föderativ aufgebauten Kirche (Bundeskirche) im juristischen und ekklesiologischen Sinn das Fortbestehen der VELKDDR und der EKU – Bereich DDR – ausschließt“.230 Während die Beschlussfassung zur „Gemeinsamen Entschließung“ und zum Änderungsgesetz in den meisten Synoden mit umfassender Mehrheit erfolgte, gab es in Görlitz und Thüringen auch etliche Gegenstimmen (zur Gemeinsamen Entschließung jeweils acht) sowie Stimmenthaltungen. In Sachsen erhielt die Gemeinsame Entschließung lediglich eine Stimme mehr, als für die Zustimmung erforderlich gewesen wäre.231 Nachdem bereits acht Synoden (außer Thüringen und der EKU-Synode) den Vorlagen zugestimmt hatten, verfehlte die Gemeinsame Entschließung am 16. November 1981 in der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg mit 69 Ja-Stimmen, 47 Gegenstimmen und 6 Enthaltungen die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Diese unerwartet breite Ablehnung kam im Wesentlichen dadurch zu Stande, dass in Berlin-Brandenburg deutlicher als in anderen Synoden weniger über den Wortlaut der Vorlagen als vielmehr über das Vorhaben insgesamt, dessen ersten Schritt sie repräsentierten, abgestimmt worden war. Unter dieser Perspektive erfolgte ein faktisches Zusammengehen sonst „in kirchenpolitischem Gegensatz agierender Kräfte“,232 sodass der konservative Flügel in der Synode in seiner Ablehnung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR sowohl von den Reformierten, die eine lutherische Übermacht in der VEK befürchteten, als auch von dem „besonders staatsnahen Flügel“ unterstützt wurde, der eine stärkere Geschlossenheit der Kirchen gegenüber dem DDR-Staatsapparat sowie das ausdrückliche Festhalten an der „besonderen Gemeinschaft“ ablehnte, positive Aussagen zur Stellung der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft hingegen vermisste. Im Großen und Ganzen waren es drei Einwände, die den konservativen Flügel der Synode zur Ablehnung der „Gemeinsamen Entschließung“ bewogen: Als Erstes wurde aufgrund der Zurückstellung der Arbeit an den Grundartikeln eine hinreichende theologische Basis für die erbetene Zustimmung vermisst. Die „Grundlagen für Glauben, Bekennen und Dienst der neuen Gemeinschaft“ seien unklar233 und damit offen geblieben, „ob der geplante Zusammenschluß die 229 Außerordentliche Tagung der III. Generalsynode am 24.10.1981 in Leipzig-Connewitz. Der Präsident der Generalsynode (G. Heinrich): Beschluß der Generalsynode zur Gemeinsamen Entschließung, 24.10.1981 (EZA BERLIN, 688, Nr. 96). 230 IV. Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, 7. Tagung vom 26.–29.11.1981: Beschluß, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 73). 231 49 Ja-Stimmen, 11 Gegenstimmen und 12 Enthaltungen. 232 W. RADATZ/F. WINTER, Geteilte Einheit, S. 205; vgl. R. HENKYS, Stopp-Zeichen, S. 11 f. 233 H. Greulich: In der Mark versandet? (Potsdamer Kirche 2/1982 vom 10. Januar).

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Anliegen einer Kirche der Union theologisch sachgemäß aufnehmen“ könne.234 Einerseits sei nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen, „daß die theologische Erklärung der 1. Bekenntnissynode von Barmen 1934 ‚ein von der Schrift und den Bekenntnissen her auch fernerhin gebotenes Zeugnis der Kirche‘“ sei.235 Andererseits lege die Aussage in Artikel 1 der Gemeinsamen Entschließung, die als ein Kennzeichen der neuen Gemeinschaft die „Wahrung der Bekenntnisbestimmtheit bei gegenseitigem Hören auf die unterschiedlichen Bekenntnisse“ genannt hatte, „ein zu statisches Verständnis der Bekenntnisbestimmtheit der Gliedkirchen nahe, als daß von dem Zusammenschluß auch in Fragen des Bekenntnisses ein Wachsen in der Einheit erwartet werden“ könne.236 Der zweite und entscheidende Grund betraf zum einen allgemein die Gefahr, dass die Dichte und Verbindlichkeit der in der EKU bereits bestehenden Gemeinschaft „in den neuen Zusammenschluß nicht voll eingebracht werden“ könne,237 und zum anderen den konkreten Einwand, dass im Artikel 3 der Gemeinsamen Entschließung zur „besonderen Gemeinschaft“ nicht hinreichend sichergestellt sei, „daß auch in der neuen Gemeinschaft die unierten Kirchen nicht nur zur EKD, sondern auch zu den anderen Gliedkirchen der EKU im Bereich BRD und Berlin (West) die Verbindungen in der verfassungsmäßig geordneten Weise wie bisher unterhalten werden können“. Vielmehr entstehe der Eindruck, „als sollten bisher bestehende Bindungen einseitig zu Lasten der westlichen EKU-Kirchen aufs Spiel gesetzt werden, so daß damit eine bestehende Einheit ohne theologische Gründe aufgegeben wird“. Insofern müsse eine „Voraus-Aufgabe“ der EKU, die in der Gemeinsamen Entschließung zwar nicht ausgesprochen, jedoch intendiert sei, abgelehnt werden.238 Dabei befürchteten insbesondere die Reformierten, „ihre Identität ohne die Evangelische Kirche der Union leichter verlieren zu können“.239 Ein dritter Grund, der sich bereits auf der EKU-Synode im Mai 1981 angedeutet hatte (freilich nicht nur Berlin-Brandenburg, sondern die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen gleichermaßen betraf), bezog sich auf die Zusammensetzung der künftigen Synode gemäß dem Änderungsgesetz, bei der zu sehr von der Größe der Landeskirchen ausgegangen worden sei, ohne die Notwendigkeit einer angemessenen Vertretung auch der kleinen Kirchen hinrei234 Evangelische Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die KKL/den Rat der EKU/die Kirchenleitung der VELKD DDR/die evangelische Kirchenleitung Berlin-Brandenburg (Berlin West): Betr. Bildung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in der DDR, 3.12.1981 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 74), S. 1. 235 EBD.; vgl. H. Greulich: In der Mark versandet? (vgl. Anm. 233). 236 Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die KKL u.a. (vgl. Anm. 234), S. 2. 237 H. Greulich: In der Mark versandet? (vgl. Anm. 233). 238 Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die KKL u.a. (vgl. Anm. 234), S. 2; vgl. M. Stolpe: Anmerkungen zum Weg der evangelischen Landeskirchen in der Deutschen Demokratischen Republik. Gastvorlesung an der Theologischen Sektion der Humboldt Universität (Ost-Berlin), gehalten am 9.12.1981 (epd Dokumentation 8/82), S. 31; Ch. Demke: Niederschrift über die 1. Sitzung der Arbeitsgruppe der 3 Leitungsgremien (AGL) am 31.1.1982 in Herrnhut, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 1 (M. Stolpe); W. RADATZ/F. WINTER, Geteilte Einheit, S. 205. 239 EBD.

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chend zu berücksichtigen.240 Entsprechend sei in der Berlin-Brandenburger Synode „umstritten“ gewesen, „ob die zahlenmäßigen Verschiebungen in der Synode mit einem Anteil der gewählten Synodalen aus der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens von über 25 % nicht eine zu starke Stellung einer einzelnen Landeskirche in dem neuen Zusammenschluß bewirken können“.241 Diese Bedenken wurden schließlich noch dadurch ergänzt, dass es etlichen Synodalen zweifelhaft erschien, ob der neue Zusammenschluss tatsächlich „Personal und Finanzen einsparen“ werde,242 wobei auch die Sorge eine Rolle spielte, dass die finanzielle Unterstützung seitens der westlichen Kirchen, insbesondere seitens der EKU, bei Bildung einer VEK nicht mehr in der bisherigen Weise gewährt werden könnte.243

Nach dem Scheitern der Gemeinsamen Entschließung setzte die berlin-brandenburgische Synode die vorgesehene Beschlussfassung zum Änderungsgesetz ab. Um es jedoch nicht bei einer bloßen Ablehnung zu belassen, trat sie noch einmal in die Sachaussprache ein und verabschiedete als deren Ergebnis mit nur einer Gegenstimme eine kurze Erklärung, in der sie zum Ausdruck brachte, dass sie trotz Ablehnung der Gemeinsamen Entschließung an dem Ziel einer Vertiefung der Gemeinschaft innerhalb des Bundes festhalte: „Synode erklärt, daß sie innerhalb des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR alle Möglichkeiten wahrzunehmen gedenkt, die bereits bestehende Gemeinschaft weiter zu vertiefen und zu fördern und zugleich das Gespräch über die noch offenen theologischen und organisatorischen Fragen einer notwendigen Klärung entgegenzuführen.“244

Die Reaktionen auf die berlin-brandenburgische Entscheidung, die ein Inkrafttreten der Gemeinsamen Entschließung und des Änderungsgesetzes erst einmal unmöglich machte, waren allgemein von Überraschung245 und bei den Befürwortern einer engeren Gemeinschaft im Sinne der Gemeinsamen Entschließung von tiefer Enttäuschung geprägt. Dabei konnte darauf verwiesen werden, dass Berlin-Brandenburg wie alle anderen Gliedkirchen 240 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 238), S. 1 (M. Stolpe); vgl. H. Greulich, In der Mark versandet? (vgl. Anm. 233). 241 Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an KKL u.a. (vgl. Anm. 234), S. 1. – Vgl. dazu oben S. 401, Anm. 125. 242 H. Greulich, In der Mark versandet? (vgl. Anm. 233). 243 Nach der Einschätzung von Präsident i. R. Friedrich Winter ein „wichtiger Grund für einige Synodale“ (Schreiben vom 8.12.2001). 244 8. Synode Berlin-Brandenburg. a.o. Tagung 15./16.11.1981: Drucksache 107 (EZA BERLIN, 688, Nr. 96). 245 Weder vom Präses der berlin-brandenburgischen Synode war diese Entscheidung nach eigenen Worten erwartet worden (M. Becker an das Präsidium der Synode der BEK, 17.11.1981 [EZA BERLIN, 101, Nr. 40], S. 1) noch – einem Pressebericht zufolge – von den „Nein-Sagern“ selbst (K. Hempel: Bericht. Wenn evangelische Landeskirchen sich zusammentun. Hintergründe des Scheiterns der Vereinigten Evangelischen Kirche, in: idea Nr. 98/ 1981 vom 3. Dezember, S. 3 f.).

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in die Erarbeitung der Vorlagen einbezogen gewesen war, ohne eine generelle Ablehnung auch nur anzudeuten.246 Lutz Borgmann, Pressereferent des Bundes, machte seiner Enttäuschung in einem bissigen Kommentar in der kirchlichen Wochenzeitung „Potsdamer Kirche“ Luft, der wiederum wegen darin enthaltener Verdächtigungen energischen Protest seitens der in Berlin-Brandenburg Beteiligten hervorrief.247 Darin gestand Borgmann der berlin-brandenburgischen Synode „den kirchengeschichtlich zweifelhaften Ruhm“ zu, „eine Entwicklung gestoppt zu haben, die von einer breiten Welle der Sympathie und großen Erwartungen seitens der Gemeinden in den evangelischen Kirchen unseres Landes begleitet“ worden sei. Er fuhr fort: „Was mich an dieser Entscheidung bestürzt, ist der offensichtliche Mangel an Vertrauen, Achtung und Einsicht bei denjenigen Synodalen, die mit Nein stimmten. Hatten sie kein Vertrauen in die von ihnen seinerzeit nach Eisenach entsandten Delegierten? Oder in ihre Mitchristen in den sechs anderen Landeskirchen, die unter Zurückstellung eigener Bedenken bereits für die Gemeinsame Entschließung gestimmt haben? . . . Ich meine, jene 47 Synodalen, die am vorletzten Montag in Berlin-Weißensee gegen die Entschließung stimmten, und jene 6, die sich der Stimme enthielten, waren – von wem auch immer248 – nicht gut beraten. Sie haben nicht nur ihrer eigenen Landeskirche einen schlechten Dienst erwiesen, sie haben auch der Welt das beschämende Schauspiel einer zerstrittenen und damit wenig glaubwürdigen Kirche geboten. Damit haben sie uns allen geschadet.“249

Der Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, der angesichts der berlin-brandenburgischen Entscheidung am 24. November zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentrat, sprach in seinem Beschluss davon, dass er „mit großer Enttäuschung zur Kenntnis nehmen“ musste, „daß die Synode sich nicht in der Lage sah, mit der erforderlichen Mehrheit der Gemeinsamen Entschließung zuzustimmen“,250 und wies sei-

246 Vgl. etwa die Diskussion auf der außerordentlichen Zusammenkunft der drei Leitungsgremien am 10. Dezember (M. Stolpe, Niederschrift über die außerordentliche gemeinsame Tagung der KKL, der Kirchenleitung der VELK DDR und des Rates der EKU – Bereich DDR – am 10.12.1981, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 21], S. 2) sowie H. ZEDDIES, Bewährungsprobe, S. 19. 247 Vgl. H. Greulich: In der Mark versandet? (vgl. Anm. 233); E. Schuppan: Im Umgang miteinander. Ein Beitrag nach der Tagung der Berlin-brandenburgischen Synode (Potsdamer Kirche 1/1982 vom 3. Januar). 248 Im Zusammenhang mit der berlin-brandenburgischen Entscheidung war das Gerücht aufgekommen, „daß einzelne Synodale von westlichen kirchlichen Partnern beeinflußt worden seien“ (Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Publizistik [R. Henkys] an Präsident Kraske, 11.12.1981 [EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1552]). 249 L. B[orgmann]: In der Mark versandet (Potsdamer Kirche 49/1981 vom 6. Dezember), S. 1. 250 W. Krusche/Ch. Demke: Auszug aus dem Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Vorstandes am 24.11.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 1.

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nerseits auf die negativen Folgen dieser Entscheidung nicht nur für den VEK-Prozess, sondern generell für die Gemeinschaft der Kirchen hin: „In der gegenwärtigen außerordentlich komplizierten Gesamtsituation sieht der Vorstand hierin eine erhebliche Beeinträchtigung der Gemeinschaft unserer Kirchen und eine Gefährdung des Vertrauens untereinander. Er hofft, daß sich die anderen Kirchen in ihrer Bereitschaft, auf eine Vertiefung der Gemeinschaft zuzugehen, nicht beirren lassen.“251

Darüber hinaus nahm er den Ergänzungsbeschluss der berlin-brandenburgischen Synode zur Kenntnis und bat die Kirchenleitung „darzulegen, welche Möglichkeiten sie sieht, diesen Beschluß zu realisieren“.252 Diese Frage sowie die Einschätzung des Synodalergebnisses waren Gegenstand der Beratungen der berlin-brandenburgischen Kirchenleitung am 20. und 27. November. Das Ergebnis fasste sie in einem Schreiben an die Leitungsgremien der drei gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse (sowie an die EKiBB West) zusammen, in dem sie die Gründe, die aus ihrer Sicht zum Scheitern der Gemeinsamen Entschließung geführt hatten, benannte und ihrerseits noch einmal auf den Zusatzbeschluss verwies. Abschließend betonte sie die Notwendigkeit „klärender Gespräche“, deren „Ausgang und Zeitraum“ allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht geplant werden könnten.253 Nach der berlin-brandenburgischen Entscheidung standen noch die Beschlussverfahren in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen sowie innerhalb des DDR-Bereiches der EKU aus. Während die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen die Beschlussfassung trotz des Scheiterns der Gemeinsamen Entschließung in Berlin-Brandenburg wie vorgesehen durchführte, entschied sich der Rat der EKU entsprechend einem Votum des Verfassungsausschusses dafür, die für den 4./5. Dezember 1981 angesetzte Sondertagung der EKU-Synode (Bereich DDR) – und damit eine eventuelle Zustimmung zur Gemeinsamen Entschließung – auf das Frühjahr 1982 zu verschieben,254 was die vorhandene Unsicherheit hinsichtlich der Position der EKU keineswegs minderte.255

251 EBD. 252 EBD. 253 Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an KKL u.a. (vgl. Anm. 234), S. 2. 254 Beschluss des Rates der EKU – Bereich DDR – vom 4.12.1981 (EZA BERLIN, 688, Nr. 96); vgl. H. Reiß/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 74. gemeinsame Beratung der Bereichsräte der EKU am 2.12.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 187), S. 1; E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 101. (außerordentliche) Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 4.12.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 172), S. 1 f. 255 Vgl. H.-J. RÖDER, Reformprozeß, S. 57. – Hinzu kam, dass ein Beschluss des Westbereiches zum VEK-Prozess vom 10.10.1981 als Zusammenstellung von Rahmenbedingungen

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6.2.2. Vergebliche Schadensbegrenzung Mit dem Scheitern der „Gemeinsamen Entschließung“ in der berlin-brandenburgischen Synode kam der Zustimmungsprozess zur „Gemeinsamen Entschließung“ und zum Änderungsgesetz zwar erst einmal zum Stillstand,256 wurde jedoch von den Leitungsgremien und Synoden der drei gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse letztlich nicht als völlig gescheitert angesehen. In ihrer auf Vorschlag des Vorstandes der KKL257 einberufenen gemeinsamen Beratung am 10. Dezember 1981 gelangten die Leitungsgremien von Bund, EKU und VELK nach ausführlicher Diskussion der „Ergebnisse der letzten Synodaltagungen, insbesondere der Berlin-Brandenburger Synode“ einmütig zu der „Auffassung, daß die Bemühungen um eine engere Gemeinschaft fortgesetzt werden müssen“.258 Dieser Auffassung stimmten – wenn auch mit deutlich unterschiedlicher Akzentuierung – die drei gesamtkirchlichen Synoden auf ihren nachfolgenden Tagungen ausdrücklich zu.259 Dabei spielte es sowohl eine Rolle, dass die Gründe, die verstanden werden konnte, die weit über das hinausgingen, was die östlichen Synoden an dieser Stelle in ihren Zusatzbeschlüssen niedergelegt hatten (vgl. Der Präses der Synode der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West [Ch. Karzig]: Beschluß, 10.10.1981 [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 74]; abgedruckt in: MATERIALIEN zu den außerordentlichen Tagungen der 5. Synode der EKU, S. 51 f.). 256 Die in den Vorbereitungsgruppen vorausgesetzten Termine – Inkrafttreten der Gemeinsamen Entschließung und Beginn des ersten Schrittes am 1.1.1982, Beginn des zweiten Schrittes am 1.1.1984 (vgl. M. Stolpe, Niederschrift über eine Beratung der Untergruppe Gesamtvertrag am 12.6.1981 in Berlin, 22.6.1981 [EZA BERLIN, 101, Nr. 21]) – waren hinfällig. Die bereits geleisteten Vorarbeiten für den zweiten Schritt („Gesamtvertrag“ zwischen den drei Zusammenschlüssen, Vertrag über die Zusammenführung der Organe und Dienststellen einschließlich der jeweiligen Einführungsgesetze) wurden nicht weitergeführt. 257 W. Krusche/Ch. Demke: Auszug aus dem Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Vorstandes am 24.11.1981 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 2. 258 Ch. Demke/J. Hempel/W. Krusche/E. Natho/J. Rogge/H. Zeddies/M. Stolpe: Niederschrift über die außerordentliche gemeinsame Tagung der KKL, der Kirchenleitung der VELK DDR und des Rates der EKU – Bereich DDR – am 10.12.1981, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 3. 259 Die Bundessynode nahm auf ihrer Tagung vom 29. bis 31.1.1982 die zitierte Feststellung der drei Leitungsgremien direkt in ihren Beschluss auf (Beschluss der Bundessynode vom 31.1.1982 [EZA BERLIN, 101, Nr. 21]). Die Synode der EKU betonte auf ihrer außerordentlichen Beratung im März, dass sie entsprechend ihren früheren Beschlüssen daran festhalte, „für die evangelischen Kirchen im Bereich der DDR, insbesondere für den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, die VELK in der DDR und die EKU mit ihren Gliedkirchen eine intensivere Gemeinschaft zu verwirklichen“. Dabei sei es „unerläßlich, daß alle Möglichkeiten zur Weiterverfolgung des mit den Eisenacher Empfehlungen begonnenen Weges wahrgenommen werden“ (5. Synode der EKU – Bereich DDR – a.o. Tagung 4./5.3.1982 [M. Becker]: Beschluß zur intensiveren Gemeinschaft, 5.3.1982 [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 111]). Die Lutherische Generalsynode erklärte, dass sie „zur föderativen verbindlichen Gemeinschaft für die evangelischen Kirchen in der DDR trotz der erheblichen Schwierigkeiten keine Alternative“ sehe und es deshalb für notwendig halte, „auf dem bereits

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seinerzeit zum Vorschlag der Delegiertenversammlung geführt hatten, unvermindert weiter bestanden, als auch die Einsicht, dass die Beschlüsse von neun Synoden nicht einfach ignoriert werden konnten. Eine Fortsetzung der Bemühungen um eine engere Gemeinschaft stand freilich unmittelbar vor der Frage, auf welche Weise und in welche Richtung diese Bemühungen unter den veränderten Bedingungen nach dem berlin-brandenburgischen Votum fortgeführt werden sollen und können. Eine Klärung dieser Fragen wurde von Anfang an nicht mehr von einer Beauftragtengruppe vorangetrieben und koordiniert, sondern von den drei Leitungsgremien selbst, die sich zu diesem Zweck von Dezember 1981 bis März 1984 zu insgesamt sieben außerordentlichen gemeinsamen Beratungen zusammenfanden.260 Die Vorbereitung dieser Beratungen erfolgte in einer „Arbeitsgruppe der Leitungsgremien“ (AGL), der die drei Dienststellenleiter sowie jeweils vier weitere Mitglieder der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, des Rates der EKU und der Lutherischen Kirchenleitung angehörten.261 Die Arbeit der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe (GVG) einschließlich ihrer Untergruppen sollte hingegen „vorerst“ ruhen.

Konkret erfolgte die Weiterarbeit in dreifacher Hinsicht: Zum einen konzentrierte sie sich angesichts der Bedeutung, die dem Fehlen einer beschlussreifen Fassung der Grundartikel in der berlin-brandenburgischen Entscheidung beigemessen worden war, und dem von Sachsen mehrfach geäußerten Wunsch, diese Grundartikel möglichst bald vorzulegen, auf eine Fertigstellung der Grundartikel sowie einen Entwurf für die Grundbestimmungen.262 Zum zweiten lag es nahe, da auch von den VEK-Kritikern sowie im berlin-brandenburgischen Ergänzungsbeschluss eine Vertiefung der Zusammenarbeit im Bund im Sinne eines „verbesserten Bundes“ gefordert worden war, nunmehr solche funktionalen Verbesserungen in Angriff zu nehmen und begonnenen Weg voranzuschreiten“ (4. Tagung der III. Generalsynode der VELK DDR. 10. bis 13.6.1982 in Freiberg: Beschluß zur verbindlichen föderativen Gemeinschaft, undatiert [EZA BERLIN, 688, Nr. 99], S. 1). 260 Im Einzelnen: 10.12.1981, 12.3.1982, 2.7.1982, 12.11.1982, 11.3.1983, 2.9.1983, 9.3.1984. 261 Ch. Demke u. a.: Niederschrift (vgl. Anm. 258), S. 3. – Ihre jeweiligen Vertreter benannten die drei Leitungsgremien auf ihren Sitzungen im Januar 1982. VELK: G. Heinrich, J. Hempel, W. Leich, P. Müller, H. Zeddies (B. Winkel: Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der VELK DDR am 8.1.1982, undatiert [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 376], S. 5); EKU: E. Natho, J. Rogge, E. Völz, H. Waitz, F. Winter (E. Natho/J. Rogge/B. Küntscher: Niederschrift über die 102. Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR – am 8.1.1982, undatiert [EZA BERLIN, 108/92, Nr. 173], S. 2 f.); BEK: Ch. Demke, K. Domsch, H.-M. Harder, W. Krusche, M. Stolpe (W. Krusche/Ch. Demke/B. Küntscher: Auszug aus dem Protokoll über die 77. Tagung der KKL am 8./9.1.1982 [EZA BERLIN, 101, Nr. 21]). Die AGL kam zu insgesamt 13 Beratungen zusammen. 262 Siehe unten Kap. 6.2.3.

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die Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit der drei Dienststellen, einer Zusammenführung von parallelen Beratungsgremien der drei Zusammenschlüsse sowie die Möglichkeiten einer weiteren Aufgabenübertragung an den Bund zu erkunden und umzusetzen und auf diese Weise die erste Stufe des in der Gemeinsamen Entschließung skizzierten Prozesses vorzubereiten. Nachdem eine Neuregelung der Ausschussarbeit bereits in den Eisenacher Empfehlungen gefordert und die Zusammenführung paralleler Beratungsgremien später als Testfall für die Bereitschaft zur Strukturvereinfachung mehrfach angemahnt worden war, formulierten die Leitungsgremien unter Aufnahme von Artikel II 2.3.4 der Gemeinsamen Entschließung in dieser Hinsicht als Ziel, dass „zur Förderung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft . . . die Arbeit der gesamtkirchlichen Beratungsgremien so zusammengefaßt werden“ soll, „daß künftig für ein Sachgebiet nur ein Beratungsgremium tätig ist“.263 Obwohl sich auch hier erhebliche Schwierigkeiten in Detailfragen abzeichneten (unterschiedliche Beauftragung und Zusammensetzung der Beratungsgremien), konnte auf der gemeinsamen Tagung der Leitungsgremien im November 1982 bereits ein Vorschlag zur Bildung eines gemeinsamen liturgischen Ausschusses vorgelegt264 und am 29./30. April 1983 von der KKL beschlossen werden.265 Langwieriger gestalteten sich demgegenüber die Bemühungen um eine gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben bzw. eine Aufgabenübertragung an den Bund, obwohl sich VELK und EKU in ihrem Beschluss bzw. Beschlussentwurf zur Gemeinsamen Entschließung übereinstimmend sowohl für eine entsprechende Aufgabenübertragung als auch für die Übernahme kirchengesetzlicher Bestimmungen des Bundes nach Inkrafttreten der Gemeinsamen Entschließung ausdrücklich ausgesprochen hatten. Während die VELK auch nach dem Scheitern der Gemeinsamen Entschließung konsequent an diesem Weg festhielt,266 bekundete die EKU erst einmal nur ihre Bereitschaft zur Aufgabenübertragung,267 während konkrete Überlegungen trotz vorhandener umfangreicher Vorarbeiten nur langsam in Gang kamen und vorerst lediglich zu einem Ergebnis führten, das sowohl von den Leitungsgremien der anderen beiden Zu263 KKL/Rat der EKU – Bereich DDR/Kirchenleitung der VELK DDR: Beschluß über die Bildung gesamtkirchlicher Beratungsgremien vom 2.7.1982 (EZA BERLIN, 101, Nr. 22). 264 W. Krusche/M. Kramer/J. Hempel/Ch. Demke/J. Rogge/H. Zeddies: Niederschrift über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 12.11.1982, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 22), S. 2. 265 J. Hempel/Ch. Demke/B. Küntscher: Protokoll über die 86. Tagung der KKL am 29./30.4.1983 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3063). 266 Der Präsident der Generalsynode: Beschluß über den Weg zu einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft vom 11.6.1983, 11.6.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182); 5. Tagung der III. Generalsynode der VELK DDR. 8.–11.6.1983 in Güstrow, Drucksache 4. Vorlage 1: Bericht der Kirchenleitung an die Generalsynode, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3184), S. 5 ff. 267 Erneut von J. Rogge auf der Sitzung der AGL am 26.8.1982 (J. Rogge/H. Zeddies: Niederschrift über die 4. Sitzung der Arbeitsgruppe der Leitungsgremien [AgL] am 26.8.1982, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 22], S. 1).

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sammenschlüsse als auch von einigen Vertretern der EKU selbst als unbefriedigend empfunden wurde.268 Ein besonderes Problem bildete in diesem Zusammenhang auch weiterhin die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen einer gemeinsamen Wahrnehmung der Aufgaben und Aktivitäten auf dem Gebiet der „besonderen Gemeinschaft“. Da die Untergruppe IV der GVG seinerzeit zu keiner befriedigenden Lösung des Problems gekommen war und die offene Frage einer künftigen Fortführung der „besonderen Gemeinschaft der EKU“ bei der berlin-brandenburgischen Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt hatte, begann die Arbeitsgruppe der Leitungsgremien Mitte 1983 erneut mit einer Bestandsaufnahme der diesbezüglichen Aktivitäten von Bund, EKU und VELK, um auf dieser Grundlage zu überlegen, welche Aktivitäten der „besonderen Gemeinschaft“ auf welche Weise künftig gemeinsam wahrgenommen werden könnten und welche Aufgaben auch weiterhin bei den einzelnen Zusammenschlüssen verbleiben müssten.269 Zwar hatte der Rat der EKU in seinem Beschluss „zur künftigen Gestalt“ der EKU vom 7. Januar 1983 (s. u.) seine Bereitschaft erklärt, einerseits die „besondere Gemeinschaft“ auch im Auftrag der anderen Zusammenschlüsse wahrzunehmen und andererseits einen Teil der Aufgaben in die Verantwortung gesamtkirchlicher Gremien zu überführen, die dabei für „Ende 1983“ angekündigte Konkretion270 blieb jedoch aus. Sie erübrigte sich mit dem endgültigen Scheitern des VEK-Prozesses.

Der dritte und weitaus schwierigste Bereich der Weiterarbeit nach dem Scheitern der Gemeinsamen Entschließung in der berlin-brandenburgischen Synode umfasste den von ihrer Kirchenleitung angebotenen Dialog und damit die Klärung und Beseitigung jener Sachprobleme, die in Berlin-Brandenburg zu dieser Entscheidung geführt hatten. In den beiden Gesprächen, die daraufhin von Vertretern der AGL am 5. März und 21. Mai 1982 mit der berlin-brandenburgischen Kirchenleitung geführt wurden,271 standen 268 Nachdem Überlegungen Friedrich Winters vom Dezember 1980 „Zur Frage des Fortbestandes der besonderen Gemeinschaft“ (EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1550), in denen dieser in einem dreistufigen Modell eine weitgehende Aufgabenübertragung für möglich gehalten hatte (auf der letzten Stufe wurden lediglich eine theologische Arbeitsgemeinschaft zur Begleitung „theologischer und ökumenischer Probleme unierten kirchlichen Lebens“ sowie ein Verwaltungsausschuss für Rechts- und Finanzfragen beibehalten), im Beratungsprozess verwässert und schließlich aus dem Verkehr gezogen worden waren, wurden die Überlegungen zur Aufgabenübertragung erst wieder Mitte 1983 durch einen Beschluss der EKU-Synode neu in Gang gesetzt. Das Ergebnis der daraufhin angestellten Überlegungen zu den übertragbaren und nicht übertragbaren Aktivitäten („Prioritätenliste“) benannte allerdings nur einige begrenzte Aktivitäten und kündigte weitere Vorschläge lediglich an (Beschluss des Rates der EKU – Bereich DDR – vom 9.3.1984 [EZA BERLIN, 101, Nr. 3182]). Bei dieser Ankündigung blieb es. 269 Vgl. dazu u. a. Arbeitsgruppe der Leitungsgremien (AGL): M. Kramer, Besondere Gemeinschaft, 30.6.1983 (EZA BERLIN, 688, Nr. 99). 270 Zur künftigen Gestalt der EKU, 7.1.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182), S. 4. 271 W. Krusche/H. Zeddies: Vermerk über das Gespräch mit der Kirchenleitung BerlinBrandenburg am 5.3.1982, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 21); Ev. Kirchenleitung Berlin-

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zum einen die Frage nach der Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung im Mittelpunkt und zum anderen die Frage nach dem Fortbestand unaufgebbarer Spezifika der EKU. Während hinsichtlich der Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung durchaus eine Verständigung möglich schien, zumal die Barmer Erklärung bereits in den Grundartikeln im Vergleich zur Bundesordnung eine Aufwertung erfahren hatte,272 erwies sich als das eigentliche Problem die von der berlin-brandenburgischen Synode im April 1982 noch einmal artikulierte Frage, wie „die geistliche, theologische und rechtliche Qualität der EKU so in die Gemeinschaft integriert werden“ könne, „daß sie für das Ganze der Gemeinschaft fruchtbar“ werde.273 Diese Problembeschreibung ergänzte die Kirchenleitung der EKiBB in einem Beschluss vom 9. Juli 1982 noch durch einen weiteren, in ihrem Brief bereits angedeuteten Punkt von erheblicher Brisanz: „Wegen der Gesprächssituation in der Synode Berlin-Brandenburg“ halte sie es „für erforderlich, daß die Verteilung der Plätze in der Bundessynode noch einmal überprüft“ würde (§ 1, Artikel 10 des Änderungsgesetzes), da sie wegen ihres Festhaltens an der EKU-VELK-Parität „den nötigen Ausgleich zwischen großen und kleinen Kirchen einseitig zu Lasten der großen EKUKirchen“ vollziehe. Als Alternative schlug die Kirchenleitung einen Grundbestand an Synodalen je Gliedkirche vor (2 oder 3), der dann nach einem bestimmten Schlüssel (etwa „aus dem Umlageschlüssel des Bundes errechnet“) ergänzt werden sollte.274 In den Gesprächen mit der berlin-brandenburgische Kirchenleitung war zwar deutlich geworden, „welche spirituelle und ekklesiale Bedeutung die Ordnungswirklichkeit der EKU für die Gesprächsteilnehmer von BerlinBrandenburg“ besaß, diese Einsicht wurde jedoch vom Rat der EKU nicht zum Anlass genommen, seinerseits eine Klärung der von Berlin-Brandenburg aufgeworfenen Fragen herbeizuführen.275 Daraufhin beschlossen die

Brandenburg: Gesprächseinstieg für das 2. Gespräch der Kirchenleitung mit den Vertretern der Arbeitsgruppe der Leitungsgremien am 21.5.1982, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 22). 272 Vgl. oben S. 409. 273 8. Synode Berlin-Brandenburg, vierte ordentliche Tagung, 16.–20.4.1982, Tagungsberichtsausschuß. Drucksache 110, 20.4.1982 (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 2; vgl. Ev. Kirchenleitung Berlin-Brandenburg, Gesprächseinstieg (vgl. Anm. 271). 274 Beschluss der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 22). – Am 14.7.1982 dem Sekretariat des Bundes übermittelt. 275 Trotz der eine Weiterarbeit befürwortenden Erklärungen der EKU-Synode gewannen die Vorbehalte gegenüber dem Modell einer VEK innerhalb der EKU weiter an Boden. Das Votum der 5. Synode, „daß alle Möglichkeiten zur Weiterverfolgung des mit den Eisenacher Empfehlungen begonnenen Weges“ wahrgenommen werden sollen, wurde vom Vorsitzenden des Rates der EKU (E. Natho) ausdrücklich nicht mitgetragen (vgl. G. Forck: Mitschrift vom Bischofskonvent am 9.3.1982, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 3099], S. 2).

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Konferenz der Kirchenleitungen und die Lutherische Kirchenleitung im Zusammenhang der gemeinsamen Sitzung der drei Leitungsgremien am 2. Juli 1982, „den Rat der EKU zu bitten, er möge bis zum 10. Januar 1983 einen Vorschlag unterbreiten, wie die von Berlin-Brandenburg vorgelegten Fragen bearbeitet werden können“.276 Diese Antwort des Rates lag im Januar unter dem Titel „Zur künftigen Gestalt der EKU“ als Ergebnis eines längeren Er- und Überarbeitungsprozesses vor.277 Inhaltlich brachte die Antwort des Rates wenig Neues, sondern entfaltete vor allem noch einmal den bereits mehrfach zum Ausdruck gebrachten Standpunkt der EKU, dass sie dann bereit sei, sich in eine größere Gemeinschaft „hineinzugeben“, wenn dort auch die spezifischen Elemente ihrer bereits erreichten Gemeinschaft zum Tragen kämen: die theologischen Erfahrungen des gleichberechtigten Miteinanders unterschiedlicher Bekenntnistraditionen, die Erfahrungen eines evangelischen Gesamtbewusstseins auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums, die gemeinsame Prägung durch die Theologische Erklärung von Barmen; die Erfahrungen mit der besonderen Gemeinschaft der EKU sowie mit einer einheitlichen Ordnung. Im Zusammenhang damit stehende und somit unverzichtbare Aufgaben müsste die EKU auch künftig selbst wahrnehmen können: die Pflege unierter Tradition und Theologie, die Verbindung mit den unierten Kirchen, die Förderung besonderer Gemeinschaft unter den Gliedkirchen beider Bereiche, die Verwaltung und Erhaltung von Eigentum der EKU.

Mit dieser Antwort des Rates, der erneut die Vorstellung einer weiter bestehenden „Kern-EKU“ zu Grunde lag,278 war das Eisenacher Modell endgültig vom Tisch. Dennoch hielten die Leitungsgremien auf ihrer gemeinsamen Beratung am 11. März 1983 das vorgelegte Papier noch für vereinbar mit der Gemeinsamen Entschließung, da diese die Zukunft der Zusammenschlüsse offen gelassen hatte. Als problematisch erschien hingegen, dass in den von einigen Landeskirchen verabschiedeten Mantelbeschlüssen zur Gemeinsamen Entschließung diese Frage nicht in gleicher Weise offen geblieben, sondern im Thüringer Beschluss die Erwartung einer Auflösung von EKU und VELK festgeschrieben worden war.279 Zu dieser Diskrepanz kam die Unkonkretheit des Papiers, das

276 H.-J. Wollstadt/W. Krusche/J. Hempel/J. Rogge/Ch. Demke/H. Zeddies: Protokoll über die gemeinsame außerordentliche Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR, der KKL und der Kirchenleitung der VELK DDR am 2.7.1982 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 22), S. 1 f. 277 Zur künftigen Gestalt der EKU, 7.1.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182). 278 Vgl. z. B. oben S. 299. 279 M. Kramer/M. Stolpe/W. Leich/Ch. Demke/J. Rogge/H. Zeddies: Niederschrift über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 11.3.1983 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182), S. 1 f.

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die eigentlich anstehenden Fragen nach dem konkreten Verhältnis dieser Kern-EKU zu dem veränderten Bund (Aufgaben- und Kompetenzverteilung, Struktur) sowie nach den nächsten Schritten auf dem Weg eines Hineingebens der EKU in eine größere Gemeinschaft unbeantwortet ließ.280 Insofern trug das Papier wenig zur Problemlösung bei, was noch dadurch begünstigt wurde, dass der Rat der EKU vor weiteren Überlegungen erst einmal auf offizielle Reaktionen der anderen beiden Leitungsgremien wartete, während diese, da eine solche Stellungnahme vom Rat nicht ausdrücklich erbeten worden war, ihrerseits weiteren Konkretionen seitens der EKU entgegensahen. Neu belebt wurde die Debatte durch einen Beschluss der berlin-brandenburgischen Frühjahrssynode 1983 zur intensiveren Gemeinschaft,281 in dem diese zwar einerseits ihre Bereitschaft erklärte, der Gemeinsamen Entschließung und dem Änderungsgesetz zuzustimmen, diese Zustimmung jedoch andererseits an zuvor benannte Rahmenbedingungen band und ihre Kirchenleitung beauftragte, bei den anderen beteiligten Kirchen festzustellen, ob diese Widerspruch erheben, falls die Synode „nach Maßgabe“ dieser drei Positionen zustimme.282 Dabei blieb für Außenstehende und wohl auch in der Synode selbst unklar,283 ob die Wendung „nach Maßgabe“ die betreffenden Punkte als Voraussetzungen für eine Zustimmung oder lediglich als Erwartungen kennzeichnete, die die berlin-brandenburgische Synode ähnlich anderen Synoden mit ihrer Zustimmung zur Gemeinsamen Entschließung und zum Änderungsgesetz verband. Zu dieser Unklarheit des Stellenwertes der berlin-brandenburgischen „Maßgaben“ trat ihr zum Teil deutlicher Gegensatz zu den Positionen anderer Landeskirchen, sodass sich unmittelbar die Frage erhob, ob eine berlinbrandenburgische Zustimmung nach diesen Maßgaben tatsächlich eine gemeinsame Grundlage für ein weiteres Vorgehen schaffe oder diese nicht vielmehr in Frage stelle.

280 Vgl. die Einschätzungen der Sitzung der AGL vom 27.1.1983 von H.-M. Harder einerseits und M. Kramer andererseits (Kirchenkanzlei der EKU [R. Bürgel]: Vermerk betr. „Intensivere Gemeinschaft“, 2.2.1983 [EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1553]) sowie M. Kramer u. a.: Niederschrift (vgl. Anm. 279), S. 1 f.; H. Zeddies/J. Rogge: Niederschrift über die 7. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 31.3.1983 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3184), S. 2. 281 [M. Becker]: Beschluß der Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg vom 12.4. 1983 zur intensiveren Gemeinschaft (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182). – Siehe unten Dok. 18. 282 EBD., S. 3. 283 So I. Pettelkau vor der EKU-Synode im Juni 1983 (1. außerordentliche Tagung der 6. Synode der EKU – Bereich DDR, 3.–4.6.1983 in Berlin-Mitte, Tonbandabschrift [EZA BERLIN, 108/99, Nr. 7], S. 87); vgl. dazu die unterschiedlichen Erläuterungen der „Maßgaben“ durch M. Becker („dringliche Erwartung“) einerseits und H.-O. Furian („Bedingungen“) andererseits (EBD., S. 38, 87).

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Lediglich die erste Maßgabe, die den Entwurf der Grundartikel „als geeignete Grundlage für die Beschlußfassung von Grundartikeln in einer intensiveren Gemeinschaft“ begrüßte,284 war auch bei den anderen beteiligten Kirchen – obwohl der Umfang der noch zu leistenden Arbeit unterschiedlich eingeschätzt wurde – unbestritten. Bereits die zweite Maßgabe, die das Weiterbestehen einer Kern-EKU im Sinne der Ausarbeitung des Rates „Zur Zukunft der EKU“ forderte, stimmte hingegen – wie die Position der EKU selbst – mit dem Mantelbeschluss der Thüringer Kirche nicht mehr überein. Am konfliktträchtigsten war jedoch die dritte „Maßgabe“, die entsprechend dem Beschluss der berlin-brandenburgischen Kirchenleitung vom 9. Juli 1982 eine Korrektur der im Änderungsgesetz festgelegten Zusammensetzung der veränderten Bundessynode für notwendig hielt und damit nicht nur dem Mantelbeschluss einer anderen Landeskirche widersprach, sondern dem Änderungsgesetz selbst. Dadurch erhielt zumindest die in Aussicht gestellte Beschlussfassung zum Änderungsgesetz den Charakter einer lediglich bedingten Zustimmung und erschwerte es somit den lutherischen Kirchen, die an der von Berlin-Brandenburg abgelehnten paritätischen Zusammensetzung der Synode festhielten, die von Berlin-Brandenburg skizzierten Vorstellungen nicht als „Vorausbedingungen“, sondern als „Wegerwartungen“285 zu verstehen.

Um die zu erwartenden und von Berlin-Brandenburg erbetenen Stellungnahmen der anderen beteiligten Kirchen auf eine gemeinsame Grundlage zu stellen und die weitere Diskussion nicht zu einem Streit darüber werden zu lassen, wie der berlin-brandenburgische Beschluss und insbesondere die „Maßgaben“ zu verstehen seien,286 hielt es die AGL für sinnvoll, eine kurze Sachstandsbeschreibung mit Vorschlägen für die nächsten Schritte zu erarbeiten und den beteiligten Kirchen als Diskussionsgrundlage zuzuleiten. Dabei sollte die Beschlussfassung zu dieser Sachstandsbeschreibung auch als Antwort auf die von Berlin-Brandenburg gestellte Frage nach etwaigem Widerspruch gegen eine dortige Beschlussfassung unter den genannten Voraussetzungen gelten.287 Dieses „Positionspapier“ lag am 2. September 1983 auf der Gemeinsamen Sitzung der drei Leitungsgremien vor, wurde nach nur geringfügiger Veränderung der Vorlage beschlossen288 und am 7. September an die Leitungen der Gliedkirchen versandt.289 284 Beschluß (vgl. Anm. 281), S. 1. 285 Vgl. K. Domsch/M. Stolpe: Niederschrift über die 9. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 19.8.1983 im Konsistorium Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3184), S. 2. 286 Vgl. dazu die Diskussion zu Ziffer 4 des Beschlusses der EKU-Synode vom 4.6.1983 zur intensiveren Gemeinschaft (Tombandabschrift [vgl. Anm. 283], S. 86 ff.). 287 Vgl. B. Winkel: Niederschrift über die 8. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 30.6.1983, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3184), S. 1; K. Domsch/M. Stolpe: Niederschrift (vgl. Anm. 285), S. 2. 288 Allerdings nicht einmütig: in der KKL und im Rat der EKU gab es jeweils eine Gegenstimme, im Rat der EKU darüber hinaus zwei Enthaltungen; lediglich die Lutherische

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Das „Positionspapier“ folgerte nach einer jeweils kurzen Würdigung der Beschlüsse der berlin-brandenburgischen Synode vom 12. April 1983 (2.2), der EKU-Synode vom 4. Juni 1983 (2.3) und der Lutherischen Generalsynode vom 11. Juni 1983 (2.4), dass sich diese Bemühungen, „obwohl die Gemeinsame Entschließung bisher nicht wirksam werden konnte, . . . doch an ihr orientiert“ hätten (3.1),290 und stellte damit klar, dass die Gemeinsame Entschließung trotz der ausstehenden Zustimmung in Berlin-Brandenburg noch immer die gemeinsame Grundlage für die Bemühungen um eine engere Gemeinschaft darstelle. Die anschließende Skizze der aktuellen Diskussionslage anhand von anstehenden Aufgaben und zu klärenden Fragen machte freilich deutlich, dass sich zumindest der Kontext der Gemeinsamen Entschließung seit ihrer Erstvorlage deutlich verändert hatte. Zum einen wurde der „Prozeß der Durchführung der Gemeinsamen Entschließung in der Weise präzisiert . . ., daß zunächst eine verbindliche Zusammenarbeit von EKU und VELK mit dem Bund vereinbart“ werde (3.4).291 Zum anderen führte das Positionspapier nicht nur die noch immer offenen Fragen (etwa die „künftige Gestaltung der besonderen Gemeinschaft“) als klärungsbedürftig auf, sondern auch bereits geklärte, jedoch erneut angefragte Problempunkte (Zeitplan, „Zusammensetzung der Synode, aber auch der anderen Organe“), womit indirekt eine Teilrevision bereits gefällter Entscheidungen in Aussicht gestellt wurde (3.5).292

Auf ihren nachfolgenden Herbstsynoden votierten alle Landeskirchen zum Positionspapier, wobei jene Kirchen, die aus unterschiedlichen Gründen mit der darin enthaltenen Tendenzverschiebung nicht einverstanden waren, dem Papier nicht zustimmten, sondern es lediglich – zum Teil kritisch – zur Kenntnis nahmen. Insbesondere die sächsische Landessynode hob in ihrem Beschluss hervor, dass sie sich auch hinsichtlich der im Positionspapier als erneut klärungsbedürftig benannten Punkte „an ihre Beschlüsse . . . gebunden“ wisse und sich deshalb auch nicht in der Lage sehe, „zu I bis III des Beschlusses der Synode der Evang. Kirche in Berlin-Brandenburg vom 12.4.1983 eine Zusage zu geben“.293

Kirchenleitung stimmte einmütig zu (H. Gienke/H.-J. Wollstadt/W. Leich/M. Ziegler/ J. Rogge/H. Zeddies/B. Winkel: Niederschrift über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 2.9.1983 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 3182], S. 3). 289 „Positionspapier“, 2.9.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182; abgedruckt in: Mbl. BEK 5–6, 1983, S. 83 f. – siehe unten Dok. 19); BEK (J. Hempel)/EKU (H.-J. Wollstadt)/VELK DDR (W. Leich) an die Leitungen der Gliedkirchen: Betr. Verbindliche föderative Gemeinschaft, 7.9.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3181). 290 Positionspapier (vgl. Anm. 289), S. 1. 291 EBD., S. 2. 292 EBD. 293 Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (J. Hempel) an den BEK/die EKU/die VELK DDR/den Gliedkirchen des Bundes zur Kenntnis: Betr. Verbindliche föderative Gemeinschaft, 8.11.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3181), S. 1.

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Da das sächsische Votum als Widerspruch im Sinne der berlin-brandenburgische Anfrage verstanden werden konnte, beschloss die AGL, „die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und die Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zu bitten, die sich aus ihren Beschlüssen ergebenden unterschiedlichen Deutungen in einem gemeinsamen Gespräch unmittelbar abzuklären“.294 Dieses Gespräch fand am 1. März 1984 in Luckau statt, brachte allerdings lediglich insofern eine Verständigung, als Berlin-Brandenburg erklärte, dass die in ihrem Beschluss genannten „Maßgaben“ nicht als „Bedingungen im Rechtssinne“ zu verstehen seien, und Sachsen nach Inkrafttreten von Gemeinsamer Entschließung und Änderungsgesetz (in der unveränderten Fassung!) Gesprächsbereitschaft über anstehende Fragen signalisierte.295 Der eigentlich strittige Punkt – die Synodenzusammensetzung – blieb ungeklärt.

Auf ihrer Tagung vom 6. bis 11. April 1984 in Potsdam lagen der berlinbrandenburgischen Synode die Gemeinsame Entschließung und das Änderungsgesetz erneut zur Beschlussfassung vor. Der vom Tagungsausschuss „Intensivere Gemeinschaft“ der Synode vorgelegte Beschlussantrag, „der ‚Gemeinsamen Entschließung‘ nach Maßgabe der Abschnitte I bis III ihres Beschlusses Ds. 125/83“ zuzustimmen,296 fand wiederum nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.297 Als Gründe dafür wurden später neben der von vielen als belastend empfundenen Undurchsichtigkeit der Diskussionslage im Wesentlichen dieselben Punkte benannt, die bereits im November 1981 zum Scheitern der Gemeinsamen Entschließung geführt hatten: „Reformiertes Kirchenverständnis – besondere Gemeinschaft der EKU – Furcht vor zentralistischer Kirche – sächsischer Widerspruch – Sitzverteilung der Synode“.298 Am 11./12. Mai 1984 verabschiedete die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen eine „Stellungnahme für die Gemeinden“,299 in der sie das Scheitern des Weges, der mit der Gemeinsamen Entschließung und dem Änderungsgesetz eingeschlagen worden war, konstatierte. „Mit Betroffenheit“ stellte sie fest, „daß es auf der Leitungsebene nicht gelungen 294 B. Winkel: Niederschrift über die 10. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 21.12.1983 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3184), S. 2. 295 Die Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (J. Hempel) an die Kirchenleitung der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg, 22.3.1984 (PRIVATARCHIV BÖTTCHER), S. 1. 296 8. Synode Berlin-Brandenburg. Sechste ordentliche Tagung. Potsdam 6.–11.4.1984: Antrag des Tagungsausschusses „Intensivere Gemeinschaft“ (Drucksache 116 zu Ds. 101), undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 99; abgedruckt in epd Dokumentation 21/1984, S. 54). 297 Nach F. WINTER, Evangelische Kirche der Union, S. 260 der „größte kirchenreformerische Eklat zwischen 1969 und 1989“. 298 M. Ziegler: Protokoll über die 12. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 24.4.1984 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 99), S. 1. 299 J. Hempel/H. Gienke/M. Stolpe/M. Ziegler/F. Dorgerloh/U. Radke: Auszug aus dem Protokoll über die 93. Tagung der KKL am 11./12.5.1984 in Eisenach, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 99).

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ist, eine Struktur zu schaffen, die der gewachsenen Gemeinschaft zwischen Gemeinden und Kirchen entspricht, wie sie z. B. in gemeinsamen Kirchentagen, Jugendsonntagen, aber ebenso auch bei der Zusammenarbeit zwischen den Kirchen in vielen Einzelfragen längst praktiziert wird“. Da die Gründe, die zu den Eisenacher Empfehlungen geführt hätten, jedoch weiter bestünden, komme es nun darauf an, „daß die Gliedkirchen und ihre Zusammenschlüsse alle schon gegebenen Möglichkeiten der Zusammenarbeit praktizieren“.300 Dieser Stellungnahme schloss sich die Bundessynode auf ihrer Tagung im September 1984 an und gab der Konferenz im Interesse einer engeren Zusammenarbeit für die Verhandlungen mit der EKU und der VELK einige Richtlinien. Die erste betraf die Weiterarbeit an den Grundartikeln: „Die Arbeit an den Grundartikeln sollte zum Abschluß gebracht werden, da in ihnen das Kirchesein der gewachsenen Gemeinschaft beschrieben wird. Die gemeinsam verabschiedete Fassung der Grundartikel würde den Charakter einer Basiserklärung der Gemeinschaft unserer Kirchen gewinnen und theologisch den Weg ebenen, dieser Gemeinschaft eine ihrem Zeugnisauftrag gemäße Gestalt zu geben.“301

6.2.3. Von den „Grundartikeln“ zur „Gemeinsamen Erklärung“ Nachdem die seinerzeit vorgenommene Zurückstellung der Arbeit an den Grundartikeln nach dem ersten Negativvotum Berlin-Brandenburgs vom 16. November 1981 allgemein bedauert und ihre vorrangige Fertigstellung gefordert worden war, hatten die drei Leitungsgremien auf ihrer außerordentlichen Zusammenkunft am 12. März 1982 beschlossen, „daß die Arbeit an den Grundartikeln fortgesetzt werden soll unter Einbeziehung der bisher vorliegenden Voten und Äußerungen“.302 Eine zu diesem Zweck von EKU, VELK und BEK neu gebildete Arbeitsgruppe konnte bereits auf der Zusammenkunft der drei Leitungsgremien am 12. November 1982 einen überarbeiteten Entwurf der Grundartikel – noch zum Teil mit alternativen Fassungen – vorlegen. Dieser Entwurf wurde von den Leitungsgremien im 300 Stellungnahme der KKL zum weiteren gemeinsamen Weg der Evangelischen Kirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR vom 12.5.1984 (EZA BERLIN, 688, Nr. 99 – siehe unten Dok. 20). 301 Der Präses der Synode des BEK (S. Wahrmann): Beschluß der Synode des Bundes zum weiteren gemeinsamen Weg der evangelischen Kirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR vom 25.9.1984 (EZA BERLIN, 688, Nr. 100), S. 1. 302 J. Rogge/H. Zeddies/Ch. Demke: Protokoll über die gemeinsame außerordentliche Sitzung des Rates der EKU – Bereich DDR, der KKL und der Kirchenleitung der VELK DDR am 12.3.1982 in Berlin, 13.4.1982 (EZA BERLIN, 101, Nr. 21), S. 4.

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Großen und Ganzen befürwortet und die AGL autorisiert, „den Text des Entwurfes festzustellen und als Diskussionspapier bzw. Arbeitsmaterial, nicht aber als Beschlußvorlage, an die Leitungsgremien und die Gliedkirchen weiterzuleiten“.303 Daraufhin wurde der Entwurf von der Arbeitsgruppe Grundartikel auf ihrer Klausurtagung am 4./5. Januar 1983 noch einmal überarbeitet und am 27. Januar von der AGL gemäß dem Auftrag der drei Leitungsgremien festgestellt. Ebenso beschloss die AGL, dass „der festgestellte Text der Grundartikel den Gliedkirchen zur Beratung in den Synoden zugestellt“ werde „mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 30.6.1984,304 ob sie sich zu einer grundsätzlichen Zustimmung in der Lage sehen und welche Änderungsvorschläge sie im einzelnen machen möchten“.305 Die drei Leitungsgremien nahmen den Vorschlag am 11. März 1983 entgegen, begrüßten ihn „als einen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Entwurf“ und hielten fest: „Die Übereinstimmung in den Grundartikeln ist für das Verständnis und die Gestalt der mit der ‚Evangelischen Kirche in der DDR‘ angestrebten neuen Gemeinschaft von erheblicher Bedeutung, auch wenn über den Weg dorthin gegenwärtig noch keine Klarheit besteht.“306 Dieser Neuentwurf der Grundartikel vom 5. Januar 1983 behielt die Struktur des vorangegangenen Entwurfs der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe307 bei, versuchte jedoch in inhaltlicher Hinsicht die grundlegenden Gemeinsamkeiten noch deutlicher, als dies im vorigen Entwurf geschehen war, herauszustellen und weiter zu entfalten. Diese Intention spielte bereits bei der Festlegung des bis dahin noch immer offenen Namens des künftigen Zusammenschlusses, der nunmehr „Evangelische Kirche in der DDR“ lauten sollte,308 eine Rolle.309 Zwar kam der Verzicht auf

303 W. Krusche/M. Kramer/J. Hempel/Ch. Demke/J. Rogge/H. Zeddies: Niederschrift über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 12.11.1982, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 22), S. 3. 304 Am 9.3.1984 noch einmal bis zum 30.11.1984 verlängert (J. Hempel/H.-J. Wollstadt/W. Leich/M. Ziegler/J. Rogge/H. Zeddies/B. Winkel: Protokoll über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 9.3.1984 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 3182], S. 3). 305 Ch. Demke: Niederschrift über die 6. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 27.1.1983 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3184), S. 1. 306 Beschluss der Leitungsgremien zum Entwurf der Grundartikel, 11.3.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182). 307 Siehe oben S. 406–409. 308 Drei Varianten waren diskutiert worden: „Kirche der Reformation in der DDR“, „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“ und „Evangelische Kirche in der DDR“ (Ideenskizze für einen Namen der angestrebten ‚Kirche‘, undatiert [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 191]). 309 H. Zeddies: Niederschrift über die 2. Sitzung der Arbeitsgruppe „Grundartikel“ am 30.8.1982 in Berlin, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 191), S. 4.

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das vorangestellte „Vereinigt“ sowohl lutherischen als auch unierten Bedenken entgegen, für die damit verbundene Betonung der Bezeichnung „Evangelisch“ wurde jedoch auch angeführt, dass „das gemeinsame Verständnis des Evangeliums“ als „Grundlage der neuen Gemeinschaft“ auf diese Weise deutlicher hervortrete.310 Darüber hinaus wurde in Absatz 1 innerhalb des ersten Artikels des Neuentwurfs die „Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums und in der Verwaltung von Taufe und Abendmahl“ gemäß CA VII nicht mehr nur festgestellt, sondern erläuternd hinzugefügt, dass „diese Übereinstimmung nach reformatorischer Einsicht für die wahre Einheit der Kirche notwendig und ausreichend“ sei, sowie ausgeführt, wo diese Übereinstimmung festgestellt wurde – „in theologischen Lehrgesprächen“ und durch „Zustimmung zur Leuenberger Konkordie“ – und gegenwärtig erfahrbar werde: „in der praktizierten Gemeinschaft von Zeugnis und Dienst“. Dieser letzte Gedanke, der die doppelte Beschreibung des ekklesialen Charakters des Bundes, wie sie auf der Bundessynode in Züssow gegeben worden war, aufgriff, wurde unter Berücksichtigung des für die EKU wichtigen Sachzusammenhanges von Zeugnis und Ordnung noch einmal ausdrücklich unterstrichen: „Sie“ – die Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums und in der Verwaltung von Taufe und Abendmahl – „wird in Lehre, Leben und Ordnung der Evangelischen Kirche wirksam.“311 Eine weitere wesentliche Änderung innerhalb des ersten Absatzes betraf die Formel „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“, die zwar inzwischen als Bezeichnung für das Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses üblich geworden war, jedoch zunehmend – etwa in der Stellungnahme Berlin-Brandenburgs vom April 1981312 – als theologisch unpräzise und unklar empfunden wurde.313 An ihre Stelle trat in der überarbeiteten Fassung die Aussage: „Die Gemeinschaft der in der Evangelischen Kirche zusammengeschlossenen bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen mit ihren Gemeinden ist Kirche.“314 310 Erläuterungen zum überarbeiteten Entwurf der Grundartikel vom 5.1.1983, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3181), S. 2; Ideenskizze für einen Namen der angestrebten „Kirche“, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 191), S. 2. 311 Dieser Zusammenhang von Selbstverständnis und Gestalt der Kirche wurde später allerdings – gegen den Widerstand der EKU-Vertreter in der Redaktionsgruppe – wieder getilgt (siehe unten S. 445, Anm. 330). 312 R. Koopmann: Stellungnahme der Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zu den Vorschlägen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die schrittweise Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft unter den Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüssen in der DDR, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 20), S. 8. 313 H. Zeddies: Protokoll über die 1. Sitzung der Arbeitsgruppe „Grundartikel“ am 28.5.1982, undatiert (LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 191), S. 4; Erläuterungen zum überarbeiteten Entwurf der Grundartikel vom 5.1.1983, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3181), S. 2. 314 Am 30.8.1982 entschied sich die Arbeitsgruppe „Grundartikel“ „einstimmig“ für die Variante „Kirche“ und gegen die Variante „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“ (H. Zeddies: Niederschrift über die 2. Sitzung der Arbeitsgruppe „Grundartikel“ am 30.8.1982 in Berlin, undatiert [LKA HANNOVER, D 15 XII, Nr. 191], S. 3). – Zur Kritik an der Formu-

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Darüber hinaus erfuhr in Absatz 3 innerhalb des zweiten Artikels die Bindung der Evangelischen Kirche an das Wort Gottes im Zuge der Überarbeitung eine Präzisierung im Sinne einer Bindung an die Botschaft von der Rechtfertigung. Die vorgenommenen Änderungen in den Absätzen 5 und 6 zur Bekenntnisbestimmtheit sowie zur Barmer Theologischen Erklärung trugen hingegen deutlich Kompromisscharakter. In der Frage der Bekenntnisbestimmtheit der EKDDR (Absatz 5) beschritt auch der Neuentwurf den bereits vom Vorentwurf eingeschlagenen Weg einer Relativierung der in Eisenach beschriebenen dialogischen Bekenntnisbindung des angestrebten Zusammenschlusses. Zum einen wurde noch deutlicher die bleibende Bekenntnisbindung der Gliedkirchen hervorgehoben, zum anderen enthielt der Text keine Aussage mehr, die in irgendeiner Weise zum Hören auf die Bekenntnisse der anderen verpflichtete. Es wurde lediglich festgestellt, dass sich das Hören auf die jeweils anderen Bekenntnisse als „Hilfe zur Auslegung der Heiligen Schrift“ – nicht mehr zum „eigenen Bekennen“ wie noch im Modellentwurf – erweise, ohne deutlich zu machen, welchen Stellenwert diese Hilfefunktion im Selbstverständnis der künftigen Evangelischen Kirche in der DDR einnehme. Hinsichtlich der Aussage zur Barmer Theologischen Erklärung (Absatz 6 innerhalb des zweiten Artikels) musste der Grundartikelausschuss einen Kompromiss finden zwischen dem Anliegen von Berlin-Brandenburg, die positive Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung deutlicher zum Ausdruck zu bringen und damit dem Missverständnis zu wehren, als gehe es in der Hauptsache um die Abwehr von Irrlehre, und dem Wunsch vor allem der sächsischen Landeskirche, hinsichtlich des Textes der Barmer Erklärung keine bindenden Aussagen zu treffen. Die Lösung, die aus der VELK-Kirchenleitung kam, koppelte den Gedanken der Irrlehrerabwehr von der Barmer Erklärung ab und fügte ihn bereits in Absatz 5 ein. Eine Wertung des Textes der Erklärung wurde nicht vorgenommen, dafür jedoch ihre Bedeutung in historischer wie in intentionaler Hinsicht herausgestellt. In historischer Hinsicht sei sie „als Ausdruck gemeinsamen Bekennens von Vertretern lutherischer, reformierter und unierter Kirchen und Gemeinden . . . erforderlich“ gewesen; in intentionaler Hinsicht sei sie „in der Bindung an die Heilige Schrift wie an die Bekenntnisse der Alten Kirche und der Reformation für das heutige Bekennen richtungweisend“.315 Diese Betonung der Bedeutung der Barmer Erklärung, ohne auf ihre Textaussagen einzugehen, sollte es allen Kirchen ermöglichen, ohne Änderung ihrer eigenen Grundordnung den Grundartikeln zuzustimmen.

Nachdem die Arbeitsgruppe „Grundartikel“ im Januar ihre Arbeit vorläufig beendet hatte und ein überarbeiteter Entwurf der Grundartikel den Gliedkirchen zur Diskussion übermittelt worden war, wurde die Arbeitsgruppe auf deren Bitten mit der zusätzlichen Aufgabe betraut, nunmehr auch einen lierung „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“ vgl. R. SCHULZE, Kirchengemeinschaft, S. 71 f. 315 Vgl. H. Zeddies: Niederschrift (vgl. Anm. 309), S. 2; Erläuterungen (vgl. Anm. 310), S. 3 f.

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Vorschlag für die Grundbestimmungen zu entwerfen.316 Ein erster Entwurf lag am 17. Mai 1983 vor317 und wurde auf den nachfolgenden Sitzungen der AGL am 30. Juni318 sowie der drei Leitungsgremien am 2. September 1983 diskutiert.319 Nach entsprechender Überarbeitung auf der 11. Sitzung der AGL am 25./26. Januar 1984320 wurde der Entwurfstext noch einmal auf der Gemeinsamen Leitungssitzung am 9. März 1984 zur Diskussion gestellt. Im Ergebnis beschlossen die Leitungsgremien, ihn den Gliedkirchen und Zusammenschlüssen mit der Bitte um Stellungnahme zuzuleiten (bis Mitte 1985).321 In diesem Entwurf für die Grundbestimmungen war unter Drittens auch ein Artikel zur „besonderen Gemeinschaft“ enthalten. Der Text, der in dieser Form im Großen und Ganzen auf den Entwurf vom 17. Mai 1983 zurückging (Artikel 1.8), war eine variierende Kombination aus Artikel 4 (4) der Bundesordnung und Artikel 3 der Gemeinsamen Entschließung322: „Die Evangelische Kirche in der DDR und ihre Gliedkirchen bejahen die besondere Gemeinschaft, in der sie mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland stehen. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft werden nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so gestaltet, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen dienen. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt die Evangelische Kirche in der DDR die Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch ihre Organe wahr.“323 316 Ch. Demke: Niederschrift (vgl. Anm. 305), S. 1; auf der gemeinsamen Sitzung der Leitungsgremien am 11.3.1983 bestätigt (M. Kramer/M. Stolpe/W. Leich/Ch. Demke/ J. Rogge/H. Zeddies: Niederschrift über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 11.3.1983 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 3182], S. 3). 317 Grundbestimmungen, 17.5.1983 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182). 318 B. Winkel: Niederschrift über die 8. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 30.6.1983 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3184), S. 2. 319 H. Gienke/H.-J. Wollstadt/W. Leich/M. Ziegler/J. Rogge/H. Zeddies/B. Winkel: Niederschrift über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 2.9.1983 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182), S. 2. 320 B. Winkel: Protokoll über die 11. Sitzung der Arbeitsgruppe der drei Leitungsgremien (AGL) am 25. und 26.1.1984 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 99), S. 1. 321 J. Hempel/H.-J. Wollstadt/W. Leich/M. Ziegler/J. Rogge/H. Zeddies/B. Winkel: Protokoll über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 9.3.1984 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3182), S. 2. 322 Vgl. Anmerkungen für die Grundbestimmungen vom 17.5.1983, undatiert (EZA BERLIN, 688, Nr. 99), S. 4. – Nicht im Text der Grundbestimmungen, aber in den Anmerkungen dazu wurde erläutert: „Erforderlich erscheint, die übergreifende geistliche Gemeinschaft durch entsprechende rechtliche Ordnungen institutionell abzusichern.“ 323 Grundbestimmungen, 9.3.1984 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 176), S. 2.

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Vorbereitung und Scheitern einer „VEK in der DDR“

Mit dem zweiten und damit endgültigen Scheitern der Gemeinsamen Entschließung in der berlin-brandenburgischen Synode im April 1984 waren die Grundbestimmungen als Beschreibung der rechtlichen Grundlagen und Beziehungen eines künftigen Zusammenschlusses gegenstandslos geworden, sodass ihre Erarbeitung als eines eigenständigen Abschnitts neben den Grundartikeln abgebrochen wurde. Allerdings hielt es die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen für notwendig, dass die grundsätzlichen Einsichten, die „in dem langen Prozeß theologischer Klärung und durch die gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben für das Verständnis der Gemeinschaft unserer Kirchen gewonnen“ wurden, „nicht wieder verlorengehen, sondern . . . festgehalten werden“. Sie bat deshalb in ihrer bereits erwähnten Stellungnahme vom 12. Mai 1984 alle Beteiligten, unter dieser Perspektive „die Arbeit an den Grundartikeln zum Abschluß zu führen“.324 Diesem Vorschlag stimmten alle drei gesamtkirchlichen Synoden zu.325 Während die EKU-Synode diese Zustimmung nicht weiter erläuterte oder begründete, verband die Lutherische Generalsynode ihre Zustimmung mit der ausdrücklichen „Hoffnung, daß die in den Grundartikeln beschriebene Übereinstimmung dazu helfen wird, eines Tages die Ziele der Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung zu verwirklichen“.326 Auch die Bundessynode sah in den Grundartikeln eine Basis für künftige strukturelle Veränderungen, allerdings ohne die Eisenacher Empfehlungen direkt zu erwähnen: „Die Arbeit an den Grundartikeln sollte zum Abschluß gebracht werden, da in ihnen das Kirchesein der gewachsenen Gemeinschaft beschrieben wird. Die gemeinsam verabschiedete Fassung der Grundartikel würde den Charakter einer Basiserklärung der Gemeinschaft unserer Kirchen gewinnen und theologisch den Weg ebnen, dieser Gemeinschaft eine ihrem Zeugnisauftrag gemäße Gestalt zu geben.“327

Daraufhin beschlossen die drei Leitungsgremien, eine entsprechende Überarbeitung des Entwurfs der Grundartikel vom 5. Januar 1983 zu veranlassen, und beauftragten mit dieser Aufgabe jene Arbeitsgruppe, die bereits

324 Stellungnahme der KKL zum weiteren gemeinsamen Weg der Evangelischen Kirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR, 12.5.1984 (EZA BERLIN, 688, Nr. 99), S. 1 (vgl. oben S. 439). 325 Vgl. 6. Synode der EKU – Bereich DDR – 2. ordentliche Tagung vom 18. bis 20.5.1984 (H. Karpinski): Beschluß, 20.5.1984 (EZA BERLIN, 108/92, Nr. 112); Der Präsident der Generalsynode (G. Heinrich): Stellungnahme der Generalsynode zum Entwurf der Grundartikel vom 17.6.1984 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3181), S. 1; Der Präses der Synode des BEK (S. Wahrmann): Beschluß der Bundessynode in Greifswald zum weiteren gemeinsamen Weg der evangelischen Kirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR, 25.9.1984 (EZA BERLIN, 688, Nr. 100; abgedruckt in: M. FALKENAU, Kundgebungen BEK II, S. 175 f.). 326 Der Präsident der Generalsynode (G. Heinrich): Stellungnahme der Generalsynode zum Entwurf der Grundartikel vom 17.6.1984 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3181), S. 1. 327 Beschluß der Bundessynode in Greifswald (vgl. Anm. 325).

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den vorliegenden Entwurf erarbeitet hatte. Diese legte unter Berücksichtigung der veränderten Bedingungen sowie der inzwischen vorliegenden Stellungnahmen der Landeskirchen und Zusammenschlüsse am 8. März 1985 unter dem neuen Titel „Theologische Erklärung zu den Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst (Basiserklärung)“328 die erbetene Überarbeitung vor. Im Unterschied zur Vorfassung war ihr von der Arbeitsgruppe eine Präambel vorangestellt worden, die den „Sitz im Leben“ dieser Basiserklärung nach Wegfall ihrer ursprünglichen Funktion als Verfassungstext kurz erläuterte und vor allem den im Text weiterhin gebrauchten Begriff „Evangelische Kirche in der DDR“ nunmehr ausschließlich in theologischem – und nicht organisatorischem – Sinne interpretierte. Nach erneuter Umformulierung am 23. Mai329 und nachfolgender Diskussionsphase wurde der endgültige Text sowohl der Präambel als auch der Grundartikel ohne neuerliche Änderungen festgestellt.330 Die Präambel lautete in ihrer Endfassung: „Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR hat angesichts der Zustimmung zur Leuenberger Konkordie, der geführten theologischen Gespräche und der praktizierten Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst 1976 die Feststellung getroffen, daß die im Bund zusammengeschlossenen Gliedkirchen gemeinsam Kirche sind. Die Gliedkirchen und ihre Zusammenschlüsse, die Evangelische Kirche der Union, die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche und der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, haben eine Gemeinsame Erklärung erarbeitet, die die Übereinstimmung im Verständnis von Kirche und ihrem Auftrag beschreibt. 328 Die Bezeichnung „Grundartikel“ war vor allem von der Görlitzer Synode abgelehnt worden, da er „verfassungsrechtlich belegt“ sei (vgl. Zum Begriff und zum Subjekt der Grundartikel, undatiert [EZA BERLIN, 688, Nr. 98], S. 1). 329 M. Ziegler: Ergebnisprotokoll der Arbeitsgruppe „Präambel – Grundartikel“ [vom 23.5.1985], undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3181). 330 Strittig war unter anderem die am 23. Mai vorgenommen Streichung der Aussage in Artikel I (1), dass die festgestellte Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums und in der Verwaltung der Sakramente „in Lehre, Leben und Ordnung der Evangelischen Kirche wirksam“ werde. Diese war vor allem von sächsischer Seite angefragt worden, weil der Begriff „Ordnung“ den Verdacht struktureller Konsequenzen wecke (vgl. M. Stolpe/M. Kramer/W. Leich/M. Ziegler/J. Rogge/H. Zeddies: Protokoll über die gemeinsame außerordentliche Sitzung der KKL, des Rates der EKU – Bereich DDR – und der Kirchenleitung der VELK DDR am 10.5.1985 in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 3183], S. 3; M. Ziegler: Ergebnisprotokoll der Arbeitsgruppe „Präambel – Grundartikel“ [vom 23.5.1985], undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 3183], S. 2). Von EKU-Seite (v.a. M. Kramer) wurde hingegen für eine Beibehaltung der Konsequenzen für „Lehre, Leben und Ordnung“ argumentiert, da sonst die praktizierte Gemeinschaft als Zeichen gemeinsamen Kircheseins zu kurz komme. Diese Argumentation setzte sich jedoch nicht durch (vgl. Ev. Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen. Der Konsistorialpräsident [M. Kramer] an den BEK: Betr. Veränderungen im Text der „Grundartikel“, 26.6.1985 [EZA BERLIN, 101, Nr. 3183]; M. Ziegler: Vermerk über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Präambel – Grundartikel“ am 5.7.1985, 16.00 Uhr, in Berlin, undatiert [EZA BERLIN, 101, Nr. 3183], S. 1).

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Vorbereitung und Scheitern einer „VEK in der DDR“

Sie verstehen ihre Gemeinschaft als Kirche im theologischen Sinn des Wortes und sprechen in diesem Sinn von der Evangelischen Kirche in der DDR. Sie bekunden mit der Verabschiedung der Gemeinsamen Erklärung ihren Willen, diese Erklärung ihrem Handeln in Zeugnis und Dienst zugrunde zu legen.“331

Am 22. September 1985 stimmte die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen dem Text der „Gemeinsamen Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst“ in der Fassung vom 23. Mai 1985 einmütig zu und empfahl der versammelten Bundessynode, dem Text ebenfalls zuzustimmen,332 was diese noch am selben Tage mit großer Mehrheit vollzog.333 Am 20. September stimmte die Kirchenleitung der VELK in der DDR,334 am 2. Oktober 1985 der Rat der EKU zu.335 Daraufhin wurde die Gemeinsame Erklärung den Gliedkirchen zur Rezeption übersandt.336 Im November 1986 konnte die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen feststellen, „daß die ‚Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst‘ nunmehr von allen Gliedkirchen und ihren Zusammenschlüssen beschlossen worden“ sei. Damit könne „der erklärten Absicht der beteiligten Kirchen entsprechend . . . die Gemeinsame Erklärung nunmehr als Grundlage ihres gemeinsamen Handelns in Zeugnis und Dienst wirksam werden“.337

331 Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst (abgedruckt in: M. FALKENAU, Kundgebungen BEK II, S. 189–191), S. 1. 332 J. Hempel/M. Ziegler: Protokoll über die Sondersitzung der KKL am 22.9.1985, 16.45–17.00 Uhr, in Dresden, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3183), S. 1. 333 Der Präses der Synode des BEK (S. Wahrmann) an Oberkirchenrat Ziegler: Betr. Vorlage Nr. 5 zur Bundessynode in Dresden 1985 – Grundartikel, 30.9.1985 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3183). 334 Lutherisches Kirchenamt der VELK DDR (H. Zeddies) an den Leiter des Sekretariats des BEK: Betr. Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst, 26.9.1985 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3183). 335 Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR (H. Karpinski) an den BEK: Betr. Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst, 6.11.1985 (EZA BERLIN, 101, 3183). 336 M. Ziegler an die leitenden Verwaltungsbehörden der Gliedkirchen/die Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR/das Lutherische Kirchenamt der VELK DDR: Betr. Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst, 15.11.1985 (EZA BERLIN, 101, Nr. 3183). 337 W. Leich/M. Ziegler/H. Karpinski: Auszug aus dem Protokoll über die 108. Tagung der KKL am 7./8.11.1986 in Berlin, undatiert (EZA BERLIN, 101, Nr. 3183).

Die Bewertung des VEK-Prozesses in Staat und Partei

447 Die Bewertung des VEK -Prozesses in Sta at und Partei

6.3. Die Bewertung des VEK-Prozesses innerhalb des Staats- und Parteiapparates 6.3.1. Konzentration und Konkretion der kirchenpolitischen Arbeit Nachdem die VEK-Diskussion in Ermangelung neuer Tendenzen staatlicherseits zeitweise lediglich beobachtet worden war, nötigten Ende 1980 / Anfang 1981 Besorgnis erregende Nachrichten aus dem kirchlichen Raum zu einer erneuten grundsätzlichen Beschäftigung mit dem VEK-Thema. Zum einen standen nach 1½-jähriger Tätigkeit der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe erste Ergebnisse – auch zur Frage der Verhältnisbestimmung zwischen VEK und EKD338 – an. Zum anderen zeichnete sich Anfang 1981 ab, dass zum Jahresende nicht nur Albrecht Schönherr als berlinbrandenburgischer Bischof und als Vorsitzender der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen ausscheiden, sondern auch Oberkonsistorialrat Manfred Stolpe seine Funktion als Leiter des Sekretariats des Bundes niederlegen und das Amt des berlin-brandenburgischen Konsistorialpräsidenten übernehmen werde. Ersteres war bereits längere Zeit bekannt, letzteres teilte Stolpe in einem Vier-Augen-Gespräch am 15. Januar 1981 dem persönlichen Referenten des Staatssekretärs mit, wobei er darauf hinwies, dass deshalb „die nächste Legislaturperiode im BEK . . . etwas unruhiger“ werde. Der damit zu erwartende nicht nur strukturelle, sondern auch personelle Wechsel auf gesamtkirchlicher Ebene ließ aus staatlicher Perspektive die Sicherung der kirchenpolitischen Kontinuität im Sinne des Gespräches vom 6. März als vordringliche Aufgabe erscheinen. Obwohl Stolpe in dem genannten Gespräch versichert hatte, dass Vorkehrungen getroffen werden würden, um die Fortsetzung des bisherigen Kurses zu sichern und Nachfolgekämpfe zu verhindern,339 und in diesem Zusammenhang das für die zukünftige VEK vorgesehene Leitungsmodell von ihm als Versuch dargestellt worden war, „strukturell die realistische Linie des BEK festzuschreiben“,340 wurde seitens der staatlichen Kirchenpolitik dennoch die Notwendigkeit gesehen, selbst entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Wie diese Vorkehrungen auszusehen hätten, war freilich erst einmal unklar. Deutlich war hingegen, dass entsprechende Konzepte die Frage nach der Struktur, die die Gesamtkirche dann haben werde, nicht unberücksichtigt lassen dürften. Angesichts dessen wurde mit dem im November 1980 verschobenen Bericht „über den Stand der Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ nicht – wie ursprünglich vor338 Vgl. oben Kap. 6.1.5. 339 Persönlicher Referent (H. Dohle): Information für den Staatssekretär, 16.1.1981 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV B 2/14, Nr. 82, Bl. 1–3). 340 EBD., S. 2.

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gesehen – bis Juni 1981 gewartet, sondern dieser Bericht bereits für die Dienstbesprechung am 23. Februar eingefordert.341 Die dafür von Wilke erarbeitete „Information zu Fragen der Herausbildung einer ‚Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR‘ (VEK)“342 präsentierte sich freilich weniger als vorwärts weisende Konzeption, sondern vielmehr im Wesentlichen als Zusammenstellung der bis dahin vorgenommenen Interpretationen und Einschätzungen der VEK-Pläne durch die staatliche Kirchenpolitik einerseits sowie der innerkirchlichen Diskussion in Vorbereitung des neuen Zusammenschlusses andererseits. Dabei griff Wilke hinsichtlich der zu beachtenden Aspekte vor allem auf die Hüttnerschen Thesen zurück, folgte in ihrer Bewertung jedoch dem Tenor der Lehrgangsreferate vom Mai 1980.343 Entsprechend wurden die möglichen positiven Effekte der Herausbildung einer VEK nur kurz erwähnt, während das Hauptgewicht bei den problematischen Punkten dieses Vorhabens lag. Kritisch vermerkte er, dass bisher „jede vorwärtsweisende Orientierung in allen Materialien und Synodalpapieren auf eine Positionsbestimmung der Kirche in der Gesellschaft“ fehle und mit formalen Argumenten auch abgelehnt werde. In dem Vorschlag für die Grundartikel werde „eine weithin neutralistische Bestimmung versucht“ und „dabei jeder konkreten Bezugnahme auf die sozialistische Gesellschaft ausgewichen“.344 „Die Aussagen zur Eigenständigkeit gegenüber den Kirchen in der BRD“ seien zwar noch offen, es gäbe allerdings „in kirchenleitenden Gremien keine Bereitschaft, hier eindeutig abgrenzende Formulierungen zu finden“. Vielmehr werde „einer klärenden Diskussion . . . ausgewichen, da sich der Artikel 4/4 der GO des Bundes und die ‚Praxis der Zusammenarbeit bewährt‘ habe“. Als Beispiel für diese mangelnde Bereitschaft wurde auf die minimalen Änderungen hingewiesen, die trotz der „gesellschaftlichen Kritik“ an der Fassung von Artikel II 3.8 der Eisenacher Empfehlungen in dem betreffenden Absatz der Gemeinsamen Entschließung geplant seien.345 In perspektivischer Hinsicht brachte Wilke wieder stärker die von Gysi bereits in seinem Referat vom Mai 1980 als „legitimes Anliegen“ der staatlichen Kirchenpolitik bezeichnete Einflussnahme zugunsten einer Profilierung des neuen Zusammenschlusses als „Kirche im Sozialismus“ zur Geltung. Bereits eingangs formulierte er als kirchenpolitische Grundaufgabe angesichts der ohnehin nicht zu verhindernden „Vereinheitlichung in der 341 Vgl. Persönlicher Referent (H. Dohle): Einladung zur Dienstbesprechung am Montag, den 23.2.1981, 10.00 Uhr, im Saal, 17.2.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1276). 342 Abteilung I (H. Wilke): Vorlage an die Dienstbesprechung am 23.2.1981: Information zu Fragen der Herausbildung einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“ (VEK), 12.2.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 409). 343 Siehe oben Kap. 5.3.3. 344 Vorlage Wilkes (vgl. Anm. 342), S. 5 (Hervorhebung original). 345 EBD., S. 6. – Vgl. oben S. 389–391.

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Kirche“, die „Anpassung der Kirchen an den real existierenden Sozialismus, die Vertiefung loyaler staatsbürgerlicher Verhaltensweisen und die vertrauensvollen Beziehungen zum Staat, wie sie am 6.3.1978 zum Ausdruck kamen, kontinuierlich zu vertiefen sowie Konfrontation und Störversuche zurückzuweisen“.346 Entsprechend versuchte er am Schluss seiner Information in Form knapper „zusammenfassender Überlegungen“, diese Grundaufgabe hinsichtlich der aus staatlicher Perspektive besonders kritischen Punkte des VEK-Prozesses zu konkretisieren, wobei er auch auf das Problem einer „eindeutigeren Klärung“ der Beziehungen zu den BRD-Kirchen einging. In diesem Zusammenhang forderte er: „Obwohl nach wie vor materielle Beziehungen und Abhängigkeiten zu den westdeutschen Kirchen bestehen, ist ein Zurückgehen hinter erreichte Einsichten und kirchenpolitische Normen nicht zuzulassen. Wenn auch in einem komplizierten Prozeß, ist ständig weiter an der Einsicht in den Kirchen zu arbeiten, daß die EKD in einem imperialistischen Gesellschaftssystem völlig andere Probleme zu klären hat, daß dort in der Friedensfrage andere Aufgaben und Zielvorstellung formuliert werden müssen, als in einer Kirche in der DDR.“347

Dem Staatssekretär für Kirchenfragen genügten die von Wilke aus seiner Bestandsaufnahme gezogenen knappen Folgerungen freilich nicht, was ihn dazu veranlasste, sein Exemplar der Vorlage mit kritischen Randbemerkungen zu versehen. Darin bezeichnete Gysi die „zusammenfassenden Überlegungen“ erstens als „insgesamt noch nicht genügend“, bemängelte zweitens das Fehlen eines konkreten Zeitplanes und vermerkte unter Drittens: „Kernpunkt BRD, alles andere 2t rangig.“348 Diese Position vertrat er dann wohl auch in der Dienstbesprechung am 23. Februar, auf der Wilkes Information behandelt wurde. Zwar wurde dessen Vorlage als Arbeitsmaterial bestätigt, „im Ergebnis der Beratung“ legte der Staatssekretär jedoch fest, „daß bis zur nächsten Dienstbesprechung eine Zusammenstellung der wichtigsten kirchenpolitischen Schwerpunkte für diese Arbeit, unsere Argumentation dazu und ein Zeitplan der notwendigen Aktivitäten durch Koll. Dr. Wilke auszuarbeiten und vorzulegen“ seien.349 Diese „Konzeption zur Einflußnahme auf kirchenleitende Kräfte im Prozeß der weiteren Herausbildung einer verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR“ vom 23. März 1981350 konzentrierte sich völlig auf die Hauptprobleme und die sich daraus ergebenden Aufgaben, ohne die nach zwei Jahren wohl in der Tat fruchtlose Frage, 346 EBD., S. 2. 347 EBD., S. 9. 348 EBD., S. 8. 349 Abteilung I (H. Wilke): Protokoll der Dienstbesprechung am 23.2.1981, 25.2.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1276), S. 2. 350 In: BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1276.

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ob eine Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR aus staatlicher Perspektive eher positiv oder negativ zu bewerten sei, weiter zu verfolgen. Die bis dahin genannten und diskutierten Aspekte und Probleme wurden nunmehr auf zwei „Grundfragen“ reduziert, von denen die erste die gewünschte Orientierung der künftigen VEK an den „objektiv existierenden gesellschaftlichen Verhältnissen“ und den „spezifischen Bedürfnissen der Christen“ in dieser Gesellschaft und die zweite die möglichst weit gehende Eigenständigkeit der VEK gegenüber den westdeutschen Kirchen betraf. Zu beiden Grundfragen wurden in Wilkes Konzeption Globalziele benannt, Argumente zusammengestellt, die bereits die zu überzeugenden „kirchenleitenden Kräfte“ im Blick hatten, sowie als konkrete Aufgaben zu erreichende Textänderungen bzw. -fassungen der in Arbeit befindlichen Beschlussvorlagen zur Bildung einer VEK formuliert. Dabei waren diese Papiere nicht nur langfristig als Basisdokumente für die Gestaltung des künftigen Zusammenschlusses, die nach erfolgter Beschlussfassung nicht mehr so leicht in Frage zu stellen waren, von Interesse, sondern auch als richtungweisende Arbeitsergebnisse, die bereits vor ihrer Umsetzung bei der Klärung aktueller kirchenpolitischer Probleme – etwa im Zusammenhang des bevorstehenden Wechsels an der Spitze des Kirchenbundes – in Anspruch genommen werden könnten. Globalziel der kirchenpolitischen Arbeit im Zusammenhang des ersten Problemkreises war es, zu erreichen, dass sich die Kirchen in der DDR nicht mehr nur in territorialer, sondern auch bewusst in inhaltlicher Hinsicht als „Kirche im Sozialismus“ verstünden. Argumentiert wurde dabei nicht mit etwaigen staatlichen Erwartungen oder Wünschen, sondern – auf die vorgesehenen Gesprächspartner zugeschnitten – mit dem Auftrag der Kirche. Denn die Kirche könne nur dann wirklich „seelsorgerlich“ unter den „Gläubigen“ wirken, wenn sie an deren gesellschaftlichem Erlebnisbereich teilhabe. Diese Gläubigen aber seien „voll in der Gesellschaft integriert, gestalten sie verantwortlich mit und genießen daher auch alle Errungenschaften und Vorzüge“. Im Einzelnen sollte angestrebt werden: „Bei voller Achtung des Prinzips der Trennung von Staat und Kirche geht es darum, klare Optionen für die Innen- und Außenpolitik zu erlangen. Das betrifft die Probleme der Erhaltung des Friedens bei Beachtung der Verteidigungsbereitschaft, das Engagement in der sozialistischen Gesellschaft und ihrem sozialpolitischen Programm sowie die aktive Mitwirkung in der antiimperialistischen Solidaritätsbewegung.“351

Die Aufgaben, die sich aus dieser Zielstellung ergaben, waren – wie von Gysi gefordert – nunmehr ganz konkret formuliert: „Es ist daher notwendig, in dem Vorschlag für einen ‚Grundartikel‘ entsprechenden Einfluß auf 351 EBD., S. 1 f.

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den Artikel 9 zu nehmen.“ In der Endfassung dieses Artikels, der bis dahin in seinem zweiten Teil lediglich allgemein und unklar vom Einsatz „für das Wohl der Menschen, für ihre Grundrechte und für eine Gesinnung des Friedens“ gesprochen hatte,352 sollte die Trennung von Staat und Kirche ergänzt sowie der positive Bezug zur sozialistischen Gesellschaft einerseits und die „Möglichkeit einer antiimperialistischen Aktivität“ andererseits zum Ausdruck gebracht werden.353 Hinsichtlich des Problems der Ost-West-Bindung wurde grundsätzlich gefordert, dass „eine in der DDR zusammengeschlossene evangelische Kirche . . . eigenständig und geistig von den BRD-Kirchen unabhängig ihren Weg bestimmen und gehen“ müsse.354 Auch die Argumentation zu diesem Punkt versuchte sich in besonderer Weise auf die kirchlichen Gesprächspartner einzustellen. Eine „‚besondere Gemeinschaft‘ mit den Christen und Kirchen in der BRD“ bestünde bereits „seit Abschluß des Militärseelsorgevertrages im Jahre 1957 nicht mehr“, da die folgende Entwicklung zu „einer immer stärkeren Einbindung der EKD in die imperialistische Gesellschaftskonzeption und Politik geführt“ habe. Dieser Entwicklung dürften sich gerade auch die Kirchen nicht entziehen. Denn: „Auch eine gleiche Glaubensgrundlage bedarf der unterschiedlichen Auslegung, wenn die eine Kirche im Sozialismus, die andere in einem imperialistischen Staat existiert.“ Jede „rechtliche Festlegung und Aussage über die Eigenständigkeit der DDR-Kirche“ bleibe „inhaltlich formal, wenn es keine eindeutige Abgrenzung im politischen und kirchenpolitischen Bereich von den Kirchen in der BRD“ gebe.355 Angesichts des bekannten Selbstverständnisses der evangelischen Kirchen „als grenzüberschreitende Kraft“ und Träger „eines einheitlichen Friedensengagements ‚an der Nahtstelle zwischen zwei Weltsystemen‘“ sowie angesichts der materiellen Abhängigkeit der DDR-Kirchen von denen in Westdeutschland wurden die Erwartungen an dieser Stelle allerdings nicht sehr hoch angebunden. Im Wesentlichen sollten die Beziehungen zwischen BEK bzw. VEK und EKD – gemäß der immer wieder vorgetragenen staatlichen Forderung – ausdrücklich als „ökumenische Beziehungen charakterisiert“ und der Begriff „besondere Gemeinschaft“ in den kirchlichen Papieren zur Bildung einer VEK dementsprechend durch „ökumenische Beziehungen“, „ökumenische Gemeinschaft“ oder auch „besondere öku352 Vgl. Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vom 23.9.1980 für die Formulierung der Grundartikel (EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768), S. 3 f. 353 Abteilung I (H. Wilke): Vorlage an die Dienstbesprechung am 30.3.1981 [6.4.1981]: Konzeption zur Einflußnahme auf kirchenleitende Kräfte im Prozeß der weiteren Herausbildung einer verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR, 23.3.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1276), S. 2. 354 EBD., S. 3. 355 EBD.

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menische Beziehungen“ ersetzt werden. Dabei orientierte sich die Konzeption an dem aktuellen Wortlaut des Artikels 3 der Gemeinsamen Entschließung, der allerdings nach einer Substitution der Wendung „besondere Gemeinschaft“ im genannten Sinne auch eine Modifizierung der Aussage, dass diese „Gemeinschaft in bisheriger Weise ‚erhalten bleibt‘“, notwendig machte. Gedacht wurde hierbei an eine Formulierung, nach der die erwähnte Gemeinschaft „durch die VEK“ lediglich „wahrgenommen“ werde. In einem zweiten Satz könnten dann nach den Vorstellungen der Konzeption solche Aussagen über den „Sinngehalt der Gemeinschaft“ folgen, aus denen sich loyale Positionen ableiten ließen. Dabei wurde auf einen Vorschlag von Schönherr hingewiesen, der – wie Stolpe dem Staatssekretariat mitgeteilt hatte – zwar für eine Beibehaltung des Artikels 4 (4) der Bundesordnung plädierte, jedoch im zweiten Teil sich für die Ergänzung des Wortes „eigenständig“ oder „unabhängig“ (. . . nimmt . . . Aufgaben, . . ., eigenständig wahr) ausgesprochen hatte.356 Durchgesetzt werden sollten die staatlichen Vorstellungen wiederum auf dem Wege einer intensiven, jetzt im Einzelnen festgelegten und terminierten Gesprächsarbeit mit Bischöfen und leitenden Vertretern des Bundes, aber auch mit ausgewählten Synodalen des BEK. Zusätzlich sollte ein Artikel – Wilke dachte dabei an den „Standpunkt“357 – veröffentlicht werden, der nachweist, „daß sich der eigenständige Weg der Kirchen bewährt hat und daß inhaltliche Klarheit des Weges als positive Aussage über die Gestalt der Kirche auch immer mit Abgrenzungen von anderen Entwicklungen verbunden“ sei.358 Auf der Dienstbesprechung am 6. April wurde Wilkes Konzeption „zur Kenntnis genommen“. Korrigiert wurde sein Vorschlag zur Neuformulierung der „besonderen Gemeinschaft“, der durch die oben erwähnten drei „Verhandlungsvarianten“ ersetzt wurde.359 Eine flexible Handhabung der genannten Termine wurde zugestanden sowie die Möglichkeit, den ge356 AL I (H. Wilke): Aktenvermerk für den Staatssekretär. Betr. Gespräch mit OKR Stolpe am 12.2.81, 12.2.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1437), S. 2; aus dem kirchlichen Protokoll der betreffenden Sitzung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe lässt sich diese Stellungnahme nicht rekonstruieren, da es keinerlei Einzelvoten bietet (vgl. M. Stolpe: Niederschrift über die Beratung der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe am 5.2.1981 in Berlin [EZA BERLIN, 4/91, Nr. 769]). 357 Standpunkt. Evangelische Monatszeitschrift, seit 1973 publiziertes, der CDU nahe stehendes Journal. 358 Abteilung I (H. Wilke): Vorlage an die Dienstbesprechung am 30.3.1981 [6.4.1981]: Konzeption zur Einflußnahme auf kirchenleitende Kräfte im Prozeß der weiteren Herausbildung einer verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR, 23.3.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1276), S. 5 f. 359 Auf der Dienstbesprechung wurde festgelegt, dass die betreffende Seite der Konzeption neu zu fassen und auszutauschen sei (EBD., S. 3). Das ist geschehen, die ursprüngliche Fassung ist nicht überliefert.

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nannten Artikel „aus der Feder eines ausgewiesenen Theologen in der DDR“ eventuell auch in einer links orientierten westdeutschen Zeitschrift erscheinen zu lassen, Wilke zur Prüfung übertragen.360 Weder wurde in Wilkes Konzeption näher auf den aktuellen Stand der kirchlichen Vorbereitungen eingegangen, noch lässt das Protokoll der Dienstbesprechung erkennen, ob und inwieweit dieser dort zur Sprache kam. Dennoch ist davon auszugehen, dass den staatlichen Stellen inzwischen das Scheitern einer umfassenden Neuregelung und Neuformulierung der „besonderen Gemeinschaft“361 zur Kenntnis gelangt war. Bereits Anfang März war in einer Information der Abteilung Internationale Beziehungen des Staatssekretariats davon gesprochen worden, dass die Konzeption einer Übertragung gesamtdeutscher Arbeitsformen der EKU auf die VEK „zurückgedrängt werden“ konnte.362 Mit diesem den eigenen Bemühungen zugeschriebenen Teilerfolg hatte das Problem der Ost-West-Bindung der zukünftigen VEK erst einmal seine unmittelbare Dringlichkeit eingebüßt. Infolge dessen blieb eine Umsetzung der von Wilke in seiner Konzeption vorgeschlagenen Gesprächsarbeit mit „kirchenleitenden Kräften“ im Wesentlichen aus. Zwar zeigten die Frühjahrssynoden 1981, dass die gesamtdeutschen Tendenzen insgesamt keineswegs zurückgegangen waren, diese traten jedoch nicht in erster Linie im Zusammenhang der VEK-Diskussion auf, sondern „im Zusammenhang mit sogenannten gemeinsamen Friedensaufgaben der Deutschen“.363 In einem Gespräch zwischen Stolpe und dem Leiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen am 8. Juli 1981 wurde schließlich deutlich, dass hinsichtlich der Ost-West-Beziehungen auch nach Bildung einer VEK im Wesentlichen alles beim Alten bleiben werde. In diesem Gespräch teilte Stolpe mit, dass die EKU-Kirchen nicht bereit gewesen wären, „die noch bestehenden organisatorischen Bindungen an die EKUKirchen in der BRD“ aufzugeben. Um die „geplante Neugründung nicht von vornherein“ zu „belasten“, blieben die „gesamtdeutschen Bindungen“ der EKU als deren „Sondergut“ erhalten, während es für die VEK voraussichtlich bei dem Wortlaut des Artikels 4 (4) der Bundesordnung bleiben werde. Auf den Einwand Bellmanns, dass es „im wohlverstandenen Interesse der Kirchen in der DDR selber“ liege, dass auch die Beziehungen der EKU-Kirchen „öku360 Persönlicher Referent (H. Dohle): Protokoll der Dienstbesprechung vom 6.4.1981, 7.4.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1276), S. 2. 361 Vorlage der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, 5.2.1981 (EZA BERLIN, 101, Nr. 20). – Vgl. oben S. 421 f. 362 Abteilung Internationale Beziehungen: Information über die ökumenischen Beziehungen zwischen dem Bund der evang. Kirchen und der EKD unter besonderer Beachtung „gesamtdeutscher Intentionen bei der Schaffung der VEK“, 4.3.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 4877), S. 7. 363 Abteilung I (H. Wilke): Information zum Verlauf der Frühjahrssynode 1981 der evangelischen Landeskirchen in der DDR, 29.7.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 446), S. 3.

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menischen Charakter tragen und wie zu Kirchen anderer Staaten gestaltet werden“, wiederholte Stolpe lediglich noch einmal, dass „diese ‚Spezifika‘ der EKU auch künftig bleiben“, ergänzte freilich, dass sie „weniger ins Rampenlicht gerückt werden sollen“.364

6.3.2. Neubewertung und Desinteresse nach dem Scheitern des VEK-Vorhabens Nach dem kirchlichen Zeitplan, der der staatlichen Seite bekannt war, sollten zum Jahresende 1981 Beschlüsse aller Synoden sowohl zur Gemeinsamen Entschließung als auch zum Änderungsgesetz zur Bundesordnung vorliegen. Angesichts des damit erreichten Abschlusses des ersten Schrittes zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR wurde im Arbeitsplan der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen für die Dienstbesprechung im Dezember eine weitere „Schriftliche Information über den Stand der Herausbildung einer Kirchengemeinschaft (VEK)“ vorgesehen.365 Diese „Information über den Stand der Herausbildung einer zukünftigen verbindlicheren Gemeinschaft der ev. Kirchen in der DDR“366, die nunmehr auch das Scheitern der Gemeinsamen Entschließung in der berlin-brandenburgischen Synode zu berücksichtigen hatte, bot im Wesentlichen eine gebündelte und wertende Darstellung der kirchlichen Motive, die zum Vorhaben einer „verbindlicheren Gemeinschaft“ geführt hatten, sowie eine Übersicht über die innerkirchliche Diskussion, insbesondere des zurückliegenden Jahres. Dieser zusammenfassende Rückblick führte aus der Perspektive des Staatssekretariats für Kirchenfragen zu einer völligen Neubewertung der Beweggründe und damit des Geschehens sowie der Rollenverteilung der daran beteiligten „progressiven“ und „negativen“ Kräfte. Wurde anfangs betont, dass die VEK vor allem von den negativen Kräften vorangetrieben werde, während die progressiven Kräfte eher bremsten, erschien der VEKProzess jetzt als ein Werk Bischof Schönherrs, bei dem „vom Grundsatzgespräch am 6. März 1978 ausgehend, . . . primär solche kirchenleitenden Kräfte aktiv“ wurden, „die loyale staatsbürgerliche Positionen vertraten und bestrebt waren, eine Konfrontation mit dem Staat zu vermeiden“. 364 Arbeitsgruppe Kirchenfragen (R. Bellmann): Niederschrift über ein Gespräch mit Oberkonsistorialrat Stolpe, Leiter des Sekretariats des BEK in der DDR am 8.7.1981, 10.7.1981 (SAPMO-BARCH, DY 30 / IV 2/2.036, Nr. 45, Bl. 150–154), S. 2. 365 Rahmenarbeitsplan der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen vom 1. Mai – 31.12.1981 (VD II 12/81), undatiert (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 2709), S. 9 (Punkt 52). 366 Abteilung I (H. Wilke): Vorlage an die Dienstbesprechung am 28.12.1981 [11.1.82]: Information über den Stand der Herausbildung einer zukünftigen verbindlicheren Gemeinschaft der ev. Kirchen in der DDR, 14.12.1981 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1276).

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Während diese loyalen Kräfte sich von der VEK eine größere Wirksamkeit in der Gesellschaft und eine Fortführung des Dialogs mit dem Staat über „Probleme der sozialistischen entwickelten Gesellschaft“ erhofft hätten, wollten die negativen Kräfte die VEK zur Konfrontation mit dem Staat missbrauchen.367 In diesem Konflikt habe sich Schönherr allerdings nicht voll durchgesetzt. Deshalb sei es „politisch . . . zu keinen weiteren offiziellen Präzisierungen des Weges einer Kirche in der sozialistischen Gesellschaft“ gekommen, „obwohl Bischof Schönherr sowie andere leitende Geistliche und kirchliche Amtsträger persönlich neue Einsichten erlangten und sie auch aussprachen“. So sei zum einen keine „Präambel vor dem geplanten Kirchengesetz für eine VEK in der DDR“ entworfen worden, „in der die Positionen der Kirche im Sozialismus deutlich und realistisch definiert worden wären“. Zum anderen sei es bei dem „alten Artikel 4/4 der Ordnung des BEK“ als „Leitmotiv“ für die Beziehungen zwischen künftiger VEK in der DDR und westdeutscher EKD geblieben.368 Das Nein der berlin-brandenburgischen Synode erschien aus dieser neuen Perspektive als falsche Allianz von politisch negativen Kräften einerseits, die deutlich machen wollten, „daß der ‚Schönherr Kurs‘ mit Bischof Forck nicht mehr fortgesetzt werden solle“, und politisch realistischen Kräften andererseits, die an dieser Stelle eine sektiererische, d. h. eigensinnige Haltung eingenommen hätten.369 Trotz des vorläufigen Scheiterns – so wurde am Schluss der Information vermerkt – ergebe sich „für die staatlichen Organe . . . die gleiche politische Zielstellung wie bisher“, deren Formulierung dementsprechend wörtlich aus der Konzeption vom 23. März übernommen wurde.370 Durch die vorher erfolgte Verknüpfung des VEK-Vorhabens mit dem „loyalen“ Kurs Bischof Schönherrs erschienen diese unverändert übernommenen Formulierungen allerdings nunmehr in einem etwas anderen Licht. Sie erhielten weniger den Stellenwert von Zielen, die gegenüber den VEKBestrebungen durchzusetzen seien, sondern eher den Charakter von Chancen, die eine Verwirklichung des von negativen und sektiererischen Kräften gestoppten VEK-Vorhabens geboten hätte. Auf der Dienstbesprechung am 11. Januar 1982, auf die die Behandlung der Vorlage verschoben worden war, wurde die Information ohne Korrekturen „zur Kenntnis genommen“. Dabei erschien die unverändert übernommene Passage zur politischen Zielstellung der weiteren Arbeit jetzt als so bedeutsam, dass Wilke beauftragt wurde zu prüfen, „inwieweit man die argumentierenden Aussagen Seite 5 und 6 der Vorlage als eine selbständige

367 368 369 370

EBD., S. 2. EBD., S. 3. EBD., S. 4. Vgl. EBD., S. 5 f. mit der Vorlage Wilkes (vgl. Anm. 353), S. 1 f., 3.

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Argumentation einem größeren Kreis von Genossen zugänglich machen“ könne.371 Eine Auskopplung der betreffenden Passagen als gesonderte Argumentation erfolgte freilich nicht, was wohl vor allem an dem zunehmenden staatlichen Desinteresse an dem nunmehr ins Stocken geratenen Prozess zur Bildung eines verbindlicheren Zusammenschlusses gelegen haben dürfte. Bereits in den Berichten der staatlichen Beobachter über die konstituierende Tagung der 4. Synode des Bundes (29.–31.1.1982 in Herrnhut) ist dieses zurückgehende Interesse spürbar. So wurden in den innerstaatlichen Tagesinformationen Äußerungen zur VEK nicht mehr inhaltlich wiedergegeben,372 sondern lediglich vermerkt, dass sich dieser oder jener Synodale zur „VEK-Problematik“ geäußert habe.373 Die Gesamteinschätzung beschränkte sich auf den Hinweis, dass auf der Synode „keine neuen Positionen vorgetragen“ und die Diskussion „ohne Polemik“ gegenüber der berlin-brandenburgischen Entscheidung geführt worden sei.374 Dieses Desinteresse an Einzelheiten der weiteren VEK-Debatte prägte auch in der Folgezeit die Berichterstattung über die Synoden der Landeskirchen wie auch der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse.375 Nach dem endgültigen Scheitern des Vorhabens, eine (Vereinigte) Evangelische Kirche in der DDR zu bilden, war dieses Projekt naturgemäß auch als ein von der staatlichen Kirchenpolitik zu berücksichtigender Faktor erledigt.376 Allerdings hatten die vorangegangenen innerkirchlichen Aus371 Leiter des Büros (H. Dohle): Protokoll der Dienstbesprechung vom 11.1.1982, 12.1.1982 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 410), S. 2. 372 Freilich wurde bereits vor der Brandenburger Entscheidung staatlicherseits mit erkennbarer Verwunderung die Breite und Intensität der Diskussion zur VEK wahrgenommen. Die dritte Tagesinformation zur Bundessynode September 1981 in Güstrow bezeichnete die Diskussion zu den Vorlagen 13 und 13a als „langwierig“ und betonte mehrmals, dass „selbst über einzelne Formulierungen“ abgestimmt worden sei (Dritte Tagesinformation – Sonntag, den 20.09.1981 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 558], S. 1). 373 2. Tagesinformation, 30.1.1982 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 558), S. 4. 374 K. Gysi: Information über die konstituierende Tagung der 4. Synode des BEK vom 29.01. bis 31.01.1982 in Herrnhut, 1.2.1982 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 447), S. 3. 375 Vgl. etwa Information über die 4. Tagung der 8. Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg vom 16.–20.4.1982, 23.4.1982 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 447), S. 1; Abteilung II: Einschätzung der politisch-ideologischen Schwerpunkte der Frühjahrssynoden, 3.6.1982 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 410), S. 8; Abteilung II (H. Wilke/B. Handel): Vorlage an die Dienstbesprechung am 26.09.1983: Information über Verlauf und Ergebnisse der Synode des BEK, 22.9.1983 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 411), S. 8; Staatssekretär für Kirchenfragen. Abteilung II (H. Wilke): Information über Verlauf und Ergebnisse der Herbstsynoden und der Friedensdekade der Evangelischen Landeskirchen in der DDR 1983, 14.12.1983 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 427). 376 Es wurde später im Zusammenhang weiterer Aufgabenübertragung seitens der VELK an den Bund sowie im Vorfeld der Auflösung der VELK in DDR noch einmal interessant (Abteilung II: Information über den gegenwärtigen Stand bei der Herausbildung einer

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einandersetzungen aus staatlicher Perspektive infolge der unübersichtlichen und wechselnden Bündnisse zwischen Gruppierungen, die von ihrer politischen Haltung her ganz unterschiedlich einzuschätzen waren, die Gefahr einer „Schwächung politisch progressiver Positionen der ‚Kirche im Sozialismus‘“ und des „Ausbaus von Einfluß negativer Kräfte“ heraufbeschworen. Entsprechend ergab sich für die nächste Zeit die Aufgabe, verloren gegangenen Einfluss zurückzugewinnen und wieder klare Verhältnisse und wohl auch Fronten herzustellen. Diese Zeit müsse – wie im Rückblick auf die Frühjahrssynoden 1984 formuliert wurde – „für die Stärkung politischrealistischer Positionen in den Kirchen genutzt werden, denn in der Frage nach einer solchen Vereinigung zerstreiten sich häufig die progressiven Kräfte, gehen positive und offen negative Kräfte zusammen, wenn es für oder gegen die VEK geht“.377

„VEK“, 31.8.1985 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 1460]; Abteilung II [H. Röfke]: Vorlage an die Dienstbesprechung am 30.5.1988: Schriftliche Information zu einer verbindlicheren Gemeinschaft zwischen den evangelischen Landeskirchen in der DDR, 17.5.1988 [BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 957]). 377 Abteilung II (G. Braemer): Vorlage an die Dienstbesprechung am 25.06.1984: Information zu den Frühjahrssynoden 1984, 22.6.1984 (BARCH BERLIN, DO 4, Nr. 948), S. 3 vgl. auch W. RADATZ/F. WINTER, Geteilte Einheit, S. 206.

Ergebnis Ergebnis(Thesen) (Thesen)

7. Ergebnis (Thesen)

Die Untersuchung ging zum einen von der Frage aus, welcher Stellenwert dem 1969/70 erklärten Festhalten an der „besonderen Gemeinschaft“ bei der nachfolgenden ekklesiologischen und organisatorischen Neuprofilierung von EKD bzw. BEK jeweils beigemessen wurde, und zum anderen von dem Anliegen, einen Vergleich der dabei zu bewältigenden Probleme und eingeschlagenen Lösungswege zu ermöglichen. Zusammenfassend ist festzuhalten:

1. Zum Stellenwert der „besonderen Gemeinschaft“ im Kirchwerdungsprozess 1.1. Der Gedanke einer die Christen in Ost und West verbindenden „besonderen Gemeinschaft“ spielte innerhalb der EKD-Grundordnungsreform eine lediglich untergeordnete Rolle und wurde vor allem deshalb thematisiert, weil der erste Satz von Artikel 1 (2) GO 48, dass in der EKD „die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar“ werde, nach Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR nicht mehr zutraf und deshalb einer Korrektur bedurfte. 1.2. Im Zusammenhang dieser korrigierenden Neuformulierung wurde die „besondere Gemeinschaft“ zwischen den evangelischen Christen in Ost und West weder als etwas für das Verständnis der EKD Konstitutives beschrieben noch als eine Aufgabe angesehen, die von den Mitgliedskirchen der EKD künftig gemeinschaftlich wahrzunehmen sei („Gemeinschaftsaufgabe“) und deshalb einer Neuordnung bedürfe. 1.3. Bei der Formulierung wurde innerhalb der EKD-Reform meist auf bereits vorhandene Aussagen zurückgegriffen (Artikel 4 [4] BO, Erklärung der Stuttgarter Regionalsynode), wobei die nur schwer kalkulierbaren kirchenpolitischen Folgen neuer Formulierungen für die ostdeutschen Landeskirchen sowie deren ausdrückliche Bitte, keine tief greifend neuen – und damit neue Probleme schaffenden – Formulierungen festzuschreiben, eine zusätzliche Rolle spielten. 1.4. Der Rückgriff auf Artikel 4 (4) BO war für die Kirchen in der DDR insofern kirchenpolitisch problematisch, als bei seiner wörtlichen, d. h.

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spiegelbildlichen Übernahme eine Aussage entstand, nach der die EKD „Aufgaben, die alle Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik [!] und in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch ihre Organe“ wahrnehmen würde. 1.5. Größere Beachtung als bei der Erarbeitung einer neuen Grundordnung (GO 74) fand die „besondere Gemeinschaft“ bei der 1982 aus der Mitte der EKD-Synode angeregten Korrektur der nach Scheitern der GO 74 weiterhin gültigen Grundordnung von 1948. Dabei wurde nicht nur eine Berücksichtigung der „Leuenberger Konkordie“ gefordert und umgesetzt, sondern auch eine Aussage zur „besonderen Gemeinschaft“ in die Grundordnung aufgenommen (1984). 1.6. Im Unterschied zur EKD-Grundordnungsreform wurde die Frage nach der Wahrung und künftigen Fortführung der „besonderen Gemeinschaft“ bei den Bemühungen um eine Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR immer wieder – vor allem von der EKU als letztem gesamtdeutsch existierendem kirchlichem Zusammenschluss – zur Sprache gebracht. 1.7. Um das Streben nach einer engeren Gemeinschaft zwischen den Kirchen in der DDR auf der einen und das Festhalten an der Ost-West-Gemeinschaft auf der anderen Seite nicht zu Alternativen werden zu lassen, wurde dabei sowohl auf die Bedeutung der „besonderen Gemeinschaft“ für das Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses hingewiesen als auch versucht, die Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ als eine von der VEK zu verantwortende Gemeinschaftsaufgabe neu zu strukturieren. 1.8. Hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung der „besonderen Gemeinschaft“ zeigten sich innerhalb der VEK-Diskussion zwischen der EKU einerseits und der VELK in der DDR andererseits unterschiedliche Positionen. Während die EKU von einem direkten Sachzusammenhang von Verkündigung und Ordnung ausging (Barmen III), sodass eine Minderung geordneter Gemeinschaft die Glaubwürdigkeit der Verkündigung selbst unmittelbar in Frage stellen konnte, vertrat die VELK ein lediglich aufgabenorientiertes Verständnis von „besonderer Gemeinschaft“, wonach sich Umfang und Inhalt ihrer Wahrnehmung an den im Interesse der Evangeliumsverkündigung gemeinsam zu erledigenden Aufgaben orientierten. 1.9. Das Vorhaben einer Überführung der gesamtkirchlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der „besonderen Gemeinschaft“ in die Verantwortung der angestrebten VEK verdichtete sich zu dem Vorschlag, die bestehende Beratergruppe zwischen BEK und EKD zu einem entsprechenden Koordinationszentrum mit speziellen Konventen für die Belange von EKU und VELK auszubauen. Dieser Vorschlag stieß allerdings sowohl auf Vorbe-

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halte seitens der EKD, der die VEK-Pläne insgesamt als zu unkonkret erschienen, als auch auf Ablehnung durch die EKU, die eine Bindung ihrer umfangreichen Ost-West-Beziehungen an eine neu strukturierte Beratergruppe letztlich für undurchführbar hielt, und auf Kritik seitens der VELK, die die notwendige Flexibilität in der Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ gefährdet sah. Da mit dem Scheitern dieses Vorhabens offen blieb, ob und wie die von EKU und VELK praktizierte Ost-West-Gemeinschaft nach Bildung einer VEK – die vom Ansatz her eine Auflösung von EKU und VELK in der DDR vorsah – in die Bemühungen um eine „verbindlichere Gemeinschaft“ der DDR-Kirchen integriert werden könne, erhielten beide Bestrebungen den Stellenwert von einander ausschließenden Alternativen, wodurch der VEK-Prozess belastet und nicht unwesentlich zu seinem Scheitern beigetragen wurde.

2. Vergleich der Probleme und Lösungen im Kirchwerdungsprozess 2.1. Im Gegensatz zu der jeweils abweichenden Interessen- und Problemlage hinsichtlich der Bedeutung der „besonderen Gemeinschaft“ standen BEK und EKD bei ihren Bemühungen um ein neues Selbstverständnis als „Kirche“, auch wenn unterschiedliche Lösungswege eingeschlagen wurden, jeweils vor den gleichen Problemen. Sowohl bei der Reform der EKDGrundordnung als auch bei der Vorbereitung einer VEK in der DDR war gleichermaßen die Frage zu beantworten, inwiefern die jeweils in EKD bzw. BEK vorhandene Gemeinschaft ein Verständnis dieser Zusammenschlüsse als „Kirche“ ermöglicht und welche rechtlichen und organisatorischen Konsequenzen aus einem solchen Selbstverständnis zu ziehen seien. 2.2. Eine Grundsatzfrage, die nicht nur in Ost und West, sondern auch von Lutheranern und Unierten jeweils unterschiedlich beantwortet wurde, betraf die notwendigen Voraussetzungen für eine Neubeschreibung der bestehenden Gemeinschaft in der EKD als einer „Kirche im vollen Sinne“ bzw. für eine weitere Vertiefung der Gemeinschaft der ostdeutschen Landeskirchen im Sinne einer „Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR“. Während die EKD-Reform letztlich bei der lutherischen Position (Bayern) stehen blieb, dass eine „Kirche im vollen Sinne“ einen umfassenden Lehrkonsens voraussetze, dessen tatsächliches Fehlen eine Beschreibung der EKD als „Kirche“ ausschließe, wurde innerhalb der DDR-Diskussion seit der Bundessynode 1976 in Züssow als Basis für ein gemeinsames Kirchesein einerseits die bereits vorhandene Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung sowie andererseits die erfahrene Gemeinschaft bei der gemeinsamen Bewältigung der Aufgaben von Zeugnis und Dienst geltend

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gemacht und so ein Verständnis des Bundes wie auch einer künftigen VEK als „Kirche“ ermöglicht. 2.3. Eine nur am Rande diskutierte, in ihren Auswirkungen freilich wesentliche sowie in Ost und West ebenfalls unterschiedlich beantwortete Frage war in diesem Zusammenhang die nach der Funktion der angestrebten Neubeschreibung des Selbstverständnisses innerhalb der Gemeinschaftsprozesses. Während sich bei der EKD-Grundordnungsreform die Position durchsetzte, dass der Neubeschreibung des Selbstverständnisses der EKD in einer neuen Grundordnung selbst keine Gemeinschaft stiftende Funktion zukomme, sie dementsprechend lediglich so viel an Gemeinschaft festschreiben dürfe, wie bereits nachweislich vorhanden sei, war im Bereich der DDR im Großen und Ganzen unbestritten, dass es bei der Beschreibung des Selbstverständnisses einer VEK nicht nur um ein Festschreiben des bereits Erreichten, sondern um eine Vertiefung der Gemeinschaft selbst gehe. 2.4. Einen wesentlichen Diskussionspunkt bildete die Bedeutung der in Ost und West gleichermaßen begrüßten, jedoch für das Verständnis der Gemeinschaft innerhalb der EKD bzw. im Bund unterschiedlich zur Geltung gebrachten „Leuenberger Konkordie“ (1973). Im Rahmen der EKD-Reform erschien sie angesichts der von ihr angestrebten „Kirchengemeinschaft“ auf europäischer Ebene vor allem als Argument gegen eine weiter gehende Gemeinschaft in der EKD, die entsprechend der Leuenberger Kirchengemeinschaft ebenfalls nur als eine Gemeinschaft zwischen selbständigen und unabhängigen Kirchen beschrieben werden könne. Im Gegensatz dazu verstanden die Kirchen in der DDR die Konkordie als Entfaltung der unter ihnen vorhandenen und ein gemeinsames Kirchesein ermöglichenden Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung und damit als Basisdokument für die angestrebte Vertiefung der Gemeinschaft in einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR. 2.5. Sowohl bei der EKD-Reform als auch bei der Bildung einer VEK spitzte sich die Frage nach der ekklesialen Qualität der bestehenden bzw. angestrebten Gemeinschaft zu auf die Frage nach der Bedeutung der unterschiedlichen Bekenntnisbindung der Gliedkirchen für den Gemeinschaftsprozess sowie nach der Stellung des neu verstandenen bzw. neu gebildeten Zusammenschlusses zu den Bekenntnissen der Reformation. Während bei der Neubeschreibung der EKD die unterschiedliche Bekenntnisbindung der Gliedkirchen zunehmend in den Vordergrund trat, ein qualifiziertes Verständnis ihrer Gemeinschaft verhinderte und dementsprechend von der EKD lediglich ausgesagt werden konnte, dass sie die Bekenntnisbestimmtheit ihrer Gliedkirchen achtet und sich den in ihnen geltenden reformatorischen Bekenntnissen verpflichtet wisse, wurde innerhalb

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des VEK-Prozesses trotz der auch hier nicht angetasteten gliedkirchlichen Bekenntnisbindung zumindest versucht, eine Bekenntnisbindung auch des angestrebten Zusammenschlusses auszusagen. Dabei setzte sich weder die Bindung der VEK an eine bestimmte Bekenntnisschrift (Confessio Augustana) durch noch eine dialogisch verstandene Bindung an alle in einer VEK geltenden Bekenntnisse, sondern die Bindung an die Intention der Bekenntnisse, ihrerseits an das Evangelium zu binden und dem aktuellen Bekennen dienen zu wollen. Der bleibenden Bekenntnisbindung der Gliedkirchen wurde durch die Charakterisierung des neuen Zusammenschlusses (VEK) im Sinne einer „Kirche als Gemeinschaft von Kirchen“ Rechnung getragen. 2.6. Das Streben nach einem gemeinsamen Kirchesein warf grenzübergreifend nicht nur die Frage nach den dafür notwendigen Voraussetzungen, sondern auch die darauf aufbauende Frage nach den daraus zu ziehenden organisatorischen und strukturellen Konsequenzen auf. Dabei gelang es weder in Ost noch in West, das hier wie dort erwartete Mehr an praktischer Gemeinschaft so überzeugend zu füllen, dass es für alle beteiligten Landeskirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse erstrebenswert erschien und den Verdacht des Zentralismus auf der einen sowie die Befürchtung eines neuerlichen Partikularismus auf der anderen Seite auszuräumen in der Lage war. Vielmehr führte die Furcht vor einer – jeweils unterschiedlich verstandenen – Fehlentwicklung zu einem Streit um Kompetenzen, Paritäten und Sitzverteilungen sowie letztlich zum Scheitern des jeweiligen Reformvorhabens. 2.7. In beiden Bereichen stellte sich die Frage, was die neue Gemeinschaft für den einzelnen Christen bringt, eher am Rande und an nahezu entgegengesetzter Stelle des Diskussionsprozesses. Während bei den Arbeiten zur EKD-Grundordnungsreform diese Frage vor allem zu Beginn eine Rolle spielte (etwa bei der Frage nach einer vermittelten Mitgliedschaft) und zugunsten von Strukturfragen zurückgestellt wurde, kam diese Frage bei der VEK-Diskussion mehr gegen Ende – nicht zuletzt durch reformierte Anliegen – in den Blick, als die Korrektur der Strukturen bereits gescheitert war. 2.8. Eine nahezu gegensätzliche Funktion nahmen EKU und VELKD(DR) innerhalb der Kirchwerdungsbemühungen ein. Während die Reformgegner in der EKD vor allem aus dem lutherischen Lager kamen, gehörten in der DDR die Lutheraner zu den vorwärts treibenden Kräften. Während die West-EKU – nicht zuletzt angesichts einer sich eventuell in den BEK integrierenden Ost-EKU – die Reform nicht nur befürwortete, sondern auf eine Mitgliedschaft der EKU-West in der „reformierten“ EKD drang, agierte die Ost-EKU im VEK-Prozess kaum, sondern beschränkte sich auf ein Reagieren, das diesen Prozess zwar nicht abblockte, aber auch

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nicht voranbrachte. Eine charakteristische Parallele zwischen EKU-Ost und VELKD ergab sich darin, dass beide den Vorteil des Kirchwerdungsprozesses darin sahen, dass sie sich nach Abgabe für sie unspezifischer Aufgaben auf das für sie Eigentliche konzentrieren könnten. 2.9. Obwohl in Ost und West unterschiedliche Verfahrenswege beschritten (Neuformulierung der Grundordnung hier, prozesshaftes Aufeinander-Zugehen dort), unterschiedliche Lösungen der gleichermaßen anstehenden Probleme versucht und die anfänglichen Zielbeschreibungen („Bundeskirche“ bzw. „VEK“) hier wie dort relativiert wurden, scheiterten beide Vorhaben am Einspruch einzelner Landeskirchen (Württemberg/Bayern bzw. Berlin-Brandenburg), sodass lediglich eine partielle Korrektur des bereits Bestehenden in Angriff genommen werden konnte (Neuformulierung einzelner Artikel der GO 48 bzw. eine weitere Aufgabenübertragung an den Bund).

3. Zusammenfassung Angesichts der unterschiedlichen Berücksichtigung der „besonderen Gemeinschaft“ innerhalb der Strukturreformen in BEK und EKD bei gleicher Zielstellung der Reformen, übereinstimmenden Problemen sowie ihrem gemeinsamen Scheitern erscheint die „besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ unter dem Gesichtspunkt der „Kirchwerdung“ vor allem als eine deutsch-deutsche Problemgemeinschaft in ekklesiologischen Grundsatzfragen.

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Dokument 1 Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und zur Rechtslage innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland Stuttgart, 15. Mai 1970 Abl. EKD 24 (1970), S. 277 Die zu ihrer regionalen Tagung (West) in Stuttgart versammelte 4. Synode und die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland erklären übereinstimmend mit der Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 26. September 1969: Der neu gegründete Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik hat seine Organe gebildet. Er hat die Verantwortung für die Gemeinschaft der acht Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik übernommen. Die in der Deutschen Demokratischen Republik amtierenden Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland haben festgestellt, daß ihre Funktionen und ihre Tätigkeit als Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland beendet sind. Gleichzeitig hat das Präsidium der regionalen Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik erklärt, daß auch die Funktionen der Mitglieder der Synode in der Deutschen Demokratische Republik ihr Ende gefunden haben. Die Gründung des Bundes bedeutet einen tiefen und folgenschweren Einschnitt in der über hundertjährigen Geschichte des Zusammenschlusses der evangelischen Kirchen in Deutschland. Dankbar ist des Dienstes zu gedenken, den die Evangelische Kirche in Deutschland an der inneren und äußeren Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen in beiden Teilen Deutschlands getan hat. Äußere Formen dieser Gemeinschaft sind zerbrochen. Die Gemeinsamkeit der Verantwortung für Zeugnis und den Dienst der Kirche bleibt bestehen. Die regionale Tagung (West) der Synode und die Kirchenkonferenz respektieren die von den Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik getroffenen Entscheidungen. Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland gilt für die im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) gelegenen Gliedkirchen fort.

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Die regionale Tagung (West) erklärt sich damit zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nach Maßgabe des geltenden Rechts für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) wahr. Synode, Kirchenkonferenz und Rat bekennen sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nehmen sie die Aufgaben, die sich daraus ergeben, für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr. Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Raiser Stellvertretender Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zugleich als Vorsitzender der Kirchenkonferenz Scharf

Dokument 2 Entschließung der Synode der EKD zum künftigen Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland Stuttgart, 15. Mai 1970 Abl. EKD 24 (1970), S. 279 f. 1. Die Synode stellt dankbar fest, daß in den Jahren seit 1945 die Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit über die Ordnung des im Jahre 1948 auf der Wartburg bei Eisenach beschlossenen Bundes lutherischer, reformierter und unierter Kirchen hinausgewachsen ist. Die Gemeinsamkeit ihres Zeugnisses und Dienstes fand im Laufe dieser Jahre zunehmend verstärkten Ausdruck in der Zusammenarbeit der Gliedkirchen bei zahlreichen missionarischen und diakonischen Aufgaben. Dankbar sind wir auch für die in jüngster Zeit rasch wachsenden Möglichkeiten ökumenischer Gemeinschaft mit anderen Kirchen. 2. Unter uns ist eine Bewegung im Gange, welche die bestehende Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes unserer bekenntnisbestimmten Kirchen vertiefen und stärken will. Die Synode begrüßt deshalb, daß die Vereinigte EvangelischLutherische Kirche Deutschlands, die Arnoldshainer Konferenz, die Evangelische Kirche der Union und der Reformierte Bund Initiativen ergriffen haben, um zu einer größeren Gemeinschaft im Verständnis der biblischen Botschaft zu kommen und damit auch der Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dienen. 3. An die Stelle des Kirchenbundes soll eine engere Gemeinschaft der Kirchen (Bundeskirche) treten. Sie soll in einer ausgewogenen regionalen Gliederung die gemeinsame Arbeit der Gliedkirchen gewährleisten.

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Diese Bundeskirche soll sich der Fragen und Aufgaben annehmen, die alle Gliedkirchen miteinander sowie die Werke und Einrichtungen der Evangelischen Kirche in Deutschland und nicht nur einzelne Gliedkirchen oder Gruppen von Gliedkirchen betreffen. Dazu gehören Fragen und Aufgaben insbesondere aus folgenden Bereichen: Theologische Grundsatzfragen Diakonie und Mission Mitverantwortung für Frieden und soziale Gerechtigkeit in der Welt Interkonfessionelle und ökumenische Arbeit Auslandsarbeit Verantwortung in Staat und Gesellschaft Bildung und Erziehung Öffentlichkeitsarbeit Ausbildung und Fortbildung aller kirchlichen Mitarbeiter Angleichung des gliedkirchlichen Rechts. 4. Es wird ein Ausschuß für Struktur- und Verfassungsfragen eingesetzt. Der Ausschuß besteht aus 16 Synodalen und 8 Beauftragten der Kirchenkonferenz. Der Ausschuß wird ermächtigt: a) Unterausschüsse zu bilden b) sachkundige Berater zuzuziehen c) Ergebnisse seiner Arbeit jeweils zu veröffentlichen, um insbesondere Gemeinden und Synoden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 5. Der Ausschuß erhält den Auftrag, a) die Folgerungen auszuarbeiten, die aus den in Ziff. 2 und 3 genannten Zielen zu ziehen sind, b) die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu überprüfen und Vorschläge für eine den Zielen entsprechende Neugestaltung zu machen. Dabei sollen insbesondere folgende Fragen geprüft werden: Vermehrung der Befugnisse der Synode und der Kirchenkonferenz Überprüfung der Struktur und Arbeitsweise der Leitungsorgane Vermehrte Funktionsgliederung und Verringerung der Ämterhäufung Finanzausgleich Revision des Wahlrechts der Synode, c) vorzuschlagen, welchen Namen die Evangelische Kirche in Deutschland tragen soll, d) auf der nächsten Synode erste Ergebnisse vorzulegen. Die Synode bittet den Ausschuß darauf zu achten, daß die kirchenrechtlichen und theologischen Gesichtspunkte bei dieser kirchlichen Neuordnung aufeinander bezogen werden. 6. Die Synode bittet die Gemeinden, offen für Reformen zu sein, aktiv an ihnen mitzuarbeiten und die Bemühungen um die Neugestaltung unsere Kirche mit ihrer Fürbitte zu begleiten. Diese Neuordnung wird nur sachgemäß sein, wenn die ganze Arbeit der Kirche in ökumenischer Weite missionarisch und diakonisch ausgerichtet wird. Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Raiser

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Dokument 3 Zweiter Zwischenbericht des Struktur- und Verfassungsausschusses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Erläuterungen zum Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (EGO I). Auszug November 1971 Frankfurt/Main 1971, S. 487–527

I. Grundlagen Vorbemerkung zu Artikel 1–4 Während der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13. Juli 1948 (im folgenden GO) unbezifferte Aussagen in einer Präambel vorangestellt waren, sieht der Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (im folgenden EGO) in vier Artikeln einen I. Teil vor, welcher die vorgegebenen Grundlagen formuliert. Artikel 1 Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es allein in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Dieses Evangelium ist die Richtschnur ihres Glaubens, ihrer Lehre und ihres Lebens. Erläuterungen Satz 1 EGO entspricht Satz 1 in der Präambel GO. Hinzugefügt ist, um der gegenwärtigen, theologischen Situation willen, daß das Evangelium allein in der Heiligen Schrift gegeben ist. Der folgende, neue Satz unterstreicht die Geltung des Evangeliums für die Kirche. Artikel 2 Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu Jesus Christus als dem einen Herrn der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche, zu der Er die Kirchen und Christen aller Länder, Völker und Rassen beruft. Erläuterungen Der erste Halbsatz entspricht Absatz 1 Satz 2 in der Präambel GO. Der zweite Halbsatz ist neu. Mit ihm soll ausgesagt werden, daß die evangelische Christenheit zur „ecclesia universalis“ berufen ist. In einer früheren Fassung dieses Artikels wurde konkret auf die ökumenische Gemeinschaft Bezug genommen. Mit diesem Begriff schien aber die ecclesia universalis nicht genau bezeichnet. Ein institutionelles Mißverständnis war nicht ausgeschlossen. Darum ist die Universalität der Kirche in der vorliegenden Weise zum Ausdruck gebracht worden.

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Artikel 3 Gemeinsam mit der alten Kirche steht die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Sie ist den in ihren Gliedkirchen geltenden reformatorischen Bekenntnissen verpflichtet. In der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht Übereinstimmung, daß die Verschiedenheit der Bekenntnisse keine kirchentrennende Bedeutung mehr hat. Die Evangelische Kirche in Deutschland anerkennt die Aufgabe, die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen und kirchenzerstörende Irrlehre gemeinsam abzuwehren. Erläuterungen Satz 1 des Artikels entspricht Absatz 2 der Präambel GO. Satz 4 kommt in der GO in Artikel 1 Absatz 2 letzter Satz vor. Die Sätze 2 und 3 sind gegenüber der früheren Grundordnung sachlich anders und neu formuliert. In Satz 2 wird die Bekenntnisbindung der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen ins Verhältnis zueinander gebracht. In den Gliedkirchen gelten die reformatorischen Bekenntnisse; die Evangelische Kirche in Deutschland ist diesen Bekenntnissen verpflichtet. Satz 3 geht davon aus, daß die Gliedkirchen auf Grund der interkonfessionellen Gespräche erklären, daß die Verschiedenheit der Bekenntnisse für sie keine kirchentrennende Bedeutung mehr hat. Die Formulierung des Absatzes 3 ist mit dem Entwurf für eine Konkordie Europäischer Kirchen in Übereinstimmung gebracht worden. Artikel 4 Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus. Sie bejaht den Dienst der Kirche in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt, der im Gehorsam gegen diesen Auftrag geschieht Erläuterungen In der Grundordnung findet sich keine Entsprechung für diesen Artikel. Der Ausschuß hat es für richtig gehalten, einen bestimmten Auftrag der Kirche unter dem Abschnitt der Grundlagen zu nennen: die Verkündigung des Evangeliums. Dieser Grundauftrag der Kirche ist der Verfügbarkeit kirchlicher Ordnung entzogen und gehört zur Wesensbestimmung der Kirche. Eine Minderheit im Ausschuß hat die Meinung vertreten, daß die sachlich nicht zu beanstandende Aussage des Artikels 4 systematisch zu den Grundbestimmungen und nicht zu den Grundlagen gehört. Das gleiche gilt auch für den letzten Satz des Artikels 3. Auch dort wird von einer „Aufgabe“ gesprochen, die nach Ansicht der Minderheit nicht zu den Grundlagen gehört.

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Dokumente II. Grundbestimmungen

Vorbemerkung zu Artikel 5–10 Dieser Teil nimmt im wesentlichen die Aussagen der Grundbestimmungen der geltenden Grundordnung (Artikel 1–5 GO) auf. Artikel 5 Erste Fassung (1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist die Gemeinschaft der evangelischen Christen, die den Gliedkirchen und ihren Gemeinden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) angehören. (2) Sie umfaßt lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen), die nach Maßgabe dieser Grundordnung in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander stehen. Sie achtet die Bekenntnisgrundlagen ihrer Gliedkirchen und Gemeinden. Sie hält dazu an, auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören. Zweite Fassung (1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland sind lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen) im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) mit ihren Kirchengemeinden und Kirchengliedern zu einer Kirchengemeinschaft zusammengeschlossen, die nach Maßgabe dieser Grundordnung Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließt. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland achtet die Bekenntnisgrundlagen ihrer Gliedkirchen und Gemeinden. Sie hält dazu an, auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören. Gemeinsame Fortsetzung der ersten und zweiten Fassung (3) Sie bejaht mit ihren Gliedkirchen die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche. (4) Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu ihrer Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. Erläuterungen Eine Entsprechung in der geltenden Grundordnung könnte allenfalls in Artikel 1 gesehen werden. Allerdings wird die Gemeinschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland in diesem Artikel anders beschrieben und bestimmt. Der Artikel versucht dem Auftrag der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 15. Mai 1970 gerecht zu werden. Dort heißt es in der Entschließung unter 3. „An die Stelle des Kirchenbundes soll eine engere Gemeinschaft der Kirchen (Bundeskirche) treten . . .“. In der ersten Fassung der Absätze 1 und 2 wird die Evangelische Kirche in Deutschland als Gemeinschaft der evangelischen Christen beschrieben. Es folgt die Feststellung, daß diese Christen den Gliedkirchen und ihren Gemeinden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) angehören. Die zweite Fassung der Absätze 1 und 2 definiert die Evangelische Kirche in Deutsch-

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land als Kirchengemeinschaft im Sinne eines Zusammenschlusses von Gliedkirchen mit Kirchengemeinden und Kirchengliedern. In beiden Fassungen wird festgestellt, daß die Bekenntnisgrundlage der Gliedkirchen geachtet werden muß und daß das Zeugnis der Brüder zu hören ist. Diese beiden Feststellungen stehen in der bisherigen Grundordnung in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 vorletzter Satz. In beiden Fassungen wird gemäß den Beschlüssen der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft nach Maßgabe der Grundordnung unter den Grundbestimmungen genannt. Die Aussagen über die Bedeutung der von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen sind gegenüber der bisherigen Grundordnung (vgl. Artikel 1 Absatz 2 Satz 2 und 3) gestrafft. Artikel 6 (1) Der Dienst am Wort und die Verwaltung der Sakramente geschehen in den Gliedkirchen und Gemeinden nach deren Ordnungen. (2) Nach Maßgabe der gliedkirchlichen Ordnungen gilt innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland folgendes: 1. Die in einer Gliedkirche erteilte Ordination wird in allen Gliedkirchen anerkannt; die Anstellungsbestimmungen der Gliedkirchen bleiben unberührt. 2. Berufene Diener am Wort sind zum Dienst der Verkündigung auch in den Gemeinden eines anderen Bekenntnisses in allen Gliedkirchen zugelassen. 3. In allen Gliedkirchen wird der ordnungsmäßige Vollzug der Taufe anerkannt; dasselbe gilt für alle Amtshandlungen. Jeder Ordinierte ist zum Vollzug der Taufe in allen Gliedkirchen zugelassen. 4. Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht Abendmahlsgemeinschaft. Erläuterungen Dieser Artikel entspricht Artikel 4 GO. In Absatz 2 wird beschrieben, was zwischenkirchlicher Ordnung entspricht. Gegenüber der früheren Aussage über das Abendmahl (Artikel 4 Absatz 4 GO) wird hier nur ein kurzer Satz angeboten. Es besteht Übereinstimmung darin, daß auch die „offene Kommunion“ eine Form der Abendmahlsgemeinschaft ist. Einer besonderen Beschreibung und Feststellung, daß zwischen vielen Kirchen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland eine weitergehende Abendmahlsgemeinschaft besteht, bedurfte es nach Meinung des Ausschusses nicht. Artikel 7 Erste Fassung (1) Die Kirchenmitgliedschaft wird durch die Taufe, durch Zugehörigkeit zu einem in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis und durch Wohnsitz in der Kirchengemeinde einer Gliedkirche begründet. Erwerb und Verlust der Kirchenmitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche begründen und beenden zugleich die Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche in Deutschland.

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(2) Der getaufte evangelische Christ gehört durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich der Evangelischen Kirche in Deutschland an. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten gelten im Rahmen dieser Grundordnung und nach Maßgabe der gliedkirchlichen Ordnungen im gesamten Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland. (3) Bei Wohnsitzverlegung aus dem Bereich einer Gliedkirche in den einer anderen Gliedkirche besteht die Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche in Deutschland fort. Sie gründet sich nunmehr auf die Kirchenmitgliedschaft in der Kirchengemeinde und Gliedkirche des neuen Wohnsitzes. Zweite Fassung (1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die Kirchenmitgliedschaft durch die Taufe, durch Zugehörigkeit zu einem in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis und durch Wohnsitz in der Kirchengemeinde einer Gliedkirche begründet. (2) Der getaufte evangelische Christ ist durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich Mitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die sich für das Kirchenmitglied ergebenden Rechte und Pflichten gelten im Rahmen dieser Grundordnung und nach Maßgabe der gliedkirchlichen Ordnungen im gesamten Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland. Erwerb und Verlust der Kirchenmitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche begründen und beenden zugleich die Mitgliedschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland. (3) Bei Wechsel des Wohnsitzes von einer Gliedkirche in eine andere besteht die Kirchenmitgliedschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland fort. Sie gründet sich nunmehr auf die Kirchenmitgliedschaft in der Kirchengemeinde und Gliedkirche des neuen Wohnsitzes. Erläuterungen Eine vergleichbare Bestimmung in der bisherigen Grundordnung fehlt. Die beiden angebotenen Fassungen unterscheiden sich im wesentlichen darin, daß die erste Fassung eine Einzelmitgliedschaft des evangelischen Christen in der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht feststellt, während sie in der zweiten Fassung bejaht wird. Die erste Fassung nimmt die unter den Gliedkirchen geschlossene Vereinbarung über das Mitgliedschaftsrecht in ihren wesentlichen Bestimmungen in die Grundordnung auf. Die zweite Fassung knüpft an diese Vereinbarung an und entfaltet sie in vorsichtiger Weise. Die in der zweiten Fassung vorgeschlagene Einzelmitgliedschaft darf nicht mit der so genannten „unmittelbaren“ Mitgliedschaft verwechselt werden. Es wird lediglich vorgeschlagen, eine Einzelmitgliedschaft zur Evangelischen Kirche in Deutschland zu begründen, die durch die Mitgliedschaft zu einer Kirchengemeinde und/oder Gliedkirche vermittelt wird. In der ersten Fassung ist im Zusammenhang mit der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht von „Mitgliedschaft“ sondern von „Zugehörigkeit“ die Rede. In der Diskussion im Ausschuß ist darauf hingewiesen worden, daß eine Entscheidung zwischen den beiden Fassungen im Grunde im Zusammenhang mit der Entscheidung der beiden Fassungen des Artikels 5 zu fällen ist. Mit der Entscheidung über die ecclesiologische Bestimmung der Evangelischen Kirche in Deutsch-

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land fällt auch die Entscheidung über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Mitgliedschaft von Christen zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Artikel 8 (1) Das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen muß auf den im I. Teil bezeichneten Grundlagen beruhen. (2) Das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland geht dem gliedkirchlichen Recht vor. Die gesamtkirchliche Rechtsetzung darf das Bekenntnis und wesentliche Verfassungsgrundsätze der Gliedkirchen nicht verletzen. Erläuterungen Absatz 1 vgl. GO Artikel 2 Absatz 1; Absatz 2 vgl. GO Artikel 2 Absatz 2. Etwas klarer als in der bisherigen Grundordnung ist ausgesprochen worden, daß das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland dem gliedkirchlichen Recht vorgeht. Diese eindeutige Formulierung wurde mit Rücksicht auf Artikel 27 Absatz 3 EGO für notwendig gehalten. Artikel 9 (1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist nach staatlichem Recht Körperschaft des öffentlichen Rechts. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist um ihres Auftrags willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Ämter. Erläuterungen Der Artikel enthält gegenüber der bisherigen Regelung keine neuen Aussagen (vgl. Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 35 Absatz 1 Satz 1 GO). Artikel 10 Die Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland, ihres Verhältnisses zu den Gliedkirchen und der Gliedkirchen zueinander ist eine Ordnung der Brüderlichkeit. Verhandlungen und Auseinandersetzungen sowie die Geltendmachung von Rechten und Pflichten sollen in diesem Geist stattfinden. Erläuterungen Die Bestimmung entspricht Artikel 5 GO.

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Dokument 4 Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (EGO II). Vorlage des Entwurfs-Ausschusses für den Struktur- und Verfassungsausschuss. Auszug November 1972 Berlin-Spandau 1972, S. 331–353 Präambel Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Dieses Evangelium ist bezeugt in den altkirchlichen Bekenntnissen und in den reformatorischen Bekenntnissen, die in den Gliedkirchen gelten. Es ist die Richtschnur des Glaubens, der Lehre und des Lebens in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu Jesus Christus als dem einen Herrn der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche, zu der Er Menschen aus allen Ländern, Völkern und Rassen beruft. Mit der ganzen Christenheit hat die Evangelische Kirche in Deutschland den Auftrag, das Evangelium von Jesus Christus in der Welt zu bezeugen. Alles kirchliche Handeln ist an diesen Auftrag gebunden. I. Grundbestimmungen Artikel 1 In der Evangelischen Kirche in Deutschland sind lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen), die in Kirchengemeinschaft miteinander stehen, mit ihren Kirchengemeinden und Kirchenmitgliedern zusammengeschlossen. Artikel 2 (1) Unter den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums. Die in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen betreffen nicht den gegenwärtigen Stand der Lehre der Gliedkirchen. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland achtet die Bekenntnisgrundlagen der Gliedkirchen und Gemeinden und hilft dazu, daß sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen. Sie hält dazu an, auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören. Die Bekenntnisse sind immer neu an der Heiligen Schrift zu prüfen. (3) Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht mit ihren Gliedkirchen die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche.

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Artikel 3 (1) Die Kirchengemeinschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland verwirklicht sich in gemeinsamer Ausrichtung von Zeugnis und Dienst. Sie schließt Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ein. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland hat die Aufgabe, das gemeinsame Verständnis des Evangeliums in theologischer Arbeit zu vertiefen und die Wahrheit des Evangeliums gegenüber Entstellungen abzugrenzen. (3) Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht ihre Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. Artikel 4 entfällt Artikel 5 entfällt Artikel 6 (1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland gilt für den Dienst der Verkündigung und der Sakramentsverwaltung: 1. Die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß vollzogene Taufe wird in allen Gliedkirchen anerkannt. 2. Es besteht Abendmahlsgemeinschaft. 3. Die in einer Gliedkirche vollzogene Ordination wird in allen Gliedkirchen anerkannt; Ordinierte sind in allen Gliedkirchen zum Dienst der Verkündigung, zur Vornahme von Taufen und Amtshandlungen zugelassen. 4. Ordnungsgemäß vollzogene Amtshandlungen werden in allen Gliedkirchen anerkannt. (2) Die gliedkirchlichen Ordnungen und Vereinbarungen zwischen den Gliedkirchen bleiben unberührt. Artikel 7 (1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die Kirchenmitgliedschaft durch die Taufe, durch evangelischen Bekenntnisstand (Zugehörigkeit zu einem in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis) und durch Wohnsitz in der Kirchengemeinde einer Gliedkirche begründet. (2) Auf Grund ihrer Kirchenmitgliedschaft zur Kirchengemeinde und Gliedkirche des Wohnsitzes haben die Kirchenmitglieder Anteil an der Kirchengemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie sind berechtigt, in allen Gliedkirchen den Dienst der Verkündigung, der Seelsorge und der Diakonie in Anspruch zu nehmen. Im übrigen bestimmen sich ihre kirchlichen Rechte und Pflichten nach dem Recht der Gliedkirchen und dem der Evangelischen Kirche in Deutschland. (3) Nach einem Wechsel des Wohnsitzes von einer Gliedkirche in eine andere

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besteht Kirchenmitgliedschaft zu der Kirchengemeinde und Gliedkirche des neuen Wohnsitzes. Unberührt bleibt das Recht der zuziehenden Evangelischen, zu erklären, daß sie einer anderen im Gebiet der Gliedkirche bestehenden evangelischen Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören wollen. Artikel 8 vgl. Artikel 10c Artikel 9 (1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist um ihres Auftrags willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Ämter. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist nach staatlichem Recht Körperschaft des öffentlichen Rechtes.

II. Gliederung Artikel 10 vgl. Artikel 10g Artikel 10a (1) Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die evangelischen Landeskirchen im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin-West: ..... ..... ..... (2) Die Evangelische Kirche der Union (Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands gehören als gliedkirchliche Zusammenschlüsse der Evangelischen Kirche in Deutschland an. Artikel 10b Die Gliedkirchen und ihre Zusammenschlüsse nehmen den Dienst der Kirche in ihrem Bereich nach ihren Ordnungen wahr. Sie sind in Gesetzgebung und Verwaltung selbständig, soweit sich aus dieser Grundordnung nichts anderes ergibt. Artikel 10c Das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland geht dem Recht der Gliedkirchen sowie der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse vor, soweit nicht das Bekenntnis oder Verfassungsgrundsätze der Gliedkirchen entgegenstehen.

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Artikel 10d Kirchlicher Dienst geschieht wie in den Gemeinden und Landeskirchen so auch in den kirchlichen Werken, Verbänden und Einrichtungen. Diese tragen ungeachtet, ihrer Rechtsform gemeinsam mit den verfaßten Kirchen Verantwortung für den einen Auftrag der Gemeinde Jesu Christi. In solcher Einheit haben sie die zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben notwendige Eigenverantwortung und Freiheit, die durch die kirchlichen Ordnungen gesichert und begrenzt werden. Artikel 10e (1) Die Neubildung, Auflösung und Neuabgrenzung von Gliedkirchen geschieht durch Vereinbarungen der Gliedkirchen im Benehmen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, die hierfür Empfehlungen und Ratschläge geben kann. Dasselbe gilt, wenn Gliedkirchen ohne Aufgabe ihres rechtlichen Bestandes sich zu einer Kirche zusammenschließen oder gliedkirchliche Vereinigungen bilden. (2) Zusammen mit den Gliedkirchen, ihren Zusammenschlüssen und Vereinigungen wirkt die Evangelische Kirche in Deutschland auf eine ausgewogene Neugliederung hin, die den regionalen und bekenntnismäßigen Gliederungen Rechnung trägt. Artikel 10f Kirchliche Gemeinschaften können sich der Evangelischen Kirche in Deutschland auf der Grundlage der Präambel und der Artikel . . . . . . durch Vereinbarungen anschließen. Die Vereinbarung bedarf der Bestätigung durch Kirchengesetz. Artikel 10g In der Evangelischen Kirche in Deutschland sollen Verhandlungen und die Geltendmachung von Rechten und Pflichten im Geist der Brüderlichkeit stattfinden.

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Dokument 5 Entwurf einer Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland (EGO III). Bericht des Struktur- und Verfassungsausschusses. Auszug Dezember 1972 Bremen 1973, S. 251–275

Grundartikel (1) Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist allein das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Dieses Evangelium ist die Richtschnur des Glaubens, der Lehre und des Lebens. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu Jesus Christus als dem einen Herrn der einen, heiligen, allgemeinen, apostolischen Kirche, zu der Er Menschen aus allen Ländern, Völkern und Rassen beruft. (3) Gemeinsam mit der Alten Kirche steht die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Sie ist den in ihren Gliedkirchen geltenden reformatorischen Bekenntnissen verpflichtet. (4) Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus. Der Dienst der Kirche an allen Menschen und Gruppen, auch ihr Dienst in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt, ist an diesen Auftrag gebunden.

I. Grundbestimmungen Artikel 1 Die Evangelische Kirche in Deutschland umfaßt lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen) mit ihren Kirchengemeinden und Kirchenmitgliedern. Zwischen den Gliedkirchen besteht Kirchengemeinschaft, die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft einschließt. Artikel 2 (1) Unter den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums, wie es in den Lehrgesprächen reformatorischer Kirchen in Europa seinen Ausdruck gefunden hat.*) Die in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen betreffen nicht den gegenwärtigen Stand der Lehre der Gliedkirchen. *) a) Wenn bis zur Verabschiedung der neuen EKD-Grundordnung die Leuenberger Konkordie von allen Gliedkirchen der EKD unterzeichnet sein wird, soll auf die Leuenberger Konkordie Bezug genommen werden.

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b) Wenn sich die Unterzeichnung der Konkordie durch alle Gliedkirchen der EKD über den Zeitpunkt der Verabschiedung der EKD-Grundordnung hinauszieht, wird eine verbindliche theologische Erklärung im Sinne des jetzigen Entwurfs der Leuenberger Konkordie empfohlen. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland achtet die Bekenntnisgrundlagen der Gliedkirchen und Gemeinden und hilft dazu, daß sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen. Sie hält dazu an, auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören. Die Bekenntnisse sind immer neu an der Heiligen Schrift zu prüfen. (3) Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht mit ihren Gliedkirchen die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche. Artikel 3 (1) Die Kirchengemeinschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland verwirklicht sich in gemeinsamer Ausrichtung von Zeugnis und Dienst. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland hat die Aufgabe, das gemeinsame Verständnis des Evangeliums in theologischer Arbeit zu vertiefen und die Wahrheit des Evangeliums gegenüber Entstellungen abzugrenzen. (3) Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht ihre Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. Artikel 4 Entfällt. Artikel 5 Entfällt. Artikel 6 (1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland gilt für den Dienst der Verkündigung und der Sakramentsverwaltung: 1. die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß vollzogene Taufe wird in allen Gliedkirchen anerkannt; 2. es besteht Abendmahlsgemeinschaft; 3. die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß vollzogene Ordination wird in allen Gliedkirchen anerkannt; Ordinierte sind in allen Gliedkirchen zum Dienst der Verkündigung, zur Vornahme von Taufen und Amtshandlungen zugelassen; 4. ordnungsgemäß vollzogene Amtshandlungen werden in allen Gliedkirchen anerkannt. (2) Die gliedkirchlichen Ordnungen und Vereinbarungen zwischen den Gliedkirchen bleiben unberührt.

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Dokumente Artikel 7

(1) Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die Kirchenmitgliedschaft durch die Taufe, durch evangelischen Bekenntnisstand (Zugehörigkeit zu einem in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis) und durch Wohnsitz in der Kirchengemeinde einer Gliedkirche begründet. (2) Der getaufte evangelische Christ gehört durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich der Evangelischen Kirche in Deutschland an. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten gelten im Rahmen dieser Grundordnung und nach Maßgabe der gliedkirchlichen Ordnungen im Gesamtbereich der Evangelischen Kirche in Deutschland. (3) Bei einem Wohnsitzwechsel in den Bereich einer anderen Gliedkirche setzt sich die Kirchenmitgliedschaft in der Gliedkirche des neuen Wohnsitzes fort. Unberührt bleibt das Recht der zuziehenden Evangelischen, zu erklären, daß sie einer anderen im Gebiet der Gliedkirche bestehenden evangelischen Kirche angehören wollen. Artikel 8 Vgl. Artikel 10c Artikel 9 (1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist um ihres Auftrags willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Ämter. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist nach staatlichem Recht Körperschaft öffentlichen Rechts.

II. Gliederung Artikel 10 Vgl. Artikel 10g. Artikel 10a Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die evangelischen Landeskirchen im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin-West: .... .... ....

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Artikel 10b Die Gliedkirchen nehmen den Dienst der Kirche in ihrem Bereich nach ihren Ordnungen wahr. Sie sind in Gesetzgebung und Verwaltung selbständig, soweit sich aus dieser Grundordnung nichts anderes ergibt. Artikel 10c Das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland geht dem Recht der Gliedkirchen vor. Das gesamtkirchliche Recht darf das Bekenntnis und wesentliche Verfassungsgrundsätze der Gliedkirchen nicht verletzen. ... IV. Gliedkirchliche Vereinigungen und Zusammenschlüsse Artikel 27 Gliedkirchen können sich im Benehmen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland ohne Aufgabe ihres rechtlichen Bestandes zu konfessionell oder territorial bestimmten Vereinigungen zusammenschließen, wenn gewährleistet ist, daß die Vereinigung diese Grundordnung als für sie verbindlich anerkennt. In den ihr von den Gliedkirchen übertragenen Aufgaben der Verwaltung und Rechtsetzung hat die Vereinigung im Verhältnis zur Evangelischen Kirche in Deutschland die gleichen Rechte und Pflichten wie die Gliedkirchen. Dies gilt für bereits bestehende Vereinigungen entsprechend. Das Nähere kann in Vereinbarungen zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und den Vereinigungen geregelt werden. Artikel 27a (1) Die Evangelische Kirche der Union (Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands nehmen als gliedkirchliche Zusammenschlüsse nach Maßgabe dieser Grundordnung und besonderer Vereinbarungen an der Erfüllung von Aufgaben nach dieser Grundordnung teil. (2) Im Verhältnis zur Evangelischen Kirche in Deutschland haben die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse Pflichten und Rechte der Gliedkirchen nach den Artikeln 10b, 10c, 10e, 14a, 15, 20 Absatz 2 und 3, 21, 22, 26 und 41a. (3) Beabsichtigt die Evangelische Kirche in Deutschland, rechtliche Regelungen mit Wirkung für die Gliedkirchen auf Sachgebieten zu treffen, die durch Recht der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse geordnet sind, so holt sie zunächst die Stellungnahme der Zusammenschlüsse ein. (4) Die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse entsenden in die Kirchenkonferenz je einen Vertreter ohne Stimmrecht.

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Dokument 6 Grundordnung für die Evangelische Kirche in Deutschland. Auszug Berlin-Spandau, 7. November 1974 Berlin-Spandau 1974, S. 496–521 Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat unter Wahrung der Vorschriften von Artikel 26 Absatz 3 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13. Juli 1948 die folgende Grundordnung beschlossen: Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland Grundartikel (1) Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Dieses Evangelium ist die Richtschnur des Glaubens, der Lehre und des Lebens. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu Jesus Christus als dem einen Herrn der einen, heiligen, allgemeinen, apostolischen Kirche, zu der er Menschen aus allen Ländern, Völkern und Rassen beruft. (3) Gemeinsam mit der Alten Kirche steht die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Sie ist den in ihren Gliedkirchen geltenden reformatorischen Bekenntnissen verpflichtet. (4) Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus. Der Dienst der Kirche an allen Menschen und Gruppen, auch ihr Dienst in Staat, Gesellschaft und Völkerwelt, ist an diesen Auftrag gebunden. I. Grundbestimmungen Artikel 1 Die Evangelische Kirche in Deutschland umfaßt lutherische, reformierte und unierte Kirchen (Gliedkirchen) mit ihren Kirchengemeinden und Kirchenmitgliedern. Zwischen den Gliedkirchen besteht Kirchengemeinschaft im Sinne der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie); sie schließt Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ein. Artikel 2 (1) Unter den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht Übereinstimmung über ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums, wie es in der Leuenberger Konkordie seinen Ausdruck gefunden hat. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland achtet die Bekenntnisgrundlagen der

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Gliedkirchen und Gemeinden und hilft dazu, daß sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen. Sie hält dazu an, auf das Glaubenszeugnis der Brüder zu hören. Die Bekenntnisse sind immer neu an der Heiligen Schrift zu prüfen. (3) Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht mit ihren Gliedkirchen die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche. Artikel 3 (1) Die Kirchengemeinschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland verwirklicht sich in gemeinsamer Ausrichtung von Zeugnis und Dienst. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland hat die Aufgabe, das gemeinsame Verständnis des Evangeliums in theologischer Arbeit zu vertiefen und die Wahrheit des Evangeliums gegenüber Entstellungen abzugrenzen. (3) Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht ihre Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. Artikel 4 (1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland gilt für den Dienst der Verkündigung und der Sakramentsverwaltung: 1. Die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß vollzogene Taufe wird in allen Gliedkirchen anerkannt; 2. es besteht Abendmahlsgemeinschaft; 3. die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß vollzogene Ordination wird in allen Gliedkirchen anerkannt; Ordinierte sind in allen Gliedkirchen zum Dienst der Verkündigung, zur Vornahme von Taufen und Amtshandlungen zugelassen; 4. ordnungsgemäß vollzogene Amtshandlungen werden in allen Gliedkirchen anerkannt. (2) Die gliedkirchlichen Ordnungen und Vereinbarungen zwischen den Gliedkirchen bleiben unberührt. Artikel 5 (1) Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die Kirchenmitgliedschaft durch die Taufe, durch evangelischen Bekenntnisstand (Zugehörigkeit zu einem in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis) und durch Wohnsitz in der Kirchengemeinde einer Gliedkirche begründet. (2) Der getaufte evangelische Christ gehört durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich der Evangelischen Kirche in Deutschland an. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten gelten im Rahmen dieser Grundordnung und nach Maßgabe der gliedkirchlichen Ordnungen im Gesamtbereich der Evangelischen Kirche in Deutschland. (3) Bei einem Wohnsitzwechsel in den Bereich einer anderen Gliedkirche setzt sich die Kirchenmitgliedschaft in der Gliedkirche des neuen Wohnsitzes fort. Unberührt bleibt das Recht des Zuziehenden, sich einer anderen im Bereich der Gliedkirche bestehenden evangelischen Kirche anzuschließen.

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Dokumente Artikel 6

(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist um ihres Auftrags willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Ämter. (2) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist nach staatlichem Recht Körperschaft des öffentlichen Rechts.

II. Die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen Artikel 7 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die Evangelische Landeskirche in Baden, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin West), die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, die Bremische Evangelische Kirche, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Eutin, die Evangelisch-lutherische Kirche im Hamburgischen Staate, die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Lippische Landeskirche, die Evangelisch-lutherische Kirche in Lübeck, die Evangelisch-reformierte Kirche in Nordwestdeutschland, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die Vereinigte Protestantisch-Evangelisch-Christliche Kirche der Pfalz, die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schleswig-Holsteins, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Evangelische Landeskirche in Württemberg. Artikel 8 Die Gliedkirchen nehmen den Dienst der Kirche in ihrem Bereich nach ihren Ordnungen wahr. Sie sind in Gesetzgebung und Verwaltung selbständig, soweit sich aus dieser Grundordnung nichts anderes ergibt. Artikel 9 Das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland geht dem Recht der Gliedkirchen vor. Das gesamtkirchliche Recht darf das Bekenntnis und die Verfassungsgrundsätze der Gliedkirchen nicht verletzen.

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Artikel 10 Kirchlicher Dienst geschieht wie in den Gemeinden und Gliedkirchen so auch in den kirchlichen Werken, Verbänden und Einrichtungen. Diese tragen ungeachtet ihrer Rechtsform gemeinsam mit den Gliedkirchen Verantwortung für den Auftrag der Kirche. In dieser Einheit haben sie die zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben notwendige Eigenverantwortung und Freiheit, die durch die kirchlichen Ordnungen gesichert und begrenzt werden. Artikel 11 (1) Zusammen mit den Gliedkirchen wirkt die Evangelische Kirche in Deutschland auf eine ausgewogene Neugliederung hin, die den regionalen und bekenntnismäßigen Gliederungen Rechnung trägt. (2) Die Neubildung, Auflösung und Neuabgrenzung von Gliedkirchen geschieht durch Vereinbarungen der Gliedkirchen im Benehmen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, die hierfür Empfehlungen geben kann. Artikel 12 Andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften können sich der Evangelischen Kirche in Deutschland durch Vereinbarung anschließen. Die Vereinbarung bedarf der Bestätigung durch Kirchengesetz. Für die angeschlossenen Kirchen und Gemeinschaften sowie ihre Mitglieder gelten der Grundartikel und Artikel 1 bis 4 entsprechend. Artikel 13 In der Evangelischen Kirche in Deutschland sollen Verhandlungen und das Geltendmachen von Rechten und Pflichten vom Geist der Brüderlichkeit bestimmt sein.

III. Aufgaben Artikel 14 [. . .] IV. Gliedkirchliche Vereinigungen Artikel 30 (1) Gliedkirchen können sich im Benehmen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland ohne Aufgabe ihres rechtlichen Bestandes zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben zu Vereinigungen zusammenschließen, wenn gewährleistet ist, daß die Rechte und Pflichten der Gliedkirchen nach dieser Grundordnung

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den Rechten und Pflichten aus der Vereinbarung über den Zusammenschluß vorgehen. (2) Bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben haben die Vereinigungen im Verhältnis zur Evangelischen Kirche in Deutschland die Rechte und Pflichten von Gliedkirchen. Das Nähere kann durch Vereinbarungen geregelt werden. Artikel 31 (1) Die Evangelische Kirche der Union (Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands nehmen nach Maßgabe dieser Grundordnung und besonderer Vereinbarung an der Erfüllung von Aufgaben der Evangelischen Kirche in Deutschland teil. (2) Beabsichtigt die Evangelische Kirche in Deutschland, rechtliche Regelungen mit Wirkung für die Gliedkirchen auf Sachgebieten zu treffen, die durch Recht der Evangelischen Kirche der Union oder der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands geordnet sind, so holt sie zunächst deren Stellungnahme ein. (3) Artikel 30 Abs. 2 ist anzuwenden.

Dokument 7 Beschluss der 4. Tagung der 2. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zum Thema „Kirchengemeinschaft – Einheit und Vielfalt“ Züssow, 28. September 1976 Mbl. BEK 5–6/1976, S. 74 Die vom 24. bis 28.9.1976 in Züssow zu ihrer 4. Tagung versammelte 2. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR hat über das Thema „Kirchengemeinschaft – Einheit und Vielfalt“ beraten. Dabei ist sie von den Stellungnahmen der Gliedkirchen und der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zum Arbeitsergebnis „Zwischen Konkordie und Kirche“ ausgegangen, die sie 1974 erbeten hatte. Aus dem vielfältigen Echo geht hervor, daß in den Gliedkirchen ein intensives Gespräch über die Vertiefung der im Bunde der Evangelischen Kirchen in der DDR gegebenen Gemeinschaft stattgefunden hat. Mit Dank stellt die Synode fest, daß alle Gliedkirchen ihren Willen bekräftigt haben, „in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus zusammenzuwachsen“ (Artikel 1 [2] BO). Die Synode hat begonnen, die zahlreichen Anregungen für Fortschritte auf diesem Wege auszuwerten. In den Beratungen der Synode kam immer wieder das Verlangen der Gemeinden nach Überwindung noch vorhandener Schranken zum Ausdruck. Zugleich hat sich die Synode bewußt gemacht, daß sie auch mit dem

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Thema „Kirchengemeinschaft“ dem Bedürfnis der Christen nach Hilfen zum Christsein heute verpflichtet bleibt. Mit den folgenden Abschnitten nimmt die Synode zu grundsätzlichen Aspekten unserer Kirchengemeinschaft Stellung. I. Mit dem Thema der Synode „Kirchengemeinschaft – Einheit und Vielfalt“ ist der Bund als „Zusammenschluß von bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen“ (Artikel 1 [2] BO) angemessen beschrieben. Kirchengemeinschaft in Einheit und Vielfalt bedingt bei gegenseitiger Anerkennung der Selbständigkeit der Gliedkirchen eine wechselseitige Verbindlichkeit ihrer Zusammenarbeit. (Referat Dr. Demke, S. 4) Diese Zusammenarbeit beruht auf dem gemeinsam gewonnenen Grundverständnis des Wortes Gottes. Sie verwirklicht sich in der faktischen Zeugnis- und Dienstgemeinschaft in der gegenwärtigen Situation. (Referat Dr. Lahr, S. 8 f.; vgl. Leuenberger Konkordie; Ziffern 29, 35, 37) Die Zeugnis- und Dienstgemeinschaft wird auch dadurch von allen Gliedkirchen anerkannt, daß sie sich gegenseitig Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewähren – und dies trotz verschiedenen Bekenntnisstandes, z. T. unterschiedlicher Auslegung der Einheitskriterien von CA VII und noch nicht befriedigender Übereinkunft in einigen theologischen Grundsatzfragen. In diesem Sinne ist die Kirchengemeinschaft im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR eine heute für unseren Raum angemessene Form des Kircheseins. (Referat Dr. Tannert, S. 2) Diese Form des Kircheseins erfahren wir als bleibende Aufgabe und gelegentlich als beglückende Vielfalt. Sie ist eine heute notwendige Ergänzung zum Kirchesein der Landeskirchen, das durch Bekenntnisstand, gewachsene Frömmigkeit, eigengeprägte Geschichte und spezifische Rechtsformen bestimmt ist. II. Mit dem Zusammenschluß im Bund sind wir zur Vertiefung der Gemeinschaft des kirchlichen Lebens in dessen vielfältigen Bereichen und auf allen Ebenen verpflichtet. Gleichzeitig bedürfen die für das Kirchenverständnis wichtigen Grundfragen weiterer Klärung. Zu diesen gehört auch die Frage, wie hierbei dem Bewußtsein sehr vieler Gemeinden, „evangelisch“ zu sein, das von den konfessionellen Unterschieden kaum berührt ist, Rechnung getragen werden kann (siehe Anlage). Für das weitere Zusammenwachsen der Kirchen im Bund muß insbesondere vermieden werden, – daß trotz Ablehnung einer „Superkirche“ faktisch ein administrativer Zentralismus wirksam wird; – daß der Bund mit Aufgabenstellungen überhäuft wird, die seine Leistungsfähigkeit untergraben; – daß sich ein Trend auf eine theologische Uniformität einstellt, der die Verschiedenheit der Bekenntnisstände überspielt; – daß also auf die eine oder andere Weise der föderative Charakter des Zusammenschlusses der Gliedkirchen im Bund gefährdet wird. Solchen Gefahren kann z. B. dann begegnet werden, – wenn bei der Fortführung der Lehrgespräche die verschiedenen Bekenntnisse

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so fruchtbar werden, daß deutlich wird, wie wir angesichts der Herausforderungen unserer Zeit Jesus Christus gemeinsam bekennen können; – wenn der Reichtum verschiedener Frömmigkeitsformen in der Gemeinschaft des Bundes wirksam wird; – wenn die Gliedkirchen Lösungen, die sich bewährt haben, auch anderen Gliedkirchen vermitteln oder von ihnen übernehmen; – wenn sie stärker als bisher stellvertretend die Bearbeitung von gemeinsamen Aufgaben im Bund übernehmen. Mit Dank gegen Gott können wir feststellen, daß von dem angestrebten Zusammenwachsen der Gliedkirchen (Artikel 1 [2] BO) schon manches verwirklicht werden konnte. Dabei ist besonders zu erinnern an Hilfestellungen für Zeugnis und Dienst der Gemeinden sowie an die Zusammenarbeit und die Vertretung der Gliedkirchen in den Bereichen Diakonie und Ökumene und im Verhältnis zu Staat und Gesellschaft. Im Blick auf weiteres gemeinsames Handeln sollte insgesamt beachtet werden, daß gemeinsames nicht in jedem Falle einheitliches Handeln sein muß, sondern unterschiedliches Vorgehen innerhalb einer bestimmten Toleranzbreite, und die Möglichkeit zum Experiment einschließt.

Dokument 8 Evangelische Kirche der Union/Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche/Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR/Geschäftsstelle der Delegiertenversammlung: Empfehlungen der Delegiertenversammlung 28. Januar 1979 Mbl. BEK 1–2/1979, S. 21–23 I 1. Die in der DDR bestehenden kirchlichen Zusammenschlüsse – Bund, Evangelische Kirche der Union und Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche – vereinigen sich mit Zustimmung ihrer Gliedkirchen schrittweise zu einem neuen Zusammenschluß, in dem die bisherigen Zusammenschlüsse aufgehen. Der neue Zusammenschluß sollte den Namen „Vereinigte Evangelische Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik“ tragen. 2. Bei der Ausarbeitung der Verfassung sollten – das Selbstverständnis (II), – die Aufgaben (III), – und die Struktur des neuen Zusammenschlusses beschrieben werden (IV). 3. Die Delegiertenversammlung hat dazu die unter II–IV ausgeführten Gesichtspunkte beschlossen, von denen bei der Weiterarbeit ausgegangen werden sollte. Sie unterbreitet außerdem Empfehlungen zum Verfahren der Zusammenführung

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(V) und zum Beschlußverfahren der gesamtkirchlichen und gliedkirchlichen Synoden (VI). 4. Die Ergebnisse der Delegiertenversammlung sollten alsbald der kirchlichen Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden, damit aus den Gliedkirchen und Gemeinden Stellungnahmen in die Arbeit an den vorgeschlagenen Entscheidungen eingebracht werden können. 5. Es sollte eine Gruppe beauftragt werden, die Verwirklichung dieser Empfehlungen in Gang zu setzen und den Umgestaltungsprozeß beobachtend zu begleiten. Dafür könnte eine bereits vorhandene Arbeitsgruppe genutzt werden, in der Vertreter von Bund, EKU und VELK sowie zugleich alle Gliedkirchen präsent sind und in der leitende Geistliche, Synodale, Vertreter der Konsistorien und der gesamtkirchlichen Dienststellen mitarbeiten (11–15 Mitglieder). 6. Die für die Verwirklichung dieser Empfehlungen notwendigen Schritte sollten so geplant werden, daß ab 1981 die Organe des neuen Zusammenschlusses gebildet werden können und am Ende der ersten Legislaturperiode der neuen Gesamtsynode der Prozeß der Vereinigung als abgeschlossen festgestellt werden kann. II Zum Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses Die Delegiertenversammlung empfiehlt: 1. Das Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses wird in einer Reihe von Grundartikeln im Sinne einer Präambel und von Grundbestimmungen entfaltet, die Bestandteil einer künftigen Verfassung der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR werden sollen. 2. Die Grundartikel beschreiben die Vereinigte Evangelische Kirche als Teil der einen Kirche Jesu Christi. Nach reformatorischer Erkenntnis sind wesentliche Inhalte dieser Beschreibung: 2.1. Die Vereinigte Evangelische Kirche bekennt sich zu dem dreieinigen Gott. 2.2. Ihre Grundlage ist das Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. 2.3. Das Evangelium von Jesus Christus als dem unüberbietbaren Wort Gottes ist der Maßstab für Glauben, Lehre und Leben in der Vereinigten Evangelischen Kirche. 2.4. Sie weiß sich an die altkirchlichen und an die reformatorischen Bekenntnisse gebunden. 2.5. Die Vereinigte Evangelische Kirche nimmt den Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums und zur Verwaltung der Sakramente in seiner Vielfalt innerhalb der einen Kirche Jesu Christi wahr. 3. Die Grundbestimmungen entfalten die besonderen Merkmale der Vereinigten Evangelischen Kirche im Blick auf ihr Selbstverständnis und beschreiben ihre Aufgaben. Dabei sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: 3.1. Die Vereinigte Evangelische Kirche ist die Gemeinschaft der in ihr zusammengeschlossenen bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen. 3.2. Diese Gemeinschaft ist bestimmt durch

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– das in der Leuenberger Konkordie enthaltene gemeinsame Verständnis des Evangeliums; – die Ergebnisse der theologischen Lehrgespräche über die Grundlagen der Verkündigung; – die mit der Leuenberger Konkordie gegebene Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft unter Einschluß der wechselseitig erklärten Interzelebration; – die Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst, die sich in Predigt und Unterweisung, in Seelsorge, Lehre und Diakonie sowie in der Verantwortung für Ökumene und Gesellschaft vollzieht. 3.3. Die in den Gliedkirchen geltenden Bekenntnisse der Reformation haben die Kirche Jesu Christi auf das Evangelium als den Grund ihrer Existenz und ihres Auftrages ausgerichtet. Sie haben in schriftgemäßer Auslegung das Wort Gottes in ihrer Zeit bezeugt, und sich damit dem Maßstab der Heiligen Schrift unterstellt. Dieser Absicht der reformatorischen Bekenntnisse weiß sich die Vereinigte Evangelische Kirche verpflichtet. Bei bleibender Bindung der Gliedkirchen an ihre Bekenntnisse erkennt die Vereinigte Evangelische Kirche mit ihren Gliedkirchen die bei den jeweils anderen in Geltung stehenden Bekenntnisse als unerläßliche Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen an. 3.4. Die Vereinigte Evangelische Kirche bejaht mit ihren Gliedkirchen die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen. Sie hilft ihren Gliedkirchen zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre, wie sie selbst auf die Hilfe der Gliedkirchen angewiesen bleibt. 3.5. Die Vereinigte Evangelische Kirche nimmt ihre Aufgaben gemeinsam mit ihren Gliedkirchen in einer föderativen Gemeinschaft wahr. Sie übernimmt die Aufgaben der bisherigen Zusammenschlüsse. Die Eigenständigkeit der Gliedkirchen und die Verbindlichkeit ihrer Gemeinschaft kommt in der Struktur ihres Zusammenschlusses zum Ausdruck. Regelungen zur Übertragung von Aufgaben sind von dem Prinzip der föderativen Gemeinschaft bestimmt. 3.6. Die festgestellte Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung wird in Lehre, Leben und Ordnung der Vereinigten Evangelischen Kirche, ihrer Gliedkirchen und Gemeinden wirksam. 3.7. Die Vereinigte Evangelische Kirche und ihre Gliedkirchen bejahen ihre ökumenische Verpflichtung. Sie pflegen ihre Beziehungen zu anderen Kirchen und ihren ökumenischen Zusammenschlüssen, um gemeinsam mit ihnen sich um die Verkündigung des Evangeliums in Weltmission und Evangelisation zu bemühen, ihren Dienst an den Menschen weltweit auszurichten und nach sichtbarer Einheit zwischen den Kirchen zu streben. 3.8. Die Vereinigte Evangelische Kirche bleibt der besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie bisher von den einzelnen Zusammenschlüssen wahrgenommen wurde, verpflichtet. Dabei nimmt sie die Erfahrungen auf, die die Zusammenschlüsse bisher gemacht haben. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so auszugestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen dienen. 4. Diese Grundartikel und Grundbestimmungen sind nicht vollzählig. Sie bedürfen der Ergänzung durch die Übernahme weiterer Bestimmungen aus der Ordnung

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des Bundes, wie z. B. die Anerkennung der Ordination, der Taufe und der Amtshandlungen sowie die Möglichkeit zur Angliederung für bekenntnisverwandte Gemeinschaften. Außerdem ist das Verhältnis zu Minderheiten zu klären. III Zur Aufgabenverteilung 1. Die Delegiertenversammlung hatte eine Arbeitsgruppe „Aufgaben gesamtkirchlicher Arbeit“ beauftragt, die gesamtkirchlichen Aktivitäten der bestehenden Zusammenschlüsse im Blick auf das Zusammenwachsen zu einem gesamtkirchlichen Zusammenschluß zu überprüfen. Die Delegiertenversammlung macht sich das Ergebnis der Arbeitsgruppe zu eigen und legt es den Zusammenschlüssen zur Beratung und Beschlußfassung vor: a) Diese Aufgaben werden dreifach gegliedert: 1) Aufgaben, die sich bereits jetzt in gesamtkirchlicher Verantwortung befinden; 2) Aufgaben, die bereits in nächster Zeit (etwa bis spätestens 1981) nur gemeinsam wahrgenommen werden sollen; 3) Aufgaben, deren gemeinsame Wahrnehmung bis zur Konstituierung des einen gesamtkirchlichen Zusammenschlusses erreicht sein sollte. b) Diese Aufgaben werden unterschieden nach solchen, die gesamtkirchlich wahrgenommen werden, und zwar A als allgemeine Aktivitäten, einschließlich Beratung und Anregung B als verbindliche Regelungen bzw. Kirchengesetze C als Richtlinien D und nach solchen, für die die Gliedkirchen zuständig sind. Bei der Wahrnehmung aller Aufgaben stehen Gesamtkirche und Gliedkirchen in einer gegenseitigen Verantwortung. Dazu gehören Delegierung und Initiative auf beiden Seiten. 2. Der so beschriebene Weg zu einer Gesamtkirche muß durch Konzentration zu einer Einsparung an personellem, finanziellem und sachlichem Aufwand führen. IV Zur föderativen Struktur des neuen Zusammenschlusses 1. Die anzustrebende größere Gemeinschaft in der Vereinigten Evangelischen Kirche, in der die bisherigen 3 Zusammenschlüsse aufgehen, ist in ihrer Struktur und Arbeitsweise als föderative Gemeinschaft zu gestalten. Deswegen muß gewährleistet sein, daß möglichst viele Partner der Gemeinschaft an den Prozessen der Meinungsbildung und Entscheidung teilhaben. An den gemeinsamen Aufgaben sind die Gliedkirchen föderativ beteiligt. Die zu der Leitung der Vereinigten Evangelischen Kirche gehörenden Organe und Einrichtungen dienen insgesamt dieser föderativen Bestimmung in unterschiedlicher Aufgabenverteilung. 2. Der Regelfall ist, daß alle acht Gliedkirchen gemeinsam handeln. Das setzt Bereitschaft zu vertretbaren Kompromissen voraus.

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In bestimmten Fällen können mehrere Gliedkirchen im Einvernehmen mit den zuständigen Organen der Vereinigten Evangelischen Kirche zur Wahrnehmung spezifischer Anliegen besondere Aktivitäten entfalten und Regelungen treffen. 3. Die Synode der Vereinigten Evangelischen Kirche verkörpert die Einheit und Mannigfaltigkeit der Gliedkirchen. Als oberstes Organ legt sie Richtlinien für die Arbeit der Vereinigten Evangelischen Kirche fest und beschließt Kirchengesetze. Für das Gesetzgebungsverfahren ist die föderative Struktur zu berücksichtigen. Bei der Zusammensetzung der Synode ist zu gewährleisten, daß ein Drittel der Mitglieder der Synode nicht hauptamtlich im kirchlichen Dienst steht. 4. Synode und Gliedkirchen bilden das Leitungsorgan. Die Gliedkirchen entsenden die leitenden Geistlichen und Vertreter aus ihren Kirchenleitungen. Die Synode wählt die anderen Mitglieder, deren Zahl mehr als ein Drittel betragen soll. Es ist sicherzustellen, daß ein Mitglied reformierten Bekenntnisses ist. Der Leiter der Dienststelle gehört dem Leitungsorgan an. Der Vorsitzende des Leitungsorgans soll leitender Geistlicher sein. Das Leitungsorgan ist der Synode rechenschaftspflichtig. Zu seinem Aufgabenbereich gehören Grundsatzentscheidungen und im abgesteckten Rahmen auch operative Leitungstätigkeit. 5. Aus dem Leitungsorgan wird ein Exekutivgremium gewählt, in dem alle Gliedkirchen vertreten sein sollten. Es setzt sich aus leitenden Geistlichen und weiteren Vertretern der Kirchenleitungen der Gliedkirchen sowie synodalen Mitgliedern und dem Leiter der Dienststelle zusammen. Die Mitglieder haben kein imperatives Mandat. Sie sind berichtsberechtigt an die gliedkirchlichen Leitungen. Den Vorsitz im Exekutivgremium hat der Vorsitzende des Leitungsorgans. Das Exekutivgremium ist dem Leitungsorgan rechenschaftspflichtig. Die Zuständigkeiten werden – gegenüber dem bisherigen Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen – erweitert. Dieses Exekutivgremium hat eine dem Leitungsorgan gegenüber nachgeordnete Verantwortung. 6. Die Dienststelle arbeitet auf Weisung und im Auftrag der Leitungsgremien. Sie ist in der Ausführung der Aufträge selbständig. Sie ist kein Organ. Die Dienststelle hat eine Brückenfunktion zu den Gliedkirchen wahrzunehmen und damit die föderative Zusammenarbeit zu fördern. Die Dienstzeit der Referenten sollte in der Regel befristet werden; zugleich ist eine Kontinuität in der Verwaltung zu gewährleisten. V Zum Verfahren der Zusammenführung 1.

Gemeinsame Ausschüsse Die Neuregelung der Ausschußarbeit sollte sofort eingeleitet werden. Sie bedarf in der Regel keiner Änderung von Ordnungen. – Parallel arbeitende Ausschüsse sind umgehend zu koordinieren. Bei begründeten Ausnahmen ist die getrennte Arbeit spätestens 1981 abzuschließen. – Bisher additiv arbeitende Ausschüsse sollten zu gesamtkirchlichen Ausschüssen werden.

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– Nominierung oder Berufung der Mitglieder für neuzubildende Ausschüsse sollten durch die zuständigen Organe gemeinsam erfolgen. – Bei der Koordinierung und Neubildung von Ausschüssen ist die Anzahl der Mitglieder auf das unbedingt Notwendige zu begrenzen. 2.1. Auf dem Wege zu dem neuen Zusammenschluß sollten Änderungen der Ordnung der EKU und VELK nur in geringem Maße und an einzelnen Stellen erfolgen. 2.2. Die Ordnung des Bundes sollte in diesem Prozeß schrittweise so verändert werden, daß sie dem Auftrag des neuen Zusammenschlusses dienen kann. 3. Die Gliedkirchen wählen keine neue Synode der EKU bzw. Generalsynode der VELK mehr. Sie bilden 1981 anstatt der 4. Bundessynode die Gesamtsynode der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR. Dabei sollte folgendes berücksichtigt werden: 3.1. Bei der Festsetzung der Mitgliederzahl für die Gesamtsynode sollte ein Schlüssel erarbeitet werden, der den Größenverhältnissen der einzelnen Gliedkirchen besser entspricht. Keine Gliedkirche soll dabei weniger als zwei Synodale stellen. Die Gesamtzahl der Synodalen einschließlich der Berufenen sollte etwa 80 betragen. Die Zahl der zu Berufenden sollte etwa 14 sein, je zur Hälfte aus der EKU und der VELK. 2 der zu Berufenden sollten aus reformierten Gemeinden kommen. 3.2. Die Vertreter der Gliedkirchen, die aus dem Bereich der EKU und VELK kommen, sollten gleichzeitig für die anfallenden Entscheidungen dieser Zusammenschlüsse bevollmächtigt werden. Sie bilden im Bedarfsfall innerhalb der Gesamtsynode Sektionen. Soweit es die Struktur eines bisherigen gesamtkirchlichen Zusammenschlusses (EKU) erfordert, treten zu dieser Sektion die nicht zur Gesamtsynode gehörenden kirchenleitenden Personen hinzu, die ihr Mandat von Amts wegen innehaben. 4. Bei der Bildung des Leitungsorgans des neuen Zusammenschlusses ist darauf zu achten, daß seine Mitglieder aus EKU bzw. VELK im Bedarfsfalle zu jeweils eigenen Sektionen zusammentreten können, die die noch verbleibenden Aufgaben von Rat der EKU und Kirchenleitung der VELK wahrnehmen. 5. Die Dienststelle des neuen Zusammenschlusses wird durch schrittweise Integration der Verwaltung der drei gegenwärtigen Zusammenschlüsse bei gleichzeitiger Vereinfachung der gesamtkirchlichen Aufgaben gebildet. Sie sollte nicht mehr als 15 Referentenstellen enthalten und nach dem Prinzip der Einzelleitung mit kollegialer Beratungsmöglichkeit geleitet werden. In ihr werden Dezernate für die Bearbeitung verbleibender Aufgaben von Bund, EKU und VELK gebildet. 6. Am Ende ihrer ersten Legislaturperiode sollte die Gesamtsynode beschlußmäßig feststellen, daß der Prozeß der Vereinigung der drei Zusammenschlüsse abgeschlossen ist. Sie legt zugleich fest, wie mit noch nicht integrierbaren Regelungen von EKU und VELK zu verfahren ist. Dabei bleibt das Widerspruchsrecht aus Gründen des Bekenntnisses unberührt.

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Dokumente VI Zum Beschlußverfahren

Die Erarbeitung einer Verfassung der Vereinigten Evangelischen Kirche sollte durch Überarbeitung der Bundesordnung geschehen. Das Verfahren sollte wie folgt verlaufen: 1. Die Leitungen der Zusammenschlüsse machen sich die Empfehlungen der Delegiertenversammlung zu eigen und leiten sie als Tendenzpapier den Synoden und Leitungen der Landeskirchen zu (empfohlener Termin: 20. März 1979). Unabhängig davon werden die Empfehlungen den Landeskirchen sofort zur Kenntnis gegeben. 2. Auf der Grundlage der Empfehlungen der Delegiertenversammlung sollten die Leitungen der Zusammenschlüsse ein gemeinsames Gremium (Vorbereitungsgruppe) zur Erarbeitung von Beschlußvorlagen für die Synoden und Leitungen der gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse und der Landeskirchen beauftragen (empfohlener Termin: 31. August 1979). 3. Nachdem die Zusammenschlüsse und Landeskirchen votiert haben, ist unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen eine Überarbeitung der Beschlußvorlagen vorzunehmen. Die überarbeiteten Beschlußvorlagen sind wiederum den Zusammenschlüssen und Landeskirchen zuzuleiten (empfohlener Termin: bis 1. Juli 1980). 4. Nach Vorliegen zustimmender Beschlüsse der Landeskirchen und der gesamtkirchlichen Zusammenschlüsse (angestrebter Termin: 30. Juni 1981) erfolgen – das Inkrafttreten der Neuregelung (empfohlener Termin: 1. September 1981) – die Konstituierung der neuen gemeinsamen Organe und die Zusammenfassung der drei bisherigen Dienststellen (empfohlener Termin: Herbst 1981).

Dokument 9 O. Lingner: Skizze für ein Modell der verbindlichen Bruderschaft 20. Dezember 1979 EZA BERLIN, 688, Nr. 94 I. 1. Zur Wahrnehmung der verbindlichen Bruderschaft zwischen der VEK mit ihren Gliedkirchen und der EKD mit ihren Gliedkirchen wird eine Beratergruppe gebildet. In die Beratergruppe entsenden die VEKDDR und die EKD je . . . (7) Mitglieder. Eine Vertretung wird nicht vorgesehen. Je 4 Mitglieder werden von der Konferenz der Kirchenleitungen bzw. von dem Rat EKD aus ihrer Mitte entsandt. Je 3 Mitglieder entsenden Konferenz/Rat aus den Gliedkirchen. Gliedkirchen, die durch entsandte Konferenz-/Ratsmit-

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glieder vertreten sind, sind dabei nicht zu berücksichtigen. Die Präsides der Synoden der VEK und der EKD werden zu den Sitzungen eingeladen. Eine Beteiligung von Mitgliedern der jeweiligen Kanzleien erfolgt nach näherer Absprache. Die Beratergruppe tritt . . . mal im Jahr zusammen. Sie hat die Aufgabe, kirchliche Aufgaben mit besonderer Berücksichtigung des politischen Kontextes zu besprechen, sich gegenseitig kritisch zu befragen, kirchliche Voten oder Stellungnahmen abzustimmen und ggf. gemeinsame Erklärungen zu formulieren. Über Verlauf und evt. Ergebnisse der Beratungen sind die jeweiligen Leitungsgremien zu unterrichten. Notwendige Beschlüsse werden von ihnen gefaßt. 2. Zur Wahrnehmung verbindlicher Bruderschaft im theologischen und ekklesiologischen Bereich werden zwei Beratungskonvente gebildet. a) Ein unierter/reformierter Beratungskonvent setzt sich aus . . . Mitgliedern zusammen. Die Mitglieder werden entsandt von . . .. Stellvertretung ist nicht vorgesehen. b) Ein lutherischer Beratungskonvent besteht aus . . . Mitgliedern. Die Beratungskonvente treten je nach Bedarf einmal im Jahr zu einer gemeinsamen Beratung zusammen. II. Folgende Alternative wäre denkbar: Die „Beratergruppe“ umfaßt die Mitglieder aus drei Beratungskonventen. Die Beratergruppe kommt einmal im Jahr zusammen. Neben dem unierten/reformierten Beratungskonvent und dem lutherischen Beratungskonvent wird ein mehr allgemeiner Beratungskonvent begründet, der die politisch-ethischen Fragen (Kirche zwischen den Weltsystemen) zu beraten hätte. III. Kanzleiebene: Die Vorbereitung und Begleitung auf der Kanzleiebene muß der Tatsache Rechnung tragen, daß es bei der VEK nur ein „Sekretariat“ gibt, im Bereich der EKD drei Kanzleien. Es wird notwendig sein, die verbindliche Bruderschaft auf seiten der EKD gemeinsam mit dem Lutherischen Kirchenamt und der Kirchenkanzlei der EKU kanzleimäßig zu verankern. Hier sehe ich keine besonderen Schwierigkeiten.

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Dokument 10 Gemeinsame Vorbereitungsgruppe: Zwischenbericht 13. März 1980 EZA BERLIN, 101, Nr. 18 Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe hat für die Weiterarbeit an den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung eine Vielzahl von Stellungnahmen, Vorschlägen und Anregungen erhalten. Sie dankt den Synoden und Leitungsgremien für ihre Beiträge. Bei dem Versuch, den gegenwärtigen Stand zu beschreiben und Vorschläge für die Weiterarbeit zu entwickeln, konnte die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe eine Reihe von Übereinstimmungen in der Tendenz feststellen. Insgesamt wird eine Zusammenführung der bestehenden Zusammenschlüsse zu einer verbindlicheren Gemeinschaft, die sich im Sinne des Beschlusses der Bundessynode von Züssow 1976 theologisch als Kirche versteht, bejaht. Dazu gehört unter anderem, daß es für notwendig gehalten wird, das Selbstverständnis des neuen Zusammenschlusses zu beschreiben sowohl im Blick auf die Bekenntnisbindung als auch im Blick auf seine Stellung in der Ökumene und in der Gesellschaft sowie in der besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik. Bereitschaft besteht auch, die Aufgabenverteilung zwischen der gesamtkirchlichen Arbeit und den Gliedkirchen präziser zu bestimmen. Das föderative Element soll sowohl in der Struktur der Organe als auch im Arbeitsverfahren zur Geltung kommen. Gern wird eine Alternative Kirchenbund oder Bundeskirche zur Entscheidung gestellt. Diese Modelle müssen noch präzisiert werden. Wahrscheinlich zeigt sich dann, daß sie sich nicht alternativ zueinander verhalten. Der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe ist aufgrund der bisherigen Stellungnahmen deutlich, daß die Zusammenführung der bestehenden Zusammenschlüsse in einem schrittweisen Prozeß geschehen wird. Es wird jetzt darauf ankommen, neben dem Ziel die einzelnen Schritte und ihre Abfolge genau zu bestimmen. Womit sollen wir beginnen? Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe hat trotz der Strittigkeit, welches Zielmodell angestrebt werden soll, versucht, die Übereinstimmung in der Tendenz weiter zu erkunden und so zu beschreiben, daß die Entwicklung von Ordnungstexten möglich wird. Der bisherige Stand dieses Versuchs wird hier berichtet mit dem Ziel, zu weiteren Reaktionen, Stellungnahmen und konkreten Vorschlägen anzuregen, die in die Weiterarbeit einfließen können. Wird im Folgenden der Ausdruck Vereinigte Evangelische Kirche gebraucht, so hat er zunächst nur die Funktion eines Arbeitstitels. I. In jedem Fall ist es notwendig, das Selbstverständnis der Gemeinschaft zu beschreiben, sowohl im Blick auf die Bekenntnisse als auch, was die Stellung in der Ökumene und Gesellschaft betrifft. Dies sollte in einer Präambel (Grundartikel) und konkretisierenden Grundbestimmungen ausgeführt werden. Für die theologi-

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sche Basis gibt die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe folgende Problembeschreibung. 1. Die Bundessynode hat 1976 erklärt, daß die Kirchengemeinschaft der im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zusammengeschlossenen Kirchen eine heute für unseren Raum angemessene Form des Kircheseins der Landeskirchen darstellt. Diese Erklärung zur ekklesialen Qualität dieser Gemeinschaft ergab sich einmal aus der festgestellten Übereinstimmung in den theologischen Grundfragen (Lehrgespräche, Leuenberger Konkordie), um die sich über nunmehr ein Jahrzehnt hinweg verschiedene Gremien auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlicher Themenstellung bemüht haben. Sie ergab sich zum anderen aus der Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst, die in zahlreichen gesamtkirchlichen Aufgaben ihren Ausdruck gefunden hat. 2. Die als Kirche verstandene Gemeinschaft der Gliedkirchen des Bundes bedarf einer Gestaltung, die die bisher nebeneinander wahrgenommenen gesamtkirchlichen Aktivitäten zusammenfaßt. Die Zusammenführung der bestehenden Zusammenschlüsse ist theologisch möglich und kräftemäßig nötig geworden. Sie hat zur Voraussetzung, daß diese sich mit ihren entscheidenden Einsichten und Aufgaben und mit der ihnen bisher eigenen Verbindlichkeit in den neuen, gemeinsamen Zusammenschluß einbringen können. 3. Daß dieser Zusammenschluß seinem theologischen Verständnis nach bekenntnisbestimmte Kirche ist, wird deshalb in einer künftigen Verfassung oder Grundordnung in Form einer Präambel zu entfalten sein. Die Präambel hat die theologische Basis, das Selbstverständnis und die Aufgaben der künftigen Gesamtkirche zu beschreiben (s. Anlage 1). 4. Die Vereinigte Evangelische Kirche braucht eine Beschreibung ihrer Bekenntnisbindung, die bereits in der Präambel erkennbar werden muß. Diese Frage bedarf weiterer Klärung. Dabei ist zu berücksichtigen: – die unterschiedliche Art der Geltung der Bekenntnisse in den lutherischen und unierten Gliedkirchen, wobei nach Meinung der lutherischen Kirchen die überwiegend lutherische Prägung aller Gliedkirchen ausgesprochen werden müßte; – die Tatsache, daß die unterschiedliche Bekenntnisbindung nach der Leuenberger Konkordie Kirchengemeinschaft nicht infrage stellt, sondern in ihr als gegenseitige Herausforderung erfahren wird; – die Bedeutung der Bekenntnisse für Zeugnis und Dienst der Kirchen heute. II. Übereinstimmung zeigt sich auch in der Bereitschaft, die Verteilung der Aufgaben zwischen der gesamtkirchlichen Ebene und den Gliedkirchen präziser zu beschreiben und zu regeln, wobei die Erfüllung der Aufgaben nach föderativen Gesichtspunkten geordnet werden soll. Dazu hat die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe die folgende Präzisierung erarbeitet, aus der entsprechende Artikel einer Verfassung/Ordnung entwickelt werden sollen. 1. Gerufen zum gemeinsamen Bekennen und einheitlichen Handeln schließen sich die evangelischen Landeskirchen zur Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR zusammen, um Zeugnis und Dienst aller ihrer Gliedkirchen und Ge-

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meinden zu fördern. Die Vereinigte Evangelische Kirche nimmt ihre Aufgaben gemeinsam mit ihren Gliedkirchen in einer föderativen Gemeinschaft wahr. Bei der Wahrnehmung aller Aufgaben stehen Gesamtkirche und Gliedkirche in einer gegenseitigen Verantwortung. Dazu gehören Delegierung und Initiative auf beiden Seiten. 2. Die Vereinigte Evangelische Kirche übernimmt als Zielvorstellung grundsätzlich alle Aufgaben, die der Bund der Evangelischen Kirchen, die Evangelische Kirche der Union und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR wahrnehmen. Dieser Prozeß der Zusammenführung schließt die Bereitschaft, sich zu wandeln und Kompromisse zu schließen, ein. Bei der Übertragung der bisher gesamtkirchlich wahrgenommenen Aufgaben ist zu prüfen, ob diese weiterhin notwendig als Gemeinschaftsaufgaben wahrgenommen werden müssen. 3. Aufgaben, die generell als Gemeinschaftsaufgaben bestätigt worden sind oder künftig als solche verabredet werden, sollen nach Zweckmäßigkeit entweder durch die Vereinigte Evangelische Kirche unmittelbar oder im Auftrage der Vereinigten Evangelischen Kirche durch eine oder mehrere Gliedkirchen durchgeführt werden. 4. Neue Aufgaben können der Vereinigten Evangelische Kirche durch Initiative einer oder mehrerer Kirchen mit Zustimmung der Kirchenleitung oder der Synode der Vereinigten Evangelischen Kirche übertragen werden. 5. Zur Wahrnehmung spezifischer Anliegen können mehrere Gliedkirchen im Einvernehmen mit der Vereinigten Evangelischen Kirchen besondere Aktivitäten entfalten und Regelungen treffen. 6. Die Gliedkirchen nehmen in der Vereinigten Evangelischen Kirche folgende Aufgaben gemeinsam wahr: 6.1. Unterstützung der einzelnen Gliedkirchen bei der Erfüllung ihres Dienstes. 6.2. Festigung der Gemeinschaft der Gliedkirchen durch Koordinierung der Arbeit, auch durch Besuchsdienste, Austausch der Mitarbeiter zwischen den Kirchen und gegenseitige Hilfe. 6.3. Förderung des diakonischen, missionarischen und ökumenischen Auftrages der Kirchen sowie die Koordinierung der Arbeit der gesamtkirchlichen Werke und Aktivitäten. 6.4. Allgemeine Anliegen der gesellschaftlichen Mitverantwortung der Kirchen. 6.5. Verpflichtung in der besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland. 6.6. Vertretung der Gliedkirchen in allen gemeinsamen Angelegenheiten nach außen. 6.7. Gemeinsames Handeln der Gliedkirchen wird insbesondere angestrebt bei: a) Veränderungen von Ordnungen der Gottesdienste und Amtshandlungen, b) Revision des Gesangbuchs, c) wesentliche Bestimmungen der sonstigen Ordnungen der Gliedkirchen, d) Vorbildung und Anstellungsfähigkeit sowie die dienstrechtlichen Verhältnisse der Pfarrer und der Träger anderer kirchlicher Dienste, e) Verfahren bei Beanstandung der Lehre, f) Erhebung kirchlicher Aufgaben und das kirchliche Kassen- und Rechnungswesen.

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7. Die Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben der Gliedkirchen in der Vereinigten Evangelischen Kirche erfolgt durch: 7.1. Kirchengesetzliche Regelungen mit unmittelbarer Wirkung für die Gliedkirchen, wenn alle Gliedkirchen der Vereinigten Evangelischen Kirche die selbständige Regelung des Sachgebietes übertragen haben. 7.2. Kirchengesetzliche Regelungen mit Wirkung für die Gliedkirchen, – wenn eine Gliedkirche oder die Organe der Vereinigten Evangelischen Kirche eine entsprechende Anfrage vorlegen, – einer solchen Anfrage von mindestens zwei Kirchen zugestimmt wird, – der daraufhin erarbeitete Entwurf von den zustimmenden Kirchen genehmigt und – festgestellt wurde, daß dem dann von der Synode der Vereinigten Evangelischen Kirche beschlossenen Gesetz von der zustimmenden Kirche nicht widersprochen wird. 7.3. Empfehlungen der Vereinigten Evangelischen Kirche für die Arbeit der Gliedkirchen. 7.4. Vereinbarungen zwischen mehreren Gliedkirchen über die übereinstimmende Regelung von Angelegenheiten. Diese Vorschläge können durch Änderung der Artikel 4 bis 7 der Bundesordnung wirksam werden. III. Durch welche Organe die Aufgaben, die der gesamtkirchlichen Arbeit übertragen werden, wahrgenommen werden sollen, ist vielfältig diskutiert worden. Die Eisenacher Empfehlungen haben dazu schon detaillierte Vorschläge gemacht. Die Vorbereitungsgruppe hat diese aus ihrer eigenen Arbeit heraus weiter entwickelt. Stellungnahmen dazu haben gliedkirchliche Synoden angekündigt. Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe informiert dazu über ihren gegenwärtigen Gesprächsstand. Strittig sind insbesondere Zusammensetzung und Aufgaben des Exekutivgremiums (Vorstand/„Rat der Kirchenleitung“).

A. Struktur Das Instrumentarium des Bundes bleibt im wesentlichen erhalten. 1. Zur Synode 1.1. Die Synode wird auf 80 bis 100 Mitglieder erweitert. Bei der Verteilung der Mandate auf die Gliedkirchen wird deren unterschiedliche Größe stärker berücksichtigt. Die leitenden Geistlichen und je ein weiteres Mitglied der Kirchenleitung der Gliedkirche sollen Mitglieder der Synode sein. Der Synode sollen etwa zu 1/3 ordinierte Theologen, zu 1/6 sonstige kirchliche Mitarbeiter und zu 1/2 nicht in kirchlichem Dienst stehende Synodale angehören. 1.2. Die Gesetzgebungskompetenz wird entsprechend Absatz II erweitert. Die Synode wird als Ort der öffentlichen Rechenschaftslegung durch die Kirchenlei-

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tung und das Kirchenamt (sowie des Bischofskonventes und des Rates der Kirchenleitung über die Kirchenleitung) beschrieben. 1.3. Die Synode bildet und besetzt ständige Synodalausschüsse, in die auch stellvertretende Synodale berufen werden können. Die Zahl der Kommissionen ist zu reduzieren. Entsprechendes gilt für die anderen Beratungsgremien. 2. Zur Kirchenleitung 2.1. Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen wird in Kirchenleitung umbenannt. Die Mitgliederzahl wird um 2 weitere, von der Synode zu wählende Mitglieder erweitert. Die Zugehörigkeit von mindestens 2 Mitgliedern aus jeder der 8 Gliedkirchen (gegenwärtig: der leitende Geistliche und der Leiter der Verwaltungsbehörde) ist zu gewährleisten. 2.2. Die Kirchenleitung bildet zu bestimmten Sachthemen Kirchenleitungs-Ausschüsse oder beruft die gliedkirchlichen Referenten zu Fachbesprechungen. Es ist rechtlich abzusichern, daß der Vorsitz der Kirchenleitung nach einer bestimmten Zeit wechselt. 3. Exekutivgremium (Vorstand/„Rat der Kirchenleitung“) In der Frage, wie das Exekutivgremium zu gestalten ist, gehen die Auffassungen erheblich auseinander. Bei allen Vorschlägen geht es um ein Modell, das ein zügiges Arbeiten der Kirchenleitung (Konferenz) ermöglicht: Modell A 3.1. Der Vorstand der Konferenz wird in „Rat der Kirchenleitung“ umbenannt und auf 9 Mitglieder erweitert. Es ist dafür zu sorgen, daß in ihm alle 8 Gliedkirchen vertreten sind. Ihm gehören der Präses der Synode, der Vorsitzende der Kirchenleitung und seine beiden Stellvertreter an. 3.2. Der Rat nimmt die Aufgaben der Konferenz (Kirchenleitung) zwischen deren Tagungen wahr und kann in Eilfällen tätig werden. Die Kirchenleitung kann ihm Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen. Diese Lösung stärkt das föderative Element, indem alle Gliedkirchen an dem Exekutivgremium beteiligt werden. Sie birgt aber die Gefahr, daß das Gremium gegenüber der Kirchenleitung immer mehr zum Entscheidungsgremium in aktuellen Fragen wird. Modell B 3.1. Der Vorstand wird auf 9 Mitglieder erweitert. Es ist dafür zu sorgen, daß in ihm alle 8 Gliedkirchen vertreten sind. Ihm gehören der Präses der Synode, der Vorsitzende der Kirchenleitung und seine beiden Stellvertreter an. 3.2. Der Vorstand nimmt seine Aufgaben gemäß den Aufträgen und Zuweisungen der Konferenz wahr. Dieses Modell nimmt aus Modell A das föderative Moment auf, versucht aber zugleich, in der Aufgabenbestimmung der Gefahr einer zu großen Selbständigkeit gegenüber der Kirchenleitung zu begegnen. Modell C Die gegenwärtige Größe des Vorstandes (6 Mitglieder) und die gegenwärtige Aufgabenstellung werden beibehalten. Die Hauptentscheidungsbefugnis behält die Kirchenleitung (Konferenz).

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4. Zum Kirchenamt (Sekretariat) 4.1. Die Dienststelle soll eine deutliche Dezernatsaufteilung erhalten. Die Kooperation der Dezernate soll institutionalisiert werden. Die nähere Ausgestaltung ist strittig: Modell A Kirchenamt mit Dezernenten und Kollegialverfassung (Organ) Modell B Dienststelle mit Sekretären für bestimmte Aufgabengebiete und Beratungsgremien. Die Zusammenarbeit der Sekretäre ist institutionell zu ordnen. 4.2. Neben der Erledigung der laufenden Verwaltungsangelegenheiten obliegt es ihm, für alle Beschlußgremien Vorarbeiten zu leisten und deren Beschlüsse auszuführen, sofern damit nicht ausdrücklich andere Gremien oder Personen beauftragt werden.

B. Verfahren Die Vereinigte Evangelische Kirche wird durch ein Änderungsgesetz zur bestehenden Ordnung des Bundes unter Wahrung der Kontinuität geschaffen. Das Gesetz wird vorbehaltlich der Zustimmung aller gliedkirchlichen Synoden beschlossen und erst danach vom Präses der Synode des Bundes verkündet.

Anlage Beispielformulierung für eine Präambel 1) Die Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR bekennt sich zu Jesus Christus als dem gekreuzigten, auferstandenen und erhöhten Herrn, um dessen willen Gott die Menschen aus Gnade durch den Glauben annimmt und sie aus allen Ländern, Völkern und Rassen durch den Heiligen Geist zu der einen heiligen allgemeinen apostolischen Kirche beruft. 2) Die Vereinigte Evangelische Kirche lebt aus dem Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Das Evangelium von Jesus Christus als die Mitte der Schrift ist Maßstab des Glaubens, der Lehre in der Vereinigten Evangelischen Kirche. 3) (Hier folgt eine Formulierung der Bekenntnisbindung, die noch zu entwickeln ist.) 4) In der Gemeinschaft der einen Kirche Jesu Christi hat die Vereinigte Evangelische Kirche mit ihren Gliedkirchen und Gemeinden den Auftrag, das Evangelium zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten. Ihr Zeugnis durch das Wort und durch ihren Dienst an den Menschen, ihre Arbeit in Predigt und Unterweisung, Seelsorge, Lehre und Diakonie, ihre Verantwortung in Ökumene und Gesellschaft sind an diesen Auftrag gebunden.

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Dokument 11 Entwurf für eine Regelung für die Bildung und Arbeitsweise einer Gemeinsamen Beratungsgruppe 30. Mai 1980 EZA BERLIN, 8/91, Nr. 1549 1) Zur Wahrnehmung von Aufgaben, die sich aus der besonderen Gemeinschaft zwischen der VEK mit ihren Gliedkirchen und der EKD mit ihren kirchlichen Zusammenschlüssen und Gliedkirchen ergeben, wird eine (Gemeinsame Beratungsgruppe) gebildet. 2) a) Als Mitglieder in die (Gemeinsame Beratungsgruppe) entsenden die VEK bzw. die EKD gemeinsam mit der EKU – Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West – und der VELKD Beauftragte ihrer Leitungsgremien. Die VEK entsendet 8, die EKD gemeinsam mit der EKU und der VELKD 6 Mitglieder. b) An den Beratungen nehmen außerdem teil: – die Präsides der Synoden der VEK und der EKD, – die Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses. c) Die Mitglieder der (Gemeinsamen Beratungsgruppe) wählen zwei Sprecher, die die Beratungen leiten. 3) Die Beratungen finden in der Regel viermal (fünfmal) im Jahr statt. 4) Zur Vorbereitung und Auswertung der Beratungen sowie zur Erledigung geschäftsführender Angelegenheiten wird ein Geschäftsführender Ausschuß eingesetzt. Dieser besteht aus: – den Sprechern, – 3 (2) Mitarbeitern der Amts- bzw. Verwaltungsstelle der VEK, – je einem Mitarbeiter aus den Amtsstellen der EKD, der VELKD und der EKU/AKf. Der Geschäftsführende Ausschuß lädt zu den Beratungen ein, setzt die Termine fest und stellt die Tagesordnung auf. 5) Für die Erledigung besonderer Aufgaben können Arbeitsgruppen eingesetzt werden Alternativ: 5) Für die Erledigung besonderer Arbeitsvorhaben (Angelegenheiten) oder theologischer Aufgaben können Arbeitsgruppen oder theologische Konvente eingesetzt werden. 6) Die (Gemeinsame Beratungsgruppe) hat die Aufgabe, sich über die vielfältige gelebte Gemeinschaft zwischen den Kirchen des Bundes und denen der EKD auf allen Ebenen zu unterrichten, diese zu fördern und soweit erforderlich zu koordinieren. Sie bespricht die kirchliche Arbeit und kirchliche Aufgaben in den Kirchen. Kirchliche Voten oder Stellungnahmen zu Fragen gemeinsamen Interesses sind zu erörtern und ggf. gemeinsame Erklärungen vorzubereiten. Über Verlauf und Ergebnisse der Beratungen sind die jeweiligen Leitungsgremien zu unterrichten. Notwendige Beschlüsse, die sich aus den Beratungen ergeben, werden von diesen gefaßt.

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Dokument 12 Vorschlag der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe für die Formulierung der Grundartikel Leipzig, 23. September 1980 EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768 I. 1) Der erstrebte Zusammenschluß der Evangelischen Kirchen in der DDR (vorläufiger Arbeitstitel „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“)* ist die Gemeinschaft der in ihr zusammengeschlossenen Gliedkirchen. Diese haben unter sich eine Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums und in der Verwaltung von Taufe und Abendmahl festgestellt, wie sie dem Artikel VII des Augsburger Bekenntnisses entspricht. Sie nehmen die gemeinsamen Aufgaben in verbindlicher Zusammenarbeit wahr. Der Zusammenschluß von bekenntnisbestimmten und rechtlich selbständigen Gliedkirchen in der Vereinigten Evangelischen Kirche ist Kirche als Gemeinschaft von Kirchen. 2) Die Vereinigte Evangelische Kirche bekennt sich zu Jesus Christus, dem menschgewordenen Sohn Gottes als dem gekreuzigten, auferstandenen, erhöhten und kommenden Herrn, durch den Gott seine Schöpfung erneuert, um dessentwillen er die Menschen aus Gnade durch den Glauben annimmt und sie aus allen Völkern durch den Heiligen Geist zu der einen heiligen, allgemeinen, apostolischen Kirche beruft. II. 3) Die Vereinigte Evangelische Kirche lebt aus dem Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Das Evangelium von Jesus Christus als die Mitte der Schrift ist Maßstab für Glauben, Lehre und Leben in der Vereinigten Evangelischen Kirche. 4) Die Vereinigte Evangelische Kirche weiß sich mit ihren Gliedkirchen an die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse gebunden. In der Bindung an Bekenntnisschriften der Reformation bestehen Unterschiede zwischen den Gliedkirchen. Das gemeinsame Verständnis des Evangeliums, wie es in der Leuenberger Konkordie seinen Ausdruck gefunden hat, befähigt die Vereinigte Evangelische Kirche und ihre Gliedkirchen zur Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst und macht es möglich, mit weiter bestehenden Bekenntnisunterschieden in einer Kirche zu leben. 5) Die überlieferten Bekenntnisse haben die Kirche Jesu Christi auf das Evangelium als den Grund ihrer Existenz und ihres Auftrages ausgerichtet. Sie wollen dem aktuellen Bekennen dienen. In ihrer Konzentration auf das Evangelium * Die Bezeichnung wird aus den Eisenacher Empfehlungen von 1979 übernommen, damit soll keine Vorentscheidung über die Namensgebung getroffen worden.

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vom Heil in Jesus Christus bleiben die Bekenntnisse Wegweiser zum Verständnis der Heiligen Schrift und damit eine unerläßliche Orientierungshilfe für den Auftrag, den die Vereinigte Evangelische Kirche heute auszurichten hat. Bei bleibender Bindung der Gliedkirchen an ihre Bekenntnisse versteht die Vereinigte Evangelische Kirche mit ihren Gliedkirchen das Hören auf die bei den jeweils anderen geltenden Bekenntnisse als Hilfe zur Auslegung der Schrift und zum eigenen Bekennen. In diesem Sinne hat die Vereinigte Evangelische Kirche teil an der Bekenntnisbestimmtheit ihrer Gliedkirchen. 6) Die Vereinigte Evangelische Kirche bejaht mit ihren Gliedkirchen die Theologische Erklärung von Barmen als Ausdruck gemeinsamen Bekennens von Vertretern lutherischer, unierter und reformierter Kirchen und Gemeinden, das in den Erfahrungen des Kirchenkampfes zur Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre erforderlich wurde und für das heutige Bekennen richtungweisend bleibt. Die Vereinigte Evangelische Kirche und ihre Gliedkirchen helfen einander zur gemeinsamen Abwehr von Irrlehre. III. 7) In der Gemeinschaft der einen Kirche Jesu Christi nimmt die Vereinigte Evangelische Kirche mit ihren Gliedkirchen und Gemeinden den Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums und zur Verwaltung der Sakramente in seiner Vielfalt wahr. Ihr Zeugnis durch das Wort und ihr Dienst an den Menschen, ihre Arbeit in Predigt, Unterweisung und Lehre, in Seelsorge und Diakonie, ihre Verantwortung in Ökumene und Gesellschaft sind an diesen Auftrag gebunden. Er wird durch beauftragte Mitarbeiter und die anderen Gemeindeglieder gemeinsam wahrgenommen. Sie bedürfen für ihren Dienst, der bei aller Verschiedenheit geistlich gleichrangig ist, gegenseitiger Tröstung und Ermahnung. 8) Die Vereinigte Evangelische Kirche steht mit ihren Gliedkirchen in der in Jesus Christus gegebenen Einheit der weltweiten Kirche. Darum sucht sie die Gemeinschaft der Kirchen, die Jesus Christus als Gott und Heiland bekennen. Sie fördert die Bemühungen um Zusammenarbeit, gemeinsame Anbetung und glaubwürdiges Zeugnis aller Christen an einem Ort. Die Vereinigte Evangelische Kirche und ihre Gliedkirchen nehmen ihre ökumenische Verantwortung durch ihre Mitarbeit in der ökumenischen Bewegung wahr. Gemeinsam mit anderen Kirchen und ihren ökumenischen Zusammenschlüssen bemühen sie sich um die Verkündigung des Evangeliums in Weltmission und Evangelisation, um Hilfe für Menschen in Leiden und Not und um sichtbare Einheit der Kirchen. 9) Weil das Evangelium von Jesus Christus allen Menschen gilt, weiß sich die Vereinigte Evangelische Kirche beauftragt, es jedermann zu bezeugen. Sie sieht darum die Gesellschaft, in der sie mit ihren Gliedkirchen und Gemeinden lebt, als den ihr von Gott zugewiesenen Ort zur Bewährung ihres Glaubens, ihrer Hoffnung und ihrer Liebe an. In der aus der Bindung an das Wort Gottes erwachsenen Freiheit nimmt die Vereinigte Evangelische Kirche ihre Verantwortung für das Leben der Gesellschaft wahr. Sie fördert das Bemühen der Christen, sich gemeinsam mit Menschen anderer Überzeugung für das Wohl der Menschen, für ihre Grundrechte und für eine Gesinnung des Friedens

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einzusetzen. Die besondere Aufmerksamkeit gilt dabei denen, die Not leiden oder in ihrem Gewissen bedrängt sind.

Grundbestimmungen 10) Die Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums und in der Verwaltung von Taufe und Abendmahl ist zwischen den Gliedkirchen der Vereinigten Evangelischen Kirche in der praktizierten Gemeinschaft von Zeugnis und Dienst, in theologischen Gesprächen und durch ihre Zustimmung zur Leuenberger Konkordie festgestellt worden. Auf Grund dieser Übereinstimmung besteht in der Vereinigten Evangelischen Kirche volle Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Die Übereinstimmung in den Grundlagen der Verkündigung wird in Lehre, Leben und Ordnung der Vereinigten Evangelischen Kirche wirksam. Es sollen dann Grundbestimmungen folgen über: – Anerkennung der Ordination – Anerkennung der Amtshandlungen – Interzelebration – Besondere Gemeinschaft – Möglichkeiten der Angliederung.

Dokument 13 H. Waitz: Entwurf für eine Beschlussvorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe 8. Januar 1981 EZA BERLIN, 101, Nr. 20 I. Es gehört zu den Aufgaben der VEK, die in Ziffer 3,8 der Eisenacher Empfehlungen in Aufnahme von Artikel 4, Abs. 4 der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR umschriebene Verantwortung für Aufrechterhaltung und Pflege der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland wahrzunehmen. Die Gemeinschaftsbeziehungen zwischen den Kirchen und kirchlichen Zusammenschlüssen in den beiden deutschen Staaten sind gekennzeichnet durch die Pflicht zu möglichst umfassender wechselseitiger Konsultation bei grundsätzlicher Selbständigkeit in der Beschlußfassung.

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Bis zur rechtswirksamen Bildung der VEK durch übereinstimmende Beschlüsse aller zuständigen Synoden werden die Gemeinschaftsaufgaben im Sinne von I durch die bisher damit befaßten Organe und Gruppen weiterhin wahrgenommen. Dabei soll entsprechend dem erwarteten allmählichen Abgeben von Zuständigkeiten auf gemeinsame Organe und Gruppen ein Nebeneinander gleichgerichteter Aktivitäten vermieden und zunehmende Vereinheitlichung der Arbeit angestrebt werden. Zu dem Zeitpunkt, in dem die VEK an die Stelle des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, der VELKDDR und der Ev. Kirche der Union tritt, muß Gewähr dafür bestehen, daß die Gemeinschaftsaufgaben gem. I. uneingeschränkt im bisherigen Umfang wahrgenommen werden können. III. Die vom Bund der Ev. Kirchen in der DDR gebildete Beratergruppe wird erweitert, um sie instandzusetzen, die Koordinierungs- und Integrierungsaufgaben wahrnehmen zu können. Ihre Zusammensetzung und Arbeitsweise wird durch eine besondere Ordnung geregelt, die durch eine Vereinbarung zwischen Rat der EKD und Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR Rechtswirksamkeit erlangen soll. Für diese Ordnung gilt: Die Beratergruppe kann keine für die Beteiligten bindenden Entscheidungen treffen. Die Zuständigkeit für solche Entscheidungen bleibt vielmehr bei den Organen der Kirchen und kirchlichen Zusammenschlüsse in den beiden deutschen Staaten jeweils für ihren Bereich. Die Zahl der Mitglieder der Beratergruppe soll so groß sein, daß jede Gliedkirche im Bereich des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR mindestens durch ein Mitglied vertreten ist, darüberhinaus sollen bis auf weiteres die Konferenz der Kirchenleitungen, die Kirchenleitung der VELKDDR und die EKU jeweils einen Vertreter entsenden. Der EKD und den Kirchen im Gebiet der BRD bleibt die Entscheidung über die Zahl der von ihnen zu entsendenden Mitglieder vorbehalten. Dabei wäre annähernde Parität in der zahlenmäßigen Zusammensetzung erwünscht. Ein geschäftsführender Ausschuß zur Vorbereitung und Auswertung der Beratungen ist vorzusehen. Für die Mitglieder soll die Möglichkeit, sich in den Beratungen vertreten zu lassen, grundsätzlich ausgeschlossen werden.

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Dokument 14 Beschlussvorlage der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe 30. Januar 1981 EZA BERLIN, 4/91, Nr. 768 I. Es gehört zu den Aufgaben der künftigen Gemeinschaft von Kirchen in der DDR, die in Ziffer 3,8 der Eisenacher Empfehlungen in Aufnahme von Artikel 4 Abs. 4 der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR umschriebene Verantwortung für die besondere Gemeinschaft zwischen den evangelischen Christen und Kirchen in beiden deutschen Staaten wahrzunehmen. II. 1) Auf dem Weg zur schrittweisen Verwirklichung der neuen Gestalt ihrer Gemeinschaft verabreden die Kirchen und kirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR, die Verbindung zu den Kirchen und den kirchlichen Zusammenschlüssen im Bereich der EKD – in gegenseitiger Abstimmung wahrzunehmen, – füreinander zu erschließen – und zunehmend gemeinsam zu verantworten. 2) Zu dem Zeitpunkt, in dem die VEK an die Stelle des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, der VELK DDR und der Evangelischen Kirche der Union tritt, muß Gewähr dafür bestehen, daß die Gemeinschaftsaufgaben gemäß I uneingeschränkt wahrgenommen werden. III. 1) Die vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und der EKD gebildete Beratergruppe wird erweitert und in ihren Kompetenzen so geordnet, daß sie Koordinierungs- und Integrierungsaufgaben wahrnehmen kann. Ihre Zusammensetzung und Arbeitsweise wird zwischen dem Rat der EKD und der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR vereinbart. 2) Dabei ist vorzusehen: – daß ihr entsandte Vertreter aller Leitungsgremien der Zusammenschlüsse angehören, – daß alle Gliedkirchen mindestens durch einen Beauftragten vertreten sind, – daß eine kontinuierliche Vorbereitung und Auswertung durch einen geschäftsführenden Ausschuß gewährleistet wird, – daß in der Beratergruppe ein fester Mitgliederbestand vorgesehen wird. 3) Die besondere Gemeinschaft zwischen den Kirchen und kirchlichen Zusammenschlüssen in den beiden deutschen Staaten wird gekennzeichnet durch die

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Pflicht zu möglichst umfassender wechselseitiger Information und Konsultation bei grundsätzlicher Selbständigkeit in der Beschlußfassung.

Dokument 15 Vorlage der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe 5. Februar 1981 EZA BERLIN, 101, Nr. 20 Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe bittet den Rat der EKU – Bereich DDR –, die Kirchenleitung der VELK und die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR um folgenden Beschluß I. Zu den Aufgaben der Gemeinschaft von Kirchen in der DDR gehört auch künftig die in Ziffer 3,8 der Eisenacher Empfehlungen unter Aufnahme von Artikel 4 (4) der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR umschriebene Verantwortung für die besondere Gemeinschaft zwischen den evangelischen Christen und Kirchen in beiden deutschen Staaten. Dabei wird Artikel 4 (2) der Ordnung des Bundes voll gewahrt. II. Auf dem Wege zur schrittweisen Verwirklichung der neuen Gestalt ihrer Gemeinschaft verabreden die beteiligten Kirchen und Zusammenschlüsse in der DDR, um ihre Verantwortung für die Verbindung zur EKD, zur VELKD, zur EKU und deren Gliedkirchen zunehmend gemeinsam ausüben zu können, sie in gegenseitiger Abstimmung wahrzunehmen und füreinander zu erschließen. III. 1) Die vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und der Evangelischen Kirche in Deutschland gebildete „Beratergruppe“ wird so geordnet, daß sie ihre Aufgaben für die besondere Gemeinschaft voll wahrnehmen kann. Ihre Zusammensetzung und Arbeitsweise wird durch den Rat der EKD und die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR festgestellt. 2) Dabei ist vorzusehen, – daß ihr entsandte Vertreter aller Leitungsgremien der Zusammenschlüsse angehören, – daß die Gliedkirchen durch Beauftragte vertreten sind,

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– daß eine kontinuierliche Vorbereitung und Auswertung durch einen geschäftsführenden Ausschuß gewährleistet wird, – daß im Interesse kontinuierlicher Information und Konsultation ein feststehender Mitgliederbestand gegeben ist. IV. Zu dem Zeitpunkt, an dem eine neue Gestalt der Gemeinschaft an die Stelle des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR und der Evangelischen Kirche der Union tritt, muß Gewähr dafür bestehen, daß die Aufgaben gemäß I. uneingeschränkt wahrgenommen werden. ++++++ Ziffer 3,8 der Eisenacher Empfehlungen: „Die Vereinigte Evangelische Kirche bleibt der besonderen Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie bisher von den einzelnen Zusammenschlüssen wahrgenommen wurde, verpflichtet. Dabei nimmt sie die Erfahrungen auf, die die Zusammenschlüsse bisher gemacht haben. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so auszugestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen dienen.“ Artikel 4 (4) der Bundesordnung: „Der Bund bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt der Bund Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch seine Organe wahr.“ Artikel 4 (2) der Bundesordnung: „Der Bund nimmt die gemeinsamen Aufgaben der in ihm zusammengeschlossenen Gliedkirchen selbständig und unabhängig wahr.“

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Dokument 16 Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft 10. September 1981 Mbl. BEK 3–4/1981, S. 53–55 Die Evangelische Landeskirche Anhalts, die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg, die Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes, die Evangelische Landeskirche Greifswald, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs, die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen, die Evangelische Kirche der Union (für den Bereich der DDR), die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR und der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR verpflichten sich hiermit zur Bildung einer föderativen Gemeinschaft mit stärkerer Verbindlichkeit und zu ihrer Verwirklichung in den nachstehend beschriebenen Schritten. Artikel 1 Grundlagen und Ziel Die Gemeinschaft der beteiligten Kirchen ist getragen von dem gemeinsam gewonnenen Grundverständnis des Wortes Gottes. Sie verwirklicht sich in der faktischen Zeugnis- und Dienstgemeinschaft in der gegenwärtigen Situation (Bundesordnung, Artikel 1, Abs. 2). Ihren Ausdruck findet diese Gemeinschaft in – der Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst, die sich in Predigt und Unterweisung, in Seelsorge und Diakonie sowie in der Verantwortung für Ökumene und Gesellschaft vollzieht; – der Zustimmung aller Gliedkirchen zur Leuenberger Konkordie; – der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft unter Einschluß der wechselseitig erklärten Interzelebration; – den Ergebnissen der theologischen Lehrgespräche über die Grundlagen der Verkündigung. Die Gliedkirchen, der Bund der Evangelischen Kirchen, die Evangelische Kirche der Union und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche sind darin einig, daß die Erfahrung des gemeinsamen Kircheseins sie zur Vertiefung der Gemeinschaft des kirchlichen Lebens in dessen vielfältigen Bereichen und auf allen Ebenen verpflichtet (Bundessynode Züssow 1976). Die Gliedkirchen, der Bund, die Evangelische Kirche der Union und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche erklären aus dieser Erkenntnis heraus ihre Bereitschaft, innerhalb eines Zeitraumes von etwa sechs Jahren auf eine neue Gestalt ihrer Gemeinschaft zuzugehen, die – Kirche als Gemeinschaft von Kirchen ist; – in ihrem Selbstverständnis gekennzeichnet ist durch Übereinstimmung in den

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Grundlagen der Verkündigung, durch Wahrung der Bekenntnisbestimmtheit bei gegenseitigem Hören auf die unterschiedlichen Bekenntnisse sowie durch Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit der Gliedkirchen; – den Gemeinden und Christen Hilfe gibt, in Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung und diakonischem Handeln dem Auftrag Jesu Christi zu entsprechen; – verbindliche Zusammenarbeit bei den gegenwärtigen wahrgenommenen und künftig wahrzunehmenden Aufgaben von Zeugnis und Dienst unter Berücksichtigung des föderativen Charakters unabdingbar macht. Artikel 2 Weg Die Gliedkirchen, der Bund der Evangelischen Kirchen, die Evangelische Kirche der Union und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche wollen folgenden Weg zur schrittweisen Verwirklichung der neuen Gestalt ihrer Gemeinschaft gehen: 1. 1.1. Die Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR wird so geändert, daß sie in der Beschreibung der Aufgaben und der Ausgestaltung der Organe und ihrer Arbeitsweise den Anforderungen der neuen Gemeinschaft besser entspricht. Dabei ist das Bekenntnis der Kirchen und Gemeinden wie auch die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Gliedkirchen zu berücksichtigen. Ebenso ist auf die Verbindlichkeit in der föderativen Gemeinschaft zu achten. Bei der Ausformung der Ordnung ist die unterschiedliche Größe der Gliedkirchen so zu berücksichtigen, daß quantitative Gesichtspunkte zwar bedacht, aber nicht zum allein ausschlaggebenden Maßstab gemacht werden. 1.2. Auf dieser Grundlage werden die Gesetzgebung im Dienst- und sonstigen Mitarbeiterrecht, im Besoldungs-, Vergütungs- und Versorgungsrecht, zu Grundfragen der Ausbildung, zu Grundlagen der Kirchensteuer sowie gesamtkirchliche Beschlußfassungen für die Ordnungen der Gottesdienste und anderer kirchlicher Handlungen, für die kirchliche Lebensordnung, zur Herausgabe von Gesangbüchern und zur Autorisierung von Bibelübersetzungen vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR wahrgenommen. Die Evangelische Kirche der Union und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR sowie deren Gliedkirchen verzichten nach Maßgabe von Ziffer 1.3. bis 1.5. auf eigene Gesetzgebungsmaßnahmen und neue Festlegungen in diesen Sachgebieten. 1.3. Kirchengesetze oder Verordnungen auf Sachgebieten, für die die Organe des Bundes eine Rechtsetzungskompetenz haben, werden von den Organen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR und der Evangelischen Kirche der Union sowie deren Gliedkirchen nur erlassen, wenn nicht der Bund durch seine Organe einen Auftrag zur Vorbereitung einer Regelung dieses Sachgebietes für alle Gliedkirchen des Bundes erteilt hat oder nach Feststellung der Konferenz eine solche Regelung durch die Organe des Bundes

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innerhalb von zwei Jahren nicht erwartet werden kann oder ein Aufschub der Regelung schwerwiegende Folgen hätte. 1.4. Kirchengesetze oder Verordnungen nach 1.3. sind von den Organen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR und der Evangelischen Kirche der Union sowie deren Gliedkirchen vor ihrem Inkrafttreten dem Bund zuzuleiten. Dieser kann Änderungen erbitten, wenn durch die beabsichtigte Regelung eine bereits bestehende Übereinstimmung aufgehoben, eine Rechtseinheit auf dem von der Regelung getroffenen Gebiet zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen oder eine spätere einheitliche Regelung erheblich erschwert würde. 1.5. Um darüber hinaus zu einer größeren Übereinstimmung ihrer Ordnungen zu kommen, teilen die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche, die Evangelische Kirche der Union und deren Gliedkirchen Rechtsetzungsvorhaben dem Bund mit und geben ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. 1.6. Der Rat der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – und die Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR führen ihre verbleibenden Aufgaben in Abstimmung mit der Konferenz durch. 2. 2.1. Nach dem Inkrafttreten der Gemeinsamen Entschließung werden die in den Ziffern 2.3.1. bis 2.3.4. genannten Schritte vorbereitet. Ihre Verwirklichung setzt voraus, daß eine Überprüfung des ersten Schrittes gemäß Artikel 2 Abs. 1.1. bis Abs. 1.5. unter Einbeziehung von Ziffer 4.2. in 2 Jahren ergibt, daß er zu einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft führt. 2.2. Die Grundbestimmungen für die Ordnung der neuen Gemeinschaft einschließlich der Aussagen zur Bekenntnisbestimmtheit werden von einer Arbeitsgruppe der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vorbereitet. Bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe sind die unterschiedlichen Bekenntnisbindungen zu berücksichtigen. Die Arbeitsgruppe beendet ihre Arbeit mit einer Vorlage für die Grundartikel bzw. Grundbestimmungen. 2.3.1. Die Synoden der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR –, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR und des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR sollen zu einer gemeinsamen Synode zusammenwachsen. Bei Neubildung dieser Synoden ist Personenidentität anzustreben, soweit dies nach den Ordnungen möglich ist. In Abstimmung zwischen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe und den Präsidien der Synoden ist ein Plan für eine Vereinigung der Synoden zu erarbeiten und diesen zur gegebenen Zeit zur Verabschiedung vorzulegen. 2.3.2. Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen des Bundes, der Rat der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – und die Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR sind zu einem Leitungsgremium zusammenzuführen. Von der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe ist ein Plan für eine Vereinigung der Leitungsorgane zu erarbeiten und den zuständigen Organen zu gegebener Zeit zur Verabschiedung vorzulegen. 2.3.3. Das Sekretariat des Bundes, die Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche

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der Union – Bereich DDR – und das Lutherische Kirchenamt sind zu einer gemeinsamen Dienststelle zu vereinigen. Von der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe ist ein Plan zur Struktur der gemeinsamen Dienststelle, zu ihrer Arbeitsweise, ihrer Zuordnung zum vereinigten Leitungsgremium und über ihre Zuständigkeiten zu erarbeiten und den zuständigen Organen zu gegebener Zeit zur Verabschiedung vorzulegen. 2.3.4. Die Beratungsgremien des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Evangelischen Kirche der Union und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR werden ab 1. Januar 1982 so zusammengefaßt, daß für ein Sachgebiet nur ein Beratungsgremium gleicher Funktion tätig bleibt. Ob die Kommissions- und Ausschußarbeit einschließlich der Tätigkeit der Theologischen Studienabteilung in dem bisherigen Stil und Umfang fortgesetzt werden muß, ist dabei sorgfältig zu überprüfen mit dem Ziel, eine deutlich erkennbare Konzentration zu erreichen. Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, der Rat der Evangelischen Kirche der Union und die Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR vereinbaren, welche Beratungsgremien für ihren Zusammenschluß zunächst selbständig tätig bleiben müssen. 2.3.5. Die Zusammenfassung der Organe, Dienststellen und Beratungsgremien gemäß Ziffern 2.3.1. bis 2.3.4. ist so zu gestalten, daß bei den bisherigen Aufgaben eine deutliche Senkung des Aufwandes möglich wird. Sofern die Übertragung neuer Aufgaben beschlossen wird, die eine Erhöhung des Aufwandes bedingen, ist gleichzeitig über deren Finanzierung zu beschließen. 2.4. Die Bildung der neuen Gemeinschaft ist abgeschlossen, wenn die Grundartikel und Grundbestimmungen verabschiedet und auch die in Artikel 2, Abschnitt 1 und 2, vereinbarten Schritte getan worden sind. Dabei ist über den künftigen Namen zu entscheiden. Zugleich mit der Verabschiedung der Grundbestimmungen und der Übertragung der kirchenleitenden Funktionen der Organe des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Organe des Rates der Evangelischen Kirchen der Union – Bereich DDR – und der Organe der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR auf die Organe der verbindlichen föderativen Gemeinschaft wird über Beendigung oder Fortbestand verbleibender Funktionen der Evangelischen Kirche der Union im Bereich der DDR und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR durch die zuständigen Organe entschieden. Artikel 3 Besondere Gemeinschaft Die besondere Gemeinschaft mit den evangelischen Christen und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, die bislang vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Evangelischen Kirche der Union, der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche in der DDR und deren Gliedkirchen wahrgenommen wird, bleibt erhalten. Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so fortzuführen und zu gestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen dienen.

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Dokumente Artikel 4 Durchführung

4.1. Der von der Evangelischen Kirche der Union, der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche in der DDR und dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR gebildeten Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe wird die Vorbereitung der Durchführung dieser Festlegungen übertragen. Sie ist verpflichtet, zu den Organen der Gliedkirchen und des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Evangelischen Kirche der Union und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR ständig Verbindung zu halten, und berechtigt, ihnen Vorlagen zu unterbreiten und den Leitungsgremien des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Evangelischen Kirche der Union und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR Verfahrensentscheidungen vorzulegen. 4.2. Bis zur Realisierung der in Artikel 2, Ziffer 2 vorgesehenen Schritte verpflichten sich die Evangelische Kirche der Union, die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR und der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zur engen Zusammenarbeit im Sinne des Artikels 2, Ziffer 1. Das Nähere dazu vereinbaren der Rat der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR –, die Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR und die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR im Rahmen der geltenden kirchenverfassungsrechtlichen Bestimmungen. Die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe kann dazu Vorschläge machen. Artikel 5 Inkrafttreten Diese Entschließung ist von den Synoden der Gliedkirchen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, der Evangelischen Kirche der Union und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR mit einer Mehrheit zu beschließen, wie sie auch für die Änderung einer Verfassung erforderlich wäre. Sie tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft. Sie wird von den Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR –, der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR und der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR verkündet. Ort . . ., Datum . . .

Unterschriften entsprechend der Präambel

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Dokument 17 Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Güstrow, 21. September 1981 Mbl. BEK 3–4/1981, S. 55 f. Im Interesse der angestrebten schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft hat die Synode unter Beachtung des Artikels 12 Absatz 3 der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 10. Juni 1969 (MBl. 1971 S. 2) beschlossen:

§1 Die Artikel 5; 6; 7; 8 Absatz 2; 9; 10; 11; 12 Absatz 1; 13 Absatz 1 und 2; 14 Absatz 1 c) und d) und Absatz 2; Artikel 15 Absatz 1 erhalten folgenden neuen Wortlaut: Artikel 5 (1) In der Verantwortung für die Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst fördert der Bund die kirchliche Rechtseinheit und stärkt das Bestreben der Gliedkirchen, zu einer größeren Übereinstimmung ihrer Ordnungen zu kommen. (2) Der Bund führt gesamtkirchliche Beschlüsse herbei für: a) die Ordnungen der Gottesdienste und anderer kirchlicher Handlungen (Agenden), b) die Autorisierung von Bibelübersetzungen, c) das Gesangbuch, d) die kirchliche Lebensordnung. (3) Er erläßt kirchengesetzliche Bestimmungen für folgende Sachgebiete: a) Ausbildung und Dienst der kirchlichen Mitarbeiter, b) Besoldung, Versorgung und Vergütung der kirchlichen Mitarbeiter, c) Kirchenzugehörigkeit, d) Grundlagen der Kirchensteuer. (4) Er erläßt ferner kirchengesetzliche Bestimmungen für solche Sachgebiete, a) die bereits gesamtkirchlich geregelt sind, b) die alle Gliedkirchen dem Bund zur selbständigen Regelung übertragen. (5) Er kann kirchengesetzliche Bestimmungen für Sachgebiete treffen, deren Regelung durch Initiative des Bundes oder mehrerer Gliedkirchen gemäß Artikel 6 Abs. 2 angeregt wird. (6) Er kann den Gliedkirchen Anregungen für ihre Arbeit geben und Grundsätze für eine gemeinsame Fortentwicklung des kirchlichen Rechts aufstellen.

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Dokumente Artikel 6

(1) Beschlüsse nach Artikel 5 Abs. 2 und Kirchengesetze nach Artikel 5 Absätze 3 und 4 sind unter Beteiligung von Vertretern aller Gliedkirchen zu erarbeiten. Den Gliedkirchen ist vor der Beschlußfassung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (2) Gesetzesvorhaben nach Artikel 5 Abs. 5 können den Gliedkirchen sowohl von den Organen des Bundes als auch von einzelnen Gliedkirchen mit der Anfrage zugeleitet werden, ob sie der Regelung des Sachgebietes durch den Bund zustimmen. (3) Beschlüsse und Kirchengesetze nach Artikel 5 sind nach der Beschlußfassung den Gliedkirchen zuzuleiten. Sie werden durch die Konferenz der Kirchenleitungen für die Gliedkirchen in Kraft gesetzt, die ausdrücklich feststellen, daß sie nicht widersprechen oder binnen 6 Monaten nach der Beschlußfassung keinen ausdrücklichen Widerspruch einlegen. Wird durch Kirchengesetz des Bundes gliedkirchliches Verfassungsrecht berührt, ist die Inkraftsetzung gesondert zu regeln. (4) Gliedkirchen mit reformierten Gemeinden können die Inkraftsetzung von Gesetzen für ihren Bereich mit der Maßgabe erwirken, daß sie für diese Gemeinden keine Anwendung finden. Dies ist zulässig, wenn die nach gliedkirchlichem Recht zuständige Vertretung der reformierten Gemeinden darlegt, daß das Gesetz mit Bekenntnis und Ordnung der reformierten Gemeinden nicht im Einklang steht. (5) Andere kirchliche Gesetzgeber teilen dem Bund ihre Gesetzgebungsvorhaben rechtzeitig mit und geben ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. (6) Solange und soweit der Bund von seinem Rechtsetzungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt es bei den bisherigen Zuständigkeiten. Treffen die bisher Zuständigen für Sachgebiete nach Artikel 5 Absätze 2, 3 und 4 Regelungen, die eine einheitliche Rechtsetzung für alle Gliedkirchen erheblich erschweren, steht der Synode und, wenn diese nicht versammelt ist, der Konferenz ein Einspruchsrecht zu. Über die Regelung, gegen die sich der Einspruch richtet, ist in dem beschließenden Organ erneut zu beraten und zu beschließen. Artikel 7 (1) Einzelne oder mehrere Gliedkirchen können mit Zustimmung der Konferenz dem Bund Aufgaben übertragen oder die Entscheidung über Fragen überlassen, für welche die Gliedkirchen zuständig sind. (2) Der Bund kann einer einzelnen oder mehreren Gliedkirchen mit deren Zustimmung Gemeinschaftsaufgaben übertragen. Artikel 8, Abs. 2 (2) Zur Beratung dieser Organe können für bestimmte Aufgaben Kommissionen gebildet werden.

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Artikel 9 (1) Die Synode trägt dafür Verantwortung, daß der Bund die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt. Sie ist das gesetzgebende Organ des Bundes. Sie kann Richtlinien für die Tätigkeit des Bundes beschließen. (2) Sie nimmt zu den von der Konferenz zu erstattenden Berichten Stellung. Darüber hinaus kann sie sich über besondere Bereiche der Arbeit des Bundes berichten lassen. (3) Sie wählt aus ihrer Mitte 9 Mitglieder der Konferenz gemäß Artikel 14 Abs. 1 d). (4) Sie beschließt über die Bildung und Besetzung der Ausschüsse der Synode sowie über die Bildung oder Auflösung von Kommissionen entsprechend Artikel 8 Abs. 2. Artikel 10 (1) Die Synode besteht aus a) 72 Mitgliedern, die von den Synoden der Gliedkirchen gewählt werden und b) 8 Mitgliedern, die von der Konferenz berufen werden, c) Mitgliedern aus den dem Bund angegliederten Gemeinschaften nach Maßgabe der nach Artikel 20 getroffenen Vereinbarung. Bei der Berufung durch die Konferenz gemäß b) ist die Vielfalt des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Aufgaben zu berücksichtigen, soweit sie sich nicht schon in den gewählten Mitgliedern der Synode darstellt. (2) Für jeden Synodalen sind zwei Stellvertreter zu bestimmen. Von den gewählten und berufenen Synodalen sollen nicht mehr als die Hälfte hauptberuflich im kirchlichen Dienst stehen und nicht mehr als ein Drittel ordinierte Theologen sein. (3) Die Gliedkirchen wählen zur Synode Mitglieder in folgender Zahl: a) Die Evangelische Landeskirche Anhalts 4 Mitglieder b) Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg 11 Mitglieder c) Die Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes 4 Mitglieder d) Die Evangelische Landeskirche Greifswald 5 Mitglieder e) Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs 7 Mitglieder f) Die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen 12 Mitglieder g) Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens 19 Mitglieder h) Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen 10 Mitglieder Dabei müssen unter den von der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen gewählten Synodalen mindestens ein Synodaler und dessen Stellvertreter dem reformierten Bekenntnis angehören. (4) Die Mitglieder der Synode sind nicht an Weisungen gebunden. (5) Die Synodalen und ihre Stellvertreter scheiden aus der Synode aus, wenn sie nicht mehr Gemeindeglieder in der Gliedkirche sind, aus der sie in die Synode gewählt wurden, oder wenn sie nach den Bestimmungen der Gliedkirche das passive Wahlrecht zum Ältestenamt oder – soweit es sich um ordinierte Mit-

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arbeiter im Verkündigungsdienst handelt – die Rechte aus der Ordination verloren haben. (6) Die Mitglieder der Konferenz und die Präsides (Präsidenten) der Synoden der Gliedkirchen, die nicht der Synode angehören, nehmen an den Beratungen der Synode ohne Stimmrecht teil. Artikel 11 (1) Die Amtsdauer der Synode beträgt 6 Jahre. (2) Die Synode tritt in der Regel einmal im Jahr zusammen. Sie ist außerdem einzuberufen, wenn die Konferenz oder 20 Synodale es verlangen. Artikel 12 Absatz 1 (1) Die Synode wählt für ihre Amtsdauer ein Präsidium. Es besteht aus dem Präses, dem ersten und dem zweiten Stellvertreter sowie zwei Beisitzern. Der Präses soll in der Regel nicht hauptberuflich im kirchlichen Dienst stehen. Die Mitglieder des Präsidiums bleiben bis nur Wahl ihrer Nachfolger im Amt. Artikel 13 Absatz 1 (1) Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen hat die Aufgabe, den Bund zu leiten. Sie ist grundsätzlich für alle Aufgaben des Bundes zuständig, soweit sie nicht der Synode obliegen. Sie gibt der Synode jährlich einen Bericht. Sie kann der Synode Vorlagen und Anregungen zustellen. Artikel 13 Absatz 2 (2) Gegenstände, die durch Kirchengesetz zu ordnen sind, können durch Verordnungen der Konferenz geregelt werden, wenn die Sache keinen Aufschub duldet, die Synode nicht versammelt ist und der Präses keinen Einspruch erhebt. Artikel 6 gilt entsprechend. Verordnungen sind der Synode bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Bestätigung vorzulegen. Die Synode kann sie ändern oder aufheben. Artikel 14 Absatz 1 c) c) dem Präses der Synode, der durch einen seiner Stellvertreter vertreten werden kann. Artikel 14 Absatz 1 d) d) Neun von der Synode für die Amtsdauer der Synode aus der Mitte der ordentlichen Synodalen zu wählenden Mitglieder, von denen eines dem reformierten Bekenntnis angehören muß. Für diese sind insgesamt drei Stellvertreter zu wählen. Sofern keiner der Stellvertreter dem reformierten Bekenntnis angehört, beruft die Konferenz einen Synodalen oder stellvertretenden Synodalen reformierten Bekenntnisses als Stellvertreter für das Mitglied, das dem reformierten Bekenntnis angehört.

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Dokumente Artikel 14 Absatz 2 (2) Die Konferenz kann Berater hinzuziehen. Artikel 15

(1) Der Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, der Präses der Synode und drei weitere von der Konferenz aus ihrer Mitte zu wählende Mitglieder bilden den Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen. Mindestens ein Mitglied des Vorstandes muß ein nach Artikel 14 Abs. 1 d) von der Synode gewähltes Mitglied der Konferenz sein. Der Leiter des Sekretariats nimmt an den Sitzungen des Vorstandes mit beratender Stimme teil. §2 Kirchengesetze und Verordnungen des Bundes können durch die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen auch für die Evangelische Kirche der Union (für den Bereich der DDR) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR in Kraft gesetzt werden, wenn diese zustimmen. §3 Dieses Kirchengesetz wird vom Präses der Synode des Bundes verkündet, wenn ihm nach Feststellung der Konferenz alle Gliedkirchen zugestimmt haben. Es tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft. Die Konferenz wird beauftragt, die Ordnung des Bundes in ihrer geltenden Fassung bekanntzumachen Der Präses der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Wahrmann

Dokument 18 Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zur intensiveren Gemeinschaft Berlin-Weißensee, 12. April 1983 EZA BERLIN, 101, Nr. 3182 I. Zu den Grundartikeln Die Synode ist über die Arbeiten an den Grundartikeln informiert worden. Sie begrüßt den Entwurf vom 5.1.1983 als eine geeignetere Grundlage für die Beschlußfassung von Grundartikeln in einer intensiveren Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in der DDR, als es der ursprüngliche Vorschlag war. Sie hat feststellen können, daß in diesem Entwurf die Barmer Theologische Erklärung

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von allen im Bund zusammengeschlossenen Kirchen als ein Zeugnis des Glaubens gesehen wird, das für das heutige Bekennen richtungweisend bleibt. Die Synode ist der Meinung, daß eine endgültige Vorlage der Grundartikel, die nicht wesentlich vom Entwurf vom 5.1.1983 abweicht, die Zustimmung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg finden würde. Die Synode beauftragt die Kirchenleitung, in Zusammenarbeit mit dem Theologischen Ausschuß zu prüfen, welche Änderungswünsche für die endgültige Beschlußfassung eingebracht werden sollen. II. Zur künftigen Gestalt der EKU Die Synode hat den Beschluß des Rates der EKU – Bereich DDR – vom 7.1.1983 zur künftigen Gestalt der EKU zur Kenntnis genommen. Sie billigt ihn als einen Versuch, die geistliche, theologische und rechtliche Realität der EKU und ihren Weg in eine größere Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR zu beschreiben. Die Synode hat die Zuversicht, daß mit dem Wachsen der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen die uns wichtigen Elemente der EKU aufgenommen und sie als Gesamtkirche in der größeren Gemeinschaft aufgehoben werden kann. Die Synode ist der Auffassung, daß das Einbringen des Erbes der Kirchen der Union und des der lutherischen Kirchen in die größere Gemeinschaft zu einer gegenseitigen Bereicherung des geistlichen und theologischen Lebens führen wird. In der Weiterentwicklung und gegenseitigen Befruchtung der beiden Traditionslinien in einer Kirche sieht die Synode die besondere Aufgabe und Chance einer „Vereinigten Evangelischen Kirche“. Diese Aufgabe braucht ihre verbindliche Gestaltung. Darum regt die Synode an, daß in einer künftigen „Vereinigten Evangelischen Kirche“ ein institutioneller Bezugspunkt für das lutherische sowie ein institutioneller Bezugspunkt für das unierte und reformierte Erbe vorhanden sein sollten. Als institutioneller Bezugspunkt des unierten und reformierten Erbes sollte die Evangelische Kirche der Union – Bereich DDR – in die größere Gemeinschaft eingebracht werden. Die Synode geht deshalb davon aus, daß auf absehbare Zeit der rechtliche Fortbestand der EKU erforderlich ist und in einer „Vereinigten Evangelischen Kirche“ durch diese oder die EKU folgende Funktionen wahrgenommen werden sollten: 1. Die Beibehaltung der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der lutherischen, reformierten und gemeinreformatorischen Bekenntnisbindungen in der größeren Gemeinschaft. Dabei ist in der Ordnung einer „VEK“ eine Weiterentwicklung des Modells von Artikel 17 der EKU-Ordnung zu suchen, die dem gegenwärtigen Gesprächsstand zwischen den Bekenntnistraditionen entspricht. 2. Die Fortsetzung der Verbindlichkeit der besonderen Gemeinschaft zwischen den Gliedkirchen der EKU in der DDR, der BRD und Westberlin in Begegnungen, Beratungen, brüderlicher Hilfe und im Dienst der Versöhnung. Dabei ist die Art und Weise der Wahrnehmung im Gespräch aller Beteiligten zu klären. 3. Die Weiterführung spezifischer Aufgaben, wie die Pflege unierter Traditionen und Theologie, die Verbindung mit unierten Kirchen, die Förderung der besonderen Gemeinschaft und die Verwaltung von Eigentum der EKU durch dafür notwendige Organe. 4. Die Fortsetzung des Finanzausgleichs unter den Gliedkirchen der EKU.

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III. Zur föderativen Gemeinschaft Die Synode hat den Beschluß der Kirchenleitung vom 9.7.1982 über die Verteilung der Plätze in der künftigen Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zur Kenntnis genommen. Sie sieht in der Zusammensetzung der Synode eine wichtige Entscheidung zu Selbstverständnis und Praktizierung der Gemeinschaft unserer Kirchen. Die Synode ist mit der Kirchenleitung der Auffassung, daß das vorliegende Änderungsgesetz zur Bundesordnung noch nicht genügend die Größe der Gliedkirchen einerseits und die Notwendigkeit ihrer Mindestvertretung ausgleicht. Der Vorschlag des Änderungsgesetzes setzt den Proporz zwischen VELKund EKU-Kirchen zu Lasten der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg durch, so daß eine unausgewogene Zusammensetzung der Synode zustande kommt, die der Gemeinschaft nicht förderlich ist. Über die Notwendigkeit des Proporzes muß noch verhandelt werden. In jedem Falle sollte eine Veränderung der Synodenzusammensetzung vorgenommen werden, bei der jede Gliedkirche unabhängig von ihrer Größe eine Mindestzahl von Synodalen entsendet und darüber hinaus die Gliedkirchen entsprechend ihrer Größe nach einem allgemein anerkannten Schlüssel (z. B. Umlage) weitere Synodenplätze erhalten. Die Synode beauftragt die Kirchenleitung, die notwendige Zustimmung der anderen Kirchen zu einer Änderung der Synodenzusammensetzung im vorstehenden Sinne einzuholen. IV. Zum weiteren Verfahren Die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat auf ihrer Tagung vom 8. bis 12.4.1983 den Bericht der Kirchenleitung zu den Bemühungen um eine intensivere Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR entgegengenommen. Die Synode ist dankbar, daß ihre am 20.4.1982 in Drucksache 110 gestellten Fragen durch die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, den Rat der Evangelischen Kirche der Union, die Kirchenleitung der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche sowie die von diesen eingesetzten Arbeitsgruppen und Unterausschüsse bedacht wurden. Sie sieht in dieser gründlichen Arbeit den Willen zur verstärkten Fortsetzung der Bemühungen um eine neustrukturierte intensivere Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR. Die Synode sieht es als ihre Aufgabe an, verstärkt darauf hinzuwirken, daß die gewachsene und reale Kirchengemeinschaft nun auch ihren organisatorischen Ausdruck findet. Das seit Anfang 1982 geführte intensive Gespräch über die Fragen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zum weiteren Weg der Gemeinschaft hat neue Erkenntnisse gebracht: 1. Die Theologische Erklärung von Barmen kann ihrer Bedeutung entsprechend als verbindliche Orientierung für die Gemeinschaft in die Grundartikel eingeordnet werden (vgl. DS. 110/82, 4.1.). 2. Die geistliche, theologische und rechtliche Realität der EKU kann so in die Gemeinschaft integriert werden, daß sie für das Ganze der Gemeinschaft fruchtbar werden kann. Hierfür zeigt der Beschluß des Rates der EKU vom 7.1.1983 Bereitschaft und Möglichkeit (vgl. DS. 110/82, 4.2.). 3. Die föderative Struktur der Gemeinschaft kann die Majorisierung einzelner

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Gliedkirchen oder der reformierten Gemeinden verhindern (DS. 110/82, 4.3.). Die Zusammensetzung der künftigen Synode im Sinne von III und die Sicherung der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Bekenntnistradition entsprechend II würden hier ausreichend Vorsorge treffen. Die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg stellt fest, daß zu den von ihr gestellten Fragen zum weiteren Weg der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR ausreichende Antworten deutlich werden. Sie sieht sich deshalb in der Lage, die Beschlußfassung zu einer Neustrukturierung dieser Gemeinschaft wieder aufzunehmen und hält die Fortsetzung des Beschlußverfahrens zur Gemeinsamen Entschließung und zum Änderungsgesetz für möglich. Die Synode ist bereit, der Gemeinsamen Entschließung und dem Änderungsgesetz nach Maßgabe der Abschnitte I bis III zuzustimmen. Sie beauftragt die Kirchenleitung, bei den anderen beteiligten Kirchen festzustellen, ob dagegen Widerspruch erhoben wird. Sofern kein Widerspruch erfolgt, wird die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg neu über die Gemeinsame Entschließung und das Änderungsgesetz befinden.

Dokument 19 Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen/Rat der EKU – Bereich DDR/Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR: Positionspapier Berlin, 2. September 1983 Mbl. BEK 5–6/1983, S. 83 f. Positionspapier 1.

Seit dem Beschluß der Leitungsgremien der kirchlichen Zusammenschlüsse vom 2. Juli 1982 zur verbindlichen föderativen Gemeinschaft sind die Bemühungen um eine Intensivierung der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR fortgesetzt worden. Die anstehenden Sachfragen waren Gegenstand zahlreicher Gespräche. Sie sind von der Erklärung des Bundes, der EKU und der VELK bestimmt gewesen, „daß sie an dem Ziel einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft festhalten“. 2. Die Gespräche haben zu Ergebnissen und Beschlüssen geführt, die Fortschritte auf dem Wege zu diesem Ziel erkennen lassen. 2.1. Die Überarbeitung des Entwurfes der Grundartikel ist abgeschlossen und am 31. März 1983 den Gliedkirchen und Zusammenschlüssen zur Stellungnahme zugeleitet worden. 2.2. Die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg sieht es nach einem Beschluß vom 12. April 1983 als ihre Aufgabe an, „verstärkt darauf

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hinzuwirken, daß die gewachsene und reale Kirchengemeinschaft nun auch ihren organisatorischen Ausdruck findet“. Die Synode hat festgestellt, daß auf die von ihr gestellten Fragen ausreichende Antworten gegeben worden sind, die es ihr ermöglichen, das Beschlußverfahren zur Gemeinsamen Entschließung und zum Kirchengesetz zur Änderung der Bundesordnung wieder aufzunehmen. Sie hat unter bestimmten Voraussetzungen eine Zustimmung in Aussicht gestellt. 2.3. Die Synode der EKU – Bereich DDR – hat bei ihrer außerordentlichen Tagung am 4. Juni 1983 erklärt, „die EKU ist weiterhin bestrebt, sich in die größere Gemeinschaft der ‚VEK‘ hineinzugeben“. Obwohl bestimmte Funktionen der EKU in der nächsten Zeit noch von ihr selbst wahrgenommen werden müßten, so dürfte dies jedoch kein Hindernis für den Prozeß des Zusammenwachsens sein. Vielmehr sollten konkrete Vorschläge für die Zusammenführung und gemeinsame Wahrnehmung wesentlicher Aufgabenfelder unterbreitet werden. Die EKU-Synode geht davon aus, „daß die Gemeinsame Entschließung nach wie vor die gemeinsame Ausgangsbasis für das Bemühen um eine intensivere Gemeinschaft ist und die Grundlage für das weitere Vorgehen und für konkrete einzelne Schritte bildet“. Die Synode hat ihre Bereitschaft erklärt, der Gemeinsamen Entschließung zuzustimmen, sobald die Zustimmung der Synode von Berlin-Brandenburg vorliegt. 2.4. Die Generalsynode der VELK in der DDR hat am 11. Juni 1983 eine Vereinbarung mit dem Bund der Evangelischen Kirchen vorgeschlagen, durch die ihm die Wahrnehmung weiterer Aufgaben der VELK übertragen wird. Diese würde als Rechtspersönlichkeit vorerst erhalten bleiben, die Tätigkeit ihrer Organe jedoch weitgehend einschränken und vereinfachen können. Die Generalsynode sieht in einer solchen Vereinbarung ausdrücklich einen Schritt auf dem Wege zu der mit der Gemeinsamen Entschließung angestrebten verbindlichen föderativen Gemeinschaft. 3. Angesichts der fortschreitenden Bemühungen um eine Intensivierung der kirchlichen Gemeinschaft stellen die Leitungsgremien der kirchlichen Zusammenschlüsse fest: 3.1. Obwohl die Gemeinsame Entschließung bisher nicht wirksam werden konnte, haben sich diese Bemühungen doch an ihr orientiert. 3.2. In Anbetracht der Bedeutung, die der Übereinstimmung in den Grundartikeln für das Verständnis und die Gestalt der verbindlichen föderativen Gemeinschaft zukommt, ist in dem überarbeiteten Entwurf ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Vorlage zu sehen. 3.3. Auf Grund der jüngsten wie auch früherer Beschlüsse der Synode der EKU – Bereich DDR – sind in nächster Zeit konkrete Vorschläge zu erwarten, welche Aufgaben von der EKU an den Bund übertragen werden können. 3.4. Synodale Erklärungen zum Fortbestand der EKU lassen offenbar unterschiedliche Interpretationen zu. Die Leitungsgremien sehen diese Aussagen vor dem Hintergrund der Gemeinsamen Entschließung und nicht im Widerspruch zu ihr. Die entsprechenden Erklärungen von seiten der EKU wie von Berlin-Brandenburg verändern nach dem Verständnis der Leitungsgremien nicht das mit der Gemeinsamen Entschließung angestrebte Ziel. Sie haben jedoch Rückwirkungen auf Gestaltung und Verlauf des Fusionsprozesses. Indem das gemeinsam

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erklärte Ziel noch einmal bekräftigt wird, sollte der Prozeß der Durchführung der Gemeinsamen Entschließung in der Weise präzisiert werden, daß zunächst eine verbindliche Zusammenarbeit von EKU und VELK mit dem Bund vereinbart wird. Dadurch würde eine spätere Fusion vorbereitet, ohne die Modalitäten dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt festlegen zu müssen. 3.5. Für den Prozeß des weiteren Zusammenwachsens bedürfen auch die Fragen einer Klärung, die gegenwärtig noch offen oder erneut angefragt sind; insbesondere: – inhaltliche und zeitliche Vorstellungen über Verlauf und Abschluß des Prozesses; – Schlußfolgerungen aus der Tatsache, daß die von EKU und VELK wahrgenommenen Aufgaben nicht in jedem Fall vergleichbar sind (die EKU nimmt auch Aufgaben wahr, die im Bereich der VELK von deren Gliedkirchen wahrgenommen werden); – künftige Gestaltung der besonderen Gemeinschaft, die die kirchlichen Zusammenschlüsse jeweils mit ihren Partnern in der BRD verbindet; – eine dem Verständnis als verbindlicher föderativer Gemeinschaft entsprechende Zusammensetzung der Synode, aber auch der anderen Organe der künftigen Gesamtkirche. 4. Die Leitungsgremien der kirchlichen Zusammenschlüsse empfehlen, daß 4.1. die von der EKU zu erwartenden Vorschläge zur Übertragung von Aufgaben an den Bund auf ihre baldige Realisierung einschließlich notwendiger Konsequenzen hin geprüft werden; 4.2. der Vorschlag der VELK zu einer Vereinbarung mit dem Bund sorgfältig erwogen und die AGL über den Fortgang der Gespräche ständig informiert wird; 4.3. die Synoden von Berlin-Brandenburg und der EKU in Anbetracht der erreichten Verständigung den Vorlagen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe möglichst bald zustimmen mögen; 4.4. sich die Gliedkirchen diesen Beschluß der Leitungsgremien der kirchlichen Zusammenschlüsse zu eigen machen. 5. Die Arbeitsgruppe der Leitungsgremien wird beauftragt, auf der Grundlage dieses Beschlusses bis 1. März 1984 konkrete Vorschläge zur Fortsetzung des Prozesses des weiteren Zusammenwachsens vorzulegen. Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR Der Vorsitzende Dr. Hempel Der Rat der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – Dr. Wollstadt Die Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR Dr. Leich

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Dokument 20 Stellungnahme der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen zum weiteren gemeinsamen Weg der Evangelischen Kirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR Eisenach, 12. Mai 1984 EZA BERLIN, 688, Nr. 99 1. Seit der Eisenacher Delegiertenversammlung der drei Zusammenschlüsse EKU – VELK – Bund im Januar 1979 haben sich die Gliedkirchen und ihre Zusammenschlüsse bemüht, ihrer Gemeinschaft eine neue Gestalt zu geben, die der gewachsenen Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst Rechnung trägt, die Kräfte und Mittel für die gesamtkirchliche Arbeit zusammenfaßt und das gemeinsame Handeln der Kirche erleichtert und besser durchschaubar macht. Die Eisenacher Delegiertenversammlung empfahl als Ziel: „Die in der DDR bestehenden kirchlichen Zusammenschlüsse – Bund, Evangelische Kirche der Union und Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche – vereinigen sich mit Zustimmung ihrer Gliedkirche schrittweise zu einem neuen Zusammenschluß, in dem die bisherigen Zusammenschlüsse aufgehen.“ Die Konferenz muß feststellen, daß dieses Ziel auf dem Wege, wie ihn die Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren Gemeinschaft vorsah, nicht erreicht wurde. Die Änderung der Bundesordnung, die als erster Schritt vorgesehen war, kann nicht in Kraft treten: sieben Gliedkirchen des Bundes haben der Gemeinsamen Entschließung und dem Kirchengesetz zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR mit der notwendigen verfassungsändernden Mehrheit zugestimmt. In der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg konnte die erforderliche 2/3 Mehrheit nicht erreicht werden. Die Konferenz sieht mit Betroffenheit, daß es auf der Leitungsebene nicht gelungen ist, eine Struktur zu schaffen, die der gewachsenen Gemeinschaft zwischen Gemeinden und Kirchen entspricht, wie sie z. B. in gemeinsamen Kirchentagen, Jugendsonntagen, aber ebenso auch bei der Zusammenarbeit zwischen den Kirchen in vielen Einzelfragen längst praktiziert wird. Wir müssen auf der gesamtkirchliche Ebene mit Strukturen weiterarbeiten, deren Notwendigkeit nicht mehr einleuchtend zu machen ist und die Zeit, Kräfte und Mittel binden, die um des missionarischen Auftrages unserer Kirchen willen wirksamer eingesetzt werden müßten. 2. Die Gründe, die zu den Empfehlungen der Eisenacher Delegiertenversammlung geführt haben, bestehen nach wie vor und sind noch dringlicher geworden. Die zwischen den Kirchen gewachsene Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst braucht eine Gestalt, die anzeigt, daß und wie unsere Kirchen zusammen Kirche sind (Tagung der Bundessynode in Züssow 1976). Was in dem langen Prozeß theologischer Klärung und durch die gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben für das Verständnis der Gemeinschaft unserer Kirchen gewonnen wurde, darf nicht wieder verlorengehen, sondern muß festgehalten werden. Darum bittet die

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Konferenz alle Beteiligten, die Arbeit an den Grundartikeln zum Abschluß zu führen. 3. Die Konferenz stellt fest, daß die Gliedkirchen übereinstimmend an der in der Ordnung des Bundes angesprochenen Aufgabe und Verpflichtung festhalten, „in der Einheit und Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus zusammenzuwachsen.“ (BO 1 [2]). Da der in der Gemeinsamen Entschließung vorgesehene Weg einer schrittweisen Zusammenführung der Institutionen gegenwärtig nicht weiter verfolgt werden kann, kommt es darauf an, daß die Gliedkirchen und ihre Zusammenschlüsse alle schon gegebenen Möglichkeiten der Zusammenarbeit praktizieren. Dafür ist es notwendig, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die in der Ordnung des Bundes vom 10. Juni 1969, im Beschluß der drei Leitungsgremien über die Bildung gesamtkirchlicher Beratungsgremien vom 2. Juli 1982 und im Beschluß der Bundessynode über das Verfahren zur Erarbeitung von Grundorientierungen vom 21. September 1980 gegeben sind. Das muß sich auch auf die Arbeitsweise der Organe und Dienststellen der drei Zusammenschlüsse auswirken, so daß die Tätigkeit des Bundes gestärkt wird und durch ihn die Kräfte und Mittel für die Gemeinschaft unserer Kirchen so weit als möglich zusammengefaßt werden. Die Konferenz bittet die EKU und die VELK um Vorschläge für diese Veränderung der Arbeitsweise und Zusammenfassung der Kräfte. 4. Die Konferenz beauftragt die AGL, die von den Gliedkirchen und den gliedkirchlichen Zusammenschlüssen eingehenden Stellungnahmen und Vorschläge für die Weiterarbeit zu prüfen und die Ergebnisse der Bundessynode 1984 zuzuleiten.

Abkürzungen Abkürzungen

Abkürzungen

AAK Abl. EKD AE

Ausschuss für die Arbeit der Kommissionen Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland Akteneinheit Arbeitsergebnis (des Ausschusses Kirchengemeinschaft „Zwischen Konkordie und Kirche“) AGK Arbeitsgruppe Koordinierung AGL (AgL) Arbeitsgruppe der Leitungsgremien AIM Archivierter IM-Vorgang (MfS) AKf Arnoldshainer Konferenz AL Abteilungsleiter ASt Außenstelle Barch BEK Bez. BL BO BRD BV

Bundesarchiv Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR Bezirk Bezirksleitung (SED) Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (Bundesordnung) Bundesrepublik Deutschland Bezirksverwaltung (MfS)

CA CFK

Confessio Augustana Christliche Friedenskonferenz

DA DDR Ds. (DS)

Deutschland Archiv. Zeitschrift für das vereinigte Deutschland Deutsche Demokratische Republik Drucksache

EGO

EvKomm

Entwurf für eine Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg Evangelische Kirche der Union Entwurf der Leuenberger Konkordie Empfehlungen des Planungsausschusses der VELKD zum Entwurf einer neuen Grundordnung der EKD Evangelische Kommentare

FAK

Facharbeitskreis

EKD EKiBB EKU ELK EPlA

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Abkürzungen

Gbl. GEÖ GEP GLA GO GPG GVG

Gesetzblatt (der DDR) Gemeinsame Einrichtung Ökumene Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik Gemeinsamer Liturgischer Ausschuss Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland Gemeinsame Planungsgruppe Gemeinsame Vorbereitungsgruppe

HA HAL HUB

Hauptabteilung Hauptabteilungsleiter Humboldt-Universität Berlin

IM IMB

Inoffizieller Mitarbeiter (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter der Abwehr mit Feindverbindung bzw. zur unmittelbaren Bearbeitung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter für einen besonderen Einsatz (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter der inneren Abwehr mit Feindverbindungen zum Operationsgebiet (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter, der unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen mitarbeitet (MfS)

IME IMF IMV

KA KD KiS KJ KK KKL KL KPS KR

Kirchenamt Kreisdienststelle (MfS) Kirche im Sozialismus. Zeitschrift zu Entwicklungen in der DDR Kirchliches Jahrbuch Kirchenkanzlei Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen Kirchenleitung Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Kirchenrat bzw. Konsistorialrat

LA LK

Landesarchiv Landeskirche Leuenberger Konkordie Landeskirchenamt Landeskirchliches Archiv Lutherischer Weltbund

LKA LWB MA Mbl. BEK MfS

Mitarbeiter Mitteilungsblatt des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium für Staatssicherheit

NF

Nationale Front

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OEKU OibE OKR

Ordnung der Evangelischen Kirche der Union Offizier im besonderen Einsatz (MfS) Oberkirchenrat bzw. Oberkonsistorialrat

PB

Politbüro

SAPMOBarch SED StGB StfK

Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Strafgesetzbuch Staatssekretär für Kirchenfragen

TOP

Tagesordnungspunkt

VD VELKD VELK DDR

Vertrauliche Dienstsache Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik

WAK

Weißenseer Arbeitskreis

ZdZ

Die Zeichen der Zeit. Evangelische Monatsschrift für Mitarbeiter der Kirche Zentralkomitee (SED)

ZK

QuellenQuellenund undLiteraturverzeichnis Literaturverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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„Kirchengemeinschaft – Lehrgespräche“ 2. Tagung der 3. Bundessynode in Berlin 4. Tagung der 3. Bundessynode in Leipzig 5. Tagung der 3. Bundessynode in Güstrow

Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-Barch) – Berlin Bestand DY 30 / IV A 2/14: SED-Zentralkomitee, Arbeitsgruppe Kirchenfragen (1963–1971): Nr. 19 Bestand DY 30 / IV B 2/14: SED-Zentralkomitee, Arbeitsgruppe Kirchenfragen (1972–1989): Nr. 80, 82, 147, 148 Bestand DY 30, vorl. SED: Büro Werner Jarowinsky: Nr. 35486 Bestand DY 30 / IV 2/2.036: Büro Paul Verner: Nr. 44, 45 Bestand NY 4281: Nachlass Paul Verner: Nr. 110 Landeskirchliches Archiv Hannover (LKA Hannover) Bestand D 15 X: Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands: Nr. 201, Bd. 8–10; 224, Bd. 23, 28, 30, 31 Bestand D 15 XII: Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR: Nr. 149, 188, 192, 196, 328, 356, 357, 360–362, 364, 370, 373–377

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Darüber hinaus stellten Herr Synodalpräsident i. R. Rolf Böttcher sowie Herr Oberkirchenrat i. R. Dr. Helmut Zeddies umfangreiches Material aus ihren privaten Unterlagen zur Verfügung. Mündliche und schriftliche Auskünfte Gespräch mit OKR i. R. Gespräch mit OKR i. R. Gespräch mit OKR i. R. Schreiben von Präs. i. R. Schreiben von Präs. i. R.

Dr. Dr. Dr. Dr. Dr.

Helmut Zeddies am Helmut Zeddies am Helmut Zeddies am Friedrich Winter an Friedrich Winter an

20.10.2000 5.2.2001 8.5.2001 den Verfasser vom 5.7.2001 den Verfasser vom 8.12.2001

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ANHELM, Fritz Erich (geb. 1944) 126 Jugenddelegierter auf der EKD-Synode 1971 in Frankfurt am Main und 1973 in Bremen, 1979–1994 Generalsekretär der Ev. Akademien in Deutschland BÄHR, Margot (geb. 1922) 304 Diplom-Volkswirtin, 1977–1985 Mitglied der Kirchenleitung der VELKDDR, 1979–1981 Vertreterin der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen BECKER, Manfred (geb. 1938) 189 f., 195, 210, 213, 235, 238 f., 253 f., 435 Sprachwissenschaftler, 1973–1990 Präses der Synode der Ev. Kirche in BerlinBrandenburg (Ost-Region), 1976–1982 Präses der Synode der EKU (Bereich DDR) BECKMANN, Joachim (1901–1987) 79 1958–1971 Präses der Ev. Kirche im Rheinland, Mitglied der EKD-Synode, 1960–1963 und 1966–1969 Vorsitzender des Rates der EKU BEHM, Hans Jürgen (1913–1994) 189 Oberkirchenrat, 1969–1978 Referent im Sekretariat des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR BELLMANN, Rudolf (geb. 1919) 305, 352, 357, 453 1977–1988 Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED BENN, Ernst-Viktor (1898–1990) 69, 95 1967–1968 juristischer Dirigent in der Kirchenkanzlei der EKU, danach nebenamtliche Tätigkeit für die EKU-Kirchenkanzlei (Bereich BRD und Berlin-West) BESTE, Niklot (1901–1987) 152, 155 1946–1971 Landesbischof der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, 1968–1971 Leitender Bischof der VELKDDR BEYER, Eberhard 304 Diakon, 1973–1988 Mitglied der Generalsynode der VELKDDR (Mecklenburg), 1979–1981 Vertreter der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen BLAUERT, Heinz (geb. 1920) 278 1960–1969 Direktor des Burckhardthauses in Berlin-Ost, 1970–1985 Direktor des Ökumenisch-missionarischen Zentrums in Berlin-Ost und der Berliner Missionsgesellschaft, 1970–1989 Chefredakteur der Ev. Monatsschrift „Die Zeichen der Zeit“ BORGMANN, Lutz (geb. 1933) 427 1961–1969 Redakteur der Wochenzeitung „Potsdamer Kirche“, 1969–1984 Pressereferent des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, 1984–1998 Chefredakteur der „Potsdamer Kirche“

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BRAECKLEIN, Ingo (1906–2001) 170 ab 1959 Oberkirchenrat, 1970–1978 Landesbischof der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, Präses der 1. Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR BRÜCK, Ulrich von (1914–1999) 220, 231 f., 241–243, 277, 280 ab 1965 Oberkirchenrat, 1968–1980 Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens BRUNOTTE, Heinz (1896–1984) 16 f. 1949–1965 Leiter der Kirchenkanzlei der EKD, bis 1963 zugleich Präsident des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD BÜRGEL, Rainer (geb. 1934) 95 ab 1965 Referent im Konsistorium der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (WestRegion), ab 1970 Oberkirchenrat in der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich BRD und Berlin-West) BURKHARDT, Karl (1910–1997) 78 1958–1975 Regierungspräsident in Ansbach, 1959–1984 Präsident der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, Mitglied der Synode der EKD CAMPENHAUSEN, Axel von (geb. 1934) 59, 95, 111 1969–1979 ordentlicher Professor für öffentliches Recht, Kirchenrecht sowie Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität München, seit 1970 Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD, 1976–1979 Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst CIESLAK, Johannes (1914–2003) 189, 304 Ofensetzmeister, 1967–1983 Präsident der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Mitglied der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, 1979–1981 Vertreter des Bundes der Ev. Kirchen in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen CLASS, Helmut (1913–1998) 58, 80 f., 259 1969–1979 Bischof der Ev. Landeskirche in Württemberg, 1973–1979 Vorsitzender des Rates der EKD DANIELSMEYER, Werner (1910–1985) 40, 44 49, 52–55, 57, 61, 73, 78, 95 f., 110 f., 114, 128 f. ab 1965 Oberkirchenrat und hauptamtliches Mitglied der Ev. Kirche von Westfalen, 1973–1977 theologischer Vizepräsident im Landeskirchenamt, stellvertretender Vorsitzender des Struktur- und Verfassungsausschusses der 4. Synode der EKD DEMKE, Christoph (geb. 1935) 143, 165–167, 194, 196, 198–200, 203, 247, 251, 258, 278, 316, 323, 326, 329 f., 333, 338, 358, 360 f., 374, 387, 415 f., 418, 430 1974–1977 Dozent für Neues Testament am Sprachenkonvikt Berlin-Ost, ab 1977 stellvertretender Leiter, 1981–1983 Leiter des Sekretariats des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, 1975–1981 Sekretär der Theologischen Kommission des Bundes der Ev. Kirchen, Geschäftsführer der Eisenacher Delegiertenkonferenz und der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, Schriftführer in der Untergruppe IV der Gemeinsamen

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Vorbereitungsgruppe, 1983–1997 Bischof der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, 1990–1991 Vorsitzender der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR DEMKE, Dorothea 279 Oberin des Sophienstifts in Weimar bzw. des Paul-Gerhardt-Stiftes in Wittenberg, 1977–1985 Mitglied der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR DIETZFELBINGER, Hermann (1908–1984) 35, 50, 127, 133 1955–1975 Landesbischof der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, 1967–1973 Ratsvorsitzender der EKD DOLLINGER, Werner (geb. 1918) 59 1953–1990 Mitglied des Deutschen Bundestages, mehrfach Bundesminister, ab 1965 Mitglied der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, ab 1970 Mitglied der EKD-Synode, ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD DOMKE, Helmut (geb. 1943) 278, 280 1966–1990 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1978–1990 Mitglied der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR und synodales Mitglied der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen DOMSCH, Kurt (1928–1999) 186, 189 f., 196, 210, 214, 233, 252 f., 279, 304, 313, 377, 413 f., 430 Bauingenieur, 1970–1979 Präsident der Generalsynode der VELKDDR, 1975–1989 Präsident des Landeskirchenamtes der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1979–1981 Vertreter des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen DUDEY, Irmgard (1922–1998) 196–198, 240 ab 1970 Provinzialpastorin für kooperative Praxisberatung der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, ab 1978 Oberkonsistorialrätin, 1976–1980 Mitglied im Präsidium des EKU-Synode (Bereich DDR) ECHTE, Adolf (geb. 1923) 146 Chemiker, seit 1970 Mitglied der Synode der EKD (Pfalz), 1984–1985 Mitglied des Rates der EKD ESSELBACH, Leopold (geb. 1931) 259 ab 1970 Superintendent der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region) in Neuruppin, 1983–1996 Generalsuperintendent des Sprengels Eberswalde FENGLER, Gisela 211 f. ab 1966 Direktorin des Burckhardthauses in der DDR, Mitglied im Präsidium der EKU-Synode (Bereich DDR) FISCHER, Martin (1911–1982) 40, 43 f., 57 f., 62–64, 77 f., 95 f., 128 1967–1979 Mitglied der Kirchenleitung der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (West-Region), 1970–1976 Präsident der EKU-Kirchenkanzlei (Bereich BRD und Berlin-West), als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD FLURSCHÜTZ, Emil (1904–1995) 45 ab 1955 Kirchenrat, 1961–1974 Oberkirchenrat und Kreisdekan des Kirchen-

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kreises Bayreuth der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD FORCK, Gottfried (1923–1996) 196, 198, 210 f., 239, 250, 258 f., 278, 358, 455 ab 1973 Generalsuperintendent des Sprengel Cottbus, 1981–1991 Bischof der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region), 1984–1987 Vorsitzender des Rates der EKU (Bereich DDR) FRANK, Johannes (1929–1983) 57 f., 95, 100, 108, 110, 128 ab 1963 Justitiar im Lutherischen Kirchenamt der VELKD, 1970–1983 Präsident des Landeskirchenamtes der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers, als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD FRÄNKEL, Hans-Joachim (1909–1996) 158, 186, 259, 304, 313 1964–1979 Bischof der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes, 1969–1973 Vorsitzender des Rates der EKU (ab 1972 nur für den Bereich DDR), 1979 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen FRICKE, Gustav 36 Oberlandesgerichtsvizepräsident, stellvertretendes Mitglied der 4. und bis 1977 der 5. Synode der EKD (Braunschweig) FRITZ, Reinhold (geb. 1930) 168, 192 ab 1973 Superintendent in Karl-Marx-Stadt, 1978–1995 Oberkirchenrat bzw. Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Mitglied der Synode des Bundes des Ev. Kirchen in der DDR FUHRMANN, Ehrenfried (geb. 1931) 189 ab 1976 Rektor des Seminars für den kirchlichen Dienst der Ev. Landeskirche Greifswald, Landesjugendwart, stellvertretender Vorsitzender der Kommission für kirchliche Jugendarbeit des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, Mitglied des Präsidiums der Synode des Bundes der Ev. Kirchen FURIAN, Hans-Otto (geb. 1931) 435 ab 1970 Superintendent des Kirchenkreises Zossen, 1988–1996 Propst der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region) GIENKE, Horst (geb. 1930) 254, 298, 304, 313, 315 1972–1989 Bischof der Ev. Landeskirche Greifswald, 1973–1976 und 1987–1989 Vorsitzender des Rates EKU (Bereich DDR), Mitglied und 1982–1986 stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, 1979–1981 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen GOPPELT, Leonhard (1911–1973) 52, 79 ab 1967 Professor für Neues Testament in München, vom Rat berufenes Mitglied der 4. Synode der EKD GREIFENSTEIN, Hermann (1912–1988) 57 f., 77 1962–1980 Oberkirchenrat im Landeskirchenrat der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, Mitglied der Generalsynode der VELKD und der EKD-Synode GROSCH, Annemarie (geb. 1914) 57 Pastorin, Vorsitzende des Konvents Ev. Theologinnen, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD (Schleswig-Holstein)

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GROSSE, Ludwig (geb. 1933) 169, 281 f. 1970–1988 Superintendent der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen in Saalfeld, Mitglied der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR GRÜBER, Ernst-Hartmut (1924–1997) 304, 316 ref. Pfarrer in Hohenbruch (Brandenburg), 1973–1984 Moderator des reformierten Moderamens Berlin-Brandenburg, 1979–1980 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen GYSI, Klaus (1912–1999) 364–367, 369, 448–450 1979–1988 Staatssekretär für Kirchenfragen beim Ministerrat der DDR HAMMER, Walter (1924–2000) 24, 72, 80, 102, 105, 140, 143, 260, 310, 323, 325, 338, 415, 417 1966–1989 Präsident der Kirchenkanzlei/des Kirchenamtes der EKD in Hannover HANFF, Günter (geb. 1911) 210 Ingenieur, Mitglied der Synode der Ev. Landeskirche Anhalts, 1973–1985 Mitglied der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR HARDER, Hans-Martin (geb. 1942) 186, 212–214, 227–230, 232, 236, 239 f., 304, 389, 430, 435 ab 1967 juristischer Referent im Konsistorium der Ev. Landeskirche Greifswald (Oberkonsistorialrat), ab 1985 dessen Leiter, 1979–1981 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen HARLING, Otto von (1909–1993) 70 1946–1974 Referent in der EKD-Kirchenkanzlei (ab 1960 als Oberkirchenrat) HARMS, Hans-Heinrich (geb. 1914) 59 1967–1985 Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, 1973–1985 Mitglied des Rates der EKD, ab 1971 als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD HEESEMANN, Dieter 78 Soziologe, Jugenddelegierter 1971 auf der EKD-Synode in Frankfurt am Main und 1973 auf der EKD-Synode in Bremen HEIDLER, Fritz (1908–1988) 186 1956 Oberkirchenrat im Lutherischen Kirchenamt der VELKD (Berlin), 1968–1975 Leiter des Lutherischen Kirchenamtes der VELKDDR HEINRICH, Günter (geb. 1937) 430 Textilingenieur, Vizepräsident der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1979–1988 Präsident der Generalsynode der VELKDDR HEINTZE, Gerhard (geb. 1912) 28, 81 1965–1982 Landesbischof der Ev.-Luth. Landeskirche in Braunschweig HEMPEL, Johannes (geb. 1929) 168, 185, 187, 224, 226 f., 233, 236 f., 245 f., 304, 313, 316, 320, 430 1972–1994 Bischof der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1982–1986 Vorsitzender der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, 1979–1981 Vertreter der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen

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HENNIG, Kurt (1910–1992) 147 1966–1977 Dekan der Ev. Landeskirche in Württemberg in Esslingen, 1971–1983 Mitglied der württembergischen Landessynode und Vorstandsmitglied des Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“, 1973–1991 Mitglied der EKD-Synode HERRMANN, Oskar (geb. 1920) 79, 82 Pfarrer der Ev. Landeskirche in Baden, ab 1970 Prof. an der Ev. Fachhochschule in Freiburg, 1978–1985 Prälat für den Kirchenkreises Mittelbaden in Ettlingen, stellvertretendes Mitglied der 4.–6. Synode der EKD HERTZSCH, Klaus-Peter (geb. 1930) 234 f., 282 ab 1969 Dozent, 1974–1995 Professor für Praktische Theologie an der Universität Jena HEYL, Cornelius Adalbert von (geb. 1933) 56, 58 f., 69, 124, 126 f., 134 f., 144 seit 1970 Mitglied der EKD-Synode, 1973–1985 Präses der EKD-Synode und Mitglied des Rates der EKD, ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD HICKEL, Helmut (1914–1993) 312, 315 1970–1981 Direktor der Ev. Brüder-Unität in Herrnhut (DDR) HILD, Helmut (1921–1999) 45 1969–1985 Kirchenpräsident der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, 1973–1985 stellvertretender Vorsitzender des Rates der EKD, als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD HILDEBRANDT, Franz-Reinhold (1906–1991) 186 1952–1972 Präsident der Kirchenkanzlei der EKU HOFMANN, Werner (geb. 1931) 40, 43–45, 49, 54–58, 61, 67 f., 77, 81, 95, 126, 128, 141 ab 1965 Oberkirchenrat, 1972–1996 Leiter des Landeskirchenamtes der Ev.Luth. Kirche in Bayern, seit 1967 Mitglied der EKD-Synode, 1973–1997 Mitglied des Rates der EKD, stellvertretender Vorsitzender des Struktur- und Verfassungsausschusses der 4. Synode der EKD HONECKER, Erich (1912–1994) 353 1971–1989 1. Sekretär bzw. Generalsekretär der SED, ab 1976 auch Vorsitzender des Staatsrates der DDR HÖPPNER, Reinhard (geb. 1948) 402 Mathematiker, 1980–1990 Präses der Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen HÜBNER, Dietlinde (1933–1973) 59 Theologin, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD (Baden), 1973–1979 Mitglied im Präsidium, ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD HÜBNER, Friedrich (1911–1991) 41 1964–1981 Bischof der Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins bzw. des Sprengels Holstein-Lübeck der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD

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HÜTTNER, Eberhard (geb. 1924) 305, 352–358, 362, 366, 448 um 1967–1976 Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, zuletzt deren stellvertretender Leiter JÄGER, Gustav 27 Oberstudiendirektor, Mitglied der 4. Synode der EKD (Württemberg) JUNG, Hans-Gernot (1930–1991) 51, 109, 113 f. 1965–1974 Direktor der Ev. Akademie Hofgeismar, seit 1972 Mitglied der EKD-Synode, 1974–1978 Oberlandeskirchenrat der Ev. Kirche von KurhessenWaldeck, 1978–1991 Bischof der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck KAHL, Hanna (geb. 1925) 280, 282 Gemeindehelferin (verantwortlich für die Arbeit auf dem Lande), 1976–1985 Sekretär für die Kongress- und Kirchentagsarbeit der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens KAPPE, Wolfgang (1920–1996) 147 1950–1985 Richter in Göttingen und Celle, 1970–1991 Mitglied der EKD-Synode (Hannover), ab 1974 Vorsitzender des Rechtsausschusses der EKD-Synode KAULITZ, Jürgen (geb. 1922) 59, 62–64 ab 1958 Landeskirchenrat, 1963–1987 Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt der Ev.-Luth. Landeskirche in Braunschweig, ab 1971 als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD KELER, Hans von (geb. 1925) 57, 67, 81, 91, 95, 284, 361 1951–1976 Pfarrer der Ev. Landeskirche in Württemberg in Stuttgart, Wildenstein/Crailsheim und Neuenstein/Öhringen, 1976–1979 Prälat in Ulm, 1979–1987 Landesbischof der Ev. Landeskirche in Württemberg, 1979–1991 Mitglied des Rates der EKD, Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD KIND, Friedrich (geb. 1928) 38 1952–1990 Vorsitzender des Bezirksverbandes Potsdam der DDR-CDU, 1960–1990 Mitglied des Staatsrates der DDR, 1960–1977 Mitglied des Präsidiums des Hauptvorstandes der DDR-CDU KINTZEL, Hans-Rüdiger 194 Kirchenamtmann in der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR) KISSEL, Otto Rudolf (geb. 1929) 27–29, 32, 35, 59, 81 Oberlandesgerichtspräsident, ab 1969 Präses des Synode der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD, 1970/71 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD KÖHNLEIN, Ernst (1904–1998) 59 1968–1972 Prälat der Ev. Landeskirche in Baden für den Kirchenkreis Mittelbaden, Mitglied der 4. Synode der EKD, 1967–1971 Mitglied im Präsidium der EKD-Synode, 1970/71 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD KRAMER, Martin (geb. 1933) 279, 304, 315, 394, 435, 445 ab 1963 Pfarrer der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg, 1979–1989 Konsistorialpräsident der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen,

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Mitglied der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, 1969–1977 Mitglied des Vorstandes der Konferenz, 1979–1981 Vertreter des Bundes der Ev. Kirchen in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen KRASKE, Peter (geb. 1923) 287, 310, 312, 323 f., 329–332, 415 f. 1978–1988 Präsident der EKU-Kirchenkanzlei (Bereich BRD und Berlin-West), 1979–1981 „mitarbeitender Gast“ in der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen KRECK, Walter (1908–2002) 113 Professor für Systematische Theologie in Bonn, vom Rat berufenes Mitglied der 4. Synode der EKD KRUSCHE, Werner (geb. 1917) 20, 185–187, 201, 214, 237, 242 f., 245 f., 304, 309, 319, 377, 402, 413, 430 1968–1983 Bischof der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, 1976–1979 Vorsitzender des Rates der EKU (Bereich DDR), 1979–1981 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, 1981–1982 Vorsitzender der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR KRUSE, Martin (geb. 1929) 145, 259, 287 1977–1994 Bischof der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (bis 1991 nur für die West-Region), 1978–1981 Vorsitzender des Rates der EKU (Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West), seit 1979 Mitglied des Rates der EKD, Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, 1985–1991 Vorsitzender des Rates der EKD KÜNTSCHER, Barbara (geb. 1933) 189 1956–1998 Juristin (Oberkirchenrätin) in der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR), darüber hinaus 1958–1969 Mitarbeit in der Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR und 1969–1991 im Sekretariat des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, Geschäftsführerin des Rechtsausschusses der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen KUPAS, Willi (1915–1983) 189 1970–1980 Konsistorialpräsident der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (OstRegion), 1975–1978 stellvertretender Vorsitzender des Rates der EKU (Bereich DDR) KÜTTLER, Thomas (geb. 1937) 262, 278, 280–282, 284 Pfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, ab 1974 Studieninspektor am Predigerkolleg in Leipzig, ab 1979 Superintendent in Plauen LAHR, Horst (geb. 1913) 168 f. 1963–1978 Generalsuperintendent der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (OstRegion) für den Sprengel Potsdam LANGHOFF, Heinz (geb. 1916) 221 f., 227 1954–1981 Pfarrer der ev.-ref. Gemeinde in Brandenburg/Havel, 1956–1973 Moderator des reformierten Moderamens Berlin-Brandenburg LEICH, Werner (geb. 1927) 254, 304, 405, 408, 430 ab 1968 Superintendent in Lobenstein, 1978–1992 Landesbischof der Ev.-Luth.

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Kirche in Thüringen, 1986–1990 Vorsitzender der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, 1979–1981 Vertreter der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, 1986–1990 Vorsitzender der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR LINGNER, Olav (Olaf) (1924–1993) 12, 14, 19, 30, 39–43, 45, 61, 69, 71, 95 f., 116 f., 120 f., 137, 167, 171, 310, 323, 325, 329–340, 412, 414–418 1965–1970 Oberkonsistorialrat in der Kirchenkanzlei der EKU, 1970–1986 Leiter der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei der EKD, 1970–1974 Geschäftsführer des Struktur- und Verfassungsausschusses der 4. EKD-Synode, 1970–1985 Geschäftsführer (West) der „Beratergruppe“, 1979–1981 als Vertreter von Präsident Hammer „mitarbeitender Gast“ in der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe LOHFF, Wenzel (geb. 1925) 22, 109 ab 1963 Prof. für Systematische Theologie in Hamburg, ab 1972 in Göttingen, Vorsitzender des Theologischen Ausschusses der VELKD, 1971–1979 Mitglied des Rates der EKD LÖWE, Hartmut (geb. 1935) 19 1972–1980 Oberlandeskirchenrat der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, 1980–1992 Vizepräsident und Präsident im Kirchenamt der EKD LUBKOLL, Klaus (1928–1992) 59 ab 1969 Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft der Ev. Jugend Deutschlands, ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD, ab 1972 Direktor der Ev. Akademie Bad Boll, 1978–1986 Dekan in Böblingen (Württemberg) MARTENS, Wolfgang (geb. 1932) 287, 295, 297–299 ab 1963 Landeskirchenrat, 1975–1996 juristischer Vizepräsident im Landeskirchenamt der Ev. Kirche von Westfalen, Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen METZGER, Ludwig (1902–1993) 59, 82, 108 f. Hessischer Minister für Erziehung und Volksbildung (a. D.), Mitglied der 4. Synode der EKD (Hessen und Nassau), ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD MEYER, Heinrich (1904–1978) 77 1956–1972 Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Lübeck MITZENHEIM, Hartmut (1921–2000) 221 f., 232, 304, 390 1973–1987 Oberkirchenrat im Landeskirchenamt der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, 1979–1981 Vertreter der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen MÜLLER, Hanfried (geb. 1925) 349 f. ab 1959 Dozent, 1964–1990 außerordentlicher bzw. ordentlicher Professor für Systematische Theologie an der Humboldt-Universität Berlin-Ost, Vertreter der Theologischen Fakultät in der Synode der EKU (Regionalbereich Ost bzw. DDR) MÜLLER, Hans Martin (geb. 1928) 77–79 ab 1969 Rektor des Studienseminars in Göttingen, 1972–1979 Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt der Ev.-Luth. Kirche Hannovers

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MÜLLER, Peter (geb. 1939) 249, 284, 304, 430 Jurist, ab 1977 Präsident des Oberkirchenrates der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs in Schwerin, Mitglied der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen und der Kirchenleitung der VELKDDR, 1979–1981 Vertreter der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen NATHO, Eberhard (geb. 1932) 185, 258, 287, 298 f., 304, 307, 309, 312 f., 374, 413, 430, 433 1970–1994 Kirchenpräsident der Ev. Landeskirche Anhalts, 1979–1982 Vorsitzender des Rates der EKU (Bereich DDR), 1979–1981 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen NIEMEIER, Gottfried (1906–1984) 83 1965–1973 Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei NIESEL, Wilhelm (1903–1988) 39 1945–1973 Mitglied des Rates der EKD, 1946–1973 Moderator des Reformierten Bundes, als Vertreter des Rates Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD OPITZ, Bernhard 169 Arzt, ab 1978 Leiter des Paul-Gerhardt-Stifts in Wittenberg, 1969–1979 Mitglied der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, 1969–1973 und 1977–1979 Mitglied der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen ORTMANN, Karl Reinhard 59 Rechtsanwalt, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD (Westfalen), 1970/71 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD PAREIGIS, Walter (1909–1996) 79 1963–1979 Propst der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche für die Propstei Süderdithmarschen, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD PETERSEN, Alfred (geb. 1909) 81 1967–1977 Bischof der Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins, 1970–1979 Mitglied des Rates der EKD PETTELKAU, Ingemar (geb. 1939) 304 ab 1967 juristisches Mitglied (Oberkonsistorialrat) im Konsistorium der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region), 1979–1981 Vertreter des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen PETZOLD, Ernst (geb. 1930) 312 1976–1990 Direktor des Diakonischen Werkes der DDR PONTO, Erwin 59 Mitglied der 4. Synode der EKD (Berlin-Brandenburg), ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD

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RADATZ, Werner (geb. 1932) 137, 140, 143 1975–1987 Pfarrer der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (West-Region) in Berlin-Moabit und Superintendent des Kirchenkreises Berlin-Tiergarten-Friedrichswerder, seit 1973 Mitglied der EKD-Synode, 1988–1991 Präsident der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich BRD und Berlin-West) RADKE, Ursula (geb. 1933) 189 1970–1978 Dozentin am Burckhardthaus in Berlin (DDR), 1979–1985 Sekretär der Kommission für Zeugnis und Gestalt der Gemeinde beim Bund der Ev. Kirchen in der DDR RAISER, Ludwig (1904–1980) 39–41, 48 f., 71–76, 80–82, 105–108, 111, 114, 116, 118, 120, 123, 125, 127 Professor für bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Handelsrecht in Straßburg, Göttingen und Tübingen, ab 1949 Mitglied, 1970–1973 Präses der EKD Synode, Vorsitzender des Struktur- und Verfassungsausschusses der 4. Synode der EKD RANKE, Hansjürg (1904–1987) 40 1960–1971 Präsident des Konsistoriums der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (West-Region) RATHKE, Heinrich (geb. 1928) 189, 276, 304, 312, 323, 325, 327, 337, 418 1970–1983 Landesbischof der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, 1977–1981 Leitender Bischof der VELKDDR, 1979–1981 Vertreter der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen (Untergruppe IV) RICHTER, Johannes (geb. 1934) 233 f. ab 1970 Pfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens in Dresden, ab 1976 Superintendent in Leipzig RIEGER, Julius (1901–1984) 28 Superintendent in Berlin-West, 1963–1972 Mitglied der Kirchenleitung der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (West-Region), Mitglied der 4. Synode der EKD ROGGE, Joachim (1929–2000) 182, 187, 195, 253, 287, 304, 306 f., 309, 312, 318, 323 f., 327, 329, 331, 333, 339, 414–416, 418–420, 430 f. 1977–1986 Präsident der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR), 1979–1981 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen (Untergruppe IV), Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, 1986–1994 Bischof der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes bzw. der Ev. Kirche der schlesischen Oberlausitz RUDLOFF, Marieluise 279 Lehrerin, 1977–1981 stellv. Mitglied der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, Mitglied Kirchenleitung der Ev. Landeskirche Greifswald SALZMANN, Werner (geb. 1931) 287 1971–1976 Landeskirchenrat im Landeskirchenamt der Ev. Kirche im Rheinland, 1976–1981 Oberkirchenrat und Mitglied der rheinischen Kirchenleitung, Mitglied des Rates der EKU (Bereich BRD und Berlin-West), Mitglied der EKUinternen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, 1981–1991 Direktor der Graf-Recke-Stiftung Düsselthal

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SCHARF, Kurt (1902–1990) 31 f., 39, 72 1966–1976 Bischof der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (ab 1972 nur noch West-Region), 1961–1967 Vorsitzender des Rates der EKD, bis 1979 Mitglied des Rates der EKD SCHARFFENORTH, Gerta (geb. 1912) 39 1962–1966 Leiterin des Ev. Gemeindedienstes in Heidelberg, ab 1966 wissenschaftliche Referentin bei der Ev. Studiengemeinschaft in Heidelberg, 1970–1973 Mitglied des Rates der EKD, als Vertreter des Rates Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD SCHEUNER, Ulrich (1903–1981) 25 1950–1972 Professor für ev. Kirchenrecht an der Universität Bonn SCHLAICH, Klaus (geb. 1937) 141, 147 ab 1972 Professor für öffentliches Recht und Kirchenrecht in Bonn, vom Rat berufenes Mitglied der 6. Synode der EKD SCHMALE, Karlheinz (geb. 1933) 310, 323, 325, 327, 330–333, 338, 415, 421 1977–1996 Referent im Lutherischen Kirchenamt der VELKD und Leiter dessen Berliner Stelle, 1979–1981 „mitarbeitender Gast“ in der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe SCHOLDER, Klaus (1930–1985) 59, 62–64, 66, 76, 78, 103, 108–110, 114, 123, 125 f. 1968–1985 Professor für Neuere Kirchengeschichte und Kirchenordnung an der Universität Tübingen, ab 1971 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD SCHÖNHERR, Albrecht (geb. 1911) 19, 71 f., 152, 161 f., 187, 192, 219–221, 225, 228, 231 f., 237, 242, 245 f., 297–299, 304, 306–310, 312–314, 318, 343, 349, 363, 377, 389, 447, 452, 454 f. 1967–1972 Verwalter des Bischofsamtes der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg für die Ost-Region, 1972–1981 Bischof der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region), 1969–1981 Vorsitzender der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, 1979–1981 Vertreter des Bundes der Ev. Kirchen in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen SCHRÖDER, Otto (1921–1994) 189–191, 304, 323, 325, 330 1966–1980 Landessuperintendent der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs in Parchim, 1973–1977 Präses der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, Vertreter des Bundes der Ev. Kirchen in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen (Untergruppe IV) SCHRÖTER, Ulrich (geb. 1939) 348 1969–1983 Dozent für Altes Testament und Hebräisch am Katechetischen Oberseminar in Naumburg, 1983–1991 Ausbildungsdezernent (Oberkonsistorialrat) im Konsistorium der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region) SCHULTHEISS, Christina (geb. 1918) 304 Straßenbaumeisterin, ab 1965 Mitglied der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, 1978–1990 Synodalpräsidentin, Mitglied der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, 1977–1985 Mitglied des Vorstandes der Konferenz, 1979–1981 Vertreterin des Bundes der Ev. Kirchen in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen

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SCHULTZE, Harald (geb. 1934) 185, 221, 237, 239 1967–1973 Dozent für Systematische Theologie am Katechetischen Oberseminar in Naumburg, 1973–1986 (Ober-)Konsistorialrat im Konsistorium der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Mitglied des Rates der EKU (Bereich DDR) SCHULZE, Rudolf (geb. 1930) 287, 291–295, 324–326, 346 1970–1978 Superintendent der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen in Halle/Saale, 1978–1990 theologischer Referent (Oberkirchenrat) in der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR) sowie 1983–1985 Sekretär der Theologischen Kommission des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR und 1985–1990 Leiter der Theologischen Studienabteilung beim Bund der Ev. Kirchen, Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen SEIGEWASSER, Hans (1905–1979) 174 f., 307, 356 f. 1960–1979 Staatssekretär für Kirchenfragen beim Ministerrat der DDR SEITTER, Oswald (geb. 1936) 79 Rechtsanwalt, ab 1966 Mitglied, ab 1984 Präsident der Landessynode der Ev. Landeskirche in Württemberg, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD SELLKE, Siegfried (geb. 1933) 57, 123 Richter, seit 1965 Mitglied der Landessynode der Ev. Kirche von KurhessenWaldeck, Mitglied der 4.–7. Synode der EKD SIEGERT, Sibrand (geb. 1925) 224, 228, 252 1971–1988 Oberkirchenrat der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs in Schwerin SIMON, Helmut (geb. 1922) 78, 96, 109 f. 1970–1987 Richter am Bundesverfassungsgericht, Mitglied der EKD-Synode (Baden) sowie im Präsidium des Deutschen Ev. Kirchentages SOHN, Karl-Heinz (geb. 1928) 27, 59 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Sozialakademie in Dortmund, Staatssekretär, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD (Rheinland), 1970/71 Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD SPRONDEL, Gottfried (geb. 1930) 147 ab 1972 Mitglied des Kirchenausschusses der Bremischen Ev. Kirche, ab 1976 Superintendent in Hannover, 1982–1995 Landessuperintendent in der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers, Mitglied der 6. und 7. Synode der EKD STOLPE, Manfred (geb. 1936) 72, 189 f., 206, 225, 227, 236, 247, 253, 282, 304–308, 313, 319 f., 352, 357 f., 377, 380, 389 f., 414, 425, 430, 447, 452 f., 454 Oberkonsistorialrat der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region), 1969–1981 Leiter des Sekretariates des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, 1979–1981 Vertreter des Bundes der Ev. Kirchen in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen, 1982–1990 Präsident des Konsistoriums der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region) STOLZ, Winfried (geb. 1932) 64 ab 1970 Vizepräsident, ab 1975 Präsident des Landeskirchenrates der Ev.-ref. Kirche in Nordwestdeutschland SUIN DE BOUTEMARD, Bernhard (geb. 1930) 109, 126 1969–1975 Assistent an der Universität Osnabrück, ab 1975 Professor für So-

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ziologie und Religionspädagogik an der Ev. Fachhochschule Darmstadt, Mitglied der 4. und 5. Synode der EKD (Hannover) TANNERT, Werner (1923–1978) 168 f. ab 1964 Pfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens in Dresden, ab 1966 Studiendirektor im Predigerseminar Lückendorf, ab 1969 Oberkirchenrat, 1977–1978 Oberlandeskirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens THIMME, Hans (geb. 1909) 78 1968–1977 Präses der Ev. Kirche von Westfalen, 1973–1979 Mitglied des Rates der EKD, 1972–1976 Vorsitzender des Rates der EKU (Bereich BRD und Westberlin) THOMAS, Gerhard (geb. 1934) 195–197 ab 1977 Chefredakteur der Mecklenburgischen Kirchenzeitung, ab 1986 Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Kirche“ in Berlin-Ost VERNER, Paul (1911–1986) 305, 307, 364, 366–369 1963–1984 Mitglied des Politbüros beim ZK der SED VISCHER, Lukas (geb. 1926) 51 f. 1966–1979 Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung beim Ökumenischen Rat der Kirchen VOCKE, Wilhelm 113 Ministerialrat, Mitglied der 4. EKD-Synode (Bayern) VOGEL, Heinrich (1902–1989) 28 1946–1972 Professor für Systematische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Berlin-West, gleichzeitig (bis 1973) an der Humboldt-Universität in Berlin-Ost und am Sprachenkonvikt Berlin-Ost (1960–1973) VÖLZ, Eberhard (geb. 1936) 222–224, 227, 236, 239, 287, 290, 295, 297–299, 304, 312, 318, 321, 374, 430 ab 1963 Referent, 1972–1995 jur. Oberkonsistorialrat im Konsistorium der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes, 1979–1981 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe und Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen WACHSMANN, Gerhard (1912–1980) 29, 36, 39 Landesbankdirektor, seit 1955 Mitglied der EKD-Synode (Oldenburg), 1961–1980 Mitglied im Präsidium der EKD-Synode, als Vertreter des Präsidiums Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD WAGNER, Heinz (1912–1994) 218, 220 f., 241 ab 1959 Dozent für Praktische Theologie an der Universität Leipzig, 1961–1978 ordentlicher Professor mit Lehrauftrag in Halle, ab 1972 Mitglied der Kirchenleitung der VELKDDR WAHRMANN, Siegfried (1918–1996) 189, 210, 238, 253 Kaufmann, 1970–1987 Präses der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, 1977–1985 Präses der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR

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WAITZ, Helmut (1910–1993) 304, 313, 323, 327, 331, 337, 412, 414–416, 418– 420, 430 Rechtsanwalt, ab 1964 Präses der Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, 1970–1976 Präses der Synode der EKU (Bereich DDR), 1979 stellvertretender Vorsitzender des Rates der EKU, 1979–1981 Vertreter der EKU in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen WEEBER, Rudolf (1906–1988) 35, 39, 111 1949–1973 Direktor im Ev. Oberkirchenrat Ev. Landeskirche in Württemberg (Vizepräsident) und juristischer Stellvertreter des Landesbischofs, 1967–1973 Mitglied des Rates der EKD, als Vertreter des Rates Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD WEISE, Hans (geb. 1912) 359, 368 1957–1982 Hauptabteilungsleiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen beim Ministerrat der DDR WEIZSÄCKER, Richard von (geb. 1920) 27 f. Jurist, 1964–1970 und 1979–1981 Präsident des Deutschen Ev. Kirchentages, 1970–1984 Mitglied des Rates der EKD WENDT, Günther (1919–2004) 95 1953–1984 jur. Referent im Oberkirchenrat der Ev. Landeskirche in Baden, als Vertreter der Kirchenkonferenz Mitglied im Struktur- und Verfassungsausschuss der 4. Synode der EKD WIEBERING, Joachim (geb. 1934) 215 f. ab 1971 Dozent für Systematische Theologie am Theologischen Seminar in Leipzig, 1987–1998 Landessuperintendent der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs in Rostock WILKE, Hans (geb. 1932) 307, 360 f., 362 f., 366, 448–450, 452 f., 455 1957–1990 Hauptreferent in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen beim Ministerrat der DDR, später Leiter der Abteilung „Evangelische Kirchen“ WILKENS, Erwin (1914–2000) 95, 130–132, 261 ab 1964 Oberkirchenrat in der Kirchenkanzlei der EKD in Hannover, 1974–1980 Vizepräsident WINKEL, Burghard (geb. 1946) 176, 178, 189 1974–1985 Referent bzw. Kirchenrat im Lutherischen Kirchenamt der VELKDDR, ab 1977 gleichzeitig Mitarbeit im Sekretariat des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR WINTER, Friedrich (geb. 1927) 287, 290 f., 294 f., 346, 430, 432 1973–1986 Propst der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost-Region), 1986–1991 Präsident der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR), Mitglied der EKU-internen Arbeitsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen WÖLBER, Hans-Otto (1913–1989) 36, 76–78, 81, 113 f., ab 1964 Bischof der Ev.-Luth. Kirche Hamburgs, 1977–1983 Bischof der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, 1969–1975 Leitender Bischof der VELKD WOLLSTADT, Hanns-Joachim (1929–1991) 254, 298 1965–1979 Leiter des Brüder- und Pflegehauses Martinshof in Rothenburg/OL,

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1979–1985 Bischof der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes, 1982–1984 Vorsitzender des Rates der EKU (Bereich DDR) WURM, Theophil (1868–1953) 11, 13, 80 1933–1948 Landesbischof der Ev. Landeskirche in Württemberg, 1945–1949 Vorsitzender des Rates der EKD ZEDDIES, Helmut (geb. 1935) 156, 161, 177 f., 182, 186 f., 195, 197–199, 220, 236, 245 f., 253, 260, 276, 304, 306–308, 313, 316, 377, 380–382, 408, 413, 430 ab 1965 Theologischer Referent im Lutherischen Kirchenamt Berlin-Ost, 1975–1989 Leiter des Lutherischen Kirchenamtes der VELKDDR und Geschäftsführer des Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes in der DDR, 1979–1981 Vertreter der VELKDDR in der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe zur Weiterarbeit an den Eisenacher Empfehlungen

Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Reihe A: Quellen

Reihe B: Darstellungen

Bde. 1 u. 4: Verantwortung für die Kirche I Stenographische Aufzeichnungen und Mitschriften von Landesbischof Hans Meiser 1933-1955. Bearb. von Hannelore Braun und Carsten Nicolaisen. Band I: Sommer 1933 bis Sommer 1935. 1985. XLIV, 590 Seiten mit 1 Porträt, geb. ISBN 3-525-55751-5 Band II: Herbst 1935 bis Frühjahr 1937. 1993. XXXII, 723 Seiten, 15 Abb., geb. ISBN 3-525-55755-8

32 Peter Beier Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt Die Kirchentagskongressarbeit in Sachsen im Kontext der SED-Kirchenpolitik (1968-1975). 1999. XII, 514 Seiten mit Tabellen und Graphiken, geb. ISBN 3-525-55732-9

2 Erich Dinkler / Erika Dinkler-von Schubert (Hg.) Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens Briefe und Dokumente aus der Zeit des Kirchenkampfes 1933-1945. Bearbeitet von Michael Wolter. 2., durchgesehene Auflage 1986. 403 Seiten, 1 Frontispiz, kart. ISBN 3-525-55752-3 3 Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945. Bearbeitet von Clemens Vollnhals. 1988. XLV, 392 Seiten, geb. ISBN 3-525-55753-1 Bde. 5 u. 6: Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Band 1: 1945 /1946. Mit einer Einleitung von Wolf-Dieter Hauschild. 1995. XLVIII, 971 Seiten, geb. ISBN 3-525-55756-6 Band 2: 1947/1948. 1997. XXVIII, 851 Seiten, geb. ISBN 3-525-55754-X 7 Matthias Weindel Leben und Lernen hinter Stacheldraht Die Evangelischen Lagergemeinden und Theologischen Schulen in England, Italien und Ägypten. Eine Dokumentation. Mit einem Vorwort von Gerhard Schäfer. 2001. 462 Seiten, geb. ISBN 3-525-55757-4

33 Anke Silomon „Schwerter zu Pflugscharen“ und die DDR Die Friedensarbeit der evangelischen Kirchen in der DDR im Rahmen der Friedensdekaden 1980-1982. 1999. XI, 398 Seiten mit 3 Abbildungen, geb. ISBN 3-525-55733-7 34 Vicco von Bülow Otto Weber (1902-1966) Reformierter Theologe und Kirchenpolitiker. 1999. 503 Seiten mit 3 Abbildungen, geb. ISBN 3-525-55734-5 35 Gury Schneider-Ludorff Magdalene von Tiling Ordnungstheologie und Geschlechterbeziehungen. Ein Beitrag zum Gesellschaftsverständnis des Protestantismus in der Weimarer Republik. 2001. 370 Seiten, geb. ISBN 3-525-55735-3 36 Dirk Palm „Wir sind doch Brüder“ Der evangelische Kirchentag und die deutsche Frage 1949-1961. 2002. 360 Seiten, geb. ISBN 3-525-55736-1 Ältere Bände auf Anfrage.

Kirchliche Zeitgeschichte Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre Eine Dokumentation offizieller Texte Herausgegeben von Friedrich Hauschildt in Beratung mit dem Lutherischen Weltbund und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. 2004. Ca. 224 Seiten mit CD-ROM, gebunden ISBN 3-525-56136-9

Am 31. Oktober 1999 wurde die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (GE) im Rahmen eines Festaktes in Augsburg durch Vertreter der römisch-katholischen und lutherischen Kirchen der Welt feierlich bestätigt. Dieses Unternehmen war mit dem Ziel gestartet worden, den Hauptstreitpunkt, an dem sich die Reformation Martin Luthers entzündete, zu beseitigen. Es hat eine breite, auch kontroverse Diskussion ausgelöst. Diese Dokumentation bietet eine Sammlung offizieller Texte und Stellungnahmen aus der ganzen Welt. Das Buch enthält die drei Entwürfe der Gemeinsamen Erklärung mit den dazu gehörenden wichtigsten Beschlüssen des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche sowie eine Auswahl von Stellungnahmen der beteiligten Kirchen. Auf der CD-ROM findet sich eine vollständige Fassung der gesammelten Dokumente sowie einige Abbildungen. Sie eignet sich zum Recherchieren und zur Erstellung eigener Auswahltexte für Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen zu einem zentralen theologischen Thema und historischen Meilenstein der Geschichte der ökumenischen Bewegung.

Johannes Jürgen Siegmund

Bischof Johannes Lilje, Abt zu Loccum Eine Biografie Nach Selbstzeugnissen, Schriften, Briefen und Zeitzeugenberichten. Mit einem Geleitwort von Eduard Lohse. 2003. 639 Seiten mit 28 Abbildungen, gebunden ISBN 3-525-55447-8

Erstmals wird mit dieser Arbeit eine gründliche, aus dem umfangreich vorliegenden Quellenmaterial erarbeitete Biografie über das gesamte Leben und Wirken Johannes Liljes vorgelegt. Der erste Teil stellt chronologisch den gesamten Lebenslauf Liljes im Kontext der Zeitgeschichte 1899 bis 1977 dar. Im zweiten Teil wird nach der Schilderung der facettenreichen Persönlichkeit Liljes sein theologisches Denken dargestellt, wobei auch ausführlich auf seine Veröffentlichungen vor 1945 und die zeithistorische Kritik eingegangen wird. Der dritte Teil stellt Liljes Wirken im Weltluthertum, in der Ökumenischen Bewegung, seine Stellung zum römischen Katholizismus sowie sein Amtsverständnis und kirchenleitendes Handeln als Bischof dar. Abgeschlossen wird die Arbeit mit der Vorstellung Liljes als Abt zu Loccum.