Kapital und Wachstum in den achtziger Jahren: Bericht über den wissenschaftlichen Teil der 46. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. in Bonn am 5. und 6. Mai 1983 [1 ed.] 9783428455225, 9783428055227

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Kapital und Wachstum in den achtziger Jahren: Bericht über den wissenschaftlichen Teil der 46. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. in Bonn am 5. und 6. Mai 1983 [1 ed.]
 9783428455225, 9783428055227

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Beihefte der Konjunkturpolitik Zeitschrift für angewandte Wirtschaftsforschung Begründet von Albert Wissler

Heft 30

Kapital und Wachstum in den achtziger Jahren

Duncker & Humblot · Berlin

Kapital und Wachstum in den achtziger Jahren

Beihefte der K o n j u n k t u r p o l i t i k Zeilschrift

für

angewandte

Wirtschafteforschung

Begründet von Albert Wissler Heft 3 0

Kapital und Wachstum i n den achtziger Jahren Bericht über den wissenschaftlichen T e i l der 46. Mitgliederversammlung der Arbeitegemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. i n Bonn am 5. und 6. M a i 1983

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kapital und Wachstum in den achtziger Jahren : i n B o n n am 5. u. 6. M a i 1983. — B e r l i n : Duncker u n d H u m b l o t , 1983. (Beihefte der K o n j u n k t u r p o l i t i k ; H. 30) (Bericht über den wissenschaftlichen T e i l der . . . M i t gliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. ; 46) I S B N 3-428-05522-5 NE: K o n j u n k t u r p o l i t i k / Beihefte; Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute: Bericht über den . . .

Schriftleiter: Herbert Wilkens

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 ISBN 3-428-05522-5

Vorwort I n diesem Beiheft w i r d über den wissenschaftlichen Teil der 46. M i t gliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute berichtet. Die Tagung stand unter dem Thema „Kapitalbildung und Wachstum i n den 80er Jahren" und fand am 5. und 6. Mai 1983 i n Bonn statt. Referate hielten Rainer Erbe (Hamburg), Wolfgang Gerstenberger (München), Bernd Görzig (Berlin), Ullrich Heilemann (Essen), HansJürgen Krupp (Berlin), Klaus Lobbe (Essen), Wolfram Schrettl (München), Klaus Wieners (Düsseldorf) und Frank Wolter (Kiel). Die Beiträge sind i m folgenden i n voller Länge abgedruckt. Die Zusammenfassungen der Diskussionen erstellte Herbert Willkens. Die 47. Mitgliederversammlung soll am 10-/11. Mai 1984 i n Bonn stattfinden und das Thema „Erfolg und Mißerfolg sektoraler Strukturpolitik" zum Gegenstand haben. Köln, i m November 1983 Hans K. Schneider Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft

Inhalt Frank

Wolter

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft Hans-Jürgen

Krupp

u n d Dietmar

9

Edler

Wachstumsengpässe u n d K a p i t a l b i l d u n g

37

Zusammenfassung der Diskussion Wolfgang

61

Gerstenberger

Investitionsbedarf i n der Bundesrepublik i n den achtziger Jahren

81

Zusammenfassung der Diskussion

94

Klaus Wieners Der Einfluß des Zinses auf Kapitalangebot u n d Kapitalnachfrage . . . 101 Ullrich

Heilemann

Z u r empirischen Relevanz des crowding-out-Effektes für die Bundesrepublik Deutschland 111 Zusammenfassung der Diskussion Bernd

146

Görzig

Finanzierung der Vermögensbildung Klaus

161

Lobbe

Geldpolitik, kation

Unternehmensfinanzierung

und

sektorale

Faktorallo-

Zusammenfassung der Diskussion Wolfram

181 207

Schrettl

Wachstumsschwächen durch verminderte K a p i t a l b i l d u n g i n der Sowjetunion? 215 Rainer

Erbe

Die Bedeutung der Auslandsverschuldung Wachstum i n den Entwicklungsländern

für

Kapitalbildung

und

251

Zusammenfassung der Diskussion

268

Teilnehmerverzeichnis

275

Kapitalmangel und Unterbeschäftigung in der Weltwirtschaft Von Frank Wolter, K i e l I. 1. Unterbeschäftigung ist seit geraumer Zeit wieder ein weltweites Phänomen. Ihre Bekämpfung — i n den Entwicklungsländern seit jeher ein zentrales Problem — ist auch i n den Industrieländern erneut zu einer wirtschaftspolitischen Aufgabe ersten Ranges geworden. Die A r beitslosenquote hat sich i n den OECD-Ländern seit Mitte der sechziger Jahre von Boom zu Boom erhöht; i m Durchschnitt dieser Ländergruppe hat sie sich von 2,5 v H i m Jahr 1965 auf 5,1 v H i m Jahr 1979 mehr als verdoppelt 1 . Gemessen an den Rezessionsjahren verlief dieser Trend noch dramatischer: die Arbeitslosenquote stieg von 2,7 v H i m Jahr 1967 auf 8,0 v H i m Jahr 19822. Damit einhergehend haben i n den vergangenen zehn Jahren Investitions- und Wirtschaftswachstum erheblich an Dynamik eingebüßt. I n der OECD insgesamt lag i m Boomjahr 1979 das reale Sozialprodukt u m über 12 v H und die realen Bruttoinvestitionen u m über 26 v H unter jenem Wert, der sich ergeben hätte, wenn das Wachstumstempo der sechziger und frühen siebziger Jahre auch i n der Zeit danach beibehalten worden wäre. I n den frühen achtziger Jahren haben sich diese Lücken weiter vergrößert (Tabelle l ) 3 . 2. Freilich mehren sich seit einigen Wochen i n der Weltwirtschaft die Zeichen, daß es wieder aufwärts geht. I n ßchlüsselländern wie den Vereinigten ßtaaten und der Bundesrepublik Deutschland scheint der schon häufiger prognostizierte Aufschwung endlich i n Gang zu kommen. Doch w i r d allgemein bezweifelt, daß die weltweite Arbeitslosigkeit rasch verschwinden wird. Die Frage ist offen, ob mit einem neuen Konjunktur auf schwung i n der Weltwirtschaft eine grundlegende Flurbereinigung gelingt. Schon einmal, i n den Jahren 1976/77, war der Auf1

Die Angaben beziehen sich auf den Durchschnitt der fünfzehn OECDLänder, für die die OECD standardisierte Arbeitslosenquoten ausweist. I n den Boomjahren 1969 u n d 1973 betrug die Arbeitslosenquote 2,6 v H beziehungsweise 3,2 v H . Vgl. OECD (1982, S. 152). 2 I n den Rezessionen 1971/72 u n d 1975 betrugen die standardisierten A r beitslosenquoten für den Durchschnitt v o n fünfzehn OECD-Ländern 3,6 v H beziehungsweise 5,2 v H . Vgl. ebenda. 3 Z u entsprechenden Berechnungen für den Zeitraum 1974 - 77 vgl. Schatz (1978, S. 88.).

10

Frank Wolter

schwung bereits nach kurzer Zeit ins Stocken geraten. Kräfte, die damals i n den Industrieländern einer nachhaltigen Belebung von Produktion und Beschäftigung entgegenstanden, blieben offenbar i n den Folgejahren virulent 4 . Tabelle 1 Beschäftigungs-, Sozialprodukts- und Investitionslücke in den OECD-Ländern insgesamt, 1979 - 1982 (Mio. Pers., Mrd. US-$ von 1975, vH)

Beschäftigung Reales Sozialprodukt Reale Bruttoinvestitionen

1973a)

1979

1980

307,8

6,7 2,0

9,7 2,9

Mrd. US-$d) 4 061,5 vHe)

670,8 12,3

884,7 15,5

M r d . US-$d) vHe)

370,2 26,5

467,1 31,5

Mio.b) vHb),c)

971,8

1981 13,3 3,9

1982 18,2 5,2

1 089,7 1 399,8 22,2 18,3 533,7 33,9

631,5 37,8

a) Tatsächliche Werte. - b) M i t Ausnahme des Wertes für 1973: Differenz zwischen einer fiktiven Beschäftigung bei konstanter Arbeitslosenquote von 1973 und der tatsächlichen Beschäftigung. - c) Absolute Beschäftigungslücken in v H der fiktiven Beschäftigung. - d) Mit Ausnahme des Wertes für 1973: Differenz zwischen dem Trendwert bei Extrapolation der durchschnittlichen Zuwachsrate des Zeitraums 1960 bis 1973 und dem tatsächlichen Wert. - e) Differenz zwischen Trendwert und tatsächlichem Wert in v H des Trendwertes. Quelle: OECD, National Accounts, versch. Jgg. - OECD, Economic Outlook, 31, July 1982. - OECD, Labour Force Statistics, versch. Jgg. - Eigene Schätzungen.

3. Die möglichen Ursachen der heutigen Beschäftigungs- und Wachstumsschwäche i n der Weltwirtschaft werden ebenso kontrovers diskutiert wie dies zu Zeiten (und bezüglich) der großen Depression der Fall war: „Einerseits w i r d nämlich behauptet, daß die Krise ihre Ursache i n einem unzureichenden Konsum der Welt habe, welcher Anschauung die als unvereinbarer logischer Gegensatz gegenüberstehende Lehre entgegengesetzt wird, daß die Ursache der Krise i n einem Kapitalmangel zu suchen sei; andererseits w i r d . . . behauptet, daß die . . . Krise . . . durch . . . eine restriktive Politik der Zentralbanken verursacht wurde, während eine andere Gruppe von Theoretikern die Ursache 4

F ü r diese V e r m u t u n g sprechen zwei Indizien. Erstens verharrte, w i e schon erwähnt, die Arbeitslosigkeit auch i m Boom 1979 auf vergleichsweise hohem Stand. Zweitens erwies sich die Rezession, die dem zweiten ö l p r e i s schock v o m Oktober 1979 folgte als wesentlich hartnäckiger als diejenige nach dem ersten Ölpreisschock, obwohl — w i e Berechnungen v o n Bruno» (1982, S. 27) nahelegen — der zweite Schock eher schwächer gewesen sein dürfte; nach dem zweiten ölpreisschock bedurfte es des ungewöhnlich langen Zeitraums v o n mehr als drei Jahren, u m jenen Rückkoppelungsprozessen bei Kosten u n d Preisen zum Durchbruch zu verhelfen, die i n rezessiven Phasen zu erwarten sind u n d die die Basis für einen neuen Aufschwung bilden.

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der W e l t w i r t s c h a f t 1 1

i n einer . . . (vorangegangenen) Inflation und einer damit verbundenen Fehlleitung der Produktion sucht. Aus naheliegenden theoretischen Gründen werden dabei die Theorie von der unzureichenden Kaufkraft und die Deflationstheorie einerseits, die Kapitalmangeltheorie und die Theorie von der vorangegangenen Inflation als Krisenursache andererseits meist von den gleichen Personen vertreten" (Hayek, 1931, S. I X ; Einfügung i n Klammern vom Verf.). Es soll hier dahingestellt bleiben, wer seinerzeit richtig lag 0 . Zur Debatte steht i n diesem Beitrag vielmehr, ob Kapitalmangel als Ursache der derzeitigen weltweiten Unterbeschäftigung i n Betracht kommt. 4. Die Kapitalmangelthese ist i m Falle der westlichen Industrieländer (im folgenden: Industrieländer) besonders umstritten. Eine Eingrenzung des Themas auf diese Länder bietet sich aber auch deshalb an, weil nur die Industrieländer i m Laufe der letzten zehn Jahre von einem Zustand der Vollbeschäftigung i n einen Zustand anhaltender Massenarbeitslosigkeit geraten sind u n d sich damit für eine Diagnose besonders gut eignen. I m übrigen w i r d nicht unterstellt, daß es Kapitalmangel und Unterbeschäftigung i n Entwicklungsländern oder — freilich i n verdeckter Form — i n den östlichen Planwirtschaften nicht gäbe. Vielmehr w i r d die These vertreten, daß sich i n den Industrieländern i m Laufe der Nachkriegsentwicklung Rigiditäten herausgebildet haben, wie sie i n Entwicklungsländern und Planwirtschaften schon seit jeher existieren, und daß diese Rigiditäten die eigentliche Ursache des Kapitalmangels und — i n dessen Folge — der Unterbeschäftigung sind. II. 5. Kapitalmangel beschreibt eine Situation, i n der die gesamtwirtschaftliche Produktion von den Sachkapazitäten begrenzt wird. Kapitalmangel herrscht gewöhnlich i n Boomphasen, wenn — bei den gegebenen institutionellen Barrieren wie Ladenschlußgesetzgebung, Nachtarbeitsverbot oder Sicherheitsvorschriften — das technische Produktionspotential nicht ausreicht, u m die nominale gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu befriedigen. Diese A r t von Kapitalmangel ist unbedenklich, soweit es dabei nicht an Arbeitsplätzen fehlt, wenn also zugleich Vollbeschäftigung herrscht 6 . Kapitalmangel besagt unter diesen Um5 Jüngere Arbeiten stellen zumindest für Deutschland die orthodoxe I n t e r pretation i n Frage u n d legen i n verschiedener Hinsicht eine „Revision des überlieferten Geschichtsbildes" (Borchardt) nahe. Vgl. Glismann et al. (1978 u n d 1980); Borchardt (1979). β Freilich k a n n i n einem solchenFalle wegen institutioneller Hemmnisse die Kapitalintensität der Produktion künstlich überhöht oder die K a p i t a l s t r u k t u r verzerrt sein. Soweit dies zutrifft, handelt es sich aber nicht u m K a p i t a l probleme.

12

Frank Wolter

ständen nur, daß Produktionsfaktoren — wie die meisten Güter — knapp sind. Kapitalmangel w i r d jedoch zum wirtschaftspolitischen Problem, wenn unfreiwillige Unterbeschäftigung damit einhergeht. Dies kann kurzfristig wie auch längerfristig der Fall sein: (1) Kurzfristig kann es von einem Zustand temporären Gleichgewichts zu Kapitalmangelarbeitslosigkeit kommen, wenn exogene Angebotsstörungen — etwa schockartige Einbußen an Arbeitsproduktivität oder schockartige Terms of Trade-Verluste — auf rigide Löhne und Preise stoßen 7 . I n diesem Fall werden die Nachfrager auf dem Gütermarkt und die Anbieter auf dem Arbeitsmarkt durch jene Mengen rationiert, die bei den herrschenden Preisen und Löhnen angeboten beziehungsweise nachgefragt werden (Malinvaud, 1977). (2) Ein (erneuter) Zustand temporären Gleichgewichts mag nicht erreichbar sein, weil die Sachkapazitäten bereits voll ausgelastet sind, bevor all diejenigen Arbeit gefunden haben, die bei den herrschenden Löhnen ihre Arbeitskraft anbieten. Kapitalvernichtung oder mangelnde Kapitalbildung i n vorangegangenen Phasen sind potentielle Ursachen dafür, daß der vorhandene Kapitalstock zuwenig Arbeitsplätze enthält, u m unter den gegebenen Umständen Vollbeschäftigung zu ermöglichen (Giersch, 1978; Malinvaud, 1982). So kann sich aus einem Zustand kurzfristiger Kapitalmangelarbeitslosigkeit langfristige Kapitalmangelarbeitslosigkeit entwickeln, wenn wegen gedrückter Gewinnerwartungen oder vermehrter Unsicherheit das Angebot an Risikokapital abnimmt, Investitionen unterbleiben und der Kapazitätsausbau hinter der Entwicklung des Arbeitsangebots zurückbleibt. Kapitalmangelarbeitslosigkeit wegen vorangegangener (physischer) Kapitalvernichtung hat es beispielsweise i n weiten Teilen Europas nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Kapitalmangelarbeitslosigkeit wegen mangelnder Kapitalbildung (oder mangelnden Kapitalimports) kann als typisches Entwicklungsländerproblem gelten. I n beiden Fällen existiert theoretisch ein Reallohnniveau, bei dem Vollbeschäftigung erreichbar (gewesen) wäre. Jedoch mag es nicht wünschenswert oder kurzfristig nicht möglich (gewesen) sein, dieses Reallohnniveau zu realisieren (Giersch, 1978, S. VI). 7 Entsprechendes gilt für einen exogenen Lohnschub, bei dem die Angebots- u n d Nachfragefunktionen auf dem Arbeitsmarkt (zunächst) liegen bleiben, sich die Angebotsfunktion auf dem Gütermarkt aber nach l i n k s v e r schiebt. Bei rigiden Preisen k o m m t es auch unter diesen Umständen zum gleichzeitigen A u f t r e t e n eines Überschußangebots auf dem Arbeitsmarkt u n d einer Überschußnachfrage auf dem Gütermarkt.

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

13

6. Die Vermutung, daß es i n den Industrieländern erneut zu Kapitalmangelarbeitslosigkeit gekommen ist, w i r d durch das Zusammenspiel von Kapazitätsauslastung, Inflation und Arbeitslosigkeit gestützt. Seit dem Ende der sechziger Jahre haben sich i n Europa und i n Nordamerika bei jeweils vergleichbarem Auslastungsgrad der Sachkapazitäten i m Zeitablauf sowohl die Arbeitslosenquote wie auch die Inflationsrate tendenziell erhöht (Tabelle 2) 8 . Die langfristigen PhillipsKurven haben sich nach rechts oben verschoben. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, daß die Engpässe -für die Beschäftigung bei den Sachkapazitäten zu suchen sind. Das gesamtwirtschaftliche Güterangebot scheint i m Zeitablauf relativ zur Nachfrage unelastischer geworden zu sein. 7. Die Kapitalmangelthese findet eine solide Grundlage i n den A n gebotsschocks der 1970er Jahre, die die Phase raschen quantitativen Wachstums i n den Industrieländern vorerst beendeten. Die Schocks selbst können als Folge der Evolution des Systems i n der Zeit zuvor interpretiert werden. I n den sechziger Jahren wurden Investitionen und Wirtschaftswachstum durch günstige Faktorpreise gefördert: — Der Realzins war (zumeist) i m Vergleich zur Grenzleistungsfähigkeit von Realkapital mäßig. Dafür konnte die keynesianische Nachfragepolitik solange sorgen, wie bei den Sparern Geldillusion herrschte. — Das Angebot von Arbeitskräften war elastisch. Die Reallöhne waren i m Vergleich zur Arbeitsproduktivität niedrig, wo die Lohnpolitik noch von der Massenarbeitslosigkeit der Nachkriegszeit geprägt war. Organisationsgrad, Struktur der Arbeitsmärkte (Vereinigte Staaten) oder offene Grenzen (Bundesrepublik Deutschland) hielten die Macht der Gewerkschaften i n Schach. — Energie und Umwelt waren zu Preisen verfügbar, die nicht ihre längerfristige Knappheit widerspiegelten 9 . Die Faktorallokation wurde von Preissignalen geleitet, die nicht dauerhaft sein konnten. Überdies trug das rasche Wirtschaftswachstum selbst dazu bei, daß sich die Knappheitsrelationen veränderten, so daß die latenten Spannungen i m Preisgefüge sich noch verstärkten. Schließ8 I n Tabelle 2 w i e i n den folgenden Tabellen wurden, soweit f ü r die einzelnen Länder geeignete Daten vorlagen, die „sieben größeren OECD-Länder" (OECD-Terminologie) als Stichprobe herangezogen. Vgl. OECD (1982 a, S. 48). 9 I m Falle des Öls mag die latente Enteignungsgefahr gegenüber den „Sieben Schwestern" oder wachsende Außenseiterkonkurrenz einen (nach Hotelling zu erwartenden) stetigen Preisanstieg verhindert haben (Vernon, 1976). I m Falle der U m w e l t w a r e n die externen Effekte des quantitativen Wachstums anfangs entweder noch verdeckt oder w u r d e n unterschätzt.

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Frank Wolter

lieh bildeten sich, nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Strategien, innerhalb Europas und insbesondere zwischen Europa und Nordamerika zunehmende Wechselkursverzerrungen heraus. Rechtzeitige Anpassungen der Wechselkurse, die das Entstehen fundamentaler Ungleichgewichte hätten verhindern können, waren i m Bretton-Woods-System nicht vorgesehen. (So entstanden Strukturen, die nur künstlich lebensfähig waren und die ökonomisch zerstört werden würden, sowie sich die Preisrelationen unter dem Druck zunehmender Ungleichgewichte änderten. Tabelle 2 Inflation*) und Arbeitslosigkeit^) in den OECD-Ländern insgesamt und in ausgewählten OECD-Ländern i m längerfristigen Vergleich, 1965 -1982 (vH) Zeiträume) 1965 - 69 1970 - 73 1974 - 79 1980 - 82 Vereinigte Staaten Inflationsrate Arbeitslosenquote

4,1 3,5

4,9 5,2

8,5 6,6

9,9 7,9

Inflationsrate Arbeitslosenquote

4,0 4,2

4,6 5,9

9,2 7,2

11,3 8,3

Inflationsrate Arbeitslosenquote

2,4 0,9

5,9 0,8

4,6 3,2

5,6 4,5

Frankreich

Inflationsrate Arbeitslosenquote

3,8 2,0

6,2 2,6

10,7 4,5

13,2 7,3

Italien

Inflationsrate Arbeitslosenquote

3,0 5,5

5,9 5,9

16,8 6,7

17,9 8,7

Inflationsrate Arbeitslosenquote

4,0 2,8

7,5 3,5

15,6 5,4

12,9 10,0

Inflationsrate Arbeitslosenquote

5,7 1,2

7,4 1,3

9,7 1,9

3,9 2,3

Inflationsrate Arbeitslosenquote

3,9 2,7

5,8 3,4

10,0 4,9

10,3 6,8

Kanada Bundesrepublik Deutschland

Vereinigtes K ö n i g reich Japan OECD-Länder insgesamt

a) Die ausgewiesenen Inflationsraten beziehen sich auf die Preise für die Lebenshaltung. — b) Bei den ausgewiesenen Werten handelt es sich um standardisierte Arbeitslosenquoten gemäß OECD-Konvention. — c) Die exakten Perioden unterscheiden sich von Land zu Land. Als Stich jähre wurden die landesspeziflschen Boom jähre um das jeweils in der Tabelle angegebene Jahr gewählt. Die für die einzelnen Länder maßgeblichen Stich jähre sind aus dem Anhang I ersichtlich. Quelle: OECD, Main Economic Indicators, versch. Ausg. — OECD, Economic Outlook, versch. Ausg.

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

15

8. D i e S p a n n u n g e n e n t l u d e n sich i n d e n f r ü h e n siebziger explosionsartig10

Jahren

— i n m a s s i v e n W e c h s e l k u r s ä n d e r u n g e n i m Z u g e der E r o s i o n u n d des schließlichen Z u s a m m e n b r u c h s des F i x k u r s s y s t e m s ; — i n kräftigen Lohnschüben; — i n d r a s t i s c h e n Preisschüben b e i R o h s t o f f e n u n d Ö l ; u n d — i n kostenrelevanten Umweltschutzregulierungen. D i e A n p a s s u n g s f ä h i g k e i t d e r I n d u s t r i e l ä n d e r w u r d e z u r gleichen Z e i t d u r c h das v e r s t ä r k t e A u f t r e t e n v o n A n b i e t e r n aus S c h w e l l e n l ä n d e r n a u f d e n W e l t m ä r k t e n f ü r a r b e i t s i n t e n s i v e oder s t a n d a r d i s i e r t e I n d u s t r i e w a r e n a u f eine w e i t e r e P r o b e g e s t e l l t 1 1 . A l l e s a m t b e d e u t e t e n diese E n t w i c k l u n g e n t i e f g r e i f e n d e Ä n d e r u n g e n i n d e n ü b e r k o m m e n e n Preisrelationen. 9. Ä n d e r u n g e n r e l a t i v e r Preise s i n d g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h besonders k o s t s p i e l i g , w e n n sie — w i e dies d e r F a l l w a r — w e i t g e h e n d u n e r w a r t e t k o m m e n u n d z u d e m k r ä f t i g ausfallen. K a p i t a l , das i m V e r t r a u e n a u f das F o r t b e s t e h e n d e r a l t e n P r e i s r e l a t i o n e n {oder d e r e n Ä n d e r u n g s r a t e n ) i n v e s t i e r t w o r d e n ist, w i r d ü b e r N a c h t e n t w e r t e t . T e c h n i sches W i s s e n v e r a l t e t . D i e U n s i c h e r h e i t n i m m t zu. A t t e n t i s m u s w i r d erzeugt. U n s i c h e r ist zunächst, ob die n e u e P r e i s k o n s t e l l a t i o n v o n D a u e r ist. F e r n e r ist es b e i P r e i s ä n d e r u n g e n , die d e n h i s t o r i s c h e n R a h 10

Relative Preise reagieren auch i n Marktwirtschaften verzögert auf veränderte Angebots- oder Nachfragekonstellationen. Preisänderungen sind m i t Informations- u n d Transaktionskosten befrachtet, die auf sich zu nehmen erst lohnt, w e n n die Änderungen i n den Angebots- oder Nachfragebedingungen hinreichend groß sind u n d als nachhaltig erkannt werden. I m vorliegenden F a l l waren die Reaktionen besonders träge, w e i l die Wirtschaftssubj e k t e v o n falschen Voraussetzungen (Geldillusion, Umweltillusion) ausgingen oder w e i l es sich u m Preise handelte, die weitgehend v o n privaten oder staatlichen Monopolen (beziehungsweise Kartellen) fixiert wurden. n Die verschiedenen Liberalisierungsrunden i m Rahmen des G A T T hatten auch für die Entwicklungsländer günstige Voraussetzungen geschaffen, sich verstärkt i n die substitutive Arbeitsteilung zu integrieren; i n gewissen Grenzen erleichterte die Gewähr v o n allgemeinen Zollpräferenzen (Vereinigte Staaten 1976, Europäische Gemeinschaften 1971, Japan 1971) diesen Ländern zusätzlich den M a r k t z u t r i t t i n den Industrieländern. Das Angebotspotential der Entwicklungsländer w u r d e auf den Industriewarenmärkten der Industrieländer v i r u l e n t , nachdem eine zunehmende Zahl dieser Länder ihre Entwicklungsstrategie v o n Importsubstitutionen auf 'Exportdiversifizierung umgestellt hatte (Dönges, Müller-Ohlsen, 1978). Rein q u a n t i t a t i v gesehen blieben die Weltmarktanteile der Entwicklungsländer bei Industriewaren gering. Doch stieti die neue Konkurrenz bei einzelnen Erzeugnissen dynamisch v o r u n d verunsicherte Investoren i n den Industrieländern auch i n Marktsegmenten, die (noch) nicht unmittelbar betroffen waren. Zudem löste ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit etwa bei Textilien, Bekleidung, Lederwaren, Schuhe, Feinkeramik oder manchen Zweigen der Elektrotechnik einen erheblichen Druck auf die Preise aus. Z u einer Analyse für die Bundesrepublik vgl. Wolter (1980).

16

F r a n k Wolter

men sprengen, für Investoren besonders schwierig, die Marktreaktionen abzuschätzen. Erfahrungen über Anpassungsprozesse, wie sie sich statistisch i n Einkommens-, Preis- und Substitutionselastizitäten niederschlagen, lassen sich bei grundlegend veränderten Verhältnissen kaum verwerten. Die neuen Preisstrukturen führen damit nicht nur zu Kaptialvernichtung, sondern induzieren zugleich einen zeit- und ressourcenraubenden Prozeß des Informationssammeins, Diagnostizierens, Suchens, Lernens und Umstrukturierens. Diesem Prozeß sind Friktionen und Fehlallokationen immanent. 10. Andererseits sind nicht-antizipierte Preisänderungen eine normale Erscheinung des Wirtschaftslebens. Die gesamtwirtschaftlichen Anpassungskosten bleiben u m so begrenzter, je flexibler ökonomische Systeme auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Dezentralisierte Systeme sind besonders effizient, wenn es darum geht, strukturellen Anpassungsbedarf zu bewältigen. Daher passen die schweren und nachhaltigen Störungen, die nach den Angebotsschocks der 1970er Jahre auftraten, anscheinend wenig zu den Flexibilitätsvorstellungen, die gemeinhin m i t einem offenen, marktwirtschaftlichen System verbunden werden. Doch muß m i t ins Bild, daß Anpassungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit geschwächt worden sind, weil es i n den vergangenen zwanzig Jahren i n vielen Industrieländern einen Trend weg vom Markt gegeben hat. Die abnehmende Rolle des Marktes als Informations· und Koordinationssystem spiegelt sich, wenn auch nur sehr unvollständig, i m zunehmenden Gewicht des Staatssektors i n den Produktions- und Beschäftigungsstrukturen wider. Das Vordringen des Staates stand i m Einklang m i t zentralen keynesianischen Auffassungen, die die wirtschaftspolitische Szene der Nachkriegszeit beherrschten (Feldstein, 1981). 11. Unter dem keynesianischen Paradigma, das sich zuerst i n den Vereinigten Staaten und später i n Europa durchsetzte, l u d der Staat sich immer weitgehendere wirtschaftspolitische Verantwortung auf. Dazu ermutigten auch die Anfangserfolge: M i t dem nachfragegetriebenen Wirtschaftswachstum i n den 1960er Jahren war es i n vielen Ländern zu einem tendenziellen Anstieg der Kapazitätsauslastung gekommen. Der Konjunkturzyklus glättete sich allmählich. Beschäftigungseinbrüche wurden schnell überwunden. Der Spielraum schien da, verteilungspolitische Zielsetzungen stärker i n den Vordergrund zu rücken, zu mehr sozialer Ausgewogenheit, mehr interpersoneller Ergebnisgerechtigkeit zu gelangen. 12. I n dem Maße, i n dem der Staat die Verantwortung für den Beschäftigungsgrad übernahm, sah sich die Lohnpolitik i n vielen Ländern — so vor allem i n Europa — aus der beschäftigungspolitischen Verant-

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

17

wortung entlassen. I n den Jahren 1969 bis 1971, 1973 bis 1975 und 1979 bis 1981 wurden die Reallöhne i n vielen Ländern deutlich stärker erhöht als von der Entwicklung der Arbeitsproduktivität und der Terms of Trade her angemessen gewesen wäre (Tabelle 3). Gegen die M a r k t kräfte gerichtet waren vielfach auch Versuche, die Lohnstruktur zusammenzupressen, indem die Mindestlöhne kräftig angehoben oder die unteren Lohngruppen i m Rahmen der Tarifpolitik überproportional gesteigert wurden. Zwar sind wenig qualifizierte Arbeitskräfte i n den Industrieländern vergleichsweise knapp und es gab — nicht zuletzt als Folge einer dynamischen Bildungspolitik — Tendenzen, diesen Umstand zu akzentuieren. Andererseits haben sich, wie schon erwähnt, viele Entwicklungsländer stärker i n die industrielle Arbeitsteilung integriert. Dies bedeutet, daß i n den Industrieländern das anländische Tabelle 3 Zur Entwicklung der bereinigten Reallöhne a ) in ausgewählten OECD-Ländern, 1970 - 1982 (vH und 1970 = 100)

Jahr

Vereinigte Staaten

Bundesrepublik Deutschland

Frankreich

Italien

Vereinigtes Königreich

Japan

Änderung gegenüber dem V o r j a h r vH 1971

- 1,6 0,4

5,4

1,4

1,3

3,4

4,1

2,2

-0,2

2,1

1,6

4,5 6,8

4,2

1,1 6,0

7,8 3,2

2,5

0,6

- 1,9

-4,9

- 1,2

1,1 0,6

- 5,3

- 0,9

1,1 - 0,6

0,0

-1,0 -3,0

- 0,8

- 0,8

- 1,7

1,7

0,9

2,8

1,7

0,8

1,5

-1,1 4,0

3,1

3,8

- 0,6

0,7

- 1,7

-0,1

-3,2

2,3

116,2

1104,1

116,9

- 0,3

1974

- 0,2 1,3

1975

- 0,3

- 1,3

1976 1977

- 0,1 -0,1

- 2,0 -0,4

1978

0,7

1979

-0,4

1980

- 0,3 0,0 0,5

- 1,2

1973

1981 1982b)

3,0

- 1,9 3,3

-1,0 0,5

1972

i

0,0

1970 = 100 1982b) 1

100,6

106,7

110,5

a) Reallohnänderung In der Gesamtwirtschaft bereinigt um Produktivitätsänderung und Terms of Trade-Effekt. - b) Vorläufige Schätzung. Quelle: EG, Europäische Wirtschaft Nr. 11, März 1982. 2 Konjunkturpolitik, Beiheft 30

18

Frank Wolter

Angebot an wenig qualifizierten Arbeitskräften durch den Import von arbeitsintensiven Erzeugnissen indirekt, aber kräftig zunahm. Eine Lohnpolitik, die diesem Umstand nicht Rechnung trug, provozierte Mindestlohnarbeitslosigkeit bei den entsprechenden Arbeitnehmergruppen (iStolper, Samuelson, 1941; Giersch, 1980). 13. Neue, gesetzlich verankerte Sozialverpflichtungen trieben die Kosten der Beschäftigung von Arbeitskräften zusätzlich i n die Höhe. Dazu zählen auch die Pflicht zu Sozialplänen i m Konkursfall sowie ein verstärkter Kündigungsschutz, der die Löhne immer mehr zum Fixkostenbestandteil machte. Unternehmen wurden dadurch anfälliger gegenüber Schwankungen i m Kapazitätsauslastungsgrad. Anreize zur Substitution von Arbeit durch Kapital, die vom Lohndruck ausgingen, wurden größer. Der technische Fortschritt wurde verstärkt i n eine arbeitssparende Richtung gelenkt. 14. Löhne und Lohnstrukturen wurden i n einer Zeit rigider, i n der ein hohes Maß an Lohnflexibilität gefragt gewesen wäre. Denn Angebotsschocks, wie sie beispielsweise i m Falle des Öls i n den Jahren 1973 und 1979 auftraten, bedeuten nichts anderes, als daß sich das ökonomische Produktionspotential und damit auch die gesamtwirtschaftliche (Durchschnitts- und Grenz-)Produktivität bei Vollbeschäftigung verringert. Vollbeschäftigung k a n n dann nur erhalten bleiben, wenn die Reallöhne kurzfristig sinken und somit die Gewinnerwartungen nicht einbrechen. Sind die Reallöhne nicht hinreichend nach unten flexibel oder gar starr, so werden durch Produktionseinschränkung, Produktionsaufgabe oder Faktorsubstitution (Rationalisierungsinvestitionen) solange (jeweils) marginale Produktionsfaktoren freigesetzt, bis das Grenzprodukt der Arbeit wieder m i t dem Reallohn der dann noch Beschäftigten i m Einklang steht 1 2 . 15. Die beiden Ölschocks können daher als eine (Teil-)Erklärung dafür gelten, daß sich i n den vergangenen zehn Jahren der Fortschritt der Arbeitsproduktivität gegenüber dem Trend zuvor i n allen Industrieländern merklich verlangsamt hat. Andererseits erklärt (teilweise) die international unterschiedliche Reaktion der Reallöhne, warum der Produktivitätsfortschritt von Land zu Land uneinheitlich abnahm: I n Ländern m i t vergleichsweise flexiblen Reallöhnen, wie etwa den Vereinigten Staaten, haben sich die Angebotsschocks weniger i n der Beschäftigung als i n der Produktivität niedergeschlagen; i n Ländern mit 12 Es k o m m t zu rechnerischen Produktivitätssteigerungen, die n u r auf einem Rückgang i m Beschäftigungsgrad beruhen. Es handelt sich i n dem Sinne u m unechte Produktivitätsfortschritte, daß k e i n zusätzlicher lohnpolitisch relevanter Verteilungsspielraum entstanden ist.

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigimg i n der Weltwirtschaft

19

starren Reallöhnen, wie etwa der Bundesrepublik Deutschland, verlangsamte sich der Produktivitätsfortschritt weniger, der Beschäftigungseinbruch war aber vergleichsweise scharf (Giersch, Wolter, 1983; Andersen, 1983)13. Insgesamt gesehen haben die Angebotsschocks i n allen Ländern aber zu einem nachhaltigen Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. 16. Angesichts der Turbulenzen i n den 1970er Jahren war die W i r t schaftspolitik i n den Industrieländern vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Wie schon i n den 1960er Jahren reagierte sie — freilich von Land zu Land unter unterschiedlichen Bedingungen, i n unterschiedlicher Form und i n unterschiedlicher Intensität — i m wesentlichen keynesianisch. Die Angebotsstörungen — Kapitalvernichtung und Anpassungserfordernis an neue Preiskonstellationen — wurde lange Zeit nicht erkannt oder wirtschaftspolitisch weitgehend ignoriert 1 4 . Zumeist waren die Stabilisierungsversuche auf den kurzfristigen Erfolg abgestellt. Zumindest implizit wurde vielfach unterstellt, daß eine auf den kurzfristigen Erfolg programmierte Wirtschaftspolitik die längerfristige Entwicklung ebenso wie die Erfolgsbedingungen für eine kurzfristige Politik zu einem späteren Zeitpunkt unbeeinflußt ließe. 17. Die Erfahrung hat gezeigt, daß diese Annahme i n beiderlei Hinsicht falsch war. Unter dem Eindruck der Inflationsbeschleunigung, die i n Nordamerika und später i n Europa den jeweiligen Nachfrageprogrammen schon i n den 1960er Jahren gefolgt war, zerrannen Geldund Fiskalillusion. Es bedurfte immer größerer geld- oder fiskalpolitischer Dosen, u m die reale Sphäre kurzfristig zu stimulieren. Die Inflationsrate wurde i n den 1970er und frühen 1980er Jahren i n vielen Industrieländern unstetiger und erhöhte sich i m Trend kräftig (Tabellen 2 und 4). Strukturelle Haushaltsdefizite bildeten sich heraus, die den Spielraum der Fiskalpolitik immer mehr einengten. 18. Das inflatorische K l i m a seit Ende der sechziger Jahre hat für sich genommen auf zumindest vier Wegen die Wachstumskräfte geschwächt, den Produktivitätsfortschritt gebremst und damit auch den Spielraum 13 Zwischen 1973 u n d 1981 hat sich i n den Vereinigten Staaten die Zahl der Arbeitsplätze sogar u m 15,3 M i l l i o n e n erhöht; das entspricht 18 v H der Arbeitsplätze i m Jahre 1973. I m gleichen Zeitraum hat sich i n der Bundesrepublik die Zahl der Beschäftigten u m 819 Tausend verringert; das entspricht einem A b b a u v o n 3,1 v H gegenüber 1973. Zur Lohnflexibilität i n den Industrieländern vgl. Branson, Rotemberg (1980). 14 Vgl. ζ. B. McCracken (1977). Eine gewisse Ausnahme stellt die Bundesrepublik Deutschland dar. I n der Bundesrepublik wurde das Problem der Kapitalmangelarbeitslosigkeit bereits M i t t e der siebziger Jahre diagnostiziert, der Befund blieb jedoch geraume Zeit umstritten (Fels, 1977). So wurde auch das angebotsorientierte Konzept des Sachverständigenrats i n der zweiten Hälfte der siebziger Jahre nicht konsequent i n die Tat umgesetzt.

3*

F r a n k Wolter

20

Tabelle 4 Zur Stetigkeit der Inflation in den OECD-Ländern insgesamt und in ausgewählten OECD-Ländern, 1965 - 1982

Region

Standardabweichung der jährlichen Inflationsraten 1965 - 69 1970 - 73 1974 - 79 1908 - 82

Vereinigte Staaten

1,23

1,20

2,28

Kanada

0,45

1,85

1,40

1,46

Bundesrepublik Deutschland

0,89

1,44

1,67

0,79

Frankreich

1,51

0,82

2,07

1,28

2,69

Italien

1,54

2,84

3,53

2,54

Vereinigtes Königreich

0,97

1,94

5,31

3,72

Japan

1,36

3,09

6,59

2,62

1,35

2,02

2,23

OECD-Länder insgesamt

0,75

a) Landesspezifische Perioden gemäß den in Anhang I ausgewiesenen Stich jähren. Quelle: OECD, Main Economic Indicators, versch. Ausg. - OECD, Economic Outlook, versch. Ausg.

für beschäftigungsneutrale Lohnsteigerungen eingeengt. Erstens erhöhte sich m i t der zunehmenden Unstetigkeit i n der Rate der Geldentwertung die Unsicherheit. Das erforderte höhere Risikoaufschläge i m Investitionskalkül und begünstigte Investitionen mit kurzer pay-off Periode. Zweitens wurden Preissignale nicht mehr so sauber wie zuvor empfangen. Vermehrte Fehlallokationen wegen häufigerer Irrtümer bei Produktions-, Beschäftigungs- und Investitionsentscheidungen waren die Folge. Drittens gingen Leistungsanreize verloren, wo die Steuersysteme auf dem Nominalwertprinzip aufbauen und die Steuersätze nicht laufend i m Rahmen von Tarifreformen an die aufgeblähten Nominaleinkommen angepaßt wurden. Viertens wurde der Realzins i n Zeiten der Inflationsbeschleunigung künstlich gedrückt, w e i l sich die Erwartungen auf den Kapitalmärkten vielfach an den geringeren Inflationsraten zuvor orientierten 1 5 . Der künstlich gedrückte Realzins begünstigte Kapitalverschwendung i m öffentlichen und i m privaten Bereich. E r förderte zusammen mit überhöhten Reallöhnen die Substitution von Arbeit durch Kapital, setzte also künstliche Anreize zu kapitalintensiver Produktion und zur Entwicklung arbeitssparender Techniken. Andererseits förderte der niedrige Realzins die Flucht i n die I n Ländern w i e den Vereinigten Staaten, Kanada, Japan, Frankreich, I t a l i e n oder dem Vereinigten Königreich w a r der langfristige Realzins i n den vergangenen fünfzehn Jahren zeitweise sogar negativ (OECD, 1982 a, S. 38).

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

21

Sachwerte (Giersch, 1974; Feldstein, 1981). Er dämpfte die Sparneigung und lenkte die Nachfrage vermehrt i n zinselastische Bereiche wie den Bausektor und den Bereich langfristiger Konsumgüter. Als i n der zweiten Hälfte der 1970er und insbesondere i n den frühen 1980er Jahren die Inflationsbekämpfung sich auf dem Kapitalmarkt i n rasch steigenden Nominalzinsen und, mit den Erfolgen an der Inflationsfront insbesondere ab 1980/81, i n nicht-antizipierten, hohen Realzinsen niederschlugen, saßen Branchen wie die Bauindustrie, die Automobilindustrie oder die Stahlindustrie auf erheblichen Überkapazitäten. 19. Zusätzliche Unsicherheit erzeugte das staatliche Haushaltsgebaren. Budgetdefizite, die schon i n den 1960er Jahren gang und gäbe waren, stiegen 1975 (vor allem rezessionsbedingt) stark an. Als der fiskal- und geldpolitisch unterstützte Aufschwung bereits 1976/77 wieder ins Stocken geriet, waren die Rezessionsspuren i n den öffentlichen Haushalten der meisten Länder noch nicht beseitigt. Seither haben sich vor allem wegen des Zusammenwirkens von drei Faktoren i n vielen Industrieländern erhebliche strukturelle Haushaltsdefizite herausgebildet. Erstens hat es nicht an weiteren Versuchen gemangelt, die Weltwirtschaft fiskalpolitisch zu stimulieren, so etwa gestützt auf die Lokomotiv- beziehungsweise Konvoitheorie i n den späten siebziger Jahren oder — i n einigen Ländern — nach dem zweiten Ölschock i n den frühen 1980er Jahren. Zweitens entwickelten die Sozialausgaben eine unvorhergesehene Dynamik (Tabelle 5). Der Wohlfahrtsstaat, der auf der Hypothese hoher Wachstumsraten und nur vorübergehender Beschäftigungsprobleme aufgebaut worden war, wurde unerwartet teuer, als sich das Wachstum abschwächte, dauerhafte Massenarbeitslosigkeit entstand und sich negative Rücbkoppelungen der Sozialpolitik — moral hazard sowie abnehmende Leistungsanreize i m Zuge der steigenden Soziallasten — bemerkbar machten. Drittens nahmen die Zinszahlungen auf die öffentlichen Schulden teilweise dramatisch zu. Dabei entwickelte sich ein Teufelskreis, weil die steigenden Budgetdefizite ihrerseits die Zinsen und damit auch die Zinslasten i n die Höhe trieben. 20. Ziel der expansiven Fiskalpolitik war es, Produktion, Beschäftigung und damit schließlich auch die Kapitalbildung zu erhöhen. Doch ist fraglich, inwieweit die Fiskalpolitik — insbesondere i n den Ländern oder i n den Zeiten, i n denen sie nicht geldpolitisch akkomodiert wurde — realwirtschaftlich wirksam geworden ist. Eine jüngere Bestandsaufnahme kommt zu dem Schluß, daß zumindest ein großer Teil der W i r k u n g via crowding-out konterkariert wurde 1 6 , sei es wegen der Zinseffekte i m In- und Ausland, der Wechselkurseffekte, der Vermöge Nach dieser Studie ist der Multiplikator im günstigsten Fall in der Größenordnung von 0,40 zu erwarten. Vgl. Lehment

(1983, S. 18).

11,4

12,5

1974-79

1980-82

8,3

9,4

1965 - 69

.

18,2

Bundesrepublik reich land

25,3

23,0

19,3

Kanada Deutsch-

19,3

5,8 18,4

4,6 15,6

4,6 14,1

Vereinigte ^anaaa

1970-73

Staaten

Land —*

13,7 16,0

9,1 9,6

7,1 7,5

15,9

14,4

Frankitalien

9,8 11,2

7,2

6,5

italien Königreich

Japan

Vereinigtes

-

Quelle: OECD National Accounts.

a) Einkommen aus unselbständiger und selbständiger Arbeit (ohne Unternehmerlohn in Kapitalgesellschaften; einschließlich Eigenmiete und Sozial Versicherungsbeiträge). — b) Zur landesspezifischen Periodenabgrenzung vgl. Anhang I.

, i

Periodeb)

Tabelle 5: Sozialversicherungsbeiträge der privaten Haushalte in vH des Leistungseinkommensa) in ausgewählten Industrieländern, 1965 - 1982 (vH)

22 Frank Wolter

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

23

genseffekte, des Einflusses auf die Preis-Lohnspirale, der längerfristigen Haushaltseffekte oder der negativen Einflüsse auf die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte. Tendenziell hat der Staat i n vielen Ländern die Kapitalbildung auch dadurch beeinträchtigt, daß öffentliche Investitionen zugunsten des öffentlichen Konsums zurückgedrängt w u r den und daß der Staat i n erheblichem Maße private Ersparnisse i n öffentlichen Konsum umwandelte 1 7 . 21. Kapitalbildung und Kapitalproduktivität wurden schließlich dadurch verzerrt, daß die Handels- und Strukturpolitik nach den Liberalisierungsbemühungen der fünfziger und sechziger Jahre i n den siebziger und frühen achtziger Jahren erneut auf einen stärker konservierenden Kurs geriet. Das protektionistische K l i m a hat allenthalben die Investoren i m Exportsektor verunsichert und damit Investitionen und Arbeitsteilung behindert. Die Anpassungsbereitschaft i n den Industrieländern wurde ausgehöhlt, weil Branchen, die unter Anpassungszwang gerieten, vielfach Protektionsbegehren durchsetzen konnten. Augenfällig sind insbesondere die Zunahme von Marktregulierungen sowie von sektoralen und regionalen Subventionen (Institut für Weltwirtschaft, 1979). Der Preismechanismus wurde i n Branchen wie der Agrarwirtschaft, dem Bergbau, der Energiewirtschaft, der Petrochemie, dem Stahl, dem Schiffbau, dem Automobilbau, der Unterhaltungselektronik oder der Textilindustrie i n vielen Ländern i n seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt, wenn nicht weitgehend außer Kraft gesetzt. Bis i n jüngste Zeit hat sich die Zahl der Branchen, denen Protektion gewährt wurde, erhöht und der Schutz für die einzelnen Branchen verstärkt. Die Tokio-Runde i m Rahmen des GATT hat i m Ergebnis diesen Trend nicht umzukehren vermocht (Stecher, 1980)18. 22. Sinkende Effizienz der staatlichen Wirtschaftspolitik, zunehmende Unsicherheit und — vor allem i n Europa — Lohndruck haben die GeDies schließt nicht aus, daß die öffentlichen Investitionen unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten zu hoch waren. So ist fragwürdig, ob die öffentliche Investitionstätigkeit — insbesondere zu Zeiten künstlich gedrückter Realzinsen — i n A r t u n d Umfang stets dem Komplementaritätsgebot zu p r i vaten Investitionen Rechnung getragen hat. is Die staatliche Protektionspolitik k a n n als ein wichtiger G r u n d dafür angesehen werden, daß sich i n einer Reihe v o n Industrieländern — wie auch den Analysen i m Rahmen der Strukturberichterstattung für den F a l l der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen — die Geschwindigkeit des S t r u k turwandels i n den 1970er Jahren nicht wesentlich v o n der i n den 1960er Jahren unterscheidet, obwohl der Anpassungsdruck oder der Zwang zum Strukturwandel k r ä f t i g zugenommen hat. Die staatlichen Schutzmaßnahmen waren zumeist beschäftigungspolitisch motiviert. I n der Tat zeigt eine j ü n gere empirische Untersuchung für die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande, Schweden u n d das Vereinigte Königreich, daß sich gemessen am Anpassungsdruck die Beschäftigungsstrukturen noch rigider erwiesen als die Produktionsstrukturen (Fries, 1983, S. 143 - 155).

24

Frank Wolter

winnmargen trendmäßig geschmälert und die Gewinnerwartungen beeinträchtigt. I n den vergangenen zehn Jahren ging i n der Folge i n allen Industrieländern die Kapitalbildung i m Vergleich zur Entwicklung zuvor deutlich zurück (Tabelle 6) 19 . Dabei wäre unter dem Gesichtspunkt der Vollbeschäftigung eine beschleunigte Kapitalbildung angezeigt gewesen, weil sich seit den frühen siebziger Jahren i n den meisten Industrieländern der frühere Trend i m Knappheitsverhältnis von Arbeit und Kapital abgeflacht oder gar umgekehrt hat. Einerseits nahm das Arbeitsangebot stärker zu als vordem, weil die Erwerbsquote der Frauen stieg oder w e i l aufgrund demographischer Faktoren die Zahl der Erwerbspersonen rascher stieg als i n den sechziger Jahren. Andererseits war mit den Energie- und Rohstoffpreisschocks ein Teil des existierenden Kapitalstocks ökonomisch obsolet geworden und neues Realkapital wurde nur noch schleppend gebildet. Schließlich wurde der existierende Kapitalstock weniger effizient genutzt, waren Investitionsentscheidungen m i t höheren Fehlermargen behaftet und wurde der technische Fortschritt i n vielen Ländern verstärkt i n arbeitssparende Bahnen gelenkt. Rein statistisch gesehen verfügen die Industrieländer zwar gegenwärtig über beträchtliche Reserven bei den Sachkapazitäten. Doch dürfte es sich dabei vielfach u m Kapitalstock handeln, der auch i n einem künftigen Aufschwung nicht rentabel ausgelastet werden kann 2 0 . Beim gegebenen Preisniveau und den herrschenden Löhnen dürften sich die Sachkapazitäten einmal mehr als Engpaß erweisen, der kurzfristig das Erreichen von Vollbeschäftigung i n den Industrieländern verhindert. 23. Das Ausmaß der Kapitalmangelarbeitslosigkeit, die sich i n den Industrieländern herausgebildet hat, läßt sich beispielhaft i n gewissen Grenzen abschätzen. Diesen Schätzungen liegt der Gedanke zugrunde, daß Kapitalmangelarbeitslosigkeit als Differenz zwischen dem Produktionspotential auf Basis der Erwerbspersonen und dem Produktionspotential auf Basis des Kapitalstocks interpretiert werden kann (Fels, Weiss, 1978, S. 48). Das Ergebnis solcher Berechnungen für die Bundesrepublik Deutschland i m Zeitraum 1960 bis 1981 veranschaulicht, daß sich seit 1973 eine zunehmende Arbeitsplatzlücke aufgetan hat (Schaub i l d 1). Entsprechende Berechnungen wurden auch für das Vereinigte Königreich, Japan, Kanada und die Vereinigten Staaten durchgeführt, i» Wie i m F a l l der Produktivitätsentwicklung unterschätzen die i n Tabelle 6 ausgewiesenen Renditen den tatsächlichen Renditeverfall i n dem Maße, i n dem i m Zeitablauf Unternehmen aus dem M a r k t ausgeschieden sind u n d damit Arbeitslosigkeit entstanden ist. so Statistisch nicht erfaßte Obsoleszenz v o n Sachkapital u n d erhöhte I n effizienzen i n der Nutzung des Kapitalstocks sind nach einer empirischen Untersuchung v o n Baily (1981) die zentrale E r k l ä r u n g für die Produktivitätsschwäche i n den Vereinigten Staaten.

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

25

Tabelle 6 Nettoinvestitionsquotena) und Renditen*)) in den OECD-Ländern insgesamt und in ausgewählten OECD-Ländern, 1965 -1982 (vH)

1965-69 Vereinigte Staaten

Kanada

Bundesrepublik Deutschland

Frankreich

Italien

Vereinigtes Königreich

Japan

OECD-Länder insgesamt

Nettoinvestitionsquote Rendite (netto)e)

28,8

Nettoinvestitionsquote Rendite (netto)

Zeiträume) 1970-73 1974-79

1980-82

9,5 22,3

6,9 19,9

4,ld)

12.4 10,9

12,5

13,5 9,9

12,9d)

Nettoinvestitionsquote Rendite (netto)

14,9 17,5

16,1

Nettoinvestitionsquote Rendite (netto)

15,2 16,5g)

16,0 17,4

12,00

16,8

15,1

11,3

12,4 9,6

11,7 8,4

8,7

20,6

24,9 33,7

22,0

34,0

14,7

14,8

11,6

Nettoinvestitionsquote Rendite (netto) Nettoinvestitionsquote Rendite Nettoinvestitionsquote Rendite (brutto) Nettoinvestitionsquote

10.3

10,2

15,2

11,3 13,2*) 12,9

6,0

35,0

a) I n konstanten Preisen. — b) Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in v H des Nettoanlagevermögens. Warenproduzierende Gewerbe zuzüglich Verkehr und Nachrichtenübermittlung (ISIC-Positionen 2, 3, 4, 5, 7). — c) Die landesspezifischen Stichjahre sind aus Anhang I ersichtlich. — d) Basisdaten für 1982 umfassen nur die ersten drei Quartale. — e) Verarbeitende Industrie (ISIC-Position 3). — Endjahr: 1978. — Anfangsjahr: 1967. Quelle: OECD, National Accounts, 1963 - 1980, Vol. I I . — OECD, Quarterly National Accounts Bulletin, 1982/IV.

26

Frank Wolter Schaubild 1

Produktionspotential und Bruttoinlandsprodukt in der Bundesrepublik Deutschland, 1960-1981 Mrd. DM in Preisen von 1976

a Produkt von Erwerbspersonen und dem (extrapolierten) Trend der Arbeitsproduktivität in der Periode 1960 -1973; Basis fürdie Berechnung der Trendwerte: tatsächlicher Wert im Jahr 1970. - ^Produkt von Kapitalstock und dem (extrapolierten) Trend der Kapitalproduktivität in der Periode 1960-1973; Basis fürdie Berechnung der Trendwerte: tatsächlicher Wert der Kapitalproduktivität im Jahr 1970. - c Für Wohnungsvermietung, Staat, private Haushalte, private Organisationen ohne Erwerbscharakter, nicht abzugsfähige Umsatzsteuer, Einfuhrabgaben sowie die Bereinigung um unterstellte Bankdienstleistungen wurden die tatsächlichen Werte herangezogen. Quelle: Berechnet nach Statistisches Bundesamt. Fachserie 18, Reihe S.5, Revidierte Ergebnisse 1960 bis 1981; Wirtschaft und Statistik, 11/1982.

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft Tabelle

27

7

Z u r A r b e i t s p l a t z l ü c k e i n a u s g e w ä h l t e n O E C D - L ä n d e r n , 1973 - 1981 (Tsd.)

Arbeitslose

Staaten

Kanada

Bundesrepublik Deutschland

Vereinigtes Königreich

Japan

Arbeitsplatzreserve ]>)

Arbeitsplatzlücke

1973

4 365

2 832

178

1355

1979

6 137

2 832

991

2 314

1980

7 637

2 832

2 052

2 753

1981

8 273

2 832

2 416

3 025

1973

515

382

0

133

1979

838

382

320

136

1980

867

382

377

108

1981

898

382

398

118

1973

273

149

1979

876

149

51 17

710

1980

889

149

44

696

1981

1272

CO

Vereinigte

Sockelarbeitslosigkeita)

161

962

1973

575

542

2

31

1979

1344

542

275

527

I 73

1980

1660

542

524

594

1981

2 681

542

1 104

1035 8 334

1973

680

590

82

1979

1 170

590

246

1980

1 140

590

215

335

1981

1260

590

251

419

a) Arbeitslose im letzten Boomjahr vor 1973. — b) I m existierenden Kapitalstock noch vorhandene Arbeitsplätze, berechnet als ([PK-B] : [PE-B]) · (A-S) mit P K = Produktionspotential auf Kapitalstockbasis; Β = Reales Bruttoinlandsprodukt; PE = Produktionspotential auf Erwerbspersonenbasis; A = Arbeitslose; S = Sockelarbeitslosigkeit. Quelle: Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Fachserie 18, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe 5.5, Revidierte Ergebnisse 1960 bis 1981. — Wirtschaft und Statistik, 11/1982. — Central Statistical Office London, National Income and Expenditure, versch. Jgg. — Ministry of Labour (U. Κ.), Statistics on Incomes, Prices, Employment and Production, versch. Jgg. — Statistics Bureau Tokio, Japan Statistical Yearbook, var. iss. — Statistics Canada, Fixed Capital Flows and Stocks, 1926 - 1978 und 1982. — Statistics Canada, The Labour Force, versch. Jgg. — U.S. Department of Labour, Monthly Labour Review, versch. Mon. — U.S. Department of Commerce, The National Income and Product Accounts of the United States, 1929 - 1974. — U.S. Department of Commerce, Survey of Current Business, versch. Ausg. — U.S. Bureau of Labour Statistics, Employment and Earnings, January 1983; United States, 1909- 1978. — Employment and Training Report of the President, 1982. — OECD, Labour Force Statistics, versch. Jgg. — OECD, National Accounts, versch. Ausg. — OECD (1976). The Measurement of Capital. — Eigene Schätzungen und Berechnungen.

28

Frank Wolter

für die ebenfalls geeignete Basisdaten vorliegen 2 1 . A u f Grundlage dieser Berechnungen konnte die Zahl der Arbeitsplätze grob abgeschätzt werden, die i n den einzelnen Ländern infolge Kapitalmangels fehlen (Tabelle 7). Die Schätzungen können aus drei Gründen als konservativ gelten 2 2 : Erstens basieren sie auf der offenen Arbeitslosigkeit. Angesichts der ungünstigen Arbeitsmarktlage i n den siebziger und frühen achtziger Jahren ist aber zu vermuten, daß Arbeitswillige i n die stille Reserve abgewandert sind 2 3 . Zweitens überschätzen die amtlichen Kapitalstockzahlen den tatsächlich existierenden Kapitalstock, soweit Sonderabgänge infolge der Angebotsschocks nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt sind. Drittens wurde bei den Berechnungen unterstellt, daß das Grenzprodukt der Arbeit mit zunehmendem Beschäftigungsgrad konstant bleibt. Die Berechnungsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: — I n den frühen achtziger Jahren klafft m i t Ausnahme von Kanada i n allen Ländern eine berträchtliche Arbeitsplatzlücke, i n der Bundesrepublik Deutschland lag sie i m Jahre 1981 beispielsweise i n der Größenordnung von mindestens 1 M i l l i o n Arbeitsplätzen. — I m Vergleich zu Nordamerika hat sich seit 1973 die Kapitalmangelarbeitslosigkeit i n der Bundesrepublik Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Japan besonders drastisch erhöht. Diese Beobachtung ist m i t dem Umstand konsistent, daß sich die Reallöhne i n Nordamerika als weniger rigide nach unten erwiesen haben als i n Japan und Europa. Weltweite Unterbeschäftigung w i r d nach diesen Berechnungen eine Dauererscheinung bleiben, wenn nicht über positive Angebotsschocks (realer Energiepresverfall, reale Lohnsenkung, Produktivitätsschub) noch existierender Kapitalstock in ausreichendem Maße wieder ökono21 Die Potentialschätzungen beruhen auf dem Produkt von tatsächlichem Kapitalstock (tatsächlichen Erwerbspersonen) u n d einer fiktiven Kapitalprod u k t i v i t ä t (Arbeitsproduktivität) bei Vollbeschäftigung. Die fiktiven Produkt i v i t ä t e n w u r d e n ermittelt, indem der durchschnittliche Produktivitätsanstieg i m Zeitraum 1960 - 1973 auf Basis des landesspezifischen letzten Boomjahres v o r 1973 (also dem letzten Vollbeschäftigungsjahr v o r E i n t r i t t der Angebotsschocks der frühen siebziger Jahre) bis 1981 extrapoliert wurde. Die Berechnungen beziehen sich auf den Unternehmenssektor ohne W o h nungsvermietung (Vereinigtes Königreich: Unternehmenssektor ohne Dienstleistungen). Das Produktionspotential der übrigen Wirtschaftsbereiche wurde m i t dem realisierten realen Bruttoinlandsprodukt angesetzt. 22 Andererseits hat sich vermutlich die Erwerbstätigkeit i m Schattensektor i n den vergangenen zehn Jahren beschleunigt erhöht. Vgl. beispielsweise Langfeldt (1982). 23 Der Sachverständigenrat (1981, S. 69) gelangt i n einer Schätzung für das Jahr 1981 auch i m Falle der Bundesrepublik zu einer höheren Arbeitsplatzlücke als der i n Tabelle 7 ausgewiesenen.

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

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misch rentabel w i r d oder es zu einer kräftigen und nachhaltigen Belebung der (privaten) Investitionstätigkeit i n den Industrieländern kommt. III. 24. Kapitalmangel und Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft sind i m Kern eine Folge verstärkter Unsicherheit und verzerrter Preisrelationen. Wirtschaftspolitische Therapien, die auf die Ursachen abzielen, müssen an diesen beiden Punkten ansetzen. Die konkrete Problemlage, die institutionellen Gegebenheiten, die Reaktionen der W i r t schaftssubjekte auf wirtschaftspolitische Maßnahmen unterscheiden sich international freilich viel zu sehr, als daß allgemeingültige Rezepte angezeigt wären. Allenfalls kann es hier darum gehen, einige wirtschaftspolitische Grundlinien zur Diskussion zu stellen. Mehr Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik und mehr Wettbewerb auf Faktor- und Gütermärkten sind die zentralen Leitgedanken. 25. Die Erfahrungen der siebziger Jahre belegen die Vermutung, daß eine kurzfristig angelegte Geld- oder Fiskalpolitik strukturelle Anpassungsprobleme, die zu bewältigen sind, allenfalls verschleppt und insgesamt verschärft. Illusionen, aufgrund derer eine expansive Geldoder Fiskalpolitik beschäftigungswirksam werden könnte, existieren ohnehin derzeit wohl kaum. Es kommt vielmehr darauf an, die Investitionstätigkeit, die kurzfristig Nachfrage schafft und längerfristig den Kapitalmangel beseitigen kann, auf andere Weise anzuregen. 26. I m Rahmen staatlicher Möglichkeiten liegen Beiträge, die geeignet erscheinen, die Erwartungen von Investoren und Konsumenten nachhaltig zu stabilisieren. Vor allem darf kein Zweifel an dem W i l l e n aufkommen, — die inflatorischen Kräfte künftig wirksam zu kontrollieren sowie — die öffentlichen Haushalte zügig quantitativ und qualitativ zu konsolidieren. Es geht darum, daß der Staat sich verstärkt darauf konzentriert, das öffentliche Gut Vertrauen zu produzieren. Dies würde Fehler bei Produktions-, Beschäftigungs- und Investitionsentscheidungen i m privaten Sektor verringern oder vermeiden helfen, den Zeithorizont der Investoren ausweiten und einen niedrigeren Realzins ermöglichen als er andernfalls von den Sparern gefordert würde und von den Investoren zu entrichten wäre. 27. Die Inflationsbekämpfung ist i n einigen Industrieländern i n j ü n gerer Zeit erheblich vorangekommen. Selbst i n diesen Ländern müssen

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die Erfolge jedoch noch nachhaltig gesichert werden. Der Kurs der Geldpolitik i n den Vereinigten Staaten und, jüngst, auch i n der Bundesrepublik haben i n dieser Hinsicht bereits wieder zu Fragezeichen Anlaß gegeben. 28. Wirksame Inflationsbekämpfung bedeutet auch, daß Hemmnisse für den Strukturwandel beiseite geräumt werden. Andernfalls werden i m Aufschwung wieder frühzeitig Engpässe auftreten, die inflatorisch w i r k e n und so oder so verhindern, daß die strukturelle Arbeitslosigkeit verschwindet. U m die gesamtwirtschaftliche Angebotselastizität zu erhöhen, eröffnet sich der Wirtschaftspolitik ein weites Feld: — Der Schutz gegenüber der Konkurrenz von außen, der i n den vielfältigen Formen des neuen Protektionismus zulasten der Wachstumsbereiche i n den Industrieländern immer mehr wuchert, wäre ab- statt aufzubauen. — Steuerliche und sonstige Privilegien für öffentliche Unternehmen wären zu überprüfen. I m Zweifel wären öffentliche Anbieter p r i vater Konkurrenz auszusetzen, wobei dafür zu sorgen ist, daß die privaten Anbieter nicht diskriminiert werden 2 4 . — Das Steuersystem wäre daraufhin zu durchforsten, inwieweit es Risikokapital etwa i m Rahmen von Abschreibungsgesellschaften wie Bauherrenmodellen fehlleitet 2 5 . Andererseits wären Ressourcen, die aufgrund von steuerlichen Vorschriften i n Unternehmen brachliegen, durch geeignete Steueränderungen für den Strukturwandel freizusetzen. — Die Arbeitsmarktverfassung wäre daraufhin abzuklopfen, inwieweit bestehende Privilegien und Schutzgebiete gesamtwirtschaftlich (noch) vertretbar sind. Es gilt, nach einer Phase immer selektiverer Eingriffe zugunsten bestimmter Gruppen, Sektoren und Regionen ordnungspolitische Grundsätze wieder stärker zur Anwendung kommen zu lassen. Denn i n einem dynamischen System ist makroökonomische Stabilität auf die Dauer nur um den Preis hoher Instabilitäten auf der mikroökonomischen Ebene, das heißt eines kräftigen Strukturwandels, zu haben. 29. Solange strukturelle Haushaltsdefizite bestehen, sollte — wie i n der Bundesrepublik vom Sachverständigenrat vorgeschlagen — der Zuwachs der öffentlichen Ausgaben hinter dem (erwarteten) Zuwachs 24 öffentliche Aufgaben könnten grundsätzlich ausgeschrieben werden, öffentliche Unternehmen wären zu einer Kostenrechnung nach p r i v a t w i r t schaftlichen Gesichtspunkten zu verpflichten, öffentliche Unternehmen wären m i t den gleichen Abgaben wie private Unternehmen zu belasten. 25 Vgl. beispielsweise Deutsche Bundesbank (1983, S. 49).

Kapitalmangel u n d Unterbeschäftigung i n der Weltwirtschaft

31

des Bruttosozialprodukts zurückbleiben. Einsparungsmöglichkeiten bestehen unter anderem darin 2 6 , daß — von der häufig angewendeten Objekt- auf die Subjektförderung übergegangen wird, so beispielsweise i m sozialen Wohnungsbau; — öffentliche Zuschüsse vermehrt auf Ausfallbürgschaften umgestellt werden; — Subventionen und andere öffentliche Fördermaßnahmen i n stärkerem Maße als bislang zeitlich befristet und degressiv abgebaut werden; — Folgekosten von öffentlichen Investitionen verstärkt über Gebühren • finanziert werden; und — die Mischfinanzierung öffentlicher Ausgaben eingeschränkt wird. I n qualitativer Hinsicht sind vor allem Abstriche beim konsumtiven Teil der öffentlichen Ausgaben erforderlich. Bei den Nutzen-KostenAbwägungen i m Hinblick auf öffentliche Investitionen gebührt den Folgekosten erhöhte Aufmerksamkeit. 30. I n der Ausgabenstruktur wie bei den steuerlichen Anreizen sind die Akzente stärker als bislang dahingehend zu setzen, daß — Risikokapital bereitgestellt wird, — die Eigenkapitalbasis der Unternehmen gestärkt wird, — Märkte auch durch die Neugründung von Unternehmen offener werden und — sich die Geburtenrate und Diffusionsgeschwindigkeit von Innovationen erhöht 2 7 . Derartige Maßnahmen sind geeignet, die Elastizität oder Widerstandsfähigkeit von wirtschaftlichen Systemen zu erhöhen. Sie können auch dazu beitragen, den Produktivitätsfortschritt, der sich i n den siebziger und achtziger Jahren i n allen Industrieländern abgeschwächt hat, erneut auf einen steileren Pfad zu bringen. 31. E i n beschleunigter Produktivitätsfortschritt kann es erleichtern, Faktorpreisrelationen, die zuvor zu Lasten des Güterzinses verzerrt waren, wieder zu entkrampfen. Er mindert die Anpassungslast bei den Reallöhnen. Denn inwieweit und wie rasch es gelingt, Kapitalmangel und Unterbeschäftigung zu beseitigen, hängt entscheidend von den 2β Z u einer Reihe v o n konkreten Vorschlägen vgl. Vaubel (1982). 27 I n der Bundesrepublik ist einiges i n dieser Hinsicht i n den letzten Jahren bereits geschehen. Worauf es ankommt, ist diesen Weg beharrlich weiterzugehen. Konkrete Vorschläge darüber, was i m einzelnen geändert werden könnte, liegen i n großer Zahl v o r (Engels et al., 1983; Giersch, 1983).

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Chancen für eine zurückhaltende Lohnpolitik ab. Schließlich war es vor allem die Rigidität der Reallöhne, die zum Kapitalmangel geführt hat. Wo, wie i n Europa, Nominallohnpausen geschweige denn Nominallohnsenkungen derzeit offenbar die gesellschaftlichen Kräfte überfordern, wäre eine mittelfristig angelegte Strategie hilfreich, bei der der Reallohnanstieg solange hinter dem beschäftigungsneutralen Produktivitätsanstieg zurückbleibt, bis erneut ein hoher Beschäftigungsgrad erreicht ist. Je größer die Differenz ausfällt, desto rascher w i r d die Unterbeschäftigung abgebaut. Für eine solche Politik bedarf es keines formalen Paktes und keiner öffentlichen Erklärungen; es bedarf aber der Einsicht und des Konsensus, daß weniger Lohn(-zuwachs) eine Investition i n Arbeitsplätze ist, jedenfalls solange der Staat durch geeignete Rahmenbedingungen für Wettbewerb auf den Gütermärkten sorgt 28 . 32. Die Lohnpolitik muß unter Beschäftigungsaspekten nicht nur zurückhaltender, sondern auch differenzierter als i n der Vergangenheit vorgehen. Wie auf den Gütermärkten, so muß auch auf den Faktormärkten der Preis von verteilungspolitischen Aufgaben entfrachtet und wieder i n seine eigentliche Rolle, nämlich der eines Knappheitsindikators, eingesetzt werden. Bei insgesamt zurückhaltender Lohnpolitik könnte die Lohndrift stärker als i n der Vergangenheit genutzt werden, u m eine markträumende Lohnstruktur herauszufinden. 33. Neben der Lohnpolitik ist i n der Bundesrepublik und i n anderen Industrieländern die Arbeitszeit verstärkt i n die Diskussion geraten. Die Option (echte) Produktivitätsfortschritte i n Form von Arbeitszeitverkürzungen — sei es bezogen auf die Wochenarbeitszeit, auf die Jahresarbeitszeit oder auf die Lebensarbeitszeit — weiterzugeben, ist i n einem marktwirtschaftlichen System selbstverständlich. Freilich dürfen keine Illusionen über die Kosten einer solchen Option bestehen 29 . Eine andere Frage ist, ob es gegenwärtig etwas weiterzugeben gibt — und dies einmal unterstellt — ob die Arbeitszeitverkürzungen ein geeignetes Instrument sind, u m die Unterbeschäftigung zu beseitigen 30 . Arbeitszeitverkürzungen bringen Faktorpreisrelationen, die zuvor i m Ungleichgewicht waren, insofern tendenziell ins Gleichgewicht, als sie das Arbeitsvolumen i m Verhältnis zum Kapitalstock verknappen. Jedoch würde es marktwirtschaftliche Anpassungsmechanismen auf den 28 Anhaltspunkte über die Beschäftigungseffekte, die i m Falle einer zurückhaltenden L o h n p o l i t i k k u r z - bis m i t t e l f r i s t i g zu erwarten sind, liefern jüngere empirische Studien. F ü r den F a l l der Bundesrepublik vgl. beispielsweise Kirkpatrick (1982); Lehment (1982); Roth (1982). 2» Vgl. Sachverständigenrat (1979, SG 1978, Ziffern 31 ff.). 30 Z u einer ausführlicheren Diskussion vgl. Sachverständigenrat, ebenda u n d Ott (1979).

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Kopf stellen, wenn durch eine erzwungene Verknappung des Angebots vormals überhöhte Reallöhne zu Gleichgewichtspreisen gemacht w ü r den. Überdies werden generelle Arbeitszeitverkürzungen, u m die die Diskussion kreist, nicht der Tatsache interpersoneller, intersektoraler, interregionaler und intertemporaler Komplementaritäten gerecht. Was gegenwärtig benötigt wird, ist ein hohes Maß an Flexibilität, so daß es nicht wegen Engpässen — beispielsweise i n Unternehmensteilen, Zulieferbranchen, i m Verteilungsnetz oder bei bestimmten Qualifikationsgruppen von Arbeitskräften — zu Stockungen i n der gesamtwirtschaftlichen A k t i v i t ä t kommt. 34. Kapitalmangel und Unterbeschäftigung — das zeigen auch die historischen Erfahrungen — werden kaum über Nacht verschwinden. Die gleichen Trägheiten, die seit den frühen 1970er Jahren die derzeit bestehenden, fundamentalen Ungleichgewichte haben entstehen lassen, w i r k e n raschen Fundamentalkorrekturen entgegen. Wirtschaftspolitisches Handeln, das auf der Angebotsseite ansetzt, kann aber dazu beitragen, daß sich der Korrekturprozeß beschleunigt. Abstrakt zusammengefaßt geht es einerseits darum, die erforderlichen Anreize (wieder) wirksam werden zu lassen oder zu setzen, damit sich zumindest mittelfristig die Zahl der rentablen Arbeitsplätze i n einem Maße erhöht, das erneut Vollbeschäftigung ermöglicht. Zum anderen muß die Anpassungsfähigkeit i n den Industrieländern wie i n der Weltwirtschaft insgesamt gefördert werden. Denn flexible Systeme verringern nicht nur die Wahrscheinlichkeit, daß Angebotsschocks überhaupt erst entstehen; sie ermöglichen es auch, daß künftige Angebotsschocks, die nicht ausbleiben werden, m i t geringeren Wachstums- und Beschäftigungseinbußen verkraftet werden können als dies i n den letzten zehn Jahren der Fall war.

Anhang Wenn nicht anders vermerkt, w u r d e n der länderspezifischen Periodenabgrenzung i n den Tabellen 2 bis 7 folgende Stichjahre zugrundegelegt: Vereinigte Staaten

1966

1969

1973

1979

1982

Kanada

1966

1969

1973

1979

1982

Bundesrepublik Deutschland

1965

1970

1973

1979

1982

Frankreich

1964

1969

1973

1979

1982

Italien

1967

1970

1973

1980

1982

Vereinigtes Königreich . .

1964

1968

1973

1979

1982

Japan

1964

1970

1973

1980

1982

OECD-Länder insgesamt . .

1965

1969

1973

1979

1980

3 Konjunkturpolitik, Beiheft 30

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Frank Wolter

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Wachstumsengpässe und Kapitalbildung* Von Hans-Jürgen Krupp und Dietmar Edler**, Berlin 1. Die Wachstumsschwäche zu Beginn der 80er Jahre Seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre ist die Weltwirtschaft von Entwicklungen geprägt, die man zusammenfassend als Wachstumsschwäche bezeichnen kann. Besondere Kennzeichen dieser Entwicklung sind hohe Arbeitslosigkeit und insgesamt niedrigere Zuwachsraten bei den Investitionen. Da der Rückgang des Wachstums zeitlich mit der schwachen Investitionsentwicklung und dem Beschäftigungsrückgang korreliert, liegt es nahe, Hypothesen i n die Diskussion einzubringen, die diese drei Größen miteinander verbinden. Der Ökonom kann sich freilich damit nicht zufrieden geben. Da von ungenügendem Wachstum Rückwirkungen auf Beschäftigung und Investitionen ausgehen, ist durch eine derartige Analyse nicht ausgeschlossen, daß es völlig andere Faktoren sind, die zu dem ungenügenden Wachstum geführt haben und die sich nun als Reflex auf Investitionen und Beschäftigung niederschlagen. Wachstumsengpässe können auf ganz anderen Gebieten liegen, die Tatsache, daß verlangsamtes Investitionswachstum und geringes Wirtschaftswachstum zeitlich zusammenfallen, sagt noch nichts darüber aus, ob die mangelnde Kapitalbildung Ursache für das rückläufige Wachstum ist. Korrelationsanalysen diesen Typs geben daher keine Antwort auf die Frage, inwieweit mangelnde Kapitalbildung mangelndes Wachstum herbeiführt. 1 Gerade für wirtschaftspolitische Überlegungen ist dies aber eine sehr wichtige Frage. Wäre die mangelnde Kapitalbildung Ursache des rückläufigen Wachstums, würde es reichen, mit entsprechenden Förderungsmaßnahmen das Sparen zu fördern und die Investitionen anzuregen. Neue Arbeitsplätze würden geschaffen, ein neuer Wachstumsprozeß ausgelöst. Hat die Wachstumsschwäche andere Ursachen, so daß die Investitionen zu niedrig sind, weil das Wachstum zu niedrig ist, könnte * Vollständige Fassung des gekürzt vorgetragenen Referates. ** Deutsches I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung, Berlin. ι Auch formale Tests auf Kausalität, die auf Verfahren der Zeitreihenanalyse aufbauen, lassen keine endgültigen A n t w o r t e n erwarten. Vgl. zu den verschiedenen Konzepten der Kausalitätstests z . B . G. Kirchgässner, Einige neuere Verfahren zur Erfassung kausaler Beziehungen zwischen Zeitreihen, Göttingen 1981.

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Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

dieselbe Strategie die Situation weiter verschärfen. Zusätzliches Sparen, das wegen der Wachstumsschwäche nicht von zusätzlichen Investitionen begleitet wird, würde zu zusätzlichem Nachfrageausfall führen und die Wachstumsprobleme verschärfen. Die Frage, ob zu den Wachstumsengpässen der Kapitalmangel gehört, und falls dies der Fall ist, welches Gewicht dieser Einflußgröße zukommt, ist daher von unmittelbarer wirtschaftspolitischer Bedeutung. Diese Problematik hat eine nationale und eine internationale Dimension. Für die Ebene eines einzelnen Industrielandes wie der Bundesrepublik Deutschland stellt sich die Situation anders dar als für die Gesamtheit der westlichen Industrieländer; dies gilt erst recht für die Gesamtheit der Welt, also einschließlich der Entwicklungs- und Staatshandelsländer. Für einzelne Industrieländer ist es am ehesten möglich, empirische Informationen zur Beantwortung der gestellten Frage heranzuziehen. Allerdings gilt auch für sie, daß sie — zumindest soweit freier Kapitalverkehr besteht — von der Situation i n anderen Industrieländern abhängt. 2 Besteht i m Inland ein Überangebot an Kapital, w i r d dies auf den Kapitalmarkt der Industrieländer drängen, besteht eine Knappheit, kann zusätzliches Kapital bei den westlichen Industrieländern eingeworben werden. A u f der anderen Seite werden Aussagen über die Gesamtheit der westlichen Industrieländer sehr unsicher sein. Es ist schwierig, die sehr unterschiedlichen institutionellen Gegebenheiten i n den verschiedenen Ländern bei der Aggregation zu berücksichtigen. Ein anderes B i l d ergibt sich für die Staatshandels- und Entwicklungsländer. Für beide Ländergruppen kann kein Zweifel daran bestehen, daß zu den Hemmnissen des Wachstumsprozesses auch der Kapitalmangel gehört. Ganz offenkundig haben sie jedoch Schwierigkeiten, ausländisches Kapital anzuziehen, da Investitionen i n diesen Ländern als sehr risikobehaftet angesehen werden. Es ist daher mehr das hohe Risiko der Investition als der Kapitalmangel i m engeren Sinne, der dazu führt, daß die Wachstumsprozesse i n diesen Ländern begrenzt sind. 2 Obwohl es sicher nicht zutreffend ist, v o n einem v ö l l i g freien K a p i t a l verkehr zwischen den Industrieländern auszugehen, deuten neuere Untersuchungen doch auf eine große M o b i l i t ä t des Kapitals h i n , vgl. z. B. J. D. Sachs, The Current Account and Macroeconomic A d j u s t m e n t i n the 1970's, in: Brooking Papers on Economic A c t i v i t y , 1981: 1, S. 201 ff. Z u einer anderen Einschätzung kommen M . Feldstein, Ch. Horioka, Domestic Saving and I n ternational Capital Flows, in: Economic Journal, 1980, Vol. 90, S. 314 ff. M a n k a n n aber davon ausgehen, daß die internationale K a p i t a l m o b i l i t ä t i n den 70er Jahren zugenommen hat, vgl. z.B. B. P. Bosworth, Capital Formation and Economic Policy, i n : B r o o k i n g Papers on Economic A c t i v i t y , 1982: 2, S. 273 ff.

Wachstumsengpässe u n d K a p i t a l b i l d u n g

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Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, sein Augenmerk zunächst auf die Situation einzelner Industrieländer, hier insbesondere auf die der Bundesrepublik Deutschland, zu richten. Man muß sich aber darüber i m klaren sein, daß diese Überlegungen der Ergänzung auf internationaler Ebene bedürfen. Die politisch entscheidende Frage nach der Kausalrichtung der zu beobachtenden Zusammenhänge kann empirisch abschließend nicht geklärt werden. Infolgedessen müssen zur Beantwortung der gestellten Frage theoretische Überlegungen und empirische Befunde miteinander verbunden werden. Geht man von der neoklassischen Theorie aus, kann zunächst kein Zweifel daran bestehen, daß bei Vollbeschäftigung der mögliche Wachstumspfad durch die zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren bestimmt w i r d und daß die Kapitalbildung hierbei ein wesentlicher Einflußfaktor ist. Unter den Bedingungen eines solchen Modells werden die Produktionsfaktoren voll ausgelastet, und es kann ein optimaler Wachstumspfad bestimmt werden. 8 I m Rahmen eines derartigen Modells kann auch erklärt werden, wie kurzfristige Störungen überwunden werden können und wie sich langfristig wieder Vollbeschäftigung einstellt. Derartige Störungen können auf beiden Seiten des Kapitalmarktes ansetzen. Einerseits können Investitionen aufgrund ungenügender Investitionsneigung und damit ungenügender Kapitalnachfrage zu niedrig sein, andererseits kann eine unzureichende Sparneigung zu einem zu niedrigen Kapitalangebot führen. Theoretisch kommt es in beiden Fällen zu Ausgleichsprozessen. Zu geringe Kapitalnachfrage hätte über sinkende Zinsen zu einer niedrigeren Sparquote und zu höherem Konsum führen müssen. Diese höhere Konsumnachfrage hätte zu einer besseren Auslastung der bestehenden Produktionskapazitäten geführt und neue Investitionen induziert. Ein zu geringes Kapitalangebot hätte über steigende Zinsen eine Erhöhung der Sparquote mit sich gebracht, die über zusätzliche Investitionen für Vollbeschäftigung gesorgt und die Konsumquote beschnitten hätte. Dies alles ist offenkundig nicht unser Problem. Unterbeschäftigung und Wachstumsschwäche sind nicht vorübergehende Erscheinungen. Sie drohen, die Situation der Volkswirtschaft auf längere Zeit — und dies nicht nur i n der Bundesrepublik Deutschland — zu prägen. Wie kann es zu einer langandauernden Wachstums- und Beschäftigungskrise kommen? 3 Vgl. z . B . das bekannte Standardwerk der neoklassischen Wachstumstheorie E. Burmeister, A . R. Dobell, Mathematical Theories of Economic Growth, New Y o r k 1970, insbesondere K a p i t e l 11, S. 352 ff.

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Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

Eine allgemeine A n t w o r t hierauf ist einfach. Die Gründe können auf den Güter- und/oder den Faktormärkten liegen. Marktunvollkommenheiten, Starrheiten und Interventionen können hierzu beitragen. Es spricht viel für die These, daß die i n theoretischen Auseinandersetzungen weitverbreitete Methode, einzelne Märkte für unvollkommen zu halten, i m übrigen aber von der Hypothese vollkommener Märkte auszugehen, nicht weiterführt. I m Zweifel müssen w i r damit rechnen, daß Schwierigkeiten sowohl auf den Güter- als auch auf den Faktormärkten bestehen. 4 Das Thema legt es nahe, sich — soweit dies möglich ist — auf die Störungen der Kapitalmärkte zu beschränken. I m folgenden soll zunächst die Situation auf den beiden Seiten des Kapitalmarktes skizziert werden. Überlegungen zur Entwicklung der Investitionsquote und zur Auslastung des Produktionspotentials tragen dazu bei, die realen Effekte der Sachkapitalausstattung der Volkswirtschaft zu analysieren. Die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Sparquote und die Struktur der Kapitalherkunft erlauben Hinweise auf die Situation auf der Angebotsseite. Theoretisch ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage der Zinssatz als Steuerungsgröße des Kapitalmarktes. Es ist aber die Frage berechtigt, inwieweit der Zinssatz heute noch ein Indikator für Kapitalknappheit sein kann und inwieweit er von anderen Faktoren beeinflußt wird. Hierzu tragen auf der einen Seite eine monetaristisch ausgerichtete Geldpolitik und auf der anderen Seite die m i t der Finanzierung großer Leistungsbilanzdefizite verbundenen Risikoprobleme bei. Es empfiehlt sich daher, diese Problematik wenigstens kurz zu skizzieren. Abschließend ist die Frage wieder aufzunehmen, wo denn nun die relevanten Wachstumsengpässe der 80er Jahre liegen. 2. Zur Entwicklung der Investitionsquote Die Frage, ob die Investitionsquote i n den westlichen Ländern tatsächlich zu niedrig ist, ist nicht leicht zu beantworten. Empirisch ist zunächst einmal festzuhalten, daß der Rückgang der Investitionsquote in der westlichen Welt nicht so signifikant ist, als daß es plausibel wäre, hieraus die Wachstumsschwäche zu erklären. I n Schaubild 1 sind die Investitionsquoten Frankreichs, Italiens und des Vereinigten Königreiches gegenübergestellt. Man sieht, daß diese Länder eine weitgehend stabile Quote aufzuweisen haben, lediglich seit Mitte der 70er Jahre ist eine leichte Abschwächung des Trends zu beobachten. Schaubild 2 4 Vgl. z . B . H. J. Ramsey Theoretische u n d politische Aspekte v o n U n gleichgewichtskonzepten, in: Vierteljahrshef te zur Wirtschaftsforschung, Heft 4/1982, S. 444 ff. Besonders die Modellierung v o n spill-over- u n d feedback-Effekten ist hier v o n Interesse.

Wachstumsengpässe u n d K a p i t a l b i l d u n g

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zeigt die Investitionsquoten der USA, der Bundesrepublik Deutschland und Japans. Für die USA ergibt sich keine Abschwächung, nur für die Bundesrepublik Deutschland und Japan ist eine Absenkung des Trends feststellbar, nach 1975 steigt die Investitionsquote jedoch i n beiden Ländern wieder an. Schaubild 1. Anlageinvestitianen i n v. H. des BSP.

Schaubild 2. Anlageinvestitionen i n v. H. des BSP.

Für die Bundesrepublik Deutschland macht Schaubild 3 deutlich, daß das Sinken der Investitionsquote i m wesentlichen auf den Rückgang der Bauinvestitionen zurückzuführen ist. Dies ist nicht zuletzt ein Indiz für den Abschluß der Wiederaufbauphase m i t ihren notwendigerweise hohen Bauinvestitionen. Für die Ausrüstungsinvestitionen ist dagegen kein ins Gewicht fallender Rückgang zu beobachten. Zu einem ähn-

Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

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liehen Ergebnis k o m m t man, w e n n m a n den A n t e i l der Nettoinvestit i o n e n a m N e t t o s o z i a l p r o d u k t d a r s t e l l t { S c h a u b i l d 4). 5 H i e r ist e i n t e n d e n z i e l l e r R ü c k g a n g d e r W o h n u n g s b a u i n v e s t i t i o n e n z u beobachten, w ä h r e n d die U n t e r n e h m e n s i n v e s t i t i o n e n v o r a l l e m i n der ersten H ä l f t e d e r 70er J a h r e r ü c k l ä u f i g w a r e n , sich danach aber w i e d e r etwas e r h o l t haben. Schaubild 3. Anlageinvestitionen i n v. H. des BSP.

ANLAGEINU.

INSG.

20-

1 0 "

0

60

Quelle:

63

SS

S3

72

75

78

81

Statistisches Bundesamt.

Schaubild 4. Netloinvestitionen i n v. H. des NSP. 30T NETTOINU.

INSG.

20··

10

0

S0 6 2 6 4

66 68

70

72 74 76

78

80

Quelle: Statistisches Bundesamt, D I W .

β Die Berechnung v o n Nettoinvestitionen ist u. a. davon abhängig, ob die Abschreibungen zu Anschaffungs- oder zu Wiederbeschaffungspreisen bewertet werden. H i e r werden die Nettoinvestitionen gemäß der D I W - V e r m ö gensrechnung ausgewiesen, die auf Abschreibungen zu Anschaffungspreisen basiert. Vgl. B. Görzig, Das Sachvermögen i n den Wirtschaftsbereichen der Bundesrepublik Deutschland, Beiträge zur Strukturforschung, Heft 71, B e r l i n 1982.

Wachstumsengpässe und Kapitalbildung

43

Zusammenfassend ist zunächst zu bemerken, daß ein ins Gewicht fallendes Absinken der Investitionsquote i n den westlichen Industrieländern nicht festzustellen ist und daß der geringfügig stärkere Rückgang der Investitionsquote i n der Bundesrepublik Deutschland i m wesentlichen auf dem plausibel erklärbaren Rückgang der Bauinvestitionen beruht. Die Aussage, daß es keinen merklichen Rückgang der Investitionsquote gegeben habe, stimmt nicht m i t dem überein, was i n der öffentlichen Diskussion üblicherweise vorgetragen wird. Daß es zu keinem deutlichen Absinken gekommen ist, besagt aber allein keineswegs, daß die Investitionsquote ausreichend hoch ist. Es wäre ja denkbar, daß die für die Vollbeschäftigung notwendige Investitionsquote i m Zeitablauf steigt, so daß auch eine konstante Investitionsquote den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes nicht entspricht. Produktionstheoretisch könnte man zur Unterstützung dieser These auf den — wenn auch rückläufigen — Zuwachs des Kapitalkoeffizienten verweisen. Man muß sich darüber i m klaren sein, daß dieser nur die tatsächliche Entwicklung von Wachstum und Investition widerspiegelt. Ein schlüssiges Argument für die Notwendigkeit einer wachsenden Investitionsquote läßt sich hieraus nicht ableiten. Zieht man sich auf technische Überlegungen zurück, erhält man kein klares Ergebnis. A u f der einen Seite führen moderne Entwicklungen der Steuerungstechnik dazu, daß sehr viel höhere Stückzahlen m i t geringerem Kapitaleinsatz gefertigt werden können. Diese Entwicklung dürfte sich i m Zuge der Diffusion der Mikroelektronik weiter verstärken. A u f der anderen Seite gibt es eine ganze Anzahl von Investitionsbedingungen, die unzweifelhaft zu einem höheren Kapitalkoeffizienten führen. Es sei an dieser Stelle nur auf die Anforderungen des Umweltschutzes verwiesen, die einen zusätzlichen Kapitaleinsatz erfordern, ohne daß die Produktion zunimmt. A m Rande sei vermerkt, daß gerade diese Investitionen nur teilweise i m privaten Sektor erfolgen. Insgesamt läßt sich so jedenfalls nicht die Notwendigkeit einer steigenden Investitionsquote begründen. Von dieser Aussage zu trennen ist die Frage, ob nicht die Überwindung der hohen Arbeitslosigkeit und der gravierenden Wachstumsschwäche zwischenzeitlich eine steigende Investitionsquote notwendig macht. Häufig w i r d die Notwendigkeit einer steigenden Investitionsquote auch m i t der Reallohnentwicklung i n Verbindung gebracht. Es w i r d argumentiert, die zu stark gestiegenen Reallöhne würden dazu führen, daß die Unternehmer i n Rationalisierungsinvestitionen ausweichen müßten und sich hieraus ein steigender Kapitalbedarf ergäbe. Eine Umdrehung dieses Arguments würde angesichts des tatsächlichen Sachverhaltes zunächst nicht dafür sprechen, daß die Reallöhne tatsächlich zu

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Hans-Jürgen Krupp und Dietmar Edler

hoch gewesen sind, denn sonst hätte die Investitionsquote—bei gegebenem Umfang der Erweiterungsinvestitionen — steigen müssen. Darüber hinaus gilt für diesen wie für den zuletzt genannten Zusammenhang, daß unerklärt bleibt, warum es nicht zu marktwirtschaftlichen Anpassungsprozessen gekommen ist. Sowohl auf die technisch bedingte Verschiebung der Produktionsfunktion als auch auf die Veränderung der Faktorpreisrelationen hätten die Unternehmer mit zusätzlicher Investitionsnachfrage reagieren müssen, die den Preis des Faktors Kapital mittelfristig erhöht und so zu zusätzlichem Angebot von Kapital geführt hätte. Dies ist offensichtlich nicht eingetreten. Der Grund dafür ist nicht sicher auszumachen. Einmal kann es sich u m eine Marktunvollkommenheit auf dem Kapitalmarkt handeln — hierauf w i r d noch einzugehen sein — oder technischer Wandel und Reallohnentwicklung gaben keine ins Gewicht fallenden Anstöße zur Vergrößerung der Investitionsnachfrage. Ein Indikator hierfür ist die Auslastung des vorhandenen Sachkapitals. Läßt sich eine nennenswerte Unterauslastung des Produktionskapitals feststellen, w i r d die Plausibilität der These von der Notwendigkeit einer steigenden Investitionsquote eingeschränkt. 3. Zur Auslastung des Produktionspotentials Stellt man darauf ab, daß zum Produktionspotential einer Volkswirtschaft sowohl der Faktor Arbeit als auch der Faktor Kapital gehören, ist die Aussage für die Auslastung des Faktors Arbeit bei hoher Unterbeschäftigung trivial. Schwieriger ist es i n einer derartigen Situation, die Auslastung des Produktionsfaktors Kapital zu messen. Die Fortschreibung des produktionswirksamen Sachkapitals muß sich i n der einen oder anderen Form an der Entwicklung des Produktionsvolumens orientieren. Selbst technisch gilt, daß Produktionsanlagen, die für längere Zeit nicht benutzt werden, aus dem verfügbaren Produktionspotential ausscheiden. Ökonomisch sind die i n den letzten Jahren ja keineswegs seltenen Konkurse sowohl ein Hinweis auf die Unterauslastung des Sachkapitals als auch auf die Verminderung des Produktionsapparates. I n diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß i n den betroffenen Unternehmen die Vernichtung des Produktionsapparates nicht erst durch den Konkurs wirksam wird, sondern i n der Regel schon vorher beginnt. Eine derartige, an der Entwicklung der Produktion orientierte Fortschreibung des sachlichen Produktionspotentials mißt daher letztlich nur die marginale Unterauslastung. Sie gibt keinen Hinweis auf jene Auslastung, die sich ergeben hätte, wenn nicht ein Teil des Produktionspotentials aufgrund der schlechten Produktionsentwicklung ver-

Wachstumsengpässe und Kapitalbildung

45

nichtet worden wäre. Diese marginalen Auslastungsquoten unterschätzen daher das Ausmaß der tatsächlichen Unterauslastung. Die Auslastungsquote des sachlichen Produktionspotentials i m Verarbeitenden Gewerbe nach den Berechnungen des D I W ist i n Schaubild 5 wiedergegeben. Es ist interessant, Auslastungsquoten, die auf dieser Basis ermittelt werden, denen gegenüberzustellen, die sich aus der Einschätzung der Unternehmen über ihre Auslastung ergeben. I m Schaubild 5 ist als untere Kurve die Auslastungsquote der Unternehmen aufgrund der Befragung des Ifo-Konjunkturtests dargestellt. Vor dem Hintergrund des oben Gesagten enthalten derartige Auslastungsquoten Fehleinschätzungen über die langfristigen Auslastungsmöglichkeiten des Produktionsapparates. I m Zweifel w i r d die Unterauslastung bei derartigen Angaben überschätzt. Man kann aber sicher davon ausgehen, daß die tatsächliche Unterauslastung i n dem durch diese beiden Angaben abgesteckten Bereich liegt. Die sich hier abzeichnende ungenügende Auslastung des sachlichen Produktionspotentials .spricht deutlich gegen die Hypothese, daß die Investitionsquote zu niedrig ist. M i t dem vorhandenen sachlichen Produktionskapital wäre eine Produktionsausweitung ohne Schwierigkeiten möglich. Das Wachstum der Produktion konnte von dieser Seite her nicht begrenzt werden. Schaubild 5. Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe. 1Ö Ö

Quelle: IFO, D I W .

Nun kann man gegen eine derartige Argumentation auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene strukturelle Einwände erheben. Man kann darauf verweisen, daß die niedrige Auslastung i m wesentlichen durch strukturschwache Branchen verursacht werde, daß der Strukturwandel gerade deswegen eine höhere Kapitalbildung erfordere, da ganz neue

46

Hans-Jürgen Krupp und Dietmar Edler

Branchen zur Ablösung der alten aufgebaut werden müßten. Die niedrige gesamtwirtschaftliche Auslastungsquote decke i n ihrer Durchschnittsbildung den erheblichen Kapitalbedarf neuer Branchen zu. Dieses Argument ist jedoch empirisch schwer zu stützen. Eine nach Branchen disaggregierte Betrachtung der Kapazitätsauslastung zeigt zwar eine deutliche Streuung der sektoralen Auslastungsquoten, aber es ist keineswegs so, daß die alten „absterbenden" Branchen durchweg niedrigere und die jungen „aufstrebenden" Branchen eine durchgängig höhere Auslastungsquote aufweisen. Dazu kommt, daß sich der Strukturwandel immer langsam vollzieht, daß es auch von der Seite des Faktors Arbeit gar nicht möglich ist, von heute auf morgen sehr starke Umstrukturierungen vorzunehmen. Man mag dies beklagen, man mag daraus lernen, daß es letztlich schädlich, ist, wenn der Strukturwandel behindert wird, man kann angesichts dieser Fakten aus dem sich vollziehenden Strukturwandel nicht die Notwendigkeit einer sehr stark steigenden Investitionsquote ableiten. Allerdings ist zuzugeben, daß diese Argumentationslinie weniger sicher ist. Es mag daher lohnend sein zu fragen, ob von der Angebotsseite des Kapitalmarktes her eine Begrenzung der Investitionsquote erfolgt ist. 4. Zur Entwicklung von Kapitalbildung und Kapitalverwendung Häufig w i r d beklagt, daß die Deutschen zuviel konsumieren -und zuwenig sparen. Die öffentliche Diskussion zu diesem Thema konzentrierte sich dabei weitgehend auf die privaten Haushalte. Die privaten Haushalte haben aber ihre Ersparnisse — gemessen am verfügbaren Einkommen i n den 70er Jahren — gegenüber den 60er Jahren erheblich gesteigert und dieses hohe Niveau auch i n den letzten Jahren gehalten. Dies gilt auch, wie Schaubild 6 zeigt, für die Nettoersparnis gemessen am Nettosozialprodukt, allenfalls hat es zwischenzeitlich geringfügige Abweichungen vom Trend gegeben. Eine grundlegende Wandlung ist bei der Ersparnisbildung des Staates eingetreten. Bis zur Mitte der 70er Jahre hat er noch zur gesamtwirtschaftlichen Ersparnisbildung beigetragen, danach war die Ersparnisbildung negativ oder nur sehr geringfügig positiv. Sicher ist diese Entwicklung nicht unproblematisch, doch muß man sich darüber klar sein, daß durch diesen Rückgang i m Kreislaufzusammenhang erst die zunehmenden Anteile der übrigen Sektoren möglich wurden. Interessant ist die Entwicklung i m Unternehmenssektor. Hier ist der rückläufige Teil, den die Wohnungswirtschaft zur Kapitalbildung geleistet hat, bemerkenswert. Allerdings handelt es sich zum Teil hierbei u m fiktive Größen der Gesamtrechnung, die m i t einigen Unsicherheiten belastet sind. Die Ersparnisbildung der Unternehmen war bis Mitte der 70er Jahre rückläufig, stieg

Wachstumsengpässe u n d K a p i t a l b i l d u n g

47

dann aber bis 1979 an. E i n ähnliches B i l d ergibt sich für die Unternehmen bei der Untersuchung der Kapitalverwendung (Schaubild 7). Die Wohnungswirtschaft nimmt demgegenüber nach wie vor einen wesentlichen Teil des Kapitals i n Anspruch, obwohl ihre Beteiligung an der Kapitalbildung am Ende der Periode weitgehend zurückgegangen ist. Man kann diesem B i l d trotz der oben gemachten Einschränkung entnehmen, i n wie starkem Maße am Ende der 70er Jahre das gebildete Kapital i n die Wohnungswirtschaft gelenkt wurde. Der Staat nimmt einen etwa gleichbleibenden Teil der Kapitalbildung i n A n spruch, während seine eigene Ersparnis wie gezeigt stark zurückgegangen ist. Schaubild 6. K a p i t a l h e r k u n f t i n v. H. des NSP.

30T 25-·

Quelle: Deutsche Bundesbank.

Schaubild 7. Kapitalverwendung i n v. H. des NSP.

30T

- 3 '1 ι ι I ι ι 1 ι ι 1 ι ι Ι m I ι ι 1 m ! 6Θ 63 «56 63 72 75 73 81 Quelle:

Deutsche Bundesbank.

48

Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

Nun darf man hieraus nicht schließen, daß Staat und Wohnungswirtschaft die Unternehmen verdrängt hätten. Die sich hier darstellende Entwicklung ist ebenso vereinbar m i t der These, daß die Bereitschaft zu Investitionen i m Unternehmenssektor ohne Wohnungswirtschaft so gering gewesen ist, daß Staat und Wohnungswirtschaft durch ihre Nachfrage auf dem Kapitalmarkt erst dazu beitrugen, daß das nach wie vor i n erheblichem Umfang gebildete Kapital aufgenommen wurde. Man w i r d aber nicht leugnen können, daß sich an dieser Stelle Entwicklungen vollzogen haben, die nicht unproblematisch sind. Per saldo ergibt sich die Notwendigkeit, über die Rolle des Staates i m Zusammenhang mit der Kapitalbildung und auch darüber, welche Holle der Staat hierbei anderen Sektoren einräumt, zu diskutieren. A u f jeden Fall kann man aus dem Befund nicht ableiten, daß mangelnde Kapitalbereitstellung seitens der privaten Haushalte zu den Problemen beigetragen hat. Falls die skizzierte Entwicklung bei der Kapitalverwendung nicht i n der auslastungsbedingten ungenügenden Kapitalnachfrage der Unternehmen begründet ist, deutet das sich abzeichnende B i l d wieder auf Störungen und Unvollkommenheiten des Kapitalmarktes. Es ist daher zu klären, wieweit dieser Markt i m letzten Jahrzehnt noch seine Funktion erfüllt. 5. Zinshöhe und Kapitalknappheit Vieles von dem, was bisher vorgetragen wurde, deutet darauf hin, daß es auf den Kapitalmärkten zu wesentlichen Störungen gekommen ist, die sich auch i n der Entwicklung der Zinssätze widerspiegeln. Die Höhe des Kapitalzinses, der i n der Regel als die Rendite der umlaufenden festverzinslichen Wertpapiere definiert wird, hat i n der Nachkriegszeit i n der Bundesrepublik Deutschland i n beachtlichem Umfang geschwankt. So bewegte sich der Kapitalzins i n der Zeit nach 1960 zwischen 5,7 v H und 10,6 v H wie Schaubild 8 zeigt. Gerade i n den letzten Jahren hat er ein sehr hohes Niveau erreicht. Neben den konjunkturellen Schwankungen waren auch wechselnde längerfristige Trendänderungen zu beobachten. Betrachtet man die Kapitalzinsentwicklung i m internationalen Rahmen — wie dies i n Schaubild 9 geschieht —, so stellt man fest, daß die Variabilität des Zinssatzes in einigen Ländern deutlich größer war als i n der Bundesrepublik Deutschland. Bei den Realzinssätzen ist bemerkenswert, daß sie i n allen großen Industrieländern — mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland — u m die Mitte der 70er Jahre zum Teil deutlich i n den negativen Bereich abgerutscht waren. Genauso auffällig ist, daß seit Anfang der 80er

Wachstumsengpässe und Kapitalbildung

49

Schaubild 8

ZINSSÄTZE UND INFLATIONSRATE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

Erhöhung des Preisindex

10 für das Bruttosozialprodukt

Erhöhung des Preisindex für die Lebenshaltung3) Realer Zinssatz

80' ' 8 2 1

) Rendite festverzinslicher Wertpapiere im Umlauf.— 2)Satz für Dreimonatsgeld in Frankfurt / Main.— 3)Alle privaten Haushalte4) Kapitalmarktzins bereinigt um den Preisindex für das Bruttosozialprodukt.— 5) Kapitalmarktzins bereinigt um den Preisindex für die Lebenshaltung.

DIW Θ3

4 Konjunkturpolitik, Beiheft 30

Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

50

Schaubild 9. Kurz- und langfristige Zinssätze. Monatswerte. Geldmarktsätze1

1973

1974

1975

Basiszinssätze2

1976

1977

1978

Anleiherenditen3

1979

1980

1981

1982

1

Ausgewählte typische Zinssätze (Italien: Sichteinlagen zwischen Banken; Frankreich: Einmonatseinlagen zwischen Banken; 2 Belgien: viermonatige Zertifikate; übrige Länder: dreimonatige Geldmarktpapiere). Von Geschäftsbanken für Kassenkredite an erstklassige Kunden geforderte Mindestsätze (Deutschland: unteres Ende der Spannweite für große Kontokorrentkredite). Ausgewählte typische Zinssätze (USA: Industrieobligationen; Großbritannien und Niederlande: Staatsschuldverschreibungen; übrige Länder: verschiedene andere öffentliche Anleihen).

Entnommen aus: Zweiundfünfzigster Zahlungsausgleich, Basel 1982, S. 67.

Jahresbericht der Bank für

internationalen

Wachstumsengpässe u n d K a p i t a l b i l d u n g

51

Jahre ein deutlicher Anstieg der Realzinsen stattgefunden hat. Der i m internationalen Vergleich geringe Anstieg i n der Bundesrepublik Deutschland unterstreicht noch einmal die besonders stetige Entwicklung der Realzinsen i n diesem Land. Dies gilt insbesondere, wenn man zur Berechnung des realen Zinssatzes den Preisindex für die Lebenshaltung zugrunde legt, was vor allem für Kapitalanleger die maßgebliche Größe sein dürfte. I n Schaubild 9 w i r d aber auch deutlich, wie eng der Zusammenhang zwischen Geld- und Kapitalmarkt inzwischen ist. Ohne Zweifel schwanken die Geldmarktsätze stärker als die Kapitalzinsen. Es kann aber auch kein Zweifel daran bestehen, daß ein deutlicher Zusammenhang zwischen Geld- und Kapitalzinsen besteht. Dieser ist i n den verschiedenen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt, er ist aber durchgängig zu beobachten. Dies gilt übrigens auch auf der Ebene einer Realbetrachtung, wie Schaubild 10 verdeutlicht. Schon auf der Grundlage dieser qualitativen Information w i r d deutlich, daß ein enger Zusammenhang zwischen Geld- und Kapitalzins besteht, der es nicht erlaubt, den Kapitalzins ohne die Berücksichtigung der geldpolitischen Interventionen zu erklären. 6 Für die oft zu hörende These, daß die Zentralbanken nur den Geldmarktzins beeinflussen könnten, den Kaptialmarktzins aber hinzunehmen hätten, spricht also wenig empirische Evidenz. Nun ist das Problem der Zinsbildung eines der grundlegenden Probleme, das die Nationalökonomie schon seit ihren frühen Anfängen beschäftigt hat. Es gibt eine ganze Anzahl unterschiedlicher Ansätze, die versuchen, die Zinsbildung zu erklären. Es ist hier nicht der Ort, diese zumeist theoretische Diskussion Revue passieren zu lassen. Für eine grobe Skizze mag es reichen, zwischen realwirtschaftlichen und monetären Zinstheorien zu unterscheiden. 7 Es ist sicher keine unzulässige Verallgemeinerung, wenn man die realwirtschaftlichen Theorien i n die Tradition von klassischen und neoklassischen Ansätzen stellt und die monetären Theorien eher als i n der Tradition von Keynes stehend bezeichnet. Es kann hier nicht u m eine Integration dieser verschiedenen Ansätze gehen, man muß aber realwirtschaftliche und monetäre Komponenten bei der Zinserklärung berücksichtigen. β Vgl. hierzu auch Untersuchungen zur Zinsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland, z.B. H. Faßbender, Zur Theorie und Empirie der Fristigkeitsstruktur der Zinssätze, Berlin 1973 und D. J. Jüttner, Zur Struktur der Zinssätze in der Bundesrepublik, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1974, S. 587 f. 7 Vgl. zum folgenden ζ. B. W. Ehrlicher, Bestimmungsgründe des Kapitalzinses, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialpolitik, 25. Jg., 1980, S. 95 ff.

Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

52

Schaubild 10. Kurz- und langfristige Realzinssätze. Geldmarktsätze

Anleiherenditen

* A u f der Basis von Quartalsdurchschnitten. Ausgewählte typische Zinssätze (s. Grafik auf S. 67). Die Geldmarktsätze sind mit der auf Jahresrate hochgerechneten durchschnittlichen Veränderung der Verbraucherpreise im jeweils laufenden und vorangegangenen Quartal und die Anleiherenditen mit der durchschnittlichen Veränderung der Verbraucherpreise im jeweils laufenden und vorangegangenen Jahr deflationiert.

Entnommen aus: Zweiundfünfzigster Zahlungsausgleich, Basel 1982, S. 70.

Jahresbericht der Bank für

internationalen

Die langfristige Entwicklung des Kapitalzinssatzes w i r d zu einem Teil durch die Entwicklung der Produktivität des Faktors Kapital bestimmt. 8 Insofern ist die langfristige Entwicklung der Sachkapitalrentabilität sicher ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Entwicklung 8

Man kann argumentieren, daß langfristig der Realzins nicht höher als die Kapitalproduktivität sein kann, da der Zins aus der Produktivität des Faktors Kapital ,ver dient' werden muß.

Wachstumsengpässe und K a p i t a l b i l d u n g

53

des Kapitalzinses. Realwirtschaftlich ist aber auch die reale Ersparnisbildung zu berücksichtigen. Bei den monetären Komponenten ist die Inflation ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Zinsentwicklung. Für die langfristigen Kontrakte am Kapitalmarkt spielen neben der tatsächlichen Inflationsrate die Inflationserwartungen eine entscheidende Rolle. Theorien über die Erwartungsbildung sind i n den letzten Jahren mit großer Intensität diskutiert worden, wobei die empirische Untersuchung dieses Sachverhaltes erhebliche Probleme bereitet. 9 Eine für die jüngste Entwicklung besonders bedeutsame Komponente stellt das zunehmende Risiko auf den Finanzmärkten dar. Die i n der Mitte der 70er Jahre erfolgte B i l dung hoher Leistungsbilanzüberschüsse i n den OPEC-Ländern — hierauf w i r d noch einzugehen sein — hat dazu geführt, daß sichere Anlagen für diese Kapitalbestände kaum zur Verfügung standen. Es spricht vieles dafür, daß der Zinssatz vor diesem Hintergrund eine sehr hohe Risikoprämie enthält, die kein Indikator für die tatsächliche Kapitalknappheit, sondern eher ein Indikator für Kapitalüberfluß ist. Schließlich sind die Einflüsse des Geldmarktes, die wesentlich von der Geldpolitik bestimmt werden, zu beachten. Man spricht hier auch von der Marktkomponente des Zinses. Die kürzerfristigen Schwankungen des Zinses ergeben sich aufgrund der aktuellen Konstellation von Angebot und Nachfrage am Geldkapitalmarkt. Dadurch, daß der Kapitalmarkt i n der Bundesrepublik Deutschland zu einem Interbankenmarkt geworden ist, ist eine wachsende Abhängigkeit von der Entwicklung auf dem Geldmarkt zu beobachten. Die Geldpolitik ist damit zunehmend zu einem bestimmenden Faktor des Kapitalzinses geworden. Die angeführte und keineswegs vollständige Liste der verschiedenen Komponenten des Kapitalzinssatzes gibt einen Eindruck von den vielfältigen Bestimmungsfaktoren, die einen Einfluß auf die Bildung des Kapitalzinses haben. Es spricht vieles für die These, daß i m Verlauf der 70er Jahre die monetären Komponenten — Inflationserwartungen, Risiko und Geldpolitik — an Einfluß gewonnen haben, ja unter Umständen die realwirtschaftlichen Komponenten dominieren. Hieraus ergeben sich zwei Konsequenzen. Einmal erlaubt diese Entwicklung nicht, aus der Erhöhung des Zinssatzes auf Kapitalmangel zu schließen, zum anderen wurde der Kaptialzins i n seiner Rolle als Steuerungsgröße auf dem Kapitalmarkt behindert.

9

Vgl. z. B. R. E. Lucas, Th. J. Sargent (Hrsg.), Rational Expectations and Econometric Practice, Minneapolis 1981, and Κ . Lahiri, The Econometrics of Inflationary Expectations, Amsterdam, New York, Oxford 1981.

54

Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

Von der Entwicklung des Kapitalzinses auf eine Kapitalknappheit zu schließen, verbietet sich aus mehreren Gründen: Zunächst einmal ist festzustellen, daß die Höhe des Realzinses — zieht man die zuletzt sinkende Tendenz m i t i n Betracht — i m historischen Vergleich keineswegs aus dem Rahmen fällt. Der deutliche Anstieg i n den letzten Jahren ist auf eine Reihe von unterschiedlichen Ursachen zurückzuführen. Der Anstieg ist nicht zuletzt auch deshalb so deutlich ausgefallen, weil die Zinsen i n den Jahren zuvor i m längerfristigen Vergleich ein niedriges Niveau hatten. Die restriktive Geldpolitik i n vielen Ländern — der amerikanischen Geldpolitik kommt hier international eine herausragende Bedeutung zu — hat dazu geführt, daß sich auf den Geldmärkten außerordentlich hohe Zinsen gebildet haben. Über verschiedene Wirkungsmechanismen hat dies auch zu einem Anstieg der Zinsen auf dem Kapitalmarkt geführt. Durch die beiden Ölpreisschocks i n den 70er Jahren ist das internationale Finanzsystem vor eine besondere Herausforderung gestellt worden. Das Recycling des i n die erdölproduzierenden Länder geflossenen Kapitals hat das Volumen der auf den internationalen Finanzmärkten getätigten Transaktionen entscheidend erhöht. I n vielen Ländern — besonders i n den Entwicklungsländern — entstanden große Leistnugsbilanzdefizite, die überwiegend über den privaten internationalen Kapitalmarkt finanziert wurden. Dies führte schon relativ schnell dazu, daß eine Reihe von Ländern ihren internationalen Zahlungsverpflichtungen nur m i t Mühe nachkommen konnten. Es spricht viel dafür, daß dies über eine gesteigerte Risikokomponente i n beträchtlichem Umfang zu einem Anstieg der Kapitalzinsen beigetragen hat. Die Folge der hier skizzierten Entwicklung können Fehlsteuerungen auf den Kapitalmärkten i n erheblichem Umfang sein, wobei eine abschließende empirische Analyse der tatsächlichen Vorgänge noch aussteht. Soweit i m Zinssatz nur noch teilweise die Knappheit des Faktors Kapital zum Ausdruck kommt, kann man nicht damit rechnen, daß er sicherstellt, daß Kapital seiner Knappheit entsprechend gebildet und verwendet wird. Kapitalüberfluß kann i n einer solchen Situation genauso entstehen wie Kapitalmangel. Ein hoher Zinssatz, der eine größere Knappheit an Kapital signalisiert als sie tatsächlich vorhanden ist, induziert dann eine zu hohe Kapitalbildung, die nicht i n Investitionen umgesetzt wird, aber zu einer Reduzierung der Konsumnachfrage führt. Ein Teil der entstandenen Produktion findet dann keine Absatzmöglichkeiten. Dieses theoretische Szenarium ist durchaus mit den beobachteten Tatsachen vereinbar. Die Nominalzinssätze waren sehr hoch. Dies regte — freilich muß man hierbei Geldillusion unterstellen — die Ka-

Wachstumsengpässe u n d K a p i t a l b i l d u n g

55

pitalbildung an, was zu einer — wenn auch schwach — steigenden Sparquote führte. Die Konsumnachfrage blieb dahinter zurück. Eine Kompensation durch zusätzliche Investitionsnachfrage erfolgte nicht, da der Zins nicht die tatsächliche Knappheitsrelation widerspiegelte. Produktionskapazitäten blieben i n zunehmendem Maße unausgelastet, wodurch die Nachfrage nach Kapital weiter abnahm, ohne daß der anderen Gesetzen folgende Zins reagierte. Etwas anders sieht dies Szenario aus, wenn man auf den Realzins abstellt. Die nominalen Zinssätze waren zunächst nicht i n der Lage, den hohen Inflationsraten zu folgen. Dies führte zu einer Reduzierung der Realzinssätze, die teilweise sogar negativ wurden. Dies gilt zwar nicht für die Bundesrepublik Deutschland, wohl aber für einige Industrieländer, wenn auch nur für kürzere Perioden. Die niedrigen Realzinsen führten zu ungenügender Kapitalbildung auf der einen u n d Kapitalverschwendung auf der anderen Seite. Daß das so gebildete zusätzliche Kapital unterausgelastet blieb, so wie dies ja auch tatsächlich der Fall war, ist auch i n einem solchen Kontext plausibel. Allerdings ist die beobachtete Entwicklung der Realzinsen dann wohl kaum m i t der beobachteten Erhöhung oder Konstanz der Sparquote vereinbar. Eine Senkung wäre eigentlich zu erwarten gewesen. Es bedarf schon A n nahmen von sehr spezieller A r t , u m zu erklären, warum i n einem solchen Szenario Unterbeschäftigung entsteht. Eine Abschwächung der Konsumnachfrage findet nicht statt, und die Investitionsnachfrage w i r d über das Maß ausgeweitet, das sich ergeben würde, wenn der Zins ein Indikator für Kapitalknappheit wäre. Das wahrscheinliche Ergebnis eines derartigen Vorgangs wäre eher Überbeschäftigung und gegebenenfalls Inflation, die tatsächlich i n den 70er Jahren zu beobachten w a r Insofern hat auch dieses Szenario Elemente, die m i t der tatsächlichen Entwicklung kompatibel sind. Es ist aber insgesamt weniger m i t der Realität vereinbar als das zuvor entwickelte. Man muß die Tatsache, daß der Zinssatz seine Funktion als Indikator der Kapitalknappheit nur unvollkommen erfüllen kann, nicht nur der Geldpolitik zuschreiben. Sicher haben auch veränderte Erwartungen und zunehmende Risiken eine Rolle gespielt. So plausibel die Begründungen für diese Dominanz monetärer Gesichtspunkte bei der Zinsbildung auch sein mögen, so sehr ist der Ökonom geneigt, realwirtschaftliche Vorgänge zu suchen, die er zumindest mittelfristig den hier beobachteten Phänomenen zuordnen kann. Letztendlich müssen Angebot und Nachfrage auf dem zusammengefaßten Geld- und Kapitalmarkt ins Gleichgewicht kommen. Wo lag also der realwirtschaftliche Hintergrund für den auch mittelfristig hohen Kapi-

56

Hans-Jürgen K r u p p u n d Dietmar Edler

talzins? Anders ausgedrückt, wie war es möglich, daß eine auf Restriktion zielende Geldpolitik ausgerechnet i n einer Phase weltweiter Wachstumsschwäche Zinssteigerungen bewirken konnte, wie sie i n der W i r t schaftsgeschichte der Nachkriegszeit nicht aufgetreten waren? Die A n t w o r t auf diese Frage steht noch aus. A m ehesten können die währungspolitischen Vorgänge eine Erklärung bieten. 6. Die Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite in den 70er Jahren Es war ein unglückliches Ereignis, wenn auch nicht ein unglücklicher Zufall, daß der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems m i t der ersten Ölkrise zusammentraf. Die traditionellen Mechanismen zum Ausgleich von Leistungsbilanzdefiziten existierten nicht mehr. Es entstanden Leistungsbilanzdefizite von einem Ausmaß, das die Welt bisher nicht gekannt hat. Tabelle 1 verdeutlicht die Dimension dieser Ungleichgewichte. Das Dilemma war zweifach. A u f der einein Seite entstanden große Leistungsbilanzüberschüsse, für die die OPEC-Länder keine Verwendung hatten, auf der anderen Seite entstanden, insbesondere i n den Entwicklungsländern, Leistungsbilanzdefizite, die nicht auf dem normalen Wege gedeckt werden konnten. Es war sicher nicht die beste Idee, diese beiden Probleme durch Vermittlung des privaten Bankensystems miteinander zu verknüpfen. Den Defizitländern wurde durch die zunächst bereitwillig vom privaten Bankensystem zur Verfügung gestellten Kredite ein Ausgleich der Leistungsbilanzdefizite ermöglicht. Dies bewirkte, daß die notwendigen Wechselkursänderungen, die die binnenwirtschaftlich erforderlichen Anpassungen an die neue Situation ausgelöst hätten, zunächst unterblieben. Statt dessen wurde ein wesentlicher Teil der Kapitalbildung der Welt dazu benutzt, u m das Problem der Leisungsbilanzdefizite zu lösen. Das gebildete Kapital wurde damit anderen Verwendungen entzogen. Monetäre Anlagen wurden attraktiver als Sachanlagen. Die Geldpolitik bekam Spielraum für ihre Zinserhöhungspolitik. Es stellte sich bald heraus, daß man die mittelfristigen Risiken einer derartigen Politik unterschätzt hatte. Der Risikofaktor auf den Geldkapitalmärkten nahm zu. I n dieser Hinsicht entstand tatsächlich i m Weltmaßstab ein Kapitalmangel, weil das gebildete Kapital der Verwendung zur Finanzierung neuer Sachinvestitionen entzogen und der Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten zugeführt wurde. Dies war aber nicht eine Frage ungenügender Kapitalbildung. Es war ein Problem der Verwendung des gebildeten Kapitals, dessen Lösung durch die auch geldpolitisch verursachte Fehlsteuerung des Kapitalmarktes unmöglich gemacht wurde.

+ 3,5

-f 10,2

1978

- 12,0

- 21,0 - 33,0

- 56,0

- 60,0 - 54,0

- 15,0

- 18,0

- 13,0

- 23,0 - 38,0

-

- 62,0

-

+ 67,0

30,6 - 21,0

73,0 - 69,0

+ 116,0

- 68,0

+ 61,0

- 22,0 + 13,0 - 28,0

Salden der Leistungsbilanz (in Mrd. US-Dollar)

- 15,0

- 28,2 - 14,0

+ 122,0 + 56,0

- 74,0

+ 173,0

1979

+ 4,0

1980

1981

Quelle: OECD.

a) Algerien, Ecuador, Gabun, Indonesien, Irak, Iran, Katar, Kuwait, Libyen, Nigeria, Oman, Saudi-Arabien, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate . — b) Afrika ohne Republik Südafrika, Mittel- und Südamerika, Asien ohne Japan und Staatshandelsländer, Ozeanien. — c) Schätzung des Sachverständigenrates.

- 30,0

1977

- 40,0

+ 107,0

- 24,0 + 5,0

+ 65,0 + 27,0 + 37,0 + 29,0 + 4,0

0

- 28,0

- 33,0

- 5,4 - 2,5 - 17,0

+ 2,6

OPEC-Ländera)

Entwicklungsländerb)

+ 10,3

OECD-Länder

- 4,8 - 2,5 - 16,0

- 26,5 + 5,0 - 19,0

+ 11,2 + 11,0

Entwicklungsländerb)

1976

Salden der Handelsbilanz (in Mrd. US-Dollar)

1975

+ 13,0 + 21,6 + 81,0 + 49,0 + 65,0 + 61,0 + 42,0

1974

OPEC-Ländera)

1973

OECD-Länder

1972

Tabelle 1: Salden der Handels- und Leistungsbilanz ausgewählter Ländergruppen 1982c) Wachstumsengpässe u n d K a p i t a l b i l d u n g

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Der Ausweg aus dieser Situation kann also nicht darin liegen, daß mehr Kapital gebildet wird. Dies würde über die damit verbundenen Entzugseffekte i m Zweifel die Probleme weiter verschärfen. Der Ausweg kann nur sein, daß die Leistungsbilanzdefizite i n Zukunft wieder ohne eine nennenswerte Inanspruchnahme privater Kapitalbildung finanziert werden. 7. Relevante Wachstumsengpässe der 80er Jahre Ob das Problem der Kapitalbildung von großer Bedeutung ist, erscheint vor dem Hintergrund des bisher Dargelegten fraglich. I n erster Linie ist hier die — eben erwähnte — über das normale Maß hinausgehende Inanspruchnahme von Kapital zur Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten hervorhebenswert. 10 Daß es bei weiterhin i n großem Umfang unterausgelasteten Produktionskapazitäten zu einer Wachstumsschwäche und massiver Arbeitslosigkeit gekommen ist, läßt sich jedenfalls nicht allein m i t dem Argument der Kapitalknappheit erklären. Es ist notwendig, weitere Gesichtspunkte i n die Diskussion einzubeziehen. Beispielhaft sei hier der bereits erwähnte Rückgang der Bauinvestitionen i n der Bundesrepublik Deutschland erwähnt. Nach Abschluß der Wiederaufbauphase gibt es gute Gründe für eine Normalisierung der Bautätigkeit. Dennoch läßt sich an diesem Beispiel ein wichtiges Problem verdeutlichen: Die Verwendungsstruktur des Sozialprodukts ändert sich. Bestimmte Kapazitäten werden i n Zukunft nicht mehr benötigt, es sei denn, daß auf der Nachfrageseite an anderer Stelle Ersatzbedarf entsteht. Bauen ist eine Tätigkeit, die sowohl von privaten als auch von öffentlichen Auftraggebern i n Gang gesetzt wird. Reduziert sich die private Nachfrage, ist die Frage zu stellen, wie groß der langfristige Baubedarf der öffentlichen Hand ist. Stellt sich dabei heraus, daß auch dieser langfristig rückläufig ist, ist eine Reduzierung der Kapazitäten unausweichlich. Zeigt sich hingegen, daß hier noch Wachstumsfelder liegen, deren Vernachlässigung zu Wachstumsengpässen werden können, ist die öffentliche Auftragsvergabe so zu gestalten, daß die mittelfristig benötigte Kapazität aufrechterhalten wird. Ein vorübergehender, staatlich verursachter Kapazitätsabbau würde dagegen zusäzliche makroökonomische Anpassungsschwierigkeiten mit sich bringen. Damit ist die Frage gestellt, inwieweit der Staat nicht zusätzliche Zukunftsinvestitionen vornehmen sollte, die zugleich die Vorausset10 Man muß sich jedoch stets darüber im klaren sein, daß Leistungsbilanzdefizite immer zu entsprechenden Leistungsbilanzüberschüssen an anderer Stelle der Welt führen.

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zung für den Strukurwandel verbessern und Wachstumsengpässe beseitigen. Es spricht viel dafür, daß es Bedarf für derartige Zukunftsinvestitionen gibt. Die zunehmende Umweltbelastung w i r d mehr und mehr zu einem Investitionshemmnis erster Ordnung. A k t i v e Umweltinvestitionen des Staates, über deren Finanzierung (privat oder öffentlich) man weiter diskutieren müßte, sind dazu geeignet, bessere Wachstumsvoraussetzungen zu schaffen. I n diesen Bereich gehören auch wichtige Investitionen i n der Energieversorgung, wie zum Beispiel der Ausbau des Fernwärmenetzes, und Investitionen i n die Verkehrsinfrastruktur. Nun ist die Bauwirtschaft nicht der einzige Sektor, i n dem es fraglich ist, ob die ursprünglich vorhandenen Kapazitäten auf Dauer benötigt werden. M i t der Stahlindustrie und dem Schiffbau sind zwei weitere Problembereiche angesprochen. Auch hier besteht die Befürchtung, daß die vorhandenen Kapazitäten auf Dauer nicht benötigt werden, daß also eine Kompensation i n anderen Bereichen erforderlich ist, wenn die Beschäftigung insgesamt gesichert werden soll. Selbst wenn zu beobachten ist, daß die Ausrüstungsinvestitionen des Unternehmenssektors sich nicht wesentlich i m Zeitablauf verändert haben — was i m übrigen ein beachtliches Ergebnis ist, wenn man die unzureichende Kapazitätauslastung berücksichtigt —, stellt sich die Frage, ob nicht i n zukunftsweisenden Technologien m i t neuen Produktionstechniken und neuen Produkten ungenügend investiert worden ist. Uber die Schwierigkeit, diese Frage i n überprüfbarer Weise zu beantworten, ist schon einiges gesagt worden. Eine Reihe von Indizien spricht dafür, daß hier zu wenig Investitionen erfolgt sind. Auch hier kann man zunächst fragen, ob die Anreize groß genug waren. Kapital war ausreichend verfügbar, monetäre Anlagen waren zeitweise aber wohl rentabler als Sachinvestitionen. Allerdings machten sich auch andere Hemmfaktoren bemerkbar. Die technische Qualifikation der Arbeitnehmer ist auf manchen Gebieten unzureichend. Insbesondere gibt es nach wie vor ein erhebliches Defizit i n der Informationsverarbeitung. Die Unternehmen haben Schwierigkeiten, für hochwertige Produkte m i t großen Stückzahlen ausreichende Absatzmärkte aufzubauen. Handelshäuser, die neue Produkte i m Weltmaßstab durchsetzen, fehlen i n der Bundesrepublik Deutschland weitgehend. Man kann sich natürlich fragen, inwieweit es nicht Aufgabe des privaten Sektors wäre, diese Hemmnisse zu beseitigen. Offenkundig reichen privatwirtschaftliche Anstrengungen allein nicht aus, dies gilt übrigen auch i m internationalen Vergleich. Eine den Strukturwandel fördernde Technologiepolitik des Staates, aber auch eine auf Verbesserung der Absatzbedingungen auf den Weltmärkten gerichtete Förde-

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rungspolitik sollten daher zumindest ernsthaft i n Erwägung gezogen werden. Auch hier können Wachstumsengpässe beseitigt und gleichzeitig Beiträge zur Nachfragestabilisierung geleistet werden. Letztendlich kann kein Zweifel daran bestehen, daß zu den zentralen Wachstumsengpässen auch «die Situation auf der Nachfrageseite gehört. Zum einen führt die technologische Entwicklung dazu, daß das sinnvoll konsumierbare Volumen an Industrieprodukten mit immer geringerem Faktoreinsatz erstellt werden kann. Dies heißt aber, daß neue private und öffentliche Wachstumsfelder erschlossen werden müssen. Es sei nur an das breite Spektrum neuer Dienstleistungen erinnert, wo w i r auch i m internationalen Vergleich noch Nachholbedarf haben. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die ohne eine weitere Expansion des Staates auskommen. Zum anderen hat die Geldpolitik der 70er Jahre erhebliche Restriktionsimpulse gesetzt, unter denen die Weltwirtschaft nach wie vor leidet. Damit sind w i r zu unserem Ausgangsthema zurückgekehrt. Die Geldpolitik hat auch insofern restriktiv gewirkt, als sie durch überhöhte Zinssätze eine Kapitalknappheit vorspiegelt, die real gar nicht existiert. Die Kapitalbildung — zumindest durch die privaten Haushalte — erfolgte i n den westlichen Ländern i n ausreichendem Umfang. Schwierigkeiten gab es eher beim Staat. Die Rolle des Staates w i r d auch i n Zukunft kontrovers diskutiert werden. Verschuldet sich der Staat, u m die Ersparnisbildung aufzunehmen, die von den Unternehmen nicht mehr aufgenommen wurde oder entzog die Verschuldung des Staates den Unternehmen das benötigte Kapital? I n Zeiten massiver Unterauslastung vorhandener Kapazitäten dürfte nach wie vor wenig für die zweite These sprechen.

Zusammenfassung der Diskussion Referate Wolter und Krupp/Edler Zu Beginn der Diskussion geht zunächst Scholz auf das Problem der Wachstumshemmnisse ein. A u f der Grundlage des Ifo-Innovationstests stelle sich die Lage so dar, daß i m verarbeitenden Gewerbe der Umsatzanteil der Produkte, deren Märkte nach Ansicht der Unternehmen mittelfristig wachsen, kontinuierlich immerhin u m etwa 7 Prozentpunkte zurückgegangen ist. Das sei eine sehr kritische Größe, i n zweierlei Hinsicht: Sie könne so interpretiert werden, daß die Innovationsaktivitäten der Unternehmen i n diesen Jahren — das aktuelle Ergebnis für 1982 lasse hier noch keine Wende erkennen — nicht ausreichend waren, um von der Angebotsseite her das Wachstum zu stützen. Es könne aber auch sein, daß auch die generellen Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum sich i n diesem Indikator niederschlugen. Hinsichtlich des Innovationspotentials und der Innovationsbarrieren fange der Innovationstest drei wichtige Faktoren aus einer ganzen Palette ein. Ein Moment sei, daß die Unternehmen über eine unzureichende Ertragslage hinsichtlich der Finanzierung und Bewältigung des Innovationsrisikos, das damit verbunden ist, klagen. Ein anderes Moment sei die Unsicherheit der Einschätzung der mittelfristigen Wachstumsbedingungen und Absatzmarktchancen. Einige Anmerkungen von Wolter seien i n die Richtung gegangen, daß man diese Probleme auf dem Wege über eine Verbesserung der Rahmenbedingungen bewältigen könnte. Ein weiteres Moment, auf das auch Krupp hingewiesen hatte, scheine aber sehr kritisch zu sein: Qualifikationsbarrieren. Das Innovationspotential der Unternehmen fordere von ihnen ein erhöhtes Innovationsrisiko, das sie zugleich vor erhöhte Qualifikationsanforderungen bei den Beschäftigten stelle. Es stelle sich die Frage nach dem Innovationsverhalten der Unternehmen bei Unterauslastung des Kapitalstocks und unter Wachstumsperspektiven. Häufig stellten sich zwei einander ausschließende Alternativen: entweder Ausgaben für Innovation (Forschung und Entwicklung) oder klassische Investitionen zur Erschließung neuer Absatzmärkte oder zur Produktionsrationalisierung. Die Daten seien nicht ausreichend, u m daraus Endgültiges zu schlußfolgern. Es könne aber sein, daß man vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Zinsniveaus, der Unsicherheit über die mittelfristigen Rahmenbedin-

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gungen der wirtschaftlichen Entwicklung ein Technologiepotential hat, das eher zu Prozeß- und Rationalisierungsinvestitionen führt; dieser Bereich sei unter dem Wettbewerbsdruck überschaubarer. Unter solchen Umständen sei die Verbesserung der Rahmenbedingungen eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß eine Umstrukturierung zugunsten des Innovationsverhaltens stattfindet. Krupp bemerkt hierzu, an dieser Stelle sei sicherlich kein Streit darüber zu führen, daß man die Rahmenbedingungen nicht verbessern sollte. Die Frage stelle sich vielmehr so, ob die Verbesserung der Rahmenbedingungen allein ausreichend sei. I n dieser Hinsicht habe er einige Zweifel. Bub merkt an, die Ausführungen Krupps zu der Frage, ob wirklich ein Rückgang der Investitionsquote zu verzeichnen sei oder nicht, seien undifferenziert gewesen. Die Frage sei, ob Abgänge vom Kapitalstock überhaupt und ob sie hinreichend erfaßt werden. Relationen zwischen Bruttoinvestitionen und Bruttosozialprodukt seien aus diesem Grunde wenig hilfreich. Man solle eher versuchen, auf Relationen zwischen Nettoinvestitionen oder Nettoanlageinvestitionen oder — noch besser — Nettoanlageinvestitionen der Unternehmen und dem Sozialprodukt abzustellen. Die übliche Berechnung der Abschreibungen könne übrigens gerade i n den letzten Jahren jene Abgänge gar nicht v o l l erfassen, die beispielsweise aus Untersuchungen von Unternehmensbilanzen gemeldet werden. Vermutlich seien die Abgänge viel größer gewesen. Damit wäre auch die Ausweitung des Kapitalstocks überhöht. Deswegen glaube er, Bub, auch nicht an eine Unterschätzung des Potentials. Wahrscheinlicher sei vielmehr eine Überschätzung i n den letzten drei, vier Jahren. Er plädiere also dafür, bei einer solchen Analyse etwas sorgfältiger nach Anlagezugängen und auch nach Investitionen i m Unternehmensbereich zu differenzieren. Es müsse differenziert werden, was wirklich ein Beitrag zum Potential als Gesamtkapazität an A r beitsplätzen ist und was zwar auch Investition heißt, eigentlich aber dem zuzurechnen ist, was Gutowski einmal mit dem Begriff „Konsumvermögen" bezeichnet hat. Unter diesen Begriff falle sicher ein großer Teil der staatlichen Investitionen. I n seiner Erwiderung weist Krupp auf die begrenzte Redezeit hin, die eine extreme Differenzierung verhindere. I m übrigen sei er der Überzeugung, daß eine tiefere Disaggregation das Ergebnis nicht wesentlich verschoben hätte. A u f einige Detailfragen gehe überdies auch, das zu erwartende Referat von Görzig ein. Die Frage der Abgänge vom Kapitalstock sei natürlich eine Frage stetiger Spekulationen. Die empirischen Fakten sprächen nicht dafür, daß das DIW-Verfahren der Potentialermittlung wirklich zu einer Überschätzung führt. Es reagiere

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wohl eher zu schnell als zu langsam auf die Änderungen. Er hätte i n seiner Argumentation auch m i t den vom D I W ermittelten Unterauslastungsgraden auskommen können. Auch sie seien noch hoch genug. Er habe sie aber bewußt noch einmal mit den Ifo-Zahlen konfrontiert. Krupp betont ferner die bekannten Abgrenzungsprobleme der Nettorechnungen. Er habe diese Probleme dadurch umgehen wollen, daß er Brutto- und Nettorechnungen vorgeführt habe, sehr viel Sinnvolleres könne man gegenwärtig karum tun. Seiner Meinung nach bestehe heute eine -Grundtendenz, große Teile der Abgänge vom Produktionspotential auf technische Ursachen zurückzuführen. I n Wirklichkeit handele es sich aber i n erster Linie u m auslastungsbedingte Abgänge. Was bleibe dem Unternehmen denn übrig, als eine Kapazität stillzulegen, wenn es diese über längere Zeit nicht mehr auslasten kann? Sie sei dann ökonomisch nicht mehr vorhanden. Die Frage laute nun: Wäre sie auch nicht mehr vorhanden, wenn die Kapazitäten ausgelastet gewesen wären? Dieser Frage könne man sich nicht einfach entziehen. Deswegen nehme das D I W die Anpassung gerade i n der bekannten Weise vor. Auch Wolter, Gutowski und Müller-Groeling schließen sich der A u f fassung an, daß das Produktionspotential eher zu hoch eingeschätzt werde. E i n Teil der Arbeitsplätze sei selbst bei Vollbeschäftigung unrentabel, nicht nur wegen veränderter Nachfragestruktur, sondern auch wegen veränderter Angebotsbedingungen, Kostenstruikturbedingungen usw. Die Frage sei, ob es bei einem neuen Aufschwung für die Kapazitäten, die technisch noch gemessen werden, weiterhin eine Nachfrage geben werde oder ob es nicht auf Grund des Strukturwandels i n vielen Bereichen bei geringen Auslastungsgraden der Produktionskapazitäten bleiben werde, i n anderen Bereichen aber zu Preisdruck komme. Wolter spricht das i m Zusammenhang mit der Frage der Deregulierung von Märkten sowohl i m Innern wie auch gegenüber der Konkurrenz von außen an. Man müsse hier zu mehr Flexibilität kommen, u m zu verhindern, daß es sehr frühzeitig i m Aufschwung wieder zu inflatorischen Tendenzen kommt und der Aufschwung deshalb wieder abgebrochen wird. Es sei vielleicht interessant, sich i n diesem Zusammenhang i n das Jahr 1979 zurückzuversetzen. Damals habe es ein erhebliches Maß an Arbeitslosigkeit gegeben, obwohl man mitten i m Boom war. Er meine, dies sei auch ein Zeichen dafür, daß man bei der Schätzung der Sachkapazitäten zu hoch gegriffen habe. Zu den Schwierigkeiten des internationalen Vergleichs stellt Wolter klar, daß er sich auf Daten der OECD bezogen habe. I n der Tat komme es vor allem auf die Nettoinvestitionen an. Dabei seien die Ansätze bei den Abschreibungen wahrscheinlich zu niedrig. Bei den Nettoinvestitionsquoten zeige sich über die Länder hinweg ganz deutlich, zumindest nach den Zahlen der

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OECD, von 1973 bis 1982 ein gewaltiger Bruch. Das gelte auch für die Bundesrepublik i n den 70er Jahren. Offenbar gebe es Dikrepanzen i m Datenmaterial, die man i m Moment nicht klären könne. Der entscheidende Punkt sei: Es komme auf die Nettoinvestitionen an. M i t den Bruttoinvestitionen, die i m Referat vorgetragen worden seien, könne man relativ wenig anfangen. Müller-Groeling weist darauf hin, daß die Frage i n Krupps Referat, wie denn die Investitionen vorangebracht werden sollten, wenn soviel freie Kapazität vorhanden sei, wegen der i n Wirklichkeit bereits obsoleten, aber noch mitgezählten Kapazitäten zu Mißverständnissen führen könne (Beispiel Schiffbau). Ähnlich argumentiert auch Görzig unter Nennung der Beispiele Mineralölverarbeitung und Schiffbau. Er fügt hinzu, es sei eine offene Frage, wie hoch die Auslastung des Produktionspotentials eigentlich sein könnte. Die Grenzen kenne man nicht. Bei den durchgeführten Befragungen zeige es sich immer wieder, daß die Unternehmen gerade i n Zeiten hoher Auslastung immer wieder neue Kapazitäten entdeckten, die sie vorher gar nicht i n ihrem Bewußtsein hatten. Die Grenzen dessen, was Produktionspotential ist, seien also relativ variabel. Denn stelle sich die Frage: Was geschieht mit dem Produktionspotential, wenn die Reallöhne zurückgehen oder nicht mehr so stark wie bisher steigen? Die zwangsläufige Folge dürfte sein, daß alte Anlagen weiterhin rentabel einsetzbar seien, wenn die Reallöhne nicht mehr so stark steigen. Als nächstes ergebe sich die Frage: Was geschieht dann mit der Investitionstätigkeit? Wenn alte Anlagen weiterhin rentabel betrieben werden könnten, sei die Notwendigkeit, neue Investitionen zu tätigen, relativ gering. Dies müsse man berücksichtigen, wenn man niedrigere Reallöhne zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme empfiehlt. Auch Gerstenberger nimmt kurz Stellung zu dem Problem des Produktionspotentials, der Auslastung sowie der Frage, wieviel von den Kapazitäten überhaupt noch vorhanden sei. Die hier aufgeworfenen Probleme seien nicht lösbar, da es sich letztlich u m ein Ex-ante-Problem handele. Es komme immer darauf an, ob die Kapazitäten i n der Zukunft irgendwann einmal wieder einsetzbar sind. Das Ifo-Institut habe, als es die Unternehmen fragte, natürlich gedacht, daß diese am ehesten eine richtige Einschätzung vornehmen könnte, da sie die größte Nähe zu den Märkten haben. Trotzdem stelle sich die Frage — Stichwort „Schiffbau" —, ob die Beurteilung der Unternehmen zu dem jeweiligen Zeitpunkt richtig ist. Er glaube, daß man aus dem Dilemma, das sich hier stellt, niemals herauskommen werde. I n der Diskussion werde häufig m i t Aussagen zur Erwartungsbildung gearbeitet, die zum Teil recht einfach seien. Er erinnere an die Aussage

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über die adaptiven Erwartungsbildungsprozesse. Nach seinen Erfahrungen könne man keinesfalls einfach von adaptiven Erwartungsbildungsprozessen ausgehen. Darin seien sehr viele rationale Elemente enthalten — i n dem Sinne, wie es Gutowski bezüglich der Zinsen ausgeführt habe. Man solle sich auf einer ähnlichen Tagung genauer m i t Erwartungsbildungsprozessen auseinandersetzen. Auch Spitznagel macht einige Bemerkungen zur Frage des Arbeitsplatz- bzw. Produktionspotentials und steuert einen empirischen Befund bei, der i m Gegensatz zu den Zahlen steht, die Wolter vorgelegt hatte. Das I A B habe vor einigen Jahren zusammen mit dem Ifo-Institut eine Befragung i n der Industrie durchgeführt, die sich m i t dem A r beitsplatzpotential befaßte. Den Unternehmen sei die Frage gestellt worden, u m wieviel Prozent die Beschäftigtenzahl steigen könnte, wenn die i m Augenblick existierenden Produktionsanlagen vollständig ausgelastet würden. Das Ergebnis habe gelautet, die Zahl der Beschäftigten wäre u m eine halbe M i l l i o n igrößer gewesen. Dieses Ergebnis stehe i n starkem Gegensatz zu dem, was Wolters Tabelle zu entnehmen war, die 1979 betraf. Die erwähnte Befragung habe i m Jahre 1977 stattgefunden. I m Rahmen dieser Erhebung sei des weiteren gefragt worden, ob es sich dabei u m Anlagen handelte, die technisch oder wirtschaftlich obsolet waren. Das Ergebnis: Die Unternehmen hielten diese Produktionsanlagen zum weit überwiegenden Teil für noch wettbewerbsfähig. Seinerzeit sei auch gefragt worden, ob i m Zuge der anhaltenden Unterauslastung sich etwa die Nutzungsdauer von Anlagen verändert. Das Ergebnis weise i n die Richtung der These von Krupp. Die Unternehmen hätten ausgesagt, die Nutzungsdauer würde sich verlängern. Das Befragungsergebnis sei zwar auf die heutige Situation nicht unbedingt übertragbar, denn die Befragung liege einige Jahre zurück. Angesichts der ungeklärten Fragen, die sich i n der Diskussion ergeben hätten, meine er aber, daß das Urteil, das zu geringe Arbeitsplatzpotential sei ein begrenzender Faktor für einen Aufschwung, nicht ganz eindeutig sei und daß i n diesem Bereich künftig noch Forschungsanstrengungen notwendig seien. Wolter hält dem entgegen, bei Befragungen seien die Antworten immer so gut wie die Fragen. Ein Unternehmer werde natürlich über das Produktionspotential, das er selbst noch aufrechterhält, immer sagen, es sei i m Prinzip wettbewerbsfähig. Sonst hätte er das Potential verschrottet. Man brauche aber nur i n die Konkursstatistik und auch i n die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen der letzten Jahre zu schauen, u m festzustellen, daß gewaltige Überschätzungen i n bezug darauf stattgefunden hätten, was sich dann tatsächlich als wettbewerbsfähig erwiesen hat. 5 Konjunkturpolitik, Beiheft 30

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Bub führt aus, auch bei der Kapitalangebotsseite (Ersparnis) sei zu wenig differenziert worden: Niemand bezweifle, daß die privaten Haushalte i n den letzten Jahren w i r k l i c h kräftig gespart hätten. Aus den Vorträgen von Wolter und Krupp/Edler sei klar geworden, daß andere Sektoren als Anbieter von Ersparnissen praktisch ausgefallen seien. Der Staat sei nicht mehr i n der Lage gewesen, seine laufenden Ausgaben aus laufenden Einnahmen zu finanzieren. Er habe daher praktisch laufende Ausgaben durch Kreditaufnahmen finanziert. Das sei eine i n der augenblicklichen gesamtwirtschaftlichen Lage äußerst unproduktive Verwendung von Sparangeboten. Die Probleme resultierten also nicht aus einer unzureichenden privaten Ersparnisbildung, sondern daraus, daß von dieser Ersparnisbildung ein immer größerer Teil entweder für Staatskonsum oder für unproduktive Staatsinvestitionen eingesetzt worden sei. Krupp erwidert, man könne nicht so undifferenziert sagen, der Staat sei inzwischen zum Entsparer geworden. Letztlich seien konjunkturelle Gründe ausschlaggebend. Dies sei gewissermaßen eine Frage nach Henne und Ei bzw. danach, wer zuerst da war. Daß man heute i n den Staatshaushalten, i n den Sozialversicherungen usw. Probleme habe, sei unstrittig. S t r i t t i g sei jedoch die Frage: Sind die Probleme Resultat der Unterbeschäftigung, oder ist die Unterbeschäftigung Ergebnis der Probleme i n den Staatshaushalten und i n den Sozialversicherungen? Er sehe wenig Chancen für eine Einigung i n diesem Streit. Vermutlich gebe es Kausalbeziehungen i n beiden Richtungen. Dies könne man nicht einf ach abtun. Ansonsten sei es völlig richtig — und er habe das i n seinem Referat auch deutlich gemacht —: Der -Staat sei Entsparer. Man könne aber durchaus darüber diskutieren, ob der Staat wirklich i n nennenswertem Umfang Kapitalbildner sein sollte, insbesondere -wenn gleichzeitig die mangelnde Eigenkapitalbildung bei Unternehmen beklagt wird. Zu fragen sei, ob die Normalisierung, die sich i m Laufe der Zeit mit der Reduzierung der Kapitalbildung durch den Staat ergab, und die auch Möglichkeiten eröffnet habe, die Kapitalbildung als eine Angelegenheit zwischen privaten Haushalten und Unternehmen .anzusehen, nicht auch positive Aspekte hat. Von unproduktiven staatlichen Investitionen zu sprechen, sei für ihn immer problematisch. Man müsse genauer differenzieren. So sei eine Investition i n Humankapital eben auch eine produktive Investition. Wolter bekräftigt dagegen die Argumente Bubs: Der Staat habe von der privaten Ersparnisbildung, die sehr erfreulich verlaufen sei, enorme Mittel abgezogen und wieder i n Konsum umgewandelt. Natürlich dürfe man, wenn man von staatlichem Konsum spricht, nicht die staatlichen

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Investitionen vergessen. Er wolle nicht so weit gehen wie Haberler, der die öffentlichen Investitionen einmal als Investitionen honoris causa bezeichnet habe. Man müsse sich aber der Frage stellen, ob alle öffentlichen Investitionen, die getätigt worden sind, dem Gebot der Komplementarität zu privaten Investitionen immer gerecht geworden sind. Es sei sicherlich i m öffentlichen Bereich zu erheblich überhöhten Investitionen — zumindest auf einzelnen Gebieten — gekommen. A u f anderen Gebieten seien die Investitionen dagegen vielleicht zu niedrig gewesen. Gutowski t r i t t dafür ein, i n diesem Zusammenhang den Blick nicht nur auf die Bildung von Konsumvermögen zu richten. Man müsse auch die Investitionen i n Humankapital berücksichtigen, die i n der Statistik zum großen Teil unter dem Konsumbereich geführt werden. Allerdings glaube er, daß die heutigen Investitionen i n Humankapital völlig falsch strukturiert seien. Das Förderungssystem sei nicht auf den Bedarf ausgerichtet und unrationell. Man würde sicher auch bei angemessenen Definitionen nicht viel Raum für Investitionen i m eigentlichen Sinn gewinnen. Die Auswirkungen hoher Zinsen auf den Arbeitsmarkt spricht Jens an: Er habe das Gefühl, daß der hohe Realzins auch dazu führen könne, daß Sachinvestitionen, die zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit dringend notwendig wären, unter Umständen unterblieben, weil anlagesuchendes Kapital statt dessen auf den Kapitalmarkt fließe. Auch die außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Einflüsse müßten berücksichtigt werden, die Folgen der Ölpreissteigerungen, die sehr großen Zahlungsbilanz- und Leistungsbilanzdefizite bei den Entwicklungsländern und die Geldmengenpolitik der Bundesbank, die sicherlich auch dazu beigetragen habe, daß der Zins ein höchst fragwürdiges Niveau erreichte. Bub antwortet, oft werde der Wunsch nach niedrigeren Zinsen vorgebracht. Für ihn sei die augenblickliche Höhe des Realzinses jedoch durchaus ein sinnvoller Ausdruck dessen, wie sich Kapitalangebot und Kapitalnachfrage — i m finanziellen Bereich — jeweils an den Märkten darstellten. Man benötige den jeweiligen Zins i n seiner gegebenen Höhe zum Ausgleich des augenblicklichen Marktgeschehens. Man brauche ihn zunächst einmal, u m die private Ersparnisbildung auf dem benötigten Niveau zu halten. Es sei deutlich zu registrieren, wie rasch private Sparer auf eine schnelle Senkung der Zinsen mit einer völlig anderen Sparstruktur reagieren. Man brauche diesen bestimmten Realzins aber auch, u m auf dem Investitionssektor jene Investitionen herauszufiltern, die mittelfristig wirklich i n der Lage sind, die entsprechenden Erträge zu erwirtschaften. Außerdem brauche man ihn, u m die Risiken, wie sie die neue Technologie natürlich vielfach mit sich 5*

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bringe, mit abzudecken. Für i h n sei der gegenwärtige Realzins Bestandteil einer gesamtwirtschaftlichen Lage, die wesentlich dadurch geprägt sei, daß man Strukturprobleme von morgen schon heute anzugehen habe. I m übrigen verweise er i n diesem Zusammenhang auf einige sehr hilfreiche Bemerkungen i n dem letzten Gutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute. Dort werde gesagt, wie man vielleicht durch eine flankierende Politik an anderer Stelle auch einen optisch hohen Realzins erträglich machen könnte. Krupp stellt klar, daß er zum augenblicklichen Zinssatz keine Bemerkung habe machen wollen. Falls seine Ausführungen i n dieser Hinsicht verstanden worden sein sollten, handele es sich u m ein Mißverständnis. Er sehe sich als Ökonom kaum i n der Lage, darüber zu rechten, ob der jetzige Zinssatz richtig sei oder nicht. Seine These sei, daß i n der Vergangenheit der Geldmarktzins den Kapitalmarktzins i n einem solchen Ausmaß nach oben getrieben hat, daß es zu Steuerungsproblemen auf den Kapitalmärkten (kam. A n dieser These halte er fest. Auch Wolter äußert sich zu der Frage, inwieweit der Realzins überzogen oder nicht überzogen ist. Hoch sei er allemal; darin stimmten alle überein. Krupp habe auf das Risikoproblem hingewiesen, dies sei auch ein Teil seiner eigenen Argumentation. I n dieser Hinsicht gebe es keinen Dissens. Ein zweiter Punkt sei die Frage der Erwartungen. Er meine, daß der niedrigere Realzins Anfang und Mitte der 70er Jahre und der hohe Realzins Anfang der 80er Jahre zum Teil m i t adaptiven Erwartungen zusammenhänge. Hier sei die Inflationsentwicklung aus der Vergangenheit auf die Kapitalmärkte übertragen worden. Es sei rational gewesen, dies zu tun, weil man sozusagen kein besseres Modell hatte. Er stimme Bub aber auch darin zu, daß man den hohen Realzins i m Augenblick wohl benötigte, u m aus der Kapitalklemme herauszukommen. Natürlich bremsten hohe Realzinsen i n einer gewissen Weise die Investitionen. Es sei aber die Frage, ob deutsche Institutionen überhaupt Möglichkeiten hätten, den Zins zu reduzieren. Wenn man mehr Geld druckte — das zeigten die Erfahrungen i n den USA —, stiegen die Realzinsen eher, als daß sie fielen, weil sofort mehr inflatorische Tendenzen erwartet würden. Diese Gefahr sehe er auch i n der Bundesrepublik. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liege eher i n den Händen des Staates. Er könne seine Budgetdefizite zurückfahren. Für die Reduzierung der Realzinsen sei natürlich weiterhin entscheidend, daß die Kapital- und Ersparnisbildung, ausgelöst durch die hohen Realzinsen, wieder stärker angeregt werde. Man könne die Realzinsen nicht gewissermaßen herunterbeten, und man könne sie schon 'gar nicht mittels einer laxen Geldpolitik reduzieren.

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Gutowski merkt zu den von Krupp vorgeführten Schaubildern an, aus den gezeigten Kurven könne man für die Zinsentwicklung überhaupt nichts ableiten. Daraus sei nicht zu erkennen, was Ursache und was Wirkung sei. Er sei durch die Graphiken aber auch nicht verw i r r t . Früher habe die kurzfristige Seite die langfristige Seite stärker bestimmt, und zwar wegen der Geldillusion. Damals sei es noch möglich gewesen, daß die Notenbank eine expansive Politik betrieb, den kurzfristigen Zins auf ein niedrigeres Niveau brachte und dies sogar den langfristigen Zins mit beeinflußte — m i t allen Nachteilen, die sich daraus ergeben hätten. Heute sei die Erwartungsstruktur wesentlich rationaler, so daß die kurzfristige Geldpolitik nicht mehr viel bewirken könne. Wenn ζ. B. i n den USA die Geldmengenaggregate stiegen, reagierte die eine Hälfte des Publikums i m Hinblick auf die Staatsdefizite mit der Erwartung verstärkter inflatorischer Tendenzen, mit der Folge höherer Zinsen. Die andere Hälfte glaube an die Politik der Notenbank und erwarte von ihr eine entsprechende Bremspolitik. Jede der beiden Erklärungen weise also auf hohe Zinsen. I n der Bundesrepublik habe man durch die vorsichtige Geldpolitik etwas Spielraum gewonnen, man müsse aber auf den langfristigen Zins achten. I n dem langfristigen Zins steckten sicher nicht nur Inflationserwartungen, sondern auch die Erwartung, daß der Realzins auch i n Zukunft aufgrund hoher Staatsdefizite und sonstiger Gegebenheiten wie ζ. B. der Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer eine Weile auf einem hohen Niveau bleiben werde. Krupp stellt fest, er wolle nicht i n eine lange Diskussion über die Erwartungen eintreten. Natürlich sei das, was er gesagt habe, wegen der auf 35 Minuten begrenzten Redezeit etwas undifferenziert gewesen. Die Fragestellung sei i n der Tat sehr interessant. Sie laute i m Kern: Welchen Einfluß hat die Geldpolitik auf den langfristigen Zinssatz gehabt — natürlich unter den Bedingungen von Prozessen der Erwartungsbildung? Seine These sei sehr viel zurückhaltender gewesen: Es gebe einen solchen Einfluß. Er habe sich ganz bewußt davor gehütet, ihn zu quantifizieren. Man könne nicht auf Grund von ein paar Graphiken zu einer Quantifizierung kommen; man könne allenfalls qualitativ einen Zusammenhang aufzuzeigen. Das reiche i h m für seine Argumentation. Die Diskussion wendet sich der Frage der Arbeitslosigkeit i m internationalen Vergleich zu. Wolter bemerkt dazu, die Arbeitslosenquote i n den USA sei zwar höher als i n der Bundesrepublik, sie sei jedoch i n den USA aus statistischen Gründen immer höher. Der Zuwachs sei dagegen i n der Bundesrepublik größer. Dies stimme mit der These der relativen Reallohnrigidität i n der Bundesrepublik überein. (Wider-

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spruch Krupp) Dem Schaubild 2 des Referats von Krupp/Edler sei zu entnehmen gewesen, daß die Investitionsproblematik i n den USA wesentlich weniger stark ausgeprägt gewesen sei als i n der Bundesrepub l i k und i n Japan. Exakt das sei es, was er, Wolter, aufgrund der unterschiedlichen Lohnrigiditäten erwartet hätte. Krupp stellt dem eine andere Position gegenüber. Er verstehe nicht ganz, wie man über Reallöhne sprechen könne, ohne über Faktorpreisrelationen zu diskutieren. Er warne jedenfalls vor der Illusion, daß man m i t Reallöhnen etwas erreichen könnte. Es gebe inzwischen viele Beispiele, daß Zurückhaltung bei den Reallöhnen für denjenigen, der diese Zurückhaltung geübt hat, überhaupt keinen Erfolg erkennbar werden ließ. Man komme hier i n die Problematik der öffentlichen Güter hinein. Dies sei auch eine Frage des politischen Prozesses, den man nicht einfach ausklammern könne, ganz abgesehen davon, daß er immer verwundert darüber sei, daß die Kreislaufgesichtspunkte i n dieser Diskussion völlig vernachlässigt würden. Die Konsequenzen könne man sich vorstellen. Gutowski entgegnet, man habe immer viel zuviel allein auf die Faktorpreisrelation geschaut. Es gebe kein Modell ohne Preisniveau, d.h. ohne Bundesbank. Man habe sich bei uns dazu entschlossen, nicht beliebige Inflation zuzulassen. Ergo ceteris paribus: Wenn die Reallöhne relativ hoch sind und durch Staatsverschuldung und andere Gegebenheiten eine Situation eintritt, in der der Realzins auch noch steigt, werde bei dem gegebenen Preisniveau das Kostenniveau höher. Man müsse auch auf die Totalkosten sehen. Der Substitutionseffekt von Kapital durch Arbeit, der sich daraus ergebe, daß der Zins i m Vergleich zum Lohn jetzt wieder etwas höher sei, sei ein feedback, das die ungünstige Wirkung der Totalkostenerhöhung nur abschwäche — zum Glück. Es sei aber nicht etwa so, daß man hier nur auf die Faktorpreisrelationen schauen könnte. Müller-Groeling 'betont, es gebe sehr wohl Beispiele dafür, daß Reallohnflexibilität, Reallohnverzicht eine Wirkung erzielt habe. I n den USA seien i n den letzten zwölf oder dreizehn Jahren etwa 20 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. Es sei irreführend, nur auf die A r beitslosenzahlen zu starren. Während i n der Bundesrepublik Arbeitsplätze verloren gegangen seien, seien i n den USA fast ebenso viele Arbeitsplätze geschaffen worden wie die Gesamtzahl der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik. Man könne damit freilich nicht beweisen, daß dies etwas mit der amerikanischen Arbeitsmarktverfassung und der Reallohnflexibilität zu t u n habe. Es sei dies aber doch ein interessantes Beispiel, auf das i m Zusammenhang mit Krupps Äußerung verwiesen werden müsse.

Zusammenfassung der Diskussion

Wolter bietet sodann nochmals einen Erklärungsansatz für die von Krupp gestellte Frage an, weshalb es nicht zu den lehrbuchmäßigen Rückkoppelungsprozessen gekommen ist, die zum Marktausgleich — auch auf dem Arbeitsmarkt — führten. I n den Marktwirtschaften sei es i n sehr beträchtlichem Umfang zu Rigiditäten gekommen, die zum Teil damit zusammenhingen, daß das wirtschaftspolitische assignment nicht mehr klar getroffen worden sei — zum Teil deshalb, weil der Staat die beschäftigungspolitische Verantwortung übernahm und dadurch die Gewerkschaften i n dieser Funktion entlastete, zum Teil, weil in den späten 70er Jahren über Protektion viele Märkte reguliert w u r den. I n dieses B i l d passe auch die Entwicklung der Bauinvestitionen. Der Rückgang der Bauinvestitionen sei nicht nur durch das Ende der Wiederaufbauphase begründet. Diese Phase sei nach seinem Eindruck bereits Ende der 50er Jahre abgeschlossen worden. A u f dem Wohnungsmarkt habe es vielmehr ganz massive und auch neue Regulierungen gegeben. Diese hätten ganz sicher dazu beigetragen, daß die Investitionstätigkeit gestört wurde. Görzig entgegnet Wolter, es sei ja allgemein bekannt, daß der Vergleich von Arbeitslosenquoten i m internationalen Bereich sehr schwierig sei. Es wundere i h n deshalb, daß versucht werde, gerade den Vergleich zwischen den USA und der Bundesrepublik heranzuziehen. Sicherlich sei die Arbeitslosenquote i n USA immer höher gewesen als die i n der Bundesrepublik. Sie sei i n den Vereinigten Staaten i n den letzten 15 Jahren u m 4,4%, i n der Bundesrepublik hingegen i n den letzten fünf Jahren u m 3,8 . Wenn auch nur ein Teil dieser Innovationsaktivitäten mit der Anwendung der Mikroelektronik i n Zusammenhang steht, stellt sich angesichts der schon heute erreichten Bedeutung von Innovationsinvestitionen natürlich die Frage, ob hiervon für den weiteren Verlauf der achtziger Jahre überhaupt noch zusätzliche Impulse erwartet werden können. Die A n t w o r t auf diese Frage fällt leicht, wenn man das Umfrageergebnis weiter nach W i r t schaftszweigen differenziert. Auch i m Bereich des investitionsgüterproduzierenden Gewerbes existieren noch erhebliche Unterschiede beim Umfang der Modernisierungsinvestitionen. Setzt man die Investitionsausgaben i n den Jahren 1981/82 i n Zusammenhang m i t Produktund Prozeßinnovationen i n Relation zu den durchgeführten Ersatzinvestitionen, so nimmt dieser Aktivitätsindex für den Straßenfahrzeugbau einen Wert von 635 an, für den Maschinenbau zeigt er dagegen nur einen Wert von 130 (Tab. 1). I n der Herstellung von Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten sind die Modernisierungsaktivitäten ähnlich stark ausgeprägt wie i m Straßenfahrzeugbau. Sicher ist das Innovationspotential nicht für alle Zweige des investitionsgüterproduzierenden Gewerbes so ausgeprägt wie für diesen Bereich. A l l e Branchen waren auch nicht i m gleichen Maße mit der japanischen Herausforderung konfrontiert. Wenn die weniger dynamischen Investoren aber alle wenigstens so aktiv gewesen wären wie der Bereich Feinmechanik/Optik, dann wären 1982 i m investitionsgüterproduzierenden Gewerbe rund 1,5 Mrd. D M mehr investiert worden. A l l e i n diese Zahl zeigt schon, daß das Potential an zusätzlichen Investitionsimpulsen noch groß ist. Dies gilt natürlich i n besonderem Maße auch für die Automatisierung von Bürotätigkeiten und von Dienstleistungsaktivitäten. Die breite Anwendung der neuen Techniken steckt hier erst i n den Anfängen. Selbst i m Bereich Banken und Versicherungen, wo die neuen Techniken bereits i n der Vergangenheit

Investitionsbedarf in der Bundesrepublik in den achtziger Jahren

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extensiv genutzt worden sind, ergeben sich für die achtziger Jahre neue „opportunities to invest". Tabelle 1

Modernisierungsaktivitäten 1981/82 im Investitionsgüter produzierenden Gewerbe

Wirtschaftszweig

Aktivitätsindex a ) bei Investitionen im Zusammenhans mit Produkt- und/oder Prozeßinnovationen

Produktinnovationen

Straßenfahrzeugbau

635

479

Büromaschinen und DV-Geräte .

544

397

Feinmechanik, Optik, Uhren

213

82

Elektrotechnik

199

86

EBM-Waren

168

31

Maschinenbau

130

33

ν Aixj » j i« j. . j a) Aktivitätsindex =

Innovationsinvestitionen — — χ 100 Ersatzinvestitionen

Quelle : Ifo-Investitionstest.

2.2. Mikroelektronik und Kapitalproduktivität Bisher wurde der Frage nachgegangen, welchen Investitionsbedarf die Umsetzung des technischen Fortschritts nach sich ziehen könnte. Zu vermuten ist jedoch auch, daß gerade von der Anwendung der Mikroelektronik nicht nur arbeits-, sondern auch kapitalsparende Effekte ausgehen. Als Beispiel hierfür kann die Entwicklung bei Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten herangezogen werden. M i t dem Vormarsch des Chips wurden diese Geräte nicht nur leistungsfähiger und vielfältiger einsetzbar; sie sanken dazu noch i m Preis. Wenn sich seit 1970 die Preise für diese Kategorie von Ausrüstungsgütern so entwickelt hätten wie bei Maschinenbauerzeugnissen, dann hätten 1980 statt tatsächlich 8,8 Mrd. D M für die Beschaffung dieser Güter 15,5 Mrd. D M ausgegeben werden müssen. M i t dem „ersparten" Kapitaleinsatz könnte die Büromaschinen- und Datenverarbeitungsgeräteindustrie gut ihr Investitionsprogramm für den Zeitraum 1981 - 85 finanzieren. (Selbstverständlich ist eine derartige Rechnung fiktiv. Ohne den Preisrückgang wäre sicher die Diffusion dieser Investitionsgüter nicht so rasch vorangekommen.

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Derartige kapitalsparende Effekte erscheinen auch über die Gruppe der büro- und nachrichtentechnischen Investitionsgüter hinaus möglich. So kann i m Zuge der Weiterentwicklung der NC-Maschinen der Fall eintreten, daß eine neue Maschine eine Reihe von bisher benutzten Aggregaten ersetzt und zu einem insgesamt niedrigeren Kapitaleinsatz je Produkteinheit führt. Wichtiger als diese Fälle eines direktverminderten Kapitaleinsatzes je Produktionseinheit dürften jedoch indirekte Effekte sein. Zu beachten ist insbesondere, daß durch das wachsende Angebot an flexiblen Fertigungssystemen für den Mittel- und Kleinserienbereich gerade für die Investitionsgüterherstellung erstmals die Möglichkeit zur Automatisierung der Fertigung eröffnet wird. Der bisher geltende Grundsatz, daß Kapitalgüter arbeitsintensiv hergestellt werden, w i r d also durchbrochen. Dies w i r d sich entscheidend auf die Kostenentwicklung bei der Erzeugung von Kapitalgütern und damit auf deren Preisentwicklung auswirken. Plakativ ausgedrückt: Der Industrieroboter w i r d die Senkung der Preise für Industrieroboter herbeiführen. Zu denken ist auch an Rückwirkungen des Trends zur M i niaturisierung auf den Raum- und damit auf den Baubedarf. Inwieweit die hier angeschnittenen Tendenzen sich bereits i n den achtziger Jahren bei der Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Kapitalkoeffizienten bemerkbar machen werden, ist außerordentlich schwer zu beurteilen. Vieles spricht jedoch dafür, daß sich auch die kapitalproduktivitätssteigernde Wirkung der neuen Techniken erst i n den neunziger Jahren deutlich zu Buch schlagen wird. 3. Faktorpreisentwicklung und Investitionsbedarf Gestatten Sie m i r zum Abschluß noch ein paar Bemerkungen zum dritten Komplex der für den Investitionsbedarf relevanten Determinanten, nämlich der Preisentwicklung bei den Produktionsfaktoren. I n den sechziger und siebziger Jahren war die rasche Verteuerung des Faktors Arbeit ein wichtiger Investitionsanlaß 9 . Die Verteuerung war nicht allein auf die steigenden Einkommensansprüche der Beschäftigten zurückzuführen. Noch mehr stieg die Belastung von Löhnen und Gehältern m i t Sozialabgaben. Für die achtziger Jahre ist damit zu rechnen, daß sich der Preisanstieg beim Faktor Arbeit nicht mehr i n dem i n der Vergangenheit gewohnten Tempo fortsetzt. Die Reaktion i n der Lohnpolitik auf die nachhaltig veränderte Arbeitsmarktsituation ist bereits deutlich spürbar. Unsicherheiten bestehen aber nach wie vor darüber, i n welchem Maße der Faktor Arbeit durch Sozialabgaben und etwaige Maßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung verteuert werden wird. ® Vgl. Ifo-Institut: Analyse . . . , a.a.O., S. 100 ff. sowie S. 138 ff.

Investitionsbedarf in der Bundesrepublik in den achtziger J a h r e n 9 1

Bereits i m Laufe der sechziger Jahre wurde deutlich, daß durch die intensive Nutzung die ehemals freien Güter Luft und Wasser einen Preis bekommen haben. Er mußte i n den siebziger Jahren auch durch sog. Umweltschutzinvestitionen i n nicht geringem Umfang entrichtet werden. Da dabei zumindest auf dem Gebiet der Verminderung der Luftverschmutzung mehr an den Symptomen als an der Wurzel (hohe Schornsteine) kuriert wurde, spricht alles dafür, daß die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts i n den achtziger Jahren sich weiter verteuern wird. Zusatzinvestitionen zeichnen sich vor allem i m Bereich der Energiewirtschaft ab. Die von den zwei Ölpreisschüben ausgelöste Verteuerung des Produktionsfaktors Energie hat sich seit Ende der siebziger Jahre i n speziellen Investitionen zur Energieeinsparung niedergeschlagen. Die Weltrezession, die durch die Energieverteuerung ausgelösten Verhaltensänderungen bei den Verbrauchern und der Effekt der Investitionen zur Energieeinsparung und Ölsubstitution haben zusammen einen deutlichen Rückgang der Nachfrage, insbesondere nach Öl, bewirkt. Die sich auf dem Weltmarkt öffnende Schere zwischen Angebot und Nachfrage hat zu einem Druck auf die Öl- und Energiepreise geführt. Das Ausmaß der Nachfragelücke ließ auch erwarten, daß neuerliche, kräftige Preiserhöhungen erst Ende der achtziger Jahre drohen 1 0 . Da die Preisentwicklung bei Öl, das nach wie vor die Preisführerschaft auf dem Energiemarkt hat, nicht allein von Marktdaten abhängt, sondern auch durch politische Veränderungen beeinflußt wird, hat jedoch auch diese Prognose erhebliche Risiken. Die Energiepolitik steht jedenfalls vor der Frage, ob allein auf die noch anhaltenden Effekte der zurückliegenden kräftigen relativen Verteuerung des Faktors Energie gesetzt werden kann oder ob unter dem Aspekt der Risikovorsorge zusätzliche Anreize zur Energieeinsparung und ölsubstitution erforderlich sind. I n welchem Umfang von der ζ. T. administrierten Preisentwicklung bei den genannten Produktionsfaktoren Investitionsanreize i n den achtziger Jahren ausgehen werden, hängt jedoch noch ganz entscheidend von der Entwicklung des Preises für Kapital selbst ab. Es kommt immer nur auf die Veränderung der relativen Faktorpreise bzw. auf die relative Veränderung der am Markt erzielbaren Preise für die angebotenen Güter und Dienstleistungen zum Preis der Kapitalnutzung an. Ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Höhe des Kapitalnutzungspreises ist die Zinsentwicklung. Diese w i r d nicht nur durch den Markt, sondern auch durch den Kurs der Geld- und Fiskalpolitik beeinflußt. Die Finanzpolitik w i r k t auf den Kapitalnutzungspreis auch 10

Vgl. E. v. Pilgrim: Internationale ölnachfrage unter konjunkturellen und strukturellen Einflüssen, in: Ifo-Schnelldienst, Nr. 6, 1983, S. 16 f.

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unmittelbar über die Ausgestaltung der Besteuerung des Gewinns (einschl. Abschreibungsregelungen) und des Kapitaleinsatzes selbst sowie über die Gewährung von Investitionszulagen bzw. -Zuschüssen (z. B. Regionalförderung) ein. I n welchem Umfang der skizzierte Investitionsbedarf i n den achtziger Jahren realisiert werden kann, hängt damit auch noch entscheidend davon ab, inwieweit es der Wirtschaftspolitik gelingt, eine weitere Absenkung des Kapitalnutzungspreises herbeizuführen. Da die Investitionschancen hauptsächlich i n der Umsetzung von neuen Techniken liegen, muß insbesondere Risikokapital reichlicher vorhanden sein 1 1 . Bei den gegebenen wirtschaftlichen Problemen ist mehr Risikokapital nicht leicht über eine Steigerung der Erträge zu mobilisieren. Zusätzlichen staatlichen Förderungsmaßnahmen sind angesichts des Konsolidierungsbedarfs bei den öffentlichen Haushalten enge Grenzen gesetzt. Mehr Kapital für eine innovative Verwendung stünde jedoch auch dann zur Verfügung, wenn die Anlage i n risikoärmeren Vorhaben weniger attraktiv wäre. Unter dem Allokationsaspekt wäre es deshalb bereits hilfreich, wenn vorhandene Steuerprivilegien für Investitionen i n Grund und Boden, die massive Wohnungsbauförderung und Erhaltungssubventionen eingeschränkt würden. 4. Zusammenfassung Das Fazit dieser Erörterung des Investitionsbedarfs i n den achtziger Jahren läßt sich i n vier Punkten zusammenfassen: 1. Bei der zurückhaltenden Beurteilung der mittelfristigen Wachstumsperspektiven durch die Wirtschaft kann der Bedarf an konventionellen Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen i n den achtziger Jahren kaum höher veranschlagt werden als i n der zweiten Hälfte der siebziger Jahre. Eine Verbesserung der Absatzerwartungen bedarf der Erarbeitung konkreter und durchsetzbarer Lösungsstrategien zur Überwindung der Wachstumsprobleme. 2. Die technologische Entwicklung bietet eine Fülle von Anreizen für Investitionen zur Verbesserung der angebotenen Palette von Produkten und Diensten und der Modernisierung des Produktionsapparates. Arbeits- und kapitalsparende Effekte der neuen Technik sind schwerpunktmäßig erst i n den neunziger Jahren zu erwarten. Der aus der Anwendung der neuen Techniken resultierende Investitionsbedarf hängt noch entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, die Akzeptanzprobleme gerade auch bei den neuen Informationsn Vgl. K. H. Oppenländer: Investitionen und Produktivität — Erfordernisse und Perspektiven, in: Ifo-Schnelldienst, Nr. 24/25, 1982, S. 30 ff.

Investitionsbedarf in der Bundesrepublik in den achtziger J a h r e n 9 3

und Kommunikationstechniken zu lösen. Diese sind gravierend, da es auf lange Sicht u m revolutionäre Veränderungen der Arbeitswelt und der Lebensverhältnisse des Einzelnen geht. 3. Ein erheblicher Investitionsbedarf resultiert nach wie vor aus den vorhandenen Gefahren für das ökologische Gleichgewicht. Investitionen zur Energieeinsparung und zur Reduzierung der Ölabhängigkeit werden voraussichtlich nicht wie i n den vergangenen Jahren von der Preisentwicklung her stimuliert. Der Investitionsbedarf hängt damit wieder stärker von den energiepolitischen Zielsetzungen ab und dem Stellenwert, der dabei der Risikovorsorge gegenüber neuerlichen Preisschüben eingeräumt wird. 4. I n welchem Maße der sich abzeichnende Investitionsbedarf realisiert werden kann, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit es der Geld- und Fiskalpolitik gelingt, eine weitere Senkung des Kapitalnutzungspreises herbeizuführen. Da mit den Investitionen häufig Neuland erschlossen werden muß, ist insbesondere Risikokapital gefragt. Einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des Angebots an Risikokapital könnte der Abbau der vorhandenen Förderung relativ risikoarmer Kapitalanlagen leisten.

Zusammenfassung der Diskussion Referat

Gerstenberger

Frau Hellwig stellt zunächst fest, -die Prognosen und Äußerungnen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften hätten heutzutage einen Stellenwert, der i n etwa m i t dem der Kirchen i m Mittelalter vergleichbar sei. (Heiterkeit) A n die aus ihrer Sicht doch relativ hoffnungsvollen Prognosen wolle sie die Frage nach dem Investitionsbedarf ins/besondere auf Grund der neuen Technologien knüpfen. Auch sie sehe hier einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft. Gleichzeitig bedrücke die Politiker das A k zeptanzproblem, das sie nicht nur i n der Angst vor den veränderten Lebenisverhältnissen begründet sehe, sondern angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen insbesondere i n der Angst, den Arbeitsplatz zu verliieren. Die Hauptpunkte i n der Diskussion dürften also sein: Wachst u m — ja, aber die Beschäftigungsprobleme dürften sich eher verschärfen als abmildern. Es heiße, daß die Beschäftigungsprobleme aus den technologischen Investitionen sich wahrscheninlch erst i n den 90er Jahren ergeben werden. Es wäre geradezu ideal, wenn diese Probleme erst dann auftauchten, wenn der Aribeitskräfteansturm des Nachwuchses nachläßt. M i t solchen Prognosen würde sie als Politikerin natürlich gern an die Öffentlichkeit gehen. Ihre Frage sei, ob es sich w i r k l i c h so verhalte und ob man dies auch so weitersagen könne. Auch ein vermehrtes Angebot an Teilzeitarbeit könne bis zu einem gewissen Grade zur Lösung der Probleme beitragen. Sie spreche sich allerdings gegen allgemeine Arbeitszeitverkürzungen aus, weil sie den Arbeitsmarkt noch unflexibler machten, noch mehr verhärteten und damit die Beschäftigungsprobleme verstärkten. Mehr Beschäftigung werde schließlich auch organisiert. Wenn die potentiellen Organisatoren nicht mehr genug arbeiteten, könnten sie auch nicht mehr Arbeit anbieten. Insofern könnte Teilzeitarbeit, die je nach Bedarf i m Bereich der verschiedenen Branchen flexibel eingesetzt würde, ein Lösungsansatz sein. E i n vermehrtes Angebot an Teilzeitarbeit sei allerdings umstritten. Die einen sähen darin die Möglichkeit zu -einer sinnvollen AbfLachung der Beschäftigungsprobleme, die anderen sähen d a r i n eine Wachstumsbremse, weil dadurch die Arbeitsbereitschaft gesenkt wird.

Zusammenfassung der Diskussion

Frau Hellwig stellt fest, Politiker ärgerten sich über den Schwarzmarkt. Die Wissenschaftler sollten vielleicht doch noch mehr i n das allgemeine Bewußtsein rücken, daß der Schwarzmarkt letzlich Beschäftiigungsprobleme lösen hift. Es gehe u m eine weitergefaßte Definition dessen, was produktive Arbeit ist. Es ergäben sich Parallelen — ohne daß dies allerdings m i t dem Schwarzmarkt zu t u n hätte — zu dem großen Heer der Hausfrauen, deren Arbeit produktiv wirke. Wenn man dies lalles i n Erwerbswirtschaft umsetzen müßte, hätte man noch größere Beschäftigungspröbleme. Für sie sei der Schwarzmarkt und das hohe Ausmaß an Beschäftigung, das er inzwischen ermögliche, eine Antwort auf die Politik, die den offiziellen Arbeitsmarkt m i t zu hohen Abgaben .belastet habe. Sie sehe eine der wichtigsten Aufgaben darin, diese Belastung des offiziellen Arbeitsmarktes einzudämmen und damit den Schwarzmarkt letztlich wirkungsvoller zu bekämpfen als m i t irgendwelchen Kontrollmaßnahmen. Scholz resümiert eine »Studie, die das Ifo-Institut 1980 der Bundesregierung übergeben hatte und die sich m i t den Auswirkungen des technischen Fortschritts i n den 80er Jahren auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt beschäftigt. Unter den damaligen Konstellationen kam Ifo zu dem Ergebnis, daß i m HinJblick auf die Nutzung der von der Technologie angelegten Innovationspotentiale zu befürchten sei, daß i n den 80er Jahren die Rationalisierungspotentiale dieser neuen Technologie verstärkt genutzt werden würden und daß vor dem Hintergrund der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und der entsprechenden beschäftigungspolitischen Konsequenzen gesamtwirtschaftlich daraus eine Produktivitätsschere entstehen würde. Daraus, daß das Produktionswachstum i m Schnitt der 80er Jahre niedriger sein werde als das Produktivitätswachstum, würde eine technologisch bedingte Verschärfung der Arbeitsmarktprobleme resultieren. Aus heutiger Sicht seien die Voraussetzungen, was die Technologienutzung anbetreffe, nicht mehr i n diesem Umfang gegeben. Die Politiker seien immer wieder m i t Beispielen konfrontiert, die i m Rollenspiel der Tarifparteien selbstverständlich insbesondere von den Gewerkschaften aufgegriffen würden, die aber der Vergangenheit angehörten. Dies gelte insbesondere für den Bereich der Mikroelektronik. Dort habe es eklatante Umstellungen i n einzelnen Sektoren mit erheblichen Entlassungsfolgen gegeben. Diese Technoloigiepotentiale seien jetzt, soweit es überschaubar sei, weitgehend ausgeschöpft. Das bedeute: Wenn jetzt neue Technologiepotentiale umgesetzt würden, habe man es mit viel komplexeren Innovastionsaktivitäten zu tun. Die Umsetzung und die Folgewirkungen träten erheblich verzögert ein. Das könne das Ifo-Institut belegen. Weiterhin gebe es, was die Personalpolitik der

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Zusammenfassung der Diskussion

Unternehmen anbelangt, gewisse stabilisierende Momente, die letztlich arbeitsrechtlich, tarifpolitisch angelegt sind. Wenn man dies beides zusammennehme, würden Informations- und Kommunikationstechnologi